Max Planck Institute for Intellectual Property, Competition and Tax Law
MPI Studies on Intellectual Property, Competition and Tax Law Volume 7
Edited by Josef Drexl Reto M. Hilty Wolfgang Schön Joseph Straus
Wolfgang Schön (Editor)
Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz im deutschen und europäischen Recht
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Professor Dr. Wolfgang Schön Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht Marstallplatz 1 80539 München
[email protected]
ISBN 978-3-540-85374-9
e-ISBN 978-3-540-85375 -6
DOI 10.1007/978-3-540-85375 -6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg ° Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 9 8 7 6 5 4 3 2 1 springer.de
Vorwort
Publizität und Transparenz gehören zu den Zauberworten der Gesetzgebung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. In der politischen Öffentlichkeit, aber auch in Fachkreisen der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaftslehre, wird der Ausweitung der öffentlich verfügbaren Informationen ein prinzipieller Mehrwert bei der Verbesserung rechtlicher Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln, insbesondere für die Lösung von Interessenkonflikten, zugesprochen. Vor allem die europäische und internationale Gesetzgebung auf dem Feld der Rechnungslegung ist vom Transparenzdenken geleitet; eine Berücksichtigung entgegenstehender Geheimhaltungsinteressen privater Akteure findet stetig weniger statt. Das hiermit der Öffentlichkeit vorgestellte Buch unternimmt es, vor dem Hintergrund zivil-, europa-, verfassungs- und kartellrechtlicher Rahmenbedingungen einen angemessenen Ausgleich zwischen den Informationsansprüchen der Öffentlichkeit und den Geheimhaltungsinteressen von Unternehmen zu erarbeiten und auszudifferenzieren. Dafür werden die bilanzrechtlichen, kapitalmarktrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Instrumente untersucht und um kartellrechtliche Rechtsbehelfe ergänzt. Das Werk ist aus einem Forschungsprojekt der Abteilung „Rechnungslegung und Steuern“ am Münchner Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht hervorgegangen, an dem sich in den Jahren 2005–2008 eine große Anzahl von Mitarbeitern des Instituts beteiligt hat. Sämtliche Autoren des Buches waren oder sind am Institut wissenschaftlich tätig; dabei wurde sowohl die bilanz- und gesellschaftsrechtliche als auch die wettbewerbsrechtliche Kompetenz des Hauses genutzt. Die Autoren danken für die umfassende und verlässliche redaktionelle Betreuung Herrn wiss. Mitarbeiter Philipp Redeker, der von stud. iur. Markus Gromeier, Leif Klinkert, Andreas Niedermeier, Erik Pöttker und Joost Osmers tatkräftig unterstützt wurde. Frau Gabriele Auer und Frau Petra Golombek haben vielfältige organisatorische und bibliothekarische Hilfe geleistet. München, im August 2008
Wolfgang Schön
Inhaltsübersicht
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.
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Geheimschutz und Wettbewerb – eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Schön
2.
Rechtliche Grundlagen zum Verhältnis von Informationspflichten und Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte – vorbereitende Auskunftsansprüche und Aufklärung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Christine Osterloh-Konrad 2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Lucas Wartenburger 2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität . . . . . . . . 105 Axel Cordewener 2.4. Kartellrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Stefan Enchelmaier
3.
Der Schutz wettbewerblicher Interessen im Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . 285
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Susanne Eßbauer 3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Christina Palmes 3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht . . . . . 411 Christian Kersting
VIII
4.
Inhaltsübersicht
Ökonomische Einsichten und rechtspolitische Vorschläge . . . . . . . . 527
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz – Problemeinschätzung deutscher börsennotierter Unternehmen . . . . . . . . 529 Simon Patrick Link 4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb – eine ökonomische und rechtspolitische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . 563 Wolfgang Schön
1. Geheimnisschutz und Wettbewerb – eine Einführung
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1. Geheimnisschutz und Wettbewerb – eine Einführung Wolfgang Schön*
1.1. Der Grundkonflikt Eine Information ist ein wertvolles Gut. Dieser Wert ist in hohem Maße davon abhängig, ob sie nur einzelnen Personen oder einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist. In vielen Fällen wird der Inhaber einer Information Wert darauf legen, als einziger Kenntnis von den zugrunde liegenden Tatsachen zu besitzen. Diesem Interesse kommt die Rechtsordnung nach, indem sie traditionell auch „Geheimnisse“ schützt, d.h. nur einem begrenzten Personenkreis zugänglichen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse. Dazu zählen nicht nur „Staatsgeheimnisse“ (§ 93 StGB), sondern auch „Privatgeheimnisse“ (§ 203 StGB), unter denen sich neben Informationen zum persönlichen Lebensbereich wiederum die „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ finden, deren Verwertung durch unbefugte Personen gesondert in § 204 StGB unter Strafe gestellt ist. Unter diese Kategorie von „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ eines Kaufmanns subsumierte das Reichsgericht noch im Jahre 18971 auch dessen Bilanz: die Weitergabe des Jahresabschlusses durch einen unbefugte Person erfüllte damit den Tatbestand einer Straftat. Die persönliche Verfügung des Kaufmanns über seine wesentlichen finanziellen und wirtschaftlichen Daten und damit auch die Nutzung für eigenwirtschaftliche Zwecke war damit strafrechtlich geschützt. Nur auf freiwilliger Grundlage sollte eine Offenlegung dieser Daten an vom Kaufmann selbst ausgewählte Personen erfolgen. Mehr als 100 Jahre später hat sich die Situation dramatisch verändert. Das europäisch harmonisierte Bilanz- und Kapitalmarktrecht verlangt nach einer weitgehenden Offenlegung finanzieller Daten von Kapitalgesellschaften und bestimmten – ihnen gleichgestellten – Personenunternehmen. Gesellschaftsrechtlich wird dies durch weit reichende Auskunftsrechte der Anteilseigner – etwa im GmbH-Recht oder im Aktienrecht – unterstützt. Hinzu treten anlassbezogene Publizitätspflichten im Kapitalmarktrecht, etwa im Rahmen der Regeln über die Ad-Hoc-Publizität. Die öffentliche Transparenz von Unternehmensdaten gehört zu den Selbstverständlichkeiten der Wirtschaftspraxis, deren Legitimation weitgehend nicht (mehr) in Frage gestellt wird. Publizität gilt als Preis der Marktteilnahme2 oder zumindest – bei Kapitalgesellschaften – als Preis der Haftungsbeschränkung. Der Europäische Gerichtshof hat diese Grundtendenz in mehreren viel beachteten Urteilen unter-
*1 Dr. iur., Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München, Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1 RGSt 29, 426, (430). 2 MERKT, Unternehmenspublizität, 2001, 389 ff.
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Wolfgang Schön
stützt und die Mitgliedstaaten verpflichtet, die generelle Offenlegung von Unternehmensdaten durchzusetzen3. Demgegenüber sind die Kosten der Produktion und Publizität von Unternehmensinformationen im europäischen und deutschen Schrifttum weitgehend in Vergessenheit geraten 4. Zu diesen Kosten gehören wesentlich auch Nachteile im Wettbewerb, die durch die Veröffentlichung von technologischen oder strategischen Innovationen oder auch durch die Publizität finanzieller Daten gegenüber marktstarken Wettbewerbern, Nachfragern oder Zulieferern eintreten können. Das geltende Bilanzrecht – und vor allem das Kapitalmarktrecht – schenken diesem Kostenproblem nahezu keine Aufmerksamkeit, obwohl ungebremste Transparenz auch erhebliche Wohlfahrtsverluste mit sich bringen kann. Schutzklauseln sind stückweise abgebaut und im System der internationalen Rechnungslegung überhaupt nicht mehr eingerichtet worden. Publizität – auch Zwangspublizität – wird als grundsätzlich überlegene rechtspolitische Lösung empfunden; die Mehrung der öffentlich verfügbaren Informationen gilt als eine in ihren positiven Effekten unbezweifelte Zielsetzung. Die Fakten sehen jedoch anders aus. In einer statistischen Erhebung konnte festgestellt werden, dass Unternehmen die Wettbewerbsrelevanz von Publizitätspflichten deutlich wahrnehmen, ja dass sie vielfach den Nutzen fremder Bilanzinformationen für ihre eigenen wettbewerblichen Verhaltensweisen höher einschätzen als die Nachteile, die sie selber aus fremdem Datenzugriff zu erwarten haben 5. Die Grundproblematik von Geheimnisschutz und Wettbewerb liegt nun darin, dass eine weitgehende Offenlegung von Unternehmensdaten bei einer bestimmten Gruppe von Adressaten (Fremd- und Eigenkapitalgeber, potentielle Investoren) positive Effekte zeitigen kann, während die gleiche Information in der Hand anderer Nutzer (Wettbewerber oder Geschäftspartner auf Produktmärkten) individuelle, aber auch volkswirtschaftliche Nachteile mit sich führen kann. Gerade in einem System allgemeiner Marktpublizität kann jedoch der sektorale Ausschluss einzelner Nutzergruppen kaum gelingen; man steht vor der Wahl zwischen einer Unterversorgung des Kapitalmarktes mit Informationen und der zweckwidrigen Nutzung derselben Informationen durch Akteure des Produktmarktes.
1.2. Lösungen im Zivil- und Gesellschaftsrecht Dieser Grundkonflikt existiert nicht nur im Bilanz- und Kapitalmarktrecht. Bereits die allgemeinen Regeln des Zivilrechts (einschließlich des Zivilprozessrechts) müssen sich der Frage widmen, wie bei der Durchsetzung von Auskunftsansprüchen (bei unsicherer Rechtslage) mit den berechtigten Interessen des Auskunftsgegners auf Geheimhaltung seiner wirtschaftlichen Daten umzugehen ist. Mit diesen Grund-
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Siehe dazu die Darstellung bei CORDEWENER, in diesem Buch S. 105 ff. Zum Problem der Informationskosten im Zivilrecht siehe allgemein REHBERG in: EGER/SCHÄFER (Hrsg.), Ökonomische Analyse der Zivilrechtsentwicklung, 2007, 298 ff.; S CHÖN in: HELDRICH u. a. (Hrsg.), FS Canaris, 2007, 1191 (1205 ff.). Siehe dazu den Beitrag von LINK, in diesem Buch S. 529 ff.
1. Geheimnisschutz und Wettbewerb – eine Einführung
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fragen befasst sich in diesem Band der Beitrag von Christine Osterloh-Konrad 6, der anhand der Thematik zivilrechtlicher Auskunftsansprüche sowohl die fein geschliffenen Instrumente der Darlegungs- und Beweislastregeln als auch die möglichen verfahrensrechtlichen Instrumente einer begrenzten Weitergabe von sensiblen Informationen an vertrauenswürdige Dritte (Wirtschaftsprüfervorbehalt) oder sogar eine von der Wahrnehmung der Parteien abgeschottete gerichtliche Würdigung von vertraulichen Tatsachen in einem in-camera-Verfahren präsentiert. In diesem Beitrag wird deutlich, dass es zwischen der allgemeinen Publizität und dem strikten Geheimnisschutz intermediäre Stufen der Konfliktlösung gibt. Allerdings beschränkt sich die zivilrechtliche Betrachtung auf Zweipersonen- oder höchstens Dreipersonenbeziehungen, bei denen eine allgemeine Streuung von Informationen nicht zu besorgen, aber auch nicht erforderlich ist. Eine weitergehende Beteiligung von Personen vollzieht sich im Gesellschaftsrecht, wo mehreren Teilhabern sowohl im Personengesellschafts- als auch im Kapitalgesellschaftsrecht gleichartige Informationsrechte gegen die geschäftsführenden Organe zustehen. In seinem einleitenden Überblick zum Gesellschaftsrecht macht Christian Kersting7 deutlich, dass das Gesellschaftsrecht zwei unterschiedliche Lösungswege kennt, um den Konflikt zwischen Vertraulichkeit von betrieblichen Informationen einerseits und Transparenz zwischen Mitgliedern und Organwaltern zu lösen: Entweder wird (etwa bei persönlich haftenden Gesellschaftern) ein umfassendes Informationsrecht mit einem Wettbewerbsverbot kombiniert und damit die individuelle Nutzung wettbewerbsrelevanter Informationen unterbunden oder es wird der Geschäftsführung (etwa in Kapitalgesellschaften) erlaubt, sensible Daten im Interesse des Unternehmens zurückzuhalten. Die Wahl des passenden Instruments richtet sich nach der Nähe der Teilhaber zum Unternehmen und ihrer Anzahl: bei der großen Publikums-AG ist die Situation so gelagert, dass die begrenzte Öffentlichkeit der Hauptversammlung so viele Personen einschließt, dass von einer faktischen Publizität gegenüber der Allgemeinheit gesprochen werden muss. Dementsprechend sind die Auskunftsverweigerungsrechte des Vorstandes in der AG deutlich stärker ausgeprägt als diejenigen der Geschäftsführung in der GmbH oder in den Personengesellschaften.
1.3. Vorgaben im Verfassungsrecht und im Europäischen Gemeinschaftsrecht Die Preisgabe von geschäftlichen Informationen berührt einen Bereich persönlichen wirtschaftlichen Handelns, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von mehreren grundrechtlichen Positionen unter Schutz gestellt wird. So können sowohl die wirtschaftsorientierten Grundrechte der Berufsfreiheit (Art.12 GG) als auch der Eigentumsfreiheit (Art.14 GG) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art.2 Abs.1 GG) eine Rolle spielen, wenn Einzelpersonen mit Publizitätspflichten belastet werden. Diese Thematik wird in diesem Band von 6 7
In diesem Buch S. 9 ff. In diesem Buch S. 411 ff.
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Lucas Wartenburger 8 entfaltet. Er macht deutlich, dass das Verfassungsrecht hier die rechtspolitischen Lösungen nicht mit Eindeutigkeit vorprägt. Die Abwägung zwischen den Schutzinteressen publizitätspflichtiger Personen und dem Nutzen der Offenlegung für Dritte und die Allgemeinheit muss eine Vielzahl unterschiedlicher Situationen und Interessenlagen in den Blick nehmen; dabei lässt sich nicht ein grundsätzlicher Vorrang der informationellen Selbstbestimmung der transparenzpflichtigen Person behaupten. Die wesentlichen materiellen Grundlagen des Publizitätsrechts sind heute – jedenfalls für Kapitalgesellschaften und gleichgestellte Personengesellschaften – im Europäischen Gemeinschaftsrecht niedergelegt. Dies bedeutet, dass ein rechtspolitischer Vorschlag zur Änderung der Publizitätsregeln sich an den Gemeinschaftsgesetzgeber wenden muss. In seinem umfangreichen Beitrag zu diesem Buch legt Axel Cordewener9 dar, wie bereits das Recht der Grundfreiheiten zunehmend von einem „Informationsmodell“ geprägt wird. Im Folgenden entfaltet er filigran die sekundärrechtlichen Grundlagen der Pflichtpublizität im Bilanzrecht und im Kapitalmarktrecht. Dabei muss auch im Europäischen Gemeinschaftsrecht – wie schon im nationalen Verfassungsrecht – die grundrechtliche Dimension geprüft werden. Dabei wird deutlich, dass erneut die (europäischen) Grundrechte die rechtspolitische Ausrichtung der Publizitätsregeln nicht abschließend vorprägen. Zwar lässt sich auch auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts prinzipiell ein Schutz der beruflichen und gewerblichen Sphäre von Unternehmen bejahen, doch können erneut Ansprüche der Allgemeinheit oder Dritter als Legitimation für einen Datenzugriff bis hin zur allgemeinen Marktpublizität ins Feld geführt werden. Erneut muss aber auch festgehalten werden, dass die grundrechtliche Zulässigkeit dieser Publizitätsregeln keine abschließende Auskunft über ihre rechtspolitische Vernunft geben kann.
1.4. Schweigerecht oder Nutzungsverbot zwischen Bilanz-, Kapitalmarkt- und Kartellrecht Es ist bereits dargelegt worden (unter II.), dass der Konflikt zwischen den Geheimnisschutzinteressen eines Unternehmens und der öffentlichen Nutzung von Informationen durch Dritte auf zweifache Weise gelöst werden kann: durch ein Schweigerecht der mitteilungspflichtigen Person und durch eine Nutzungsbeschränkung der informationsberechtigten Person. Das Gesellschaftsrecht kennt – wie dargestellt – beide rechtstechnischen Ansätze. Das Bilanz- und Kapitalmarktrecht hingegen ist im Grundsatz darauf angelegt, Konflikte durch ein informationelles Zurückbehaltungsrecht zu lösen. Beispielhaft ist das Aufschubrecht bei der Ad-Hoc-Publizität, das von Christian Kersting ausführlich behandelt wird. Hier kann ein publizitätspflichtiges Unternehmen für einen gewissen Zeitraum Informationen zurückhalten, wenn dies gleichermaßen im Interesse des Emittenten und der Investoren liegt. Doch wird hier gerade keine endgültige Befreiung von der Publizitätspflicht ange8 9
In diesem Buch S. 49 ff. In diesem Buch S. 105 ff.
1. Geheimnisschutz und Wettbewerb – eine Einführung
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ordnet. Dem entspricht die generelle Tendenz im allgemeinen Bilanzrecht, Schutzklauseln abzubauen und der Transparenz den überragenden Vorrang zu geben. In dem Beitrag von Susanne Essbauer10 wird deutlich, dass im geltenden HGB nur noch an wenigen Stellen (zum Anhang) Schutzklauseln wegen Wettbewerbsgefährdungen existieren und in den internationalen Standards (IAS/IFRS) überhaupt keine offenen Schutzklauseln mehr akzeptiert sind. Dass dies zu Ausweichreaktionen im Rahmen von bilanzpolitischen Gestaltungen führt, ist ebenso evident. Auch im Lagebericht findet sich – wie Christina Palmes11 darlegt – keine explizite Schutzregelung, so dass nur eine teleologische Interpretation des Einblicksgebots ein begrenztes Zurückhaltungsrecht legitimieren kann. Dieses Gesamtbild kann nicht überzeugen. Der Konflikt zwischen dem Geheimnisschutz der publizitätspflichtigen Person und dem Anspruch Dritter auf zuverlässige und vollständige Daten wird unter dem Einfluss der Kapitalmarktorientierung des Bilanzrechts einseitig zugunsten der außen stehenden Dritten gelöst. Dabei wird – anders als im Gesellschaftsrecht – die wettbewerbliche Problematik der Nutzung von kapitalmarktgerichteten Informationen an den Produktmärkten nicht einmal gesehen12. Demgegenüber muss die rechtspolitische Zielsetzung umgekehrt werden: Jeder Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung eines Unternehmens bedarf einer Legitimation. Diese Legitimation ergibt sich nicht schon aus der Marktteilnahme und auch nicht aus der haftungsbeschränkenden Wirkung bestimmter Rechtsformen. Daher muss überlegt werden, ob für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen nicht die allgemeine Registerpublizität generell aufgegeben werden soll. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen kommt hingegen der Konflikt zwischen dem Investorenschutz auf den Kapitalmärkten und dem Unternehmensschutz auf den Produktmärkten voll zum Tragen. Dem kann vor dem Hintergrund einer fortbestehenden Pflichtpublizität nur mit Hilfe sachlich begrenzter Zurückbehaltungsrechte Einhalt geboten werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch die Offenlegung technologisch oder strategisch sensibler Tatsachen die Innovationskraft eines Unternehmens und damit auch der volkswirtschaftliche Nutzen insgesamt beeinträchtigt werden. An dieser Stelle kann und muss die Zusatzfunktion des Kartellrechts einbezogen werden. Stefan Enchelmaier13 macht in seinem Beitrag die besondere Rolle des Austauschs von Informationen und des Zugangs zu Unternehmensdaten für die Bildung von Kartellen oder die Strategien marktmächtiger Unternehmen erkennbar. Das Kartellrecht kann allerdings auf die Pflicht zur Offenlegung von Unternehmensdaten nicht unmittelbar einwirken, sondern allenfalls die Nutzung dieser Daten mit Sanktionen belegen. So muss geprüft werden, in welchem Umfang die staatlich geforderte Mitteilung von Unternehmensdaten zu einem abgestimmten Verhalten zwischen Konkurrenten geführt hat oder ob die Einsicht in fremde Rechnungslegungsunterlagen einem marktmächtigen Unternehmen eine verdrängende 10 11 12 13
In diesem Buch S. 287 ff. In diesem Buch S. 375 ff. SCHÖN in diesem Buch S. 563 ff. In diesem Buch S. 271 ff.
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Strategie ermöglicht hat. Kartellrecht und Bilanzrecht können einander ergänzen – während das Bilanzrecht das Instrument eines Schweigerechts verwaltet, kann das Kartellrecht Sanktionen gegen die wettbewerbswidrige Nutzung von Unternehmensinformationen bereitstellen.
1.5. Schluss Die vorstehenden Überlegungen haben deutlich gemacht, dass es sich bei der Konfrontation zwischen Unternehmenspublizität und Wettbewerbsschutz um ein Querschnittthema handelt. Die nachstehenden Beiträge versuchen, in einem ersten Schritt die Grundlagen der Themenstellung im Zivilrecht, im Verfassungsrecht, im Europäischen Gemeinschaftsrecht und im Kartellrecht zu erarbeiten. In dem nachstehenden Teil wird der Diskussionsstand zum Bilanzrecht und zum Kapitalmarktrecht ausführlich analysiert und mit weiterführenden Gedanken angereichert. In einem abschließenden Teil werden schließlich sowohl die empirische Lage als auch die rechtspolitisch-ökonomischen Aspekte unabhängig vom Stand des geltenden Rechts untersucht. Die Prüfung mündet in konkrete rechtspolitische Vorschläge zum künftigen Bilanz-, Kapitalmarkt- und Kartellrecht.
2. Rechtliche Grundlagen zum Verhältnis von Informationspflichten und Geheimnisschutz
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
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2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte – vorbereitende Auskunftsansprüche und Aufklärung im Zivilprozess Christine Osterloh-Konrad *
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte – vorbereitende Auskunftsansprüche und Aufklärung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Öffentlichkeitsgrundsatz und Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3. Informationsverweigerung und prozessuale Lastenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.1. Die Verlagerung der Darlegungslast und die Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.2. Die Beweisvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.3. Prozessuale Rechtsinstitute und materiellrechtlicher Informationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4. Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1. Die Voraussetzungen des allgemeinen vorbereitenden Informationsanspruchs . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1.1. Auskunftsansprüche im Zweipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1.2. Auskunftsansprüche im Dreipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.2. Die Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.2.1. Schutzwürdige Interessen des Auskunftsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.2.2. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.2.3. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.3. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.4. Geheimnisschutz versus Informationsinteresse am Beispiel des § 809 BGB . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5. Geheimnisschutz und Parteirollen im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6. Deus ex machina – Das Geheimverfahren als Ausweg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7. Schluss und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.1.1. Einleitung Die Frage nach einem angemessenen Ausgleich zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse stellt sich bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche vor allem dann, wenn eine Person für die Verfolgung ihrer Rechte Informationen benötigt, die ihr nur eine andere Person geben kann, aber – aus welchen Gründen auch immer – verweigert1. Den weitaus größten Teil derartiger Konstellationen stellen diejenigen Fälle dar, in denen jemand gegen einen anderen einen Anspruch zu haben glaubt – den so genannten Hauptanspruch – und für dessen Durchsetzung Kenntnisse benötigt, die ihm nur der andere vermitteln kann. Diese Kenntnisse betreffen zumeist die Höhe des Anspruchs, können sich aber auch auf den Anspruchsgrund beziehen. Als Beispiel sei die Schadensberechnung nach der Verletzergewinnmethode im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht genannt: Wenn der Verletzte seinen Schaden auf diese Weise beziffern möchte, ist er auf Informationen aus der Sphäre des Verletzers angewiesen. Vergleichbare Konflikte können *1 Dr. iur., Wissenschaftliche Referentin am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München. 1 Ausführlich zur gesamten Problematik OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch.
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auch im Dreipersonenverhältnis auftreten: Eine Partei benötigt für die Durchsetzung ihrer Rechte Kenntnisse, die sie sich von einem Dritten beschaffen möchte, der nicht ihr potentieller Gegner in der Hauptsache, sondern ein mehr oder weniger Unbeteiligter ist. Das Geheimhaltungsinteresse der in Anspruch genommenen Partei, das mit dem Informationsbedürfnis ihres Gegners kollidiert, mag sich auf die Hoffnung beschränken, durch Informationsverweigerung der Durchsetzung des hinter dem Auskunftsbegehren stehenden Hauptanspruchs zu entgehen. Doch häufig spielen auch andere Interessen eine Rolle, beispielsweise wenn es sich bei der gegnerischen Partei um einen Konkurrenten handelt, der Unternehmensinterna seines Gegners zu dessen Schaden verwenden kann. Auch die Gefahr einer Preisgabe der Betriebsgeheimnisse an Dritte, die nicht unmittelbar an dem Konflikt beteiligt sind, kann eine Partei davon abhalten, im Prozess sensible Informationen zu offenbaren. Die Schutzwürdigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erkennt die Rechtsordnung an verschiedenen Stellen an 2. Geschützt sind dabei nur solche Informationen, die nicht offenkundig sind, nach dem Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und hinsichtlich derer ein in der Wettbewerbsfähigkeit begründetes Geheimhaltungsinteresse besteht3. Als Beispiele seien kaufmännische Daten wie etwa Umsätze, Kundenlisten, Einkaufskonditionen, Kalkulationsgrundlagen, Gemeinkosten oder auch technisches Wissen, Entwicklungs- und Forschungsprojekte genannt. Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen ist verfassungsrechtlich in der Eigentumsgarantie4 und der Berufsfreiheit5 verankert. Er dient nicht nur dem individuellen Bedürfnis des Einzelnen, sondern fungiert zugleich als Anreiz für Leistung und Wettbewerb und fördert damit das Gemeinwohl6. Ein Ausgleich zwischen rechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen und dem Aufklärungsbedürfnis derjenigen Partei, welche die betreffenden Informationen zur Durchsetzung ihrer Rechte benötigt, kann auf unterschiedliche Weise geschaffen werden. Geht es der an der Geheimhaltung interessierten Partei in erster Linie darum, dass sensible Informationen nicht allgemein bekannt werden, so ist an einen Ausschluss der Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung zu denken, verbunden mit einer Verpflichtung des Gegners zur Geheimhaltung (näher unter 2.1.2.). Dieser Weg scheidet allerdings aus, wenn sich ihr Interesse darauf richtet, gerade dem Gegner keinen Einblick in ihre Betriebsinterna zu geben, oder wenn ihr das Risiko eines Geheimnisverrats trotz Ausschlusses der Öffentlichkeit zu groß erscheint. Dann muss die Rechtsordnung entscheiden, ob sie zur Offenbarung gezwungen werden kann oder zumindest die Nachteile unterbliebener Aufklärung zu tragen hat oder ob vielmehr ihrem Geheimhaltungsinteresse gegenüber dem Auf2
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Etwa in §§ 172 Nr. 2 GVG, 383 I Nr. 6, 384 Nr. 3 ZPO, 139 III 2 PatG, 17, 18 UWG, 203, 204 StGB, 404 AktG. STÜRNER, JZ 1985, 453; LACHMANN, NJW 1987, 2206 (2207); KRAßER, GRUR 1977, 177 (178); DANNECKER, BB 1987, 1614 (1616); vgl. auch BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1042). BVerfGE 67, 100 (142). BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1042). STÜRNER, JZ 1985, 453 (454); PFEIFFER, in: FS Nirk, 861 (865).
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
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klärungsbedürfnis der Gegenseite der Vorrang einzuräumen ist. Diese Entscheidung trifft in einigen Fällen das Prozessrecht, das verschiedene Möglichkeiten bietet, Informationsdefizite zwischen privaten Parteien zu bewältigen (2.1.3.). In anderen Fällen kann der nicht informierten Partei nur ein materiellrechtlicher vorbereitender Informationsanspruch helfen (2.1.4.). Als eine Möglichkeit, Informations- und Geheimhaltungsinteresse miteinander zu vereinbaren, wird das prozessuale Geheimverfahren diskutiert; gegen seine Einführung in den Parteiprozess der ZPO bestehen jedoch durchgreifende Bedenken (2.1.6.).
2.1.2. Öffentlichkeitsgrundsatz und Geheimhaltung Die Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes erlauben einen Ausschluss der Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung aus Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen einer Partei. Mit § 171b GVG hat der Gesetzgeber durch das Opferschutzgesetz aus dem Jahre 1986 die Möglichkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses zum allgemeinen Schutz der Privatsphäre eingeführt. Die Vorschrift setzt voraus, dass Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, und dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände nicht überwiegt. Der Hauptanwendungsbereich dieser Norm liegt im Strafverfahren; im Zivilprozess kann sie etwa in Arzthaftungsverfahren Bedeutung erlangen7. Bei der Abwägung zwischen Öffentlichkeitswert und Individualinteresse, die § 171b GVG erfordert, ist im Zweifel letzterem der Vorrang einzuräumen, wie der Wortlaut der Vorschrift zeigt8. Diese Zweifelsregel gilt hingegen nicht für den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 172 GVG, von dessen Varianten im vorliegenden Zusammenhang vor allem § 172 Nr. 2 GVG interessiert. Er gestattet eine nichtöffentliche Verhandlung, wenn ein Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommen soll, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden. Für die Anwendung von § 172 Nr. 2 GVG ist positiv festzustellen, dass das Interesse an der Geheimhaltung dasjenige an der Wahrung der Öffentlichkeit übersteigt, wobei der Gesetzeswortlaut ein „wichtiges“ Geheimnis voraussetzt. Mithin muss es sich um ein Geheimnis von erheblicher Bedeutung für den Betroffenen handeln 9. Einen besonderen Ausnahmefall setzt der Ausschluss der Öffentlichkeit allerdings nicht voraus10. Wird die Öffentlichkeit nach einer dieser Vorschriften ausgeschlossen, so ist es den in der Verhandlung Anwesenden nicht bereits kraft Gesetzes verboten, die offenbarten Informationen weiterzugeben11. Das Gericht kann ihnen aber nach § 174
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S. FENGER, NJW 2000, 851 ff. Vgl. SCHILKEN, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 190. SCHILKEN, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 187. BAG, VersR 1985, 790. MAYER, in: KISSEL, GVG, § 174 Rn. 23.
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III 1 GVG eine Geheimhaltungspflicht auferlegen, die nach § 353d StGB strafbewehrt ist.
2.1.3. Informationsverweigerung und prozessuale Lastenverteilung Der Ausschluss der Öffentlichkeit gibt derjenigen Partei, die an Geheimhaltung interessiert ist, eine gewisse Absicherung dagegen, dass ihr Geheimnis unbeteiligten Dritten oder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird. Sicher kann sie sich freilich nicht sein, da auch dann, wenn ihrem Gegner eine Geheimhaltungspflicht auferlegt wird, die Gefahr besteht, dass er die sensiblen Informationen weitergibt. Hinzu kommt, dass sie nicht zuverlässig verhindern kann, dass er von dem Geheimnis selbst Gebrauch macht. Dieses Risiko wird sie vor allem dann, wenn sie zu ihrem Gegner in einem Wettbewerbsverhältnis steht, nicht unbedingt eingehen wollen. Die Regelungen des GVG bieten ihr mithin nur einen unvollkommenen Schutz. Wenn sie selbst darlegungs- und beweispflichtig für die entscheidungsrelevante Tatsache ist, deren Einführung in den Prozess eine Offenbarung ihrer Geheimnisse bedeuten würde, steht sie vor den Alternativen, auf die Durchsetzung ihrer Rechte zu verzichten oder ihr Geheimnis preiszugeben. Ist hingegen ihr Gegner nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet und kann er diese prozessualen Lasten nicht erfüllen, weil die entsprechenden Informationen ihm nicht zugänglich sind, so bedeutet die Bewahrung des Geheimnisses grundsätzlich keinen Nachteil für die informierte Partei. Anders stellt sich die Lage aber dar, wenn ihr wegen ihres Informationsvorsprungs ausnahmsweise ein Aufklärungsbeitrag abverlangt wird. Nur dann hat es für sie nachteilige prozessuale Konsequenzen, wenn sie die Preisgabe eines Geheimnisses verweigert. Also hängen die Folgen der Kenntnis geheimhaltungsbedürftiger entscheidungserheblicher Informationen für die nicht beweisbelastete Partei – in der Regel den Beklagten – davon ab, in welchen Fällen die ZPO ihr eine Mitwirkung an der Aufklärung im Prozess zumutet. Zunächst ist hier an die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht aus § 138 I ZPO zu denken, der beide Parteien unterliegen. Doch erstens verbietet sie nur den bewusst unwahren Vortrag, und ein Verstoß dagegen kann vor Gericht kaum nachgewiesen werden. Zweitens erfüllt die Wahrheitspflicht nicht den Zweck, den Gegner von seiner Darlegungslast zu befreien 12, so dass sie den Umfang der Mitwirkungspflicht einer Partei an der Aufklärung im Prozess nicht beeinflusst. Effektiver ist eine Umverteilung der Risiken im Prozess, die in verschiedenen Konstellationen anerkannt ist; dadurch lässt sich erreichen, dass diejenige Partei, welche die zur Klärung des Sachverhalts notwendigen Kenntnisse besitzt oder ihrem Gegner die Nutzung von Beweismitteln unmöglich macht oder erschwert, die Nachteile unterbliebener Aufklärung zu tragen hat, ohne zur Mitwirkung gezwungen zu werden.
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GREGER, in: ZÖLLER, § 138 Rn. 3.
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2.1.3.1. Die Verlagerung der Darlegungslast und die Beweislastumkehr Ein erstes Beispiel dafür bietet die Verlagerung der Darlegungslast im Zivilprozess. Grundsätzlich richtet sich die Darlegungslast nach der Beweislast13, so dass regelmäßig diejenige Partei die Voraussetzungen einer bestimmten Norm darlegen muss, die sich auf ihre Anwendung beruft14. Damit steht derjenige, der die Tatbestandsmerkmale einer für ihn günstigen Rechtsnorm nur unter Offenbarung von Betriebsinterna darlegen kann, vor der Entscheidung, ob er auf die Rechtsdurchsetzung verzichten oder die Nachteile und Risiken in Kauf nehmen möchte, die mit einer Offenlegung verbunden sind. Aus diesem Konflikt gibt es – zumindest nach geltendem Recht15 – für die beweisbelastete Partei keinen Ausweg. Von der nicht darlegungsbelasteten Partei verlangt § 138 II ZPO, dass sie sich zu den von ihrem Gegner behaupteten Tatsachen erklärt. Dabei hängt der Umfang dieser Erklärungspflicht davon ab, wie ausführlich der Gegner selbst vorgetragen hat: Geht sein Vortrag bis in die Einzelheiten, so darf sie nicht pauschal bestreiten, sondern muss zu diesen Einzelheiten Stellung nehmen16. Zusätzlich kommt es darauf an, ob es sich bei dem geschilderten Sachverhalt um eigene Handlungen oder Wahrnehmungen der bestreitenden Partei handelt; ist dies nicht der Fall, so werden an ein wirksames Bestreiten keine hohen Anforderungen gestellt17. Mitunter reicht dieses im Gesetz vorgesehene Wechselspiel zwischen Behauptung und Gegenbehauptung nicht aus, um der darlegungsbelasteten Partei eine effektive Rechtswahrnehmung zu ermöglichen. Denn sie kann den Sachverhalt, dessen Darlegung ihr auferlegt wird, nicht immer hinreichend substantiiert vortragen, beispielsweise weil ihr Kenntnisse aus dem Bereich ihres Gegners fehlen. In derartigen Fällen kann das Institut der Verlagerung der Darlegungslast eingreifen (auch: sekundäre Behauptungs- oder Darlegungslast). Die Rechtsprechung nimmt eine solche Lastenverschiebung dann an, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des relevanten Geschehensablaufs steht, ihr Gegner hingegen unschwer die notwendigen Informationen zu erteilen vermag und ihm dies auch zumutbar ist18. Liegen diese Voraussetzungen vor, so reicht es aus, wenn die darlegungsbelastete Partei den Sachverhalt lediglich in groben Zügen schildert. Dann gerät die andere Partei in Zugzwang und muss zur Widerlegung des gegnerischen Vorbringens Einzelheiten vortragen. Unterlässt sie dies, so gilt das Vorbringen als zugestanden, § 138 III ZPO 19. Zur Offenlegung gezwungen werden kann die informierte Partei also auch dann nicht, wenn die sekundäre Darlegungslast eingreift. Sie erleidet we-
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LEIPOLD, in: STEIN/JONAS, § 286 Rn. 38. So genannte Rosenberg’sche Normentheorie, vgl. ROSENBERG, Beweislast, 12; MUSIELAK, in: Festgabe 50 Jahre BGH Bd. III (2000), 193 (209); BGHZ 3, 342 (346); 46, 260 (269). Zur Diskussion um das Geheimverfahren im Zivilprozess siehe unter 2.1.6. LEIPOLD, in: STEIN/JONAS, § 138 Rn. 35; HARTMANN, in: BAUMBACH/LAUTERBACH, § 138 Rn. 30; STADLER, in: MUSIELAK, § 138 Rn. 10. Vgl. LEIPOLD, in: STEIN/JONAS, § 138 Rn. 36. St. Rspr., s. nur BGHZ 154, 5 (9); BGH, GRUR 1961, 356 (359); BGH, NJW 1987, 1201. BGH, NJW 1978, 1201.
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gen ihrer Aufklärungsverweigerung jedoch prozessuale Nachteile und muss unter Umständen mit dem Prozessverlust rechnen. Da die Verlagerung der Darlegungslast eine Ausnahme von der im Gesetz angelegten Risikoverteilung zwischen den Prozessbeteiligten darstellt, die sich grundsätzlich nicht nach deren Aufklärungsmöglichkeiten richtet, reicht ein Informationsdefizit allein nicht zu ihrer Rechtfertigung aus. Eine erste notwendige Einschränkung bewirkt die Vorgabe, dass die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des relevanten Geschehens stehen muss und keine Möglichkeit haben darf, den Sachverhalt selbst zu ermitteln20. Die Heranziehung des Gegners ist nur möglich, wenn sie unbedingt erforderlich ist. Der Zivilprozess ist keine „gemeinschaftliche Aufklärungsveranstaltung“; jede Partei ist zunächst selbst dafür zuständig, den für sie günstigen Tatsachenstoff zu liefern. Der Aufklärungsbeitrag muss der informierten Partei ferner zumutbar sein. Dieses Kriterium bietet die Möglichkeit, aus Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen von einer Verlagerung der Substantiierungslast abzusehen. An die Darlegung eines relevanten Geheimhaltungsinteresses dürfen dabei keine hohen Anforderungen gestellt werden, um die Partei nicht dazu zu zwingen, bereits hierbei schutzwürdige Interna zu offenbaren. Umgekehrt genügt allerdings auch ein glaubhaft vorgebrachtes Geheimhaltungsinteresse nicht immer, um eine Verlagerung der Darlegungslast abzulehnen. Denn ihr Ausschluss bedeutet für die Gegenpartei eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Interessen: Da sie keine Möglichkeit hat, den Sachverhalt selbst zu ermitteln und substantiiert zu schildern, wird ihr der Prozessverlust zugemutet und damit das Geheimhaltungsbedürfnis ihres Gegners über ihr Interesse an lückenloser Aufklärung und Durchsetzung ihrer Rechte gestellt. Daher ist jeweils im Einzelfall zu überprüfen, ob diese Gewichtung der Interessen tatsächlich sachgerecht ist. Kriterien, die trotz eines Geheimhaltungsinteresses der informierten Partei für die Annahme einer sekundären Darlegungslast sprechen können, sind beispielsweise materiellrechtliche Auskunftspflichten21 oder besondere Treuebeziehungen22 zwischen den Beteiligten. Ferner überwiegt das Aufklärungsinteresse auch dann, wenn die informierte Partei das Informationsdefizit ihres Gegners schuldhaft verursacht hat. Ob auch die Wahrscheinlichkeit der zu beweisenden Tatsache eine Mitwirkungspflicht des Gegners begründen kann, wie dies der BGH in einer Entscheidung angenommen hat23, ist allerdings zweifelhaft. Die „more-probable-than-not“-Regel gilt im deutschen Zivilverfahren nicht; es wäre systemwidrig, sie im Einzelfall einzuführen. Eine Partei, der die sekundäre Darlegungslast auferlegt wird und die dem Vortrag ihres Gegners aus Rücksicht auf eigene Geheimhaltungsinteressen nicht hinreichend substantiiert entgegentritt, dringt mit ihrem Vorbringen nicht durch, da ihr Bestreiten als unerheblich eingestuft wird. Sie steht damit vor den gleichen Wahlmöglichkeiten, die sich ihr bieten würden, wenn sie die Voraussetzungen einer ihr 20 21 22 23
BGH, NJW 1999, 579 (580). BGH, NJW 1987, 1201. BGH, NJW 1987, 2008 (2009). So BGH, GRUR 1995, 693.
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günstigen Norm vortragen müsste und deshalb primär darlegungsbelastet wäre: Sie kann auf die Durchsetzung ihres Rechtsstandpunktes verzichten oder die Offenlegung ihrer Geheimnisse als notwendiges Übel in Kauf nehmen. Ähnlich wie die Verlagerung der Darlegungslast wirkt sich im Hinblick auf eine Informationsasymmetrie auch die Beweislastumkehr aus, etwa im Bereich der Produzenten- und Arzthaftung oder auch im Wettbewerbsrecht24. Der Gedanke, dass der davon Betroffene die entscheidungserheblichen Tatsachen besser kennen und daher eher zur Aufklärung beitragen müsste, erklärt die richterrechtlich entwickelten Sonderregeln zur Beweislastumkehr allerdings nur teilweise. Denn hierbei verschieben sich neben der Darlegungs- auch die objektive Beweislast und damit das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts. Lässt sich eine entscheidungserhebliche Frage selbst bei optimalen Aufklärungsbemühungen aller Beteiligter nicht klären, so bedeutet dies für die beweisbelastete Partei den Prozessverlust. Deshalb spielt bei der Begründung von Sonderregeln der Beweislast nicht allein die Nähe zu den denkbaren Beweismitteln eine Rolle – denn diesem Gesichtspunkt lässt sich schon durch eine Verlagerung der Darlegungslast Rechnung tragen –, sondern auch die Frage, wem das Risiko der Unerweislichkeit aus normativen Gründen eher zugemutet werden kann. So erklärt sich beispielsweise, weshalb der BGH für die Umkehr der Beweislast in Fällen einer Verletzung von Berufspflichten grobes Verschulden verlangt25. Von der regelmäßigen Beweislastverteilung wird abgewichen, weil sie in einem bestimmten Fall (bzw. in einer Fallgruppe) wegen des überwiegenden Verschuldens der nach allgemeinen Grundsätzen nicht beweisbelasteten Partei unbillig erscheint. Für die Problematik der Abwägung zwischen Geheimnisschutz und Informationsinteresse im Zivilprozess hat die Beweislastumkehr keine über das Institut der sekundären Darlegungslast hinausgehende Bedeutung. Sie geht nur insofern weiter als diese, als sie die Risiken auch dann verlagert, wenn eine Aufklärung insgesamt scheitert, obwohl beide Parteien hinreichend substantiiert vorgetragen und bestritten haben. Diese Risikoverlagerung berührt aber nicht die Frage, ob Geheimnisse zur Vermeidung von Nachteilen im Prozess überhaupt offen gelegt werden müssen oder nicht – kann keine Partei (mehr) aufklären, so spielt auch der Geheimnisschutz keine Rolle.
2.1.3.2. Die Beweisvereitelung Als weiteres Beispiel für die verfahrensrechtliche Bewältigung von Informationsdefiziten ist das Rechtsinstitut der Beweisvereitelung zu nennen. Eine solche kann vorliegen, wenn das Verhalten einer Prozesspartei während oder im Vorfeld des Prozesses zu einer Informationsnot ihres beweisbelasteten Gegners führt. Macht die nicht risikobelastete Partei ihrem Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich, 24
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Beispielsweise trägt im Unterlassungsprozess im Falle einer Alleinstellungsbehauptung (z. B. „größtes Teppichhaus der Welt“) entgegen den allgemeinen Grundsätzen der Werbende die Beweislast dafür, dass diese Behauptung zutrifft, wenn der Kläger sie nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten falsifizieren kann, BGH, GRUR 1984, 140 (142). Vgl. BGH, NJW 1982, 2447.
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so gewährt die Rechtsprechung „Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr“26; treffender dürfte die Formulierung sein, dass das Verhalten in die freie Beweiswürdigung einzubeziehen ist mit der Möglichkeit, ein günstiges Beweisergebnis zu fingieren27. Für diese Rechtsfolge sprechen auch diejenigen Normen der ZPO, die Fälle der Beweisvereitelung regeln (§§ 371 III, 427, 441 III 3, 444, 446, 453 II, 454 I ZPO). Sie bestimmen sinngemäß, dass das Gericht die Behauptungen des Gegners der beweisvereitelnden Partei über das betreffende Beweismittel (etwa die Beschaffenheit einer Urkunde oder eines Augenscheinsobjekts) für bewiesen erachten kann. Unabhängig davon, ob der Beweis mit dem betreffenden Beweismittel tatsächlich gelungen wäre, hat der Richter die Möglichkeit, davon auszugehen, dass die Beweiserhebung für die risikobelastete Partei vorteilhaft gewesen wäre. Während die Verlagerung der Darlegungslast in erster Linie auf Richterrecht beruht, obwohl sie an die Norm des § 138 II ZPO anknüpft, sind viele Fälle der Beweisvereitelung inzwischen in der ZPO normiert. Die Rechtsprechung tendiert dazu, ihren Anwendungsbereich noch weiter zu fassen. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2000 knüpfte der BGH die negativen Folgen einer Beweisvereitelung sogar an ein Verhalten, das für sich genommen noch nicht einmal vorwerfbar war 28. Dort bürdete der erkennende Senat die Nachteile daraus, dass die Echtheit einer Versicherungsurkunde nicht mehr bewiesen werden konnte, der Versicherung auf, weil diese aus Effizienzgründen das Original nach Mikroverfilmung vernichtet hatte. Dabei ging das Gericht davon aus, dass das Verhalten der Versicherung an sich nicht zu beanstanden sei; trotzdem sei es ihr zuzumuten, die Nachteile aus der Vernichtung der Urkunde zu tragen. Zwar betonte der Senat, mangels Pflichtwidrigkeit griffen hier nicht die Grundsätze der Beweisvereitelung ein; auch die abweichende Etikettierung vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass er den Fall im Ergebnis ebenso behandelte. Die Zurückhaltung des BGH, den diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt der Fallgruppe der Beweisvereitelung zuzuordnen, dürfte in dem allgemeinen Konsens darüber begründet sein, dass die nachteiligen Folgen der Beweisvereitelung eine Partei nur dann treffen dürfen, wenn ihr Verhalten vorwerfbar ist. Keine Einigkeit herrscht allerdings in der Frage, an welchen Punkt der Vorwurf anknüpft. Insbesondere wird uneinheitlich beurteilt, ob die Beweisvereitelung einen Verstoß gegen bestimmte prozess- oder materiellrechtliche Pflichten gegenüber der beweisbelasteten Partei voraussetzt29. Dementsprechend streitig ist auch ihre dogmatische Einordnung. Neben einer Analogie zu den entsprechenden Vorschriften der ZPO30 oder der Einordnung als Fall der freien richterlichen Beweiswürdigung31 werden 26 27 28 29 30 31
BGH, WM 2003, 2325 (2326); BGH, NJW 2002, 825 (827); BGH, NJW 1998, 79 (81). Ausführlich OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, 81 f. BGH, NJW-RR 2000, 1471 ff. Dafür etwa GERHARDT, AcP 169 (1969), 289 (310 f.); dagegen SCHNEIDER, MDR 1969, 4 (10). KRAPOTH, Beweisvereitelung, 21; PRÜTTING, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 91. BGH, NJW-RR 1996, 1534. Teilweise wird in diesem Zusammenhang auf den Satz der Lebenserfahrung verwiesen, demzufolge die beweisvereitelnde Partei durch ihr Verhalten zu erkennen gebe, dass sie das Beweisergebnis fürchten müsse, BGH, NJW 1993, 1391 (1393); vgl. auch ROSENBERG, Beweislast, 191.
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schadensersatzrechtliche Konzeptionen32 ebenso vertreten wie die Anknüpfung an die Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten33 oder wahlweise materiell- oder prozessrechtliche Pflichtverstöße34. Zuzustimmen ist derjenigen Ansicht, die einen Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben als Grund für die rechtliche Missbilligung der Beweisvereitelung betrachtet, und zwar in seiner Ausprägung als Gebot einer fairen Prozessführung35. Die Vernichtung oder Beseitigung des Beweisobjekts muss dabei für sich genommen nicht pflichtwidrig sein; diejenigen, die hier einen Pflichtverstoß fordern, müssen entweder den Anwendungsbereich der Beweisvereitelung wesentlich enger ziehen als die bisherige Judikatur oder in wenig überzeugender Weise vorprozessuale Aufklärungs- oder Beweismittelerhaltungspflichten konstruieren, die allein dazu dienen, die Vorwerfbarkeit der Beweismittelentziehung zu begründen. So liegt es einigermaßen fern, aus dem ärztlichen Behandlungsvertrag eine Verpflichtung herzuleiten, nach einer Operation den verwendeten Tupfer aufzubewahren, wenn die Möglichkeit besteht, dass es auf dessen Beschaffenheit im Haftungsprozess dereinst ankommen könnte36. Es reicht aus, wenn die nicht beweisbelastete Partei für die Vernichtung des Beweismittels verantwortlich ist, wenn sie ihr mithin zugerechnet werden kann, und wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits die mögliche Bedeutung des betreffenden Gegenstandes für einen gegenwärtigen oder künftigen Rechtsstreit kannte oder hätte erkennen können. Kommt es dann zum Rechtsstreit und hat ihr Gegner keinen Zugriff mehr auf das Beweismittel, so greifen die Rechtsfolgen der Beweisvereitelung. Denn da sie ihm zurechenbar das Beweismittel entzogen hat, obwohl dessen Relevanz für sie erkennbar war, wäre es unbillig, wenn sie im Prozess Vorteile aus der regelmäßigen Verteilung der prozessualen Lasten ziehen könnte. Der Vorwurf knüpft demnach nicht an die beweisvereitelnde Handlung selbst, sondern an den Versuch an, im Prozess von der daraus resultierenden Beweisnot der anderen Partei zu profitieren. Da letztere nur deshalb einen bestimmten Beweis nicht anbieten kann, weil ihr Gegner den Zugriff auf das Beweismittel schuldhaft vereitelt hat, ist es gerechtfertigt, zu ihren Gunsten ein positives Beweisergebnis zu fingieren und es nicht bei der regelmäßigen Lastenverteilung zu belassen. Es ist treuwidrig, von einer Beweisnot profitieren zu wollen, die man selbst zurechenbar verursacht hat. Diese Auffassung wird dem spezifischen Verschuldensvorwurf bei der Beweisvereitelung am ehesten gerecht und erklärt auch deren Rechtsfolgen überzeugend. Denn durch die dem Gericht eröffnete Möglichkeit, die Behauptungen der beweisbelasteten Partei über das nicht erreichbare Beweismittel als richtig zu unterstellen, wird ihrem Gegner genau derjenige Vorteil entzogen, der ihm nach Treu und Glau32 33 34 35
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MAASSEN, Beweismaßprobleme, 180 u. 195. PETERS, ZZP 82 (1969), 200 (211). BLOMEYER, AcP 158 (1958), 97 (99 ff.). BAUMGÄRTEL, in: FS Kralik, 63 (68). Ebenfalls für eine Herleitung aus dem Prinzip von Treu und Glauben – jedoch in seiner Ausgestaltung als Verbot des venire contra factum proprium – SCHNEIDER, MDR 1969, 4 (10); GERHARDT, AcP 169 (1969), 289 (304). Nach BGH, VersR 1955, 344 f.
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ben nicht zusteht. Die Einordnung als Verstoß gegen das Gebot fairer Prozessführung steht zudem in Einklang damit, dass die Regeln der Beweislast im Prozess im wesentlichen Regeln der Risikozuordnung sind. Sie bestimmen darüber, wen der Nachteil daraus treffen soll, dass sich ein bestimmter Sachverhaltsausschnitt nicht aufklären lässt. Das Rechtsinstitut der Beweisvereitelung stellt sich bei dieser Betrachtungsweise als eine atypische Verlagerung des Aufklärungsrisikos dar. Es knüpft daran an, dass die regelmäßige Risikoverteilung der beweisbelasteten Partei nicht zuzumuten ist, weil der Gegner ihr die Erfüllung ihrer prozessualen Last unmöglich gemacht hat. Die zurechenbare beweisvereitelnde Handlung ist die Ursache dafür, dass das Risiko der Nichtaufklärbarkeit ausnahmsweise der nicht beweisbelasteten Partei aufgebürdet wird. Eine derartige Risikoverlagerung ist aber nur gerechtfertigt, wenn die beweisbelastete Partei ohne die beweisvereitelnde Handlung tatsächlich Zugriff auf das betreffende Beweismittel gehabt hätte. Denn nur dann lässt sich ihre Beweisnot tatsächlich auf ein Verhalten ihres Gegners zurückführen. Eine Beweisführung müsste mithin ohne die beweisvereitelnde Handlung möglich gewesen sein37. Demnach ist für die Annahme einer Beweisvereitelung objektiv ein Tun oder Unterlassen erforderlich, ohne welches der betreffende Beweis hätte erhoben werden können38. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beweisvereitelung vorliegt, können Geheimhaltungsinteressen der beweisvereitelnden Partei auf dreierlei Weise berücksichtigt werden. Erstens kann man mit ihnen bereits die Unerreichbarkeit des Beweismittels begründen: Wenn die Partei auch ohne die Beweisvereitelung keinen Zugang zu dem entsprechenden Beweismittel gehabt hätte, weil dessen Herausgabe mit Blick auf Geheimhaltungsinteressen hätte verweigert werden können, fehlt es nach obigen Ausführungen an einem Ansatzpunkt für eine Verlagerung des Aufklärungsrisikos. Zweitens kommt die nachteilige Würdigung eines Verhaltens als Beweisvereitelung in Fällen einer Aufklärungsverweigerung nicht in Frage, wenn der Prozessgegner billigenswerte Gründe für seine Weigerung anführen kann 39. Höherrangige, über den Rechtsstreit hinausgehende Interessen der nicht beweisbelasteten Partei können dann der Annahme einer Beweisvereitelung entgegenstehen40. So kann nach der Rechtsprechung des BGH eine Partei die Entbindung eines Zeugen von seiner Schweigepflicht verweigern, ohne prozessuale Nachteile gewärtigen zu müssen, wenn sie die begründete Besorgnis geltend macht, er könne der gegnerischen Seite aufgrund mandantschaftlicher Beziehungen oder aus Angst vor drohender Inanspruchnahme auf Schadensersatz einseitig gewogen sein41. Auch die Ausnutzung des Bankgeheimnisses dadurch, dass die Offenlegung bestimmter Kontenbewegungen verhindert wird, kann allenfalls dann als Beweisvereitelung gewertet werden, wenn sie nicht auf nachvollziehbaren Gründen beruht42. Schließlich
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ROSENBERG/SCHWAB/GOTTWALD, Zivilprozessrecht, S. 784. BAUMGÄRTEL, in: FS Kralik, 63 (68). BAUMGÄRTEL, in: FS Habscheid, 1 (5). BGH, MDR 1984, 48. BGH, NJW-RR 1996, 1534. BGH, NJW 1967, 2012.
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eröffnet drittens die flexible Rechtsfolge – das Gericht kann von der Richtigkeit der Behauptung des Gegners ausgehen – der Praxis die Möglichkeit, bei der Beweiswürdigung nahe liegende Geheimhaltungsinteressen in Rechnung zu stellen. Da die Beweisvereitelung treuwidriges Verhalten voraussetzt, kann sie somit in Fällen, in denen eine Partei sich gegen die Offenbarung von Unternehmensgeheimnissen zur Wehr setzt, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, kaum angenommen werden. Ausnahmen sind allerdings denkbar, insbesondere bei vorsätzlich schädigendem Vorverhalten des Geheimnisinhabers.
2.1.3.3. Prozessuale Rechtsinstitute und materiellrechtlicher Informationsanspruch Beweisvereitelung und sekundäre Darlegungslast unterscheiden sich in wichtigen Punkten. So setzt erstere ein bestimmtes Vorverhalten des Gegners voraus, das es der risikobelasteten Partei unmöglich macht, ein konkretes Beweismittel zu benutzen; zusätzlich muss es dieses Verhalten als treuwidrig erscheinen lassen, wenn der Gegner danach aus der Risikoverteilung im Prozess Vorteile ziehen möchte. Dagegen knüpft die Lastenverlagerung in erster Linie an die faktische Verteilung der Aufklärungsmöglichkeiten unter den Parteien an und fragt nur nach der Zumutbarkeit des Aufklärungsbeitrags für die informierte Partei; ihr Verhalten ist prinzipiell irrelevant. Im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Geheimhaltungs- und Informationsinteresse fällt allerdings eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen den prozessualen Rechtsinstituten auf: Der Geheimnisinhaber kann nicht zur Preisgabe bestimmter Informationen gezwungen werden. Er hat lediglich Nachteile zu erwarten, wenn er seinen Aufklärungsbeitrag verweigert, also das Beweismittel vernichtet oder eine weitere Substantiierung seines Vortrags unterlässt. Das Recht überlässt ihm die Entscheidung darüber, ob er es vorzieht, offenzulegen, oder den Prozessverlust in Kauf nimmt. Das Spannungsverhältnis zwischen Aufklärungs- und Geheimhaltungsinteresse, das freilich nicht so intensiv ist wie im Bereich klagbarer und damit zwangsweise durchsetzbarer Auskunftspflichten, lässt sich nur unter Hintanstellung eines der beiden Interessen auflösen. Beispielsweise muss entschieden werden, ob einer Partei der Verlust des Rechtsstreits zuzumuten ist, wenn sie aus verständlichen Gründen ihrem Gegner den Namen eines Zeugen vorenthält und ihm damit eine bestimmte Beweisführung unmöglich macht. Ansatzpunkt für die Berücksichtigung von Geheimhaltungsinteressen ist bei der Verlagerung der Darlegungslast die Prüfung, ob der Aufklärungsbeitrag zumutbar ist; bei der Beweisvereitelung ist es die Frage, ob es angesichts des Vorverhaltens der beweisvereitelnden Partei als treuwidrig bewertet werden kann, wenn sie hinsichtlich des dem Gegner vorenthaltenen Beweismittels von der regelmäßigen Beweislastverteilung profitieren möchte. Zwischen den prozessualen Rechtsinstituten besteht eine weitere Gemeinsamkeit, welche die Notwendigkeit materiellrechtlicher Informationspflichten als stärkere Eingriffe in die Sphäre der informierten Partei deutlich macht: Sowohl die Grundsätze der Beweisvereitelung als auch die sekundäre Darlegungslast können Informationsdefiziten der primär risikobelasteten Partei nur dann abhelfen, wenn
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sie zumindest imstande ist, eine konkrete Behauptung aufzustellen. Ohne konkrete Behauptung kann ihr Vorbringen nicht mangels substantiierten Bestreitens als zugestanden gewertet werden, wenn ihrem Gegner die sekundäre Behauptungslast auferlegt wird; ohne konkrete Behauptung kann auch kein für sie günstiges Beweisergebnis fingiert werden, wenn dem Gegner eine Beweisvereitelung zur Last fällt. Hat der Kläger keine Möglichkeit, sein Prozessziel ohne eine Auskunft seines Gegners so zu formulieren, dass sein Klageantrag den Anforderungen des § 253 II ZPO genügt, so helfen ihm die prozessualen Rechtsinstitute nicht. Dann kann letztlich nur ein vorgeschalteter Informationsanspruch Abhilfe schaffen.
2.1.4. Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch Auch im Bereich materiellrechtlicher Auskunftsansprüche gibt es verschiedene Ansatzpunkte, um einen Ausgleich zwischen Informationsinteresse und Geheimhaltungsbedürfnis zu erreichen. Da eine Betrachtung der verschiedenen im Gesetz normierten Rechtsgrundlagen und der einzelnen Rechtsgebiete, in denen Auskunftsansprüche hauptsächlich relevant werden, den Rahmen dieses Beitrags überschreiten würde, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf allgemeine Bemerkungen, die für alle vorbereitenden Informationspflichten gelten. Ihnen liegt die an anderer Stelle ausführlich begründete43 Annahme zugrunde, dass es einen allgemeinen vorbereitenden Informationsanspruch gibt, der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet werden kann und in allen Bereichen des Privatrechts gleichermaßen greift. Bei diesem Anspruch stellt sich die Frage der Interessenabwägung naturgemäß in besonderem Maße. Doch ist sie auch bei gesetzlich geregelten Auskunftspflichten notwendig, wie ein Beispiel zeigen wird, das am Ende dieses Abschnitts näher betrachtet werden soll (2.1.4.4.).
2.1.4.1. Die Voraussetzungen des allgemeinen vorbereitenden Informationsanspruchs An vielen Stellen lässt sich im geltenden Recht der Gedanke nachweisen, dass die Verfolgung privater Rechte nicht an einem Mangel an Information scheitern soll. Jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen Informationsdefizite gleichsam „auf der Tagesordnung stehen“, wäre es auch verfassungsrechtlich problematisch, wenn das Gesetz keine Abhilfe vorsähe. Denn weist das Recht einer Person eine materiellrechtliche Rechtsposition zu, so muss es gleichzeitig dafür sorgen, dass sie die Möglichkeit hat, diese Position auch durchzusetzen. Deshalb dürfen beispielsweise die prozessualen Anforderung an die Substantiierung nicht derart hoch geschraubt werden, dass sie in einer bestimmten Fallkonstellation regelmäßig nicht erfüllt werden können44. In vielen Fällen, in denen typischerweise Informationsdefizite bestehen – etwa bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen (§ 2314 BGB) –, sieht das Gesetz vorbereitende Informationspflichten vor. Die Rechtsfortbildung durch die Gerichte 43 44
OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, 185 ff. BVerfGE 37, 132 (144 ff.).
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ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Konstellationen weit hinausgegangen und hat, vornehmlich unter Berufung auf § 242 BGB, den Bereich der Auskunftsansprüche erheblich erweitert. Einen allgemeinen Auskunftsanspruch in dem Sinne, dass jeder von jedem die für ihn relevanten Informationen verlangen könnte, gibt es allerdings nicht45. Diese Absage an eine umfassende Auskunftspflicht, die ausschließlich ein Informationsbedürfnis des Anspruchstellers voraussetzen würde, bedeutet gleichzeitig auch eine Absage an eine umfassende vorprozessuale Aufklärungspflicht, wie sie in angloamerikanischen Rechtssystemen existiert46. Bereits in dieser Grundentscheidung zeigt sich, dass das deutsche Recht den Geheimhaltungsinteressen der informierten Partei eine wichtige Rolle zuschreibt. Mit „Geheimhaltungsinteressen“ sind hier allerdings noch nicht konkret motivierte Bedürfnisse nach Geheimhaltung gemeint; angesprochen ist vielmehr das allgemeine Recht, anderen Personen nicht ohne weiteres Einblicke in die eigene private oder unternehmerische Sphäre gewähren zu müssen. Auch dieses Recht, unbehelligt zu bleiben, ist in unserer Rechtsordnung geschützt. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des allgemeinen Informationsanspruchs aus Treu und Glauben ist die Rechtsprechung nicht immer widerspruchsfrei47. Unklarheit besteht vor allem in Fällen mit Drittbezug, in denen derjenige, von dem eine Information verlangt wird, gar nicht der Gegner des mutmaßlichen Hauptanspruchs ist. Die Unsicherheit in diesem Bereich ist zum einen darauf zurückzuführen, dass das Gesetz für derartige Ansprüche nur wenige Vorbilder bereitstellt (z.B. §§ 402 BGB, 836 III ZPO, 6 II EFZ sowie die durch das Produktpirateriegesetz eingeführten §§ 24b GebrMG, 140b PatG, 46 GeschmMG, 19 MarkenG, 101a UrhG, 37b SortSchG); zum anderen fällt es schwer, diejenigen Ansatzpunkte zu isolieren, die es rechtfertigen, eine Person, die mit dem Hauptanspruch allenfalls indirekt etwas zu tun hat, zur Information zu verpflichten. Dass dies voraussetzt, dass das Informationsdefizit den Dritten in irgendeiner Weise tangiert, ihn „etwas angeht“, ist letztlich unbestritten, doch ist damit für die genaue Abgrenzung noch nichts gewonnen. 2.1.4.1.1. Auskunftsansprüche im Zweipersonenverhältnis Zunächst soll das Zweipersonenverhältnis betrachtet werden, in dem der auf Auskunft in Anspruch Genommene gleichzeitig der mutmaßliche Schuldner des Hauptanspruchs ist48. Für diese Fälle hat die Rechtsprechung eine allgemeine Formel entwickelt, derzufolge aus § 242 BGB innerhalb bestehender Rechtsbeziehungen eine 45
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BGH, NJW 1957, 669; NJW 1970, 751; BGHZ 56, 256 (261); GRUR 1978, 54 (55); NJW 1981, 1733; ZZP 1991, 203 (205). Ansätzen, eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht zu begründen (z.B. bei STÜRNER, Aufklärungspflicht; PETERS, Ausforschungsbeweis), haben Literatur und Rechtsprechung überwiegend eine Absage erteilt, vgl. BGH, ZZP 104 (1991), 203; MUSIELAK, in: Festgabe 50 Jahre BGH Bd. III, 193 (223); LÜKE, JuS 1986, 2 (3); LEIPOLD, in: STEIN/JONAS, § 138 Rn. 26. Ausführlich OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, 121 ff. Ausführlich zum Folgenden OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, 185 ff.
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Auskunftspflicht folgt, wenn der Berechtigte entschuldbar über den Umfang seiner Rechte im ungewissen ist und der Schuldner die erforderlichen Auskünfte unschwer erteilen kann49. Zusätzlich wird gefordert, dass es keine andere Möglichkeit der Informationsbeschaffung geben dürfe und die Auskunftserteilung dem Verpflichteten zumutbar sein müsse50. Das Schrifttum schließt sich mehrheitlich diesen Grundsätzen der Judikatur an51. Nach dem Wortlaut dieser Formel scheint eine erste Einschränkung des allgemeinen Auskunftsanspruchs aus Treu und Glauben darin zu liegen, dass die Unkenntnis entschuldbar sein muss. Doch zeigt ein Blick in die einschlägige Judikatur, dass dieses Kriterium kaum jemals problematisiert wird und noch wesentlich seltener zur Ablehnung eines Informationsanspruchs führt52. Umgekehrt sprechen die Gerichte in vielen Fällen trotz fehlender Sorgfalt des Auskunftsgläubigers in eigenen Angelegenheiten ein Informationsanspruch zu53. Hinzu kommt, dass die Entschuldbarkeit in der weit überwiegenden Zahl der Entscheidungen überhaupt nicht geprüft wird. Angesichts dieses Befundes sowie der Schwierigkeit, einen Anknüpfungspunkt für das Verschulden zu bestimmen, spricht vieles dafür, das Kriterium aufzugeben, zumal keiner der gesetzlich geregelten vorbereitenden Informationsansprüche ein derartiges Tatbestandsmerkmal vorsieht. Ein weiteres Argument ist ein Vergleich mit der Verlagerung der Darlegungslast, bei welcher es ebenfalls unerheblich ist, ob die Informationsnot verschuldet oder unverschuldet eingetreten sind. Die Verlagerung der Darlegungslast erfüllt eine ähnliche Funktion wie der vorbereitende Auskunftsanspruch; dieser greift dort ein, wo jene versagt, weil das Informationsdefizit bereits die für die Antragstellung im Prozess erforderliche Konkretisierung der durchzusetzenden Rechtsposition unmöglich macht. Es gibt keinen Grund dafür, beide Rechtsinstitute hinsichtlich des Verschuldenserfordernisses unterschiedlich zu behandeln. Schließlich spricht auch die Interessenlage gegen das Kriterium der Entschuldbarkeit: Es ist kaum einzusehen, weshalb sich der Schuldner des Hauptanspruchs der Erfüllung seiner Schuld aufgrund eines Informationsdefizits seines Gläubigers nur deshalb sollte entziehen können, weil dieser es an Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (etwa bei der Verwahrung seiner Unterlagen) fehlen ließ. Das fehlende Verschulden des Gläubigers überzeugt mithin als einschränkendes Tatbestandsmerkmal nicht. Ein gerechtfertigter Schutz der Interessen der Auskunftsperson wird demgegenüber dadurch erreicht, dass sie nur subsidiär in Anspruch genommen werden darf. Der Gläubiger muss zuvor alle ihm zur Verfügung stehenden anderen – gleichwer49
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RGZ 108, 1 (7); BGHZ 10, 385 (387); BGH, JR 1954, 460; BGHZ 14, 53 (59); NJW 1964, 1414; BGHZ 141, 307 (318); NJW 2003, 3624 (3625). BGH, GRUR 2002, 801 (803); GRUR 1999, 1025; NJW-RR 1988, 1072 (1073); BGHZ 61, 180; NJW 1985, 2699 (2700). S. nur KRÜGER, in: MüKo-BGB, § 260 Rn. 12; HEINRICHS, in: PALANDT, § 261 Rn. 8; WOLF, in: SOERGEL, § 260 Rn. 23; BITTNER, in: STAUDINGER, § 260 Rn. 19; KÖHLER, NJW 1992, 1477 (1480). Ausnahmen bilden RG, JW 1935, 506 f.; BGH, WM 1959, 206 ff.; WM 1987, 1127 f. BGH, NJW 1990, 1358; NJW-RR 1992, 1072; NJW-RR 1988, 1072 ff.
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
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tigen54 – Möglichkeiten ausgeschöpft haben, sich die gewünschten Informationen zu verschaffen55. Dazu zählt insbesondere auch das Herantreten an eine möglicherweise vorhandene andere Auskunftsperson. Diese muss jedoch nur dann vorrangig in Anspruch genommen werden, wenn sie dem Gläubiger hinsichtlich des Gegenstandes des Informationsbegehrens näher steht, etwa aufgrund eines zwischen beiden bestehenden Rechtsverhältnisses. In dieser Ausprägung des Subsidiaritätsgrundsatzes liegt die Rechtfertigung dafür, dass der BGH im Insolvenzrecht eine Auskunftspflicht desjenigen ablehnt, der möglicherweise durch anfechtbares Rechtsgeschäft etwas vom Gemeinschuldner erlangt hat: Der Gemeinschuldner ist selbst nach § 97 I InsO zu den notwendigen Auskünften verpflichtet, so dass der Insolvenzverwalter sich primär an ihn halten muss56. Ferner ist der materiellrechtliche Informationsanspruch auch subsidiär gegenüber anderen, die informierte Partei weniger belastenden Rechtsinstituten, wenn diese gleichermaßen wirksam sind. Hierbei ist vor allem an eine Verlagerung der Darlegungslast im Prozess zu denken: Wenn bereits sie der Informationsnot der nicht informierten Partei abhelfen kann, kommt ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben nicht in Betracht. Deshalb scheidet er aus, wenn ausschließlich die Frage, ob ein bestimmter Umstand vorliegt oder nicht, für das Vorbringen der nicht informierten Partei von Bedeutung ist, wenn es also nur zwei denkbare Sachverhaltsvarianten gibt57. Denn dann kann sie die für sie günstige Version der Tatsachen im Prozess vortragen; nähere Darlegungen werden ihrem Gegner abverlangt, der Zugang zu den relevanten Informationen und Beweismitteln hat. Fehlen ihr hingegen Angaben, derer sie bereits für die Formulierung ihres Klageantrags oder die Konkretisierung einer Einwendung bedarf, so greift die Subsidiarität nicht ein, da eine Verlagerung der Darlegungslast dann sinnlos wäre58. Hinzu kommen weitere einschränkende Kriterien, deren genaue Ausgestaltung allerdings streitig ist. Nach herrschender Ansicht im Schrifttum 59 und in der
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So zutreffend STÜRNER, Aufklärungspflicht, 337. BGH, WM 1971, 1196; BGHZ 89, 24 (31). BGH, NJW 1978, 1002 (1003). Veranschaulichen lässt sich dieser Aspekt an einem Beispiel aus dem Wettbewerbsrecht. In der „Bärenfang“-Entscheidung (BGH, GRUR 1963, 270 ff.), der ein Streit über die Richtigkeit einer Werbeaussage zugrunde lag, arbeitete der BGH mit einer Verschiebung der Darlegungslast, da es dem Kläger möglich war, die bestimmte Behauptung aufzustellen, die Werbeaussage des Beklagten sei unrichtig – lediglich nähere Einzelheiten konnte er nicht vorbringen. In einem solchen Fall ist es nicht notwendig, den Gegner einem Auskunftsanspruch auszusetzen; es reicht aus, ihm im Prozess die Aufgabe zuzuweisen, die entscheidungserheblichen Tatsachen detailliert darzulegen, wenn er verhindern möchte, dass dem Urteil die Behauptung seines Gegners zugrunde gelegt wird. Wegen der unterschiedlichen Wirkungsweisen der beiden Instrumente ist LÜDERITZ’ Vorschlag (Ausforschungsverbot, 35), sie in ein Stufenverhältnis abhängig von der Wahrscheinlichkeit des vorgetragenen Sachverhalts einzuordnen, nicht überzeugend. BITTNER, in: STAUDINGER, § 260 Rn. 19; STÜRNER, Aufklärungspflicht, 326; WINKLER VON MOHRENFELS, Abgeleitete Informationspflichten, 44; OPPERMANN, Auskunftsanspruch, 14; GOTTWALD, BB 1979, 1780 (1784 u. 1786); KENTGES, Auskunftsanspruch, 37; BANZHAF, Auskunftsanspruch, 31.
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Rechtsprechung60 können Informationsansprüche aus Treu und Glauben nur zwischen den Beteiligten eines Rechtsverhältnisses entstehen. Tatsächlich haben die Gerichte jedoch dieses Kriterium bereichsweise schon aufgegeben; so ließ der BGH in mehreren erbrechtlichen Entscheidungen ein nur möglicherweise bestehendes Rechtsverhältnis ausreichen, ohne dies allerdings ausdrücklich klarzustellen61. Das Gericht verlangte dort lediglich eine auf objektiven Anhaltspunkten beruhende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der vom Anspruchsteller vermutete Hauptanspruch besteht, beispielsweise dass eine beeinträchtigende Schenkung erfolgt ist. Diese Judikatur trägt der Tatsache Rechnung, dass der (möglicherweise) Berechtigte häufig noch nicht einmal den Nachweis eines Rechtsverhältnisses ohne einen vorgeschalteten Informationsanspruch führen kann, insbesondere wenn dieses Rechtsverhältnis sich in dem Hauptanspruch erschöpft, über den er im Unklaren ist, weil kein rechtliches Grundverhältnis zwischen den Parteien besteht. Zudem zeigt die Judikatur in anderen Rechtsgebieten, dass das Merkmal „Rechtsverhältnis“ bei der Rechtsanwendung verschiedene Schwierigkeiten mit sich bringt. Vor allem diejenigen Fälle, in denen die Frage nach dem Umfang eines Anspruchs praktisch mit der Frage nach seiner Entstehung zusammenfällt, sind problematisch. Als Beispiel sei die Verletzung gewerblicher Schutzrechte genannt: Mit jeder Verletzungshandlung wird ein neuer Schadensersatzanspruch begründet, so dass die Information über den Umfang des geschuldeten Schadensersatzes den Entstehungsgrund des Anspruchs selbst betrifft. Fordert man den Nachweis eines Rechtsverhältnisses als Voraussetzung eines Informationsanspruchs, so muss zunächst mindestens eine Rechtsverletzung bewiesen werden. Ist diesem Erfordernis genügt, so muss über die Reichweite des Informationsanspruchs entschieden werden: Erstreckt er sich nur – was für seinen Inhaber nicht von großem Nutzen wäre – auf die Umstände der festgestellten Rechtsverletzung, oder erfasst er auch weitere Verletzungshandlungen? Bejaht man letzteres, so stellt sich die Frage, ob er auf die Zeit nach der ersten nachgewiesenen Verletzungshandlung beschränkt ist62 oder ob Information auch über den vorangegangenen Zeitraum geschuldet wird 63. Denn für diesen Zeitraum ist eine Sonderverbindung zwischen den Parteien nicht festgestellt. Ähnliche Fragen werfen Fälle auf, in denen es um die Verbreitung ehrenrühriger
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Vgl. BGH, NJW 1978, 1002; BGHZ 74, 379 (381); BGHZ 95, 274 (279); WM 1987, 1127; WM 2002, 1932 (1933); GRUR 1978, 54 (55). S. etwa BGHZ 55, 378; NJW 1986, 127 (129) (Auskunftsanspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben); BGHZ 61, 180; WM 1976, 1089 (Auskunftsanspruch des pflichtteilsberechtigten Erben); BGHZ 58, 237 (239) (Auskunftsanspruch des Nacherben gegen den möglicherweise vom Vorerben Beschenkten). So BGH, GRUR 1988, 307 f. („Gaby“). In der Literatur wurde diese Entscheidung vielfach kritisiert, vgl. TILMANN, GRUR 1990, 160 (161); KRIEGER, GRUR 1989, 802 (804); JESTAEDT, GRUR 1993, 219 (223); inzwischen hat der I. Zivilsenat in der Entscheidung „Windsor Estate“ die „Gaby“-Rechtsprechung aufgegeben, BGH, GRUR 2007, 877 ff.; kritisch hierzu wiederum STEINBECK, GRUR 2008, 110 (111 f.) So – neben vielen anderen Entscheidungen – bereits RGZ 107, 251 (255).
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
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oder kreditschädigender Behauptungen geht und Auskunft über die einzelnen Verbreitungshandlungen und deren Adressaten verlangt wird64. Angesichts dieser Unstimmigkeiten überzeugt es nicht, den vorbereitenden Informationsanspruch von der Feststellung eines Rechtsverhältnisses abhängig zu machen, zumal ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis, wie vor allem die erbrechtliche Judikatur zeigt, auch in anderen Konstellationen bestehen kann. Das Kriterium ist daher aufzugeben65. Der Gefahr einer Ausuferung von Auskunftsklagen, die argumentativ zu seinen Gunsten häufig bemüht wird66, kann durch andere Einschränkungen begegnet werden. Um zu verhindern, dass eine Person von einer anderen aufgrund vollkommen haltloser Vermutungen Informationen fordern kann, reicht es aus, ihr die Darlegung konkreter Anhaltspunkte abzuverlangen, die für das Bestehen des Hauptanspruchs sprechen67. Ergänzend ist auf ein Kriterium zurückzugreifen, das im Unterhaltsrecht häufig herangezogen wird68 und auch für den Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB gilt69, der kein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten voraussetzt: Der Anspruchsteller muss alle Merkmale des Hauptanspruchs, die er ohne die Auskunft ermitteln kann, bereits nachgewiesen haben, wenn er seinen Gegner in Anspruch nehmen möchte. Dieses Tatbestandsmerkmal betont ein weiteres Mal die Subsidiarität: Alles, was der Anspruchsteller selbst an Aufklärung leisten kann, muss er geleistet haben, bevor er an seinen Gegner herantritt. Der Informationsanspruch, der aufgrund seines Eingriffscharakters als ultima ratio ausgestaltet ist, darf erst dann zugestanden werden, wenn die nicht informierte Partei auf ihn tatsächlich angewiesen ist. An dem Nachweis dieser unbedingten Notwendigkeit fehlt es, wenn der Hauptanspruch von weiteren Umständen abhängt, die außerhalb der verlangten Auskunft liegen und noch ungeklärt sind. 2.1.4.1.2. Auskunftsansprüche im Dreipersonenverhältnis Mit dem Begriff „Dreipersonenverhältnis“ sind Konstellationen angesprochen, in denen der Auskunftssuchende Informationen von einem Dritten verlangt, also nicht von demjenigen, gegen den sich der mutmaßliche Hauptanspruch richtet70. Während im Zweipersonenverhältnis selten die Gefahr besteht, dass ein gänzlich Außenstehender auf Information in Anspruch genommen wird, könnte der 64
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Vgl. einerseits RGZ 158, 377 (380); BGH, NJW 1962, 731 (umfassende Auskunftspflicht), andererseits RG, GRUR 1939, 72 (80); BGH, GRUR 1980, 1090 (kein Auskunftsanspruch auf Nennung der Adressaten). Dafür auch LÜDERITZ, Ausforschungsverbot, 35; GERNHUBER, Schuldverhältnis, 579; ausführlich zum Für und Wider OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, 212 ff. BGH, NJW 2003, 3624 (3625); BGH, GRUR 1978, 54 (55); STÜRNER, Aufklärungspflicht, 319 (Gefahr der Schaffung eines „Schnüffelparagraphen“). Vgl. BGHZ 58, 237 (239); BGH, GRUR 2002, 602. Vgl. BGH, NJW 1983, 279; NJW 1983, 2243; NJW 1983, 2318; FamRZ 1983, 352. Vgl. BGHZ 93, 191 (206); OLG Hamburg, CR 2005, 558; MARBURGER, in: STAUDINGER, § 809 Rn. 7. Ausführlich hierzu OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, 263 ff.
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Anspruchsteller in Fällen mit Drittbezug versuchen, von einer Person Auskunft zu verlangen, die mit ihm und dem Hauptanspruch überhaupt nichts zu tun hat, sondern nur zufällig etwas darüber weiß. Ließe man dies zu, so resultierte daraus eine Ausuferung der Informationspflichten; zudem fehlt jede sachliche Rechtfertigung dafür, einem gänzlich Unbeteiligten eine Rechtspflicht aufzuerlegen. Daher kann Drittauskunft nur verlangt werden, wenn die Auskunftsperson in einer Sonderverbindung zu dem Anspruchsteller steht. Dieses für das Zweipersonenverhältnis verworfene Kriterium hat im Dreiecksverhältnis durchaus seine Rechtfertigung. Denn hier kann die bei Verzicht auf das Kriterium bestehende Gefahr, dass möglicherweise ein gänzlich Unbeteiligter auf Auskunft in Anspruch genommen wird, nicht mit dem Risiko ab- und im Ergebnis aufgewogen werden, dass anderenfalls die Durchsetzung eines gegen die Auskunftsperson selbst gerichteten Anspruchs vereitelt würde. Dem Recht des Dritten, nicht mit Informationsansprüchen von einer Person behelligt zu werden, mit der er nichts zu tun hat, steht kein Interesse des Auskunftsgläubigers gegenüber, das gerade gegenüber dem Dritten einen Eingriff in dessen Rechte begründen könnte. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Hauptanspruch besteht, genügt hier nicht, da sie allenfalls eine gesteigerte Pflichtigkeit des mutmaßlichen Anspruchsgegners zu begründen vermag (wie z.B. in § 809 BGB), nicht hingegen eines Dritten. Zusätzlich müssen die begehrten Informationen irgendeinen Bezug zu dieser Sonderverbindung aufweisen. Der Auskunftssuchende kann nicht auf Wissen zugreifen, das sich von seinem Standpunkt aus als völlig zufällig darstellt. Zufällig in diesem Sinne ist beispielsweise das Wissen eines Ehegatten für den Vertragspartner des anderen: Steht jemand nur mit dem Ehemann in Geschäftsbeziehungen und benötigt er für die Durchsetzung eines daraus folgenden Anspruchs bestimmte Informationen, so kann er nicht ohne weiteres auf die Ehefrau als Informationsschuldnerin zugreifen, weil sich sowohl die Ehe als auch die ehebedingten Kenntnisse der Ehefrau für ihn als zufällig darstellen71. Er hat damit schlechterdings nichts zu tun. Anders sind etwa die Fälle der Produktpiraterie zu beurteilen (§§ 24b GebrMG, 140b PatG, 46 GeschmMG, 19 MarkenG, 101a UrhG, 37b SortSchG). Die Rechtfertigung dafür, im Falle einer Schutzrechtsverletzung ein Glied in der Veräußerungskette auf Auskunft über die anderen Glieder in Anspruch zu nehmen, liegt darin, dass dieses Glied unabhängig von seinem individuellen Verschulden aufgrund seines Verhaltens sowohl in einer Sonderverbindung zum Schutzrechtsinhaber steht als auch sein Wissen im Zusammenhang mit dieser Sonderverbindung erlangt hat.
2.1.4.2. Die Zumutbarkeit Würde man es bei den genannten einschränkenden Kriterien auf Tatbestandsebene belassen, so bestünde keine Möglichkeit, spezifische Geheimhaltungsinteressen des Informationsschuldners zu berücksichtigen. Daher ist das Bild um eine weitere Vor71
Vgl. den Fall BGH, NJW 1979, 2351 (2353), allerdings mit abweichender Begründung: Ein Informationsanspruch scheide aus, weil der in Anspruch genommene Ehegatte zur Weitergabe der betreffenden Informationen überhaupt nicht befugt gewesen wäre.
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aussetzung zu ergänzen: Die Informationserteilung muss dem Schuldner zumutbar sein. In der Rechtsprechungsformel findet sich dieses Kriterium in der Formulierung, der Schuldner müsse die Auskunft „unschwer“ erteilen können72. Da jeder Informationsanspruch sich als das Ergebnis einer Abwägung zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse darstellt, ist die Zumutbarkeit anhand einer Gewichtung dieser wechselseitigen Interessen zu ermitteln. Das Kriterium führt nur selten zu einem vollständigen Ausschluss des Auskunftsanspruchs und damit zu einem gänzlichen Zurücktreten des Informationsinteresses; meistens resultieren daraus inhaltliche Einschränkungen oder Modifikationen der Form, in der die Auskunft erteilt wird. 2.1.4.2.1. Schutzwürdige Interessen des Auskunftsschuldners Die erforderliche Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Informationsinteresse kann nur dann zu einem überzeugenden Ergebnis führen, wenn zuvor geklärt wird, welche Interessen des Schuldners überhaupt schutzwürdig sind. So wird man kaum sein Bedürfnis danach, ein strafbares Verhalten zu verbergen, in die Abwägung einbeziehen dürfen73: Anderenfalls wäre beispielsweise derjenige besonders geschützt, der gegenüber dem Auskunftsgläubiger nicht nur eine Vertragsverletzung begangen, sondern sich dadurch gleichzeitig wegen Untreue strafbar gemacht hat. Entgegen einer ausgesprochen kuriosen Entscheidung des BGH74 spielt auch das Interesse daran, andere Personen keiner strafbaren Handlungen zu bezichtigen, grundsätzlich keine Rolle. Die Rechtsordnung widerspräche sich selbst, wenn sie einen derartigen Wunsch allgemein anerkennen würde75. Wichtig ist außerdem, dass das Interesse des Schuldners daran, durch Informationsverweigerung der Erfüllung des Hauptanspruchs zu entgehen, nicht berücksichtigt werden kann: Der Wunsch, berechtigte Forderungen nicht begleichen zu müssen, ist rechtlich nicht relevant. Diese Aussage mag trivial erscheinen, ist es jedoch offensichtlich nicht angesichts der fast instinktiv anmutenden Abneigung vieler Stimmen in Literatur und Rechtsprechung gegen eine Heranziehung der nicht risikobelasteten Partei zur Aufklärung im Prozess76. Schutzwürdig ist demgegenüber der private Bereich des Auskunftsschuldners; ist dieser betroffen, so kann die gängige Differenzierung nach Individualsphäre, Privatsphäre und Intimsphäre gewisse Anhaltspunkte für die Interessengewichtung bieten. Eine Einschränkung des Informationsanspruchs zum Schutz der Persönlichkeit wird allerdings nicht oft in Betracht kommen, denn nur selten hängt der Grund 72 73
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76
BGH, NJW 2007, 1806. BGHZ 109, 260 (268); BGHZ 41, 318 (322); STÜRNER, Aufklärungspflicht, 365 ff.; WINKLER VON M OHRENFELS, Abgeleitete Informationspflichten, 101; KRÜGER, in: MüKo-BGB, § 259 Rn. 36; WOLF, in: SOERGEL, § 259 Rn. 38. BGH, GRUR 1976, 367 (368). FRITZE, GRUR 1976, 369, spricht von einer „höchstrichterliche[n] Anerkennung der Ganovenehre“. Ausführlich zu den hier angesprochenen Argumentationsmustern, die unter dem Begriff des „Ausforschungsverbots“ zusammengefasst werden können, OSTERLOH-KONRAD, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, 91 ff.
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oder die Höhe eines Anspruchs gegen eine Person von Informationen aus deren Intimsphäre ab. Schutzwürdig sind außerdem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, bei deren Offenbarung eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Schuldners droht. Dieser Punkt spielt in der Praxis vor allem im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht eine große Rolle. Insbesondere der Rechnungslegungsanspruch zur Ermittlung des Verletzergewinns stellt nämlich einen empfindlichen Eingriff in das Interesse des Verletzers an der Geheimhaltung seiner Unternehmensinterna dar. 2.1.4.2.2. Interessenabwägung Bestehen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen, so stellt sich die Frage, mit welchem Gewicht sie in die Abwägung einfließen sollen. Allgemeine Grundsätze lassen sich hierfür kaum formulieren, da verschiedene Kriterien im Einzelfall eine Rolle spielen können. Erwähnt seien nur zwei wichtige Korrelationen. Zum einen führt die Existenz berechtigter Geheimhaltungsinteressen umso eher zu einer Beschränkung des Informationsanspruchs, je geringer die Relevanz der gewünschten Information für das dahinter stehende Begehren des Anspruchstellers ist. Dies ist ein Grund dafür, weshalb die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Wettbewerbs- und Immaterialgüterrechtsverletzungen weniger detaillierte Informationen zuspricht, wenn die Höhe des geschuldeten Schadensersatzes geschätzt werden muss, als wenn sie sich genau bestimmen lässt: Kann der Schaden letztlich ohnehin nur durch Schätzung ermittelt werden, so kommt Details ein geringerer Wert zu, als wenn sie als Elemente einer exakten Berechnung benötigt werden77. Zum anderen ist in die Abwägung einzubeziehen, ob dem Auskunftspflichtigen ein besonderes Verschulden zur Last fällt, aufgrund dessen seine Geheimhaltungsinteressen weniger schutzwürdig erscheinen78. Ist beispielsweise erwiesen, dass er ein Recht seines Gegners vorsätzlich verletzt hat, so kann sich auch ein grundsätzlich berechtigtes Geheimhaltungsinteresse gegenüber dem Aufklärungsbedürfnis des Gegners allenfalls dann durchsetzen, wenn durch die Offenlegung ein erheblicher Schaden einzutreten droht. 2.1.4.2.3. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt Die Berücksichtigung berechtigter Geheimhaltungsinteressen muss nicht immer zu einer Einschränkung der Reichweite des Informationsanspruchs führen. Für Ansprüche auf Rechnungslegung infolge von Wettbewerbs- oder Immaterialgüterrechtsverletzungen hat die Rechtsprechung eine Modifikation des Informationsanspruchs entwickelt, welche die entgegengesetzten Interessen von Gläubiger und 77
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Vgl. BGH, GRUR 1974, 53 (54 f.), sowie zur Umsatzauskunft bei Wettbewerbsverletzungen BGH, GRUR 1965, 313 (314); kritisch dazu STÜRNER, Aufklärungspflicht, 220. Vgl. BGH, GRUR 1958, 346 (349), sowie NJW 1967, 2012 (2013) (allerdings zur Beweisvereitelung). Der letztgenannten Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Anwalt treuhänderisch verwahrtes Geld mit eigenem Buchgeld vermischt hatte und dann die Bewegungen auf seinem Geschäftskonto nicht preisgeben wollte. Auf die Unzumutbarkeit der Offenlegung konnte er sich nach Auffassung des BGH nicht berufen, da er selbst es schuldhaft versäumt hatte, ein Anderkonto einzurichten.
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Schuldner auf andere Weise in einen Ausgleich bringt: den so genannten Wirtschaftsprüfervorbehalt79. Wird ein solcher Vorbehalt in das Urteil aufgenommen, so muss der Schuldner die ausführliche Rechnung, insbesondere die Liste seiner Abnehmer, nur gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen offenbaren. Der Gläubiger erhält selbst nur eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben ohne die zugrunde liegenden Details und ohne die dazugehörigen Belege, kann aber dem Sachverständigen stichprobenartig Fragen stellen, beispielsweise um die Vollständigkeit der Rechnung zu überprüfen. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt darf nicht verwechselt werden mit der mitunter diskutierten Beweisführung durch einen neutralen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen als „Beweismittler“ im Hauptsacheverfahren, bei der nur die Ergebnisse des Gutachtens, nicht jedoch die Anknüpfungstatsachen dem Gericht und den Parteien zugänglich gemacht werden. Ein solches Verfahren sieht die ZPO nicht vor; es wäre auch verfassungsrechtlich nicht zulässig. Denn die Einschaltung von Sachverständigen enthebt den Richter nicht der Pflicht, sich hinsichtlich des Sachverhalts und der Folgerungen des Gutachters eine eigene Überzeugung zu bilden. Gutachterliche Ergebnisse dürfen deshalb nicht ungeprüft einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden80. Auf den ersten Blick erscheint der Wirtschaftsprüfervorbehalt als ein idealer Ausgleich der wechselseitigen Interessen. Der Gläubiger erhält nur diejenigen Informationen, die er unbedingt benötigt, und damit werden die Betriebsinterna des Schuldners geschützt; andererseits wird dem Gläubiger auch nicht jede Überprüfungsmöglichkeit genommen, so dass er sich nicht blind mit unbelegten pauschalen Angaben des Schuldners zufrieden geben muss, an deren Zuverlässigkeit er verständlicherweise zweifeln wird. Jedoch kommt der Wirtschaftsprüfervorbehalt als Ausgleich der wechselseitigen Interessen nicht immer in Frage. Er ist nur dann praktikabel, wenn die geheimhaltungsbedürftigen Informationen vom Gläubiger lediglich benötigt werden, um die für ihn unmittelbar relevanten Angaben überprüfen zu können. Dann mag es seinen Interessen genügen, wenn er stichprobenartig beim Sachverständigen nachfragen kann. Handelt es sich dagegen bereits bei den primär erforderlichen Angaben um empfindliche Betriebsinterna, so bietet der Wirtschaftsprüfervorbehalt keinen Ausweg, da ein Urteil unter diesem Vorbehalt das Informationsbedürfnis des Gläubigers nicht befriedigen würde. Es bleibt nur die Möglichkeit, letztendlich entweder dem Geheimhaltungsinteresse oder dem Informationsbedürfnis den Vorrang einzuräumen – eine Entscheidung, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung häufig zugunsten der nicht informierten Partei ausgeht. Nicht zu verkennen ist außerdem, dass der Wirtschaftsprüfervorbehalt auch bei Informationen, die lediglich der Überprüfung dienen, für den Auskunftsgläubiger eine empfindliche Einschränkung bedeutet. Er wird bei der Entscheidung über sein 79
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Vgl. BGH, GRUR 1957, 33; GRUR 1962, 354 (357); GRUR 1963, 640 (642); GRUR 1978, 52 (53); GRUR 1981, 535. BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1044). Hierzu sowie allgemein zur Problematik des Geheimverfahrens s. u. 2.1.6.
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weiteres Vorgehen auf die Angaben eines Dritten verwiesen und erhält selbst keine lückenlosen Informationen, die es ihm ermöglichen würden, seine Rechtsposition zuverlässig zu überprüfen; dies allein bedeutet bereits einen Nachteil. Denn der Anspruch auf diejenigen Angaben, die der Überprüfung der primär notwendigen Informationen dienen, soll nicht nur sicherstellen, dass eine solche Überprüfung überhaupt erfolgt, sondern auch, dass gerade der Berechtigte selbst sie vornehmen und sodann nach seinen eigenen Maßstäben eine Entscheidung über weitere Schritte treffen kann. Zudem garantiert die Möglichkeit von Stichproben nicht unbedingt die Aufdeckung aller Unregelmäßigkeiten oder Lücken, die der Auskunftsgläubiger selbst entdecken würde, wenn er Zugang zu sämtlichen Informationen bekäme. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt ist daher auch auf Wunsch des Auskunftsschuldners nicht ohne weiteres ins Urteil aufzunehmen. Erforderlich bleibt eine Abwägung der gegenseitigen Belange81. Der Schuldner muss ein konkretes Geheimhaltungsinteresse geltend machen82; allerdings sind die Anforderungen an die Substantiierung seines Vorbringens in diesem Punkt nicht zu hoch anzusetzen, da sonst die Gefahr bestünde, dass er durch die Erfüllung seiner Darlegungslast im Prozess bereits Unternehmensgeheimnisse preisgeben müsste. Es reicht die nachvollziehbar begründete Sorge, geschützte Daten könnten weitergegeben oder missbraucht werden83. Soweit keine Gefahr dafür ersichtlich ist, dass der Gegner die offengelegten Informationen missbrauchen könnte, besteht zur Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehalts kein Anlass84. Ferner kann auch dann, wenn ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse dargelegt ist, die Abwägung zugunsten der nicht informierten Partei ausgehen, beispielsweise wenn der Auskunftsschuldner nicht schutzwürdig ist, weil ihn ein besonders schweres Verschulden trifft85.
2.1.4.3. Einstweiliger Rechtsschutz Das Spannungsverhältnis zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse wird besonders brisant, wenn der Auskunftsgläubiger den Schutz seiner Rechte im einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Denn erlässt ein Gericht eine einstweilige Verfügung zu seinen Gunsten, so scheint es, als müsse es sich notwendigerweise um eine so genannte Befriedigungs- oder Leistungsverfügung handeln, durch deren Durchsetzung der Informationsanspruch selbst bereits erfüllt würde. Hinzu kommt, dass eine Informationserteilung anders als andere Leistungen nicht wieder rückabgewickelt werden kann, so dass eventuelle Nachteile für den Schuldner nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Daher geht die überwiegende Auffassung dahin, dass einstweilige Verfügungen bei Auskunftsansprüchen nicht bzw. nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich seien86. Erleichterte Voraussetzungen wurden 81 82 83 84 85
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BGH, GRUR 1981, 535. Er trägt dafür Darlegungs- und Beweislast, vgl. BGH, GRUR 1981, 535. STÜRNER, Aufklärungspflicht, 373. So auch STÜRNER, Aufklärungspflicht, 372. BGH, GRUR 1958, 346 (349); a. A. WINKLER VON MOHRENFELS, Abgeleitete Informationspflichten, 105; OPPERMANN, Auskunftsanspruch, 45. VOLLKOMMER, in: ZÖLLER, § 940 Rn. 8 „Auskunft, Einsichtsgewährung“ m. w. N.
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
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im gewerblichen Rechtsschutz durch das Produktpirateriegesetz aus dem Jahre 1990 geschaffen, indem es den Weg in den einstweiligen Rechtsschutz ausdrücklich eröffnete, wenn die Rechtsverletzung offensichtlich ist (vgl. § 19 III MarkenG). Andere Informationsansprüche können hingegen unproblematisch durch einstweilige Verfügung gesichert werden, nämlich die Ansprüche auf Vorlage von Urkunden und sonstigen Sachen aus § 810 bzw. § 809 BGB. Der betreffende Gegenstand wird dann zunächst sequestriert, damit der Schuldner ihn nicht mehr verändern oder beiseite schaffen kann; überwiegend befürwortet wird auch die Anordnung einer darauf folgenden Besichtigung durch einen Sachverständigen, der seinen Bericht zunächst bei Gericht hinterlegt, bis der Streit um den Vorlageanspruch endgültig geklärt ist87. Dass sich dieser Ansatz teilweise auf Auskunftsansprüche übertragen lässt, wird bisher zu wenig berücksichtigt. Eine positive Ausnahme bildet ein Urteil des OLG Karlsruhe aus dem Jahre 198488, in dem es um folgenden Sachverhalt ging: Der Antragsteller hatte an den inzwischen in Konkurs gefallenen Antragsgegner Waren unter verlängertem Eigentumsvorbehalt veräußert und verlangte nun Auskunft über die Identität der Kunden seines Gegners, da er verhindern wollte, dass sie mit befreiender Wirkung an diesen leisteten. Er beantragte im einstweiligen Rechtsschutz, den Antragsgegner zu verpflichten, die Auskunft an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Rechtsanwalt zu erteilen. Das OLG erließ die beantragte Verfügung. Durch sie wurde zwar einerseits das Begehren des Antragstellers nicht vollständig befriedigt, doch andererseits erfüllte sie sein Sicherungsbedürfnis, da es dem Rechtsanwalt möglich war, die Kunden von dem Eigentumsvorbehalt zu unterrichten. Nicht überzeugend ist allerdings die Auffassung des OLG, auch eine derartige einstweilige Verfügung sei nur unter der Voraussetzung zulässig, dass der Gläubiger auf die Auskunft aus existenziellen Gründen dringend angewiesen ist. Da eine vollumfängliche Erfüllung des Auskunftsanspruchs durch eine solche Anordnung vermieden werden kann, sollten die Anforderungen an die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in dieser Form nicht zu hoch angesetzt werden. Der aktuelle Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums89, den der Bundestag am 11. 4. 2008 verabschiedet hat, sieht sogar die Möglichkeit vor, die dort geregelten Vorlage- und Besichtigungspflichten im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, also nicht nur ihre Sicherung, sondern auch ihre Erfüllung im Eilverfahren zu erzwingen90 – wenn auch unter dem Vorbehalt, dass der „Schutz vertraulicher Informationen“ gewährleistet bleiben müsse (s. u. a. § 140c III PatG-E). Eine Rechtfertigung dafür, in diesen Fällen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zu durchbrechen, ist je-
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OLG, NJW-RR 2006, 1344; SAß, Beschaffung von Informationen und Beweisen, 180; LEPPIN, GRUR 1984, 695 (707); STAUDER, GRUR Int. 1978, 230 (237). OLG Karlsruhe, NJW 1984, 1905 f. Abrufbar unter http://www.bmj.de/files/-/3111/Beschlussempfehlung%20und%20Bericht%20 des%20Rechtsausschusses_Durchsetzungsrichtlinie.pdf. Die Begründung des Regierungsentwurfs erklärt ausdrücklich eine Vorwegnahme der Hauptsache für zulässig, BT-Drs. 16/5048, 41.
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doch nicht ersichtlich und ergibt sich insbesondere auch nicht aus der dem Entwurf zugrunde liegenden europäischen Richtlinie91. Daher sollten die entsprechenden Regelungen des Entwurfs, falls dieser unverändert in Kraft tritt, auf andere Konstellationen nicht übertragen werden92.
2.1.4.4. Geheimnisschutz versus Informationsinteresse am Beispiel des § 809 BGB Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Versuch, bei der Durchsetzung privater Rechte einen Ausgleich zwischen Geheimnisschutz und Aufklärungsbedürfnis zu schaffen, trotz der Möglichkeit, einzelne Tatbestandsmerkmale zu identifizieren und zwischen schutzwürdigen und weniger schutzwürdigen Interessen zu differenzieren, letztlich auf einen Abwägungsvorgang hinausläuft. Wie unterschiedlich die Interessenabwägung gehandhabt wird und wie verschieden infolgedessen auch der Nutzen sogar auf derselben Rechtsgrundlage beruhender Informationsansprüche sein kann, zeigt der Vergleich zweier Entscheidungen des BGH: der so genannten „Druckbalken“-Entscheidung aus dem Jahre 198593 und der Entscheidung „Faxkarte“ aus dem Jahre 200294. In der ersten Entscheidung ging es um die Besichtigung einer mutmaßlich patentverletzenden Sache, in der zweiten um Einsicht in den Quellcode einer Faxkarte. Beide Entscheidungen stützen sich auf § 809 BGB, der bestimmt, dass derjenige, der gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, verlangen kann, dass der Besitzer ihm die Sache vorlegt oder ihre Besichtigung gestattet. „In Ansehung einer Sache“ besteht ein Anspruch dabei nach einhelliger Auffassung bereits dann, wenn er in irgendeiner Weise vom Bestand der Sache oder von ihrer Beschaffenheit abhängt95. Der X. Zivilsenat war 1985 in der „Druckbalken“-Entscheidung ersichtlich darum bemüht, die von ihm befürchtete Ausuferung von Informationsansprüchen im Immaterialgüterrecht zu verhindern. So stellte er zum einen hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der vom Anspruchsteller vermutete Anspruch „in Ansehung der Sache“ tatsächlich besteht (im konkreten Fall ein Anspruch aus einer Patentverletzung). Es sei ein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass die betreffende Sache unter Verletzung des Patents hergestellt wurde96 – ein Nachweis, der ohne nähere Besichtigung der Sache oft nicht gelingen wird. Zum anderen beschränkte der Senat den Besichtigungsanspruch auch inhaltlich: „Besichtigt“ werde eine Sache bereits dann, wenn sie der 91
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Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung von Rechten des Geistigen Eigentums, ABl. L 195/16. Ausführlich zur Kritik KUR/PEUKERT, GRUR Int. 2006, 292 (300 ff.). BGHZ 93, 191 ff. BGH, GRUR 2002, 1046. BGHZ 93, 191 (198); SPRAU, in: PALANDT, § 809 Rn. 4; HÜFFNER, in: MüKo-BGB, § 809 Rn. 4; MARBURGER, in: STAUDINGER, § 809 Rn. 6; SAß, Beschaffung von Informationen und Beweisen, 19. BGHZ 93, 191.
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sinnlichen Wahrnehmung des Anspruchsinhabers ausgesetzt sei. Keinesfalls habe dieser daher das Recht, Veränderungen an der Sache vorzunehmen wie z.B. ihre Verkleidung abzunehmen oder sie ordnungsgemäß in Gang zu setzen97. § 809 BGB erlaube keine Substanzeingriffe. Diese in zweierlei Hinsicht enge Auslegung von § 809 BGB, die den Geheimhaltungsinteressen des Konkurrenten einen hohen Stellenwert einräumt, macht diesen Anspruch im Patentrecht nahezu nutzlos; daher wurde die „Druckbalken“-Entscheidung vor allem in der immaterialgüterrechtlichen Literatur häufig kritisiert98. Demgegenüber ging es dem I. Zivilsenat in der „Faxkarten“-Entscheidung aus dem Jahre 2002 offensichtlich darum, den Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB zu einem wirkungsvollen Rechtsinstrument für den Inhaber eines Immaterialgüterrechts zu machen – ein Bestreben, zu dem angesichts der unbedeutenden Rolle von § 809 BGB in der bisherigen Judikatur durchaus Anlass bestand. Zum vermuteten Anspruch in Ansehung der Sache führte der Senat aus, man müsse berücksichtigen, dass § 809 BGB gerade auch für Fälle konzipiert sei, in denen ungewiss ist, ob überhaupt ein Recht verletzt wurde. Deshalb dürften die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsnachweis nicht zu hoch angesetzt werden99. Es reiche jedenfalls im Urheberrecht aus, wenn ein begründeter Verdacht für eine Rechtsverletzung bestehe. Eine erhebliche Wahrscheinlichkeit sei nicht erforderlich. Auch inhaltlich ging der I. Zivilsenat weit über das „Druckbalken“-Urteil hinaus: Zumindest solange keine Beschädigung der Sache zu besorgen sei, seien auch Substanzeingriffe von § 809 BGB gedeckt, so dass beispielsweise der Quellcode eines Computerprogramms preisgegeben werden müsse. Diese Tendenz, die Interessen des Informationsgläubigers stärker zu berücksichtigen, wird voraussichtlich auch die künftige Rechtsprechung bestimmen, da der X. Senat auf eine Anfrage des I. Senats hin erklärt hat, eine Anrufung des Großen Senats sei auch im Hinblick auf eine mögliche Verallgemeinerung der Grundsätze der „Faxkarten“-Entscheidung nicht erforderlich. Die Diskrepanzen zwischen beiden Entscheidungen zeigen zum einen, dass das Spannungsverhältnis zwischen Informationsinteresse und Geheimhaltungsbedürfnis bei zivilrechtlichen Informationsansprüchen an zwei Punkten eine Rolle spielen kann, nämlich einerseits bei der Anwendung bzw. Interpretation der Anspruchsvoraussetzungen, andererseits aber auch bei der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung des Informationsanspruchs. Zum anderen machen die beiden Urteile deutlich, in welch hohem Maße selbst bei kodifizierten Ansprüchen die Lösung dieses Konflikts von der konkreten Anwendung der Norm durch das entscheidende Gericht und von der Interessenabwägung im Einzelfall abhängt. Dies liegt vor allem daran, dass durch das Wahrscheinlichkeitskriterium, das nicht nur bei § 809 BGB, sondern auch beim Informationsanspruch aus Treu und Glauben eine Rolle spielt, eine Unsicherheit für die Rechtsanwendung eingeführt wird, die durch abstrakte Vorgaben nicht beseitigt werden kann. Zudem begegnet dem Rechtsanwender immer das Zu97 98 99
BGHZ 93, 191 (209). AXSTER, in: FS Volhard, 19 (27); KÖNIG, Mitt. 2002, 153 (158). BGH, GRUR 2002, 1046.
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mutbarkeitskriterium, wenn auch mitunter unter anderem Etikett – etwa bei der Auslegung des Begriffs „Besichtigung“ in § 809 BGB –, für dessen Anwendung sich ebenfalls kaum allgemeine Aussagen treffen lassen. Eine gewisse Transparenz lässt sich aber schaffen, indem man die Bewertungskriterien offenlegt und zueinander in Beziehung setzt.
2.1.5. Geheimnisschutz und Parteirollen im Zivilprozess Kommt es im Prozess auf Betriebsinterna einer Partei an, so bietet sich nach obigen Überlegungen folgendes Bild: Wenn sie selbst nach allgemeinen Grundsätzen für die fraglichen Tatsachen behauptungs- und beweisbelastet ist, steht sie vor der Wahl, auf die Rechtsdurchsetzung zu verzichten oder ihr Geheimnis zu offenbaren. Ist sie es nicht, so besteht grundsätzlich zwar die Möglichkeit, ihr eine sekundäre Behauptungslast aufzuerlegen, da es um Informationen aus ihrem Bereich geht, von denen ihr Gegner regelmäßig keine Kenntnis haben kann. Über das Kriterium der Zumutbarkeit des Aufklärungsbeitrags wird aber die Verlagerung der Darlegungslast ausgeschlossen, wenn sie anerkennenswerte Geheimhaltungsinteressen geltend macht. Geht es um Tatsachen, die der Gegner bereits für die Formulierung eines den Anforderungen des § 253 II ZPO genügenden Klageantrags oder einer Einwendung benötigt, so kommt ein materiellrechtlicher Informationsanspruch aus Treu und Glauben in Betracht, der allerdings ebenfalls nur so weit reicht, wie die Preisgabe von Informationen der Auskunftsperson zumutbar ist. Angesichts dieses Befundes könnte man schlussfolgern, dass das Prozessrecht den Geheimnisschutzinteressen der primär risikobelasteten Partei, also regelmäßig des Klägers als „Angreifers“, einen geringeren Schutz einräumt als denjenigen ihres Gegners100. Denn sie hat in der Regel keine Möglichkeit, dem Dilemma zwischen der Entscheidung für eine Preisgabe ihrer Betriebsinterna und dem Verzicht auf eine Durchsetzung ihrer Rechte zu entkommen. Genau betrachtet ist dieses Phänomen aber auf die Struktur des gerichtlichen Verfahrens und die dort geltende Risikoverteilung zurückzuführen: Die Geheimhaltungsinteressen der Parteien selbst werden rechtlich gleich behandelt, ihr (fehlender) Schutz hat für Kläger und Beklagten aber aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Parteirollen eine unterschiedlich große Bedeutung. Insofern eine Ungleichbehandlung vorliegt, hat diese ihre Ursache im Beibringungsgrundsatz selbst, der die Zuweisung der Behauptungslast erfordert und prozessuale Nachteile an ihre Nichterfüllung knüpft. Diejenige Partei, die sich in der Verteidigerposition befindet, ist nach der Lastenverteilung der ZPO in der Tat regelmäßig im Vorteil – und zwar unabhängig von etwaigen Geheimhaltungsinteressen –, da sich zunächst ihr Gegner in Zugzwang befindet. Dies ist die logische Folge eines Prozessverständnisses, welches das Zivilverfahren nicht als von beiden Parteien geförderte Aufklärungsveranstaltung begreift, sondern ihnen die Beschaffung und Selektion des Tatsachenstoffes überlässt und dabei davon ausgeht, dass regelmäßig jede die für sie günstigen Tatsachen vortragen wird.
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MAYEN, AnwBl 2002, 495 (498); DERS., NVwZ 2003, 537 (538).
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Man mag darüber streiten, ob die klassische Normentheorie als Grundregel der Beweis- und damit auch Darlegungslastverteilung interessengerecht ist, obgleich die Praxis zeigt, dass sie im Allgemeinen gut funktioniert. Geht man aber davon aus, dass ein dem Beibringungsgrundsatz unterliegendes Zivilverfahren eine Verteilung der Behauptungslast erfordert, und nimmt man ihre derzeit geltenden Regeln zunächst als gegeben hin, so zeigt sich, dass die Rechtsordnung auf Geheimhaltungsbedürfnisse beider Parteien letztlich übereinstimmend reagiert. Weder auf die eine noch auf die andere Partei wird ein Zwang zur Aufklärung ausgeübt, abgesehen von den Fällen klagbarer Informationsansprüche, die ihrerseits abhängig von der Zumutbarkeit der Auskunftserteilung und damit von etwaigen Geheimhaltungsinteressen sind. Diejenige Partei jedoch, die entweder von vornherein oder aufgrund ihrer besseren Aufklärungsmöglichkeiten für einen (anspruchs- oder einredebegründenden) Umstand sekundär darlegungsbelastet ist, an dessen Geheimhaltung sie ein Interesse hat, steht immer vor der Wahl, auf die Durchsetzung ihres Rechts bzw. ihrer Einwendung zu verzichten oder ihr Geheimnis preiszugeben. Der Umstand, dass eine Verlagerung der Darlegungslast bei schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen ausscheidet, rechtfertigt sich dadurch, dass die sekundäre Behauptungslast selbst bereits eine Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellt, die begründet werden muss und sich bei Unzumutbarkeit des Aufklärungsbeitrags nicht begründen lässt.
2.1.6. Deus ex machina – Das Geheimverfahren als Ausweg? Die Tatsache, dass sich der darlegungsbelasteten Partei nur die Alternativen bieten, entweder ihre Geheimnisse offenzulegen oder auf die Verfolgung ihrer Rechte zu verzichten, wird vielfach als unbefriedigend empfunden. Als mögliche Abhilfe werden verschiedene Varianten des „prozessualen Geheimverfahrens“ diskutiert. Die Debatte, die durch zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts101 erneut entfacht wurde, kreist dabei um die Frage, inwieweit Tatsachen mittelbar oder unmittelbar zur Grundlage gerichtlicher Entscheidungen gemacht werden können, die einer Partei oder sogar dem Gericht selbst nicht bekannt gegeben werden. In der ersten Variante offenbart die geheimnisschutzbedürftige Partei die entscheidungsrelevanten Tatsachen dem Gericht; in der zweiten Variante fließt ein Sachverständigengutachten in das Urteil ein, dessen Ergebnis das Gericht kennt, in dessen tatsächliche Grundlagen es aber keinen Einblick nimmt (Einsatz eines „Beweismittlers“). Werden die geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen immerhin dem Gericht, nicht aber der Gegenpartei bekannt gegeben, so spricht man von einem in-cameraVerfahren. Der wesentliche Einwand gegen derartige Verfahren liegt auf der Hand: Sie schmälern das rechtliche Gehör desjenigen, der von der Kenntnis eines Teils der entscheidungserheblichen Tatsachen ausgeschlossen wird. Einig ist man sich deshalb darüber, dass im Strafrecht ein Geheimverfahren unzulässig ist102. Denn 101 102
BVerfG, NJW 2000, 1175 ff.; NVwZ 2006, 1041 ff. BVerfG, NStZ-RR 2008, 16 ff.; NJW 2000, 1175 (1178); BVerfGE 57, 250 (288); NJW 2000, 1661 ff.
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möchte der Staat Tatsachen geheim halten, so muss sich dies nach dem Grundsatz in dubio pro reo zugunsten des Angeklagten auswirken. Sein Rechtsschutz darf nicht dadurch verkürzt werden, dass das Gericht Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde legt, von denen er keine Kenntnis erlangt. Im Zivilrecht wird das Geheimverfahren bislang überwiegend als unzulässig angesehen103. Es sei unvereinbar mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs sowie mit verschiedenen prozessrechtlichen Prinzipien wie etwa der prozessualen Waffengleichheit104 oder auch der Parteiöffentlichkeit105. Diese Einwände treffen einerseits die Einführung von Prozessstoff, dessen tatsächliche Grundlagen dem Gericht selbst und der Gegenpartei nicht bekannt gemacht werden, beispielsweise ein Gutachten auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen einer Partei, die weder dem Gericht noch dem Gegner zur Verfügung gestellt werden106, andererseits aber auch die in-camera-Variante, in der nur das Gericht Kenntnis erlangt. Auch sie wird in der Literatur deshalb häufig abgelehnt107. Bedenklich erscheint vielen Autoren bereits eine vom Bundesverfassungsgericht durch Nichtannahmebeschluss bestätigte108 Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, in der es die Beweisführung durch ein mittelbares Beweismittel zuließ, um Geheimhaltungsinteressen der beweisführungspflichtigen Partei zu schützen109. Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob eine Gewerkschaft den Beweis der Tatsache, dass eines ihrer Mitglieder einem bestimmten Betrieb angehört, durch Vorlage einer notariellen Erklärung führen konnte. In seiner Erklärung hatte der Notar bescheinigt, vor ihm sei der Sekretär der Gewerkschaft mit einer weiteren Person erschienen, die eidesstattlich versichert habe, dass sie in dem fraglichen Betrieb beschäftigt sei, und ihm einen Reisepass und eine Lohnabrechnung vorgelegt habe – der Name dieser Person wurde jedoch nicht genannt. Die Bedenken an dieser Entscheidung werden neben dem Verstoß gegen Art. 103 I GG 110 unter anderem auch darauf gestützt, dass dem Arbeitgeber durch diese Beweisführung praktisch die Möglichkeit zu einem Gegenbeweis abgeschnitten werde111. Ange-
103
OLG Köln, NJW-RR 1996, 1277; PRÜTTING/WETH, DB 1989, 2273 (2276); KÜRSCHNER, NJW 1992, 1804 (1805); LACHMANN, NJW 1987, 2206 (2209); SCHILKEN, SAE 1993, 308 (313); BAUMGÄRTEL, in: FS Habscheid, 1 (8); differenzierend PLOCH-KUMPF, Unternehmensgeheimnisse im Zivilprozess, 166 ff. 104 SCHILKEN, SAE 1993, 308 (313). 105 PRÜTTING/WETH, NJW 1993, 576 (577); BAUMGÄRTEL, in: FS Habscheid, 1 (6). 106 Vgl. BGH, NJW 1992, 1817, wo der BGH zusätzlich einen Verstoß gegen § 286 ZPO konstatiert (s. auch BORNKAMM, in: FS Ullmann, 893, 905). Ein solches Verfahren wäre zudem nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig, vgl. BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1044). 107 PRÜTTING/WETH, DB 1989, 2273 (2276); KÜRSCHNER, NJW 1992, 1804 (1805); LACHMANN, NJW 1987, 2206 (2209); SCHILKEN, SAE 1992, 308 ff.; BAUMGÄRTEL, in: FS Habscheid, 1 (8). 108 BVerfG, NJW 1994, 2347. 109 BAG, NJW 1993, 612 ff. 110 SCHILKEN, SAE 1993, 308 (313). 111 PRÜTTING/WETH, DB 1989, 2273 (2277); WALKER, in: FS Schneider, 147 (167 f.). Zu weiteren Kritikpunkten an der Entscheidung s. WALKER, in: FS Scheider, 147 (159 ff.), sowie SCHILKEN, SAE 1993, 308 (310).
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sichts der Kritik an dieser Entscheidung ist nicht verwunderlich, dass viele eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs erst recht dann ablehnen, wenn es nicht nur um die Entscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Beweismitteln geht, sondern eine Partei von bestimmten Grundlagen des Urteils überhaupt keine Kenntnis erlangen soll112. In jüngerer Zeit häufen sich jedoch die Stimmen, die ein in-camera-Verfahren befürworten113. Ihr Hauptargument ist das folgende: Bevor die Berücksichtigung von Geheimhaltungsinteressen dazu führt, dass empfindliche Informationen überhaupt nicht ins Verfahren eingeführt werden, sei es allemal besser, wenn nur das Gericht von ihnen Kenntnis erlangt und damit eine Aufklärung möglich wird. Der Geheimnisinhaber dürfe nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder sein Geheimnis der Gegenpartei zu offenbaren oder den Prozess zu verlieren. Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes müsse die Information unter Einschränkung des rechtlichen Gehörs nutzbar gemacht werden114. Aktuelle Entwicklungen in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und im Verwaltungsprozess haben die Diskussion um neue Aspekte erweitert und werfen die Frage auf, ob in Zukunft nicht auch im Zivilprozess ein Geheimverfahren eingeführt werden könnte. Ursprünglich stand auch das Bundesverwaltungsgericht auf dem Standpunkt, ein in-camera-Verfahren sei wegen Verstoßes gegen Art. 103 I GG unzulässig115. Dem stellte sich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1999 entgegen, in der das Gericht die damalige Regelung des § 99 VwGO zur Vorlage von Akten durch Behörden insofern für verfassungswidrig erklärte, als es nach dieser Vorschrift einer Behörde möglich war, in einem Rechtsstreit über das Auskunftsbegehren eines Bürgers nicht nur diesem selbst, sondern auch dem Gericht die Akten zu den streitgegenständlichen Informationen vorzuenthalten, wenn sie glaubhaft darlegte, dass der Akteninhalt geheimhaltungsbedürftig war116. Diese Regelung beschränkte nach Auffassung des Verfassungsgerichts die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG in nicht erforderlicher Weise, weil das Gesetz ein Verfahren vorsehen könne, in dem die Akten dem Gericht, nicht jedoch dem Prozessgegner vorgelegt werden müssten. Ein Verstoß gegen Art. 103 I GG liege hierin nicht. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör stehe in einem engen Zusammenhang zum Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und dürfe insbesondere dann ein-
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So hat etwa ZEUNER, in: FS Gaul, 845 (853 ff.), keine durchgreifenden Bedenken gegen das Vorgehen des BAG, da seiner Entscheidung streng genommen nur die Urkunde selbst zugrunde gelegt wurde und diese beiden Parteien zugänglich war; der Autor wendet sich aber eindeutig gegen ein Geheimverfahren, in dem bestimmte Tatsachen nur dem Gericht gegenüber offengelegt werden, nicht jedoch der gegnerischen Partei. 113 SCHLOSSER, in: FS Großfeld, 997 (1005); STÜRNER, JZ 1985, 453 (459); STADLER, NJW 1989, 1202 (1204); WAGNER, JZ 2007, 706 (717 f.); BORNKAMM, in: FS Ullmann, 893 (907); MAYEN, AnwBl 2002, 495 (502); DERS., NVwZ 2003, 537 (541 f.) (zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren). 114 SCHLOSSER, in: FS Großfeld, 997 (1005); STADLER, NJW 1989, 1202 (1204). 115 BVerwG, NJW 1990, 2761 (2765). 116 BVerfG, NJW 2000, 1175 ff.
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geschränkt werden, wenn – wie hier – effektiver Rechtsschutz erst durch eine Beschränkung des rechtlichen Gehörs möglich werde. Der Bürger habe dann den Vorteil, dass wenigstens das Gericht die Akten kenne und auf dieser Grundlage urteilen könne. Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der dem Rechtsschutz des Einzelnen diene, könne diesem nicht entgegengehalten werden, wenn der begrenzte Verzicht darauf seinen Rechtsschutz ausnahmsweise verbessere. Hingegen sei ein in-camera-Verfahren unzulässig, wenn es zu einer Verminderung der Rechtsposition des Betroffenen führe117. Aufgrund dieses Urteils wurde in § 99 II VwGO ein Zwischenverfahren vor einem Fachsenat des Oberverwaltungs- bzw. Bundesverwaltungsgerichts eingeführt, der auf Antrag darüber entscheidet, ob die Verweigerung der Urkundenvorlage oder der Auskunftserteilung rechtmäßig ist118. Die fraglichen Informationen sind dem Spruchkörper vorzulegen, so dass dieser eine vollständige Entscheidungsgrundlage erhält. Im Telekommunikationsrecht gilt seit 2004 die spezielle Vorschrift des § 138 TKG, die abweichend von § 99 II VwGO das Gericht der Hauptsache im Zwischenverfahren für zuständig erklärt und eine Verwertungsmöglichkeit der nach Auffassung des Gerichts geheimzuhaltenden Unterlagen im Hauptsacheverfahren vorsieht, wenn alle Beteiligten dem zustimmen (Verzicht auf rechtliches Gehör, § 138 IV 2 TKG). Ein zweites, im Jahre 2006 ergangenes Urteil des BVerfG bestätigte die Linie der Entscheidung aus dem Jahre 1999, dehnte aber gleichzeitig die Zulässigkeit des in-camera-Verfahrens weiter aus119. Streitgegenstand waren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, in denen die partielle Verweigerung der Offenlegung von Verwaltungsvorgängen aus einem telekommunikationsrechtlichen Entgeltfestsetzungsverfahren für rechtswidrig erklärt worden war, deren Einsichtnahme Wettbewerber der Deutschen Telekom AG begehrten. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Geheimhaltung der Unterlagen als Ausnahme von der Regel behandelt und an die Bedingung geknüpft, dass nachhaltige oder existenzbedrohende Nachteile für das betroffene Unternehmen zu besorgen sind120. Das Bundesverfassungsgericht räumte den unter dem Schutz des Art. 12 GG stehenden Geheimnisschutzinteressen der Deutschen Telekom AG größeres Gewicht ein: Ein chancengleicher und funktionsfähiger Wettbewerb könne nicht dadurch befördert werden, dass den Wettbewerbern Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Konkurrenzunternehmens eröffnet und es ihnen so ermöglicht werde, gezielt Wettbewerbsstrategien gegen dieses aufzubauen121. In seinen Ausführungen zu der Möglichkeit, die Grundrechtskollision verträglich aufzulösen, ließ das Gericht eine deutliche Sympathie für das in-camera-Verfahren erkennen. Es relativierte seine Aussage aus der 1999er Entscheidung, ein derartiges Verfahren sei nur dann zulässig, wenn es aus-
117
BVerfG, NJW 2000, 1175 (1178). Hierzu SPIEGELS, VBlBW 2004, 108 ff. 119 BVerfG, NVwZ 2006, 1041 ff. 120 BVerwG, DVBl 2004, 62 ff.; für einen stärkeren Geheimnisschutz im Verfahren um die Kontrolle eines Endkundentarifs jedoch BVerwG, CR 2005, 194 ff. 121 BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1045). 118
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schließlich zu einer Verbesserung des Rechtsschutzes führt. Dieser Grundsatz gelte nur für eine bipolare Konfliktlage Staat-Bürger; bei einem multipolaren Konflikt müssten die Erwägungen modifiziert und auf eine Situation bezogen werden, in welcher der verbesserte Grundrechtsschutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen mit der Verfügbarkeit der betroffenen Vorgänge im gerichtlichen Verfahren verkoppelt wird, diese aber für einen der Beteiligten nicht zugänglich sind. Effektiver Rechtsschutz werde auch in einer solchen Situation nicht vereitelt, da das Gericht alle Unterlagen verwerten könne. Allerdings werde das rechtliche Gehör eingeschränkt, da Wettbewerber nicht selbst zu den von der Einsichtnahme ausgeschlossenen Teilen der Unterlagen Stellung nehmen können. Doch der Anspruch auf rechtliches Gehör könne eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe hinreichend gerechtfertigt ist122. Trotz dieser Sympathie für das in-camera-Verfahren sah sich das Bundesverfassungsgericht daran gehindert, das Bundesverwaltungsgericht auf die Durchführung eines solchen Verfahrnes zu verweisen, weil der Gesetzgeber hierfür keine Ermächtigung geschaffen habe. § 99 VwGO sei ebenso wie § 138 TKG ausdrücklich auf das Zwischenverfahren beschränkt, so dass praktische Konkordanz durch Abwägung der geschützten Interessen hergestellt werden müsse und könne123. Über diese Beschränkung auf das Zwischenverfahren hat sich das Bundesverwaltungsgericht inzwischen aufgrund der „Mobistar“-Entscheidung des EuGH124 hinweggesetzt und in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung ein in-cameraVerfahren in der Hauptsache auf § 138 TKG gestützt125. „Mobistar“ zwingt nämlich faktisch in dem durch die Rahmenrichtlinie 2002/21/EG126 erfassten Bereich zur Durchführung eines in-camera-Verfahrens: Nach Auffassung des EuGH muss diejenige Stelle, die zu Entscheidungen über Rechtsbehelfe gegen die Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden berufen ist, über sämtliche für die Prüfung der Begründetheit des Rechtsbehelfs nötigen Informationen verfügen, welche die Regulierungsbehörde bei Erlass der Entscheidung berücksichtigt hat, einschließlich etwaiger vertraulicher Informationen, hat jedoch die vertrauliche Behandlung der betreffenden Angaben zu gewährleisten und dabei die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes zu beachten und die Verteidigungsrechte der Beteiligten sicherzustellen. Anders als durch einen Wissensvorsprung des entscheidenden Gerichts vor den Wettbewerbern lassen sich diese Vorgaben nicht umsetzen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob damit die bisherigen Bedenken gegen ein zivilprozessuales Geheimverfahren an Gewicht verlieren. Nicht mehr stichhaltig ist nach der neuesten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls das nach der Entscheidung aus dem Jahre 1999 vorgebrachte Argument, die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts gälten ledig-
122
BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1044). BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1044). 124 EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-438/04, Slg. 2006, I-6675 ff. = CR 2006, 669 ff. 125 BVerwGE 127, 282 ff. 126 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. 3. 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. L 108, 33. 123
40
Christine Osterloh-Konrad
lich in Fällen, in denen die Einschränkung des rechtlichen Gehörs den Rechtsschutz ausschließlich verbessere, und daher nicht im Zivilprozess, da dort das incamera-Verfahren nicht nur den Rechtsschutz der einen Partei verbessere, sondern gleichzeitig denjenigen der anderen Partei verschlechtere127. Denn in der neueren Entscheidung lässt das Gericht ausdrücklich Einschränkungen des rechtlichen Gehörs auch aus anderen Gründen als der Verbesserung des Rechtsschutzes des Betroffenen zu. Doch räumt die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts nicht alle Bedenken an der Einführung eines solchen Verfahrens in den Zivilprozess aus. Seine Aussage, der Anspruch auf rechtliches Gehör stehe in einem engen Zusammenhang zum Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, lässt sich nämlich auch anders akzentuieren, als es das Gericht selbst tut: Effektiver Rechtsschutz bedeutet nicht nur, dass das Gericht den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend prüft, sondern auch, dass dem Rechtsschutzsuchenden die Möglichkeit gegeben wird, seine Rechte eigenverantwortlich zu verfolgen, was voraussetzt, dass er sich zu den relevanten Tatsachen erklären kann. Es geht also nicht nur darum, ob man dem Gericht zutrauen kann, ohne Mitwirkung der ausgeschlossenen Partei eine richtige Entscheidung zu treffen; vielmehr ist von wesentlicher Bedeutung, dass das Prozessrecht die Partei eines Verfahrens nicht zu dessen uninformiertem Objekt macht, sondern sie das Verfahren als informiertes Subjekt aktiv mitgestalten kann128. Ein Geheimverfahren zwingt die nicht informierte Partei beispielsweise im Falle ihres Unterliegens dazu, blind (mindestens aber kurzsichtig) über die Einlegung von Rechtsmitteln zu entscheiden129; denn auch in den Urteilsgründen und im Tatbestand dürfen die geheimhaltungsbedürftigen Informationen nicht erwähnt werden. Es besteht mithin die Gefahr, dass das Urteil intransparent wird, und zwar nicht nur für den Gegner des Geheimnisinhabers, sondern ebenso für diesen selbst. Denn auch er vermag unter Umständen die Richtigkeit der vom Gericht vorgenommenen Bewertung mangels zureichender Begründung nicht zu überprüfen. Es ist deshalb zweifelhaft, ob einem auf diese Weise zustande gekommenen Urteil ein höherer Gerechtigkeitsgehalt innewohnt als einer reinen Beweislastentscheidung130. Soweit zugunsten des Geheimverfahrens mit der Institution des Wirtschaftsprüfervorbehalts argumentiert und ausgeführt wird, die unterschiedliche Behandlung des Geheimnisschutzes im Verfahren um den vorbereitenden Informationsanspruch und im Hauptsacheprozess führe zu widersprüchlichen Ergebnissen131, beruht dies auf einer Gleichsetzung vermeintlich paralleler, tatsächlich aber nicht vergleichbarer Situationen. Im ersten Fall (Wirtschaftsprüfervorbehalt) beschränkt man durch eine inhaltliche Modifizierung des Informationsanspruchs die Möglichkeit
127
ZEUNER, in: FS Kollhosser Bd. II, 811 (819). In diesem Sinne auch ZEUNER, in: FS Gaul, 845 (855); DERS., in: FS Kollhosser Bd. II, 811 (817). 129 So auch LACHMANN, NJW 1987, 2206 (2210). 130 BAUMGÄRTEL, in: FS Habscheid, 1 (7). 131 MAYEN, AnwBl 2002, 495 (501); DERS., NVwZ 2003, 537 (538). 128
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
41
der nicht informierten Partei, die von ihr unmittelbar zur Rechtsverfolgung benötigten Angaben durch Rückgriff auf deren Berechnungsgrundlagen zu überprüfen. Sie erhält jedoch uneingeschränkt Zugang zu denjenigen Informationen, die ihr die Bezifferung ihres Hauptanspruchs ermöglichen, und kann diesen im Anschluss daran einklagen. Die Partei bleibt Herrin ihrer Rechtsverfolgung und erhält die hierfür unmittelbar notwendigen Angaben; dem Gericht liegen bei seiner Entscheidungsfindung keine Informationen vor, die sie nicht kennt. Im zweiten Fall (in-camera-Verfahren) wird dem Gericht die Möglichkeit gegeben, über den Kopf einer Partei hinweg auf der Grundlage eines Sachverhalts zu urteilen, der dieser nur partiell bekannt ist. Nicht nur ihre Informationslage gegenüber der Gegenpartei, sondern vor allem ihre Position im gerichtlichen Verfahren wird dadurch empfindlich eingeschränkt. Über sie wird Recht gesprochen, ohne dass sie von allen erheblichen Tatsachen Kenntnis nehmen und sich zu diesen erklären könnte. Die Argumentation mit der scheinbaren Parallele des Geheimverfahrens zum Wirtschaftsprüfervorbehalt trägt mithin allenfalls prozessuale Gestaltungen, in denen zur Abschichtung geheimzuhaltender Informationen vom Verfahrensstoff neutrale Dritte eingeschaltet werden, deren Bekundungen – nicht dagegen die ihnen vorgelegten Informationen selbst – als frei zu würdigender Beweis zu behandeln sind132. Auch hier gebietet das Prinzip der Waffengleichheit jedoch Vorsicht, da die Möglichkeiten des Gegners, auf diese Weise eingeführten Prozessstoff gegenbeweislich zu entkräften, dadurch erheblich eingeschränkt werden können. Ein Beispiel hierfür bildet die bereits erwähnte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Beweis der Betriebszugehörigkeit eines Gewerkschaftsangehörigen: Der Arbeitgeber, der im Prozess mit der Erklärung eines Notars über die Gewerkschaftszugehörigkeit einer namentlich nicht genannten Person als Beweismittel konfrontiert wird, kann mangels Kenntnis der Identität dieser Person keine eigenen Nachforschungen anstellen und diese Angabe nicht falsifizieren. Insgesamt sind deshalb unabhängig von der Frage, ob sich das in-camera-Verfahren tatsächlich mit Art. 103 I GG vereinbaren lässt, Zweifel daran angebracht, ob es besser ist, eine gerichtliche Aufklärung zu ermöglichen, der die Partei blind vertrauen muss, als auf lückenlose Aufklärung zu verzichten. Jedenfalls in Verfahren, die nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegen und damit mehr auf Parteiherrschaft als auf bestmögliche Wahrheitsfindung ausgerichtet sind, stellt das in-camera-Verfahren einen bedenklichen Fremdkörper dar, indem es mindestens eine Partei einer gerichtlichen Entscheidung ausliefert, die für sie aufgrund der überlegenen Tatsachenkenntnis des Gerichts allenfalls partiell nachvollziehbar ist. Deshalb sollte dieses Verfahren nicht Eingang in den Zivilprozess finden; für ihn bleibt es dabei, dass bei der Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Informationsinteresse eine Wahl zwischen Geheimhaltung und Aufklärung gerade auch gegenüber der gegnerischen Partei getroffen werden muss. Nur dies ist mit der parteiautonomen Ausgestaltung des Zivilprozesses vereinbar – und nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch mit dem Grundgesetz. Denn durch eine nachvollzieh-
132
ZEUNER, in: FS Gaul, 845 (855).
42
Christine Osterloh-Konrad
bare, mit Augenmaß vorgenommene Abwägung kann praktische Konkordanz zwischen den kollidierenden Grundrechten hergestellt werden133.
2.1.7. Schluss und Ausblick Letztlich lässt sich der Konflikt zwischen Informations- und Geheimnisschutzinteresse im Zivilverfahren somit nicht allseits verträglich auflösen. Nimmt man die Privatautonomie und ihre prozessuale Fortsetzung in der Verhandlungsmaxime ernst und sieht man die Parteien als Herren des Verfahrens an, denen gegenüber dem Gericht wegen der Vorgabe des Art. 103 I GG kein Wissensvorsprung zugestanden werden darf, so bleibt es – bei allen Möglichkeiten, durch Modifikationen des Auskunftsanspruchs eine gewisse „praktische Konkordanz“ herzustellen – letztlich bei der Notwendigkeit einer Abwägung, die im Ergebnis einem der beiden Interessen den Vorrang einräumt. Daher kann der Partei die Entscheidung zwischen den Alternativen, den Prozess zu verlieren oder ihr Geheimnis preiszugeben, in vielen Fällen nicht erspart werden. Gegen dieses Ergebnis lässt sich nicht einwenden, dass ein Geheimnisschutz, welcher nur um den Preis des Prozessverlustes gewährt wird, nur auf dem Papier bestehe und seinen Namen nicht verdiene134 und dass sichergestellt werden müsse, dass eine Partei den Prozess gewinnen und gleichzeitig ihre Geheimnisse wahren kann135. Denn darauf lässt sich umgekehrt erwidern, dass es mit den Prinzipien unseres Rechtssystems wohl kaum vereinbar wäre, wenn die gegnerische Partei den Prozess verlieren und die Gründe dafür ihr nicht mitgeteilt würden. Welches Interesse überwiegt, ist im Einzelfall anhand der verschiedenen oben genannten Kriterien zu entscheiden; die Gerichte sind hierbei aufgerufen, die Anwendung dieser Kriterien in der Urteilsbegründung offen zu legen und auf diese Weise den Abwägungsvorgang und die Plausibilität des Abwägungsergebnisses erkennbar zu machen136. Dem Interesse am Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gegenüber Wettbewerbern ist dabei ein erhebliches Gewicht beizumessen, wobei die Schutzwürdigkeit gemindert ist, wenn der Geheimnisinhaber selbst durch eine schuldhafte Verletzung fremder Rechte die Kollision zwischen Geheimnisschutz und Aufklärungsinteresse herbeigeführt hat. In den vergangenen Jahren lässt sich allerdings in der Praxis eine gewisse Tendenz feststellen, im Zweifel zugunsten der Aufklärung zu entscheiden – die dargestellte Diskrepanz zwischen der 1985 ergangenen „Druckbalken“-Entscheidung des X. Zivilsenats des BGH und dem 2002 gefällten „Faxkarten“-Urteil bietet ein Beispiel dafür. Für eine Ausweitung der prozessualen Aufklärungspflichten und der vorbereitenden Informationsansprüche sprechen auch der internationale Vergleich und die völker- und europarechtlichen Vorgaben. In vielen Rechtsordnungen haben die Par133
BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1044); a.A. GAIER in seiner abweichenden Meinung, NVwZ 2006, 1047 ff., sowie MAYEN, NVwZ 2003, 537 (541), der einen generellen Ausschluss von incamera-Verfahren für verfassungswidrig hält. 134 STÜRNER, JZ 1985, 453 (459). 135 MAYEN, AnwBl 2002, 495 (496); in diesem Sinne auch STADLER, NJW 1989, 1202. 136 Vgl. BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (1046).
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
43
teien eines Zivilrechtsstreits mehr verfahrensrechtliche Möglichkeiten, Zugang zu Informationen aus der Sphäre ihres Gegners zu erlangen, als nach der geltenden ZPO 137; da das deutsche Recht das Problem in erster Linie auf materiellrechtlicher Ebene zu lösen versucht (vgl. § 422 ZPO), sollten insbesondere materiellrechtliche Informationsansprüche nicht zu restriktiv zugesprochen werden. Zudem zwingen die internationalen Vorgaben im Recht des geistigen Eigentums zu einer großzügigen Anwendung der Rechtsgrundlagen für Informationsansprüche und Aufklärungspflichten im Prozess138. So sieht zum einen Art. 43 I TRIPS 139 vor, dass die Gerichte unter der Voraussetzung, dass der Kläger alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung seiner Ansprüche vorgelegt und rechtserhebliche Beweismittel, die sich in der Verfügungsgewalt des Gegners befinden, bezeichnet hat, deren Vorlegung durch die gegnerische Partei anordnen können. Zum anderen ist seit dem 29. 4. 2004 eine EG-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in Kraft, deren Art. 6 I 1 die Verpflichtung der Mitgliedstaaten festlegt, die in Art. 43 I TRIPS bezeichnete Möglichkeit der Gerichte sicherzustellen, soweit der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet ist140. Diese Vorgaben fordern unmittelbar nur für das Recht des geistigen Eigentums einen großzügigen Umgang mit dem Zugang zu Informationen. Da jedoch grundlegende Unterschiede zwischen Informationsasymmetrien im Immaterialgüterrecht und denjenigen in sonstigen Rechtsbereichen nicht zu erkennen sind, sich die Interessenlagen vielmehr in den entscheidenden Punkten gleichen, sollte diese Tendenz auf das gesamte Zivilrecht ausgedehnt werden141.
Literatur AXSTER, OLIVER
BANZHAF, VOLKER BAUMBACH, A DOLF/ LAUTERBACH, WOLFGANG (HRSG.)
137
TRIPS und das deutsche Verbot des Ausforschungsbeweises, in: REICHERT, KLAUS u.a. (Hrsg.): Recht, Geist und Kunst: liber amicorum für Rüdiger Volhard, Baden-Baden 1996, S. 19 ff. Der Auskunftsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Heidelberg 1989. Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und anderen Nebengesetzen, Beck’scher Kurz-Kommentar, 66. Auflage, München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: BAUMBACH/LAUTERBACH).
Man denke etwa an die pre-trial-discovery des US-amerikanischen Rechts, vgl. PFEIFFER, GRUR Int. 1999, 598 ff.; zum Vergleich des deutschen und US-amerikanischen Zivilprozesses REITZ, ZZP 104 (1991), 381 ff. 138 S. etwa BGH, GRUR 2006, 962 (966 f.), zur Auslegung von § 142 ZPO. 139 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, PMZ 1995, 23 ff. 140 ABl. L 195/16. 141 Ob sich allerdings sämtliche Regelungen des aktuellen Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (abrufbar unter http://www. bmj.de/files/-/3111/Beschlussempfehlung%20und%20Bericht%20des%20Rechtsausschusses_ Durchsetzungsrichtlinie.pdf), der dem Informationsinteresse des Rechtsinhabers einen außerordentlich hohen Stellenwert einräumt und in einigen Punkten deutlich über die Richtlinie hinausgeht, auf andere Bereiche des Zivilrechts übertragen lassen, ist sehr zweifelhaft.
44 BAUMGÄRTEL, GOTTFRIED BAUMGÄRTEL, GOTTFRIED
BLOMEYER, ARWED BORNKAMM, JOACHIM
DANNECKER, GERHARD
FENGER, HERMANN FRITZE, ULRICH GERHARDT, WALTER GERNHUBER, JOACHIM GOTTWALD, PETER JESTAEDT, BERNHARD KENTGES, M ARTIN KISSEL, O TTO RUDOLF/ MAYER, HERBERT KÖHLER, HELMUT KÖNIG, R EIMAR
KRAPOTH, FABIAN KRASSER, RUDOLF
KRIEGER, ULRICH KUR, ANNETTE/ PEUKERT, A LEXANDER
Christine Osterloh-Konrad
Die Beweisvereitelung im Zivilprozess, in: RECHBERGER, WALTER/ WELSER, RUDOLF (Hrsg.), Festschrift für Winfried Kralik, Verfahrensrecht – Privatrecht, Wien 1986, S. 63 ff. „Geheimverfahren“ im Zivilprozeß zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nach Schweizer Vorbild?, in: LINDACHER, W ALTHER (Hrsg.), Festschrift für Walther J. Habscheid zum 65. Geburtstag, Gieseking u.a. 1989, S. 1 ff. Die Umkehr der Beweislast, AcP 158 (1958), S. 97 ff. Der Schutz vertraulicher Informationen im Gesetz zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums – In-camera-verfahren im Zivilprozess?, in: AHRENS, HANS-JÜRGEN u.a. (Hrsg.), Festschrift für Eike Ullmann, Saarbrükken 2006, S. 893 ff. Der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, Zur Situation nach der Neuregelung durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2 WiKG), BB 1987, S. 1614 ff. Die Öffentlichkeit in Arzthaftpflichtverfahren, NJW 2000, S. 851 ff. Anmerkung zu BGH v. 4.7.1975 – I ZR 115/73 („Ausschreibungsunterlagen“), GRUR 1976, S. 369 ff. Beweisvereitelung im Zivilprozeßrecht, AcP 169 (1969), S. 289 ff. Das Schuldverhältnis, Handbuch des Schuldrechts in Einzeldarstellungen – Band VIII, Tübingen 1989. Zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen im Zivilprozeß, BB 1979, S. 1780 ff. Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch bei Sortenschutzverletzung, GRUR 1993, S. 219 ff. Der Auskunftsanspruch im Familienrecht, Bochum 1992. Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 4. Auflage, München 2005 (zitiert: BEARBEITER, in: KISSEL, GVG). Der Schadensersatz-, Bereicherungs- und Auskunftsanspruch im Wettbewerbsrecht, NJW 1992, S.1477 ff. Die Beweisnot des Klägers und der Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB bei Patent- und Gebrauchsmusterverletzungen, Mitt. 2002, S. 153 ff. Die Rechtsfolgen der Beweisverteilung im Zivilprozess, München 1996. Grundlagen des zivilrechtlichen Schutzes von Geschäftsgeheimnissen und Betriebsgeheimnissen sowie von Know-how, GRUR 1977, S. 177 ff. Zum Anspruch auf Auskunftserteilung wegen Warenzeichenverletzung, GRUR 1989, S. 802 ff. Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht zur Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in deutsches Recht, GRUR Int. 2006, S. 292 ff.
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
KÜRSCHNER, WOLFGANG LACHMANN, JENS-P ETER LEPPIN, K LAUS
LÜDERITZ, ALEXANDER LÜKE, GERHARDT LÜKE, GERHARDT/ RAUSCHER, T HOMAS/ ADOLPHSEN, JENS (HRSG.) MAASSEN, BERNHARD MAYEN, THOMAS MAYEN, THOMAS MUSIELAK, HANSJOACHIM
MUSIELAK, HANSJOACHIM (HRSG.) OPPERMANN, K LAUS
OSTERLOH-KONRAD, CHRISTINE PALANDT, OTTO (BEGR.)
PETERS, EGBERT PFEIFFER, A XEL
PFEIFFER, G ERD
PLOCH-K UMPF, UTE
PRÜTTING, H ANNS/ WETH, STEPHAN
45
Parteiöffentlichkeit vor Geheimnisschutz im Zivilprozeß, NJW 1992, S. 1804 ff. Unternehmensgeheimnisse im Zivilrechtsstreit, dargestellt am Beispiel des EDV-Prozesses, NJW 1987, S. 2206 ff. Besichtigungsanspruch und Betriebsgeheimnis (Teil II) – Ein Beitrag zum eingeschränkten Besichtigungsanspruch gemäß §§ 809, 242 BGB und zur Möglichkeit eines Geheimverfahrens im Zivilprozeß unter besonderer Berücksichtigung der Patentverletzung, GRUR 1984, S. 695 ff. Ausforschungsverbot und Auskunftsanspruch bei Verfolgung privater Rechte, Tübingen 1966. Der Informationsanspruch im Zivilrecht, JuS 1986, S. 2 ff. Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Band I, §§ 1-354, 3. Auflage, München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: MüKo-ZPO). Beweismaßprobleme im Schadensersatzprozeß, Köln u.a. 1975. Geheimnisschutz im Gerichtsverfahren, AnwBl 2002, S. 495 ff. Verwertbarkeit von geheim gehaltenen Verwaltungsvorgängen im gerichtlichen Verfahren?, NVwZ 2003, S. 537 ff. Hilfe bei Beweisschwierigkeiten im Zivilprozeß, in: SCHMIDT, KARSTEN u.a. (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof – Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. III, Zivilprozeß, Insolvenz, Öffentliches Recht, München 2000, S. 193 ff. Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Auflage, München 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: MUSIELAK). Der Auskunftsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der Produktpiraterie, Berlin 1997. Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, München 2007. Bürgerliches Gesetzbuch, Beck’scher Kurz-Kommentar, 67. Auflage, München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: PALANDT). Beweisvereitelung und Mitwirkungpflicht des Beweisgegners, ZZP 82 (1969), S. 200 ff. Hätte Columbus gewußt, was aus seiner „discovery“ wird – Das „discovery“-Verfahren im amerikanischen Patentverletzungsprozeß, GRUR Int. 1999, 598 ff. Der strafrechtliche Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 17 UWG, in: BUCHHAUSEN, KARL U.A. (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Nirk zum 70. Geburtstag am 11. Oktober 1992, München 1992, S. 861 ff. Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung in der Gesamtrechtsordnung, Frankfurt am Main 1996. Die Vertretung einer Gewerkschaft im Betrieb – Geheimverfahren zum Nachweis der Voraussetzungen, DB 1989, S. 2273 ff.
46 REBMANN, KURT U.A. (H RSG.)
REITZ, JOHN C.
ROSENBERG, LEO ROSENBERG, LEO/ SCHWAB, KARL HEINZ/ GOTTWALD, PETER SASS, STEPHAN
SCHILKEN, EBERHARD SCHILKEN, EBERHARD SCHLOSSER, PETER
SCHNEIDER, EGON SOERGEL, HANS THEODOR (BEGR.) STAUDER, DIETER
STAUDINGER, JULIUS VON (BEGR.) STAUDINGER, JULIUS VON (BEGR.) STEIN, FRIEDRICH/ JONAS, MARTIN (HRSG.) STEINBECK, ANJA STÜRNER, ROLF STÜRNER, ROLF TILMANN, WINFRIED
Christine Osterloh-Konrad
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, Schuldrecht Allgemeiner Teil, §§ 241-432, 5. Auflage, München 2007; Band 5, Schuldrecht Besonderer Teil III, 4. Auflage, München 2004 (zitiert: BEARBEITER, in: MüKo-BGB). Grundlegende Unterschiede zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Zivilprozeßrecht – Vorzüge, die sich ausschließen?, ZZP 104 (1991), S. 381 ff. Die Beweislast: auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Zivilprozessordnung, 5. Auflage, München 1965. Zivilprozessrecht, 16. Auflage, München 2004.
Die Beschaffung von Informationen und Beweisen – Eine Untersuchung zum Anwendungsbereich der §§ 809, 810 BGB im Spannungsfeld zwischen Besichtigungs- und Geheimhaltungsinteresse, St. Augustin 2002. Nachweis des Vertretenseins einer Gewerkschaft im Betrieb, SAE 1993, S. 308 ff. Gerichtsverfassungsrecht, 4. Auflage, Köln u.a. 2007. Wirtschaftsprüfervorbehalt und prozessuales Vertraulichkeitsinteresse der nicht primär beweis- und substanziierungsbelasteten Prozeßpartei, in: HÜBNER, ULRICH/ EBKE, WERNER F. (Hrsg.), Festschrift für Bernhard Großfeld zum 65. Geburtstag, Heidelberg 1999, S. 997 ff. Die Beweisverteilung, MDR 1969, S. 4 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar, Band II, Schuldrecht 1 (§§ 241-243), 12. Auflage, Stuttgart u.a. 1990 (zitiert: BEARBEITER, in: SOERGEL). Überlegungen zur Schaffung eines besonderen Beweisverfahrens im europäischen Patentverletzungsrecht – Saisie-contrefaçon oder actio ad exhibendum als Beispiele?, GRUR Int. 1978, S. 230 ff. Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 2, §§ 255-304 (Leistungsstörungsrecht I), 15. Bearbeitung, Berlin 2004 (zitiert: BEARBEITER, in: STAUDINGER). Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 2, Recht der Schuldverhältnisse (§§ 779-811), 14. Bearbeitung, Berlin 2002 (zitiert: BEARBEITER, in: STAUDINGER). Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band III, §§ 128-253, 22. Auflage, Tübingen 2005; Band III, §§ 253-299a, 21. Auflage, Tübingen 1997 (zitiert: BEARBEITER, in: STEIN/JONAS). Windsor Estate – eine Anmerkung, GRUR 2008, S. 110 ff. Die gewerbliche Geheimnissphäre im Zivilprozess, JZ 1985, S. 453 ff. Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, Tübingen 1976. Zum Anspruch aus Auskunftserteilung wegen Warenzeichenverletzung II, GRUR 1990, S. 160 ff.
2.1. Geheimnisschutz und Informationsinteresse bei der Durchsetzung privater Rechte
WALKER, WOLFDIETRICH
WINKLER VON MOHRENFELS, PETER ZEUNER, A LBRECHT
ZEUNER, A LBRECHT
ZÖLLER, RICHARD (HRSG.)
47
Zur Problematik beweisrechtlicher Geheimverfahren an einem Beispiel aus dem Arbeitsgerichtsprozeß, in: Zivilprozeß und Praxis: Das Verfahrensrecht als Grundlage juristischer Tätigkeit, Festschrift für Egon Schneider zur Vollendung des 70. Lebensjahres, Herne u.a. 1997, S.147 ff. Abgeleitete Informationspflichten im deutschen Zivilrecht, Berlin 1986. Gedanken zum Spannungsverhältnis zwischen Offenheit zivilrechtlicher Rechts- und Wahrheitsfindung und Geheimhaltungsinteressen in der Beziehung der Beteiligten, in: SCHILKEN, EBERHARD u.a. (Hrsg.), Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, Gieseking u.a. 1997, S. 845 ff. Rechtliches Gehör, in-camera-Verfahren und Zivilprozess, Zur Bedeutung von BVerfGE 101, 106 für den Bereich zivilgerichtlicher Verfahren, in: BORK, REINHARD u.a., Recht und Risiko, Festschrift für Helmut Kollhosser, Band II Zivilrecht, Karlsruhe 2004, S. 811 ff. Zivilprozessordnung – Kommentar, 26. Auflage, Köln 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: ZÖLLER).
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
49
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen Lucas Wartenburger*
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1. Einführung .................................................................. 2.2.2. Staatliche Eingriffe in den „Informationsmarkt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1.1. Diskussion über das Bilanzrichtliniengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1.2. Anwendbarkeit der „Solange“-Rechtsprechung auf Richtlinienumsetzung . . . . . . . 2.2.2.1.3. Unanwendbarkeit des Europarechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1.4. Überschießende Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1.5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1.6. Europarechtliche Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2.1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2.1.1. Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2.1.2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2.2. Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2.2.1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2.2.2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2.3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3. Berufsfreiheit – Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.1. Gewährleistungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.1.1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.1.2. Verhältnis zu anderen Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.2. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.2.1. Gemeinwohlbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.2.2. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.2.2.1. Eignung zur Zweckerreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.2.2.2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3.2.2.3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.4. Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.5. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3. Beziehungen innerhalb der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1. Geltende gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1.1. Funktion des Auskunftsanspruchs nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1.1.1. Kontrollfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1.1.2. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1.2. Sonderfall Auskunftsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1.2.1. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1.2.2. Auslegung im einfachen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2. Verfassungsrechtliche Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2.1. Verfassungsrechtliche Verankerung des Auskunftsanspruchs in Art. 14 GG . . . . . . 2.2.3.2.2. Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. I S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2.3. Berücksichtigungsfähige Gemeinwohlbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2.4. Belange anderer Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2.4.1. Rechte der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2.4.2. Rechte der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2.4.3. Rechte der anderen Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2.4.4. Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
* Notarassessor an der Notarstelle Dr. Sebastian Spiegelberger in Rosenheim.
49 50 53 54 54 54 55 56 56 56 57 57 57 57 59 59 60 61 61 61 61 62 62 62 63 63 63 64 67 69 69 70 70 70 71 71 71 72 72 72 73 74 74 74 74 77 77
50
Lucas Wartenburger 2.2.3.2.5. Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.1. Zeitliche Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.2. Inhaltliche Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3. Verweigerung der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3.1. Die „Scheidemantel II“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . 2.2.3.3.3.2. Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3.2.1. Unternehmenssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3.2.2. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3.2.3. Vertrauen des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3.2.4. Schutz vor Wettbewerbern und Übernahmeinteressenten . 2.2.3.3.3.2.5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3.3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3.3.4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4. Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.1. Die „Heberger“-Entscheidungen des BGH und des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.1.1. Die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.1.2. Die Urteilskritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2. Grundrechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.1. Rechte der betroffenen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.1.1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.1.2. Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.1.3. Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.1.4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.2. Rechte der Nutzer der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.3. Eingriffstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.4.1. Abwägungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.4.2. Der Zusammenhang zwischen der Publizitätspflicht und der verfassungsrechtlichen Nutzungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.4.3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.2.1. Einführung Publizität bedeutet – allgemein gesprochen – „Offenkundigkeit“. Im rechtlichen Sinne wird darunter meist der Vorgang der Offenlegung verstanden, ohne dass damit viel über den Gegenstand oder den Grund der Offenlegung gesagt wäre.1 Deutlich umrissen wird jedoch der Adressatenkreis, denn dies ist i.d.R. die weitere Öffentlichkeit. Die Mitteilung von Informationen an ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtete Dritte (Finanzbehörden, Wirtschaftsprüfer, Betriebsräte) wird davon nicht erfasst.2 Soweit nachfolgend von Publizität gesprochen wird, beschränkt sich diese jedoch inhaltlich auf die Offenlegung von Unternehmensdaten, insbesondere Geschäftsdaten. Ferner beschränkt sich die verfassungsrechtliche Analyse auf die Gestaltungen, in denen die Offenlegung aus Sicht des Unternehmens unfreiwillig
1 2
Zur Vielschichtigkeit des Begriffes ausführlich MERKT, Unternehmenspublizität, 6 ff. Zum Grenzfall der Mitteilung an den Gesellschafter s.u. S. 69 ff.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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erfolgt – etwa weil es aufgrund von Rechtsnormen zur Veröffentlichung gezwungen wird oder weil Dritte die Information ungefragt verbreiten.3 Interessant ist dabei, dass der Staat diese Informationen – anders als die zahlreichen von Unternehmen regelmäßig zu liefernden statistischen Angaben – für eigene Zwecke gar nicht benötigt.4 Vielmehr tritt der Staat hier als Sachwalter der anderen Marktteilnehmer auf, die (so zumindest die zugrunde liegende Befürchtung) ihre Informationsinteressen nicht selbständig durchzusetzen vermögen. Mit Inkrafttreten des EHUG zum 01.01.2007 hat dieser Problemkreis erheblich an Relevanz gewonnen. Zum Einen wurde die Durchsetzbarkeit der bestehenden handelsrechtlichen Offenlegungspflichten erleichtert, zum Anderen – dieser Aspekt dürfte für die betroffenen Unternehmen noch unangenehmer sein – ist es aufgrund der Schaffung des bundesweiten Unternehmensregisters5 wesentlich einfacher und unauffälliger möglich, die offengelegten Informationen einzusehen und ggf. auch auszuwerten.6 Wenn der Staat solcherart in den „Informationsmarkt“ eingreift und zur Offenlegung von Daten zwingt, die er selbst gar nicht benötigt, stellt sich die Frage, ob dem verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind.7 Weiterhin beeinflussen verfassungsrechtliche Überlegungen auch die Publizität innerhalb des Unternehmens. Dort stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang eine Gesellschaft verpflichtet ist, Unternehmensdaten gegenüber ihren Gesellschaftern bekannt zu geben.8 Schließlich können verfassungsrechtliche Probleme auch entstehen, wenn Dritte auf die publizierten Informationen zugreifen und diese für ihre Zwecke nutzen (insbesondere weiter verbreiten) wollen. Der Staat könnte diesen mit Hinweis auf den Schutz des Unternehmens den Zugang zur publizierten Information verweigern oder beschränken. Das betroffene Unternehmen könnte aber auch selbst gegen den Interessenten vorgehen; die Grundrechtsfrage stellt sich dann in Form der „mittelbaren Drittwirkung“9 bei der Prüfung zivilrechtlicher Abwehr-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche.10 3
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Ganz andere verfassungsrechtliche Fragen wirft der entgegengesetzte Fall auf, in dem ein Unternehmen vom Staat gehindert wird, bestimmte Informationen überhaupt oder auf bestimmten Kanälen zu verbreiten; zu denken ist etwa an generelle Werbeverbote oder an die Beschränkung der ad-hoc-Kanäle auf Informationen mit kapitalmarktrechtlicher Relevanz, vgl. § 15 Abs. I S. 3 WpHG; dazu Beitrag von KERSTING, in diesem Buch. Diesen Fragen soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Im Besteuerungsverfahren, aber auch in anderen Verwaltungsverfahren reichen die Mitwirkungspflichten der Unternehmen wesentlich weiter. https://www.unternehmensregister.de/. Diese Neuregelung dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, so genannte „SLIM-IV-Richtlinie“. Vgl. MEYDING/BODEKER, BB 2006, 1009; LIEBSCHERR/ SCHARFF, NJW 2006, 3745; SCHLOTTER, BB 2007, 1. Dazu unten 2.2.2., S. 53 ff. Dazu unten 2.2.3., S. 69 ff. Vgl. BVerfGE 7, 198 (205); 39, 1 (41); zur versicherungsvertraglichen Verpflichtung zur Schweigepflichtentbindung vgl. BVerfG, WM 2006, 2270. Dazu unten 2.2.4., S. 87 ff.
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Lucas Wartenburger
In jedem dieser drei Teilbereiche bedarf es letztlich einer Gegenüberstellung der schutzwürdigen Interessen des Unternehmens an der Geheimhaltung seiner Daten einerseits und der Interessen des Publizitätsadressaten an der Verfügbarkeit ebenjener Daten. Man könnte annehmen, dass der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Diskussion in dem erstgenannten Problemkreis zu verorten sei, denn wenn die Informationen erst einmal publiziert sind, erscheint jeder Versuch nachträglicher Eindämmung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Interessanterweise hat aber gerade die letztgenannte Frage die Rechtsprechung und v.a. die Literatur der 90er Jahre sehr intensiv beschäftigt. Ein wesentlicher Grund für diese Verlagerung der Diskussion auf einen augenscheinlichen Nebenkriegsschauplatz könnte in den europarechtlichen Vorgaben zu suchen sein, die einer verfassungsrechtlichen Debatte – wenn sie nicht rein theoretisch geführt werden soll – enge Grenzen setzen. Wenn schon die europarechtlichen Vorgaben eine Überprüfung der Publizitätspflicht anhand der Grundrechte des Grundgesetzes weitgehend ausschließen, so könnten die verfassungsrechtlichen Wertungen dennoch mittelbar Bedeutung bei der Frage erlangen, ob der Umgang mit den publizierten Informationen rechtlichen Beschränkungen unterliegt. Wenn die Anordnung der Publizität an sich verfassungsrechtlich bedenklich (wenngleich aus europarechtlichen Gründen hinzunehmen) ist, so kann dieser Gedanke bei der Gewichtung der Interessen des publizitätspflichtigen Unternehmens durchaus eine Rolle spielen. Allerdings sind einer solchen „nachträglichen Korrektur“ aufgrund nationalen Verfassungsrechts gleichfalls europarechtlich Grenzen gesetzt. Die Publizität ist eben nicht „für die Mülltonne“11 bestimmt, sondern für „den Markt“. Wird dessen Nutzungsmöglichkeit eingeschränkt oder aber der Adressatenkreis zu eng definiert, so könnte dies dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz (effet utile, Art. 10 EG) widersprechen. Bis zum Inkrafttreten des EHUG existierte die Publizitätspflicht v.a. für kleinere Unternehmen weitgehend nur auf dem Papier.12 Nach nunmehr geltendem Recht werden Verstöße gegen die Offenlegungspflicht von Amts wegen geahndet;13 es ist also anzunehmen, dass zumindest die vollständige Nichterfüllung der Offenlegungspflicht künftig Konsequenzen hat, während die „Schlechterfüllung“ wohl weiterhin nur auf Anstoß von außen geahndet werden wird.
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So LUTTER, AG 1994, 347. Vgl. die Untersuchung bei MARX/DALLMANN, BB 2004, 929, die bei stichprobenartigen Untersuchungen eine Nichtbefolgungsquote von weit über 90 % festgestellt haben. Zu den europarechtlichen Bedenken im Hinblick auf die frühere deutsche Praxis vgl. den Beitrag von CORDEWENER, in diesem Buch. Wenn auch nicht mit einem Bußgeld, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, sondern mit einem Ordnungsgeld, vgl. § 325 HGB n.F.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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2.2.2. Staatliche Eingriffe in den „Informationsmarkt“ In verschiedensten Bereichen verpflichtet der Staat die Unternehmen, Informationen gegenüber der Öffentlichkeit bekannt zu geben – von der Verpflichtung, eine Handelsfirma zur Eintragung im Handelsregister anzumelden (§ 29 HGB) über die Offenlegung von Umweltdaten14 bis hin zur kapitalmarktrechtlichen Informationspflicht über kursbeeinflussende Tatsachen (§ 15 WpHG). Es liegt auf der Hand, dass diese Verpflichtungen von nicht wenigen Unternehmen als belastend empfunden werden. Dies ist sowohl auf den mit der Veröffentlichung verbundenen Aufwand zurück zu führen als auch auf die Ungewissheit, wer die veröffentlichten Daten lesen und wie er sie – ggf. zu Lasten des Unternehmens – gebrauchen könnte. Schließlich muss der Veröffentlichungspflichtige Sanktionen fürchten, wenn die veröffentlichten Informationen unzutreffend oder unvollständig sind. Dies kann in größeren Unternehmen erhebliche organisatorische Vorkehrungen erfordern, damit die Information an die für die Veröffentlichung zuständige Stelle im Unternehmen gelangt. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob und wo diesen Belastungen verfassungsrechtlich Grenzen gesetzt sind. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die gegenüber jedermann und ohne besonderes Verlangen oder Interesse bestehenden Offenlegungspflichten. Beispiele sind die Offenlegung von Jahresabschlüssen oder von Beteiligungsverhältnissen.15 Angesichts der Vielzahl der Publizitätsanforderungen soll sich die Analyse auf einen besonders problematischen Bereich konzentrieren: die handelsrechtliche Verpflichtung, die Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einzureichen und im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen (§ 325 Abs. 1 und 2 HGB). Die Vorschrift wurde durch das Bilanzrichtliniengesetz eingeführt und beruht auf Art. 47 der Vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie.16 Mit dem KapCoRiLiG gilt die Offenlegungspflicht auch für die in § 264a HGB genannten Kapitalgesellschaften & Co.17 Werden die Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht, so führt nunmehr das eigens zu diesem Zweck geschaffene Bundesamt für Justiz gemäß § 335 HGB von Amts wegen ein Ordnungsgeldverfahren gegen die verantwortlichen Geschäftsführer bzw. Vorstände durch, wobei ein Ordnungsgeld zwischen 2.500 € und 25.000 € festgesetzt werden kann. 14
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Zur Offenlegung führt hier mittelbar der öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch der Bürger über die bei Behörden vorhandenen Umweltinformationen gemäß § 4 UIG. Zu letzteren STARKE, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht; die Verpflichtung, Gesellschaftern auf deren Verlangen Auskünfte zu erteilen, werden unten 2.2.3., S. 69 ff., behandelt; zur Abgrenzung dieser Rechtsinstitute BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 43 f. Vierte Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (78/660/ EWG), ABl. L 222, 11. Für Unternehmen in anderer Rechtsform greifen die Offenlegungsverpflichtungen nach dem PublG erst bei Überschreitung von Größenmerkmalen ein, die deutlich über den Schwellenwerten für eine „große Kapitalgesellschaft“ nach § 267 Abs. 3 HGB liegen.
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2.2.2.1. Europarechtliche Vorgaben Die Pflicht zur Offenlegung von Jahresabschlüssen könnte verschiedene Grundrechte berühren, insbesondere das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Berufsfreiheit und den allgemeinen Gleichheitssatz.18 Allerdings stellt sich vorab die Frage, ob die Grundrechte des Grundgesetzes angesichts der europarechtlichen Vorgaben überhaupt ein geeigneter Prüfungsmaßstab für diese Normen sein können. 2.2.2.1.1. Diskussion über das Bilanzrichtliniengesetz In der Diskussion während des Gesetzgebungsverfahrens zum Bilanzrichtliniengesetz sowie in der Zeit nach dessen Inkrafttreten wurden von einigen Autoren verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht.19 Die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ergangene Rechtsprechung setzte sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit auseinander und bejahte diese jeweils.20 Auf die Frage, ob die deutschen Grundrechte hier überhaupt ein geeigneter Prüfungsmaßstab sind, gehen diese Entscheidungen nicht ein; die Frage ist allerdings auch nicht entscheidungserheblich, wenn man die deutschen Grundrechte als offensichtlich nicht verletzt ansieht. In der neueren Literatur wird darauf hingewiesen, dass die nationalen Normen zur Handelsregisterpublizität lediglich sekundäres Gemeinschaftsrecht umsetzen und damit nicht mehr anhand der Grundrechte des Grundgesetzes zu prüfen sind.21 2.2.2.1.2. Anwendbarkeit der „Solange“-Rechtsprechung auf Richtlinienumsetzung Nach der in der älteren Literatur vertretenen Gegenauffassung sind die Grundrechte hier uneingeschränkt als Prüfungsmaßstab anwendbar, da Prüfungsgegenstand (anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen22 ) nicht die Richtlinie selbst ist, sondern nur ein einfaches nationales Gesetz.23 Nach nunmehriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts24 sowie nach der herrschenden Literaturmeinung ist das Problem aber wie folgt aufzulösen: Zwar hat das Einführungsgesetz (hier das HGB i.d.F. des BiRiLiG) grund18
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Weitere, insbesondere „branchenspezifische“ Grundrechte wie die in der Sache „Axel Springer“ thematisierte Pressefreiheit sollen nachfolgend nicht näher betrachtet werden. Selbst wenn man diese Grundrechte für einschlägig hält, dürfte die Abwägung zu keinem anderen Ergebnis führen als bei den dargestellten Grundrechten. Zwar mag ein Sonderinteresse an der Vielfalt der Presselandschaft bestehen; das richtige Instrument zu deren Erhaltung sind aber die kartell- und wettbewerbsrechtlichen Normen, nicht eine Bereichsausnahme von der Unternehmenspublizität. Vgl. stellvertretend FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (402 ff.), auch zu den europarechtlichen Grundlagen; FRIAUF, GmbHR 1985, 245 (247 ff.) OLG Köln, GmbHR 1991, 423 (424); BayObLG, BB 1995, 353 (354). DE WEERTH, BB 1998, 366 (369). BVerfGE 73, 339; 102, 147. FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (401); FRIAUF, GmbHR 1985, 245 (246 f.). Offen gelassen bei BVerwG, DVBl. 1970, 627 (628) – zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch eine nationale Verordnung; implizit beantwortet mit BVerfG, NJW 2001, 1267.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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sätzlich den Rang einfachen Gesetzesrechts; soweit der Inhalt dieses Gesetzes aber gemeinschaftsrechtlich vorgegeben ist, verdrängt das Europarecht auch das Verfassungsrecht als Prüfungsmaßstab.25 Anhand der Verfassung sind demnach nur noch solche Bestandteile des einfachen Rechts zu prüfen, deren Inhalt durch das Gemeinschaftsrecht nicht zwingend vorgegeben ist (insbesondere Fälle der so genannten überschießenden Umsetzung).26 Diese Lösung überzeugt, denn es kann verfassungsrechtlich keinen Unterschied machen, ob ein auf Gemeinschaftsrecht beruhender Verwaltungsakt inländischer Behörden oder aber ein das Gemeinschaftsrecht umsetzender Gesetzgebungsakt zu untersuchen ist. Die mit „Solange II“ begründete Rechtsprechung ist nicht auf bestimmte Formen von Gemeinschaftsrechtsakten beschränkt.27 Soweit sich der deutsche Gesetzgeber auf die Umsetzung des von den einschlägigen Richtlinien vorgegebenen Mindeststandards beschränkt hat, sind diese Normen der Überprüfung anhand der Grundrechte des Grundgesetzes entzogen. 2.2.2.1.3. Unanwendbarkeit des Europarechts? Die von Weilbach vertretene Ansicht,28 wonach die von ihm so genannte „Zwangspublizität“ den integrationsfesten Kern des Grundgesetzes i.S.d. Maastricht-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 29 berührt, überzeugt nicht. Allein die Tatsache, dass der Mittelstand in Deutschland einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt, führt nicht dazu, dass jede Beschränkung der Grundrechte des Mittelstandes als Verletzung des demokratischen Prinzips30 anzusehen ist. Ebenso wenig überzeugt die Auffassung, das nationale Recht sei aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 EG; Art. 2 EUV) vorrangig.31 Weiterhin wurde in der Vergangenheit vorgebracht, es fehle schon an einer Rechtssetzungsbefugnis der Gemeinschaft für Gesellschaftstypen, die – wie kleine GmbHs – nicht grenzüberschreitend tätig sind.32 Diese Ansicht verkennt jedoch, dass auch solche Unternehmen Geschäftspartner haben können, die grenzüberschreitend tätig sind und daher vom Schutzbereich der Grundfreiheiten erfasst werden.
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So ist zumindest nach BLECKMANN, Europarecht, Rn. 1208 auch dann zu verfahren, wenn das zugrunde liegende Gemeinschaftsrecht an sich nicht unmittelbar anwendbar ist. So ist auch die Entscheidung BVerfG, NJW 1990, 974 zu verstehen, wonach der nationale Umsetzungsakt voller verfassungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt, soweit die Richtlinie dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum belässt. So auch SCHOLZ, NJW 1990, 941 (943 ff.), wenngleich kritisch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. WEILBACH, BB 1995, 451 (453). BVerfGE 89, 155 (174 f); noch enger zum Grundrechtsschutz BVerfGE 102, 147. Begriff aus BVerfGE 89, 155 (172, 182). So WEILBACH, BB 1998, 210 (211); dagegen DE WEERTH, BB 1998, 366 (369, Fn. 64). So – ebenfalls mit Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip – STROBEL, BB 1994, 1293 (1298).
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2.2.2.1.4. Überschießende Umsetzung Teilweise wird angenommen, der Gesetzgeber habe bei der Umsetzung der Richtlinien einen Spielraum gehabt, innerhalb dessen er voll an die Grundrechte gebunden ist. Nicht durch die Richtlinie erzwungen wird tatsächlich die in § 325 Abs. 2 HGB enthaltene Verpflichtung, die Jahresabschlüsse selbst im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen; vielmehr genügt gemäß Art. 1 Nr. 3 der SLIM-IV-Richtlinie auch ein Hinweis auf die Einreichung bzw. Hinterlegung. Es handelt sich hier um ein so genanntes „alternatives Wahlrecht“ (im Gegensatz zum „opting out“, bei dem einem Mitgliedstaat die Option eingeräumt wird, eine Vorschrift überhaupt nicht umzusetzen).33 Man könnte hierzu argumentieren, dass es sich bei der Veröffentlichung der Abschlüsse eindeutig um ein „Mehr“ im Verhältnis zum bloßen Hinweis handelt, da eine Veröffentlichung immer auch einen Hinweis beinhaltet. Ferner könnte man dem nationalen Gesetzgeber die Pflicht auferlegen, das Gemeinschaftsrecht „möglichst verfassungsschonend“ umzusetzen. Letztlich wird auch diese Frage nur relevant, wenn die Veröffentlichungspflicht selbst verfassungswidrig sein würde. Keine überschießende Umsetzung liegt aber in der Gewährung öffentlichen Zugangs zum Handelsregister auch ohne Nachweis eines berechtigten Interesses (§ 9 Abs. I HGB).34 2.2.2.1.5. Ergebnis Es bleibt daher festzuhalten, dass die Grundrechte des Grundgesetzes kein Prüfungsmaßstab für die Offenlegungspflicht nach § 325 HGB sind. Die nachfolgenden Ausführungen haben für die Anwendbarkeit der geltenden Publizitätsvorschriften allenfalls in Randbereichen unmittelbare Bedeutung. Dennoch soll die Vorfrage, welche verfassungsrechtlichen Maßstäbe für den „Eingriff in den Informationsmarkt“ gelten, nunmehr geklärt werden, weil dies für Auslegungsfragen und für die die den Abschnitten 2.2.3. und 2.2.4. angesprochenen Rechtsfragen von Bedeutung sein wird. 2.2.2.1.6. Europarechtliche Grundrechte Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die entsprechenden Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts ihrerseits den europarechtlichen Grundrechtsstandards genügen, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll.35 Diesbezügliche Zweifel sind in der letzten Zeit v.a. in bezug auf die Kapitalgesellschaften und Co-Richtlinie (90/605/EWG) vorgebracht, vom EuGH aber letztlich für nicht durchgreifend
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JÄGER, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, 45 ff., 168 f., zur Abgrenzung dieser Begriffe. Die a.A. von STROBEL, BB 1994, 1293 (1298) beruft sich auf die Präambel der Ersten Richtlinie, ist jedoch nach der hier vertretenen Ansicht nicht mit dem Wortlaut des Art. 3 (nach alter wie neuer Fassung) vereinbar. Dazu der Beitrag von CORDEWENER, in diesem Buch.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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befunden worden.36 Die Vereinbarkeit der Vierten Richtlinie (Bilanzrichtlinie) selbst mit höherrangigem Europarecht steht ohnehin nicht ernsthaft in Frage.37
2.2.2.2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht Die Pflicht zur Veröffentlichung von Unternehmensdaten könnte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sowohl der unternehmenstragenden Gesellschaft selbst als auch der Gesellschafter berühren, denn die veröffentlichten Informationen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmensträgers könnten auch von Konkurrenten und Geschäftspartnern zum Nachteil des Unternehmens eingesetzt werden. 2.2.2.2.1. Schutzbereich 2.2.2.2.1.1. Herleitung Das „Allgemeine Persönlichkeitsrecht“ bezeichnet einen Teilbereich der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit, nämlich die „engere persönliche Lebenssphäre“,38 also gewissermaßen den Menschenwürdegehalt der allgemeinen Handlungsfreiheit. Es dient im Wesentlichen der Abgrenzung der Privatsphäre zur Öffentlichkeit.39 Dem Grundrechtsträger soll einerseits die Möglichkeit eingeräumt werden, sein Privatleben von der Öffentlichkeit abzuschirmen (so genannte „personale Identität“); andererseits sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ihm ermöglichen, sich in der Öffentlichkeit zu betätigen (so genannte „soziale Identität“).40 2.2.2.2.1.2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung Ein Teilbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts wurde als „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ noch weiter konkretisiert.41 Dieses schützt den Grundrechtsträger vor einer uneingeschränkten Offenbarung, Weitergabe, Speicherung und Verwendung von personenbezogenen Daten, und zwar unabhängig davon, ob diese in die Öffentlichkeit gelangen.42 Dieses Recht schützt mittelbar auch die individuelle Selbstbestimmung, indem es verhindert, dass der Grundrechtsträger auf die Ausübung anderer Freiheiten (etwa der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit oder der Vereinigungsfreiheit) verzichtet, weil er unsicher ist, was andere über ihn wissen bzw. welche Informationen dabei erhoben, aufbewahrt und jederzeit gegen ihn verwendet werden könnten.43 Der Grundrechtsschutz wird 36
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EuGH, BB 2004, 2456 (Tz. 47 ff.); auf Vorlage LG Essen, NZG 2003, 579; dazu HÖFNER, NJW 2004, 475. DE WEERTH, BB 1998, 366 (366). PIEROTH, in: JARASS/PIEROTH, Art. 2 Rn. 28 m.w.N. Zu den einzelnen Gewährleistungsaspekten dieses Rechts vgl. BVerfG, NJW 2008, 39 (C.II.2.a)). DREIER, in: DREIER, Art. 2 Abs. I Rn. 50. Grundlegend dazu BVerfGE 65, 1. JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 2 Rn. 32. BVerfGE 65, 1 (42 f).
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damit gewissermaßen vorverlagert und greift schon bei einer bloßen Freiheitsgefährdung ein.44 Der Schutz personenbezogener Daten erfolgt hier also – zumindest im Ausgangspunkt – nicht „um der Daten willen“, sondern er bezweckt den mittelbaren Schutz effektiver Freiheitsgrundrechte. Von den übrigen Teilbereichen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterscheidet sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dadurch, dass es hier nicht auf die Sensibilität der Daten ankommt. Unterschieden wird nur noch zwischen personenbezogenen und statistischen (unumkehrbar anonymisierten) Daten.45 Weiterhin schützt dieses Recht nicht vor einer negativen Darstellung der Person, sondern vor der exakten Rekonstruktion eines „Persönlichkeitsprofils“ anhand einer Vielzahl von Daten.46 Vereinfachend könnte man die Grundrechte im Überschneidungsbereich etwa so abgrenzen: Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Vertraulichkeit einer Information wegen ihres die Privatsphäre berührenden Inhalts („das nicht“); das Recht auf informationelle Selbstbestimmung regelt dagegen die Grenzen der Art und Weise einer Informationserhebung und Verarbeitung („so nicht / dafür nicht“).47 Weiterhin schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur Daten, die die Person selbst kennzeichnen, sondern auch solche, die lediglich Rückschlüsse auf ihr Verhalten zulassen, z.B. Telekommunikations-Verbindungsdaten.48 Daraus wird auch ersichtlich, dass es sich bei dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung um ein eher schwaches Grundrecht handelt. Es hindert den Staat nicht daran, eine benötigte Information zu erlangen; er muss lediglich vernünftige Gemeinwohlerwägungen für die Datenerhebung formulieren und das Verfahren grundrechtsschonend gestalten,49 insbesondere dann, wenn eine Aufbereitung, Speicherung und Weiterverbreitung in Datenbanken zu erwarten ist.50 Wenn beispielsweise die Offenlegung von Jahresabschlüssen dem Schutz der Gläubiger dient, so verbietet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zwar nicht die Offenlegung, es kann aber eine spätere Vernichtung der Daten verlangen, da etwa ein 10 Jahre alter Jahresabschluss für den Gläubiger nicht mehr von Interesse sein kann. Darüber hinaus gewährleistet das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch eine Form von Ehrenschutz, indem es die Verbreitung zutreffender Tatsachen dann ein-
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BVerfG, NJW 2007, 2464 (C.1.a)). DREIER, in: DREIER, Art. 2 Abs. I Rn. 52; DI FABIO, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 2 Abs. I Rn. 174; BVerfGE 65, 1 (45). DI FABIO, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 2 Abs. I Rn. 173; DREIER, in: DREIER, Art. 2 Abs. I Rn. 52 und KUNIG, in: VON MÜNCH/KUNIG, Art. 2 Rn. 38 sprechen daher davon, dass der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung „quer“ zu den übrigen Schutzgegenständen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt. Zur Abgrenzung im Grenzbereich zu Art. 10 GG vgl. BVerfG, NJW 2007, 351 (Tz. 66). BVerfGE 115, 166. BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 43; zu den Bestimmtheitsanforderungen vgl. zuletzt BVerfG, NJW 2007, 2464 (C.I.2.a)). Vgl. Studie von KÜTING/MOHREN, BB 1992, Beil. Nr. 2, 1.
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schränkt, wenn für den Grundrechtträger eine „Prangerwirkung“ zu befürchten ist.51 2.2.2.2.2. Grundrechtsträger 2.2.2.2.2.1. Ausgangspunkt Vor diesem Hintergrund lässt sich die schon seit längerer Zeit kontrovers diskutierte Frage untersuchen, ob sich auch juristische Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften, auf den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können.52 Problematisch ist dabei, dass sowohl das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ursprünglich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet worden sind.53 Dass Art. 1 Abs. 1 GG selbst nicht auf juristische Personen anwendbar ist, liegt auf der Hand, da es insoweit an der nach Art. 19 Abs. 3 GG erforderlichen „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ fehlt. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass Daten juristischer Personen nicht grundrechtlich geschützt sind. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Schutz vielmehr sogar als selbstverständlich vorausgesetzt. 54 Davon zu trennen ist die Frage, ob das hohe Schutzniveau des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts für Unternehmensdaten angemessen ist. Jedenfalls lassen sich die Ausgangsthesen des Volkszählungsurteils zur „freiheitserhaltenden Funktion“ des Datenschutzes55 nicht direkt auf die hier einschlägigen Sachverhalte übertragen. Es ist nicht anzunehmen, dass ein Unternehmen auf die Ausübung seiner Freiheitsgrundrechte (Art. 12, 14 GG) verzichtet, weil es das wirtschaftliche Ergebnis seiner Tätigkeit der Öffentlichkeit mitteilen muss. Etwas anders war dies in einem Sonderfall, in dem das Bundesverfassungsgericht den Schutz von Geschäftsdaten bejaht hat.56 Dieser Entscheidung lag ein Streit um die Veröffentlichung von wirtschaftlichen Daten einwendungsführender Landwirte im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zugrunde. Die freiheitserhaltende Funktion des Datenschutzes ließ sich hier deutlich erkennen, denn wenn ein Einwendungsführer mit der Veröffentlichung seiner persönlichen Daten rechnen muss, so könnte er dadurch von der Geltendmachung seiner Rechte (hier: Berufung auf eine wirtschaftliche Härte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens) abgehalten werden. Die Ansicht, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht erfasse generell keine Geschäftsdaten,57 kann damit also nicht belegt werden. Eine „Bereichsausnahme“ für
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Diese Form von Ehrenschutz steht nach HAGER, ZHR 158 (1994), 675 (676), auch Unternehmen zu; vgl. zu diesem Problemkreis die Ausführungen unten 2.2.4., S. 94 ff. Generell ablehnend JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 2 Rn. 39; KUNIG, in: VON MÜNCH/ KUNIG, Art. 2 Rn. 39; einschränkend DREIER, in: DREIER, Art. 2 Abs. I Rn. 56: „für gewisse Bereiche […] unentbehrlich“. So ausdrücklich BVerfGE 65, 1 (41). BVerfGE 67, 100 (142 f.); bezogen auf das Steuergeheimnis; ebenso BVerfG FR 1991, 375 (387). S.o. 2.2.2.2.1.2., S. 57. BVerfGE 77, 121 (124 f.) – jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet (Doppelhypothese). SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (652).
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Geschäftsdaten widerspräche auch der Kernaussage des Volkszählungsurteils, wonach grundsätzlich nicht „sensible“ und „weniger sensible“ Daten zu unterscheiden sind, da alle personenbezogenen Daten, entsprechend miteinander kombiniert, sensibel sein können. 2.2.2.2.2.2. Stellungnahme Oben wurde dargestellt, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht seine besondere Verstärkung aus dem Menschenwürdegehalt der Grundrechte bezieht; dies gilt ebenso für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Da sich juristische Personen auf diesen Aspekt der Grundrechte nicht berufen können, ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, ihnen ein geringeres Schutzniveau zuzugestehen. Aus dem Strafrecht ist die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Ehre bekannt. Während die innere Ehre auf der Menschenwürde beruht und jedem Menschen zusteht, ergibt sich die äußere Ehre („der gute Ruf“) aus seinen anerkennenswerten Leistungen und Eigenschaften.58 Übertragen auf die hier aufgeworfene Problematik könnte man formulieren: Juristische Personen verfügen mangels Menschenwürde nicht über eine „innere Ehre“, sie können sich hingegen eine „äußere Ehre“ erarbeiten, die auch entsprechend geschützt wird.59 Angesichts des auf diese Weise verminderten Schutzniveaus60 ist eine an Art. 19 Abs. 3 GG orientierte Entscheidung über „alles oder nichts“ nicht angemessen, es bedarf vielmehr einer graduellen Abgrenzung. Dabei sind die meisten Teilaspekte des Schutzes von Wirtschaftsunternehmen durch die speziellen Grundrechte Art. 12, 14 GG abgedeckt.61 Soweit diese reichen, besteht kein Bedarf an einer zusätzlichen Verankerung des Schutzes in Art. 2 Abs. 1 GG.62 Ob der verbleibende Bereich des Art. 2 Abs. 1 GG als „Allgemeines Persönlichkeitsrecht“ oder als „Recht auf freie Entfaltung im wirtschaftlichen Verkehr“ bezeichnet wird, ist eine eher terminologische Frage, die sich auf die Schutzintensität nicht auswirken dürfte. Einer Herleitung des Grundrechtsschutzes aus europarechtlichen Grundfreiheiten bedarf es nach der hier vertretenen Auffassung nicht. 63 Gelegentlich wird die Berufung auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht damit gerechtfertigt, dass hinter einer Kapitalgesellschaft letztendlich natürliche Personen stehen. Wenn die Vermögenssituation gerade einer kleinen GmbH öffentlich bekannt wird, so lassen sich daraus – zumindest in begrenztem Umfang – Rückschlüs58
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FISCHER, Vorbem. zu §§ 185 ff. StGB Rn. 3; dort als „ethischer Wert“ und „moralischer Wert“ bezeichnet. Was freilich nicht zu einer „Verdinglichung“ der Reputation führen darf, vgl. KÜBLER, NJW 1999, 1281 (1284); BGHZ 45, 296 (306 ff); BGH NJW 1998, 2208. DI FABIO, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 2 Abs. I Rn. 224. DI FABIO, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 2 Abs. I Rn. 225. BREUER, in: Handbuch des Staatsrechts VI, § 148, Rn. 26. Nach STROBEL, BB 1994, 1293 (1299), folgt aus der Personenbezogenheit der EG-Grundfreiheiten das Gleichstellungserfordernis für Kapitalgesellschaften, denen damit ein „gewisses Persönlichkeitsschutzrecht“ zugestanden werden müsse; zustimmend WEILBACH, BB 1995, 451 (453).
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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se auf die Vermögenslage der beteiligten Gesellschafter ziehen.64 Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass der entsprechende Gesellschafter die Rechtsform der Kapitalgesellschaft aus freier Entscheidung gewählt hat, gerade weil er auf diese Weise seine wirtschaftliche Tätigkeit durch eine von ihm verschiedene juristische Person ausüben kann. Wer von dieser Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch macht, muss auch in Kauf nehmen, dass er durch die so entstandene juristische Person nicht mehr seine eigenen Grundrechte geltend machen kann. Ansonsten würde es sich um einen Fall der – im Verfassungsrecht unzulässigen – Prozessstandschaft handeln. 65 2.2.2.2.2.3. Ergebnis Da die nach diesen Grundsätzen beschränkte Schutzintensität des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht wesentlich über die allgemeinen Handlungsfreiheit hinausgeht, greift es wie diese nur subsidiär ein, wenn der Schutzbereich spezieller Grundrechte (wie Art. 12 GG) nicht eröffnet ist. Dies schließt freilich nicht aus, dass die datenschutzrechtlichen Belange, wie sie durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung konkretisiert sind, die Prüfung der speziellen Grundrechte beeinflussen.66 Außerdem eignen sich spezifisch wirtschaftsbezogene Grundrechte besser zur Handhabung der hier auftretenden Interessenkonflikte. Im Rahmen der allgemeinen Diskussion um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird beispielsweise danach abgegrenzt, ob der Staat die Daten zur Erfüllung bestimmter Aufgaben benötigt oder sie nur „auf Vorrat“ sammelt. Für die Untersuchung einer fremdnützigen Intervention in den Informationsmarkt eignen sich diese Begriffspaare nicht, denn der Staat selbst will diese Informationen weder jetzt noch künftig nutzen, er stellt sie nur den anderen Marktteilnehmern zur Verfügung.
2.2.2.3. Berufsfreiheit – Art. 12 GG 2.2.2.3.1. Gewährleistungsumfang 2.2.2.3.1.1. Schutzbereich Bei Normen, mit denen der Gesetzgeber die Offenlegung von Unternehmensinformationen vorschreibt, handelt es sich um Berufsausübungsregelungen, die am Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu messen sind.67 Die Anwend-
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HARTMANN, Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 229; WINDBICHLER, CR 1988, 447 (450); M EILICKE, DB 1986, 2445 (2446). Zur gleichheitsrechtlichen Problematik s.u. 2.2.2.4., S. 67. Vgl. zur „wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit“ BVerfGE 73, 261 (270); 65, 196 (210). BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (Tz. 81); BREUER, in: Handbuch des Staatsrechts VI, § 148, Rn. 26 – zu Auskunfts- und Informationspflichten gegenüber Behörden; JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 12 Rn. 11; dass die betroffenen Unternehmen die Publizitätspflicht als belastend empfinden zeigt sich schon am Erscheinen zahlreicher „Umgehungsanleitungen“ unmittelbar zum Inkrafttreten des BiRiLiG und des EHUG; vgl. MEILICKE, DB 1986, 2445; TILLMANN, DB 1986, 1319; WEIMAR/REEH, DB 1988, 1637; HARTMANN, Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 232 ff.; SATTLER/REEH, DStR 2007, 1595.
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barkeit dieses Grundrechts auf juristische Personen i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG steht nicht in Frage.68 2.2.2.3.1.2. Verhältnis zu anderen Grundrechten Zwar können Informationspflichten auch in das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG eingreifen. Dies betrifft jedoch eher den Fall, dass Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart werden müssen, die einen eigenen Vermögenswert darstellen und funktional gewerblichen Schutzrechten gleichstehen.69 Für die hier in Betracht kommenden Geschäftsdaten trifft dies nicht zu; denn das Jahresergebnis wird nicht dadurch entwertet, dass es öffentlich bekannt wird. Der Grundrechtsschutz rechtfertigt sich vielmehr durch die (befürchteten) künftigen Wettbewerbsnachteile, die ein Unternehmen aufgrund der Veröffentlichung erleiden könnte. 2.2.2.3.2. Einschränkungen 2.2.2.3.2.1. Gemeinwohlbelange Der durch Art. 12 GG gewährte „Datenschutz“ ist nicht absolut, sondern kann als bloße Berufsausübungsregelung im Rahmen vernünftiger Gemeinwohlerwägungen eingeschränkt werden.70 Dabei ist grundsätzlich von den Gemeinwohlbelangen auszugehen, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Berufsausübungsregelung im Auge hatte.71 Die gelegentlich gebrauchte Formulierung, bei Umsetzung der Richtlinien habe der Gesetzgeber keine Gemeinwohlinteressen formuliert, ist zumindest missverständlich. In dieser Situation ist vielmehr auf die Motivation des europäischen Richtliniengebers abzustellen.72 Ziel der europarechtlichen Regelung war die Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften. Dieses Ziel scheidet als Gemeinwohlbelang nicht schon deshalb aus, weil eine Harmonisierung auch auf niedrigerem Publizitätsniveau möglich gewesen wäre.73 Die Harmonisierung ist schließlich kein Selbstzweck, sondern sie dient der Erleichterung der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit und damit der tatsächlichen Ausübung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Den Richtlinien liegt dabei die Annahme zugrunde, dass ein höheres Maß an Transparenz zu einer effizienteren Ressourcenverteilung und damit insgesamt zu einer höheren Wirtschaftskraft führt. 68 69
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JARASS, in: JARASS/P IEROTH, Art. 12 Rn. 10. BREUER, in: Handbuch des Staatsrechts VI, § 148, Rn. 26; hinsichtlich solcher Informationen wäre auch ein Weitergabe- bzw. Veröffentlichungsverbot an Art. 14 GG zu messen, etwa wenn das Außenwirtschaftsrecht die Verwertung einer Erfindung beschränkt. BREUER, in: Handbuch des Staatsrechts VI, § 148, Rn. 27; allgemein zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Berufsausübungsregelung SCHMIDT-BLEIBTREU, in: SCHMIDTBLEIBTREU/KLEIN, Art. 12 Rn. 12; WIELAND, in: DREIER, Art. 12 Rn. 101 ff.; JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 12 Rn. 36; GUBELT, in: VON MÜNCH/KUNIG, Art. 12 Rn. 48 ff. Bespielsweise Gesundheitsschutz bei Umweltinformationen; FLUCK, NVwZ 1994, 1048; Breuer, in: Handbuch des Staatsrechts VI, § 148, Rn. 27. JANSEN, DStR 1999, 1490 (1496); FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (402 f.); BGH, NJW 1994, 1281 (1282). So aber FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (403).
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Weiterhin nennt auch die Erste Richtlinie den „Schutz der Interessen Dritter“ als ihr Anliegen, allerdings ohne diese genauer zu bezeichnen.74 Gemeint sind hiermit die Interessen anderer Marktteilnehmer, deren Rechte gleichfalls durch Art. 12, 14 GG geschützt sind. Dass der Staat bemüht ist, durch mehr Transparenz für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, ist jedenfalls ein legitimes Anliegen. Weniger überzeugend ist der verfassungsrechtliche Rechtfertigungsansatz über das Sozialstaatsprinzip.75 Dieses wird i.d.R. dann herangezogen, wenn der Staat aufgrund eines vorhandenen wirtschaftlichen Ungleichgewichts zugunsten des Schwächeren in privatrechtliche Wirtschaftsbeziehungen eingreift; ein Beispiel hierfür wäre die zivilrechtliche Prospekthaftung. Die Unternehmenspublizität hingegen ist wirtschaftlich neutral, sie kann sich möglicherweise sogar für ein kleines Unternehmen im Verhältnis zu wirtschaftlich stärkeren Konkurrenten besonders belastend auswirken.76 2.2.2.3.2.2. Abwägung 2.2.2.3.2.2.1. Eignung zur Zweckerreichung Zum Teil wurde die Regelung zur Erreichung des dargestellten Zwecks als ungeeignet kritisiert, da das Schutzziel aufgrund fehlender Sanktionen ohnehin nicht zu erreichen war.77 Dieses Argument ist allerdings aufgrund der (europarechtlich erzwungenen)78 Verschärfung der Sanktionen durch das KapCoRiLiG und erst recht durch das EHUG überholt. Die Eignung des gewählten Publizitätssystems zur Stärkung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehres ist auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die zu publizierenden Informationen selbst weitgehend noch auf nationalstaatlichen Regeln beruhen und nicht im gleichen Maße harmonisiert sind.79 Zwar kann z.B. ein englischer Unternehmer aus einem deutschen HGB-Abschluss eines Geschäftspartners nicht unmittelbar ableiten, ob dieser besser oder schlechter dasteht, als er selbst; legt er aber die Abschlüsse dreier möglicher Geschäftspartner aus Deutschland nebeneinander, so kann er sehr wohl eine Aussage darüber treffen, welcher von diesen finanziell solider erscheint. 2.2.2.3.2.2.2. Erforderlichkeit Die staatlich geregelte Publizität wird nicht dadurch entbehrlich, dass es jedem Marktteilnehmer freisteht, die gewünschten Auskünfte selbst einzuholen und mit solchen Unternehmen, die diese Auskünfte verweigern, nicht zu kontrahieren.80 Der Informationsbedarf kann auch nach Vertragsabschluss eintreten und überdies kann sich die wirtschaftliche Situation des Vertragspartners im Lauf der Zeit ändern. 74 75 76 77 78 79 80
Kritisch dazu FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (403). So BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (543 f.) S.u. 2.2.2.4., S. 67. FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (403), der hieraus auf das Fehlen eines legitimen Zwecks schließt. EuGH C-97/96, Daihatsu Deutschland, Slg. 1997, I-6843. So aber KÜTING, BB 1993, 30 (31 f., 38) „Ziel auch nicht in Ansätzen erreicht“. So aber FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (404).
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Ohne ein entsprechendes Auskunftssystem steigt dabei das Risiko, dem „schlechten Geld gutes hinterher zu werfen“. Auch der Verweis auf die SCHUFA81 und ähnliche privatrechtlich organisierte Kreditauskunftssysteme ist nicht geeignet, den Bedarf an einer gesetzlichen Regelung zu beseitigen. Diese Auskunftssysteme stehen regelmäßig nur bestimmten Vertragspartnern zur Verfügung; gerade für ausländische Marktteilnehmer, die nur vereinzelt Geschäfte im Inland tätigen wollen, lohnt sich der Anschluss an diese Systeme nicht. Zweck der Harmonisierung ist es gerade, den Marktteilnehmern einen einheitlichen Informationsstandard für den gesamten Binnenmarkt zur Verfügung zu stellen, was durch punktuelle Auskunftssysteme nicht gewährleistet werden kann. Weiterhin nutzt die veröffentlichte Information auch denen, die nicht oder nicht mehr vertraglich mit dem Unternehmen verbunden sind, aber dennoch Ansprüche geltend machen möchten (etwa aus Schutzrechtsverletzungen oder deliktischen Eingriffen). Zwei weitere alternative Regelungsansätze wären generell als „mildere Mittel“ denkbar: Die Beschränkung des Registerzugriffs auf ein „berechtigtes Interesse“ oder die Beschränkung der weiteren Verwendung des Registerinhalts. Beides scheitert allerdings – abgesehen von den europarechtlichen Vorgaben – an der mangelnden Praktikabilität. Freilich darf ein Unternehmen die aus dem Register erlangen Informationen nicht zu Zwecken verwenden, die ihrerseits (etwa aus kartellrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Gründen) illegal sind. Darüber hinaus weitere „Verwertungsverbote“ einzuführen, scheint jedoch nicht zielführend, da es an Nachweismöglichkeiten im Falle eines etwaigen Verstoßes fehlt. Auch die Anknüpfung an ein „berechtigtes Interesse“ erzeugt einen erheblichen bürokratischen Aufwand und bei dem Veröffentlichungspflichtigen bestenfalls eine scheinbare Sicherheit. Die Frage, welches Interesse „berechtigt“ ist und welches nicht, ist ohnehin kaum allgemeingültig zu beantworten. Legt man die Intention der Richtlinie zugrunde, dürfte z.B. auch das Interesse eines Konkurrenten an den erzielbaren Margen eines Nischenproduktes „berechtigt“ sein; denn wenn er aufgrund seiner so gewonnenen Kenntnisse in den Markt einsteigt, führt dies zu sinkenden Preisen und damit zu höherer Effizienz.82 2.2.2.3.2.2.3. Angemessenheit Allgemein ist festzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Angemessenheitsprüfung von Berufsausübungsregeln einen recht weiten Spielraum zugesteht. Gerade im Fall der hier zur Prüfung stehenden Normen zeigt sich, dass durch den staatlichen Eingriff lediglich Marktchancen verschoben werden: Für einen Marktteilnehmer ist die Offenlegungspflicht umso lästiger, je mehr die offen gelegte Information den anderen Teilnehmern nützt.83 81 82
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FRIAUF, GmbHR 1985, 245 (249) m.w.N. Abgesehen davon ist eine klare Einteilung der Welt in „Geschäftspartner“ und „Konkurrenten“ auch gar nicht möglich. Jeder Geschäftspartner ist zugleich ein potentieller Konkurrent und viele Konkurrenten sind zugleich auch geschäftlich, oft sogar beteiligungsmäßig miteinander verbunden. Die Tatsache, dass die Daten außer von den Marktteilnehmern auch von „Trittbrettfahrern“ genutzt werden können, sei hier vorerst ausgeblendet, dazu mehr in 2.2.4., S. 87 ff.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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Den verfassungsrechtlich geschützten Rechten des publizitätspflichtigen Unternehmens stehen gleichermaßen geschützte Rechte und Interessen Dritter gegenüber. In diesen „mehrpoligen“ Konstellationen müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der einzelnen Betroffenen im Rahmen der Abwägung einem möglichst schonenden Ausgleich zugeführt werden.84 Dabei sind die Interessen des betroffenen Unternehmens an einer Geheimhaltung seiner Daten nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn die Veröffentlichung zu existenzbedrohenden Nachteilen führen würde; Maßstab für die Abwägung sind die Sensibilität der Daten einerseits und die schützenswerten Interessen der Informationsadressaten andererseits.85 Dies sind in erster Linie die Grundrechte (insbesondere wiederum Art. 12 GG) der anderen Marktteilnehmer (Geschäftspartner und Gläubiger),86 denn deren Geschäftsbetrieb wird durch eine erhöhe Publizität erleichtert.87 Insofern kann jeder publizitätspflichtige Unternehmer zumindest potentiell seinerseits von der Veröffentlichung der Informationen anderer Unternehmen profitieren. Insbesondere im europäischen Rahmen profitieren die Unternehmen von der Publizität der Informationen in anderen Mitgliedstaaten.88 Dies schließt jedoch eine verfassungsrechtliche Betrachtung des Einzelfalles, insbesondere von Unternehmen, die in besonderer Weise von der Publizität betroffen werden, nicht aus. Dies sind insbesondere Unternehmen, die aktuell mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, sowie kleinere, wenig diversifizierte Unternehmen. So könnte das allgemeine Bekanntwerden einer wirtschaftlichen Schieflage zu Insolvenzgerüchten führen und damit den Niedergang des betroffenen Unternehmens noch beschleunigen.89 Daraus eine einseitige Wirkungsweise der Publizität zu Lasten der Schwächeren abzuleiten, greift jedoch zu kurz: Wer mit einem geringeren Eigenkapitalanteil arbeitet, verschafft sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil, da das Eigenkapital für das Unternehmen i.d.R. „teurer“ ist als das Fremdkapital. Dieser Wettbewerbsvorteil wird durch die Jahresabschlusspublizität wieder aufgehoben, weil so der Warenkreditgeber in die Lage versetzt wird, die schwache Eigenkapitaldecke seines Schuldners bei der Gestaltung seiner Konditionen zu berücksichtigen. Dass eine Bilanz die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens mitunter zu pessimistisch darstellt, ist Konsequenz des Vorsichtsprinzips und somit eine Frage des materiellen Bilanzrechts, nicht der Publizität. Der Gesetzgeber kann davon ausgehen, dass die Adressaten der Publizität den Unterschied zwischen Jahresabschluss und Überschuldungsstatus kennen. 84 85 86 87
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BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (Tz. 94 ff.) BVerfG, NVwZ 2006, 1041 (Tz. 125 ff.) BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (544). Weshalb eine Verletzung von Offenlegungspflichten auch zu Schadensersatzansprüchen führen kann, dazu JANSEN, DStR 1999, 1490 (1495 ff.) HIRTE, NJW 1999, 36 (37). So HARTMANN, Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 228. Weiter sind aus der Praxis Fälle bekannt, in denen der Kreditversicherer eines Lieferanten routinemäßig die veröffentlichten Bilanzen der Abnehmer prüft und seinem Kunden anschließend mitteilt, welche Abnehmer künftig nur noch gegen Vorkasse beliefert werden können.
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Weiterhin werden wirtschaftliche Nachteile,90 insbesondere Wettbewerbsnachteile gegenüber größeren Konkurrenten befürchtet, wenn das Innenleben eines kleineren Unternehmens durch Bilanzanalyse transparent91 und damit in einzelnen Branchen de facto die Kostenstruktur erkennbar würde.92 Diese Punkte lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass eine Publizität der Abschlüsse kleiner und mittlerer Unternehmen als unangemessen angesehen wird, weil Wettbewerber daraus Informationen und damit einen Wettbewerbsvorteil gewinnen könnten. Damit leiden kleinere Gesellschaften in besonderem Maße unter der Veröffentlichungspflicht, während auf der anderen Seite die „legitimen“ Interessen anderer an diesen Informationen nicht so groß wie bei Großunternehmen (insbesondere börsennotierten Gesellschaften) sind. Dies ist jedoch eine zu einseitige Sicht der Dinge. Gerade bei mittelständischen Unternehmen ist der potentielle Geschäftspartner auf die Informationen aus dem Handelsregister angewiesen; denn börsennotierte Konzerne veröffentlichen Informationen in großem Umfang regelmäßig für den Kapitalmarkt, wovon auch die Gläubiger profitieren. Außerdem setzt dieses Argument voraus, dass es einen tatsächlichen Wettbewerb zwischen kleinen Unternehmen und Großkonzernen gibt, was zwar in einigen Branchen der Fall ist (etwa im Nahrungsmittelbereich, besonders deutlich bei den Brauereien), in den meisten Bereichen jedoch nicht.93 Dort, wo die Kenntnis der Margen tatsächlich ein gewisses Erpressungspotential eröffnet (etwa im Verhältnis Automobilhersteller – Zulieferer) befindet sich der „Große“ interessanterweise gerade nicht in der Rolle des trittbrettfahrenden Wettbewerbers, sondern er gehört zu den von der Regelung unmittelbar geschützten Gläubigern. Überdies wird die besondere Sensibilität der Daten kleiner Unternehmen auch im geltenden Recht durchaus berücksichtigt.94 Schließlich existieren noch Gesellschaften, die ihre Jahresabschlüsse publizieren müssen, obwohl sie gar nicht unternehmerisch am Markt tätig sind, dies betrifft insbesondere vermögensverwaltende kleine GmbH und GmbH & Co. KG. Allerdings haben diese Akteure aus freien Stücken (wenn auch steuerlich motiviert) eine Rechtsform gewählt, die auf gewerblich tätige Unternehmen zugeschnitten ist. Insofern kann der Akteur nicht verlangen, dass die Rechtsform an seine Bedürfnisse angepasst wird, vielmehr sollte er die Rechtsform wählen, die zu seinen Bedürfnissen passt (GbR oder KG). Das Problem der fehlenden Rechtsformneutralität unseres Steuersystems lässt sich nicht gesellschaftsrechtlich durch Anerkennung zusätzlicher „quasi-Rechtsformen“ lösen.
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TILLMANN, DB 1986, 1319 (1319). WEIMAR/KOHL, MDR 1989, 396 (397). HARTMANN, Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 228; MEILICKE, DB 1986, 2445 (2445); WEIMAR/REEH, DB 1988, 1637 (1637); BARTH, BB 1986, 2235 (2238). In vielen Branchen, in denen kleine und große Anbieter konkurrieren (Bau, Verlage, Medien, Wirtschaftsprüfer), wenden sich diese an sehr unterschiedliche Kundenkreise; in anderen Branchen wird der Wettbewerb maßgeblich durch ganz andere Faktoren gesteuert (etwa im PharmaBereich durch die Regeln des geistigen Eigentums und öffentlich-rechtliche Beschränkungen). Vgl. hierzu die Ausführungen nachstehend 2.2.2.4., S. 67, zum Gleichheitssatz.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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Diese Ausführungen zeigen, dass die Offenlegungspflicht keinesfalls als Kampfansage des Gesetzgebers an den Mittelstand verstanden werden kann, sondern als eine richtungsweisende Entscheidung zur Gestaltung der Marktbedingungen: Publizität dient dabei auch der Freiheit des Marktgeschehens insgesamt, denn wenn die Marktteilnehmer die Möglichkeit haben, sich selbst ein Bild von der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit ihres Vertragspartners zu machen, braucht der Staat dieselbe nicht mehr in dem Maße zu überwachen 95 Die Normen der Publizität wahren eine angemessene Zweck-Ergebnis-Relation, da nicht erkennbar ist, dass das Interesse der betroffenen Kapitalgesellschaften an der Geheimhaltung ihrer Jahresergebnisse das Interesse ihrer Geschäftspartner an der Kenntnis dieser Daten deutlich überwiegt. Die zugrunde liegende Frage, ob es sinnvoll ist, dass der Gesetzgeber dem Markt bei der Durchsetzung seines Informationsinteresses unter die Arme greift, ist damit zwar nicht beantwortet. Hierbei handelt es sich jedoch um ökonomische und politische Erwägungen, bei denen die Verfassung dem Gesetzgeber weitgehend freie Hand lässt.
2.2.2.4. Gleichheitssatz Der Gleichheitssatz verbietet es einerseits, wesentlich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln (sogenanntes Differenzierungsgebot).96 Weiterhin verbietet der Gleichheitssatz, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln (sogenanntes Diskriminierungsverbot). Primär differenziert der Gesetzgeber innerhalb der Obergruppe „Unternehmen“ zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften.97 Nur zweitrangig (hinsichtlich des Umfangs der zu publizierenden Informationen) kommt es auf die Größe des Unternehmens an. Die Publizität ist nach geltendem Recht also als Korrelat der Haftungsbeschränkung ausgestaltet.98 Denkbar wäre aber auch eine Differenzierung danach, ob ein Unternehmen den Kapitalmarkt in Anspruch nimmt oder nicht oder eine Differenzierung in Abhängigkeit von der Verkehrsfähigkeit der Anteile. Problematisch am Ansatz des Gesetzgebers ist, dass eine kleine Gesellschaft durch die Offenlegung ihrer Bilanzen typischerweise stärker belastet wird als ein diversifiziertes Großunternehmen, aus dessen Jahresabschluss Einzelheiten (wie etwa Einkaufspreise) nicht zu erkennen sind.99 Zudem ist zu beachten, dass kleine Unternehmen aufgrund ihrer beschränkten personellen Kapazität nicht ebenso wie
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98 99
In diesem Sinne kritisiert HIRTE, NJW 1999, 36 (37) die Tendenz, einerseits unter Hinweis auf ausländische Vorbilder eine Liberalisierung des deutschen Rechts einzufordern, ohne zugleich eine Harmonisierung der Publizitätsanforderungen auf dem (höheren) Niveau anderer Staaten zu akzeptieren. BVerfGE 3, 58 (139); 42, 64 (72); zur so genannten neue Formel BVerfGE 55, 72 (88); 65, 104 (112); dazu FRIAUF, GmbHR 1985, 245 (247 f.). Wobei nach dem KapCoRiLiG nur solche Gesellschaften als Personenunternehmen behandelt werden, für deren Verbindlichkeiten mindestens eine natürliche Person unbeschränkt haftet. SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (653). FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (405).
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größere Konzerne in der Lage sind, die Informationen der Konkurrenz systematisch auszuwerten und zu nutzen.100 Die Kritik wäre jedenfalls dann berechtigt, wenn die Publizität im Wesentlichen der Information des Kapitalmarktes und damit der Gesellschafter dient. Dieser Gedanke, der dem Publizitätsgesetz zugrunde liegt, lässt sich aber auf die Jahresabschlusspublizität in Umsetzung der Richtlinien nicht übertragen, denn diese bezwecken den Schutz aller Interessenten, nicht primär der Gesellschafter. Insgesamt erscheint es aber nicht sachwidrig, auf das Differenzierungskriterium der Haftungsbeschränkung abzustellen. Allein die Tatsache, dass auch die Inhaber von Personenunternehmen ihr Vermögen der Haftung durch verschiedene Manipulationen entziehen können,101 ändert nichts daran, dass die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hinsichtlich der Haftung gegenüber den persönlich haftenden Unternehmern einen Vorteil genießen. Die Jahresabschlusspublizität soll insbesondere den Gläubigern eines Unternehmens einen Überblick über die im Ernstfall zur Verfügung stehende Haftungsmasse geben. Soweit ein Gesellschafter persönlich haftet, kann ein solcher Überblick durch Veröffentlichung der Unternehmensbilanz ohnehin nicht gewonnen werden. Der Schutz Dritter erscheint dem Gesetzgeber dann zutreffender weise weniger dringend, wenn der Unternehmer durch seine Geschäfte nicht nur fremdes Geld riskiert, sondern auch sein eigenes Vermögen. Diese Wertung zieht sich durch das gesamte Unternehmensrecht (materielles Bilanzrecht, Eigenkapitalersatzrecht, Kapitalerhaltungsregeln, Insolvenzantragspflicht) und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es mag sein, dass der Gesetzgeber eine solche Publizität bei der Schaffung der GmbH nicht für erforderlich gehalten hat.102 Dies hindert ihn aber nicht daran, seine Auffassung zu ändern (zumal im Hinblick auf spätere Entwicklungen, wie die Verstärkung des internationalen Wirtschaftsverkehrs) zu ändern. Eine andere Frage ist, ob der Gesetzgeber in der Ausgestaltung der Publizität die sachlich gebotene Differenzierung zwischen großen und kleinen Kapitalgesellschaften vorgenommen hat. Das Gesetz sieht hierzu eine ganze Reihe von Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften vor: – Angaben über die Gewinnverwendung können weggelassen werden, wenn Rückschlüsse auf natürliche Personen möglich sind (§ 325 Abs. 1 S. 3 HGB) – nur die Bilanz und der darauf bezogene Anhang sind zu veröffentlichen (§ 326 HGB, kleine Gesellschaften benötigen ohnehin keinen Jahresbericht, § 264 Abs. 1 S. 3 HGB) – Angaben über die GuV entfallen (§ 326 Abs. I S. 2 HGB) – die vereinfachte Bilanzgliederung für kleine Kapitalgesellschaften (§ 266 Abs. 1 S. 3 HGB) wird hier teilweise auch auf mittelgroße Gesellschaften ausgedehnt (§ 327 HGB); damit sind insbesondere die Posten „Rückstellungen“ bei den mittelgroßen Gesellschaften nicht mehr aufzuschlüsseln;
100
KÜTING/MOHREN, BB 1992, Beil. Nr. 2, 1 (7 f). FRIAUF, GmbHR 1985, 245 (250). 102 FRIAUF, GmbHR 1985, 245 (250) m.w.N. 101
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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Zusammenfassend kann man nicht sagen, dass der Gesetzgeber die besonderen Probleme kleiner und mittlerer Unternehmen nicht übersehen hat. Er hat vielmehr einen Mittelweg gesucht, der den Interessenten einige Informationen zugänglich macht, zugleich aber dem Unternehmen (in Kombination mit den allgemeinen Wahlrechten und Vereinfachungen, v.a. § 266 Abs. 1 S. 3 HGB) genug Spielraum lässt, sensible Daten zu schützen. Von einer grob sachwidrigen oder willkürlichen „Gleichmacherei“ kann nicht gesprochen werden.103 Aus denselben Gründen ist auch die Besserstellung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften mit mindestens einer persönlich haftenden natürlichen Person als Gesellschafter verfassungsrechtlich unbedenklich.104
2.2.2.5. Schlussfolgerung Insgesamt kann daher festgehalten werden, dass die derzeit geltenden Normen der Unternehmenspublizität – insbesondere die §§ 325, 335 HGB – einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten. Das Grundgesetz verbietet (selbst wenn man es uneingeschränkt als Prüfungsmaßstab heranziehen könnte) weder die Umsetzung der einschlägigen Richtlinien in dem bisher vorliegenden Maß noch gebietet es eine über die allgemeinen Auslegungsgrundsätze hinausgehende restriktive Auslegung der Publizitätsvorschriften.
2.2.3. Beziehungen innerhalb der Gesellschaft Neben den gegenüber der Öffentlichkeit bestehenden Auskunftspflichten bestehen in allen Gesellschaftsformen weitere Verpflichtungen gegenüber den Gesellschaftern. Generell lässt sich dabei sagen, dass die Auskunftspflicht umso weiter reicht, je größer das unternehmerische Engagement eines Gesellschafters ist und umso kleiner ist, je mehr sich der Gesellschafter in der Position eines reinen Kapitalanlegers befindet.105 Besonders problematisch sind Auskunftsrechte der Gesellschafter für große Aktiengesellschaften mit einem unüberschaubaren Aktionärskreis (also v.a. für börsennotierte Gesellschaften). Die Aktionäre unterliegen – anders als die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder – keinen zivilrechtlichen Geheimhaltungspflichten hinsichtlich der Informationen, die sie in dieser Position über die Gesellschaft erlangen. Die Gefahr, dass Informationen über eine Gesellschaft auf diesem Wege an die breite Öffentlichkeit einschließlich der Konkurrenz gelangen, liegt also auf der Hand.106
103
Im Ergebnis ebenso OLG Köln, GmbHR 1991, 423 (424). Die früher gelegentlich kritisierte Besserstellung der GmbH & Co. KG, vgl. dazu etwa FRIAUF, GmbHR 1991, 397 (406), insbesondere Fn. 99, ist nun durch das KapCoRiLiG beseitigt. Zum Streit um die Einbeziehung der GmbH & Co. KG auch BARTH, BB 1987, 2135; BARTH, BB 1988, 2343. 105 Zum Zusammenhang zwischen Wettbewerbsbeschränkungen und Auskunftsrechten vgl. den Beitrag von KERSTING, in diesem Buch. 106 Kapitalmarktrechtlich wird in vielen Fällen eine Weitergabe der Information an die „breite Öffentlichkeit“ sogar geboten sein. Zudem kann ein Konkurrent selbst einige Aktien erwerben. 104
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Das Gesellschaftsrecht räumt dem Aktionär grundsätzlich ein Informationsrecht ein, das jedoch in dreierlei Hinsicht beschränkt wird:107 1. in zeitlicher Hinsicht: Der Aktionär kann sein Auskunftsverlangen nur während der Hauptversammlung geltend machen (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG). 2. in inhaltlicher Hinsicht: das Auskunftsrecht bezieht sich nur auf Angelegenheiten der Gesellschaft und besteht nur, soweit dies zur Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG). Als Maßstab gilt dabei das, was ein objektiver, vernünftiger Aktionär an Informationen als Grundlage seiner Stimmrechtsausübung benötigen würde; dabei nehmen Gerichte auch EG-Richtlinien zu Hilfe (etwa die Transparenz- und Versicherungsrichtlinie).108 3. durch umfassende Auskunftsverweigerungsrechte des Vorstands (§ 131 Abs. 3 AktG). Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich hier die Frage, inwiefern die Auskunftsrechte der Aktionäre grundrechtlich geschützt sind und ob der Gesetzgeber die Interessen in einen verfassungskonformen Ausgleich gebracht hat.
2.2.3.1. Geltende gesetzliche Regelungen 2.2.3.1.1. Funktion des Auskunftsanspruchs nach geltendem Recht 2.2.3.1.1.1. Kontrollfunktion Festzuhalten ist zunächst, dass der Gesetzgeber die Kontrolle des Vorstands in erster Linie dem Aufsichtsrat anvertraut hat. Nach zwingendem Recht (§ 23 Abs. 5 AktG) erfolgt die Kontrolle kollektiv oder ggf. mittels der actio pro socio; das individuelle Recht nach § 131 AktG ist nur ein akzessorisches Hilfsinstrument zur Stimmrechtsausübung,109 kein Ausgleich für die beschränkten Einflussmöglichkeiten der Aktionäre im Unternehmen.110 Dem entspricht auch, dass das Fragerecht nicht allgemein in der Hauptversammlung besteht, sondern jeweils nur mit Bezug zu dem gerade konkret behandelten Tagesordnungspunkt.111 Dennoch ist allgemein anerkannt, dass die Aktionäre Fragen stellen können, die der Überwachung der Organe dienen.112 Als Aufhänger hierfür dient regelmäßig der Entlastungsbeschluss (§ 120 Abs. 2 AktG). Dieser Beschluss setzt voraus, dass der Aktionär die Informationen erhält, die er benötigt, um den Jahresabschluss, den Lagebericht, den Bericht des Aufsichtsrates und den Gewinnverwendungsvorschlag 107
Dazu BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 44 f. KG, ZIP 1994, 1267 (1269). 109 SCHMIDT, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 49; BVerfG, NJW 2000, 349 (351); LG Berlin, BB 1993, 1827 (1829). 110 EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (2) („Hilfsrecht“). 111 BGHZ 119, 1 (13). 112 Etwa zur Entstehung von Kreditrisiken, BayObLG, NJW-RR 2002, 104; im Anschluss daran OLG München, NZG 2002, 187 (188); bei Mithaftung LG Frankfurt, AG 1993, 520 (520); zum Gesamtbetrag der Spenden OLG Frankfurt/M., DB 1993, 2274 (2274). 108
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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zu verstehen, zu prüfen und hinsichtlich der Entlastungsentscheidung zu bewerten113 In diesem Umfang stellt sich das Auskunftsrecht auch als „Breitenkontrolle“ dar und hat dabei auch präventive Wirkungen.114 2.2.3.1.1.2. Anlegerschutz Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist häufig die Frage problematisiert worden, ob das Auskunftsrecht des Aktionärs auch dem Anlegerschutz dient, ob der Aktionär also auch solche Auskünfte verlangen kann, die für Vorgänge innerhalb der Gesellschaft nicht bedeutsam sind, die ihm aber die Entscheidung darüber erleichtern, ob und zu welchem Preis er seine Anteile veräußern sollte. Zwar trifft es zu, dass der geringe Einfluss des Aktionärs auf das Unternehmen mit der freien Verfügbarkeit seiner Anteile korrespondiert.115 Daraus lässt sich jedoch aus Sicht des einfachen Rechts nicht der Schluss ziehen, dass das Auskunftsrecht dem Aktionär helfen soll, das Ertragspotential seiner Anteile abzuschätzen;116 denn es fehlt jeweils der Bezug zur Tagesordnung. Dem wird entgegen gehalten, dass eine Deutung des Auskunftsrechts als bloßer mitgliedschaftlicher Hilfsanspruch nicht erklären könne, warum ein Auskunftsanspruch in der Hauptversammlung auch dann besteht, wenn zu dem betreffenden Tagesordnungspunkt gar kein Beschluss zu fassen ist.117 Allerdings ist bereits die Teilnahme an der Diskussion in der Hauptversammlung als Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte anzusehen, und eben dazu benötigt der Aktionär u.U. Informationen. Damit ist nach geltendem Recht der Anlegerschutz nicht Ziel des Auskunftsrechtes nach § 131 AktG.118 2.2.3.1.2. Sonderfall Auskunftsverweigerung 2.2.3.1.2.1. Ausgangssituation Das Auskunftsverweigerungsrecht besteht nach § 131 Abs. 3 AktG nur in bestimmten abschließend aufgezählten Fällen. So besteht nach geltendem Recht kein Auskunftsverweigerungsrecht aufgrund einer etwaigen Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Vorstandsmitglieder (bei Fragen nach der Höhe der Bezüge).119 Nicht anwendbar ist § 131 Abs. 3 AktG bei besonderen Auskunftsrechten.120 113
In diesem Sinne etwa OLG Frankfurt/M., DB 1993, 2274 (2274); OLG Hamburg, ZIP 1994, 373 (374); sowie neuerdings zu Kausalität im Rahmen einer Anfechtungsklage BGH, BB 2005, 65. 114 EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (2). 115 BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (543); BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 37. 116 So aber LG Berlin, BB 1993, 1827 (1828); dagegen EBENROTH/WILKEN, BB 1993, 1818 (1820). 117 BayObLG, NZG 1999, 1218 (1219); vgl. Wortlaut § 132 Abs. 2 S. 1 AktG. 118 Vgl. dazu ausführlich die Darstellung von KERSTING, in diesem Buch. 119 BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (546); BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 45; HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 24. 120 Etwa bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages BGHZ 119, 1 (15 ff).
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Der bisherige verfassungsrechtliche Streit konzentriert sich im Wesentlichen auf eine Detailfrage, nämlich das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 3 AktG (betreffend Fragen nach stillen Reserven), während andere (etwa Nr. 5) völlig unproblematisch sind.121 Die nachfolgende Analyse beschränkt sich daher ebenfalls auf dieses konkrete Auskunftsverweigerungsrecht.122 2.2.3.1.2.2. Auslegung im einfachen Recht Zweck von § 131 Abs. 3 Nr. 3 AktG ist es, Auskünfte über die Höhe der stillen Reserven zu unterbinden. Es geht also weder um die Bewertungsmethoden (Nr. 4) noch um die konkreten Wertansätze (Nr. 2). Ein generelles Auskunftsverweigerungsrecht über Zeitwerte besteht nicht, sofern die Buchwerte der entsprechenden Vermögensgegenstände den Aktionären nicht bekannt (und auch nicht aus der Bilanz erkennbar) sind.123 Zwar ergibt sich aus Nr. 3 kein Auskunftsverweigerungsrecht über Buchwerte; aber ein solches kann sich dann ergeben, wenn (ausnahmsweise) die Zeitwerte bekannt sind.124 Das Verschweigen der Buchwerte ist dann gewissermaßen ein milderes Mittel gegenüber dem Verschweigen der Nennwerte.
2.2.3.2. Verfassungsrechtliche Maßstäbe 2.2.3.2.1. Verfassungsrechtliche Verankerung des Auskunftsanspruchs in Art. 14 GG Das Recht, eine Aktie zu erwerben, wird durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Demgegenüber unterliegt das erworbene Aktieneigentum dem Schutz des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG, 125 und zwar sowohl im Hinblick auf das mittelbare Eigentum am Unternehmen (Vermögensrecht) als auch hinsichtlich des
121
Ebenfalls nicht unbedenklich weit gefasst ist das Auskunftsverweigerungsrecht nach Nr. 1; dies wurde jedoch durch die Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt, dass sich die Verwaltung nicht auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen kann, wenn der Verdacht eigenen Fehlverhaltens besteht; BGHZ 86, 1 (18 ff). 122 Zwar stellen inzwischen viele Unternehmen ihren Konzernabschluss nach IAS/ IFRS auf, weshalb sich das Problem der stillen Reserven nicht mehr im gleichen Umfang stellt. Jedoch hat sich die Streitfrage nicht erledigt, denn sie bleibt relevant bei den Auskunfsansprüchen von Minderheitsgesellschaftern in konzernabhängigen Gesellschaften, BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (546). 123 Nach KG, ZIP 1993, 1618 (1621) sind die Nennwerte bestimmter Beteiligungen offen zu legen; die Vorinstanz hatte argumentiert, aus diesen könne der Aktionär den Zeitwert anhand der Börsenkurse selbst berechnen, aber die Buchwerte der Beteiligungen müssten ihm damit nicht genannt werden; das KG hat die Frage offen gelassen und die Buchwerte für irrelevant erklärt; dann aber Stellung genommen bei KG, ZIP 1994, 1267 (1273). 124 KG, ZIP 1994, 1267 (1273); a.A. WENGER, ZIP 1993, 1622 (1624). 125 BVerfGE 14, 263 (277); BGHZ 82, 188 (192); BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 36. Vom Grundrecht der als echtes Abwehrgrundrecht ausgestalteten Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) wird das Auskunftsrecht dagegen nicht erfasst; vgl. VON FALKENHAUSEN, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 103; BVerfGE 4, 7 (26); 50, 290 (339); 25, 371 (407).
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unmittelbaren Mitgliedschaftsrechts.126 Von diesem Schutz wird auch das Informationsrecht des Aktionärs als „mitgliedschaftliches Grundrecht“ mit erfasst, da es vom Vermögensrecht nicht zu trennen ist.127 Der Aktionär kann diese ihm zustehenden Rechte auch eigennützig ausüben.128 Eine Gegenansicht wird insbesondere von Hüffer vertreten. Danach besteht über das Mitgliedschaftsrecht hinaus kein Anteilseigentum, das nach Art. 14 GG geschützt sein könnte; geschützt sei nur das Mitgliedschaftsrecht und mit ihr das zum Stimmrecht akzessorische Auskunftsrecht.129 Dies mag mit der Intention des einfachgesetzlichen Rechts übereinstimmen, widerspricht aber der Rechtsprechung zur Verfassungskonformität des „squeeze out“ (§ 327a ff. AktG), wonach gerade bei Minderheitsaktionären das Vermögensrecht des Aktionärs entscheidend und als solches zu schützen ist.130 2.2.3.2.2. Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. I S. 2 GG Als Bestandteil des Eigentumsgrundrechts unterliegt das Auskunftsrecht des Aktionärs dem Vorbehalt der „Inhalts- und Schrankenbestimmungen“ nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.131 Dies gilt für das Aktieneigentum sogar in besonderem Maße, denn ein solches ist ohne den flankierenden gesetzlichen Rahmen schlicht nicht vorstellbar. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber das Aktieneigentum in geradezu beliebigem Maße beschränken kann. Es geht daher zu weit, wenn postuliert wird, der Gesetzgeber könne die Rechte des Aktionärs in geradezu beliebiger Weise einschränken, denn der Aktionär sei ja nicht gezwungen, Aktien (deutscher Unternehmen) zu erwerben (so genannter Vorbehalt des Gesellschaftsrechts).132 Vielmehr muss der Gesetzgeber die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums respektieren133 und das „übrige Verfassungsrecht“ beachten, insbesondere die Art. 3, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG.134 Etwas konkreter formuliert bedeutet dies: Das die Eigentumsgarantie einschränkende Gesetz muss einem öffentlichen Bedürfnis dienen, durch sachliche Gründe gerechtfertigt
126
BVerfGE 100, 289 (301); BVerfG NJW 2001, 279; PAPIER, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 14 Rn. 195; SCHÖN, Der Aktionär im Verfassungsrecht, 1368 ff.: System verfassungsrechtlicher Meistbegünstigung. 127 BVerfG, NJW 2000, 349 (350); SCHMIDT, Gesellschaftsrecht, 624; EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (3). 128 EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (3). 129 HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 2 m.w.N. 130 Vgl. dazu zuletzt KG, BB 2004, 2774 (2775) mit zustimmender Anmerkung SCHAUTES, BB 2004, 2776. 131 Die Abgrenzung der Inhalts- und Schrankenbestimmung zur Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG soll hier nicht weiter thematisiert werden, da die Enteignung im Bereich der Auskunftsrechte (anders als etwa beim squeeze out) von vornherein keine Bedeutung haben kann. 132 Vgl. dazu EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (4). 133 BVerfGE 1, 264 (276); 4, 219 (240). 134 BVerfGE 14, 263 (278).
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sein, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Willkürverbot und den Gleichheitssatz wahren.135 2.2.3.2.3. Berücksichtigungsfähige Gemeinwohlbelange Die gesetzlichen Beschränkungen des Auskunftsrechts der Aktionäre könnten sowohl unter Heranziehung der Grundrechte Dritter als auch unter Rückgriff auf öffentliche Interessen gerechtfertigt werden. 2.2.3.2.4. Belange anderer Grundrechtsträger Dritte, die von der Beschränkung des Auskunftsanspruchs profitieren, könnten insbesondere die anderen Aktionäre, die Gesellschaft selbst, die Verwaltung (Vorstand) der Gesellschaft und außenstehende Dritte (etwa Gläubiger der Gesellschaft) sein. 2.2.3.2.4.1. Rechte der Verwaltung Schon aus einfachgesetzlicher Sicht nicht tragfähig ist die Annahme „eigener Interessen“ der Verwaltung gegenüber den Aktionären; denn dies widerspräche schon der treuhänderischen Stellung der Verwaltung. Soweit Mitglieder der Verwaltung darüber hinaus in Rechtsbeziehungen zu der Gesellschaft treten, sind sie wie außenstehende Gläubiger zu behandeln.136 2.2.3.2.4.2. Rechte der Gesellschaft Besonders problematisch ist die Frage, ob dem Auskunftsrecht des Aktionärs auch Rechte der Gesellschaft selbst entgegen gehalten werden können. Dass die Gesellschaft im Außenverhältnis grundrechtsfähig ist und somit auch eigene schutzwürdige Interessen geltend machen kann, steht außer Frage. Dies kann jedoch auf das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern (Aktionären) nicht ohne Weiteres übertragen werden.137 (1) Die Tatsache allein, dass das Aktienrecht von der Schutzwürdigkeit dieser Interessen auszugehen scheint (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG),138 hat nicht zur Folge, dass diese Interessen auch verfassungsrechtlich geschützt sind. Die Wahr135
VON FALKENHAUSEN, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 123; wobei sich diese Begriffe durchaus überschneiden. 136 Die Anerkennung solcher Interessen der Verwaltung wäre darüber hinaus auch rechtspolitisch fragwürdig; vgl. SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077 (2081); dagegen auch SCHÖN, Der Aktionär im Verfassungsrecht, 1378. 137 Bejaht bei BVerfG, NZG 2000, 194 (195); BVerfGE 37, 132 (140) 50, 290 (341); dazu BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 38; dagegen aber GRÜNER, NZG 2000, 196 (196): „schlechterdings nicht vorstellbar“; SCHÖN, Der Aktionär im Verfassungsrecht, 1378: „Zweckkonstrukt der Gesellschafter“. 138 In dieser Richtung auch die Diskussion zu schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft bei Angaben über Beteiligungen; genannt wird etwa die Gefahr der Erschwerung des Verkaufs sowie einer möglichen Aufdeckung der Anlagepolitik des Unternehmens; siehe dazu KG, ZIP 1993, 1618 (1620); KG, ZIP 1994, 1267 (1272); zustimmend GROSSFELD/MÖHLENKAMP, ZIP 1994, 1425.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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nehmung des Rechtsproblems wird dadurch verzerrt, dass in der Praxis Streitfragen zum Auskunftsanspruch ausschließlich im Verhältnis zu Minderheitsaktionären vorkommen. Man ist daher geneigt, ein Interesse der Gesellschaft zum Schutz gegen den „Störer“ zu bejahen. Dabei wird dann übersehen, dass sich das Auskunftsrecht an alle Aktionäre richtet und die Verweigerungsgründe für alle Aktionäre die gleichen sein müssen.139 Wenn es aber ein „eigenes Interesse“ der Gesellschaft auf Geheimhaltung einer Information gegenüber den Aktionären gibt, so müsste dies auch gegenüber einem Auskunftsverlangen des Mehrheitsaktionärs gegeben sein. Verallgemeinert gesprochen müsste es dann ein Interesse der Gesellschaft geben, dass sich auch gegenüber dem Interesse sämtlicher Anteilseigner durchsetzen kann. Da der Vorstand auch persönlich mittelbar vom Wohlwollen des Mehrheitseigners abhängt, wäre er wohl auch nicht die geeignete Einrichtung, derartige Interessen gegen den Willen der Aktionäre durchzusetzen.140 Wenn es um das „eigene Interesse der Gesellschaft“ geht, wird oft ein Fall zitiert, der 1965 durch das Pariser Berufungsgericht zu entscheiden war.141 Dort entschied das Gericht, dass sich das Interesse der (französischen) Gesellschaft an der Durchführung eines Auftrages gegenüber dem Interesse des Mehrheitsaktionärs (hier: der amerikanischen Muttergesellschaft) an der Vermeidung von Sanktionen wegen Bruchs eines Handelsembargos durchsetzen kann. Diese Entscheidung ist auch in Frankreich ein Einzelfall geblieben. Sie ist überdies durch einige Besonderheiten zu erklären, so dass sich ein entsprechender Fall in Deutschland auch ohne den Rückgriff auf die „eigenen Interessen der Gesellschaft“ lösen ließe. Zu denken wäre etwa an die Treuepflicht; ebenso an die Interessen der Minderheitsaktionäre und schließlich an die Begrenzung der Reichweite nationaler Vorschriften.142 Die Annahme eines verfassungsrechtlich geschützten eigenen Interesses der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern erscheint unserer Rechtsordnung fremd143 und ist auch zur Lösung problematischer Fälle nicht erforderlich.144
139
Mehrheitsaktionäre benötigen den gesetzlichen Auskunftsanspruch allein deshalb nicht, weil sie sich aufgrund ihres Stimmgewichtes selbst in den Aufsichtsrat wählen können und somit Zugang zu den gewünschten Informationen erhalten. 140 Daran sollte auch eine von Teilen der Literatur angenommene Auskunftsverweigerungspflicht des Vorstands nichts ändern; vgl. dazu EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (6) sowie HÜFFER, AKTG, § 131 Rn. 23. Angesichts des Wortlauts und des Regel-Ausnahmecharakters des § 131 AktG ist eine solche Verpflichtung (ohne Ermessensvorbehalt) ohnehin schwierig zu begründen; denn soweit das grundsätzliche Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 geht, besteht gerade keine Verschwiegenheitspflicht; vgl. TRAUGOTT, BB 2001, 2277 (2278 f). 141 CA Paris JCP 1965.II, 14272bis. 142 All diese Elemente finden sich auch in der Diskussion um die Entscheidung „Fruehauf“ wieder. 143 Schon europarechtlich nicht gangbar dürfte auch der Vorschlag sein, mittels der Argumentation aus „Fruehauf“ einem Unternehmen die Standortverlagerung ins Ausland verbieten zu lassen, DÄUBLER, NJW 2005, 30 (31). 144 Zur Auskunftsverweigerung wegen Treuepflichtverletzung vgl. H ÜFFER, AktG, § 131 Rn. 33.
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(2) Eine Berufung der Gesellschaft auf Grundrechte145 scheint damit nur möglich, wenn man die Aktionäre außenstehenden Dritten gleichstellt.146 Selbst wenn man dies mit dem Hinweis auf die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs nicht nachvollziehen möchte, so muss doch anerkannt werden, dass eine Information der Aktionäre de facto auch eine Information der Öffentlichkeit beinhaltet.147 Obgleich es Aktiengesellschaften gibt, in denen dies aufgrund der besonderen Aktionärsstruktur (Familiengesellschaft) nicht der Fall ist, so steht dies einer gesetzgeberischen Typisierung nicht entgegen. Die Aktiengesellschaft ist gerade für solche Unternehmen vorgesehen, in denen keine besondere Bindung zwischen dem Aktionär und dem Unternehmen besteht. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass es rechtlich möglich ist, eine treuwidrige Weitergabe oder Verwendung von Informationen durch einen Aktionär zu untersagen oder zu sanktionieren, da es oft schwierig sein wird festzustellen, wer aus einer Mehrzahl von Aktionären die Information weitergeleitet hat. Man könnte also formulieren: Der Aktionär ist zwar im Verhältnis zur Gesellschaft kein außenstehender Dritter; er muss sich aber hinsichtlich der Offenlegung von Informationen wie ein solcher behandeln lassen, weil damit in der Regel eine Offenlegung gegenüber solchen Dritten verbunden (nicht mit Sicherheit auszuschließen) ist. Dies ist gewissermaßen der Preis der Anonymität der Aktiengesellschaft, die letztlich dazu führt, dass die Gesellschaft die Verwendung der Information nicht mehr beeinflussen kann.148 Damit verliert die Diskussion, ob es ein Interesse der Gesellschaft an sich auch im Innenverhältnis gibt, im Bereich des Auskunftsanspruchs an Bedeutung. (3) Noch nicht geklärt ist allerdings, welche Interessen der Gesellschaft hier als schützenswert anzuerkennen sind. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Gesellschaft vor der Veröffentlichung einer Information nur insoweit geschützt werden kann, wie diese Information in der Hand von außenstehenden Dritten der Gesellschaft Schaden zufügen kann (Berufsfreiheit) oder soweit diese Informationen ohne konkreten Zweck und Nutzen auf Vorrat gesammelt werden sollen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung).149 Nicht geschützt ist dagegen ein Interesse der Gesellschaft an der Zurückhaltung von Informationen, die die Aktionäre selbst zu einem (von der Gesellschaft – der Verwaltung / den anderen Aktionären – nicht gewünschten) Verhalten bei der Ausübung ihrer Aktionärsrechte ver145
Zur Abgrenzung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und der Berufsfreiheit siehe oben 2.2.2.2.2.2., S. 60. 146 Davon geht offenbar BUDDE, Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, 41, aus. 147 TIETZE, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 61. 148 Gegenstück des Auskunftsverweigerungsrechts wäre damit im Bereich der Personengesellschaften das Wettbewerbsverbot und bei der GmbH das Verwendungsverbot. Beides ist in einer anonymen Gesellschaft weder sinnvoll noch praktikabel. Auch der aus dem GmbH-Recht bekannte Missbrauchsvorbehalt (vgl. OLG Jena, ZIP 2004, 2003) wird hierdurch ersetzt, denn die Motivation der Frage spielt im Rahmen des § 131 AktG gerade keine Rolle; vgl. KG, ZIP 1994, 1267 (1272). 149 Aufgrund der tatbestandlichen Einschränkungen in § 131 Abs. 1 AktG dürfte diese zweite Fallgruppe von vornherein keine Rolle spielen.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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anlassen könnten. Problematisch sind demnach gerade solche Informationen, die einerseits für den Aktionär bei der Stimmrechtsausübung bedeutsam sind, gleichzeitig jedoch zu einem Wettbewerbsnachteil der Gesellschaft führen könnten. Die Abwägung in diesem Konflikt richtet sich jedoch nach den gleichen Maßstäben wie die Abwägung zwischen den Interessen einzelner Aktionärsgruppen (dazu sogleich). 2.2.3.2.4.3. Rechte der anderen Aktionäre Das Recht eines Aktionärs wird durch die Rechte der anderen Aktionäre beschränkt, allerdings nur soweit die Interessen der anderen Aktionäre auch schützenswert sind.150 Grundsätzlich ergibt sich der Interessenausgleich zwischen Aktionären bereits aufgrund der Stimmrechtsverteilung in der Hauptversammlung;151 eine darüber hinausgehende Besserstellung einzelner Gruppen ist nur dort gerechtfertigt, wo das Mehrheitsprinzip versagt. Dies ist ohne weiteres der Fall, wenn bereits das Bekanntwerden einer Information – selbst wenn die Mehrheit die anschließende Abstimmung in ihrem Sinne entscheiden kann – die schützenswerten Interessen der Mehrheit beeinträchtigt. In diesem Fall muss tatsächlich die Mehrheit vor der Minderheit geschützt werden. Hierbei handelt es sich aber nicht um ein Sonderproblem des Auskunftsrechts, sondern um einen Teilaspekt der allgemeinen Frage, wie weit die Mehrheit die Minderheit beherrschen darf, ohne deren Rechte zu denaturieren.152 2.2.3.2.4.4. Rechte Dritter Weiterhin könnte ein Auskunftsverweigerungsrecht dann anzunehmen sein, wenn die Erteilung der Auskunft Rechte Dritter verletzt. In Teilbereichen ist dies auch in § 131 Abs. 3 AktG ausdrücklich geregelt: Die Auskunft kann bzw. muss verweigert werden, wenn die Erteilung strafbar wäre153 oder wenn geschädigte Dritte daraus Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft ableiten könnten.154 Ein allgemeines Auskunftsverweigerungsrecht im Hinblick auf die Verletzung von Interessen Dritter, wie z.B. etwaiger Gläubiger, sieht das Gesetz gerade nicht vor (vgl. § 131 Abs. 3 S. 2 AktG).155
150
Nicht schutzwürdig ist etwa das Interesse eines Großaktionärs, sich unbehelligt Sondervorteile zu verschaffen, vgl. KASERER, ZIP 1999, 2085 (2087); SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/ SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077 (2083). 151 SCHÖN, Der Aktionär im Verfassungsrecht, 1379 mit Hinweis auf § 131 Abs. 4 AktG. 152 VON FALKENHAUSEN, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 104. 153 § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG; etwa als Bruch von Berufsgeheimnissen in einer Wirtschaftsprüfungs-AG. 154 Dann § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG. 155 Ein mit der Vertretung solcher Drittinteressen gegenüber der Hauptversammlung beauftragter Vorstand würde sich auch unausweichlich in einen Interessenkonflikt begeben.
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2.2.3.2.5. Öffentliche Interessen Ein besonderes Öffentliches Interesse, das dem Auskunftsanspruch entgegen steht, wird in der „besonderen Sozialbindung“ (Art. 14 Abs. 2 GG) gesehen, der das Aktien„eigentum“ unterliegt. So sollen insbesondere Eingriffe in die Aktionärsrechte gerechtfertigt sein, die dem längerfristigen Erhalt des Unternehmens dienen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann durchaus hinterfragt werden, ob ein öffentliches Interesse am Erhalt eines Unternehmens überhaupt bestehen kann, denn letztlich geht die Erhaltung eines unrentablen Unternehmens immer zu Lasten anderer Unternehmen und widerspricht somit der effizienten Verteilung der knappen Ressource Kapital.156 Diese Überlegungen haben aber keinen Verfassungsrang. Dem Gesetzgeber steht bei der Definition dessen, was im öffentlichen Interesse liegt, ein sehr weiter Beurteilungsspielraum zu; anderenfalls wäre jede wirtschaftspolitisch unvernünftige Entscheidung zugleich verfassungswidrig. Überdies ist das individualrechtlich ausgestaltete Auskunftsrecht des Aktionärs157 wohl auch nicht der richtige Ort zur Verankerung des kapitalmarktrechtlichen Funktionenschutzes.158 Die Bevorzugung einzelner Aktionärsgruppen kann aber im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip nur dann durch öffentliche Interessen gerechtfertigt werden, wenn dies zugleich (mittelbar) der Erhaltung des Unternehmens an sich dient.
2.2.3.3. Abwägung Die schützenswerten Anliegen des Aktionärs einerseits und die vorstehend aufgeführten öffentlichen und privaten Interessen andererseits in einen möglichst grundrechtsschonenden Ausgleich zu bringen, ist Anliegen der gesetzlichen Regelung des § 131 AktG. Ob die vom Gesetzgeber gefundene Lösung dieses Interessenkonflikts den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, bedarf insbesondere im Hinblick auf die Auskunftsverweigerung über die Höhe der stillen Reserven einer genaueren Analyse. 2.2.3.3.1. Zeitliche Beschränkung Verfassungsrechtlich unbedenklich ist zunächst die zeitliche Beschränkung des Auskunftsrechts der Aktionäre auf die Zeit der Hauptversammlung. Diese dient der Gleichbehandlung der Aktionäre159 und nützt letztlich allen Aktionären, da die Fragen nur einmal (und damit gegenüber allen Aktionären einheitlich) beantwortet werden müssen. Jedoch ist diese Beschränkung auch nicht aufgrund des verfas156
Vgl. SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077; wirtschaftlich langfristig sinnvoller ist die effiziente Allokation des zur Verfügung stehenden Kapitals (Funktionenschutz). 157 HÜFFER, AktG, § 131 Rn 2; OLG München, NZG 2002, 187 (188). 158 Kritisch zur fehlenden Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zum öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Kapitalmarkt SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/ STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077 (2078). 159 BVerfG, NJW 2000, 349 (350).
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sungsrechtlichen Gleichheitssatzes geboten, denn eine Antwort nur gegenüber dem Aktionär, der die Frage gestellt hat, würde nur denjenigen schlechter stellen, der sich nicht in dem Maße um seine Beteiligung kümmert und damit an ein sachliches Kriterium anknüpfen.160 Ebenso gerechtfertigt sind Beschränkungen der Redezeit, da ein etwaiger Missbrauch der Mitwirkungsrechte in der Hauptversammlung immer zu Lasten der anderen Aktionäre geht, die ebenso durch Art. 14 GG geschützt sind.161 2.2.3.3.2. Inhaltliche Beschränkung Ebenso unbedenklich ist die Beschränkung des Auskunftsrechts auf Angelegenheiten „der Gesellschaft“.162 Problematisch ist lediglich die Auslegung dieses Begriffs aus Sicht des einfachen Rechts, v.a. bei Informationen zu Minderheitsbeteiligungen.163 Verfassungsrechtlich relevant ist hingegen die inhaltliche Beschränkung des Auskunftsrechts auf solche Fragen, die für die Beurteilung eines Tagesordnungspunktes von Belang sind. Ausgangspunkt dabei ist, dass die geringen Einfluss- und Mitwirkungsmöglichkeiten des Aktionärs eine Kompensation der im Vergleich zu anderen Gesellschaftsformen leichten Verfügbarkeit der Anteile angesehen werden können. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es verfassungsrechtlich bedenklich, dem Aktionär gerade solche Informationen vorzuenthalten, die für seine Entscheidung, ob er sich von den Anteilen trennen möchte, bedeutsam sind.164 Dagegen wurde eingewandt, dass der Anlegerschutz an sich schon keine Aufgabe des aktienrechtlichen Auskunftsanspruchs sein könne, denn dieser stehe nur dem Aktionär, nicht aber dem potentiellen Anleger zu, der als Anleger des gleichen Schutzes bedürfe.165 Dieses Argument überzeugt jedoch nicht, denn es setzt Anlegerschutz und Kapitalmarktschutz gleich. Der Aktionär ist aber nicht in der gleichen Situation wie ein potentieller Anleger. Während der Interessent vom Kauf Abstand nehmen kann, wenn er die gewünschte Information nicht erhält, sitzt der Aktionär schon „mit im Boot“ und ist daher auf die Erteilung der Information angewiesen. Der Aktionär steht also hinsichtlich seiner Informationsrechte zwischen den Polen „kleiner, besonders betroffener Adressatenkreis / intensive Offenlegungspflichten“ (Auf160
Schließlich erhöht die „Hauptversammlungsöffentlichkeit“ der Fragen auch deren Bedeutung; denn es macht in der Diskussion einen Unterschied, ob der Vorstand einen Fehler (auf eine Frage hin) selbst einräumen muss, oder ob nur ein Aktionär über ein solches Eingeständnis berichtet. 161 BVerfG, NJW 2000, 349 (351). 162 Zur Beschränkung auf Angelegenheiten mit Bezug zum konkreten Geschäftsjahr vgl. BayObLG, NJW-RR 2002, 104 (105). 163 KG, ZIP 1994, 1267; KG, ZIP 1993, 1618; LG Berlin, BB 1993, 1827; dagegen EBENROTH/ WILKEN, BB 1993, 1818; sowie SAENGER, DB 1997, 145 (147); über Angelegenheiten von ausgegliederten Gesellschaften, BayObLG NZG 1999, 1218; über Ergebnisse von Tochterunternehmen OLG Hamburg, ZIP 1994, 373. 164 BVerfG, NJW 2000, 349 (350); etwa Bewertung von Abfindungsansprüchen BGH, DB 1995, 1700 (1701). 165 EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (2).
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sichtsrat, Betriebsrat) und „unüberschaubarer, nur gering betroffener Adressatenkreis / wenige Offenlegungspflichten“ (Öffentlichkeit, Kapitalmarkt).166 Damit beschränkt sich das Informationsrecht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht auf die Mitwirkung des Aktionärs in der Hauptversammlung, sondern es muss ihm auch ermöglicht werden, den Wert seiner Beteiligung realistisch einzuschätzen. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass die Einschränkung in § 131 Abs. 1 AktG als verfassungswidrig anzusehen ist. Der Aktionär ist bei seiner Informationsgewinnung ja nicht auf das Fragerecht in der Hauptversammlung beschränkt, sondern ihm stehen auch die öffentlichen Informationsquellen (Handelsregistereinsicht, ad hocPublizität) zur Verfügung. Da diese allgemeine Publizität relativ weit geht, kann die Zusatzinformation des Aktionärs entsprechend schmaler ausgestaltet werden.167 Die Ausgestaltung des Auskunftsrechts als „Hilfsinstrument zur Stimmrechtsausübung“ ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 2.2.3.3.3. Verweigerung der Auskunft Die Auskunftsverweigerungsrechte nach § 131 Abs. 3 AktG müssen hingegen an einem strengeren verfassungsrechtlichen Maßstab gemessen werden; denn es handelt sich hier um Fälle, in denen der Aktionär eine Information nicht erhalten kann, obwohl er sie zur ordnungsgemäßen Ausübung seiner Rechte in der Hauptversammlung benötigt. Der bloße Verweis auf die beschränkte Rolle des Aktionärs im geltenden Gesellschaftsrecht kann eine solche Einschränkung nicht mehr rechtfertigen, vielmehr bedarf es konkreter entgegenstehender schutzwürdiger Interessen. 2.2.3.3.3.1. Die „Scheidemantel II“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Die Frage, ob das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 3 AktG (Auskunftsverweigerung über die Höhe der stillen Reserven) den oben dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist im Zuge der „Scheidemantel II“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes168 intensiv diskutiert worden. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Aktionären nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen in einem Auskunftserzwingungsverfahren (§ 132 AktG) und mittelbar gegen § 131 Abs. 3 Nr. 3 AktG richteten. Ziel des Aktionärsbegehrens war die Erteilung von Auskünften über aktuelle Brandversicherungswerte einzelner Unternehmensimmobilien. Die beschwerdeführenden Aktionäre gaben an, diese Informationen für die Entscheidung über die Entlastung des Vorstands zu benötigen.169 166
BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (544) bezeichnet diese allgemein offenlegungspflichtigen Informationen als den „kleinsten gemeinsamen Nenner“. 167 Aus den oben ausgeführten Gedanken lässt sich also kein verfassungsrechtliches Differenzierungsgebot ableiten, wonach der Aktionär als Anleger besser behandelt werden müsste als die breite Öffentlichkeit. 168 BVerfG, NZG 2000, 194; unter Berufung darauf LG Berlin, AG 2000, 288; und – wenn auch mit unverkennbarer Kritik – KG, DB 2001, 1080 (1083). 169 Hintergrund war ein Unternehmensvertrag der Gesellschaft mit dem Mehrheitseigner, der nach Auffassung der Aktionäre wegen – im Verhältnis zum tatsächlichen Wert des Betriebsvermögens der beherrschten Gesellschaft – zu niedrig angesetzter Ausgleichszahlungen hätte gekündigt bzw. nachverhandelt werden müssen.
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In der handelsrechtlichen Literatur ist diese Entscheidung überwiegend170 aber nicht ausschließlich 171 auf Ablehnung gestoßen. 2.2.3.3.3.2. Geeignetheit und Erforderlichkeit Problematisch an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist in erster Linie, dass die Eignung des Auskunftsverweigerungsrechtes zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele nicht hinterfragt wurde. Zwar verfügt der Gesetzgeber in dieser Frage über eine Einschätzungsprärogative, diese befreit ihn jedoch nicht von elementaren wirtschaftlichen Zusammenhängen; die Eignung der Maßnahme muss also zumindest nachvollziehbar dargestellt werden. 2.2.3.3.3.2.1. Unternehmenssicherung Dass stille Reserven dem erklärten Ziel der Unternehmenssicherung und Konkursvorsorge dienen,172 ist in der betriebswirtschaftlichen Forschung zumindest umstritten, wenn nicht gar widerlegt.173 Man wird vom Gesetzgeber nicht verlangen können, dass er bestehende Gesetze zeitnah an die Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung anpasst; auf diese Frage kommt es hier aber letztlich gar nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Insolvenzvorsorgefunktion stiller Reserven jedenfalls keine Geheimhaltung derselben erfordert.174 Der Satz „Stille Reserven bleiben still“ als Kommentierung der „Scheidemantel II“-Entscheidung trifft rechtlich nicht zu, denn eine Änderung dieser Tatsache war gar nicht Gegenstand des Verfahrens.175 „Still“ sind die Reserven schon allein dadurch, dass sie in der Bilanz nicht offen ausgewiesen werden und damit auch der Gewinnverteilung entzogen sind. Daran würde auch eine Bekanntgabe der Höhe der stillen Reserven nichts ändern. Die Behauptung eine so genannte Politik der „gläsernen, aber verschlossenen Taschen“176 würde sich auf Dauer „nicht durchhalten lassen“177 ist bereits rechtlich unhaltbar. Eine Ausschüttung (auch der Höhe nach bekannter) stiller Reserven ist aktienrechtlich nicht möglich. Ebenso wenig kann die Hauptversammlung die Aufdeckung stiller Reserven beeinflussen; in vielen Fällen besteht 170
Aus ökonomischer Sicht SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077; aus rechtsvergleichender Sicht KASERER, ZIP 1999, 2085; GRÜNER, NZG 2000, 196; vorsichtiger HENZE, BB 2002, 893; SCHÖN, Der Aktionär im Verfassungsrecht; JÄGER, Aktiengesellschaft unter besonderer Berücksichtigung der KGaA, § 24 Rn. 77 („bedenklich“). 171 HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 29; EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 werfen den Kritikern „Überbetonung“ der Vermögensinteressen der Aktionäre und Vernachlässigung der Einbindung in die Mitgliedschaft als Rechts- und Pflichtenkomplex vor. 172 BVerfG, NZG 2000, 194 (196). 173 Nach SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077 (2082) dienen sie in der Realität v.a. der Insolvenzverschleppung; kritisch auch K ASERER, ZIP 1999, 2085 (2086). 174 GRÜNER, NZG 2000, 196 (198). 175 Insofern läßt auch die Terminologie des Urteils sehr zu wünschen übrig; denn dort werden die Begriffe „veröffentlichen“ und „aufdecken“ häufig synonym verwendet. 176 Begriff eingeführt von KRONSTEIN/CLAUSSEN, Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht, 136. 177 BVerfG, NZG 2000, 194 (196) wiederum unter Berufung auf MOXTER.
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hier auch gar kein Wahlrecht, sondern eine Auflösung bedürfte einer Transaktion (z.B. einer Veräußerung und anschließender Rückkauf des Betriebsgrundstücks), die als operatives Geschäft von der Hauptversammlung nicht veranlasst werden kann. Freilich könnte die Hauptversammlung, wenn ihr hohe stille Reserven bekannt sind, eher geneigt sein, den zur Verteilung stehenden Jahresüberschuss tatsächlich auszuschütten und nicht in Gewinnrücklagen einzustellen (§ 58 Abs. 3 AktG). Welches Interesse es rechtfertigen soll, die Aktionäre (auch die Mehrheit!) durch unvollständige Angaben dazu zu bewegen, auf den ihr nach § 58 Abs. 4 AktG zustehenden Teil des Jahresüberschusses178 zu verzichten, ist allerdings nicht ersichtlich. 2.2.3.3.3.2.2. Gläubigerschutz Diese Gedanken lassen sich auch auf den gelegentlich angeführten Gläubigerschutz übertragen. Ob die Bildung stiller Reserven dem Gläubigerschutz tatsächlich dient, ist in der Wirtschaftswissenschaft nicht unumstritten. Fraglich ist schon, ob der häufig beschworene Interessenkonflikt zwischen Gesellschaftern und Gläubigern überhaupt besteht, oder ob nicht vielmehr beide Seiten ein Interesse am „true and fair view“ haben.179 Jedenfalls erfordert auch der Gläubigerschutz nicht die Geheimhaltung der stillen Reserven, da diese auch im Fall ihres Bekanntwerdens nicht ausgeschüttet werden können. Der Gläubigerschutz kann also nicht gegen eine Offenlegung der stillen Reserven angeführt werden.180 2.2.3.3.3.2.3. Vertrauen des Marktes Schon eher tragfähig ist die Begründung, die Geheimhaltung der stillen Reserven diene der Erhaltung des „good will“ des Unternehmens am Markt.181 Zwar ist etwas unklar, was damit gemeint ist, denn die Unternehmensbewertung richtet sich – auch und gerade an der Börse – nach ganz anderen Kriterien.182 Aber es ist durchaus nachvollziehbar, dass stille Reserven auch einen Vertrauensverlust verhindern können, indem sie die Volatilität der Jahresergebnisse verringern. Zwar kann ein Mangel an Transparenz auch das Gegenteil bewirken,183 aber letztlich tut der Gesetzgeber gut daran, dem Unternehmen die Entscheidung selbst zu überlassen, was gut für die Erhaltung des Marktvertrauens ist. Besonders deutlich wird dies in sensiblen Branchen wie dem Finanzsektor; hier besteht die Gefahr, dass Kunden auf schlechte Nachrichten übertrieben reagieren und so das Unternehmen tatsächlich in ernste Schwierigkeiten bringen.184 Im Bankensektor selbst ist die Problematik in den 178
Nach Abzug der gesetzlichen Rücklagen (§§ 150, 58 Abs. 2 AktG). BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (52 f.); stille Reserven schützen die Gläubiger nicht, da sie ohne weiteres jederzeit still wieder aufgelöst werden können KÜBLER, ZHR 159 (1995), 550 (559 f.) 180 BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (545). 181 BVerfG, NZG 2000, 194 (196) unter Berufung auf EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (10). 182 SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077 (2083). 183 KRONSTEIN/CLAUSSEN, Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht, 135 f. 184 OLG Düsseldorf, AG 1994, 228 (232) (für Bankenabschluss). 179
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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§§ 340e ff. HGB sowie § 131 Abs. 3 Nr. 6 HGB speziell geregelt.185 Der Gesetzgeber geht jedoch anscheinend davon aus, dass diese Erwägungen auch auf andere Branchen übertragen werden können. Sofern man Gläubigerschutz nicht als Schutz der Gläubiger vor sich selbst bzw. vor ihren übertriebenen Reaktionen begreifen möchte, besteht allerdings ein natürlicher Gegensatz zwischen den Interessen „Gläubigerschutz“ und „Schutz des good will“, denn stille Reserven bringen von Natur aus die Gefahr mit sich, dass sie still wieder aufgelöst werden und somit zur Verschleierung späterer Verluste dienen können.186 2.2.3.3.3.2.4. Schutz vor Wettbewerbern und Übernahmeinteressenten Bedeutsam erscheint auch die Funktion der stillen Reserven beim Schutz gegen feindliche Übernahmen. Das Bekanntwerden einer Verringerung der stillen Reserven könnte den Konkurrenten eine Schwäche des Unternehmens signalisieren und so eine feindliche Übernahme oder aber ein „Aushungern“ des Unternehmens durch unfaire Wettbewerbspraktiken erleichtern.187 Auch hier ist eine gesetzgeberische Erwägung, wonach ein Schutz vor feindlichen Übernahmen im öffentlichen Interesse liegt, verfassungsrechtlich nicht angreifbar. 2.2.3.3.3.2.5. Fazit Unter den letztgenannten Gesichtspunkten ist das gesetzlich geregelte Auskunftsverweigerungsrecht immerhin zur Erreichung legitimer Ziele geeignet und erforderlich. Die als Regelungsalternative denkbaren Einschränkungen bei der Bildung der stillen Reserven gehen möglicherweise zu Lasten der Gläubigerinteressen und stellen daher kein milderes Mittel dar. Auch ein Gegensteuern auf anderer Ebene, etwa durch ein Verbot, die erlangten Informationen gegen die Interessen des Unternehmens zu verwerten, scheitert an der fehlenden Praktikabilität.188 2.2.3.3.3.3. Angemessenheit Schließlich muss das Auskunftsverweigerungsrecht darauf untersucht werden, ob es die festgestellten Interessen in einen angemessenen Ausgleich bringt. Bei der Gewichtung der einzelnen Belange ist der Gesetzgeber angesichts der Offenheit der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes relativ frei, solange die Regelung nicht „grob sachwidrig“ erscheint. Maßstab in dieser Abwägung ist dabei der Grad der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit der einzelnen vorstehend herausgearbeiteten Interessen.
185
BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (58). So auch BVerfG, NZG 2000, 194 (196). 187 In diesem Sinne wohl EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (10); nach KASERER, ZIP 1999, 2085 (2087) wird dies jedoch in der internationalen Accounting-Literatur nirgendwo vertreten. 188 Näher zur Möglichkeit von Beschränkungen bei der Verwendung einmal verfügbarer Informationen vgl. nachstehend Kapitel 2.2.4., S. 87 ff. 186
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Bei dem gebotenen Interessenausgleich musste der Gesetzgeber berücksichtigen, dass eine verringerte Transparenz Insider-Geschäfte begünstigt.189 Dieses Problem kann sich auch bei einem Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 S. 4 AktG) stellen, wenn der Börsenkurs aufgrund öffentlich nicht bekannter stiller Reserven den wahren Unternehmenswert unterschreitet.190 Dieser Aspekt wird aber dadurch relativiert, dass der Aktionär auch von anderen Publizitätsquellen profitieren kann (Jahres- und Konzernabschlüsse, Lageberichte, ad-hoc-Publizität).191 Die gesetzgeberische Entscheidung, den Schutz vor Insidergeschäften allgemein auf hohem Niveau zu verankern und keinen besonderen Schutz für Aktionäre zu schaffen, ist vollkommen schlüssig; denn Insiderhandel schadet dem Kapitalmarkt insgesamt, nicht nur den Aktionären des konkret betroffenen Unternehmens. Das Problem lässt sich jedoch auch unter einem anderen Gesichtspunkt behandeln, nämlich dem der Gleichbehandlung der Aktionäre. Formal wird diese durch § 131 Abs. 4 AktG abgesichert; dieser greift jedoch nicht ein, wenn die Großaktionäre ihren Wissensvorsprung in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrates erlangt haben192 Von einer Gleichbehandlung aller Aktionäre im Hinblick auf die Auskunftserteilung zu sprechen,193 erscheint daher reichlich formalistisch.194 Der Schutz vor Benachteiligungen wird hier jedoch durch das Spruchstellenverfahren und das Kapitalmarktrecht in ausreichender Weise sicher gestellt. Ferner konnte der Gesetzgeber bei der Interessenabwägung einbeziehen, dass eventuelle Nachteile die Aktionäre nicht unvorbereitet treffen, sondern im Sinne einer Vorbelastung im Aktieneigentum angelegt sind.195 Allein die Möglichkeit des Missbrauchs einer aktienrechtlichen Norm durch die Mehrheitsaktionäre führt nicht zu deren Verfassungswidrigkeit.196 Das Bundesverfassungsgericht hat für die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Regelung u.a. angeführt, dass es nach geltendem Recht für Kapitalgesellschaften ohnehin nur eingeschränkt möglich sei, stille Reserven zu bilden.197 und dass ohnehin viele Unternehmen nach IAS bilanzieren.198 Dieses Argument scheint zunächst wenig hilfreich, denn unbestritten können sich auch in Kapitalgesellschaften stille 189
BVerfG, NZG 2000, 194 (196); SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077 (2078). 190 KÜBLER, ZHR 159 (1995), 550 (565, Fn. 66). 191 BVerfG, NJW 2000, 349 (351). 192 BGHZ 86, 1 (7); KG, DB 2001, 1080 (1082). 193 So etwa EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (2). 194 Ebenso GRÜNER, NZG 2000, 196 (196). 195 Zur Vorbelastung mit möglicher Beeinträchtigung durch Mehrheitsentscheidung, BGHZ 82, 188 (192); auch ein Spielraum bei Ausübung von Wahlrechten muss hingenommen werden, denn damit muss der Aktionär schon beim Erwerb des Rechts rechnen, KG, DB 2001, 1080 (1083). 196 BVerfGE 14, 263 (275). 197 BVerfG, NZG 2000, 194 (196). 198 BVerfG, NZG 2000, 194 (196).; kritisch dazu schon im Hinblick auf den fehlenden Bezug zu dem zu entscheidenden Sachverhalt GRÜNER, NZG 2000, 196 (198); dagegen auch KASERER, ZIP 1999, 2085 (2086).
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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Reserven in erheblicher Höhe etwa aufgrund der Bewertung von Grundstücken nach den historischen Anschaffungskosten entstehen, auch wenn Ermessensabschreibungen (Willkürabschreibungen) i.S.v. § 253 Abs. 4 HGB nicht zulässig sind (§ 279 Abs. 1 S. 1 HGB). Gerade die Tatsache, dass den stillen Reserven ein eigenes Auskunftsverweigerungsrecht gewidmet wird, zeigt schon, dass der Gesetzgeber diese nicht für „selten“ oder „wirtschaftlich unbedeutend“ gehalten hat. Der Gedanke ist aber insofern interessant, als man fragen muss, ob das Problem im Bereich der Auskunftsverweigerung überhaupt richtig verortet ist, oder ob sich die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht vielmehr gegen die stillen Reserven selbst richten müssten.199 So werden auch die Vorschriften des Bilanzrechts, die die Bildung stiller Reserven ermöglichen oder erzwingen, häufig mit den gleichen Argumenten kritisiert, die gegen das aktienrechtliche Auskunftsverweigerungsrecht vorgebracht werden.200 Diese handelsrechtliche Vorfrage soll hier nicht weiter thematisiert werden, jedoch ist der Schluss von der Zulässigkeit der Bildung stiller Reserven auf die Notwendigkeit von deren Geheimhaltung nicht zwingend. Die Bildung stiller Reserven beeinträchtigt den Aktionär in der Weise, dass ein Teil des Jahresergebnisses nicht als Bilanzgewinn ausgewiesen wird und somit dem Gewinnverwendungsbeschluss und folglich auch der Ausschüttung als Dividende entzogen ist. Wenn er mit dieser Situation nicht einverstanden ist, kann er sich von seiner Beteiligung trennen. Da die stillen Reserven im Unternehmen enthalten sind und daher für künftige Ausschüttungen oder Investitionen zur Verfügung stehen, kann er aber einen entsprechend höheren Veräußerungserlös erwarten; ebenso kann er natürlich auf eine spätere Auflösung und Ausschüttung der stillen Reserven warten. In beiden Fällen erleidet der Aktionär auch nicht unbedingt Zinsschaden, denn das Kapital bleibt im Unternehmen angelegt und stärkt so dessen Ertragskraft, was sich entsprechend auf künftige Ausschüttungen auswirken sollte. Wenn allerdings darüber hinaus dem Aktionär (und dem Kapitalmarkt im Übrigen) nicht bekannt ist, dass stille Reserven in dem Unternehmen bestehen, so kann er einen echten Vermögensschaden erleiden, weil er bei der Veräußerung den Wert seiner Beteiligung nicht mehr zuverlässig einschätzen kann. Insofern scheint der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts durchaus zutreffend: Je umfangreicher die Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven sind, desto bedenklicher ist deren Geheimhaltung gegenüber dem Aktionär. Das einzig wirklich überzeugende Argument des BVerfG ist, dass die Ermittlung der stillen Reserven umständlich sein kann.201 Allerdings ist dies keine Erwägung, die für das Gericht zentral war, ansonsten hätte es sich auch damit auseinander setzen müssen, ob es im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn das Management die Offenlegung absolut unproblematisch zu ermittelnder Werte ver-
199
So HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 29 – soweit der Gesetzgeber die Bildung der stillen Reserven akzeptiert, sei ein Auskunftsverweigerungsrecht folgerichtig. 200 Etwa bei MERKT, in: BAUMBACH/HOPT, § 253 Rn. 27 f. 201 BVerfG, NZG 2000, 194 (196).
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weigert, wie etwa Brandversicherungswerte für Immobilien oder Börsenwerte von Wertpapieren (so wie im Fall, der dem Gericht vorlag).202 Die Rechtfertigung des Bundesverfassungsgerichtes zieht im Wesentlichen einen (behaupteten) Interessengegensatz zwischen Groß- und Kleinaktionären heran, wonach die Minderheitsaktionäre in erster Linie am „schnellen Geld“ (sei es durch exzessive Ausschüttungen oder durch kurzfristige Spekulation auf Wertsteigerungen) interessiert seien, während Großaktionäre v.a. langfristige Interessen am Wohlergehen des Unternehmens hätten.203 Dass das Verlangen nach Kenntnis der stillen Reserven ausschließlich von kurzfristigen Renditeinteressen geprägt ist,204 ist eine unbewiesene Behauptung, zu deren Widerlegung sich gerade der dem Bundesverfassungsgericht vorliegende Sachverhalt eignet.205 Jedenfalls ist in der Debatte die Tatsache in den Hintergrund getreten, dass das Aktiengesetz zwar eine Einflussnahme der Hauptversammlung auf das operative Geschäft weitgehend ausschließt, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Unternehmenstätigkeit aber sehr wohl den Aktionären zusteht (wem denn sonst?). Der Interessengegensatz zwischen Groß- und Kleinaktionären besteht dabei, wenn es um die Erlangung von Informationen für den Gewinnverteilungsbeschluss geht, nur vordergründig. Man kann annehmen, dass Großaktionäre an der Kenntnis dieser Zahlen mindestens ebenso interessiert sind wie Kleinaktionäre. Nur sind sie weniger an deren Nennung in der Hauptversammlung interessiert weil die Zahlen ihnen selbst bereits aufgrund ihrer Beziehungen zum Aufsichtsrat und zur Unternehmensverwaltung bekannt sein dürften. Entscheidend ist nach alldem folgende Abgrenzung: – Obwohl der Kleinaktionär Informationen zur Ausübung seiner Rechte in der Hauptversammlung benötigt, können schützenswerte Interessen des Unternehmens verlangen, dass die Daten nicht an die Öffentlichkeit (insbesondere an Konkurrenten) gelangen; diese Interessen muss sich der Kleinaktionär entgegen halten lassen.206 – Anders liegt der Fall jedoch, wenn die Auskunftsverweigerung nicht den Schutz des Unternehmens vor Dritten, sondern den Schutz einer Aktionärsgruppe vor
202
Vgl. außerdem KASERER, ZIP 1999, 2085 (2087), der zeigt, dass die Offenlegung der stillen Reserven an sich Anliegen aller Aktionäre ist, weil sie der gerechten Verteilung der Erträge des Unternehmens dient. 203 BVerfG, NZG 2000, 194 (196); in diesem Sinne auch die Argumentation von EBENROTH/ KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (10); HENZE, BB 2002, 893 (902) hält diese Typenbildung zumindest für „vertretbar“; – ohne eigene Wertung – JÄGER, Aktiengesellschaft unter besonderer Berücksichtigung der KGaA, § 25 Rn. 63; kritisch dagegen GRÜNER, NZG 2000, 196 (198) sowie SIEGEL/BAREIS/RÜCKLE/SCHNEIDER/SIGLOCH/STREIM/WAGNER, ZIP 1999, 2077 (2082). 204 So EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (10); kritisch BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (548), ohne abschließende Würdigung. 205 Kritisch bereits GRÜNER, NZG 2000, 196 (198); KASERER, ZIP 1999, 2085 (2087): „Spekulation“. 206 Siehe dazu oben 2.2.3.2.4.2. (2), S. 76.
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der anderen bezweckt; denn der Interessenausgleich zwischen diesen ist durch die Stimmverteilung und die Treuepflicht bereits abschließend geregelt.207 Die gesetzgeberische Erwägung, wonach beim Streit um die Veröffentlichung der Höhe der stillen Reserven in der Regel ein Interessenkonflikt der „1. Fallgruppe“ vorliegt, ist nachvollziehbar. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es in diesem Fall möglich, die unternehmerischen Interessen wie die Erhaltung des Marktvertrauens208 und den Schutz vor unfairen Wettbewerbsmethoden der Konkurrenz209 im Hinblick auf die besondere Sozialbindung des Aktieneigentums als höherwertig einzustufen und folglich die Auskunftsverweigerung zu rechtfertigen. Bei der Ausgestaltung der aktienrechtlichen Innenbeziehungen ist der Gesetzgeber – anders als bei den nachfolgend erörterten Außenbeziehungen der Gesellschaft – relativ frei.210 2.2.3.3.3.4. Fazit Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die meisten Gründe, die vom Bundesverfassungsgericht für ein Auskunftsverweigerungsrecht vorgebracht werden, von der unzutreffenden Prämisse ausgehen, dass die Offenlegung stiller Reserven früher oder später zwangsläufig zu deren Ausschüttung führt. Aus diesem Grunde erweist sich das Auskunftsverweigerungsrecht für die vom Bundesverfassungsgericht genannten Zwecke für nicht erforderlich, die Begründung des Bundesverfassungsgerichts als nicht tragfähig. Zwar ist die „Scheidemantel II“-Entscheidung im Ergebnis aus den oben genannten Gründen vertretbar, soweit die Verfassungsmäßigkeit des Auskunftsverweigerungsrechtes nach § 131 Abs. 3 Nr. 3 AktG festgestellt wird. Dennoch ist das Ergebnis angesichts des dem Gericht damals vorliegenden Sachverhaltes unbefriedigend; denn dieser enthält deutliche Anzeichen, dass eine Situation der zweiten oben gebildeten Fallgruppe vorlag. Diese Abweichung vom Regelfall hätte die Instanzgerichte zu einer genaueren Prüfung und ggf. zu einer Korrektur des Ergebnisses (durch teleologische Reduktion der Norm oder durch Annahme eines Ermessensmissbrauchs) veranlassen müssen.
2.2.4. Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten 2.2.4.1. Die „Heberger“-Entscheidungen des BGH und des BVerfG Verfassungsrechtliche Vorgaben beeinflussen nicht nur die originäre Offenlegung von Unternehmensinformationen, sondern auch die weitere Verwendung dieser Informationen. Die Frage, ob und wie aufgrund handelsrechtlicher Vorschriften publizierte Jahresabschlüsse durch Dritte verwertet werden dürfen, wurde im Zuge der „Heberger Bau“-Entscheidungen des BGH und des BVerfG 211 intensiv disku207
Dazu etwa BGHZ 103, 184 (194). Siehe dazu oben 2.2.3.3.3.2.3., S. 82. 209 Siehe dazu oben 2.2.3.3.3.2.4., S. 83. 210 So auch HENZE, BB 2002, 893 (903) („Frage der Interessenbewertung“). 211 BGH, NJW 1994, 1281; BVerfG, NJW 1994, 1784; vgl. bereits das Urteil der Vorinstanz OLG Frankfurt/M., BB 1993, 1842. 208
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tiert. Diese zeitweise sehr emotional geführte Diskussion soll hier nicht fortgeführt werden. Entscheidend aus heutiger Sicht ist vielmehr, ob diese Entscheidungen überhaupt noch eine Bedeutung über den damals entschiedenen Einzelfall hinaus haben. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei die Frage, ob eine im Handelsregister bzw. im Bundesanzeiger publizierte Information tatsächlich „frei“ ist oder ob der Verwendung dieser Informationen aus verfassungsrechtlichen Gründen Grenzen gesetzt werden müssen oder können. 2.2.4.1.1. Die Entscheidung Der Beklagte, ein Professor der Betriebswirtschaft, hatte die im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanzen des klagenden Bauunternehmens kopiert und als Grundlage von mehreren Seminarveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit dem Titel „Bilanzanalyse aus Sicht der Banken“ verwendet. Dabei teilte er den Seminarteilnehmern (unveränderte) Kopien der Jahresabschlüsse der Klägerin aus und äußerte sich kritisch über die finanzielle Situation der Klägerin. Die Klägerin verlangte vor den Zivilgerichten u.a. die Unterlassung jeglicher Namensnennung und der Verwendung von Jahresabschlüssen ohne Unkenntlichmachung des Unternehmens. Im Gegensatz zum Berufungsgericht212 gab der Bundesgerichtshof dem Unterlassungsbegehren statt.213 Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde des Beklagten nicht zur Entscheidung an.214 2.2.4.1.2. Die Urteilskritik Diese Entscheidungen wurden von der handelsrechtlichen Literatur weitgehend abgelehnt. Kritisiert wurde, dass die Entscheidungen die gesetzgeberische Entscheidung für die Publizität missachten, wonach die Öffentlichkeit als selbständiger Adressat der offengelegten Unternehmensinformationen anzusehen sei.215 Weiterhin wurde den Entscheidungen eine unzureichende Gewichtung der schutzwürdigen Interessen des Beklagten,216 insbesondere Verkennung der Meinungsfreiheit217 und unzureichende Gewichtung der Wissenschaftsfreiheit218 vorgeworfen. Hingegen seien seitens des klagenden Unternehmens Rechtspositionen angenommen worden, die sich verfassungsrechtlich nicht herleiten ließen;219 wobei betont
212
OLG Frankfurt/M., BB 1993, 1842. BGH, NJW 1994, 1281. 214 BVerfG, NJW 1994, 1784. 215 SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (651); LUTTER, AG 1994, 347, welchen Zweck soll die Veröffentlichung sonst haben; GROSSFELD, WPg 1994, 415 (415); PFEIFFER, NJW 1994, 2996 (2996) „Verbot, von veröffentlichungspflichtigen und veröffentlichten Tatsachen auch öffentlich Gebrauch zu machen“; HAGER, ZHR 158 (1994), 675 (676). 216 SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (653): Abwägung der Grundrechte gerät viel zu kurz. 217 HAGER, ZHR 158 (1994), 675 (679 ff.), auch zum Verhältnis beider Grundrechte; i.d.S. auch KÜBLER, NJW 1999, 1281 (1287). 218 SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (651). 219 SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (651). 213
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wurde, dass die klagende GmbH eventuelle Grundrechte der Gesellschafter nicht geltend machen könne.220 Die Gerichte hätten ferner die Bedeutung der Namensnennung für die betriebswirtschaftliche Forschung verkannt.221 Weiterhin wurde angemerkt, dass sich unter Zugrundelegung der „Heberger“-Rechtsprechung jegliche kritische Berichterstattung in der Wirtschaftspresse oder in den Medien überhaupt unterbinden ließe.222 Zwar wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass diese Sachverhalte nicht zur Entscheidung stünden;223 dies wird der Kritik jedoch nicht gerecht, die sich in erster Linie gegen die sehr weitgehenden Leitsätze des BGH richtete. Schließlich wurde kritisiert, dass der Bundesgerichtshof die eigenwirtschaftlichen Motive des Beklagten zu dessen Lasten verwertete.224 Andere Stimmen haben die Entscheidungen verteidigt mit der Begründung, die offen gelegten Informationen seien zur Bilanzanalyse weder bestimmt noch geeignet.225 Diese Ansicht wird aber weder der Bedeutung der Bilanzanalyse im heutigen Wirtschaftsleben gerecht noch der Einschätzung des Gesetzgebers, der die Offenlegung der Unternehmensinformationen nicht ohne jeden Zweck vorgeschrieben hat.226 Ansonsten wurde die Rechtsprechung hauptsächlich von Wagner begrüßt und verteidigt.227 Dieser geht jedoch von einem „konkreten Sachverhalt“ aus, der (selbst wenn er der Realität entsprach) nicht mit den der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen übereinstimmt.228
2.2.4.2. Grundrechtlicher Rahmen Es handelt sich bei Fällen der soeben dargestellten Art um Streitigkeiten zwischen Privaten um zivilrechtliche (Unterlassungs)ansprüche. Grundrechte werden hier im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung nur insoweit relevant als sie bei der Aus-
220
SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (652). SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (654); MERTENS, AG 1994, 370 (370) „elementarer Bestandteil“; „Anonymisierungsgebot“; LUTTER, AG 1994, 347 (347) „praxisnah ausbilden“; GROSSFELD, WPg 1994, 415 (415) weist darauf hin, dass sich die Bilanzanalyse ohnehin nicht auf die Zahlen im Jahresabschluss beschränken könne; vielmehr käme den Begleitdaten (Branche, Region, Produktpalette) eine große Bedeutung zu. Aus diesen lasse sich häufig auf das Unternehmen schließen, so dass die Namensnennung zur reinen Formsache würde. 222 LUTTER, AG 1994, 347 (347). 223 BVerfG, NJW 1994, 1784 (1785). 224 GROSSFELD, WPg 1994, 415 (415 f.) weist darauf hin, dass niemand nur „aus Vergnügen“ eine Bilanz analysieren würde; in diesem Sinne auch HAGER, ZHR 158 (1994), 675 (678 f.); a.A. WAGNER/SOMMER, AG 1995, 452 (456). 225 So STROBEL, BB 1994, 1293 (1299, Fn. 26) „Feld-Wald-Wiesen-Methoden“; „in Praktikerkursen betriebene Schnellbleiche“; unter Berufung darauf W AGNER/SOMMER, AG 1995, 452 (454); dagegen SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (653). 226 HAGER, ZHR 158 (1994), 675 (678). 227 WAGNER/SOMMER, AG 1995, 452. 228 Insbesondere hält Wagner die Bilanzanalyse des Beklagten für unwissenschaftlich, unsachlich und irreführend. Wenn dies im Einzelfall so war, mag es den Tenor der BGH-Entscheidung rechtfertigen, für die Qualität der Entscheidungsgründe ist es jedoch ohne Belang. 221
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füllung zivilrechtlicher Generalklauseln heranzuziehen sind. 229 Bezogen auf § 1004 BGB bedeutet dies, dass Grundrechte maßgeblich für die Entscheidung sind, ob die Handlungen des Beklagten ein geschütztes absolutes Recht der Klägerin beeinträchtigen230 und ob die Klägerin ggf. zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist.231 2.2.4.2.1. Rechte der betroffenen Gesellschaft 2.2.4.2.1.1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht Der Bundesgerichtshof stützt den Unterlassungsanspruch auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§§ 1004, 823 Abs. 1 BGB) der klagenden GmbH.232 Die Frage, ob ein allgemeines Persönlichkeitsrecht von Kapitalgesellschaften überhaupt existieren kann, wurde bereits oben233 behandelt. Danach ist es zwar auch aus Sicht des Verfassungsrechts möglich, von einem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Kapitalgesellschaften zu sprechen; dies gewährt aber praktisch keinen über die speziellen Grundrechte (Art. 12, 14 GG) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit (wirtschaftliche Betätigungsfreiheit) hinausgehenden Schutz. So hat auch das Bundesverfassungsgericht den Sachverhalt im Hinblick auf den Schutz der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit geprüft.234 Hierzu ist der Vergleich zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über die Informationstätigkeit der Öffentlichen Hand interessant.235 In diesen beiden Entscheidungen hat sich das Bundesverfassungsgericht mit Fragen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gar nicht auseinander gesetzt. Im Fall „Osho“ war dies auch nicht angezeigt, da die Äußerungen bereits wegen eines Verstoßes gegen Art. 4 GG als verfassungswidrig angesehen wurden.236 In der verfassungsrechtlichen Literatur wurde dies so gedeutet, dass die Verbreitung zutreffender Informationen nur dann in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen könne, wenn ein Anspruch auf Geheimhaltung besteht,237 was nur bei Informationen aus der Privatsphäre möglich ist,238 nicht jedoch bei marktrelevanten Daten.
229
DREIER, in: DREIER, Vorb. Rn. 57 ff.; auch „Ausstrahlungswirkung“, vgl. JARASS, in: JARASS/ PIEROTH, Vorb. vor Art. 1 Rn. 15. 230 BASSENGE, in: PALANDT, § 1004 Rn. 4. 231 BASSENGE, in: PALANDT, § 1004 Rn. 35 ff. 232 BGH, NJW 1994, 1281 (1282). 233 Unter 2.2.2.2.2., S. 59. 234 BVerfG, NJW 1994, 1784 (1784). 235 BVerfG, NJW 2002, 2621 („Glykol“): Verbreitung einer Liste von Weinpruduzenten, deren Produkte im Verdacht stehen, mit Glykol kontaminiert zu sein; BVerfG, NJW 2002, 2626 („Osho“): kritische Äußerungen über eine „Jugendsekte“. 236 MURSWIEK, NVwZ 2003, 1 (2); BVerfG NJW 2002, 2626. 237 MURSWIEK, NVwZ 2003, 1 (2). 238 BVerfGE 35, 202: Geheimhaltung von Vorstrafen wegen Rehabilitationsinteresses.
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2.2.4.2.1.2. Art. 14 GG Auf das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG kann sich die klagende Gesellschaft nicht berufen, denn dieses gewährt keine allgemeine Wertgarantie für vermögensrechtliche Positionen,239 sofern solche aus dem „guten Ruf“ überhaupt abgeleitet werden können. Nicht eingegangen ist der Bundesgerichtshof im Fall „Heberger“ auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.240 Aus Sicht des Bundesgerichtshofs war dies konsequent, da er schon eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bejaht hatte.241 Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt allerdings nur das Recht „auf Fortsetzung des Betriebes im bisherigen Umfange und nach den schon getroffenen betrieblichen Maßnahmen“242 Der Unternehmensruf als solcher ist hiervon nicht geschützt, da dieser immer wieder neu am Markt erkämpft werden muss.243 2.2.4.2.1.3. Art. 12 GG In der „Glykol“-Entscheidung hat sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich mit Art. 12 GG auseinander gesetzt. Leider wird in dieser Entscheidung nicht recht klar, auf welcher „Ebene“ die Verfassungsbeschwerde letztlich scheitert. Aus dem Vergleich einzelner Formulierungen kann jedoch abgeleitet werden, dass das Gericht zumindest den Schutzbereich der Berufsfreiheit für eröffnet angesehen hat.244 Auf die allgemeine Handlungsfreiheit ist das Gericht in dieser Entscheidung gar nicht mehr eingegangen, da es die Grundrechte nach Art. 12, 14 GG als speziell angesehen hat.245 2.2.4.2.1.4. Stellungnahme Für die verfassungsrechtliche Entscheidung dürfte es nicht ausschlaggebend sein, ob die durch Private geäußerte Kritik an der finanziellen Situation eines Unterneh239
BVerfG, NJW 2002, 2621 (2625). HAGER, ZHR 158 (1994), 675 (675). 241 Indem das BVerfG den Schutz jedoch auf die allgemeine Handlungsfreiheit herabgestuft hat, hätte es auch die dadurch veränderten „Konkurrenzen“ berücksichtigen müssen, also den Vorrang der Art. 12, 14 GG. Für das Ergebnis ist diese Unterscheidung freilich nicht relevant, wenn man schon Art. 2 als verletzt ansieht. 242 JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 14 Rn. 26. 243 BVerfG, NJW 2002, 2621 (2625). 244 BVerfG ,NJW 2002, 2621; zwar findet sich dort die Aussage, „Das Grundrecht schützt aber nicht vor […]“ (S. 2622, ähnlich 2624); die weitere Prüfung beschäftigt sich aber zumindest damit, ob ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt. Dies zeigt der Vergleich mit Art. 14 GG, bei dem das Gericht eindeutig klarstellt, dass der Schutzbereich nicht berührt ist, während bei Art. 12 GG auf die fehlende „Beeinträchtigung in dem Grundrecht“ abgestellt wird. Völlig unklar ist allerdings, warum das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme (insbesondere Kompetenz und Befugnisnorm) untersucht hat, wenn schon gar kein Eingriff gegeben sein soll. Im „Osho“-Fall schließlich begründet das Gericht einen Schutz gegen „Beeinträchtigungen“ eines Grundrechts, die aber keine „Eingriffe“ darstellen sollen, BVerfG, NJW 2002, 2626; kritisch dazu MURSWIEK, NVwZ 2003, 1 (5 f.) 245 BVerfG, NJW 2002, 2621 (2625). 240
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mens anhand der Berufsausübungsfreiheit oder anhand der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit gemessen wird. Nachfolgend soll dem neueren Ansatz des Bundesverfassungsgerichts gefolgt werden; also der Prüfung anhand des Grundrechts der Berufsfreiheit. Dieses dürfte vorrangig zu Art. 2 Abs. 1 GG sein, solange der finanzielle Aspekt der Selbstdarstellung im Vordergrund steht.246 Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der „Glykol“-Entscheidung sind zwar grundrechtsdogmatisch sehr problematisch; Ursache dieser Probleme ist jedoch der Versuch des Gerichts, die Informationstätigkeit der Exekutive unter bestimmten Bedingungen auch ohne gesetzliche Grundlage zu legitimieren. Im Bereich der mittelbaren Drittwirkung stellt sich diese Frage nicht; man kann daher schlicht sagen, dass der Schutzbereich der Berufsfreiheit eröffnet ist. 2.2.4.2.2. Rechte der Nutzer der Information Der Bundesgerichtshof hat sich bei der Prüfung der entgegenstehenden Grundrechte des Beklagten auf Art. 5 Abs. 3 GG (Wissenschaftsfreiheit) beschränkt und ist auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) nicht eingegangen. Dies entspricht – soweit der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit überhaupt eröffnet ist – auch der herrschenden verfassungsrechtlichen Meinung.247 Selbst wenn man dies kritisieren möchte248 so kann sich unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein intensiverer Schutz ergeben, denn diese unterliegt einem weiteren Schrankenvorbehalt als die Wissenschaftsfreiheit.249 Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG ist auch eröffnet, wenn ein Hochschullehrer Seminare im Rahmen der beruflichen Weiterbildung veranstaltet; denn der Schutz der Wissenschaftsfreiheit ist unabhängig von der gewählten Form der Lehre.250 Zweifel an den Forschungsmethoden führen nicht zu einem Ausschluss des Verhaltens aus dem Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit,251 es sei denn, das Verhalten dient eindeutig nicht der Wahrheitsfindung, sondern der (scheinwissenschaftlichen) Begründung vorgefasster Meinungen und Ergebnisse.252 Dagegen ist die bloße Anwendung bereits vorhandener Erkenntnisse nicht von der Wissenschaftsfreiheit erfasst.253 So liegt der Fall etwa dann, wenn die Bilanzanalyse zu bestimmten wirtschaftlichen Zwecken eingesetzt wird (etwa zur Bewertung eines Kreditrisikos im Auftrag einer Bank). Es wäre dann der Schutzbereich 246
So DI FABIO, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 2 Abs. I Rn. 172 mit Hinweis auf BVerfGE 97, 228 (270). JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 5 Rn. 94; PERNICE, in: DREIER, Art. 5 Abs. III (Wissenschaft) Rn. 54; SCHOLZ, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 5 Abs. III Rn. 10 ff.; BVerfGE 30, 173 (191); 33, 52 (70); 35, 202 (244); BVerwGE 1, 303 (305). 248 HAGER, ZHR 158 (1994), 675 (681). 249 Eine Übertragung der Schranken des Art. 5 Abs. 1 GG auf die Wissenschafts- und Kunstfreiheit wird allgemein abgelehnt, vgl. ausführlich SCHOLZ, in: MAUNZ/DÜRIG, Art. 5 Abs. III Rn. 14. 250 PERNICE, in: DREIER, Art. 5 Abs. III (Wissenschaft) Rn. 26. 251 Anders offenbar WAGNER/SOMMER, AG 1995, 452. 252 PERNICE, in: DREIER, Art. 5 Abs. III (Wissenschaft) Rn. 24; WENDT, in: VON MÜNCH/KUNIG, Art. 5 Rn. 103; weiter Wissenschaftsbegriff: BVerfGE 90, 1 (13); 47, 327 (367). 253 JARASS, in: JARASS/P IEROTH, Art. 5 Rn. 96; BAGE 62, 156 (165). 247
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der Meinungsfreiheit neben der Berufsfreiheit eröffnet.254 Neben Art. 5 Abs. 3 GG ist die Berufsfreiheit ebenso wie die allgemeine Handlungsfreiheit subsidiär.
2.2.4.3. Eingriffstatbestand Der Bundesgerichtshof hat sich in der „Heberger“-Entscheidung nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Weitergabe von (nach den zugrundeliegenden Feststellungen zutreffenden) Informationen überhaupt in den Schutzbereich eines Grundrechtes eingreift. Über die „mittelbare Drittwirkung“ soll der Grundrechtsschutz nicht intensiver ausgestaltet werden als gegenüber dem Staat selbst. Da Art. 5 Abs. 3 GG nur verfassungsimmanente Schranken zulässt, kann die Wissenschaftsfreiheit auch durch Rechte Dritter nur dann eingeschränkt werden, wenn die wissenschaftliche Betätigung Grundrechte Dritter beeinträchtigt. Wenn die wissenschaftliche Tätigkeit nicht in andere verfassungsrechtlich garantierte Rechte eingreift, ist für eine Abwägung auch im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung kein Raum. Auch hier hilft ein Vergleich zur „Glykol“-Entscheidung; denn auch dieser betrifft Unternehmenskritik (wenn auch nicht bezogen auf die finanzielle Lage, sondern auf die Produkte des Unternehmens). Das Gericht geht davon aus, dass ein Unternehmen keinen Anspruch darauf hat, nur so dargestellt zu werden, wie es ihm am besten gefällt255 und führt dazu aus: Grundlage der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs ist ein möglichst hohes Maß an Informationen der Marktteilnehmer über marktrelevante Faktoren.256 Dieser Ansatz ist insofern überraschend, als das Bundesverfassungsgericht auch auf – im Glykol-Fall sehr naheliegend – den Schutz des überragenden Rechtsguts der „Volksgesundheit“ (Art. 2 Abs. 2 GG) hätte abstellen können. Was für die Verbreitung von marktrelevanten Informationen durch den Staat gilt, muss erst recht auch für entsprechende Tätigkeiten Privater gelten; denn – darauf weist das Bundesverfassungsgericht selbst hin – die Herstellung von Transparenz ist in erster Linie Aufgabe der Marktteilnehmer selbst; nur wenn diese Selbststeuerung im Einzelfall nicht oder nicht rechtzeitig257 greift, kann der Staat selbst (subsidiär) handeln.258 Ein Privater benötigt dafür, anders als der Staat, auch keine besondere „Aufgaben- und Befugnisnorm“,259 da er selbst Grundrechtsträger ist. Demnach schützt Art. 12 GG nicht vor der sachlich und zurückhaltend vorgenommenen Verbreitung von zutreffenden Informationen.260 Dies kann wohl so verstanden werden, dass solche Informationen nicht in den Schutzbereich eingrei254
Für Idealkonkurrenz in diesem Bereich SCHULZE-FIELITZ, in: DREIER, Art. 5 Abs. I und II Rn. 245. 255 BVerfG, NJW 2002, 2621 (2622). 256 BVerfG, NJW 2002, 2621 (2622). 257 Hier kommt dann die „Volksgesundheit“ ins Spiel. 258 BVerfG, NJW 2002, 2621 (2622). 259 Missverständlich insoweit aber BGH, NJW 2002, 1192 (1193). 260 BVerfG, NJW 2002, 2621 (2624).
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fen.261 Nach dieser Auffassung liegt also kein Eingriff vor, wenn die Information der Herstellung von Transparenz dient; anders hingegen wenn die Information lenkend in den Markt eingreift.262 Dieser Ansatz des Bundesverfassungsgerichts stimmt jedoch nicht mit der herkömmlichen verfassungsrechtlichen Dogmatik überein und ist nur durch die Besonderheiten der staatlichen Informationsverbreitung zu erklären. Man kann davon ausgehen, dass das Gericht nicht die Absicht hatte, die herkömmliche Unterscheidung zwischen Eingriff und Rechtfertigung auch außerhalb dieser Fallgruppe zu beseitigen. Zudem ist die Unterscheidung zwischen „transparenzherstellender“ und „lenkender“ Information nicht praktikabel. Es macht keinen Unterschied, ob man eine Liste von Nahrungsmittelproduzenten veröffentlicht, in deren Produkten Giftstoffe gefunden worden sind, oder ob man die Verbraucher auffordert, die Produkte bestimmter Hersteller zu meiden – das Resultat ist identisch. Ebenso könnte man fordern, dass eine „transparenzherstellende“ Liste nur dann vorliegt, wenn alle Produzenten mit den jeweiligen Messwerten (ohne verbale Wertung) aufgeführt werden. Aus der Notwendigkeit einer Norm kann man auf ihre Rechtfertigung schließen, nicht aber auf fehlenden Eingriffscharakter; denn auch die das Funktionieren des Marktes absichernden Normen sind (wenn auch gerechtfertigte) Eingriffe in die Berufsfreiheit (etwa die Bestimmungen des UWG und GWB).263 Schlüssiger ist es daher, auch im Bereich der Unternehmenskritik das herkömmliche Kriterium der „berufsregelnden Tendenz“ zur Abgrenzung heranzuziehen. Damit ist auch eine als Bilanzanalyse formulierte Unternehmenskritik ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG.
2.2.4.4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Größter Schwachpunkt der „Heberger“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist jedoch die verkürzte und oberflächliche Abwägung der verfassungsrechtlich relevanten Belange. Diese beschränkt sich auf wenige Zeilen und die Feststellung, der Beklagte hätte, ohne wesentliche Nachteile zu erleiden, den Namen der Klägerin unkenntlich machen können. Diese Argumentation wird nach Auffassung der meisten Kommentatoren der Bedeutung der Grundrechte (insbesondere des Beklagten) nicht gerecht;264 interessanter ist allerdings die Frage, ob es überhaupt möglich ist, die Nutzung von im Handelsregister publizierten Daten nachträglich zu beschränken.
261
Denkbar ist aber auch eine einschränkende Schutzbereichsbestimmung (s.o.) oder eine „automatische Rechtfertigung“; vgl. MURSWIEK, NVwZ 2003, 1 (2 f.) 262 Entsprechend ist im „Osho“-Fall der Schutzbereich des Art. 4 GG dann eröffnet, wenn die Äußerung thematisch die Religionsausübung betrifft, also nicht wenn ein Repräsentant der Religionsgemeinschaft eines „privaten“ Vergehens bezichtigt wird, vgl. MURSWIEK, NVwZ 2003, 1 (3). 263 MURSWIEK, NVwZ 2003, 1 (4); sonst könnte man mit der gleichen Argumentation auch Freiheitsstrafen als bloße Beschränkungen des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 2 GG darstellen. 264 Zur Kritik siehe dazu oben 2.2.4.1.2., S. 88.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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2.2.4.4.1. Abwägungskriterien Die Rechtsprechung (insbesondere das Bundesverfassungsgericht) hat in zahlreichen Entscheidungen Kriterien entwickelt, die bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht herangezogen werden. Auch wenn man hier eher vom Schutz der Berufsfreiheit ausgeht, lassen sich diese auf die Beurteilung von Unternehmenskritik übertragen. Hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird häufig darauf abgestellt, ob sich der Grundrechtsträger selbst (freiwillig) in die Öffentlichkeit begeben hat; er muss sich dann ggf. im Meinungskampf mehr gefallen lassen als ein „Privatmann“.265 An anderer Stelle hat das Bundesverfassungsgericht aber klargestellt, dass aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht kein ausschließliches Recht, über die Darstellung der eigenen Person zu entscheiden, abzuleiten ist.266 Dies lässt sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch auf die Beurteilung von Unternehmenskritik übertragen: Wer am Wirtschaftsverkehr teilnimmt, muss sich auch harte Kritik gefallen lassen.267 Die Schutzintensität der Meinungsfreiheit wird weiterhin auch von dem mit der Meinungsäußerung verfolgten Zweck und von der zu erwartenden Wirkung beeinflusst.268 Wichtiger jedoch für den vorliegenden Fall ist die Differenzierung zwischen vergangenen und künftigen Äußerungen. Damit die Meinungsäußerung nicht aus Angst vor einer Sanktion von vornherein unterbleibt, kommt der Vermutung für die Redefreiheit bei der Beurteilung bereits getätigter Äußerungen eine besondere Bedeutung zu. In diesen Fällen kommt es grundsätzlich nicht darauf an, dass man etwas auch anders, klarer oder vorsichtiger hätte sagen können.269 Geprüft wird lediglich, ob die Äußerung unter Zugrundelegung einer möglichst grundrechtsschonenden Deutung so zulässig war oder nicht.270 Anders ist dies beim Streit um künftige Äußerungen, also bei der Entscheidung über Unterlassungsansprüche. So wurde jüngst in zwei Fällen entschieden, dass die anerkannten Grundsätze zur Auslegung von mehrdeutigen Äußerungen nicht auf den Streit um Unterlassungsbegehren übertragbar sind,271 denn in diesem Fall könne vom Grundrechtsträger sehr wohl erwartet werden, dass er 1. seine Äußerung soweit klarstellt, dass künftig Missverständnisse gar nicht mehr auftreten und 2. auf eine etwa umstrittene Tatsachengrundlage gesondert hinweist. 265
SEYFARTH, NJW 1999, 1287 (1290); BVerfG, NJW 2006, 3406; BGH, NJW-RR 2007, 619. Dies gilt nach BVerfG, NJW 2002, 3767 (3768), auch nicht für Privatpersonen, die nicht gezielt die in die Öffentlichkeit getreten sind. 267 BVerfG, NJW 2002, 2621; ebenso BGH, NJW 2002, 1192; BGH, NJW 2008, 2110 (2115). 268 Anerkannt ist etwa die Differenzierung zwischen Beiträgen zum Meinungskampf einerseits und bloßer Befriedigung eines oberflächlichen Unterhaltungsbedarfs andererseits, JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 5 Rn. 58; zur Unterhaltung vgl. BVerfGE 34, 269 (283); 101, 361 (391); dazu auch EGMR, NJW 2004, 2647; zur Meinungsbildung: BVerfGE 61, 1 (11); 71, 206 (220); 85, 1 (16); BGH, NJW-RR 2007, 619. 269 SEYFARTH, NJW 1999, 1287 (1290). 270 BVerfGE 43, 130 (136); 54, 129 (136); 94, 1 (9). 271 BVerfG, NJW 2006, 3769 und BVerfGE 114, 339. 266
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Das Bundesverfassungsgericht verlangt also bei künftigen Äußerungen eine besondere Genauigkeit, nicht hingegen eine besondere Zurückhaltung. Die „Vermutung für die Redefreiheit“ wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Bilanzanalyse nicht ausschließlich eine Meinungsbildung darstellt, sondern ein Gemisch aus Tatsachenwiedergabe und Interpretation. Nicht zuzustimmen ist der Auffassung, der Schutz von Tatsachenbehauptungen sei generell schwächer ausgestaltet als der von Meinungsäußerungen.272 Vielmehr kommt es bei Tatsachenbehauptungen maßgeblich auf den Wahrheitsgehalt an.273 Bei der Verbreitung zutreffender Tatsachenangaben genießt die Meinungsfreiheit weitgehend Vorrang.274 Eine weitergehende Einschränkung der Redefreiheit ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn durch häufige Wiederholungen bekannter Tatsachen oder durch die Art und Weise der Darstellung eine unzumutbare „Prangerwirkung“ herbeigeführt wird.275 Dann (und nur dann) muss auch der Äußernde ein berechtigtes Interesse nachweisen.276 Das berechtigte Interesse des Hochschullehrers an der Namensnennung kann dabei durchaus als nachrangig eingestuft werden im Vergleich zum Interesse des Unternehmens, nicht überall als „schlechtes Beispiel“ dargestellt zu werden. 2.2.4.4.2. Der Zusammenhang zwischen der Publizitätspflicht und der verfassungsrechtlichen Nutzungsbeschränkung Bedeutung über den Einzelfall hinaus hat hingegen eine Frage, die von den Gerichten ebenfalls nur am Rande erörtert wurde, nämlich die Auswirkungen der staatlich angeordneten Publizität auf die spätere Verwendung der publizierten Information.277 Einerseits könnte man aus der Entscheidung des Gesetzgebers für die Publizitätspflicht schließen, dass die Verbreitung der Information an sich (also auch jegliche Weitverbreitung) im öffentlichen Interesse liegt.278 Andererseits könnte man annehmen, dass der Staat, gerade weil er die Publizität selbst angeordnet hat, in besonderem Maße gehalten ist darauf hinzuwirken, dass die Fernwirkungen des ursprünglichen Eingriffs möglichst klein gehalten werden. Mit vergleichbarer Argumentation hat der Bundesgerichtshof bereits 1989 die Ab272
So aber JARASS, in: JARASS/PIEROTH, Art. 5 Rn. 58; BVerfGE 85, 1. SCHULZE-FIELITZ, in: DREIER, Art. 5 Abs. I, II Rn. 217; BVerfGE 61, 1 (8); 85, 1 (17); 90, 241 (248); 94, 1; jüngst aufschlussreich zur Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung BGH, NJW 2008, 2110 (2112). 274 SEYFARTH, NJW 1999, 1287 (1291 f.); SIEBRECHT, JuS 2001, 337 (338). 275 Diese Grenze war etwa im Fall der „Lebach“-Entscheidung erreicht, BVerfGE 35, 202; die jedoch nicht schematisch anzuwenden ist, BVerfG, NJW 2000, 1859; SOEHRING/SEELMANNEGGBERT, NJW 2000, 2466 (2472); vgl. auch BGH, NJW 1988, 1984; BGH, NJW-RR 2007, 619; zur Schutzintensität bei der Darstellung lang zurückliegender Vorgänge vgl. BVerfG, Beschlüsse 1 BvR 1223/07, 1 BvR 1224/07 und 1 BvR 1225/07, 1 BvR 1226/07 – „Contergan“ –. 276 I.d.S. SIEBRECHT, JuS 2001, 337 (339); BGH, NJW 1982, 2246. 277 Nicht eingegangen werden soll hier auf die europarechtliche Vorfrage, ob der Effektivitätsgrundsatz nationale Überlegungen über eine Beschränkung des Zugriffs auf die im Handelsregister publizierten Daten von vornherein ausschließt; vgl. hierzu den Beitrag von CORDEWENER in diesem Buch. 278 Daher die Kritik von HIRTE, NJW 1996, 2827 (2830), die Rechtsprechung untergrabe die Publizitätspflicht faktisch. 273
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lichtung des kompletten Handelsregisters auf Mikrofiche abgelehnt.279 Danach überschreitet die Komplettablichtung die Grenzen des gesetzlichen Einsichtsrechts. Weitergehende Verwendungsmöglichkeiten bedürften wegen eines Eingriffs in den Kernbereich der informationellen Selbstbestimmung einer eigenen gesetzlichen Ermächtigung.280 Die Frage ist also, ob die Tatsache, dass die verbreiteten Informationen aufgrund gesetzlicher Anordnung publiziert worden sind, die Abwägung zwischen Meinungs- bzw. Wissenschaftsfreiheit und Berufsfreiheit in der einen oder anderen Richtung beeinflusst. Im ersten Teil dieses Beitrages wurde festgestellt, dass die Auferlegung von Publizitätspflichten in dem derzeit bestehenden Umfang verfassungsrechtlich unbedenklich ist.281 Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zugestandenen Typisierungsbefugnis davon ausgehen konnte, dass diese Informationen im Markt von Nutzen sind. Aus dieser Typisierungsbefugnis könnte eine Verpflichtung abgeleitet werden, unbeabsichtigte Nebenfolgen des Eingriffs nach Möglichkeit zu beschränken. Eine solche Verpflichtung des Gesetzgebers, die spätere Verwendung der veröffentlichten Daten einzuschränken, dürfte sich aber auf Fälle beschränken, in denen der zweckwidrige Gebrauch offensichtlich und leicht zu verhindern ist.282 Allerdings kann nach dem bisherigen Rechtsverständnis in Deutschland auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine öffentlich verfügbare Information zwangsläufig auch „frei“ (von jeglichen Nutzungsbeschränkungen) ist. Zwar definieren die einschlägigen Normen gerade keinen konkreten Kreis der „gewollten“ Informationsempfänger.283 Fälle, in denen eine Information zwar für jeden Interessenten zugänglich ist, aber dennoch nicht beliebig weiterverbreitet werden darf, gibt es auch in zahlreichen anderen Zusammenhängen. So finden Gerichtsverhandlungen in aller Regel öffentlich statt, dennoch werden die Urteile ohne Angabe der Parteinamen veröffentlicht.284
279
BGH, NJW 1989, 2818 (2820). Daneben werden auch öffentliche Interessen wie die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für ein dezentrales Handelsregister und die befürchtete Entwertung des amtlichen Registers durch die private Konkurrenz angeführt. 281 Vgl. oben 2.2.2., S. 53 ff. 282 Daran wäre auch in einer Konstellation zu denken, wie sie der Mikrofiche-Entscheidung zugrunde lag, BGH, NJW 1989, 2818; unzulässig sein dürfte ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung auch ein „reverse look-up“ (also eine Suche danach, in welchen Handelsregisterblättern ein bestimmter Name auftaucht), weil die Auskunft darüber „was jemand alles tut“ nicht Zweck des Handelsregisters ist. 283 A.A. STROBEL, BB 1994, 1293 (1299), der auch nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger zwischen berechtigten und nichtberechtigten Informationsempfängern unterscheidet („informationeller Mundraub“). 284 Wenn auch gelegentlich unfreiwillig komisch, wie in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den „Bundeskanzler Dr. A.“ oder in der vorstehend zitierten Entscheidung BVerfGE 114, 339; auch die juristische Praxis setzt sich über diese datenschutzrechtlichen Erwägungen gerne hinweg und spricht von „Milupa“ statt „Kindertee“ und „Heberger“ statt „Bilanzanalyse“; vgl. dazu PFEIFFER, NJW 1994, 2996. 280
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Die Weiterverbreitung einer einmal veröffentlichten Information ist ein eigenständiger Vorgang, der die Grundrechte des Betroffenen nochmals, mitunter sogar stärker als die Erstveröffentlichung, berühren kann. Bei der Abwägung ist neben der Sensibilität der Information selbst und dem Grad der Weiterverbreitung auch die Frage zu berücksichtigen, ob der Betroffene prinzipiell mit der Veröffentlichung einer Information einverstanden war; ein solches ursprüngliches Einverständnis schwächt die Rechtsposition des Betroffenen, selbst wenn die Information später in einem anderen Rahmen gebraucht wird.285 Im Fall der Weiterverwendung unfreiwillig publizierter Daten (hierzu gehören gleichermaßen die gerichtlichen Urteilsbegründungen und die Handels- bzw. Unternehmensregisterdaten) führt ein Umkehrschluss aus dieser Überlegung zu einer Stärkung der Rechte der Betroffenen. 2.2.4.4.3. Fazit Aus der Registerpublizität bestimmter Informationen kann also nicht automatisch auf ein Recht zur freien Weiterverbreitung oder Weiterverwendung geschlossen werden. Auch wenn sich die Pflicht des Staates zum Schutz vor „atypischer“ Weiterverwendung aus Gründen der Praktikabilität auf solche Fälle beschränkt, in denen ein berechtigtes Interesse an der Abfrage der Daten offensichtlich ausscheidet, bleibt es den publizitätspflichtigen Unternehmen unbenommen, sich gegen eine missbräuchliche Verwendung im Einzelfall zu wehren. Die Publizitätspflicht ist verfassungsrechtlich haltbar, weil der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen konnte, dass diese Informationen dem Markt zugute kommen. Die im Streit über die Datenverwendung erforderliche Interessen- und Grundrechtsabwägung wird folglich gerade dann zu Gunsten des publizitätspflichtigen Unternehmens ausfallen, wenn der konkrete Verwendungszweck nicht der gesetzgeberischen Typisierung entspricht, die Verwendung also nicht dem Funktionieren des Marktes dient.
2.2.5. Zusammenfassung Das Hauptproblem bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der hier behandelten Fragen der Unternehmenspublizität liegt in der großen Diversität der zugrundeliegenden wirtschaftlichen Sachverhalte. Größe und Ausrichtung der betroffenen Unternehmen gehen so weit auseinander, dass der Gesetzgeber nicht ohne Typisierung und pauschale, im Einzelfall auch unangemessene, Einstufungen auskommen kann. Die Analyse hat jedoch gezeigt, dass die bestehenden Rechtsnormen ebenso wie die untersuchten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zwar problematisch, im Ergebnis aber durchaus vertretbar sind. Die Frage, ob ein hohes Maß an Publizität erst die Voraussetzungen für ein effizientes Marktgeschehen schafft oder aber zu Wettbewerbsverzerrungen speziell zu Lasten kleinerer Unternehmen führt, findet im Grundgesetz – glücklicherweise – keine Antwort. Diese begrüßenswerte Zurückhaltung der Verfassung und des Verfassungsgerichts entbinden den Gesetzgeber jedoch nicht von seiner Pflicht, die von ihm zugrunde gelegten Hypothesen 285
BVerfG, NJW 2002, 3767 (3768).
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
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anhand der Realität zu überprüfen und ggf. anzupassen. Sollte sich dabei herausstellen, dass sich die Befürchtungen um die Zukunft des Mittelstandes angesichts der zunehmenden Offenlegungspflichten bewahrheiten, wäre eine Korrektur angezeigt – entweder durch eine Lockerung der Publizitätsanforderungen für kleine Unternehmen oder durch weitergehende (u.U. nach Segmenten differenzierte) Offenlegungspflichten für große Marktteilnehmer. Das in den letzten Jahren zu beobachtende Ausweichen von Existenzgründern in Rechtsordnungen, in denen die Publizität schon immer deutlich schärfer gehandhabt wurde als hierzulande, zeigt schließlich auch, dass bei der Wahl der Rechtsform die gesetzlichen Offenlegungspflichten nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Literatur BARTH, KUNO BARTH, KUNO
BARTH, KUNO
BAUMBACH, A DOLF/ HOPT, KLAUS J./ MERKT, HANNO BLECKMANN, ALBERT BREUER, R ÜDIGER
BUDDE, WOLFGANG D IETER
BUDDE, WOLFGANG D IETER/ STEUBER, E LGIN DÄUBLER, WOLFGANG DE
WEERTH, JAN
Die Publizitäts- und Prüfungspflicht der GmbH & Co. KG, BB 1986, S. 2235 ff. Die Einschränkung der Publizitätspflicht mittelständischer Kapitalgesellschaften ist nicht mehr auszuschließen. Überlegungen im Laufe der Beratungen des Vorschlags einer Richtlinie des Rates über den Jahresabschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (GmbH & Co. KG-Richtlinie), BB 1987, S. 2135 ff. Publizitätspflicht für mittelständische Unternehmen und GmbH & Co. KG. Neuere Bestrebungen für die Publizierung, BB 1988, S. 2343 ff. Handelsgesetzbuch. mit GmbH & Co., Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 32. Auflage. München 2006 (zitiert: BEARBEITER, in: BAUMBACH/HOPT). Europarecht. Das Recht der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaften, 6. Auflage, Köln 1997. § 148 – Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: ISENSEE, JOSEF/ KIRCHHOF, PAUL (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Band VI, Freiheitsrechte, 2. Auflage. Heidelberg 2001, S. 957 ff. Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, in: BALLWIESER, WOLFGANG U.A. (H RSG.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt. Festschrift zum 65. Geburtstag von Professor Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Adolf Moxter. Düsseldorf 1994, S. 34 ff. Rechnungslegung im Spannungsfeld zwischen Gläubigerschutz und Information der Gesellschafter, AG 1996, S. 542 ff. Offshoring und die Hilflosigkeit des Arbeitsrechts, NJW 2005, S. 30 f. Europarechtliche Sanktionierung der unterlassenen Offenlegung des Jahresabschlusses? Zugleich Anmerkung zum EuGH-Urteil „Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V. “, BB, 1998, S. 366 ff.
100 DREIER, HORST EBENROTH, CARSTEN THOMAS/ KOOS, S TEFAN
EBENROTH, CARSTEN THOMAS/ WILKEN, OLIVER
FALKENHAUSEN, BERNHARD FREIHERR VON FISCHER, THOMAS FLUCK, JÜRGEN FRIAUF, KARL H EINRICH
FRIAUF, KARL H EINRICH GROßFELD, BERNHARD
GROSSFELD, B ERNHARD/ MÖHLENKAMP, ANDREAS GRÜNER, MICHAEL HAGER, JOHANNES
HARTMANN, ULRICH HENZE, HARTWIG
HIRTE, HERIBERT
HIRTE, HERIBERT HÖFNER, KLAUS D. HÜFFER, UWE
Lucas Wartenburger
Grundgesetz, Kommentar, Tübingen, 1996 (zitiert: BEARBEITER, in: DREIER). Die Verfassungsmäßigkeit des Auskunftsverweigerungsrechts gem. § 131 Abs. 3 AktG bei Aktionärsfragen bezüglich stiller Reserven, BB 1995, Beilage Nr. 8 S. 1 ff. Zum Auskunftsrecht des Aktionärs im Konzern. Zugleich Anmerkung zu LG Berlin, Beschl. v. 24.6.1993, 93 O 244/92, BB 1993, 1827, BB 1993, S. 1818 ff. Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), Karlsruhe 1967 (zugl. Diss., Köln, 1964). Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 55. Auflage, München, 2007 (zitiert: FISCHER). Der Schutz von Unternehmensdaten im Umweltinformationsgesetz, NVwZ 1994, S. 1048 ff. Die Publizitätspflicht der Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus verfassungsrechtlicher Sicht, GmbHR 1985, S. 245 ff. Registerpublizität für GmbH und Verfassungsrecht, GmbHR 1991, S. 397 ff. Die Verwendung nichtanonymisierter Jahresabschlüsse im Rahmen von Seminarveranstaltungen zur Bilanzanalyse. – Anmerkung zum BGH-Urteil vom 15. April 1994 –, WPg 1994, S. 415 f. Zum Auskunftsrecht des Aktionärs, ZIP 1994, S. 1425 ff. Anmerkung zu BVerfG NZG 2000, 194 („Scheidemantel II“), NZG 2000, S. 196 ff. Schutz einer Handelsgesellschaft gegen die Analyse ihrer Jahresabschlüsse im Lichte der Grundrechte. Zugleich Besprechung von BGH, 8.2.1994, VI ZR 286/93 und BVerfG, 3.5.1994, 1 BvR 737/94, ZHR 158 (1994), S. 675 ff. Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, Köln 1986 (zugl. Diss., Bielefeld, 1986). Pünktlich zur Hauptversammlungssaison – ein Rechtsprechungsüberblick zu Informations- und Auskunftsrechten, BB 2002, S. 893 ff. Die Entwicklung des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts in Deutschland in den Jahren 1991– 1995, NJW 1996, S. 2827 ff. Daihatsu – Durchbruch für die Publizität, NJW 1999, S. 36 ff. Die Offenlegungspflicht bei der GmbH & Co. KG erneut auf dem Prüfstand, NJW 2004, S. 475 f. Aktiengesetz, 6. Auflage, München 2004 (zitiert: HÜFFER, AktG).
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
JÄGER, A XEL
JANSEN, ESTHER
JARASS, H ANS D./ PIEROTH, BODO JÄGER, T ORSTEN KASERER, CHRISTOPH
KRONSTEIN, H EINRICH/ CLAUSSEN, CARSTEN PETER
KÜBLER, F RIEDRICH
KÜBLER, F RIEDRICH KÜTING, K ARLHEINZ KÜTING, K ARLHEINZ/ MOHREN, STEPHAN LIEBSCHER, THOMAS/ SCHARFF, BETTINA LUTTER, MARCUS MARX, FRANZ JÜRGEN/ DALLMANN, HOLGER MAUNZ, THEODOR/ DÜRIG, G ÜNTER (HRSG.) MEILICKE, WIENAND MERKT, HANNO
MERTENS, HANS-JOACHIM
101
Aktiengesellschaft unter besonderer Berücksichtigung der KGaA, Rechtliche Grundlagen, Finanzierung, Management und Haftung, München 2004. Publizitätsverweigerung deutscher GmbH und ihre Sanktionen im Lichte des KapCoRiLiG, DStR 1999, S. 1490 ff. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 6. Auflage, München 2002 (zitiert: BEARBEITER, in: JARASS/PIEROTH). Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht, Diss. Augsburg, 2006. Offenlegung stiller Reserven – eine internationale Perspektive. Anmerkungen zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. September 1999 – 1 BvR 168/93, ZIP 1999, S. 2085 ff. Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht. Rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung des amerikanischen Rechts, Frankfurt/ Main 1960. Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz? Rechtsvergleichende Überlegungen zu den „stillen Reserven“, ZHR 159 (1995), S. 550 ff. Ehrenschutz, Selbstbestimmung und Demokratie, NJW 1999, S. 1281 ff. Europäisches Bilanzrecht und Internationalisierung der Rechnungslegung, BB 1993, S. 30 ff. Jahrsabschlußpublizität und Datenbanken. Die Offenlegung und Analyse von Jahresabschlüssen mit Hilfe von Datenbanken, BB 1992, Beil. Nr. 2 S. 1 ff. Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, NJW 2006, S. 3745 ff. Die handelsrechtliche Publizität – direkt für die Mülltonne?, AG 1994, S. 347 ff. Jahresabschlusspublizität mittelständischer Unternehmen. Empirische Befunde und konzeptionelle Überlegungen, BB 2004, S. 929 ff. Grundgesetz, Kommentar, 51. Ergänzungslieferung, München 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: MAUNZ/ DÜRIG). Gestaltungen zur Verminderung der Publizität, DB 1986, S. 2445 ff. Unternehmenspublizität. Offenlegung von Unternehmensdaten als Korrelat der Marktteilnahme, Tübingen 2001 (zugl. Habil., Hamburg 2000). Anmerkung zu BVerfG AG 1994, 369, AG 1994, S. 370 f.
102 MEYDING, B ERNHARD/ BÖDEKER, ANNETTE
MÜNCH, INGO VON/ KUNIG, PHILIP MURSWIEK, DIETRICH
PALANDT, O TTO (B EGR.) PFEIFFER, THOMAS
SAENGER, INGO SATTLER, WOLFGANG/M EEH, GUNTHER SCHAUTES, D IRK C HRISTOPH SCHLOTTER, JOCHEN N.
SCHMIDT, KARSTEN
SCHMIDT, K ARSTEN SCHMIDT-BLEIBTREU, BRUNO/ KLEIN, FRANZ SCHOLZ, RUPERT SCHÖN, WOLFGANG
SEYFARTH, G EORG SIEBRECHT, INGRID SIEGEL, THEODOR ETAL. SIEKMANN, HELMUT SOEHRING, JÖRG/ SEELMANNEGGEBERT, S EBASTIAN STARKE, TILL M.
Lucas Wartenburger
Gesetzentwurf über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG-E). Willkommen im Online-Zeitalter!, BB 2006, S. 1009 ff. Grundgesetz-Kommentar, 5. Auflage, München 2000 (zitiert: BEARBEITER, in: VON MÜNCH/KUNIG). Das Bundesverfassungsgericht und die Dogmatik mittelbarer Grundrechtseingriffe – Zu der Glykol- und der Osho-Entscheidung vom 26.6.2002, NVwZ 2003, S. 1 ff. Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Auflage, München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: PALANDT). Schall und Rauch im Entscheidungsdschungel (oder das Mitsubishi-Pajero-UrteilsnamensLehrstück), NJW 1994, S. 2996 ff. Zum Auskunftsanspruch des Aktionärs über Minderheitsbeteiligungen, DB 1997, S. 145 ff. Vermeidung der Offenlegung von Jahresabschlüssen für die kleine GmbH durch (Vorab-)Ausschüttungen?, DStR 2007, S. 1595 ff., S. 1643– ff. Anmerkung zum Urteil des KG , BB 2004, S. 2774 ff. Das EHUG ist in Kraft getreten Das Recht der Unternehmenspublizität hat eine neue Grundlage, BB 2007, S. 1 ff. Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden. Ein Beitrag zur gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung, Abhandlungen aus dem gesamten Bürgerlichen Recht Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Heft 57, Heidelberg 1984. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Köln 2002. Kommentar zum Grundgesetz, 9. Auflage, Neuwied 1999. Wie lange bis „Solange III“, NJW 1990, S. 941 ff. Der Aktionär im Verfassungsrecht, in: HABERSACK, MATHIAS U.A. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, Berlin 2003, S. 1359 ff. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf zivilrechtliche Ehrschutzklagen, NJW 1999, S. 1287 ff. Der Schutz der Ehre im Zivilrecht, JuS 2001, S. 337 ff. Stille Reserven und aktienrechtliche Informationspflichten, ZIP 1999, S. 2077 ff. Anmerkung zu BGH ZIP 1994, 648, ZIP 1994, S. 651 ff. Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts 1997 bis 1999, NJW 2000, S. 2466 ff. Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Rechtsprobleme der §§ 21 ff. WpHG und des § 20 AktG, Diss. Konstanz, Baden-Baden 2002.
2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Geheimnisschutz von Unternehmen
STROBEL, WILHELM
TIETZE, JÖRG TILLMANN, BERT
TRAUGOTT, RAINER
WAGNER, KLAUS-R./ SOMMER, BIRGIT WEILBACH, E RICH A.
WEILBACH, E RICH A. WEIMAR, ROBERT/ KOHL, CHRISTINE WEIMAR, ROBERT/ REEH, M ICHAEL WENGER, E KKEHARD WINDBICHLER, CHRISTINE
103
Aktuelles zum HGB-Bilanzrecht und zum Offenlegungsproblem. Neue Schwellenwerte, Mittelstandserleichterungen, EG-Sanktionen, BGH-Urteil, BB 1994, S. 1293 ff. Die Informationsrechte des GmbHGesellschafters, Diss. Freiburg i. Br., Köln 1985. Umwandlung auf doppelstöckige GmbH & Co. KG, ein Ausweg aus der Publizitätspflicht der GmbH?, DB 1986, S. 1319 ff. Informationsflüsse nach Transaktionsabschluss bei Aktiengesellschaften. Auskunftspflichten und Auskunftsrechte des Vorstands nach Finanzierungsrunden und Unternehmenskäufen, BB 2001, 2277 ff. Zutreffende Rechtsprechung des BGH und BVerfG zum Persönlichkeitsschutz von Unternehmen, AG, 1995, S. 452 ff. Zur Offenlegungspflicht mittelständischer Kapitalgesellschaften. Vorrang des Datenschutzes gegenüber Zwangspublizität und Internationalität, BB 1995, S. 451 ff. Zwangspublizität – EuGH contra deutscher Mittelstand, BB 1998, S. 210 f. Die gesellschaftsrechtliche Praxis unter dem Einfluß der neuen handelsrechtlichen Publizitätspflichten, MDR 1989, S. 396 ff. Rechts- und Gestaltungsformen zur Vermeidung der Register- bzw. Hauspublizität, DB 1988, S. 1637 ff. Anmerkung zu KG ZIP 1993, 1618, ZIP 1993, S. 1622 ff. Handelsrechtliche Publizität durch private Datenverbreiter, CR 1988, S. 447 ff.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
105
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität Axel Cordewener*
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2. Primärrechtliche „Rahmen“-Vorgaben für die Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1. Zur Existenz eines grundfreiheitlichen Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1.1. Binnenmarktintegration durch Primär- und Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1.2. Grundfreiheitlich veranlasster Vorrang von Informations- vor Sachnormen . . . . . . 2.3.2.1.2.1. Entwicklung des Grundprinzips im Bereich der Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1.2.2. Differenzierungsansatz im Bereich der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . 2.3.2.1.2.3. „Durchbruch“ im Bereich der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1.2.4. Zusammenfassung der Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . 2.3.2.2. Primärrechtliche Absicherung sekundärrechtlicher Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2.1. Sanktionen für Pflichtverletzungen im Gesellschafts- und Bilanzrecht . . . . . . . . . . 2.3.2.2.1.1. Beispiel „Publizitäts“-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2.1.2. Beispiel „Zweigniederlassungs“-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2.2. Sanktionen für Pflichtverletzungen im Kapitalmarkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2.2.1. Beispiel Markteinführung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2.2.2. Beispiel „regelmäßige“ und „laufende“ Informationen nach Marktzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2.2.3. Beispiel besondere „ad hoc“-Publizität (speziell für „Insider“-Informationen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2.3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3. Sekundärrechtliche Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1. Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1.1. Systematik der Kompetenznormen des EG-Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1.2. Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1.3. Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1.4. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2. Überblick über die einzelnen Rechtsakte zu Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2.1. Systematisierung der sekundärrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2.2. Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2.2.1. Markteintritt: „Gründungspublizität“ (1., 2. und 11. Richtlinie) . . . . . . 2.3.3.2.2.1.1. 1. Richtlinie 68/151/EWG („Publizitäts“-Richtlinie). . . . 2.3.3.2.2.1.1.1. Relevante Publizitätsgegenstände . . . . . 2.3.3.2.2.1.1.2. Zu verwendende Publizitätsmittel . . . . . 2.3.3.2.2.1.2. 2. Richtlinie 77/91/EWG („Kapital“-Richtlinie) . . . . . . . 2.3.3.2.2.1.2.1. Vorgesehene Publizitätspflichten . . . . . . 2.3.3.2.2.1.2.2. Jüngste Änderungen durch Richtlinie 2006/68/EG . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2.2.1.3. 11. Richtlinie 89/666/EWG („Zweigniederlassungs“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2.2.1.3.1. Vorgesehene Publizitätspflichten . . . . . . 2.3.3.2.2.1.3.2. Auslegung der Richtlinie durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2.2.2. Besondere Veränderungen der Marktteilnahme: Publizität bei „Strukturveränderungen“ (3., 6., 10., 12. und 13. Richtlinie) . . . . . . . . 2.3.3.2.2.2.1. 3. Richtlinie 78/855/EWG (nationale „Verschmelzungs“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . .
105 107 108 109 109 112 112 115 116 121 124 125 125 127 127 128 129 131 132 133 133 133 135 140 141 144 144 146 146 147 147 150 151 152 153 153 154 155 156 157
* Dr. iur., LL.M., Diplom-Finanzwirt (FH), Professor an der Katholieke Universiteit Leuven, Rechtsanwalt in Bonn.
106
Axel Cordewener
2.3.3.2.2.2.2. 6. Richtlinie 82/891/EWG (nationale „Spaltungs“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2.3.3.2.2.2.3. Richtlinie 2005/56/EG (grenzüberschreitende „Verschmelzungs“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2.3.3.2.2.2.4. 12. Richtlinie 89/667/EWG („Einmann-GmbH“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2.3.3.2.2.2.5. Richtlinie 2004/25/EG („Übernahme“-Richtlinie) . . . . . . 162 2.3.3.2.2.2.6. Projekt einer 14. Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2.3.3.2.2.3. Sonderbereich europäische Gesellschaftsformen: EWIV, SE und SCE sowie Europäische Privatgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165 2.3.3.2.2.3.1. Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die EWIV . . . . . . . 166 2.3.3.2.2.3.2. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über die SE . . . . . . . . . . 167 2.3.3.2.2.3.3. Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 über die SCE . . . . . . . . 170 2.3.3.2.2.3.4. Projekt einer Europäischen Privatgesellschaft (EPG bzw. SEP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2.3.3.2.3. Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2.3.3.2.3.1. Laufende Marktteilnahme: „Jahresabschluss“-Publizität (4., 7. und GmbH & Co.-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2.3.3.2.3.1.1. 4. Richtlinie 78/660/EWG („Jahresabschluss“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2.3.3.2.3.1.1.1. Publizitätsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . 175 2.3.3.2.3.1.1.2. Änderungen der 4. Richtlinie . . . . . . . . . 179 2.3.3.2.3.1.2. 7. Richtlinie 83/349/EWG („Konzernbilanz“-Richtlinie) . 183 2.3.3.2.3.1.2.1. Publizitätsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . 186 2.3.3.2.3.1.2.2. Änderungen der 7. Richtlinie . . . . . . . . . 188 2.3.3.2.3.1.3. Richtlinie 90/305/EWG („GmbH & Co.“-Richtlinie) . . . 191 2.3.3.2.3.1.3.1. Vorgesehene Publizitätspflichten . . . . . . 192 2.3.3.2.3.1.3.2. Auslegung der Richtlinie durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2.3.3.2.3.2. Sonderfall IFRS-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2.3.3.2.3.2.1. Vorgesehene Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2.3.3.2.3.2.2. Fortschritte im Endorsement-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2.3.3.2.4. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2.3.3.2.4.1. Markteintritt („Prospekt“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2.3.3.2.4.1.1. Vorgesehene Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2.3.3.2.4.1.2. Publizitätsgegenstände und -mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2.3.3.2.4.2. Laufende Marktteilnahme: „Regelmäßige Informationen“ („Transparenz“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2.3.3.2.4.3. Besondere Veränderungen der Marktteilnahme: „ad hoc“-Mitteilungen („Marktmissbrauchs“-Richtlinie) und „laufende Informationen“ über Beteiligungsveränderung („Transparenz-Richtlinie“) . . . . . . . . . . . . . . 211 2.3.3.2.4.3.1. „Marktmissbrauchs“-Richtlinie 2003/6/EG . . . . . . . . . . . 211 2.3.3.2.4.3.2. „Transparenz“-Richtlinie 2004/109/EG . . . . . . . . . . . . . . 214 2.3.3.3. Exkurs zum „soft law“: Initiative der Europäischen Kommission im Bereich der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2.3.4. Primärrechtlicher Unternehmensschutz: Gemeinschaftsgrundrechte als Basis für eine ex ante-Begrenzung der Publizitätspflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2.3.4.1. Grundrechte als Gestaltungsgrenzen für den Gemeinschaftsgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2.3.4.2. Allgemeine Grundrechtslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2.3.4.3. „Geheimnis“-Schutz durch Gemeinschaftsgrundrechte: Zum Diskussionsstand um die Grundrechtskonformität von Informationspflichten . . . . . . . . . 224 2.3.4.3.1. Identifizierung der besonders „sensiblen“ Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2.3.4.3.2. Grundrechtlicher Schutz von Daten und Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2.3.4.3.2.1. Kommunikationsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2.3.4.3.2.2. Grundrecht auf Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2.3.4.3.2.3. Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2.3.4.3.2.4. Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2.3.4.3.2.5. Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2.3.4.3.2.6. Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2.3.4.4. Die Entscheidung des EuGH im Fall „Axel Springer AG“: Curia locuta, causa finita? . . . . . . 236 2.3.4.4.1. Sachverhalte und Fallfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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2.3.4.4.2. Entscheidung des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.4.2.1. Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV als Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.4.2.2. Pressefreiheit und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.4.2.3. Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.4.3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.5. Bestätigung und Ergänzung durch das EuG im Fall „Danzer u. Danzer/Rat“ . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.5.1. Sachverhalt und Fallfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.5.2. Entscheidung des Gerichts Erster Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.3.1. Einleitung Die Unternehmenspublizität, hier im Anschluss an Merkt in einem weiten Sinne verstanden als die Gewährung von Informationen durch ein Unternehmen1 an einen unbestimmten und offenen Adressatenkreis2, ist seit Jahren Gegenstand einer umfassenden gesetzgeberischen Regulierung 3 wie auch einer intensiven wissenschaftlichen Diskussion. Letztere besitzt „interdisziplinären“ Charakter und ist auch inhaltlich äußerst facettenreich: So wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur etwa auf das „grundlegende Dilemma“ hingewiesen zwischen der Forderung nach umfassender Transparenz auf der einen sowie der Notwendigkeit einer Einschränkung unternehmerischer Ermessensspielräume zwecks Gewährleistung einer dem Adressaten dienenden Objektivierbarkeit der veröffentlichten Informationen auf der anderen Seite4. Eine im rechtswissenschaftlichen Schrifttum und in der – vor allem deutschen und österreichischen – Rechtsprechung eingehend diskutierte Fragestellung geht demgegenüber dahin, ob Unternehmen zum Zwecke des „Selbstschutzes“ auf die Veröffentlichung bestimmter Informationen verzichten können. Diese Frage hatte zunächst vor allem verfassungsrechtliche Konturen im nationalen Recht, bevor sie in jüngerer Zeit die gemeinschaftsrechtliche Ebene erreichte5 und schließlich in den verbundenen Rechtssachen C-435/02, „Axel Springer AG gegen Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. KG Essen“ sowie C103/03, „Axel Springer AG gegen Hans-Jürgen Weske“ auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigt hat6. Anknüpfend an die letztgenannte Fragestellung befasst sich der vorliegende Beitrag mit der Darstellung des Rahmens, der sich hinsichtlich der Verpflichtungen von Unternehmen zur Preisgabe unternehmensbezogener Daten, zugleich aber auch 1
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Auch der Begriff „Unternehmen“ ist zunächst einmal in einem weiten Sinne zu verstehen; vgl. dazu auch PETERSEN/ZWIRNER, DB 2008, 481 ff. MERKT, Unternehmenspublizität, 207 ff.; dem folgend z.B. auch FISCHER/VIELMEYER, Risikoorientierte Unternehmenspublizität – Ergebnisse einer empirischen Studie (Katholische Universität Eichstätt/Ingolstadt 2004: http://www.ku-eichstaett.de/Fakultaeten/WWF/Lehrstuehle/ ABWL-CO/Forschung/forschungspapiere/HF_sections/content/ Studie_Risk_Reporting_108745971726063.pdf), 4. Siehe jüngst den tabellarischen Überblick bei NOACK, Status:Recht 2007, 56 ff. Vgl. FISCHER/VIELMEYER (Fn. 2), 4 m.w.N. Vgl. hierzu auch NOACK, Unternehmenspublizität – Bedeutung und Medien der Offenlegung von Daten des Unternehmens (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2002; http://www.jura. uni-duesseldorf.de/dozenten/noack/Texte/Noack/ BA13.pdf), 61 ff. (Rn. 117 ff.). Eingehend hierzu unten 2.3.4.4.
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im Hinblick auf mögliche „Zurückbehaltungsrechte“ im Hinblick auf diese Daten aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht ergibt. Die damit angesprochenen Publizitäts- und Informationspflichten folgen auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts in erster Linie aus den zahlreichen gesellschafts- und bilanzrechtlichen sowie auch speziell kapitalmarktrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen, welche jeweils auf die Verwirklichung des Binnenmarktes zielen7. Darüber hinaus zeigt sich zusehends, dass der EuGH auch unmittelbar aus Bestimmungen des EG-Vertrags allgemeine Prinzipien ableitet, welche die Bedeutung der Informationserteilung stärken. Es wird daher im Folgenden zunächst das in den primärrechtlichen Grundfreiheiten – und damit letztlich im Binnenmarktprinzip selbst – angelegte „Informationsmodell“ erläutert, bevor eine Darstellung der im Gebot der Gemeinschaftstreue verankerten Anforderungen an die Umsetzung sekundärrechtlich verankerter Informationspflichten erfolgt. Anschließend werden die zahlreichen gesellschafts-, bilanz- und kapitalmarktrechtlichen Sekundärrechtsnormen näher vorgestellt, welche die Veröffentlichung von Daten durch Unternehmen regeln. In einem weiteren Schritt wird sodann untersucht, ob und inwiefern die seitens eines Unternehmens zu erteilenden Information gerade zum Schutz des betroffenen Unternehmens (z.B. vor Konkurrenten) Begrenzungen unterworfen werden können: Als relevante Ansatzpunkte hierfür kommen entweder ex ante wirkende („interne“) objektive Einschränkungen schon im Hinblick auf Art und Umfang der zu erteilenden Informationen (oder hinsichtlich der subjektiven Zugangsberechtigung dazu) in Betracht, oder aber es sind ex post eingreifende („externe“) Einschränkungen der Verwendungsmöglichkeiten erteilter Informationen durch die in deren Besitz gelangten Personen denkbar. Der erstgenannte Bereich etwaiger Einschränkungsansätze wird im vorliegenden Beitrag am Maßstab der sog. Gemeinschaftsgrundrechte erörtert, während die vorrangig auf den zweitgenannten Bereich gerichteten Kontrollmechanismen des EGWettbewerbsrechts in dem nachfolgenden Beitrag von Enchelmaier analysiert werden.
2.3.2. Primärrechtliche „Rahmen“-Vorgaben für die Unternehmenspublizität Zum Zwecke einer ersten Annäherung an die Thematik wird an dieser Stelle zunächst untersucht, ob und inwieweit Normen des EG-Primärrechts – jenseits der noch anzusprechenden Ermächtigungsgrundlagen für Sekundärrechtsmaßnahmen 8 – Relevanz für die Veröffentlichungspflichten von Unternehmensdaten zu entfalten vermögen. 7
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Siehe dazu SCHÖN, ZGR 2000, 706 f. m.w.N. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Unternehmen mitunter auch freiwillig mit Berichten über Unternehmensinterna an die Öffentlichkeit treten. Beispielhaft sei hierzu der sog. „Nachhaltigkeitsbericht“ zur Unternehmenspolitik in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales genannt; vgl. näher dazu etwa LABBÉ/STEIN, DB 2007, 2661 ff. sowie HÖSCHEN/VU, WPg 2008, 378 ff. Diese Berichterstattung geht allerdings nicht auf Initiativen der EU und schon gar nicht auf sekundärrechtlich niedergelegte, mit dem Binnenmarkt in Zusammenhang stehende Informationspflichten zurück. Zu den zahlreichen Sekundärrechtsmaßnahmen in den Bereichen des Gesellschafts-, Bilanzund Kapitalmarktrechts näher unter 2.3.3.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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2.3.2.1. Zur Existenz eines grundfreiheitlichen Informationsmodells 2.3.2.1.1. Binnenmarktintegration durch Primär- und Sekundärrecht Eines der Hauptziele der Europäischen Gemeinschaft ist der Binnenmarkt. Dieser zeichnet sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EG (ähnlich auch Art. 14 Abs. 2 EG) durch „die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten“ aus, will also die unbehinderte Allokation von Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) und Bewegung von Produkten (Waren und Dienstleistungen) gewährleisten. Es sind dabei in erster Linie ökonomische Effizienzkriterien, welche die konzeptionelle Grundlage wie auch die entscheidenden inhaltlichen Parameter für die nähere Ausgestaltung dieses Binnenmarktes bilden: Nach dem Theorem des komparativen Kostenvorteils entstehen die günstigsten Effekte für alle innerhalb eines bestimmten Gebiets ansässigen Personen nämlich dann, wenn Angebote sich ungehindert zum Nachfrager bewegen und den besten Preis erzielen können9. Die Umsetzung dieser Freiverkehrsgarantien sollte nach der ursprünglichen Vorstellung der Gründerstaaten bei Abschluss des EWG-Vertrages in erster Linie durch sekundärrechtliche, d.h. von den Gemeinschaftsorganen geschaffene Harmonisierungsmaßnahmen erfolgen. Zur Erreichung dieser „positiven Integration“10 wurden der Gemeinschaft verschiedene allgemeine (z.B. Art. 100, 235; jetzt Art. 94, 308 EG)11, aber auch zahlreiche spezielle Rechtsetzungskompetenzen für bestimmte Gebiete zugewiesen, so etwa für die soziale Sicherheit (Art. 51; jetzt Art. 42 EG), die indirekten Steuern (Art. 99; jetzt Art. 93 EG) sowie für das Niederlassungsrecht (Art. 54 Abs. 3; jetzt Art. 44 Abs. 2 EG), einschließlich des Gesellschaftsrechts12. Der Europäische Gerichtshof hat dann aber in einer Reihe von Urteilen Mitte der siebziger Jahre entschieden, dass die im EWG-Vertrag enthaltenen Garantien des freien Warenverkehrs (Art. 30, 34 EWGV; jetzt Art. 28, 29 EG)13, der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 EWGV; jetzt Art. 49 EG) 14, der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 48 EWGV; jetzt Art. 39 EG)15 sowie insbesondere auch der Niederlassungsfreiheit (Art. 52 EWGV; jetzt Art. 43 EG)16 mit Ablauf der Übergangsfrist 9
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Vgl. MÜLLER-GRAFF, in: GRUNDMANN/KERBER/WEATHERILL, Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 133 (134) m.w.N. Die „theory of comparative (cost) advantage“ geht zurück auf David Ricardo (1772 – 1823). Grundlegend zu den Begriffen der „positiven“ und „negativen“ Integration TINBERGEN, International Economic Integration, 76 ff. sowie – zum Teil kritisch – BEHRENS, RabelsZ 45 (1981), 8 (26). Näher dazu (einschließlich der Ergänzung um Art. 100a EWGV = jetzt Art. 95 EG) unten 2.3.3.1.1. Dazu im Detail unten 2.3.3.1.2. EuGH, Rs. 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Tz. 5; Rs. 15/74, Centrafarm, Slg. 1974, 1147, Tz. 34 ff.; Rs. 48/74, Charmasson, Slg. 1974, 1383, Tz. 20; Rs. 74/76, Iannelli, Slg. 1977, 557, Tz. 13; Rs. 83/78, Pigs Marketing, Slg. 1978, 2347, Tz. 66 f. EuGH, Rs. 33/74, Van Binsbergen, Slg. 1974, 1299, Tz. 18 ff. EuGH, Rs. 167/73, Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359, Tz. 35 ff.; Rs. 41/74, Van Duyn, Slg. 1974, 1337, Tz. 4 ff. EuGH, Rs. 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Tz. 3 ff.
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(Art. 8 EWGV) wegen des jeweils hinreichend konkretisierten Norminhalts per 1.1.1970 unmittelbar anwendbar sind und damit insbesondere von individuellen Marktteilnehmern vor den nationalen Gerichten gegenüber entgegen stehenden nationalen Maßnahmen durchgesetzt werden können17. Gerade am Beispiel des Niederlassungsrechts hat der EuGH in seiner „Reyners“-Entscheidung festgestellt, die in den Art. 54, 57 EWGV (jetzt Art. 44, 47 EG) vorgesehenen Richtlinien seien „mit Ablauf der Übergangszeit … rechtlich überflüssig geworden“; sie seien allerdings „nicht gänzlich bedeutungslos geworden, denn ihnen bleibt ein beträchtlicher Anwendungsbereich bei allen Maßnahmen, die dazu dienen, die wirksame Ausübung des Rechts auf freie Niederlassung zu fördern“18. Diesen Ansatz hat der EuGH unlängst am Beispiel der grenzüberschreitenden Hineinverschmelzung im „SEVIC“Urteil noch einmal ausdrücklich bestätigt19. Sekundärrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen einerseits und Grundfreiheiten andererseits erfüllen damit heute komplementäre Funktionen20, wobei sich aber aufgrund der Normenhierarchie zwischen sekundärrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen und primärrechtlichen Grundfreiheiten eine grundlegende Parameterverschiebung zu Gunsten letzterer und der durch ihre Verbotsinhalte bewirkten „negativen Integration“ ergeben hat. Die Grundfreiheiten bilden die tragenden Säulen des Binnenmarktes und damit die Eckpfeiler einer Europäischen Wirtschaftsverfassung, die das – als solches nicht unmittelbar anwendbare – allgemeine Binnenmarktprinzip punktuell verlängern und für ihren jeweiligen Rege-
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Eine Ausnahme galt zunächst für die Kapitalverkehrsfreiheit, die nach der ausdrücklichen Vorgabe des früheren Art. 67 EWGV stufenweise zu liberalisieren war, ohne dass letztere Primärrechtsnorm selbst unmittelbar anwendbar gewesen wäre; vgl. dazu auch unten 2.3.3.1.4. Mit Ablauf ihrer Umsetzungsfrist per 1.7.1990 war allerdings das Beschränkungsverbot in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG vom 24.6.1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, ABl. L 178/5 ff., gegenüber den Mitgliedstaaten unmittelbar wirksam geworden; siehe EuGH, verb. Rs. C-358/93 u. C-416/93, Bordessa u.a., Slg. 1995, I-361, Tz. 32 ff. Ebenso war die durch die Maastrichter Vertragsrevision eingeführte Norm des Art. 73b Abs. 1 EGV (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) ab dem 1.1.1994 unmittelbar anwendbar; siehe EuGH, verb. Rs. C-163/94, C-165/94 u. C-250/94, Sanz de Lera u.a., Slg. 1995, I-4821, Tz. 40 ff. Erst ganz allmählich geklärt wird durch die Rechtsprechung des EuGH die Reichweite der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten; vgl. zu dieser „erga omnes“-Wirkung näher SCHÖN, in: FS Wassermeyer, 489 ff. Aus der EuGH-Judikatur vgl. z.B. Rs. C-452/04, Fidium Finanz AG, Slg. 2006, I-9521, Tz. 48 ff., Rs. C-524/04, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107, Tz. 101 ff.; Rs. C-101/05, A, EuZW 2008, 117 ff. m. Anm. WUNDERLICH; außerdem Beschlüsse Rs. C-492/04, Lasertec GmbH, Slg. 2007, I-3775 und Rs. C-102/05, A und B, Slg. 2007, I-3871, Rs. C-157/05, Holböck, Slg. 2007, I-4051; Rs. C-415/06, Stahlwerk Ergste Westig GmbH, GmbHR 2008, 154 ff. m. Anm. REHM/NAGLER. EuGH, Rs. 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Tz. 31. EuGH, Rs. C-411/03, SEVIC Systems AG, Slg. 2005, I-10805, Tz. 26: „Wenn gemeinschaftliche Harmonisierungsvorschriften zur Erleichterung grenzüberschreitender Verschmelzungen auch gewiss hilfreich wären, so sind sie doch keine Vorbedingungen für die Durchführung der in Art. 43 EG und Art. 48 EG verankerten Niederlassungsfreiheit“. Siehe allgemein CORDEWENER, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 48 f. m.w.N. Speziell für das Gesellschaftsrecht SCHÖN, ZGR 1995, 1 (13 ff.); DERS., ZGR 2000, 706 (707).
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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lungsbereich näher ausformen21. Auch der Europäische Gesetzgeber selbst darf bei der Schaffung von Sekundärrechtsmaßnahmen nicht gegen diese Vorgaben verstoßen. Die Grundfreiheiten enthalten demzufolge grundlegende Spielregeln für die Entfaltung wirtschaftlicher Betätigungen im EU-Binnenmarkt und damit insbesondere auch „Leitbilder“ für das Europäische Gesellschaftsrecht22. Dabei ist zugleich darauf hinzuweisen, dass sich derartige „Leitbilder“ nicht lediglich autonom im Bereich des Niederlassungsrechts entwickeln, sondern sich unter dem gemeinsamen Dach des Binnenmarktprinzips auch im Wege von Wechselwirkungen mit den übrigen Grundfreiheiten ergeben können23. Dies hat zunächst einmal in formaler Hinsicht Bedeutung für die Ausformung der strukturellen Reichweite des Schutzumfangs der Niederlassungsfreiheit: Entsprechend der verbreiteten Annahme, dass sich der – seit der Vertragsänderung durch die Einheitliche Europäische Akte von 1986 24 explizit angestrebte – „Binnenmarkt“ gegenüber dem nach dem früheren Vertragswortlaut angestrebten „Gemeinsamen Markt“ durch eine noch höhere Integrationsdichte auszeichnet25, haben sich seit etwa Mitte der achtziger Jahre die übrigen Grundfreiheiten in ihrer tatbestandlichen Reichweite der vom EuGH schon frühzeitig extensiv interpretierten Warenimportfreiheit26 angenähert. Als Höhepunkt dieser auch als Konvergenzprozess bezeichneten Entwicklung27, die sich dogmatisch als eine tatbestandliche Ausdehnung der Grundfreiheiten über bloße Diskriminierungsverbote hinaus zu sog. „Beschränkungsverboten“ beschreiben lässt28, wird gemeinhin die „Gebhard“-Entscheidung angesehen: In dieser hat der EuGH die konkret relevante Regelung des Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) erstmals tatbestandlich einheitlich wie alle übrigen Grundfreiheiten ausgelegt und zudem auch eine Beeinträchtigung sämtlicher Grundfreiheiten den gleichen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen29. Ebenso besteht aber im Schrifttum Einigkeit darüber, dass die vom EuGH wiederum im Bereich der Warenimportfreiheit herbeigeführte partielle Zurückschneidung und 21 22 23 24 25
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Vgl. auch CORDEWENER, DStR 2004, 6 f. SCHÖN, RabelsZ 64 (2000), 1 (9). Dazu allgemein CORDEWENER (Fn. 20), 50 ff. m.w.N. EEA vom 17./28.2.1986 (in Kraft ab 1.7.1987), ABl. 1987 L 169/1 ff. Vgl. z.B. STEINDORFF, ZHR 150 (1986), 687 (689); DERS., EuR 1988, 19 (21); DAUSES, EuZW 1990, 8 (9 f.); EVERLING, in: FS Steindorff, 1155 (1160 f.). Siehe allgemein auch SCHUBERT, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 133 ff. Vgl. nur EuGH, Rs. 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Tz. 5: „Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen“ (sog. „Dassonville“-Formel). Grundlegend dazu BEHRENS, EuR 1992, 145 ff. Siehe allgemein etwa JARASS, EuR 2000, 705 ff. gegenüber EuR 1995, 202 ff.; außerdem etwa CORDEWENER (Fn. 20), 104 ff. m.w.N. Vgl. EuGH, Rs. C-55/94, GEBHARD, Slg. 1995, I-4165, Tz. 37: Danach sind „alle Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können“ rechtfertigungsbedürftig. Dazu auch SCHÖN, ZHR 160 (1996), 220 (246 f.); EVERLING, in: GS Knobbe-Keuk, 607 (608); HABERSACK, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 4; GRUNDMANN, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 129, 147, 186.
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Präzisierung des Beschränkungsverbots durch das – gelegentlich als Ausdruck des seit Maastricht in den EG-Vertrag aufgenommenen Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2; ex Art. 3b Abs. 2) bewertete30 – „Keck“-Urteil31 sich in entsprechend reduzierender Weise auch auf die übrigen Grundfreiheiten auswirken 32 und damit insbesondere auch sinngemäß auf die Reichweite der Niederlassungsfreiheit durchschlagen muss33. 2.3.2.1.2. Grundfreiheitlich veranlasster Vorrang von Informations- vor Sachnormen Die vorstehend skizzierte Parallelität oder „Symmetrie“ der Grundfreiheiten hat darüber hinaus aber auch noch eine inhaltliche Dimension. Sie erlaubt nämlich, dass sich bestimmte Argumentationsmuster und Regelungskonzepte, die im Anwendungsfeld einer bestimmten Grundfreiheit entwickelt wurden, verallgemeinern und im Analogiewege auf vergleichbare Problemkonstellationen im Rahmen anderer Grundfreiheiten übertragen lassen. 2.3.2.1.2.1. Entwicklung des Grundprinzips im Bereich der Warenverkehrsfreiheit Der vorstehend genannte Aspekt ist im vorliegenden Kontext von besonderer Bedeutung, da im wissenschaftlichen Schrifttum zur Relevanz von Informationsregelungen im Europäischen Gesellschaftsrecht vielfach auf die Vorbildfunktion der Grundsätze verwiesen wird, die der EuGH im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit und dort konkret zu Fragen des Verbraucherschutzes entwickelt hat: In der grundlegenden „Cassis de Dijon“-Entscheidung von 1979 war der Gerichtshof mit der Frage konfrontiert, ob der in Deutschland für die Verkehrsfähigkeit von Fruchtsaftlikören zwingend vorgeschriebene Mindestweingeistgehalt von 25 % eine nach Art. 30 30
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So insbesondere aus dem deutschen Schrifttum etwa REMIEN, JZ 1994, 349 (353); JARASS, DVBl. 1995, 954 (961). Weitere Nachweise bei CORDEWENER (Fn. 20), 315 f. EuGH, verb. Rs. C-267/91 u. C-268/91, KECK U. MITHOUARD, Slg. 1993, I-6097 ff. Aus den zahlreichen Kommentierungen vgl. nur BECKER, EuR 1994, 162 ff.; JOLIET, GRUR Int. 1994, 979 (983 f.); ROTH, 31 Common Market Law Review (1994), 845 ff.; ZULEEG, in: FS Everling, Bd. II, 1717 (1721 f.). Vgl. hierzu auch die vielfach vertretene Interpretation der EuGH-Urteile Rs. C-384/93, Alpine Investments BV, Slg. 1995, I-1141 ff. zur Dienstleistungsfreiheit sowie Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921 ff. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit; Nachweise dazu bei CORDEWENER (Fn. 20), 278 ff. sowie auch bei WALTER, in: EHLERS, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 1 Rn. 40 f. Siehe außerdem zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH, Rs. C-367/98, Kommission/Portugal, Slg. 2002, I-4731 ff.; Rs. C-483/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-4781 ff.; Rs. C-503/99, Kommission/Belgien, Slg. 2002, I-4809 ff. Speziell zu diesen (und weiteren) „Golden Shares“-Entscheidungen BAYER, BB 2002, 2289 ff.; ARMBRÜSTER, JuS 2003, 224 ff.; GRUNDMANN/MÖSLEIN, ZGR 2003, 317 ff. Zu weiteren Entwicklungen in diesem Bereich vgl. etwa EuGH, Rs. C-282/04 u. C-283/04, Kommission/Niederlande, EuZW 2006, 722 ff. m. Anm. PIEßKALLA und MÖSLEIN, ZIP 2007, 208 ff.; EuGH, Rs. C-112/05, Kommission/Deutschland, BB 2007, 2423 ff., m. Anm. TEICHMANN, BB 2007, 2577 ff. und KERBER, NZG 2008, 9 ff.; EuGH, verb. Rs. C-463/04 u. C-464/04, Federconsumatori u.a., EWS 2008, 135 ff. m. Anm. WEISS. Zu letzterem Aspekt insbesondere EVERLING, in: GS Knobbe-Keuk, 607 (618 ff.); ROTH, in: GS Knobbe-Keuk, 729 (739 ff.); HABERSACK (Fn. 29), § 3 Rn. 6 ff.
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EWGV (jetzt Art. 28 EG) verbotene „Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung“ darstellte, weil 15 bis 20 %ige Fruchtsaftliköre, die in einem anderen Mitgliedstaat hergestellt und dort marktgängig waren, nicht vermarktet werden durften. Der Gerichtshof entschied, dass diese einseitig von deutscher Seite festgelegte Mindestanforderung ausländische Getränke mit geringerem Alkoholgehalt vom deutschen Markt ausschloss und damit als verbotene Importbeschränkung rechtfertigungsbedürftig war. Dem Vorbringen der deutschen Regierung, das in der strittigen Regelung liegende Vermarktungsverbot für Liköre mit geringerem (!) Alkoholgehalt diene der Volksgesundheit und dem Verbraucherschutz, hielt der EuGH entgegen, es ließe sich „eine angemessene Unterrichtung der Käufer … ohne Schwierigkeiten dadurch erreichen, dass man die Angabe von Herkunft und Alkoholgehalt auf der Verpackung des Erzeugnisses vorschreibt“34. Im Vergleich der beiden auf einen bestimmten Schutzzweck gerichteten Mittel – des verbindlichen sachlichen Regelungstatbestandes auf der einen und des formalen Aufklärungsaktes auf der anderen Seite – entschied der EuGH damit eindeutig zu Gunsten des Letzteren, um den grenzüberschreitenden Freiverkehr zwischen Anbietern und Nachfragern möglichst umfassend und ungehindert zu gewährleisten. Dies führt zu der Erkenntnis, dass ein bloßes Informationsgebot gegenüber einer zwingenden inhaltlichen Regelung (Ge- oder Verbot) vorzuziehen ist, wenn dadurch das verfolgte Schutzinteresse des jeweiligen mitgliedstaatlichen Gesetzgebers gleichfalls befriedigt werden kann35. Der Umstand, dass diese Präferenz zu Gunsten der Informationsvermittlung ganz wesentlich auf die Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zurückzuführen ist, kommt im vorgenannten EuGH-Urteil allerdings kaum zum Ausdruck. Ungleich deutlicher wurde dies aber einige Jahre später (1987) in dem ganz ähnlich gelagerten Fall zum deutschen „Reinheitsgebot“, welches in einem anderen Mitgliedstaat hergestellten und dort unter der Bezeichnung „Bier“ marktfähigen Alkoholprodukten die inländische Vermarktung als „Bier“ versagte, wenn darin andere als ganz bestimmte natürliche Bestandteile (z.B. Reis oder Mais statt Gerstenmalz) enthalten waren: Hier hob der Gerichtshof eingangs explizit hervor, dass eine grds. von Art. 30 EWGV (jetzt Art. 28 EG) untersagte Importbehinderung zwar durch bestimmte Schutzinteressen gerechtfertigt werden könne, dass jedoch die fragliche Regelung „in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen“ und ein Mitgliedstaat unter mehreren Mitteln dasjenige auswählen müsse, „das den freien Warenverkehr am wenigsten behindert“. Die konkrete Frage danach, ob das Reinheitsgebot durch Gründe des Gesundheits- und Verbraucherschutzes gerechtfertigt werden könne, wurde vom EuGH verneint, weil eine solche Regelung zu einer (die inländische Industrie bevorzugenden) Zementierung nationaler Verbrauchergewohnheiten führe und die Gattungsbezeichnung „Bier“ mit ihren sprachlichen Entsprechungen in anderen Mitgliedstaaten nun einmal weiter verstanden werde; wolle man Verbrauchern die 34 35
EuGH, Rs. 120/78, Rewe-Zentral-AG, Slg. 1979, 649 ff. Tz. 13. GRUNDMANN, JZ 2000, 1133 (1138); DERS., 39 Common Market Law Review, 2002, 269 (282).
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Möglichkeit eröffnen, sich auf „Bier“-Sorten mit nur ganz bestimmten natürlichen Inhaltsstoffen festzulegen, könne dies durch den Warenimport weniger oder gar nicht belastende Maßnahmen geschehen, nämlich „insbesondere durch die Verpflichtung zu einer angemessenen Etikettierung hinsichtlich der Art des verkauften Erzeugnisses“, so dass der Verbraucher „seine Wahl in Kenntnis aller Umstände“ treffen könne36. Dieser im Bereich des freien Warenverkehrs entwickelte Vorrang von Informationspflichten gegenüber die Markteilnehmer bindenden Sachnormen wird allgemein als Grundstein für ein primärrechtlich verankertes, auf die Grundfreiheiten und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestütztes „Informationsmodell“ angesehen37. In der Tat spricht schon die eingangs angesprochene ökonomische Grundidee des Binnenmarktes – die freie Allokation von Produkten und Produktionsfaktoren – für eine möglichst weit reichende Privatautonomie der Marktteilnehmer und damit gegen den Erlass detaillierter Sachnormen nicht allein durch den nationalen, sondern insbesondere auch durch den Gemeinschaftsgesetzgeber, welcher aufgrund der oben bereits dargelegten Normenhierarchie gleichfalls an die primärrechtlichen Vorgaben gebunden ist. Seitens des Gemeinschaftsgesetzgebers wurde diese Erkenntnis dann auch zügig aufgegriffen und zum allgemeinen Kernansatz für zukünftige Harmonisierungsmaßnahmen in vielen Bereichen gemacht: Die auf das Nötigste begrenzte Vorgabe sachlicher Regelungen durch Minimumharmonisierung, verbunden mit dem auf die horizontalen Loyalitätspflichten der Mitgliedstaaten untereinander nach Art. 10 EG (ex Art. 5 EGV) gestützten Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, beruht ganz wesentlich auf der „Cassis“-Rechtsprechung des EuGH 38. 36
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EuGH, Rs. 178/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1987, 1227, Tz. 30 ff. In die gleiche Richtung, allerdings weniger deutlich, zielten zuvor auch im Bereich des freien Warenverkehrs bereits EuGH, Rs. 788/79, Gilli u. Andres, Slg. 1980, 2071, Tz. 7 f.; Rs. 27/80, Fietje, Slg. 1980, 3839, Tz. 12; Rs. 193/80, Kommission/Italien, Slg. 1981, 3019, Tz. 27; Rs. 51/83, Kommission/Italien, Slg. 1984, 2793, Tz. 15. Siehe dazu auch Stünkel, EG-Grundfreiheiten und Kapitalmärkte, 271. Siehe zusammenfassend insbesondere GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (62 f.); DERS., JZ 2000, 1133 (1138); DERS., 39 Common Market Law Review, 2002, 269 (281 f.); DERS., (Fn. 29), Rn. 187, 231; DERS., DStR 2004, 232 (233); DERS., ZIP 2004, 2401 (2406); DERS., 5 European Business Organization Law Review, 2004, 601, (618). Außerdem GRUNDMANN/KERBER/ WEATHERILL, in: DIES., Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 3 (17 ff.); MERKT, in: GRUNDMANN/KERBER/WEATHERILL (ebenda), 230 (237 f.); DERS., in: FERRARINI/HOPT/WINTER/WYMEERSCH, Reforming Company and Takeover Law in Europe, 115 (127 f.); DERS., Das Informationsmodell im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF), Sonderheft 55/2006; EIDENMÜLLER, in: DERS., Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 3 Rn. 32 ff. m.w.N. Vgl. im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz beim Verbrauchsgüterkauf auch HAAR, Verbraucher und Recht (VuR) 5/2004, 161 ff. Vgl. Kommissionsmitteilung vom 3.10.1980 über die Auswirkungen des „Cassis de Dijon“Urteils, ABl. C 256/2 sowie außerdem das Weißbuch der Kommission zur „Vollendung des Binnenmarktes“, KOM (85) 310 endg., S. 18 f., S. 27 ff. Dazu auch GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (62); DERS., JZ 2000, 1133 (1138); DERS., 39 Common Market Law Review 2002, 269 (281 f).
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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2.3.2.1.2.2. Differenzierungsansatz im Bereich der Dienstleistungsfreiheit Zweifel an der Geltung der vorgenannten Prinzipien als allgemeine, auch im Anwendungsbereich der übrigen Grundfreiheiten zu beachtende Parameter eines „Informationsmodells“ könnten sich allerdings durch einige Urteile des EuGH von 1986 zur Dienstleistungsfreiheit ergeben: Die wohl bekannteste Entscheidung betraf ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland wegen der im Versicherungsaufsichtsgesetz enthaltenen Verpflichtung für sämtliche auf dem Gebiet der Direktversicherung (einschließlich der Lebensversicherung) tätigen Unternehmen, im Falle einer beabsichtigten Leistungserbringung in Deutschland dort eine Niederlassung zu unterhalten und ein Zulassungsverfahren zu durchlaufen. Der EuGH sah in beiden Kriterien für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Versicherer eine Beschränkung – im Niederlassungserfordernis sogar „praktisch die Negation“ – der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59, 60 EWGV (jetzt Art. 49, 50 EG) und unterwarf daher beide Anforderungen einem Rechtfertigungszwang. Hinsichtlich des Niederlassungserfordernisses ließ der Gerichtshof keine Rechtfertigung gelten und stellte fest, die damit im Interesse der Versicherten und Versicherungsnehmer verfolgten Überwachungszwecke könnten auch im Rahmen eines die grenzüberschreitende Leistungsverbringung weniger belastenden Zulassungsverfahrens und der damit verbundenen Kontrolle von Geschäftsunterlagen des Versicherers realisiert werden39. Bezüglich des letztgenannten Zulassungsverfahrens betonte der EuGH allerdings, der Versicherungssektor stelle wegen des besonderen Charakters der zu erbringenden Leistungen „einen im Hinblick auf den Schutz des Verbrauchers als Versicherungsnehmer und Versicherter besonders sensiblen Bereich dar“, weil insbesondere der Versicherungsnehmer nur schwer beurteilen könne, ob die ihm vorgeschriebenen Versicherungsbedingungen und die voraussichtliche finanzielle Entwicklung des Versicherers eine hinreichende Gewähr für die Erbringung der Versicherungsleistung im Versicherungsfall bieten. Da der Versicherungssektor im Entscheidungszeitpunkt zwar hinsichtlich der Nachweise von Versicherungsunternehmen über ihr Eigenkapital, nicht aber hinsichtlich ihrer technischen Reserven sowie der damit verbundenen Aktivwerte harmonisiert sei und die nationalen Regelungen insofern erheblich divergierten, sei der jeweilige Bestimmungsstaat „aus Gründen des Schutzes der Verbraucher in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmer und Versicherte“ berechtigt, „die Einhaltung seiner eigenen Vorschriften über die technischen Reserven im Zusammenhang mit den in seinem Hoheitsgebiet erbrachten Dienstleistungen zu verlangen und zu überwachen“. Der Bestimmungsstaat dürfe daher auch auslandsansässige Versicherer einem entsprechenden Zulassungsverfahren unterziehen (wobei jedoch die im Niederlassungsstaat schon erfüllten gesetzlichen Voraussetzungen nicht wiederholt und die dort bereits vorgenommenen Kontrollen und Überprüfungen nicht ignoriert werden dürften) 40. 39 40
EuGH, Rs. 205/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Tz. 52 ff. EuGH, Rs. 205/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Tz. 25 ff. Siehe ebenso EuGH, Rs. 220/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 3663, Tz. 17 ff.; Rs. 252/83, Kommission/Dänemark, Slg. 1986, 3713, Tz. 17 ff. und 206/84, Kommission/Irland, Slg. 1986, 3817, Tz. 17 ff.
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Die damit im Grundsatz ausgesprochene Berechtigung des Bestimmungsstaates, ausländische Versicherer im Rahmen eines gesonderten Zulassungsverfahrens seinen eigenen Vorstellungen über eine zum Schutz der Vertragspartner erforderliche Mindestkapitalausstattung zu unterwerfen, lässt sich prima facie als Absage an einen Vorrang der Informationsverschaffung über die angebotenen Dienste und anbietenden Leistungserbringer vor zwingenden Sachnormen verstehen. Bei genauerem Hinsehen erweist sich aber, dass der EuGH das Primat der Informationsregeln weder generell für die Dienstleistungsfreiheit noch konkret für den gesamten Versicherungssektor verworfen hat: Der Gerichtshof weist nämlich ausdrücklich darauf hin, dass die von ihm genannten Gründe des Schutzes der Versicherungsnehmer und Versicherten „nicht für den gesamten Versicherungssektor die gleiche Bedeutung haben und dass es sogar Fälle geben kann, in aufgrund der Eigenart des versicherten Risikos und des Versicherungsnehmers keinerlei Bedürfnis besteht, diesen durch die Anwendung der zwingenden Vorschriften seines nationalen Rechts zu schützen“; für eine nähere Konkretisierung lagen dem Gerichtshof allerdings im Entscheidungsfall keine hinreichenden Informationen vor41. Im Ergebnis ist das Urteil daher in dem Sinne zu werten, dass der EuGH für den Dienstleistungsbereich lediglich eine differenziertere Einzelfallbetrachtung präferiert, da sich hier die angestrebte Markttransparenz aufgrund der Art und ggf. auch Komplexität des Leistungsgegenstandes vielfach nicht so leicht herstellen lässt wie im Bereich des freien Warenverkehrs42. 2.3.2.1.2.3. „Durchbruch“ im Bereich der Niederlassungsfreiheit Weitere grundlegende Judikate des EuGH innerhalb der letzten Jahre haben dann schließlich ein unmittelbar aus dem EG-Primärrecht abgeleitetes „Informationsmodell“ auch im Bereich der Niederlassungsfreiheit mit überragender Relevanz für das nationale Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten etabliert. Als wegweisend zu betrachten ist insofern das „Centros“-Urteil von 1999, welches die Behandlung einer im Vereinigten Königreich gegründeten private limited company durch das dänische Recht betraf. Die Anteile an der Centros Ltd waren unmittelbar nach der Gesellschaftsgründung von einem in Dänemark wohnhaften dänischen Ehepaar erworben worden, um über diese Gesellschaft ausschließlich in Dänemark geschäftlich tätig zu werden (Weinhandel). Die dänischen Registerbehörden verweigerten der Centros Ltd die Eintragung einer Zweigniederlassung und damit die Möglichkeit einer wirksamen Geschäftstätigkeit innerhalb Dänemarks, weil man davon ausging, dass es sich statt um eine Zweigniederlassung um den Hauptsitz der Centros Ltd handele und dass durch die Gründung im Vereinigten Königreich mit einem dort lediglich gezeichneten und nicht einmal angezahlten Mindestkapital der Centros Ltd von nur 100 UKL die für dänische Gesellschaften mit beschränkter Haf41 42
EuGH, Rs. 205/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Tz. 49 f. So insbesondere auch STÜNKEL (Fn. 36) 271, im Anschluss an GRUNDMANN, Europäisches Schuldvertragsrecht, 47 f. (Rn. 62). Vgl. näher zu den Informationsdefiziten des Versicherungsnehmers als Charakteristikum des Versicherungsmarktes IHLE, Der Informationsschutz des Versicherungsnehmers, 21 ff.
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tung geltende Reglung über ein Mindestkapital von 200.000 DKR umgangen werden sollten. Letzteren Gesichtspunkt hatten die dänischen Anteilseigner auch gar nicht bestritten. Der EuGH stellte hierzu einleitend fest, die grenzüberschreitende Gründung einer Zweigniederlassung werde auch dann von der Niederlassungsfreiheit nach Art. 52, 58 EGV (jetzt Art. 43, 48 EG) geschützt, wenn die betreffende Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat keine Geschäftstätigkeit ausübt und dort nur wegen des großzügigen Gesellschaftsrechts gegründet wurde, um anschließend ihre gesamte Tätigkeit über eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat entfalten (und dabei zugleich dessen strengeres Gesellschaftsrecht umgehen) zu können43. Weil hier aber schon die wirksame Errichtung einer Zweigniederlassung als solche untersagt werde44, liege notwendigerweise eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor. Die von dänischer Seite vorgebrachte Rechtfertigung, das nationale Erfordernis eines eingezahlten Mindestkapitals in bestimmter Höhe verfolge umfassende Gläubigerschutzzwecke, in dem einerseits speziell öffentliche Gläubiger vor dem Ausfall ihrer generell ungesicherten Förderungen sowie andererseits allgemein sämtliche (öffentlichen wie privaten) Gläubiger vor Zahlungsausfällen durch betrügerischen Bankrott von Gesellschaften mit unzureichender Kapitalausstattung geschützt würden, wurden vom EuGH zurückgewiesen. Der Gerichtshof bezweifelte im Grundsatz unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten schon die Eignung der gewählten Maßnahme (Verweigerung der Eintragung) zur Erreichung dieser Schutzzwecke, da im Falle einer aktiven Tätigkeit der Centros Ltd die Eintragungsbewilligung erteilt worden wäre, ohne dass sich an der Gefährdung der dänischen Gläubiger etwas geändert hätte45. Darüber hinaus wies der Gerichtshof aber in aller Deutlichkeit auf den Umstand hin, dass die Centros Ltd im vorliegenden Fall über ihre Zweigniederlassung nicht als Gesellschaft dänischen, sondern englischen Rechts auftrete und den Gläubigern daher bekannt sei, dass sie nicht den dänischen Regelungen über die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterliege. Insofern könnten die dänischen Gläubiger sich auch auf Schutzvorschriften des Gemeinschaftsrechts berufen, nämlich solche der 4. Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von
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Spätestens seit diesem Urteil ist also auch bei Gesellschaften ganz klar zwischen der subjektiven Grundfreiheitsberechtigung und dem objektiven Schutzinhalt der Niederlassungsfreiheit zu unterscheiden, wobei Letzterer dann sowohl die grenzüberschreitende Errichtung sekundärer wie auch primärer Niederlassungen umfasst; siehe dazu SCHÖN, in: FS Lutter, 685 (688 f., 693 ff.). Die vom EuGH in diesem Kontext explizit vorgenommene Abgrenzung gegenüber den „Vorschriften über die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten“ lässt sich als Übertragung der „Keck“-Doktrin auf das Niederlassungsrecht ansehen. Diese modifizierte Anwendung der für den Warenverkehr entwickelten Unterscheidung zwischen (den Marktzugang versperrenden und daher dem Beschränkungsverbot unterfallenden) „Produktanforderungen“ einerseits und (nicht vom Beschränkungsverbot erfassten) „Verkaufsmodalitäten“ andererseits im Bereich der Personenverkehrsfreiheiten wurde im Schrifttum vielfach befürwortet; siehe bereits oben 2.3.2.1.1. sowie die weiteren Nachweise bei CORDEWENER (Fn. 20), 278 ff. EuGH, Rs. C-212/97, Centros Ltd, Slg. 1999, I-1459, Tz. 16 ff.
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Kapitalgesellschaften 46 sowie der 11. Richtlinie über die Offenlegung von Zweigniederlassungen47. Zwar sei es den Mitgliedstaaten erlaubt, sowohl gegenüber einer Gesellschaft wie auch ihren Gesellschaftern geeignete Maßnahmen zur Verhinderung oder Verfolgung von Betrügereien zu ergreifen, doch dürften diese nicht darin bestehen, die Eintragung einer grenzüberschreitend errichteten Zweigniederlassung von vornherein zu verweigern48. Aus diesem Ansatz des EuGH folgt, dass eine rechtmäßig und rechtsgültig in einem bestimmten Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft mit ihren dort erworbenen Strukturmerkmalen auch von allen übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist und bei der grenzüberschreitenden Errichtung von Zweigniederlassungen nicht noch zusätzlichen Strukturmerkmalen unterworfen werden darf. Stattdessen werden die Mitgliedstaaten zum Unterlassen weiterer Sachregulierung gezwungen zu Gunsten einer „Selbstregulierung“ des Marktes auf der Grundlage von Informationsregeln: Für den Schutz potentieller dänischer Gläubiger der im Vereinigten Königreich ansässigen Centros Ltd muss es ausreichen, dass diese durch das „Label“ der äußeren Bezeichnung die Gesellschaft als – nicht den einheimischen Kapitalausstattungsregeln unterliegende – englische (Limited) Private Company erkennen können und es ihnen außerdem prinzipiell möglich ist, sich bei der im Inland für die Registrierung der Zweigniederlassung zuständigen Behörde sowie ggf. auch bei der im Ausland für die Gesellschaft selbst zuständigen Behörde anhand der dort zu veröffentlichenden Unterlagen ein Bild über die Kapitalausstattung der Gesellschaft zu machen. Den mit dem englischen Firmenrecht sowie den harmonisierten Publizitätsregeln der 4. und 11. Richtlinie verbundenen Informationsgeboten wird also der Vorrang gegenüber dem zwingenden dänischen Sachrecht über die Mindestkapitalausstattung eingeräumt49. Diese Grundsätze hat der EuGH in seinen anschließenden Entscheidungen zur Einwirkung der Niederlassungsfreiheit auf die nationalen Gesellschaftsrechte noch weiter verfestigt. Im Urteil „Überseering BV“ sah der Gerichtshof in der Anwendung der deutschen Sitztheorie auf eine niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz (jedenfalls nach Auffassung der deutschen Gerichte) durch Erwerb ihrer Anteile durch zwei deutsche Gesellschafter nach Deutschland verlegt hatte, eine Beschränkung des Niederlassungsrechts: Die Inanspruchnahme dieses Rechts setze nämlich zwingend die Anerkennung der in 46
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Vierte Richtlinie 78/660/EWG vom 25.7.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (sog. „Jahresabschluss“-Richtlinie), ABl. L 222/11. Näher dazu unten 2.3.3.2.3.2. Elfte Richtlinie 89/666/EWG vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen (sog. „Zweigniederlassungs“-Richtlinie), ABl. L 395/36. Näher dazu unten 2.3.3.2.2.1. (dort auch eingehend zur Bestimmung des Umfangs der Veröffentlichungsgegenstände durch das Urteil „Inspire Art Ltd“). EuGH, Rs. C-212/97, Centros Ltd, Slg. 1999, I-1459, Tz. 36 ff. Dazu insbesondere GRUNDMANN, JZ 2000, 1133 (1139); DERS., in: FS Lutter, 61 (64); DERS., 39 Common Market Law Review, 2002, 269 (284 f.); DERS., ZIP 2004, 2401 (2406); DERS., EBOR 2004, 601 (618). Vgl. außerdem MERKT, in: GRUNDMANN/KERBER/WEATHERILL (Fn. 37), 230 (240 f.); DERS., in: FERRARINI/HOPT/WINTER/WYMEERSCH (Fn. 37), 115 (130); DERS., EuZ 2004, 50 (55).
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einem Mitgliedstaat als juristische Person gegründeten Gesellschaft durch alle übrigen Mitgliedstaaten voraus, während die von der Sitztheorie im Falle einer Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland ausgelöste Versagung der Rechts- und Parteifähigkeit einer ausländischen Gesellschaft für den deutschen Rechtsverkehr diese Gesellschaft faktisch zu einer Neugründung in Deutschland zwinge und damit letztlich zu einer „Negierung der Niederlassungsfreiheit führe“. Angesichts dieser extrem belastenden Rechtsfolge ging der EuGH auf die umfangreichen Schutzzwecke, die von deutscher Seite zu Gunsten von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern, Arbeitnehmern und Fiskus zur Verteidigung der Sitztheorie (und der damit im Ergebnis erzwungenen Mindestkapitalausstattung von schwerpunktmäßig in Deutschland tätigen Gesellschaften nach inländischen Maßstäben) vorgetragen wurden, noch nicht einmal näher ein50. Unter Einbeziehung der ausführlichen Analyse von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer zeigt sich allerdings, dass diese Rechtfertigungsgründe nicht schon abstrakt zurückgewiesen wurden, sondern vielmehr ihre konkrete Umsetzung in Form der Sitztheorie am gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz scheitert51. Erneut wird also dem nationalen Gesetzgeber der Rückgriff auf zwingende Sachnormen zur Erreichung bestimmter Schutzzwecke versagt und es den mit der ausländischen Gesellschaft in Kontakt tretenden Personen überlassen, die möglicherweise mit ihren aus dem ausländischen Recht folgenden Eigenschaften verbundenen Gefahren zu erkennen und sich darauf einzustellen. Noch viel deutlicher wurden diese in Richtung einer weit reichenden Privatautonomie der Marktteilnehmer drängenden Grundprinzipien schließlich im Urteil zum Fall „Inspire Art Ltd“ (2003): Dort ging es um die Frage, ob die Niederlande eine ausländische (hier erneut: im Vereinigten Königreich gegründete) Gesellschaft mit beschränkter Haftung dazu zwingen durften, bei der Eintragung einer inländischen Niederlassung im Handelsregister und deren anschließender Geschäftstätigkeit in den Niederlanden den ausdrücklichen Zusatz „formal ausländische Gesellschaft“ zu führen sowie außerdem u.a. die für inländische Gesellschaften geltenden Mindestkapitalanforderungen zu erfüllen, wenn die betreffende Auslandsgesellschaft – ähnlich jener im „Centros“-Fall – ausschließlich oder nahezu vollständig über diese Zweigniederlassung tätig wird und keine tatsächliche Bindung an ihren Gründungsstaat hat. Der EuGH stellte hierzu nicht allein fest, dass die – letztlich zu einer „Stigmatisierung“ der Auslandsgesellschaft führende52 – besondere Kennzeichnung gegen die Offenlegungspflichten der 11. Richtlinie verstoße53, sondern dass außerdem die Unterwerfung unter die niederländischen Mindestkapitalanforderungen (nebst zugehöriger Absicherung durch eine gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer neben der Gesellschaft) zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führe. Einerseits sei nämlich nach „Centros“ für die Inanspruchnahme der Rechte aus 50 51
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EuGH, Rs. C-208/00, Überseering BV, Slg. 2002, I-9919, Tz. 56 ff. Siehe GA RUIZ-JARABO COLOMER, Schlussanträge vom 4.12.2001, Rs. C-208/00, Überseering BV, Slg. 2002, I-9919, Tz. 51 ff. Vgl. die Wiedergabe des Vortrags der Inspire Art Ltd sowie auch der britischen Regierung bei GA ALBER, Schlussanträge vom 30.1.2003, Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd, Slg. 2003, I-10155, Tz. 107 ff. EuGH, Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd, Slg. 2003, I-10155, Tz. 65 ff.
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Art. 43, 48 EG keine Aktivität einer Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat erforderlich, und andererseits beeinträchtige der Zwang zur Erfüllung der (strengeren) niederländischen Mindestkapitalvoraussetzungen eine Auslandsgesellschaft bei der Ausübung ihrer Rechte durch Gründung einer Zweigniederlassung54. Hiervon ausgehend wies der EuGH sämtliche zur Verteidigung der niederländischen Mindestkapitalregelungen vorgebrachten Rechtfertigungsargumente aus Gründen des Gläubigerschutzes sowie auch der Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen zurück. Näher erläutert worden war von niederländischer Seite ohnehin nur der Aspekt des Gläubigerschutzes, der sich insbesondere darauf stützte, dass niederländische (private wie auch öffentliche) Gläubiger vor den Gefahren einer missbräuchlichen Insolvenz von Gesellschaften geschützt werden sollten, welche von Anfang an mit unzureichendem Kapital ausgestattet seien. Hervorzuheben ist in diesem Kontext insbesondere, dass der Gerichtshof die – auf die Ausgestaltung des zwingenden niederländischen Sachrechts zielende – Frage, „ob die Vorschriften über das Mindestkapital als solche einen geeigneten Schutzmechanismus bilden“, ähnlich wie schon im Fall „Überseering BV“ gar keiner weiteren Prüfung für würdig befand: Statt dessen verweist der Gerichtshof auf den schon in der „Centros Ltd“-Entscheidung betonten Umstand, dass eine Gesellschaft wie die Inspire Art Ltd im Geschäftsverkehr „als Gesellschaft englischen Rechts und nicht als niederländische Gesellschaft auftritt“. Schon aufgrund dieser Tatsache seien die potenziellen Gläubiger einer solchen Auslandsgesellschaft „hinreichend darüber unterrichtet, dass sie anderen Rechtsvorschriften als denen unterliegt, die in den Niederlanden die Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung regeln, u.a., was die Vorschriften über das Mindestkapital und die Haftung der Geschäftsführer betrifft“; im Übrigen stünden potenziellen Gläubiger auch die schützenden Offenlegungsbestimmungen der 4. sowie auch der 7. Richtlinie55 zur Verfügung56. Einmal mehr favorisierte der EuGH also den Lösungsweg der Informationsvermittlung gegenüber einem zwingend angeordneten Konzept des Kapitalschutzes57.
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EuGH, Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd, Slg. 2003, I-10155, Tz. 95 ff. Siebte Richtlinie 83/349/EWG vom 13.6.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Betrages über den konsolidierten Abschluss (sog. „Konzernbilanz“-Richtlinie), ABl. L 193/1. Näher dazu unten 2.3.3.2.3.1. EuGH, Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd, Slg. 2003, I-10155, Tz. 131 ff. Dieser Ansatz wird im Schrifttum im Hinblick auf die adäquaten Selbstschutzmöglichkeiten bestimmter Gläubigergruppen durchaus kritisch gesehen; vgl. EIDENMÜLLER (Fn. 37), § 3 Rn. 39 ff. Siehe zu Differenzierungen anhand des Aspekts der „Informationsfähigkeit” außerdem sogleich 2.3.2.1.2.4. Siehe EIDENMÜLLER/REHM, ZGR 2004, 159 (171 f.) sowie MERKT, EuZ 2004, 50 (55), der allerdings zugleich die Frage aufwirft, „ob sich im europäischen Kapitalgesellschaftsrecht an einer ganz fundamentalen Stelle ein Riss bildet zwischen der auf dem Informationsmodell ruhenden Kapitalverfassung der GmbH und der auf dem Konzept des gesetzlichen Kapitalschutzes aufbauenden Kapitalverfassung der AG“: Bei der AG ist nämlich eine Harmonisierung der Mindestkapitalausstattung durch die 2. Richtlinie erfolgt; vgl. dazu auch GA ALBER, Schlussanträge vom 30.1.2003, Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd, Slg. 2003, I-10155, Tz. 104 sowie näher unten 2.3.3.2.2.1. Zur Frage der Abschaffung des Kapitalschutzrechts der 2. Richtlinie insgesamt oder seiner Ausdehnung auch auf die GmbH siehe auch schon die Differenzierungen bei SCHÖN, ZGR 2000, 706 (726 ff.).
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2.3.2.1.2.4. Zusammenfassung der Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung Fasst man die Kerngedanken der vorstehenden EuGH-Entscheidungen zusammen, lässt sich das daraus folgende Grundkonzept einheitlich dahingehend formulieren, dass ein nationaler Gesetzgeber die Marktteilnehmer dann nicht zwingenden Sachnormen (Ge- oder Verboten) unterwerfen darf, wenn das damit angestrebte Regulierungsziel (Schutzinteresse) auch durch das mildere Mittel einer hinreichenden Information der betroffenen Marktteilnehmer zur eigenverantwortlichen Entscheidung erreicht werden kann58. Dieser primärrechtlich durch die den Binnenmarkt konstituierenden Grundfreiheiten in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgesicherte Vorrang der Informationsvermittlung ist letztlich unmittelbar auf den eingangs bereits beschriebenen ökonomischen Grundgedanken des „Vergleichskostenvorteils“59 zurückzuführen: Nur wenn der einzelne Marktteilnehmer die qualitätsbildenden Eigenschaften eines Angebots oder einer möglichen Investition und den sich daraus im Vergleich mit anderen Angeboten bzw. Investitionen für ihn ergebenden Vorteil erkennen kann, vermag er eine gewinnmaximierende Entscheidung zu treffen. Die Verschaffung von Informationen über die vorteilserheblichen Aspekte ist also die entscheidende Garantie dafür, dass Märkte ihre Allokationsfunktion überhaupt erfüllen können60. Die gleichzeitig damit verbundene Zurückdrängung zwingender inhaltlicher Vorgaben für die Ausgestaltung von Produkten oder die Anforderungen an Produktionsfaktoren erhöht im Übrigen die Auswahlmöglichkeiten und damit die Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer, so dass auch aus dieser Perspektive die Privatautonomie und damit auch die allgemeinen Marktmechanismen gestärkt werden61. Dieser Ansatz des EuGH findet im
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Siehe insbesondere GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (63); DERS., JZ 2000, 1133 (1139); DERS., 39 Common Market Law Review, 2002, 269 (282); DERS., EBOR 2004, 601 (617 f.); DERS., ZIP 2004, 2401 (2406); DERS. (Fn. 29), Rn. 231; DERS./KERBER/WEATHERILL, in: DIES. (Fn. 37), 3 (18 f.). Vgl. zuletzt dazu auch eingehend GROHMANN, Das Informationsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht sowie DERS., EWS 2007, 540 ff. Vgl. außerdem die speziell kapitalmarktrechtlich orientierte Diskussion bei BAK/BIGUS, ZBB 2006, 430 ff. Zu beachten ist allerdings auch die jüngst von SCHÖN, in: FS Canaris, 1191 (1198 f.) formulierte Präzisierung: Es kann letztlich nicht um einen generellen Vorrang von Information vor zwingendem Recht gehen, sondern es ist – eingebettet in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Grundfreiheitsbeeinträchtigung – danach zu fragen, ob das mit einer zwingenden Sachnorm verfolgte Schutzinteresse (z.B. Irreführungsschutz im Verbraucherrecht oder Offenlegung des Gesellschaftskapitals) gerade auf die Bewältigung von Informationsdefiziten gerichtet und aus eben diesem Grunde die auf dasselbe Ziel gerichtete reine Informationsverschaffung als „milderes Mittel“ anzusehen ist. Vgl. oben 2.3.2.1.1. Dazu GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 236. Siehe auch DERS./KERBER/WEATHERILL, in: DIES. (Fn. 37), 3 (18) mit Hinweis auf die Aussage der Kommission in ihrer Mitteilung KOM (93) 378 endg., Verbraucherpolitik – Zweiter dreijähriger Aktionsplan (1993-1995): Der Binnenmarkt im Dienst der europäischen Verbraucher, 19: „Information ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass der Verbraucher sich die Vorteile des Binnenmarkts zunutze macht“. Vgl. insofern DREXL, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 253 ff.; GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (66); DERS., ZIP 2004, 2401, 2408 („Information und Wahlmöglichkeit als Grundvoraussetzungen für funktionierenden Wettbewerb“).
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Übrigen auch ein Vorbild in der „disclosure philosophy“ der US-amerikanischen Diskussion62. Allerdings ist das vorstehend umrissene „Informationsmodell“ noch mit einigen präzisierenden Differenzierungen zu versehen. So ist beispielsweise zum einen im Hinblick auf den Zugang zu Informationen in der Informationsökonomie anerkannt, dass neben dem Grundproblem der – zu „adverser Selektion“ und ggf. sogar zum gänzlichen Zusammenbruch eines bestimmten Marktes führenden – systematischen Unterversorgung mit Information 63 mitunter auch die vollständige Informierung des Marktes zu Funktionsbeeinträchtigungen und insbesondere zu Negativanreizen hinsichtlich der Schaffung sog. „wertvoller“ Informationen führen kann64. Zum anderen ist zu beachten, dass die entscheidungsrelevante Information je nach Sachlage vom einzelnen Marktteilnehmer faktisch mehr oder weniger schwer zu erlangen und möglicherweise auch inhaltlich mehr oder weniger schwer zu verstehen ist. Grundmann weist zutreffend darauf hin, dass der Grad dieser „Informierbarkeit“ oder „Informationsfähigkeit“ aufgrund der ungleich geringeren Komplexität bei dem Verweis potentieller Käufer auf die entsprechende Etikettierung einer importierten Likörflasche im „Cassis de Dijon“-Fall erheblich höher lag als bei dem Verweis potentieller Geschäftspartner auf das britische Firmen- und Registerrecht in Fällen nach Art von „Centros Ltd“ (oder auch „Inspire Art Ltd“)65. Gerade gegenüber den letztgenannten Bedenken ist aber auch der EuGH nicht taub, sondern trägt ihnen durch einen differenzierten Betrachtungsansatz Rechnung. So verweist der Gerichtshof in der „Centros Ltd“-Entscheidung die potentiellen Gläubiger ausländischer Gesellschaften ausdrücklich darauf, dass ihnen aufgrund der durch die 4. und 11. Richtlinie harmonisierten Regelungen nicht allein der Zugang zu den im Heimatstaat der Auslandsgesellschaft, sondern auch zu den 62
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Siehe zur US-amerikanischen Diskussion die zahlreichen Nachweise bei SCHÖN, Journal of Corporate Law Studies, 2006, 259 (271 ff.). Hierzu wird im Schrifttum regelmäßig verwiesen auf die grundlegende Darstellung zum „Market for Lemons“ bei AKERLOF, 84 Quarterly Journal of Economics, 1970, 488 ff. Siehe etwa MERKT (Fn. 2), 207 ff.; GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 239 m.w.N. Siehe GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 238 m.w.N. sowie Rn. 242 mit dem Hinweis auf die sich aus der 1. und 2. Richtlinie ergebenden – mithin vom Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffenen – Verpflichtungen zur Rechnungslegung und zur Offenlegung der Aktionärsstruktur; dazu noch unten 2.3.3.2.2.1. Zu den Zusammenhängen von Wahlmöglichkeit, Information und Marktversagen im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht DERS., ZGR 2001, 783 (808 ff.). Vgl. zur stärkeren Berücksichtigung der Informationsökonomik im Kapitalmarktrecht FLEISCHER, ZGR 2000, 1 (29 ff.) Allgemein zur ökonomischen Analyse des „Informationsmodells“ jüngst auch SCHÖN, Journal of Corporate Law Studies 2006, 259 (271 ff.); DERS., in: FS Canaris, 1191 (1205 ff.). GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (63 ff).; DERS., JZ 2000, 1133 (1139 ff.); DERS., 39 Common Market Law Review, 2002, 269 (284 f.); DERS., ZIP 2004, 2401 (2406); DERS., EBOR 2004, 601 (618); DERS./KERBER/WEATHERILL, in: DIES. (Fn. 37), 3 (19). Die Problematik kann sich aber letztlich auch beim Warenkauf stellen: Vgl. zur „beschränkten menschlichen Kognition als Grenze des effizienten Informationsmodells“ im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz beim Verbrauchsgüterkauf eingehend HAAR, Verbraucher und Recht (VuR) 5/2004, 161 ff. (insbes. Tz. II.B m.w.N.). Zum zusätzlichen Problem der „Informationskosten“ siehe im Übrigen EIDENMÜLLER/REHM, ZGR 2004, 159 (172 f.).
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im Zweigniederlassungsstaat offen zu legenden Bilanzunterlagen als Informationsmittel über die Kapitalsituation der Gesellschaft zusteht66; ergänzend ließe sich hinzufügen, dass die betreffenden Gläubiger ggf. auch auf das Informationsinstrumentarium der 2. Richtlinie 77/91/EWG 67 und dort insbesondere die – auch im Heimatstaat der Gesellschaft geltende und dem Gläubiger aus seinem eigenen Staat bekannte – Registerpublizität zurückgreifen könnten, um Erkenntnisse über ein etwaiges Mindestkapital der Gesellschaft zu gewinnen68. Noch deutlicher aber hat der EuGH in seinen Versicherungsurteilen zur Dienstleistungsfreiheit zu erkennen gegeben, dass Informationen über bestimmte Produkte und vor allem auch deren Anbieter aufgrund ihrer Komplexität die potentiellen Nachfrager überfordern können und daher die Mitgliedstaaten in derart sensiblen Bereichen besondere Schutzmechanismen aufstellen dürfen69. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch der Gemeinschaftsgesetzgeber in komplexeren, nach den Maßstäben der Informationsökonomie wohl dem Bereich der „Vertrauensgüter“70 zuzuordnenden Bereichen der Kapitalinvestition und Erbringung von Finanzdienstleistungen zunehmend zur Regelung von Anforderungen an die Einschaltung sog. „Intermediäre“ übergeht71: Dies betrifft speziell im Bereich des Kapitalmarktrechts die im Sekundärmarkthandel tätigen Wertpapierdienstleister, welche die umfangreichen und komplexen primärmarktrechtlichen Informationen für Einzelkunden verständlich aufbereiten (Vereinfachungs- und Transformationsfunktion)72; Gleiches gilt aber beispielsweise auch für den Versi66
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Siehe oben 2.3.2.1.2.3. sowie auch MERKT, EuZ 2004, 50 (55). Vgl. zu Einzelheiten der Offenlegungspflichten nach der 11. und 4. Richtlinie unten 2.3.3.2.2.1.3. und 2.3.3.2.3.1.1. Zweite Richtlinie 77/91/EWG vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten der Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. L 26/1. Näher zu dieser sog. „Kapital“-Richtlinie unten 2.3.3.2.2.1.2. Vgl. dazu GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (65); DERS., JZ 2000, 1133 (1139); DERS., 39 Common Market Law Review, 2002, 269 (284 f.); DERS., ZIP 2004, 2401 (2406); DERS., EBOR 2004, 601 (618). Siehe oben 2.3.2.1.2.2. Näher zu diesen sowie zu ihrer Abgrenzung gegenüber Such- und Erfahrungsgütern GRUNDMANN, JZ 2000, 1133 (1140 f.); DERS., in: FS Lutter, 61 (68 ff.). Auch dazu GRUNDMANN, JZ 2000, 1133 (1141 f.); DERS., ZIP 2004, 2401 (2407); DERS./KERBER, in: DIES./WEATHERILL , Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 264 ff. Zuletzt ROTT, EWS 2008, 21 ff. Siehe dazu unlängst die Ablösung der Richtlinie 93/22/EG vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABl. L 141/27, geändert durch Richtlinie 2002/87/EG vom 16.12.2002, ABl. 2003 L 35/1) durch die Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Finanzinstrumente, ABl. L 145/1. Eingehend zur Entwicklung dieser sog. „MiFID“-Richtlinie BALZER, ZBB 2003, 177 ff. sowie zu den einzelnen Regelungen SEYFRIED, WM 2006, 1375 ff. und DUVE/KELLER, BB 2006, 2425 ff., 2477 ff., 2537 ff. Die Richtlinie war bis zum 1.11.2007 umzusetzen; zur Umsetzung in Deutschland RÖH, BB 2008, 398 ff. Vgl. ergänzend Richtlinie 2006/48/EG vom 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tatigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. L 177/1, geändert durch Richtlinie 2007/64/EG vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/ EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. 2007 L 319/1. Siehe außerdem Richtlinie 2006/49/EG vom 14.6.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. L 177/201, und Richtlinie 2007/44/EG vom
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cherungssektor, wie die Einführung gemeinschaftsweiter Regelungen über die Versicherungsmakler zeigt73. Aus dem Blickwinkel der obigen Rahmenvorgaben des Primärrechts betrachtet handelt es sich bei der Zwischenschaltung dieser Intermediäre in den Informationsstrom auch durchaus um eine systemkonforme Lösung, da sie im Vergleich zu zwingenden Sachregelungen für die betreffenden Tätigkeitsbereiche immer noch das mildere Mittel bildet und der Privatautonomie der Marktteilnehmer den weitest möglichen Spielraum belässt.
2.3.2.2. Primärrechtliche Absicherung sekundärrechtlicher Informationspflichten Eine beachtenswerte Ergänzung des vorstehenden grundfreiheitlichen „Informationsmodells“, aber auch der zahlreichen im Sekundärrecht näher konkretisierten Informationspflichten74 folgt aus der Adaption einer allgemeinen EuGH-Judikatur speziell für den hier in Frage stehenden Themenbereich der Informationspreisgabe. Um die (in allen Mitgliedstaaten einheitliche) Wirksamkeit – den sog. „effet utile“ – des Gemeinschaftsrechts in den nationalen Rechtsordnungen zu gewährleisten, hat der Gerichtshof aus der in Art. 10 EG (ex Art. 5 EGV) statuierten Loyalitätsund Kooperationspflicht der Mitgliedstaaten allgemeine Rahmenregeln für die effektive Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich begründeter Rechtspositionen entwickelt. Diese Regeln besagen, dass überall dort, wo das Gemeinschaftsrecht keine eigenen Vorgaben für seine Durchsetzung enthält, zwar grds. auf das jeweilige Regelungssystem des nationalen (Zivil-, Straf- oder Öffentlichen) Rechts zurückzugreifen ist75, dass jedoch die nähere Ausgestaltung des betreffenden nationalen Rechts insofern wieder gemeinschaftsrechtlicher Kontrolle unterliegt: Zum einen dürfen die mitgliedstaatlichen Systeme insoweit „nicht ungünstiger“ ausgestaltet sein als bei der Durchsetzung von Rechtspositionen des rein innerstaatlichen Rechts (sog. Äquivalenzgebot oder Diskriminierungsverbot), und zum anderen dürfen sie „die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren“ (sog. Effizienzgebot oder Vereitelungsverbot) 76.
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EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. 2007 L 319/1. Siehe außerdem Richtlinie 2006/49/EG vom 14.6.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. L 177/201, und Richtlinie 2007/44/EG vom 5.9.2007 in Bezug auf Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor, ABl. L 247/1. Siehe die Richtlinie 2002/92/EG vom 8.12.2002 über Versicherungsvermittlung, ABl. 2003 L 9/3. Dazu ausführlich unten 2.3.3.2. In diesem Zusammenhang wird oftmals von der „Verfahrensautonomie“ der Mitgliedstaaten gesprochen; vgl. CORDEWENER (Fn. 20), 305 m.w.N. Vgl. etwa EuGH, Rs. C-312/93, Peterbroeck, Slg. 1995, I-4599, Tz. 12 und verb. Rs. C-430/93 u. C-431/93, van Schijndel u.a., Slg. 1995, I-4705, Tz. 17, jeweils m.w.N. aus der älteren EuGH-Judikatur. Siehe auch NETTESHEIM, in: GS Grabitz, 447 (459 ff.); VON DANWITZ, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, 244 f.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Eine etwas nähere Konkretisierung dieser allgemeinen Rechtsprechung findet sich nun dort, wo es um die Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts im Hinblick auf Sanktionen für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht geht. Hierzu hat der EuGH in einer ganzen Reihe von Fällen unterschiedlicher Bereiche entschieden, dass die hierfür im nationalen Recht vorgesehenen (straf- oder auch disziplinarrechtlichen) Sanktionen nach der abstrakten Ausformung und konkreten Anwendung der sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln denjenigen entsprechen müssen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße vorgesehen sind gegen autonom nationales Recht (Äquivalenzgebot) und dass diese Sanktionen „jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen (Effizienzgebot)77. 2.3.2.2.1. Sanktionen für Pflichtverletzungen im Gesellschafts- und Bilanzrecht Eben diesen Ansatz hat der Gerichtshof schließlich in einem weiteren Schritt auf den hier in Rede stehenden Bereich übertragen: Die noch näher vorzustellenden einschlägigen Harmonisierungsakte des Gesellschafts- und Bilanzrechts78 enthalten zwar neben den sog. „Primärpflichten“ über Art und Umfang der Informationspreisgabe oftmals auch damit korrespondierende „Sekundärpflichten“, welche die Verletzung der erstgenannten Pflichten – in der Regel bei Erteilung sachlich unrichtiger Information – mit einer bestimmten Sanktion (Bindung des Informierenden an den falschen Inhalt oder Haftung dafür) belegen79. In einigen Fällen überlässt der Gemeinschaftsgesetzgeber aber die nähere Ausgestaltung der Sanktionsmaßnahme für unrichtige oder auch unterlassene Informationserteilung ausdrücklich den Mitgliedstaaten, und eben für diese Konstellationen werden zunehmend die oben genannten Rahmenregeln des EuGH relevant. 2.3.2.2.1.1. Beispiel „Publizitäts“-Richtlinie Dies hat sich zuvörderst an Art. 6 der 1. Richtlinie („Publizitäts“-Richtlinie 68/151/ EWG) gezeigt, der den Mitgliedstaaten auferlegt, für den Fall eines Unterbleibens u.a. der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie vorgeschriebenen Offenlegung von Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung „geeignete Maßregeln“ anzudrohen80. Zwar prüfte der EuGH in seinem ansonsten bahnbrechenden „Daihatsu“-Urteil vom Dezember 1997 am Beispiel der früheren deutschen Zwangsgeldregelung des § 335 77
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Siehe EuGH, Rs. 68/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Tz. 23 ff.; Rs. C-326/88, HANSEN, Slg. 1990, I-2911, Tz. 17; Rs. C-341/94, André Allain, Slg. 1996, I-4631, Tz. 24. Vgl. außerdem GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (67 f.) m.w.N. Eingehend dazu (insbesondere zu den dort geregelten „Primärpflichten“) unten 2.3.3.2.2. und 2.3.3.2.3. Siehe GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (67); DERS., DStR 2004, 232. Erste Richtlinie 68/151/EWG vom 9.3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (sog. „Publizitäts“-Richtlinie), ABl. L 65/8. Ausführlich zu dieser Richtlinie unten 2.3.3.2.2.1.1.
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HGB a.F. nicht näher, ob Art. 6 als unbedingt und hinreichend bestimmt angesehen werden kann, um unmittelbare Wirkung in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu entfalten 81. Generalanwalt Cosmas hatte allerdings ausdrücklich an die oben genannte allgemeine Judikatur angeknüpft und darauf hingewiesen, dass sich auch im Falle des Fehlens einer speziellen Regelung wie des Art. 6 „eine entsprechende Verpflichtung der Mitgliedstaaten mittelbar aus Art. 5 des Vertrages wie auch aus dem verbindlichen Charakter der Gemeinschaftsvorschriften insgesamt ergäbe“; die aus Art. 2 der 1. Richtlinie folgende Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Erlass von Maßnahmen hinsichtlich der Publizitätspflicht von Unternehmen stehe insofern „in unmittelbarem Zusammenhang mit der Existenz einer staatlichen Erzwingungsregelung, die präventiv oder repressiv die Einhaltung der betreffenden Vorschrift gewährleistet“: Die demnach ohnehin von den Mitgliedstaaten zur Absicherung der Publizitätspflichten des Art. 2 (speziell dessen Abs. 1 Buchst. g: Offenlegung des nach näherer Maßgabe der 4. Richtlinie82 aufgestellten Jahresabschlusses) zu schaffende Sanktionsnorm müsse bereits nach den allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen „geeignet“ sein, d.h. Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht müssten „nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein“ müsse83. Diese primärrechtliche Untermauerung und „Aufladung“ von Art. 6 der 1. Richtlinie hat jüngst ihre Fortsetzung darin gefunden, dass dieselben Grundsätze auch auf den – vom Wortlaut der Norm nicht eindeutig, aber nach seinem Regelungszusammenhang erst recht erfassten84 – Fall der inhaltlich falschen Publizierung von in Art. 2 der 1. Richtlinie aufgelisteten Unterlagen (erneut Abs. 1 Buchst. f: Jahresabschluss i.S.d. 4. Richtlinie) Anwendung finden: In seinem „Berlusconi“-Urteil vom Mai 2005 hebt nunmehr auch der EuGH hervor, es sei unter „Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 5 des Vertrages … zu klären, wie weit das Erfordernis der Geeignetheit der Sanktion nach Artikel 6 reicht“; nach dieser Judikatur müssten nämlich „die Mitgliedstaaten, denen allerdings die Wahl der Sanktion verbleibt, namentlich darauf achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche Verstöße
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Vgl. EuGH, Rs. C-97/96, Daihatsu Deutschland GmbH, Slg. 1997, I-6843, Tz. 24 f., wo dieser Aspekt offen gelassen wurde, da es sich um die Anwendung einer Richtlinie zu Lasten eines Einzelnen handele, die vom Gerichtshof grds. nicht zugelassen wird. Näher zum „Daihatsu“Fall noch unten 2.3.3.2.2.1.1.1. 4. Richtlinie 78/660/EWG (Fn. 46). GA COSMAS, Schlussanträge vom 3.7.1997, C-97/96, Daihatsu Deutschland GmbH, Slg. 1997, I-6843, Tz. 18 ff. Der BGH, GmbHR 2006, 151 (153), hat allerdings unlängst entschieden, dass die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur Schaffung von Sanktionen jedenfalls nicht so weit gehe, „Gesellschaften, die ihren Offenlegungspflichten nicht nachkommen, aufzulösen oder vom Markt zu nehmen“. Vgl. GA KOKOTT, Schlussanträge vom 14.10.2004, verb. Rs. C-387/02, C-391/02 u. C-403/02, Berlusconi u.a., Slg. 2005, I-3565, Tz. 70 ff.
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gegen nationales Recht, wobei die Sanktion jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss“85. Damit haben sich die allgemeinen, aus Art. 5 EGV (jetzt Art. 10 EG) abgeleiteten Rahmenvorgaben für die im nationalen Recht vorzusehenden Sanktionen für Gemeinschaftsrechtsverstöße auch hinsichtlich der Verstöße gegen sekundärrechtliche Publizitätspflichten inzwischen derart verfestigt, dass eine Regelung wie Art. 6 der 1. Richtlinie als „bedeutungslos“ angesehen werden kann86. 2.3.2.2.1.2. Beispiel „Zweigniederlassungs“-Richtlinie Gleiches lässt sich im Übrigen ebenso für die Parallelregelung in Art. 12 der 11. Richtlinie87 konstatieren, wonach die Mitgliedstaaten auch im Zusammenhang mit der Gründung von Zweigniederlassungen EU-ausländischer Kapitalgesellschaften für das Unterbleiben der in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Offenlegungen, die nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. Art 3 wiederum die Jahres- und auch Konzernabschlüsse nach der 4. sowie der 7. Richtlinie88 umfassen, „geeignete Maßregeln“ anzudrohen haben: Hierzu hat der EuGH in seiner bereits angesprochenen „Inspire Art Ltd“-Entscheidung gleichfalls auf seine allgemeine Rechtsprechung verwiesen, wonach die Mitgliedstaaten „dann, wenn eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts für den Fall ihrer Verletzung keine eigene Sanktionsbestimmung enthält oder insoweit auf die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verweist, nach Artikel 10 EG verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten“; insbesondere haben die Mitgliedstaaten bei der Auswahl und Ausgestaltung von Sanktionen darauf zu achten, „dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlich sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss“89. Letztlich gelten also auch insofern einheitliche, unmittelbar auf das Primärrecht zurückzuführende Grundsätze. Diese definieren zwar die Sanktionen nicht selbst, geben aber zumindest gewisse „Margen“ vor90. 2.3.2.2.2. Sanktionen für Pflichtverletzungen im Kapitalmarkrecht Ein strukturell vergleichbares Zusammenspiel zwischen Art und Umfang der zu veröffentlichenden Informationen regelnden „Primärpflichten“ einerseits und deren Effektuierung dienenden „Sekundärpflichten“ andererseits ist auch im Kapitalmarktrecht vorzufinden. Ohne bereits an dieser Stelle näher auf den sachlichen
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EuGH, verb. Rs. C-387/02, C-391/02 u. C-403/02, Berlusconi u.a., Slg. 2005, I-3565, Tz. 64 f. So insbesondere GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 282. 11. Richtlinie 89/666/EWG (Fn. 47). 7. Richtlinie 83/349/EWG (Fn. 55). EuGH, Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd, Slg. 2003, I-10155, Tz. 61 f. Näher zum Fall oben 2.3.2.1.2.3. Vgl. GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 283.
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Pflichtenkatalog des insofern einschlägigen Sekundärrechts einzugehen 91, seien hier nur enumerativ einige Beispiele genannt. 2.3.2.2.2.1. Beispiel Markteinführung von Wertpapieren Im Rahmen der Markteinführung von Wertpapieren sahen ursprünglich die „Börsenzulassungsprospekt“-Richtlinie 80/390/EWG 92 sowie die später hinzugetretene „Emissionsprospekt“-Richtlinie 89/298/EWG93 Regelungen über die in Prospektform zu veröffentlichenden Informationen insbesondere im Zusammenhang mit der eigentlichen Börsenzulassung sowie auch mit dem vorherigen öffentlichen Emissionsangebot vor, ohne jeweils aber Sanktionen für Pflichtverstöße vorzugeben. Die erstgenannten Regelungen über den Börsenprospekt wurden dann vorübergehend durch Art. 20 bis 41 i.V.m. Art. 98 bis 101 der (konsolidierenden) „Kapitalmarktpublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG94 modifiziert, ohne dass jedoch für den Fall von Pflichtverstößen eine besondere Sanktionsvorgabe vorgesehen gewesen wäre95. Eine umfassende weitere Modifizierung wurde dann allerdings durch die sog. „Prospekt“-Richtlinie 2003/71/EG96 herbeigeführt, welche nunmehr einheitlich die Modalitäten hinsichtlich des Prospekts für das öffentliche Angebot von Wertpapieren bzw. für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat (Art. 1 Abs. 1) vorgibt und zugleich in Art. 25 Abs. 1
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Eingehend zu den dort geregelten „Primärpflichten“ unten 2.3.3.2.4. Richtlinie 80/390/EWG vom 17.3.1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, ABl. L 100/1. Richtlinie 89/298/EWG vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. L 124/8. (Berichtigte) Richtlinie 2001/34/EG vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zu amtlichen Börsennotierungen und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. L 217/18. Siehe dort Art. 111 zur Aufhebung der Richtlinie 80/ 390/EWG. Art. 17 der Richtlinie 2001/34/EG betrifft nur die dem Emittenten „aus der Zulassung zur amtlichen Notierung erwachsenden Pflichten“ und damit nicht den Zulassungsvorgang bzw. -prospekt, während Art. 97 der Richtlinie 2001/34/EG sich lediglich auf die vorhergehenden Bestimmungen des betreffenden Kapitels (Art. 85 bis 96) bezieht, nicht aber auf jene des nachfolgenden Kapitels in Art. 98 ff.; näher zu beiden Bestimmungen sogleich unter 2.3.2.2.2.2. Zur Sonderfrage nach dem richtigen Adressaten möglicher – im nationalen Recht enthaltener – Sanktionen gegen die nach Art. 21 Abs. 2 für die Erfüllung der sich aus Art. 21 Abs. 1 ergebenden Anforderungen an den Prospektinhalt verantwortlichen Personen siehe jüngst GA SHARPSTON, Schlussanträge vom 8.3.2007, Rs. C-430/05, Ntionik AE, Slg. 2007, I-5835. Richtlinie 2003/71/EG vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 345/64. Vgl. ergänzend dazu auch Verordnung (EG) Nr. 809/2004 vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, ABl. L 149/1 (mit Berichtigung ABl. L 215/3). Ausführlich zur „Prospekt“-Richtlinie unten 2.3.3.2.4.1.
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eine einheitliche Vorgabe für Sanktionen enthält: Danach stellen die Mitgliedstaaten unbeschadet ihrer strafrechtlichen Ahndungsmöglichkeiten und zivilrechtlichen Haftungsregelungen „sicher, dass gegen Personen, die eine Missachtung der zur Durchführung dieser Richtlinie erlassenen Bestimmungen zu verantworten haben, angemessene Verwaltungsmaßnahmen getroffen oder Verwaltungssanktionen verhängt werden können“; ebenso stellen die Mitgliedstaaten sicher, „dass diese Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind“97. 2.3.2.2.2.2. Beispiel „regelmäßige“ und „laufende“ Informationen nach Marktzulassung Die bereits genannte Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie 2001/34/EG98 sprach darüber hinaus auch in einigen weiteren Bestimmungen Sanktionsmaßnahmen im mittelbaren sowie auch unmittelbaren Zusammenhang mit der Einhaltung von Veröffentlichungspflichten an. Zunächst einmal erlaubte Art. 17 den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten (Art. 105 ff.), dass diese – „unbeschadet der sonstigen Maßnahmen oder Sanktionen, die sie für den Fall vorsehen, dass der Emittent den ihm aus der Zulassung zur amtlichen Notierung erwachsenden Pflichten nicht nachkommt“ – den Umstand der unzureichenden Pflichterfüllung als solchen publik machen können. Implizit ging diese Norm aber zugleich (wie schon ihre Vorgängerin in Art. 12 der „Börsenzulassungs“-Richtlinie 79/279/EWG99) davon aus, dass die Mitgliedstaaten die angesprochenen „sonstigen Maßnahmen oder Sanktionen“ auch tatsächlich noch eigenständig „vorsehen“, was im Sinne einer Verpflichtung zur Schaffung entsprechender Sanktionsmechanismen zu verstehen sein wird. Die vorstehende Sanktionsverpflichtung der Mitgliedstaaten bezog sich nach der weiten Normformulierung des Art. 17 der Richtlinie 2001/34/EG auf den Gesamtkatalog der dem Emittenten „aus der Zulassung zur amtlichen Notierung erwachsenden Pflichten“. Nach der allgemeinen Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 betraf dies bei Aktienemissionen zumindest „die in den Artikeln 64 bis 69 … aufgeführten Pflichten“100, also über die nachfolgend noch gesondert anzusprechende Verpflichtung zur „ad hoc“-Publizität (Art. 68 Abs. 1) 101 hinaus insbesondere die sich aus Art. 67 Abs. 1 ergebende Pflicht der Gesellschaft, „dem Publikum unverzüglich ihren letzten Jahresabschluss und ihren letzten Lagebericht zur Verfügung zu stellen“102. Er97
Zur Gegenüberstellung der Richtlinien 2001/34/EG und 2003/6/EG hinsichtlich der Sanktionsnormen vgl. unlängst EuGH, Rs. C-430/05, Ntionik AE, Slg. 2007, I-5835, Tz. 52 ff. 98 Siehe oben Fn. 94. Vgl. dort Art. 111 auch zur Aufhebung der Richtlinie 79/279/EWG. 99 Richtlinie 79/279/EWG vom 5.3.1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, ABl. L 66/21. 100 Für die Emission von Schuldverschreibungen gelten „die in den Artikeln … 78 bis 84 aufgeführten Pflichten“. 101 Dazu sogleich unten 2.3.2.2.2.3. 102 Dies schließt nach Art. 67 Abs. 2 neben dem Einzelabschluss grds. auch einen ggf. vorhandenen konsolidierten Konzernabschluss ein und kann sich nach Art. 67 Abs. 3 mitunter auch noch auf „genauere und zusätzliche Angaben“ erstrecken (Letzteres für den Fall, dass Jahresabschluss und Lagebericht „nicht den Bestimmungen der Richtlinien über die Gesellschaftsabschlüsse“ entsprechen sollten und „kein getreues Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft“ vermitteln).
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fasst wurde aber auch die in Art. 70 bis 77 geregelte (sog. „regelmäßige“) Verpflichtung für Gesellschaften mit zur amtlichen Notierung an einer mitgliedstaatlichen Wertpapierbörse zugelassenen Aktien, einen Halbjahresbericht „über ihre Geschäftstätigkeit und ihre Ergebnisse während der ersten sechs Monate jedes Geschäftsjahres“ zu veröffentlichen, welche an die Stelle der zuvor noch sanktionslos in der „Zwischenberichts“-Richtlinie 82/121/EWG103 enthaltenen Pflichten getreten war; nach Art. 70 Abs. 1 „stellen“ die Mitgliedstaaten die Erfüllung dieser Pflicht „sicher“, was gleichfalls die etwaige Vornahme von Sanktionen impliziert. Expliziter formuliert als Art. 17 und auch Art. 70 Abs. 1 war hingegen Art. 97 der Richtlinie 2001/34/EG, der insofern Art. 15 (i.V.m. Art. 1 ff.) der früheren „Beteiligungstransparenz“-Richtlinie 88/627/EWG104 ablöste: Danach hatten die Mitgliedstaaten „angemessene Sanktionen“ vorzusehen für den Fall, dass die in Art. 85 Abs. 1 genannten Personen und Gesellschaften die Bestimmungen der Art. 85 bis 96 über die (sog. „laufende“) „Informationspflicht bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft“ nicht einhielten. Dies betraf Situationen, in denen natürliche oder juristische Personen eine Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft erwarben oder veräußerten und dadurch bestimmte in Art. 89 Abs. 1 aufgeführte Beteiligungsschwellenwerte (grds. 10 %, 20 %, 1/3, 50 % und 2/3) über- bzw. unterschritten wurden; es trat hier eine innerhalb von sieben Tagen zu erfüllende Pflicht zur Informierung der betroffenen Gesellschaft sowie der zuständigen Stellen (Art. 96) ein, welcher eine innerhalb von neun Tagen zu erfüllende Pflicht der Gesellschaft zur Unterrichtung des Publikums in den Mitgliedstaaten ihrer Börsennotierung folgte (Art. 91 Abs. 1). Im Zuge einer weitreichenden Ablösung der vorgenannten Richtlinie 2001/34/ EG durch die sog. „Transparenz“-Richtlinie 2004/109/EG105 erfolgte dann sowohl eine Neuordnung und Erweiterung der Informationspflichten im Zusammenhang mit Wertpapieren, die an einem mitgliedstaatlichen geregelten Markt zugelassen sind, als auch eine Vereinheitlichung der Sanktionsregelungen für Pflichtverletzungen. In Kapitel II (Art. 4 bis 8) dieser Richtlinie sind nunmehr die Pflichten des Emittenten über die sog. „regelmäßige Information“ (Jahresfinanzberichte, Halbjahresfinanzberichte sowie auch „Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung“) geregelt, während Kapitel III (Art. 9 bis 18) die sog. „laufende Information“ betrifft. 103
Richtlinie 82/121/EWG vom 15.2.1982 über regelmäßige Informationen, die von Gesellschaften zur veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind, ABl. L 48/26. Auch diese Richtlinie wurde durch Art. 111 der Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie 2001/34/EG aufgehoben. 104 Richtlinie 88/627/EWG vom 12.12.1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. L 348/62. Zur Aufhebung dieser Richtlinie insgesamt siehe Art. 111 der Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie 2001/34/EG. 105 Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 390/38; vgl. dort Art. 32 zu den aufgehobenen bzw. geänderten Bestimmungen der KapitalmarktpublizitätsRichtlinie 2001/34/EG. Eingehend zur „Transparenz“-Richtlinie unten 2.3.3.2.4.2. und 2.3.3.2.4.3.2.
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Letztere umfasst insbesondere „Informationen über bedeutende Beteiligungen“ im Falle des Über- oder Unterschreitens bestimmter Schwellenwerte (grds. 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % oder 75 %) bei Erwerb oder Veräußerung von stimmrechtsberechtigten Aktien, wobei der Aktionär grds. innerhalb von vier Handelstagen den Emittenten und dieser innerhalb von drei weiteren Handelstagen die Öffentlichkeit zu informieren hat (Art. 12 Abs. 2, 6); außerdem besteht nach Art. 14 eine eigenständige Pflicht des Emittenten zur Mitteilung von Erwerb bzw. Veräußerung eigener Aktien bei Über- bzw. Unterschreiten bestimmter Schwellenwerte (5 % oder 10 %). Für Verletzungen sämtlicher vorbezeichneter Verpflichtungen sieht Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/109/EG nunmehr einheitliche Sanktionsvorgaben vor 106: Danach stellen die Mitgliedstaaten unbeschadet etwaiger strafrechtlicher Ahndungsmöglichkeiten „entsprechend ihrem jeweiligen nationalen Recht sicher, dass bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften gegen die verantwortlichen Personen zumindest geeignete Verwaltungsmaßnahmen ergriffen oder zivil- und/oder verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängt werden können“. Dabei haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, „dass diese Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind“. 2.3.2.2.2.3. Beispiel besondere „ad hoc“-Publizität (speziell für „Insider“Informationen) Für den speziellen Bereich der Bekämpfung von Insider-Geschäften mit zum Handel an einem staatlich reglementierten und überwachten Markt zugelassenen Wertpapieren überließ zunächst schon die sog. „Insider“-Richtlinie 89/592/EWG 107 in Art. 13 ausdrücklich den Mitgliedstaaten die Festlegung von Sanktionsregelungen, wobei diese allerdings „so weit gehen“ mussten, „dass sie einen hinreichenden Anreiz zur Einhaltung“ der aufgrund der Richtlinie erlassenen Vorschriften darstellten; allerdings erschöpfte sich die damalige Richtlinie insofern noch im Wesentlichen in Verbotsnormen, ohne zugleich Veröffentlichungspflichten vorzusehen. Demgegenüber sah die konsolidierende „Kapitalmarktspublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG 108 zwar in Art. 68 Abs. 1 eine – insofern aus der „Börsenzulassungs“Richtlinie 79/279/EWG109 übernommene – generelle „ad hoc“-Veröffentlichungspflicht von börsennotierten Aktiengesellschaften vor im Falle des Eintretens neuer
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Art. 28 Abs. 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten überdies im Grundsatz dazu, die entsprechenden Sanktionen auch öffentlich bekannt zu geben. Hinzuweisen ist außerdem auf die in Art. 7 angelegte Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Schaffung eines Haftungssystems für Falschinformationen des Kapitalmarkts; siehe speziell dazu M ÜLBERT/STEUP, WM 2005, 1633 (1653 f.) sowie VEIL, ZBB 2006, 162 (168 f.), der auch in diesem Kontext auf die aus Art. 10 Abs. 2 EG folgenden Wirksamkeitsanforderungen verweist. 107 Richtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. L 334/30. Zur Praxis der „ad hoc“-Publizität in Deutschland nach Umsetzung dieser Richtlinie vgl. etwa FÜLBIER, StuB 1999, 1260 ff. 108 Oben Fn. 94. Siehe dort Art. 111 zur Aufhebung der Richtlinie 79/279/EWG. 109 Oben Fn. 99. Siehe dort Art. 17 i.V.m. Schema C Tz. 5.a des Anhangs I.
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Tatsachen mit beträchtlicher Relevanz für den Aktienkurs110 (worunter grds. auch intern bekannt gewordene „Insider-Informationen“ fallen können111); sie enthielt allerdings keine expliziten eigenen Sanktionsvorgaben, sondern lediglich den oben bereits angesprochenen indirekten Verweis auf nationale Sanktionsmaßnahmen in Art. 17. Sowohl Veröffentlichungspflichten für Emittenten an einem geregelten Markt als auch Sanktionsvorgaben umfasst nunmehr aber die sog. „Marktmissbrauchs“-Richtlinie 2003/6/EG112: Für Verstöße u.a. gegen die in ihrem Art. 6 verlangte „ad hoc“-Publizität von „Insider-Informationen“ obliegt es gemäß Art. 14 Abs. 1 den Mitgliedstaaten nach ihrem innerstaatlichen Recht, dass „gegen die verantwortlichen Personen geeignete Verwaltungsmaßnahmen ergriffen oder im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen verhängt werden“; insbesondere haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, „dass diese Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind“. 2.3.2.2.3. Zwischenfazit Betrachtet man die vorgenannten Beispiele aus der Richtliniengesetzgebung im Gesamtüberblick, lässt sich im Hinblick auf die Sanktionierung von Verstößen gegen Publizitätspflichten konstatieren, dass bereits nach dem Richtlinienwortlaut mehr und mehr gleiche Rahmenbedingungen das Bild prägen: Die zahlreichen in den Richtlinien vorgesehenen Veröffentlichungspflichten für „Marktteilnehmer“ (Unternehmen, Emittenten, ggf. auch Anleger) werden in zunehmend umfassenderem Maße begleitet von einer gemeinschaftsrechtlichen Inanspruchnahme der Mitgliedstaaten zum Zwecke der Schaffung von Sanktionsmechanismen für die Ahndung von Pflichtverstößen. Hinsichtlich der näheren inhaltlichen Ausgestaltung dieser Sanktionen lässt der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten im Grundansatz einen Spielraum, der aber äußeren Begrenzungen unterworfen ist. Dies zeigt sich besonders deutlich im Bereich der jüngeren kapitalmarktrechtlichen Richtlinien, die von den Mitgliedstaaten verlangen, dass die gewählten Sanktionsmaßnahmen jedenfalls „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Hierbei handelt es sich letztlich um nichts anderes als – deklaratorisch wirkende – sekundärrechtliche Kodifizierungen des primärrechtlich aus Art. 10 EG abgeleiteten Effizienzgebotes. Als weitere (ungeschriebene) Rahmenbedingung ist jeweils zudem das Äquivalenzgebot zu beachten.
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Für Schuldverschreibungen folgte eine gleichgelagerte „ad hoc“-Publizitätspflicht aus Art. 81 Abs. 1. 111 Nach der Legaldefinition in Art. 1 Nr. 1 der nachfolgend genannten „Marktmissbrauchs“Richtlinie 2003/6/EG zeichnen sich „Insider-Informationen“ schon qua definitionem durch ihre potentiell erhebliche Kursrelevanz aus. 112 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. L 96/16. Diese Richtlinie hebt in ihrem Art. 20 sowohl die Insider-Richtlinie 89/562/EG insgesamt als auch Art. 68 Abs. 1 (und Art. 81 Abs. 1) der KapitalmarktpublizitätsRichtlinie auf. Siehe näher zur „Marktmissbrauchs“-Richtlinie unten 2.3.3.2.4.3.1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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2.3.3. Sekundärrechtliche Veröffentlichungspflichten Nachfolgend wird nunmehr der Frage nachgegangen, welche primärrechtlichen Kompetenznormen als „Ermächtigungsgrundlage“ für die Vorgabe sekundärrechtlicher Veröffentlichungspflichten in Betracht kommt und welche publizitätsrelevanten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen auf dieser Grundlage bisher ergangen sind. Hierbei wird sich bei näherer Betrachtung zeigen, dass die grundlegenden Sekundärrechtsakte in den Bereichen des Gesellschafts-, Bilanz- sowie auch Kapitalmarktrechts sich hauptsächlich (oder sogar fast ausschließlich) mit der Informationsverschaffung befassen113. Sie sind somit gerade ein besonderer Ausdruck des oben bereits erläuterten Primats der Informationsverschaffung vor zwingenden Sachnormen114. Dies korrespondiert mit der vielfach vertretenen Auffassung, Informationen über Unternehmen und ihre Träger seien „das Fundament eines freien und offenen Marktes“115. Ganz allgemein ist zudem hervorzuheben, dass die von der Gemeinschaft erlassenen sekundärrechtlichen Bestimmungen, welche (jeweils näher bestimmte) in einem Mitgliedstaat ansässige Unternehmen zur Erteilung von Informationen über ihre wirtschaftlichen sowie ggf. auch organisatorischen Verhältnisse verpflichten, in engem Zusammenhang mit der Verwirklichung einer potentiell EU-weiten, den gesamten Raum des Binnenmarktes in Anspruch nehmenden ökonomischen Betätigung durch diese Unternehmen selbst stehen.
2.3.3.1. Ermächtigungsgrundlagen Letzteres spiegelt sich insbesondere auch in dem nachfolgend noch zu verdeutlichenden Umstand wider, dass sämtliche in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen für sekundärrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen zur „positiven Integration“116 der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme einen ausdrücklichen Bezug zum Gemeinsamen Markt bzw. Binnenmarkt aufweisen. 2.3.3.1.1. Systematik der Kompetenznormen des EG-Vertrags Für das gesetzgeberische Tätigwerden der Gemeinschaft im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten sind die näheren Vorgaben des EG-Vertrags maßgeblich. So weit dort in Art. 249 Abs. 1 EG (früher Art. 189 Abs. 1 EGV) den EU-Organen „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ die Instrumente der Verordnung und der Richtlinie zur Verfügung gestellt werden, unterliegt die Verwendung dieser Rechtsinstrumente der ausdrücklichen Einschränkung, dass sie nur „nach Maßgabe dieses Vertrages“ erfolgen kann. Dies betrifft nicht allein das für die Verabschiedung des einzelnen Rechtsaktes zu beachtende Verfahren, sondern insbesondere auch die Notwendigkeit, eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für dessen Erlass zu identifizieren. Diese Notwendigkeit besteht vor dem Hintergrund einer nicht etwa generellen, sondern 113
Siehe auch GRUNDMANN, EBOR 2004, 601 (621 f.); DERS., ZIP 2004, 2401 (2407). Siehe oben 2.3.2.1.2. 115 Vgl. nur NOACK, Infobase für Unternehmensdaten – Gegenwart und Zukunft der Medien für Unternehmenspublizität, 9 (Rn. 1). 116 Siehe oben 2.3.2.1.1. 114
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vielmehr funktional-zweckgebundenen und damit von vornherein limitierten Zuständigkeit der Gemeinschaft, die ihren allgemeinen Ausdruck in der Grundnorm des Art. 5 Abs. 1 EG (früher Art. 3b Abs. 1 EGV) gefunden hat: Danach wird die Gemeinschaft (nur) „innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig“. Dieses Prinzip der sog. „begrenzten Einzelermächtigung“117 verlangt somit für jedes Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers eine für das betroffene Sachgebiet passende und die angestrebten Maßnahmen in Art und Umfang inhaltlich abdeckende Ermächtigungsgrundlage. Hinsichtlich der vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen lässt sich anhand ihrer Relevanz für den vorliegenden Kontext eine nach Spezialitätsgesichtspunkten mehrfach abgestufte Differenzierung vornehmen. Die allgemeinste Regelung stellt insofern Art. 308 EG (früher Art. 235 EGV) dar: Danach können selbst dann, wenn im EG-Vertrag „die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind“, aber ein „Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich (erscheint), um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen“, einstimmig die „geeigneten Vorschriften“ – d.h. neben Richtlinien ggf. auch Verordnungen – erlassen werden. Diese Regelung ist allerdings nicht als unbegrenzte Kompetenzzuweisung an die Gemeinschaft zu verstehen, sondern lediglich als Kompetenzergänzung bzw. Reserveermächtigung für den Fall, dass der EG-Vertrag zur Verwirklichung eines Vertragszieles keine ausdrückliche Ermächtigung enthalten sollte118. Wegen der vorhandenen spezifischeren Rechtsgrundlagen hat die Bestimmung des Art. 308 EG lediglich im Zusammenhang mit der Schaffung supranationaler Rechtsformen ansatzweise Bedeutung erlangt119. Als Spezialregelungen gehen dem Art. 308 EG zunächst die Art. 94 EG (früher Art. 100 EGV) und Art. 95 EG (früher Art. 100a EGV) vor. Die erstgenannte Bestimmung des Art. 94 EG ermächtigt unter der Bedingung der Einstimmigkeit zum Erlass von „Richtlinien für die Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken“. Diese Norm ist ihrerseits wiederum subsidiär gegenüber dem durch die Einheitliche Europäische Akte120 eingefügten Art. 95 EG: Nach dessen Abs. 1 gilt – explizit „abweichend“ von Art. 94 EG und soweit im EG-Vertrag „nichts anderes bestimmt ist“121 –, dass „die
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Vgl. dazu im vorliegenden Kontext etwa HABERSACK (Fn. 29), § 3 Rn. 34 sowie SCHWARZ, Europäisches Gesellschaft, Rn. 190. 118 Siehe nur SCHWARZ (Fn. 117), Rn. 207. 119 Vgl. SCHWARZ (Fn. 117), Rn. 208 sowie auch unten 2.3.3.1.2. Hinsichtlich der Einführung neuer Gesellschaftsformen werden vorrangig Art. 95 EG (Art. 100a EGV) und/oder Art. 308 EG als einschlägige Rechtsgrundlagen diskutiert; vgl. am Beispiel der Europäischen Aktiengesellschaft etwa SCHÖN, ZGR 1995, 1 (16 ff.) und GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 1009. 120 Oben Fn. 24. 121 Eine solche Abweichung findet sich bereits in Art. 95 Abs. 2 EG: Danach gilt Abs. 1 dieser Norm „nicht für die Bestimmungen über die Steuern, die Bestimmungen über die Freizügigkeit und die Bestimmungen über die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer“. Für diese Bereiche ist also entweder auf die allgemeinere Regel des Art. 94 EG oder auf sonstige Spezialregelungen zurückzugreifen.
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Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“, gemäß Art. 251 EG (früher Art. 189b EG-Vertrag) auch mit qualifizierter Mehrheit erlassen werden können. Die speziellere Bestimmung des Art. 95 Abs. 1 EG reicht hinsichtlich des zulässigen Regelungsinstrumentariums weiter als Art. 94 EG, da die von ihr zur Verfügung gestellten „Maßnahmen“ nicht abschließend spezifiziert sind und somit neben Richtlinien grds. auch Verordnungen in Betracht kommen; andererseits ist Art. 95 Abs. 1 EG tatbestandlich enger gefasst, da die Norm sich auf den „Binnenmarkt“ statt auf den „Gemeinsamen Markt“ bezieht und damit ein höheres Integrationsniveau gerade in jenen Bereichen anstrebt, die vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten erfasst werden122. 2.3.3.1.2. Gesellschaftsrecht An dieser Stelle liegt dann auch der Schnittpunkt zu der im vorliegenden Kontext besonders relevanten Niederlassungsfreiheit, da sich vor allem in ihrem Anwendungsbereich die eingangs123 genannte enge Verbindung zwischen ökonomischer Betätigung im Binnenmarkt auf der einen und Informationserteilung auf der anderen Seite herausgebildet hat: Während nämlich Art. 43 EG (ex Art. 52 EGV) es den Unternehmen ermöglichen soll, grenzüberschreitend in einem anderen Mitgliedstaat primäre124 sowie insbesondere auch sekundäre Niederlassungen (Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften) zu errichten, ermächtigt der seit der Maastrichter Vertragsrevision neu gefasste Art. 44 Abs. 1 EG (ex Art. 54 Abs. 2 EGV) den Rat zum Erlass ergänzender Richtlinien zur Realisierung „der Niederlassungsfreiheit für eine bestimmte Tätigkeit“125. Nach Art. 44 Abs. 2 EG (ex Art. 54 Abs. 3 EGV), der als wesentliches Bindeglied zwischen den Grundfrei122
Siehe speziell mit Bezug zum Gesellschaftsrecht SCHWARZ (Fn. 117), Rn. 202 sowie allgemein auch bereits die Nachweise oben unter 2.3.2.1.1. Vgl. allgemein zur Auslegung des Art. 95 EG zuletzt etwa GA LÉGER, Schlussanträge vom 13.6.2006, Rs. C-380/03, Deutschland/Parlament u. Rat, Slg. 2006, I-11573, Tz. 78 ff. mit Anm. PAULING, EuZW 2006, 432 ff. 123 Einleitend oben unter 2.3.3. 124 Zumindest nach der bisherigen EuGH-Judikatur gilt dies für Gesellschaften nur in eingeschränktem Maße: Geschützt ist nach der jüngeren Rechtsprechung zwar der Zuzug durch Verlagerung des Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat; vgl. etwa EuGH, Rs. C-208/00, Überseering BV, Slg. 2002, I-9919 ff. (dazu auch oben 2.3.2.1.2.3.). Nicht geschützt ist aber wohl auch weiterhin die Behinderung des Wegzugs durch Regelungen des Gründungsstaats; vgl. bereits EuGH, Rs. 81/87, Daily Mail plc, Slg. 1988, 5483, Tz. 16 ff. Siehe dazu etwa KINDLER, NJW 1999, 1993 (1996 ff.); ZIMMER, ZHR 164 (2000), 23 (27 ff.); SCHÖN, in: FS Lutter, 685 (700 ff.). Abzuwarten bleibt hier der Ausgang des derzeit anhängigen EuGH-Verfahrens in der Rs. C-210/06, Cartesio, ZIP 2006, 1536 ff.; dazu etwa NEYE, EWiR Art. 43 EG 1/06, 459 f. und KLEINERT/SCHWARZ, GmbHR 2006, R 365 f. Siehe jüngst auch GA POIARES MADURO, Schlussanträge vom 22.5.2008, Rs. C-210/06, Cartesio, DB 2008, 1257 Tz. 22 ff. Näher dazu WACHTER, GmbHR 2008, R 139 f.; WENG, EWS 2008, 264 ff.; WILHELMI, DB 2008, 1611 ff.; CAMPOS NAVE, BB 2008, 1410 ff. 125 Siehe in diesem Zusammenhang auch ganz allgemein zum Verhältnis von Primär- und Sekundärrecht nach der Anerkennung der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 52 EWGV (jetzt Art. 43 EG) bereits oben 2.3.2.1.1.
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heiten und dem sekundären Gemeinschaftsrecht fungiert126, erfüllen der Rat und die Kommission ihre Aufgaben im Rahmen der Verwirklichung des Niederlassungsrechts „insbesondere“ durch eine Reihe von Einzelmaßnahmen in zahlreichen näher aufgelisteten Bereichen127. Hierzu gehört unter anderem nach Buchst. g, dass sie „soweit erforderlich die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“. Der Umstand, dass die unmittelbare Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die Gesellschaft selbst nicht unter einem Harmonisierungsvorbehalt steht128, entbindet somit die Gemeinschaftsorgane nicht von ihrer Pflicht zum Erlass flankierender Sekundärrechtsmaßnahmen, sondern verstärkt diese Pflicht nur noch weiter. Die Regelung des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG bildet damit die „Hauptkompetenznorm“ im Europäischen Gesellschaftsrecht129. Der Wortlaut der Regelung bringt klar zum Ausdruck, dass der primärrechtlichen Eröffnung der Bewegungsfreiheit einer Gesellschaft von mitgliedstaatlicher Seite durchaus Gegengewichte in Form von Schutzmechanismen zu Gunsten von Gesellschaftern wie auch dritten Personen entgegengehalten werden dürfen, nur sollen diese Mechanismen durch sekundärrechtliche Koordinierungsmaßnahmen gemeinschaftsweit auf ein gleichwertiges Schutzniveau gebracht werden. Wie im nationalen Recht findet sich somit auch auf europäischer Ebene der Gedanke, dass die Eröffnung unternehmerischer Handlungsmöglichkeiten einer Gesellschaft auf der einen und der Schutz der Interessen insbesondere von (aktuellen und potentiellen) Gesellschaftern und Geschäftspartnern auf der anderen Seite in einer Komplementärbeziehung zueinander stehen, dass also die dem Schutz der letztgenannten Personen dienenden Informationspflichten letztlich ein „Korrelat der Marktteilnahme“ seitens der Gesellschaft sind 130. Dementsprechend ist Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG letztlich auch eine multifunktionale Ausrichtung beizumessen: Die Norm ermächtigt dem Grunde nach sowohl zum Abbau von Hindernissen für die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften als auch zur Einführung von Vorschriften zum Schutz anderer Marktteil-
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SCHÖN, RabelsZ 64 (2000), 1 (9 ff.). Wie EuGH, Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V., Slg. 1997, I-6843, Tz. 21 (dazu auch unten 2.3.3.2.2.1.) bestätigt, enthielt Art. 54 Abs. 3 EGV „lediglich eine nicht abschließende Liste von Maßnahmen“ zum Abbau von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und konnte nicht als sachliche Einschränkung des Tätigkeitsbereichs von Rat und Kommission nach Art. 54 Abs. 1 und 2 EGV angesehen werden. Gleiches gilt heute im Verhältnis von Art. 44 Abs. 2 zu Abs. 1 EG; vgl. SCHEUER, in: LENZ/BORCHARDT, EU- und EG-Vertrag, Art. 44 EG Rn. 1. 128 Dazu bereits oben 2.3.2.1.1., insbesondere zum EuGH-Urteil „SEVIC“. 129 Siehe GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 98. 130 Vgl. in diesem Sinne bereits den Titel der Untersuchung von MERKT (Fn. 2). Ebenso etwa NOACK (Fn. 115), 9 (Rn. 2) sowie DERS., AG 2003, 537 m.w.N. in Fn. 1. Vgl. außerdem das Schreiben des Bundesjustizministeriums vom 22.3.1994 an die Wirtschafts- und Interessenverbände (III A 3 – 3507/8 II – 32 0480/94), GmbHR 1994, 306: „Publizität ist der Preis für die Haftungsbeschränkung“. 127
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nehmer131. Über die Erleichterung der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften und Gesellschaftern hinaus zielt die Regelung damit generell auf eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im Gesellschaftsrecht und auf eine Beseitigung von Wettbewerbsverfälschungen für die Betätigung von Kapitalgesellschaften im Binnenmarkt, die dabei zugleich durch die Aufrechterhaltung eines hinreichenden Schutzniveaus für Gesellschafter und Dritte bedingt ist132. Der EuGH hat diese bereits weitreichende Auslegung nicht nur aufgenommen, sondern inhaltlich sogar noch weiter ausgedehnt: Schon in seiner grundlegenden „Daihatsu“-Entscheidung betonte er, Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV (heute Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG) sei „in Verbindung mit den Artikeln 52 und 54 EG-Vertrag, wonach die Koordinierung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften Bestandteil des allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit ist, und mit Artikel 3 Buchstabe h EG-Vertrag zu sehen, wonach die Tätigkeit der Gemeinschaft die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften umfasst, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist“133. Vor dem Hintergrund dieses durch systematische Verknüpfung mit dem Vertragsziel des Gemeinsamen Marktes verobjektivierten Normzwecks fällt es dem Gerichtshof dann auch nicht sonderlich schwer, den Kreis der aktuell und potentiell schutzbedürftigen Personen ohne jegliche subjektive Eingrenzung ausufern zu lassen: Insofern begnügt der EuGH sich mit dem bloßen Hinweis, es sei auch „in Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages selbst vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede, ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden“; folglich könne der in dieser Norm genannte „Begriff des Dritten … nicht auf Gläubiger der Gesellschaft beschränkt werden“134. In seinem noch eingehend zu diskutierenden Beschluss in der Rechtssache „Axel Springer“ hat der EuGH diesen Ansatz unlängst noch einmal ausdrücklich aufgegriffen und festgestellt, dass Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG dem Gemeinschaftsgesetzgeber „weitgehende Befugnisse“ verleihe und „vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein“ spreche, „ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden“; letztlich erfasse der Begriff damit „alle Dritten“, worunter dann auch „u.a. die Konkurrenten der betreffenden Gesellschaften“ zu fassen seien135. Auch wenn diese extrem weite Auslegung des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG (bzw. früher Art. 54 Abs. 3 Buchst. E[W]GV) durch den EuGH erst zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt proklamiert wurde, bildete die Regelung dennoch 131
Eingehend hierzu SCHÖN, ZHR 160 (1996), 220 (224 ff.); DERS., ZGR 2000, 706 (707 ff.) („doppelte Zwecksetzung europäischer Rechtsangleichung“). Speziell zum Schutz potentieller Gesellschafter (Anleger) auch DERS., ZGR 2000, 706 (711 f.) sowie HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (749 f.). 132 Dazu insbesondere SCHÖN, ZGR 1995, 1 (14 f.) m.w.N. 133 EuGH, Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V., Slg. 1997, I-6843, Tz. 18; vgl. auch unten 2.3.3.2.2.1. 134 EuGH, Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V., Slg. 1997, I-6843, Tz. 19 f. 135 EuGH, verb. Rs. C-435/02 u. C-103/03, Axel Springer AG, Slg. 2004, I-8663, Tz. 34. Ausführlich zu dieser Entscheidung noch unten 2.3.4.4.
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bereits von Anfang an die entscheidende Rechtsgrundlage für den Erlass gesellschaftsrechtlicher Richtlinien 136. Es ist allerdings zu erwähnen, dass in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften die Harmonisierungskompetenz der Gemeinschaft stärker auf Art. 44 Abs. 1 EG137 oder gar auf Art. 44 EG insgesamt138 gestützt und im Zusammenhang mit der Einführung neuer supranationaler Rechtsformen139 vorrangig auf die allgemeine Kompetenznorm des Art. 308 EG (früher Art. 235 EGV) 140 zurückgegriffen wurde. Hierin wird im Schrifttum eine Tendenz zu einem wieder stärker am dienenden Zusammenhang der Rechtsangleichung mit der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit orientierten Verständnis des Art. 44 Abs. 2 EG auf Seiten der Gemeinschaftsorgane gesehen141. Dies führt zu der Frage, ob sich aus dem Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG („soweit erforderlich“) sowie ggf. auch aus der im Rahmen der Maastrichter Revision in den Vertrag inkorporierten Schrankentrias des Art. 5 EG (ex Art. 3b EG) – nämlich den Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit – äußere Grenzen für Umfang und Reichweite etwai-
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Siehe die 1. Richtlinie 68/151/EWG (Fn. 80) sowie ergänzend auch die Richtlinie 2003/58/EG vom 15.7.2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. L 221/13. Siehe außerdem die 2. Richtlinie 77/91/EWG (Fn. 67); die Dritte Richtlinie 78/855/EWG vom 9.10.1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (sog. „nationale Verschmelzungs“-Richtlinie), ABl. L 295/36; die Sechste Richtlinie 82/891/EWG vom 17.12.1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften (sog. „nationale Spaltungs“-Richtlinie), ABl. L 378/47. 137 Vgl. die Richtlinie 2004/25/EG vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (sog. „Übernahme“-RL), ABl. L 142/12, wo allerdings im 1. Erwägungsgrund der Präambel auf Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG verwiesen wird. 138 Siehe bereits die 11. Richtlinie 89/666/EWG (Fn. 47) sowie außerdem die Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG vom 21.12.1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (sog. „EinpersonenGmbH“-Richtlinie). Ebenso auch der Vorentwurf vom 22.4.1997 für eine Vierzehnte Richtlinie über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgebenden Rechts, ZIP 1997, 1721 ff., sowie auch die Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (sog. „internationale Verschmelzungs“-Richtlinie), ABl. L 310/1. 139 Siehe bereits die Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABl. L 199/1. Vgl. in jüngerer Zeit außerdem die Verordnung (EG) Nr. 2157//2001 vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. L 294/1 sowie die Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 vom 22.7.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl. L 207/1. Hinsichtlich des letztgenannten Statuts hat der EuGH jüngst im Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-436/03, Parlament/Kommission u. Rat, Slg. 2006, I-3733 ff., ausdrücklich die Wahl von Art. 95 EG als zutreffende Rechtsgrundlage bestätigt. Siehe über das Gesellschaftsrecht hinaus zur Schaffung supranationaler Einrichtung (hier: Gemeinschaftsagentur ENISA) außerdem EuGH, Rs. C-217/ 04, Vereinigtes Königreich/Europäisches Parlament, EuZW 2006, 369 ff. m. Anm. OHLER. 140 Dazu oben 2.3.3.1.1. 141 So LUTTER, Europäisches Unternehmensrecht, 10 f.
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ger Harmonisierungsmaßnahmen ableiten lassen. Hier ist im Grundsatz allerdings ein erheblicher Beurteilungsspielraum des europäischen Gesetzgebers zu konstatieren, der sich zudem am jeweiligen Stadium der Binnenmarktintegration zu orientieren hat142. Zumindest in Form eines groben Regelungsrahmens können sich aber auch insofern Auswirkungen des grundfreiheitsrechtlichen „Informationsmodells“ ergeben, weil der Gemeinschaftsgesetzgeber an die Vorgaben des Primärrechts gebunden ist und daher den Vorrang der Informationsverschaffung vor der Einführung zwingender Sachnormen bei seinen Harmonisierungsmaßnahmen beachten muss143. Diese Überlegungen haben sich in jüngerer Zeit auch in den auf Ebene der EUKommission geführten Diskussionen um neue Harmonisierungsansätze niedergeschlagen. So hat insbesondere die von der Kommission im Herbst 2001 eingesetzte „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ (High Level Group of Company Law Experts) unter dem Vorsitz von Winter nicht allein in ihrem im Januar 2002 veröffentlichten Bericht über „Die Abwicklung von Übernahmeangeboten“ die Intensivierung und Vereinheitlichung von (speziell kapitalmarktrechtlich orientierten) Publizitätspflichten angeregt144, sondern darüber hinausgehend auch in ihrem Bericht vom November desselben Jahres über „Moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“ ganz allgemein die Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen als „wirkungsvolles ordnungspolitisches Instrument“ für das Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht empfohlen: Nach Auffassung der Expertengruppe können Offenlegungserfordernisse „in manchen Fällen ein wirksameres Regelungsinstrument darstellen als materielles Recht mit mehr oder weniger detaillierten Vorschriften“, weil sie einen „weniger schwerfälligen, flexibleren und anpassungsfähigeren rechtlichen Rahmen“ zu schaffen vermögen. Gemäß der ausdrücklichen Empfehlung der Expertengruppe „sollte die EU bei ihren Überlegungen zur Schaffung neuer und zur Änderung bestehender Vorschriften des Gesellschaftsrechts sorgfältig abwägen, ob Offenlegungserfordernisse zur Erreichung des angestrebten Ziels besser geeignet sind als materiellrechtliche Regelungen“145. Auch wenn die Breite dieses – auf die Kurzformel „Transparenz
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Auch dazu SCHÖN, ZHR 160 (1996), 220 (227 ff.). So für den EG-Gesetzgeber insbesondere GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (63); DERS. (Fn. 29), Rn. 231; DERS., DStR 2004, 232 (233); DERS., ZIP 2004, 2401 (2406). Ebenso MÜLBERT, WM 2001, 2085 (2093). Allgemein zum Verhältnis zwischen Primär- und Sekundärrecht auch oben 2.3.2.1.1. 144 Siehe den Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, Brüssel, 10.1.2002, 28 f.; veröffentlicht unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/docs/takeoverbids/2002-01-hlgreport_de.pdf. 145 Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, Brüssel, 4.11.2002, 34 f.; veröffentlicht unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/docs/modern/report_ de.pdf sowie als Annex 3 zu FERRARINI u.a. (Hrsg.), Reforming Company and Takeover Law in Europe, Oxford 2004. 143
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vor Regulierung“ zurückzuführenden146 – Ansatzes dann an späterer Stelle auf Gesellschaften verengt wird, deren Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder regelmäßig auf einem nicht geregelten Markt gehandelt werden147, ist sie jedoch zumindest in Deutschland auf herbe Kritik gestoßen148. 2.3.3.1.3. Bilanzrecht Zwar ist im EG-Vertrag keine ausdrückliche Harmonisierungsgrundlage speziell für bilanzrechtliche Regelungen vorgesehen, doch wird das Bilanzrecht bislang als (besonderer) Teil des Gesellschaftsrechts und im weiteren Sinne der Niederlassungsfreiheit der betroffenen Gesellschaften verstanden149. Dies kommt insbesondere auch darin deutlich zum Ausdruck, dass in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der grundlegenden 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 68/151/EWG („Publizitäts“Richtlinie150) von vornherein vorgesehen war, dass nicht allein die Veröffentlichungspflichten der davon erfassten Kapitalgesellschaft auch die jährliche Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung umfassen sollten, sondern dass zudem die tatsächliche Aktivierung dieser Pflichten explizit an den Erlass einer weiteren Richtlinie mit Regelungen „über die Koordinierung des Inhalts der Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnungen“ gekoppelt wurde151. Dementsprechend wurden die bilanzrechtlichen Richtlinien zunächst ebenfalls unmittelbar auf Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EWGV (jetzt Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG) gestützt152, bevor anschließend – ähnlich wie bei den übrigen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien 153 – ein
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Vgl. NOACK (Fn. 115), 41 ff. (Rdnrn. 113 ff.). Siehe Bericht der Hochrangigen Gruppe vom 4.11.2002 (Fn. 145), 47 f. 148 Vgl. die Stellungnahme der deutschen Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht („Group of German Experts on Corporate Law“), ZIP 2003, 863 (865), wonach der Empfehlung „nur sehr eingeschränkt“ gefolgt werden könne: Vielmehr sei darauf zu bestehen, „dass disclosure requirements nur ganz ausnahmsweise inhaltliche Regelungen ersetzen können“, weil ihre „Hauptaufgabe“ in der „Ergänzung und Wirkungsverstärkung inhaltlicher Regelungen“ bestehe. Siehe dazu auch BAK/BIGUS, ZBB 2006, 430 ff. 149 Vgl. dazu auch HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 4. 150 Siehe oben Fn. 80. 151 Dazu ansatzweise auch schon oben 2.3.2.2.1.1. Eine vergleichbare Bezugnahme auf die zum Verabschiedungszeitpunkt schon erlassene 4. „Jahresabschluss“-Richtlinie 78/660/EWG (Fn. 46) sowie auch auf die 7. „Konzernbilanz“-Richtlinie 83/349/EWG (Fn. 55) findet sich in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. Art. 3 der 11. „Zweigniederlassungs“-Richtlinie 89/666/EWG (Fn. 47); vgl. dazu schon oben 2.3.2.2.1.2. 152 So die 4. „Jahresabschluss“-Richtlinie 78/660/EWG (Fn. 46) und die 7. „Konzernbilanz“Richtlinie 83/349/EWG (Fn. 55) sowie auch die Achte Richtlinie 84/253/EWG vom 10.4.1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (sog. „Abschlussprüfer“-Richtlinie), ABl. L 126/20. 153 Siehe oben 2.3.3.1.2. 147
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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etwas allgemeiner Ausgangspunkt in Art. 44 EG gesucht wurde154. Einzig die sog. IAS-Verordnung155 bricht aus diesem Rahmen aus: Sie wurde auf die allgemeinere Regelung des Art. 95 Abs. 1 EG 156 gestützt, was durch ihre spezifische Ausrichtung an kapitalmarktorientierten Unternehmen zu erklären ist157. 2.3.3.1.4. Kapitalmarktrecht Für den damit bereits im Ansatz angesprochenen Bereich des Kapitalmarktsrechts enthielt der ursprüngliche EWG-Vertrag keine spezielle Ermächtigungsgrundlage, und auch dem heutigen EG-Vertrag ist keine ausdrückliche Harmonisierungskompetenz zu entnehmen. Dies dürfte nicht zuletzt an der erst in den letzten Jahrzehnten festzustellenden stärkeren Herausbildung als eigenständig wahrgenommenes Rechtsgebiet sowie auch an dessen Charakter als „Querschnittsmaterie“ liegen. Zwar sind gerade zum Gesellschaftsrecht die Verbindungslinien besonders eng, was sich bereits daran zeigt, dass einerseits das Gesellschaftsrecht zu jenen Gebieten zählt, welche „die institutionellen Rahmenbedingungen des Kapitalmarkts setzen“158, andererseits aber vor allem im europäischen Kontext das Kapitalmarktrecht als ein sich tendenziell ausbreitendes „Kernstück“ innerhalb des Gesellschaftsrechts angesehen wird159. Darüber hinaus sind allerdings auch zahlreiche Verbindungslinien zu anderen Regelungsbereichen erkennbar, so etwa zum Handels- und
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Siehe die Richtlinie 90/605/EWG vom 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (sog. „GmbH & Co.“-Richtlinie), ABl. L 317/60, mit allgemeiner Bezugnahme nur Art. 54 EWG (jetzt Art. 44 EG). Vgl. außerdem die auf Art. 44 Abs. 1 EG gestützte Richtlinie 2003/51/EG vom 18.6.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstrumenten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. L 178/16. Der Vollständigkeit halber erwähnt seien auch die im Folgenden nicht näher untersuchten branchenspezifischen Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten, wie sie sich vor allem im Bereich der Energieversorgungsunternehmen finden. Vgl. dazu die Übersicht bei KREBS, DB 2007, 1425 ff. sowie etwa Art. 18 f. der Richtlinie 2003/54/EG vom 26.6.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, ABl. L 176/37, und Art. 16 f. der Richtlinie 2003/55/EG vom 26.6.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG, ABl. L 176/57. 155 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. L 243/1. 156 Dazu oben 2.3.3.1.1. 157 Vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 57. 158 So bereits ASSMANN/BUCK, EWS 1990, 110 (118). Anders allerdings die Darstellung bei HOPT, in: GRUNDMANN, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 307 (312): „Bis vor kurzem fand sich noch die Vorstellung, Kapitalmarktrecht sei entweder dem öffentlichen Recht oder dem Schuldrecht zuzuordnen und habe mit dem Gesellschaftsrecht soviel und sowenig zu tun wie diese“. 159 So insbesondere GRUNDMANN, EBOR 2004, 601 (620); DERS., ZIP 2004, 2401 (2407). Vgl. außerdem WINTER, L.I.E.I. 2/2004, 97 (106): „The reach of capital market law over subjects that traditionally fall within the realm of company law is expanding“.
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Bankrecht sowie sogar zum Arbeits- und Steuerrecht160. Diskutiert wird dabei überdies, ob das Kapitalmarktrecht definitorisch in einem weiten Sinne zu erfassen ist als die Gesamtheit jener Regelungen, die Bezug zum Kapitalmarkt haben und diesen unmittelbar beeinflussen, oder ob statt dessen mit einer engen Sichtweise auf die Beziehungen zwischen den beiden Marktseiten abzustellen ist, d.h. im Primärmarkt auf jene zwischen Emittenten und Anlegern bzw. im Sekundärmarkt auf jene zwischen den Anlegern untereinander161. Hinzu kommt schließlich, dass sich ausgehend vom Börsenhandel als der am strengsten regulierten Marktform inzwischen (zumindest) fünf „konzentrische Marktkreise“ mit stufenweise abnehmender Regelungsintensität unterscheiden lassen162. Letztlich beginnen die definitorischen Probleme bereits beim Begriff des „Kapitalmarkts“ selbst, der zu den „unpräzisesten und erklärungsbedürftigsten Wörtern der Fach- und Alltagssprache“ gezählt wird163 und dementsprechend auch lediglich eine offene Inhaltsumschreibung statt einer abschließenden Definition des „Kapitalmarktrechts“ erlaubt: Dieses Rechtsgebiet lässt sich begreifen als „die Gesamtheit der Normen, Geschäftsbedingungen und Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte sowie die marktbezogenen Tätigkeiten und das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden“164. Dies zeigt in aller Deutlichkeit die Komplexität der Materie. Aus der Sicht des Binnenmarktes lässt sich allerdings sagen, dass – anders als für das durch die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) dominierte Gesellschaftsrecht165 – die wesentlichen Grundvorgaben für das Kapitalmarktrecht aus der Kapitalverkehrsfreiheit abzuleiten sein dürften. So ordnet etwa auch Mülbert in den äußersten und damit in seinem Grundansatz weitesten der soeben genannten „konzentrischen Marktkreise“ ganz allgemein die „Kapitalmärkte im Sinne der Kapitalverkehrsfreiheit“ ein166. Der Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit stellte sich schon von vornherein im Gesamtrahmen der Grundfreiheiten insofern als Sondermaterie dar, als Art. 67
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Vgl. ASSMANN/BUCK, EWS 1990, 110 (111). Dazu etwa GRUNDMANN, ZSR 1996, 103 (120 f.). Nach den vorherrschenden Definitionen umfasst der Primärmarkt „die Ausgabe und Plazierung neuer Wertpapiere. Als Marktteilnehmer treten dort Emittenten und emissionsbegleitende Bank auf der Anbieter- und kaufwillige Anleger auf der Nachfragerseite in Erscheinung“. Demgegenüber bezeichnet man als Sekundärmarkt „den Umlaufmarkt für Wertpapiere, deren Emission bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt ist. Kapitalanleger, die ihre Wertpapiere wieder veräußern wollen, stehen hier Investoren gegenüber, die sich für den Erwerb dieser Papiere interessieren“ (FLEISCHER, Gutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 39 und 94). Vgl. näher zu den jeweiligen Besonderheiten einerseits HEINZE, Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Primärmarktes, 4 ff. und andererseits ELSTER, Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Sekundärmarktes, 1 ff. 162 Näher dazu MÜLBERT, WM 2001, 2085 (2095) m.w.N. 163 Vgl. KÜMPEL, Kapitalmarktrecht, 37 m.w.N. 164 In diesem Sinne KÜMPEL (Fn. 163), 13, der in obiger Formulierung allerdings eine „griffige Definition dieses neuen Rechtsgebietes“ sieht. 165 Dazu soeben 2.3.3.1.2. 166 MÜLBERT, WM 2001, 2085 (2095). 161
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Abs. 1 EWGV 167 einen ausdrücklichen Liberalisierungsvorbehalt zu Gunsten sekundärrechtlicher Maßnahmen enthielt (und deshalb als einzige Grundfreiheit auch nach Ablauf der Übergangszeit per 31.12.1969 nicht unmittelbar anwendbar war168). Die entsprechenden Harmonisierungsgrundlagen in Art. 69 und 70 EWGV 169 sahen ihrerseits zwar keine ausdrückliche Bezugnahme auf den „Kapitalmarkt“ vor, doch waren jedenfalls mögliche Schnittstellen zwischen der gemeinschaftsrechtlichen Kapitalverkehrsliberalisierung und den nationalen Kapitalmärkten in Art. 68 Abs. 2 EWGV von Anfang an antizipiert: Danach sehen die Mitgliedstaaten „[b]ei der Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften für den Kapitalmarkt und das Kreditwesen auf die nach diesem Kapital liberalisierten Kapitalbewegungen … von Diskriminierungen ab“. Darüber hinaus wiesen auch die zur Durchführung von Art. 67 EWGV stufenweise geschaffenen Sekundärrechtsakte schon frühzeitig kapitalmarktrechtliche Bezüge auf170, wie auch zahlreiche Beispiele in der – heute vom EuGH in ständiger Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs „Kapitalverkehr“ in Art. 56 Abs. 1 EG (ex Art. 73b Abs. 1 EGV) herangezogenen 171 – Nomenklatur im Anhang I zur Richtlinie 88/361/EWG belegen172. Hinzu tritt schließlich, dass auch das ursprünglich in Art. 1 Abs. 1 der vorgenannten Richtlinie und nunmehr in der unmittelbar anwendbaren Primärrechtsnorm des Art. 56 Abs. 1 EG niedergelegte Verbot der „Beschränkungen des Kapitalverkehrs“ zwischen den Mitgliedstaaten kapitalmarktrechtliche Bezüge aufweist. Wie nämlich der EuGH inzwischen in einer ganzen Reihe von Entscheidungen herausgearbeitet hat, schützt dieses Verbot nicht allein „aktive“ Investoren vor Beeinträchtigungen bei der grenzüberschreitenden Kapitalanlage; in ihrer „passiven“ Kapitalverkehrsfreiheit gegen behindernde staatliche Maßnahmen geschützt sind vielmehr auch die im Ausland Investitionsmittel einwerbenden und sammelnden
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Gemäß Art. 73a EGV i.d.F. der Vertragsänderung von Maastricht vom 7.2.1992, ABl. 1993 L 293/61, wurden die Art. 67 bis 73 EWGV durch Art. 73b bis 73h EGV ersetzt. Im Zuge der anschließenden Vertragsänderung von Amsterdam vom 2.10.1997, ABl. C 340/1, wurden dann letztgenannte Vorschriften durch Art. 56 bis 60 EG ersetzt und Art. 73a EGV aufgehoben. 168 Vgl. dazu EuGH Rs. 203/89, Casati, Slg. 1981, 2595, Tz. 8 ff.; siehe auch CORDEWENER (Fn. 20), 46 f. m.w.N. 169 Weggefallen im Rahmen der Vertragsänderung von Maastricht (oben Fn. 167). 170 Vgl. bereits Erste Richtlinie zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages, ABl. vom 12.7.1960, 921 (z.B. Tz. III der Nomenklatur in Anlage II: „Zulassung von Wertpapieren am Kapitalmarkt“). Siehe außerdem Zweite Richtlinie 63/21/EWG vom 18.12.1962 zur Ergänzung und Änderung der ersten Richtlinie zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages, ABl. 1963, 62; Richtlinie 85/583/EWG vom 20.12.1985 zur Änderung der Richtlinie vom 11.5.1960 zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages, ABl. L 372/39; Richtlinie 86/566/EWG vom 17.11.1986 zur Änderung der Ersten Richtlinie vom 11.5.1960 zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages, ABl. L 332/22. 171 Siehe nur EuGH, C-222/97, Trummer u. Mayer, Slg. 1999, I-1661, Tz. 21; Rs. C-97/98, Jägerskiöld, Slg. 1999, I-7319, Tz. 34; Rs. C-464/98, Stefan, Slg. 2001, I-173, Tz. 5. Vgl. außerdem im Ansatz bereits EuGH, verb. Rs. 286/82 u. 26/83, Luisi u. Carbone, Slg. 1984, 377, Tz. 19 f. 172 Vgl. Richtlinie 88/361/EWG (Fn. 17); siehe hierzu auch MÜLBERT, WM 2001, 2085 (2088 f.) sowie allgemein zur Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit im vorligenden Kontext auch HOPT (Fn. 158), 307 (316).
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Gesellschaften173. Gleiche Grundsätze gelten überdies auch für andere Formen von Kapitalanlagen, so etwa für die Zeichnung von Euroanleihen im Ausland174. Vor diesem überaus komplexen Hintergrund verwundert es nicht, dass der Rat die diversen speziell den primären Kapitalmarkt betreffenden Richtlinien durchweg auf Rechtsgrundlagen gestützt hat, die inhaltlich über die oben im rein gesellschaftsrechtlichen Kontext genannte Regelung des heutigen Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG (früher Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV) hinausreichen175: Entweder wurde auf diese Norm in Verbindung mit Art. 94 EG (früher Art. 100 EGV) Bezug genommen176, oder es wurden generell Art. 44 EG 177 oder Art. 95 EG (früher Art. 100a EGV)178 oder gar beide Normen gemeinsam179 als maßgebliche Rechtsgrundlage herangezogen. In der Tat lässt sich mit Fleischer konstatieren, dass sich auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts in Wege der Ausfüllung der Kapitalverkehrsfreiheit ein „feinmaschiges Richtliniengeflecht“ entwickelt hat, welches insbesondere auch kapitalmarktrechtliche Publizitäts- und Verhaltenspflichten umfasst180. Dieses Geflecht wird noch ergänzt durch jene Richtlinien, die speziell auf den Sekundärmarkt gerichtet sind und dort die Einschaltung von Intermediären (Maklern) regeln, somit eher dem Bereich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49, 50 EG; früher Art. 59, 60 EGV) zuzuordnen sind und daher auf der Grundlage von Art. 47 Abs. 2 EG (früher Art. 57 Abs. 2 EGV) erlassen wurden181.
2.3.3.2. Überblick über die einzelnen Rechtsakte zu Veröffentlichungspflichten 2.3.3.2.1. Systematisierung der sekundärrechtlichen Vorgaben Die vorstehenden Ausführungen haben bereits erkennen lassen, dass im EG-Vertrag diverse Rechtsgrundlagen für den Erlass von Sekundärrechtsmaßnahmen in Betracht kommen, welche die Publizitätspflichten von Unternehmen im Einzelnen
173
Siehe etwa EuGH, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Tz. 34 f.; Rs. C-315/02, Lenz, Slg. 2004, I-7063, Tz. 20 f.; Rs. C-319/02, Manninen, Slg. 2004, I-7477, Tz. 22 f. 174 Dazu EuGH, Rs. C-478/98, Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-7587, Tz. 16 ff. 175 Vgl. hierzu auch BRECHT, Das Pflichtenprogramm börsennotierter Aktiengesellschaften im Europäischen Gesellschaftsrecht, 29. Speziell zur Bedeutung des Art. 153 EG (früher Art. 129a EGV) für den Anlegerschutz als „Verbraucherschutz“ siehe MÜLBERT, WM 2001, 2085 (2092 f.). 176 So die Börsenzulassungs-Richtlinie 79/279/EWG (Fn. 99), die BörsenzulassungsprospektRichtlinie 80/390/EWG (Fn. 92) und die Zwischenberichts-Richtlinie 82/121/EWG (Fn. 103). 177 So die Beteiligungstransparenz-Richtlinie 88/627/EWG (Fn. 104) und die EmissionsprospektRichtlinie 89/298/EWG (Fn. 93). 178 So die Insider-Richtlinie 89/592/EWG (Fn. 107) und die Marktmissbrauchs-Richtlinie 2003/6/ EG (Fn. 112). 179 So die Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie 2001/34/EG (Fn. 94), die Prospekt-Richtlinie 2003/ 71/EG (Fn. 96) und die Transparenz-Richtlinie 2004/109/EG (Fn. 105). 180 FLEISCHER (Fn. 161), 13. 181 Vgl. bereits die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 93/22/EWG (Fn. 72) sowie diese ersetzend die Finanzinstrumente-Richtlinie 2004/39/EG (Fn. 72). Siehe außerdem die Versicherungsmakler-Richtlinie 2002/92/EG (Fn. 73), die auch auf Art. 55 EG gestützt ist.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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regeln. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurden auf der Basis dieser Kompetenznormen zahlreiche Gemeinschaftsrechtsakte erlassen und zum Teil auch wieder geändert oder ganz aufgehoben, so dass die Rechtslage sich bei erster Betrachtung als sehr unübersichtlicher „Flickenteppich“ erweist und eine systematisierende Ordnung für Zwecke der vorliegenden Erörterung unabdingbar ist. Insofern kommen verschiedene systematische Kriterien für eine nähere Kategorisierung in Betracht. So bietet sich zunächst einmal – schon aus Gründen der Übersichtlichkeit und in Fortführung der vorstehenden Ausführungen zu möglichen Rechtsgrundlagen – eine erste sachliche Unterscheidung danach an, ob es sich im Hinblick auf den thematischen Regelungsgegenstand um Maßnahmen des allgemeinen Gesellschaftsrechts, des Bilanzrechts oder des Kapitalmarktrechts handelt182. Über diese rein formal-statische und „vertikal“ an übergeordneten Sachthemen orientierte Abgrenzung hinaus lassen sich aber auch nähere inhaltlich-konkretisierende Differenzierungen vornehmen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die von Merkt herausgearbeitete Erkenntnis beachtlich, dass sich die diversen europäischen Harmonisierungsmaßnahmen zunehmend zu einem ausdifferenzierten System der Unternehmenspublizität unter „marktchronologischen“ Gesichtspunkten entwickeln, welches mit seinen verschiedenen Phasen geradezu „natürliche“ Systematisierungskriterien für die Ordnung und Zuordnung der einzelnen Erscheinungsformen von Publizität vorgibt183: Diese „Marktchronologie“ umfasst die Publizität des Markteintritts von Unternehmen, die allgemeine Publizität ihrer laufenden Marktteilnahme, die besondere Publizität einer Veränderung oder Intensivierung der Inanspruchnahme des Marktes sowie schließlich die Publizität des Marktaustritts184. Dieser funktional-dynamische Ansatz verläuft letztlich in „horizontaler“ Perspektive jeweils durch die abstrakten Gebiete des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts hindurch und eignet sich daher im vorliegenden Kontext für eine nähere Systematisierung innerhalb dieser Themenbereiche.
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Diese Unterteilung folgt für den hier darzustellenden europarechtlichen Rahmen der gängigen Abgrenzung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene. Es lassen sich natürlich noch weitere Unterkategorien bilden. So unterscheidet beispielsweise NOACK (Fn. 115), 12 f. (Rn. 4 ff.) zwischen handels-, bilanz-, gesellschafts-, kapitalmarkt- und wirtschaftsrechtlicher Information. Mit MERKT (Fn. 2), 178 ff. und 139 f. lassen sich darüber hinaus auch noch die „Insolvenzpublizität“ sowie die (als Adressaten die EU-Kommission treffende) „Kartellpublizität“ nennen. Diese Sonderbereiche bleiben im Rahmen des vorliegenden Beitrags unberücksichtigt; siehe zu kartellrechtlichen Spezifika im Übrigen ENCHELMAIER in diesem Buch. 183 Eingehend dazu MERKT (Fn. 2), 132 f., 351 ff. mit Darstellung der ökonomischen Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Zeit und Publizität sowie auch der juristischen und rechtspolitischen Legitimierung eines marktchronologischen Systematisierungsansatzes. 184 Letztere findet laut MERKT (Fn. 2), 384 ff. ihren besonderen Ausdruck in erster Linie in der hier nicht näher darzustellenden sog. „Insolvenzpublizität“, die im gesellschafts- und bilanzrechtlichen Kontext Berührungspunkte zur Handelsregister- und Jahresabschlusspublizität aufweist; im kapitalmarktrechtlichen Bereich ist eine Marktaustrittspublizität kaum festzustellen. Als allgemeines Element einer mit dem Marktaustritt verbundenen Publizität sei hier lediglich die in Art. 2 Buchst. h bis k der 1. „Publizitäts“-Richtlinie enthaltene Verpflichtung zur Mitteilung u.a. der Gesellschaftsauflösung und -liquidation genannt; dazu auch unten 2.3.3.2.2.1.1.
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Vor dem Hintergrund dieses für die Zwecke der vorliegenden Darstellung des europarechtlichen Rahmens bereits hinreichend engmaschigen Systematisierungsrahmens kann sodann schließlich noch innerhalb der jeweiligen Harmonisierungsmaßnahme (Richtlinie, ggf. auch Verordnung) nach dem einzelnen Regelungsinhalt differenziert werden: Zum einen lassen sich Regelungen über das Publizitätsmittel und den Publizitätsgegenstand identifizieren185; diese dienen letztlich der Realisierung der sog. „Primärpflichten“, die Art und Umfang der Informationspreisgabe betreffen186. Zum anderen gibt es Regelungen über die Publizitätswirkungen187; diesen können auch die sog. „Sekundärpflichten“ zugeordnet werden, welche die eingangs bereits angesprochenen Sanktionen für unterlassene oder fehlerhafte Information umfassen188. 2.3.3.2.2. Gesellschaftsrecht Das Gesellschaftsrecht gehört zu den auf sekundärrechtlicher Ebene bereits vergleichsweise weit reichend harmonisierten Rechtsgebieten, wobei allerdings verschiedene Projekte erst in jüngster Zeit realisiert werden konnten oder aber trotz jahrelanger Diskussion weiterhin noch ausstehen. Im weiteren Sinne lässt sich auch das Bilanzrecht dem Gesellschaftsrecht zurechnen, doch wird dieses wegen seines speziellen Regelungsgehaltes gerade im vorliegenden Kontext der Publizitätspflichten noch gesondert analysiert189; Gleiches gilt für das Kapitalmarktrecht190, welches als Querschnittsmaterie starke Berührungspunkte zum Gesellschafts- und Bilanzrecht, darüber hinaus aber auch zu anderen Rechtsgebieten aufweist191. Bei der nachfolgend nun darzustellenden Übersicht über allgemeine gesellschaftsrechtliche Sekundärrechtsakte lässt sich – gerade im Hinblick auf Offenlegungspflichten – eine Grobunterteilung zwischen Regelungen im Zusammenhang mit der Gründung und solchen im Zusammenhang mit der Strukturveränderung einer Gesellschaft vornehmen. Diese beiden Teilbereiche korrespondieren unter Beachtung der soeben vorgeschlagenen „marktchronologischen“ Systematisierung mit den Phasen des Markteintritts von Unternehmen sowie einer besonderen Veränderung (oder Intensivierung) der Inanspruchnahme des Marktes, wohingegen die handelsrechtlichen Publizitätspflichten der („normalen“) laufenden Marktteilnahme dem nachfolgend gesondert darzustellenden Bilanzrecht unterfallen. 2.3.3.2.2.1. Markteintritt: „Gründungspublizität“ (1., 2. und 11. Richtlinie) Die beim Markteintritt eines Unternehmens in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht ausgelösten Publizitätspflichten sind primär subjektbezogen, d.h. sie betreffen 185
Siehe beispielhaft HABERSACK (Fn. 29), § 5 Rn. 10 ff., sowie speziell zu den Mitteln insbesondere auch NOACK (Fn. 5), 6 ff. (Rn. 1 ff.) sowie DERS. (Fn. 115), 15 ff. (Rn. 16 ff.). 186 Dazu GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (67); DERS., DStR 2004, 232. 187 Vgl. z.B. HABERSACK (Fn. 29), § 5 Rn. 16 ff. 188 Auch dazu GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (67); DERS., DStR 2004, 232. Vgl. zu den „Primär“und „Sekundärpflichten“ einschließlich etwaiger Sanktionen auch schon oben 2.3.2.2.1. 189 Siehe unten 2.3.3.2.3. 190 Siehe unten 2.3.3.2.4. 191 Dazu bereits oben 2.3.3.1.4.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Informationen über das Unternehmen als solches192. Dies zeigt sich insbesondere an jenen Bestimmungen, die im weiteren Sinne die „Gründungspublizität“ einer Gesellschaft betreffen. Diese sind in der 1. und 2. Richtlinie hinsichtlich der Gesellschaft selbst und in der 11. Richtlinie hinsichtlich ihrer grenzüberschreitend errichteter Zweigniederlassung(en) niedergelegt. 2.3.3.2.2.1.1. 1. Richtlinie 68/151/EWG („Publizitäts“-Richtlinie) Die auch als „Publizitäts“-Richtlinie bezeichnete 1. Richtlinie 68/151/EWG193 dient allgemein der „Koordinierung der Schutzbestimmungen“, die in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen „im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind“, und bildet damit „ersten Eckstein für das Informationsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht“194. Sie erstreckt sich in persönlicher Hinsicht auf die in Art. 1 für jeden Mitgliedstaat einzeln aufgelisteten Formen von Kapitalgesellschaften 195 und strebt in ihrem Grundansatz den Schutz Dritter durch Informationsmöglichkeiten in Bezug auf die Verhältnisse der Gesellschaft an. In sachlicher Hinsicht werden den betroffenen Gesellschaften dazu in Abschnitt I der Richtlinie zur „Offenlegung“ gemäß Art. 2 Abs. 1 umfangreiche Publizitätspflichten im Hinblick auf ihre gesellschaftsrechtlichen Organisationsverhältnisse (Errichtungsakt und Satzung einschließlich Änderungen, Vertretungsverhältnisse, gezeichnetes Kapital und Sitzverlegung, aber auch Auflösung und Liquidation) sowie nach Buchst. f insbesondere bzgl. ihrer Jahresabschlüsse auferlegt. Diesen Pflichten ist durch Hinterlegung der genannten Urkunden und Angaben sowie ggf. durch Eintragung bei einem zentralen Register bzw. Handels- oder Gesellschaftsregister (Art. 3) nachzukommen; hinzu treten nach Art. 4 Pflichtangaben auf den Schriftstücken der Gesellschaft (Geschäftsbriefe, Bestellscheine). Den Mitgliedstaaten ihrerseits obliegt es nach Art. 6, für Verstöße der Gesellschaft gegen Art. 4 sowie insbesondere gegen die aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. f resultierende Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses „geeignete Maßregeln“ anzudrohen196. 2.3.3.2.2.1.1.1. Relevante Publizitätsgegenstände Mit den in Art. 2 der Richtlinie genannten Publizitätsgegenständen hatte sich der EuGH bereits frühzeitig zu befassen: Schon im Urteil „Haaga GmbH“ von 1974 betonte er den „Zweck der Richtlinie, die Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen der Gesellschaft und Dritten im Hinblick auf eine Intensivierung des Geschäftsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten nach der Schaffung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten“; dementsprechend wurde die sich aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. d ergebende Verpflichtung zur Mitteilung der Vertretungsverhältnisse dahingehend ausgelegt, dass sie auch dann von der Gesellschaft zu erfüllen 192
Siehe dazu MERKT (Fn. 2), 370. Siehe oben Fn. 80. 194 GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 227. 195 Für Deutschland betrifft dies „die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. 196 Siehe dazu bereits eingehend oben 2.3.2.2.1.1.1. 193
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ist197. Eine Reihe weiterer EuGH-Entscheidungen betraf dann allerdings zunächst andere Regelungsbereiche der Richtlinie, nämlich zum einen die in Abschnitt II (Art. 7 bis 9) enthaltenen Vorschriften über die „Gültigkeit der von der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen“198 und zum anderen die in Abschnitt III (Art. 10 bis 12) vorgesehenen Bestimmungen über die „Nichtigkeit der Gesellschaft“199. Erst in jüngster Zeit kristallisierte sich dann die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f vorgeschriebene Pflicht zur jährlichen Einreichung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung als Hauptstreitpunkt heraus. Diese Schnittstelle zwischen der gesellschaftsrechtlichen Gründungs- und der laufenden bilanzrechtlichen Jahresabschlusspublizität zeichnet sich zugleich durch zwei Besonderheiten aus: Zum einen war die Verpflichtung zur Hinterlegung der Bilanzunterlagen für die in Art. 1 genannten Gesellschaften mit beschränkter Haftung zunächst gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. f S. 3 ff. ausdrücklich suspendiert bis zum Ergehen einer Richtlinie mit „Vorschriften über die Koordinierung des Inhalts der Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnungen“; zum anderen stellte sich die Frage nach dem Umfang der insoweit für die betroffenen Gesellschaften relevanten Publizitätspflichten lediglich inzidenter, nämlich innerhalb der die Pflichtenbindung der Mitgliedstaaten betreffenden Problematik, ob diese tatsächlich „geeignete Mittel“ im Sinne von Art. 6 der Richtlinie als Sanktionen für unternehmerische Pflichtverstöße in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen. Zu beiden Problembereichen hatte der EuGH erstmals Ende 1997 in der bereits angesprochenen Rechtssache „Daihatsu“200 Gelegenheit zur Stellungnahme. In diesem Fall hatte der Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V. beim zuständigen Amts- und Registergericht Düsseldorf mangels entsprechender Hinterlegung keine Einsicht in die Bilanzen der Daihatsu Deutschland GmbH erlangen können und deshalb u.a. auf der Grundlage von § 335 HGB a.F. die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen diese Gesellschaft beantragt. Weil letztere Norm aber eine Zwangsgeldfestsetzung nur auf Antrag vorsah und das entsprechende Antragsrecht lediglich Gesellschaftern, Gläubigern oder dem (ggf. Gesamt-)Betriebsrat der betroffenen Gesellschaft einräumte, hielt das OLG Düsseldorf in der Beschwerdeinstanz eine unzureichende Umsetzung von Art. 6 der 1. Richtlinie für möglich. Der EuGH urteilte hierzu unmissverständlich, dass sich für eine deutsche GmbH die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur Einreichung der Bilanzunterlagen beim Handelsregister aus der Anwendbarkeit der 1978 verabschiedeten 4. „Jahresabschluss“-Richtlinie201 ergab, welche die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f S. 3 ff. der 1. Richtlinie insofern explizit vorhandene Regelungslücke geschlossen hatte202. Der Gerichtshof entschied weiterhin, dass § 335 HGB a.F. das Antragsrecht auf 197
EuGH, Rs. 32/74, Firma Friedrich Haaga GmbH, Slg. 1974, 1201, Tz. 6. Vgl. EuGH, Rs. C-104/96, Coöperatie Rabobank „Vecht en Plassengebied“ BA, Slg. 1997, I-7211 ff. (zu Art. 9). 199 Vgl. EuGH, Rs. 136/87, Ubbink Isolatie BV, Slg. 1988, 4665 ff. (zu Art. 11); Rs. C-106/89, Marleasing SA, Slg. 1990, I-4135 ff. (zu Art. 11). 200 Vgl. bereits oben 2.3.2.2.1.1. 201 Oben Fn. 46; näher dazu unten 2.3.3.2.3.1. 202 EuGH, Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V., Slg. 1997, I-6843, Tz. 13 ff. 198
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Sanktionsverhängung durch das Registergericht bei Nichteinreichung der Bilanzunterlagen richtlinienwidrig verkürzte, weil die 1. Richtlinie der Umsetzung von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EWGV (heute Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG) diene und dort „vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede“ sei, „ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden“; insbesondere bestätige auch der Umstand, dass Art. 3 der 1. Richtlinie die Hinterlegung oder Eintragung der Bilanzunterlagen bei einem öffentlichen Register vorsehe und jedermann die Zusendung von Abschriften dieser Unterlagen verlangen könne, das von der Richtlinie verfolgte „Bestreben, diese Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen“203. Allerdings kam der EuGH letztlich zu dem Ergebnis, dass die Zwangsgeldfestsetzung nach § 335 HGB a.F. seitens des Händlerverbandes nicht bereits mittels einer direkt auf Art. 6 der Richtlinie gestützten Ausweitung des in der nationalen Norm vorgesehenen Antragsrechts erreicht werden könne, da eine horizontale Drittwirkung unzureichend umgesetzter Richtlinien zu Lasten von Privatpersonen gemeinschaftsrechtlich nicht in Betracht komme204. Die vorstehende Entscheidung wurde im Schrifttum durchaus kritisch entgegen genommen205 und führte zu diversen Folgefragen, mit denen der EuGH in weiteren Verfahren konfrontiert wurde. Hierzu zählte auch ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG (früher Art. 169 EGV), welches die Kommission bereits Anfang der 90er Jahre gegen Deutschland eingeleitet hatte, weil nach ihrem Kenntnisstand rund 93 % (!) der deutschen Kapitalgesellschaften ihrer aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der 1. Richtlinie folgenden Verpflichtung zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses nicht nachgekommen seien; im Verfahren vor dem Gerichtshof trug die Kommission u.a. vor, eine unzureichende Umsetzung des Art. 6 liege auch darin, dass das Gericht das in § 335 HGB a.F. grds. für die Nichteinreichung der Bilanzunterlagen vorgesehene Zwangsgeld nicht von Amts wegen verhängen könne. Unter Wiederholung der wesentlichen Aspekte seines „Daihatsu“-Urteils stellte der EuGH hierzu allerdings lediglich fest, dass Art. 6 der 1. Richtlinie einer nationalen Regelung entgegenstehe, welche nur einem begrenzten Personenkreis (Gesellschafter, Gläubiger, Betriebsrat; siehe oben) das Recht einräume, die im nationalen Recht vorgesehene Sanktion für die Nichtbeachtung der Offenlegungspflicht zu beantragen206. Ob damit im positiven Sinne auch dem zuständigen Registergericht selbst die Möglichkeit zugestanden werden muss, die Offenlegungspflichten per Zwangsgeldfestsetzung von Amts wegen durchzusetzen, blieb in der Entscheidung des EuGH damit letztlich offen. Dass eine solche Möglichkeit aber grds. nicht fernliegend ist, zeigte anschließend das Vorabentscheidungsersuchen im Fall „Lutz GmbH“, in dem das Landesgericht Wels von sich aus auf der Grundlage des österreichischen § 283 203
EuGH, Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V., Slg. 1997, I-6843, Tz. 19 ff. EuGH, Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V., Slg. 1997, I-6843, Tz. 24 ff., wo allerdings die Möglichkeit einer Staatshaftung auf der Basis der Grundsätze von EuGH, verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93, Brasserie du Pêcheur u.a., Slg. 1996, I-1029 ff., angedeutet wird. Eine solche Haftung hat jüngst jedoch der BGH, GmbHR 2006, 151 ff. abgelehnt. 205 Siehe nur SCHÖN, JZ 1998, 194 f.; LUTTERMANN, EuZW 1998, 264 ff.; GRUBER, RdW 1998, 525 ff. 206 EuGH, Rs. C-191/95, Kommission/Deutschland, Slg. 1998, I-5449, Tz. 64 ff. 204
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Abs. 1 HGB gegen eine österreichische Kapitalgesellschaft eine Zwangsstrafe wegen der Nichteinreichung des Jahresabschlusses sowie auch des Lageberichts verhängt hatte. Das Landesgericht stellte nun dem EuGH gleich eine ganze Reihe von Fragen zur Vereinbarkeit der sekundärrechtlichen Verpflichtung nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der 1. Richtlinie (i.V.m. Art. 47 der 4. Richtlinie) mit der primärrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG, welche der Gerichtshof jedoch bereits aus rein prozessualen Gründen unter Hinweis auf die konkrete Eigenschaft des Landesgericht als bloßes – die Vorlageberechtigung nach Art. 234 EG (früher Art. 177 EGV) nicht erfüllendes – „Registergericht“ unbeantwortet ließ207. Auch in seinem bislang letzten Urteil zur 1. Richtlinie hatte sich der EuGH mit der Auslegung von Art. 6 im Hinblick auf die Geeignetheit nationaler Sanktionen zu befassen: Im Fall „Berlusconi u.a.“ waren der vormalige italienische Ministerpräsident und andere Personen der Bilanzfälschung angeklagt worden, und im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verfolgung war u.a. das Zusammenspiel von Art. 6 mit den sich aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. f ergebenden Publizitätspflichten relevant geworden. Hierzu entschied der EuGH, dass letztgenannte Vorschrift sich zum einen nur auf Verstöße gegen die den (Einzel-)Jahresabschluss regelnde 4. Richtlinie 78/660/EWG beziehe, nicht aber auf Verstöße gegen die den Konzernabschluss betreffende 7. Richtlinie 83/349/EWG208. Zum anderen urteilte der Gerichtshof, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Bilanzunterlagen schon dem Wortlaut des Art. 6 zufolge nicht nur vorliege, wenn die Offenlegung dieser Unterlagen völlig unterbleibt, sondern auch dann, wenn der tatsächlich offengelegte Jahresabschluss der Sache nach „nicht den in der Vierten Richtlinie aufgestellten inhaltlichen Regeln entspricht“209. Allerdings konnten nach Auffassung des EuGH im konkreten Fall hieraus keine nachteiligen Folgen zu Lasten der im Ausgangsverfahren angeklagten Personen gezogen werden210. 2.3.3.2.2.1.1.2. Zu verwendende Publizitätsmittel Hinzuweisen ist schließlich noch darauf, dass sich unlängst wichtige Änderungen der 1. Richtlinie im Hinblick auf die zu verwendenden Publizitätsmittel ergeben haben: Als Folge der auf Deregulierung und Vereinfachung des Gesellschaftsrechts ausgerichteten sog. SLIM-Initiative der EU-Kommission211 wurde durch die Richt207
EuGH, Rs. C-182/00, Lutz GmbH u.a., Slg. 2002, I-547, Tz. 11 ff. Die erste Vorlagefrage war in allgemeiner Form auf Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG gerichtet, während die zweite Frage auf das dort genannte einschränkende Kriterium der „Erforderlichkeit“ zielte; zu diesem auch schon oben 2.3.3.1.2. 208 EuGH, verb. Rs. C-387/02, C-391/02 u. C-403/02, Berlusconi u.a., Slg. 2005, I-3565, Tz. 58 ff. 209 EuGH, verb. Rs. C-387/02, C-391/02 u. C-403/02, Berlusconi u.a., Slg. 2005, I-3565, Tz. 56 f. Siehe dazu auch schon oben 2.3.2.2.1.1. 210 EuGH, verb. Rs. C-387/02, C-391/02 u. C-403/02, Berlusconi u.a., Slg. 2005, I-3565, Tz. 70 ff. Sehr kritisch dazu jedoch GROß, EuZW 2005, 371 (372 f.) mit Hinweis auf die abweichenden Schlussanträge von GA KOKOTT vom 14.10.2004, Slg. 2005, I-3565, Tz. 131 ff. 211 Simpler Legislation for the Internal Market. Dazu allgemein NEYE, ZIP 1999, 1944 ff.; DRYGALA, AG 2001, 291 ff.; HABERSACK (Fn. 29), § 4 Rn. 26 und § 5 Rn. 1, jeweils m.w.N. Siehe im vorliegenden Kontext zudem GRUNDMANN (Fn. 27), Rn. 263; NOACK (Fn. 115), 36 ff. (Rn. 95 ff.).
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linie 2003/58/EG212 der bisherige Art. 3 u.a. in seinem Abs. 2 dahingehend ergänzt, dass es spätestens ab dem 1.1.2007 nicht allein den Gesellschaften und sonstigen anmelde- oder mitwirkungspflichtigen Personen möglich sein muss, alle nach Art. 2 der Offenlegung unterliegenden Urkunden und Angaben in elektronischer Form einzureichen, sondern dass außerdem spätestens ab diesem Datum sämtliche auf Papier wie auch in elektronischer Form eingereichten Angaben und Unterlagen beim Register in elektronischer Form hinterlegt oder eingetragen werden. Nach der Neufassung des Art. 3 Abs. 3 können überdies Anträge auf Kopien der in Art. 2 bezeichneten Unterlagen spätestens ab dem 1.1.2007 wahlweise auf Papier oder in elektronischer Form gestellt werden und müssen Kopien von dem betreffenden Register wahlweise auf Papier oder in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden213. Aufgrund dieser neuen Richtlinienvorgaben, deren Umsetzung in Deutschland mit einer erheblichen Verschärfung im Bereich der Kontrolle und Sanktionierung von Verstößen gegen die Publizitätspflicht einhergegangen ist214, wird im Schrifttum bereits vom „`Big Bang´ im Recht der Unternehmenspublizität“ gesprochen 215. 2.3.3.2.2.1.2. 2. Richtlinie 77/91/EWG („Kapital“-Richtlinie) Während sich die vorgenannte 1. „Publizitäts“-Richtlinie allgemein auf die Koordinierung gesellschaftsrechtlicher Schutzbestimmungen bei allen Kapitalgesellschaftsformen bezieht, regelt die 2. „Kapital“-Richtlinie 77/91/EWG speziell die Bestimmungen „für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals“216. Sie gilt dementsprechend in subjektiver Hinsicht nur für Aktiengesellschaften (Art. 1), enthält jedoch neben den grundlegenden Vereinheitlichungsregelungen über die Aufbringung und Erhaltung des Garantiekapitals einer AG (Art. 6 ff.) in ihren Art. 2 bis 5 zudem auch wesentliche Bestimmungen im Zusammenhang mit deren Gründung und versteht sich insoweit als Fortführung und Ergänzung der Publizitätsrichtlinie. Besonders wichtig ist Art. 3, welcher in Ergänzung zu Art. 2 den Mindestinhalt der Satzung oder des sonstigen 212
Oben Fn. 136. Zum „elektronischen Handelsregister“ vgl. insofern NOACK, AG 2003, 537 (543 ff.) sowie SCHOLZ, EuZW 2004, 172 ff. Zur kontroversen Diskussion um die Umsetzung in Deutschland durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vgl. auch HANDELSRECHTSAUSSCHUSS DES DAV, NZG 2005, 586 ff.; GRASHOFF, DB 2006, 513 ff.; DERS., DB 2006, 2641 ff.; DAUNER-LIEB/LINKE, DB 2006, 767 ff.; MEYDING/BÖDEKER, BB 2006, 1009 ff.; HÖFNER/BÄUMLER, GmbHR 2006, R 205 f.; KUNTZE-KAUFHOLD, BB 2006, 428 ff.; DEILMANN, BB 2006, 2347 ff.; CLAUSNITZER/ BLATT, GmbHR 2006, 1303 ff.; SCHLOTTER, BB 2007, 1 ff.; SULTANA/WILLEKE, StuB 2007, 45 ff.; SEIBERT, WPg 4/2007, I (Editorial); NOACK, WM 2007, 377 ff.; DRIESEN, GmbHR 2007, R 353 f.; KORNBLUM , GmbHR 2008, 19 ff.; RIES, Status:Recht 2008, 47 f.; SCHLOTTER/ REISER, BB 2008, 118 ff. 214 Siehe speziell dazu SCHMIDT, DStR 2006, 2272 (2274 ff.). 215 So explizit SEIBERT/DECKER, DB 2006, 2446; ebenso NOACK, Status:Recht 2007, 54 (55). Zum Sonderproblem des Schutzes von Privatanschriften SEIBERT/WEDEMANN, GmbHR 2007, 17 ff. 216 2. „Kapital“-Richtlinie 77/91/EWG (Fn. 67). Zu Überlegungen der Kommission hinsichtlich einer möglichen Ausdehnung auch auf die GmbH siehe SCHWARZ (Fn. 117), 364 (Rn. 573). 213
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Errichtungsakts der Gesellschaft sowie auch eines ggf. erstellten „gesonderten Schriftstücks“ regelt und die aus der 1. Richtlinie ansonsten bereits resultierenden Offenlegungspflichten (einschließlich des dort in Art. 3 vorgegebenen Verfahrens) auch auf dieses Schriftstück erstreckt217. Auf diese Weise zielt die 2. Richtlinie darauf, die Aussagekraft der nach der Publizitätsrichtlinie offenzulegenden Urkunden und Angaben zu steigern, weswegen sie insofern auch als mit den Bilanzrichtlinien vergleichbar angesehen wird218. 2.3.3.2.2.1.2.1. Vorgesehene Publizitätspflichten Eine strikte Trennlinie dergestalt, dass die „Publizitäts“-Richtlinie lediglich Informationsregeln enthalte, die „Kapital“-Richtlinie demgegenüber jenseits von Art. 2 und 3 nur inhaltlich zwingende Sachnormen, lässt sich im Übrigen allerdings nicht ziehen219: Auch die in der 2. Richtlinie enthaltenen Bestimmungen über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung werden weitgehend von ergänzenden Publizitätspflichten begleitet. So werden beispielsweise für den (Sonder-)Fall der Kapitalaufbringung im Wege der Sacheinlage nicht allein nähere Angaben zu dieser Einlage und dem Inferenten in der Satzung oder sonstigen Urkunde erwartet (Art. 3 Buchst. h), sondern es ist außerdem von unabhängigen öffentlich bestellten Sachverständigen ein besonderer Prüfungsbericht („Gründungsbericht“) zu erstellen und gemäß den in Art. 3 der 1. Richtlinie vorgesehenen Verfahren zu veröffentlichen (Art. 10 Abs. 1 bis 3)220. Eine ebensolche Verpflichtung besteht zum Zwecke des Umgehungsschutzes bei sog. „Nachgründungen“, wenn die Gesellschaft innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Gründung für einen Gegenwert von mindestens 10 % ihres gezeichneten Kapitals von ihren Anteilseignern Vermögensgegenstände erwirbt (Art. 11 Abs. 1)221. Darüber hinaus sieht die 2. Richtlinie aber auch zu späteren Zeitpunkten nach dem eigentlichen Gründungsakt Publizitätspflichten im Zusammenhang mit besonderen Maßnahmen oder Situationen vor. So muss einerseits nicht allein jede Kapitalerhöhung von der Hauptversammlung222 beschlossen, sondern anschließend auch
217
Siehe speziell dazu SCHWARZ (Fn. 117), 365 (Rn. 575). Vgl. hierzu HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 4. 219 Dazu insbesondere GRUNDMANN, in: FS Lutter, 61 (65 und 72 f.). 220 Vgl. SCHWARZ (Fn. 117), 372 f. (Rn. 589); HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 26. Ausführlich auch BAYER, in: FS Ulmer, 21 ff. 221 Vgl. SCHWARZ (Fn. 117), 373 (Rn. 590); HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 26. Im Kontext des Art. 11 hat sich zudem der Streit entwickelt, ob diese Richtliniennorm eine abschließende Regelung hinsichtlich des Schutzes vor etwaigen Umgehungen der Sacheinlagevorschriften trifft oder ob daneben noch nationale Rechtsinstitute wie die deutsche Lehre von der „verdeckten Sacheinlage“ Anwendung finden können. Wegen der Unzulässigkeit des entsprechenden Vorabentscheidungsersuchens des LG Hannover blieb diese Frage bei EuGH, Rs. C-83/91, Meilicke, Slg. 1992, I-4871 ff. ungeklärt. Vgl. zur Problematik SCHWARZ (Fn. 117), 375 ff. (Rn. 592 ff.) sowie DRINKUTH, Die Kapitalrichtlinie – Mindest- oder Höchstnorm?. 222 Siehe zur Frage der – zum Zwecke des Aktionärsschutzes – ausschließlichen Zuständigkeit der Hauptversammlung die zahlreichen Entscheidungen des EuGH zur Vereinbarkeit staatlicher Maßnahmen in Griechenland mit den Richtlinienvorgaben, z.B. verb. Rs. C-19/90 u. C-20/90, Karella u. Karellas, Slg. 1991, I-2691 ff. sowie Rs. C-367/96, Kefalas, Slg. 1998, I-2843 ff.; eingehend dazu SCHWARZ (Fn. 117), 386 ff. (Rn. 615 ff.) sowie HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 59 ff. 218
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(entsprechend Art. 3 der 1. Richtlinie) dieser Beschluss und seine Durchführung veröffentlicht werden (Art. 25 Abs. 1), wobei für Sacheinlagen wiederum das obige Prüfverfahren nach Art. 10 zur Anwendung kommt (Art. 27 Abs. 2)223. Andererseits muss grds. auch jede Herabsetzung des gezeichneten Kapitals von der Hauptversammlung beschlossen und dieser Beschluss entsprechend offen gelegt werden (Art. 30 Abs. 1). Überdies lässt sich eine begrenzte Pflicht zur Preisgabe unternehmensinterner Daten schließlich auch darin sehen, dass in Fällen von „schweren Verlusten des gezeichneten Kapitals“ zum Schutz von Gläubigern und Aktionären eine Einberufung der Hauptversammlung vorgeschrieben ist (Art. 17) 224. 2.3.3.2.2.1.2.2. Jüngste Änderungen durch Richtlinie 2006/68/EG Im Zuge der Realisierung von Vorschlägen der SLIM-Initiative225 wurde die „Kapital“-Richtlinie jüngst durch die Richtlinie 2006/68/EG 226 geändert. Diese bis zum 15.4.2008 in die nationalen Rechtsordnungen umzusetzende Änderung zielt u.a. auf eine Erleichterung der Sachkapitalerhöhung und bewirkt durch die neu eingeführten Bestimmungen der Art. 10a und 10b eine deutliche Relativierung der bisherigen Vorgaben des Art. 10: In bestimmten Fällen, in denen klare Anhaltspunkte für die Bewertung von Sacheinlagen existieren (z.B. Börsenkurs, Sachverständigengutachten), kann auf die besondere Sachverständigenprüfung nach Art. 10 Abs. 1 bis 3 verzichtet werden; allerdings ist nunmehr eine Erklärung abzugeben und (entsprechend Art. 3 der 1. Richtlinie) zu veröffentlichen, die neben einer Beschreibung der Sacheinlage auch deren Schätzwert sowie die Quelle für diese Schätzung enthalten muss227. Gleiche Grundsätze gelten auch im Rahmen des insofern geänderten Art. 27 Abs. 2 für die (Sach-)Kapitalerhöhung228. 2.3.3.2.2.1.3. 11. Richtlinie 89/666/EWG („Zweigniederlassungs“-Richtlinie) Die 11. Richtlinie 89/666/EWG229 regelt allgemein230 „die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechts223
Zur Sonderfrage, wie sich nationale Regelungen über den Bezugsrechtsausschluss bei Sachkapitalerhöhungen zu Art. 29 der 2. Richtlinie verhalten, siehe EuGH, Rs. C-42/95, Siemens/ Nold, Slg. 1996, I-6017 ff. Vgl. eingehend auch SCHWARZ (Fn. 117), 392 ff. (Rn. 621 ff.) sowie HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 73. 224 Vgl. speziell dazu HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 42 f. 225 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1.2. sowie HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 1. 226 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABl. L 264/32. Siehe zu einzelnen Änderungen etwa FREITAG, AG 2007, 157 ff. 227 Vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 26 sowie bereits BALDAMUS, Reform der Kapitalrichtlinie, 91 ff. 228 Auch dazu HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 65. 229 Siehe oben Fn. 47. 230 Ausdrücklich ausgenommen von den Offenlegungspflichten der Art. 3 und 9 werden gemäß Art. 14 Abs. 1 speziell Zweigniederlassungen von Kredit- und Finanzinstituten, welche unter die gesonderte Richtlinie 89/117/EWG vom 13.2.1989 (ABl. L 44/40) fallen; siehe dazu auch RIXEN, WM 1989, 905 ff. Art. 14 Abs. 2 erlaubt überdies Ausnahmen für Zweigniederlassungen von Versicherungsgesellschaften.
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formen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen“. Mit dem Erlass dieser Richtlinie verfolgte der Gemeinschaftsgesetzgeber einen doppelten Schutzzweck, nämlich einerseits die Erleichterung des grenzüberschreitenden Niederlassungsrechts (Art. 43, 48 EG) durch Gesellschaften innerhalb der Gemeinschaft speziell im Hinblick auf unselbstständige Sekundärniederlassungen, sowie andererseits den Schutz jener Personen, die mit der Zweigniederlassung einer ausländischen Rechtsperson in Beziehungen treten und dann ggf. auch mit dem ausländischen Gesellschaftsrecht konfrontiert werden 231. In gewisser Weise schlägt sich dieser doppelte Schutzzweck auch auf die systematische Einordnung der 11. Richtlinie nieder: Die sich daraus ergebenden Anforderungen ließen sich aus der Perspektive des notwendigerweise zuvor bereits bestehenden Stammhauses unter „marktchronologischen“ Gesichtspunkten 232 auch als Folge einer besonderen „Strukturveränderung“ der bisherigen Marktteilnahme ansehen233, werden im Grundansatz aber wohl überwiegend als Fall der (mit dem Markteintritt in den Zweigniederlassungsstaat verbundenen) „Gründungspublizität“ eingestuft und daher an dieser Stelle erläutert. Sachlich steht die „Zweigniederlassungs“-Richtlinie in der Tat auch in einem sehr engen Zusammenhang mit der 1. Richtlinie sowie außerdem mit den bilanzrechtlichen Richtlinien und ergänzt im Wesentlichen die dort jeweils bereits statuierten Offenlegungspflichten234. 2.3.3.2.2.1.3.1. Vorgesehene Publizitätspflichten Die vorgenannte Nähebeziehung insbesondere zur „Publizitäts“-Richtlinie kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass Abschnitt I der 11. Richtlinie bzgl. „Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten“ (Art. 1 bis 6) nach Art. 1 Abs. 1 überhaupt nur auf grenzüberschreitend errichtete Zweigniederlassungen von solchen Gesellschaften anwendbar ist, die in ihrem Heimatstaat unter die „Publizitäts“-Richtlinie fallen. Weiterhin enthält die 11. Richtlinie insofern im Hinblick auf die Urkunden und Angaben der betreffenden Zweigniederlassungen auch keinerlei eigenständige Regelungen über Publizitätsmittel und Publizitätswirkungen235, sondern lediglich einen Verweis über Art. 1 auf das in Art. 3 der 1. Richtlinie vorgegebene Veröffentlichungsinstrumentarium; ebenso geht auch Art. 6 bzgl. der Angaben in Geschäftsbriefen etc. vor durch einen allgemeinen Verweis auf Art. 4 der 1. Richtlinie. Kernvorschrift hinsichtlich der von der 11. Richtlinie erfassten Publizitätsgegenstände ist Art. 2 Abs. 1, der sich zunächst einmal dadurch auszeichnet, dass er den Umfang der unmittelbar im Zweigniederlassungsstaat offen zu legenden Urkunden und Angaben inhaltlich gegenüber der 1. Richtlinie einschränkt: Was zum 231
Vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 44. Siehe oben 2.3.3.2.1. und 2.3.3.2.2. 233 In diesem Sinne etwa GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 112 f. Vgl. speziell zu den „Strukturveränderungen“ unten 2.3.3.2.2.2. 234 Siehe SCHWARZ (Fn. 117), 233 (Rn. 370) sowie HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 43. 235 Gleiches gilt für den besonderen Abschnitt II betreffend „Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus Drittländern“ (Art. 7 bis 10), der hier nicht näher behandelt wird. Vgl. insofern HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 57. 232
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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einen die Offenlegung von organisatorischen Angaben betrifft, so konzentriert sich die Norm primär auf die Zweigniederlassung als solche (Anschrift, Tätigkeit, ggf. eigene Firma, ständiger Vertreter), während hinsichtlich der Gesellschaft neben einigen Grundangaben (Firma, Rechtsform, gesetzlicher Vertreter) lediglich die Angabe des Registers ihres Heimatstaates verlangt wird, bei dem diese Gesellschaft ihren eigenen nach Art. 2, 3 der 1. Richtlinie bestehenden Offenlegungspflichten236 nachzukommen hat. Ganz ähnlich geht die 11. Richtlinie zum anderen auch hinsichtlich der Bilanzpublizität vor, indem nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g i.V.m. Art. 3 die Veröffentlichungspflicht lediglich auf „die Unterlagen der Rechnungslegung der Gesellschaft“ erstreckt wird, soweit jene Unterlagen nach dem Recht ihres Heimatstaates im Einklang insbesondere mit der 4. und/oder 7. Richtlinie erstellt, geprüft und offen gelegt wurden. Danach wird also weder eine eigene Rechnungslegung der Zweigniederlassung verlangt noch eine konkret auf die Zweigniederlassung bezogene Rechnungslegung des Stammhauses; die Mitgliedstaaten müssen lediglich – durch Androhung geeigneter Maßregeln (Art. 12) – sicherstellen, dass eine auf ihrem Gebiet errichtete Zweigniederlassung die Bilanzunterlagen der Gesellschaft (Stammhaus) offen legt237. 2.3.3.2.2.1.3.2. Auslegung der Richtlinie durch den EuGH Auch der EuGH hat sich in jüngerer Zeit mit den Vorgaben der „Zweigniederlassungs“-Richtlinie bereits etwas näher beschäftigt. Nach der eher allgemein gehaltenen Hervorhebung der durch diese Richtlinie für Gläubiger der Zweigniederlassung bzw. ihres ausländischen Stammhauses eröffneten Informationsmöglichkeiten in den Entscheidungen „Centros Ltd“ und „Überseering BV“238 befasste sich der Gerichtshof im „Inspire Art Ltd“-Urteil nicht allein mit der Qualität von hinreichend abschreckenden Sanktionen im Sinne des soeben genannten Art. 12 239, sondern insbesondere auch mit der Frage, ob durch die Art. 2 und Art. 6 der 11. Richtlinie eine abschließende Harmonisierung hinsichtlich der an grenzüberschreitend errichtete Zweigniederlassungen zu stellenden Offenlegungspflichten herbeigeführt wurde. Diese Frage stellte sich vor dem Hintergrund der nach niederländischem Recht von „formal ausländischen Gesellschaften“ verlangten besonderen Angaben im Handelsregister sowie auf Geschäftsbriefen, und der EuGH beantwortete sie in aller Klarheit zugunsten einer abschließenden Richtlinieregelung, die weiterreichenden nationalen Anforderungen entgegen steht240. Dabei stützte sich der Gerichtshof insbesondere auf das Ziel der 11. Richtlinie, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch Beseitigung der störenden Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Offenlegungsregeln zu erleichtern, was nur durch eine abschließende Harmonisierungsvorgabe zu erreichen sei; außerdem sei der Katalog des
236
Dazu näher oben 2.3.3.2.2.1.1. Vgl. dazu HABERSACK (Fn. 29), § 6 Rn. 54 ff. 238 Dazu bereits im Einzelnen oben 2.3.2.1.2.3. 239 Vgl. dazu bereits oben 2.3.2.2.1.2. 240 Dazu auch WINTER, L.I.E.I. 2/2004, 97 (102 f.). 237
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Art. 2 Abs. 1 – im Gegensatz zur Aufzählung fakultativer Offenlegungsmaßnahmen in Art. 2 Abs. 2 – in seinem Wortlaut erschöpfend formuliert241. Zumindest ansatzweise geäußert hat der EuGH sich jüngst auch zu der letztgenannten Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 der 11. Richtlinie, welche den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, über die ohnehin zwingend offen zu legenden Urkunden und Angaben des Art. 2 Abs. 1 hinaus noch bestimmte weitere Offenlegungspflichten anzuordnen. In dem vom Landgericht Berlin vorgelegten Fall „innoventif Limited“242 ging es u.a. darum, ob das nach deutschem Recht (§§ 13b Abs. 3, 13g Abs. 3 HGB i.V.m. § 10 Abs. 1 GmbHG) für die Eintragung der Zweigniederlassung einer – ausländischen oder auch inländischen – Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgestellte Erfordernis, den vollständigen Geschäftsgegenstand dieser Gesellschaft zu veröffentlichen, mit den Richtlinienvorgaben in Einklang steht. Unmittelbar in Art. 2 Abs. 1 der 11. Richtlinie ist eine solche Angabe nicht vorgesehen, doch verweist der EuGH in seinem Urteil darauf, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b es den Mitgliedstaaten sogar ausdrücklich erlaube, im Zusammenhang mit der Registereintragung einer Zweigniederlassung die Offenlegung des gesamten Errichtungsaktes sowie ggf. auch der Satzung der ausländischen Gesellschaft (nach dem in Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie vorgesehenen Procedere) vorzuschreiben. Offenbar a maiore ad minus argumentierend hält der Gerichtshof es hiermit für vereinbar, wenn ein Mitgliedstaat statt der Offenlegung der gesamten vorstehend genannten Urkunden lediglich die Bekanntgabe des (in diesen Urkunden niederlegten243) Unternehmensgegenstandes der ausländischen Gesellschaft verlangt244. 2.3.3.2.2.2. Besondere Veränderungen der Marktteilnahme: Publizität bei „Strukturveränderungen“ (3., 6., 10., 12. und 13. Richtlinie) Die Regelungsinhalte der vorgenannten Richtlinien (1., 2. und 11. Richtlinie) sowie insbesondere auch jene der nachfolgend noch darzustellenden bilanz- und kapitalmarktrechtlichen Sekundärrechtsakte richten sich auf das „Außenverhältnis“ der Gesellschaft gegenüber Dritten (vor allem zu Gläubigern und Kapitalanlegern bzw. Gesellschaftern). Demgegenüber beziehen sich die 3. Richtlinie 78/855/EWG245 und die 6. Richtlinie 82/891/EWG 246 – sowie auch die jüngst verabschiedete (10.) Richtlinie 2005/56/EG247 – auf Umwandlungsmaßnahmen in Form von Verschmelzungen oder Spaltungen, also auf Strukturveränderungen, die im „Innenverhältnis“ der betroffenen Kapitalgesellschaften anzusiedeln sind 248. Gleiches gilt für die von der 12. Richtlinie 89/667/EWG249 erfassten Fälle der Anteilsvereinigung in einer 241
EuGH, Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd, Slg. 2003, I-10155, Tz. 65-72. LG Berlin, ZIP 2005, 1278 ff. = Rs. C-453/04, innoventif Limited, ABl. 2005 C 6/29. 243 Wie das LG Berlin, ZIP 2005, 1278 (1281) hervorgehoben hatte, verlangt das deutsche Recht insofern „die wörtliche Wiedergabe der maßgeblichen Satzungsbestimmungen“. 244 EuGH, Rs. C-453/04, innoventif Limited, Slg. 2006, I-4929, Tz. 33-36. 245 Oben Fn. 136. 246 Oben Fn. 136. 247 Oben Fn. 138. 248 GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 234 m.w.N.; ähnlich auch GROHMANN (Fn. 58), 308 ff. 249 Oben Fn. 138. 242
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Hand und die unter die (13.) Richtlinie 2004/25/EG250 fallenden Situationen der Übernahme sowie schließlich auch für die grenzüberschreitende Sitzverlegung251. Auch in all diesen Fällen ist regelmäßig eine Informationsvermittlung nach außen durch die beteiligte(n) Gesellschaft(en) zwingend vorgeschrieben, wenn auch primär an den Gesellschafterkreis gerichtet252. 2.3.3.2.2.2.1. 3. Richtlinie 78/855/EWG (nationale „Verschmelzungs“-Richtlinie) Letzteres zeigt sich zunächst am Beispiel der 3. (nationalen) „Verschmelzungs“Richtlinie253, die in den Mitgliedstaaten die dort zum Teil vorher unbekannten Institute der rein innerstaatlichen Verschmelzung von Gesellschaften durch Aufnahme seitens einer bereits bestehenden sowie durch Gründung einer neuen Gesellschaft (Art. 2 bis 4 i.V.m. Art. 5 ff. bzw. Art. 23) einführt, dabei allerdings in subjektiver Hinsicht auf Aktiengesellschaften beschränkt ist (Art. 1 Abs. 1). Beispielhaft aufzeigen lassen sich an dieser Stelle die in der Richtlinie vorgesehenen Informationspflichten254 für den schwerpunktmäßig geregelten Fall der Verschmelzung durch Aufnahme: Da grds. die Hauptversammlungen der betroffenen Gesellschaften der Verschmelzung zustimmen müssen (Art. 7255), haben deren Verwaltungs- bzw. Leitungsorgane zunächst einmal einen schriftlichen Verschmelzungsplan (Art. 5 Abs. 1) zu erstellen, der mindestens einen Monat vor dem jeweiligen Hauptversammlungsbeschluss nach dem in Art. 3 der 1. Richtlinie geregelten Verfahren256 zu veröffentlichen ist (Art. 6). Mindestinhalt sind Angaben über die Gesellschaften (Rechtsform, Firma und Sitz), über den Aktientausch (Umtauschverhältnis zzgl. etwaiger Barzuzahlung, Einzelheiten bzgl. der Anteilsübertragung der übernehmenden Gesellschaft sowie Zeitpunkt und Besonderheiten des Gewinnbezugsrechts dieser Aktien), über den Übergang der Rechnungslegungspflicht von der übertragenden auf die übernehmende Gesellschaft, über die Gewährung von Rechten seitens der übernehmenden Gesellschaft an Aktionäre mit Sonderrechten und an Inhaber anderer Wertpapiere sowie über besondere Vorteile, die den Mitgliedern der Organe der Gesellschaften oder auch den Verschmelzungsprüfern gewährt werden (Art. 5 Abs. 2). Der Verschmelzungsplan ist sodann von zumindest einem unabhängigen Sachverständigen zu prüfen, der in einem schriftlich vorzulegenden Prüferbericht die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses der jeweiligen Aktien 250
Richtlinie 2004/25/EG vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. L 142/12. Siehe dazu den Vorentwurf der Kommission für eine 14. Richtlinie vom 22.4.1997 (Fn. 138). 252 Vgl. speziell zu diesem Bereich der „Information zur Ausübung von Mitwirkungspflichten“ SCHÖN, RabelsZ 2000, 1 (26 f.). 253 Oben Fn. 136. Näher zu dieser Richtlinie SCHWARZ (Fn. 117), 405 ff. (Rn. 637 ff.) sowie HABERSACK (Fn. 29), § 7 Rn. 1 ff. 254 Ausführlich dazu BAYER, AG 1988, 323 ff. 255 Art. 8 eröffnet den Mitgliedstaaten fakultativ die Möglichkeit eines Verzichts auf einen Hauptversammlungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft, setzt für diesen Fall aber gleichfalls insbesondere die Offenlegung des Verschmelzungsplans nach Art. 6 sowie die Einsichtnahmemöglichkeiten der Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 voraus. 256 Vgl. dazu bereits oben 2.3.3.2.2.1.1. 251
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durch eine eigene Bewertung zu analysieren und auf etwaige besondere Bewertungsschwierigkeiten hinzuweisen hat (Art. 10 Abs. 1, 2). Ergänzend dazu ist seitens der Verwaltungs- bzw. Leitungsorgane der Gesellschaften ein ausführlicher schriftlicher Verschmelzungsbericht zu erstellen, der eine rechtliche und wirtschaftliche Erläuterung des Verschmelzungsplans sowie insbesondere des Umtauschverhältnisses der Aktien enthalten und auf etwaige besondere Bewertungsschwierigkeiten hinweisen muss (Art. 9). Mindestens einen Monat vor dem Hauptversammlungsbeschluss über die Verschmelzung muss jeder Aktionär am Sitz seiner Gesellschaft von dem Verschmelzungsplan nebst Verschmelzungs- und Prüferbericht sowie auch von den Jahresabschlüssen und Geschäftsberichten der sich verschmelzenden Gesellschaften für die letzten drei Geschäftsjahre Kenntnis nehmen können; sofern der letzte Jahresabschluss sich auf ein bereits mehr als sechs Monate vor Aufstellung des Verschmelzungsplans abgelaufenes Geschäftsjahr bezieht, ist außerdem eine nicht mehr als drei Monate zurückreichende und nach denselben Methoden wie die letzte Jahresbilanz erstellte Zwischenbilanz vorzulegen (Art. 11 Abs. 1, 2). Jeder Aktionär kann von den genannten Unterlagen kostenlos auf formlosen Antrag vollständige oder auszugsweise Abschriften erhalten (Art. 11 Abs. 3). Nach Durchführung der Verschmelzung hat für jede der verschmolzenen Gesellschaften in Übereinstimmung mit Art. 3 der 1. Richtlinie ex post eine Offenlegung der Verschmelzung nach dem Verfahren des betreffenden Mitgliedstaates zu erfolgen (Art. 18). Ebenso wie bereits durch die Veröffentlichung des Verschmelzungsplans haben also grds. auch „Außenstehende“ die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Umstrukturierungsvorgang. Dennoch ist der gesamte Verfahrensablauf – wenn auch unausgesprochen – zentral auf die Aktionäre aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften und die ex ante Vermittlung von Informationen zur Wahrung ihrer Rechte zugeschnitten ist, während sich die 3. Richtlinie im Übrigen nur kurz über die Rechtsposition sonstiger Personen verhält257: Bezüglich der Ansprüche von Arbeitnehmern der Gesellschaften wird auf die sog. „Betriebsübergangs“Richtlinie258 verwiesen, die in ihrem Art. 7 bestimmte Konsultationsrechte der jeweiligen Arbeitnehmervertreter vorsieht. Im Hinblick auf Rechte von Gläubigern der Gesellschaften werden die Mitgliedstaaten durch die 3. Richtlinie dazu verpflichtet, ein „angemessenes“ (Mindest-) Schutzsystem für solche Forderungen einzuführen, die vor der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans entstanden sind (Art. 13); weitere Regelungen sind überdies für spezielle Gläubigergruppen (Anleihegläubiger und Inhaber anderer Wertpapiere mit Sonderrechten; Art. 14 und 15) vorgesehen. Ein allgemeiner Verkehrsschutz findet sich demgegenüber allenfalls implizit und teilweise auch nur fakultativ angelegt, so etwa hinsichtlich der Bewertung und Prüfung von Sacheinlagen (Art. 10, 23 Abs. 4)259.
257
Näher hierzu GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 877 ff. Richtlinie 77/187/EWG vom 14.2.1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, ABl. L 61/26, nach Änderungen neu kodifiziert durch die gleichnamige Richtlinie 2001/23/EG vom 12.3.2001, ABl. L 82/16. 259 Siehe speziell dazu GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 881 m.w.N. 258
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Zu ergänzen ist allerdings, dass der Umfang der aus der 3. Richtlinie folgenden Informationspflichten unlängst punktuell zurückgeschnitten wurde: Durch die bis Jahresende 2008 umzusetzende Änderungs-Richtlinie 2007/63/EG 260 wurde in Art. 10 ein neuer Absatz 4 eingefügt, wonach weder die Prüfung des Verschmelzungsplans noch die Erstellung eines Sachverständigenberichts erforderlich sind, wenn sämtliche Aktionäre und Inhaber stimmberechtigter Werpapiere aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften darauf verzichten. Damit wurde insofern ein Gleichlauf mit der entsprechenden Regelung in der 10. Richtlinie261 über die grenzüberschreitenden Verschmelzungen hergestellt. 2.3.3.2.2.2.2. 6. Richtlinie 82/891/EWG (nationale „Spaltungs“-Richtlinie) Von der Grobstruktur her ganz ähnlich stellen sich die Parallelregelungen in der 6. (nationalen) „Spaltungs“-Richtlinie262 dar, welche jene Mitgliedstaaten, die eine rein innerstaatliche Unternehmensteilung durch Übernahme seitens einer bestehenden oder durch Gründung einer neuen Gesellschaft zulassen, dazu verpflichtet, diese Vorgänge nach bestimmten Vorgaben (Art. 2 ff. bzw. Art. 21 f.) zu regeln; dies gilt wegen des in Art. 1 Abs. 1 enthaltenen Verweises auf Art. 1 Abs. 1 der 3. Richtlinie263 in subjektiver Hinsicht allerdings erneut nur für Aktiengesellschaften. Am Beispiel des hauptsächlich geregelten Falles der Spaltung durch Übernahme lassen sich die in der 6. Richtlinie enthaltenen Informationspflichten wie folgt systematisieren: So weit auch hier ein Hauptversammlungsbeschluss der jeweils beteiligten Gesellschaften erforderlich ist (Art. 5, 6), werden zur Vorbereitung dieser Beschlussfassung die Verwaltungs- bzw. Leitungsorgane der Gesellschaften zunächst zur Erstellung eines schriftlichen Spaltungsplans (Art. 3 Abs. 1) verpflichtet, der wiederum mindestens einen Monat vor dem jeweiligen Hauptversammlungsbeschluss nach dem in Art. 3 der 1. Richtlinie geregelten Verfahren264 zu veröffentlichen ist (Art. 4). Mindestinhalt sind Angaben über die Gesellschaften (Rechtsform, Firma und Sitz), über den Aktientausch (Umtauschverhältnis zzgl. etwaiger Barzuzahlung, Einzelheiten bzgl. der Anteilsübertragung der begünstigten Gesellschaften sowie Zeitpunkt und Besonderheiten des Gewinnbezugsrechts dieser Aktien), über den Übergang der Rechnungslegungspflicht von der gespaltenen auf die begünstigte Gesellschaft, über die Gewährung von Rechten seitens der begünstigten Gesellschaften an Aktionäre mit Sonderrechten und an Inhaber anderer Wertpapiere, über die Gewährung besonderer Vorteile an Mitglieder der Organe der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften oder an Spaltungsprüfer, sowie genaue Beschreibungen 260
Richtlinie 2007/63/EG vom 13.11.2007 zur Änderung der Richtlinien 78/855/EWG und 82/ 891/EWG hinsichtlich des Erfordernisses der Erstellung eines Berichts durch einen unabhängigen Sachverständigen anlässlich der Verschmelzung oder der Spaltung von Aktiengesellschaften, ABl. L 300/47. Vgl. zum vorangegangenen Richtlinienvorschlag KOM (2007) 91 endg. vom 6.3.2007 auch BECKER, GmbHR 2007, R 107. 261 Zu dieser Richtlinie unten 2.3.3.2.2.2.3. 262 Oben Fn. 136. Näher zu dieser Richtlinie SCHWARZ (Fn. 117), 428 ff. (Rn. 672 ff.) sowie HABERSACK (Fn. 29), § 7 Rn. 28 ff. 263 Dazu oben 2.3.3.2.2.2.1. 264 Vgl. dazu bereits oben 2.3.3.2.2.1.1.
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und Aufteilungen der an die begünstigten Gesellschaften zu übertragenden Aktiva und Passiva (Art. 3 Abs. 2). Der Spaltungsbericht ist sodann durch unabhängige Sachverständige zu überprüfen, die hierüber einen schriftlichen Prüferbericht für die Aktionäre zu erstellen haben (Art. 8). Außerdem haben die Verwaltungs- bzw. Leitungsorgane der beteiligten Gesellschaften einen ausführlichen schriftlichen Spaltungsbericht zu erstellen, in dem der Spaltungsplan sowie insbesondere das Umtauschverhältnis der Aktien rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden und auf etwaige Bewertungsschwierigkeiten hingewiesen wird; gleichfalls in diesem Bericht zu erwähnen ist die Prüfung etwaiger Sacheinlagen im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der „Kapital“-Richtlinie265 (Art. 7 Abs. 1, 2). Mindestens einen Monat vor dem Hauptversammlungsbeschluss über die Spaltung muss dann jeder Aktionär am Sitz der Gesellschaft sowohl vom Spaltungsplan als auch dem Spaltungs- und Prüferbericht Kenntnis nehmen können sowie außerdem von den Jahresabschlüssen und Geschäftsberichten der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften für die letzten drei Geschäftsjahre; sofern der letzte Jahresabschluss sich auf ein bereits mehr als sechs Monate vor Aufstellung des Spaltungsplans abgelaufenes Geschäftsjahr bezieht, ist außerdem eine nicht mehr als drei Monate zurückreichende und nach denselben Methoden wie die letzte Jahresbilanz erstellte Zwischenbilanz vorzulegen (Art. 9 Abs. 1, 2). Von den genannten Unterlagen kann jeder Aktionär kostenlos auf formlosen Antrag vollständige oder auszugsweise Abschriften erhalten (Art. 9 Abs. 3). Für jede daran beteiligte Gesellschaft muss die Spaltung sodann nach einem Art. 3 der 1. Richtlinie entsprechenden Verfahren offen gelegt werden (Art. 16 Abs. 1). Hinsichtlich der Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer wird wiederum auf die „Betriebsübergangs“-Richtlinie266 verwiesen (Art. 11); einige Sonderregelungen befassen sich zudem mit dem Schutz von Gläubigern (Art. 12) und Inhabern von Wertpapieren mit Sonderrechten (Art. 13). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Änderungs-Richtlinie 2007/63/ EG 267 auch hinsichtlich der 6. Richtlinie unlängst eine punktuelle Verkürzung der Informationspflichten mit sich gebracht hat: Art. 10 wurde dahin gehend angepasst, dass nunmehr die in Art. 8 Abs. 1 vorgesehene Prüfung des Spaltungsplans und die Erstellung eines Sachverständigenberichts nicht mehr erforderlich sind, wenn sämtliche Aktionäre und Inhaber stimmberechtigter Werpapiere aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften darauf verzichten268. Unter der gleichen Voraussetzung können die Mitgliedstaaten gestatten, dass auf die Erstellung des in Art. 7 geregelten Spaltungsberichts und die in Art. 9 Abs. 1 vorgesehene Zurverfügungstellung dieses Berichts sowie der Zwischenbilanz an die Aktionäre verzichtet werden kann.
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Dazu oben 2.3.3.2.2.1.2.1. Zu den dortigen Konsultationsrechten der Arbeitnehmervertreter vgl. oben 2.3.3.2.2.2.1.1. 267 Oben Fn. 260. 268 Zum Gleichlauf mit der Änderung der 3. Richtlinie siehe oben 2.3.3.2.2.2.1. sowie auch mit jenen der 10. Richtlinie unten 2.3.3.2.2.2.3. 266
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2.3.3.2.2.2.3. Richtlinie 2005/56/EG (grenzüberschreitende „Verschmelzungs“Richtlinie) Neben der vorgenannten 6. Richtlinie betreffend (nationale) Spaltungen hat die 3. Richtlinie über (nationale) Verschmelzungen in jüngster Zeit noch eine wichtige weitere Ergänzung gefunden: In Fortentwicklung früherer Ansätze zur Schaffung einer 10. Richtlinie für grenzüberschreitende Verschmelzungen hatte die EU-Kommission nach einer entsprechenden Ankündigung in ihrem sog. „Aktionsplan“ vom Mai 2003 269 im November desselben Jahres einen neuen Entwurf vorgelegt270, der schließlich in die am 26.10.2005 verabschiedete und gemäß ihrem Art. 19 bis Dezember 2007 in nationales Recht umzusetzende Richtlinie 2005/56/EG „über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten“271 mündete. Diese Richtlinie ist in ihrem subjektiven Anwendungsbereich weiter gefasst als die 3. und 6. Richtlinie, indem sie nämlich in Art. 2 Nr. 1 insbesondere an den Begriff der „Kapitalgesellschaft“ im Sinne der „Publizitäts“-Richtlinie272 anknüpft. Im Hinblick auf die hier zu erörternden Informations- und Offenlegungspflichten ist hervorzuheben, dass das Verschmelzungsverfahren in Art. 5 ff. konzeptionell in starker Orientierung insbesondere an den Vorschriften der 3. Richtlinie geregelt ist273: So muss spätestens einen Monat vor dem Beschluss der jeweiligen Gesellschafterversammlung (Art. 9) von den Leitungs- oder Verwaltungsorganen der sich verschmelzenden Gesellschaften ein sog. „gemeinsamer Verschmelzungsplan“ mit umfassendem Mindestinhalt (Art. 5 Abs. 1, 2) erstellt und entsprechend Art. 3 der 1. Richtlinie bekannt gemacht werden (Art. 6 Abs. 1)274; außerdem muss für jede der beteiligten Gesellschaften eine Bekanntmachung von Rechtsform, Firma und Sitz sowie auch des Registers der nach Art. 3 Abs. 2 der „Publizitäts“Richtlinie bei Gründung einzureichenden Urkunden275 im amtlichen Mitteilungsblatt des jeweiligen Mitgliedstaats erfolgen (Art. 6 Abs. 2). Der gemeinsame Verschmelzungsplan ist auch hier von zumindest einem unabhängigen Sachverständigen zu prüfen, der hierüber einen schriftlichen Prüferbericht zu erstellen und diesen spätestens einen Monat vor der maßgeblichen Ge269
Siehe dazu HABERSACK (Fn. 29), § 4 Rn. 27 ff. sowie auch unten 2.3.3.3. Zu diesem Entwurf vom 18.11.2003 vgl. MAUL/TEICHMANN/WENZ, BB 2003, 2633 ff.; BAYER, BB 2004, 1 (9). 271 Oben Fn. 138. Zur Korrektur der genauen Umsetzungsfrist auf den 15.12.2007 siehe ABl.EU 2008 L 28/40. Zu dieser Richtlinie und ihrer Umsetzung in Deutschland vgl. etwa NEYE, ZIP 2005, 1893 ff.; EISMAYR, IWB 22/2005 Fach 11 Gruppe 2, 705 ff.; FRISCHHUT, EWS 2006, 55 ff.; DRINHAUSEN/KEINATH, RIW 2006, 81 ff.; GEYRHALTER/WEBER, DStR 2006, 146 ff.; GROHMANN/GRUSCHINSKE, GmbHR 2006, 191 ff.; NEYE/TIMM , DB 2006, 488 ff.; HARITZ/ VON WOLFF, GmbHR 2006, 340 ff.; FORSTHOFF, DStR 2006, 613 ff.; DRINHAUSEN/KEINATH, BB 2006, 725 ff.; KIEM, WM 2006, 1091 ff.; LOUVEN, ZIP 2006, 2021 ff.; WINTER, GmbHR 2008, 532 ff. 272 Dazu oben 2.3.3.2.2.1.1. 273 Vgl. auch HABERSACK (Fn. 29), § 7 Rn. 62 ff. 274 Näher zum Verschmelzungsbericht KRAUSE/KULPA, ZHR 171 (2007), 38 (61 ff.) sowie FRENZEL , RIW 2008, 12 ff. 275 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1. 270
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sellschafterversammlung vorzulegen hat (Art. 8 Abs. 1 bis 3); allerdings können sämtliche Gesellschafter aller beteiligten Gesellschaften hierauf auch gemeinsam verzichten (Art. 8 Abs. 4). Weiterhin hat das jeweilige Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan der sich verschmelzenden Gesellschaften jeweils einen für die Gesellschafter bestimmten Verschmelzungsbericht zu erstellen, der allerdings zugleich auch den Arbeitnehmern bzw. ihren Vertretern spätestens einen Monat vor der relevanten Gesellschafterversammlung zugänglich zu machen ist (Art. 7) 276. Nach der Verschmelzung ist deren Abschluss in allen Mitgliedstaaten, aus denen sich Gesellschaften daran beteiligt hatten, entsprechend Art. 3 der 1. Richtlinie bei dem jeweils zuständigen öffentlichen Register offen zu legen (Art. 13). 2.3.3.2.2.2.4. 12. Richtlinie 89/667/EWG („Einmann-GmbH“-Richtlinie) Eine ganz andere Thematik als die drei vorstehend dargestellten Richtlinien regelt demgegenüber die 12. Richtlinie über die sog. „Einmann-GmbH“277: Diese Richtlinie will ermöglichen, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in allen Mitgliedstaaten von nur einem einzigen Gesellschafter wirksam errichtet werden kann bzw. auch wirksam bleibt, sollte sich bei einer solchen Gesellschaft nachträglich eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand ergeben (Art. 2 Abs. 1). Gerade für den letztgenannten Sachverhalt sieht die Richtlinie allerdings eine ausdrückliche Publizitätspflicht vor, d.h. im Falle der Anteilsvereinigung in einer Hand muss diese Tatsache sowie die Identität des einzigen Gesellschafters entweder in das nach Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie278 zu führende Register eingetragen bzw. in der dort geführten Akte hinterlegt oder aber in einem bei der Gesellschaft selbst geführten und öffentlich zugänglichen Register vermerkt werden (Art. 3). 2.3.3.2.2.2.5. Richtlinie 2004/25/EG („Übernahme“-Richtlinie) Wiederum einen anderen Regelungsinhalt hat die Richtlinie 2004/25/EG279, die am 21.4.2004 als Ergebnis der langjährigen Versuche zur Schaffung einer 13. Richtlinie280 für das Übernahmerecht verabschiedet werden konnte und bis zum 20.5.2006 umzusetzen war (Art. 21): Geregelt wird das Verfahren öffentlicher Übernahmeangebote für die Wertpapiere einer dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft, sofern alle oder ein Teil dieser Wertpapiere auf einem geregelten 276
Eingehend zum „gemeinsamen Verschmelzungsplan“ und der entsprechenden Richtlinienumsetzung in Deutschland KALLMEYER, AG 2007, 472 ff. Siehe außerdem auch KRAUSE/KULPA, ZHR 171 (2007), 38 (56 ff.). 277 Oben Fn. 138. Näher zu dieser Richtlinie SCHWARZ (Fn. 117), 324 ff. (Rn. 510 ff.) sowie HABERSACK (Fn. 29), § 9. 278 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1. 279 Oben Fn. 250. Zur Richtlinie und zur deutschen Umsetzung siehe etwa SEIBT/HEISER, ZGR 2005, 200 ff.; MERKT/BINDER, BB 2006, 1285 ff. Zur unzureichenden und von der Kommission kritisierten Umsetzung in den Mitgliedstaaten allgemein siehe „Report on the implementation of the Directive on Takeover Bids“, Arbeitspapier SEC(2007) 268 vom 21.2.2007 und Pressemeldung IP/07/215 der EU-Kommission vom 26.2.2007; dazu auch BECKER, GmbHR 2007, R 108. 280 Vgl. insofern zur Historie SCHWARZ (Fn. 117), 476 ff. (Rn. 781 ff.). Siehe außerdem Entwurf KOM (2002) 534 endg. vom 2.10.2002, NZG 2002, 1144 ff. und dazu etwa SEIBT/HEISER, ZIP 2002, 2193 ff. sowie KALLMEYER, DB 2002, 2695 ff.
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Markt im Sinne der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 93/22/EWG 281 zugelassen sind (Art. 1 Abs. 1). Dem Gemeinschaftsgesetzgeber ging es dabei zum einen um die Regulierung eines fairen, am Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre orientierten Verfahrens bei der Abgabe freiwilliger Übernahmeangebote, zum anderen um die Erreichung eines Mindestschutzes für Minderheitsaktionäre der betroffenen Zielgesellschaften282. Gerade im Hinblick auf den dergestalt in den Vordergrund gerückten Aktionärsschutz der Zielgesellschaft enthält die „Übernahme“-Richtlinie konsequenterweise auch umfassende Informationsregeln. So schreibt Art. 3 Abs. 1 Buchst. b ausdrücklich vor, dieser Personenkreis müsse „über genügend Zeit und ausreichende Informationen verfügen, um in ausreichender Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können“. Zu diesem Informationszweck wird dem Bieter die Erstellung und rechtzeitige Bekanntmachung einer umfangreichen Angebotsunterlage auferlegt, welche neben den Konditionen des Angebots u.a. die Personalien des Bieters (bei Gesellschaften: Rechtsform, Firma und Sitz) und der ggf. mit ihm handelnden Personen sowie zu den jeweils bereits gehaltenen Anteilen an der Zielgesellschaft enthalten muss, aber auch Angaben über die Finanzierung und etwaige Bedingungen des Angebots sowie über die zukünftige strategische Planung des Bieters für die Zielgesellschaft (Art. 6 Abs. 2, 3). Die Bekanntmachung des Angebots muss sodann in der Weise erfolgen, dass eine Verbreitung falscher oder irreführender Angaben ausgeschlossen ist und die erforderlichen Unterlagen und Informationen den Aktionären der Zielgesellschaft sowie auch ihren Arbeitnehmervertretern ohne Weiteres und umgehend zur Verfügung stehen (Art. 8 Abs. 1, 2). Darüber hinaus enthält die „Übernahme“-Richtlinie aber auch noch umfassende weitere Offenlegungspflichten, die ganz allgemein sämtliche Gesellschaften im Sinne ihres Art. 1 Abs. 1 treffen, also bereits bei Zulassung nur eines Teils ihrer Anteile auf einem geregelten Markt. Bezweckt wird hiermit die Aufdeckung bestimmter Gesellschaftsstrukturen und (Verteidigungs-)Mechanismen, die eine Übernahme und anschließende Kontrollausübung behindern können; es soll also sowohl das Informationsbedürfnis der Bieter hinsichtlich potentieller Übernahmeziele als auch der Anleger hinsichtlich der Grundlagen einer informierten Investitionsentscheidung befriedigt werden283. Offen zu legen sind insbesondere die Zusammensetzung des Kapitals, jede Beschränkung in Bezug auf die Übertragung der Anteile, bedeutende direkte oder indirekte Beteiligungen am Kapital, Inhaberschaften von Anteilen mit besonderen Kontrollrechten, Stimmrechtskontrollen und -beschränkungen, Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern mit beschränkender Wirkung für die Übertragbarkeit von Anteilen sowie Vereinbarungen der Gesellschaft mit Mitgliedern des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan oder mit Arbeitnehmern über Entschädigungen im Falle der Beendigung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen; lediglich im Hinblick auf die grds. bestehende Verpflichtung zur Offenlegung bedeutender Vereinbarungen der Gesellschaft, die im Falle von Übernahmeangeboten wirksam 281
Oben Fn. 72. Vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 10 Rn. 5 f. 283 Vgl. SEIBT/HEISER, ZGR 2005, 200 (236) m.w.N. 282
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werden oder enden, gilt eine Ausnahme, soweit eine Bekanntmachung der Gesellschaft „erheblich schaden“ würde und nicht anderweitig zwingend vorgeschrieben ist (Art. 10 Abs. 1)284. Die Offenlegung der vorstehenden Angaben muss entweder im Lagebericht des Einzelabschlusses der Gesellschaft (Art. 46 der 4. Richtlinie285) oder des Konzernabschlusses (Art. 36 der 7. Richtlinie286) erfolgen, und die Mitgliedstaaten haben überdies dafür zu sorgen, dass den Aktionären bei der Jahreshauptversammlung ein erläuternder Bericht des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans vorgelegt wird (Art. 10 Abs. 2, 3). 2.3.3.2.2.2.6. Projekt einer 14. Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung Abschließend kurz vorzustellen ist nunmehr noch das in jüngster Zeit wieder stark in die Diskussion geratene Vorhaben einer 14. Richtlinie zur Regelung der grenzüberschreitenden (identitätswahrenden Satzungs-) Sitzverlegung von Gesellschaften287. Schon aus der Präambel des am 22.4.1997 von der Kommission vorgelegten Richtlinienvorentwurfs288 wird dabei deutlich, dass auch hier Informationsund Publizitätspflichten eine wichtige Rolle spielen: Wie nämlich im letzten Erwägungsgrund ausdrücklich hervorgehoben wird, verlangt die „Publizitäts“-Richtlinie 68/151/EWG „eine Offenlegung der wichtigsten Beschlüsse, die von den Organen der Kapitalgesellschaft gefasst werden“; eben diese Offenlegungspflicht sollte auch für den von der angestrebten 14. Richtlinie geregelten „Vorgang der Sitzverlegung gelten, der auch andere Gesellschaftsformen betrifft“. Dementsprechend ist im Vorentwurf zum einen die Erstellung eines Verlegungsplanes durch das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan der Gesellschaft vorgesehen, welcher den angestrebten neuen Sitz, die vorgeschlagene neue Satzung und ggf. neue Firma, die Form der Arbeitnehmermitbestimmung und den für die Verlegung vorgesehen Zeitplan enthalten muss (Art. 4 Abs. 1); dieser Verlegungsplan ist nach den im Wegzugsstaat geltenden Modalitäten insbesondere unter Beachtung der Art. 2 und Art. 3 der 1. Richtlinie289 offen zu legen (Art. 4 Abs. 2). Weiterhin hat das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan in einem Verlegungsbericht die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Verlegung zu erläutern und zu begründen, wobei auch die Auswirkungen auf Gesellschafter und Arbeitnehmer dargelegt werden müssen (Art. 5 Abs. 1); bis zur maßgeblichen Hauptversammlung (Art. 6) haben Gesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer mindestens einen Monat lang das Recht, am Sitz der Gesellschaft sowohl Verlegungsplan als auch –bericht einzusehen und ggf. kostenlose Abschriften zu erhalten (Art. 5 Abs. 2)290. Etwaige Satzungsänderungen müssen nach den Modalitäten des Zuzugsstaats gemäß der 1. Richtlinie offen gelegt 284
Zu Details siehe SEIBT/HEISER, ZGR 2005, 200 (236 ff.). Siehe unten 2.3.3.2.3.1.1. 286 Siehe unten 2.3.3.2.3.1.2. 287 Vgl. dazu etwa BAYER, BB 2004, 1 (9 f.); GRUNDMANN, DStR 2004, 232 (235 f.); HABERSACK (Fn. 29), § 4 Rn. 35 ff. 288 Oben Fn.138. 289 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1. 290 Vgl. zu Verlegungsplan und –bericht auch PRIESTER, ZGR 1999, 36 (41) sowie GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 827 f. 285
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werden (Art. 6 Abs. 4), und ebenso muss eine Offenlegung sowohl der Löschung im Register des Wegzugsstaats als auch der neuen Eintragung im Zuzugsstaat in beiden Ländern entsprechend den Vorgaben der 1. Richtlinie erfolgen (Art. 11 Abs. 4). Nach dem derzeitigen Stand der Dinge ist allerdings sehr fraglich, ob und inwieweit dieses Richtlinienprojekt noch verwirklicht wird. Auf der Grundlage eines im Dezember 2007 von der EU-Kommission vorgelegten Arbeitspapiers über eine Folgenabschätzung zu dieser Richtlinie291 wurde seitens des zuständigen Kommissars McCreevy beschlossen, dass insoweit ein Tätigwerden auf Gemeinschaftsebene nicht erforderlich sei. Die weiteren Arbeiten an diesem Projekt wurden daher bei der Kommission eingestellt292, und es bleibt abzuwarten, ob die zukünftige EuGH-Judikatur zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften hieran etwas ändern wird293. 2.3.3.2.2.3. Sonderbereich europäische Gesellschaftsformen: EWIV, SE und SCE sowie Europäische Privatgesellschaft Einen ergänzend zu den vorstehenden Harmonisierungsansätzen darzustellenden Sonderbereich bilden die supranationalen Gesellschaftsformen, deren Schaffung der Gemeinschaftsgesetzgeber auf der Grundlage von Verordnungen ermöglicht hat. Unter „marktchronologischen“ Gesichtspunkten294 lässt sich konstatieren, dass insofern sowohl der Markteintritt als auch die laufende Marktteilnahme und besondere Veränderungen derselben in der jeweiligen Verordnung – wenn auch in durchaus unterschiedlichem Umfang – geregelt sind, wobei aber vielfach wiederum auf das im gesellschafts- wie auch bilanzrechtlichen Richtliniengeflecht bereits vorhandene Instrumentarium zurückgegriffen wird. Die dabei gehandhabte Verweisungstechnik sei hier zumindest in groben Zügen für den Bereich der Informationspflichten aufgezeigt. 291
Siehe das Arbeitspapier SEC(2007) 1707 „Impact assessment on the Directive on the cross-border transfer of registered office“ vom 12.12.2007. 292 Vgl. dazu BAYER/SCHMIDT, BB 2008, 455 (458) sowie auch GROHMANN/GRUSCHINSKE, GmbHR 2008, 27 ff. 293 Wie etwa SCHMIDT-GERDTS, Status:Recht 2007, 254 berichtet, wurde das zukünftige Schicksal des Richtlinienprojekts vielfach mit dem Ausgang des noch anhängigen EuGH-Verfahrens in der Rs. C-210/06, Cartesio, ZIP 2006, 1536 ff. (Fn. 124) in Verbindung gebracht. Aus nationaler Sicht ist zu ergänzen, dass die deutschen Gerichte inzwischen zwar der EuGH-Rechtsprechung zum Fall der (faktischen) Sitzverlegung ins Inland folgen (siehe oben 2.3.2.1.2.3.), es bislang jedoch ablehnen, auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) eine Sitzverlegung ins Ausland zuzulassen; vgl. zuletzt etwa OLG München, DB 2007, 2530 f. und dazu FRENZEL, EWS 2008, 130 ff. Eine neue Entwicklung könnte sich hier durch ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers einstellen: Siehe zur vorgesehenen Streichung von § 4a Abs. 2 GmbHG und § 5 Abs. 2 AktG durch den RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.5.2007, BT-Drs. 16/6140, sowie zum RefE für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7.1.2008 FRANZ/LAEGER, BB 2008, 678 ff.; PETERS, GmbHR 2008, 245 ff. Vgl. speziell zur Annahme des MoMiG durch den Bundestag am 26.6.2008 SEIBERT, BB 29/2008, M1. Vgl. speziell zum zweitgenannten Entwurf ROTHEIMER, NZG 2008, 181 ff.; KINDLER, Status:Recht 2008, 68 f.; SCHNEIDER, BB 2008, 566 ff.; BOLLACHER, RIW 2008, 200 ff.; KNOF/MOCK, GmbHR 2008, R 65 f.; KUßMAUL/RICHTER/RUINER, DB 2008, 451 ff.; CLAUSNITZER, NZG 2008, 321 ff. 294 Siehe oben 2.3.3.2.1. und 2.3.3.2.2.
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2.3.3.2.2.3.1. Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die EWIV Ein erstes, wenn auch noch vergleichsweise rudimentär ausgestaltetes Beispiel in diesem Kontext ist die Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV)295 als grenzüberschreitende Kooperationsform für Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten. Als wesentliches Publizitätsmittel sieht diese EWIV-VO – in unausgesprochener Orientierung an Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie296 – ein von den Mitgliedstaaten zu bestimmendes Register vor, in welches Eintragungen vorzunehmen oder bei dem Unterlagen zu hinterlegen sind, die „jeder“ einsehen und davon eine Abschrift oder einen Auszug erhalten darf; außerdem kommen Bekanntmachungen im amtlichen Mitteilungsblatt des jeweiligen Mitgliedstaats ebenso in Betracht wie in bestimmten Fällen eine Bekanntmachung unmittelbar im EU-Amtsblatt (Art. 39 Abs. 1, 2). Für Verstöße gegen die maßgeblichen Veröffentlichungspflichten haben die Mitgliedstaaten überdies „geeignete Maßregeln“ vorzusehen (Art. 39 Abs. 3), wozu analog auf die entsprechenden Grundsätze der EuGH-Judikatur zur primärrechtlichen Absicherung der Parallelbestimmungen in den gesellschafts- und bilanzrechtlichen Richtlinien297 verwiesen werden kann. Hinsichtlich der Publizitätsgegenstände konzentriert sich die EWIV-VO primär auf den Gründungsvorgang, der im Sitzstaat der Vereinigung beim dortigen Register einzutragen ist (Art. 6). Dort zu hinterlegen ist der Gründungsvertrag (Art. 7 S. 1), der den Namen, Sitz und Unternehmensgegenstand sowie die Dauer der EWIV enthalten muss, ebenso wie Namen, Firma, Rechtsform, Wohnsitz oder Sitz sowie ggf. den Ort der Registereintragung des jeweils einzelnen Mitglieds (Art. 5); diese Angaben sowie die Eintragungsdaten sind zudem im mitgliedstaatlichen Mitteilungsblatt bekanntzumachen (Art. 8 Buchst. a, b), bevor anschließend die Gründung der Vereinigung unter Abgabe der Dateien der Registereintragung sowie der Bekanntmachung im nationalen Mitteilungsblatt auch im EU-Amtsblatt bekanntzumachen ist (Art. 11). Dritten gegenüber können die bekanntmachungspflichtigen Urkunden und Angaben entsprechend den in Art. 3 Abs. 5, 7 der „Publizitäts“Richtlinie vorgesehenen Bedingungen entgegen gehalten werden (Art. 9 Abs. 1). Ähnlich wie in Art. 4 der vorgenannten Richtlinie wird überdies verlangt, dass auch Briefe, Bestellscheine und ähnliche Schriftstücke Angaben über den Namen, den Registerort der Eintragung und die Anschrift der Vereinigung enthalten sowie ggf. über eine gemeinschaftliche Handlungsbefugnis der Geschäftsführer (Art. 25). Veröffentlichungspflichtig sind außerdem aber auch noch eine Reihe weiterer Einzelvorgänge. So sind etwa Urkunden und Angaben im Hinblick auf jede Änderung des Gründungsvertrags einschließlich der Zusammensetzung der Mitglieder, die Bestellung eines Geschäftsführers, die Abtretung der gesamten oder anteiligen Beteiligung eines Mitglieds oder auch die Errichtung bzw. die Aufhebung einer Niederlassung beim Register zu hinterlegen (Art. 7 S. 2) und im nationalen Mittei295
Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 vom 25.7.1985, ABl. L 199/1. Ausführlich dazu HABERSACK (Fn. 29), § 11. 296 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1. 297 Siehe oben 2.3.2.2.1.
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lungsblatt bekannt zu geben (Art. 8 Buchst. a, c). Gerade hinsichtlich der Errichtung grenzüberschreitender Niederlassungen ist zudem vorgesehen, dass eine Eintragung in das entsprechende Register des Staates dieser Zweigniederlassung zu erfolgen hat und dass dort eine Abschrift jener Unterlagen einzureichen ist, die im Sitzstaat der Vereinigung beim dortigen Register zu hinterlegen sind (Art. 10). Will die Vereinigung grenzüberschreitend ihren Sitz verlegen, so ist zuvor ein Verlegungsplan zu erstellen und beim Register zu hinterlegen sowie im nationalen Mitteilungsblatt bekannt zu machen; die Verlegung als solche ist in das Register des neuen Sitzes einzutragen (Art. 14 Abs. 1), bevor eine Löschung im Register des bisherigen Sitzes erfolgt (Art. 14 Abs. 2). Zu veröffentlichen ist schließlich insbesondere auch die von den Mitgliedern beschlossene oder durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochene Auflösung der Vereinigung (Art. 31, 32) nebst Beendigung der Abwicklung (Art. 35) durch entsprechende Eintragung im Register (Art. 7 S. 2) und Bekanntmachung im nationalen Mitteilungsblatt (Art. 8 Buchst. c); ebenso sind der Schluss der Abwicklung im EU-Amtsblatt (Art. 11) und die Löschung der Vereinigung im nationalen Amtsblatt (Art. 8 Buchst. b) bekanntzumachen. 2.3.3.2.2.3.2. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über die SE Ein besonders ausgeprägtes Beispiel für die Verknüpfung einer supranationalen Rechtsform mit dem vorhandenen Richtlinieninstrumentarium stellt die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea bzw. SE) dar298. Schon hinsichtlich des regelmäßig zu verwendenden Publizitätsmittels wird darauf verwiesen, dass die der Offenlegungspflicht unterliegenden Urkunden und Angaben gemäß der „Publizitäts“-Richtlinie299 nach Maßgabe der im Sitzstaat der SE geltenden Vorschriften offen zu legen sind (Art. 13); hinsichtlich besonderer Tatbestände ist darüber hinaus auch noch eine Bekanntmachung im EUAmtsblatt vorgesehen (Art. 14). Hinsichtlich der Publizitätsgegenstände ist zunächst einmal ganz allgemein vorgeschrieben, dass jede SE gemäß Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie in ihrem Sitzstaat in ein dortiges Register einzutragen ist (Art. 12 Abs. 1). Darüber hinaus ist vorab zu betonen, dass die SE-VO für jene Bereiche, in denen sie selbst keine ausdrücklichen Regelungen enthält, zur Lückenfüllung auf das mitgliedstaatliche Recht der Aktiengesellschaften verweist (z.B. Art. 5, 9 Abs. 1 Buchst. c, 10, 15 Abs. 1, 63), so dass es auf diesem Wege mittelbar auch zu einer Relevanz der Harmonisierungsvorgaben durch die „Publizitäts“- sowie beispielsweise auch die „Kapital“-Richtlinie300 und dortiger Offenlegungsverpflichtungen kommen kann. So wird etwa für den Regelfall des „Markteintritts“ durch Gründung einer SE auf das Aktienrecht ihres Sitzstaates verwiesen und die Offenlegung der Eintragung der SE 298
Verordnung vom 8.10.2001, ABl. L 294/1, gemeinsam verabschiedet mit der Richtlinie 2001/ 86/EG vom 8.10.2001 über die Arbeitnehmerbeteiligung, ABl. L 294/22. Ausführlich zur SEVO HABERSACK (Fn. 29), § 12. 299 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1. 300 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.2. Speziell zur Verbindung mit der „Kapital“-Richtlinie über Art. 5 SE-VO vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 12 Rn. 13.
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nach Art. 13 verlangt (Art. 15 Abs. 1, 2)301, bevor zudem noch eine Bekanntmachung im EU-Amtsblatt zu erfolgen hat (Art. 14 Abs. 1). Für den Sonderfall der Gründung einer SE durch Verschmelzung (Art. 2 Abs. 1) wird sowohl hinsichtlich einer etwaigen Verschmelzung durch Aufnahme wie auch hinsichtlich der Verschmelzung durch Gründung einer neuen Gesellschaft explizit auf die Anforderungen der 3. Richtlinie302 verwiesen (Art. 17 Abs. 2, Art. 18). Auch insofern ist vom Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan der sich verschmelzenden Gesellschaften ein Verschmelzungsplan zu erstellen mit Angaben über Firma und Sitz der Gesellschaften und der SE, das Umtauschverhältnis der Aktien und Einzelheiten zur Übertragung der SE-Aktien, über Gewinnbezugsrechte dieser Aktien und Rechte für Aktionäre mit Sonderrechten sowie Inhaber anderer Wertpapiere; aufzunehmen sind weiterhin die Satzung der SE, der Zeitpunkt der Übernahme der Rechnungslegungspflichten durch die SE sowie Sondervorteile für Verschmelzungsprüfer oder Organe der sich verschmelzenden Gesellschaften (Art. 20 Abs. 1). Weiterhin sind für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften Rechtsform, Firma und Sitz sowie das Register, bei dem die in Art. 3 Abs. 2 der „Publizitäts“Richtlinie genannten Unterlagen hinterlegt wurden, im nationalen Amtsblatt des betroffenen Mitgliedstaats bekannt zu machen; Gleiches gilt für Hinweise auf die Modalitäten der Rechte von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern sowie Angabe der Firma der SE und ihres zukünftigen Sitzes (Art. 21). Die Durchführung der Verschmelzung schließlich wird für jede beteiligte Gesellschaft in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat entsprechend Art. 3 der 1. Richtlinie offen gelegt (Art. 28). Für den Sonderfall der Gründung einer Holding-SE (Art. 2 Abs. 2) wird von den Leitungs- bzw. Verwaltungsorganen der die Gründung anstrebenden Gesellschaften ein Gründungsplan einschließlich eines Berichts mit Erläuterungen aus rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht verlangt (Art. 32 Abs. 2); dieser Plan ist mindestens einen Monat vor der relevanten Hauptversammlung entsprechend Art. 3 der „Publizitäts“Richtlinie offen zu legen (Art. 32 Abs. 3) und von unabhängigen Sachverständigen zu überprüfen, die hierüber einen schriftlichen Prüferbericht zu erstellen haben (Art. 32 Abs. 4). Ganz ähnlich ist im Hinblick auf den weiteren Sonderfall der Gründung einer SE durch Umwandlung einer bestehenden Aktiengesellschaft (Art. 2 Abs. 4) vorgesehen, dass das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan einen Umwandlungsplan erstellt sowie einen Bericht mit Erläuterungen und Begründungen zu den rechtlichen sowie wirtschaftlichen Auswirkungen der Umwandlung (Art. 37 Abs. 4); dieser Plan ist mindestens einen Monat vor der maßgeblichen Hauptversammlung gemäß Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie offen zu legen (Art. 37 Abs. 5). Hinsichtlich der die „laufende Marktteilnahme“ einer SE nach ihrer Gründung begleitenden Publizitätspflichten ist zum einen zu konstatieren, dass die SE hinsichtlich ihres Einzel- sowie auch des konsolidierten Abschlusses einschließlich des zugehörigen Lageberichts sowie der Prüfung und Offenlegung dieser Abschlüsse im Grundsatz den in ihrem Sitzstaat für Aktiengesellschaften geltenden Regelungen 301
Zu „Publizitäts“- und „Kapital“-Richtlinie als gemeinschaftsrechtlicher Hintergrund vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 12 Rn. 22. 302 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.3.
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unterliegt (Art. 61); damit werden mittelbar auch für die SE die sich aus der 4. und 7. Richtlinie ergebenden Vorgaben für die „Jahresabschluss“-Publizität303 relevant. Noch expliziter sind hingegen die Anforderungen an die Einzel- bzw. Konzernabschlüsse einschließlich der Lageberichte und ihrer Offenlegung, so weit es sich bei einer SE entweder um ein Kredit- oder Finanzinstitut bzw. um ein Versicherungsunternehmen handelt: In diesem Fall sind entweder die Anforderungen der Richtlinie 2000/12/EG 304 (Art. 62 Abs. 1) oder aber der Richtlinie 91/674/EWG305 (Art. 62 Abs. 2) im Sitzstaat der SE zu erfüllen. Weiterhin enthält die SE-VO einige Regelungen über besondere „Strukturveränderungen“ bei einer SE im Anschluss an ihre Gründung. So findet sich etwas versteckt im Zusammenhang mit der sog. „Sekundärgründung“ einer Tochter-SE 306 der Verweis auf die 12. Richtlinie zu „Einmann“-Gesellschaften (Art. 3 Abs. 2), wodurch die Offenlegungspflicht der Anteilsvereinigung in einer Hand307 relevant werden könnte. Hiervon einmal abgesehen ermöglicht die SE-VO aber insbesondere die identitätswahrende grenzüberschreitende Sitzverlegung, die allerdings die Erstellung eines Verlegungsplans durch das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan und dessen Offenlegung entsprechend Art. 13 voraussetzt; Inhalt des Plans sind neben der bisherigen Firma und dem bisherigen Sitz der SE der vorgesehene neue Sitz sowie die vorgesehene Satzung und Firma, der Zeitplan für die Verlegung sowie Angaben zur ihren Folgen für die Arbeitnehmer, Aktionäre und Gläubiger (Art. 8 Abs. 2). Dieser Plan und ein vom Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan zu erstellender Verlegungsbericht mit Erläuterungen über die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Verlegung (Art. 8 Abs. 3) müssen mindestens einen Monat vor der maßgeblichen Hauptversammlung von Aktionären und Gläubigern der SE an deren Sitz einsehbar sein, wobei auch Abschriften verlangt werden dürfen (Art. 8 Abs. 4). Die Eintragung der SE im Register des Zuzugsstaats sowie ihre Löschung im Register des Wegzugsstaats sind wiederum entsprechend Art. 13 offen zu legen (Art. 8 Abs. 12); außerdem hat eine Bekanntmachung der Sitzverlegung im EU-Amtsblatt zu erfolgen (Art. 14 Abs. 2). Auch zum „Marktaustritt“ der SE finden sich schließlich in der SE-VO einige Regelungen. So wird verlangt, dass die Eröffnung eines Auflösungs-, Liquidations, Zahlungsunfähigkeits- und Zahlungseinstellungsverfahrens sowie sein Abschluss gemäß Art. 13 offen zu legen sind (Art. 65). Ebenso besteht die Möglichkeit der Umwandlung einer SE in eine nationale Aktiengesellschaft, wobei wiederum das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan zur Erstellung eines Umwandlungsplans und Umwandlungsberichts verpflichtet ist (Art. 66 Abs. 3), der innerhalb eines Monats vor der maßgeblichen Hauptversammlung entsprechend Art. 3 der „Publizitäts“-
303
Siehe unten 2.3.3.2.3.1.1. und 2.3.3.2.3.1.2. Ggf. kann dann auch die IAS-VO eingreifen; dazu unten 2.3.3.2.3.2. 304 Richtlinie 2000/12/EG vom 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. L 126/1, geändert durch Richtlinie 2006/48/EG (Fn. 72). 305 Siehe oben Fn. 154. 306 Siehe hierzu HABERSACK (Fn. 29), § 12 Rn. 21. 307 Vgl. zu dieser oben 2.3.3.2.2.2.4.
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Richtlinie offen zu legen ist (Art. 66 Abs. 4). In jedem Fall ist die Löschung einer SE abschließend auch im EU-Amtsblatt bekannt zu machen (Art. 14 Abs. 1). 2.3.3.2.2.3.3. Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 über die SCE Eine dritte supranationale Gesellschaftsform regelt schließlich die Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (Societas Cooperative Europae bzw.SCE)308. Die Rechtsform der Genossenschaft war zuvor in die verschiedenen gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen nicht einbezogen worden. Allerdings wird im 18. Erwägungsgrund der SCE-VO ausdrücklich konstatiert, „dass in den Bereichen, in denen für das Funktionieren der SCE keine einheitlichen Gemeinschaftsvorschriften notwendig sind, sinngemäß auf bestimmte Vorschriften verwiesen werden kann, die der Sitzmitgliedstaat der SCE in Durchführung der nachstehend aufgeführten Richtlinien über Handelsgesellschaften erlassen hat, da diese als Regelung für die SCE geeignet sind“. Zu den dort aufgeführten Richtlinien zählen insbesondere die 1. und die 11. Richtlinie sowie aus dem bilanzrechtlichen Bereich die 4. und 7. Richtlinie; des Weiteren wird für den Bereich der Finanzdienstleistungen, speziell jener von Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften, im 19. Erwägungsgrund auf die Richtlinie 86/635/EWG309 und die Richtlinie 92/49/EWG310 verwiesen. Im Hinblick auf das regelmäßig zu verwendende Publizitätsmittel sieht die SCE-VO keine unmittelbar eigene Regelung vor, sondern vielmehr eine Bekanntmachung der die SCE betreffenden Urkunden und Angaben nach jenen Rechtsvorschriften, die im Sitzstaat der SCE für Aktiengesellschaften gelten (Art. 12 Abs. 1); damit wird insbesondere auch auf die durch die „Publizitäts“-Richtlinie311 und die dadurch eingeführten Eintragungs- und Hinterlegungspflichten bei einem öffentlichen Register verwiesen. Weiterhin ist für bestimmte Sachverhalte zudem eine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt vorgesehen (Art. 13). Im Übrigen sind in die Geschäftsdokumente der SCE einige Pflichtangaben aufzunehmen (Art. 10). Hinsichtlich der Publizitätsgegenstände sieht die SCE-VO zunächst einmal ganz allgemein vor, dass jede SCE in ihrem Sitzstaat gemäß dem dort für Aktiengesellschaften geltenden (und damit durch die „Publizitäts“-Richtlinie beeinflussten) Recht in ein dortiges Register einzutragen ist (Art. 11 Abs. 1); insbesondere das für die Bekanntmachung von Urkunden und Angaben von Aktiengesellschaften maßgebende Recht im Sitzstaat der SCE findet entsprechende Anwendung (Art. 11 308
Verordnung vom 22.7.2003, ABl. L 207/1, gemeinsam verabschiedet mit der Richtlinie 2003/ 72/EG vom 22.7.2003 über die Arbeitnehmerbeteiligung, ABl. L 207/25. Ausführlich zur SCE-VO HABERSACK (Fn. 29), § 13. 309 Richtlinie 86/635/EWG vom 8.12.1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten, ABl. L 372/1; zu späteren Änderungen vgl. unten 2.3.3.2.3. 310 Richtlinie 92/49/EWG vom 18.6.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/249/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung), ABl. L 228/1. 311 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Abs. 5). Für den „Markteintritt“ durch Gründung einer SCE findet für die Kontrolle das für die vorbeugende Prüfung von Aktiengesellschaften maßgebende Recht ihres Sitzstaats Anwendung (Art. 5 Abs. 3); ansonsten findet vorbehaltlich der SCE-VO das für Genossenschaften geltende Recht des Sitzstaats der SCE Anwendung, wobei die Eintragung gemäß Art. 12 bekannt gemacht wird (Art. 17 Abs. 1, 2) und anschließend auch im EU-Amtsblatt zu veröffentlichen ist (Art. 13 Abs. 1). Für den Sonderfall der Gründung einer SCE durch Verschmelzung durch Aufnahme oder durch Gründung einer neuen juristischen Person (Art. 19) wird grds. auf die nationalen Bestimmungen über die Verschmelzungen von Genossenschaften sowie subsidiär auch von Aktiengesellschaften verwiesen (Art. 20). Zur Vorbereitung ist durch das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan der jeweiligen Genossenschaft ein Verschmelzungsplan aufzustellen, der insbesondere Firma und Sitz der sich verschmelzenden Genossenschaften sowie der SCE, das Umtauschverhältnis der Geschäftsanteile, Einzelheiten hinsichtlich der Übertragung der SCE-Anteile und des damit verbundenen Rechts auf Überschussbeteiligung, Angaben zu Besonderheiten bei Schuldverschreibungen und Geschäftsanteilen mit Sonderrechten sowie Vergünstigungen für Verschmelzungsprüfer bzw. Mitglieder der Genossenschaftsorgane enthalten muss; außerdem ist neben der Satzung der SCE der Zeitpunkt aufzunehmen, ab dem die Rechnungslegungspflichten der sich verschmelzenden Genossenschaften auf die SCE übergehen (Art. 22 Abs. 1). Auf den Verschmelzungsplan findet das für die Bekanntmachung von Verschmelzungsplänen bei Aktiengesellschaften geltende Recht entsprechende Anwendung (Art. 24 Abs. 1); bei der Bekanntmachung im Amtsblatt des betroffenen Mitgliedstaats sind dabei Angaben zu Rechtsform, Firma und Sitz der beteiligten Genossenschaften und des Registers, bei dem Satzung und alle anderen Urkunden und Angaben zu diesen hinterlegt sind, sowie zu Firma und Sitz der SCE zu machen und Hinweise zu Rechten der Gläubiger und Mitglieder aufzunehmen (Art. 24 Abs. 2). Der Verschmelzungsplan ist zudem durch unabhängige Sachverständige zu überprüfen, die hierüber einen schriftlichen Prüferbericht zu erstellen haben (Art. 26). Weiterhin ist vom Verwaltungs- bzw. Leitungsorgan der jeweiligen Genossenschaft ein ausführlicher Verschmelzungsbericht zu erstellen, in dem der Plan sowie insbesondere das Austauschverhältnis der Anteile rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen ist (Art. 23). Mindestens einen Monat vor der relevanten Generalversammlung hat jeder Gesellschafter das Recht, am Geschäftssitz Einsicht in den Verschmelzungsplan, den Prüfer- und den Verschmelzungsbericht zu nehmen sowie in die Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte der sich verschmelzenden Genossenschaften für die letzten drei Geschäftsjahre nebst einer nach den innerstaatlichen Bestimmungen für Aktiengesellschaften erstellten Zwischenbilanz; es kann eine teilweise oder vollständige Ausfertigung dieser Dokumente verlangt werden (Art. 25 Abs. 1, 2). Die Verschmelzung und Gründung der SCE ist gemäß Art. 11 im Register einzutragen (Art. 31), und es hat für jede der beteiligten Genossenschaften eine Bekanntmachung der durchgeführten Verschmelzung nach den für Aktiengesellschaften geltenden Vorschriften zu erfolgen (Art. 32).
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Geregelt ist weiterhin der Sonderfall der Gründung einer SCE durch Umwandlung einer nationalen Genossenschaft. Hierzu ist vom Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan ein Umwandlungsplan zu erstellen, in dem die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Umwandlung zu erläutern sind (Art. 35 Abs. 3); dieser Plan ist mindestens einen Monat vor der relevanten Generalversammlung nach den Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats bekannt zu machen (Art. 35 Abs. 4). Im Hinblick auf die „laufende Marktteilnahme“ der SCE sind in der SCE-VO zum einen diverse interne Informationsrechte vorgesehen. Diese betreffen entweder bei Handhabung eines dualistischen Systems die Unterrichtung des Aufsichtsorgans durch das Leitungsorgan (Art. 40) oder bei einem monistischen System die Unterrichtung des Verwaltungsorgans (Art. 43) sowie außerdem bei beiden Systemen die Information der Mitglieder in der Generalversammlung (Art. 60). Zum anderen sind auch Regelungen über den Jahresabschluss sowie auch den konsolidierten Abschluss vorgesehen: Hinsichtlich dieser Abschlüsse einschließlich des Lageberichts sowie auch ihrer Kontrolle und Offenlegung unterliegt die SCE grds. den innerstaatlichen Vorschriften, die ihr Sitzstaat zur Umsetzung der 4. und 7. Richtlinie vorgesehen hat (Art. 68 Abs. 1); ist eine SCE nach dem Recht ihres Sitzstaats nicht zur einer Offenlegung entsprechend Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie verpflichtet, muss sie mindestens die Abschlussunterlagen an ihrem Sitz zur öffentlichen Einsichtnahme bereit halten und ggf. Kopien derselben aushändigen (Art. 68 Abs. 2). So weit es sich bei einer SCE darüber hinaus um ein Kredit- oder Finanzinstitut handelt, unterliegen der Einzel- und ggf. konsolidierte Abschluss nebst Lagebericht und Prüfung sowie Offenlegung den gemäß den Richtlinien über die Tätigkeit von Kreditinstituten erlassenen Bestimmungen des Sitzstaats (Art. 69 Abs. 1); Entsprechendes gilt bei einem Versicherungsunternehmen hinsichtlich der gemäß den zur Umsetzung der einschlägigen Richtlinien ergangenen nationalen Vorschriften (Art. 69 Abs. 2). Einzelne Regelungen der SCE-VO befassen sich überdies auch mit „Strukturveränderungen“. So wird beispielsweise speziell für den Fall der Gründung einer grenzüberschreitenden Zweigniederlassung auf die nationalen Durchführungsbestimmungen zur 11. Richtlinie312 verwiesen (Art. 12 Abs. 2). Im Detail geregelt ist vor allem die Sitzverlegung einer SCE, für welche vom Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan ein Verlegungsplan zu erstellen und unbeschadet etwaiger vom Sitzstaat vorgesehener zusätzlicher Publizitätsformen gemäß Art. 12 bekannt zu machen ist; der Plan muss den neuen Sitz der SCE, ihre Satzung und ggf. neue Firma, den vorgesehenen Zeitplan für die Verlegung und Folgen für Arbeitnehmer sowie Mitglieder und Gläubiger enthalten (Art. 7 Abs. 2). Vom Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan ist zudem ein Verlegungsbericht mit Erläuterungen zu den wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten der Verlegung zu erstellen (Art. 7 Abs. 3), und Mitglieder und Gläubiger der SCE sowie auch die Inhaber anderer Rechte haben mindestens einen Monat vor der relevanten Generalversammlung das Recht, Verlegungsplan und -bericht am Sitz der SCE einzusehen und Abschriften zu verlangen (Art. 7 Abs. 4). Die Sitzverlegung wird gemäß Art. 11 Abs. 1 im Register des Zuzugsstaats einge312
Siehe oben 2.3.3.2.2.1.3.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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tragen, bevor eine Löschung im Wegzugsstaat erfolgt, und es hat in beiden Staaten eine Bekanntmachung nach Art. 12 zu erfolgen (Art. 7 Abs. 10 bis 12) sowie anschließend eine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt (Art. 13 Abs. 2). Schließlich enthält die SCE-VO noch einige Bestimmungen, die sich mit dem „Marktausstieg“ einer SCE befassen. So unterliegt die SCE hinsichtlich Auflösung, Liquidation, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung und ähnlicher Verfahren den in ihrem Sitzstaat für Genossenschaften geltenden Vorschriften (Art. 72), wobei die Eröffnung und der Abschluss eines solchen Verfahrens unbeschadet zusätzlicher nationaler Anforderungen entsprechend den Anforderungen des Art. 12 bekannt gemacht werden müssen (Art. 74). Weiterhin ist die Möglichkeit einer Umwandlung der SCE in eine nationale Genossenschaft gegeben, wofür das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan einen Umwandlungsplan zu erstellen hat sowie einen Umwandlungsbericht, der die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte erläutert (Art. 76 Abs. 3); der Umwandlungsplan ist mindestens einen Monat vor der maßgeblichen Generalversammlung in der nach dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschriebenen Form bekannt zu machen (Art. 76 Abs. 4). In jedem Fall ist auch die Löschung einer SCE im EU-Amtsblatt bekannt zu machen (Art. 13 Abs. 1). 2.3.3.2.2.3.4. Projekt einer Europäischen Privatgesellschaft (EPG bzw. SEP) Der Vollständigkeit halber sei abschließend noch darauf hingewiesen, dass sich aller Voraussicht nach vergleichbare Publizitätsfragen in nächster Zukunft auch noch bei einer weiteren supranationalen Rechtsform stellen werden: Während die Projekte eines Europäischen Vereins sowie einer Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaft von der Europäischen Kommission gestoppt wurden und hinsichtlich der Realisierbarkeit einer Europäischen Stiftung noch Voruntersuchungen laufen313, konkretisiert sich in jüngster Zeit zunehmend die für kleine und mittlere Unternehmen – als Alternative zur SE – geplante Rechtsform einer Europäischen Privatgesellschaft (EPG) bzw. „Societas Europaea Private“ (SEP)314. Im Anschluss an eine seit Sommer 2007 durchgeführte Konsultation hat die Kommission soeben im Juni 2008 einen Verordnungsentwurf vorgelegt315. 2.3.3.2.3. Bilanzrecht Die bilanzrechtlichen Richtlinien lassen sich als „homogener Block“ ansehen316. Während die vorstehend erörterten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und insbe313
Vgl. zu den letzten Entwicklungen insofern WEBER-REY, AG 2006, R 136 ff.; BAYER/ SCHMIDT, BB 2008, 455 (456) m.w.N. 314 Zu diesem Projekt z.B. FIETZ, GmbHR 2007, R 321 f.; VOSSIUS, EWS 2007, 438 ff.; HOMMELHOFF, Die „Europäische Privatgesellschaft“ am Beginn ihrer Normierung, ZEW Vorträge und Berichte Nr. 163; HOMMELHOFF/TEICHMANN, DStR 2008, 925 ff. 315 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, KOM(2008) 396 endg. vom 25.6.2008, BR-Drs. 479/08; dazu näher MAUL/RÖHRICHT, BB 2008, 1574 ff. Siehe außerdem im Vorfeld bereits BAYER, Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht, ZEW Vorträge und Berichte Nr. 157, 20 f.; BAYER/SCHMIDT, BB 2008, 455 (456); TEICHMANN, GmbHR 2008, R 113 f. 316 GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 111.
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sondere die dort niedergelegten Publizitätspflichten entweder die Akte der Gründung oder der – mehr oder weniger grundlegenden – „Strukturveränderung“ einer Gesellschaft betreffen, regeln die Bilanzrichtlinien das „laufende Geschäft“ 317. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf der 4. Richtlinie über den Einzel- und der 7. Richtlinie über den Konzernjahresabschluss von Kapitalgesellschaften318, wobei beide Richtlinien durch die sog. „GmbH & Co.“-Richtlinie eine Ausdehnung auf Personengesellschaften erfahren, bei denen nur Kapitalgesellschaften als Vollhafter fungieren. Daneben existieren branchenspezifische Sonderregelungen für Banken und Finanzinstitute sowie für Versicherungsunternehmen319, und in jüngster Zeit ist noch die sog. IFRS-Verordnung hinzugetreten320. 2.3.3.2.3.1. Laufende Marktteilnahme: „Jahresabschluss“-Publizität (4., 7. und GmbH & Co.-Richtlinie) Die verschiedenen Bilanzrichtlinien betreffen die laufende bzw. periodische Publizität der Rechnungslegung321. Sie dienten von Anfang an der Schließung einer ausdrücklich in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der „Publizitäts“-Richtlinie belassenen „Lücke“322 und verfolgten – entsprechend der multifunktionalen Ausrichtung des Art. 54 Abs. 3 Buchst. g E(W)GV (heute Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG)323 – ein mehrfaches Regelungsziel: Zum einen sollen sie im Interesse der Gläubiger und Anleger ein gemeinschaftsweit gleichwertiges und verlässliches Informationssys317
GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 108. Nicht näher dargestellt wird hier die Achte Richtlinie 84/253/EWG aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen vom 10.4.1984, ABl. L 126/20, unlängst geändert durch Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. L 157/87. Vgl. hierzu HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 63 ff. 319 Siehe die Richtlinie 86/635/EWG (oben Fn. 309) sowie die Richtlinie 91/674/EWG vom 19.12.1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. L 374/7. Vgl. außerdem die späteren Änderungen durch die Richtlinie 2001/ 65/EG vom 27.9.2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/ EWG im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, ABl. L 283/28 (dazu auch EuGH, Rs. C-96/05, Kommission/Griechenland, ABl. 2006 C 48/10), die Richtlinie 2003/51/EG vom 18.6.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/ 660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. L 178/16 (dazu auch EuGH, Rs. C-160/06, Kommission/Italien, Slg. 2007, I-32 ff..), und die Richtlinie 2006/46/EG vom 14.6.2006 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, 86/635/ EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. L 224/1. 320 Dazu unten 2.3.3.2.3.2. 321 MERKT (Fn. 2), 372 ff. 322 Vgl. bereits oben 2.3.3.1.3. 323 Siehe oben 2.3.3.1.2. 318
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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tem über Gesellschaften errichten, bei denen es an der persönlichen Haftung der Mitglieder für die Gesellschaftsschulden fehlt, und zum anderen sollen sie gleichwertige Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften schaffen, um Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen abzubauen324. 2.3.3.2.3.1.1. 4. Richtlinie 78/660/EWG („Jahresabschluss“-Richtlinie) Die grundlegenden bilanzrechtlichen Bestimmungen enthält die Vierte Richtlinie 78/660/EWG325: Diese betrifft die Koordinierung der nationalen Regelungen über die Form und den Inhalt des jährlichen Einzelabschlusses von Kapitalgesellschaften (Art. 1 Abs. 1) 326 und verpflichtet im Grundansatz sämtliche in persönlicher Hinsicht erfassten Gesellschaften unter dem Gesichtspunkt der einzusetzenden Publizitätsmittel dazu, ihren ordnungsgemäß gebilligten Jahresabschluss sowie einen Lagebericht nebst einem Anschlussprüferbericht im Rahmen eines nach Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie327 ausgestalteten Verfahrens offen zu legen (Art. 47 Abs. 1 S. 1). Von dieser Offenlegungspflicht können die Mitgliedstaaten – unabhängig von der Größe der jeweiligen Gesellschaft – den Lagebericht generell ausnehmen, doch muss dieser dann am Sitz der Gesellschaft zur Einsichtnahme für jedermann bereit gehalten werden, und es müssen vollständige oder teilweise Ausfertigungen auf bloßen Antrag erhältlich sein (Art. 47 Abs. 1 S. 2). Auf etwaige Sanktionen im Zusammenhang mit der Verletzung von Offenlegungspflichten wurde schon im Kontext der „Publizitäts“-Richtlinie näher eingegangen328. 2.3.3.2.3.1.1.1. Publizitätsgegenstände Hinsichtlich der von der Gesellschaft selbst zu erstellenden Publizitätsgegenstände lassen sich danach primär der Jahresabschluss und der Lagebericht unterscheiden329. Der Jahresabschluss besteht seinerseits aus mehreren Einzeldokumenten, nämlich der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung sowie dem Anhang zum Jahresabschluss, wobei diese Unterlagen insgesamt eine Einheit bilden (Art. 2 Abs. 1). Hinsichtlich des Jahresabschlusses wird allgemein verlangt, dass dieser klar und übersichtlich gemäß den Vorgaben der Richtlinie aufzustellen ist (Art. 2 Abs. 2) und ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ der Vermögens-, Finanz324
Siehe dazu HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 1. Siehe oben Fn. 46. 326 Eine branchenspezifische Ausnahme sah Art. 1 Abs. 2 vor, der den Mitgliedstaaten die Anwendung der Richtlinie auf Banken und andere Finanzinstitute sowie auf Versicherungsgesellschaften bis zu einer späteren Koordinierung freistellte. Insofern erfolgte anschließend eine gemeinschaftsrechtliche Ausfüllung dieser Bereichsausnahme durch die Richtlinien 86/635/ EWG und 91/674/EWG sowie deren spätere Änderungen (Fn. 319). Vgl. hierzu HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 8 sowie im Ansatz auch MERKT (Fn. 2), 377. 327 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1. 328 Siehe oben 2.3.2.2.1.1. 329 Zu beachten ist, dass die Richtlinie nicht die Erstellung eines gesonderten „Geschäftsberichts“ vorsieht; zur heute freiwillig erfolgenden Veröffentlichung dieser vor der Richtlinienumsetzung im deutschen Recht noch gesetzlich vorgesehenen Berichtsform vgl. KÜTING/BUSCH, StuB 2003, 152 (153). 325
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und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln muss (Art. 2 Abs. 3); damit orientiert sich die Richtlinie in ihrer grundlegenden inhaltlichen Ausrichtung nicht etwa im Sinne der statischen Bilanzauffassung in Deutschland am Gläubigerschutz, sondern statt dessen entsprechend der dynamischen angelsächsischen Sichtweise des sog. „true and fair view“ am Anlegerschutz. Dass es sich hierbei um das grundlegende „overriding principle“ der gesamten Richtlinie handelt, lässt sich zudem bereits dem 4. Erwägungsgrund der Präambel sowie im Übrigen auch den nachfolgenden Vorschriften innerhalb des Art. 2 ausdrücklich entnehmen330: So sind ggf. zur Erreichung dieses Zwecks noch zusätzliche Angaben zu machen, falls der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht ausreichen sollte (Art. 2 Abs. 4), und es kann sogar ein (im Bilanzanhang anzugebendes und zu begründendes) Abweichen von den Richtlinienvorgaben erforderlich sein, um dem übergeordneten Zweck der Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse zu genügen (Art. 2 Abs. 5). Auch der EuGH hat bereits in mehreren Entscheidungen zu Einzelbestimmungen der Richtlinie – und ihrem möglichen Spannungsverhältnis zum allgemeinen Grundprinzip des Art. 2 Abs. 3 – den Vorrang des letztgenannten Prinzips hervorgehoben331. So betonte er schon in der auf Vorlage des BGH ergangenen „Tomberger“-Entscheidung von Juni 1996, dass es sich bei der Beachtung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit um die „Hauptzielsetzung“ der 4. Richtlinie handelt332. Diese Feststellung wiederholte der Gerichtshof ausdrücklich in dem auf Vorlage des Finanzgerichts Köln ergangenen Urteils vom September 1999 in der Rechtssache „DE + ES“ und fügte hinzu, der genannte Grundsatz der Bilanzwahrheit gebiete zum einen, dass die Jahresabschlüsse der Gesellschaften die Tätigkeiten und Vorgänge wiedergeben müssen, die sie beschreiben sollen; zum anderen verlange er, dass die Angaben so gemacht werden, dass sie in möglichst verlässlicher und geeigneter Weise das Informationsbedürfnis Dritter befriedigen, ohne die Interessen der Gesellschaft zu beeinträchtigen333. Im „BIAO“-Urteil vom Januar 2003 schließlich ergänzte der EuGH die vorstehenden Gedanken durch den Hinweis, dass die 4. Richtlinie zur Erreichung dieser Zwecke hinsichtlich der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung zwingend vorgeschriebene Gliederungsschemata, hinsichtlich des Anhangs und des Lageberichts bestimmte Mindestinhalte und im übrigen die Vereinheitlichung der verschiedenen Bewertungsmethoden vorsehe, soweit dies für die Gewährleistung von Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit der in den Jahresabschlüssen gemachten Angaben erforderlich sei; auch betonte der Gerichts330
Vgl. hierzu auch HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 29. Siehe zur von vornherein unklaren Zweckorientierung der Bilanzrichtlinien wegen des Konflikts von kontinentaleuropäischem Gläubigerschutz mit angelsächsischem Investorenschutz aber auch KLEINDIEK, Rechnungslegung in der EU, ZEW Vorträge und Berichte Nr. 149, 3 ff. 331 Siehe HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 30 f. Nicht zu Einzelbestimmungen der 4. Richtlinie, sondern zur allgemeinen Frage der Berufung auf die Nichtumsetzung der Richtlinie in anderem Mitgliedstaat war EuGH, Rs. C-38/89, Blanguernon, Slg. 1990, I-83 ff. ergangen. 332 Siehe EuGH, Rs. C-234/94, Tomberger, Slg. 1996, I-3133, Tz. 17 sowie dazu etwa HERLINGHAUS, IStR 1997, 529 (530 ff.). Vgl. außerdem zur anschließenden Entscheidung des BGH HERZIG/RIECK, IStR 1998, 309 ff. 333 EuGH, Rs. C-275/97, DE + ES Bauunternehmung GmbH, Slg. 1999, I-5331, Tz. 26 f.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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hof in diesem Zusammenhang, dass der Grundsatz eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes in sämtlichen Einzelbestimmungen des Art. 2 zum Ausdruck komme334. Im Hinblick auf die bereits genannten Einzelbestandteile des Jahresabschlusses zeichnet sich die Richtlinie vor diesem Hintergrund dann auch durch umfassende und sehr detaillierte Regelungen aus. Ganz allgemein ist für Bilanz sowie Gewinnund Verlustrechnung vorgeschrieben, dass die dort aufgeführten Posten einzeln auszuweisen sind und sich an den in der Richtlinie vorgegebenen Gliederungsschemata zu orientieren haben (Art. 4); Verrechnungen zwischen Aktiv- und Passivposten sowie zwischen Aufwands- und Ertragsposten sind unzulässig (Art. 7). Hinsichtlich der Bilanz werden zwei umfangreiche Gliederungsschemata zu Aktiva und Passiva vorgegeben, von denen die Mitgliedstaaten eines in ihr nationales System übernehmen müssen und zu denen wegen ihres Umfanges an dieser Stelle lediglich auf die einschlägigen Richtliniennormen verwiesen werden kann (Art. 8 bis 10). Weiterhin sind zahlreiche Sondervorschriften zum einen zur inhaltlichen Erläuterung diverser Einzelposten der Bilanz vorgesehen, so z.B. zu Anlagegegenständen, Beteiligungen, Rechnungsabgrenzungsposten, Wertberichtigungen und Rückstellungen (Art. 15 bis 21), und zum anderen zur Bewertung verschiedener Bilanzpositionen (Art. 31 bis 42). Bezüglich der Gewinn- und Verlustrechnung enthält die Richtlinie gleichfalls umfassende Gliederungsvorgaben zur alternativen Verwendung durch die und in den Mitgliedstaaten, wobei hier für Einzelheiten gleichfalls auf die einschlägigen Richtliniennormen verwiesen wird (Art. 22 bis 26). Zu verschiedenen Einzelpositionen wie Nettoumsatzerlösen, außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen sowie Steuern sind außerdem nähere Vorgaben in der Richtlinie enthalten (Art. 28 bis 30). Weiterhin werden im Anhang zur Bilanz von den Gesellschaften umfassende Informationen verlangt, so z.B. Angaben im Hinblick auf die angewandten Bewertungsmethoden, Erläuterungen zu den verschiedenen Gattungen von Aktien und sonstigen Wertpapieren an der Gesellschaft selbst, längerfristige Verbindlichkeiten sowie auch nicht in der Bilanz erscheinende finanzielle Verpflichtungen, Aufgliederungen von Nettoumsatzerlösen nach Tätigkeitsbereichen und geographisch bestimmten Märkten, den durchschnittlichen Personalbestand, Angaben zum Steueraufwand sowie auch aktuelle Bezüge der Organe und Pensionsverpflichtungen gegenüber ehemaligen Organen (Art. 43 Abs. 1). Grundsätzlich sind auch Beteiligungen an anderen Unternehmen zu machen, wobei die Mitgliedstaaten allerdings gestatten können, dass dies entweder in einer vom Anhang getrennten Aufstellung erfolgt oder die Gesellschaft auf die Angaben verzichtet, soweit sie geeignet sind, dem Beteiligungsunternehmen einen erheblichen Schaden zuzufügen (Art. 45 Abs. 1); Letzteres gilt entsprechend für die Aufgliederung der eigenen Nettoumsatzerlöse der Gesellschaft (Art. 45 Abs. 2 S. 1). In dem zusätzlich zum Jahresabschluss zu erstellenden Lagebericht ist – in Übereinstimmung mit den Zielvorgaben des Art. 2 – zumindest der Geschäftsver334
EuGH, Rs. C-306/99, Banque internationale pour l´Afrique occidentale SA, Slg. 2003, I-1, Tz. 72-74.
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lauf und die Lage der Gesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild entsteht (Art. 46 Abs. 1); eingegangen werden soll in dem Bericht außerdem auch auf Vorgänge von besonderer Bedeutung nach Schluss des Geschäftsjahres, die wesentliche Entwicklung der Gesellschaft, den Bereich Forschung und Entwicklung, sowie auf die in der „Kapital“-Richtlinie geforderten Angaben über den Erwerb eigener Aktien und bestehende Zweigniederlassungen335 der Gesellschaft (Art. 46 Abs. 2). Die Verpflichtungen, den Jahresabschluss sowie den Lagebericht in der vorstehend dargestellten ausführlichen Fassung zu erstellen und wie eingangs genannt zu veröffentlichen (Art. 47 Abs. 1 S. 1), treffen nach der Richtlinie im Grundansatz sämtliche Kapitalgesellschaften, also aus deutscher Sicht die AG, GmbH und KGaA. Es sind allerdings zahlreiche Ausnahmen vorgesehen, die jedoch keine rechtsformspezifischen, sondern vielmehr ausschließlich größenspezifische Anknüpfungen aufweisen: Grob gesagt genießen kleine (Art. 11) und mittlere (Art. 27) Gesellschaften bestimmte Erleichterungen, während große Gesellschaften vollständig den Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten unterliegen. Für kleine Gesellschaften, bei denen am Bilanzstichtag zwei von drei Größenmerkmalen (ursprünglich: Bilanzsumme 1.000.000 ECU, Nettoumsatzerlöse 2.000.000 ECU und durchschnittlich 50 Beschäftigte während des Geschäftsjahres336) nicht überschritten werden, können die Mitgliedstaaten die Aufstellung einer „verkürzten Bilanz“ zulassen, welche nur die übergeordneten Gliederungspunkte der in den Art. 9 und 10 enthaltenen Schemata zu beachten hat (Art. 11). Die Mitgliedstaaten können diesen Gesellschaften zudem gestatten, einen „verkürzten Anhang“ aufzustellen, bei dem auf zahlreiche der ansonsten nach Art. 43 Abs. 1 sowie nach den Art. 15 bis 42 verlangten Angaben verzichtet werden kann (Art. 44 Abs. 1, 2). Weiterhin können die Mitgliedstaaten diesen Gesellschaften gestatten, nur die verkürzten Fassungen von Bilanz und Anhang offen zu legen, während sie im Übrigen von der Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung, des Lageberichts sowie des Abschlussprüferberichts vollständig befreit werden können (Art. 47 Abs. 2). Für mittlere Gesellschaften, bei denen am Bilanzstichtag zwei von drei gegenüber Art. 11 erhöhten Größenmerkmalen (ursprünglich: Bilanzsumme 4 Millionen ECU, Nettoumsatzerlöse 8 Millionen ECU und durchschnittlich 250 Beschäftigte während des Geschäftsjahres337) nicht überschritten werden, können im Rahmen der Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung abweichend von den Gliederungsvorgaben der Art. 23 bis 26 in den Positionen „Rohergebnis“, „Rohertrag“ und „Rohaufwand“ bestimmte Einzelposten zusammengefasst werden (Art. 27). Auch können die Mitgliedstaaten diesen Gesellschaften gestatten, im Anhang auf Angaben zur Aufgliederung der Nettoumsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen und geographischen Märkten zu verzichten (Art. 45 Abs. 2 S. 2). Schließlich kann den be335
Letztere Ergänzung wurde nachträglich durch die „Zweigniederlassungs“-Richtline (Fn. 47) eingefügt. 336 Zu den späteren Änderungen dieser Schwellenwerte vgl. nachfolgend 2.3.3.2.3.1.1.2. 337 Zu den späteren Änderungen auch dieser Schwellenwerte vgl. ebenfalls 2.3.3.2.3.1.1.2.
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treffenden Gesellschaften erlaubt werden, eine „verkürzte Bilanz“ sowie einen „verkürzten Anhang“ offen zu legen, wobei allerdings insofern auf die Offenlegung von Gewinn- und Verlustrechnung, Lagebericht und Abschlussprüferbericht nicht verzichtet werden kann (Art. 47 Abs. 3). 2.3.3.2.3.1.1.2. Änderungen der 4. Richtlinie Die 4. Richtlinie hat in der Zeit seit ihrer Verabschiedung zahlreiche Änderungen erfahren. Da nach Art. 53 Abs. 2 die in den Art. 11 und 27 enthaltenen Werte von der Kommission alle fünf Jahre zu überprüfen sind, betreffen eine ganze Reihe von Änderungsmaßnahmen – speziell jene der Richtlinien 84/569/EWG 338, 94/8/EG 339, 1999/60/EG 340 und 2003/38/EG341 – in erster Linie diese Schwellenwerte für die Einstufung als kleines oder mittleres Unternehmen. Die sog. „Mittelstands“-Richtlinie 90/604/EWG342 enthielt gleichfalls entsprechende Anpassungen der obigen Schwellenwerte und zudem die Möglichkeit der Offenlegung des Jahresabschlusses in ECU (Art. 50a), sah darüber hinaus aber insbesondere auch noch einige Änderungen im Bereich der Art. 43 bis 47 vor: So können die Mitgliedstaaten gestatten, dass im Bilanzanhang auf die Angabe der aktuellen Bezüge der Organe und Pensionsverpflichtungen gegenüber ehemaligen Organen verzichtet wird, wenn sich dadurch der Status eines bestimmten Organmitglieds feststellen lässt (Art. 43 Abs. 3). Auch können kleine Gesellschaften i.S.d. Art. 11 von der Aufstellung eines Lageberichts befreit werden, soweit sie Angaben zum Erwerb eigener Aktien im Anhang machen (Art. 46 Abs. 3).
338
Richtlinie 84/569/EWG vom 27.11.1984 zur Änderung der in ECU ausgedrückten Beträge der Richtlinie 78/660/EWG, ABl. L 314/28: Neuer Art. 11 mit Bilanzsumme 1.550.000 ECU und Nettoumsatzerlösen 3.200.000 ECU; neuer Art. 27 mit Bilanzsumme 6.200.000 ECU und Nettoumsatzerlösen 12.800.000 ECU. 339 Richtlinie 94/8/EG vom 21.3.1994 zur Änderung der in ECU ausgedrückten Beträge der Richtlinie 78/660/EWG, ABl. L 82/33: Neuer Art. 11 mit Bilanzsumme 2.500.000 ECU und Nettoumsatzerlösen 5.000.000 ECU; neuer Art. 27 mit Bilanzsumme 10.000.000 ECU und Nettoumsatzerlösen 20.000.000 ECU. Siehe zu dieser Änderungsrichtlinie auch MERKT (Fn. 2), 376. 340 Richtlinie 1999/60/EG vom 17.6.1999 zur Änderung hinsichtlich der in ECU ausgedrückten Beträge der Richtlinie 78/660/EWG, ABl. L 162/65: Neuer Art. 11 mit Bilanzsumme 3.125.000 EUR und Nettoumsatzerlösen 6.250.000 EUR; neuer Art. 27 mit Bilanzsumme 12.500.000 EUR und Nettoumsatzerlösen 25.000.000 EUR. 341 Richtlinie 2003/38/EG vom 13.5.2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge, ABl. L 120/22: Neuer Art. 11 mit Bilanzsumme 3.650.000 EUR und Nettoumsatzerlösen 7.300.000 EUR; neuer Art. 27 mit Bilanzsumme 14.600.000 EUR und Nettoumsatzerlösen 29.200.000 EUR. Vgl. zu den Schwellenwerten dieser Richtlinie auch LG Berlin, GmbHR 2007, 92 ff. und MOHR, GmbHR 2007, 86 ff. 342 Richtlinie 90/604/EWG vom 9.11.1990 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss und der Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss hinsichtlich der Ausnahme für kleiner und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüssen in ECU, ABl. L 317/57: Neuer Art. 11 mit Bilanzsumme 2.000.000 ECU und Nettoumsatzerlösen 4.000.000 ECU; neuer Art. 27 mit Bilanzsumme 8.000.000 ECU und Nettoumsatzerlösen 16.000.000 ECU. Vgl. zu dieser Richtlinie auch BIENER, WPg 1993, 707 ff.
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Die sog. „fair value“-Richtlinie 2001/65/EG 343 zeichnet sich primär dadurch aus, dass bzgl. des Wertansatzes bestimmter Finanzinstrumente (einschließlich Derivate) eine Abweichung von dem Grundprinzip des Bilanzansatzes zu historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Art. 32) eingeführt und statt dessen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet wird, eine Bewertung mit dem Zeitwert vorzusehen (Art. 42a bis Art. 42c); hierüber sind dann von der Gesellschaft nähere Angaben im Bilanzanhang zu machen (Art. 42d). Entsprechende Anpassungen im Hinblick auf diese Neuregelung wurden in den allgemeinen Regelungen zum Bilanzanhang vorgenommen (Art. 43 Abs. 1), wobei kleine Gesellschaften i.S.d. Art. 11 auch insofern Erleichterungen durch einen „verkürzten Anhang“ in Anspruch nehmen können (Art. 44 Abs. 1). Durch die im Anschluss an die IAS-VO344 erlassene sog. „Modernisierungs“Richtlinie 2003/51/EG 345 sollte eine stärkere Orientierung an internationalen Rechnungslegungsstandards erfolgen. Hierzu wurde den Mitgliedstaaten ganz allgemein die Möglichkeit eröffnet, eine Ergänzung des Jahresabschlusses der Gesellschaften um „weitere Bestandteile“ vorzusehen (Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2) sowie vorzuschreiben, dass der Ausweis von Posten in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung „den wirtschaftlichen Gehalt des zugrunde liegenden Geschäftsvorfalls oder der zugrunde liegenden Vereinbarung berücksichtigt“ (Art. 4 Abs. 6). Hinsichtlich der Bilanz können die Mitgliedstaaten gestatten, dass Gesellschaften statt den bisher vorgeschriebenen Gliederungen einer anderen Gliederung folgen (Art. 8), „sofern der vermittelte Informationsgehalt dem nach den Artikeln 9 und 10 geforderten mindestens gleichwertig ist“ (Art. 10a); ebenso wird es abweichend von Art. 2 Abs. 1 ermöglicht, anstelle der bisherigen Gliederung der Posten der Gewinn- und Verlustrechnung eine Ergebnisrechnung auf zu stellen, sofern der vermittelte Informationsgehalt dem nach den Art. 23 bis 26 mindestens gleichwertig ist. Hinsichtlich einzelner Bilanzansätze wurde insbesondere die Möglichkeit geschaffen, dass für bestimmte Arten von Vermögensgegenständen mit Ausnahme von Finanzinstrumenten eine Bewertung auf der Basis des beizulegenden Zeitwerts erfolgt („fair value“; Art. 42e); korrespondierend dazu kommt ein Ausweis von Wertveränderungen in der Gewinn- und Verlustrechnung in Betracht (Art. 42f). Besondere Anpassungen wurden insbesondere bei den Vorschriften über den Lagebericht vorgenommen: Dieser hat nunmehr zumindest den Geschäftsverlauf und das Geschäftsergebnis sowie die Lage der Gesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild entsteht, sowie außerdem die wesentlichen Risiken und Ungewissheiten zu beschreiben, denen die Gesellschaft ausgesetzt ist; der Bericht besteht aus „einer ausgewogenen und umfassenden Analyse des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses und der Lage der Gesellschaft, die dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit angemessen ist“ (Art. 46 343
Oben Fn. 319. Siehe dazu HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 5. Siehe dazu unten 2.3.3.2.3.2. 345 Oben Fn. 319. Siehe dazu HUEMER, EWS 2006, 351 ff. Allgemein zum vorangegangenen Kommissionsvorschlag KOM (2002) 259 endg. vom 28.5.2002 auch schon NIEHUS, DB 2002, 1385 ff.; BUSSE VON COLBE, BB 2002, 1530 ff.; SCHOLTISSEK, DStZ 2003, 869 (870 ff.). 344
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Abs. 1 Buchst. a). Soweit für das Verständnis erforderlich, sind dabei die für die betreffende Geschäftstätigkeit wichtigsten finanziellen und ggf. auch nichtfinanziellen Leistungsindikatoren – einschließlich Informationen in Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange – aufzunehmen (Art. 46 Abs. 1 Buchst. b); soweit hiervon nichtfinanzielle Informationen betroffen sind, können hiervon allerdings mittlere Gesellschaften ausgenommen werden (Art. 46 Abs. 4). Außerdem sind ggf. Hinweise auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge und Erläuterungen dazu aufzunehmen (Art. 46 Abs. 1 Buchst. c). Deutlich erweitert wurde zudem der Inhalt des Bestätigungsvermerks des gesetzlichen Abschlussprüfers (Art. 51a). Eine wesentliche Änderung besteht schließlich auch darin, dass die in den Art. 11, 27, 46, 47 und 51 vorgesehenen Erleichterungen nicht für solche Gesellschaften gewährt werden dürfen, „deren Wertpapiere in einem Mitgliedstaat zum Handel an einem geregelten Markt“ im Sinne des Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/ EWG über Wertpapierdienstleistungen346 zugelassen sind (Art. 53a). Damit tritt im Hinblick auf die Intensität der Rechnungslegungspflichten neben das bisherige Kriterium der Größe des Unternehmens nunmehr auch dessen Kapitalmarktbezug: Die an einem geregelten Markt zugelassenen Unternehmen werden von den in vorgenannten Vorschriften enthaltenen Erleichterungen auch dann ausgeschlossen, wenn sie als solche die Schwellenwerte der Art. 11 und 27 nicht überschreiten347. Nur einige kleinere Änderungen der 4. Richtlinie bewirkt hingegen die nach ihrem Art. 53 Abs. 1 bis zum 29.6.2008 umzusetzende (modernisierte) „Abschlussprüfer“-Richtlinie 2006/43/EG348: Sie sieht u.a. vor, dass grds. im Bilanzanhang die Gesamthonorare der Abschlussprüfer anzugeben sind (Art. 43 Abs. 1 Nr. 15 n.F.), wobei die für kleinere und mittlere Gesellschaften geltenden Erleichterungen entsprechend angepasst werden (Art. 44 Abs. 1, 45 Abs. 2 n.F.). Bedeutendere Änderungen enthält demgegenüber die nach ihrem Art. 5 Abs. 1 bis zum 5.9.2008 umzusetzende Richtlinie 2006/46/EG349: Diese führt nicht allein eine erneute Anhebung der in den Art. 11 und 27 enthaltenen Schwellenwerte herbei350, sondern außerdem eine noch stärkere Orientierung an internationalen Rechnungslegungsstandards sowie außerdem eine Realisierung des Aktionsplans der Kommission vom Mai 2003 zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der „Corporate Governance“351. So wird zunächst einmal eine der IFRSVO entsprechende Bewertung und Offenlegung von Finanzinstrumenten zugelassen (Art. 42a Abs. 5a n.F.). Weiterhin sind im Bilanzanhang Art und Zweck der nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäfte der Gesellschaft sowie deren finanzielle 346
Oben Fn. 72, dort auch zur Änderung durch die „MiFID“-Richtlinie 2004/39/EG. Vgl. speziell dazu HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 6, 19. 348 Oben Fn. 318. 349 Oben Fn. 319. Zu Einzelheiten und Hintergründen der Änderungen vgl. NIEMEIER, WPg 2006, 173 ff. sowie im Vorfeld auch die Erläuterungen im Kommissionsvorschlag KOM(2004) 725 endg. vom 27.10.2004 sowie die Stellungnahme vom HANDELSRECHTSAUSSCHUSS DES DAV, NZG 2005, 464 ff. 350 Neuer Art. 11 mit Bilanzsumme 4.400.000 EUR und Nettoumsatzerlösen 8.800.000 EUR; neuer Art. 27 mit Bilanzsumme 17.500.000 EUR und Nettoumsatzerlösen 35.000.000 EUR. 351 Siehe dazu unten 2.3.3.3. 347
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Auswirkungen anzugeben, soweit die damit verbundenen Risiken und Vorteile wesentlich und für die Beurteilung der Finanzlage notwendig sind; bei mittleren Gesellschaften im Sinne des Art. 27 kann eine Beschränkung auf Art und Zweck der Geschäfte erfolgen (Art. 43 Abs. 1 Nr. 7a n.F.). Aufzunehmen in den Anhang sind überdies Geschäfte der Gesellschaft mit nahe stehenden Unternehmen und Personen nebst näheren Angaben zu den für die Beurteilung der Finanzlage der Gesellschaft notwendigen Geschäften, sofern diese Geschäfte wesentlich und unter marktunüblichen Bedingungen zustande gekommen sind; von dieser Verpflichtung können mittlere Gesellschaften im Sinne des Art. 27 in der Form der Aktiengesellschaft teilweise und solche in anderen Rechtsformen vollständig befreit werden (Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b n.F.). Eine vollständig neue Regelung wird eingeführt für Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der sog. „MiFID“-Richtlinie 2004/39/EG 352 zugelassen sind: Diese kapitalmarktorientierten Unternehmen haben in ihren Lagebericht einen gesonderten Abschnitt mit einer „Erklärung zur Unternehmensführung“ aufzunehmen, die mindestens einen Verweis auf den Unternehmensführungskodex der Gesellschaft und etwaige Abweichungen davon enthält sowie eine Beschreibung der wichtigsten Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems der Gesellschaft im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess; außerdem sind bestimmte Angaben im Sinne des Art. 10 Abs. 1 der „Übernahme“-Richtlinie 2004/25/EG353 zu machen, die Durchführung und Befugnisse der Hauptversammlung sowie die Aktionärsrechte zu beschreiben sowie die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsräte einschließlich ihrer Ausschüsse anzugeben (Art. 46a Abs. 1). Die Mitgliedstaaten können erlauben, dass die vorstehenden Angaben in einem gesonderten Bericht enthalten sind, der entweder nach Art. 47 gemeinsam mit dem Lagebericht offen gelegt wird oder auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich sein muss (Art. 46a Abs. 2); außerdem können Unternehmen ohne Kapitalmarktbezug von einer Reihe der vorgenannten Angaben befreit werden (Art. 46a Abs. 3). Durch eine entsprechende Anpassung von Art. 53a wird allerdings vorgegeben, dass die in den Art. 11, 27, 43 Abs. 1 Nrn. 7a und 7b, Art. 46, 47 und 51 enthaltenen Erleichterungen für die eingangs genannten kapitalmarktorientierten Unternehmen nicht zur Anwendung kommen. Besondere Vorschriften werden außerdem eingeführt im Hinblick auf den Pflichtenkreis der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane der Gesellschaften: Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass diese Personen kollektiv verpflichtet sind, ihrerseits sicherzustellen, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht sowie die ggf. gesondert vorgelegte Erklärung zur Unternehmensführung nach Art. 46a entsprechend den Anforderungen der Richtlinie sowie ggf. auch der IFRS-VO erstellt und veröffentlicht werden (Art. 50b); außerdem haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Haftungsvorschriften ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften zumindest insofern auf den vorgenannten Personenkreis 352 353
Oben Fn. 72. Vgl. oben Fn. 250 sowie oben 2.3.3.2.2.2.5.
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Anwendung finden, was deren Haftung gegenüber der Gesellschaft wegen der Verletzung der aus Art. 50b resultierenden Pflicht betrifft (Art. 50c). Abschließend wird außerdem unmittelbar in der 4. Richtlinie niedergelegt, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen die aufgrund der Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften festzulegen und alle zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben; die entsprechenden Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Art. 60a) 354. 2.3.3.2.3.1.2. 7. Richtlinie 83/349/EWG („Konzernbilanz“-Richtlinie) Der Ergänzung der vorgenannten 4. Richtlinie dient die Siebte Richtlinie 83/349/ EWG 355 über den konsolidierten Abschluss von Kapitalgesellschaften: Diese sog. „Konzernbilanz“-Richtlinie356 soll nach ihrem 1. Erwägungsgrund insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass eine bedeutende Zahl von Gesellschaften Unternehmenszusammenschlüssen (Konzernen) angehören. Letzteres führt dazu, dass die Aussagekraft des jeweiligen Einzelabschlusses wegen der Auswirkungen konzerninterner Beziehungen, aber mitunter auch wegen der Maßgeblichkeit verschiedener nationaler Rechtsordnungen begrenzt ist357. Um „die Informationen über die finanziellen Verhältnisse dieser Unternehmenszusammenschlüsse zur Kenntnis der Gesellschafter und Dritter“ zu bringen und dabei „die Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit der Informationen zu verwirklichen“, schreibt die 7. Richtlinie konzernangehörigen Gesellschaften im Grundansatz die Erstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses sowie auch eines konsolidierten Lageberichts vor; diese treten allerdings nicht an die Stelle des nach der 4. Richtlinie zu erstellenden Einzelabschlusses nebst Lageberichts, sondern lediglich zu zusätzlichen Informationszwecken daneben358. Der Anwendungsbereich der Richtlinie setzt in sachlicher Hinsicht das Vorliegen eines der in Art. 1 Abs. 1 abschließend aufgelisteten Kontrolltatbestände voraus: Entweder muss das Mutterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte beim Tochterunternehmen haben (Buchst. a), oder als Gesellschafter das Recht zur Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mitglieder von dessen Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan (Buchst. b), oder aufgrund von einem Vertrag mit dem Tochterunternehmen oder dessen Satzung das Recht zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses (Buchst. c), oder aber als Gesellschafter allein durch Ausübung seines Stimmrechts die Bestellung der Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der Tochtergesellschaft bewirkt hat bzw. durch Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern bei dieser allein über die Stimmenmehrheit verfügt (Buchst. d). Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten die aus der Richtlinie folgenden Pflichten zur Erstellung eines konsolidierenden Jahresab354
Vgl. zu diesen Kriterien bereits eingehend oben 2.3.2.2. Oben Fn. 55. 356 Zur Ungenauigkeit dieses Begriffs siehe SCHWARZ (Fn. 117), 269 f. (Rn. 408). Vgl. zur Umsetzung in das deutsche innerstaatliche Recht z.B. DUSEMOND, BB 1994, 2034 ff. sowie zur „Publizitätsgüte“ deutscher Konzerne allgemein BÖTZEL, WPg 1993, 201 ff. 357 Vgl. speziell dazu HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 36. 358 Siehe HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 36. 355
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schlusses und Lageberichts auch auf solche Mutterunternehmen erstrecken, die an einem anderen Unternehmen eine Beteiligung im Sinne von Art. 17 der 4. Richtlinie besitzen und entweder auf dieses Tochterunternehmen tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausüben oder gemeinsam mit dem Tochterunternehmen unter einheitlicher Leitung des Mutterunternehmens stehen (Art. 1 Abs. 2). In persönlicher Hinsicht tritt die Konsolidierungspflicht grds. schon dann ein, wenn entweder das Mutterunternehmen oder auch mehrere bzw. sogar nur eines seiner Tochterunternehmen die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft – in Deutschland also: AG, KGaA und GmbH – haben (Art. 4 Abs. 1); insofern lässt sich der Grundansatz der 7. Richtlinie als tendenziell „rechtsformunabhängig“ beschreiben, weil auch Einzelkaufleute, Personengesellschaften und selbst Vereine etc. erfasst werden359. Allerdings können die Mitgliedstaaten wiederum den gesamten potentiellen Konsolidierungskreis von der Verpflichtung befreien, wenn bereits das Mutterunternehmen nicht eine der vorgenannten Rechtsformen besitzt (Art. 4 Abs. 2), wodurch der weite Grundansatz eine erhebliche Relativierung erfährt360. Bei Erfüllung der genannten sachlichen und persönlichen Voraussetzungen trifft die Konsolidierungspflicht prinzipiell das Mutterunternehmen und alle seine Tochterunternehmen, und zwar ohne Rücksicht auf deren Sitz (Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1); auch eigene Tochterunternehmen der Tochterunternehmen – also Enkelgesellschaften des Mutterunternehmens – werden erfasst (Art. 3 Abs. 2). Die Konsolidierungspflicht knüpft insofern an den Sitz des Mutterunternehmens an (Art. 1 Abs. 1), während der Sitz des jeweiligen Tochterunternehmens irrelevant ist und sogar in einem Drittstaat belegen sein kann; insofern ist im Ergebnis letztlich ein Weltabschluss zu erstellen361. Über die vorgenannten Fälle hinaus, die jeweils vom Konzept der Kontrolle des Tochter- durch das Mutterunternehmen geprägt sind, ist den Mitgliedstaaten zusätzlich die Möglichkeit eröffnet, auch sog. „Gleichordnungskonzerne“ in die Konsolidierungspflicht einzubeziehen (Art. 12). Anderseits wiederum sind auch eine Reihe von Möglichkeiten für die Mitgliedstaaten eröffnet, Ausnahmen von der Anwendung der Richtlinie vorzusehen. Diese Ausnahmen betreffen zum einen den Sonderfall, dass es sich bei dem Mutterunternehmen um eine ausschließlich auf den Erwerb, die Verwaltung und Verwertung von Beteiligungen gerichtete Gesellschaft im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der 4. Richtlinie handelt und in die Geschäfte des Tochterunternehmens auch tatsächlich nicht eingegriffen wurde (Art. 5). Zum anderen sind davon speziell Fälle betroffen, in denen das Mutterunternehmen seinerseits in einen Unternehmensverbund miteinbezogen ist: In derartigen mehrstufigen Strukturen hätte die Obergesellschaft einen Gesamt- und die jeweilige Untergesellschaft einen Teilkonzernabschluss zu erstellen, was hinsichtlich des allein angestrebten Informationszwecks wenig zusätzlichen Nutzen brächte; daher ist insofern unter bestimmten weiteren Bedingungen die Möglichkeit der Erstellung eines „befreienden Konzernabschlusses“ auf der Ebene des obersten Mutterunternehmens eröffnet, um die nach359
Siehe SCHWARZ (Fn. 117), 271 (Rn. 411). Vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 41. 361 HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 40, 45. 360
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gelagerten Tochterunternehmen von ihren Verpflichtungen zu entlasten (Art. 7 bis 9, 11). Darüber hinaus können Fälle von untergeordneter Bedeutung einzelner Unternehmen (Art. 13) oder völlig unterschiedlicher Tätigkeit (Art. 14) von der Konsolidierung ausgenommen werden; Gleiches gilt für Mutterunternehmen ohne gewerbliche oder Handelstätigkeit, wenn dieses gemeinsam mit nicht zum Konsolidierungskreis gehörenden Unternehmen Anteile an einer Tochtergesellschaft hält (Art. 15). Schließlich ist auch in der 7. Richtlinie eine rein größenabhängige Ausnahme vorgesehen: Anders als in der 4. Richtlinie wird dabei jedoch nicht zwischen kleineren und mittleren Unternehmen differenziert, sondern es wird in Anlehnung an die dort in Art. 27 für mittlere Unternehmen getroffene Regelung362 eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet, wenn zum Bilanzstichtag des Mutterunternehmens alle zu konsolidierenden Unternehmen insgesamt aufgrund ihrer letzten Jahresabschlüsse zwei der drei in dieser Vorschrift genannten Größenmerkmale nicht überschreiten (Art. 6 Abs. 1). Diese Ausnahme kommt jedoch dann nicht zum Tragen, wenn auch nur eines der zum Konsolidierungskreis gehörenden Unternehmen eine Gesellschaft ist, deren Wertpapiere zur amtlichen Notierung an der Wertpapierbörse eines Mitgliedstaats zugelassen sind (Art. 6 Abs. 4). So weit sich nach dem Vorstehenden eine Verpflichtung des Mutterunternehmens zur Erstellung eines Abschlusses für den gesamten Konsolidierungskreis ergibt, stellt sich die Auswahl der relevanten Publizitätsmittel parallel zur 4. Richtlinie363 dar: Der ordnungsgemäß gebilligte konsolidierte Abschluss, ein konsolidierter Lagebericht sowie ein Abschlussprüferbericht sind von dem zur Abschlusserstellung verpflichteten Mutterunternehmen in deren Mitgliedstaat nach einem den Vorgaben von Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie364 entsprechenden Verfahren offen zu legen (Art. 38 Abs. 1); unabhängig von der Größe der am Konsolidierungskreis beteiligten Unternehmen können dabei die Mitgliedstaaten auch die konsolidierte Fassung des Lageberichts von der allgemeinen Offenlegungspflicht ausnehmen, doch muss er dann am Sitz der Gesellschaft zur Einsichtnahme für jedermann bereit gehalten werden und auf Antrag in vollständiger oder teilweiser Ausfertigung erhältlich sein (Art. 38 Abs. 2, 3). Sofern im Übrigen ein Mutterunternehmen nicht als Kapitalgesellschaft im Sinne des Art. 4 Abs. 1 organisiert und (mangels Befreiung über Art. 4 Abs. 2) zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses verpflichtet ist, für den nicht nach innerstaatlichem Recht eine dem Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie entsprechende Offenlegungspflicht besteht, müssen zumindest die in Art. 38 Abs. 1 genannten Unterlagen am Unternehmenssitz zur Einsichtnahme für jedermann bereit gehalten werden (Art. 38 Abs. 4). Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, geeignete Sanktionen für die Nichteinhaltung der vorstehenden Offenlegungspflichten vorzusehen (Art. 38 Abs. 6)365.
362
Siehe oben 2.3.3.2.3.1.1.1. sowie zu den späteren Änderungen oben 2.3.3.2.3.1.1.2. Siehe oben 2.3.3.2.3.1.1. 364 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1.1. 365 Vgl. zu den Sanktionen auch bereits oben 2.3.2.2.2.1. 363
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2.3.3.2.3.1.2.1. Publizitätsgegenstände Hinsichtlich der Publizitätsgegenstände ist erneut zwischen dem Jahresabschluss und dem Lagebericht zu unterscheiden. Wie der Einzelabschluss nach der 4. Richtlinie366 besteht auch der konsolidierte Jahresabschluss aus mehreren eine Einheit bildenden Unterlagen, nämlich der konsolidierten Bilanz, der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung sowie dem Anhang (Art. 16 Abs. 1). Ebenso besteht in inhaltlicher Sicht hinsichtlich der Art und Weise der Aufstellung grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Einzelabschluss: Auch der konsolidierte Jahresabschluss muss klar und übersichtlich in Übereinstimmung mit den Vorgaben der 7. Richtlinie aufgestellt werden (Art. 16 Abs. 2) und hat ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage aller zum Konsolidierungskreis gehörenden Unternehmen zu vermitteln (Art. 16 Abs. 3); ggf. sind zur Erfüllung dieser grundlegenden Zielvorgaben auch zusätzliche Angaben zu machen (Art. 16 Abs. 4) oder es ist – bei entsprechender Begründung im Anhang – von Einzelvorschriften abzuweichen (Art. 16 Abs. 5). Zudem können die Mitgliedstaaten gestatten oder sogar vorschreiben, dass in dem konsolidierten Abschluss noch über die Richtlinienvorgaben hinaus reichende Angaben zu machen sind (Art. 16 Abs. 6). Im Hinblick auf die Gliederung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung orientiert sich der konsolidierte Abschluss gleichfalls im Wesentlichen an den Vorgaben der Art. 3 bis 10, 13 bis 26 sowie 28 bis 30 der 4. Richtlinie367 (Art. 17 Abs. 1). Im Übrigen ist der konsolidierte Abschluss vor allem nach den durch die Art. 25 bis 28 gesondert vorgeschriebenen Grundsätzen aufzustellen (Art. 24), wobei die maßgebliche Leitvorgabe sich aus Art. 26 Abs. 1 S. 1 ergibt: Danach ist die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen „so auszuweisen, als ob sie ein einziges Unternehmen wären“. Das somit von der 7. Richtlinie zu Grunde gelegte Prinzip der Vollkonsolidierung zwingt also dazu, für Zwecke der Konzernrechnungslegung die rechtliche Eigenständigkeit der Tochterunternehmen zu negieren und ihnen den Status unselbstständiger Betriebsabteilungen beizumessen; dies führt insbesondere dazu, dass die jeweiligen Einzelabschlüsse von Mutter- und Tochterunternehmen nicht einfach zusammengefasst werden können, sondern vielmehr um konzerninterne Vorgänge bereinigt werden müssen368. Vor diesem Hintergrund sind zunächst die Bestimmungen der Art. 18 bis 23 zu begreifen: Danach müssen zum einen in die konsolidierte Bilanz sämtliche Aktiva und Passiva der zum Konsolidierungskreis gehörenden Unternehmen übernommen werden (Art. 18), wobei hinsichtlich der Buchwerte der Tochterunternehmen bestimmte Verrechnungen vorgesehen sind (Art. 19, 20); außerdem sind die der Beteiligung fremder Unternehmen an Tochtergesellschaften entsprechenden Beträge gesondert – d.h. in einem „Ausgleichsposten – auszuweisen (Art. 21). Ebenso sind zum anderen in die konsolidierte Gewinn- und Verlustrechnung sämtliche Aufwen366
Siehe oben 2.3.3.2.3.1.1.1. Auch dazu oben 2.3.3.2.3.1.1.1. 368 Vgl. HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 50 f. 367
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dungen und Erträge der zum Konsolidierungskreis gehörenden Unternehmen einzubeziehen (Art. 22) und die auf fremde Gesellschafter der Tochterunternehmen entfallenden Beträge gesondert auszuweisen (Art. 23). Darüber hinaus werden im konsolidierten Abschluss Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den zum Konsolidierungskreis gehörenden Unternehmen sowie auch Aufwendungen und Erträge aus Geschäften zwischen diesen weggelassen: Gleiches gilt für Gewinne und Verluste aus solchen Geschäften, die in den Buchwert der Aktiva eingehen (Art. 26 Abs. 1 S. 2 Buchst. a bis c). Im Übrigen sind sämtliche in die Konsolidierung einbezogenen Aktiva und Passiva grundsätzlich nach einheitlichen Methoden und in Übereinstimmung mit den Art. 31 bis 42 der 4. Richtlinie369 zu bewerten (Art. 29); ein gesonderter Ausweis hat im Hinblick auf etwaige bei der Verrechnung nach Art. 19 entstehende – positive oder negative – „Konsolidierungsunterschiede“ zu erfolgen (Art. 30, 31). Eine beachtenswerte Ausnahme vom vorgenannten Prinzip der Vollkonsolidierung wird allerdings in Art. 32 zugelassen: Danach können die Mitgliedstaaten gestatten oder sogar vorschreiben, dass in Fällen, in denen ein zum Konsolidierungskreis gehörendes Unternehmen gemeinsam mit einem fremden Unternehmen eine Tochtergesellschaft leitet, diese nur in jenem Umfang in die Konsolidierung einbezogen wird, wie ihre Anteile von einem zu konsolidierenden Unternehmen gehalten werden (Art. 32 Abs. 1); auf diese sog. „Quotenkonsolidierung“ sind die Art. 13 bis 31 sinngemäß anzuwenden (Art. 32 Abs. 2). Eine Sonderregelung besteht überdies auch für sog. „assoziierte Unternehmen“, bei denen ein zum Konsolidierungskreis gehörendes Unternehmen eine Beteiligung im Sinne von Art. 17 der 4. Richtlinie besitzt und bei dieser einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäfts- und Finanzpolitik ausübt, ohne dass jedoch die in Art. 1 Abs. 1 oder Abs. 2 genannten Voraussetzungen für eine Vollkonsolidierung oder jene des Art. 32 für eine Quotenkonsolidierung erfüllt wären: Die betreffende Beteiligung ist im konsolidierten Abschluss gesondert auszuweisen, wobei insofern aber keine Bewertung zu den Anschaffungskosten zu erfolgen hat, sondern statt dessen die sog. „equity“-Methode anzuwenden ist (Art. 33)370. In den Anhang zur konsolidierten Bilanz sind neben den in Einzelbestimmungen der 7. Richtlinie vorgesehenen Angaben insbesondere auch solche aufzunehmen über die angewandten Methoden zur Bewertung und Wertberichtigung, über Gesamtbeträge von Verbindlichkeiten mit Restlaufzeiten von mehr als fünf Jahren oder mit dinglicher Sicherung, über Gesamtbeträge von nicht in der konsolidierten Bilanz erscheinenden Verpflichtungen mit Bedeutung für die Beurteilung der Finanzlage der konsolidierten Unternehmen, über den durchschnittlichen Personalbestand der voll- und quotenkonsolidierten Unternehmen, über den Steueraufwand sowie weiterhin auch über Vergütungen an aktuelle Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Mutterunternehmens bzw. Pensionsverpflichtungen gegenüber ehemaligen Mitgliedern desselben und über Vorschüsse, Kredite 369 370
Auch dazu oben 2.3.3.2.3.1.1.1. Zu Einzelheiten siehe HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 54 f. sowie SCHWARZ (Fn. 117), 312 (Rn. 489).
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und Garantieverpflichtungen zu Gunsten der aktuellen Mitglieder dieses Organs, wobei in letztgenannten Fällen zusammenfassende Angaben für die betroffenen Personengruppen ausreichen (Art. 34 Abs. 1). Anzugeben sind grds. außerdem Name und Sitz sowie Beteiligungsquote bzgl. der konsolidierten Unternehmen, der nach Art. 13 oder 14 nicht in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen, der assoziierten Unternehmen im Sinne des Art. 33 und der quotenkonsolidierten Unternehmen im Sinne des Art. 32 sowie ggf. weiterer Unternehmen, an denen eine Beteiligung von bis zu 20 % besteht; insofern können die Mitgliedstaaten allerdings gestatten, dass die betreffenden Angaben entweder in einer gesonderten Aufstellung gemacht und entsprechend Art. 3 Abs. 1, 2 der „Publizitäts“-Richtlinie371 hinterlegt oder aber ganz unterlassen werden, falls einem der vorgenannten Unternehmen ein Schaden zugefügt werden könnte (Art. 35 Abs. 1). Letzteres gilt ebenfalls für die grds. bestehende Verpflichtung zur Aufgliederung der konsolidierten Nettoumsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen und geographisch bestimmten Märkten (Art. 35 Abs. 2). Schließlich sind in dem zusätzlich zum konsolidierten Jahresabschluss zu erstellenden konsolidierten Lagebericht zumindest der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesamtheit aller konsolidierten Unternehmen so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild entsteht (Art. 36 Abs. 1); einzugehen ist dabei auch auf nach Abschluss des Geschäftsjahres eingetretene Ereignisse von besonderer Bedeutung, auf die voraussichtliche Entwicklung der Gesamtheit der konsolidierten Unternehmen, auf den Bereich Forschung und Entwicklung sowie auf die Anteile des Mutterunternehmens, die entweder von diesem selbst, von Tochterunternehmen oder von für Rechnung dieser Unternehmen handelnden Personen gehalten werden (Art. 36 Abs. 2). 2.3.3.2.3.1.2.2. Änderungen der 7. Richtlinie Ebenso wie die 4. Richtlinie über den Einzelabschluss372 ist auch die 7. Richtlinie über den konsolidierten Abschluss seit ihrem Erlass mehrfach geändert worden, wobei es sich allerdings weitestgehend um parallele Änderungen oder Folgeanpassungen handelt. Nachdem die „Mittelstands“-Richtlinie 90/604/EWG373 lediglich die Möglichkeit der zusätzlichen Offenlegung des konsolidierten Abschlusses in ECU eingeführt hatte (Art. 38a), nahm die „fair value“-Richtlinie 2001/65/EG374 verschiedene Änderungen hinsichtlich der Bewertung bestimmter Finanzinstrumente in der konsolidierten Bilanz (Art. 29 Abs. 1) sowie hinsichtlich der zugehörigen Angaben im Anhang (Art. 34) vor; ebenso wurden die Pflichtangaben im konsolidierten Lagebericht dahin gehend ergänzt, dass bei Bedeutung für die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konsolidierungskreises in Bezug auf die von den Unternehmen verwendeten Finanzinstrumente nicht nur die entsprechenden Risikomanagementziele und -methoden einschließlich Absi371
Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1.1. Auch dazu oben 2.3.3.2.3.1.1.2. 373 Oben Fn. 342; vgl. dazu oben 2.3.3.2.3.1.1.2. 374 Oben Fn. 319. Siehe auch dazu bereits oben 2.3.3.2.3.1.1.2. 372
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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cherungsmaßnahmen, sondern außerdem auch bestehende Preisänderungs-, Ausfall-, Liquiditäts- und Cashflowrisiken darzustellen sind (Art. 36 Abs. 2 Buchst. e). Die „Modernisierungs“-Richtlinie 2003/51/EG 375 eröffnet nunmehr Mitgliedstaaten ganz allgemein – ohne bestimmte Beteiligungsquote – die Möglichkeit, ein ihrem Recht unterliegendes Mutterunternehmen zur Aufstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses und Lageberichts zu verpflichten, wenn dieses entweder auf ein Tochterunternehmen tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausübt bzw. zumindest ausüben kann oder es gemeinsam mit dem Tochterunternehmen unter einheitlicher Leitung des Mutterunternehmens steht (Art. 1 Abs. 2 n.F.). Zudem wird nunmehr auch im Rahmen der 7. Richtlinie der Kapitalmarktbezug verstärkt berücksichtigt und die Anwendung der allgemeinen größenabhängigen Ausnahmeklausel des Art. 6 Abs. 1 dann ausgeschlossen, wenn die Wertpapiere eines der zu konsolidierenden Unternehmen in einem Mitgliedstaat zum Handel an einem geregelten Markt im Sinne des Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG376 zugelassen sind (Art. 6 Abs. 4 n.F.); überdies wurde die besondere Ausnahmeklausel des Art. 14 mitsamt der in anderen Vorschriften vorgesehenen Verweisungen darauf gestrichen. Parallel zu den Anpassungen beim Einzelabschluss können die Mitgliedstaaten nunmehr auch hinsichtlich des konsolidierten Jahresabschlusses vorschreiben, dass dieser neben Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang noch weitere Bestandteile umfasst (Art. 16 Abs. 1 UAbs. 2). Auch bei der Gliederung des konsolidierten Abschlusses ist die Neuregelung in Art. 10a der 4. Richtlinie377 zu beachten (Art. 17 Abs. 1 n.F.). Umfangreiche Änderungen haben des Weiteren die Anforderungen an den konsolidierten Lagebericht erfahren: Dieser hat zumindest Geschäftsverlauf und –ergebnis sowie die Lage aller in den Konsolidierungskreis einbezogenen Unternehmen so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild entsteht, sowie die wesentlichen Risiken und Ungewissheiten zu beschreiben, denen diese Unternehmen ausgesetzt sind; Geschäftsverlauf und -ergebnis sowie die Lage der Unternehmen sind einer „ausgewogenen und umfassenden Analyse“ zu unterziehen, die „dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit angemessen“ ist, und es sind die für das Verständnis erforderlichen wichtigsten finanziellen und ggf. auch nichtfinanziellen Leistungsindikatoren – einschließlich Informationen in Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange – aufzunehmen, ergänzt um Hinweise und Erläuterungen zu den im konsolidierten Jahresabschluss ausgewiesenen Beträgen (Art. 36 Abs. 1 n.F.). Zugelassen wird allerdings die Möglichkeit, im Falle der gleichzeitigen Verpflichtung eines Mutterunternehmens zur Aufstellung eines Lageberichts zum Einzelabschluss als auch eines konsolidierten Lageberichts, beide Berichte in Form eines einheitlichen Berichts vorzulegen (Art. 36 Abs. 3). Im Übrigen wird auch hinsichtlich des konsolidierten Abschlusses der Inhalt des Bestätigungsvermerks des gesetzlichen Abschlussprüfers deutlich erweitert (Art. 37)378. 375
Oben Fn. 319. Oben Fn. 72, dort auch zur Änderung durch die „MiFID“-Richtlinie 2004/39/EG. 377 Siehe oben 2.3.3.2.3.1.1.2. 378 Siehe oben 2.3.3.2.3.1.2. 376
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Eine weitere Maßnahme zum Zwecke der verstärkten Berücksichtigung des Kapitalmarktbezugs von Unternehmen liegt schließlich darin, dass hinsichtlich der Offenlegung des konsolidierten Jahresberichts eine wichtige Einschränkung der zuvor bestehenden Erleichterungen vorgenommen wird: Die nach Art. 38 Abs. 2, 3 der 7. Richtlinie i.V.m. Art. 47 Abs. 1 UAbs. 2 bislang vorgesehene Möglichkeit, den konsolidierten Lagebericht unabhängig von der Größe der am Konsolidierungskreis beteiligten Unternehmen von der allgemeinen Offenlegungspflicht auszunehmen, wenn er dann am Sitz der Gesellschaft zur Einsichtnahme für jedermann bereits gehalten wird 379, findet keine Anwendung auf Unternehmen, deren Wertpapiere in einem Mitgliedstaat zum Handel an einem geregelten Markt im Sinne von Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG 380 zugelassen sind (Art. 38 Abs. 7). Die anschließend verabschiedete (modernisierte) „Abschlussprüfer“-Richtlinie 2006/43/EG 381 enthält nur geringfügige Änderungen der 7. Richtlinie; sie erweitert lediglich den Katalog der Pflichtangaben im Anhang zur konsolidierten Bilanz dahin, dass nunmehr die von den Abschlussprüfern berechneten Gesamthonorare mit näherer Aufschlüsselung nach Prüfungs- und anderen Bestätigungsleistungen sowie nach Beratungs- und sonstigen Leistungen aufzuführen sind (Art. 34 Nr. 16 n.F.). Von erheblich größerer Bedeutung sind demgegenüber die mit der Richtlinie 2006/46/EG 382 verbundenen Änderungen: Entsprechend den parallelen Erweiterungen der 4. Richtlinie383 sind auch im Anhang der konsolidierten Bilanz Art und Zweck sowie finanzielle Auswirkungen der in dieser Bilanz nicht ausgewiesenen Geschäfte anzugeben, falls die aus diesen Geschäften entstehenden Risiken und Vorteile wesentlich sind und sofern ihre Offenlegung für die Beurteilung der Finanzlage des gesamten Konsolidierungskreises erforderlich ist (Art. 34 Nr. 7a). Ebenso sind diverse Angaben über nicht bloß als „gruppeninterne Transaktionen“ anzusehende Geschäfte der zum Konsolidierungskreis gehörenden Gesellschaften mit nahe stehenden Unternehmen und Personen zu machen, sofern diese Geschäfte wesentlich sind und unter marktunüblichen Bedingungen zustande gekommen sind; hierbei können ggf. Angaben über Einzelgeschäfte nach Geschäftsarten zusammengefasst werden (Art. 34 Nr. 7b). Im Falle der Zulassung von Wertpapieren eines Unternehmens zum Handel an einem geregelten Markt im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der sog. „MiFID“-Richtlinie 2004/39/EG 384 sind zudem im konsolidierten Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems der Gruppe im Zusammenhang mit der Aufstellung des konsolidierten Abschlusses anzugeben; wird ein einheitlicher Lagebericht im Sinne von Art. 36 Abs. 3 erstellt, sind die vorgenannten Angaben in den Abschnitt aufzunehmen, der
379
Vgl. insofern auch zur 4. Richtlinie oben 2.3.3.2.3.1.1.2. Oben Fn. 72, dort auch zur Änderung durch die „MiFID“-Richtlinie 2004/39/EG. 381 Oben Fn. 318. 382 Oben Fn. 319. Zu Einzelheiten und Hintergründen der Änderungen vgl. NIEMEIER, WPg 2006, 173 ff. sowie im Vorfeld auch HANDELSRECHTSAUSSCHUSS DES DAV, NZG 2005, 464 ff. 383 Siehe oben 2.3.3.2.3.1.1.2. 384 Oben Fn. 72. 380
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die nach dem neuen Art. 46a der 4. Richtlinie385 abzugebende „Erklärung zur Unternehmensführung“ enthält (Art. 36 Abs. 2 Buchst. f). Hinzu kommen gänzlich neue Regelungen hinsichtlich der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des zu einem Konsolidierungskreis gehörenden Mutterunternehmens: Für diese Personen haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass sie verpflichtet sind, den konsolidierten Jahresabschluss und den konsolidierten Lagebericht sowie die ggf. gesondert vorgelegte Erklärung zur Unternehmensführung entsprechend den Vorgaben der 7. Richtlinie sowie ggf. auch der IAS-Verordnung zu erstellen und offen zu legen (Art. 36a); außerdem stellen die Mitgliedstaaten die Anwendung der Haftungsbestimmungen ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf den vorgenannten Personenkreis sicher, zumindest was die Haftung gegenüber dem zur Aufstellung des konsolidierten Abschlusses verpflichteten Mutterunternehmens wegen der Verletzung der aus Art. 36a resultierenden Pflichten betrifft (Art. 36b). Abschließend wird bestimmt, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen die aufgrund der 7. Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften festlegen und alle zur ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen treffen; dabei müssen die vorgesehenen Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Art. 48)386. 2.3.3.2.3.1.3. Richtlinie 90/305/EWG („GmbH & Co.“-Richtlinie) Eine wegen ihrer besonderen Relevanz für die vorliegende Thematik387 gesondert darzustellende Änderung und Ergänzung sowohl der 4. als auch der 7. Richtlinie sieht darüber hinaus die sog. „GmbH & Co.“-Richtlinie 90/605/EWG 388 vor. Diese Richtlinie beruht ausweislich ihrer Präambel auf der Erwägung, es gebe in der Gemeinschaft „eine beträchtliche und weiter steigende Zahl von offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, von denen alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben“, wobei es sich dabei sogar um Drittstaatsgesellschafter handeln könne, deren Rechtsformen jenen der „Publizitäts“-Richtlinie389 vergleichbar seien; mit Sinn und Zweck der 4. und 7. Richtlinie stünde es nun in Widerspruch, wenn die dortigen Regelungen „auf solche offenen Handelsgesellschaften oder solche Kommanditgesellschaften nicht anwendbar wären“, so dass es seitens des Gemeinschaftsgesetzgebers für notwendig erachtet 385
Siehe oben 2.3.3.2.3.1.1.2. Vgl. dazu bereits oben 2.3.3.2.3.1.1.2. zur 4. Richtlinie sowie eingehend auch schon oben 2.3.2.2.1. 387 Siehe zur aktuellen EuGH- und EuG-Rechtsprechung unten 2.3.4.4. zur 4 sowie 2.3.4.5. 388 Oben Fn. 154. Aus dem Schrifttum vgl. dazu und zur (schließlich ab 2000 erfolgten) deutschen Umsetzung BIENER, WPg 1993, 707 (709 ff.); STUCKERT, StuB 1999, 816 ff.; SCHINDHELM/ HELLWEGE/STEIN, StuB 2000, 72 ff.; EISOLT/VERDENHALVEN, NZG 2000, 130 ff.; SCHEFFLER, DStR 2000, 529 ff.; KUSTERER/KIRNBERGER/FLEISCHMANN, DStR 2000, 606 ff.; ZIMMER/ ECKHOLD, NJW 2000, 1361 ff.; WIECHERS, StuB 2001, 1 ff. Speziell zu den vorgesehenen Sanktionsmechanismen siehe MARX/SCHARENBERG, StuB 1999, 1138 ff.; JANSEN, DStR 2000, 596 ff. 389 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1. 386
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wurde, „die Vorschriften über den Anwendungsbereich der beiden Richtlinien ausdrücklich zu ergänzen“. Vorrangig von dieser Ergänzung betroffen ist die praktisch sehr bedeutsame deutsche Konstruktion der GmbH & Co. KG, die offenbar wohl auch von Anfang an primäres Ziel der Änderung war390. 2.3.3.2.3.1.3.1. Vorgesehene Publizitätspflichten Kerninhalt der „GmbH & Co.“-Richtlinie ist somit die Ausdehnung der Bilanzierungsvorgaben der 4. und 7. Richtlinie auch auf Personenhandelsgesellschaften, bei denen ausschließlich Kapitalgesellschaften Vollhafter sind. Zu diesem Zweck wird insbesondere Art. 1 Abs. 1 der 4. Richtlinie um den Zusatz ergänzt, dass die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Offenlegungspflichten auch für bestimmte näher aufgelistete Personengesellschaften (für Deutschland: OHG und KG) gelten, sofern alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter entweder zum Kreis der bisher bereits unter Art. 1 Abs. 1 fallenden – in der Gemeinschaft ansässigen – Kapitalgesellschaft gehören oder in einem Drittstaat ansässig sind, aber eine den Rechtsformen der „Publizitäts“-Richtlinie vergleichbare Rechtsform besitzen; Gleiches gilt für den Fall, dass der Gesellschafter einer der vorgenannten Personengesellschaftsformen seinerseits wiederum eine solche Personengesellschaft ohne natürliche Person als Vollhafter ist (Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2, 3 n.F.). Weiterhin ist im Anhang zum Einzelabschluss einer Gesellschaft grds. anzugeben, an welchen Unternehmen diese als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt ist (Art. 43 Abs. 2 Nr. 2 n.F. der 4. Richtlinie). Der Mitgliedstaat des Sitzes der betroffenen Personengesellschaft kann dieser aber erlauben, den Einzelabschluss statt einer Veröffentlichung nach Art. 3 der „Publizitäts“-Richtlinie für jedermann am Gesellschaftssitz zur Einsicht bereit zu halten, wenn alle Vollhafter entweder Kapitalgesellschaften im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der 4. Richtlinie sind und keine von ihnen den Abschluss der betroffenen Gesellschaft mit ihrem eigenen veröffentlicht oder aber es sich um Drittstaatsgesellschaften mit einer Rechtsform handelt, die mit jener der „Publizitäts“-Richtlinie vergleichbar ist; für Verstöße gegen diese Pflicht haben die Mitgliedstaaten „geeignete Sanktionen“ vorzusehen (Art. 47 Abs. 1a). Ausnahmen für die Offenlegungspflichten der betroffenen Personengesellschaften gelten insbesondere dann, wenn die Mitgliedstaaten die gemeinsame Aufstellung, Prüfung und Offenlegung von deren Abschluss mit jenem ihrer dort als Vollhafter fungierenden Kapitalgesellschaften im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der 4. Richtlinie vorschreiben oder wenn die betroffene Gesellschaft in einen konsolidierten Abschluss nach der 7. Richtlinie einbezogen ist (Art. 57a). Ergänzend zu den vorstehenden Änderungen der 4. Richtlinie wird überdies die 7. Richtlinie dahin gehend geändert, dass die Pflicht zur Vollkonsolidierung nach 390
Siehe SCHWARZ (Fn. 117), 265 f. (Rn. 401 f.) sowie auch das Schreiben des Bundesjustizministeriums vom 22.3.1994 an die Wirtschafts- und Interessenverbände (III A 3 – 3507/8 II – 32 0480/94), GmbHR 1994, 306 f. Zur Anzahl der in Deutschland betroffenen Gesellschaften (ca. 100.000) vgl. etwa KIESEL/GRIMM , DStR 2004, 2210 m.w.N. Deutschland wurde allerdings – wie auch Luxemburg – bei der Verabschiedung der Richtlinie im EU-Ministerrat überstimmt; siehe HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 5.
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ihrem Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 auch dann eingreift, wenn entweder das Mutterunternehmen oder mindestens eines seiner Tochterunternehmen eine der in der obigen Neufassung des Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2, 3 der 4. Richtlinie genannten Rechtsformen besitzt (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 n.F.). Allerdings können die Mitgliedstaaten eine Befreiung von der Konsolidierungspflicht dann vorsehen, wenn das Mutterunternehmen selbst keine der vorbezeichneten Rechtsformen besitzt (Art. 4 Abs. 2). 2.3.3.2.3.1.3.2. Auslegung der Richtlinie durch den EuGH Die „GmbH & Co.“-Richtlinie war nun inzwischen bereits einige Male Gegenstand von Entscheidungen des EuGH sowie auch des EuG. Das erste Urteil des Gerichtshofs erging im April 1999 in einem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland und stellte fest, dass die Richtlinie – trotz der aus ihrem Art. 3 Abs. 1 folgenden Verpflichtung zur Umsetzung bis zum 1.1.1993 – von deutscher Seite immer noch nicht vollständig umgesetzt worden war391. Der EuGH-Beschluss vom September 2004 in Sachen „Axel Springer AG“ befasste sich demgegenüber eingehend mit der Frage der Vereinbarkeit der Richtlinie mit dem Primärrecht und wird an späterer Stelle innerhalb dieses Beitrags noch näher dargestellt392; Gleiches gilt für das Urteil des Gerichts Erster Instanz im Fall „Danzer“393. 2.3.3.2.3.2. Sonderfall IFRS-Verordnung Einen besonderen Einschnitt in der Entwicklung der Harmonisierung des Bilanzrechts hat die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 „betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards“394 mit sich gebracht: Diese sog. „IAS-VO“ (bzw. heute: „IFRS-VO“395) ist das Resultat einer von der Kommission Mitte der 90er Jahre eingeleiteten Strategie, insbesondere für kapitalmarktorientierte Unternehmen eine stärkere Übereinstimmung des europäischen Bilanzrechts mit international gehandhabten Rechnungslegungsstandards herbeizuführen396. Ziel der Verordnung ist es nach dem 4. Erwägungsgrund ihrer Präambel, „einen Beitrag zur effizienten und kostengünstigen Funktionsweise des Kapitalmarkts zu leisten, wobei einerseits „der Schutz der Anleger und der Erhalt des Vertrauens in die Finanzmärkte“ im Vordergrund stehen, andererseits aber auch der Umstand, „dass die Unternehmen in der Gemeinschaft in die Lage versetzt werden, auf den 391
EuGH, Rs. C-272/97, Kommission/Deutschland, Slg. 1999, I-2175 ff. Vgl. unten 2.3.4.4. 393 Vgl. unten 2.3.4.5. 394 Siehe oben Fn. 155. Vgl. allgemein dazu etwa PRINZ, DStR 2003, 1359 ff.; SCHOLTISSEK, DStZ 2003, 869 ff. Beachtenswert ist, dass die IAS-VO gemäß Beschluss des Gemeinsamen EWRAusschusses Nr. 37/2003 vom 14.3.2003 zur Änderung des Anhangs XXII (Gesellschaftsrecht) des EWR-Abkommens auch für die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen gilt; vgl. dazu BURGER/FRÖHLICH/ULBRICH, KoR 2006, 113 in Fn. 7. 395 Zur Ersetzung der „International Accounting Standards“ (IAS) durch „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) ab 2003 siehe DETTMEIER/PÖSCHKE, JuS 2007, 313. 396 Vgl. bereits die Mitteilung KOM(1995) 508 endg. der Kommission vom 14.11.1995. Siehe anschließend auch die Mitteilung KOM(1999) 232 endg. vom 11.5.1999 zum Aktionsplan für die Umsetzung des Finanzmarktrahmens sowie die Mitteilung KOM(2000) 359 endg. vom 13.6.2000 zum künftigen Vorgehen. 392
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gemeinschaftlichen Kapitalmärkten und auf den Weltkapitalmärkten unter gleichen Wettbewerbsbedingungen um Finanzmittel zu konkurrieren“; ausweislich des 5. Erwägungsgrundes wird es dabei auch für die Wettbewerbsfähigkeit auf den gemeinschaftlichen Kapitalmärkten für besonders bedeutsam gehalten, „dass eine Konvergenz der in Europa auf die Aufstellung von Abschlüssen angewendeten Normen mit internationalen Rechnungslegungsstandards erreicht wird, die weltweit für grenzüberschreitende Geschäfte oder für die Zulassung an allen Börsen der Welt genutzt werden können“397. 2.3.3.2.3.2.1. Vorgesehene Publizitätspflichten Vor diesem Hintergrund enthält die IAS-VO keine Bestimmungen zu den Publizitätsmitteln, sondern konzentriert sich auf punktuelle – allerdings durchaus weit reichende – Eingriffe in die Bereiche der von der 7. sowie ggf. auch der 4. Richtlinie geregelten Publizitätsgegenstände. Sie regelt nach ihrem Art. 1 die Übernahme und Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards in der Gemeinschaft mit dem ausdrücklichen Ziel, eine Harmonisierung der von den in Art. 4 genannten Gesellschaften vorgelegten Finanzinformationen zu erreichen, um durch erhöhte Transparenz und Vergleichbarkeit der Abschlüsse im Ergebnis eine effiziente Funktionsweise des Kapitalmarkts innerhalb der Gemeinschaft und im Binnenmarkt zu gewährleisten. In persönlicher Hinsicht sind damit primär solche Gesellschaften angesprochen, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und deren Wertpapiere in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt im Sinne von Art. 1 Abs. 13 der Richtlinie 93/22/EWG398 zugelassen sind: Diese Gesellschaften werden im Grundsatz verpflichtet, erstmals für ihre am oder nach dem 1.1.2005 beginnenden Geschäftsjahre einen konsolidierten Abschluss gemäß den für die Anwendung innerhalb der Gemeinschaft übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards aufzustellen (Art. 4). Allerdings können die Mitgliedstaaten für jene Gesellschaften, bei denen entweder lediglich Schuldtitel zum Handel in einem geregelten mitgliedstaatlichen Markt im vorgenannten Sinne zugelassen oder deren Wertpapiere zum öffentlichen Handel in einem Nichtmitgliedstaat zugelassen sind und die bereits vor der Veröffentlichung der IAS-VO im EU-Amtsblatt (11.9.2002) international anerkannte Standards anwenden, eine verzögerte Geltung der aus Art. 4 resultierenden Verpflichtung erstmals für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2007 vorzusehen (Art. 9). So weit diese Verpflichtung der betroffenen kapitalmarktorientierten Gesellschaften aus der IAS-VO reicht, findet die 7. Richtlinie auf den Konzernabschluss keine Anwendung mehr399. 397
Siehe zur Annäherung der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze speziell mit Relevanz für das Kapitalmarktrecht jüngst auch die Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Kommission vom 21.12.2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71EG und 2004/109/EG, ABl. L 340/66. Dazu auch BIEBEL, Status:Recht 2008, 154 f. 398 Oben Fn. 72. 399 Siehe HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 57.
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Darüber hinaus wird den Mitgliedstaaten durch Art. 5 ein „mehrdimensionales“ Wahlrecht eröffnet400: Sie können entweder gestatten oder aber verpflichtend vorschreiben, dass zum einen die kapitalmarktorientierten Gesellschaften im Sinne des Art. 4 ebenso ihre Einzelabschlüsse (Buchst. a) sowie zum anderen auch nicht unter Art. 4 fallende Gesellschaften ihre konsolidierten Abschlüsse und/oder ihre Einzeljahresabschlüsse nach den für die Anwendung innerhalb der Gemeinschaft übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards aufstellen (Buchst. b). Je nach Umfang der Wahlrechtsausübung durch die einzelnen Mitgliedstaaten wird damit nicht allein der Verdrängungseffekt gegenüber der 7. Richtlinie erweitert, sondern dieser Effekt wird überdies auch noch auf das Verhältnis der IAS-VO zur 4. Richtlinie ausgedehnt401. Ungleich schwieriger ist demgegenüber die genaue Bestimmung der sachlichen Reichweite der aus der IAS-VO resultierenden Offenlegungspflichten. Dies indiziert bereits die in Art. 2 vorgesehene Begriffsbestimmung: Zu den von der Verordnung erfassten internationalen Rechnungslegungsstandards gehören danach „die `International Accounting Standards´ (IAS), die `International Financial Reporting Standards´ (IFRS) und damit verbundene Auslegungen (SIC/IFRIC-Interpretationen), spätere Auslegungen dieser Standards und damit verbundene Auslegungen sowie künftige Standards und damit verbundene Auslegungen, die vom International Accounting Standards Board (IASB) herausgegeben oder angenommen werden“402. Bereits hieraus lässt sich abmessen, dass es sich bei der Entwicklung der aus den internationalen Rechnungslegungsstandards resultierenden Informationspflichten ganz allgemein um einen dynamischen Prozess handelt403. Dieser erfuhr im vorliegenden Kontext zunächst auch noch eine besondere Ausprägung dadurch, dass über die Anwendbarkeit dieser Standards innerhalb der Europäischen Gemeinschaft jeweils allein die Kommission nach einem besonderen Ausschussverfahren
400
Vgl. speziell dazu KLEINDIEK (Fn. 330), 9 ff. Siehe zum Wahlrecht und seiner Ausübung in Deutschland auch SCHULZE-OSTERLOH, ZIP 2003, 93 ff.; DERS., BB 2004, 2567 ff.; HABERSACK (Fn. 29), § 8 Rn. 60. Zur jüngsten Diskussion in Deutschland bzgl. einer inhaltlichen Erneuerung des Bilanzrechts in objektiver Hinsicht – statt einer subjektiven Erweiterung des Anwendungsbereichts der IFRS – durch ein „Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz“ (BilMoG) anhand des RefE vom 8.11.2007 siehe ERNST/SEIDLER, BB 2007, 2557 ff.; FÜLBIER/GASSEN, DB 2007, 2605 ff.; LÜDENBACH/HOFFMANN, Beihefter zu DStR 50/2007; HERZIG, DB 2008, 1 ff.; SCHULZE-OSTERLOH, DStR 2008, 63 ff.; ARBEITSKREIS BILANZRECHT DER HOCHSCHULLEHRER RECHTSWISSENSCHAFT, BB 2008, 152 ff.; KERSTING, BB 2008, 790 ff. 402 Allgemein näher zu den Rechnungslegungsnormen des IASB – Vorwort („preface“), Rahmenkonzept („framework“), Rechnungslegungsstandards („IAS/IFRS“), Rechnungslegungsinterpretationen („SIC/IFRIC“) und Anwendungshilfen („implementation guidances/illustrative examples“) siehe ZÜLCH, PiR 2005, 1 ff. Zu aktuellen Entwicklungen der IFRS auf Ebene des IASB etwa KIRSCH, DStZ 2006, 554 ff. 403 Vgl. zu besonderen Problemen bzgl. der (Un-) Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen im Rahmen von langfristigen (jahresübergreifenden) Unternehmensanalyse bei erstmaliger Umstellung auf IFRS-Rechnungslegung sowie späteren Änderungen von IFRS jüngst BAETGE/ MARESCH/SCHULZ, DB 2008, 417 ff. 401
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(Art. 6 Abs. 2) zu entscheiden hatte (Art. 3 Abs. 1)404. Dabei kann die Übernahme von internationalen Rechnungslegungsstandards nur erfolgen, wenn diese dem in Art. 2 Abs. 3 der 4. Richtlinie405 sowie Art. 16 Abs. 3 der 7. Richtlinie406 niedergelegten Prinzip des „true and fair view“ nicht zuwiderlaufen, dem europäischen öffentlichen Interesse entsprechen sowie den Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit genügen, denen Finanzinformationen entsprechen müssen, um wirtschaftliche Entscheidungen und die Bewertung der Leistung einer Unternehmensleitung zu ermöglichen (Art. 3 Abs. 2)407. Zu ergänzen ist allerdings, dass zuletzt eine Änderung des Endorsement-Verfahrens vorgenommen wurde durch Einführung eines sog. „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“, welches eine stärkere Beteiligung der übrigen EU-Gesetzgebungsorgane – insbesondere des Europäischen Parlaments – eingeführt hat; danach kann ein Kommissionsvorschlag u.a. dann abgelehnt werden, wenn er gegen die Primärrechtsgrundsätze der Subsidiarität oder Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 2, 3 EG) verstößt408. 2.3.3.2.3.2.2. Fortschritte im Endorsement-Prozess Vor dem Hintergrund der vorstehenden „endorsement“-Verpflichtung wurden zunächst mit Verordnung (EG) Nr. 1725/2003409 nach entsprechender Prüfung die am 14.9.2002 vorhandenen internationalen Rechnungslegungsstandards weitestgehend übernommen; ausgeklammert wurden ausweislich den Ausführungen in der Präambel der Verordnung lediglich die IAS 32 und IAS 39 zu Angaben und Darstellung bzw. Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten sowie einige dazu ergangene Interpretationen. Die übernommenen IAS enthalten in erster Linie zahlreiche Einzelbestimmungen zu Angaben im konsolidierten Jahresabschluss und der zugehörigen Gewinn- und Verlustrechnung. So sieht beispielsweise IAS 14 eine sog. 404
Siehe zu diesem sog. „Komitologie“-Verfahren (bzw. auch „endorsement“) BUCHHEIMER/GRÖNER/KÜHNE , BB 2004, 1783 ff.; THEILE, IWB 12/2005 Fach 10 Gruppe 7, S. 25 (31); BIEG/ HOSSFELD/KUSSMAUL/WASCHBUSCH, StB 2006, 63 ff. Vgl. speziell zu der aus der Übernahme von IAS und IFRS in das Gemeinschaftsrecht folgenden EuGH-Jurisdiktion SCHÖN, BB 2004, 763 ff.; DETTMEIER/P ÖSCHKE, JuS 2007, 313 (314); HAUCK/PRINZ, BB 2007, 2434 ff. m.w.N. 405 Siehe oben 2.3.3.2.3.1.1.1. 406 Siehe oben 2.3.3.2.3.1.2.1. 407 Vgl. zur Bedeutung der „Generalnorm“ des Art. 3 Abs. 2 IAS-VO insbesondere SCHÖN, BB 2004, 763 (767). Siehe zur Auslegung einzelner IFRS auch HAUCK/PRINZ, Der Konzern 2005, 635 ff. 408 Siehe Beschluss des Rates 2006/512/EG vom 17.6.2006 zur Änderung des Beschlusses 1999/ 468/EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. L 200/11. Eingehend zu den aktuellen Entwicklungen der Einzelheiten dieses Verfahrens IMWINKL, EWS 2007, 64 ff.; DIES., WPg 2007, 289 ff.; OVERSBERG, DB 2007, 1597 ff.; BUCHHEIM/KNORR/SCHMIDT, KoR 2008, 334 ff. Vgl. außerdem jüngst Verordnung (EG) Nr. 297/2008 vom 11.3.2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse; dazu auch TONNE, Status:Recht 2007, 121 sowie näher LANFERMANN/RÖHRICHT, BB 2008, 826 ff. 409 Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 vom 29.9.2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002, ABl. L 261/1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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„Segmentberichterstattung“ vor mit umfangreichen Detailangaben zu Geschäftssegmenten sowie zu geographischen Segmenten410. Beachtenswert ist zudem auch IAS 34, welcher sich eingehend mit der Erstellung von unterjährigen Zwischenberichten befasst, zu deren Erstattung ein Unternehmen nach anderen Vorschriften rechtlich verpflichtet ist oder die es ggf. auch freiwillig erstellt411. Im Anschluss hieran wurden nunmehr bereits eine ganze Reihe weiterer (zwischenzeitlich vom IASB geänderter) internationaler Rechnungslegungsstandards von der Kommission in das Gemeinschaftsrecht übernommen412, wobei an dieser Stelle nur auf die einzelnen Verordnungen verwiesen werden kann 413. Besonders 410
Zur Praxis der Segmentberichterstattung nach IAS 14 am deutschen Kapitalmarkt siehe LANGGUTH/BRUNSCHÖN, DB 2006, 625 ff. 411 Siehe dazu allgemein z.B. ALVAREZ/WOTSCHOFSKY, StuB 2000, 653 ff. sowie D´ARCY/ MEYER, Der Konzern 2005, 151 (156 f.) im speziellen Kontext der Zwischenberichtspflicht nach der „Transparenz“-Richtlinie; dazu auch unten 2.3.3.2.4.2. 412 Vgl. speziell zum Status von nicht bzw. noch nicht freigegebenen IFRS innerhalb der EU PELLENS/JÖDICKE/JÖDICKE , BB 2007, 2503 ff. Siehe außerdem zum Rechtsschutz betroffener Unternehmen gegen fehlerhaft übernommene IFRS PÖSCHKE, KoR 2008, 325 ff. 413 Verordnung (EG) Nr. 707/2004 vom 6.4.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/ 2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002, ABl. L 111/3; Verordnung (EG) Nr. 2086/2004 vom 19.11.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/ 2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 und im Hinblick auf die Einführung von IFRS 39, ABl. L 363/1; Verordnung (EG) Nr. 2236/2004 vom 29.12.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 betreffend „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) Nr. 1, 3 bis 5, „International Accounting Standards“ (IAS) Nr. 1, 10, 12, 14, 16 bis 19, 22, 27, 28, 31 bis 41 und die Interpretationen des „Standard Interpretation Committee“ (SIC) Nr. 9, 22, 28 und 32, ABl. L 392/1; Verordnung (EG) Nr. 2237/2004 vom 29.12.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IAS 32 sowie IFRIC 1, ABl. L 393/1; Verordnung (EG) Nr. 2238/2004 vom 29.12.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 betreffend IFRS 1 und IAS Nrn. 1 bis 10, 12 bis 17, 19 bis 24, 27 bis 38, 40 und 41 und SIC Nrn. 1 bis 7, 11 bis 14, 18 bis 27 und 30 bis 33, ABl. L 394/1; Verordnung (EG) Nr. 211/2005 vom 4.2.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf den „International Financial Reporting Standard“ (IFRS) Nr. 1 und 2 und die „International Accounting Standards“ (IAS) Nr. 12, 16, 19, 32, 33, 38 und 39, ABl. L 41/1; Verordnung (EG) Nr. 1073/2005 vom 7.7.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IFRIC 2, ABl. L 175/3; Verordnung (EG) Nr. 1751/2005 vom 25.10.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf den IFRS 1, IAS 39 und SIC 12, ABl. L 282/3; Verordnung (EG) Nr. 1864/2005 vom 15.11.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/ 2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in
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zu erwähnen ist die jüngst erfolgte Ersetzung der vorstehend genannten Segmentberichterstattung nach IAS 14 durch IFRS 8414, die im Schrifttum als besonderer Paradigmenwechsel eingestuft wird415. Zu beobachten sind derzeit überdies auch weitere Entwicklungen auf der Ebene des IASB, bei denen sich möglicherweise in Zukunft die Frage stellen könnte, ob auch insofern ein „endorsement“ erforderlich bzw. vor dem Hintergrund der Kapitalmarktorientierung der IAS-VO überhaupt sinnvoll ist; Letzteres betrifft insbesondere den am 15.2.2007 vorgelegten Entwurf des IASB von „International Financial Reporting Standards für kleine und mittelgroße Unternehmen“ (IFRS for SMEs), also gerade für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen416, der allerdings weitgehend kritisch bewertet wird417. 414
legungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf die Einfügung von „International Financial Reporting Standard“ (IFRS) 1 und der „International Accounting Standards“ (IAS) 32 und 39, ABl. L 299/45; Verordnung (EG) Nr. 1910/2005 vom 15.11.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IFRS 1 und 6, IAS 1, 16, 19, 24, 38 und 39, IFRIC 4 und IFRIC 5, ABl. L 305/4; Verordnung (EG) Nr. 2106/2005 vom 15.11.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf den „International Accounting Standard“ (IAS) 39, ABl. L 337/16; Verordnung (EG) Nr. 108/2006 vom 11.1.2006 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IFRS 1, 4, 6 und 7, IAS 1, 14, 17, 32, 33 und 39 sowie IFRIC 6, ABl. L 24/1; Verordnung (EG) Nr. 708/2006 vom 8.5.2006 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IAS 21 und IFRIC 7, ABl. L 122/19; Verordnung (EG) Nr. 1329/2006 vom 8.9.2006 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 im Hinblick auf IFRIC 8 und 9, ABl. L 247/3; Verordnung (EG) Nr. 611/2007 vom 1.6.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IFRIC 11, ABl. L 141/49. 414 Siehe zunächst Verordnung (EG) Nr. 1347/2007 vom 16.11.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IFRS 8, ABl. L 300/32 mit Annullierung ABl. L 301/28; anschließend umfassende Neuveröffentlichung durch Verordnung (EG) Nr. 1358/2007 vom 21.11.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 im Hinblick auf IFRS 8, ABl. L 304/9. 415 FINK/ULBRICH, DB 2007, 981 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang zur Segmentberichterstattung nach IFRS 8 (sowie zur Qualität der deutschen Publizitätspraxis in diesem Bereich) auch BEER/ DEFFNER/FINK, KoR 2007, 218 ff.; THEILE, IWB 22/2007 Fach 10 Gruppe 7, 1201 ff. 416 Vgl. dazu BEIERSDORF/DAVIS, BB 2006, 987 ff.; BEIERSDORF/SCHREIBER, DStR 2006, 480 ff.; HOFFMANN/LÜDENBACH, DStR 2006, 1907 ff.; HALLER/BEIERSDORF/EIERLE, BB 2007, 540 ff.; LÜDENBACH/HOFFMANN, DStR 2007, 544 ff. Siehe speziell zur Diskussion der Vorund Nachteile von IAS/IFRS für den Mittelstand MANDLER, StuB 2003, 582 ff., 680 ff. 417 Siehe zuletzt noch NIEHUIS, DB 2008, 881 ff. m.w.N.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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2.3.3.2.4. Kapitalmarktrecht Das Kapitalmarktrecht ist eine ganz besonders dicht harmonisierte Materie und entwickelt sich derzeit mit einer „rasanten Geschwindigkeit“418. Zwar bestehen in den einschlägigen Regelungsbereichen enge sachliche Verbindungen vor allem zum Gesellschaftsrecht, doch wird das Kapitalmarktrecht heute regelmäßig als ein besonderer, sich zunehmend verselbstständigender Bereich angesehen419. Speziell im Hinblick auf die hier darzustellenden Publizitätspflichten hat auch Winter, der Vorsitzende der High Level Group of Company Law Experts, den Umstand hervorgehoben, dass zwar einerseits sowohl für das Gesellschafts- wie auch das Kapitalmarktrecht Veröffentlichungs- und Transparenzanforderungen zu den Schlüsselelementen des regulatorischen Rahmens gehören, dass sich jedoch die Zweckrichtung dieser Anforderungen in den beiden Rechtsbereichen unterscheidet420. Gerade im Hinblick auf das Kapitalmarktrecht wird im Schrifttum zugleich aber darauf hingewiesen, dass eine systematisierende Darstellung der relevanten Offenlegungspflichten dadurch erschwert wird, dass sich die betreffenden Regelungen über zahlreiche Richtlinien verteilen, die wiederum auf unterschiedliche Weise und auf unterschiedlichen Ebenen ineinander greifen421. Zumindest als grobe Orientierungsvorgabe mag daher die Erkenntnis hilfreich sein, dass sich innerhalb des Kapitalmarktrechts eine Differenzierung vornehmen lässt zwischen fünf unterschiedlichen konzentrischen Marktkreisen mit jeweils intensiveren Offenlegungspflichten vom regelungsfreien über den sonstigen öffentlichen und den geregelten sowie den zulassungsgebundenen Markt bis zur amtlichen Börsennotierung422. Speziell im Bereich der Informationsverschaffung lassen sich auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene im Wesentlichen drei hier relevante Publizitätsinstrumente unterscheiden423: (1) Der Prospekt bzgl. (a) Emission bzw. (b) Börsenzulassung, (2) die sog. regelmäßige Information durch Jahres- und Halbjahresfinanzberichte und quartalsmäßige Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung sowie schließlich (3) die situationsgebundene Information (a) durch sog. „ad hoc“-Mitteilungen bei 418
VEIL, ZBB 2006, 162. Vgl. GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 118; BUCK-HEEB, Kapitalmarktrecht, Rn. 3. Siehe außerdem bereits oben 2.3.3.1.4., dort auch zu den definitorischen Schwierigkeiten zur Fixierung der Inhalte des Kapitalmarktrechts. 420 Siehe WINTER, L.I.E.I. 2/2004, 97 (104 ff.) zum „Financial Services Action Plan (FSAP)“ vom 11.5.1999, KOM(1999) 232 endg., ZBB 1999, 254 ff.: „Capital market law and company law are closely linked. For both areas of law, disclosure and transparency requirements are key elements of the regulatory toolkit. But the rationale for disclosure and transparency requirements in each area of law is different. (…)”. Vgl. ebenso ausdrücklich den Bericht der Expertengruppe über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa (Fn. 145), 34 f. 421 Dazu MERKT (Fn. 2), 140. 422 Siehe oben 2.3.3.1.4. sowie etwa GRUNDMANN, ZSR 1996, 103 (113) und MERKT (Fn. 2), 141 mit Hinweis auf WEBER, in: DAUSES, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Kap. F.III Rn. 15 ff. 423 Diese Übersicht orientiert sich grob an jener von HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (752 f.), die jedoch noch aus der Zeit sowohl vor Schaffung der konsolidierenden KapitalmarktpublizitätsRichtlinie 2001/34/EG (Fn. 94) als auch vor deren Änderungen durch die MarktmissbrauchsRichtlinie 2003/6/EG (Fn. 112), die Prospekt-Richtlinie 2003/71/EG (Fn. 96) und die Transparenz-Richtlinie 2004/109/EG (Fn. 105) stammt. 419
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kursrelevanten Ereignissen sowie (b) durch Mitteilungen über Veränderungen bei bedeutenden Beteiligungen424. Dabei weist das Kapitalmarktrecht zahlreiche Verbindungslinien und Überschneidungen mit dem Bilanzrecht auf, und in vielen Bereichen erfolgt sogar ein ausdrücklicher Rückgriff auf dessen Grundlagen. Vor diesem Hintergrund wird im Schrifttum zum Teil die Auffassung vertreten, die kapitalmarktrechtliche Publizität sei lediglich akzessorisch zur handels- und gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung425. Richtigerweise wird man aber zu differenzieren haben426: (1) Emissions- sowie auch Börsenzulassungsprospekt bauen zwar auf dem Einzel- bzw. Konzernjahresabschluss auf, doch wird dann ein kapitalmarktspezifisches „Informationstableau“ entwickelt, in dem die Rechnungslegung nur als eines von mehreren Informationselementen fungiert; (2) im Bereich der regelmäßigen Information lässt sich grob vereinfachend sagen, dass sowohl für den Jahres- wie auch den Halbjahresbericht keine kapitalmarktspezifische Zusatzinformation vorgeschrieben ist und die handelsrechtliche Rechnungslegung zum Jahresende bzw. Halbjahr unverändert übernommen wird, während die innerhalb der beiden Halbjahre vorzunehmende Zwischenberichtserstattung (Zwischenmitteilung der Geschäftsführung bzw. Quartalsfinanzbericht) sich von der eigentlichen Rechnungslegung löst; (3) im Bereich der situationsgebundenen Information schließlich hat sich insbesondere die „ad hoc“-Publizität in jüngster Zeit stärker von einer Art vorweggenommener Bilanzpublizität wegentwickelt in Richtung eines rein kapitalmarktbezogenen Instruments427. Adressaten der vorstehenden „Bausteine“ eines kapitalmarktrechtlichen Informationssystems sind insbesondere die Gesellschafter428 von Aktiengesellschaften, und zwar neben den aktuellen Aktionären auch die potentiellen Anleger: Das investitionsbereite Publikum soll in den Zustand versetzt werden, mit möglichst weitgehend reduziertem Transaktionskostenaufwand eigenverantwortliche Entscheidungen über den Kauf (und Verkauf) von Aktien treffen zu können; darüber hinaus
424
Letztgenannte Pflicht lässt sich in konzeptioneller Sicht als explizit ausformulierter Fall der „ad hoc“-Publizität begreifen; siehe GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 710. Sie betrifft die – eher irreführend bezeichnete, weil nur durch konkrete Einzeltransaktionen ausgelöste – sog. „laufende Information“ über den Erwerb bzw. die Veräußerung bedeutender Beteiligungen (ursprünglich geregelt in der Beteiligungstransparenz-Richtlinie 88/627/EWG, dann in Art. 85 ff. der konsolidierten Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie 2001/34/EG und jetzt in Art. 9 ff. der TransparenzRichtlinie 2004/109/EG): Die sich hierdurch ergebenden Mitteilungspflichten treffen zunächst den Aktionär im Verhältnis zur Gesellschaft, aber diese muss die Öffentlichkeit informieren; siehe ELSTER (Fn. 161), 12 ff. Die entsprechenden Regelungen zielen auf „Transparenz der Aktionärsstruktur“; vgl. nur KÜMPEL (Fn. 163), 23 f. (zum WpHG). 425 Vgl. MERKT (Fn. 2), 129. Ganz ähnlich auch GRUNDMANN, ZSR 1996, 103 (123): „So werden Doppelungen vermieden“. 426 Siehe dazu insbesondere HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (755 ff.). 427 Vgl. zu dem stärker am Insiderrecht orientierten Schritt von Art. 68 Abs. 1 der konsolidierten Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie 2001/34/EG (Fn. 94) zu Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Nr. 1 der Marktmissbrauchs-Richtlinie 2003/6/EG (Fn. 112) M ÖLLERS, ZBB 2003, 390 (391 f.). 428 Als weitere Investoren sind auch die Inhaber von Schuldtiteln (Schuldverschreibungen) erfasst; vgl. nur Art. 52 ff., 78 ff. der konsolidierten Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie 2001/34/EG (Fn. 94) bzw. jetzt in Art. 18 der Transparenz-Richtlinie 2004/109/EG (Fn. 105).
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soll der Geschäftsverkehr auf dem Kapitalmarkt ganz allgemein erleichtert werden, um eine effiziente Kapitalallokation zu ermöglichen und Investitionsmittel zu jenen Gesellschaften fließen zu lassen, bei denen der Anleger die höchste Rendite erwarten darf429. Bei der Markteffizienz handelt es sich insofern also um ein eigenständiges Regelungsziel430, und die zu dessen Verwirklichung notwendige Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes liegt im öffentlichen Interesse431. Die kapitalmarktrechtlichen Richtlinien verfolgen demgemäß auch durchgehend ein doppeltes Regelungsziel, nämlich den Schutz der Anleger sowie den Schutz der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte insgesamt432. Insofern ist es nur konsequent, dass diese Schutzziele sich nicht allein in den Richtlinien mit Bezug zum Primärmarkt, sondern überdies auch in jenen zum Sekundärmarkt widerspiegeln433. 2.3.3.2.4.1. Markteintritt („Prospekt“-Richtlinie) Wie bereits erwähnt434, hat die bis zum 1.7.2005 umzusetzende sog. „Prospekt“Richtlinie 2003/71/EG 435 vom 4.11.2003 die zuvor in der „Emissionsprospekt“Richtlinie 89/298/EWG436 sowie in der „Börsenzulassungsprospekt“-Richtlinie 80/ 390/EWG 437 bzw. sodann der (konsolidierten) „Kapitalmarktspublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG 438 enthaltenen Bestimmungen für die im Rahmen des öffentlichen Emissionsangebots sowie für die Börsenzulassung herauszugebende Prospekte vereinheitlicht und zugleich – gemäß dem 12. Erwägungsgrund der Präambel für „Zwecke des Anlegerschutzes“ – den Wirkungskreis der Richtlinienvorgaben über die reine amtliche Börsenzulassung hinaus auch auf alle öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat zugelassenen Wertpapiere ausgedehnt (Art. 1 Abs. 1). Die neue Richtlinie zählt neben der 429
Auch dazu HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (753 f.). Siehe MÜLBERT, WM 2001, 2085 (2094). 431 KÜMPEL (Fn. 163), 14. 432 Vgl. nur HOPT, in: GRUNDMANN (Fn. 158), 307 (317 f.); ELSTER (Fn. 161), 9; BUCK-HEEB (Fn. 419), Rn. 7 ff. 433 Siehe zur Stärkung der Informationspflichten der „Intermediäre“ im Finanzdienstleistungsbereich bereits allgemein oben 2.3.2.1.2.4. sowie speziell zu Transparenz- und Informationspflichten im Kontext der die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 93/22/EG ersetzenden „MiFID“-Richtlinie 2004/39/EG (Fn. 72) BALZER, ZBB 2003, 177 (180, 186 f.). Allgemein zur Publizität im Primär- und Sekundärmarkt auch VEIL, ZBB 2006, 164 (164 ff.). 434 Siehe oben 2.3.2.2.2.1. 435 Oben Fn. 96. Allgemein zu dieser Richtlinie CRÜWELL, AG 2003, 243 ff.; KUNOLD/SCHLITT, BB 2004, 501 ff.; SANDBERGER, EWS 2004, 297 ff.; WEBER, NZG 2004, 360 ff. Siehe speziell zur Umsetzung in Deutschland z.B. HOLZBORN/ISRAEL, ZIP 2005, 1668 ff.; MÜLLER/OULDS, WM 2007, 573 ff. 436 Oben Fn. 93. Wie WEITBRECHT/WILKEN, EWS 1994, 418 (419 f.) im Anschluss an ASSMANN, AG 1993, 549 (554 f.) aufzeigen, wurden durch die Richtlinie 89/298/EWG die Publizitätsanforderungen von der Börsenzulassung hin zur Wertpapieremission vorverlagert: „Historisch basiert so die Emissionspublizität auf der Börsenzulassungspublizität, die wiederum ihren Ursprung in der Rechnungslegungspublizität findet“. Eingehend speziell zur Emissionspublizität zudem WIENECKE, NZG 2005, 109 ff. 437 Oben Fn. 92. 438 Oben Fn. 94. 430
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„Marktmissbrauchs“-Richtlinie 2003/6/EG439 zu den ersten sekundärrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen, welche die Ergebnisse des sog. Lamfalussy-Berichts vom Februar 2001 zur Beschleunigung der Rechtssetzung im Bereich der Wertpapiermärkte440 umsetzen. Die „Prospekt“-Richtlinie ist daher als Rahmenrichtlinie konzipiert, die noch einer punktuellen Ausfüllung und Ergänzung durch weitere Durchführungsmaßnahmen in Form von Kommissionsverordnungen bedarf. Neben dieser abgestuften Regelungstechnik zeichnet sich die „Prospekt“-Richtlinie des Weiteren dadurch aus, dass sie zahlreiche Ausnahmen bereits von ihrem abstrakten Anwendungsbereich sowie auch von den konkret angeordneten Prospektpflichten vorsieht441. 2.3.3.2.4.1.1. Vorgesehene Publizitätspflichten Wie schon ihrem Art. 1 Abs. 1 zu entnehmen ist, geht die „Prospekt“-Richtlinie im Grundansatz von einheitlichen formalen Vorgaben aus sowohl für öffentliche Angebote von Wertpapieren im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der WertpapierdienstleistungsRichtlinie 93/22/EWG442 (vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) als auch für die sich ggf. anschließende Zulassung dieser Wertpapiere an einem geregelten Markt innerhalb der Gemeinschaft. Den Mitgliedstaaten wird insofern die grundsätzliche Verpflichtung auferlegt, bereits das öffentliche Angebot – also eine „Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden“ (Art. 2 Abs. 1 Buchst. d) – nicht zu gestatten, falls nicht zuvor die Veröffentlichung eines Prospektes nach den Vorgaben der Art. 5 ff. erfolgt ist (Art. 3 Abs. 1). Ebenso haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass jede Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt in ihrem Hoheitsgebiet an die Veröffentlichung eines Prospektes gebunden ist (Art. 3 Abs. 3). Die Regelungen in Art. 3 Abs. 1, 3 werden daher auch gemeinsam als die „Grundnorm“ für die aus der Richtlinie resultierende Prospektpflicht bezeichnet443. Eine ganze Reihe von Wertpapieren sind allerdings nach Art. 1 Abs. 2 von vornherein generell vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Dies betrifft u.a. Nichtdividendenwerte, die von einem Mitgliedstaat oder seinen Gebietskörperschaften, von internationalen Organismen öffentlich-rechtlicher Art, von der Europäischen Zentralbank oder einer mitgliedstaatlichen Zentralbank herausgegeben werden (Buchst. b), Wertpapiere, die von Vereinigungen oder anerkannten Einrich439
Oben Fn. 112. Näher zu dieser Richtlinie unten 2.3.3.2.4.3.1. Vgl. „Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte“ vom 15.2.2001; http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/lamfalussy/ wisemen/final-report-wise-men_de.pdf. Näher dazu etwa VON KOPP-COLOMB/LENZ, AG 2002, 24 (25 f.) sowie zur aktuellen Entwicklung BECKER, GmbHR 2007, R 74. 441 Siehe die Übersichten bei CRÜWELL, AG 2003, 243 (245 f.); WEBER, NZG 2004, 360 (362 f.); KUNOLD/SCHLITT, BB 2004, 501 (503 ff.) Vgl. zur Umsetzung und zu praktischen Erfahrungen in Deutschland auch MÜLLER/OULDS, WM 2007, 573 f. 442 Oben Fn. 72. 443 Vgl. FÜRHOFF/RITZ, WM 2001, 2280 (2283); CRÜWELL, AG 2003, 243 (245). 440
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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tungen ohne Erwerbscharakter zum Zweck der Mittelbeschaffung für ihre nichterwerbsorientierten Ziele ausgegeben werden (Buchst. e) oder die zu Angeboten mit einem Gesamtgegenwert von weniger als EUR 2,5 Mio. gehören (Buchst. h) 444 sowie etwa auch bestimmte Nichtdividendenwerte, die als Daueremissionen von Kreditinstituten ausgegeben werden und einen Gesamtgegenwert von weniger als EUR 50 Mio. besitzen (Buchst. j). Es besteht jedoch für Emittenten und Anbieter der unter Art. 1 Abs. 2 fallenden Wertpapiere die Möglichkeit, freiwillig einen Prospekt nach der Richtlinie zu erstellen, um ein öffentliches Wertpapierangebot abgeben bzw. zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat zugelassen werden zu können (Art. 1 Abs. 3) 445. Von der grds. nach Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 für den Regelfall vorgeschriebenen Prospektpflicht sowohl für das öffentliche Angebot als auch für die Marktzulassung von Wertpapieren schreibt die Richtlinie weitere zwingende Ausnahmen vor. So entfällt zum einen die Prospektpflicht für solche Wertpapierangebote, die sich ausschließlich an „qualifizierte Anleger“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie (also insbesondere professionelle Investoren wie Kredit- und Finanzinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds etc.) oder an weniger als 100 nicht zu dem vorgenannten Anlegerkreis gehörende natürliche und juristische Personen pro Mitgliedstaat („Privatplatzierungen“) richten, die Wertpapiere mit Mindestbeträgen pro Anleger von je EUR 50.000 oder einer Mindeststückelung in dieser Höhe betreffen oder deren Gesamtgegenwert EUR 100.000 nicht übersteigt (Art. 3 Abs. 2 Buchst. a bis e). Zum anderen gilt die Pflicht zur (Erstellung und) Veröffentlichung eines Prospekts nicht für eine Reihe näher bezeichneter Arten von Wertpapieren (Art. 4 Abs. 1). Dies betrifft Fälle des bloßen Aktientausches ohne Kapitalerhöhung des Emittenten, außerdem die Angebote bzw. Zuteilungen von Wertpapieren im Rahmen von Übernahmen oder Verschmelzungen, sofern in deren Rahmen ein dem Prospekt gleichwertiges Dokument verfügbar ist, sowie Aktienzuteilungen aufgrund von Bezugsrechten an vorhandene Aktionäre bzw. Wertpapierzuteilungen an aktuelle und ehemalige Führungskräfte und Beschäftigte von ihrem bereits an einem geregelten Markt zugelassenen Arbeitgeber, sofern in diesen Fällen jeweils ein Dokument mit Informationen über Anzahl und Typ der Wertpapiere sowie Details zum Angebot zur Verfügung gestellt wird (Buchst. a bis e). Schließlich entfällt die Prospektpflicht im Zusammenhang mit bestimmten Arten der Wertpapierzulassung zum Handel an einem geregelten Markt (Art. 4 Abs. 2). Hiervon betroffen sind beispielsweise Fälle, in denen die betreffenden Aktien innerhalb von 12 Monaten weniger als 10 % der bereits zum Handel an demselben geregelten Markt zugelassenen Aktien derselben Gattung ausmachen oder lediglich gegen bereits am demselben geregelten Markt zugelassene Aktien ohne weitere Kapitalerhöhung ausgetauscht werden, sowie Angebote von Wertpapieren im Rahmen von Übernahmen oder Verschmelzungen, wenn dabei einem Prospekt 444
Kritisch zu den Ausnahmen in Buchstaben e und (richtigerweise) h insbesondere CRÜWELL, AG 2003, 243 (245). 445 Näher zu diesem „opt in“ KUNOLD/SCHLITT, BB 2004, 501 (503).
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vergleichbare Dokumente verfügbar sind; ebenso erfasst sind unentgeltliche Angebote und Zuteilungen von Aktien an vorhandene Aktieninhaber sowie Angebote und Zuteilungen von Wertpapieren an aktuelle und ehemalige Beschäftige und Führungskräfte, sofern es sich dabei jeweils um Aktien bzw. sonstige Wertpapiere derselben Gattung wie bereits zum Handel an demselben geregelten Markt zugelassene Wertpapiere handelt und ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, welches Information über Art und Anzahl der Wertpapiere und die Gründe des Angebots enthält (Buchst. a bis f). Über diese mit jenen des Anwendungsbereichs von Art. 4 Abs. 1 vergleichbaren Fälle hinaus entfällt die Prospektpflicht bei Zulassung außerdem für Aktienausgaben bei der Umwandlung oder dem Tausch von anderen Wertpapiere, so weit Aktien derselben Gattung bereits zum Handel an demselben geregelten Markt zugelassen sind (Buchst. g), sowie insbesondere auch allgemein für Wertpapiere, die bereits zum Handel an einem anderen geregelten Markt zugelassen sind, wenn insofern dem Publikum in dem für die weitere Marktzulassung angestrebten Mitgliedstaat in einem zusammenfassenden Dokument sämtliche einem Prospektinhalt entsprechenden Informationen sowie Hinweise auf weitere Finanzinformationen zur Verfügung gestellt werden (Buchst. h)446. 2.3.3.2.4.1.2. Publizitätsgegenstände und -mittel Ist unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausnahmen eine Prospektpflicht hinsichtlich des öffentlichen Angebots und/oder der Marktzulassung von Wertpapieren gegeben, richten sich die Anforderungen an die „Erstellung des Prospekts“ als des maßgeblichen Publizitätsgegenstandes im Hinblick auf dessen Inhalt und Format nach den in Kapitel II der Richtlinie näher ausgestalteten Vorgaben (Art. 5 ff.) sowie außerdem nach den ergänzenden Maßstäben der Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (sog. Prospekt-VO)447. Die einzelnen Regelungen sind dabei vor dem allgemeinen Hintergrund zu verstehen, dass mit dem Prospekt die Marktteilnehmer über ein bestimmtes Angebot des Unternehmens informiert werden sollen und es somit letztlich um eine objektbezogene Markteintrittspublizität geht448. Für die inhaltliche Ausgestaltung des Prospekts449 verlangt die Generalklausel des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie „sämtliche Angaben, die entsprechend den Merkmalen des Emittenten und der öffentlich angebotenen bzw. zum Handel an dem geregelten Markt zugelassenen Wertpapiere erforderlich sind, damit die Anleger sich ein fundiertes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte bilden können“
446
Näher zu dieser Regelung in Buchst. h CRÜWELL, AG 2003, 243 (245 f.). Oben Fn. 96. 448 Vgl. zur Abgrenzung von subjektbezogener (gesellschafts- und bilanzrechtlicher) Registerpublizität und objektbezogener Kapitalmarktpublizität insofern MERKT (Fn. 2), 370. 449 Ausführlich dazu CRÜWELL, AG 2003, 243 (246 ff.); KUNOLD/SCHLITT, BB 2004, 501 (506 ff.). Siehe speziell zur Sprachenregelung nach Art. 19 auch MATTIL/MÖSLEIN, WM 2007, 819 ff. 447
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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(Satz 1) 450; sämtliche vorstehenden „Informationen sind in leicht zu analysierender und verständlicher Form dazulegen“ (Satz 2). Diese allgemeinen Rahmenvorgaben werden zunächst einmal in Art. 5 Abs. 2 dahin gehend konkretisiert, dass der Prospekt neben Angaben zum Emittenten und den öffentlich angebotenen oder zum Handel zuzulassenden Wertpapieren insbesondere eine Zusammenfassung enthalten muss, welche kurz und in allgemein verständlicher Sprache die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffenden wesentlichen Merkmale und Risiken enthält; die Zusammenfassung muss zudem eine Reihe von Warnhinweisen enthalten und soll nach dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie insgesamt nicht mehr als 2.500 Wörter umfassen. Einzelheiten zur Zusammenfassung regelt Anhang I zur Richtlinie, der diesbezüglich neben Angaben zum eigentlichen Wertpapierangebot auch umfassende Informationen über das emittierende Unternehmen verlangt, beispielsweise im Hinblick auf dessen Geschäftsleitung, sonstige Organe und Hauptaktionäre, seine Geschäftstätigkeit, Betriebsergebnisse, Finanzanlagen und Kapitalausstattung sowie sonstige Finanzinformationen (z.B. einen nach IFRS-Grundsätzen erstellten Einzel- bzw. Konzernabschluss451). Weitere Konkretisierungen im Hinblick auf die in den Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben enthält die auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie erlassene Prospekt-VO, wobei die Richtlinie für die verschiedenen Prospektmuster gewisse Grundvorgaben enthält (Art. 7 Abs. 2) und eine Berücksichtigung der von den internationalen Organisationen der Wertpapieraufsichtsbehörden ausgearbeiteten Standards im Bereich der Finanz- und der Nichtfinanzinformationen sowie außerdem der „indikativen“ Richtlinien-Anhänge verlangt (Art. 7 Abs. 3). Im Hinblick auf das zu verwendende Prospektformat452 sieht Art. 5 Abs. 3 im Grundsatz ein Wahlrecht für die Emittenten vor zwischen einem einheitlichen Dokument oder einem aus drei Einzeldokumenten bestehenden Prospekt; wird letztere Variante gewählt, sind die erforderlichen Angaben auf ein Registrierungsformular, eine Wertpapierbeschreibung sowie eine Zusammenfassung aufzuteilen, wobei sich der jeweilige Inhalt des Einzeldokuments dann an den Anhängen II bis IV der Richtlinie zu orientieren hat. Für bestimmte Wertpapierarten (Nichtdividendenwerte) kann der Prospekt gemäß Art. 5 Abs. 4 auch aus eine Basisprospekt bestehen, der alle notwendigen Angaben zum Emittenten und den öffentlich angebotenen bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere enthält, sowie aus einem ergänzenden Nachtrag (Art. 16) 453 bestehen. Die näheren Durchführungsmaßnahmen zur Auf450
Vgl. insofern auch die Ausführungen bei EuGH, Rs. C-430/05, Ntionik AE, Slg. 2007, I-5835, Tz. 48 ff., zu Art. 21 der Vorgänger-Richtlinie 2001/34/EG. 451 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 (Fn. 397) über die Anerkennung sog. Drittland-GAAP („Generally Accepted Accounting Principles“) als Gleichwertigkeit mit den IFRS für Zwecke der Anwendung der Richtlinien 2003/71EG und 2004/109/ EG. 452 Näher dazu CRÜWELL, AG 2003, 243 (247); KUNOLD/SCHLITT, BB 2004, 501 (505 f.). 453 Aus Art. 16 Abs. 1 folgt eine Nachtragspflicht bei nachträglich eintretenden Besonderheiten zwischen der behördlichen Billigung des Prospekts und dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots bzw. der Eröffnung des Handels nach Marktzulassung; vgl. zu dieser Aktualisierungspflicht SANDBERGER, EWS 2004, 297 (302) sowie auch WEBER, NZG 2004, 360 (365).
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machung des Prospekts bzw. auch des Basisprospektes und der Nachträge enthält die insofern auf Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie gestützte Prospekt-VO; danach unterteilt sich ein Prospekt in ein Inhaltsverzeichnis, die Zusammenfassung, Angaben zu Risikofaktoren sowie Informationen nach so genannten Vorlagen und Bausteinen (Art. 25, 26 Prospekt-VO). Die weiteren Bestimmungen speziell zur „Veröffentlichung des Prospekts“ sind in Kapitel III der Richtlinie (Art. 13 ff.) enthalten. Vor der Veröffentlichung hat zunächst zwingend eine Prüfung und Billigung des Prospektes durch die zuständige Behörde (Art. 21) im Herkunftsmitgliedstaat des Emittenten zu erfolgen454. Als Publizitätsmittel sieht Art. 14 Abs. 1 sodann vor, dass der gebilligte Prospekt zum einen bei der zuständigen Behörde im Herkunftsmitgliedstaat zu hinterlegen ist; zum anderen ist er seitens des Emittenten, des Anbieters oder der die Handelszulassung beantragenden Person aber auch so bald wie praktisch möglich, auf jeden Fall aber rechtzeitig vor und spätestens mit Beginn des öffentlichen Angebots bzw. der Zulassung der betreffenden Wertpapiere zum Handel, dem Publikum zur Verfügung zu stellen. Speziell bei einem öffentlichen Erstangebot einer erstmals zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Aktiengattung muss der Prospekt mindestens sechs Tage vor dem Abschluss des Angebots zur Verfügung stehen. Ein Prospekt kann dem Publikum auf verschiedene Weisen zur Verfügung gestellt werden455, so etwa durch Veröffentlichung in einer im Mitgliedstaat der Angebotsveröffentlichung bzw. Handelszulassung gängigen oder in großer Auflage verlegten Zeitung, in kostenloser gedruckter Form bei den zuständigen Marktstellen der Handelszulassung, am Sitz des Emittenten oder bei Finanzintermediären (sog. „Schalterpublizität“), oder aber schließlich auch in elektronischer Form, wofür neben der Website des Emittenten auch die Websites von Finanzintermediären, des mit der Handelszulassung angestrebten geregelten Marktes selbst oder aber auch der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats in Betracht kommen (Art. 14 Abs. 2). Ist eine Veröffentlichung in elektronischer Form erfolgt, muss einem Anleger jedoch auf Verlangen auch eine Papierversion kostenlos zur Verfügung gestellt werden (Art. 14 Abs. 7). Im Übrigen können die Mitgliedstaaten zudem auch noch die Veröffentlichung einer Mitteilung darüber verlangen, wie der Prospekt dem Publikum zur Verfügung gestellt wurde und wo er erhältlich ist (Art. 14 Abs. 3). Die technischen Einzelheiten zur den verschiedenen Veröffentlichungswegen regeln Art. 29 ff. Prospekt-VO. Bezüglich der im Prospekt zu veröffentlichenden Informationen sieht weder die Richtlinie noch die Prospekt-VO ein „Zurückbehaltungsrecht“ des Emittenten hinsichtlich besonders sensibler Daten vor. Einzig im Hinblick auf den Fall, dass gegen die Vorgaben der Richtlinie verstoßen und deswegen eine Sanktion verhängt wurde (Art. 25 Abs. 1)456, wird der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörde ausnahmsweise die Möglichkeit eröffnet, von der grds. vorzunehmenden öffentlichen Be454
Vgl. speziell dazu CRÜWELL, AG 2003, 243 (249 ff.); KUNOLD/SCHLITT, BB 2004, 501 (508 f.). 455 Siehe hierzu auch KUNOLD/SCHLITT, BB 2004, 501 (510 f.). 456 Siehe bereits oben 2.3.2.2.1.1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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kanntmachung dieser Sanktion abzusehen, wenn ansonsten die Stabilität der Finanzmärkte ernsthaft gefährdet oder den Beteiligten ein unverhältnismäßiger Schaden zugefügt würde (Art. 25 Abs. 2). Im Übrigen trifft den Emittenten nicht allein eine umfassende Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung von Nachträgen zum Prospekt bis zum Moment des endgültigen Schlusses des öffentlichen Angebots bzw. der Eröffnung des Handels an einem geregelten Markt (Art. 16), sondern die Richtlinie sieht darüber hinaus für Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel zugelassen wurden, eine zusätzliche Infomationsverpflichtung vor457: Sie müssen mindestens einmal jährlich ein umfassendes Dokument vorlegen, das alle Informationen enthält oder auf diese verweist, welche der betreffende Emittent innerhalb der zwölf Vormonate in einem Mitgliedstaat oder Drittstaat aufgrund gemeinschaftsrechtlicher oder nationaler Bestimmungen über die Wertpapieraufsicht veröffentlicht oder in sonstiger Weise dem Publikum zur Verfügung gestellt hat; dabei ist zumindest auf jene Informationen zu verweisen, die nach den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien, der (konsolidierten) „Kapitalmarktspublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG458 und der IAS-VO459 gefordert werden (Art. 10 Abs. 1), doch werden auch periodische Informationen wie Halbjahresberichte ebenso erfasst wie anlassbezogene ad hoc-Mitteilungen460. Das genannte Dokument ist bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses zu hinterlegen (Art. 10 Abs. 3); die Art der Veröffentlichung des Dokuments richtet sich gemäß Art. 10 Abs. 4 nach der Prospekt-VO (dort Art. 27). 2.3.3.2.4.2. Laufende Marktteilnahme: „Regelmäßige Informationen“ („Transparenz“-Richtlinie) Die vorstehend dargestellte Informationspflicht aus Art. 10 der Prospekt-Richtlinie ragt bereits punktuell hinein in den Bereich der sog. kapitalmarktrechtlichen „Regelpublizität“, welche gleichfalls den Folgepflichten einer Marktzulassung zuzuordnen ist und sich damit funktional an den Sekundärmarkt richtet461. Die periodischen Berichtspflichten der an einer mitgliedstaatlichen Börse amtlich notierten Aktiengesellschaften waren ursprünglich im Wesentlichen – nämlich hinsichtlich des Jahresabschlusses und des Lageberichts – in der „Börsenzulassungs“-Richtlinie 79/279/ EWG 462 geregelt; ergänzend dazu war nach der „Zwischenberichts“-Richtlinie 82/ 121/EWG 463 ein Halbjahresbericht zu veröffentlichen. Diese aus den beiden letzt457
Wie WEBER, NZG 2004, 360 (361) hervorhebt, handelt es sich bei Art. 10 um die einzige echte „Zulassungsfolgepflicht“ aus der Richtlinie. 458 Oben Fn. 94. 459 Siehe oben Fn. 155 sowie oben 2.3.3.2.3.2. 460 Vgl. CRÜWELL, AG 2003, 243 (252). 461 MÜLBERT/STEUP, WM 2005, 1633 (1634). 462 Oben Fn. 99. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Jahresabschluss und Lagebericht ergab sich für die betreffende Gesellschaft aus Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Schema C Tz. 4 des Anhangs zu dieser Richtlinie. Entsprechende Pflichten für Emittenten von Schuldverschreibungen waren in Schema D vorgesehen. 463 Oben Fn. 103. Nach Art. 2 dieser Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die Veröffentlichung von Halbjahresberichten durch ihre börsennotierten Gesellschaften sicherzustellen; Einzelheiten zum Berichtsinhalt waren in Art. 4 ff. vorgesehen.
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genannten Richtlinien resultierenden Publizitätspflichten wurden sodann in der (konsolidierten) „Kapitalmarktspublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG464 zusammengeführt, bevor sie anschließend gemeinsam in die sog. „Transparenz“-Richtlinie 2004/109/EG 465 übernommen wurden. Ebenso wie die bereits vorgestellte „Prospekt“-Richtlinie 2003/71/EG 466 sowie auch die noch anzusprechende „Marktmissbrauchs“-Richtlinie 2003/6/EG467 zeichnet sich diese bis zum 20.1.2007 umzusetzende Richtlinie zunächst einmal dadurch aus, dass sie sich in ihrem subjektiven Anwendungsbereich über börsennotierte Gesellschaften hinaus auf sämtliche Emittenten erstreckt, deren Wertpapiere bereits zum Handel an einem mitgliedstaatlichen geregelten Markt im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der „MiFID“-Richtlinie 2004/ 39/EG 468 zugelassen sind (Art. 1 Abs. 1). Nach den Erwägungsgründen der Präambel zur „Transparenz“-Richtlinie werden damit auch insofern Zwecke der Markteffizienz sowie des Anlegerschutzes verfolgt. Den materiell-rechtlichen Kernbereich der Richtlinie enthält deren Kapitel II mit den Bestimmungen über die „regelmäßige Information“ (Art. 4 bis 8)469. Hauptinstrument dieser kapitalmarktrechtlichen periodischen Publizität ist der nach Art. 4 vorgeschriebene Jahresfinanzbericht: Dieser umfasst den geprüften Jahresabschluss und den Lagebericht der Gesellschaft sowie über die früheren Anforderungen hinaus nunmehr auch gesonderte Erklärungen, mit welchen die beim Emittenten verantwortlichen Personen versichern, dass der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten sowie etwaiger in eine Konsolidierung einbezogener Unternehmen vermittelt und dass der Lagebericht Geschäftsverlauf und -ergebnis sowie die Lage aller konsolidierten Unternehmen in einer den tatsächlichen Verhältnissen ent464
Oben Fn. 94. Art. 67 Abs. 1 dieser Richtlinie verlangte von der Gesellschaft, „dem Publikum unverzüglich ihren letzten Jahresabschluss und ihren letzten Lagebericht zur Verfügung zu stellen“; nach Art. 70 hatten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Gesellschaften einen Halbjahresbericht „über ihre Geschäftstätigkeit und ihre Ergebnisse während der ersten sechs Monate jedes Geschäftsjahres“ veröffentlichen. Vgl. insofern auch bereits oben 2.3.3.2.3.2. 465 Oben Fn. 105. Siehe im Vorfeld bereits NOACK (Fn. 115), 38 ff. (Rn. 106 ff.) zu der ab 2001 von der EU-Kommission eingeleiteten Konsultation „Auf dem Weg zu einer EU-weiten Regelung der Informationspflichten von Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind“. Vgl. zudem etwa MÖLLERS, ZBB 2003, 390 (395 f.); BUCHHEIM/ ULBRICH, KoR 2004, 273 ff.; D´ARCY/MEYER, Der Konzern 2005, 151 ff.; VEIL, ZBB 2006, 162 (167 ff.); MÜLLER/OULDS, WM 2007, 573 (577 ff.). Speziell zur Umsetzung in Deutschland siehe RODEWALD/UNGER, BB 2006, 1917 ff.; GÖRES, Der Konzern 2007, 15 ff.; BOSSE, DB 2007, 39 ff.; HUTTER/KAULAMO, NJW 2007, 471 ff.; SCHNABEL/KORFF, ZBB 2007, 179 ff.; NOACK, WM 2007, 377 ff.; HEBESTREIT/RAHE, IRZ 2007, 111 ff.; PHILIPPS, DB 2007, 2326 ff.; SCHLOTTER/REISER, BB 2008, 118 ff. Siehe außerdem jüngst zur Ergänzung der Richtlinie 2004/109/EG im Hinblick auf die grenzüberschreitende Ausübung der Stimmrechte durch Aktionäre von börsennotierten Gesellschaften im Rahmen der Realisierung des „Aktionsplans“ der Kommission vom Mai 2003 unten 2.3.3.3. 466 Oben Fn. 96 sowie eingehend dazu oben 2.3.3.2.4.1. 467 Oben Fn. 96 sowie eingehend dazu unten 2.3.3.2.4.3.1. 468 Oben Fn. 72. 469 Ausführlich dazu insbesondere BUCHHEIM/ULBRICH, KoR 2004, 273 (277 ff.). Zu Sanktionen für Verstöße gegen die Publizitätspflichten auch schon oben 2.3.2.2.2.2.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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sprechenden Weise darstellt und die sie treffenden wesentlichen Risiken und Ungewissheiten beschreibt (Art. 4 Abs. 2). Trifft den Emittenten nach der 7. Richtlinie eine Konsolidierungspflicht470, so besteht der relevante Jahresabschluss aus dem nach Maßgabe der IAS-VO erstellten konsolidierten Abschluss471 sowie dem Jahresabschluss der Muttergesellschaft; bei fehlender Konsolidierungspflicht reicht hingegen der in ihrem Sitzstaat erstellte Einzelabschluss der Gesellschaft aus (Art. 4 Abs. 3). Hinsichtlich der Abschlüsse hat jeweils eine Prüfung nach Maßgabe der 4. oder 7. Richtlinie zu erfolgen, wobei der Bestätigungsvermerk vollumfänglich mit dem Jahresfinanzbericht zu veröffentlichen ist (Art. 4 Abs. 4); ebenso ist auch der Lagebericht nach der 4. Richtlinie bzw. 7. Richtlinie – jeweils in der ab 2003 modernisierten Form472 – zu erstellen (Art. 4 Abs. 5). Der Emittent hat den gesamten Jahresfinanzbericht spätestens vier Monate nach des Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres zu veröffentlichen und sicherzustellen, dass er mindestens fünf Jahre lang öffentlich zugänglich bleibt (Art. 4 Abs. 1); nähere Durchführungsmaßnah-men zur technischen Umsetzung sind von der Kommission zu erlassen (Art. 4 Abs. 6). Zweiter Publizitätsgegenstand der regelmäßigen Information ist nach Art. 5 der auf die ersten sechs Monate eines Geschäftsjahres bezogene Halbjahresfinanzbericht, der in seinen inhaltlichen Anforderungen gleichfalls über das zuvor bestehende Maß hinausgeht473: Er umfasst neben einem verkürzten Jahresabschluss und einem verkürzten Lagebericht insbesondere auch gesonderte Erklärungen der beim Emittenten verantwortlichen Personen dazu, dass der verkürzte Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten oder der Gesamtheit von konsolidierten Unternehmen vermittelt und der Zwischenlagebericht die nach Art. 5 Abs. 4 geforderten Informationen in einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Weise darstellt (Art. 5 Abs. 2). Im Hinblick auf den Zwischenlagebericht wird insofern verlangt, dass dieser zum einen zumindest wichtige Ereignisse während des ersten Geschäftshalbjahres und ihre Auswirkungen auf den verkürzten Abschluss angibt und dass zum anderen die wesentlichen Risiken und Ungewissheiten für das zweite Geschäfts470
Siehe oben 2.3.3.2.4.1.2. Siehe oben 2.3.3.2.4.2. Zur Bezugnahme auf die IFRS siehe auch MÜLLER/OULDS, WM 2007, 573 (579 f.). Vgl. außerdem die Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 (Fn. 397) über die Anerkennung sog. Drittland-GAAP als Gleichwertigkeit mit den IFRS für Zwecke der Anwendung der Richtlinien 2003/71EG und 2004/109/EG. 472 Vgl. dazu BUCHHEIM/ULBRICH, KoR 2004, 273 (278) sowie auch oben 2.3.3.2.1.1.2. und 2.3.3.2.1.2.2. Vgl. speziell zum Konzernlagebericht auch BAETGE/BRÜGGEMANN/HAENELT, BB 2007, 1887 ff. 473 Siehe MÜLBERT/STEUP, WM 2005, 1633 (1652 f.) sowie vormals Art. 73 der „Kapitalmarktpublizitäts“-Richtlinie (Fn. 94). Vgl. außerdem nunmehr auch zusätzlichen Anforderungen an den „Halbjahresbericht“ durch die Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. L 69/27. Dazu etwa RABENHORST, Status:Recht 2007, 149; WIEDERHOLD/PUKALLUS, Der Konzern 2007, 264 ff. 471
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halbjahr beschrieben werden; bei Aktienemittenten sind zudem Großgeschäfte mit nahe stehenden Personen und Unternehmen zu nennen (Art. 5 Abs. 4)474. Unterliegt der Emittent der Konsolidierungspflicht, ist der maßgebliche verkürzte Jahresabschluss nach den für die Zwischenberichterstattung einschlägigen IAS zu erstellen475; ansonsten muss der verkürzte Abschluss neben einem erläuternden Anhang zumindest eine verkürzte Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung enthalten, die jeweils nach denselben Ansatz- und Bewertungsgrundsätzen aufgestellt sind wie der Jahresfinanzbericht (Art. 5 Abs. 3). Auch ein ggf. vorhandener Bestätigungsvermerk der erfolgten Prüfung ist vollumfänglich wiederzugeben (Art. 5 Abs. 5). Der Halbjahresfinanzbericht ist spätestens zwei Monate nach Ablauf des ersten Geschäftshalbjahres zu veröffentlichen und muss mindestens fünf Jahre lang öffentlich zugänglich bleiben (Art. 5 Abs. 1); die näheren technischen Details sind von der Kommission mittels Durchführungsmaßnahmen festzulegen (Art. 5 Abs. 6). Ein dritter Gegenstand der periodischen Publizität ist schließlich die durch Art. 6 Abs. 1 erstmals eingeführte Zwischenmitteilung der Geschäftsführung, die als eine besondere Form der Quartalsberichterstattung angesehen werden kann und den wohl umstrittensten Teil der Richtlinie darstellt476: Emittenten, deren Aktien zum Handel in einem geregelten Markt zugelassen sind, haben in der ersten und zweiten Hälfte des Geschäftsjahres jeweils eine Zwischenmitteilung mit Informationen über die Zeit zwischen dem Beginn des jeweiligen Sechsmonatszeitraums und dem Veröffentlichungsdatum der Mitteilung zu erstellen, und zwar innerhalb eines Zeitraums zwischen zehn Wochen nach Beginn und sechs Wochen vor Ende des betreffenden Geschäftshalbjahres; diese Mitteilung muss hinsichtlich des betreffenden Zeitraums zum einen eine Erläuterung der wesentlichen Ereignisse und Transaktionen einschließlich ihrer Auswirkungen auf die Finanzlage des Emittenten und der von ihm kontrollierten Unternehmen enthalten sowie zum anderen eine allgemeine Beschreibung der Finanzlage und des Geschäftsergebnisses des Emittenten sowie der von ihm kontrollierten Unternehmen. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung derartiger Zwischenmitteilungen entfällt lediglich dann, wenn ein Emittent entweder nach den Bestimmungen des nationalen Rechts bzw. eines geregelten Marktes oder aber von sich aus Quartalsfinanzberichte veröffentlicht (Art. 6 Abs. 2). Im Übrigen besteht nach Art. 6 Abs. 1 die Pflicht zur Zwischenmitteilung „unbeschadet des Artikels 6 der Richtlinie 2003/6/EG“, so dass diese periodische Berichtsverpflichtung ausdrücklich neben die nachfolgend darzustellenden anlassbezogenen Publizitätspflichten tritt477.
474
Speziell zum „Zwischenlagebericht“ STRIEDER/AMMEDICK, DB 2007, 1368 ff. Relevant ist damit insofern IAS 34; vgl. D´ARCY/MEYER, Der Konzern 2005, 151 (155 ff.) sowie auch oben 2.3.3.2.3.2.2. 476 Zu Einzelheiten siehe MÖLLERS, ZBB 2003, 390 (395 f.); BUCHHEIM/ULBRICH, KoR 2004, 273 (280 f.); D´ARCY/MEYER, Der Konzern 2005, 151 (157 f.). 477 Vgl. zum Verhältnis und zu möglichen Konflikten zwischen Regelberichterstattung und „ad hoc“-Publizität jüngst etwa CAHN/GÖTZ, AG 2007, 221 ff. 475
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
211
2.3.3.2.4.3. Besondere Veränderungen der Marktteilnahme: „ad hoc“Mitteilungen („Marktmissbrauchs“-Richtlinie) und „laufende Informationen“ über Beteiligungsveränderung („Transparenz“-Richtlinie) 2.3.3.2.4.3.1. „Marktmissbrauchs“-Richtlinie 2003/6/EG Die soeben bereits angesprochene und bis zum 12.10.2004 umzusetzende sog. „Marktmissbrauchs“-Richtlinie 2003/6/EG478 zielt laut ihrer Präambel darauf, „die Integrität der Finanzmärkte in der Gemeinschaft sicherzustellen und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu sichern“ (12. Erwägungsgrund); die Richtlinie richtet sich insofern gegen missbräuchliches Verhalten speziell in der Form von InsiderGeschäften und Marktmanipulationen479, weil diese Verhaltensweisen „verhindern, dass der Markt vollständig und wirklich transparent ist“ (15. Erwägungsgrund). Zur Erreichung dieser Ziele der Markttransparenz und –integrität sowie des Anlegerschutzes werden die Mitgliedstaaten zum einen verpflichtet, ein generelles Verbot der – in Art. 1 Nr. 2 näher definierten – „Marktmanipulationen“ einzuführen (Art. 5). Zum anderen aber richtet sich die Richtlinie vor allem gegen Insider-Geschäfte und knüpft damit an eine Entwicklung an, die im Grundsatz bereits durch die „Börsenzulassungs“-Richtlinie 79/279/EWG480 eingeleitet worden war und dann einerseits durch die „Insider“-Richtlinie 89/592/EWG481 näher konkretisiert sowie andererseits durch die „Kapitalmarktpublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG 482 fortgeführt
478
Oben Fn. 112. Vgl. dazu bereits im Vorfeld WEBER, EuZW 2002, 43 ff.; LEPPERT/STÜRWALD, ZBB 2002, 90 ff.; DIER/FÜRHOFF, AG 2002, 604 ff. Speziell zur Umsetzung in Deutschland FÜRHOFF, AG 2003, 80 ff.; MÖLLERS, ZBB 2003, 390 (391 f.); GRIMME/VON BUTTLAR, WM 2003, 901 ff.; LETZEL, WM 2003, 1757 ff.; ZIEMONS, NZG 2004, 537 ff.; SIMON, Der Konzern 2005, 13 ff. Siehe ergänzend außerdem: Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. L 336/33; Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. L 339/70; Richtlinie 2003/125/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/ EG in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. L 339/73; Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insiderverzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. L 162/70. 479 Abweichend von der Einstufung bei MERKT (Fn. 2), 377 f. als Unterfall der laufenden Marktteilnahme wird hier zur deutlichen Abgrenzung gegenüber den periodischen („regelmäßigen“) Publizitätspflichten eine systematische Zuordnung der „ad hoc“-Publizität zu Bereich der besonderen Veränderungen der Marktteilnahme bevorzugt. 480 Oben Fn. 99. Siehe dort Art. 17 i.V.m. Schema C Tz. 5.a des Anhangs I. 481 Oben Fn. 107. Vgl. dort insbesondere Art. 7. Die „Insider“-Richtlinie 89/592/EWG wird durch Art. 20 der „Marktmissbrauchs“-Richtlinie aufgehoben. 482 Oben Fn. 94. Zur „ad hoc“-Publizität nach Art. 68 dieser Richtlinie für Aktien (bzw. nach Art. 81 für Schludverschreibungen) siehe auch bereits oben 2.3.2.2.2.3. Auch die Art. 68 und 81 der „Kapitalmarktpublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG werden durch Art. 20 der „Marktmissbrauchs“-Richtlinie aufgehoben.
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wurde483. Diesbezüglich enthält die „Marktmissbrauchs“-Richtlinie nunmehr zunächst einmal eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sämtlichen Personen, die aufgrund ihrer Organ- oder Anteilseignerstellung, ihrer beruflichen Funktion oder aber auch aufgrund ihrer kriminellen Tätigkeiten über eine Insider-Information verfügen, die Nutzung derselben zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren und sonstigen Finanzinstrumenten i.S.d. Art. 1 Nr. 3 zu untersagen (Art. 2). Als eine „Insider-Information“ in diesem Sinne gilt nach Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie in erster Linie „eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen“; eine Ergänzung dieser Definition findet sich in Art. 1 der Durchführungs-Richtlinie 2003/124/EG 484. Darüber hinaus aber haben die Mitgliedstaaten auch dafür zu sorgen, dass „alle Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt geben“, und dass Emittenten außerdem „alle Insider-Informationen, die sie der Öffentlichkeit mitteilen müssen, während eines angemessenen Zeitraums auf ihrer Internet-Seite anzeigen“ (Art. 6 Abs. 1). Hinsichtlich der Art der öffentlichen Bekanntgabe enthält die „Marktmissbrauchs“-Richtlinie keine eigenen Vorgaben, sondern weist der Kommission die Aufgabe zu, Durchführungsmaßnahmen hinsichtlich der technischen Modalitäten zu erlassen (Art. 6 Abs. 10). Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Durchführungs-Richtlinie 2003/124/EG 485 gelten insofern die Regelungen in Art. 102 Abs. 1 und Art. 103 der „Kapitalmarktpublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG 486, wonach die betreffenden Informationen dem Publikum mittels Veröffentlichung entweder „in einer oder meh483
Siehe speziell zum Verhältnis der „ad hoc“-Publizitätspflicht nach der „Marktmissbrauchs“Richtlinie zu den vorherigen Regelungen und zur Einebnung der Unterschiede zwischen Insiderinformation und ad hoc-relevanter Tatsache LEPPERT/STÜRWALD, ZBB 2002, 90 (94 f.). Vgl. darüber hinaus allgemein zum Verhältnis zwischen Insiderhandel und Informationseffizienz des Kapitalmarkts SCHNEIDER, DB 1993, 1429 ff. 484 Oben Fn. 478. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Durchführungs-Richtlinie ist eine Information „für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt“. Vgl. zur Unklarheit bzgl. des erforderlichen Grades der Wahrscheinlichkeit jüngst BFH, ZIP 2008, 639 ff. zur Musterklage gegen die DaimlerChrysler AG („Fall Schrempp“). Kritisch zur unterlassenen EuGH-Vorlage MÖLLERS, NZG 2008, 330 (331 ff.); vgl. im Vorfeld zur EG-Rechtslage bereits FLEISCHER, NZG 2007, 401 (404 ff.). Siehe darüber hinaus zum Begriff der „Insider-Information“ im Sinne der Vorgänger-Richtlinie 89/592/EWG (Fn. 107) auch EuGH, Rs. C-384/02, Grøngaard u. Bang, Slg. 2005, I-9939 ff. und Rs. C-391/ 04, Georgakis, Slg. 2007, I-3741 ff. 485 Oben Fn. 478. Vgl. dazu auch bereits MÖLLERS, ZBB 2003, 390 (396). 486 Oben Fn. 94.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
213
reren Zeitungen mit einer Verbreitung im gesamten Staatsgebiet oder weiter Verbreitung in dem oder den betroffenen Mitgliedstaaten“, oder aber „in schriftlicher Form in den durch Anzeigen in einer oder mehreren Zeitungen mit einer Verbreitung im gesamten Staatsgebiet oder weiter Verbreitung in dem (den) genannten Staat(en) angegebenen Orten oder durch andere von den zuständigen Stellen anerkannte gleichwertige Mittel zugänglich gemacht werden“ müssen. Im Übrigen kann auch die im jeweiligen Mitgliedstaat zuständige Behörde „alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit ordnungsgemäß informiert wird“ (Art. 6 Abs. 7). Allerdings sieht Art. 6 Abs. 2 S. 1 eine ausdrückliche Ausnahme von der vorstehenden Veröffentlichungspflicht vor: Danach darf ein Emittent die Bekanntgabe einer Insider-Information „auf eigene Verantwortung aufschieben, wenn die Bekanntgabe seinen berechtigen Interessen schaden könnte, sofern die Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten“. Es obliegt danach also nunmehr dem Emittenten selbst, eine Güterabwägung zwischen seinem eigenen Geheimhaltungswunsch und den Informationsinteressen des Kapitalmarkts vorzunehmen487, was im Einzelfall zu schweren Entscheidungskonflikten führen kann488. Diesbezüglich bietet Art. 3 Abs. 1 der Durchführungs-Richtlinie 2003/124/EG 489 mehrere „nicht erschöpfende Fallbeispiele“ für berechtigte Interessen an, so insbesondere „laufende Verhandlungen oder damit verbundene Umstände“ (Buchst. a) sowie bestimmte „vom Geschäftsführungsorgan eines Emittenten getroffene Entscheidungen oder abgeschlossene Verträge, die der Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten bedürfen“ (Buchst. b). Die Mitgliedstaaten können insofern nach der „Marktmissbrauchs“-Richtlinie allerdings zu Kontrollzwecken vorschreiben, dass ein Emittent, der von dieser Aufschubmöglichkeit Gebrauch machen will, die zuständige Behörde unverzüglich über seine Entscheidung zu unterrichten hat (Art. 6 Abs. 2 S. 1). Eine abschließend noch zu erwähnende gesonderte Publizitätspflicht enthält die Richtlinie im Hinblick auf „Personen, die bei einem Emittenten von Finanzinstrumenten Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie gegebenenfalls in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen“: Dieser Personenkreis muss die zuständigen Behörden zumindest über alle Eigengeschäfte mit Aktien des betreffenden Emittenten bzw. mit sich darauf beziehenden Derivaten oder anderen Finanzinstrumenten unterrichten (sog. „Directors´s dealings“490); die Mitgliedstaaten haben ihrerseits dann dafür zu sorgen, dass die betreffenden Informationen „zumindest einzeln der Öffentlichkeit so bald wie möglich auf einfache Weise zugänglich gemacht werden“ (Art. 6 Abs. 4).
487
Siehe LEPPERT/STÜRWALD, ZBB 2002, 90 (95). Eingehend dazu SCHNEIDER/GILFRICH, BB 2007, 53 ff. 489 Oben Fn. 478. Siehe dazu auch CAHN/GÖTZ, AG 2007, 221 (223 ff.); STAAKE, BB 2007, 1573 (1574 ff.). 490 Näher dazu LEPPERT/STÜRWALD, ZBB 2002, 90 (95). 488
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2.3.3.2.4.3.2. „Transparenz“-Richtlinie 2004/109/EG Aber auch jenseits des Anwendungsbereichs der „Marktmissbrauchs“-Richtlinie lassen sich anlassbezogene Publizitätstatbestände identifizieren. Neben der bereits dargestellten Pflicht zur periodischen Veröffentlichung von „regelmäßigen Informationen“491 enthält die „Transparenz“-Richtlinie 2004/109/EG492 nämlich auch Bestimmungen über besondere Informationspflichten für den Fall der Veränderung von Beteiligungsverhältnissen493. Diese Pflichten waren ursprünglich in der sog. „Beteiligungstransparenz“-Richtlinie 88/627/EWG494 verankert und wurden dann – gleichfalls noch auf börsennotierte Gesellschaften begrenzt – in die (konsolidierte) „Kapitalmarktpublizitäts“-Richtlinie 2001/34/EG 495 aufgenommen, bevor sie schließlich in die für sämtliche Fälle der Handelszulassung an einem mitgliedstaatlichen geregelten Markt (Art. 1 Abs. 1) geltende „Transparenz“-Richtlinie überführt wurden. In funktionaler Hinsicht lassen sich die auf Transparenz der Aktionärsstruktur496 zielenden Mitteilungspflichten hinsichtlich der Beteiligungsveränderungen als Sonderfall der „ad hoc“-Publizität einordnen497. Im Einzelnen enthält Kapitel III der Richtlinie Regelungen im Hinblick auf – eher irreführend bezeichnete, weil nur durch konkrete Einzeltransaktionen ausgelöste – Pflichten über sog. „laufende Informationen“ (Art. 9 bis 16)498, die im Falle des Erreichens bzw. Über- oder Unterschreitens bestimmter Schwellenwerte durch die Übertragung von Aktien auf einem geregeltem Markt zu erteilen sind. Die hierzu in der Richtlinie vorgesehene Grundverpflichtung ist zweistufig aufgebaut499: Zunächst ist eine Mitteilung seitens des Aktionärs an den Emittenten darüber vorgesehen, welchen Anteil er an dessen Stimmrechten hält, wenn er durch Erwerb oder Veräußerung stimmberechtigter und zum Handel an einem geregelten Markt zugelassener Aktien die Schwelle eines Bestandes von 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 491
Siehe oben 2.3.3.2.3.2. Oben Fn. 105. Siehe allgemein dazu etwa BUCHHEIM/ULBRICH, KoR 2004, 273 (285 f.); zu Sanktionen für Pflichtverstöße vgl. auch bereits oben 2.3.2.2.2.2. 493 Die systematische Einordnung der Beteiligungstransparenz in den hier dargestellten Bereich der Veränderung der Marktteilnahme stimmt insofern mit jener bei MERKT (Fn. 2), 379 ff. überein. 494 Oben Fn. 104. Siehe bereits oben 2.3.2.2.2.2., dort auch zu den früher relevanten Beteiligungsschwellen. 495 Oben Fn. 94. Vgl. näher zur Beteiligungstransparenz die Art. 85 ff., 89 ff. dieser Richtlinie verlangte von der Gesellschaft, „dem Publikum unverzüglich ihren letzten Jahresabschluss und ihren letzten Lagebericht zur Verfügung zu stellen“; nach Art. 70 hatten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Gesellschaften einen Halbjahresbericht „über ihre Geschäftstätigkeit und ihre Ergebnisse während der ersten sechs Monate jedes Geschäftsjahres“ veröffentlichen. 496 Siehe KÜMPEL (Fn. 163), 23 f. (zum WpHG). 497 Vgl. GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 710. Auch VEIL, ZBB 2006, 162 (169) konstatiert zumindest einen engen Zusammenhang zwischen beiden Bereichen. Wie ELSTER (Fn. 161), 13 f. aufzeigt, bestehen auch in historischer Hinsicht Verknüpfungen. Eine deutliche Schnittstelle bildete auch bereits die ausdrückliche Anknüpfung an die in Schema C Tz. 5.c der „Börsenzulassungs“Richtlinie (Fn. 99) auch für „Änderungen … bezüglich der Struktur (Besitz und Kapitalanteil der Hauptbeteiligungen an ihrem Kapital“ geregelte „ad hoc“-Publizität durch Art. 1 Abs. 4 der „Beteiligungstransparenz“-Richtlinie (Fn. 104). 498 Näher dazu insbesondere BUCHHEIM /ULBRICH, KoR 2004, 273 (285 f.). 499 Siehe dazu auch ELSTER (Fn. 161), 12 ff. 492
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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30 %, 50 % oder 75 % erreicht bzw. über- oder unterschreitet (Art. 9 Abs. 1); Gleiches gilt, wenn durch sonstige Ereignisse, welche die Aufteilung der Stimmrechte verändern, die vorgenannten Schwellen erreicht bzw. über- oder unterschritten werden (Art. 9 Abs. 2). Die Mitteilung des Aktionärs muss neben seinem Namen bzw. desjenigen einer für ihn stimmberechtigten Person die Anzahl der Stimmrechte, ggf. die Kette der kontrollierten Unternehmen, über welche die Stimmrechte gehalten werden, sowie das Datum des Erreichens bzw. Überschreitens der relevanten Schwelle enthalten (Art. 12 Abs. 1) und so rasch wie möglich erfolgen, spätestens aber nach vier Handelstagen ab Kenntnisnahme vom relevanten Sachverhalt (Art. 12 Abs. 2). Es obliegt sodann dem Emittenten, spätestens drei Handelstage nach Erhalt der betreffenden Mitteilung alle darin enthaltenen Informationen zu veröffentlichen (Art. 12 Abs. 6); technische Einzelheiten sollen von der Kommission mittels Durchführungsmaßnahmen festgelegt werden (Art. 12 Abs. 7). Zusätzlich zu dieser zweigestuften Grundverpflichtung ergeben sich aus der Richtlinie auch noch einige Publizitätspflichten, welche unmittelbar den Emittenten treffen. So ist dieser zum einen zur unverzüglichen, spätestens aber nach vier Handelstagen erfolgenden Veröffentlichung des Umstandes verpflichtet, dass er eigene zum Handel an einem geregelten Markt zugelassene Aktien entweder selbst oder über eine für seine Rechnung handelnde Person erworben oder veräußert hat, wenn dadurch der Bestand an eigenen Aktien die Schwelle von 5 % oder 10 % der Stimmrechte erreicht bzw. über- oder unterschreitet (Art. 14 Abs. 1). Zum anderen ist der Emittent für Zwecke der Berechnung der in Art. 9 enthaltenen Schwellen verpflichtet, am Ende jedes Kalendermonats, in dem es zu einer Veränderung der Stimmrechte oder des Gesellschaftskapitals gekommen ist, die Gesamtzahl der Stimmrechte und das Gesamtkapital zu veröffentlichen (Art. 15). Schließlich haben Emittenten von Aktien, die zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, unverzüglich jede Änderung bei den an die verschiedenen Aktiengattungen geknüpften Rechten zu veröffentlichen (Art. 16 Abs. 1); ebenso haben Emittenten von anderen zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren unverzüglich jede Änderung bei den Rechten der Inhaber dieser Wertpapiere zu veröffentlichen (Art. 16 Abs. 2).
2.3.3.3. Exkurs zum „soft law“: Initiative der Europäischen Kommission im Bereich der Corporate Governance Aufbauend auf dem bereits angesprochenen Bericht über „Moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“500, der von der High Level Group of Company Law Experts im November 2002 vorgelegt wurde501, hat die EU-Kommission im Mai 2003 einen Aktionsplan zur „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“502 500
Oben Fn. 145. Vgl. oben 2.3.3.1.2. 502 Mitteilung vom 21.5.2003, KOM (2003) 284 endg., NZG 2003 Sonderbeilage zu Heft 13. Vgl. ausführlich zu diesem Aktionsplan MAUL/LANFERMANN/EGGENHOFER, BB 2003, 1289 ff.; HABERSACK, NZG 2004, 1 ff.; VAN HULLE/MAUL, ZGR 2004, 484 ff. 501
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verabschiedet. Dieser Aktionsplan analysiert den gemeinschaftsrechtlichen Besitzstand im Bereich des Gesellschaftsrechts sowie auch die Möglichkeiten neuer Initiativen für Harmonisierungsmaßnahmen auf der Gemeinschaftsebene, wobei neben gesellschaftsrechtlichen auch bilanz- und kapitalmarktrechtliche Aspekte untersucht werden 503; die Liste der im Anhang 1 vorgeschlagenen zukünftigen Initiativen umfasst insgesamt rund zwei Dutzend Einzelmaßnahmen, deren Verwirklichung die Kommission kurzfristig (d.h. zwischen 2003 und 2005), mittelfristig (d.h. zwischen 2006 und 2008) bzw. langfristig (d.h. ab 2009) anstrebt. Weit überwiegend betreffen diese angestrebten Maßnahmen den Erlass oder die Änderung bindender Rechtsinstrumente, und zwar zum Teil im Hinblick auf Verordnungen zur Einführung weiterer supranationaler Rechtsformen über den bisherigen Bestand hinaus504, im Übrigen aber im Hinblick auf Neuregelungen im Wege von Richtlinien. Im Zentrum des Aktionsplans stehen dabei gerade bei den kurzund mittelfristig angestrebten Maßnahmen solche im Bereich der „Corporate Governance“ und ihrer Offenlegung 505: Als wesentliches kurzfristiges Ziel wird insofern die durch Richtlinienänderung einzuführende Verpflichtung börsennotierter Gesellschaften genannt, jährlich eine „Corporate Governance Erklärung“ abzugeben (Tz. 3.1.1). Im Schrifttum wurde diesbezüglich zwar zugestanden, dass sich eine solche Erklärung gut in die Konzeption insbesondere der Publizitäts- und der Zweigniederlassungsrichtlinie sowie auch der Bilanzrichtlinien einfüge; als durchaus brisant wurde es jedoch angesehen, dass „(i) über Aktionäre mit bedeutenden Beteiligungen und deren Stimm- und Kontrollrechte sowie wesentliche Vereinbarungen, (ii) über andere direkte und indirekte Beziehungen zwischen den Inhabern bedeutender Beteiligungen und der Gesellschaft sowie (iii) über jedes erhebliche Geschäft mit anderen verbundenen Parteien zu berichten ist“, denn damit seien die „wesentlichen Bausteine der Corporate Governance … entweder dem Markt bereits bekannt oder sollen ihm nicht zugänglich sein“506. Ungeachtet dieser Kritik wurde die Verpflichtung zur Abgabe der jährlichen „Corporate Governance Erklärung“ inzwischen jedoch bereits durch entsprechende Änderungen der 4. sowie auch der 7. Richtlinie umgesetzt507. Neben diesem bereits realisierten Vorhaben und der mittelfristig im Wege einer Richtlinie angestrebten Verpflichtung institutioneller Anleger (wie Versicherungen und Pensionsfonds) zur verstärkten Offenlegung ihrer Anlage- und Abstimmungs-
503
Vgl. zur Gegenüberstellung von gesellschaftsrechtlich orientierter („interner“) und kapitalmarktrechtlich orientierter („externer“) Corporate Governance allgemein bereits TEICHMANN, ZGR 2001, 645 (647 f.). 504 Siehe oben 2.3.3.2.2.3. 505 Vgl. speziell dazu VAN HULLE/MAUL, ZGR 2004, 484 (489 ff.). 506 HABERSACK, NZG 2004, 1 (3 f.). 507 Siehe zur Änderungsrichtlinie 2006/46/EG oben 2.3.3.2.3.1.1.2. und oben 2.3.3.2.3.1.2.2. Eingehend zur „Corporate Governance Erklärung“ (bzw. „Corporate Governance Statement“ oder „Entsprechenserklärung“) auch LENTFER/WEBER, DB 2006, 2357 ff. sowie THEUSINGER/LIESE, DB 2008, 1419 ff. Zur geplanten Modifizierung durch das BilMoG (Fn. 401) KUTHE/GEISER, NZG 2008, 172 ff.
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strategien (Tz. 3.1.1) fällt jedoch gerade im Bereich der Corporate Governance auf, dass die Kommission in ihrem Aktionsplan nunmehr auf einen verstärkten Einsatz nicht unmittelbar rechtsverbindlicher Instrumente („soft law“) setzt: So wurden insbesondere die für erforderlich gehaltene Stärkung der Rolle von unabhängigen nicht geschäftsführenden Direktoren und Aufsichtsräten sowie außerdem die Förderung eines angemessenen Systems für die Vergütung von Direktoren kurzfristig im Wege von Empfehlungen (Art. 249 Abs. 5 EG) angegangen 508. Darüber hinaus entschied sich die Kommission dafür, nicht etwa auf europäischer Ebene einen „Corporate Governance Kodex“ verbindlich vorzugeben, sondern stattdessen auf eine stärkere Koordinierung und inhaltliche Konvergenz der bereits vorhandenen nationalen Kodizes509 hinzuwirken; zu diesem Zweck wurde die Errichtung eines sog. „Europäischen Corporate Governance Forums“ vorgeschlagen, auf dessen Ebene die weitere Entwicklung diskutiert werden solle (Tz. 3.1.4). Die Forum wurde im Oktober 2004 einberufen und ist seitdem u.a. damit befasst, die „best practices“ im Bereich der Corporate Governance in den Mitgliedstaaten zu untersuchen510. Über diese Ansätze im Bereich des „soft law“ wurde jüngst aber noch einmal der Bogen vom Bereich der Corporate Governance hin zur bindenden Richtliniengesetzgebung im Bereich des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts gespannt: In Anknüpfung an ihren Aktionsplan vom Mai 2003 hatte die Kommission im Januar 2006 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur grenzüberschreitenden Ausübung von Stimmrechten an börsennotierten Aktiengesellschaften vorgelegt und in diesem Kontext insbesondere darauf hingewiesen, dass die in Art. 17 der „Transparenz“Richtlinie 2004/109/EG511 vorgesehene Verpflichtung der Emittenten, bestimmte für eine Hauptversammlung relevante Informationen und Unterlagen verfügbar zu machen, zur Lösung der spezifischen Probleme grenzüberschreitender Stimm-
508
Siehe Empfehlung der Kommission vom 14.12.2004 zur Einführung einer angemessen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Unternehmen, ABl. L 385/55, sowie Empfehlung der Kommission vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. L 52/51; speziell dazu auch HABERSACK, ZIP 2006, 445 (448 ff.). Vgl. außerdem das an die erstgenannte Empfehlung aus 2004 anknüpfende Arbeitspapier SEC (2007) 1022 der Kommission vom 13.7.2007 „Report on the application by Member States of the EU of the Commission Recommendation on directors´ remuneration“. 509 Vgl. beispielhaft zum „Corporate Governance Bericht“ nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex (Fassung vom 2.6.2005, ZIP 2005, 1336 ff.) STRIEDER/KUHN, KoR 2005, 562 ff.; DIES., DB 2006, 2247 ff. Zur Entwicklung und den Vorarbeiten auch WILLEKE, StuB 2001, 962 ff.; HEYD/BAUR, StuB 2003, 139 ff. Zu den anschließenden Änderungen des Kodex und seiner praktischen Handhabung vgl. VON WERDER/TALAULICAR, DB 2007, 869 ff.; THEISEN/ RAßHOFER, DB 2007, 1317 ff.; VON KANN/EIGLER, DStR 2007, 1730 ff.; VETTER, DB 2007, 1963 ff.; THEISEN/LINN/S CHÖLL, DB 2007, 2493 ff.; VON WERDER/TALAULICAR, DB 2008, 825 ff. 510 Zu Details der Tätigkeit siehe umfassend BAUMS, AG 2007, 57 ff. Vgl. außerdem die laufenden Berichte von BECKER, GmbHR 2005, R 261 f.; DIES., GmbHR 2006, R 69 f.; DIES., GmbHR 2006, R 129 ff.; DIES., GmbHR 2006, R 246 f. 511 Siehe oben Fn. 105
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rechtsausübung nicht ausreicht512. Diese sog. „Aktionärsrechte“-Richtlinie 2007/ 36/EG 513 wurde zur Jahresmitte 2007 in der Tat verabschiedet und ist von den Mitgliedstaaten bis zum 3.8.2009 umzusetzen (Art. 15). Hinsichtlich des Inhalts der Richtlinie ist allerdings hervorzuheben, dass sich neben der Vielzahl technischer Regelungen zur elektronischen Teilnahme an der Hauptversammlung (einschließlich deren Vorbereitung und der Bekanntgabe von Abstimmungsergebnissen auf der Webseite der Gesellschaft) der Vorschlag der Kommission, den Aktionären ein umfassendes Fragerecht zuzugestehen, letztlich nicht hat durchsetzen können: Der betreffende Art. 9 der Richtlinie gesteht in seinem Abs. 1 lediglich Fragen zu Punkten auf der Tagesordnung der Hauptversammlung zu, und nach Abs. 2 können Fragerecht bzw. Antwortpflicht überdies begrenzt werden514.
2.3.4. Primärrechtlicher Unternehmensschutz: Gemeinschaftsgrundrechte als Basis für eine ex ante-Begrenzung der Publizitätspflichten? Die vorstehende Darstellung hat gezeigt, dass Gesellschaften im Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung zahlreichen sekundärrechtlich verankerten Publizitätspflichten unterliegen und zum Teil allgemein gehaltene, zum Teil aber auch sehr spezifische Informationen über ihre wirtschaftliche Tätigkeit oder ihre organisatorische Struktur der Öffentlichkeit zugänglich machen müssen. Zu fragen ist allerdings, ob diese Verpflichtungen nicht zugleich auch gemeinschaftsrechtlichen Grenzen unterliegen können. Dass bestimmte Informationen aus Sicht des zur Offenlegung gezwungenen Unternehmens überaus „sensibel“ sein können, versteht sich nahezu von selbst und wird auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene durchaus anerkannt: So ist etwa im Rahmen der sog. „Kartellpublizität“515, d.h. der Veröffentlichung verfahrensabschließender Kartellrechtsentscheidungen der EU-Kommission, in Art. 30 Abs. 2 der EG-Kartellverordnung516 sowie auch in Art. 20 Abs. 2 der EG-Fusionskontrollverordnung 517 jeweils ganz allgemein – also über 512
Vgl. Vorschlag KOM (2005) 685 endg. der Kommission vom 5.1.2006 für eine Richtlinie „über die Ausübung der Stimmrechte durch Aktionäre von Gesellschaften, die ihren eingetragenen Sitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG“; dazu auch GRUNDMANN/ WINKLER, ZIP 2006, 1421 ff. und NOACK, NZG 2006, 321 ff. 513 Richtlinie 2007/36/EG vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. L 184/17. Näher dazu RATSCHOW, DStR 2007, 1402 ff. 514 Vgl. hierzu RATSCHOW, DStR 2007, 1402 (1405); BAYER/SCHMIDT, BB 2008, 454 (456) m.w.N. 515 Vgl. näher dazu MERKT (Fn. 2), 139. Siehe allgemein jüngst auch zur zunehmenden Bedeutung der Gemeinschaftsgrundrechte im EG-Kartellrecht WEIß, EuZW 2006, 263 ff. 516 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L 1/1. Dort wird überdies im 32. Erwägungsgrund der Präambel der „Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ als „unerlässlich“ bezeichnet. 517 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vom 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl. L 24/1. Auch dort wird im 42. Erwägungsgrund der Präambel der „Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ als „unerlässlich“ bezeichnet.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Gesellschaften hinaus für alle Unternehmensformen – ausdrücklich vorgesehen, dass die Veröffentlichung zwar „unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung“ zu erfolgen hat, dass sie jedoch zugleich „den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen“ muss518. In den oben erläuterten sekundärrechtlichen Rahmenbedingungen des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts sind derartige interne Anerkennungen schützenswerter Interessen an der Geheimhaltung bestimmter unternehmerischer Informationen allerdings kaum vorhanden519. Im Normalfall ist es der betroffenen Gesellschaft daher weder möglich, den objektiven Umfang der zu erteilenden Informationen durch punktuelle oder gar breitflächige „Zurückbehaltungsrechte“ zu begrenzen noch den subjektiven Empfängerkreis in irgendeiner Weise – z.B. durch Ausschluss bestimmter Personen von der Informationserlangung – selektiv zu beeinflussen. Dementsprechend hat sich eine umfangreiche Diskussion dahingehend entwickelt, ob nicht jenseits der in Rede stehenden Sekundärrechtsakte andere Gemeinschaftsrechtsnormen zur externen Begrenzung der Offenlegungspflichten herangezogen werden können. Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht die Frage, ob die ungeschriebenen EG-Grundrechte sich als mögliche Rettungsanker zu Gunsten der publizitätspflichtigen Unternehmen „aktivieren“ lassen.
2.3.4.1. Grundrechte als Gestaltungsgrenzen für den Gemeinschaftsgesetzgeber Wie im Schrifttum zutreffend hervorgehoben wird, gehört die Bindung der Europäischen Gemeinschaft an Grundrechtsgarantien zu den anerkanntesten Errungenschaften der bisherigen Entwicklung des Gemeinschaftsrechts und zu den wesentlichsten Grundlagen für die Legitimität der Gemeinschaftsrechtsordnung überhaupt520. Vorrangige Adressaten der Gemeinschaftsgrundrechte sind die Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen bei ihrer gesamten Tätigkeit, d.h. insbesondere auch bei der Schaffung von Sekundärrecht in Form von Legislativakten wie Richtlinien oder Verordnungen521. Auch wenn bislang noch kein geschriebener
518
Vgl. in diesem Kontext auch EuG, T-198/03, Bank Austria Creditanstalt AG, Slg. 2006, II-1429, Tz. 93 ff. zur Frage des Verstoßes von kartellrechtlichen Veröffentlichungen der Kommission gegen die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 vom 18.12.2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, ABl. L 8/1. 519 Zur Ausnahme im Bereich der kapitalmarktrechtlichen „ad hoc“-Publizität siehe oben 2.3.3.2.4.3.1. 520 Vgl. nur SIMMA/WEILER/ZÖCKLER, Kompetenzen und Grundrechte – Beschränkungen der Tabakwerbung aus der Sicht des Europarechts, 84. Ebenso spricht VON BOGDANDY, JZ 2001, 157 (163) von einer der „größten Errungenschaften im Prozess der Konstitutionalisierung der Gründungsverträge“. 521 Dazu etwa EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 14 Rn. 32. Vgl. zu einer aktuellen Vorlage bzgl. eines möglichen Richtlinienverstoßes gegen Gemeinschaftsgrundrechte auch öVwGH, IStR 2007, 781 ff.; ausführlich dazu auch ZORN/TWARDOSZ, DStR 2007, 2185 ff.
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Grundrechtskatalog im EG-Vertrag selbst enthalten ist522, entspricht es dennoch allgemeiner Auffassung und insbesondere der Rechtsprechung des EuGH, dass die ungeschriebenen Gemeinschaftsgrundrechte dem ansonsten im EG-Vertrag kodifizierten Primärrecht gleichstehen 523. Aufgrund der auch für das Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundprinzipien der Normenhierarchie dürfen Sekundärrechtsnormen daher nicht gegen die höherrangigen Grundrechte verstoßen, um nicht dem Verdikt der Nichtigkeit ausgesetzt zu sein. Eine allgemeine Erkenntnis aus der EuGH-Judikatur lässt sich jedoch bereits an dieser Stelle hervorheben: Die vom Gerichtshof angelegte Kontrolldichte bei der Überprüfung von Sekundärrechtsnormen am Primärrecht im Allgemeinen und an den ungeschriebenen Grundrechtsgarantien im Besonderen ist regelmäßig nicht besonders streng und bleibt augenfällig hinter dem Maßstab zurück, den der EuGH bei der Prüfung mitgliedstaatlicher Bestimmungen auf ihre Gemeinschaftsrechtskonformität anzulegen pflegt524.
522
Die am 7.12.2000 proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. 2001 C 364/1, ist unverbindlich; vgl. dazu EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 14 Rn. 17 sowie eingehend CALLIESS, IN: EHLERS (Fn. 32), § 20. Die Charta wurde nahezu unverändert in den am 29.10.2004 unterzeichneten Entwurf einer Europäischen Verfassung übernommen, der an den ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert ist; zu Einzelheiten siehe http://europa.eu/constitution/index_de.htm. Zu den dortigen Grundrechtsgarantien vgl. auch KINGREEN, EuGRZ 2004, 570 ff. Die Fassung vom 7.12.2000 wurde inzwischen inhaltlich angepasst durch eine neue „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ (Straßburger Fassung vom 12.12.2007), ABl. C 303/1, und soll mit dem In-Kraft-Treten des Vertrages von Lissabon durch Letztere ersetzt werden. Der am 13.12.2007 unterzeichnete Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, ABl. C 306/1, soll nach Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten am 1.1.2009 in Kraft treten; in der geänderten Fassung von Art. 6 Abs. 1 EU wird die Charta von der Europäischen Union anerkannt, und es wird nunmehr bestimmt, dass „die Charta der Grundrechte und die Verträge … rechtlich gleichrangig“ sind. Zum Vertrag von Lissabon siehe etwa WEBER, EuZW 2008, 7 ff.; PERNICE, EuZW 3/2008, Editorial. Auf Grund des negativen irischen Referendums vom 12.6.2008 ist die Zukunft dieses Vertrages derzeit unklar. 523 Vgl. stellvertretend ZIMMERLING, in: LENZ/BORCHARDT (Fn. 127), Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 39. 524 Siehe nur EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 14 Rn. 5 mit dem Hinweis, dass Maßnahmen des Gemeinschaftsgesetzgebers bislang noch nie wegen eines Verstoßes gegen die Gemeinschaftsgrundrechte für ungültig erklärt worden sind. So wurde etwa die vieldiskutierte TabakwerbeRichtlinie 98/43/EG (vom 6.7.1998, ABl. L 213/9) von GA FENNELLY, Schlussanträge vom 15.6.2000, Rs. C-376/98, Deutschland/Parlament u. Rat, Slg. 2000, I-8419, Tz. 152 ff. an den Grundfreiheiten gemessen (und insofern für teilweise nichtig befunden), vom EuGH im anschließenden Urteil vom 5.10.2000, Slg. 2000, I-8419, Tz. 80 ff. hingegen schon wegen der fehlenden Gemeinschaftskompetenz für nichtig erklärt. Allgemein zur unzureichenden Kontrolldichte auch VON BOGDANDY, JZ 2001, 157 (163 ff.); speziell zur zurückhaltenden Verhältnismäßigkeitsprüfung KISCHEL, EuR 2000, 380 ff. sowie weiterhin am Beispiel der Tabakwerbe-Richtlinie auch PAULING, EuZW 2006, 432 (434) m.w.N. Weiteres Beispiel aus jüngerer Zeit ist EuGH, verb. Rs. C-317/04 u. C-318/04, Europäisches Parlament u.a./Rat u.a., Slg. 2006, I-4721 ff., wo der Verstoß des Ratsbeschlusses 2004/496/EG (vom 17.5.2004, ABl. L 183/83, mit Berichtigung in ABl. L 255/168) und der Kommissionsentscheidung 2004/535/EG (vom 14.5.2004, ABl. 2004 L 235/11) im Zusammenhang mit der Erhebung von Fluggastdaten u.a. gegen Art. 8 EMRK und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerügt worden war, der Gerichtshof aber wiederum eine kompetenzrechtliche Lösung wählte.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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2.3.4.2. Allgemeine Grundrechtslehren Bevor nun im Nachfolgenden die einzelnen Grundrechte daraufhin analysiert werden, ob und inwiefern ihnen ein Schutzcharakter gegenüber der sekundärrechtlich erzwungenen Offenlegung von Unternehmensinformationen zukommt, ist zunächst ein Blick auf die in Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten allgemeinen Prinzipien der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsprüfung zu werfen. Insofern ist vorab hervorzuheben, dass ein ausdrücklicher Grundrechtskatalog im EWG-Vertrag von Anfang an nicht vorgesehen war. Die diesbezüglich bestehende „Lücke“ in der Gemeinschaftsrechtsordnung wurde vom EuGH – wenn auch anfänglich eher zögerlich und nicht ohne Druck der nationalen Verfassungsgerichte525 – jedoch in zahlreichen Einzelfallentscheidungen geschlossen. Erstmals in der „Stauder“-Entscheidung von 1969 erkannte der EuGH in noch recht unpräzise gehaltener Form ausdrücklich „die in den allgemeinen Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat, enthaltenen Grundrechte der Person“ als solche an526. In der Folgezeit wurden eine ganze Reihe individueller grundrechtlicher Schutzpositionen als Bestandteil der Gemeinschaftsrechts akzeptiert und mehr oder weniger deutlich ausgeformt, wobei der EuGH sich eines Kunstgriffes bediente: Im Urteil „Internationale Handelsgesellschaft“ (1970) stützte er sich für die dogmatische Begründung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheitsschutzes zunächst auf dessen Ableitung aus den „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten“527. Wenige Jahre später ergänzte er diesen Ansatz in der Entscheidung „Nold“ (1974) dahingehend, dass auch die von den Mitgliedstaaten abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte „Hinweise geben [können], die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind“528. Damit war insbesondere der Weg gebahnt zu der im Rahmen des Europarats erarbeiteten und am 4.11.1950 unterzeichneten Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), welche dann auch erstmals im „Rutili“-Urteil des EuGH von 1975 ausdrückliche Berücksichtigung erfuhr529. Seitdem entspricht es ständiger Rechtsprechung des EuGH, dass zur Begründung der Existenz sowie auch zur inhaltlichen Ausformung von ungeschriebenen Gemeinschaftsgrundrechten sowohl auf die Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten als auch auf die EMRK als sog. „Rechtserkenntnisquellen“ zu525
Vgl. insbesondere zur schrittweisen Akzeptanz des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstandards durch das deutsche Bundesverfassungsgerichts die Zusammenfassung bei HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (2) sowie die kritische Darstellung bei NICOLAYSEN, in: BRUHA/NOWAK/ PETZOLD, Grundrechtsschutz für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, 15 (27 ff.); zur anfänglichen Kritik durch die italienische Corte Costituzionale auch KINGREEN, JuS 2000, 857. 526 EuGH, Rs. 29/69, Stauder, Slg. 1969, 419, Tz. 7. Siehe auch KINGREEN, JuS 2000, 857 sowie WALTER, in: EHLERS (Fn. 32), § 1 Rn. 21 ff. 527 EuGH, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft mbH, Slg. 1970, 1125, Tz. 4. Vgl. WALTER, in: EHLERS (Fn. 32), § 1 Rn. 24. 528 EuGH, Rs. 4/73, Nold, Slg. 1974, 491, Tz. 13. Auch dazu WALTER, in: EHLERS (Fn. 32), § 1 Rn. 25. 529 EuGH, Rs. 36/75, Rutili, Slg. 1975, 1219, Tz. 32.
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rückgegriffen wird530. Diese Praxis hat nachträglich durch Art. F Abs. 2 des Maastrichter Unionsvertrages (heute Art. 6 Abs. 2 EU) eine ausdrückliche Bestätigung gefunden: Danach „achtet‘“ die Europäische Union „die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben“531. Da die Europäische Gemeinschaft mangels entsprechender Zuständigkeit der EMRK (noch) nicht beitreten konnte532, ändert diese Vorschrift zwar nichts an dem Umstand, dass die EMRK auch weiterhin keinen unmittelbar bindenden Bestandteil des Gemeinschaftsrechts darstellt533. Die Regelung verdeutlicht jedoch noch einmal, dass heute die EMRK und auch die Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) für den EuGH die wichtigste „Rechtserkenntnisquelle“ bilden, wenn es um die Herausarbeitung gemeinschaftsrechtlicher Grundrechte geht. In der Tat lässt sich heute in der EuGH-Judikatur eine deutliche Abstufung beim Rückgriff auf die beiden vorgenannten Säulen gemeinschaftsrechtlicher Grundrechtsherleitung feststellen: Offenbar ist der EuGH zunehmend bereit, die „Führungsrolle“ des EGMR in Grundrechtsfragen zu akzeptieren534 und im Rahmen des durch die Einstufung der EMRK als „Rechtserkenntnisquelle“ eröffneten Spielraums für wertende Rechtsvergleichung im Zweifel eine Orientierung an der EMRK und ihrer Auslegung durch den EGMR vorzuziehen. Diese Vorgehensweise bietet sich auch schon deshalb an, weil mit dem vorgenannten Konventionssystems ein einheitlicher Normtext mit schon in jahrzehntelanger Judikatur des EGMR herausgearbeiteten Auslegungsvorgaben zur Verfügung steht, während die Ermittlung der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten nicht nur mit beträchtlichem Aufwand, sondern auch mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbun-
530
Zuletzt etwa EuGH, Rs. C-305/05, Ordre des barreaux francophones et germanophone u.a., Slg. 2007, I-5305, Tz. 29 m.w.N. Siehe auch WALTER, in: EHLERS (Fn. 32), § 1 Rn. 25 f. sowie speziell zur Funktion von „Rechtserkenntnisquellen“ in diesem Kontext auch KINGREEN, JuS 2000, 857 (858 ff.). Wie HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (2) darlegen, dient dieser Ansatz dem EuGH dazu, „eine größtmögliche Homogenität zwischen dem auf nationaler Ebene, auf Gemeinschafts- und auf Völkerrechtsebene bestehenden Grundrechtsstandard zu gewährleisten“. 531 Im Grunde geht der vom EuGH gewählte Ansatz sogar noch weiter, da er über die EMRK hinaus auch die Berücksichtigung sonstiger völkerrechtlicher Verträge mit grundrechtsschützendem Inhalt ermöglicht; vgl. WALTER, in: EHLERS (Fn. 32), § 1 Rn. 27 mit Fn. 67. 532 Vgl. dazu EuGH, Gutachten 2/94, Beitritt der EG zur EMRK, Slg. 1996, I-1759, Tz. 36. Siehe nun aber Art. 6 Abs. 2 EU des Vertrages von Lissabon (Fn. 522), wo bestimmt ist, dass die Union der EMRK beitritt. 533 EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 14 Rn. 11. 534 Dahingestellt sei an dieser Stelle, ob der EGMR sich seinerseits dadurch „revanchiert“, dass er nunmehr EG-/EU-Rechtsakten eine (widerlegbare) Vermutung der Vereinbarkeit mit der EMRK beimessen will: Vgl. EGMR, Urteil vom 30.6.2005, Nr. 45 036/98, Bosphorus, http:// www.echr.coe.int/echr, mit kritischer Anmerkung von BRÖHMER, EuZW 2006, 71 ff.
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den ist535. Demgegenüber spielt die über die weitere „Rechtserkenntnisquelle“ der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten bewirkte Verzahnung von Gemeinschafts- und nationalen Grundrechten lediglich dann eine Rolle, wenn die EMRK ein bestimmtes Grundrecht nicht garantiert536. Unter Berücksichtigung dieser Orientierung des EuGH primär an der EMRK und subsidiär an den nationalen Verfassungsgrundrechten können auch für die vorliegende Darstellung einige systematisierende Rahmenvorgaben vorab fixiert werden: Zum einen lässt sich grundfreiheitsübergreifend feststellen, dass Freiheitsrechte vor Gleichheitsrechten zu untersuchen sind und die Prüfungsreihenfolge jeweils von der speziellen zur allgemeineren Grundrechtsnorm übergeht537. Die Struktur der Untersuchung einer Verletzung des einzelnen Grundrechts umfasst dabei zwei wesentliche Prüfungsstufen mit jeweils verschiedenen Einzelschritten: Grob gesagt geht es zunächst um die Anwendbarkeit (einschließlich der Definition) des Schutzbereichs der einzelnen Grundrechtsgewährleistung sowie des Vorliegens eines Eingriffs in denselben, bevor sich daran anschließend in der Regel die Frage nach der Rechtfertigung der Eingriffsmaßnahme und deren Verhältnismäßigkeit stellt538. Für den vorliegenden Kontext besonders beachtlich ist dabei der Umstand, dass nach dem System der EMRK auch der Schutz von Gesellschaften und sonstigen Personenvereinigungen des Privatrechts gewährleistet ist, wenn das jeweilige Grundrecht inhaltlich auch auf diese „passt“ und nicht seiner Natur nach ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar ist539. Eben diesen Prüfungsansatz legt auch der EuGH für die Anwendung der Gemeinschaftsgrundrechte im Einzelfall zugrunde540, so dass im Grundansatz – unter Beachtung der soeben genannten Einschränkung – davon auszugehen ist, dass sich auch Wirtschaftsunternehmen auf die Grundrechte berufen können, und zwar unabhängig davon, in welcher konkreten Rechtsform (z.B. AG, GmbH, OHG oder KG) sie organisiert sind541.
535
Näher dazu EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 14 Rn. 8 f., 14. Siehe zur Bedeutung der EMRK für das Gemeinschaftsrecht NICOLAYSEN, in: BRUHA/NOWAK/PETZOLD (Fn. 525), 15 (25 ff.); speziell zum Bemühen des EuGH um Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EGMR zuletzt auch SCHWARZE, NJW 2005, 3459 (3461 f.). 536 Siehe EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 14 Rn. 9 mit dem Beispiel der Berufsfreiheit. Näher zu dieser unten 2.3.4.3.2.3. Wie EHLERS, ebenda, § 14 Rn. 42 m.w.N. zudem hervorhebt, fehlt es in der Rechtsprechungspraxis des EuGH bei der Anlehnung an die nationalen Verfassungstraditionen – im Gegensatz zur Orientierung an der EMRK – auch regelmäßig an einer genauen Bestimmung des tatbestandlichen Schutzbereichs des betreffenden Grundrechts. 537 Vgl. ähnlich wie hier auch JARASS, EU-Grundrechte, § 5 Rn. 28 ff. 538 Vgl. zu der grds. vom EuGH angelegten zweistufigen Prüfung VON BOGDANDY, JZ 2001, 157 (167 f.) Inhaltlich stimmt damit auch die für den Bereich der EMRK vom EGMR entwickelte Prüfungsstruktur (Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung) überein; vgl. insbesondere EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 2 Rn. 37 ff. mit Differenzierungen im Rechtfertigungsbereich zwischen vorbehaltlos gewährleisteten Rechten und solchen mit Schrankenvorbehalt sowie auch mit Darstellung der ihrerseits wiederum dreistufigen Verhältnismäßigkeitsprüfung als „SchrankenSchranke“. 539 EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 2 Rn. 25 m.w.N. 540 Vgl. HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (5) m.w.N. 541 So ausdrücklich auch JARASS (Fn. 537), § 4 Rn. 29.
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2.3.4.3. „Geheimnis“-Schutz durch Gemeinschaftsgrundrechte: Zum Diskussionsstand um die Grundrechtskonformität von Informationspflichten Betrachtet man nun die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu den ungeschriebenen Gemeinschaftsgrundrechten sowie ergänzend dazu die im Text der EMRK und den dazu ergangenen EGMR-Entscheidungen zu findenden „Orientierungshilfen“, kann allgemein festgestellt werden, dass in der Tat eine Reihe von Grundrechtsgarantien den Schutz von Daten und Informationen bezwecken. Eine vertiefte Analyse dieser Grundrechte im speziellen Kontext der sekundärrechtlichen Publizitätspflichten setzt allerdings zunächst eine Identifizierung jener Offenlegungspflichten voraus, die von den betroffenen Unternehmen als besonderes problematisch empfunden werden. Erst im Anschluss daran lässt sich in sinnvoller Weise die Vereinbarkeit der jeweiligen Sekundärrechtspflicht mit den verschiedenen Grundrechten im Hinblick auf deren jeweilige Schutzbereiche und Besonderheiten überprüfen. 2.3.4.3.1. Identifizierung der besonders „sensiblen“ Informationspflichten Eine Zuordnung einzelner Publizitätspflichten zu grundrechtlichen Schutzpositionen verlangt zunächst einmal eine gesicherte Erkenntnis darüber, welche Informationen auf Seiten der betroffenen Unternehmen überhaupt als sensibel eingestuft werden. Zieht man auch an dieser Stelle die obige Einteilung von Offenlegungspflichten unter „marktchronologischen“ Gesichtspunkten als Hilfsmittel für eine nähere Strukturierung heran, zeigt sich folgendes Bild: Für den gesellschaftsrechtlichen Bereich werden im Schrifttum unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die 1. und 2. Richtlinie insbesondere die Verpflichtungen zur Publikation der Rechnungslegung und der Aktionärsstruktur als problematisch angesehen542. Dies betrifft jedoch nur ansatzweise die eigentliche im Kontext des Markteintritts ausgelöste „Gründungspublizität“. Im Mittelpunkt stehen vielmehr schon hier die sich aus dem Zusammenspiel von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der 1. Richtlinie mit den Bestimmungen der 4. und 7. Richtlinie ergebenden bilanzrechtlichen Publizitätspflichten, welche in erster Linie die laufende Marktteilnahme und den deren Ergebnisse abbildenden Jahresabschluss betreffen543. In eben diesem Zusammenhang ist ganz aktuell nunmehr auch die bilanzrechtliche Publizität mittels IFRS in die Diskussion geraten, und zwar unter dem speziellen Blickwinkel der Frage, ob bestimmte durch IAS vorgeschriebene Offenlegungspflichten überhaupt nach Art. 3 Abs. 2 IAS-VO in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden dürfen 544, wenn 542
So ausdrücklich GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 242, der allerdings den zweitgenannten Aspekt nicht näher erläutert. Sollte jener sich – wie nachfolgend noch für das Kapitalmarktrecht darzustellen – auch auf besondere Veränderungen in der Marktteilnahme durch Wechsel im Gesellschafterkreis beziehen, könnten auch noch weitere gesellschaftsrechtliche Bestimmungen genannt werden, so z.B. die aus der 12. Richtlinie folgende Verpflichtung zur Offenlegung sämtlicher GmbH-Anteile in einer Hand; dazu oben 2.3.3.2.2.2.4. 543 Zu Art. 2 Abs. 1 Buchst. f als „Schnittstelle“ zwischen Gründungs- und Jahresabschlusspublizität vgl. bereits oben 2.3.3.2.2.1. und 2.3.3.2.3.1. 544 Zu diesem „endorsement“-Verfahren vgl. oben 2.3.3.2.3.2.1.
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daraus ein inhaltlicher Verstoß der Umsetzungsverordnung gegen die Grundrechte als ungeschriebenes Primärrecht entstehen könnte545. Gerade im Hinblick auf die bilanzrechtlichen Offenlegungspflichten wird dementsprechend auch in der Literatur auf ein ganzes Geflecht hochsensibler Daten hingewiesen. Deutlich wird dies etwa in der komprimierten Aussage, sowohl der Jahresabschluss als auch der Lagebericht enthielten „eine Vielzahl unternehmensbezogener Daten, aus denen Konkurrenten, Kunden und Lieferanten direkt oder indirekt wettbewerbsrelevante Tatsachen, etwa über Gewinne und Handelsspannen, entnehmen können“546. Auch wenn die einzelnen besonders relevanten Daten zumeist nicht näher spezifiziert werden 547, lassen sich damit doch zumindest aus der Perspektive der Beziehungen einer publizitätsverpflichteten Gesellschaft zu Außenstehenden gleich mehrere potentielle Gefahrenzonen identifizieren: So wird etwa die Veröffentlichung des Jahresabschlusses einschließlich der zugehörigen Unterlagen in einem allgemein zugänglichen Handelsregister geradezu als eine „Einladung an Wettbewerber“ angesehen, ihre eigene Marktstrategie an den von der Konkurrenz aufgedeckten Kennzahlen zu orientieren und im Extremfall sogar Übernahmen anzustreben548. Zudem werde die „Waffengleichheit“ zwischen Geschäftspartnern gestört, wodurch sich insbesondere im Kunden- und Lieferantenverhältnis erhebliche Verschärfungen ergeben könnten, wenn etwa Großabnehmer die Jahresabschlüsse ihrer Zulieferunternehmen systematisch auswerten und die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse über Preiskalkulationen und Verdienstspannen dazu einsetzen würden, in den nächsten Vertragsverhandlungen die Abnahmepreise zu drücken549. Überdies würden schließlich auch Gewerkschaften und Arbeitnehmer in die Lage versetzt, aus den offen gelegten Unternehmensdaten unangemessene Vorteile bei den Tarif- und Gehaltsverhandlungen zu ziehen550. Blendet man nun hinüber zum Kapitalmarktrecht, zeigt sich, dass dort die grundfreiheitliche Diskussion bislang noch mit deutlich geringerer Intensität geführt wird. Ein wesentlicher Grund hierfür könnte darin liegen, dass nicht allein generell der Umfang der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten jeweils von der Art des in Anspruch genommenen Marktes abhängt551, sondern dass diese Pflichten auf den verschiedenen „marktchronologischen“ Stufen vielfach lediglich auf den 545
HENNRICHS/SCHUBERT, ZIP 2007, 563 (566 ff.). SCHMIDT, INF 2005, 75 (77). 547 Insofern ist an dieser Stelle ergänzend auf den Beitrag von LINK (in diesem Buch) und die dort vorstellten Ergebnisse einer speziell die bilanzrechtlichen Offenlegungspflichten betreffenden Unternehmensumfrage zu verweisen. 548 Siehe SCHMIDT, INF 2005, 75 (77). Ähnlich auch NAUJOK, GmbHR 2003, 263 (265), der insbesondere auf die Gefahr für Hersteller von Nischenprodukten und sog. „Ein-Produkt-Firmen“ hinweist sowie allgemein auf die Problematik, dass Marktführer „mit ihrem Jahresabschluss für die Konkurrenz zugleich eine Anleitung zum Erfolg offen“ legen. 549 Vgl. SCHMIDT, INF 2005, 75 (77) sowie auch NAUJOK, GmbHR 2003, 263 (265), der insofern vom Blick in die „gläsernen Taschen“ der Zulieferbetriebe spricht. Siehe mit gleicher Begriffsbildung zuvor auch schon SCHINDHELM/HELLWEGE/STEIN, StuB 2000, 72 ff. 550 Auch dazu NAUJOK, GmbHR 2003, 263 (265); SCHMIDT, INF 2005, 75 (77). 551 Vgl. zu den verschiedenen „konzentrischen Marktkreisen“ bereits oben 2.3.3.1.4. sowie 2.3.3.2.4. 546
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oben bereits diskutierten bilanzrechtlichen Offenlegungsregeln aufbauen552. Darüber hinausgehend lässt sich als ein wesentlicher Diskussionspunkt mit speziell kapitalmarktrechtlichem Einschlag die aus der „Transparenz“-Richtlinie 2004/109/ EG folgende Pflicht zur Mitteilung besonderer Veränderungen der Marktteilnahme in Form der durch Aktienübertragungen eingetretenen Erreichung bestimmter Beteiligungsschwellen553 identifizieren: Die damit erzwungene Transparenz bzgl. der Aktionärsstruktur wird zumindest als „nicht unproblematisch“ angesehen, denn „im Interesse des Marktgeschehens und der Gleichbehandlung der Anleger opfere sie einen wesentlichen Teil der Freiheit des Anlegers am Kapitalmarkt und der Anonymität der Aktie“554. Nicht ohne Grund war es daher im deutschen Recht auch schon im Vorfeld der Umsetzung der ursprünglichen „Beteiligungstransparenz“-RL 88/ 627/EWG555 zum Streit um korrespondierende Auskunftsrechte der Aktionäre im Hinblick auf die von „ihrer“ Gesellschaft gehaltenen Beteiligungen gekommen556. Auch wenn damit die speziell grundrechtlich aufgeladene Diskussion, die im gesellschafts- und bilanzrechtlichen Schrifttum und der dazu ergangenen Rechtsprechung seit Jahren geführt wird, das Kapitalmarktrecht bislang kaum erreicht zu haben scheint557, sollte abschließend dennoch nicht übersehen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst ein entsprechendes Problembewusstsein entwickelt hat. So wird nämlich im 44. Erwägungsgrund der Präambel zur „Marktmissbrauchs“-Richtlinie 2003/6/EG558 erstmals ausdrücklich darauf hingewiesen, die Richtlinie stehe „im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere Artikel 11, sowie mit Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt wurden“; sie hindere daher auch „die Mitgliedstaaten in keiner Weise daran, ihre verfassungsmäßigen Vorschriften über Pressefreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung in den Medien anzuwenden“. Diesem Beispiel folgend enthalten sowohl die „Prospekt“-Richtlinie 2003/71/EG559 als auch die „Transparenz“-Richtlinie 2004/109/EG 560 sogar noch etwas allgemeiner gefasste prophylaktische Klauseln: Die erstgenannte Richtlinie nimmt im 48. Erwägungsgrund ihrer Präambel für sich in Anspruch, sie stehe „im Einklang mit den Grundrechten und insbesondere den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegten Grundsätzen“, und ganz ähnlich behauptet auch die letztgenannte Richtlinie im 40. Erwägungsgrund ihrer Präambel, sie stehe „im Ein552
Vgl. zu dieser (Teil-)„Akzessorietät“ im Detail oben 2.3.3.2.4. Siehe oben Fn. 105 sowie dazu auch oben 2.3.3.2.4.3. sowie schon oben 2.3.2.2.2.2. 554 Dazu ELSTER (Fn. 161), 12 sowie GRUNDMANN (Fn. 29), Rn. 710, jeweils m.w.N. 555 Vgl. oben Fn. 104 sowie oben 2.3.2.2.2.2. 556 Zu diesen gemeinschaftsrechtlichen „Vorwirkungen“ auf § 131 AktG siehe GROß, EuZW 1994, 395 (402) sowie WEITBRECHT/WILKEN, EWS 1994, 418 (422). 557 So spricht beispielsweise FÜRHOFF, AG 2003, 80 (83 ff.) ausdrücklich das „Spannungsverhältnis zwischen den Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen und der Funktion der Ad-hocPublizität“ an und diskutiert etwaige Begrenzungsmöglichkeiten, dies jedoch ohne Bezugnahme auf Gemeinschaftsgrundrechte. 558 Vgl. oben Fn. 112 sowie oben 2.3.2.2.2.2. 559 Vgl. oben Fn. 96 sowie oben 2.3.2.2.2.1. 560 Vgl. oben Fn. 105 sowie oben 2.3.2.2.2.2. 553
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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klang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden“. 2.3.4.3.2. Grundrechtlicher Schutz von Daten und Informationen Auch wenn sich vor dem Hintergrund der vorstehenden Übersicht nicht behaupten lässt, die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen sowie auch die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten besäßen keinerlei Berührungspunkte mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheitsgarantien, gebietet der Rahmen der vorliegenden Darstellung eine Fokussierung auf den Bereich der bilanzrechtlichen Offenlegungspflichten. Deren Grundfreiheitskonformität wird im deutschen Schrifttum seit einiger Zeit in Zweifel gezogen561, und der hierzulande geführten Diskussion steht im europaweiten Vergleich wohl allein jene in Österreich in nichts nach 562. Dort haben die zahlreichen vor den verschiedenen Instanzen geführten Rechtsstreite563 gleich zu mehreren Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH geführt, in denen es auf breiter Front um die Vereinbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bilanzpublizität mit den EG-Grundrechten ging: Das bereits angesprochene Verfahren „Lutz GmbH“ betraf nicht allein die Vereinbarkeit der aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der 1. Richtlinie 68/151/EWG i.V.m. Art. 47 der 4. Richtlinie 78/660/EWG resultierenden Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses mit der Kompetenzgrundlage des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG 564, sondern überdies auch die Vereinbarkeit der durch die genannten Richtlinien erzwungenen Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen mit dem „allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit“, mit dem „gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht auf Eigentum“ sowie auch mit dem „gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht auf Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung“565. 561
Vgl. im Vorfeld der nachfolgend (unten 2.3.4.4.) noch zu besprechenden „Axel Springer“-Entscheidung des EuGH beispielsweise NAUJOK, EWiR 2003, 67 f.; DERS., GmbHR 2003, 263 ff.; SCHMITTMANN, StuB 2003, 304 ff.; HÖFNER, GmbHR 2004, R 481; SCHMIDT, GmbHR 2004, 1512 ff. 562 Stellvertretend aus dem dortigen Schrifttum etwa GRUBER, WBl. 2000, 251 ff. m.w.N. 563 Vgl. nur (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) etwa: Oberster Gerichtshof (OGH), Beschlüsse vom 15.12.1999, 6 Ob 307/99m, RdW 2000, 283; vom 9.3.2000, 6 Ob 14/00b, WBl. 2000, 286 ff. und 6 Ob 5/00d, sowie vom 29.3.2000, 6 OB 77/00t, RdW 2000, 472 ff.; vom 28.6.2000, 6 Ob 126/00y, 6 Ob 162/00t, 6 Ob 165/00h sowie vom 13.7.2000, 6 Ob 164/00m, RdW 2000, 605 f.; vom 17.1.2001, 6 Ob 305/00x u. 6 Ob 306/00v, RdW 2001, 338 f.; vom 8.11.2001, 6 Ob 203/01y sowie vom 29.11.2001, 6 Ob 204/01w, 6 Ob 205/01t, 6 Ob 207/01m, 6 Ob 208/01h, 6 Ob 209/01 f, 6 Ob 210/01b, 6 Ob 211/01z, 6 Ob 212/01x, 6 Ob 216/01k, 6 Ob 217/01g, 6 Ob 294/01f, 6 Ob 295/01b, 6 Ob 297/01x und 6 Ob 298/01v, alle verkürzt abgedruckt in ecolex 2002, 436; außerdem etwa vom 25.3.2004, 6 Ob 197/03s, 6 Ob 198/03s, 6 Ob 200/03k, 6 Ob 203/03a, 6 Ob 231/03v u. 6 Ob 302/03k, alle verkürzt abgedruckt in ecolex 2004, 718 f. mit Anmerkung Eder. Verfassungsgerichtshof (VfGH), Beschlüsse vom 5.10.1999, G 60/90 – G 61/99 ua., G156/99 ua, n.v.; vom 13.10.1999, G 61/99 – G 67/99, G 97/99, G 103/99, G 115/ 99 – G 123/99, G 126/99 – G 128/99, n.v.; vom 29.11.1999, G 156/99, G 157/99, n.v.; ausführlich auch z.B. Erkenntnis vom 12.12.2003, A 2/01 ua, n.v. (zu unveröffentlichten Entscheidungen vgl. auch http://www.ris.bka.gv.at). 564 Dazu bereits oben 2.3.3.1.2. und oben 2.3.3.2.2.1. 565 Siehe die dritte bis fünfte Vorlagefrage zu EuGH, Rs. C-182/00, Lutz GmbH u.a., Slg. 2002, I-547 ff.
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Noch umfassender waren die Prüfungsvorgaben in dem kurz darauf vom Landesgericht Feldkirch eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren „Pfanner GmbH“ angelegt, in dem der EuGH insbesondere danach gefragt wurde, ob „die Verpflichtung zur allgemeinen Offenlegung des Jahresabschlusses jeder Kapitalgesellschaft, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, mit den gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Grund- und Menschenrechten, Grundfreiheiten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten, insbesondere jenen auf Datenschutz, auf Meinungsfreiheit, auf informationelle Selbstbestimmung, auf Privatsphäre, auf Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, auf Eigentum und Erwerbsfreiheit, auf Privatautonomie und auf Beachtung des Sachlichkeitsgebots (der Verhältnismäßigkeit) vereinbar“ sei. Der Vollständigkeit halber hatte das Landesgericht auch noch die Zusatzfrage hinzugefügt, ob „die Offenlegungspflichten der Ersten und Vierten Richtlinie mit den Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtscharta vereinbar“ seien566. Ebenso wie das erstgenannte Vorlageersuchen567 wurde aber auch die zweite Vorlage vom EuGH bereits für prozessual unzulässig erklärt568, so dass dem Gerichtshof zunächst noch eine nähere Stellungnahme in materiell-rechtlicher Hinsicht erspart blieb. Die Diskussion verstummte jedoch keineswegs und flammte ganz im Gegenteil auch in Deutschland noch einmal richtig auf, nachdem dem EuGH im November 2002 vom Landgericht Essen569 und nur kurz darauf im März 2003 vom Landgericht Hagen570 zwei weitere einschlägige Vorabentscheidungsersuchen mit Fragen zur grundfreiheitlichen Relevanz der sich speziell für die GmbH & Co. KG ergebenden bilanziellen Offenlegungspflichten vorgelegt wurden571. Weithin unbemerkt war zudem von den Betroffenen einer seitens eines österreichischen Gerichts wegen Nichtbeachtung der Veröffentlichungspflichten verhängten Zwangsstrafe eine Schadensersatzklage nach Art. 288 EG beim Gericht Erster Instanz (EuG) gegen der Rat der Europäischen Union erhoben worden572, wobei das EuG dieses Verfahren zunächst unter Hinweis auf die beim EuGH anhängigen Rechtssachen ausgesetzt hatte. Um die in den vorgenannten Verfahren ergangenen Entscheidungen des EuGH sowie anschließend auch des EuG in den Kontext der bisherigen Diskussion einordnen und bewerten zu können, werden nachfolgend zunächst die wesentlichen Argumentationsstränge der Grundrechtsdebatte aufgezeigt. Die Darstellung orientiert sich dabei an den eingangs bereits aufgezeigten Strukturprinzipien der Prüfung von 566
Siehe Landesgericht Feldkirch, Vorlagebeschluss vom 22.6.2001 = Rs. C-248/01, Pfanner Getränke Gesellschaft mbh u.a., ABl. C 289/9 f. (erste und dritte Vorlagefrage); Hervorhebungen im Original. 567 Vgl. oben 2.3.3.2.2.1. 568 EuGH, Rs. C-248/01, Pfanner GmbH u.a., ABl. 2002 C 233/12. 569 LG Essen, ZIP 2003, 31 ff. mit Anmerkung NAUJOK = Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. KG Essen, ABl. 2003 C 44/12 f. 570 LG Hagen, 11.2.2003, 23 T 5/01, n.v. = Rs. C-103/03, Betriebsgesellschaft Radio EnnepeRuhr-Kreis mbH & Co. KG (= Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske), ABl. C 112/13. 571 Siehe nur die Schrifttumsnachweise oben in Fn. 561. 572 Rs. T-47/02, Danzer u. Danzer/Rat, ABl. 2002 C 109/61 f. Dazu unten 2.3.4.5.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Freiheits- vor Gleichheitsrechten sowie der Untersuchung von speziellen vor allgemeinen Grundrechtspositionen573. 2.3.4.3.2.1. Kommunikationsgrundrechte Einer der insbesondere in der österreichischen Diskussion im Vordergrund stehenden und dort auch vom Landesgericht Feldkirch in der oben genannten EuGH-Vorlage „Pfanner GmbH“ aufgegriffenen Ansatzpunkte für einen gemeinschaftsrechtlichen Schutz vor bilanzrechtlichen Offenlegungspflichten lässt sich unter dem Obergriff der sog. „Kommunikationsgrundrechte“ zusammenfassen. In der Tat sind in der Rechtsprechung des EuGH verschiedene solcher Rechte anerkannt, die sich in ihrem Inhalt ganz wesentlich an den expliziten Vorgaben der EMRK orientieren. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein einheitliches Grundrecht auf freie Kommunikation, sondern um einzelne spezifische Schutzgarantien574. In allgemeinerer Form schützt zunächst einmal Art. 10 EMRK die „Freiheit der Meinungsäußerung“ und wird dabei durch speziellere Freiheitskomponenten ergänzt. Dies betrifft zum einen die in Art. 11 EMRK gesondert geregelte „Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit“: Deren Schutzbereich wird darin gesehen, das Zusammenkommen von Menschen mit dem Zweck zu ermöglichen, untereinander oder gegenüber Dritten Meinungen mitzuteilen, zu diskutieren oder ihnen symbolischen Ausdruck zu verleihen575; auch wenn es also im vorliegenden Kontext um Schutzrechte von Gesellschaften und damit besonderen Vereinigungen geht, dürfte damit aber eine Relevanz dieser besonderen Freiheit von vornherein ausscheiden, da die hier in Rede stehenden sekundärrechtlichen Publizitätspflichten weder einen speziellen Bezug zum Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Gruppe noch zu deren Kommunikation miteinander oder mit Dritten haben. Ähnliches gilt zum anderen auch für die nicht explizit geregelten, aber als immanente Bestandteile der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit begriffenen Freiheiten des Kunst- und Presse- bzw. Medienwesens576: Diese schützen zwar diese ohne Zweifel besonders sensible Betätigungsbereiche vor Beeinträchtigungen durch die öffentliche Gewalt, doch haben die hier erörterten Offenlegungspflichten des EG-Sekundärrechts keinen spezifischen sachlichen Bezug zu diesen Tätigkeitsfeldern und damit allenfalls zufällige Auswirkungen auf die in diesen Bereichen tätigen Unternehmen. Damit bleibt es hier allenfalls bei einer Relevanz des verbleibenden Schutzbereichs von Art. 10 EMRK. Nach dessen Abs. 1 S. 1 hat „jede Person … das Recht auf freie Meinungsäußerung“, was nach Abs. 1 S. 2 „die Meinungsfreiheit“ umfasst sowie auch „die Freiheit …, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf die Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben“. Anerkanntermaßen sind damit zunächst einmal sowohl die interne Meinungsbildung („forum internum“) als auch die externe Meinungsäußerung („forum externum“) 573
Siehe oben 2.3.4.2. Vgl. SCHORKOPF, in: EHLERS (Fn. 32), § 15 Rn. 59 ff. sowie auch MARAUHN, ebenda, § 4 Rn. 1 ff. 575 MARAUHN, in: EHLERS (Fn. 32), § 4 Rn. 59. 576 Dazu MARAUHN, in: EHLERS (Fn. 32), § 4 Rn. 14 ff., 17 ff.; JARASS (Fn. 537), § 18 Rn. 1 ff., 27 ff. 574
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geschützt, und neben der Mitteilung von (subjektiven) Meinungen sollen nach der großzügigen Judikatur des EGMR auch (objektive) Tatsachenmitteilungen erfasst sein577. Fraglich ist jedoch, ob im umgekehrten Sinne auch gerade das „Unterdrücken“ von Tatsachen – nämlich von objektivem Daten- und sonstigem Informationsmaterial über die Betätigung oder Organisationsweise eines bestimmten Unternehmens – geschützt ist. Dass auch dies dem Schutzzweck von Art. 10 Abs. 1 EMRK unterfällt, muss im Ergebnis stark bezweifelt werden: Die dort genannte „Freiheit …, Informationen … zu empfangen“, ist allein aus der Sicht des Rezipienten formuliert und betrifft grds. den passiven Empfang von Informationen sowie allenfalls bei weitem Verständnis noch den aktiven Zugang (im Sinne einer „Informationsverschaffung“) durch diesen578. Der ohnehin schon in erheblichem Maße teleologisch erweiterte Schutzbereich würde jedoch überdehnt, wollte man ihn überdies auch noch aus der Sicht des „Informanten“ eröffnen und diesem den Schutz vor bilanzrechtlichen Verpflichtungen zur Tatsachenmitteilung eröffnen. 2.3.4.3.2.2. Grundrecht auf Datenschutz Thematisch eher einschlägig zu sein erscheint im vorliegenden Kontext daher – jedenfalls prima facie – ein auch jenseits der vorliegenden Publizitätsdiskussion im Schrifttum zunehmend betontes sog. „Grundrecht auf Datenschutz“ bzw. auf „Schutz personenbezogener Daten“579. Dieses wird regelmäßig auf Art. 8 EMRK zurückgeführt580 und lässt sich unmittelbar im Gemeinschaftsrecht ansatzweise bereits im grundlegenden „Stauder“-Urteil581 des EuGH sowie ausdrücklich auch auf sekundärrechtlicher Ebene wiederfinden, nämlich insbesondere in der „Datenschutz“-Richtlinie 95/46/EG582 sowie in deren Ergänzung für den elektronischen Datenverkehr durch die Richtlinie 2002/58/EG583. In der Tat hat der EuGH in jüngerer Zeit nicht allein entschieden, dass insbesondere die erstgenannte Richtlinie den Gewährleistungsgehalt von Art. 8 EMRK sowie auch entsprechender allgemeiner Grundsätze der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen konkretisiert584, sondern er hat außerdem auch einen geradezu „symbiotischen“ Zusammenhang zwischen dem gemeinschaftsrechtlichen Datenschutzrecht und Art. 8 EMRK erkannt585. 577
Näher dazu MARAUHN, in: EHLERS (Fn. 32), § 4 Rn. 4 ff. mit Fn. 15. MARAUHN, in: EHLERS (Fn. 32), § 4 Rn. 10 ff. m.w.N. 579 Siehe SCHORKOPF, in: EHLERS (Fn. 32), § 15 Rn. 39 ff. 580 So beispielsweise VfGH, Erkenntnis vom 12.12.2003, A 2/01 ua, n.v.; siehe dazu auch GRUBER, WBl. 2005, 161 (163 f.). 581 EuGH, Rs. 29/69, Stauder, Slg. 1969, 419, Tz. 7; siehe speziell dazu auch SCHORKOPF, in: EHLERS (Fn. 32), § 15 Rn. 40. 582 Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281/31. 583 Richtlinie 2002/58/EG vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201/37. 584 EuGH, Rs. C-369/98, Fisher, Slg. 2000, I-6751, Tz. 33 f. 585 EuGH, Rs. C-465/00, Österreichischer Rundfunk u.a., Slg. 2003, I-4989, Tz. 68; näher dazu SCHORKOPF, in: EHLERS (Fn. 32), § 15 Rn. 44 ff. m.w.N., der zugleich darauf hinweist, dass ein Recht auf Datenschutz auch in Art. 8 der EU-Grundrechtscharta aufgenommen wurde. 578
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Eine nähere Betrachtung der vorbezeichneten Regelungen zeigt jedoch sogleich die Grenzen ihres jeweiligen Anwendungsbereiches auf: Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat „jede Person … das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz“. Bereits dieser enge sachliche Zusammenhang mit dem Bereich der sog. „Privatsphäre“ zeigt, dass es sich hierbei um einen besonderen Ausdruck des menschlichen Persönlichkeitsrechts handelt. Im Unterschied zu anderen Grundrechtsgarantien ist die Bestimmung daher in ihrem subjektiven Schutzbereich eng auszulegen und als „jede Person“ im vorgenannten Sinne nur eine natürliche Person anzusehen, so dass juristische Personen und sonstige Gesellschaftsformen wesensmäßig von vornherein nicht erfasst sind586. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den beiden genannten Richtlinien: Der Anwendungsbereich der „Datenschutz“-Richtlinie 95/46/EG ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nämlich sogar ausdrücklich auf den „Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen“ beschränkt, und die Richtlinie 2002/58/EG stellt nach ihrem Art. 1 Abs. 2 primär eine „Detaillierung und Ergänzung“ vorbezeichneter Richtlinie dar (S. 1); zwar erwähnt die letztgenannte Regelung sogleich anschließend auch den „Schutz der berechtigten Interessen von Teilnehmern, bei denen es sich um juristische Personen handelt“ (S. 2), doch lässt bereits die abweichende Wortwahl deutlich erkennen, dass diesem Schutzziel nach dem Verständnis des Gemeinschaftsgesetzgebers kein Grundrechtscharakter zukommt. Auch im Übrigen lässt sich den Präambeln beider Richtlinien an mehreren Stellen deutlich entnehmen, dass es jeweils lediglich um eine detaillierte Gewährleistung der durch Art. 8 EMRK geschützten Privatsphäre natürlicher Personen geht587. Eine abweichende Beurteilung folgt schließlich auch nicht zwingend unter Berücksichtigung der umstrittenen „Heberger“-Entscheidung des BGH, in welcher einem Professor der Wirtschaftswissenschaften die Verwendung des im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses eines mittelständischen Unternehmens für eine Seminarreihe untersagt wurde588: Dort maß der BGH zwar im Rahmen einer scharf kritisierten Güterabwägung dem (auch die informationelle Selbstbestimmung schützenden) allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen FamilienGmbH höheres Gewicht bei als u.a. dem Regelungszweck der (auf die 4. und 7. Richtlinie zurückgehenden) Offenlegungspflicht nach § 325 HGB (a.F.)589. Eine dem tatbestandlich weiten – und im vorstehenden Sinne subjektiv auch Gesell586
Siehe zu diesem Kriterium der „wesensmäßigen“ Anwendbarkeit die allgemeinen Ausführungen oben 2.3.4.2. Im Ergebnis wie hier auch JARASS (Fn. 537), § 13 Rn. 5 f. 587 Vgl. insbesondere den 2., 9., 10., 11., 12., 33., 34. und 68. Erwägungsgrund der „Datenschutz“RL 95/46/EG (Fn. 583) sowie den 1. bis 8., 10., 12. und 38. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/58/EG (Fn. 583). Siehe parallel dazu auch Verordnung (EG) Nr. 45/2001 (Fn. 518) sowie dazu EuG, Rs. T-198/03, Bank Austria Creditanstalt AG, Slg. 2006, II-1429, Tz. 95, die gleichfalls bei Maßnahmen (Veröffentlichungen etc.) durch EG-Organe lediglich den „Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“ bezweckt. 588 BGH, ZIP 1994, 648 ff. mit Anmerkung SIEKMANN. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen; vgl. BVerfG, AG 1994, 369 f. mit Anmerkung MERTENS. 589 Näher dazu WEITBRECHT/WILKEN, EWS 1994, 418 (421) m.w.N. sowie auch NOACK (Fn. 5), 104 ff. (Rn. 221 ff.).
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schaften schützenden – Umfang des im deutschen Verfassungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts entsprechende Grundrechtsgarantie existiert nach bisher herrschendem Verständnis jedoch im ungeschriebenen EG-Primärrecht nicht590. Sie ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem System der EMRK, deren Art. 8 zwar weitestgehend in seinen spezifischen Teilbereichen mit dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz übereinstimmt, sich aber eben nicht vollkommen mit diesem deckt und nicht als lückenloses allgemeines („Auffang“-)Grundrecht verstanden werden kann591, welches sich im vorliegenden Kontext auch auf Gesellschaften anwenden ließe. 2.3.4.3.2.3. Berufsfreiheit Als eines der wesentlichen Abwehrgeschütze gegen die sekundärrechtlich vorgeschriebenen Offenlegungspflichten wird im Schrifttum das Recht auf freie Berufsausübung in Stellung gebracht592. Der EuGH selbst bezeichnet dieses Grundrecht auch in einem allgemeineren Sinne als eines auf „wirtschaftliche Betätigungsfreiheit“, wobei gelegentlich die Grenzen zum Recht auf Eigentumsfreiheit verschwimmen593. Dies dürfte im Wesentlichen daran liegen, dass es insoweit in der EMRK keine entsprechende ausdrückliche Regelung gibt594, die dem Gerichtshof als deutliche „Rechtserkenntnisquelle“ dienen könnte. Dementsprechend greift die Literatur insofern auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zurück und nimmt beispielsweise die Abgrenzung zum Eigentumsgrundrecht anhand der Faustformel vor, dass dieses den Bestandsschutz sichere, während die Berufsfreiheit den Erwerbsschutz garantiere595. Der EuGH gesteht dem Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit letztlich einen weiten Schutzbereich zu und rechnet zu den davon umfassten Einzelgewährleistungen unter anderem die Handels-596 und die Wettbewerbsfreiheit597, auch wenn diese im Übrigen vorrangig durch die EGGrundfreiheiten und das gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbs- und Beihilfenrecht abgedeckt werden598. So hat der Gerichtshof beispielsweise in der Entscheidung „Deutschland/Rat“ hinsichtlich des von deutscher Seite vorgebrachten Einwands eines Verstoßes der Sekundärrechtsmaßnahmen im Bereich der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen gegen das Recht auf freie Berufsausübung festge590
Diese subjektive Ausdehnung wird auch im deutschen Verfassungsrecht in Abrede gestellt; vgl. nur SIEKMANN, ZIP 1994, 651 (652) m.w.N. 591 Ausführlich dazu UERPMANN-WITTZACK, in: EHLERS (Fn. 32), § 3 Rn. 2 ff. m.w.N. 592 Nähere Diskussion z.B. bei NAUJOK, GmbHR 2003, 263 (265 ff.). 593 Vgl. dazu insbesondere HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (5 f.) m.w.N.; siehe zur Eigentumsfreiheit sogleich unten 2.3.4.3.2.4. 594 Siehe WEGENER, in: EHLERS (Fn. 32), § 5 Rn. 61 m.w.N. 595 Vgl. RUFFERT, in: EHLERS (Fn. 32), § 16 Rn. 4 f., 9, 14 m.w.N. 596 EuGH, Rs. 240/83, ADBHU, Slg. 1985, 531, Tz. 11 f. Vgl. auch RUFFERT, in: EHLERS (Fn. 32), § 16 Rn. 12 m.w.N. 597 RUFFERT, in: EHLERS (Fn. 32), § 16 Rn. 12 mit Hinweis auf EuGH, Rs. 133/85, Rau, Slg. 1987, 2289, Tz. 15 sowie Rs. C-200/96, Metronome Musik, Slg. 1998, I-1953, Tz. 28, wo jedenfalls der Schutz der Wettbewerbsfreiheit jeweils nicht a priori zurückgewiesen wird. 598 Dazu HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (5 f.) m.w.N.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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stellt, dass die strittige Regelung „tatsächlich die Wettbewerbsstellung insbesondere der Wirtschaftsteilnehmer auf dem deutschen Markt ändert“ und daher rechtfertigungsbedürftig ist599. Legt man diesen weiten tatbestandlichen Ansatz zu Grunde und erkennt überdies an, dass auch mittelbare und nicht „berufsspezifische“ Eingriffe den Rechtfertigungszwang auszulösen geeignet sind600, so können in der Tat die aus den bilanzrechtlichen Publizitätspflichten für die betroffenen Unternehmen resultierenden unmittelbaren und mittelbaren Folgewirkungen zu Beeinträchtigungen des sachlichen Schutzbereiches der Berufsfreiheit führen601: Nicht nur wird den Unternehmen ein erheblicher administrativer Mehraufwand durch die Offenlegung als solche aufgezwungen, sondern es kann auch ihre Vertragsfreiheit im Geschäftsverkehr mit Kunden und Lieferanten sowie im Übrigen mit ihren Arbeitnehmern gestört werden; insbesondere aber können auch nachträgliche Effekte im Hinblick auf die Wettbewerbsstellung durch Erkenntnisgewinne seitens der Konkurrenten eintreten, die im schlimmsten Fall zur Markt- oder aber Gesellschaftsübernahme führen können602. Ohne der konkret hierzu ergangenen EuGH-Entscheidung in Sachen „Axel Springer AG“ an dieser Stelle zu sehr vorgreifen zu wollen603, ist jedoch sogleich hinzuzufügen, dass die großzügige Weite des tatbestandlichen Schutzbereichs zu Gunsten der berechtigten Bürger und Unternehmen seitens des EuGH durch eine ebenso großzügige Rechtfertigungsprüfung zu Gunsten der Verpflichteten – insbesondere der Gemeinschaftsorgane – kompensiert wird: Der Gerichtshof hebt insofern ausdrücklich hervor, dass die Berufsfreiheit nicht etwa schrankenlos gewährleistet ist, sondern Beschränkungen unterworfen werden kann, die dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und das Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt antasten604. Auffällig ist dabei, dass der EuGH gerade bei der Anwendung des im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung zu berücksichtigenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur eine geringe Kontrolldichte erkennen lässt und den Gemeinschaftsorganen grundsätzlich einen sehr weiten Ermessens- und Prognosespielraum einräumt, so dass regelmäßig der Einzelne mit dem Begehren auf Schutz seiner Individualposition nicht durchdringt und hinter den Gemeinwohlbelangen zurückstehen muss605. Im Schrifttum wird daher auch beklagt, dass bislang noch kein einziger Sekundärrechtsakt am Grundrecht der Berufsfreiheit gescheitert sei606.
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EuGH, Rs. C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Tz. 81; ebenso z.B. auch EuGH, Rs. 240/83, ADBHU, Slg. 1985, 531, Tz. 12. 600 Siehe RUFFERT, in: EHLERS (Fn. 32), § 16 Rn. 30. 601 Dass auch Personen- und Kapitalgesellschaften der Schutz der Berufsfreiheit für sich in Anspruch nehmen können, ist insofern unstrittig; vgl. RUFFERT, in: EHLERS (Fn. 32), § 16 Rn. 25. 602 Vgl. zu diesen „Gefahrenzonen“ bereits oben 2.3.4.3.1. 603 Siehe unten 2.3.4.4.2. 604 EuGH, Rs. C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Tz. 81. 605 Näher dazu RUFFERT, in: EHLERS (Fn. 32), § 16 Rn. 38 f.; grundfreiheitsübergreifend auch HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (6). 606 Vgl. dazu HESELHAUS, in: BRUHA/NOWAK/PETZOLD (Fn. 525), 97 (98) m.w.N.
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2.3.4.3.2.4. Eigentumsfreiheit Angesichts des nach den vorstehenden Erwägungen noch nicht als sehr durchschlagkräftig einzustufenden Grundrechtsschutzes stellt sich die Frage nach möglichen weiteren Schutzgarantien, die von betroffenen Gesellschaften gegen die aus dem EG-Sekundärrecht folgenden bilanzrechtlichen Publizitätspflichten aktiviert werden könnten. Dabei ist zunächst an die Eigentumsfreiheit zu denken, für deren gemeinschaftsrechtliches Verständnis sich der EuGH bereits frühzeitig an den Vorgaben der EMRK orientierte607: Dort wurde diese Freiheit nachträglich durch das 1. Zusatzprotokoll vom 20.3.1952 hinzugefügt, nach dessen Art. 1 Abs. 1 „jede natürliche oder juristische Person … ein Recht auf Achtung ihres Eigentums“ hat. In der Rechtsprechung des EGMR hat das Eigentumsgrundrecht insbesondere durch zahlreiche seit den 80er Jahren ergangene Entscheidungen deutliche Konturen erlangt608. In Abgrenzung zum oben genannten Erwerbsschutz durch das Recht der Berufsfreiheit609 betrifft der durch die Eigentumsfreiheit gewährte Schutz den Bestand an wohlerworbenen vermögenswerten Rechtspositionen: Diese gehen zwar durchaus über die in den nationalen Rechtsordnungen vorgesehenen zivilrechtlichen Eigentumspositionen hinaus, umfassen allerdings nicht den Schutz des Erwerbs in Form bloßer Erwartungen und Chancen610. Dementsprechend liegt es nahe, dass sich auch der EuGH in seiner Judikatur zum Gemeinschaftsgrundrecht der Eigentumsfreiheit von inhaltsgleichen Erwägungen leiten lässt. So sind insbesondere bloße kaufmännische Interessen oder Aussichten, deren Ungewissheit allgemein zum Wesen einer wirtschaftlichen Betätigung gehört, im Grundsatz nach ständiger Rechtsprechung nicht geschützt611. Etwas zurückhaltender scheint der EuGH zwar in Bezug auf Beeinträchtigungen von individuellen Marktanteilen durch wettbewerbssteuernde Maßnahmen der Gemeinschaft z.B. in Form von sekundärrechtlichen Marktordnungen zu sein 612, doch spielen diese im vorliegenden Kontext keine Rolle. Nach dem Vorgesagten lässt sich damit für die hier primär in Rede stehenden Belastungen der publizitätsverpflichteten Unternehmen – nämlich administrativer Mehraufwand, Störung der Vertragsfreiheit gegenüber Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmern sowie auch potentielle Beeinträchtigungen der bisherigen Wettbewerbsstellung im Verhältnis zu Konkurrenten613 – per Saldo konstatieren, dass ein eigentumsrechtlicher Schutz gegen die
607
Grundlegend hierzu EuGH, Rs. 44/79, HAUER, Slg. 1979, 3737, Tz. 17 ff.; näher dazu auch CALLIESS, in: EHLERS (Fn. 32), § 17 Rn. 5 ff. 608 Zu Einzelheiten vgl. etwa PEUKERT, EuGRZ 1981, 97 ff.; FROWEIN, in: FS Rowedder, 49 ff.; FIEDLER, EuGRZ 1996, 354 ff.; HARTWIG, RabelsZ 63 (1999), 561 ff.; MITTELBERGER, EuGRZ 2001, 364 ff.; HESELHAUS, in: BRUHA/NOWAK/PETZOLD (Fn. 525), 97 ff. 609 Siehe soeben 2.3.4.3.2.3. und die dort genannte „Faustformel“. 610 Vgl. WEGENER, in: EHLERS (Fn. 32), § 5 Rn. 7 ff. 611 EuGH, Rs. 4/73, Nold, Slg. 1974, 491, Tz. 14; verb. Rs. 154, 205, 206, 226-228, 263 u. 264/78 sowie 31, 39, 83 u. 85/79, Ferriera Valsabbia u.a., Slg. 1980, 907, Tz. 89. Dazu auch CALLIESS, in: EHLERS (Fn. 32), § 17 Rn. 15 sowie JARASS (Fn. 537), § 22 Rn. 15. 612 Vgl. CALLIESS, in: EHLERS (Fn. 32), § 17 Rn. 15 m.w.N. 613 Vgl. soeben 2.3.4.3.2.3. sowie auch bereits oben 2.3.4.3.1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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einschlägigen Sekundärrechtsmaßnahmen schon tatbestandlich nicht in Betracht kommen dürfte. 2.3.4.3.2.5. Allgemeine Handlungsfreiheit Aus der Perspektive freiheitsrechtlicher Abwehransprüche stellt sich sodann abschließend noch die Frage, ob den sekundärrechtlich zur Bilanzpublizität verpflichteten Gesellschaften möglicherweise noch eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition im Sinne einer allgemeinen Handlungsfreiheit zustehen könnte. Auch insoweit dürften die Betroffenen jedoch enttäuscht werden: Ein Blick in das Rechtssystem der EMRK zeigt, dass dort jedenfalls die Existenz einer allgemeinen, lückenlos gegen hoheitliche Beeinträchtigungen schützenden Handlungsfreiheit von der ganz herrschenden Meinung abgelehnt wird614. Da überdies auch in den nationalen Verfassungsrechten der EU-Mitgliedstaaten eine solche Freiheit zum Teil nicht existiert615, verwundert es wenig, dass auch der EuGH bisher kein solches allgemeines „Auffanggrundrecht“ anerkannt hat616. Eine anderweitige Auffassung 617, die sich insbesondere auf das EuGH-Urteil im Fall „Hoechst“618 stützt, wird überwiegend abgelehnt619. 2.3.4.3.2.6. Allgemeiner Gleichheitssatz Schließlich wurde im Schrifttum auch noch die Frage aufgeworfen, ob die Auferlegung von sekundärrechtlichen Publizitätspflichten nicht unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten problematisch sein könnte: Dies in dem spezifischen Kontext der sog. „GmbH & Co“-Richtlinie 90/605/EWG 620 und im Hinblick darauf, dass insbesondere eine deutsche GmbH & Co. KG einerseits durch diese Richtlinie anders behandelt wird als sonstige (deutsche) Kommanditgesellschaften und andererseits gerade zur Gleichbehandlung mit Kapitalgesellschaften gezwungen wird; darin wird ein Verstoß gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gesehen621. Dieser Grundsatz gehört zu den allgemeinsten, zugleich aber auch fundamentalsten Prinzipien des Gemeinschaftsrechts, und er wurde vom EuGH schon recht frühzeitig unter zum Teil variierender Bezeichnung herausgearbeitet622. Er verbietet sowohl die Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte als auch die Gleichbehandlung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte, wenn hierfür keine sachliche Rechtfertigung vorliegt; zumindest ansatzweise 614
Siehe nur EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 2 Rn. 13; UERPMANN-WITTZACK, ebenda, § 3 Rn. 3; WEGENER, ebenda, § 5 Rn. 61 m.w.N. Zu einem ähnlich lückenbehafteten Schutz vgl. auch bereits oben 2.3.4.3.2.2. zum fehlenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 615 Dazu JARASS (Fn. 537), § 12 Rn. 16 m.w.N. 616 Siehe HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (6). 617 Vgl. etwa KINGREEN, JuS 2000, 857 (861). 618 EuGH, Rs. 46/87, Hoechst/Kommission, Slg. 1989, 2859, Tz. 15, 19. 619 Vgl. HILF/HÖRMANN, NJW 2003, 1 (6) sowie JARASS (Fn. 537), § 12 Rn. 16, jeweils m.w.N. 620 Vgl. oben Fn. 154 sowie 2.3.3.2.3.1.3. 621 Vgl. insbesondere NAUJOK, GmbHR 2003, 263 (267 ff.). 622 Zu Nachweisen siehe KINGREEN, in: EHLERS (Fn. 32), § 18 Rn. 11 f. sowie JARASS (Fn. 537), § 24 Rn. 2; eingehend außerdem etwa KISCHEL, EuGRZ 1997, 1 ff.
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deutet der EuGH überdies an, dass außerdem auch noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist623. Da sich die Diskussion um den Gleichheitssatz in erster Linie auf die „GmbH & Co.“-Richtlinie konzentriert und diese gerade den Gegenstand der nachfolgend zu erörternden EuGH-Entscheidung „Axel Springer“ bildet, sei an dieser Stelle für eine Fortführung der Diskussion auf die anschließende Darstellung verwiesen 624.
2.3.4.4. Die Entscheidung des EuGH im Fall „Axel Springer AG“: Curia locuta, causa finita? Vor dem Hintergrund der vorstehenden Darstellung zum Streit um die Grundrechtsrelevanz und etwaige Grundrechtsinkompatibilität der sekundärrechtlichen Bestimmungen über die Bilanzpublizität war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis der EuGH sich mit dieser Problematik näher zu befassen hatte. Entgegen einer mitunter vertretenen Urteilsauslegung hatte der Gerichtshof sich dazu jedenfalls im Fall „Daihatsu“ nicht eindeutig geäußert625. Da die beiden Versuche österreichischer Landesgerichte, den EuGH durch entsprechende Vorabentscheidungsersuchen zu einer eindeutigen Stellungnahme zu zwingen, an prozessualen Hindernissen scheiterten626, hatte sich vorübergehend noch eine Verzögerung ergeben. Nicht weiter ausweichen konnte der EuGH jedoch den Vorlagen, die ihn anschließend jeweils von den als Berufungsinstanz agierenden deutschen Landgerichten aus Essen und Hagen erreichten. Beide EuGH-Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass der größte deutsche Zeitungsverlag, die in Berlin ansässige Axel Springer AG, sich bei lokalen Amtsgerichten Einsicht in die Jahresabschlüsse kleinerer Medienunternehmen verschaffen wollte. 2.3.4.4.1. Sachverhalte und Fallfragen Im ersten Vorlagefall hatte die Axel Springer AG Anfang Februar 2002 beim Amtsgericht Essen den Antrag auf Einsichtnahme in den Jahresabschluss zum 31.12.2000 der Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG gestellt und zudem im Falle der Nichtvorlage die Festsetzung von Zwangs- und Ordnungsgeldern beantragt. Das Amtsgericht drohte daraufhin dem Geschäftsführer dieser Gesellschaft, Herrn Glandt, ein Ordnungsgeld von EUR 5.000,– an für den Fall, dass der bisher nicht vorgelegte Jahresabschluss nicht innerhalb von sechs Wochen eingereicht werde. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Geschäftsführers wies das Amtsgericht zurück und setzte zugleich das angedrohte Ordnungsgeld fest. Sowohl die Gesellschaft als auch ihr Geschäftsführer erhoben dagegen sofortige Beschwerde zum Landgericht Essen und machten u.a. geltend, die sog. „Kap & 623
Vgl. KINGREEN, in: EHLERS (Fn. 32), § 18 Rn. 13 f.; JARASS (Fn. 537), § 24 Rn. 6 ff. sowie allgemein auch DERS., ebenda, § 7 Rn. 51 ff. zur Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in die konkrete Grundrechtsprüfung. 624 Siehe insbesondere unten 2.3.4.4.2.3. 625 Speziell dazu GRUBER, WBl. 2005, 161 (163) m.w.N. 626 Siehe zu den Fällen „Lutz GmbH“ und „Pfanner GmbH“ bereits oben 2.3.3.2.2.1.1.1. sowie oben 2.3.4.3.2.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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Co.“-Richtlinie 90/605/EWG sei nicht mit den Gemeinschaftsgrundrechten der Berufsfreiheit, der Presse- und Rundfunkfreiheit vereinbar und verstoße auch gegen das gemeinschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Das Landgericht Essen ging bei seiner Entscheidung zwar davon aus, dass die Frage, ob die Richtlinie 90/605/EWG auf Art. 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Buchst. g EGV gestützt werden und auch nicht schutzbedürftigen Dritten Einsichtsrechte in den Jahresabschluss gewähren durfte, schon durch den EuGH in positivem Sinne entschieden worden sei. Es teilte im Übrigen aber die Zweifel an der Primärrechtskonformität der Richtlinie und stellte insbesondere im Hinblick auf die Berufsfreiheit deren Erforderlichkeit und Angemessenheit in Frage, da als milderes Mittel die Einschränkung des informationsberechtigten Personenkreises in Betracht käme und auch bei Abwägung des Geheimhaltungsinteresses der Gesellschafter mit den Richtlinienzielen ein Überwiegen der Letzteren nicht offenkundig sei. Das Landgericht fragte daher mit Vorlagebeschluss vom 25.11.2002 den EuGH, ob die sich aus der vorgenannten Richtlinie i.V.m. Art. 47 der 4. Richtlinie 78/660/EWG ergebende Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses insbesondere ohne Eingrenzung des einsichtsberechtigten Personenkreises 1. mit der Berufsfreiheit und 2. mit der Presse- und Rundfunkfreiheit vereinbar sei sowie 3. ob es der allgemeine Gleichheitssatz zulasse, dass eine KG mit einer GmbH als Komplementär gegenüber einer solchen mit einer natürlichen Person als Komplementär benachteiligt werde627. Im zweiten Vorlagefall ging es um eine nahezu identische Konstellation: Dort hatte die Axel Springer AG gleichfalls Anfang Februar 2002 beim Amtsgericht Schwelm Einsicht in den Jahresabschluss zum 31.12.2000 der Radio Ennepe-RuhrKreis mbH & Co. KG verlangt, woraufhin das Amtsgericht den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, Herrn Weske, unter Androhung eines Ordnungsgeldes von EUR 5.000,- zur Einreichung aufforderte. Herr Weske legte hiergegen unter Berufung auf die Unvereinbarkeit der Richtlinie 90/605/EWG mit höherrangigem europäischem Recht Einspruch ein, der jedoch vom Amtsgericht zurückgewiesen wurde. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht Hagen u.a. mit der Begründung zurück, der geltend gemachte Verstoß gegen höherrangiges Recht liege nicht vor; eine weitere sofortige Beschwerde wurde sodann vom Oberlandesgericht Hamm als unzulässig verworfen, woraufhin das Amtsgericht Schwelm sodann das angedrohte Ordnungsgeld festsetzte. Hiergegen beschritt Herr Weske erneut den Beschwerdeweg und trug vor, dass der Rat die fragliche Richtlinie schon nicht auf der Grundlage von Art. 44 EG habe erlassen dürfen und dass die Richtlinie überdies gegen den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz, die Berufs- und Eigentumsfreiheit sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. Nicht zuletzt unter dem Eindruck des zwischenzeitlich ergangenen Vorlagebeschlusses des LG Essen änderte nunmehr das LG Hagen seine Rechtsauffassung und schloss sich den Zweifeln an der Primärrechtskonformität der Richtlinie an. Es ging in seinem eigenen Vorlagebeschluss vom 11.2.2003 über die Argumentation des LG 627
LG Essen, ZIP 2003, 31 ff. (Volltext) = Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, ABl. C 44/12 f. (Vorlagefragen).
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Essen sogar insofern noch hinaus, als es die Reichweite der Ermächtigung durch Art. 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Buchst. g EGV (jetzt Art. 44 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. g EG) im Hinblick auf Einsichtsrechte nicht schutzbedürftiger Dritter durch das „Daihatsu“-Urteil des EuGH noch nicht eindeutig für geklärt hielt und daher eben diese Problematik als 1. Frage dem EuGH zur Beantwortung vorlegte. Im Übrigen schloss das LG Hagen sich allerdings den Ausführungen des LG Essen so umfassend an, dass es dessen Vorlagefragen dem EuGH wortwörtlich als eigene Fragen 2. bis 4. gleich noch einmal vorlegte628. Andere deutsche Gerichte setzten anschließend weitere Verfahren bis zum Ergehen einer Entscheidung des Gerichtshofs aus629. 2.3.4.4.2. Entscheidung des Gerichtshofs Der EuGH verband beide Vorabentscheidungsersuchen wegen ihres engen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung. Diese Entscheidung erging sodann am 23.11.2004 ohne mündliche Verhandlung sowie auch ohne die Sach- und Rechtslage noch einmal aufarbeitende Schlussanträge eines Generalanwalts durch Beschluss. Dieser Verfahrensweg steht dem Gerichtshof nach Art. 104 § 3 EuGHVerfO dann offen, wenn entweder „eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage mit einer Frage überein(stimmt), über die der Gerichtshof bereits entschieden hat“, oder wenn „die Antwort auf eine solche Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann“ bzw. „wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt“. Schon die Wahl dieser Entscheidungsform macht damit zum einen deutlich, dass in der sich hier aus fünf Richtern zusammen setzenden Zweiten Kammer des Gerichtshof hinsichtlich der Beantwortung der gestellten Fragen Einigkeit bestand. Zum anderen dürfte sie den Verfahrensbeteiligten bereits indiziert haben, dass keinerlei Abweichung von dem zuvor vom EuGH bereits eingeschlagenen Weg zu erwarten war. 2.3.4.4.2.1. Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV als Rechtsgrundlage Dementsprechend eindeutig fiel dann auch die Antwort des Gerichtshofs auf die zunächst von ihm erörterte 1. Vorlagefrage des LG Hagen zur Wahl des Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV (jetzt Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG) als Rechtsgrundlage für die Richtlinie 90/605/EWG aus. In Übereinstimmung mit der von Rat und Kommission vertretenen Sichtweise entschied der EuGH, dass „die Antwort auf diese Frage klar aus dem Urteil Daihatsu Deutschland abgeleitet werden kann“630: Dort sei nämlich bereits entschieden worden, dass in Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV vom „Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein“ gesprochen werde, ohne einzelne Gruppen zu unterscheiden oder gar auszuschließen. Zudem habe der Gerichtshof dort festgestellt, dass die aus Art. 54 Abs. 1 und 2 EGV folgenden wei628
LG Hagen, 11.2.2003, 23 T 5/03 (unveröffentlicht) = Rs. C-103/03, Axel Springer AG/ Betriebsgesellschaft Radio Ennepe-Ruhr-Kreis mbH & Co KG, betroffene Person: Herr HansJürgen Weske, ABl. C 112/13 (Vorlagefragen). 629 Vgl. z.B. LG Oldenburg, 8.9.2004, 12 T 778/04, sowie LG Hagen, 7.4.2003, 23 T 11/03, zitiert bei SCHMIDT, INF 2005, 75 (78) in Fn. 20. 630 Zum „Daihatsu“-Urteil siehe oben 2.3.3.2.2.1.1.1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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ten Zielvorgaben zur Aufhebung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit nicht durch Art. 54 Abs. 3 EGV eingeschränkt werde, da dort lediglich eine nicht abschließende Liste von Maßnahmen („insbesondere“) aufgeführt sei. Weiterhin sei in jenem Urteil schon hervorgehoben worden, dass nach Art. 3 i.V.m. der Vierten Begründungserwägung der 1. Richtlinie (68/151/EWG) die Führung eines öffentlichen Registers und der für jedermann eröffneten Möglichkeit zum Erhalt von Abschriften der Jahresabschlüsse dazu diene, die dort enthaltenen Informationen „jedem Dritten zugänglich zu machen, der die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennt oder kennen kann“. Schließlich finde dieses Bestreben insbesondere in der Dritten Begründungserwägung der 4. Richtlinie (78/660/EWG) seinen Niederschlag, wonach „hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften“ hergestellt werden müssten. Auf der Grundlage der 1. und 4. Richtlinie habe daher jedermann auch hinsichtlich der in der „GmbH & Co.“-Richtlinie 90/605/ EWG genannten Gesellschaften ohne Darlegung eines schutzbedürftigen Rechts oder Interesses die Möglichkeit, den Jahresabschluss und den Lagebericht einzusehen631. 2.3.4.4.2.2. Pressefreiheit und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit Hiernach befasste sich der EuGH zunächst mit den seitens der beiden deutschen Landgerichte gestellten Fragen zur Vereinbarkeit des vorstehenden „Jedermannsrechts“ mit den Gemeinschaftsgrundrechten der Berufs- und der Pressefreiheit. Die Kläger der Ausgangsverfahren hatten insofern insbesondere vorgetragen, die gesamte Betätigung der Presse- und Rundfunkunternehmern sei vom Gemeinschaftsgrundrecht der Meinungsfreiheit mitumfasst, welches für diese Unternehmen Ausnahmen von den Offenlegungspflichten der oben genannten Richtlinien verlange632. Der Gerichtshof befasste sich mit diesem Gesichtspunkt allerdings nicht näher, weil er der Ansicht war, dass im vorliegenden Fall die Frage nach der Vereinbarkeit der Publizitätspflichten mit der Meinungsfreiheit von vornherein „in der Frage nach der Vereinbarkeit dieser Verpflichtungen mit der freien Berufsausübung aufgeht“: Die fraglichen Publizitätspflichten besäßen nämlich „keinen hinreichend direkten und speziellen Zusammenhang“ mit einer von der Meinungsäußerungsfreiheit erfassten Tätigkeit, sondern beträfen „alle Unternehmen mit einer bestimmten Gesellschaftsform unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit“633. In dem er anschließend hervorhob, dass „sowohl das Eigentumsrecht als auch die freie Berufsausübung zu 631
EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 28-33. 632 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 39 f. Siehe zur Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK und zur Presse- bzw. Medienfreiheit als deren immanenter Bestandteil auch oben 2.3.4.3.2.1. 633 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 47.
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den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehören“634, stellte der EuGH seinen eigentlichen Prüfungsansatz sogar auf eine noch breitere Ausgangsgrundlage, weil damit letztlich sogar ein umfassendes Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit zum primärrechtlichen Maßstab erhoben wird. Dies ist deshalb besonders bedeutsam, weil der Gerichtshof mit diesem Ansatz auf seine ständige Rechtsprechung635 rekurrieren kann, wonach dieses umfassende wirtschaftliche Betätigungsrecht eingeschränkt werden kann, soweit die beschränkende Maßnahme dem Gemeinwohl dienende Ziele der Gemeinschaft verfolgt und dabei keinen übermäßigen, den Wesensgehalt des Grundrechts antastenden Eingriff darstellt. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen erklärte der EuGH sodann für den vorliegenden Fall eine etwaige Grundrechtsbeeinträchtigung mit aller Deutlichkeit und umfassendem Begründungsaufwand für zulässig. Diese Beurteilung stützte er auf zwei maßgebliche Argumentationsstränge: Erstens ging der Gerichtshof selbst für den Fall, dass den umstrittenen Publizitätspflichten eine „hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkung auf die freie Berufsausübung“ beizumessen sein sollte, davon aus, dass die daraus resultierenden Beschränkungen – insbesondere für das Recht eines Unternehmens zur Geheimhaltung sensibler Daten – „auf jeden Fall eindeutig gerechtfertigt“ sei: Nach den Begründungserwägungen der 4. Richtlinie verfolgten die betreffenden Offenlegungspflichten nämlich „das zweifache, dem Gemeinwohl dienende Ziel“ des Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV (jetzt Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG), einerseits Dritte vor finanziellen Risiken im Umgang mit haftungsbeschränkten Gesellschaften zu schützen und andererseits gleichwertige Mindestbedingungen für miteinander konkurrierende Gesellschaften hinsichtlich der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben zu schaffen. Die „GmbH & Co.“-Richtlinie 90/605/EWG sei ausweislich ihrer Begründungserwägungen speziell darauf gerichtet, das erstgenannte Ziel vor einer – in der Praxis immer häufiger auftretenden – Umgehung dadurch zu schützen, dass Personengesellschaften mit ausschließlich Kapitalgesellschaften als unbeschränkt haftenden Beteiligten gegründet und damit Dritte letztlich doch wieder mit den finanziellen Risiken eines nur beschränkt haftenden Gesellschaftsvermögens konfrontiert werden. Auch die Maßnahmen dieser Richtlinie dienten damit den mit Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV verfolgten Gemeinwohlzwecken636. Zweitens betonte der EuGH darüber hinaus, dass der durch die Offenlegungspflichten bei den betroffenen Unternehmen ausgelöste Nachteil „begrenzt“ erscheine und Zweifel an der Beeinträchtigung ihrer „Wettbewerbsstellung“ bestünden. Insofern sah sich der Gerichtshof zunächst durch eine Reihe von Bestimmungen der 4. Richtlinie bestätigt: Insbesondere die Art. 11, 27 und 44 bis 47 eröffneten den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Gesellschaften unterhalb bestimmter Größen-
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Vgl. EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 48. 635 Siehe dazu auch schon oben 2.3.4.3.2.3. 636 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 49-52.
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merkmale637 die Möglichkeit, die in den Jahresabschluss und Lagebericht638 aufzunehmenden Informationen sowie die Offenlegung dieser Abschlüsse zu begrenzen, und auch darüber hinaus solle Art. 45 den Eintritt erheblicher Nachteile bei der Offenlegung bestimmter Daten verhindern; davon abgesehen könnten nach Art. 46 die in den Lagebericht aufzunehmenden Angaben allgemein gehalten sein ohne Detailangaben bzgl. sensibler Daten. Ergänzend wies der EuGH speziell im Hinblick auf die besondere Zwecksetzung der „GmbH & Co.“-Richtlinie 90/605/EWG darauf hin, dass die Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften nach der 4. Richtlinie sich jeweils nur auf die Lage dieser Gesellschaften beziehen und nicht auf jene von Personengesellschaften, an denen sie beteiligt sind; letztere Gesellschaften seien aber wiederum dann von eigenen Veröffentlichungspflichten befreit, wenn ihr Abschluss zusammen mit dem Einzelabschluss der unbeschränkt haftenden Kapitalgesellschaft (nach der 4. Richtlinie) oder zusammen mit dem konsolidiertem Abschluss einer Unternehmensgruppe (nach der 7. Richtlinie) offen gelegt wird. All diese Einzelgesichtspunkte führten den EuGH per Saldo zu der Schlussfolgerung, die von der Richtlinie 90/605/EWG auferlegten Offenlegungspflichten stellten für die betroffenen Personengesellschaften jedenfalls „keinen unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff dar, der die freie Berufsausübung in ihrem Wesensgehalt antastet“639. 2.3.4.4.2.3. Allgemeiner Gleichheitssatz Abschließend wandte sich der EuGH sodann noch der jeweils letzten Vorlagefrage zu und dem Argument der Kläger beider Ausgangsverfahren, die Richtlinie 90/605/ EWG verstoße insofern gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, als die von den dort vorgeschriebenen Publizitätspflichten betroffenen sog. KapCo-Personengesellschaften gegenüber nicht veröffentlichungspflichtigen Personengesellschaften mit (mindestens) einer natürlicher Person als Vollhafter benachteiligt würden, obwohl bei den KapCo-Personengesellschaften bereits von vornherein ein besserer Gläubigerschutz erzielt werde, da ja
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Der Gerichtshof bezieht sich hierzu noch auf die Schwellenwerte für den Einzelabschluss nach der Richtlinie 1999/60/EG (Fn. 340). Danach gilt für Art. 11: Bilanzsumme 3.125.000 EUR, Nettoumsatzerlöse 6.250.000 EUR und durchschnittliche Arbeitnehmerzahl 50, wobei zwei von drei dieser Größenmerkmale nicht überschritten werden dürfen. Weiterhin gilt für Art. 27: Bilanzsumme 12.500.000 EUR, Nettoumsatzerlöse 25.000.000 EUR und durchschnittliche Arbeitnehmerzahl 250, wobei gleichfalls zwei von drei dieser Größenmerkmale nicht überschritten werden dürfen. Zu anschließenden Erhöhungen dieser Schwellenwerte durch Änderungen der 4. Richtlinie vgl. oben 2.3.3.2.3.1.1.2. 638 EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 54 spricht insofern vom „Jahresbericht“; gemeint sein dürfte der Lagebericht, wie etwa der Vergleich mit den französischen Sprachfassungen von 4. Richtlinie und EuGH-Beschluss („rapport de gestion“) zeigt. 639 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 53-58.
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schon die Komplementärkapitalgesellschaft als solche nach der 4. Richtlinie zur Veröffentlichung gezwungen sei640. Ausgehend von seiner ständigen Rechtsprechung, wonach der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass ohne objektive Rechtfertigung vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen641, widerlegte der Gerichtshof die vorstehende Behauptung einer gemeinschaftsrechtsrechtswidrigen Diskriminierung jedoch in aller Kürze und Prägnanz: Maßgebliches Unterscheidungskriterium für die Einbeziehung sog. KapCo-Personengesellschaften in den Anwendungsbereich der Richtlinie 90/605/EWG einerseits und die Ausklammerung solcher Personengesellschaften, bei denen mindestens eine natürliche Person unbeschränkt haftet, andererseits ist nämlich der Umstand, dass bei erstgenannten Personengesellschaften letztlich unter Ausschluss jeglicher persönlicher Haftung immer nur ein Gesellschaftsvermögen zur Sicherheit für Dritte zur Verfügung steht und damit mittelbar dieselben Risiken bestehen wie bei den unmittelbar in den Anwendungsbereich der 4. Richtlinie fallenden Kapitalgesellschaften. Nach Ansicht des EuGH folgt die „GmbH & Co.“Richtlinie derselben Logik wie die 4. Richtlinie und verhält sich zu dieser insofern „rein akzessorisch“, indem auch hier dem Vorteil der Haftungsbeschränkung das Korrelat einer angemessenen Offenlegung zum Schutze Dritter gegenüber gestellt wird; in eben diesem Schutz Dritter sieht der Gerichtshof den entscheidenden Rechtfertigungsgrund für die Reichweite der Richtlinie 90/605/EWG. Ausdrücklich zurückgewiesen wird dabei das auch von den vorlegenden deutschen Gerichten aufgegriffene Argument, gerade bei den KapCo-Personengesellschaften werde ein hinreichender Gläubigerschutz bereits durch die eigenen Publizitätspflichten der beteiligten Kapitalgesellschaften erreicht, denn hierzu musste der EuGH lediglich seine vorherige Feststellung wiederholen, wonach diese Offenlegung allein die Lage der jeweiligen Kapitalgesellschaft betrifft, nicht aber jene der Personengesellschaft, an der sie beteiligt ist642. 2.3.4.4.3. Bewertung Die Entscheidung des EuGH enthält ein klares Bekenntnis zu Gunsten der sekundärrechtlichen Offenlegungspflichten im Bereich des Gesellschafts- und Bilanzrechts, die ganz deutlich über den primärrechtlichen Grundrechtsschutz und das Geheimhaltungsinteresse des betroffenen Unternehmens gestellt werden. Der Gerichtshof bringt in diesem Kontext eindeutig zum Ausdruck, dass für die mit der Haftungsbeschränkung auf ein Gesellschaftsvermögen verbundene Abschirmung des Privatvermögens natürlicher Personen im Ergebnis ein beträchtlicher Preis zu zahlen ist, nämlich die umfassende Publizität der Unternehmensdaten der Gesellschaft mit der dadurch ermöglichten Kenntnisnahme nicht allein durch aktuelle 640
Vgl. EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 60 f. 641 Siehe dazu auch schon oben 2.3.4.3.2.6. 642 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-435/02, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein GmbH Co. Essen KG, und C-103/03, Axel Springer AG/Hans-Jürgen Weske, Slg. 2004, I-8663, Tz. 66-71.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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oder auch nur potentielle Gläubiger, sondern vielmehr durch jeden Dritten. Speziell für die deutsche GmbH & Co. KG bestätigt die Entscheidung des EuGH aber letztlich nur die sich aus den verschiedenen Richtlinien sowie auch der nationalen Umsetzung ohnehin bereits ergebende Rechtslage, so dass im Grundsatz damit zu rechnen ist, dass die Registergerichte zukünftig größere Strenge bei der Durchsetzung von Anträgen Dritter auf Einreichung der Jahresabschlussunterlagen walten lassen643. Betrachtet man das zum Publizitätsverhalten deutscher Unternehmen vorhandene statistische Material, wird es aus Sicht des Gemeinschaftsgesetzgebers auch „höchste Zeit“, dass die Richtlinienvorgaben nicht allein zutreffend in nationales Recht umgesetzt, sondern innerhalb der nationalen Rechtsordnung auch tatsächlich und in effektiver Weise realisiert werden: Immerhin war schon zu Beginn der 90er Jahre bekannt, dass nicht allein Großkonzerne bei der Rechnungslegungspublizität sehr zurückhaltend sind644, sondern dass insgesamt über 90 % der deutschen Kapitalgesellschaften ihren Verpflichtungen zur Offenlegung des Jahresabschlusses nicht nachkommen645. Schenkt man neueren Zahlen Glauben, hat sich auch ein gutes Jahrzehnt später an diesem Zustand in Deutschland kaum etwas verändert646, und auch in Österreich sieht die Lage nicht sehr viel besser aus647. In der Tat wird selbst nach der „Axel Springer“-Entscheidung im Schrifttum darauf hingewiesen, dass die „schlichteste Variante“ der Vermeidung von Publizitätspflichten schlichtweg in ihrer Totalverweigerung liegt, nämlich der Nichteinreichung in der Hoffnung, es werde niemanden interessieren648. Realistischer erscheint es jedoch, dass Gesellschaften zukünftig (noch) stärker von Gestaltungsmaßnahmen Gebrauch machen werden, um Publizitätspflichten auszuweichen. Gerade hinsichtlich der vor allem bei Familienunternehmen beliebten Rechtsform der GmbH & Co. KG hatte sich schon vor der Umsetzung der 643
So auch die Erwartung von SCHULZE-OSTERLOH, BB 2004, 2461. Vgl. zu einer entsprechenden Untersuchung bei deutschen Konzernen BÖTZEL, WPg 1993, 201 (205): „Die betrachteten Konzerne sind insgesamt gesehen eher publizitätsavers als publizitätsfreudig“. 645 Das bei GA COSMAS, Schlussanträge vom 5.6.1997, Rs. C-191/95, Kommission/Deutschland, Slg. 1998, I-5449, Tz. 1 zitierte Mahnschreiben der Kommission vom Juni 1990 spricht insofern von 93 %. Wie SCHINDHELM/HELLWEGE/STEIN, StuB 2000, 72 (73) mit Fn. 11 unter Hinweis auf verschiedene Untersuchungen deutscher Autoren aufzeigen, schwanken die Zahlen der Offenlegungsquote zwischen 3,6 % und 10 bis 20 %. 646 Nach der anhand von Daten der Registergerichte Bremen und Stuttgart sowie des Bundesanzeigers vorgenommenen statistischen Erhebung von MARX/DALLMANN, BB 2004, 929 ff. sind für das Geschäftsjahr 2002 weniger als 5 % der mittelständischen Unternehmen ihren Publizitätspflichten nachgekommen. Wie KIESEL/GRIMM, DStR 2004, 2210 (2213) berichten, habe laut einer in 2004 von Ernst & Young durchgeführten Umfrage in einer mittelgroßen Stadt in Baden-Württemberg lediglich ein Anteil von 10 % der offenlegungspflichtigen Unternehmen einen aktuellen Jahresabschluss eingereicht, während der Verband der Vereine Creditreform e.V. immerhin von einer rechtstreuen Quote von 20 % der deutschen Unternehmen ausgehe. 647 Nach den von GRUBER, WBl. 2005, 161 (164) zitierten Statistiken haben 10 % der österreichischen Kapitalgesellschaften noch nie einen Jahresabschluss zum dortigen Firmenbuch eingereicht, und 25 % reichen mit erheblicher Verspätung ein. 648 In diesem Sinne BLAESE, NWB 1/2005 Fach 18, 4157 (4164). 644
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„GmbH & Co.“-Richtlinie ein breites Betätigungsfeld der Gestaltungsberatung abgezeichnet, welches sich allein mit Überlegungen zur „Vermeidung und Verminderung der Publizität“ befasste649. Diese Gestaltungsansätze, die inzwischen ein breites Spektrum von der nahezu „klassischen“ Variante der Aufnahme einer natürlichen Person in den Gesellschafterkreis 650 bis zu Aufweichung von Detailergebnissen im Konzernabschluss umfassen 651, werden in Zukunft noch stärkere Bedeutung erlangen 652. Daneben könnten für den Einzelabschluss auch die vom EuGH ausdrücklich angesprochenen größenabhängigen Erleichterungen nach Art. 11 und Art. 27653 sowie die durch Art. 44 bis 47 eröffneten Möglichkeiten zu verkürzten oder allgemein gehaltenen Angaben654 an Relevanz gewinnen.
2.3.4.5. Bestätigung und Ergänzung durch das EuG im Fall „Danzer u. Danzer/Rat“ Die vorstehende Grundsatzentscheidung des EuGH in Sachen „Axel Springer“ wurde im Juni 2006 durch ein Urteil des Gerichts Erster Instanz noch einmal bestätigt sowie punktuell um wichtige Aspekte ergänzt, indem nunmehr auch unmittelbar den Offenlegungsbestimmungen der 1. und 4. Richtlinie ihre Vereinbarkeit mit den Gemeinschaftsgrundrechten bescheinigt wurde. Die Entscheidung des EuG sei hier zumindest in ihren Kernbereichen abschließend noch kurz dargestellt. 2.3.4.5.1. Sachverhalt und Fallfrage Die Ausgangskonstellation dieses Falles stellte sich einmal mehr so dar, dass die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer verschiedener österreichischer GmbH’s sich geweigert hatten, die Jahresabschlüsse ihrer Gesellschaften ordnungsgemäß zu ver649
Siehe stellvertretend etwa SCHINDHELM /HELLWEGE/STEIN, StuB 2000, 72 (75 ff.) sowie auch bereits BADER/PIETSCH/SCHULZE ZUR WIESCHE, Folgen des BiRiLiG: Flucht aus der Publizität. 650 WASSMER, GmbHR 2002, 412 spricht insofern treffend von der „GmbH & Stroh KG“. 651 Zur Bandbreite vgl. KIESEL/GRIMM, DStR 2004, 2210 (2213 f.). Siehe jüngst auch noch einmal ausführlich SATTLER/MEEH, DStR 2007, 1595 ff., 1643 ff. 652 Ein erstes Beispiel bildet LG Osnabrück, BB 2005, 2461 mit Anmerkung EBKE, BB 45/2005, I: Dort war eine GmbH & Co. KG Anfang 2003 über das Registergericht auf entsprechenden Antrag des Betriebsrates der Gesellschaft zur Einreichung des Jahresabschlusses für 2001 aufgefordert worden, und Gleiches erfolgte offenbar auf Antrag eines Rechtsanwaltes für den Jahresabschluss 2002. Beide von der Gesellschaft hiergegen angestrengten Einspruchsverfahren wurden sodann zunächst mit Blick auf die Vorlagebeschlüsse im „Axel Springer“-Fall ausgesetzt und nach Ergehen des EuGH-Beschlusses fortgeführt. Zum 30.1.2005 traten sodann jedoch zwei natürliche Personen als Komplementäre in die Gesellschaft ein. Nach Auffassung des LG entfiel wegen der damit verbundenen persönlichen Haftung dieser Neugesellschafter auch für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft die Offenlegungspflicht nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die relevanten „Altjahre“ 2001 und 2002. Vgl. aus jüngster Zeit zudem OLG München, GmbHR 2008, 265 f. zu einer Ordnungsgeldfestsetzung wegen Nichteinreichens von Jahresabschlüssen in Altfällen (für vor dem 1.1.2006 begonnene Geschäftsjahre). Zur Praxis des Bundesministeriums der Justiz in diesem Zusammenhang jüngst SCHLAUSS, BB 2008, 938 ff. sowie STOLLENWERK/KRIEG, GmbHR 2008, 575 ff.; siehe außerdem LG Bonn, GmbHR 2008, 593 ff. 653 Speziell dazu VATER, KoR 2005, 130 (134). 654 Siehe dazu oben 2.3.3.2.3.1.1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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öffentlichen. Es waren gegen sie daraufhin Zwangsstrafen verhängt worden, welche sie vor den österreichischen Gerichten anfochten, mit diesem Begehren aber sowohl vor dem Oberlandesgericht Linz als auch vor dem Obersten Gerichtshof unterlagen. Die Betroffenen, das Ehepaar Danzer, unternahmen dann allerdings einen eher außergewöhnlichen Schritt: Sie erhoben nämlich Ende Februar 2002 gemäß Art. 288 EG Klage zum EuG mit dem Antrag, die Gemeinschaft zum Ersatz jenes Schadens zu verurteilen, der ihnen aufgrund der Publizitätspflichten nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der 1. Richtlinie 68/151/EWG und Art. 47 der 4. Richtlinie 78/660/ EWG (in Form der erhobenen Zwangsstrafen) entstanden sei. Das Verfahren wurde dann ab Mitte 2003 vorübergehend bis zu einer Entscheidung des EuGH in den miteinander verbundenen „Axel Springer“-Fällen ausgesetzt und nach Ergehen des dortigen Beschlusses wieder aufgenommen. 2.3.4.5.2. Entscheidung des Gerichts Erster Instanz In seinem Urteil kam das EuG zunächst aufgrund ausführlicher prozessualer Erwägungen zu der Entscheidung, dass die Klage bereits unzulässig ist, weil sie letztlich auf eine Überprüfung der Gültigkeit der fraglichen Richtlinienbestimmungen durch den Gemeinschaftsrichter zielte und damit einen Missbrauch des eigentlichen Zwecks der Schadensersatzklage darstellt655. Das Gericht beließ es jedoch nicht hierbei, sondern stellt „nebenbei“ und „der Klarheit halber“ mit eingehender Begründung fest, „dass an der Gültigkeit der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie keine Zweifel bestehen“ und folglich der Schadensersatzanspruch auch der Sache nach nicht durchgreifen kann656: Erstens liegt nach Auffassung des EuG kein Verstoß gegen den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, gegen die Grundsätze des freien Wettbewerbs und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen das Eigentumsrecht vor. Hierzu verwies das Gericht vollumfänglich auf die Ausführungen des EuGH in „Axel Springer“, wonach selbst im Falle von hinreichend direkten und bedeutsamen Auswirkungen der fraglichen Offenlegungspflichten auf die genannten Rechte jedenfalls eine eindeutige Rechtfertigung gegeben sei657: Zum einen verfolgten die 1. und 4. Richtlinie das zweifache, dem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse dienende Ziel des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG, Dritte vor Haftungsrisiken zu schützen und gleichwertige Mindestbedingungen für miteinander konkurrierende Gesellschaften herzustellen. Zum anderen sei ein potentieller Schaden bei den Publizitätspflichtigen gering, zumal die Art. 11, 27 und 44 bis 47 der 4. Richtlinie bestimmte Möglichkeiten der Begrenzung der im Jahresabschluss und Lagebericht zu veröffentlichenden Informationen vorsähen, so dass jedenfalls im Ergebnis kein unverhältnismäßiger, die vorgenannten Rechtspositionen in ihrem Wesensgehalt antastender Eingriff vorliege658. 655
EuG, Rs. T-47/02, Manfred Danzer u. Hannelore Danzer gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 2006, II-1779, Tz. 25-39. 656 EuG, Rs. T-47/02, Manfred Danzer u. Hannelore Danzer gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 2006, II-1779, Tz. 40, 51-52. 657 Vgl. insofern oben 2.3.4.3.2.2. 658 EuG, Rs. T-47/02, Manfred Danzer u. Hannelore Danzer gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 2006, II-1779, Tz. 42-44.
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Zweitens sah das EuG auch keinen Verstoß gegen das Recht auf Schutz der persönlichen Daten darin begründet, dass die nach der 1. und 4. Richtlinie offen zu legende Gewinn- und Verlustrechnung u.a. den Personalaufwand und die den Mitgliedern von Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen gewährten Bezüge umfasst (Art. 23 Nr. 6, Art. 24 Nr. 3 und Art. 43 Abs. 1 Nr. 12 der 4. Richtlinie), da die Richtlinien keine namentliche Benennung oder sonstige Identifizierbarkeit der Empfänger verlangten und sogar gruppenbezogene Angaben ausreichten. So weit im konkreten Urteilsfall die beiden österreichischen Gesellschaften mit Herrn Danzer nur einen einzigen Aufsichtsrat sowie mit ihm und seiner Ehefrau nur zwei Gesellschafter und Geschäftsführer hätten, ergebe sich aus der Richtlinie nichts anderes; eine möglicherweise indirekte Erkennbarkeit der Einkünfte der beiden Kläger sei vielmehr auf die Sachverhaltsumstände des Einzelfalles sowie darauf zurückzuführen, dass im österreichischen Firmenbuch die Identität der Gesellschafter und Geschäftsführer veröffentlicht werde659. Drittens verneinte das EuG auch einen Verstoß gegen das Recht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen. Hierfür sei nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Erhebung einer strafrechtlichen Anklage im weitesten Sinne erforderlich, wovon jedoch bei der durch die 1. und 4. Richtlinie in allgemeiner Weise auferlegten Pflicht zur Veröffentlichung von Jahresabschlüssen keine Rede sein könne660. Viertens betonte das EuG zum Abschluss ausdrücklich, dass auch die von den Klägern erhobenen Rügen einer fehlende Rechtsgrundlage für die 1. und 4. Richtlinie sowie eines Verstoßes gegen Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG nicht durchgreifen können. Ohne insofern auf die Ausführungen des EuGH in seinen grundlegenden Entscheidungen in Sachen „Daihatsu“661 oder auch „Axel Springer“662 einzugehen, konzentrierte sich das EuG auf die Widerlegung der dem Klägervorbringen zu Grunde liegenden Prämisse, mit einer Harmonisierungsrichtlinie dürften keine völlig neuen Bestimmungen geschaffen werden, die zuvor in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten noch nicht vorhanden gewesen seien. Hierzu verweist das Gericht auf das allgemeine Koordinierungsziel der auf Art. 44 EG gestützten Richtlinien, die aus der Heterogenität der nationalen Rechtsordnungen resultierenden Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit abzubauen, sowie auf die konkrete Intention des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG, gleichwertige Mindestbedingungen für miteinander konkurrierende Gesellschaften im Hinblick auf die von ihnen zu veröffentlichenden finanziellen Angaben herzustellen. Letztere Zielsetzung erlaube sowohl die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Aufhebung bereits bestehender Bestimmungen als auch zur Einführung gänzlich neuer Vorschriften, und beides setze nicht
659
EuG, Rs. T-47/02, Manfred Danzer u. Hannelore Danzer gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 2006, II-1779, Tz. 45-46. 660 EuG, Rs. T-47/02, Manfred Danzer u. Hannelore Danzer gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 2006, II-1779, Tz. 47-48. 661 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1.1. 662 Siehe oben 2.3.4.3.2.1.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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etwa zwingend den Erlass einer Verordnung voraus, sondern sei ebenso mit einer Richtlinie erreichbar663.
2.3.5. Zusammenfassung und Ausblick Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass bereits nach den grundlegenden Spielregeln des Binnenmarktes – insbesondere den primärrechtlichen Grundfreiheiten – und ihrem Verständnis durch den EuGH von Unternehmen nicht allein ein hohes Maß an Informationsbereitschaft hinsichtlich der von ihnen angebotenen Waren und Dienstleistungen verlangt wird, sondern vor allem auch im Hinblick auf das jeweilige Unternehmen „als solches“ betreffende Daten. Schon insofern gilt das Prinzip, dass Information und Wahlmöglichkeit als Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb betrachtet werden 664. Diesem „Informationsmodell“ haben sich auch die Europäische Kommission sowie letztlich ebenso der Gemeinschaftsgesetzgeber verschrieben, so weit es um die Schaffung von Regelungen für die Marktteilnahme von Unternehmen und speziell von Kapitalgesellschaften geht: Schon bei den sekundärrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen im Gesellschafts- sowie vor allem im Bilanzrecht ist ein deutliches Übergewicht von Publizitätspflichten gegenüber eigentlichen Sachnormen zu konstatieren, und dieses Pflichtenmaß steigt im Falle einer Kapitalmarktorientierung noch erheblich an. Insbesondere Aktiengesellschaften mit Anteilen, die an einem geregelten oder gar amtlichen Markt gehandelt werden, unterliegen diesbezüglich heute einem ganz beträchtlichen Pflichtenprogramm665. Diesem Pflichtenprogramm gegenüber stehen die Interessen der betroffenen Gesellschaften, bestimmte Unternehmensdaten gerade nicht zu veröffentlichen, weil sie in der freien Verfügbarkeit dieser Informationen für Kunden, Lieferanten und sonstige Geschäftspartner, aber auch für Arbeitnehmer und insbesondere Konkurrenten ein Gefährdungspotential für die eigene wirtschaftliche Position, wenn nicht gar die eigene Existenz sehen666. Diesen Befürchtungen kann nicht bereits a priori die grundsätzliche Berechtigung abgesprochen werden, zumal die öffentlichen Zugangsmöglichkeiten sich mit dem jüngst stark forcierten Einsatz elektronischer (Internet-)Medien ganz erheblich verbessert haben. Die Erkenntnis, dass jede Publizität letztlich nur so gut ist wie ihre tatsächliche Verbreitung667, gewinnt in Zeiten einer „digitalen Revolution“ mit umfassenden elektronischer Handelsund Unternehmensregister 668 eine ganz neue Bedeutung, wenn hilfreiche Suchmas663
EuG, Rs. T-47/02, Manfred Danzer u. Hannelore Danzer gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 2006, II-1779, Tz. 49-50. 664 Vgl. GRUNDMANN, ZIP 2004, 2401 (2408). 665 Siehe nur den katalogmäßigen Überblick über die verschiedenen Publizitätspflichten bei Noack, Status:Recht 2007, 56 ff. 666 Die – als solche gleichfalls nicht unberechtigte – Frage, ob und inwiefern auch bestimmte Privatanschriften der Öffentlichkeit bekannt werden dürfen (vgl. dazu SEIBERT/WEDEMANN, GmbHR 2007, 17 ff.), wird gegenüber existentiellen Grundängsten vielfach nur sekundäre Relevanz entfalten. 667 In diesem Sinne bereits HOPT, ZGR 1980, 225 (251). Ebenso NOACK, AG 2003, 537. 668 Siehe http://www.unternehmensregister.de.
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ken und Browserfunktionen die gezielte Recherche nach Informationen bequem ermöglichen und in Sekundenschnelle systematisch aufbereitete Ergebnisse liefern. Dem bereits vor Jahren heraufbeschworenen Bild vom „gläsernen Unternehmen“669 ist man nunmehr jedenfalls ein ganzes Stück näher gerückt – nicht ohne guten Grund wird im Schrifttum auch sehr plakativ vom „Big Bang“ für den Bereich der Unternehmenspublizität670 oder vom „One Stop Shop“ für unternehmensbezogene Informationen gesprochen671. Bei der Messung der sekundärrechtlichen Offenlegungspflichten des Gesellschafts- und Bilanzrechts an primärrechtlichen Grundrechtspositionen der betroffenen Unternehmen haben sich sowohl der EuGH als auch das EuG jüngst sehr zurückgehalten und dem Gemeinschaftsgesetzgeber damit einen weitreichenden Regelungsspielraum eröffnet. Entscheidend war dabei für die Richter in Luxemburg der – bereits im „Daihatsu“-Urteil672 angelegte und im Rahmen der Fortschreibung durch den „Axel Springer“-Beschluss673 noch etwas näher konkretisierte – Gedanke, dass die maßgebliche Harmonisierungsgrundlage des Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG einem doppelten Gemeinwohlzweck diene, nämlich zum einen dem Schutz Dritter vor finanziellen Risiken im Umgang mit haftungsbeschränkten Gesellschaften und zum anderen der Herstellung gleichwertiger Mindestbedingungen für miteinander konkurrierende Gesellschaften hinsichtlich der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben. Bei genauerer Betrachtung ließe sich allerdings hinterfragen, ob dem zweiten Regelungszweck insofern tatsächlich ein relevantes „Eigengewicht“ zukommt, welches den unternehmerischen Geheimhaltungsinteressen entgegen gehalten werden kann: Denn schließlich ist es der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst, der die maßgebliche „bench mark“ für den Umfang der EU-weiten Harmonisierung der Publizitätserfordernisse in einer bestimmten Höhe festlegen kann. Wenn dann aber das Ergebnis einer solchen Festlegung – nämlich die Intensität der mittels einer Richtlinie vorgeschriebenen Offenlegungspflichten – letztlich nur mit dem (insofern an sich ergebnisoffenen) Regelungsauftrag gerechtfertigt wird, so wirkt dies wenig überzeugend, sondern eher zirkulär. Um so mehr Bedeutung gewinnt dann aber der erstgenannte Regelungszweck, der sich auf die Kurzformel bringen lässt, dass die Publizitätspflichten der Preis sind, den ein Unternehmen für die Marktteilnahme mit einer auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung zahlen muss 674. Das spricht aber wiederum dafür, diesen Preis der Publizität nur insofern zu verlangen, wie sich das spezifische Gefahrenpotential der Haftungsbeschränkung in einer auch nur ansatzweise risikotypischen Weise zu realisieren vermag. Ein solches Gefahrenpotential ist jedoch nicht bereits aus der bloßen Existenz einer Gesellschaft heraus und damit zugleich schlichtweg gegenüber „jedermann“ anzunehmen, sondern es kann letztlich über-
669
Vgl. hierzu bereits oben 2.3.4.3.1.; zurückhaltend allerdings SCHLOTTER, BB 2007, 1 (5). Vgl. oben 2.3.3.2.2.1.1.2. 671 So unlängst NOACK, Status:Recht 2007, 54. 672 Siehe oben 2.3.3.2.2.1.1.1. 673 Siehe oben 2.3.4.4.2.1 und 2.3.4.4.2.2. 674 Vgl. dazu bereits oben 2.3.3.1.2. 670
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
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haupt nur insofern existieren, wie Dritte im Rahmen der Marktteilnahme der Gesellschaft mit dieser in Berührung kommen oder zumindest kommen könnten. Es wird sich dabei typischerweise um Situationen handeln, in denen auch die betreffenden Dritten ihrerseits am Markt teilnehmen, d.h. innerhalb des hier zu betrachtenden Binnenmarktes ihrerseits von eigenen Rechten – insbesondere den wirtschaftlichen Grundfreiheiten – Gebrauch machen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet kann insofern durchaus von einer „Gemengelage“ aus (auf Geheimnisschutz zielenden) Grundrechten der Gesellschaften und (auf bestmögliche Information gerichteten) Grundfreiheiten der übrigen Marktteilnehmer gesprochen werden. Damit gewinnt jedoch der hier diskutierte Bereich eine zusätzliche primärrechtliche Dimension, denn es geht nicht mehr allein um die Messung von Sekundärrechtsmaßnahmen an den EU-Grundrechten der publizitätspflichtigen Unternehmen, sondern darüber hinaus auch um die Auflösung möglicher Spannungsverhältnisse zwischen zwischen Grundrechten und Grundfreiheiten675, d.h. letzten Endes um eine Frage der Abwägung zwischen prinzipiell gleichwertigen Rechtsgütern mit dem Ziel der Herstellung einer „praktischen Konkordanz“676 zwischen diesen. Vor diesem Hintergrund besteht jedenfalls im Bereich des Gesellschafts- und Bilanzrechts Anlass, die bisherigen Harmonisierungsansätze hinsichtlich des objektiven Umfangs der von Unternehmen (Kapitalgesellschaften und ebenso auch GmbH & Co. KG) zu erteilenden Informationen, möglicherweise aber auch hinsichtlich des subjektiven Zugangs zu diesen Informationen noch einmal zu überdenken. Zumindest kann insofern nicht etwa generell davon ausgegangen werden, dass die Grundrechte der Unternehmen auf Schutz sensibler Daten von vornherein einem generellen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit den Vorrang zu gewähren haben. Zu ergänzen ist allerdings, dass im Bereich des Kapitalmarktrechts die Situation anders darstellt: Dort ist nämlich allgemein anerkannt, dass der Schutz des Marktes als funktionsfähige Institution einen selbstständigen Schutzzweck dar-
675
Siehe zu solchen Spannungsverhältnissen etwa EHLERS, in: DERS. (Fn. 32), § 14 Rn. 13 sowie eingehend SCHINDLER, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, insbesondere 121 ff. 676 In diese Richtung auch bereits NAUJOK, GmbHR 2003, 263 (264). Einen ähnlichen Ansatz hat auch EuGH, Rs. C-101/01, Lindqvist, Slg. 2003, I-12971, Tz. 79 ff. gewählt im Hinblick auf den Schutz privater Daten durch die Richtlinie 95/46/EG (oben Fn. 582) und deren möglicherweise durch die Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK geschützte Veröffentlichung durch Dritte: Dort lehnte der Gerichtshof zwar einen Grundrechtsverstoß der Richtlinie ab, entschied jedoch, es müsse „ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den genannten Rechten und Interessen eher auf nationaler Ebene im Stadium der die Richtlinie 95/46 umsetzenden Regelung auf konkrete Fälle gefunden werden“. Demgemäß hätten „die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit der Richtlinie 95/46 auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung der Richtlinie stützen, die mit den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert“.
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stellt677, der sich mit beachtlichem „Eigengewicht“ zusätzlich zu den Grundfreiheiten der Anleger in die Waagschale werfen lässt. Möglicherweise sind es in der Sache auch einige der vorstehenden Überlegungen, welche die Kommission in allerjüngster Zeit nunmehr dazu gebracht haben, die bisherigen Ansätze der Harmonisierungsgesetzgebung neu zu überdenken. Interessant ist allerdings, dass die unlängst von der Kommission gestartete Initiative zur „Vereinfachung des Unternehmensumfelds“678 gerade im Bereich des Gesellschafts- und Bilanzrechts sich vordergründig zum einen auf die grundlegenden Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 2, 3 EG) zurückzieht679 und zum anderen vor allem den hohen Verwaltungsaufwand für die betroffenen Unternehmen zum Anlass für eine Neuorientierung nimmt. Für den Bereich des Gesellschaftsrechts sind die angedachten Schritte allgemein angelegt und gehen sehr weit: Die Kommission hält eine stärkere Konzentration auf grenzüberschreitende Probleme und in diesem Zusammenhang eine vollständige Aufhebung der 2., 3., 6. und 12. Richtlinie für eine „durchaus gangbare Option“680, strebt aber zumindest eine Vereinfachung der 2., 3. und 6. Richtlinie an681; außerdem sollen die Publizitätsanforderungen der 1. und 11. Richtlinie herabgesetzt werden, so insbesondere bzgl. der Veröffentlichungen in nationalen Gesetzblättern und der Anerkennung von Übersetzungen 682. Für den Bereich des Bilanzrechts hat die Kommission primär kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in den Blick genommen: Hier hält sie selbst die Initiative des IASB hinsichtlich des Standardentwurfs eines IFRS für KMU683 für unzureichend. In ihrer Mitteilung vom Juli 2007 hat die Kommission angeregt, eine neu in die 4. Richtlinie einzuführende Kategorie von „Kleinstbetrieben“ (weniger als 10 Beschäftigte, Bilanzsumme unter EUR 500.000 und Umsatz unter EUR 1 Mio.) künftig vollständig von der Rechnungslegungspflicht auszunehmen; weiterhin sollen 677
Siehe oben 2.3.3.2.4. Vgl. zudem auch oben 2.3.3.1.4. zu dem Umstand, dass für Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich des Kapitalmarktrechts bei der Wahl der tauglichen Harmonisierungskompetenz(en) regelmäßig über Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG hinausgegriffen wird. 678 Mitteilung der Kommission KOM (2007) 394 endg. vom 10.7.2007 „über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung“. Allgemein dazu etwa SCHMIDT-GERDTS, Status:Recht 2007, 272; KNORR/BEIERSDORF/SCHMIDT , BB 2007, 2111 ff. 679 Hier ist eine gewisse Parallele erkennbar zur kürzlich erfolgten Änderung des EndorsementVerfahrens für IAS durch das sog. „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“: Dort ist vorgesehen, dass ein Kommissionsvorschlag u.a. dann abgelehnt werden kann, wenn er gegen die Primärrechtsgrundsätze der Subsidiarität oder Verhältnismäßigkeit verstößt; vgl. oben 2.3.3.2.3.2.1. 680 Mitteilung KOM (2007) 394 endg. (Fn. 678), Tz. 3.1.1. 681 Mitteilung KOM (2007) 394 endg. (Fn. 678), Tz. 3.1.2. Siehe speziell zur 3. und 6. Richtlinie insofern TEICHMANN, Status:Recht 2007, 272; speziell zur 2. Richtlinie MAUL, Status:Recht 2007, 273 f. Im Anschluss an eine von KPMG durchgeführte Studie scheint die Kommission von Änderungen der 2. Richtlinie in näherer Zukunft Abstand nehmen zu wollen. Vgl. hierzu MAUL/RICHARD, Status:Recht 2008, 169 f.; ULLRICH, Status:Recht 2008, 171; MAUL, Status:Recht 2008, 171. 682 Mitteilung KOM (2007) 394 endg. (Fn. 678), Tz. 3.2. Dazu auch Noack, Status:Recht 2007, 274. 683 Vgl. oben 2.3.3.2.3.2.2.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
251
„Kleinunternehmen“ künftig erst dann den strengeren Rechnungslegungs- und Prüfungspflichten für „mittlere Unternehmen“ unterliegen, wenn sie die in der 4. Richtlinie vorgesehenen Schwellenwerte684 nicht lediglich zwei, sondern vielmehr fünf Jahre hintereinander überschreiten; zudem sollen für „Kleinunternehmen“ die Veröffentlichungspflichten entfallen685. Zumindest in Deutschland ist im Anschluss an diesen Vorstoß der Kommission die Diskussion bereits in vollem Gange, ob nicht statt einer bloßen Vereinfachung eine vollständige Abschaffung der handelsrechtlichen Rechnungslegungs- und Prüfungspflichten erwogen werden sollte oder ob dies einer Kapitulation der Kommission vor ihrer eigenen Überregulierung und der Offenlegungsverweigerung seitens der Unternehmen gleichkäme686. Festzustellen ist abschließend, dass die Kommssion selbst ihre in 2007 publik gemachten Ambitionen jüngst wieder deutlich zurückgestuft hat: Die im Zuge des Abbaus von Verwaltungslasten als „Sofortmaßnahmen“687 vorgelegten Richtlinienvorschläge vom April 2008 tragen zwar einerseits dem angekündigten Ziel Rechnung, durch Änderung der die 1. und 11. Richtlinie auf die bisher dort vorgesehenen Veröffentlichungen in den nationalen Amtsblättern bzw. Vorlagen von Übersetzungen zu verzichten688. Andererseits bleiben die nunmehr vorgeschlagenen Änderungen der 4. und 7. Richtlinie hinter den oben dargelegten Ansätzen des Vorjahres zurück, indem lediglich für mittelgroße Unternehmen punktuelle Vereinfachungen für die Aufstellung des Bilanzanhangs zum Einzelabschluss vorgesehen sind (bzgl. Angaben zu Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens bzw. zur Umsatzaufschlüsselung nach Tätigkeitsbereichen und geografisch bestimmten Märkten) und im Übrigen Mutterunternehmen mit Töchtern von „untergeordneter Bedeutung“ vom IFRS-Konzernabschluss ausgenommen werden 689. Zu weiter gehenden Änderungsmaßnahmen äussert sich die Kommission in ihren Richtlinienvorschlägen nicht690. Daher bleibt insbesondere die vollständige Herausnahme von
684
Zur letzten Änderung der Schwellenwerte durch die Richtline 2006/46/EG siehe oben 2.3.3.2.3.1.1.2. 685 Mitteilung KOM(2007) 394 endg. (Fn. 678), Tz. 4 mit Anhang 4 Tz. 1 bis 3. Vgl. dazu KNORR/ LANFERMANN, Status:Recht 2007, 275. 686 Vgl. hierzu die Kontroverse bei LENZ, BB 2007, Heft 24, I; FRIDERICHS, BB 2007, 2508 f.; LENZ, BB 2007, 2509 f. 687 Siehe MEMO/08/152 der EU-Kommission vom 10.3.2008 sowie Pressemitteilung IP/08/598 vom 17.4.2008. 688 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG und 89/666/EWG des Rates im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, KOM(2008) 194 endg. vom 17.4.2008. 689 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates im Hinblick auf bestimmte Pflichtangaben mittlerer Unternehmen sowie die Pflicht zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses, KOM(2008) 195 endg. vom 17.4.2008. 690 Auch das begleitende Arbeitspapier SEK(2008) 467 der Kommission vom 17.4.2008 geht hierauf nicht ein.
252
Axel Cordewener
„Kleinstunternehmen“ aus den bilanziellen Publizitätspflichten weiter offen691; allenfalls im gesellschaftsrechtlichen Bereich (speziell zur 3. und 6. Richtlinie) soll dem Vernehmen nach noch ein weiteres Tätigwerden in 2008 zu erwarten sein 692.
Literatur AKERLOF, GEORGE A.
ALVAREZ, MANUEL/ WOTSCHOFSKY, STEFAN ARBEITSGRUPPE EUROPÄISCHES GESELLSCHAFTSRECHT („GROUP OF GERMAN EXPERTS ON CORPORATE LAW“)
ARBEITSKREIS BILANZRECHT DER HOCHSCHULLEHRER RECHTSWISSENSCHAFT ARMBRÜSTER, CHRISTIAN ASSMANN, HEINZ-DIETER
ASSMANN, HEINZ-DIETER/ BUCK, PETRA BADER, FRANZ-J OSEF/ PIETSCH, REINHART/ SCHULZE ZUR WIESCHE, DIETER BAETGE, JÖRG/ BRÜGGEMANN, BENEDIKT/ HAENELT, TIMO
BAETGE, JÖRG/ MARESCH, DANIELA/ S CHULZ, ROLAND BAK, JACEK/ BIGUS, JOCHEN BALDAMUS, ERNST-AUGUST BALZER, PETER BAUMS, THEODOR BAYER, WALTER
691
The Market for „Lemons“: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 Quarterly Journal of Economics 1970, S. 488 ff. Unterjährige Publizität gemäß IAS 34, StuB 2000, S. 653 ff. Zur Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts, Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht („Group of German Experts on Corporate Law“) zum Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, ZIP 2003, S. 863 ff. Stellungnahme zu dem Entwurf eines BilMoG: Grundkonzept und Aktivierungsfragen, BB 2008, S. 152 ff. Golden Shares und die Grundfreiheiten des EG-Vertrags – EuGH, NJW 2002, 2303, 2305, 2306, JuS 2003, S. 224 ff. Die Regelung der Primärmärkte für Kapitalanlagen mittels Publizität im Recht der Europäischen Gemeinschaft, AG 1993, S. 549 ff. Europäisches Kapitalmarktrecht, EWS 1990, S. 110 ff. Folgen des BiRiLiG: Flucht aus der Publizität, Bonn 1998.
Erweiterte Offenlegungspflichten in der handelsrechtlichen Lageberichterstattung – Übernahmerechtliche Angaben und Erläuterungen nach § 315 Abs. 4 HGB und E-DRS 23, BB 2007, S. 1887 ff. Zur (Un-)Möglichkeit des Zeitvergleichs von Kennzahlen, DB 2008, S. 417 ff. Kapitalmarkteffizienz versus zwingender Anlegerschutz im Aktienrecht, ZBB 2006, S. 430 ff. Reform der Kapitalrichtlinie, Köln/Berlin/Bonn/München 2002. Der Vorschlag der EG-Kommission für eine neue Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, ZBB 2003, S. 177 ff. Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht, AG 2007, S. 57 ff. Informationsrechte bei der Verschmelzung von Aktiengesellschaften, AG 1988, S. 323 ff.
Eine solche Entlastungsmaßnahme wurde jüngst vom Europäischen Parlament in einer Entschließung vom 21.5.2008 (dort Tz. 17) zu den Kommissionsvorschlägen von 2007 noch ausdrücklich begrüßt. 692 Siehe SCHMIDT-GERDTS, Status:Recht 2008, 190 f.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
BAYER, WALTER
BAYER, WALTER
BAYER, WALTER BAYER, WALTER BAYER, WALTER/ SCHMIDT, JESSICA BECKER, PATRICIA
BECKER, PATRICIA BECKER, PATRICIA
BECKER, PATRICIA BECKER, PATRICIA BECKER, PATRICIA BECKER, PATRICIA BECKER, ULRICH
BEER, MICHAELA/ DEFFNER, MANUEL/ FINK, CHRISTIAN BEHRENS, PETER
BEHRENS, PETER BEIERSDORF, KATI/ DAVIS, ANNETTE BEIERSDORF, KATI/ SCHREIBER, STEFAN BIEBEL, REINHARD
BIEG, HARTMUT/ HOSSFELD, CHRISTOPHER/ KUßMAUL, HEINZ/ WASCHBUSCH, GERD
253
Zulässige und unzulässige Einschränkungen der europäischen Grundfreiheiten im Gesellschaftsrecht, BB 2002, S. 2289 ff. Transparenz und Wertprüfung beim Erwerb von Sacheinlagen durch genehmigtes Kapital, in: Habersack, Mathias u.a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag, Berlin 2003, S. 21 ff. Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht, BB 2004, S. 1 ff. Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht, ZEW Vorträge und Berichte Nr. 157, Bonn 2007. Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht (2004-2007), BB 2008, S. 455 ff. Aktionsplan Gesellschaftsrecht: Binnenkommissar entscheidet über weitere unternehmensrechtliche Initiativen, GmbHR 2005, R 261 f. Neuigkeiten vom Europäischen Corporate GovernanceForum, GmbHR 2006, R 129 ff. Zwei neuen Maßnahmen zum Aktionsplan „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“, GmbHR 2006, R 69 f. Aktueller Stand über Corporate Governance, GmbHR 2006, R 246 f. Veröffentlichung des Zweiten Zwischenberichts zum „Lamfalussy-Verfahren“, GmbHR 2007, R 74. Veröffentlichung des Fortschrittsberichts über den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen, GmbHR 2007, R 107. Richtlinienvorschlag betreffend Verschmelzung und Spaltung von Aktiengesellschaften, GmbHR 2007, R 107 f. Von „Dassonville“ über „Cassis“ zu „Keck“ – Der Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung in Artikel 30 EG-Vertrag, EuR 1994, S. 162 ff. Qualität der Segmentberichterstattung in der deutschen Publizitätspraxis, Empirische Untersuchung der Unternehmen des HDAX und SDAX, KoR 2007, S. 218 ff. Integrationstheorie – Internationale wirtschaftliche Integration als Gegenstand politologischer, ökonomischer und juristischer Forschung, 45 RabelsZ (1981), S. 8 ff. Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, S. 145 ff. IASB-Standard for Small and Medium-sized Entities: keine unmittelbare Rechtswirkung in Europa, BB 2006, S. 987 ff. Entwicklung von internationalen Rechnungslegungsstandards für mittelständische Unternehmen, DStR 2006, S. 480 ff. Anerkennung der Rechnungslegungsstandards von Drittländern – Der „EU-Gleichwertigkeitsmechanismus“, Status:Recht 2008, S.154 f. Institutionen und Anerkennungsverfahren in der internationalen Rechnungslegung, StB 2006, S. 63 ff.
254 BIENER, HERBERT BLAESE, DIETRICH
BOGDANDY, ARMIN VON BOLLACHER, PETER BOSSE, CHRISTIAN
BRECHT, DINAH BRÖHMER, JÜRGEN BUCHHEIM, REGINE/ KNORR, LIESE/ SCHMIDT, MARTIN BUCHHEIM, REGINE/ ULBRICH, PHILIPP BUCHHEIMER, REGINE/ GRÖNER, SUSANNE/ KÜHNE, MAREIKE BUCK-HEEB, PETRA BUSSE VON COLBE, WALTHER
CAHN, ANDREAS/ GÖTZ, JÜRGEN CALLIESS, CHRISTIAN
CALLIESS, CHRISTIAN
CAMPOS NAVE, JOSE A. CLAUSNITZER, J OCHEN
CLAUSNITZER, J OCHEN/ BLATT, ANDREAS CORDEWENER, AXEL CORDEWENER, AXEL
CRÜWELL, CHRISTOPH MEYER,
D´ARCY, ANNE/ ANDREAS
Axel Cordewener
Die Transformation der Mittelstands- und der GmbH & Co-Richtlinie, WPg 1993, S. 707 ff. Zur Publizität von Jahresabschlüssen – Auswirkungen der EuGH-Entscheidung vom 23.9.2004 in der Praxis, NWB 1/2005 Fach 18 S. 4157 ff. Grundrechtsgemeinschaft als Integrationsziel?, JZ 2001, S. 157 ff. Referentenentwurf zur Regelung des Internationalen Gesellschaftsrechts, RIW 2008, S. 200 ff. Wesentliche Neuerungen ab 2007 aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz für börsennotierte Unternehmen, DB 2007, S. 39 ff. Das Pflichtenprogramm börsennotierter Aktiengesellschaften im Europäischen Gesellschaftsrecht, München 2004. Die Bosphorus-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EuZW 2006, S. 71 ff. Anwendung der IFRS in Europa: Das neue EndorsementVerfahren, KoR 2008, S. 334 ff. EU-Transparenz-Richtlinie: Neuregelung der periodischen und laufenden Berichterstattung kapitalmarktnotierter Unternehmen, KoR 2004, S. 273 ff. Übernahme von IAS/IFRS in Europa: Ablauf und Wirkung des Komitologieverfahrens auf die Rechnungslegung, BB 2004, S. 1783 ff. Kapitalmarktrecht, Heidelberg 2006. Vorschlag der EG-Kommission zur Anpassung der Bilanzrichtlinien an die IAS – Abschied von der Harmonisierung?, BB 2002, S. 1530 ff. Ad-hoc-Publizität und Regelberichterstattung, AG 2007, S. 221 ff. Eigentumsgrundrecht, in: EHLERS, DIRK (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl., Berlin 2005, § 17. Die Europäische Grundrechts-Charta, in: EHLERS, DIRK (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl., Berlin 2005, § 20. Die Liberalisierung der Wegzugsfreiheit in Europa, BB 2008, S. 1410 ff. Die Novelle des Internationalen Gesellschaftsrechts – Auswirkungen auf das deutsche Firmenrecht, NZG 2008, S. 321 ff. Das neue elektronische Handels- und Unternehmensregister – Ein Überblick über die wichtigsten Veränderungen aus Sicht der Wirtschaft, GmbHR 2006, S. 1303 ff. Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Köln 2002. Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, S. 6 ff. Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, S. 243 ff. Neue Anforderungen an die Zwischenberichterstattung durch die Transparenzrichtlinie, Der Konzern 2005, S. 151 ff.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
DANWITZ, THOMAS VON DAUNER-LIEB, BARBARA/ LINKE, BERND DAUSES, MANFRED DEILMANN, BARBARA
DETTMEIER, MICHAEL/ PÖSCHKE, MORITZ DIER, CHRISTIAN/ FÜRHOFF, JENS DREXL, JOSEF DRIESEN, WERNER
DRINHAUSEN, F LORIAN/ KEINATH, ASTRID
DRINHAUSEN, F LORIAN/ KEINATH, ASTRID
DRINKUTH, HENRIK DRYGALA, TIM DUSEMOND, MICHAEL DUVE, CHRISTIAN/ KELLER, MORITZ EBKE, WERNER EDER, EVA MARIA
EHLERS, DIRK
EIDENMÜLLER, HORST (HRSG.) EIDENMÜLLER, HORST/ REHM, GEBHARD EISMAYR, RAINER
255
Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, Tübingen 1996. Digital gleich optional?!, DB 2006, S. 767 ff. Die rechtliche Dimension des Binnenmarktes, EuZW 1990, S. 8 ff. EHUG: Neuregelung der Jahresabschlusspublizität und mögliche Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB, BB 2006, S. 2347 ff. Schwerpunktbereich – Einführung in das internationale Bilanzrecht, JuS 2007, S. 313 ff. Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, S. 604 ff. Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, Tübingen 1998. Jahresabschluss-Publizität wird zum Ernstfall: Elektronische Offenlegung bis zum Jahreswechsel 2007/2008, GmbHR 2007, R 353 f. Die grenzüberschreitende Verschmelzung inländischer Gesellschaften nach Erlass der Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften in Europa, RIW 2006, 81 ff. Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes - Erleichterung grenzüberschreitender Verschmelzungen für deutsche Kapitalgesellschaften?, BB 2006, S. 725 ff. Die Kapitalrichtlinie – Mindest- oder Höchstnorm?, Köln 1998. Die Vorschläge der SLIM-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Europäischen Gesellschaftsrechts, AG 2001, S. 291 ff. Zur Aufstellungspflicht von Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten, BB 1994, S. 2034 ff. MiFID: Die neue Welt des Wertpapiergeschäfts, BB 2006, S. 2425 ff., S. 2477 ff. und S. 2537 ff. Anmerkung zu LG Osnabrück, Beschluss vom 1.7.2005, 15 T 6/05, BB 45/2005, S. I. Anmerkung zu Oberster Gerichtshof (OGH), Beschlüsse vom 25.3.2004, 6 Ob 197/03s, 6 Ob 198/03s, 6 Ob 200/03k, 6 Ob 203/03a, 6 Ob 231/03v u. 6 Ob 302/03k, ecolex 2004, S. 718 f. Allgemeine Lehren, in: Ehlers, Dirk (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Auflage, Berlin 2005, § 2. Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, München 2004. Niederlassungsfreiheit versus Schutz des inländischen Rechtsverkehrs: Konturen des Europäischen Internationalen Gesellschaftsrechts, ZGR 2004, S. 159 ff. Verabschiedung der grenzüberschreitenden Verschmelzungsrichtlinie – Planungsüberlegungen aus gesellschaftsund steuerrechtlicher Sicht, IWB 22/2005 Fach 11 Gruppe 2 S. 705 ff.
256 EISOLT, DIRK/ VERDENHALVEN, WERNER ELSTER, NICO ERNST, CHRISTOPH/ SEIDLER, HOLGER EVERLING, ULRICH
EVERLING, ULRICH
FIEDLER, WILFRIED FIETZ, EIKE FINK, CHRISTIAN/ ULBRICH, PHILIPP FISCHER, THOMAS/ VIELMEYER, UWE
FLEISCHER, HOLGER
FLEISCHER, HOLGER
FORSTHOFF, ULRICH
FRANZ, ALEXANDER/ LAEGER, FRANZ
FREITAG, ROBERT
FRENZEL, RALF
FRENZEL, RALF
Axel Cordewener
Erläuterung des Kapitalgesellschaften und Co-RichtlinieGesetzes (KapCoRiLiG), NZG 2000, S. 130 ff. Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Sekundärmarktes, München 2002. Kernpunkte des Referentenentwurfs eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, BB 2007, S. 2557 ff. Probleme der Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts, in: Baur, Jürgen/ Hopt, Klaus/ Mailänder, Peter (Hrsg.), Festschrift für Ernst Steindorff, Berlin/New York 1990, S. 1155 ff. Das Niederlassungsrecht in der EG als Beschränkungsverbot – Tragweite und Grenzen, in: Schön, Wolfgang (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 1997, S. 607 ff. Die Europäische Menschenrechtskonvention und der Schutz des Eigentums, EuGRZ 1996, S. 354 ff. Die Europäische Privatgesellschaft (EPG) – wird sie kommen?, GmbHR 2007, R 321 f. IFRS 8: Paradigmenwechsel in der Segmentberichterstattung, DB 2007, S. 981 ff. Risikoorientierte Unternehmenspublizität – Ergebnisse einer empirischen Studie (Katholische Universität Eichstätt/ Ingolstadt 2004: http://www.ku-eichstaett.de/Fakultaeten/ WWF/Lehrstuehle/ABWL-CO/Forschung/forschungspapiere/HF_sections/content/Studie_Risk_Reporting_ 108745971726063.pdf). Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln? – Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten, Gutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, München 2002. Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden – Der DaimlerChrysler-Musterentscheid des OLG Stuttgart, NZG 2007, S. 401 ff. Internationale Verschmelzungsrichtlinie: Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit und Vorwirkung; Handlungszwang für Mitbestimmungsreform, DStR 2006, S. 613 ff. Die Mobilität deutscher Kapitalgesellschaften nach Umsetzung des MoMiG unter Einbeziehung des Referentenentwurfs zum internationalen Gesellschaftsrecht, BB 2008, S. 678 ff. „Financial Assistance“ durch die Aktiengesellschaft nach der Reform der Kapitalrichtlinie – (k)ein Freifahrtschein für LBOs?, AG 2007, S. 157 ff. Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften – nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist, RIW 2008, S. 12 ff. Regionalgericht Szeged versus OLG München: Verstößt die Ablehnung der Eintragung einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung gegen die Niederlassungsfreiheit?, EWS 2008, S. 130 ff.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
FRIDERICHS, HANS
FRISCHHUT, MARKUS
FROWEIN, JOCHEN
FÜLBIER, ROLF UWE FÜLBIER, ROLF UWE/ GASSEN, JOACHIM FÜRHOFF, JENS FÜRHOFF, JENS/ RITZ, CORINNA GEYRHALTER, VOLKER/ WEBER, THOMAS GÖRES, ULRICH
GRASHOFF, DIETRICH
GRASHOFF, DIETRICH
GRIMME, LEONIE/ BUTTLAR, JULIA VON GROHMANN, UWE GROHMANN, UWE GROHMANN, UWE/ GRUSCHINSKE, NANCY GROHMANN, UWE/ GRUSCHINSKE, NANCY GROß, WOLFGANG GROß, WOLFGANG
GRUBER, MICHAEL GRUBER, MICHAEL GRUBER, MICHAEL
257
BB-Forum: Handelsrechtliche Rechnungslegung von KMU zwischen Deregulierung und völliger Abschaffung – Erwiderung zu dem Beitrag von Lenz, BB 39/2007, Die erste Seite, BB 2007, S. 2508 f. Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften – ein Überblick über die Zehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie, EWS 2006, S. 55 ff. Der Eigentumsschutz in der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: Pfeiffer, Gerd/ Wiese, Günther/ Zimmermann, Klaus (Hrsg.), Festschrift für Heinz Rowedder zum 75. Geburtstag, München 1994, S. 49 ff. 5 Jahre Ad-hoc-Publizität: Ein Zwischenergebnis, StuB 1999, S. 1260 ff. Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG): Handelsrechtliche GoB vor der Neuinterpretation, DB 2007, S. 2605 ff. Neuregelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf europäischer Ebene, AG 2003, S. 80 ff. Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Paß für Emittenten, WM 2001, S. 2280 ff. Transnationale Verschmelzungen - im Spannungsfeld zwischen SEVIC Systems und der Verschmelzungsrichtlinie, DStR 2006, S. 146 ff. Kapitalmarktrechtliche Pflichten nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG), Der Konzern 2007, S. 15 ff. Die geplante Offenlegung von Jahres- und Konzernabschlüssen nach Einführung des digitalen Unternehmensregisters ab 2007, DB 2006, S. 513 ff. Offenlegung von Jahres- und Konzernabschlüssen nach dem in Kraft getretenen EHUG: Sanktionen und steuerrechtliche Folgen, DB 2006, S. 2641 ff. Neue Entwicklungen in der Ad-hoc-Publizität, WM 2003, S. 901 ff. Das Informationsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht, Berlin 2006. Das Informationsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht, EWS 2007, S. 540 ff. Grenzüberschreitende Mobilität von Kapitalgesellschaften in Europa, GmbHR 2006, S. 191 ff. Die identitätswahrende grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung in Europa – Schein oder Realität?, GmbHR 2008, S. 27 ff. Deutsche Gesellschaftsrecht in Europa, EuZW 1994, S. 395 ff. Zum Fall Silvio Berlusconi – Keine Strafverfolgung wegen Bilanzfälschung auf Grund einer Richtlinie, EuZW 2005, S. 371 ff. Bilanzpublizität für jedermann, Überlegungen zum „Daihatsu“-Urteil des EuGH, RdW 1998, S. 525 ff. Neues zur Bilanzpublizität, WBl. 2000, S. 251 ff. Bilanzpublizität primär- u grundrechtskonform (Rs C-435/ 02 u C-103/03 Axel Springer AG), WBl. 2005, S. 161 ff.
258 GRUNDMANN, STEFAN GRUNDMANN, STEFAN GRUNDMANN, STEFAN
GRUNDMANN, STEFAN GRUNDMANN, STEFAN
GRUNDMANN, STEFAN GRUNDMANN, STEFAN GRUNDMANN, STEFAN GRUNDMANN, STEFAN
GRUNDMANN, STEFAN/ MÖSLEIN, FLORIAN GRUNDMANN, STEFAN/ WINKLER, NINA GRUNDMANN, STEFAN/ KERBER, WOLFGANG
GRUNDMANN, STEFAN/ KERBER, WOLFGANG/ WEATHERILL, STEPHEN
HAAR, BRIGITTE
HABERSACK, MATHIAS HABERSACK, MATHIAS HABERSACK, MATHIAS HALLER, AXEL/ BEIERSDORF, KATI/ EIERLE, BRIGITTE HANDELSRECHTSAUSSCHUSS DES DAV HANDELSRECHTSAUSSCHUSS DES DAV HARITZ, DETLEF/ WOLFF, BODO
Axel Cordewener
Europäisches Kapitalmarktrecht, ZSR 1996, S. 103 ff. Europäisches Schuldvertragsrecht, Berlin/New York 1999. Information und ihre Grenzen im Europäischen und neunen englischen Gesellschaftsrecht, in: Schneider, Uwe H./ Hommelhoff, Peter/ Schmidt, Karsten (Hrsg.), Deutsches und europäisches Gesellschafts-, Konzern- und Kapitalmarktrecht, Festschrift für Marcus Lutter zum 70. Geburtstag, Köln 2000, S. 61 ff. Privatautonomie im Binnenmarkt, JZ 2000, S. 1133 ff. Information, Party Autonomy and Economic Agents in European Contract Law, 39 Common Market Law Review, 2002, S. 269 ff. Europäisches Gesellschaftsrecht, Heidelberg 2004. Ausbau des Informationsmodells im Europäischen Gesellschaftsrecht, DStR 2004, S. 232 ff. Die Struktur des Europäischen Gesellschaftsrechts von der Krise zum Boom, ZIP 2004, S. 2401 ff. The Structure of European Company Law: From Crisis to Boom, 5 European Business Organization Law Review, 2004, S. 601 ff. Die Goldene Aktie – Staatskontrollrechte in Europarecht und wirtschaftspolitischer Bewertung, ZGR 2003, S. 317 ff. Das Aktionärsstimmrecht in Europa und der Kommissionsvorschlag zur Stimmrechtsausübung in börsennotierten Gesellschaften, ZIP 2006, S. 1421 ff. Information, Intermediaries and Party Autonomy- The Example of Securities and Insurance Markets, in: GRUNDMANN, STEFAN/ KERBER, WOLFGANG/ WEATHERILL, STEPHEN (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, New York 2001, S. 264 ff. Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market – An Overview, in: GRUNDMANN, STEFAN/ KERBER, WOLFGANG/ WEATHERILL, STEPHEN (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, Berlin/New York 2001, S. 3 ff. Verbraucherschutz durch Informationsregeln beim Verbrauchsgüterkauf – Zur Struktur der Garantie gem. § 477 Abs 1 BGB, VuR 2004, S. 161 ff. Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., München 2006. Europäisches Gesellschaftsrecht im Wandel, NZG 2004, S. 1 ff. Das Aktiengesetz und das Europäische Recht, ZIP 2006, S. 445 ff. ED-IFRS for SMEs – Entwurf eines internationalen Rechnungslegungsstandards für kleine und mittelgroße Unternehmen, BB 2007, S. 540 ff. Die organschaftliche Vertretung der GbR, NZG 2005, S. 464 ff. Verlustausgleichspflicht und Jahresfehlbetrag (§ 302 AktG), NZG 2005, S. 586 ff. Internationalisierung des deutschen Umwandlungsrechts, GmbHR 2006, S. 340 ff.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
HARTWIG, MATTHIAS HAUCK, ANTON/ PRINZ, ULRICH
HAUCK, ANTON/ PRINZ, ULRICH HEBESTREIT, GERNOT/ RAHE, INGO HEINZE, STEPHAN HENNRICHS JOACHIM / SCHUBERT, DANIELA HERZIG, NORBERT HERZIG, NORBERT/ RIECK, ULRICH HEYD, REINHARD/ BAUR, ANKE
HILF, MEINHARD/ HÖRMANN, SASKIA HOCHRANGIGE GRUPPE VON EXPERTEN AUF DEM GEBIET DES GESELLSCHAFTSRECHTS HOCHRANGIGE GRUPPE VON EXPERTEN AUF DEM GEBIET DES GESELLSCHAFTSRECHTS
HOFFMANN, WOLF-DIETER/ LÜDENBACH, NORBERT HÖFNER, KLAUS HÖFNER, KLAUS/ BÄUMLER, SANDRA HOLZBORN, TIMO/ ISRAEL, ALEXANDER HOMMELHOFF, PETER HOMMELHOFF, PETER/ TEICHMANN, CHRISTOPH HOPT, KLAUS J.
HOPT, KLAUS J.
259
Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, RabelsZ 63 (1999), S. 561 ff. Die Lehren des EuGH-Urteils Velvet & Steel zur 6. Mehrwertsteuerreichtlinie für die Auslegung von europäischen Rechnungslegungsnormen, BB 2007, S. 2434 ff. Zur Auslegung von (europarechtlich übernommenen) IAS/ IFRS, Der Konzern 2005, S. 635 ff. Die neue Zwischenberichterstattung nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG), IRZ 2007, S. 111 ff. Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Primärmarktes, München 1999. EG-Rechtswidrigkeit übermäßiger Angabepflichten nach IFRS, ZIP 2007, S. 563 ff. Modernisierung des Bilanzrechts und Besteuerung, DB 2008, S. 1 ff. Europäisierung der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung im Gefolge der Tomberger-Entscheidung, IStR 1998, S. 309 ff. Die Bedeutung der Compliance – Erklärung über die Einhaltung des Corporate Governance Kodex für Vorstand und Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer und Kapitalmarktteilnehmer, StuB 2003, S. 139 ff. Der Grundrechtsschutz von Unternehmen im europäischen Verfassungsverbund, NJW 2003, S. 1 ff. Bericht über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, Brüssel, 10.1.2002 (http://europa.eu.int/comm/internal_ market/company/docs/takeoverbids/2002-01-hlgreport_de.pdf). Bericht über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, Brüssel, 4.11.2002 (http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/docs/ modern/ report_de.pdf), Annex 3 zu Ferrarini u.a. (Hrsg.), Reforming Company and Takeover Law in Europe, Oxford 2004. Der Diskussionsentwurf des IASB-Mitarbeiterstabes zum SME-Projekt, DStR 2006, S. 1903 ff. Der EuGH bestätigt die Offenlegungspflicht bei der GmbH & Co. KG, GmbHR 2004, R 481. Der Gesetzesentwurf zur elektronischen Registerführung und die Neuregelung der Unternehmenspublizität, GmbHR 2006, R 205 f. Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, S. 1668 ff. Die „Europäische Privatgesellschaft“ am Beginn ihrer Normierung, ZEW Vorträge und Berichte Nr. 163, Bonn 2008. Auf dem Weg zur Europäischen Privatgesellschaft (SPE), DStR 2008, S. 925 ff. Europäisches Kapitalmarktrecht – Rückblick und Ausblick in: GRUNDMANN, STEFAN (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, Tübingen 2000, S. 307 ff. Die Publizität von Kapitalgesellschaften, ZGR 1980, S. 225 ff.
260 HÖSCHEN, NICOLE/ VU, ANNETTE HUEMER, DANIELA
HULLE, KARL VAN/ MAUL, SILJA
HUTTER, STEPHAN/ KAULAMO, KATJA IHLE, J ÖRG IMWINKL, PETRA
IMWINKL, PETRA JANSEN, ESTHER
JARASS, HANS DIETER JARASS, HANS DIETER JARASS, HANS DIETER JARASS, HANS DIETER JOLIET, RENE
KALLMEYER, HARALD KALLMEYER, HARALD KANN, J ÜRGEN VON/ EIGLER, MIRA KERSTING, CHRISTIAN
KIEM , ROGER KIESEL, HANNO/ GRIMM , HANNO
KINDLER, PETER KINDLER, PETER
KINGREEN, THORSTEN
Axel Cordewener
Möglichkeiten und Herausforderungen der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten, WPg 2008, S. 378 ff. Bilanzrichtlinie i.d.F. der Modernisierungsrichtlinie: Finanzielle Leistungsindikatoren im (neuen) Lagebericht – Aus für größenabhängige Erleichterungen?, EWS 2006, S. 351 ff. Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Stärkung der Corporate Governance, ZGR 2004, S. 484 ff. Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, S. 471 ff. Der Informationsschutz des Versicherungsnehmers, Hamburg 2006. Expertengruppen der EU-Kommission – Neue Wege der Rechtsetzung internationaler Rechnungslegungsstandards, EWS 2007, S. 64 ff. Die neue Prüfgruppe der EU-Kommission und das neue Verfahren zur Anerkennung der IFRS, WPg 2007, S. 289 ff. Die Sanktionen der Publizitätsverweigerung nach dem Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz, DStR 2000, S. 596 ff. Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, EuR 1995, S. 202 ff. Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten II, EuR 2000, S. 705 ff. Konflikte zwischen EG-Recht und nationalem Recht vor den Gerichten der Mitgliedstaaten, DVBl. 1995, S. 954 ff. EU-Grundrechte, München 2005. Der freie Warenverkehr: Das Urteil Keck und Mithouard und die Neuorientierung der Rechtsprechung, GRUR Int. 1994, S. 979 ff. Der gemeinsame Verschmelzungsplan für grenzüberschreitende Verschmelzungen, AG 2007, S. 472 ff. Zum neuen Kommissionsvorschlag für eine Übernahmerichtlinie, DB 2002, S. 2695 ff. Aktuelle Neuerungen des Corporate Governance Kodex, DStR 2007, S. 1730 ff. Handels- und gesellschaftsrechtliche Auswirkungen der Befreiung kleiner Kaufleute und Personenhandelsgesellschaften von der Buchführungs- und Bilanzierungpflicht, BB 2008, S. 790 ff. Die Regelung der grenzüberschreitenden Verschmelzung im deutschen Umwandlungsgesetz, WM 2006, S. 1091 ff. Die Offenlegungsverpflichtung bei Kapitalgesellschaften & Co nach dem Beschluss des EuGH vom 23. 9. 2004, DStR 2004, S. 2210 ff. Niederlassungsfreiheit für Scheinauslandsgesellschaften?, NJW 1999, S. 1993 ff. Internationales Gesellschaftsrecht, Licht und Schatten im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, Status:Recht 2008, S. 68 f. Theorie und Dogmatik der Grundrechte im europäischen Verfassungsrecht, EuGRZ 2004, S. 570 ff.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
KINGREEN, THORSTEN KIRSCH, HANNO KISCHEL, UWE KISCHEL, UWE KLEINDIEK, DETLEF KLEINERT, JENS/ SCHWARZ, NICOLAI KNOF, BELA/ MOCK, SEBASTIAN
KNORR, LIESEL/ BEIERSDORF, KATI/ SCHMIDT, MARTIN KNORR, LIESEL/ LANFERMANN, GEORG KOPP-COLOMB, WOLF VON/ LENZ, JÜRGEN KORNBLUM, UDO KRAUSE, NILS/ KULPA, NORMAN KREBS, HARALD
KÜMPEL, SIEGFRIED KUNOLD, UTA/ SCHLITT, MICHAEL KUNTZE-KAUFHOLD, GREGOR
KUSSMAUL, HEINZ/ RICHTER, LUTZ/ RUINER, CHRISTOPH KUSTERER, STEFAN/ KIRNBERGER, CHRISTIAN/ FLEISCHMANN, BERNHARD KUTHE, THORSTEN/ GEISER, MARTINA KÜTING, KARLHEINZ/ BUSCH, JULIA LABBÉ, MARCUS/ STEIN, HANS-JÜRGEN BÖTZEL, STEFAN LANFERMANN, GEORG/ RÖHRICHT, VICTORIA LANGGUTH, HEIKE/ BRUNSCHÖN, FLORIAN LENTFER, THIES/ WEBER, STEFAN
261
Die Gemeinschaftsgrundrechte, JuS 2000, S. 857 ff. Aktuelle Entwicklungen in der IFRS-Rechnungslegung, DStZ 2006, S. 554 ff. Die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit durch den Europäischen Gerichtshof, EuR 2000, S. 380 ff. Zur Dogmatik des Gleichheitssatzes in der Europäischen Union, EuGRZ 1997, S. 1 ff. Rechnungslegung in der EU, ZEW Vorträge und Berichte Nr. 149, Bonn 2005. Droht vom EuGH ein neues „Daily Mail“?, GmbHR 2006, R 365 f. Der Referentenentwurf zur Neuregelung des Internationalen Gesellschaftsrechts - die „halbe Wahrheit“, GmbHR 2008, R 65 f. EU-Vorschlag zur Vereinfachung des Unternehmensumfelds – insbesondere für KMU, BB 2007, S. 2111 ff. Rechnungslegung von Kleinstbetrieben als nationale Angelegenheit, Status:Recht 2007, S. 275. Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, S. 24 ff. Bundesweite Rechtstatsachen zum Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Stand 1.1.2007, GmbHR 2008, S. 19 ff. Grenzüberschreitende Verschmelzungen, ZHR 171 (2007), S. 38 ff. Die speziellen Rechnungslegungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten für Energieversorgungsunternehmen, DB 2007, S. 1425 ff. Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Berlin 2000. Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, S. 501 ff. Verschärfung der Jahresabschlusspublizität und Publizitätswegfall bei Einbeziehung in den Konzernabschluss eines gebietsfremden Mutterunternehmens, BB 2006, S. 428 ff. Die Sitztheorie hat endgültig ausgedient!, DB 2008, S. 451 ff. Der Jahresabschluss der GmbH & Co. KG nach dem Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz, DStR 2000, S. 606 ff. Die neue Corporate Governance Erklärung, NZG 2008, S. 172 ff. Der Geschäftsbericht – Entwicklung, Ziele und Bestandteile, StuB 2003, S. 152 ff. Nachhaltigkeitsberichte als Instrumente der Unternehmenskommunikation, DB 2007, S. 2661 ff. Ein Modell zur Beschreibung der Publizitätsgüte deutscher Konzerne, WPg 1993, S. 201 ff. Auswirkungen des geänderten IFRS-Endorsement-Prozesses auf die Unternehmen, BB 2008, S. 826 ff. Segmentberichterstattung am deutschen Kapitalmarkt – Eine empirische Untersuchung am Beispiel des Prime Standards der deutschen Börse, DB 2006, S. 625 ff. Das Corporate Governance Statement als neues Publizitätsinstrument, DB 2006, S. 2357 ff.
262 LENZ, CARL OTTO/ BORCHARDT, KLAUS-DIETER (HRSG.) LENZ, HANSRUDI
LENZ, HANSRUDI LEPPERT, MICHAEL/ STÜRWALD, FLORIAN LETZEL, HANS-JOACHIM LOUVEN, CHRISTOPH LÜDENBACH, NORBERT/ HOFFMANN, WOLF-DIETER LÜDENBACH, NORBERT/ HOFFMANN, WOLF-DIETER LUTTER, MARCUS LUTTER, MARCUS LUTTERMANN, CLAUS MANDLER, UDO MANDLER, UDO MARAUHN, THILO
MARX, FRANZ J ÜRGEN/ DALLMANN, HOLGER MARX, FRANZ J ÜRGEN/ SCHARENBERG, SIGRUN MATTIL, PETER/ MÖSLEIN, FLORIAN MAUL, SILJA MAUL, SILJA
MAUL, SILJA/ LANFERMANN, GEORG/ EGGENHOFER, ERICH MAUL, SILJA/RÖHRICHT, VICTORIA MAUL, SILJA/ TEICHMANN, CHRISTOPH/ WENZ, MARTIN MAUL, SILJA/ RICHARD, MARC
Axel Cordewener
EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl., Köln etc. 2003.
Rechnungslegung- und Prüfungsvorschriften für KMU in der EU: Abschaffung statt Vereinfachung!, BB 2007, Heft 39, S. I Replik zu dem Beitrag von Friderichs (BB 2007, S. 2508 f.), BB 2007, S. 2509 f. Die insiderrechtlichen Regelungen des Vorschlags für eine Marktmissbrauchsrichtlinie und der Stand der Umsetzung im deutschen Wertpapierhandelsrecht, ZBB 2002, S. 90 ff. Ad-hoc-Publizität – Änderungen durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2003, S. 1757 ff. Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie, ZIP 2006, S. 2021 ff. Der Standardentwurf des IASB für den Mittelstand, DStR 2007, S. 544 ff. Die langen Schatten der IFRS über der HGB-Rechnungslegung, Beihefter zu DStR 50/2007. Europäisches Unternehmensrecht, 4. Auflage, Berlin/New York 1996. Das Europäische Unternehmensrecht im 21. Jahrhundert, ZGR 2000, 1 ff. Die „mangelhafte“ Umsetzung europäischer Richtlinien, EuZW 1998, S. 264 ff. IAS-Wahlrecht versus Pflichtanwendung – Die IAS im Mittelstand aus empirischer Sicht, StuB 2003, S. 582 ff. Argumente für und gegen IAS/IFRS im Mittelstand, StuB 2003, S. 680 ff. Kommunikationsgrundrechte, in: Ehlers, Dirk (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl., Berlin 2005, § 4. Jahresabschlusspublizität mittelständischer Unternehmen, BB 2004, S. 929 ff. Neue Sanktionen bei Verstößen gegen die Jahresabschlusspublizität, StuB 1999, S. 1138 ff. Die Sprache des Emissionsprospekts – Europäisierung des Prospektrechts und Anlegerschutz, WM 2007, S. 819 ff. Abschaffung der Kapitalrichtlinie? – Die Folgen, Status:Recht 2007, S. 273 f. Zunächst vom Tisch – auf lange Sicht wünschenswert: Europäische Mindestregelung zur Ausschüttungsbemessung, Status:Recht 2008, S. 171. Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Reform des Europäischen Gesellschaftsrechts, BB 2003, S. 1289 ff. Die europäische Privatgesellschaft – Überblick über eine supranationale Rechtsform, BB 2008, S. 1574 ff. Der Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, BB 2003, S. 2633 ff. Die EU Studie zur Kapitalerhaltung – Gibt es Alternativen zum europäischen Kapitalsystem? – Welche Folgen hat die Nutzung der IFRS für Gewinnausschüttungen?, Status:Recht 2008, S. 169 f.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
MERKT, HANNO MERKT, HANNO
MERKT, HANNO
MERKT, HANNO
MERKT, HANNO MERKT, HANNO/ BINDER, JENS-HINRICH MERTENS, HANS-JOACHIM MEYDING, BERNHARD/ BÖDEKER, ANNETTE
MITTELBERGER, PHILIPP
MOHR, DANIEL
MÖLLERS, THOMAS MÖLLERS, THOMAS
MÖSLEIN, F LORIAN MÜLBERT, PETER MÜLBERT, PETER/ STEUP, STEFFEN MÜLLER, ROBERT/ OULDS, MARK MÜLLER-GRAFF, PETERCHRISTIAN
NAUJOK, JAN-PIETER
263
Unternehmenspublizität – Offenlegung von Unternehmensdaten als Korrelat der Marktteilnahme, Tübingen 2001. Disclosure Rules as Primary Tool for Fostering Party Autonomy, in: GRUNDMANN, STEFAN/ KERBER, WOLFGANG/ WEATHERILL, STEPHEN (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, Berlin/New York 2001, S. 230 ff. Disclosing Disclosure: Europe‘s Winding Road to Modern Standards in Publication of Company Related Information, in: FERRARINI, GUIDO / HOPT, KLAUS J. / WINTER, JAAP / WYMEERSCH, EDDY (Hrsg.), Reforming Company Law and Takeover Law in Europe, Oxford 2004, S. 115 ff. Das Informationsmodell im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF), Sonderheft 55/2006. Gedanken zur neuen Dynamik im europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, EuZ 2004, S. 50 ff. Änderungen im Übernahmerecht nach Umsetzung der EGÜbernahmerichtlinie: Das deutsche Umsetzungsgesetz und verbleibende Problemfelder, BB 2006, S. 1285 ff. Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 3.5.1994, 1 BvR 737/94, AG 1994, S. 369 f. Gesetzentwurf über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG-E) – Willkommen im Online-Zeitalter!, BB 2006, S. 1009 ff. Die Rechtsprechung des ständigen Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Eigentumsschutz / Bilanz nach den ersten zwei Jahren (November 1998 bis April 2001), EuGRZ 2001, S. 364 ff. Keine Rückwirkung von Schwellenwerten zur Bestimmung der Größenmerkmale einer Gesellschaft?, GmbHR 2007, S. 86 ff. Das europäische Kapitalmarktrecht im Umbruch, ZBB 2003, S. 390 ff. Der BGH, die BaFin und der EuGH: Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, NZG 2008, S. 330 ff. Kapitalverkehrsfreiheit und Gesellschaftsrecht, ZIP 2007, S. 208 ff. Konzeption des europäischen Kapitalmarktrechts für Wertpapierdienstleistungen, WM 2001, S. 2085 ff. Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation am Beispiel der fehlerhaften Regelpublizität, WM 2005, S. 1633 ff. Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, S. 573 ff. Basic Freedoms – Extending Party Autonomy across Borders, in: GRUNDMANN, STEFAN/ KERBER, WOLFGANG/ WEATHERILL, STEPHEN (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, Berlin/New York 2001, S. 133 ff. Zur Vereinbarkeit der EWGRL 605/90 mit Gemeinschaftsgrundrechten, EWiR 2003, S. 67 f.
264 NAUJOK, JAN-PIETER NAUJOK, JAN-PIETER NETTESHEIM, MARTIN
NEYE, HANS-WERNER NEYE, HANS-WERNER NEYE, HANS-WERNER
NEYE, HANS-WERNER/ TIMM, BIRTE NICOLAYSEN, GERT
NIEHUS, RUDOLF NIEHUS, RUDOLF NIEMEIER, WILHELM
NOACK, ULRICH
NOACK, ULRICH NOACK, ULRICH NOACK, ULRICH NOACK, ULRICH
NOACK, ULRICH NOACK, ULRICH NOACK, ULRICH OHLER, CHRISTOPH
OVERSBERG, THOMAS
Axel Cordewener
Anmerkung zu Landgericht Essen, Vorlagebeschluss vom 25.11.2002, 45 T 1/02, ZIP 2003, S. 31 ff. Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Offenlegungspflichten der GmbH & Co. KG, GmbHR 2003, S. 263 ff. Der Grundsatz der einheitlichen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, in: RANDELSHOFER, ALBRECHT/ SCHOLZ, RUPERT/ WILKE, DIETER (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Eberhard Grabitz, München 1995, S. 447 ff. SLIM-Schlankheitskur für EG-Gesellschaftsrecht, ZIP 1999, S. 1944 ff. Die neue Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, ZIP 2005, S. 1893 ff. Kurzkommentar zu Regionalgericht Szeged (Ungarn), Vorlageschl. V. 20.4.2006 – Rs. C-210/06 „Cartesio“, EWiR Art. 43 EG 1/06, S. 459 f. Die geplante Umsetzung der Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften im Umwandlungsprozess, DB 2006, S. 488 ff. Entwicklungslinien und Perspektiven des Grundrechtsschutzes in der EU, in: BRUHA, THOMAS/ NOWAK, CARSTEN/ PETZOLD, HANS ARNO (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, Baden-Baden 2004, S. 15 ff. Der EU-Vorschlag für eine „Modernisierung“ der Bilanzrichtlinien, DB 2002, S. 1385 ff. IFRS für KMUs?, DB 2008, S. 881 ff. Die Steigerung der Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses durch die Änderungen der 4. und 7. Richtlinie, WPg 2006, S. 173 ff. Unternehmenspublizität – Bedeutung und Medien der Offenlegung von Daten des Unternehmens (Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf 2002; http://www.jura.uni-duesseldorf.de/dozenten/ noack/Texte/Noack/ BA13.pdf) Infobase für Unternehmensdaten – Gegenwart und Zukunft der Medien für Unternehmenspublizität, Köln 2003. Elektronische Publizität im Aktien- und Kapitalmarktrecht in Deutschland und Europa, AG 2003, S. 537 ff. Der Vorschlag für eine Richtlinie über Rechte von Aktionären börsennotierter Gesellschaften, NZG 2006, S. 321 ff. Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, S. 377 ff. One Stop Shop für Unternehmen: Das neue Unternehmensregister, Status:Recht 2007, S. 54 f. Publizitätspflichten – Ein Überblick, Status:Recht 2007, S. 56 ff. Bekanntmachung abschaffen; Zweigniederlassungen zentral registrieren, Status:Recht 2007, S. 274. Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 2.5.2006, C-217/04, Vereinigtes Königreich/Europäisches Parlament, EuZW 2006, S. 369 ff. Übernahme der IFRS in Europa: Der Endorsement-Prozess – Status quo und Aussichten DB 2007, S. 1597 ff.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
PAULING, REINHARD
PELLENS, BERNHARD/ JÖDICKE, DIRK/ JÖDICKE, RALF PERNICE, INGOLF PETERS, CARSTEN PETERSEN, KARL/ ZWIRNER, CHRISTIAN PEUKERT, WOLFGANG
PHILIPPS, HOLGER PIEßKALLA, MICHAEL
PÖSCHKE, MORITZ PRIESTER, HANS-J OACHIM PRINZ, ULRICH RABENHORST, DIRK RATSCHOW, ECKARDT REHM, HELMUT/ NAGLER, JÜRGEN REMIEN, OLIVER RIES, PETER RIXEN, HANS-HERRMANN RODEWALD, JÖRG/ UNGER, ULRIKE RÖH, LARS ROTH, WULF-HENNING
ROTH, WULF-HENNING
ROTHEIMER, MARIETJE
265
Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträgen vom 13.6.2006, C-380/03 – Deutsche Klage gegen EU-Tabakwerberichtlinien muss abgewiesen werden, EuZW 2006, S. 432 ff. Anwendbarkeit nicht freigegebener IFRS innerhalb der EU, BB 2007, S. 2503 ff. Der Vertrag von Lissabon – Ende des Verfassungsprozesses der EU?, EuZW 3/2008, Editorial. Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der GmbH ins Ausland, GmbHR 2008, S. 245 ff. Unternehmensbegriff, Unternehmenseigenschaft und Unternehmensformen, DB 2008, S. 481 ff. Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, EuGRZ 1981, 97 ff. Halbjahresfinanzberichterstattung nach dem WpHG, DB 2007, S. 2326 ff. Beschränkung der Niederlassungs- u. Kapitalverkehrsfreiheit durch staatliche Sonderrechte in Aktiengesellschaften – „golden shares“ (C-282/04 Kom/NL), EuZW 2006, S. 722 ff. Effektiver Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IFRS, KoR 2008, S. 325 ff. EU-Sitzverlegung – Verfahrensablauf, ZGR 1999, S. 36 ff. Reform der deutschen Rechnungslegung, DStR 2003, S. 1359 ff. Publizitätspflichten: Die Durchführungsbestimmungen zur Transparenzrichtlinie, Status:Recht 2007, S. 149. Die Aktionärsrechte-Richtlinie – neue Regeln für börsennotierte Gesellschaften, DStR 2007, S. 1402 ff. Anmerkung zu EuGH, Beschluss vom 6.11.2007, C-415/06, Stahlwerk Ergste Westig GmbH, GmbHR 2008, S. 154 ff. Grenzen der gerichtlichen Privatrechtsangleichung mittels der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, JZ 1994, S. 349 ff. Das EHUG: Ein Jahr danach – ein voller Erfolg?, Status:Recht 2008, S. 47 f. Jahresabschlußpublizität von Zweigniederlassungen ausländischer Banken, WM 1989, S. 905 ff. Zusätzliche Transparenz für die europäischen Kapitalmärkte – die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in Deutschland, BB 2006, S. 1917 ff. Compliance nach der MiFID - zwischen höherer Effizienz und mehr Bürokratie, BB 2008, S. 398 ff. Annotation to Joined Cases C-267 and C-268/91, Bernard Keck and Daniel Mithouard; Case C-292/92, Ruth Hünermund et al. v. Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, 31 Common Market Law Review, 1994, S. 845 ff. Die Niederlassungsfreiheit zwischen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot, in: SCHÖN, WOLFGANG (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 1997, S. 729 ff. Referentenentwurf zum Internationalen Gesellschaftsrecht, NZG 2008, S. 181 ff.
266 ROTT, PETER RUFFERT, MATTHIAS
SANDBERGER, CHRISTOPH SATTLER, WOLFGANG/ MEEH, GUNTHER SCHEFFLER, EBERHARD
SCHINDHELM, MALTE/ HELLWEGE, HEIKO/ STEIN, KLAUS SCHINDLER, DIERK SCHLAUß, STEFAN
SCHLOTTER, JOCHEN SCHLOTTER, JOCHEN/ REISER, TOBIAS SCHMIDT, CHRISTIAN H. SCHMIDT, CHRISTIAN SCHMIDT, CHRISTIAN
SCHMIDT-GERDTS, MATTHIAS SCHMIDT-GERDTS, MATTHIAS
SCHMIDT-GERDTS, MATTHIAS SCHMITTMANN, JENS M.
SCHNABEL, KERSTIN/ KORFF, MATTHIAS
SCHNEIDER, CARSTEN SCHNEIDER, DIETER SCHNEIDER, UWE/ GILFRICH, STEFANIE
Axel Cordewener
Europäisierung des Rechts der Finanzintermediäre, EWS 2008, S. 21 ff. Grundrecht der Berufsfreiheit, in: EHLERS, DIRK (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl., Berlin 2005, § 16. Die EU-Prospektrichtlinie – Europäischer Pass für Emittenten, EWS 2004, S. 297 ff. Vermeidung der Offenlegung von Jahresüberschüssen für die kleine GmbH durch (Vorab-)Ausschüttungen?, DStR 2007, S. 1595 ff. und S. 1643 ff. Neue Vorschriften zur Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegung nach dem Kapitalgesellschaften & Co.-Richtlinien-Gesetz, DStR 2000, S. 529 ff. Die Publizität mittelständischer Unternehmen: Gläserne Taschen für alle?, StuB 2000, S. 72 ff. Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, Berlin 2001. Neues Ordnungsgeldverfahren wegen Verletzung von Jahresabschluss-Publizitätspflichten: erste Erfahrungen und Praxistipps aus dem Bundesamt für Justiz, BB 2008, S. 938 ff. Das EHUG ist in Kraft getreten: Das Recht der Unternehmenspublizität hat eine neue Grundlage, BB 2007, S. 1 ff. Ein Jahr EHUG – die ersten Praxiserfahrungen, BB 2008, S. 118 ff. Jahresabschlußpublizität bei der GmbH & Co. KG – Luxemburg locuta, causa finita, GmbHR 2004, S. 1512 ff. Offenlegungspflichte bei der GmbH & Co. KG nach dem Beschluss des EuGH vom 23.9.2004, INF 2005, S. 75 ff. Digitalisierung der Registerführung und Neuregelung der Unternehmenspublizität: Was bringt das EHUG?, DStR 2006, S. 2272 ff. Status:Recht 2007, S. 254. Europäische Kommission stellt Binnenmarkt für Gesellschaften in Frage – Renationalisierung der Kapital- und Verschmelzungsregeln in der Diskussion, Status:Recht 2007, S. 272. Die deutlich verschlankte Vereinfachung des EU-Unternehmensrechts, Status:Recht 2008, S. 190 f. Vorlage an den EuGH zur Offenlegung einer GmbH & Co. KG – Anmerkungen zum Beschluss des LG Essen vom 25.11.2002 – 45 T 1/02, StuB 2003, S. 304 ff. Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG und ihre Änderung durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – Ausgewählte Praxisfragen, ZBB 2007, S. 179 ff. Internationales Gesellschaftsrecht vor der Kodifizierung, BB 2008, S. 566 ff. Wider Insiderhandelsverbot und die Informationseffizienz des Kapitalmarkts, DB 1993, S. 1429 ff. Die Entscheidung des Emittenten über die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, BB 2007, S. 53 ff.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
SCHOLTISSEK, WOLFGANG SCHOLZ, OLIVER SCHÖN, WOLFGANG SCHÖN, WOLFGANG SCHÖN, WOLFGANG SCHÖN, WOLFGANG SCHÖN, WOLFGANG SCHÖN, WOLFGANG
SCHÖN, WOLFGANG SCHÖN, WOLFGANG
SCHÖN, WOLFGANG
SCHÖN, WOLFGANG
SCHORKOPF, FRANK
SCHUBERT, THURE SCHULZE-OSTERLOH, JOACHIM
SCHULZE-OSTERLOH, JOACHIM
SCHULZE-OSTERLOH, JOACHIM
SCHWARZ, GÜNTHER CHRISTIAN SCHWARZE, JÜRGEN SEIBERT, ULRICH
267
Auf dem Weg zur europäischen Rechnungslegung, DStZ 2003, S. 869 ff. Die Einführung elektronischer Handelsregister im Europarecht, EuZW 2004, S. 172 ff. Gesellschaftsrecht nach Maastricht – Art. 3b EGV und das Europäische Gesellschaftsrecht, ZGR 1995, S. 1 ff. Mindestharmonisierung im europäischen Gesellschaftsrecht, ZHR 160 (1996), S. 220 ff. Zur Rechtsangleichungskompetenz der EU und zur Unternehmenspublizität in der Bundesrepublik, JZ 1998, S. 194 f. Das Bild des Gesellschafters im Europäischen Gesellschaftsrecht, RabelsZ 64 (2000), S. 1 ff. Gesellschafter-, Gläubiger- und Anlegerschutz im Europäischen Bilanzrecht, ZGR 2000, S. 706 ff. Die Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften im System der Grundfreiheiten in: SCHNEIDER, UWE H./ HOMMELHOFF, PETER/ S CHMIDT, KARSTEN (Hrsg.), Deutsches und europäisches Gesellschafts-, Konzern- und Kapitalmarktrecht, Festschrift für Marcus Lutter zum 70. Geburtstag, Köln 2000, S. 685 ff. Kompetenzen der Gerichte zur Auslegung von IAS/IFRS, BB 2004, S. 763 ff. Der Kapitalverkehr mit Drittstaaten und das internationale Steuerrecht, in: GOCKE, RUDOLF/ GOSCH, DIETMAR/ LANG, MICHAEL (Hrsg.), Körperschaftsteuer Internationales Steuerrecht Doppelbesteuerung, Festschrift für Franz Wassermeyer, München 2005, S. 489 ff. Corporate Disclosure in a Competitive Enviroment – The Quest for a European Framework On Mandatory Disclosure, Journal of Corporate Law Studies, 2006, S. 259 ff. Zwingendes Recht oder informierte Entscheidung – zu einer (neuen) Grundlage unserer Zivilrechtsordnung, in: Heldrich, Andreas u.a. (Hrsg.), Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag, München 2007, S. 1191 ff. Persönlichkeits- und Kommunikationsgrundrechte, in: EHLERS, DIRK (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Auflage, Berlin 2005, § 15 Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, München 1999. Internationale Rechnungslegung für den Einzelabschluss und für Unternehmen, die den öffentlichen Kapitalmarkt nicht in Anspruch nehmen, ZIP 2003, S. 93 ff. HGB-Reform: Der Einzelabschluß nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen unter dem Einfluß von IAS/IFRS, BB 2004, S. 2567 ff. Ausgewählte Änderungen des Jahresabschlusses nach dem Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, DStR 2008, S. 63 ff. Europäisches Gesellschaftsrecht, Baden-Baden 2000. Der Schutz der Grundrechte durch den EuGH, NJW 2005, S. 3459 ff. EHUG – das Gesetz über elektronische Handelsregister sowie das Unternehmensregister, WPg 4/2007, S. I (Editorial).
268 SEIBERT, ULRICH SEIBERT, ULRICH/ DECKER, DANIELA
SEIBERT, ULRICH/ WEDEMANN, FRAUKE SEIBT, CHRISTOPH/ HEISER, KRISTIAN SEIBT, CHRISTOPH/ HEISER, KRISTIAN SEYFRIED, THORSTEN
SIEKMANN, HELMUT
SIMMA, BRUNO/ WEILER, J./ ZÖCKLER, MARKUS SIMON, STEFAN STAAKE, MARCO
STEINDORFF, ERNST STEINDORFF, ERNST STOLLWERK, THOMAS/KRIEG, MICHAEL STRIEDER, THOMAS/ KUHN, ANDREAS STRIEDER, THOMAS/ KUHN, ANDREAS STRIEDER, THOMAS/ AMMEDICK, OLIVER STUCKERT, FRITZ STÜNKEL, KERSTIN SULTANA, AHMAD/ WILLEKE, CLEMENS TEICHMANN, CHRISTOPH TEICHMANN, CHRISTOPH
TEICHMANN, CHRISTOPH
Axel Cordewener
Das MoMiG im Bundestag verabschiedet. Endlich kommt die GmbH-Reform, BB 2008, Heft 29, S. M 1. Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) – Der Big Bang im Recht der Unternehmenspublizität, DB 2006, S. 2446 ff. Der Schutz der Privatanschrift im elektronischen Handelsund Unternehmensregister, GmbHR 2007, S. 17 ff. Analyse der EU-Übernahmerichtlinie und Hinweise für eine Reform des deutschen Übernahmerechts, ZGR 2005, S. 200 ff. Der neue Vorschlag einer EU-Übernahmerichtlinie und das deutsche Übernahmerecht, ZIP 2002, S. 2193 ff. Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neuordnung der Wohlverhaltensregeln, WM 2006, S. 1375 ff. Verletzt die Weitergabe eines im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses betreffend eine juristische Personen ein dieser zustehendes, allgemeines Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung?, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 8.2.1994, VI ZR 286/93, ZIP 1994, S. 651 ff. Kompetenzen und Grundrechte – Beschränkungen der Tabakwerbung aus der Sicht des Europarechts, Berlin 1999. Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, S. 13 ff. Die Vorverlagerung der Ad-hoc-Publizität bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen – Hemmnis oder Gebot einer guten Corporate Governance?, BB 2007, S. 1573 ff. Gemeinsamer Markt als Binnenmarkt, ZHR 150 (1986), S. 687 ff. Reichweite der Niederlassungsfreiheit, EuR 1988, S. 19 ff. Das Ordnungsgeldverfahren nach dem EHUG, GmbHR 2008, S. 575 ff. Der Corporate Governance Bericht nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex, KoR 2005, S. 562 ff. Die Offenlegung der jährlichen Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex sowie die zukünftigen Änderungen durch das EHUG, DB 2006, S. 2247 ff. Der Zwischenbericht als neues Instrument der Zwischenberichterstattung, DB 2007, S. 1368 ff. Der Regierungsentwurf des Kapitalgesellschaften- und Co.Richtlinie-Gesetzes vom 28.07.1999, StuB 1999, S. 816 ff. EG-Grundfreiheiten und Kapitalmärkte, Baden-Baden 2005. Die Neuerungen bei der Offenlegung von Jahres- und Konzernabschlüssen nach dem EHUG, StuB 2007, S. 45 ff. Corporate Governance in Europa, ZGR 2001, 645 ff. Das VW-Urteil des EuGH und seine Folgen, Anm. zu EuGH, Urteil vom 23.10.2007, C-112/05, Kommission/ Deutschland, BB 2007, S. 2577 ff. Fortschritte bei der Europäischen Privatgesellschaft, GmbHR 2008, R 113 f.
2.3. Der europarechtliche Rahmen für die Unternehmenspublizität
TEICHMANN, CHRISTOPH THEILE, CARSTEN THEILE, CARSTEN THEISEN, MANUEL RENÉ/ RAßHOFER, MARTIN THEISEN, MANUEL RENÉ/ LINN, ALEXANDER/ SCHÖLL, SEBASTIAN THENSINGEE, INGO/LIEBE, JENS TINBERGEN, JAN TONNE, KNUT
UERPMANN-WITTZACK, ROBERT
ULLRICH, CORINNA VATER, HENDRIK VEIL, RÜDIGER
VETTER, EBERHARD VOSSIUS, OLIVER WACHTER, THOMAS
WALTER, CHRISTIAN
WAßMER, PAUL WEBER, MARTIN WEBER, MARTIN WEBER, MARTIN WEBER, STEFAN
WEBER-REY, DANIELA
269
27 verschiedene Verschmelzungs- und Spaltungssysteme, Status:Recht 2007, S. 272. Rechtsgrundlagen der internationalen Rechnungslegung, IWB 12/2005 Fach 10 Gruppe 7, S. 25 ff. Darstellung des IFRS-Abschlusses – Neuerungen durch IAS 1 und IFRS 8, IWB 22/2007 Fach 10 Gruppe 7, S. 65 ff. Wie gut ist „Gute Corporate Governance“? – Ein aktueller Praxistest, DB 2007, S. 1317 ff. Die Berichterstattung des Aufsichtsrats im Wandel – Eine empirische Analyse der Aufsichtsratsberichte 2005 im Vergleich zu 1984 bis 1994, DB 2007, S. 2493 ff. Rechtliche Risiken der Corporate Governance – Erklärung, DB 2008, S. 1419 ff. International Economic Integration, 2. Auflage, Amsterdam 1965. Weitere Verzögerungen bzgl. der Anerkennung der IRFS in Europa? – Änderungen der IAS-Verordnung, Status:Recht 2008, S. 121. Höchstpersönliche Rechte und Diskriminierungsverbot, in: EHLERS, DIRK (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Auflage, Berlin 2005, § 3. Keine Änderung an der EU-Kapitalrichtlinie in unmittelbarer Zukunft, Status:Recht 2008, S. 171. EuGH bestätigt Offenlegungspflicht für GmbH & Co. KG, KoR 2005, S. 130 ff. Der Schutz des verständigen Anlegers durch Publizität und Haftung im europäischen und nationalen Kapitalmarktrecht, ZBB 2006, S. 162 ff. Die Änderungen 2007 des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2007, S. 1963 ff. Die Europäische Privatgesellschaft – Societas Europaea Privata, EWS 2007, S. 438 ff. Europäisches Gesellschaftsrecht: Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Verlegung des Verwaltungssitzes, GmbHR 2008, R 193 f. Geschichte und Entwicklung der Europäischen Grundrechte und Grundfreiheiten, in: EHLERS, DIRK (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Auflage, Berlin 2005, § 1. Die GmbH & Stroh KG als Publizitäts-Vermeidungsmodell, GmbHR 2002, S. 412 ff. Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, S. 360 ff. Der Kommissionsentwurf einer Marktmissbrauchsrichtlinie, EuZW 2002, S. 43 ff. Vom Verfassungsvertrag zum Vertrag von Lissabon, EuZW 2008, S. 7 ff. Kapitalmarkt-, Börsen- und Investmentrecht, in: DAUSES, MANFRED (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Kap. F.III, 20. Ergänzungslieferung, München 2007. Europäische Rechtsformen – Betrachtungen vor dem Hintergrund der Better-Regulation-Bemühungen, AG 2006, R 136 ff.
270 WEGENER, BERNHARD
WEISS, MICHAEL
WEISS, WOLFGANG WEITBRECHT, ANDREAS/ WILKEN, OLIVER WENG, ANDREAS WERDER, AXEL VON/ TALAULICAR, TILL WERDER, AXEL VON/ TALAULICAR, TILL WICHERS, KLAUS WIEDERHOLD, PHILIPP/ PUKALLUS, SABINE
WIENECKE, LAURENZ WILHELMI, RÜDIGER
WILLEKE, CLEMENS WINTER, JAAP WINTER, MICHAEL WUNDERLICH, NINA
ZIEMONS, HILDEGARD
ZIMMER, DANIEL ZIMMER, DANIEL/ ECKHOLD, THOMAS ZORN, NIKOLAUS/ TWARDOSZ, BENJAMIN ZÜLCH, HENNING ZULEEG, MANFRED
Axel Cordewener
Wirtschaftsgrundrechte, in: EHLERS, DIRK (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Auflage, Berlin 2005, § 5. Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6.12.2007, verb. Rs. C-463/04 u. C-464/04, Federconsumatori u.a., EWS 2008, S. 138 ff. Grundrechtsschutz im EG-Kartellrecht nach der Verfahrensnovelle, EuZW 2006, S. 263 ff. Publizität, Anlegerschutz und Gesellschaftsrecht im Europäischen Kapitalmarktrecht, EWS 1994, S. 418 ff. Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily mails?. EWS 2008, 264 ff. Kodex Report 2007: Die Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2007, S. 869 ff. Kodex Report 2008: Die Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2008, S. 825 ff. Der Jahresabschluss der GmbH & Co. KG – wesentliche Neuerungen durch das KapCoRiLiG, StuB 2001, S. 1 ff. Zwischenberichterstattung nach dem TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz – Neue Anforderungen an kapitalmarktorientierte Unternehmen aus der Sicht der Corporate Governance, Der Konzern 2007, S. 264 ff. Emissionspublizität, NZG 2005, S. 109 ff. Der Weggang von Gesellschaften im Lichte der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit – Zugleich Besprechung von EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro vom 22.5.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, DB 2008, 1611 ff. Empfehlungen zur Rechnungslegung und AbschlussPrüfung, StuB 2001, S. 962 ff. EU Company Law on the Move, L.I.E.I. 2/2004, S. 97 ff. Grenzüberschreitende Verschmelzungen – ein Update, GmbHR 2008, S. 532 ff. Geltung des freien Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (C-101/05 Skatteverket/A), EuZW 2008, S. 117 ff. Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad-hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, S. 537 ff. Mysterium „Centros“, ZHR 164 (2000), S. 23 ff. Das Kapitalgesellschaften & Co-Richtlinie-Gesetz, NJW 2000, S. 1361 ff. Gemeinschaftsgrundrechte und Verfassungsgrundrechte im Steuerrecht, DStR 2007, S. 2185 ff. Die Rechnungslegungsnormen des IASB, PiR 2005, S. 1 ff. Die Grundfreiheiten des Gemeinsamen Markts im Wandel, in: Due, Ole/ Lutter, Marcus/ Schwarze, Jürgen (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Everling, Baden-Baden 1995, Bd. II, S. 1717 ff.
2.4. Kartellrechtliche Aspekte
271
2.4. Kartellrechtliche Aspekte Stefan Enchelmaier*
2.4. Kartellrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1. Die drei Tatbestände des Europäischen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2. Artikel 81 EG – Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.1. Vereinbarungen zwischen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.2. Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.3. Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.3.1. Allgemeines zum Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen . . . . . . 2.4.2.3.2. Unternehmensinformation und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen . . . . . . 2.4.3. Artikel 82 EG – Verbot des Mißbrauchs marktbeherrschender Stellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3.1. Die „Englische Klausel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3.2. Kampfpreisunterbietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4. Zusammenschlußkontrolle nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5. Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271 271 271 272 272 273 273 274 276 278 278 281 283 283
2.4.1. Die drei Tatbestände des Europäischen Kartellrechts Das Kartellrecht nach dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft besteht aus drei Tatbeständen. Üblicherweise wird einer davon als „Kartellverbot“ (Artikel 81 EG) bezeichnet. Trotz dieser Begriffsverwirrung ist die Sammelbezeichnung des gesamten Rechtsgebiets als „Kartellrecht“ die am wenigsten schlechte Lösung: „Wettbewerbsrecht“ benennt zwar richtig den gemeinsamen Schutzgegenstand aller Bestimmungen, erfaßt aber auch solche Verletzungshandlungen, gegen die sich das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb richtet. Die Bezeichnung als „antitrust law“ beruht allein auf historischem Zufall, denn der trust ist ansonsten eine geschätzte und vielseitige Rechtsfigur in den Rechtsordnungen, die auf dem englischen common law beruhen. „Competition law“ schließlich ist eher blaß, weil der Begriff der competition erst infolge der Artikel 81 und 82 EG Bedeutung in der englischen Rechtssprache erlangt hat. Die Beziehungen des Kartellrechts zum Unternehmensrecht sind vielfältig. Sie beginnen damit, daß die deutsche Sprachfassung des Vertrags „Unternehmen“ und „Unternehmensvereinigungen“ als Adressaten des Kartellrechts nennt. Sie enden nicht damit, daß Unternehmensinformation mit verschiedenen kartellrechtlich verbotenen Verhaltensweisen im Zusammenhang steht oder jedenfalls stehen kann.
2.4.2. Artikel 81 EG – Kartellverbot Art. 81 verbietet „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“, wenn sie bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllen. Als Oberbegriff für alle drei ist die * Dr. iur., LL.M. (Edinburgh), MA (Oxon.), Professor an der Law School der University of York.
272
Stefan Enchelmaier
Bezeichnung „Kartelle“ gebräuchlich. Gleichgültig ist dabei, ob die Unternehmen als Wettbewerber auf derselben Marktstufe tätig sind („horizontale“ Kartelle), oder ob sie auf verschiedenen Marktstufen auftreten und auch nicht in absehbarer Zeit miteinander im Wettbewerb stehen werden („vertikale“ Kartelle). In diesem Fall kann das Kartell nämlich immer noch die Wettbewerbsmöglichkeiten Dritter einschränken, seien sie Anbieter oder Nachfrager.1
2.4.2.1. Vereinbarungen zwischen Unternehmen Eine Vereinbarung zwischen Unternehmen liegt vor, wenn die Beteiligten ihre gemeinsame Absicht zum Ausdruck bringen, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten.2 Diese Tatbestandsalternative ist im Hinblick auf gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensinformation nicht einschlägig: die Veröffentlichung der Information beruht auf gesetzlichem Zwang, nicht auf privatautonomer Entscheidung. Es mag den Unternehmen zwar gerade recht sein, daß sie einander über bestimmte Verhältnisse ins Bild setzen müssen. Dieser Umstand spielt aber erst im Hinblick auf die Frage eine Rolle, ob eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise vorliegt. Anders ist der Fall zu beurteilen, daß die Unternehmen kraft Vereinbarung mehr Informationen austauschen, als sie bekanntzumachen gesetzlich verpflichtet sind.3 Solche „Marktinformationssysteme“ können aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen begünstigen und sind in diesem Zusammenhang zu erörtern.4
2.4.2.2. Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen Dasselbe gilt für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, d.h. für alle Maßnahmen, die die Unternehmensvereinigung (d.h. ein Unternehmensverband, der nicht in einer Konzernierung besteht) oder ihre Mitarbeiter treffen, sei es auf der Grundlage der Satzung oder in Überschreitung ihrer Kompetenzen.5 Die Vereini1 2
3
4
5
EuGH, Rs. 32/65, Italien/Kommission, Slg. 1966, 457 (485). EuG, Rs. T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711 (Rn. 256); Rs. T-44/02, Dresdner Bank/Kommission, unveröffentlicht (Rn. 63–65). Jedenfalls verdächtig wäre auch schon der Fall, daß Unternehmen solche Information austauschen, d.h. auf Verlangen des anderen einander senden, die sie ohnehin öffentlich bekanntmachen müssen. Wettbewerber sollten immer den größtmöglichen Abstand voneinander halten (s. zusammenfassend zum erforderlichen Verhalten bei Zusammenkünften von Unternehmensvertretern EuG, Rs. T-61/99, Adriatica di Navegazione/Kommission, Slg. 2003, I-5349 (Rn. 135–138); ansonsten läge der Verdacht nicht fern, daß der Austausch „unschuldiger“ Informationen nur die „Spitze des Eisbergs“ ist. Ein Marktinformationssystem ist nicht schon als solches wettbewerbsbeschränkend, sondern nur unter bestimmten Bedingungen. Es handelt sich also jedenfalls nicht um eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Artikels 81. Statt dessen ist eine Wettbewerbsbeschränkung unter Umständen „bewirkt“. Diese Wirkung besteht in einem gleichsam „wettbewerbsverringerten“ Verhalten der Beteiligten. Wenn es aber ohnehin auf diese Verhaltenswirkungen ankommt, läßt sich die wettbewerbsrechtliche Einordnung von Marktinformationsverfahren besser gleich unter der Tatbestandsalternative der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise prüfen. Kommission, Entscheidung 94/815/EG – Zement, ABl. L 343/1 (Tz. 44).
2.4. Kartellrechtliche Aspekte
273
gung wird gar nicht erst beschließen, Informationen unter ihren Mitgliedern zu verbreiten, deren Veröffentlichung schon gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit würde sie nur ohne Not den Argwohn der Kartellbehörden auf sich ziehen. Beschlüsse (oder auch bloße Empfehlungen) könnten aber wiederum über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen; sie könnten etwa den Mitgliedern die (zusätzliche) Rechnungslegung nach IAS/IFRS und/oder US-GAAP nahelegen. Auch dies könnte zu aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen führen.
2.4.2.3. Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen 2.4.2.3.1. Allgemeines zum Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen Die letzte Form verbotenen Verhaltens schließlich, aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, ist ein Auffangtatbestand für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die sich nicht eindeutig einer der beiden anderen Formen zuordnen lassen.6 Wenn sich beispielsweise keine schriftlichen Beweise für die ausdrückliche Zustimmung eines Wettbewerbers zu dem Vorschlag eines anderen bezüglich einer gemeinsamen Preiserhöhung finden lassen, kann immerhin noch eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise vorliegen; dasselbe gilt, wenn die Unterstützung seitens eines Verbands bei Treffen zwischen seinen Mitgliedern oder beim Austausch vertraulicher Informationen unklar ist. Das Verbot aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen ist im Zusammenhang mit dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags zu sehen. Danach hat jedes Unternehmen selbst zu bestimmen, welche Politik es auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses „Selbständigkeitspostulat“ beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich mit wachem Sinn (Engl. intelligently) dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber anzupassen. Die Forderung nach selbständiger Entscheidungsfindung steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, zu dem man sich entschlossen hat oder das man in Erwägung zieht.7 Der Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen erfaßt demgemäß eine Form der Koordination zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zu Abschluß eines Vertrags im eigentlichen Sinn (oder einer Vereinbarung) gediehen ist, die jedoch bewußt eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten läßt.8 Eine abgestimmte Verhaltensweise liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen vor der Ankündigung oder Einführung einer Änderung seiner Wettbewerbsmittel auf dem Markt (typischerweise einer Preiserhöhung) mit seinen Konkurrenten in Verbindung tritt, Rückmeldung in irgendeiner 6
7 8
SCHRÖTER, in: VON DER GROEBEN/SCHWARZE, Art. 81 Abs. 1 Rn. 68; STOCKENHUBER, in: GRABITZ/HILF, Art. 81 Rn. 106. EuGH, Verb. Rsen. 40 etc./73 Suiker Unie u.a./Kommission, Slg. 1975, 1663 (Rn. 173/174). EuGH, Rs. 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619 (Rn. 64/67).
274
Stefan Enchelmaier
Form erhält und in Kenntnis der Reaktion seiner Wettbewerber die Parameteränderung entweder unterläßt oder aber sie auch den Abnehmern gegenüber ankündigt (oder sogleich einführt). Die erforderliche Fühlungnahme kann in jeder Offenbarung von Verhaltensabsichten bestehen, sei es unmittelbar gegenüber den Wettbewerbern, sei es mittelbar über gemeinsame Vertriebsunternehmen oder über Branchenverbände. Ankündigungen den Abnehmern gegenüber, sei es unmittelbar oder etwa über die Fachpresse, genügen in der Regel nicht. Allein die Ankündigung einer Preiserhöhung kann schon Nachfrage kosten, wenn die Wettbewerber nicht alsbald nachziehen und wenn die Nachfrage beweglich ist. Eine Ankündigung (wie auch die eigentliche Parameteränderung) kann zwar zurückgezogen werden, wenn sie sich nicht ohne erhebliche Umsatzeinbußen am Markt durchsetzen läßt. Bis dahin trägt das Unternehmen aber das volle wettbewerbliche Risiko, insbesondere weil die Ankündigung zugleich den Wettbewerbern die Gelegenheit gibt, ihr Verhalten im Licht der Reaktionen der Marktgegenseite zu überdenken. Außerdem kann es sachliche Rechtfertigungen für eine längerfristige Ankündigung von Preisänderungen geben, beispielsweise das Interesse der Marktgegenseite an Planungssicherheit bei langfristigen vertraglichen Bindungen.9 2.4.2.3.2. Unternehmensinformation und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen Der Zusammenhang aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen mit der Unternehmensinformation liegt auf der Hand: es sind gerade bestimmte Kenntnisse, die das Verhalten zu einem abgestimmten machen, indem sie die Ungewißheit über die Reaktionen der Wettbewerber verringern. Dabei unterscheidet sich gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensinformation von privatautonom vereinbarten Marktinformationsverfahren im Hinblick auf den Verbotsadressaten. Handeln die Unternehmen bei der Bekanntmachung bestimmter Informationen unter gesetzlichem Zwang, so richtet sich das Verbot des Artikels 81 über Art. 10 UAbs. 2 EG10 gegen die Mitgliedstaaten;11 tauschen sie die Informationen aus eigenem Antrieb aus, so gilt Art. 81 unmittelbar. In beiden Fällen richtet sich die Information über das Unternehmen jedoch auf die Vergangenheit. Rückschlüsse auf zukünftiges Verhalten lassen sich daraus nur unter bestimmten Umständen ziehen. Zu diesen Umständen gehört einerseits die Art der ausgetauschten Information. Kommission und Gerichtshof unterscheiden zwischen „statistischen“ und „identifizierenden“ Marktinformationsverfahren. Bei ersteren ist die bekanntgemachte bzw. ausgetauschte Information für den ganzen 9
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S. EuGH, Verb. Rsen. C-89 u.a./85, Ahlström Oy. u.a./Kommission („Zellstoff“), Slg. 1993, I-1307 (Rn. 64). „[Die Mitgliedstaaten] unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten.“ Zusammenfassend und mit Nachw. EuGH, Rs. C-198/01, CIF, Slg. 2003, I-8055 (Rn. 45, 46). Überblick bei SCHRÖTER, in: VON DER GROEBEN/SCHWARZE, Art. 81 Abs. 1 Rn. 130–136; SCHWARZE, EuZW 2000, 613, passim; ENCHELMAIER, in: HAILBRONNER/WILMS, Vorbemerkung zu Art. 81, 82 Rn. 39–45.
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Berichtszeitraum zusammengefaßt. Sie ist auch nicht nach räumlichen Märkten, nach Lieferbeziehungen oder gar nach einzelnen Umsätzen aufgeschlüsselt. Identifizierende Marktinformationsverfahren verbreiten dagegen derart gegliederte Angaben unter den Beteiligten bzw. Berechtigten. Sie geben damit genauen Aufschluß über das Geschäftsgebaren jedes beteiligten Unternehmens zu jedem Zeitpunkt im Berichtszeitraum. Andererseits gehört das Gefüge des betroffenen Produktmarkts zu den Umständen, unter denen Information über die Vergangenheit Aufschluß über zukünftiges Verhalten zuläßt; darauf beruht letztlich die Unterscheidung zwischen statistischen und identifizierenden Marktinformationsverfahren.12 Die Struktur eines Markts läßt sich anhand des Produkts (und seiner Reife), der Anbieter sowie der Nachfrager bestimmen. Ein vollständiges Bild des wettbewerblichen Geschehens muß darüber hinaus den potentiellen Wettbewerb beachten, vor allem auf der Seite der Anbieter. Damit wird der Gesichtspunkt der Marktzugangsschranken erheblich. Diese lassen sich wiederum unterteilen in natürliche (vor allem Transportkosten), gesetzgeberische (Zulassungserfordernisse u.ä.) und strategische, d.h. von den Unternehmen geschaffene (Vertriebsbindungen, Werbung, Kapazitäten usw.). Grob läßt sich sagen: je reifer der Markt (d.h. je geringer das Entwicklungspotential des Produkts) und je weniger zugänglich er ist, je weniger Anbieter und je mehr verstreute, preisunempfindliche und regelmäßige Nachfrage zu standardisierten Bedingungen vorhanden sind, desto durchsichtiger ist der Markt. In diesem Maße läßt auch die Kenntnis vergangenen Verhaltens Schlüsse auf die Zukunft zu.13 Zu gesetzlich vorgeschriebener Unternehmensinformation liegt, soweit ersichtlich, keine Kommissionspraxis oder Rechtsprechung unter Art. 81 vor. Ein indirekter Schluß auf ihre wettbewerbliche Gefährlichkeit ist aber möglich: selbst im Fall Nestlé/Perrier, dem ein nahezu vollkommener Oligopolmarkt zugrundelag, hatten die beiden Duopolisten noch Mechanismen entwickelt, um die Durchsichtigkeit des Markts über das Maß hinaus zu erhöhen, das schon bloße Beobachtung zuließ.14 Das mag als „vertrauensbildende Maßnahme“ schlicht der Beruhigung der jeweiligen Geschäftsführung gedient haben. Näher liegt aber die Vermutung, daß die ausgetauschten Informationen einen Mehrwert enthielten, der das erhebliche kartellrechtliche Risiko rechtfertigen konnte. Umgekehrt ließe sich daraus folgern, daß die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen im Hinblick auf eine mögliche Kartellierung des Markts weitgehend unbedenklich sind. Sie allein scheinen sich als 12
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Kommission, VII. Wettbewerbsbericht, Tz. 7; XXIV. Wettbewerbsbericht, Tz. 144 und Anhang IV, 642. Jüngerer Leitfall: Kommission, Entscheidung 92/157/EWG United Kingdom Agricultural Tractor Registration Exchange ABl. L 68/19, bestätigt durch EuG, Rs. T-35/92, John Deere/Kommission, Slg. 1994, II-957 und durch EuGH, Rs. C-7/95 P, John Deere/Kommission, Slg. 1998, I-3111. Siehe auch EuG, Rs. T-141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II-347 (Rn. 393–410), bestätigt durch EuGH, Rs. C-194/99 P, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 2003, I-10821 (Rn. 81–86). Einzelheiten bei ENCHELMAIER, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, 101–114; ENCHELMAIER, in: HAILBRONNER/WILMS, Art. 81 Rn. 85–90. M.a.W. desto mehr nähert sich der Markt dem Idealtypus des Oligopols; s. zur Marktbeschreibung ENCHELMAIER, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, 30–56. Kommission, Entscheidung 92/553 – Nestlé/Perrier, ABl. L 356/1, Tz. 121, 122.
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Ausgangspunkt für ein wettbewerbswidriges Zusammenwirken der Unternehmen kaum zu eignen.
2.4.3. Artikel 82 EG – Verbot des Mißbrauchs marktbeherrschender Stellungen Der EuGH bestimmt eine marktbeherrschende Stellung als die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die dieses in die Lage versetzt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit gibt, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in erheblichem Umfang unabhängig zu verhalten.15 In einer anderen Formulierung ist eine beherrschende Stellung die Fähigkeit eines Unternehmens, die Bedingungen merklich zu beeinflussen, unter denen sich der Wettbewerb entwickeln kann, jedenfalls aber in seinem Verhalten keine Rücksicht darauf nehmen zu müssen, ohne daß ihm dadurch ein Schaden entsteht.16 Der wichtigste Gesichtspunkt bei der Feststellung einer beherrschenden Stellung ist der Marktanteil des mutmaßlichen Marktbeherrschers im Verhältnis zu den Marktanteilen seiner Wettbewerber. Ein Monopolist ist ohne weiteres marktbeherrschend. Marktanteile über 75% begründen eine widerlegliche Vermutung der Marktbeherrschung, ohne daß noch weitere Gesichtspunkte herangezogen werden müßten. Bei Marktanteilen über 50% müssen dagegen noch andere Hinweise auf eine beherrschende Stellung hinzukommen. Neben unternehmensbezogenen Gesichtspunkten spielt hier auch der Abstand der Marktanteile zwischen dem mutmaßlichen Marktbeherrscher und den nächstgrößeren Wettbewerbern eine Rolle. Je kleiner deren Marktanteile einzeln oder selbst zusammengenommen im Verhältnis zu denjenigen des erstgenannten Unternehmens sind, desto eher deutet dies auf eine beherrschende Stellung hin. Dies gilt erst recht bei Marktanteilen zwischen 40 und 50%, bei denen eine beherrschende Stellung jedoch nicht ausgeschlossen ist.17 Ausgeschlossen ist sie dagegen bei Marktanteilen um oder unter 10%.18 Dieselben Maßstäbe finden auf gemeinschaftliche Marktbeherrschung mehrerer Unternehmen (oligopolistische Marktbeherrschung) Anwendung.19 Außerdem kommen unternehmensbezogene Umstände in Ansatz. Dazu gehören insbesondere die Finanzkraft des mutmaßlichen Marktbeherrschers, seine Produktionskapazitäten 15 16 17
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EuGH, Rs. 85/76 – Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461 (Rn. 38). EuGH, Rs. 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, (Rn. 48). EuG, Verb. Rsen. T-191 u.a./98, Atlantic Container Line/Kommission, Slg. 2003, II-3275 (Rn. 907, 960-967); in ihrer Entscheidung 2000/47/EG – Virgin/British Airways, ABl. L 30/1 (Rn. 88), hielt die Kommission sogar ein Unternehmen mit 39,7% Marktanteil für beherrschend, weil es mehr als doppelt so hohe Marktanteile hatte wie die vier nächstgrößeren Wettbewerber zusammengenommen. Nur die Marktabgrenzung stand in Frage im Urteil des EuG, Rs. T-219/99, British Airways/Kommission, Slg. 2003, II-5917, wurde aber vom Gericht in Rn. 89–117 bestätigt. Ausführliche Nachweise bei SCHRÖTER, in: VON DER GROEBEN/ SCHWARZE, Art. 82 Rn. 94–100; JUNG, in: GRABITZ/HILF, Art. 82 Rn. 82–85. EuGH, Rs. 75/84, Metro-SB-Großmärkte/Kommission („Metro II“), Slg. 1986, 3021 (Rn. 85). EuG, Verb. Rsen. T-191 u.a./98, Atlantic Container Line/Kommission, Slg. 2003, II-3275 (Rn. 931–933).
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und deren Auslastung, geistige Eigentumsrechte, Vertriebsorganisation und Werbung.20 Artikel 82 verbietet es marktbeherrschenden Unternehmen, diese Stellung auszunutzen, indem sie den Wettbewerb mit leistungsfremden Mitteln weiter schwächen.21 Verboten ist nur solcherart mißbräuchliches Verhalten; auch marktbeherrschenden Unternehmen ist es grundsätzlich nicht verwehrt, ihre geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie diese bedroht sehen.22 Schon gar nicht ist das bloße Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung verboten, wohl aber unter Umständen deren weiterer Ausbau.23 Unter den mißbräuchlichen Verhaltensweisen lassen sich solche des Ausbeutungs- von solchen des Behinderungsmißbrauchs unterscheiden. Erstere richten sich gegen die Marktgegenseite, d.h. gegen Lieferanten oder Abnehmer. Klassisches Beispiel dafür sind überhöhte Preise gegenüber Abnehmern (Art. 82 Uabs. 2 Buchst. a]). Dabei ergeben sich jedoch erhebliche Beweisprobleme für die Kartellbehörden: für die „Angemessenheit“ eines Preises gibt es in einer wettbewerblich geprägten Marktwirtschaft (s. Art. 4 EG) kaum objektive Maßstäbe. Ein Vergleich mit den Preisen anderer Unternehmen auf demselben Markt führt nicht viel weiter. Die Wettbewerbsverhältnisse sind allein schon durch die Anwesenheit eines marktbeherrschenden Unternehmens verzerrt. Schließlich werden zwischen dem betroffenen Markt und dritten Märkten objektive Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, daß ein Preisvergleich kaum einmal als Grundlage für die möglichen einschneidenden Sanktionen tauglich sein dürfte. Deswegen finden sich in der Praxis der Kommission (und folglich auch der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit) Fälle des Behinderungsmißbrauchs bei weitem häufiger. Solche Verhaltensweisen sollen Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens daran hindern, in den beherrschten Markt einzutreten, ihre Tätigkeit darauf auszuweiten oder in sonstiger Weise die Bestimmungsmacht des beherrschenden Unternehmens über das wettberwerbliche Geschehen auf dem Markt in Frage zu stellen. Unternehmensinformation kann unter Art. 82 in zweierlei Hinsicht problematisch sein, sei sie gesetzlich vorgeschrieben oder privatautonom vereinbart. Zum einen ist die sogenannte „Englische Klausel“ zu erwähnen, zum anderen die Frage der Kampfpreisunterbietung.
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Ausführlich und mit Nachw. s. ENCHELMAIER, in: HAILBRONNER/WILMS, Art. 82 Rdnr. 22–40. EuGH, Rs. 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461 (Rn. 70); Rs. 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461 (Rn. 91). Mit dem Erfordernis eines Abweichens vom „unverfälschten Leistungswettbewerb“ überträgt der EuGH nach einer Auffassung die Maßstäbe des Artikels 81 Abs. 3 auf die Mißbrauchsprüfung nach Art. 82, s. ENCHELMAIER, in: HAILBRONNER/WILMS, Art. 82 (Rn. 46) m.w.N. EuG, Rs. T-65/89, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389 (Rn. 69). EuGH, Rs. 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215 (Rn. 26).
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2.4.3.1. Die „Englische Klausel“ Die Englische Klausel steht im Zusammenhang mit mißbräuchlichen Rabattgestaltungen. Grundsätzlich darf ein marktbeherrschendes Unternehmen nur die Ersparnisse an seine Abnehmer weitergeben, die ihm die Lieferung größerer Mengen ermöglicht hat. Mißbräuchlich ist dagegen jeder andere Anreiz für die Abnehmer, Nachfrage bei dem Marktbeherrscher zu konzentrieren, um in den Genuß weitergehender Preisnachlässe zu kommen.24 Gemäß der „englischen Klausel“ wird der Abnehmer für einzelne Lieferungen von seiner (vertraglichen oder tatsächlichen) Alleinbezugspflicht frei. Das bedeutet, die Fremdlieferung wird auf den rabattfähigen Bezug bei dem beherrschenden Unternehmen angerechnet, wenn erstens der Abnehmer von einem anderen Lieferanten ein günstigeres Angebot erhält, er dies zweitens in seinen Einzelheiten dem Marktbeherrscher mitteilt und dieser drittens nicht in das günstigere Angebot eintritt, sondern die Lieferung freigibt. Eine solche Vertragsbestimmung ändert die Bewertung unzulässiger Treue- oder Zielrabatte sowie einer Alleinbezugsverpflichtung nicht, sondern ist ihrerseits mißbräuchlich. Sie verschafft dem Unternehmen in beherrschender Stellung Informationen über das Verhalten seiner Wettbewerber, die es ihm erlauben, sein eigenes Vorgehen am Markt gezielt gegen jeden wettbewerblichen Vorstoß von Seiten der Konkurrenz zu richten.25 Auf gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensinformation kann diese Rechtsprechung nicht zur Anwendung kommen: angesichts der üblichen Berichtszeiträume und bei der gewöhnlich „statistischen“ (statt „individualisierenden“, s.o. bei Art. 81) Berichtsweise käme die Information zu spät und wäre nicht genau genug, um dem Abnehmer die versprochenen Vorteile zu sichern. Allenfalls mag die Information das marktbeherrschende Unternehmen in die Lage versetzen, anhand der bekanntgemachten Informationen die Angaben seiner Abnehmer über deren Einkäufe zu überprüfen. In diesem Fall wäre die Verwendung der Unternehmensinformationen Teil des weiteren Rabattmißbrauchs. Sie wäre nicht ihrerseits ein Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung.
2.4.3.2. Kampfpreisunterbietung Die Kampfpreisunterbietung richtet sich gezielt gegen einen bestimmten Wettbewerber, und die niedrigen Preise werden in der Regel nur bestimmten Abnehmern dieses Unternehmens angeboten. Der EuGH unterscheidet dabei: Preise unter den durchschnittlichen variablen Kosten (d.h. denjenigen, die mit zunehmender Produktion steigen, wie Rohstoffe oder Halbfertigzeuge, im Unterschied zu den fixen 24
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EuGH, Rs. 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461 (Rn. 71); EuG, Rs. T-219/99, British Airways/Kommission, Slg. 2003, II-5917 (Rn. 244–246, 270); Rs. T-228/97, Irish Sugar/ Kommission Slg. 1999, II-2969 (Rn. 114); Rs. T-203/01, Michelin/Kommission („Michelin II“), Slg. 2003, II-4071 (Rn. 107–109) (zu den Beweisanforderungen an eine Rechtfertigung); s.a. SCHRÖTER, in: VON DER GROEBEN/SCHWARZE, Art. 82 Rn. 215 u. 232; ENCHELMAIER, in: HAILBRONNER/WILMS, Art. 82 Rn. 87–96. EuGH, Rs. 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461 (Rn. 105–108).
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Kosten für Personal, Gebäude, Maschinen, Fuhrpark usw.) gelten ohne weiteres als mißbräuchlich. Bei ihnen verliert das Unternehmen in beherrschender Stellung die gesamten Fixkosten und jedenfalls einen Teil der variablen Kosten; es „verschenkt“ das Erzeugnis also teilweise. Preise über den durchschnittlichen variablen, aber unterhalb der durchschnittlichen Gesamtkosten (variable Kosten plus Fixkosten) sind dagegen nur dann mißbräuchlich, wenn sich die Absicht beweisen läßt, einen bestimmten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen.26 Dies kann etwa aus internen Memoranda oder offenen Drohungen gegenüber dem Wettbewerber hervorgehen. Es ist jedenfalls grundsätzlich für die Kommission nicht erforderlich nachzuweisen, daß das marktbeherrschende Unternehmen eine realistische Chance hatte, die Verluste wieder hereinzuholen. Anderenfalls müßte das Verschwinden des Wettbewerbers und die nachfolgende Geschäftsentwicklung für den Marktbeherrscher immer erst abgewartet werden.27 Daneben findet sich eine weitere Art der Kampfpreisunterbietung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß ein (oder mehrere) Unternehmen in beherrschender Stellung seine Preise gezielt senkt, um es mit den Angeboten eines bestimmten Wettbewerbers aufzunehmen. Dies muß wiederum nachweislich von der Absicht getragen sein, den Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Es kommt jedoch nicht darauf an, ob der niedrigere Preis dem oder den Marktbeherrschern Verluste einträgt oder ob die Gesamtkosten jedenfalls gedeckt sind.28 Der Unterschied zu der eben genannten Kampfpreisunterbietung besteht darin, daß im gegenwärtigen Fall eine Rechtfertigung zulässig ist. Das marktbeherrschende Unternehmen kann sich darauf berufen, es habe auf einen wettbewerblichen Vorstoß des Konkurrenten reagieren wollen, dessen Preise es unterbietet.29 Im Hinblick auf diese Mißbrauchsart mag gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensinformation eine Rolle spielen, vorausgesetzt, die Information ist ausreichend genau. Der Marktbeherrscher muß daraus bestimmte Schlüsse auf die Kosten des Unternehmens ziehen können, das er verdrängen will. Einen gewissen Erkenntniswert wird allerdings jede Information haben. Bleiben beim Marktbeherrscher Zweifel, in welchem Maß er seine Preise senken muß, um das Mißbrauchsopfer finanziell „auszubluten“, wird er schlicht seine eigenen Preise noch weiter senken. Gleichwohl werden mit den Kosten auch die Hemmungen des Marktbeherrschers steigen, diese Art der Verdrängung zu versuchen. Der Europäische Gerichtshof und das Gericht Erster Instanz fordern in diesem Zusammenhang nicht den Nachweis, daß die Kenntnis der finanziellen Verhältnisse des Opfers für den Mißbrauch ursächlich waren. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß dieses Merkmal im wieteren Verlauf des Fallrechts Eingang in den Tatbestand finden wird. Dann ließe sich bei veröffentlichungspflichtigen Angaben die Kennt26 27 28
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EuGH, Rs. C-62/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359 (Rn. 71–72). EuGH, Rs. C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission (Nr. 2), Slg. 1996, I-5951 (Rn. 44). EuGH, Verb. Rsen. C-395 und 396/96 P, Compagnie Maritime Belge u.a./Kommission, Slg. 2000, I-1365 (Rn. 117–120). Kommission, Entscheidung 88/138/EWG – Eurofix-Bauco/Hilti, ABl. L 65/19, Tz. 80, 81. Weitere Einzelheiten zur Kampfpreisunterbietung finden sich bei ENCHELMAIER, in: HAILBRONNER/WILMS, Art. 82 Rn. 106–113.
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nis jedenfalls der interessierten Verkehrskreise in analoger Anwendung des § 15 Abs. 2 S. 1 HGB voraussetzen.30 Auch der Rechtsgedanke des § 892 BGB ließe sich in diesem Zusammenhang heranziehen; er gilt jedoch nicht ohne weiteres in den Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten. Gegen diese Vermutung mögen sich Bedenken erheben, zumal sie nur auf einem Analogieschluß beruht. Immerhin kann ein Verstoß gegen Art. 82 EG mit empfindlichen Sanktionen geahndet werden, auch wenn diese nicht strafrechtlicher Natur sind (Art. 23 Abs. 5 Verordnung 1/2003).31 Dementsprechend ließe sich der Nachweis verlangen, daß das marktbeherrschende Unternehmen gezielte Nachforschungen in öffentlichen Registern hinsichtlich des mutmaßlichen Mißbrauchsopfers angestellt hat. Die registerführenden Behörden der Mitgliedstaaten wären der Kommission gemäß Art. 10 EG32 verpflichtet, die nötigen Auskünfte zu erteilen. Sollte dafür aus datenschutzrechtlichen oder anderen Gründen die Mitwirkung eines Richters erforderlich sein, so würde sich dessen Prüfungsbefugnis in analoger Anwendung des Artikels 20 Abs. 8 Verordnung 1/2003 auf die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsverlangens beschränken. Wahlweise könnte die Kommission die Ermittlungen auch den Kartellbehörden des Mitgliedstaats übertragen, auf dessen Gebiet das betreffende Register geführt wird.33 Die Kausalität der so erlangten Kenntnisse für den Mißbrauch wäre dann leicht zu begründen. Eine ähnliche Frage ist unter Artikels 81 Abs. 1 EG aufgetaucht im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal der „aufeinander abgestimmten Verhaltensweise, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt“. Im Fall RhonePoulenc hatten Unternehmen im Hinblick auf eine Preiserhöhung miteinander Fühlung genommen und einander ihre jeweiligen Verhaltensabsichten offengelegt 30
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Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet aus, weil es sich bei einzelnen Bilanzposten nicht um rechtserhebliche „Tatsachen“ iSd. § 15 HGB handelt, die sich jemand „bei Rechtshandlungen“ „entgegensetzen“ lassen müßte. Es handelt sich vielmehr um rein wirtschaftliche Daten, die in die Willensbildung eingehen, bevor es zu irgendwelchen Rechtsgeschäften kommt. – Die Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten enthalten ähnliche Vorschriften, wie es Art. 3 Abs. 5 der ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie fordert (Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. L 65/8). Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L 1/1, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 411/2004 des Rates vom 26. Februar 2004 zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 sowie der Verordnung Nr. 1/2003 hinsichtlich des Luftverkehrs zwischen der Gemeinschaft und Drittländern, ABl. 2004 L 68/1. „Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe. […]“. Grundlegend zur Loyalitätspflicht aus Art. 10 s. EuGH, Rs. C-2/88 Imm. – Zwartveld, Slg. 1990, I-3365. In Deutschland etwa kann das Bundeskartellamt „alle Ermittlungen führen und alle Beweise erheben, die erforderlich sind“, § 57 Abs. 1 GWB n.F.
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(darin liegt eine „Abstimmung“). Anschließend sahen sie sich aber wegen veränderter Marktumstände außerstande, sich gemäß der Abstimmung zu verhalten. Gleichwohl befand das Gericht Erster Instanz, ihr nachfolgendes Marktverhalten hätten die Unternehmen unweigerlich im Licht der Kenntnisse geplant, die sie aus der Abstimmung gewonnen hatten.34 Der Gegenbeweis ist nur möglich, wenn das Unternehmen endgültig aus dem relevanten Markt ausscheidet oder wenn das gesamte Personal ausscheidet, das an der Abstimmung beteiligt war.35 In ähnlicher Weise müßte sich auch ein Marktbeherrscher vorhalten lassen, daß seine Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse des Opfers seiner Kampfpreisunterbietung ursächlich geworden sei für diese mißbräuchliche Verhaltensweise. Der Gegenbeweis wäre auch hier nur möglich, wenn alle Personen ausgetauscht worden sind, in deren Tätigkeitsbereich im Unternehmen Entscheidungen angesichts dieser Kenntnis fielen. Dies mögen je nach den Umständen große Teile der Geschäftsleitung sein, was den Beweis erheblich erschwert.
2.4.4. Zusammenschlußkontrolle nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 Die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen bildet den dritten materiellen Tatbestand des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts. Die Verordnung 139/200436 verfolgt einen vornehmlich strukturellen Ansatz, d.h. sie unterwirft nicht ein bestimmtes gegenwärtiges oder vergangenes Verhalten dem Einschreiten der Kommission. Vielmehr richtet sie sich gegen erhebliche Behinderungen wirksamen Wettbewerbs durch Zusammenschlüsse, insbesondere infolge des Entstehens einer beherrschenden Stellung auf dem betroffenen Markt (Art. 2 Abs. 3 Verordnung 139/ 2004). Das Verfahrensrecht nach der Verordnung weist einige Besonderheiten auf.37 Im Unterschied zu den Artikeln 81 und 82 gibt es im Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung keine konkurrierende Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Regelung durch die Kommission und die Behörden der Mitgliedstaaten. Nur die Kommission kann die Verordnung anwenden; die Mitgliedstaaten wenden immer nur mitgliedstaatliches Fusionskontrollrecht an (Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 Verordnung 139/2004). Auf Zusammenschlüsse, die in ihren Anwendungsbereich fallen, kommt außerdem grundsätzlich nur die Verordnung 139/2004 zur Anwendung. Dies geschieht, indem Art. 21 Abs. 1 Teils. 1 Verordnung 139/2004 die Durchführungsverordnung für die Artikel 81 und 82, die Verordnung 1/2003, für unanwendbar erklärt.
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EuG, Rs. T-1/89, Rhone-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867 (Rn. 123); ausführlich dazu ENCHELMAIER, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, 93–100. GA VESTERDORF, Schlußanträge zu Rs. T-1/89, Rhone-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II867 (942). Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl. L 24/1. Ausführlicher ENCHELMAIER, in: HAILBRONNER/WILMS, Anhang zu Art. 83 Rn. 98–135.
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Die Verordnung als Teil des sekundären Gemeinschaftsrechts kann die Anwendung der (primärrechtlichen) Artikel 8138 und 82 EG durch die mitgliedstaatlichen Behörden zwar nicht ausschließen,39 denn die Verordnung steht im Rang unter dem Vertrag. Außerdem ist Artikel 82 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unmittelbar anwendbar und mit Direktwirkung ausgestattet.40 Eine Anwendung des Artikels 82 EG durch mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörden würde jedoch dem Bemühen der Verordnung um Verfahrenskonzentration und -beschleunigung zuwiderlaufen. Insbesondere ersteres Anliegen hat in dem Verweisungsverfahren nach Art. 9 und in der Regelung des Artikels 21 Abs. 4 Ausdruck gefunden. Diese Vorschriften bewahren den Mitgliedstaaten in gewissen Grenzen die Möglichkeit einer eigenständigen Politik im Bereich der Fusionskontrolle. Das unvermittelte „Übertrumpfen“ der Verordnung durch eine Anwendung des Artikels 82 EG verstieße daher gegen die Pflicht der loyalen Zusammenarbeit zwischen Gemeinschaftsorganen und Mitgliedstaaten (Art. 10 EG).41 Gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensinformation kann sich auch mit dem Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung berühren. Sie kann es etwa einem übernahmewilligen Wettbewerber ermöglichen, sich eine Vorstellung von der Ertragskraft des Unternehmens und damit von einem angemessenen Kaufpreis zu bilden. Anders als unter der Geltung der Artikel 81 und 82 ergeben sich daraus jedoch keine wettbewerblichen Bedenken. Jeden Zusammenschluß im Anwendungsbereich der Verordnung müssen die Beteiligten nämlich gemäß Art. 2 Verordnung 139/2004 bei der Kommission anmelden. Bis zum Abschluß der Prüfung (oder deren Fiktion) durch die Kommission darf der Zusammenschluß außerdem nicht ins Werk gesetzt werden, Art. 7 Verordnung 139/2004. Bei Verstößen drohen Geldbußen und Zwangsgelder nach den Artikeln 14 und 15 Verordnung 139/2004, ganz abgesehen davon, daß die Kommission Rückabwicklung anordnen kann (Art. 8 Abs. 4 Verordnung 139/2004). Die Kommission kann daher ihre Wettbewerbsaufsicht ausüben, ohne daß die Unternehmen schon vorweg „vollendete Tatsachen“ schaffen könnten.
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Art. 81 kann auf einen Anteilserwerb Anwendung finden, der nicht zu einer Kontrolle über die Zielgesellschaft führt, EuGH, Verb. Rsen 142 u. 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487 (Rn. 44). Es gibt dafür jedoch außer BAT/Reynolds soweit ersichtlich nur einen weiteren Anwendungsfall, nämlich in der Entscheidung der Kommission 93/252/EWG WarnerLambert, BIC/Gilette u.a., ABl. L 116/21. Die Anwendung dieser Vorschriften gestattet den nationalen Behörden vielmehr ausdrücklich Art. 84 EG. Die Unanwendbarkeit der Verordnung 1/2003 wirft daher nur die Kommission auf die rudimentären Befugnisse zurück, die ihr Art. 85 EG verleiht. EuGH, Rs. 127/73, BRT/SABAM, Slg. 1974, 51 (Rnr. 15–16); seit der Einführung des Systems der „Legalausnahme“ durch die Verordnung 1/2003 gilt dies auch für alle drei Absätze des Artikels 81. S. zu dieser Pflicht im allgemeinen EuGH, Rs. C-2/88 Imm. – Zwartveld, Slg. 1990, I-3365 (Rn. 16–18).
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2.4.5. Schluß Gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensinformation kann mehrere kartellrechtlich erhebliche Verhaltensweisen von Unternehmen ermöglichen oder jedenfalls begünstigen. Aus der Praxis der Gemeinschaftsorgane läßt sich jedoch ableiten, daß für kartellrechtswidrige Zwecke brauchbare Information durch die Einsichtnahme in öffentliche Register eher nicht zu gewinnen ist. Vielmehr stehen in dieser Hinsicht bei Art. 81 privatautonom vereinbarte Marktinformationsverfahren im Vordergrund. Im Hinblick auf Art. 82 ist die Bedeutung öffentlich verfügbarer Informationen ebenfalls zweifelhaft. Das Verfahren der Fusionskontrolle schließlich ist so ausgestaltet, daß die Kommission jederzeit Herrin der Lage bleibt; anmeldepflichtige Zusammenschlüsse, die ihr verborgen bleiben, sind ohne weiteres illegal und in der Regel rückgängig zu machen.
Literatur ENCHELMAIER, S TEFAN GRABITZ, EBERHARD/ HILF, MEINHARD (HRSG.) GROEBEN, HANS VON DER/ SCHWARZE, JÜRGEN (HRSG.)
HAILBRONNER, KAY/ WILMS, HEINRICH (HRSG.) SCHWARZE, JÜRGEN
Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, BadenBaden 1997. Das Recht der Europäischen Union, 33. Ergänzungslieferung vom 07.01.2008, München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: GRABITZ/HILF). Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage, Baden-Baden 2003 (zitiert: BEARBEITER, in: VON DER GROEBEN/SCHWARZE). Recht der Europäischen Union, 15. Ergänzungslieferung vom 19.03.2008, Stuttgart 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: HAILBRONNER/WILMS). Der Staat als Adressat des europäischen Wettbewerbsrechts, EuZW 2000, S. 613 ff.
3. Der Schutz wettbewerblicher Interessen im Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS Susanne Eßbauer*
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.Einleitung und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.1. Gesetzliche Grundlagen des europäischen und deutschen Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.1.1. Grundlagen der Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.1.2. Inhaltliche Vorgaben für den (Konzern-/)Jahresabschluss, (Konzern-/)Lagebericht und den Einzelabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.2. Das Konfliktpotential im geltenden Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Die Rechtslage zur Befreiung von Informationspflichten nach HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1. Die verschiedenen Gesetzgebungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2. Aufstellungs- und Offenlegungserleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2.1. Der Inhalt der Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2.2. Die Differenzierung zwischen kapitalmarktorientierten und anderen Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3. Bestand an Schutzklauseln im HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3.1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3.2. Aufgliederung der Umsatzerlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3.2.1. Die Regelung für den Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3.2.2. Die Regelung für den Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3.3. Beteiligungsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3.3.1. Die Regelung im Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3.3.2. Die Regelung im Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.4. Allgemeine Schutzklausel im Wege der Rechtsfortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Die Rechtslage zur Befreiung von Informationspflichten nach IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.1. Das Fehlen von Schutzklauseln in IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.1.1. Full IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.1.1.1. Konzeptwidrige Ausnahme: Prozesstaktische Gründe . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.1.1.2. Konzeptwidrige Ausnahme: Budgets und Prognosen . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.1.1.3. Der Segmentbericht: Aufgliederung der Umsatzerlöse . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.1.2. IFRS-KMU (IAS/IFRS für kleine und mittlere Unternehmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.2. Die (geringfügigen) Befreiungen in der nationalen Umsetzung der IAS/IFRS durch den deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.2.1. Für den Konzernabschluss: Beteiligungsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.2.2. Für den IAS-Einzelabschluss: Beteiligungsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.2.3. Für den IAS-Jahresabschluss (nur nach RefE-BilMoG): Beteiligungsangaben . . . . 3.1.3.2.4. Allgemeine Schutzklausel im Wege der Rechtsfortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.3. Die bilanzpolitische Nutzung von Beurteilungsspielräumen, Wahlrechten und Ermessensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4. Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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* Ass. iur., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München.
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3.1.1. Einleitung und Problemaufriss Eine Kapitalanlage benötigt Informationen über das Anlageobjekt; Publikumsbeteiligung braucht Breitenpublizität. Doch was, wenn ein Unternehmen mit dieser Art der Offenlegung sensible Geschäftsgeheimnisse offenbaren muss? – und trotzdem auf Investitionen und Fremdkapital angewiesen ist. Wie man im Bilanzrecht dieses Dilemma sachgerecht löst und wo und wie Fehler gemacht werden können, lässt sich anhand der Rechnungslegung nach Handelsgesetzbuch (HGB) und der internationalen Finanzberichterstattung nach IAS/IFRS (International Accounting Standards/International Financial Reporting Standards) analysieren. Diesen Konflikt sachgerecht zu lösen, ist ein wesentlicher Baustein für die Qualität und Güte einer Rechnungslegung. An Gesetzestechniken stehen Offenlegungserleichterungen, Schutzklauseln, Wahlrechte, Beurteilungs- und Ermessensvorschriften für den Normgeber bereit. Doch nicht alle tragen (in gleicher Weise) zu einer sachgerechten Lösung dieses Dilemmas bei. Gegenstand dieses Beitrags sind die Analyse der Regelungen des HGB (3.1.2.) und der IAS/IFRS (3.1.3.) zum Jahresabschluss, Konzernabschluss und Einzelabschluss sowie ein Lösungsvorschlag (3.1.4.), der sich daraus ergibt.
3.1.1.1. Gesetzliche Grundlagen des europäischen und deutschen Bilanzrechts 3.1.1.1.1. Grundlagen der Offenlegungspflicht Die wesentlichen materiellen Grundlagen für die Offenlegung von Unternehmensdaten befinden sich aus der Sicht deutscher Unternehmen im Dritten Buch des Handelsgesetzbuchs über die „Handelsbücher“ sowie in den IAS/IFRS, soweit diese auf der Grundlage europäischen oder nationalen Rechts für Konzern- und Jahresabschlüsse Anwendung finden. Grundsätzlich sind alle Kaufleute – und damit auch alle Kapitalgesellschaften – den Buchführungs- und Bilanzierungsregeln des HGB zur Aufstellung eines Abschlusses unterworfen (§§ 238 ff. HGB). Zur Offenlegung ihrer wesentlichen Unternehmensdaten sind allerdings nur Kapitalgesellschaften (sowie nach § 264a Abs. 1 HGB die GmbH & Co und andere Personengesellschaften ohne natürliche Person als Vollhafter) verpflichtet (§ 325 Abs. 1 S. 1 HGB). Diese Offenlegungspflicht erstreckt sich nicht nur auf die Rechnungslegung der einzelnen Kapitalgesellschaft, sondern auch auf die Konzernrechnungslegung von Mutterunternehmen (§ 325 Abs. 3 HGB). Im Ausgangspunkt nicht maßgeblich ist der Umstand, ob die Gesellschaft einen geregelten Kapitalmarkt in Anspruch nimmt. Hinzu kommt für alle Mutterunternehmen oberhalb bestimmter Größenmerkmale (65 Mio. € Bilanzsumme, 130 Mio. € Umsatzerlöse oder 5.000 Arbeitnehmer; dabei müssen zwei von drei Merkmalen gegeben sein) die Publizitätspflicht nach § 11 Abs. 1 PublG. Während die Regeln des Publizitätsgesetzes in der Hoheit des deutschen Gesetzgebers liegen, wurzelt die Offenlegungspflicht für alle Kapitalgesellschaften (und gleichgestellte Personengesellschaften) im europäischen Recht; nämlich auf
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Art. 2 Abs. 1 f) der europäischen Publizitäts-RiL1 i.V.m. Art. 47 Abs. 1 der BilanzRiL2 (für den Jahresabschluss und den Lagebericht) und i.V.m. Art. 38 Abs. 1 der Konzernbilanz-RiL3 (für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht). Für börsennotierte Unternehmen folgt sie nach gegenwärtiger Rechtslage zusätzlich aus Art. 4 der Transparenz-RiL4. Die IAS/IFRS enthalten als solche keine Vorschriften über die Grundlagen oder den Vollzug von Offenlegungspflichten. Sie befassen sich vielmehr ausschließlich mit dem Inhalt der Rechnungslegung. Generell bilden den Gegenstand der Offenlegungspflicht nach § 325 Abs. 1 S. 1 HGB der vollständige Jahresabschluss, d.h. die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und der Anhang. Neben den Jahresabschluss tritt nach S. 3 dieser Vorschrift vor allem der Lagebericht des Unternehmens (siehe dazu den nächsten Beitrag von Palmes5, Kapitel 3.2.). Außerdem müssen Mutterunternehmen in derselben Weise wie den Jahresabschluss und den Lagebericht der Gesellschaft den Konzernabschluss und Konzernlagebericht dem allgemeinen Publikum zugänglich machen (§ 325 Abs. 3 HGB). 3.1.1.1.2. Inhaltliche Vorgaben für den (Konzern-/)Jahresabschluss, (Konzern-/)Lagebericht und den Einzelabschluss Während die inhaltlichen Vorgaben für den Lagebericht und den Konzernlagebericht bei sämtlichen publizitätspflichtigen Unternehmen (bisher) dem deutschen Handelsgesetzbuch zu entnehmen sind (§ 289 HGB), der seinerseits Vorgaben aus Art. 46 Bilanz-RiL und Art. 36 Konzernbilanz-RiL übernimmt, ist für den Jahresabschluss die Differenzierung zwischen den Vorgaben des HGB einerseits und der IAS/IFRS andererseits maßgeblich. Für die Abgrenzung zwischen Unternehmen, welche nach HGB Rechnung legen, und solchen, die nach IAS/IFRS vorgehen, finden sich die wesentlichen Grundlagen sowohl im europäischen Recht als auch im deutschen Recht.
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Auch 1. Richtlinie genannt. Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9.3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. L 065/8. Auch 4. Richtlinie genannt. Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. L 222/11. Auch 7. Richtlinie genannt. Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.6.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss, ABl. L 193/1. Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, (Transparenz-RiL), ABl. L 390/38. Zur Problematik des Wettbewerbsschutzes im Lagebericht PALMES, in diesem Buch, S. 375 ff.
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Ausgangspunkt für die Rechnungslegung nach IAS/IFRS ist die IAS-VO6 aus dem Jahre 2002 in Verbindung mit der IAS-Übernahme-VO 7, welche die Rechnungslegungsstandards eines internationalen Standardsetters, des International Accounting Standards Board (IASB), in EU-Recht transformieren (endorsen) und dabei die Anwendung der IAS/IFRS auf die Konzernabschlüsse aller kapitalmarktorientierten Unternehmen mit Sitz in der EU ab dem 1.1.2005 erstmals zum 31.12.2005 vorschreiben 8.9 Darüber hinaus sieht Art. 5 IAS-VO Mitgliedstaatenwahlrechte für die Konzernbilanz der übrigen Unternehmen sowie für den Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften vor.10 Deutschland hat durch Art. 1 BilReG vom 4.12.200411 sein Mitgliedstaatenwahlrecht dahin ausgeübt, dass nach dem zum 1.1.2005 neu eingefügten § 315a 6
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Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. L 243/1 (IASAnwendungs-VO = IAS-VO). Siehe die IAS-Übernahme-VO (Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission vom 29.9.2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates, ABl. L 261/1 (IAS-Übernahme-VO; auch genannt IFRS-VO)). Art. 4 IAS-VO (Fn. 6). Anzuwenden sind die i.S.d. Artt. 2, 3 und 6 dieser Verordnung i.V.m. Art. 1 der IAS-Übernahme-VO (Fn. 7) übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards, die sog. IAS/IFRS, in der jeweils geltenden Fassung. § 315a HGB ersetzt damit den mit Art. 5 2 KapAEG (1998) eingefügten und mit Art. 1 BilReG (2004, dazu Fn. 11) i.V.m. Art. 58 Abs. 3, 5, 6 EGHGB zum 31.12.2004 ausgelaufenen § 292a HGB. Insofern bestand bereits seit der Verabschiedung des KapAEG ein Gesetzgebungsauftrag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, für die Folgezeit eine adäquate und den internationalen wirtschaftlichen Verhältnissen deutscher Konzerne entsprechende Bilanzierungslösung zu schaffen. § 292a HGB hatte es den kapitalmarktorientierten Unternehmen erlaubt, als internationale Standards die US-GAAP für den Konzernabschluss zu verwenden. Nicht vergessen werden darf dabei, dass die IAS/IFRS faktisch über die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung durch den EuGH über die Bilanz- und die Konzernbilanz-RiL (Fn. 2 und 3) ohnehin bereits seit Langem für alle Kaufmänner unabhängig ihrer Rechtsform, Größe und Kapitalmarktorientierung Einfluss auf und Einzug in das HGB gefunden haben (so deutlich zuvor nur BÖCKING/HEROLD/MÜßIG, Der Konzern 2004, 664, 666 f.; mit Verweis auf diese Entscheidung des EuGH, Rs. C-306/99, BIAO, Slg. 2003, I-1 auch SCHULZE-OSTERLOH, BB 2004, 2567, 2568 sowie KAHLE, IRZ 2006, 87, 91). Vgl. hierzu statt Vieler SCHULZE-OSTERLOH, ZIP 2003, 93 (94). Nach Umfragewerten hatte dies relativ gesehen die Mehrzahl der Wissenschaftler wegen der verminderten Vergleichbarkeit der Abschlüsse abgelehnt, vgl. dazu MANDLER, StuB 13/2003, 582, 585 Übersicht 3. Dies lehnen bspw. auch ab: die DEUTSCHE BUNDESBANK sowie der ARBEITSKREIS BILANZRECHT DER HOCHSCHULLEHRER RECHTSWISSENSCHAFT, die INTERGOVERNMENTAL WORKING GROUP OF EXPERTS ON INTERNATIONAL STANDARDS OF ACCOUNTING (ISAR), LÖHR und HÜTTCHE. Dies befürworten hingegen: der DEUTSCHE STANDARDISIERUNGSRAT (DSR), der ARBEITSKREIS EXTERNE UNTERNEHMENSRECHNUNG DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT , sowie (auf lange Sicht gesehen) auch das INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER (IDW). Vgl. die Nachweise zu den jeweiligen Meinungen bei LÖHR, StuB 2003 (643) dort in Fn. 6 , 7 und (651) dort Fn. 63 sowie er selbst a.a.O. (650). Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 4.12.2004, BGBl. I Nr. 65/ 2004, v. 9.12.2004, 3166, in Umsetzung von Punkt 4 des Maßnahmekatalogs der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes vom 25.2.2003.
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Abs. 2 HGB sämtliche Kapitalgesellschaften (und diesen nach § 264a HGB gleichgestellte Personengesellschaften) sowie die unter § 11 Abs. 6 Nr. 2 HS. 2 PublG fallenden Unternehmen erstmals zum 31.12.2005 verpflichtet sind, ihren Konzernabschluss nach IAS/IFRS aufzustellen, wenn sie ihre Zulassung zum „organisierten Markt“12 beantragt haben. Nach § 315a Abs. 3 HGB bzw. § 264a HGB und § 11 Abs. 6 Nr. 2 HS. 1 PublG sind andere nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen bestimmter Rechtsformen jedenfalls berechtigt, einen solchen Konzernabschluss nach IAS/IFRS aufzustellen. Auch kann ein Einzelabschluss nach IAS/IFRS gemäß § 325 Abs. 2a HGB sowie § 9 Abs. 1 S. 1 PublG rechtsformunabhängig zu Offenlegungszwecken im Rahmen der Registerpublizität verwendet werden. Dies entbindet jedoch nicht von der fortbestehenden primären Pflicht, zur Bemessung der Ausschüttungen an die Gesellschafter und zur Besteuerung einen HGB-Abschluss aufstellen zu müssen13.
Abb.: aus PELLENS/F ÜLBIER/GASSEN, Internationale Rechnungslegung, S. 50
An dieser Rechtslage wird sich nach dem im November 2007 vorgelegten Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (RefE-BilMoG) 14 und dem Ende Mai 2008 vorgelegten zugehörigen Regierungsentwurf (RegE-BilMoG)15 nichts Wesentliches ändern. Zwar sollte nach § 264e HGB-RefE künftig für den Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft ein Wahlrecht bestehen, auch den Jahres12
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Ein organisierter Markt ist entweder der amtliche Handel oder der geregelte Markt, nicht hingegen der Freiverkehr. Grund für diese beschränkte Nutzbarkeit des Einzelabschlusses ist, dass der IAS/IFRSAbschluss dem dem Regelwerk zugrunde liegenden Konzept nach allein auf einen Informationsabschluss ausgerichtet ist (dazu noch unten im Text, bei 3.1.3.) und Marktinformation und Steuerbemessung nach Ansicht der Standardsetter unvereinbare Gegensätzlichkeiten sind (siehe Framework F 6). Für Ausschüttungs- und Steuerbemessungszwecke ist er nicht nur nicht konzipiert, sondern gänzlich ungeeignet. Dazu Näheres unten in Fn. 141. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 8.11.2007, unter http://www.bmj.bund.de/files/-/2567/RefE% 20BilMoG.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 21.5.2008, unter http://www.bmj.de/files/-/3152/RegE%20Gesetz %20zur%20Modernisierung%20des%20Bilanzrechts.pdf (mit Stand vom 28.5.2008).
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abschluss nach Maßgabe der IAS/IFRS aufzustellen (und ihn nicht nur, wie nach alter Rechtslage, nach IAS/IFRS offen zu legen (als sog. Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB)16); doch hätten weiterhin für Zwecke der Ausschüttungsbemessung und Besteuerung eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung nach HGB aufgestellt und in den Anhang des IAS/IFRS-Abschlusses aufgenommen werden müssen (§ 264e S. 4 HGB-RefE17). Verzichtet worden wäre letztlich (im Vergleich zur geltenden Rechtslage) nur auf den Anhang des HGB-Jahresabschlusses.18 Bereits im Regierungsentwurf wurde dieser Vorschlag eines solchen IAS-Jahresabschlusses daher wieder fallengelassen. Dieser Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) wird innerhalb des HGB gleichwohl das materielle Recht der Rechnungslegung stärker an die Welt der IAS/IFRS heranführen. Dabei werden namentlich die Aktivierung selbstgeschaffener Immaterialgüter (durch Streichen des bisherigen Ansatzverbotes aus § 248 Abs. 2 HGB) ermöglicht und die Bewertung bestimmter Finanzinstrumente zum Zeitwert oberhalb der Anschaffungskosten (durch Ändern der Bewertungsregeln des § 253 HGB) vorgesehen. Vor allem die Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen (im Umkehrschluss aus dem Schweigen des Bewertungsverbots aus § 255 Abs. 2 S. 4 HGB-RefE bzw. -RegE) wird zu den wettbewerblich besonders relevanten Umständen gehören.
3.1.1.2. Das Konfliktpotential im geltenden Bilanzrecht Die knapp geschilderte Gesetzeslage geht davon aus, dass bei jeder Kapitalgesellschaft (oder einem dieser gleichgestellten Personenunternehmen) zumindest ein Jahresabschluss (bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung mit Anhang) sowie der Lagebericht offen gelegt werden 19. Bei Konzerngesellschaften treten der Konzernabschluss (aus Konzernbilanz, Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung mit Konzernanhang, Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel)20 sowie der Konzernlagebericht21 und ein freiwilliger Segmentbericht22 hinzu. Die Erweiterung des Abschlusses um eine Kapitalflussrechnung, einen Eigenkapitalspiegel und einen freiwilligen Segmentbericht soll mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) künftig auch für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften gelten, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind (§ 264 Abs. 1 S. 2 HS. 1 16
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§ 325 Abs. 2a HGB der jetzt geltenden Fassung wäre dann überflüssig gewesen und wäre gestrichen worden (siehe (a.a.O. (Fn. 14)): Art. 1 Nr. 62 a) (§ 325 HGB-RefE)). Zu der Ungeeignetheit des IAS-Jahresabschlusses für die Ausschüttung und Steuerbemessung siehe auch die Begründung zum Referentenentwurf (Fn. 14) (zu Art. 1 Nr. 17 (§ 264e HGBRefE)), 129 f. sowie auch die Begründung zum Regierungsentwurf (Fn. 15), 72, die zu dem Gesetzeswortlaut des § 264e 4 HS. 2 geführt hätte. Siehe dazu auch bereits in Fn. 13 und unten Fn. 141. So auch die Begründung zum Referentenentwurf (Fn. 14) (zu Art. 1 Nr. 17 (§ 264e HGBRefE)), 130. Gemäß § 264 Abs. 1 S. 1 HGB. Gemäß § 290 Abs. 1 S. 1 mit § 297 Abs. 1 S. 1 HGB. Nach § 290 Abs. 1 S. 1 mit § 315 HGB. Gemäß § 297 Abs. 1 S. 2 HGB. Verpflichtend ist er nur für börsennotierte Gesellschaften (siehe dazu noch unten in 3.1.2.3.2.2.).
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und 2 HGB-RefE bzw. -RegE). Bei Unternehmen, die nach IAS/IFRS ihren Konzernoder Einzelabschluss aufstellen, muss jedenfalls noch für die Zwecke der Ausschüttung und Steuerbemessung bei den beteiligten Einzelgesellschaften sowie auch bei der Muttergesellschaft ein Jahresabschluss nach HGB aufgestellt und offen gelegt werden (hieran wird auch das BilMoG, wie gesehen, nichts ändern). Daraus resultiert eine vielfache Offenlegung sensibler Unternehmensdaten an die gesamte Öffentlichkeit einschließlich von Konkurrenten, Zulieferern oder Abnehmern. Dies bedeutet für die offenlegungspflichtigen Unternehmen einen erheblichen Eingriff in ihre „informationelle Selbstbestimmung“23. Die Komplexität des Themas folgt daraus, dass ein solches Unternehmen häufig (auch) auf effiziente und damit günstige Kapitalbeschaffung und damit auf eine Informationsoffenlegung auf dem Finanzmarkt angewiesen ist. Von der Warte dieses unternehmerischen Subziels einer effizienten und günstigen Kapitalbeschaffung hat sich die Offenlegung von Unternehmensdaten an der Sicht der Adressaten der Berichterstattung zu orientieren. Je mehr unverfälschte Information den Eigen- und Fremdkapitalgebern zur Verfügung steht, desto bereitwilliger wird investiert und finanziert und desto effizienter24 stellt sich die Kapitalbeschaffung auf den Finanzmärkten dar. Je größer die Geheimhaltung, in welcher Form auch immer, desto beeinträchtigender ist dies für das Vertrauen des Finanziers als Grundvoraussetzung für jede seiner Investitionsentscheidungen. Der Jahresabschluss ist für die Anleger hierbei nachgewiesener Maßen 25 immer noch die fast alleinige26 und letztlich entscheidende, weil herausgehobene Informationsgrundlage. 23 24
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Siehe in diesem Kontext auch bei BUDDE, in: FS Moxter, 33 (41 f.). Vgl. auch allgemein zum Zusammenhang von Qualität der Information und Sinken der Kapitalkosten bei DASKE, BFuP 57 (2005), 455 (459 ff.) m.w.N. dort ab Fn. 19 und DERS., JoBFA 2006, 329 ff., 363 ff.; WULF/KLEIN/AZAIZ, DStR 2005, 260 (262) und auch HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 242 f. Dessen ist sich auch der deutsche Gesetzgeber zum BilMoG bewusst (siehe die Begründung zum Referentenentwurf (Fn. 14), 60, 61 a.E./62 und 63 und zum Regierungsentwurf (Fn. 15), 70, 71 a.E./71 und 73). So in ähnlichem Zusammenhang auch HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 315. Siehe so i.E. belegend auch die empirische Studie von EKHOLM, JoBFA 2006, 127 (133) sowie für die Entscheidungsrelevanz der Rechnungslegung die zentrale Auswertung vieler weiterer Studien bei LINDEMANN, ZfB 2006, 967 (968), dort m.w.N. in Fn. 12 und Fn. 15 sowie (988); speziell für die unterjährigen Jahresabschlussdaten aus dem Zwischenbericht mit empirischem Nachweis VIERU/PERTTUNEN/SCHADEWITZ, JoBFA 2006, 145 (161 ff.). Zur Irrelevanz einer strengen Informationseffizienz des Kapitalmarktes in diesem Zusammenhang MUJKANOVIC, Fair value im Financial Statement nach International Accounting Standards, 36 ff. Vor Jahren angestellte Untersuchungen haben bereits ergeben, dass Investoren sich bei ihren Entscheidungen in ihrem Periodenerfolgskalkül von ganz unterschiedlichen Faktoren leiten lassen (vgl. statt Vieler die Nachweise bei SCHILDBACH, Jahresabschluss und Markt, 1986). Diese können nicht sämtlich von einem Jahresabschluss abgedeckt werden, weil sich einige, u.U. wesentliche, der Bilanzierung überhaupt entziehen. Über das Urvertrauen, das Basis jeder Geldanlage ist, entscheiden in der Praxis aber trotzalledem die Jahresabschlüsse fast allein. Vgl. dazu auch KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 4 m.w.N. dort in Fn. 7. Vgl. zur grundlagentheoretischen Darstellung der Rechnungslegung als „Nachrichtenproduktionssystem“ als Beitrag zur institutionellen evolutorischen Effizienz bei der Kapitalallokation auf Kapitalmärkten u.a. bei DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 33 ff., kurz auf 40.
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Für die analytische Modellbetrachtung darf daher von der Prämisse ausgegangen werden, dass die Adressaten ihre Investitionsentscheidungen in Abhängigkeit von Erkenntnissen fällen, die sie aus dem Jahresabschluss gewinnen, und die Anlageentscheidung demzufolge durch das Unternehmen über seinen Jahresabschluss zu beeinflussen ist.27 Aus der Sicht der Adressaten beurteilt sich daher die Qualität und Güte eines Rechnungslegungssystems28 am Ausmaß der von ihnen korrigierbaren Elemente unternehmerischer Bilanzpolitik29 im Verhältnis zu den nicht korrigierbaren – weil unerkannt bleibenden – Instrumenten unternehmerischer Bilanzpolitik und den Anreizen, die ein Rechnungslegungssystem für letztere schafft.30 Doch es ist nicht nur der Anleger Empfänger dieser Informationen. Empfänger sind auch Wettbewerber sowie Zulieferer und Abnehmer. Sowohl de facto als auch nach der Rechtsprechung des EuGH 31 de iure sind auch diese sogar Adressat der 27
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Vgl. dazu auch KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 4 m.w.N. dort in Fn. 7. Wie negative Informationen entgegen dem typischen und zu erwartenden Desinvestitionsverhalten von professionellen und marktbeeinflussenden Großanlegern erstaunlicher Weise bei Laien-Anlegern mehrheitlich zu einem (preisgünstigen) Investitionsverhalten führen, dazu die empirische Analyse in Finnland bei EKHOLM, JoBFA 2006, 127 (133). Rechnungslegung ist Rechenschaft, sie ist Abbildung von vergangenen Vorgängen; erfolgt sie auf der Grundlage nachhaltiger Informationen erlaubt sie unter Umständen auch eine Prognose für Zukünftiges, auch wenn dies nicht ihre Aufgabe und nicht ihr Konzept ist – ein Rückspiegel (so SCHILDBACH im Rahmen des Munich Workshop of Accounting and Auditing (MWAA) am 24.11.2004 an der LMU München) und ggf. zugleich Fernglas. Diese Rechenschaft, und Abbildung, kann von verschiedenen Blickwinkeln aus unterschiedlich ausfallen, so dass es eine absolute Wahrheit in der Rechnungslegung nicht geben kann, sondern nur eine relative (dazu auch sogleich im Text). „Die“ Qualität der Rechnungslegung muss sich daher an einer sachgerechten Lösung relativer Wahrheit orientieren. (So zuvor auch schon MOXTER, in: FS Leffson, 1976, 87, 99 dort in Fn. 6, wo er anmerkt, dass es kaum objektivierbare Kriterien für ein „Rechenschaftsoptimum“ gibt und LÖHR, StuB 2003, 643, 643 und 645). Insbesondere lässt sich ein solches Optimum auch nicht aus den Modellen der Institutionenökonomik oder der Neuen Institutionenökonomik herleiten. Sie sind für den Fall divergierender Adressateninteressen und der Umweltkomplexität, wie sie bei der Rechnungslegung begegnen, nicht operabel. D.h. aus rein grundlagentheoretischen Modellen über die Informationsökonomie lassen sich weder automatisch Verbesserungs- noch Reformvorschläge generieren (vgl. dazu DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 41 ff., insbesondere 56 f. m.w.N.). Richtiger müsste man sagen die Jahresabschluss- oder gar Rechnungslegungspolitik (siehe die Nachweise bei FISCHER/KLÖPFER, KoR 2006, 709 bei Fn. 11 und 12). KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 11 und HOFFMANN/LÜDENBACH, in DIES., IFRS, § 1 Rn. 47. Es wird im Rahmen der Abschlussanalyse quasi versucht, den Abschluss zu korrigieren. Hierfür stellt man Posten um, bewertet sie um, spaltet sie auf, saldiert sie oder erweitert sie und bildet sie gegebenenfalls neu. Hieraus entsteht dann im Optimalfall die bereinigte Strukturbilanz. Ein Gliederungsbeispiel und Formelschema für eine solche Strukturbilanz ist abgedruckt bei KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 10 f. und 18. Vgl. schon EuGH, Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V../.Daihatsu Deutschland GmbH, Slg. 1997, I-06843 (Rn. 29 ff., insbesondere Rn. 34), hinsichtlich Art. 6 der Publizitäts-RiL (Fn. 1): dort versteht das Gericht die Kunden als „andere“ i.S.d. Schutzvorschrift des Art. 44 Abs. 2 g) EG bzw. als „Dritte“ i.S.d. Vorgängervorschrift nach Art. 54 Abs. 3 g) EGV a.F.; und EuGH, Rs. C-191/95, Kommission./.Deutschland, Slg. 1998, I-05449 sowie zum Schutz der Interessen von Konkurrenten EuGH, Rs. C-435/02, Axel Springer AG./.Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. KG und Rs. C-103/03, Axel Springer AG./.Hans-Jürgen Wenske, Slg. 2004, I-08663 (Rn. 34); dieser Linie folgend auch EuG, Rs. T-47/02, Danzer, Slg. 2006, II-01779 (Rn. 40 ff.).
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
295
Rechnungslegung eines Unternehmens.32 Bei dem, was man als gute Rechnungslegung definiert, muss man sich daher mehr als bei anderen Problemfeldern bewusst sein, dass man es hier ganz besonders mit zwei völlig divergierenden Perspektiven zu tun hat, die es unter einen Hut zu bringen gilt. Die Unternehmen wollen aus Sorge vor starken Konkurrenten, Zulieferern und Abnehmern keine Informationen preisgeben, sind aber der Kapitalbeschaffung wegen gegenüber den Anlegern auf die Offenlegung von Informationen angewiesen.33 Um der wirtschaftlichen Vorteile der Kapitalbeschaffung auf dem Finanzmarkt willen setzt sich das Unternehmen auf der anderen Seite der Gefahr eines Wettbewerbsnachteils auf dem Produktmarkt (sog. competitive disadvantage), einer feindlichen Übernahme oder einer Marktverdrängung, d.h. einem sog. Wettbewerbsschaden (competitive harm) aus und es wird für Preisverhandlungen mit Zulieferern auf dem Produktmarkt erpressbar.34 Statis32
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(Rn. 40 ff.). Dazu auch MERKT, Unternehmenspublizität, 321 und 413. Dies wird auch von SCHÖN unten in diesem Buch, S. 563 (566 ff.) bei 4.2.2.1. und 4.2.2.2.1. grundlegend und umfassend vor diesem Hintergrund diskutiert, abgewogen und gewürdigt. A.A. noch MOXTER, in: FS Leffson, 87 (97), der hier über diejenigen Externen, die sich Information zunutze machen und dadurch gefährliche Nebenwirkungen für das offen legende Unternehmen verursachen, noch als Nichtadressaten spricht. Dies könnte auch tatsächlich nicht anders gehandhabt werden, weil sich ein Konkurrent die für ihn relevanten Informationen – wenn auch nicht legaler Weise – über einen Anleger beschaffen könnte, der genau zu diesem Zweck beauftragt worden ist zu investieren. In solch einem Fall mag man dann auch, wie BALLWEISER, von Konkurrenten als Trittbrettfahrern sprechen, die selbst keine Informationskosten aufwenden, denen die Information i.E. gleichwohl nicht geheim gehalten werden kann (siehe DENS., IRZ 2006, 23, 26). Informationstheoretisch zu einem Informationsanspruch der Wettbewerber und dessen Beschränkungsbedarf DRUEY, BJM 2005, 57 (75 f. i.V.m. 71 f.unter 1.)). Zu diesem Korrelat der Pflichtpublizität als Preis für eine günstigere Kapitalbeschaffung auch MERKT, Unternehmenspublizität, 332 und DERS., in: BAUMBACH/HOPT, Einl v. § 238 Rn. 10 und § 325 Rn. 1; DERS., EBOR 2006, Bd. 7, 95 (100) bei Fn. 12 und (115); DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, 343 f.; FLEISCHER, NZG 2006, 561 (561) m.w.N. dort in Fn. 5 und (562) m.w.N. dort in Fn. 12; HOPE/THOMAS/WINTERBOTHAM , JoAA&F 2006, 323 (325); LEHNER, in: BAETGE, Übergang der Rechnungslegung vom HGB zu den IFRS, 1 (10 f.); BUDDE/ STEUBER, AG 1996, 542 (548 und 549, ltzt. Drittel) sprechen lediglich für die freiwillige Publizität, mit der auch die Eingriffsqualität entfällt, so dass ihre Argumentation für Erstere nicht gelten kann. Vgl. diesen Zusammenhang von Informationsoffenlegung und verringerten Kapitalbeschaffungskosten auch bei MARX/DALLMANN, BB 2004, 929 (930) und insbesondere die umfassenden w.N. dort in Fn. 40 sowie bei GAMPER/VOLKART/WILDE, Der Schweizer Treuhänder 2006, 642 (643) m.w.N. dort in Fn. 3: diese auch zum Fremdfinanzierungsgrad und der Anteilsdispersion als empirisch verifizierten „Transparenztreiber“ – erstaunlich dort jedoch auch das empirische Untersuchungsergebnis, dass ausländische Investoren von höherer Transparenz unbeeinflusst bleiben (a.a.O., 644); weitere empirische Nachweise bei CORMIER/MAGNAN/VAN VELTHOVEN, EAR 2005, 3 (4) oben und so auch HOSSAIN/AHMED/GODFREY, JoBFA 2005, 871 (873): u.a. auch speziell für die freiwillige Publizität sowie grundlegend empirisch belegt von HAIL/LEUZ, JoAR 2006, 485 ff., insbes. 501 ff. und auf 520 ff. speziell für den Unterschied Segmentmarkt mit detaillierten Informationen zu integriertem Markt mit aggregierten Informationen sowie für die (sehr enge) Pflichtpublizität in den USA von BUSHEE/ LEUZ, JoA&E 2005, 233 (234 f. m.w.N.), (248 f.), (254 f.) und (261). Von diesem Dilemma spricht MOXTER schon 1962 als Spannungsverhältnis (vgl. DENS., Der Einfluss von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 4 ff., 64 ff.); die negative Seite nennt er 1976 „gefährliche Nebenwirkung“ (siehe DENS., in: FS Leffson, 87, 97; zu dem Dilemma der Rechnungslegung a.a.O., auch 94, 97 bis 99 dort in Fn. 6 a.E.). Vgl. zu diesen negativen Nebenwirkungen statt Vieler HALLER, in: BAETGE/DÖRNER/ KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach Internationalen Accounting Standards, Teil B, IAS 14, Rn. 12 f. und zuvor bereits EWERT/WAGENHOFER, ZfB 1992, 297 (324) sowie BAETGE/APELT, DB 1988, 1709 und MÜLLER/PFITZER, FAZ v. 22.12.2001, 19.
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tisch ist letzteres sogar das weit größere und aus betriebswirtschaftlicher Sicht das von den Unternehmen gefürchtetere Problem.35 Beispielhaft ist das nicht diversifizierte Einproduktunternehmen, das nur einen einzigen Produktmarkt oder gar nur ein Marktsegment davon bedient und dementsprechend mit jeder offen gelegten Information aus seiner Bilanz, seiner Gewinnund Verlustrechnung oder in Anhang oder Lagebericht automatisch Produktmanagement- und Margendaten, wie bspw. Einkaufs- und Verkaufsspannen preisgibt. Gleiches gilt für das Start-up-Unternehmen, das in einem Markt erst mit hohem Innovationsaufwand Fuß fassen muss. Für diese Unternehmen besteht ein erhebliches, vorrangiges Interesse daran, entweder überhaupt nichts extern offen legen zu müssen36 oder aber nicht zu knapp und in geeignetem Maß bilanzpolitische Instrumente zur Verfügung zu haben, um entsprechend ihrem unternehmerischen Ziel eine Geheimhaltung ganz bestimmter unternehmensbezogener Daten erreichen zu können. Als besonders sensibel und neuralgisch gelten aber auch bei Mehrproduktunternehmen das Offenlegen der Produktdaten aufgeteilt nach Marktsegmenten im so genannten Segmentbericht sowie das Offenlegen von Handelsbeziehungen und von Forschungs- und Entwicklungskosten: So ist international nach IAS 14 ein solcher Segmentbericht stets zum Konzernabschluss zu veröffentlichen und national nach § 297 Abs. 1 S. 2 HGB i.V.m. einem Umkehrschluss aus § 314 Abs. 2 S. 1 HGB jedenfalls dann, wenn nicht die Segmentumsatzerlöse im Konzernanhang aufgegliedert werden (dazu noch unten). Im Jahresabschluss nach HGB muss grundsätzlich zumindest im Anhang laut § 285 S. 1 Nr. 4 HGB „die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geographisch bestimmten Märkten“ (sog. Segmenten) vorgenommen werden. Nach IAS 14 müssen daneben u. a. auch major customers, d.h. Kunden, die mehr als 10 % des Gesamtumsatzes ausmachen, angegeben werden37. Bei Unternehmen, die nur in einem Segment tätig sind, ergeben 35
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Vgl. zu diesen negativen Nebenwirkungen statt Vieler HALLER, in: BAETGE/DÖRNER/ KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach Internationalen Accounting Standards, Teil B, IAS 14, Rn. 12 f. und zuvor bereits EWERT/WAGENHOFER, ZfB 1992, 297 (324) sowie BAETGE/APELT, DB 1988, 1709 und MÜLLER/PFITZER, FAZ v. 22.12.2001, 19. So auch KAI UWE MARTEN mit der Einschätzung aus betriebswirtschaftlicher Sicht gegenüber der Autorin. Vgl. auch die Übersicht zu den Risiken aus dem Wettbewerbsumfeld bei VIELMEYER, Risikoorientierte Unternehmenspublizität, 62 Abb. 2-7 m.w.N. und samt Erläuterung und detaillierter Auflistung der Risiken unter die Obergruppen „Kunden“, „Zulieferer“ und „Wettbewerbsrisiken“ dort auf 63 f. Für kleine Unternehmen erkennt dies nun auch die Bundesregierung: Sie hebt in der Begründung zum Regierungsentwurf zum BilMoG hervor, dass die Rechnungslegung als solche bei kleinen Unternehmen bereits sensible Interna preisgibt und so Wettbewerbsgefahren für diese hervorruft (siehe in der Begründung zum RegE-BilMoG (Fn. 15), S. 72). Implizit gemäß IAS 14.69 und 14.70-72. US-GAAP FAS 14 hat sogar eine namentliche Identifikation vorgesehen, vgl. APB 14, Abschn. 39. Dies ist mit FAS 131 aufgehoben/geändert worden. Die IAS/IFRS sehen von einer solchen namentlichen Nennung ab. Die SEC verlangt nach Regulation S-K Item 101 trotz der Gefahr eines Wettbewerbsschadens weiterhin eine namentliche Nennung im 10 K-Bericht: so bspw. bei dem Schokoladenhersteller HERSHY und WALMART-STORES (so AICPA (Hrsg.), Accounting Trends & Techniques, Jersey City, N.J. 1997, 27).
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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sich diese Gefährdungspotentiale auch ohne einen Segmentbericht aus den schlichten Bilanzangaben über Umsatz und Gewinn. Ein weiteres Beispiel bilden Forschungs- und Entwicklungskosten. Während Forschungskosten schlicht in den Aufwand gebucht werden, müssen Entwicklungskosten nach IAS 38 aktiviert werden, wenn sie zu einem greifbaren Vermögensgegenstand führen werden. Diese Rechtslage besteht bisher zwar nur nach IAS/IFRS, doch soll im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) diese Aktivierungspflicht (nach IAS 38.57) auch in den Jahresabschluss und den Konzernabschluss nach HGB aufgenommen werden (dies ergibt sich im Umkehrschluss aus dem Schweigen des Bewertungsverbots aus § 255 Abs. 2 S. 4 HGB-RefE bzw. -RegE und aus dem Streichen des bisherigen Ansatzverbotes aus Abs. 2 a.F. in § 248 HGB-RefE bzw. -RegE, i.V.m. § 298 Abs. 1 HGB-RefE bzw. RegE). Außerdem sollen im Anhang zum Jahresabschluss und zum Konzernabschluss der Gesamtbetrag38 der Forschungs- und Entwicklungskosten sowie der davon auf die selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände entfallende Betrag differenziert dargestellt werden (§ 285 Nr. 22 HGB-RefE bzw. -RegE und § 314 Abs. 1 Nr. 14 HGB-RefE bzw. -RegE). In der Fassung des Regierungsentwurfs sollen diese Angaben zudem jeweils aufgegliedert in Forschungs- und Entwicklungskosten anzugeben sein (HS. 2 der VorschriftenRegE). Auch wenn nur der Gesamtbetrag anzugeben wäre, wie nach der Fassung des Referentenentwurfs, könnte über den (künftig) verpflichtenden Bilanzansatz der Entwicklungskosten (aus § 248 HGB-RefE bzw. -RegE) auch der Restbetrag des Forschungsaufwands exakt ermittelt werden. In der Fassung des Regierungsentwurfs wird dies ohnehin direkt ablesbar. Bedenkt man, dass mit dem „Davon“-Betrag der selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände auch die Werthaltigkeit und die Nachhaltigkeit der Entwicklungskosten herausgelesen werden kann, gibt das Unternehmen mit dem ablesbaren oder dem herauslesbaren Restbetrag des Forschungsaufwands und diesen Angaben zu den Entwicklungskosten sein gesamtes Potential auf allen Stufen seiner technologischen Innovationen preis.
3.1.2. Die Rechtslage zur Befreiung von Informationspflichten nach HGB 3.1.2.1. Die verschiedenen Gesetzgebungstechniken Im Rahmen des bisherigen Bilanzrechts des HGB hat man den geschilderten Konflikt durch eine Beschränkung der Offenlegung mit Hilfe von größenabhängigen Erleichterungen, Schutzklauseln, Wahlrechten, Beurteilungs- und Ermessensspielräumen zu lösen versucht. Dabei handelt es sich vor allem bei den Schutzklauseln um gezielte Befreiungen von der Preisgabe wettbewerbsrelevanter Umstände. Diese stehen daher im Mittel38
Mit der Angabe als Gesamtbetrag soll ausdrücklich der Begründung zum Entwurf des BilMoG auf die Geheimhaltungsinteressen der Wirtschaft Rücksicht genommen werden (siehe die Begründung zum Referentenentwurf (Fn. 14), zu Art. 1 Nr. 29 a)ee) (§ 285 Nr. 22 HGB-RefE), 150 bzw. zum Regierungsentwurf zu selbiger Vorschrift (Fn. 15), 160). Dass dieses Ziel de facto verfehlt wird, dazu weiter im Text.
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punkt der Analyse des Verhältnisses zwischen Offenlegungspflicht und Geheimnisschutz. Hinzu treten zunächst größenabhängige Erleichterungen für kleine und mittelgroße Unternehmen, die sowohl im Europäischen Bilanzrecht (vor allem im Rahmen der Mittelstands-RiL aus dem Jahre 1990 39) als auch im Rahmen der Richtlinienumsetzung im HGB40 angelegt sind. Diese Erleichterungen sollen nach der Zielsetzung des Gesetzgebers von den Unternehmen in erster Linie dazu genutzt werden, kostenträchtigen Administrationsaufwand zu vermeiden. Sie lassen sich aber daneben auch (zweckfremd) dafür einsetzen, die Detaillierung publizitätspflichtiger Daten im Interesse des Wettbewerbsschutzes zu minimieren. Demgegenüber werden materielle bilanzielle Wahlrechte, Beurteilungs- und Ermessensspielräume durch einen Gesetzgeber oder Standardsetter im Grundsatz deshalb eingeräumt, um tatsächlichen Unsicherheiten zu Ansatz und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden Rechnung zu tragen. Wahlrechte sind Regelungen, die dem Unternehmen eine Art der Bilanzaufstellung aus zwei oder mehreren vorgegebenen, sich ausschließenden Varianten anheim stellen.41 Bei einem Wahlrecht ist also das „Ob“ der Offenlegung vorgegeben und das „Wie“ ist in vorgegebenem Rahmen zur (subjektiv richtigen) Abbildung von Unsicherheiten wählbar. Das unterscheidet es von einer Schutzklausel, die das „Ob“ der Offenlegung als solches zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen42 anheim stellt. 39
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EG-Richtlinie 90/604/EWG des Rates vom 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinie 78/660/ EWG über den Jahresabschluss und der Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss hinsichtlich der Ausnahme für kleine und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüssen in Ecu, ABl. L 317/57 (sog. Mittelstands-RiL). Bspw. durch das Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen vom 25.7.1994, (DMBilG), BGBl. 1994 I, 1682. Vgl. die Definition bei NIEHUS, in: KLEINDIEK/OEHLER, 28; bei KÜTING, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 493 (506) und zuvor schon KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 6 und KÜTING/DAWO, StuB 2002, 1157 (1158). Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist eine Tatsache, die in Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb (Unternehmen) steht, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig ist und nach dem bekundeten oder erkennbaren Willen des Betriebsinhabers aufgrund eines berechtigten Interesses geheim gehalten werden soll (so der gegenwärtige Konsens in Rechtsprechung und Literatur; siehe dazu bei V. GAMM , Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, 28; siehe dazu auch kürzlich VEIL, ZHR 172 (2008), 239, 243 dort bei Fn. 27 mit Verweis auf HÜFFER, AktG, § 93 Rn. 7). Die nach Segmenten aufgegliederten Umsatzerlöse sind damit solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Nicht verwechselt werden darf solch ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis mit den Insiderinformationen (als Geheimnisse aus dem Kapitalmarktrecht nach § 13 WpHG) (siehe zur Abgrenzung kürzlich bei VEIL, ZHR 172 (2008), 239, 260 f. dort unter IV.). Siehe zur Problematik bei den Insiderinformationen eigens unten bei KERSTING, in diesem Buch, S. 411 ff. Abzugrenzen sind sie auch von den Geschäftsgeheimnissen nach dem Wettbewerbsrecht (siehe dazu bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563, 607, dort bei Fn. 180). Anders als V. GAMM kann man gleichwohl nicht davon ausgehen, dass jeder Jahresabschluss und jeder Lagebericht als solches ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist. Ein Jahresabschluss als solcher muss nach den gesetzlichen Vorgaben des europäischen Richtliniengebers und der nationalen Umsetzung dessen offen gelegt werden und soll aus Gründen der Kapitalbeschaffung auch nach dem Willen des Betriebsinhabers offen gelegt werden, so dass man schon nach der eigenen Definition von V. GAMM ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis als solches ablehnen muss (anders noch das RGSt 1897, 426, 430). Daher handhabt es auch die Praxis richtigerweise so, dass der Abschlussprüfer nur bzgl. derjenigen Daten der Schweigepflicht unterliegt, die er intern aufgrund und bei seiner Prüfungstätigkeit zusätzlich erfährt. Abgesehen davon wäre es sinnwidrig und nicht praktikabel, wenn sonst alle Adressaten, also auch die Gesellschafter, die den Abschluss zu Kontrollzwecken erhalten, zum Datenschutz verpflichtet werden müssten.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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Wahlrechte werden demzufolge ausgeübt, Schutzklauseln in Anspruch genommen. Beurteilungsspielräume eröffnen sich durch unbestimmte Rechtsbegriffe eines Bilanzierungstatbestands, die mehrerlei unterschiedliche Einschätzungen ermöglichen, ob ein bilanzierbarer Sachverhalt tatsächlich vorliegt. Ermessensspielräume ergeben rechtsfolgenseitig den Freiraum, ob ein grundsätzlich bilanzierbarer Sachverhalt tatsächlich bilanziert werden muss oder nicht. Auch wenn Wahlrechte, Beurteilungs- und Ermessensspielräume in der Bilanzpraxis nicht selten dafür eingesetzt werden, Schutzinteressen des publizitätspflichtigen Unternehmens zu sichern, sind sie teleologisch gerade nicht darauf ausgerichtet, den Konflikt zwischen kapitalmarktrechtlicher Offenlegung und wettbewerbsbezogenem Geheimnisschutz zu lösen. Im Gegenteil: Wenn und soweit Unternehmen diese „Unsicherheits“-Freiräume bewusst dazu nutzen, wettbewerbsrelevantes Wissen zu verschweigen,43 handeln sie den eigentlichen Bilanzzwecken entgegen. Der Geheimnisschutz ist vielmehr Aufgabe der Schutzklauseln. Allerdings muss der bilanzpolitischen Verwendung von Wahlrechten, Beurteilungs- und Ermessensspielräumen zugute gehalten werden, dass in den betroffenen Sachverhalten offensichtlich ein rechtspolitisches Bedürfnis nach einer Schutzklausel besteht, deren Fehlen faktisch durch die Nutzung anderer bilanzpolitischer Spielräume wettgemacht wird. Doch sollte man bei einer systematischen Ausrichtung des Bilanzrechts die Unternehmen nicht auf eine solche zweckwidrige Nutzung von „Unsicherheits“-Freiräumen verweisen können. Es sprechen vielmehr gute Gründe dafür, die Inanspruchnahme von Schutzklauseln gezielter und gegebenenfalls auch breiter angelegt zu ermöglichen und auf diesem Wege den Anreiz, Wahlrechte, Beurteilungs- und Ermessensspielräume für diesen Zweck einzusetzen, zu verringern.
3.1.2.2. Aufstellungs- und Offenlegungserleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften 3.1.2.2.1. Der Inhalt der Erleichterungen Die erste und wichtigste Erleichterung für kleine Kapitalgesellschaften regelt in § 264 Abs. 1 S. 3 HGB, dass diese von der Pflicht zur Aufstellung (und damit auch der Offenlegung) eines Lageberichts entbunden werden. Abgesehen davon dürfen sie gemäß § 266 Abs. 1 S. 3 HGB44 eine gröber strukturierte und damit in höherem 43
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muss (anders noch das RGSt 1897, 426, 430). Daher handhabt es auch die Praxis richtigerweise so, dass der Abschlussprüfer nur bzgl. derjenigen Daten der Schweigepflicht unterliegt, die er intern aufgrund und bei seiner Prüfungstätigkeit zusätzlich erfährt. Abgesehen davon wäre es sinnwidrig und nicht praktikabel, wenn sonst alle Adressaten, also auch die Gesellschafter, die den Abschluss zu Kontrollzwecken erhalten, zum Datenschutz verpflichtet werden müssten. Zu dieser regelmäßig systematischen Handhabe der Unternehmen STREIM/BIEKER/ESSER, BFuP 2003, 457 (474). Er setzt Art. 47 Abs. 2 i.Vm. Art. 11 der Bilanz-RiL (Fn. 2) um. Eine völlige Befreiung von der Offenlegungspflicht, wenn die Gesellschaft den Abschluss dafür am Sitz der Gesellschaft zur Einsicht für jedermann bereit hält, wie es Art. 47 Abs. 1a der Bilanz-RiL in der Fassung der Änderungsrichtlinie 90/605/EWG vom 8.11.1990, (Kapitalgesellschaften und Co-Richtlinie; sog. KapCoRiL, ABl. L 317) für ausländische Beteiligungsunternehmen vorsieht, ist sinnvollerweise nicht verallgemeinerungsfähig.
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Maße aggregierte Bilanzgliederung aufstellen und sie dürfen gemäß § 276 S. 1 HGB ihre Daten im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung relativ grob unter der Sammelbezeichnung „Rohergebnis“ aggregieren. In diesem Sammelposten „Rohergebnis“ gehen insbesondere auch die Umsatzerlöse auf. Bei der Aufstellung ihrer Gewinn- und Verlustrechnung sind sie gemäß § 276 S. 2 HGB auch von der Erläuterung der außerordentlichen Erträge und Aufwendungen im Anhang i.S.d. § 277 Abs. 4 S. 2 und 3 HGB befreit. Gemäß § 326 S. 1 HGB haben sie diese Gewinn- und Verlustrechnung auch nicht offen zu legen, so dass folgerichtig nach S. 2 dieser Vorschrift auch der offen zu legende Anhang diejenigen die Gewinnund Verlustrechnung betreffenden Angaben nicht zu beinhalten braucht. Hier kann man von einer impliziten oder faktischen Schutzklausel sprechen, weil Unternehmensdaten, die ganz besonders für kleine Unternehmen faktisch sensibel sind, auch mit Blick auf einen Wettbewerbsschaden unterbleiben dürfen. Offen gelegt werden daher nur eine verkürzte Bilanz sowie der Anhang mit seinen Erläuterungen zu dieser Bilanz. Nach § 288 S. 1 HGB sind kleine Kapitalgesellschaften45 allerdings auch in diesem Anhang von bestimmten Angaben befreit. Dazu gehört auch die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach § 285 S. 1 Nr. 4 nach geographischen Segmenten oder nach Tätigkeitsbereichen sowie nach dem geplanten Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) auch die Angabe des Gesamtbetrags der Forschungs- und Entwicklungskosten nach § 285 Nr. 22 HGBRefE bzw. -RegE (§ 288 Abs. 1 HGB-RefE bzw. -RegE). Auch hier kann man von einer solchen impliziten oder faktischen Schutzklausel sprechen. Für kleine Unternehmen ist also die in diesem Beitrag nachstehend behandelte Schutzklausel aus § 286 Abs. 2 HGB46 zur Befreiung von der Aufgliederung der Umsatzerlöse von vornherein nicht relevant. Mittelgroße Kapitalgesellschaften müssen zwar einen Lagebericht aufstellen und einreichen und auch ihre Gewinn- und Verlustrechnung offen legen. Auch sie47 dürfen jedoch ihre Daten im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung gemäß § 276 S. 1 HGB relativ grob unter der Sammelbezeichnung „Rohergebnis“ aggregieren und sind gemäß § 288 S. 2 HGB von der sensiblen Aufgliederung der Umsatzerlöse nach § 285 S. 1 Nr. 4 HGB befreit. Anders als kleine Kapitalgesellschaften sollen sie jedoch nach dem geplanten Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) von der Angabe des Gesamtbetrags der Forschungs- und Entwicklungskosten nach § 285 Nr. 22 HGB-RefE bzw. -RegE nicht befreit sein (im Umkehrschluss aus dem Schweigen des § 288 Abs. 2 HGB-RefE bzw. -RegE) und haben 45
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Solche nach § 267 Abs. 1 HGB. D.h. solche, die zwei von drei Größenmerkmalen (4,015 Mio.€ Bilanzsumme, 8,030 Mio.€ Umsatzerlöse oder 50 Arbeitnehmer; nach dem geplanten BilMoG (Fn. 14 und Fn. 15): 4,840 Mio.€ Bilanzsumme, 9,860 Mio.€ Umsatzerlöse oder 50 Arbeitnehmer) nicht überschreiten. Siehe unter 3.1.2.3.2.1. Solche nach § 267 Abs. 2 HGB. D.h. solche, die zwei von drei Größenmerkmalen, wie in Fn. 45 (aus Abs. 1 der Vorschrift) aufgelistet, für kleine Kapitalgesellschaften überschreiten, jedoch zwei von drei weiteren Größenmerkmalen (16,060 Mio.€ Bilanzsumme, 32,120 Mio. € Umsatzerlöse oder 250 Arbeitnehmer; nach dem geplanten BilMoG (Fn. 14 und Fn. 15): 19,250 Mio.€ Bilanzsumme, 38,500 Mio.€ Umsatzerlöse oder 250 Arbeitnehmer) unterschreiten.
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damit ihre technologische Innovationskraft preiszugeben. Sie müssen ihre Bilanz auch nicht in derselben Detailliertheit offen legen wie sie sie nach § 266 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 und 3 HGB aufstellen; vielmehr dürfen sie die Bilanz gemäß § 327 HGB in der verkürzten, für kleine Kapitalgesellschaften vorgesehenen Form i.S.d. § 266 Abs. 1 S. 3 HGB offen legen und damit (mit Ausnahme der in § 327 Nr. 1 HGB aufgelisteten Posten) eher grob aggregieren. 3.1.2.2.2. Die Differenzierung zwischen kapitalmarktorientierten und anderen Kapitalgesellschaften Die Differenzierung zwischen kleinen, mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften ist seit 1985 mit dem Inkrafttreten des BiRiLG48 im Wesentlichen auf der Grundlage der Schwellenwerte für Größenklassen aus § 267 Abs. 1 und 2 HGB vorgenommen worden. Diese Differenzierung wurde damals indessen, man könnte sagen, sogleich „modifiziert“ eingeführt. Bei der Würdigung dieser Erleichterungen ist nämlich zu beachten, dass bereits seit Beginn dieser Differenzierung von 1985 an sämtliche kapitalmarktorientierten Gesellschaften 49 nach § 267 Abs. 3 S. 2 HGB als „groß“ im Sinne dieser Kategorienbildung gelten. Mit der Formulierung „kapitalmarktorientiert“ ist eine sinnvolle Neuorientierung des Bilanzrechts eingeleitet worden, die an die Stelle der schlichten quantitativen Abgrenzungen eine funktionelle Abgrenzung nach der Inanspruchnahme eines geregelten Kapitalmarktes setzt. Das geltende (europäische und deutsche) Bilanzrecht kann insoweit als „veraltet“ gelten, als es nach wie vor immer noch wesentliche Pflichten und Rechtsfolgen von der Rechtsform einer Gesellschaft (Kapitalgesellschaft und gleichgestellten Personengesellschaft) oder von quantitativen Größen abhängig macht (wie die soeben besprochenen Erleichterungen für kleine und mittelgroße Gesellschaften), während das eigentlich qualitativ wesentliche Kriterium der Kapitalmarktorientierung nur stückweise und erst in den letzten Jahren50 ausgedehntere, seiner wahren und tragenden Bedeutung gemäße Geltung im Gesetz erlangt51.
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Siehe Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 19.12.1985, (sog. Bilanzrichtliniengesetz; BiRiLG), BGBl. 1985 I, 2355. Solche nach § 267 Abs. 3 S. 2 HGB. D.h. Gesellschaften, die zum öffentlichen Handel zugelassen sind oder eine solche Zulassung beantragt haben. Siehe bspw. mit Einführen der Gegenausnahme in der Schutzklausel aus § 313 Abs. 3 HGB mit TransPuG (2002; siehe Fn. 57), der für kapitalmarktorientierte Gesellschaften nun (nach S. 3) eine Inanspruchnahme ausschließt (dazu noch unten in 3.1.2.3.3.2.; oder die mit dem EHUG (2007; siehe Fn. 86) für kapitalmarktorientierte Gesellschaften erschwerend eingeführte Verkürzung der Offenlegungsfrist nach § 325 Abs. 4 S. 1 HGB; und vor allem die geplante zentrale Definition einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft mit § 264d HGB-RefE bzw. -RegE mit dem BilMoG.; usw. Siehe Näheres dazu bei SCHÖN/OSTERLOH-KONRAD, in: BAYER/HABERSACK, Aktienrecht im Wandel, Kap. 20, Rn. 99 ff.
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3.1.2.3. Bestand an Schutzklauseln im HGB 3.1.2.3.1. Grundlagen Schutzklauseln sind (generalklauselartig formulierte) Ausnahmevorschriften, die es einem publizitätspflichtigen Unternehmen erlauben, von einem ganz bestimmten Detail der Offenlegung abzusehen, wenn bestimmte, tatbestandlich definierte Gefährdungsvoraussetzungen erfüllt sind. Das HGB sieht in den Vorschriften über den Jahresabschluss solche Schutzklauseln im Grundsatz weder für das Zahlenwerk der Bilanz noch für die Gewinn- und Verlustrechnung vor. Das bedeutet zunächst, dass alle wettbewerbsgefährdenden Inhalte, die schlicht aus der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung hervorgehen, nach geltendem Recht keinem Wettbewerbsschutz unterliegen. Umsatz- und Gewinngrößen (vor allem bei Einproduktunternehmen) oder Ansätze für Forschungs- und Entwicklungskosten unterliegen demzufolge bereits dem Ausgangspunkt nach keiner Prüfung auf ihre Sensibilität im Wettbewerb. Hier wird Abhilfe lediglich und sehr begrenzt über die im voranstehenden Abschnitt geschilderten Aggregierungsmöglichkeiten für kleine und mittelgroße Gesellschaften geboten. Demgegenüber können über Schutzklauseln bestimmte Angaben im Anhang von der vollständigen Berichtspflicht ausgenommen werden. Dabei bedarf die Schutzklausel aus § 286 Abs. 1 HGB im Zusammenhang dieser Darstellung keiner besonderen Vertiefung. Diese Vorschrift ordnet für die Berichterstattung im Anhang generell einen obligatorischen Verzicht auf Angaben an, soweit „es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist“52. Für die Aktiengesellschaft sieht § 160 Abs. 2 AktG eine inhaltsgleiche53 Staatsschutzklausel im Hinblick auf die Anhangangaben nach § 160 Abs. 1 HGB vor. Dieses öffentliche Interesse darf jedoch nicht mit dem privaten Interesse eines Unternehmens an Schutz vor Wettbewerb verwechselt werden; es betrifft nicht das Spannungsverhältnis zwischen Finanzmarkttransparenz und Geheimhaltung auf Produktmärkten 54. Die wesentlichen Schutzklauseln im Unternehmensinteresse für den Anhang des Jahresabschlusses betreffen die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach § 285 S. 1 Nr. 4 HGB (§ 286 Abs. 2 HGB), die Beteiligungsangaben nach §§ 285 S. 1 Nr. 11, 11 a HGB (§ 286 Abs. 3 HGB) und die Offenlegung der Organbezüge nach 52
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Im Sinne des öffentlichen Wohls sowie nach der Literatur auch in vergleichbaren Fällen, in denen Gemeinwohlgründe die Geheimhaltung erfordern: vgl. dazu statt Vieler ADLER/DÜRING/ SCHMALTZ, § 286 HGB, Rn. 13 bis 16 m.w.N.: erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit; SCHÜLEN, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 437 Rn. 5 und HÜFFER, AktG, § 160 Rn. 19. Siehe SCHÜLEN, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Bd. 2, B 437 Rn. 1 und KESSLER/SUCHAN, in: MüKo-AktG, § 286 HGB Rn. 5. Danach muss eine Angabe unterbleiben, wenn es zum Schutz des öffentlichen Interesses erforderlich, d.h. geeignet und das mildeste Mittel ist (siehe HÜFFER, AktG, § 160 Rn. 19 mit Verweis auf BLECKMANN, in: LEFFSON/RÜCKLE/GROßFELD, Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, 461, 466). Vorrangig sind daher immer Maßnahmen nach anderen, weniger weitgehenden Schutzklauseln wie bspw. eine schlichte Nicht-Aufgliederung von Umsatzerlösen nach § 286 Abs. 2 HGB. Vgl. HÜTTEMANN, in: ULMER, HGB-Bilanzrecht, § 286 HGB Rn. 1.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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§§ 285 S. 1 Nr. 9 a) und b) HGB (§ 286 Abs. 4 und 5 HGB). Hieran wird sich auch mit dem geplanten Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) inhaltlich nichts ändern.55 Die Grundlage im Europäischen Recht findet sich in Artt. 43 Abs. 356, 45 Abs. 1 b) und Abs. 2 der Bilanz-RiL. Die Befreiung von den Beteiligungsangaben gilt nach § 286 Abs. 3 S. 3 HGB gleichwohl nicht bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften. Weiter ist bei der Schutzklausel für die Beteiligungsangaben im Anhang anzugeben, dass von ihr Gebrauch gemacht worden ist (sog. Berichtspflicht nach § 286 Abs. 3 S. 4 HGB). Der Geheimniswert der geheim zu haltenden Tatsachen geht mit dieser Berichtspflicht zumindest in Bezug auf das „Ob“ einer solchen Tatsache verloren, geschützt bleibt dessen tatsächlicher Inhalt. Gleiches gilt letztlich auch für die Aufgliederung der Umsatzerlöse. Hier besteht zwar keine Berichtspflicht über die Nicht-Aufgliederung der Umsatzerlöse, doch werden Außenstehende bei der Durchsicht der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unmittelbar das Fehlen einer solchen Aufgliederung bemerken. Auch für den Konzernabschluss ist im Europäischen Recht die Möglichkeit einer Befreiung von der Aufgliederung der Umsatzerlöse vorgesehen (Art. 35 Abs. 2 Konzernbilanz-RiL). Für börsennotierte Unternehmen ist das deutsche Recht hier jedoch im Jahre 1998, 2002, 2004 und 2007 im Rahmen der Richtlinienumsetzung57 strenger angelegt worden. Danach ist für den Konzernabschluss börsennotierter Gesellschaften in § 297 Abs. 1 S. 2 HGB58 i.V.m. § 37y Nr. 1 WpHG – anders als für den Jahresabschluss – ein eigenständiger Segmentbericht vorgesehen; nur nicht-börsennotierte Gesellschaften können auf diesen verzichten und im Konzernanhang Angaben nach § 314 Abs. 1 Nr. 3 HGB zur Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geographisch bestimmten Märkten machen.59 Eine ursprünglich auch für letztere (und für den Anhang zum Jahresabschluss heute allerdings noch entsprechend) bestehende Schutzklausel aus § 314 Abs. 2 HGB ist 2002 abgeschafft worden (dazu noch unten). In gleicher Weise wie im Anhang zum Jahresabschluss, kann jedoch auch im Konzernanhang auf Angaben zu beteiligten Unternehmen verzichtet werden, wenn
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Die Änderungen in § 286 Abs. 2 und Abs. 3 HGB-RefE bzw. –RegE sind nur redaktionelle. Eingefügt in die Bilanz-RiL durch Art. 4 der Mittelstands-RiL (siehe zu letzterer Fn. 39). 1998: durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. 1998 I, 786; 2002: durch das Gesetz zur weiteren Reform des Aktienund Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) vom 19.7.2002, BGBl. 2002 I, 2681; 2004: Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) (vom 4.12.2004) (Fn. 11) und 2007: durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom 5.1.2007 (Transparenz-RiL-Umsetzungsgesetz; TUG), BGBl. 2007 I, 10. I.V.m. DRS 3; nach DEUTSCHES RECHNUNGSLEGUNGS STANDARDS COMMITTEE, Deutsche Rechnungslegungsstandards (DRS) – German Accounting Standards (GAS): Deutsch – Englisch. Als Ersatzinformation bezeichnet dies der Gesetzgeber des TransPuG (siehe in der Begründung zum TransPuG BR-Drs 109/02, 70 zu Art. 2 Nr. 11 b)) und diesen rezitierend NIEHUS, DB 2002, 53 (57). Kritik dazu unten in 3.1.2.3.2.2.
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dem Mutterunternehmen, dem Tochterunternehmen oder einem benannten anderen Unternehmen daraus erhebliche Nachteile entstehen können (§ 313 Abs. 3 HGB). Auch hieran wird sich nach dem geplanten Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) inhaltlich nichts ändern.60 Die Vorschrift setzt Art. 35 Abs. 1 b) der Konzernbilanz-RiL um. Darüber hinaus besteht eine ganze Reihe von Wahlrechten, Angaben im Konzernabschluss zu unterlassen, wenn diese „für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns nur von untergeordneter Bedeutung sind“61. Um wettbewerbsorientierte Schutzklauseln handelt es sich hier aber nicht. Vielmehr geht es hier um eine „de-minimis“-Klausel zur Vermeidung überflüssiger Administrationskosten. Für alle geschilderten Regelungen ist zu beachten, dass Schutzklauseln als Ausnahmevorschriften im Interesse der Aktionäre, der Gläubiger, der Arbeitnehmer und anderer interessierter Gruppen der Öffentlichkeit eng auszulegen sind62. Im Zweifel kann eine Angabe nicht unterbleiben. Die Schutzklauseln im Unternehmensinteresse sind als Ermessensvorschriften formuliert. Ob sie nach eigenem, aber doch pflichtgemäßem Ermessen63 verwendet wurden, kontrollieren der Abschlussprüfer und gegebenenfalls64 auch die unabhängige Prüfstelle für Rechnungslegung des Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e.V. (DPR) unter Aufsicht de Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Generell ist schließlich festzuhalten, dass § 264 Abs. 2 S. 2 HGB eine Finanzberichterstattung nach true and fair view verlangt, so dass auch im Fall eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses eine ergänzende Berichterstattung im Anhang in denjenigen (außergewöhnlichen) Fällen erforderlich wird, in denen das Unterbleiben einer Angabe zur Folge hätte, dass der Jahresabschluss samt Anhang und Lagebericht kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft mehr vermittelt.65 Ein Unternehmen, das ungünstige Tatsachen nicht angeben will, muss somit darauf achten, die restlichen Informationen in Jahresabschluss, Anhang und Lagebericht nicht zu günstig darzustellen, um nicht über den vorrangig beachtlichen § 264 Abs. 2 S. 2 HGB doch noch berichtspflichtig zu werden. Je ungünstiger die sensiblen Tatsachen sich also darstellen, desto strenger sind die Anforderungen an die Inanspruchnahme von Schutzklauseln und desto strenger ist die Notwendigkeit einer zusätzlichen Berichterstattung im Anhang nach § 264 Abs. 2 S. 2 HGB zu prüfen.66
60 61 62 63 64 65 66
Die Änderungen in § 313 Abs. 3 HGB-RefE bzw. -RegE sind nur redaktionelle. Beispielhaft sind §§ 303 Abs. 2, 304 Abs. 2, 305 Abs. 2, 308 Abs. 2 S. 3 HGB usw. Vgl. statt Vieler ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 8 und Rn.11 m.w.N. Vgl. ADLER/DÜRING/SCHMALTZ stellvertretend bei DIES., § 286 Rn. 19. Je nach Anlass einer solchen Prüfung nach § 342b Abs. 2 S. 3 HGB. I.d.S. deutlich ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 8. So ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 8.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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3.1.2.3.2. Aufgliederung der Umsatzerlöse 3.1.2.3.2.1. Die Regelung für den Jahresabschluss § 286 Abs. 2 HGB ermöglicht es, Umsatzerlöse entgegen § 285 S. 1 Nr. 4 HGB nicht im Anhang zum Jahresabschluss nach Tätigkeitsbereichen und nach geographisch bestimmten Märkten aufgliedern zu müssen, soweit die Aufgliederung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Kapitalgesellschaft oder einem Beteiligungsunternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Er gibt das Mitgliedstaatenwahlrecht nach Art. 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 b) der Bilanz-RiL weiter; wobei der deutsche Gesetzgeber auf eine vorherige Zustimmung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts verzichtet hat und er von einer Berichtspflicht, dass von der Schutzklausel Gebrauch gemacht worden ist, abgesehen hat. Praktische Bedeutung hat die Vorschrift nur für große Kapitalgesellschaften. Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften sind ohnehin nach § 288 S. 1 HGB von diesen Angaben befreit. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nach § 267 Abs. 3 S. 2 HGB kapitalmarktorientierte Gesellschaften, wie gesehen, stets als „groß“ gelten. Auch quantitativ eigentlich kleine oder mittelgroße Gesellschaften, welche einen organisierten Markt in Anspruch nehmen, d.h. entweder schon zum öffentlichen Handel zugelassen sind oder eine solche Zulassung beantragt haben, sind daher im Anhang zum Jahresabschluss grundsätzlich voll von der Pflicht der Angaben zu den Segmenterlösen erfasst. Anknüpfungspunkt für die Schutzklausel, die für diese (großen) Kapitalgesellschaften hiervon eine Ausnahme zulässt, ist die Eignung der Aufgliederung, der Gesellschaft oder einem Beteiligungsunternehmen erhebliche – also die Wesentlichkeitsgrenze überschreitende67 – Nachteile zuzufügen. Bei der Angabe der Umsatzerlöse ist dies nur denkbar, wenn das Unternehmen oder sein Beteiligungsunternehmen damit eine besondere Marktstellung, bspw. eine Einproduktstrategie oder Monomarktstrategie preisgibt oder in Verbindung mit anderen Anhangangaben oder Angaben aus der Gewinn- und Verlustrechnung von Dritten auf die Gewinnmargen und die Ertragskraft einzelner Produktlinien geschlossen werden kann.68 Ein solcher erheblicher Nachteil würde resultieren, wenn Umsatzeinbußen oder Beeinträchtigungen von gegenwärtigen oder künftigen Geschäftsbeziehungen ernsthaft zu erwarten wären.69 Dass der voraussichtliche Schaden konkret messbarer Schaden ist, wird nicht vorausgesetzt. So stellen Adler/Düring/Schmaltz klar, dass auch die konkrete Gefährdung immaterieller Werte ausreichend ist, bspw. ein drohender Imageverlust für das Unternehmen.70 Im Sinne des Schutzes vor Wettbewerbsschäden erscheint es zielführend, dass die Ausnahmevorschrift wortlautgemäß („oder“) auch dann anwendbar ist, wenn solche Nachteile aus dem Jahresabschluss eines Mutterunternehmens auch nur bei
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HOFFMANN, BB 1986, 1050 (1053 f.) und diesem folgend auch ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 24. So auch ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 23. Bsp. bei ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 23 m.w.N. und Rn. 25 und so auch SCHÜLEN, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 425 Rn. 26. DIES., § 286 Rn. 23 m.w.N.
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einem Beteiligungsunternehmen entstehen können, ohne dass dies mittelbare nachteilige Rückwirkungen auf das bilanzierende Mutterunternehmen selbst haben muss.71 Im Sinne des Wettbewerbsschutzes und des Schutzes vor Verhandlungsschäden mit Kunden und Lieferanten72 wäre es sachlich nicht vertretbar, ein Unternehmen nur deshalb schutzlos der Offenlegung seiner unternehmensbezogenen Daten auszusetzen, weil es sie nicht selbst veröffentlicht, sondern dies die notwendige Folge eines Anteilsbesitzes an ihm wird. Die Vorschrift ist, wie alle Schutzklauseln, als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.73 Im Zweifel darf eine Angabe daher nicht unterbleiben.74 Für eine Entscheidung „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ im Sinne der Vorschrift sind im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung alle für und gegen ein Unterbleiben der Angabe sprechenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen und abzuwägen. Insbesondere das Interesse der Adressaten des Jahresabschlusses an einer (subjektiv, im Sinne des § 264 Abs. 2 HGB richtigen) Information ist dem schutzwürdigen Eigeninteresse des Unternehmens gegenüberzustellen und abwägend zu beurteilen.75 Sonderinteressen einzelner Personen oder Personengruppen sind dabei unerheblich. Darüber hinaus dürfen nicht ohne sachlich rechtfertigenden Grund Angaben unterbleiben, die in vergleichbaren Fällen gemacht worden sind; genauso dürfen mit dem Grundsatz der Bilanzstetigkeit Angaben in verschiedenen Perioden nicht einmal gemacht und ein andermal unterdrückt werden 76.77 Die Ermessensentscheidung muss also objektiviert werden und so für den Abschlussprüfer und gegebenenfalls für die Prüfstelle der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e.V. (DPR) nachvollziehbar und nachprüfbar sein. 3.1.2.3.2.2. Die Regelung für den Konzernabschluss Für den Konzernabschluss sind nach § 297 Abs. 1 S. 2 HGB zusammen mit § 314 Abs. 1 Nr. 3 HGB die Umsatzerlöse entweder in einem eigenständigen Segmentbe71
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Vgl. MELLEROWICZ, in: GroßkommAktG, § 160 Rn. 52 und auf diesen verweisend ADLER/ DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 26. Fragwürdig ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis der Umfrage von ERNST & YOUNG zusammen mit dem BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE (BDI), das die Relevanz eines Jahresabschluss für Kunden- und Lieferantenverhandlungen mit 21,2 % (Skala 7) auf dem siebten und damit letzten Platz weit abgeschlagen hinter Kredit- und Investitionsanliegen deutscher Unternehmen verortet, Abb. 41, 40, BDI-Drs 369, abrufbar unter http://www.bdi-online.de/ Dokumente/BroschuereRechnungslegung_im_Umbruch.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). Vgl. statt Vieler ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 8 und Rn. 30. SCHÜLEN, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 425 Rn. 26 will diese restriktive Haltung des Gesetzgebers in der Formulierung „erheblich“ ausgedrückt sehen. Dies ist als ein Punkt von mehreren aus der Schutzklauseldogmatik im Ergebnis sicherlich richtig. So zuvor auch schon ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 30. So auch SCHÜLEN, in Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 425 Rn. 26. Vgl. zu Letzterem ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 8. So die konkreten Anforderungen an die pflichtgemäße Ausübung unternehmerischen Ermessens, vgl. ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 19, Rn. 8 a.E m.w.N. und Rn. 29 f. und auch SCHÜLEN, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 425 Rn. 26. Damit ist das Tatbestandsmerkmal „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ gesetzeseinheitlich so auszulegen wie in § 253 Abs. 1 S. 2 HGB.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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richt oder aber, wie oben gesehen, im Anhang zum Konzernabschluss aufzugliedern. Bis zum Jahre 2002 war in diesem Fall indessen noch eine Schutzklausel in § 314 Abs. 2 HGB enthalten, über deren analoge Anwendbarkeit auf den eigentlichen Segmentbericht diskutiert wurde78. Sie hat Art. 35 Abs. 2 der KonzernbilanzRiL umgesetzt. Selbst nach der alten Fassung der Schutzklausel musste (nach deren S. 2) berichtet werden, wenn von ihr für den Anhang Gebrauch gemacht worden ist. Im Rahmen des Transparenz- und Publizitätsgesetzes (TransPuG)79 wurde sie für sämtliche Konzernabschlüsse ab dem Jahre 2002 (auch außerhalb des Kreises börsennotierter Unternehmen) insgesamt aufgehoben.80 Der mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 199881 für alle börsennotierten Mutterunternehmen verpflichtend und mit dem TransPuG 200282 für alle anderen Mutterunternehmen freiwillig eingeführte Segmentbericht wiederum kennt in Anlehnung an internationale Bilanzierungsgepflogenheiten keine Einschränkung der Offenlegungspflicht durch eine Schutzklausel (dazu unter 3.1.3.). Damit die primäre rechtspolitische Entscheidung83 für einen Segmentbericht nicht ins Leere liefe, wird nun seit dem TransPuG (2002) im Konzernabschluss – anders als im Jahresabschluss – eine Schutzklausel für die andernfalls zu machenden Anhangangaben nicht mehr gewährt. In der praktischen Folge verstoßen nun nicht unerheblich wenige Gesellschaften84 bewusst gegen die Pflicht zur Aufgliederung ihrer Umsat78 79
80 81 82 83
84
Vgl. statt Vieler KRAFT, in: ULMER, HGB-Bilanzrecht, § 297 HGB Rn. 25. Art. 2 Nr. 11 b) (§ 314 Abs. 2 HGB) des Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz; TransPuG) (Fn. 57), BGBl. 2002 I, 2681 (2684). Vgl. dazu THEILE, GmbHR 2002, 231 (234) sowie BUSSE VON COLBE, BB 2002, 1583 (1586). Zum KonTraG (1998) siehe Fn. 57. Art. 2 Nr. 11 b) (§ 314 Abs. 2 HGB) TransPuG (2002) (Fn. 57), BGBl. 2002 I, 2681 (2684). Dazu sogleich noch im Text. Mit diesem Gedanken wurde mit dem TransPuG auch das zusätzliche Berichtsinstrument – der Eigenkapitalspiegel (in § 297 Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. DRS 7) – neben den beiden bisherigen, mit KonTraG (1998; Fn. 57) eingefügten Zusatzberichten, dem Segmentbericht (aus § 297 Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. DRS 3, IAS 14) und der Kapitalflussrechnung (§ 297 Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. DRS 2), eingeführt. Vornehmlich Einproduktunternehmen und Monomarktunternehmen, wie Telekommunikationsanbieter, Hightech- und Softwareunternehmen, u.U. auch Pharmaunternehmen, – regelmäßig meist Unternehmen aus dem S-Dax und dem Tec-Dax. Vgl. die statistische Auswertung der Umfrage von LANGGUTH/ENGELMANN, DB 2005, 621 (624 Abb. 2). Nur bei den wesentlichen nicht zahlungswirksamen Aufwendungen und den verschiedenen equity-Angaben sind auch die Angaben der M-Dax-Unternehmen vergleichsweise selten vorhanden (vgl. ebenda, 625 Abb. 3). Dies setzt sich bei den freiwilligen sekundären Berichtsformaten und den Überleitungsdaten fort, bei denen M-Dax und Tec-Dax-Unternehmen am wenigsten preisgeben (vgl. ebenda, 625 Abb. 4 und 626 Abb. 5). Erläuternde Angaben zur besseren Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit unterlassen oder verstecken je nach Angaben entweder zumeist S-Dax und Tec-Dax-Unternehmen (vgl. ebenda, 626 Abb. 6) oder M-Dax und S-Dax-Unternehmen (vgl. ebenda, 627 Abb. 7). Bezeichnend ist, dass aus allen Unternehmenssparten nahezu keine freiwilligen (sog. empfohlenen) Segmentangaben offen gelegt werden, selbst von den Dax-Unternehmen nicht (vgl. ebenda, 628 Abb. 8). Dies ist wohl nur sekundär Ausfluss der von kleinen und mittelgroßen gelisteten Unternehmen als lästig empfundenen Pflichtpublizität (wie LANGGUTH/ENGELMANN, DB 2005, 621 hingegen meinen), sondern vielmehr und primär wohl deren eigenständiger Selbstschutz.
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zerlöse und nehmen ein drohendes Ordnungsgeld85 entgegen dessen Zweck systematisch in Kauf86, um sich hier selbst faktisch Abhilfe zu schaffen. In Anbetracht der sensiblen Daten, die im Segmentbericht offen gelegt werden, ist anders als bei anderen Neuerungen aus der internationalen Rechnungslegung ausnahmsweise in 85 86
Nach § 49 OwiG i.V.m. §§ 331, 335 HGB. Nachzulesen ist dies auch bei MARX/DALLMANN, BB 2004, 929 (931 f.) dort vor allem mit einem Zitat von HOMMELHOFF zu den deutschen „Publizitäts-Extravaganzen“ mit Nachweis dort in Fn. 63 i.V.m. Fn. 57 sowie dort zur unzureichenden Erfüllung der Offenlegungspflicht der Gesellschaften in Deutschland bei Fn. 70, Fn. 75 und Fn. 85 sowie Abb. 1 samt Erläuterung auf 932 f. über die Nichtoffenlegungsquote von 93,4 % (2000) und 95,5 % (2001), 88,2 % (2002) und geschätzten 97 % (2003 mit Abb. 2 auf 933). Nach neueren Zahlen (2006) legen etwa 20 % der ca. 60.000 hinterlegungspflichtigen mittelgroßen Kapitalgesellschaften und nur knapp 6 % der 900.000 kleinen Unternehmen ihre Bilanzen offen (vgl. zu dieser Schätzung der WIRTSCHAFTSAUSKUNFTEI CREDITREFORM bei WEBER, SZ v. 23.10.2006, 17, anders als in Schweden, wo 90 % der Unternehmen ihrer Publizitätspflicht nachkommen). NOACK spricht von dem an Nichtbefolgung reichsten Rechtsnormenbereich (vgl. bei MARX/DALLMANN, BB 2004, 929, 933 dort bei Fn. 88 i.V.m. Fn. 56 und auf diese verweisend KUNTZE-KAUFHOLD, BB 2006, 428). Dies wird gestützt durch Punkt 4.1.4.2.2.mit Abb. 17, 18 und 19 der Umfrageauswertung von LINK, in diesem Buch, S. 529 (547 ff.) zu der Frage der Segmentberichterstattung aus Sicht der kapitalmarktorientierten Unternehmen. Nicht unberücksichtigt bleiben darf hierbei, dass dieser wiederholte Verstoß der deutschen Unternehmen gegen ihre Publizitätspflicht aus Art. 3 der Publizitäts-RiL (Fn. 1) i.V.m. Art. 47 der Bilanz-RiL (Fn. 2) auch Sanktionen gegen die BRD im EuGH-Urteil DAIHATSU von 1997 (Rs. C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V./Daihatsu Deutschland GmbH, Slg. 1997, I-06843) (hinsichtlich Art. 6 der Publizitäts-RiL) und in einem Urteil von 1998 (Rs. C191/95, Kommission/Deutschland, Slg. 1998, I-05449) nach sich gezogen hat und weiterhin Sanktionen seitens der Europäischen Kommission gegen die BRD erwarten lässt (dazu auch BGH, NZG 2006, 232, 233 ff. = DStR 2006, 1424, 1425 ff. sowie aus der Literatur PANNIERS/ RICKFORD, EBLR 2005, 975, 980, dort bei Fn. 27; dies sehen auch MARX/DALLMANN, BB 2004, 929, 934; zur deswegen bereits langjährigen Behördenkritik WEBER, SZ v. 23.10.2006, 17). Auch vor diesem Hintergrund ist das Ordnungsgeldverfahren, das ursprünglich ausschließlich auf Antrag eines berechtigten Dritten einzuleiten war, zum 1.1.2007 (mit Art. 1 Nr. 28 EHUG (§ 335 HGB) = Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10.11.2006 (EHUG), in Umsetzung der Publizitäts-RiL EWG/151/68 in der Fassung der Richtlinie EG/58/2003 vom 15.7.2003 sowie der TransparenzRiL 2004/109/EG vom 15.12.2004, BGBl. 2006 I, 2553) verschärft worden. Demnach genügt nun eine (schlichte) Anzeige der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers und das Ordnungsgeldverfahren wird dann von dem neu geschaffenen Bundesamt der Justiz von Amts wegen durchgeführt – und richtet sich nun ggf. auch gegen die Kapitalgesellschaft selbst (vgl. dazu auch SEIBERT/DECKER, DB 2006, 2446-2451 und DEILMANN, BB 2006, 2347, 2348 sowie zu den Richtlinien als Umsetzungsgrundlage für das EHUG MEYDING/BÖDEKER, BB 2006, 1009, 1009). Sollte sich die Offenlegungspraxis hierdurch bis 2009 nicht merklich bessern, werden dann Gesetzesvorschläge zur Verbesserung des Verfahrens oder zur Einführung eines Bußgeldverfahrens eingeleitet (so schon damals der Rechtsausschuss des Bundestages, BR-Drs. 942/1/05, 17 sowie BR-Drs. 942/05, 16 f.) – was im Übrigen bereits im ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung als Gesetzesvorschlag für die 2007er Reform enthalten war (vgl. Art. 1 Nr. 27 (§ 334) und Begründung zum Entwurf des EHUG, BT-Dr. 16/ 960, zu Art. 1 Nr. 27 (§ 334), 123) und vom Rechtsausschuss des Bundestages noch zurückgehalten wurde (dazu kurz in WEBER, SZ v. 23.10.2006, 17). Schätzungen der WIRTSCHAFTSAUSKUNFTEI CREDITREFORM zufolge werden 2008 zumindest 66 % der mittelgroßen Kapitalgesellschaften und knapp 18 % der kleinen Unternehmen ihrer Offenlegungspflicht nachkommen (nachzulesen bei WEBER, SZ v. 23.10.2006, 17).
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der Praxis nicht festzustellen, dass diese gesteigerte Transparenz, zu der nur börsennotierte Konzerngesellschaften (nach IAS 14 i.V.m. § 37y Nr. 1 mit § 37v WpHG ohne § 37z WpHG 87)88 verpflichtet sind, auf den Konzernabschluss nicht notierter Muttergesellschaften abfärbt.89 Der Gesetzgeber selbst hat es mit Blick auf die internationale Rechnungslegung nach IAS/IFRS in der Gesetzesbegründung90 zum TransPuG 2002 versäumt, sich argumentativ und zweckorientiert mit diesem folgenschweren Schritt auseinanderzusetzen. Bedenkt man die sachlichen Anliegen des parallel, gerade beim Jahresabschluss erläuterten § 286 Abs. 2 HGB, ist die Beurteilung des korrelierenden § 314 Abs. 2 HGB a.F. in seinem Zusammenspiel mit dem 1998 mit dem KonTraG erstmals eingefügten § 297 Abs. 1 S. 2 HGB problematisch: Es lässt sich nicht sagen, dass das Schutzanliegen der alten Schutzklauselformulierung wegen des 1998 eingefügten § 297 Abs. 1 S. 2 HGB hinfällig91 oder obsolet92 geworden wäre. § 297 Abs. 1 S. 2 HGB (1998) hat für börsennotierte Mutterunternehmen einen verpflichtenden Segmentbericht eingeführt. § 314 Abs. 2 HGB hatte lediglich für die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Segmenten nach Abs. 1 Nr. 3 HGB eine Befreiung vorgesehen; d.h. die übrigen Angaben aus dem Segmentbericht, wie bspw. das Segmentvermögen, die Segmentschulden und andere, wären von der Schutzklausel völlig unberührt geblieben. Und selbst nach der heutigen, seit 2002 bestehenden Fassung des § 297 Abs. 1 S. 2 HGB und trotz der nun seit 2002 für alle anderen Mutterunternehmen freiwilligen Offenlegung eines Segmentberichts nach § 314 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 297 Abs. 1 S. 2 HGB (2002) wäre eine Schutzklausel, wie in § 314 Abs. 2 HGB a.F., noch nicht obsolet: § 297 Abs. 1 S. 2 HGB ist in dieser aktuellen Fassung als freiwillige Ermessensvorschrift („Kann“-Vorschrift) formuliert; lediglich börsennotierte Konzerngesellschaften müssen einen vollständigen Segmentbericht nach IAS 14 (i.V.m. § 37y Nr. 1 mit § 37v WpHG ohne § 37z WpHG) aufstellen. Demgegenüber werden nach § 314 Abs. 2 S. 1 HGB Kapitalgesellschaften von den zwingenden „Muss“-Anhangangaben nur dann befreit, wenn sie einen Segmentbericht offen legen. Die Anhangangaben sind damit im Rangverhältnis im Ergebnis nicht als streng subsidiäre Ersatzangaben für einen vorrangigen Segmentbericht geregelt worden – auch wenn der Gesetzgeber dies in den Gesetzesmaterialien93 durchaus anders gewünscht hatte. Im Gegenteil, das Zusammenspiel der beiden Gesetzeswortlaute aus § 297 Abs. 1 S. 2 („kann“) und § 314 87 88
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Eingefügt durch Art. 1 Nr. 24 Transparenz-RiL-Umsetzungsgesetz (TUG) (2007) (Fn. 57). Neben den zusätzlichen Berichtsinstrumenten, der Kapitalflussrechnung und dem Eigenkapitalspiegel. Anders nur vereinzelte Stimmen wie bspw. NIEHUS, DB 2002, 53 (58). Seine einzige Anmerkung hierzu ist, in international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen seien Schutzklauseln für Segmentinformationen unbekannt. Demzufolge werde von dem mit dem BiRiLG von 1985 (Fn. 48) weitergegebenen Mitgliedstaatenwahlrecht der Konzernbilanz-RiL (Fn. 3) Abstand genommen (siehe die Begründung zum TransPuG BR-Drs 109/02, 70 zu Art. 2 Nr. 11 b)). So die Auffassung des Gesetzgebers des TransPuG (siehe die Begründung zum TransPuG BRDrs 109/02, 70 zu Art. 2 Nr. 11 b)) und diesem folgend NIEHUS, DB 2002, 53 (57). So (aber) die Auffassung von MÜLLER, NZG 2002, 752 (754). Siehe die Begründung zum TransPuG BR-Drs 109/02, 70 zu Art. 2 Nr. 11 b).
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Abs. 2 S. 1 HGB („Angabepflicht“) ist hier im Rang eindeutig und schafft einen grundsätzlichen Vorrang der Anhangangaben vor den Angaben in einem Segmentbericht. Jede andere Auslegung wäre daher eine Auslegung contra legem. Gerade weil die Anhangangaben den kodifizierten Gesetzesbestimmungen nach (grundsätzlich) verpflichtend sind, der Segmentbericht (außer für börsennotierte Mutterunternehmen) lediglich freiwillig ist, hätte der Segmentbericht de iure die Anforderungen an die (grundsätzlichen) Pflichtangaben im Anhang nicht implizit erhöhen können, indem für diesen (ohnehin freiwilligen) eine Ausnahme von der Offenlegung in Form einer Schutzklausel nicht überflüssiger Maßen zusätzlich eigens vorgesehen ist.94 Gleichzeitig wäre ein Nebeneinander von freiwilligem Segmentbericht und (grundsätzlich) verpflichtenden Anhangangaben kein Widerspruch gewesen: Der nachrangige, freiwillige Segmentbericht hätte als Ersatz für die Anhangangaben durchaus einen Anwendungsbereich für diejenigen nicht-börsennotierten Gesellschaften gehabt, die für ein internes Bankenrating ohnehin einen Segmentbericht aufstellen95 und in ihrem konkreten Fall aus einer Offenlegung dieses Segmentberichts keine Wettbewerbsrisiken erwarten und sich so den zusätzlichen Administrativaufwand für Erläuterungen im Anhang zum Konzernabschluss einsparen. Für die Unternehmen und deren Interesse an einem Schutz sensibler Betriebsund Geschäftsgeheimnisse96 hat diese jüngere Gesetzgebung (von 1998 und 2002) mit Einführen des Segmentberichts und Streichen der Schutzklausel für die Anhangangaben also unnötig vom Regen in die Traufe geführt. Wie die Interessenerörterung und Konfliktdiskussion oben zu § 286 Abs. 2 HGB schon gezeigt hat, setzt man damit auch die nicht-kapitalmarktorientierten Gesellschaften ohne Not und 94 95
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Dies verkennt NIEHUS, DB 2002, 53 (57). Siehe dazu bei OEHLER, KoR 2006, 19 (26 und 27 Abb. 9 Frage 5 zu den befragten mittelfränkischen KMU) und so auch schon 2002 der ARBEITSKREIS BILANZRECHT DER HOCHSCHULLEHRER RECHTSWISSENSCHAFT (AKHR), BB 2002, 2372 (2377). Anders die Einschätzung von HENNRICHS, ZHR 170 (2006), 498 (514), insbesondere dort bei Fn. 60 m.w.N. und Fn. 61, der mit Verweis auf die Broschüre über „Bankeninternes Rating mittelständischer Kreditnehmer im Zuge von Basel II“ vom Juni 2005 erkennen will, dass der BUNDESVERBAND DEUTSCHER BANKEN betone, seitens der Banken bestünde entgegen eines weit verbreiteten Missverständnisses kein Interesse an einer IAS-Bilanzierung für Mittelständler; gestützt wird diese Einschätzung durch das Umfrageergebnis von 2002 bei MANDLER, StuB 2003, 680 (683) Übersicht 4 Frage 3 samt Erläuterung auf 684 und durch das Umfrageergebnis von Dezember 2003 bei V. KEITZ/STIBI, KoR 2004, 423 (428); in diese Richtung möglicher Weise auch die Äußerung des BMF vom 15.2.2006, das betont, die Stoßrichtung der Umsetzung von Basel II in das nationale KWG sei nicht, Rahmenbedinugngen für die Kreditvergabepraxis der Banken zu regeln, sondern vergebene Kredite und daraus resultierende Risiken rein aufsichtsrechtlich zu erfassen; nur insoweit müssten nachweisbar aussagekräftige Daten erhoben werden (unter Punkt 6 nachzulesen unter http://www.bundesfinanzministerium.de/cln_03/nn_584/DE/Geld__und__Kre dit/Aktuell/002.html (mit Stand vom 10.1.2007) und so indirekt auch im Monatsbericht des BMF von Januar 2006, 61 f. i.V.m. 64 unter http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_DE/ nn_17844/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Monatsbericht__des__BMF/2006/01/060126agmb 005,templateId=raw,property=publicationFile.pdf (mit Stand vom 31.5.2006)); HENNRICHS und der Äußerung des BMF will SCHIESSL widersprechen (vgl. DIESEN im selben Band, ZHR 170 (2006), 522, 533 f.). Vgl. die Definition in Fn. 42.
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auch ohne Nutzen (wie wir sogleich sehen werden) einem drohenden Wettbewerbsschadens auf dem Produktmarkt aus. Droht aus einer Angabe der Aufgliederung der Umsatzerlöse für ein Unternehmen oder eines seiner Tochterunternehmen ernsthaft ein erheblicher Nachteil, vor dem Art. 35 Abs. 2 der Konzernbilanz-RiL gerade schützen will, gibt man dem Unternehmen Steine statt Brot; sei es auch nur, wenn man eine Berichtspflicht vorsieht, dass eine Schutzklausel in Anspruch genommen wurde, sei es erst Recht, wenn man die Schutzklausel insgesamt abschafft. Mit beiden Maßnahmen setzt sich das Unternehmen einem zerstörerischen Preisunterbieten (predatory pricing) durch Mehrprodukt-Konkurrenten97 aus dem Produktmarkt aus, denen es betriebswirtschaftlich möglich ist, das eine Produkt aus ihrer Produktpalette für einen bestimmten kurzen, aber in der Regel für diesen Zweck bereits ausreichend langen Zeitraum zu Dumpingpreisen anzubieten, um das betroffene Einproduktunternehmen zur Geschäftsaufgabe zu zwingen. Der Anleger zieht aus dieser Art der Transparenz keinen Nutzen. Ihm hätte sich die Möglichkeit geboten, in ein florierendes Unternehmen oder dessen Mutterunternehmen am Finanzmarkt zu investieren und damit zugleich dem Unternehmen bzw. dem Konzern einen weiteren Wachstumsschub zu ermöglichen. Die Umsatzaufgliederung oder auch nur die indirekte Preisgabe, weil die Nicht-Aufgliederung berichtet werden musste, hat diese Möglichkeit zu Fall gebracht, ohne dass sie dem Anleger genutzt hätte. Einen Anleger interessiert die (künftige) Rentabilität98 einer Kapitalanlage, d.h. der Zins pro eingesetzter Geldeinheit, also der voraussichtlich jährlich auszuschüttende Betrag auf sein eingesetztes Kapital. Nachdem eine Ausschüttung nur aus dem auszuschüttenden Gesamtgewinn eines Unternehmens und nicht aus einem einzelnen Segmentgewinn erfolgt, interessiert sich der Anleger allein für die Gesamtunternehmensrentabilität99. So interessiert den Anleger besonders seine Gesamtkapitalrendite (sog. Return on Investment (ROI)), die sich aus dem Gewinn zuzüglich der Fremdkapitalzinsen bezogen auf das eingesetzte Gesamtkapital errechnet100; d.h. die Größe der Umsatzerlöse hat sich aus dieser Berechnung bereits herausgekürzt und ist für den Anleger unwichtig zu wissen. Die Rentabilitätsbeurteilung eines Anlegers101 trägt also gerade in diesen sensiblen Fällen in einer Konzernkonstellation keinerlei Nutzen von einer solchen Art erweiterter Transparenz. Im Gegenteil, sie führt nur zu entgangenen Investitionsmöglichkeiten oder sogar zum Kapitalverlust, wenn er vor Einsetzen des predatory pricing am Produktmarkt bereits am Finanzmarkt investiert hatte. 97
Zur Praxis des predatory pricing in der EU und zu ökonomischen Analysen hierzu siehe die Nachweise bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563 (605 ff.), dort in Fn. 176. 98 Bspw. die Umsatzrendite i.S.d. Verhältnisses von Gewinn zu Umsatzerlösen des Gesamtunternehmens; oder EBITRentabilität i.S.d. Verhältnisses von EBIT zu Umsatzerlösen des Gesamtunternehmens; oder die Eigenkapitalrentabilität i.S.d. Gewinns zum Eigenkapital (siehe dazu allgemein unter http://de.wikipedia.org/wiki/Rentabilit%C3%A4t#Berechnung_Ebitrentabilit. C3.A4t (mit Stand vom 13.5.2008) oder bei KIRSCH, BBB 2005, 87 (89 f.)). 99 …und nicht die Segmentrentabilität, wie bspw. die Segmentumsatzrendite, bei der die Aufgliederung der Umsatzerlöse eine Rolle spielen würde. 100 Siehe dazu allgemein unter http://de.wikipedia.org/wiki/Rentabilit%C3%A4t#Berechnung_ Ebitrentabilit.C3.A4t (mit Stand vom 13.5.2008) sowie bei KIRSCH, BBB 2005, 87 (87 f.) = DERS., UM 2005, 229 (230).
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Die derzeitige Lösung für den Konzernanhang in § 314 Abs. 2 HGB ist also denkbar ungünstig und geht einer Konfliktlösung der eigentlichen kapitalmarktrechtlichen Ur-Problematik – Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vs. Kapitalbeschaffung – letztlich aus dem Weg. 3.1.2.3.3. Beteiligungsangaben 3.1.2.3.3.1. Die Regelung im Jahresabschluss Eine andere Schutzklausel findet sich in § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB für die Beteiligungsangaben im Anhang zum Jahresabschluss nach §§ 285 S. 1 Nr. 11, 11a HGB. Sie setzt die Schutzklausel nach Art. 45 Abs. 1 b) der Bilanz-RiL um. Diese dient u. a. dazu, wettbewerblich relevante Geschäftsbeziehungen zwischen verschiedenen Gesellschaften geheim halten zu können. In ihren tatbestandlichen Voraussetzungen deckt sie sich mit denen aus (dem oben dargestellten) Abs. 2 der Vorschrift.102 Bemerkenswert ist, dass nach Abs. 3 S. 3 kapitalmarktorientierte Gesellschaften seit dem TransPuG (2002) von der Schutzklausel ausgeschlossen sind.103 Für die kapitalmarktorientierten Unternehmen scheint der Gesetzgeber den Grundsatz durchsetzen zu wollen, ein möglicher Wettbewerbsschaden aus einer Pflichtpublizität sei der Preis, den ein Unternehmen für seine Kapitalmarktteilnahme, also für die dort mögliche günstige Kapitalbeschaffung zu zahlen hat. Der Gesetzgeber stellt ausweislich der Gesetzesmaterialien104 das Interesse des Kapitalmarktes und damit die Informationsfunktion des Abschlusses über das Unternehmensinteresse an Geheimhaltung bestimmter Tatsachen. Von den gemäß §§ 285 S. 1 Nr. 11, 11a HGB zu publizierenden Angaben105 sind insbesondere die Beteiligungshöhe, das Eigenkapital und das Jahresergebnis des Beteiligungsunternehmens für den Anleger von Interesse, um die Rentabilität seines Kapitaleinsatzes einschätzen zu können. Hier kommt der in diesem Buch geschilderte Grundkonflikt also voll zum Tragen. Der Wettbewerber vermag mit Hilfe dieser Informationen die Standfestigkeit oder Labilität seines Konkurrenten zu beurteilen und damit auch die grundsätzliche Erfolgsaussicht von Marktverdrängungsmaßnahmen abzuschätzen; auch wenn konkrete Informationen über geeignete Angriffspunkte, wie sie bei der Umsatzaufgliederung als Anlass für ein predatory 101
Das Eigentumsrechts eines Aktionärs und die Rechte der potentiellen Anleger und Kunden aus Artt. 2, 9, 12, 14 und 19 GG werden in der verfassungsrechtliche Literatur auf die Anlageentscheidung reduziert (vgl. dazu insbesondere BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542, 543 f. und 545 re. Spalte). Zum daraus folgenden Interesse an der Rentabilität, insbesondere den Renditeaspekten der Anlage auch BRÜGGEMANN/LÜHN/SIEGEL, KoR 2004, 389 (390). 102 So auch ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 42 f. 103 S. 3 eingefügt mit Art. 2 Nr. 2 (§ 286 Abs. 3 S. 3 HGB) TransPuG (2002) (Fn. 57) i.V.m. Art. 54 Abs. 1 EGHGB. Zu beachten ist, dass die Schutzklausel nun nicht nur Kapitalgesellschaften versagt ist, die Träger von notierten anderen Kapitalgesellschaften sind; THEILE, GmbHR 2002, 231 (234) ist diesbezüglich nicht misszuverstehen; er erläutert § 286 Abs. 3 S. 3 n.F. lediglich exemplarisch. Vgl. dazu MÜLLER, NZG 2002, 752 (753). 104 Vgl. die Begründung zum TransPuG BR-Drs 109/02, 63 i.V.m. 68 zu Art. 2 Nr. 10. 105 Name, Sitz, Rechtsform, Beteiligungshöhe, Eigenkapital und Jahresergebnis des Beteiligungsunternehmens.
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pricing in Bezug auf die Schutzklausel nach Abs. 2 augenfällig geworden sind, dem Konkurrenten in den hier offenlegungspflichtigen Angaben über die Endgrößen der Bilanzposten Eigenkapital und Jahresüberschuss indessen nicht preisgegeben werden. Für den Anleger hingegen sind es Daten mit hohem Informationswert für seine Anlageentscheidung. Vor diesem Hintergrund kann man dem Gesetzgeber darin zustimmen, dass er als Ergebnis eines Abwägungsprozesses in Bezug auf diese Daten des Beteiligungsunternehmens an einer kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflicht festhält und diese punktuell mit einer Schutzklausel für den Einzelfall versieht, um nicht unnötige Wettbewerbsgefahren für die offenlegungspflichtige Gesellschaft oder das Beteiligungsunternehmen zu eröffnen. Die Unternehmensinformation wird nun mit ihrem eigentlichen Wert einer größeren Verbreitung und Nutzbarkeit zugeführt,106 und gleichzeitig wird der Geheimniswert für das Unternehmen nicht unverhältnismäßig verletzt. Nicht überzeugt jedoch, wenn das Gesetz für den Ausschluss der Schutzklausel für kapitalmarktorientierte Unternehmen (nach Abs. 3 S. 3) darauf abstellt, dass entweder die offenlegungspflichtige Kapitalgesellschaft oder das Tochterunternehmen kapitalmarktorientiert ist. Damit ein nicht-kapitalmarktorientiertes Tochterunternehmen nicht ungerechtfertigt einer unnötigen Wettbewerbsgefahr ausgesetzt ist, nur weil ein Anteilsbesitz an ihm besteht, müsste der Ausschluss zumindest beschränkt sein auf den Fall beiderseitiger Kapitalmarktorientierung (i.S. eines „und“). Hingegen überzeugt es, wenn das Gesetz (wie auch bei § 286 Abs. 2 HGB gesehen) auf einen Nachteil für die Gesellschaft oder das Beteiligungsunternehmen abstellt. Zugleich erscheint es auch hier als richtig, im Hinblick auf den begrenzten Nutzen dieser Angaben für Wettbewerber an einer engen Auslegung107 der Schutzklausel, d.h. grundsätzlich an der Pflicht zur Offenlegung festzuhalten. In Zweifelsfällen hat also auch hier eine Angabe zu erfolgen. Es muss in nachvollziehbarer Weise für jede einzelne nach §§ 285 S. 1 Nr. 11 und Nr. 11a HGB offen zu legende Angabe108 (und damit anders als bei Abs. 3 S. 1 Nr. 1) geprüft und abgewogen werden, ob die konkrete Angabe geeignet ist, dem Unternehmen einen Nachteil zuzufügen. Dabei wird der Wert der Geheimhaltung in den Fällen des Abs. 3 S. 1 Nr. 2 durch die Berichtspflicht nach S. 4 der Vorschrift109, dass von der Schutzklausel Gebrauch gemacht worden ist, nicht eingeschränkt, weil sich allein aus der Angabe, dass das Unternehmen Anteile anderer Unternehmen besitzt und mit anderen Unternehmen verflochten ist, noch keine Nachteile für eines der beiden Unternehmen im Sinne eines Wettbewerbsschadens ergeben dürften; und Sachgründe, warum die Schutzklausel verwendet worden ist, müssen nicht angegeben werden.110 Aus der 106
Siehe die Begründung zum TransPuG BR-Drs 109/02, 63 i.V.m. 68. Speziell für § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB bei ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 33 m.w.N. und Rn. 42 m.w.N. 108 So auch implizit ADLER/DÜRING/SCHMALTZ bei § 286 Rn. 33. 109 Eine solche Mitteilung könnte bspw. lauten: „… bis auf ein/einige Unternehmen, über das /die wegen sonst der Gesellschaft drohender erheblicher Nachteile keine Angaben gemacht werden.“ (so ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 45). 110 So auch ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 286 Rn. 45. 107
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Sicht eines Wettbewerbers mag es sogar abschreckend wirken, wenn er weiß, dass das konkurrierende Unternehmen in unterschiedlichen Produktmärkten präsent ist. Gleichzeitig ist es für die Eigen- oder Fremdkapitalgeber auf dem Kapitalmarkt durchaus vorteilhaft, von dieser Diversifikation und der daraus resultierenden Risikostreuung ihrer Anlage Kenntnis zu haben111.112 Diese differenzierte Lösung einer Schutzklausel für nicht-kapitalmarktorientierte Gesellschaften nebst Berichtspflicht ihrer Inanspruchnahme ist damit für alle Beteiligten von Vorteil und damit als Win-Win-Lösungen optimal konfliktlösungsgeeignet. 3.1.2.3.3.2. Die Regelung im Konzernabschluss An die Beurteilung zu § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB für den Anhang zum Jahresabschluss anknüpfend ist auf § 313 Abs. 3 HGB im Hinblick auf den Konzernanteilsbesitz für den Konzernanhang einzugehen, der durch das TransPuG im Jahre 2002113 jenem gleichgestaltet worden ist, um die Angabepflichten im Anhang zum Jahresabschluss und zum Konzernabschluss zu vereinheitlichen.114 115 Er gibt das Mitgliedstaatenwahlrecht aus Art. 35 Abs. 1 b) der Konzernbilanz-RiL weiter. Der Tatbestand116 aus S. 1 für den Konzernanhang entspricht § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB für den Anhang zum Jahresabschluss. Es ist darauf abzustellen, ob erhebliche Nachteile für das Mutterunternehmen, ein Tochterunternehmen oder ein Beteiligungsunternehmen entstehen können. Gemäß S. 2 der Vorschrift ist auch hier im Anhang zu berichten, wenn von der Schutzklausel Gebrauch gemacht worden ist, wie es parallel auch § 286 Abs. 3 S. 3 HGB vorschreibt. Ebenfalls gilt die Befreiung durch S. 3 der Regelung nicht für kapitalmarktorientierte Gesellschaften. Dies bringt die reine Informationsfunktion des Konzernabschlusses sachgerecht zur Geltung; nur in diesen Fällen stellt es eine optimale Lösung für den in diesem Buch dargestellten Grundkonflikt dar, das Informationsinteresse der Anleger über die Schutzinteressen der im Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen zu stellen117. 111
Im Falle einer nachteiligen Beteiligung an einem anderen Unternehmen würde diese Beteiligung aus unternehmerischen Gesichtspunkten ohnehin abgestoßen, so dass ein Eigen- oder Fremdkapitalgeber hieraus keine Nachteile zu fürchten hätte. 112 Siehe grundlegend zu dem Unterschied von Produkt- und Kapitalmarkt hinsichtlich mancher Art von Information bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563 (595 f.), dort in 4.2.4.3.1. 113 Durch Art. 2 Nr. 10 (§ 313 Abs. 3 HGB) TransPuG (2002) (Fn. 57) i.V.m. Art. 54 Abs. 1 EGHGB. 114 Vgl. die Begründung zum TransPuG BR-Drs 109/02, 63 i.V.m. 68. 115 In diesem Sinne ist es auch zu sehen, wenn nun mit dem BilMoG die derzeit nur für den Konzernabschluss bestehende Möglichkeit nach § 313 Abs. 4 HGB abgeschafft werden soll (Art. 1 Nr. 49 b) (§ 313 HGB-RefE) (Fn. 14) bzw. –RegE (Fn. 15)), die Beteiligungsangaben statt im Anhang in einer gesonderten Beteiligungsliste zu machen. Abgesehen von dieser rein formellen Änderung wird sich bei den Beteiligungsangaben durch das BilMoG inhaltlich jedoch nichts ändern (siehe dazu auch oben bei Fn. 60). 116 Vgl. zur Tatbestandsvoraussetzung dem Rechnen mit erheblichen Nachteilen bei NIEHUS, DB 2002, 53 (57) und BUSSE VON COLBE, BB 2002, 1583 (1586). 117 Bei MÜLLER und NIEHUS ist das Argument der Vorrangstellung noch zu umfassend und damit zu unsachgerecht angewandt: siehe M ÜLLER, NZG 2002, 752 (754) mit Verweis auf die Gesetzesbegründung zum TransPuG in BR-Drs. 109/02, 68; vgl. NIEHUS, DB 2002, 53 (57).
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Wichtig anzumerken ist, dass der Gesetzgeber von seinem ursprünglichen Plan aus dem Referentenentwurf zum TransPuG, die Schutzklausel nach Abs. 3 insgesamt (und nicht nur für kapitalmarktorientierte Gesellschaften) zu streichen118, abgekommen ist. Damit wollte man ursprünglich die deutsche Konzernregelung an den aktuellen Stand der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze anpassen119. Nach den sich abzeichnenden Maßstäben zur Lösung der Grundproblematik, nämlich nur diejenigen Informationen offen legen zu müssen, die auch dem Anleger nützen und so eine günstigere Kapitalbeschaffung fördern, wäre dieser Vorschlag für die nichtkapitalmarktorientierten Gesellschaften (wie oben zum parallelen § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB diskutiert) keine sachgerechte Lösung und eine ineffiziente Vergeudung von „Geheimniswerten“ gewesen. Die Schutzklausel zu streichen, die vor allem der Mittelstand nach wie vor häufig anwendet120, hätte gerade mittelgroßen Gesellschaften Gefahren durch Wettbewerbsschäden eröffnet. Erst Recht sachgerecht ist es, dass insbesondere der Vorschlag, um einen systematischen Bruch zwischen dem Anhang zum Jahresabschluss und dem Konzernanhang zu vermeiden, beide Schutzklauseln (§ 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und § 313 Abs. 3 HGB) abzuschaffen121, nicht durchgedrungen ist. Zu begrüßen ist daher die vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) von Anfang an präferierte und letztlich mit dem TransPuG Gesetz gewordene, anhand der Kapitalmarktorientierung differenzierende Lösung. Wie bei § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 4 HGB für den Anhang zum Jahresabschluss ist diese Lösung damit auch in Bezug auf den Konzernanhang (abgesehen von der entsprechend nötigen Umformulierung des S. 3 von „oder“ in „und“) optimal zur Lösung des Grundkonfliktes geeignet.
3.1.2.4. Allgemeine Schutzklausel im Wege der Rechtsfortbildung? Eine allgemeine Schutzklausel, die bei erheblichen Nachteilen aus einer Offenlegung von Informationen für das Unternehmen, ein Tochterunternehmen oder für ein Beteiligungsunternehmen stets eingreift, wird de lege lata vom bilanzrechtlichen Schrifttum abgelehnt.122 Besonders diskutiert wurde eine solche im Zusammenhang mit den Angaben im Lagebericht und im Konzernlagebericht123, weil diesen 118
Vgl. dazu THEILE, GmbHR 2002, 231 (234). Hier insbesondere an IAS 28.37 ff. 120 Vgl. THEILE, GmbHR 2002, 231 (234). 121 Vgl. IDW, Stellungnahme zum Referentenentwurf des TransPuG, v. 7.1.2002, 12/16, abrufbar unter http://www.idw.de/idw/generator/property=Datei/id=332414.pdf (mit Stand vom 13.05.2008). Das IDW hat diesen von mehreren seiner Vorschläge selbst als die ungünstige Lösung angesehen. 122 HÜTTEMANN, in: ULMER, HGB-Bilanzrecht, § 286 HGB Rn. 4; LANGE, BB 1999, 2447 (2451 li. Spalte). 123 Vgl. die Diskussion dargestellt stellvertretend statt Vieler bei KRAFT, in: ULMER, HGB-Bilanzrecht, § 313 Rn. 37 und § 314 Rn. 50 und 51. Siehe zum Geheimnisschutz beim Lagebericht den Beitrag von PALMES, in diesem Buch, S. 375 ff. Eine Befreiung von den Berichtspflichten im Lagebericht oder Konzernlagebericht, die ihrer Natur der Sache nach ohnehin schon allgemein gehalten sind und demzufolge quasi per se eine faktische Schutzklausel beinhalten, würde damit dem Zweck des Lageberichts zur Information im Allgemeinen und dem Risikobericht i.S.d. DRS 5 im Besonderen widersprechen, so dass dies vom Gesetzgeber nicht gewollt sein konnte. Sie ist damit abzulehnen. Zur faktischen Schutzklausel im Lagebericht: In der praktischen Umsetzung ist die Darstellung der Lage und Entwicklung des Unternehmens eine Frage des Formulierens und Reformulierens, so dass i.E. auch die Preisgabe konkret absehbarer, erkannter und prognostizierter Risiken eine beherrschbare Gefahrenquelle für das Unternehmen darstellt; anders als bei dem Zahlenwerk von Bilanz, Anhang und Gewinn- und Verlustrechnung, das sich nicht die Konnotation der Spra 119
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gemäß § 289 HGB bzw. § 315 HGB eine reine Informationsfunktion zur wirtschaftlichen Lage und der Entwicklung der Gesellschaft gegenüber den Adressaten und damit der mittelfristigen Des- oder Investitionsentscheidung der Anleger zukommt124. – In den letzten Jahren hat sich vielmehr eine eindeutige gesetzgeberische Tendenz herausgebildet, Schutzklauseln einzuschränken und schrittweise abzuschaffen (wie teilweise an obigen Beispielen gesehen), so dass eine Einzel- oder Gesamtanalogie derzeit dogmatisch auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt. Es bestehen keine planwidrigen Lücken. Seit dem KonTraG (1998) und über das TransPuG (2002) und das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) von 2007125 hinaus bis zum Referentenentwurf zum BilMoG und dem kürzlich vorgelegten zugehörigen Regierungsentwurf ist die Absicht des Gesetzgebers eindeutig darauf gerichtet, im Zweifel dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit den Vorrang126 einzuräumen vor den Schutzinteressen der offenlegungspflichtigen Unternehmen. Ein allgemeines Befreiungsrecht könnte daher nur dann akzeptiert werden, wenn sich das rechnungslegungspflichtige Unternehmen im Einzelfall auf eine Pflichtenkollision berufen könnte. Eine solche würde indessen nur dann geltend gemacht werden können, wenn der bilanzrechtlichen Offenlegungspflicht ein strafbewehrtes Veröffentlichungsverbot127 gegenüberstünde. An einem solchen Veröffent124
Zur faktischen Schutzklausel im Lagebericht: In der praktischen Umsetzung ist die Darstellung der Lage und Entwicklung des Unternehmens eine Frage des Formulierens und Reformulierens, so dass i.E. auch die Preisgabe konkret absehbarer, erkannter und prognostizierter Risiken eine beherrschbare Gefahrenquelle für das Unternehmen darstellt; anders als bei dem Zahlenwerk von Bilanz, Anhang und Gewinn- und Verlustrechnung, das sich nicht die Konnotation der Sprache zunutze machen kann (so auch die Einschätzung von LANGE, BB 1999, 2447, 2452 f.). Zur faktischen Schutzklausel auch KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (255) mit Verweis auf LÜCK, in: KÜTING/WEBER, Handbuch der Rechnungslegung, § 289 Rn. 29; ELLROTT, in: BUDDE u.a., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 3. Aufl. 1995, § 289 HGB, Rn. 26 sowie 5. Aufl. 2003, § 289 HGB Rn. 28; so auch implizit der EuGH, Rs. C-435/02, Axel Springer AG./.Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. KG und Rs. C-103/03, Axel Springer AG./.Hans-Jürgen Wenske, Slg. 2004, I-08663 (Rn. 55) (siehe dazu auch bei KUNTZE-KAUFHOLD, BB 2006, 428, 429 a.E.). 124 Die Anleger entscheiden mittelfristig u.a. mit dem Lagebericht und dem Konzernlagebericht unmittelbar über den mittelfristigen Kapitalzu- oder abfluss im Unternehmen mit – phänomenaler Weise obgleich sie nur sehr aggregierte Tatsachen enthalten und damit seitens des Unternehmens eigentlich am wenigsten Geheimniswert preisgegeben wird bei optimaler Anlagebeeinflussung; eine optimale Informations(be)wirtschaft(ung). – Vgl. dazu REITTINGER, in: v. WYSOCKI/SCHULZE-OSTERLOH, Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abt. IV/3, Rn. 4. Speziell zu der Verdichtungs- (vgl. BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 9 f.) und Ergänzungsfunktion des Lageberichts (de lege ferenda, vgl. STOBBE, BB 1998, 303). 125 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (sog. Transparenz-RiL-Umsetzungsgesetz; TUG) (2007) (Fn. 57). 126 Dies durchzieht letztlich auch die Begründung zum Entwurf des BilMoG (siehe bspw. zum Regierungsentwurf (Fn. 15), 107, 109 f., 125 f., 130 f., 138, 140, 143, 148, 153, 158, 160, 177, 183 usw.). 127 So KRAFT, in: ULMER, HGB-Bilanzrecht, § 313 HGB Rn. 37.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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lichungsverbot fehlt es hingegen in den meisten Fällen der Offenlegung von wettbewerbsrelevanten Fakten. Die rechtliche Zwangslage, die als Voraussetzung für eine solche notstandsähnliche Rechtfertigung einer allgemeinen Schutzklausel erforderlich wäre, besteht damit nicht. Ganz abgesehen von diesen Auslegungshindernissen zum deutschen Handelsgesetzbuch, wäre eine solche allgemeine Schutzklausel wohl auch nicht richtlinienkonform i.S.d Bilanz-RiL und der Konzernbilanz-RiL, die beide keine solche generelle Befreiungsregelung vorsehen. Es müsste dann auch im Rahmen des Richtlinienrechts (etwa im Wege der auch dort möglichen Rechtsfortbildung) auf der Grundlage einer Pflichtenkollision oder einer Zusammenschau mit den primärrechtlichen Vorgaben des Wettbewerbsrechts (aus Artt. 81 ff. EG)128 eine Ausnahme formuliert werden.
3.1.3. Die Rechtslage zur Befreiung von Informationspflichten nach IAS/IFRS Die Grundlagen der internationalen Rechnungslegungspflicht nach IAS/IFRS sind eingangs bereits genannt worden. Ausgangspunkt ist die europarechtlich verankerte Verpflichtung börsennotierter Kapitalgesellschaften nach Art. 4 IAS-VO 129, Konzernabschlüsse nach den Regeln der von der Europäischen Kommission für anwendbar erklärten IAS/IFRS aufzustellen. Gleiches gilt nach § 315a Abs. 2 HGB für Mutterunternehmen (und diesen nach § 264a HGB gleichgestellte Personengesellschaften) sowie die unter § 11 Abs. 6 Nr. 2 HS. 2 PublG fallenden Unternehmen, wenn sie ihre Zulassung zu einem organisierten Markt beantragt haben. Andere Mutterunternehmen können nach § 315a Abs. 3 HGB freiwillig ihren Konzernabschluss nach IAS/IFRS aufstellen. Zu beachten ist, dass der deutsche Gesetzgeber in der Umsetzung der nach IAS/ IFRS offen zu legenden Inhalte gewisse Modifikationen gegenüber deren Reinform vorgenommen hat: So haben auch diejenigen Mutterunternehmen, die ab dem 1.1.2005 erstmals zum 31.12.2005 einen IAS/IFRS-Abschluss aufzustellen haben, gemäß § 315a Abs. 1 HS. 2 (auch i.V.m. Abs. 2) HGB die Angaben nach § 313 Abs. 2 HGB zu den beteiligten Unternehmen zu machen. Die Schutzklausel nach § 313 Abs. 3 HGB wird den Unternehmen dabei ebenfalls gewährt, allerdings gleichlaufend wie für den HGB-Abschluss unter Ausschluss der kapitalmarktorientierten Gesellschaften gemäß § 313 Abs. 3 S. 3 HGB (i.V.m. § 315a Abs. 1 HS. 2 (auch i.V.m. Abs. 2) HGB). Fraglich ist, wie dies für den freiwilligen IAS-Konzernabschluss aus § 315a Abs. 3 HGB geregelt ist: § 315a Abs. 3 verweist seinem Wortlaut nach ausdrücklich auf die „in Abs. 1 genannten internationalen Rechnungslegungsstandards und Vorschriften“. Gesetzessystematisch üblich für einen Verweis allein auf die Reinform der IAS/IFRS wäre die Gesetzesformulierung „in Abs. 1 ge128
Siehe dazu bei ENCHELMAIER, in diesem Buch, S. 271 ff. Zur Behandlung der Informationsoffenlegung unter Wettbewerbern auch THYRI im Rahmen des Symposiums „Geheimnisschutz – Datenschutz – Informationsschutz“, am 24.11.2006, in Salzburg sowie jüngst KLÖHN, ZHR 172 (2008), 388 (391 f. dort unter III.1 und 402 unter VII.). 129 IAS-VO (Fn. 6).
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nannten internationalen Rechnungslegungsstandards“. D.h. der Zusatz „und Vorschriften“ hat den Sinn, explizit auf die in § 315a Abs. 1 HGB genannten, modifizierenden Zusatzangaben aus dem HGB zu verweisen. Sämtliche in Abs. 1 genannten Zusatzangaben sind also auch bei einem freiwilligen IAS-Konzernabschluss i.S.d. § 315a Abs. 3 HGB zu machen. Dies verweist auch auf § 313 Abs. 3 S. 1 bis 3 HGB, so dass auch hier die Schutzklausel und ihre Gegenausnahme für börsennotierte Gesellschaften gelten. Auf die Folgen der Anwendung der Schutzklausel des § 313 Abs. 3 und des § 286 Abs. 3 HGB für den IAS/IFRS-Abschluss wird unten noch näher einzugehen sein. Nicht erwähnt ist die Vorschrift zum wahlweisen Ausweis der geographischen und tätigkeitsbezogenen Aufgliederung der Umsätze im Anhang (nach § 314 Abs. 2 S. 1 HGB); insofern kommt dem Segmentbericht nach IAS 14 hier (anders als beim nationalen Abschluss nach HGB) (nach IAS 14.5) uneingeschränkt Vorrang zu. Darüber hinaus besteht für Kapitalgesellschaften nach § 325 Abs. 2a HGB die Möglichkeit, bei der Regelpublizität (derzeit allein) für die Offenlegung und damit rein zu Informationszwecken den Jahresabschluss nach HGB durch einen (sog.) Einzelabschluss nach IAS/IFRS zu ersetzen. Dies gibt das Mitgliedstaatenwahlrecht nach Art. 5 IAS-VO weiter.130 Hier sind im Anhang zusätzlich131 insbesondere die Angaben zu Arbeitnehmerzahl, Personalaufwand, Organbezügen, Beteiligungsangaben usw. nach § 285 S. 1 Nr. 7 und 8b, 9 bis 11a, 14 bis 17 HGB zu machen. Allerdings findet u. a. die Schutzklausel nach § 286 Abs. 3 HGB hinsichtlich der Beteiligungsangaben Anwendung – und damit gemäß § 286 Abs. 3 S. 3 HGB für alle betroffenen, außer den kapitalmarktorientierten Gesellschaften. Nicht erwähnt sind die Vorschrift (des § 285 S. 1 Nr. 4 HGB) und die Schutzklausel (nach § 286 Abs. 2 HGB) zur geographischen und tätigkeitsbezogenen Aufgliederung von Umsätzen, da insoweit auch hier die zwingenden Vorgaben der IAS/IFRS zur Segmentberichterstattung (nach IAS 14) (anders als bei dem nationalen Abschluss nach HGB) (nach IAS 14.5) vorgehen. Zu beachten ist auch, dass ein Unternehmen dann keinen freiwilligen IAS-Einzelabschluss offen legen darf, wenn eine Anwendung des § 286 Abs. 1 HGB dazu führen würde, dass dann keine vollständige IAS/ IFRS Pflichtanwendung 132 mehr vorliegt (§ 325 Abs. 2a S. 6 HGB). Selbiges muss 130
Vgl. hierzu Näheres bei HÜTTEMANN, BB 2004, 203 (204 ff.). Umgesetzt durch Art. 1 Nr. 29 a) BilReG (Fn. 11) (siehe dazu auch eingangs in diesem Beitrag). 131 Und zwar muss der Einzelabschluss mit diesen Zusatzvorschriften aufgestellt werden und nicht nur nach ihnen offen gelegt werden. Denn § 325 Abs. 2a S. 3 HGB verwendet ausdrücklich nicht die für letztere Fälle sonst übliche Gesetzesformulierung „sind entsprechend anzuwenden“, sondern nur „sind anzuwenden“, so dass die Zusatzvorschriften direkt als Aufstellungsvorschriften Anwendung finden. 132 Anders bei freiwilligen Vorschriften der IAS/IFRS: Würde eine freiwillige Zusatzangabe ein Staatsgeheimnis offenbaren, könnte immer noch ein nicht-überobligatorischer, aber vollständiger IAS/IFRS-Abschluss offen gelegt werden; die Pflicht-IAS/IFRS sind dann gleichwohl alle erfüllt. Abgesehen davon wäre die Regelung aus S. 3 sonst hinsichtlich der Verweisung auf § 286 Abs. 1 HGB perplex. Es gibt also nach der Vorstellung des Gesetzgebers denknotwendig auch Fälle, in denen von § 286 Abs. 1 HGB Gebrauch gemacht werden kann, ohne dass das Wahlrecht entfällt; dies sind gerade die Fälle freiwilliger überobligatorischer Zusatzangaben (nicht Angaben, auf die S. 3 zusätzlich verweist, diese sind Pflichtangaben!). Missverständlich diesbezüglich HEUSER/THEILE, GmbHR 4/2005, 201, 205, die zum einen § 286 Abs. 1 HGB explizit nur auf HGB-Zusatzangaben aus § 325 Abs. 2a S. 3 HGB beziehen wollen und (obgleich sie die IAS/IFRS-Pflichtangaben als ausgeschlossenen Anwendungsbereich betonen) nicht auf die freiwilligen IAS/IFRS-Angaben zu sprechen kommen.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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auch für einen freiwilligen IAS-Konzernabschluss nach § 315a Abs. 3 HGB mit Blick auf die Schutzklauselanwendung aus § 313 Abs. 3 HGB gelten, für welchen S. 3 dieser Vorschrift in gleicher Weise eine vollständige Anwendung der IAS/ IFRS vorschreibt (dazu noch unten). Auch die Offenlegungserleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften nach § 288 HGB sind nicht erwähnt und damit nicht anwendbar. Hieran wird sich auch durch das geplante Bilanzrechtsmoderniesierungsgesetz (BilMoG) nicht wesentlich etwas ändern. Der vorgeschlagene § 264e HGB-RefE, nach dem die Möglichkeit hätte bestehen sollen, freiwillig einen IAS-Jahresabschluss aufzustellen, ist bereits mit dem Regierungsentwurf wieder fallen gelassen worden. Dort hätte jedoch nach § 264e S. 3 HGB-RefE (anders als nach § 325 Abs. 2a S. 3 HGB) darüber hinaus zumindest auch die Schutzklausel aus § 286 Abs. 4 HGB hinsichtlich der Offenlegung der Organbezüge (nach §§ 285 S. 1 Nr. 9 a), b) HGB) Anwendung finden sollen. Ebenso die Offenlegungserleichterungen nach § 288 HGB; wobei zu berücksichtigen ist, dass diese lediglich für die Zusatzangaben aus § 264e S. 3 HGB-RefE gegolten hätten133 und die Gesellschaft daher nicht von den Angaben zu den Forschungs- und Entwicklungskosten nach IAS 38.126 oder der Aufgliederung der Umsatzerlöse nach IAS 14 befreit worden wäre. Da insoweit die zwingenden Vorschriften der IAS/IFRS (nach IAS 38.126 und IAS 14.5) vorgehen, musste § 264e S. 3 HGB-RefE hierzu von vornherein nicht auf die Offenlegungsvorschriften des § 285 Nr. 22 HGB-RefE für die Forschungs- und Entwicklungskosten und des § 285 S. 1 Nr. 4 HGB für die Segmentangaben verweisen. Unanwendbar gewesen wäre daher wegen des Vorrangs des IAS 14 auch bei einem solchen IAS-Jahresabschluss die Schutzklausel aus § 286 Abs. 2 HGB hinsichtlich der Aufgliederung der Umsatzerlöse. Anders als bei § 325 Abs. 2a HGB hat in § 264e HGB-RefE jedoch eine jenem S. 6 entsprechende Vorschrift gefehlt, die das Wahlrecht zu einem IAS-Jahresabschluss bei einer Anwendung der Schutzklausel aus § 286 Abs. 1 HGB entfallen ließe, wenn daraufhin keine vollständige IAS/IFRS Pflichtanwendung mehr vorliegt (dazu noch unten). Diese vorgeschlagenen Änderungen sind mit dem Regierungsentwurf jedoch bereits wieder gestrichen und es bleibt bei der bisherigen Rechtslage eines Einzelabschlusses nach IAS/IFRS zu schlichten Offenlegungszwecken nach § 325 Abs. 2a HGB.
3.1.3.1. Das Fehlen von Schutzklauseln in IAS/IFRS 3.1.3.1.1. Full IAS/IFRS Nach IAS 1.7 bildet der Abschluss nach IAS/IFRS „eine strukturierte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens“. Deren Zielsetzung
133
diesbezüglich HEUSER/THEILE, GmbHR 2005, 201 (205), die zum einen § 286 Abs. 1 HGB explizit nur auf HGB-Zusatzangaben aus § 325 Abs. 2a S. 3 HGB beziehen wollen und (obgleich sie die IAS/IFRS-Pflichtangaben als ausgeschlossenen Anwendungsbereich betonen) nicht auf die freiwilligen IAS/IFRS-Angaben zu sprechen kommen. 133 Vgl. die Begründung zum Referentenentwurf (Fn. 14), zu Art. 1 Nr. 17 (§ 264e HGB-RefE), 129.
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sei es, „Informationen (…) bereitzustellen, die für eine breite Palette von Adressaten nützlich sind, um wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen“ (sog. decision usefulness (nach F 12 des Rahmenwerkes (des sog. Framework) der IAS/IFRS)134; eine vollumfängliche Information der Abschlussadressaten (F 38 i.V.m. IAS 1.31 und so auch künftig QC 32-34 des vorgeschlagenen neuen Frameworks 135) ist das Ziel.136 Dies entspricht dem Ziel einer optimalen Kapital- und damit Ressourcenallokation137 und ist mit Befreiungen von der Offenlegung (vermeintlich) nicht vereinbar. Das (vermeintlich umfassende) Informationsbedürfnis der Investoren und Kreditgeber wird so prinzipiell über das Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen gestellt. Dies zieht sich gleichsam als roter Faden durch das gesamte Regelwerk. Die IAS/IFRS sind ihrem Wesen nach ausgerichtet auf vollumfängliche Informationsbedürfnisse von Investoren (Anteilseignern) (sog. shareholder-value orientierte Rechnungslegung, sog. Shareholder Value Reporting138); Fremdkapitalgeber werden anhand derselben Informationen „mitinformiert“139 140. Für Ausschüttungs134
Das Framework definiert in F 26-28 (und künftig nach dem neuen vorgeschlagenen Rahmenwerk in QC 8-11) auf die Frage, wann Tatsachen entscheidungserheblich und damit wesentlich und relevant sind, sehr abstrakt, dass sie die wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen (können) müssen, indem sie ihnen bei der Beurteilung vergangener, derzeitiger oder zukünftiger, zu prognostizierender Ereignisse helfen oder ihre Beurteilung aus der Vergangenheit bestätigen oder korrigieren (F 26 bzw. QC 8); nach dem in Klammern eingefügten Zusatz („können“) gemäß QC 9 genügt künftig also auch die reine Möglichkeit der Entscheidungsbeeinflussbarkeit (auf diese künftige Neuerung aus einem gemeinsamen neuen Rahmenwerk von IASB und FASB hinweisend auch KAMPMANN/SCHWEDLER, KoR 2006, 521, 527). Vgl. die Genese des decision usefulness-Grundsatzes bei HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 38 ff., insbesondere 41 ff. 135 IASB/FASB, Discussion Paper: Preliminary Views on an Improved Conceptual Framework for Financial Reporting: The Objective of Financial Reporting and Qualitative Characteristics of Decision-useful Financial Reporting Information, vom 4.8.2006, unter http://www.iasb.org/ NR/rdonlyres/4651ADFC-AB83-4619-A75A-4F279C175006/0/DP_ConceptualFramework.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). Die Ausrichtung der IAS/IFRS gilt damit klar den Interessen der Abschlussnutzer (den sog. user needs) (OB 6-OB 9). 136 Vgl. DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 95 f. Der IAS/IFRS-Abschluss ist – zumindest nach derzeitigem Konzept – kein Medium für die Ausschüttungs- und Steuerbemessung (vgl. dazu sogleich unten bei Fn. 141). 137 Vgl. grundlagentheoretisch BERNDT, Wahrheits- und Fairnesskonzeption in der Rechnungslegung, 35 ff. 138 Vgl. dazu HEUMANN, Value Reporting in IFRS-Abschlüssen und Lageberichten sowie BAETGE/ HEUMANN, IRZ 2006, 39 ff., dort auch Abb. 1 auf 40 mit einer Veranschaulichung zu der Schnittmenge des Shareholder Value Reporting mit der Jahresabschlussberichterstattung. 139 Ahnlich auch LÖHR, StuB 2003, 643 (644) m.w.N. 140 Obgleich sich die Informationsbedürfnisse von Anteilseignern und Fremdkapitalgebern in Wirklichkeit wesentlich unterscheiden, soll sich auch nach dem Diskussionspapier zum neuen Rahmenkonzept an dieser grundlegenden Ausrichtung der IAS/IFRS nichts ändern (F 10 und BC 1.16). Zentraler Punkt einer Investitionsentscheidung ist nach Auffassung des IASB der Unternehmenswert und die Prognose über seine künftige Entwicklung (vgl. KÜTING/REUTER, BB 2005, 706, 710 und RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 70; zu den Inhalten, wie sie für die Ermittlung des Zukunftserfgolgswertes, wie ihn die Investoren interessieren, erforderlich sind bei HEUMANN, Value Reporting in IFRS-Abschlüssen und Lageberichten, 45.). Fremdkapitalgeber sind für ihre Kreditvergabeentscheidung an Informationen zur Schuldendeckungsfähigkeit und damit an den Liquiditätskennzahlen des Unternehmens interessiert. Kreditgeber sondieren das Risiko ihrer Festansprüche und gewichten daher Risiken stärker als Chancen (dem Vorsichtsprinzip eines HGB-Abschluss gleichkommend); Investoren hingegen suchen die Chancen für Restansprüche (vgl. statt Vieler RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 70 und 103; graphische Darstellung dessen auch bei KESSLER, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 57, 75 Abb. 2, der zutreffend die (letztlich im Grunde ausschließliche) Ausrichtung der IAS/IFRS an den potentiellen
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und Steuerbemessungszwecke sind die IAS/IFRS nicht konzipiert und auch nicht geeignet.141 Anwendbar und konzipiert seien die IAS/IFRS für die Finanzberichterstattung aller Unternehmen (IFRS 1.BC 3 i.V.m. F 9)142, so die Standardsetter; so wird nicht differenziert zwischen Anforderungen an kleine und mittlere oder große (auch börsennotierte) Gesellschaften, auch nicht nach der Rechtsform und es wird auch nicht differenziert zwischen Vorgaben für den Jahresabschluss und solchen für 141
damit an den Liquiditätskennzahlen des Unternehmens interessiert. Kreditgeber sondieren das Risiko ihrer Festansprüche und gewichten daher Risiken stärker als Chancen (dem Vorsichtsprinzip eines HGB-Abschluss gleichkommend); Investoren hingegen suchen die Chancen für Restansprüche (vgl. statt Vieler RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 70 und 103; graphische Darstellung dessen auch bei KESSLER, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 57, 75 Abb. 2, der zutreffend die (letztlich im Grunde ausschließliche) Ausrichtung der IAS/IFRS an den potentiellen Investoren betont). Gemeinsam ist ihnen lediglich ihr Interesse an den künftigen Cashflows. Dies erfüllen, könnte aber nur ein Finanzplan mit reinen objektiven Prognosedaten. Ein Abschluss kann und will dies nicht leisten – weder nach HGB noch nach IAS/IFRS in ihrer jetzigen und künftig beabsichtigten international konvergenten Fassung (so auch KESSLER, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 57, 72 mit Verweis auf STÜTZEL (Nachweis dort in Fn. 56); RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 70 und 103). Zu dieser grundlegende Fehlausrichtung der geltenden IAS/IFRS RAMMERT, in LÜDENBACH/ HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 70 und LÜDENBACH/HOFFMANN, in: DIES., IFRS, § 1 Rn. 23. Grundlegend zu der Problematik unklarer Primäradressaten bei den unterschiedlichen Adressateninteressen in der Rechnunglegung BERNDT, Wahrheits- und Fairnesskonzeption in der Rechnungslegung, 47 ff., insbesondere 56 f. 141 Vgl. dazu statt Vieler auch RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 9; HOFFMANN, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 7 Rn. 43: wegen des Ausweises nicht realisierter Gewinne; und die Begründung zum TransPuG BR-Drs. 109/02, 63 i.V.m. 68 zu Art. 2 Nr. 10 sowie der deutsche Gesetzgeber in seiner Begründung zum Referentenentwurf des BilMoG (Fn. 14), zu Art. 1 Nr. 17 (§ 264e HGB-RefE), 129 f. sowie auch die Begründung zum Regierungsentwurf (Fn. 15), 72; auch MÖHLMANN-MAHLAU/GERKEN/GROTHEER, StuB 2004, 920. Relativierend BUCHHOLZ, DStR 2002, 1280 (1283), wobei sein Argument, der Erfolg nach einem IAS/IFRS-Abschluss läge nur anfänglich über dem eines HGB-Abschlusses und sei in der Folge mitunter sogar niedriger als der Erfolg nach HGB, wiederum gerade die Volatilität und „Zweigesichtigkeit“ eines IAS/IFRS-Abschlusses (durch höhere Folgeabschreibungsbeträge, die durchaus gegebene Möglichkeit der bilanzpolitischen Bildung stiller Reserven und der zufallsabhängigen Parameter) bewahrheitet. Als Grundlage für die Steuerbemessung ist dies denkbar ungeeignet, ungleichbehandelnd und damit ungerechtfertigt und steuerrechtlich konzeptwidrig. Zu besteuern ist nach der tatsächlichen, nicht nach der potentiellen Leistungsfähigkeit (siehe dazu auch bei SCHÖN, in: DERS., Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, 1 (8 f.) sowie ARBEITSKREIS BILANZRECHT DER HOCHSCHULLEHRER RECHTSWISSENSCHAFT (AKHR), BB 2002, 2372, 2379 und KAHLE , IRZ 2006, 87, 89). Ausschüttungsund Steuerpolitik werden daher auch künftig mit dem Jahresabschluss nach HGB betrieben. Vielfach problematisch ist dies insofern, weil die Anteilseigner ihre Ausschüttungsansprüche zumeist nach dem im Rampenlicht der Medien stehenden Konzernabschluss, also dem Informationsabschluss richten und auch beim Fiskus auf Dauer Begehrlichkeiten geweckt werden (letzteres so auch GOEBEL, DStR 1995, 1037, 1039 mit Verweis auf NIEHUS und ähnlich auch V. KEITZ/STIBI, KoR 2004, 423, 427). Abgesehen davon steht einer Steuerbemessung anhand IAS/IFRS der privaten Standardsetter verfassungsrechtlich die Steuerhoheit der einzelnen Mitgliedstaaten entgegen (siehe dazu näher bei ARBEITSKREIS BILANZRECHT DER HOCHSCHULLEHRER RECHTSWISSENSCHAFT (AKHR), a.a.O., 2379 f.; und SCHÖN, a.a.O., 108 f.; KAHLE, IRZ 2006, 87, 90 f.; bei STEINER/GROSS, StuB 2004, 551, 552; a.A. MÖHLMANN-MAHLAU/ GERKEN/GROTHEER, StuB 2004, 920, 920). 142 „for any entity, in any part of the world“, IFRS 1.BC 3.
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einen Konzernabschluss.143 Das Konzept ist ein einheitliches; von allen für alle. Auf vollumfängliche Transparenz gerichtet ist die IAS/IFRS-Bilanz eine reine Informationsbilanz. Das Thema des Wettbewerbsschutzes wird so in den Grundlagentexten der IAS/IFRS nicht erwähnt. Andererseits kann man sich fragen, ob die IAS/IFRS die Wettbewerber, Zulieferer und Abnehmer möglicherweise gezielt zum Begünstigten der offen gelegten Informationen erklären. In diese Richtung scheinen das geltende Rahmenwerk wie auch das gemeinsame Diskussionspapier des IASB und des Financial Accounting Standards Board (FASB) über ein neues konvergentes Rahmenkonzept aus dem Jahre 2006 zu gehen, das im Jahre 2008 in einen öffentlichen Entwurf (einen sog. „Exposure Draft“, ED) münden soll. Das geltende Rahmenwerk zählt zu der Palette an Adressaten die Investoren, Kreditgeber doch auch Arbeitnehmer, Lieferanten, Kunden, Behörden sowie, so wörtlich, das „gesamte generelle Publikum eines Unternehmens“ – fachbegrifflich übersetzt „die Öffentlichkeit“ – (F 9). In dem Diskussionspapier wird das Ziel der Rechnungslegung nach IAS/IFRS darin gesehen, „Informationen zu vermitteln, die gegenwärtigen und potentiellen Investoren und Kreditgebern und anderen nützen, Investitions-, Kredit-, und ähnliche Ressourcenallokationsentscheidungen zu treffen“144. Zu diesen „anderen“ gehören nach dem Willen der Standardsetter auch Zulieferer145 und Kunden146. Von Wettbewerbern ist gleichwohl nicht die Rede. So lässt sich nur vermuten, dass auch das geltende Rahmenwerk Wettbewerber ausdrücklich als Gruppe neben den genannten Zulieferern und Kunden nennen würde, wenn sie als Adressaten gewünscht gewesen wären. Damit ist auch nicht davon auszugehen, dass Wettbewerber nach dem geltenden Rahmenwerk unter den Auffangbegriff des „gesamten generellen Publikums eines Unternehmens“ – also unter die Öffentlichkeit – subsumiert werden können sollen. Auch die Zulieferer und Kunden werden nicht in ihren Erwartungen darauf geschützt, günstige Verhandlungsbedingungen gegenüber dem rechnungslegungspflichtigen Unternehmen zu erhalten. Vielmehr sollen sie die mitgeteilten Finanzinformationen lediglich dafür nutzen, zu beurteilen, ob das Unternehmen seinen finanziellen Verpflichtungen auch in Zukunft nachkommen wird, bspw. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen tilgen kann oder seinerseits Lieferungen und Leistungen erbringen kann. Damit wird die „Gläubiger“komponente der Vertragspartner in den Vordergrund gestellt und letztlich eine rein kapitalbezogene Al-
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Dies ist bereits nach den geltenden IAS/IFRS so und wird sich auch mit dem gemeinsamen Entwurf zu einem neuen Rahmenkonzept nicht ändern (siehe die Erläuterungen zum Rahmenkonzept in QC 17). Der implizit im Grundsatz einer glaubwürdigen Darstellung (faithful representation nach QC 16 und 18 i.V.m. BC 2.26-29 n.F.) mitenthaltene Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtung (substance over form nach F 53 a.F. bzw. QC 17 n.F.) verlange, die wirtschaftlichen Grundlagen und Vorkommnisse, nicht so sehr die rechtlichen Konstruktionen offen zu legen. – Und trotzdem soll die alte Terminologie der Verlässlichkeit (with reliability) aus F 31 i.V.m. F 33 (a.F.) abgelöst werden durch die neue Terminologie der – man könnte sagen – wirtschaftlich betrachteten Glaubwürdigkeit. 144 IASB/FASB, DP-Conceptual Framework, (siehe Fn. 135), Rn. S 2, OB 2, QC 1 sowie QC 42. 145 IASB/FASB, DP-Conceptual Framework, (siehe Fn. 135), Rn. OB 6 c). 146 IASB/FASB, DP-Conceptual Framework, (siehe Fn. 135), Rn. OB 6 e).
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lokationsfrage gestellt. Eine Offenlegung unter Rücksichtnahme auf das Wettbewerbsverhalten an den Produktmärkten ist hingegen nicht beabsichtigt. Vor dem Hintergrund dieser einseitigen Informationsorientierung sind in den internationalen Rechnungslegungsstandards Schutzklauseln daher so gut wie unbekannt.147 Zwar wird in einigen zentralen Dokumenten148 auf die „Kosten“ der Rechnungslegung hingewiesen und eine Abwägung zwischen cost und benefit149 verlangt. Es ist auch im europäischen wie anglo-amerikanischen Schrifttum allgemeiner Konsens, dass Kosten aus Wettbewerbsschäden als indirekte Kosten zu den Kosten der Rechnungslegung zählen.150 Dennoch erwähnen weder US-GAAP (USGenerally Accepted Accounting Principles) noch IAS/IFRS die grundlegende Wettbewerbsrelevanz von Informationen und daraus folgende Befreiungsmöglichkeiten.151 152 So enthält bspw. weder IAS 28 im Zusammenhang mit der Offenlegung der Beteiligungsunternehmen 153 eine Schutzklausel noch IAS 14 hinsichtlich der Segmentangaben (zu Letzterem noch unten im Detail). Nicht einmal eine allgemeine Staatsschutzklausel, die von den Unternehmensinteressen und von der zugrunde liegenden Grundsatzproblematik völlig unabhängig wäre, ist in den IAS/IFRS oder US-GAAP zu finden.154 Gleichwohl schließen diese 147
Mit diesem Ergebnis auch NIEHUS, DB 2002, 53 (57) und DERS., in: KLEINDIEK/OEHLER, 28 sowie MÜLLER, NZG 2002, 752 (754); hiervon ist auch bereits der deutsche Gesetzgeber in seiner Begründung zum TransPuG ausgegangen (siehe BR-Drs. 109/02, 63 i.V.m. 68 zu Art. 2 Nr. 10). 148 F 44 des aktuellen Rahmenwerks; für das geplante neue Rahmenwerk IASB/FASB, DP-Conceptual Framework, (siehe Fn. 135), Rn. S 15, BC 1.21 und QC 49-51 i.V.m. QC 53-59 und in dem geplanten IFRS-KMU, Abschn. 2.11: „Der aus einer Information abzuleitende Nutzen muss höher sein als die Kosten für die Bereitstellung der Information.“. 149 In empirischen Studien (siehe KUßMAUL/HENKES, BB 2006, 2235, 2238 mit Verweis auf OEHLER, KoR 2006, 19, 28) spiegelt sich zudem die praktische Erfahrung der Unternehmen deutlich wider, dass eine öffentliche Rechnungslegung nach full IAS erst ab einer Mitarbeiterzahl von mehr als 250 und einem höheren Maß an internationaler Aktivität des Unternehmens, d.h. i.d.R. erst bei großen Gesellschaften (i.S.d. § 267 HGB) mehr Nutzen bringt als Kosten verursacht. Kritisch im Gesamturteil auch KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 18; HEINTGES, DB 2006, 1569 (1576); empirisch belegt auch von JERMAKOWICZ/GORNIK-TOMASZEWSKI, JoIAAT 15 (2006), 170 (187 Tab. 8 bei Punkt 8 und 9) sowie O CHS/LEIBFRIED, PiR 2006, 183 (188 Übersicht 13), wo 80,77 % der befragten KMU die Kosten entweder genauso hoch oder gar wesentlich höher als den gezogenen Nutzen einschätzen und LORSON, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 3, 30 f. 150 Sie stellen, Literaturannahmen zu Folge, den größten Kostenfaktor dar (siehe dazu auch die Nachweise bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563, 584 f., dort in Fn. 82 und 83 sowie bei TSAKUMIS/DOUPNIK/SEESE , JoIAA&T 2006, 32, 36 f.). 151 Mit diesem Ergebnis auch NIEHUS, in: KLEINDIEK/OEHLER, 28. 152 Näher dazu noch unten in 3. bei Fn. 196 ff. im Zusammenhang mit der Segmentberichterstattung. 153 I.S.d. Kategorisierung von Verflechtungen nach PORTER sind hier allein die Marktverflechtungen gemeint, vgl. dazu bei WEINMANN, Wertorientiertes Management von Unternehmenszusammenschlüssen, 156. 154 Mit diesem Ergebnis auch SCHÜLEN, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 437 Rn. 2. Lediglich eine individuelle Befreiung durch die SECURITIES EXCHANGE COMMITTEE (SEC) ist in einem solchen Fall denkbar (dazu HANFT/KRETSCHMER, AG 2001, 87).
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internationalen Rechnungslegungswerke nationale Vorschriften zum Schutz von Staatsgeheimnissen in der Rechnungslegung nicht aus155; daher § 286 Abs. 1 HGB (i.V.m. § 325 Abs. 2a S. 3 HGB) für den freiwilligen IAS-Einzelabschluss156.157 3.1.3.1.1.1. Konzeptwidrige Ausnahme: Prozesstaktische Gründe Innerhalb der IAS/IFRS bildet lediglich die Befreiungsmöglichkeit aus prozesstaktischen Gründen gemäß IAS 37.92 eine Ausnahme. Es handelt sich um ein Unikat im Regelwerk der IAS/IFRS. Die Vorschrift entlastet die Unternehmen von detaillierten Pflichtangaben im Anhang über eine einer Rückstellung zugrunde liegende Forderung, über Eventualschulden oder Eventualforderungen aus IAS 37.84 bis 89. Die Befreiung gilt aber allein für den (äußerst seltenen) Fall („extremely rare cases“), dass die Offenlegung die Situation eines Unternehmens als Partei in einem anhängigen Rechtsstreit ernsthaft („seriously“) beeinträchtigt. Sie ist als einzigartige Ausnahmevorschrift eng auszulegen158 und ist an eine Berichtspflicht gekoppelt. Eine Besonderheit im Vergleich zur Berichtspflicht nach HGB ist hier, dass neben dem allgemeinen Charakter des Rechtsstreits auch die Sachgründe dafür, warum von der Befreiung Gebrauch gemacht worden ist, darzulegen sind. Vorrangig vor der Inanspruchnahme dieser Schutzklausel wird (daher) insbesondere empfohlen, Angaben zu mehreren solcher sensibler Verbindlichkeiten zu einer Gruppe von Rückstellungen zu aggregieren und auf diese Weise zu anonymisieren159. Schon auf diesem Weg wird sich in nahezu allen Fällen ein Nachteil aus der Offenlegung für das Unternehmen vermeiden lassen.160 155
Vgl. SCHÜLEN, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 437 Rn. 2. Das Entfallen des Wahlrechts zu einem freiwilligen IAS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a S. 6 HGB für den Fall, dass bei Anwendung des § 286 Abs. 1 HGB bestimmte Pflichtangaben nach IAS/IFRS nicht offen gelegt werden können, darf hierbei aber nach HGB nicht übersehen werden – wie eingangs im Text zu 3.1.3. erwähnt. 157 LÜDENBACH (in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 110b) und HALLER (in: BAETGE/DÖRNER/ KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), IAS 14 Rn. 14) sehen die §§ 93 ff. StGB als solche nationalen Verbotsvorschriften an, die auch gegenüber den IAS/IFRS im Falle verpflichtender IAS/IFRS-Abschlüsse vorrangig sind. Fraglich ist aber, ob der Gesetzgeber diesen Vorrang für Pflicht-IAS-Konzernabschlüsse so gewollt hat. Fehlt in der dafür einschlägigen Norm des § 315a Abs. 1 HGB doch gerade der Verweis auf § 286 Abs. 1 HGB (i.V.m. §§ 93 ff StGB). Es wäre dem Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, vor allem weil er sich im Zusammenhang mit der Regelung des §§ 315a und 325 Abs. 2a HGB der Schutzklauselproblematik im Zusammenhang mit IAS/IFRS offensichtlich bewusst war. Andererseits sind die Unternehmen den Ge- und Verboten der §§ 93 ff. StGB neben den IAS/IFRS ausgesetzt. Eine Rechtfertigung zur Preisgabe von Staatsgeheimnissen kann jedoch nicht allein in der Zustimmung zur Einzelkompetenzübertragung auf die EU und der IAS-VO (Fn. 6) gesehen werden. Zum anderen wäre eine solche Verweisung auch nicht konzeptkonform gewesen, weil auch die Vorschriften zum Konzernabschluss selbst (§§ 290 ff. HGB) nicht auf die Schutzklausel aus § 286 HGB verweisen; es also in § 315a HGB atypisch wäre. 158 Vgl. V. KEITZ/DÖRNER/WOLLMERT/OSER, in: BAETGE/DÖRNER/KLEEKÄMPER/WOLLMERT/ KIRSCH, Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), IAS 37 Rn. 126. 159 Vgl. V. KEITZ/DÖRNER/WOLLMERT/OSER, in: BAETGE/DÖRNER/KLEEKÄMPER/WOLLMERT/ KIRSCH, Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), IAS 37 Rn. 126. 160 So auch die Einschätzung von ERNSTING/V. KEITZ, DB 1998, 2477 (2484). 156
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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Wendet man die voranstehenden Überlegungen zur Regelungspraxis und Analyse der Schutzklauseln des HGB auf diese Schutzklausel an, ist diese (einzige) Befreiungsmöglichkeit im gesamten Regelwerk der IAS/IFRS nicht effizient ausgestaltet. Indem die Unternehmen mit ihrer Berichtspflicht implizit ein Prozessrisiko eingestehen und damit mehr als beredt schweigen, ist der Schutzzweck der Regelung verloren. Nur die Höhe der prognostizierten Verbindlichkeit bleibt noch geheim. Selbst der Vorschlag, die Angaben über die Sachgründe stark zu beschränken, wie es v. Keitz/Dörner/Wollmert/Oser fordern161, unterbindet nicht, dass diese Gesellschaft durch das Wissen ihrer Gegenpartei um ein erhebliches Prozessrisiko der offenlegungspflichtigen Partei einem erheblichen Verhandlungsrisiko ausgesetzt wird. 3.1.3.1.1.2. Konzeptwidrige Ausnahme: Budgets und Prognosen Eine weitere leichte Einschränkung der vollen Transparenz in den IAS/IFRS findet sich in IAS 1.121. Danach werden Gesellschaften generell davon befreit162, im Anhang Angaben zu „Budgets163 oder Prognosen“ im Zusammenhang mit den „wichtigsten zukunftsbezogenen Annahmen“ sowie den „Angaben über die sonstigen am Stichtag wesentlichen Quellen von Schätzungsunsicherheiten“ (im Sinne des IAS 1.116164) zu machen. Die wirklich sensiblen Entscheidungsgrundlagen und die für den Adressaten für seine Des- bzw. Investitionsentscheidung am interessantesten, weil unmittelbar zukunftsgerichteten Entscheidungsgrundlagen des Managements bleiben damit geheim. Darüber hinaus können bspw. für den Nutzungswert des ansatzpflichtigen Geschäfts- und Firmenwertes (sog. goodwill) Angaben über die künftig zu erwartenden Erträge und Aufwendungen (also äußerst unsichere Unternehmensdaten) unterbleiben. Auch der (unsichere) Bereich der Angaben zum Werthaltigkeitstest wird damit von der „konkretisierenden“ Erläuterungspflicht im Anhang befreit. Mit dem Werthaltigkeitstest wird die Bewertung von fair value bewerteten Finanzinstrumenten und i.d.S. in Bewertungseinheiten (sog. Zahlungsmittel generierenden Einheiten) neubewertetem Sachanlagevermögen (meist) jährlich überprüft und gegebenenfalls außerplanmäßig abgeschrieben (sog. impairment) (sog. impairment test nach IAS 36.90) (dazu noch näher unten165). Indem es sich bei einer solchen Bewertungseinheit um die kleinste identifizierbare Gruppe 161
In: BAETGE/DÖRNER/KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), IAS 37 Rn. 126. Ohne konnotative Wertung auch RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 48. 162 D.h. Angaben können gänzlich unterbleiben. LÜDENBACH ist hingegen der Auffassung, es würden dann verallgemeinerte Angaben an dessen Statt treten (in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 57). Diese Schlussfolgerung rechtfertigt der Wortlaut der Ausnahmevorschrift allerdings nicht. 163 So die geläufige Übersetzung. LÜDENBACH übersetzt „budgets“ mit Unternehmensplanungen (siehe DENS., in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 68). 164 Gemeint sind zahlenmäßig zu quantifizierende Schlüsselprämissen (key assumptions) und Hauptrisikofaktoren (estimation uncertainties) der Einschätzungsspielräume eines Unternehmens, wenn sie auf die nächsten 12 Monate gesehen ein signifikantes Anpassungsrisiko in sich bergen. Siehe zu den Offenlegungspflichten der Schlüsselannahmen gemäß IAS 1.116 ff. bei TEITLER, IRZ 2006, 179 ff. 165 In 3.1.3.3.
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von Vermögenswerten handelt, die Mittelzuflüsse erzeugen (IAS 36.6), würde die offenlegungspflichtige Gesellschaft bei den Angaben zu diesem Werthaltigkeitstest unternehmensinterne Prognosen über die künftig (vermutete) Ertragskraft dieser kleinsten Unternehmenseinheit geben und damit nahezu Plandaten offen legen. Angesichts der Unsicherheit bei den beiden letztgenannten Angaben wären diese für den Anleger oder Fremdkapitalgeber ohnehin nicht entscheidungstauglich und damit nicht entscheidungserheblich. Für Wettbewerber, Zulieferer und Abnehmer sind diese Basisdaten hingegen von hohem Interesse. Obwohl nur die Unsicherheit und damit die fehlende Verlässlichkeit166 Grund für die Befreiung ist, werden die offenlegungspflichtigen Unternehmen mit Hilfe von IAS 1.121 also de facto auch vor nicht unerheblichen Wettbewerbs- oder Verhandlungsnachteilen geschützt. Angesichts dieser Sensibilität der Daten wird die Offenlegungspflicht nach IAS 1.116, soweit sie nicht durch die Befreiung nach IAS 1.121 mit Blick auf Budgets und Prognosen des Unternehmens eingeschränkt ist, in der Praxis stets unterlaufen.167 D.h. umgekehrt auch, den positiven Effekt der Befreiung von Angaben zu Budgets und Prognosen nutzen die nach IAS/IFRS Rechnung legenden Gesellschaften wo immer möglich bewusst zur Abwehr von Wettbewerbsschäden168; gleichwohl entgegen dem eigentlichen bilanzrechtlichen Beweggrund der Vorschrift. Insofern kann man diese Ausnahmevorschrift nach IAS 1.121 durchaus als implizite Schutzklausel begreifen.169 Im Ergebnis muss eine solche Ausübung von Beurteilungsspielräumen von Prognosen daher (nach § 321 Abs. 2 S. 4 HGB) nur gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Abschlussprüfer näher erläutert werden. Die sensiblen Daten werden damit nur den Adressaten des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers – und faktisch häufig auch den Hausbanken – offen gelegt. Lüdenbach/Hoffmann empfinden dies als Diskriminierung der Anteilseigner, die weder politisch noch kapitalmarkttheoretisch zu rechtfertigen sei.170 Das berechtigte Interesse der Unternehmen spricht eine andere Sprache, so dass dem wie auch der zweckwidrigen Verwendung der Beurteilungsspielräume der Mangel anderer Abhilfemöglichkeiten zugute gehalten werden muss.
166
Vgl. gerade zur unüberprüfbaren Manövriermasse im Rahmen des alljährlichen impairment test in der Unternehmenspraxis bei WEBER, Handelsblatt v. 22.11.2004, 12. 167 So i.E. auch LÜDENBACH, in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 89. 168 Vgl. die Ergebnisse einer Umfrage in der deutschen Industrie von ERNST & YOUNG gemeinsam mit dem BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE (BDI), dort Abb. 20 mittlere Frage, 31 BDI-Drs. 369, unter http://www.bdi-online.de/Dokumente/BroschuereRechnungslegung_im_ Umbruch.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). 169 So für IAS 1.121 i.E. auch LÜDENBACH, in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 89, 110c und 126 a.E. 170 So HOFFMANN/LÜDENBACH, DB 2003, 781 ff. Nach LÜDENBACH müsste eine präzise, informationsgetragene, nicht aber überbordende Erläuterung der Ausübung der Beurteilungsspielräume im Anhang zur Pflicht gemacht werden, die auch jeweils einen Vergleichwert liefert, der auf einer einseitig vorsichtigen Bewertung fußt (so DERS., in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 105).
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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Bei diesen beiden Ausnahmen aus prozesstaktischen Gründen und bei Budgets und Prognosen geht es, wie gesehen, lediglich um punktuelle Ausnahmen und geringfügige Beschränkungen der Anhangangaben. Das gesamte Zahlenwerk der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung wie auch der Segmentbericht werden in den IAS/ IFRS hingegen nicht von wettbewerbsschädlichen Angaben entlastet. So bestätigen diese einzigen beiden Ausnahmen letztlich nur den Gesamteindruck des Großen Ganzen, dass die IAS/IFRS nach der Vorstellung und dem gedanklichen Konzept ihrer Verfasser nicht auf Schutzbedürfnisse der Unternehmen ausgerichtet sind. Eine Abwägung zwischen den Informationsinteressen Außenstehender und den Schutzinteressen der offenlegungspflichtigen Unternehmen findet nicht statt. Vielmehr zollen die IAS/IFRS dem obersten (und einzigen) Ziel Tribut, die Abschlussadressaten mit allen (vermeintlich) wirtschaftlich entscheidungserheblichen Informationen zu versorgen (sog. decision usefulness, F 12; i.V.m. dem Wesentlichkeitsgrundsatz (sog. materiality-Grundsatz aus par. 12 Vorwort i.V.m. F 29 f.)).171 Nur so könne gegenüber den Adressaten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Unternehmenslage vermittelt werden. Eine true and fair presentation im Sinne des Grundsatzes wirtschaftlicher Bilanzierung (sog. substance over form) nach F 46 a.F. und IAS 1.13 ff. i. V. m. F 35 (auch als sog. Einblicksgebot bezeichnet) sei anders nicht zu gewährleisten.172 Eine allgemeine Schutzklausel, die im Wege der Rechtsfortbildung bei erheblichen Nachteilen stets eingreift, würde diesem Willen der Standardsetter widersprechen und wäre damit dogmatisch de lege lata für einen IAS/IFRS-Abschluss von vornherein nicht begründbar. 3.1.3.1.1.3. Der Segmentbericht: Aufgliederung der Umsatzerlöse Für die einseitige Betonung dieser finanz- und vermögensmäßigen Transparenz von Unternehmen ist der sensibelste Bereich für den Geheimnisschutz, nämlich die Aufgliederung der Daten nach Segmenten nach IAS 14, herausgehoben anzusprechen – zumal sie (wie schon zur Rechnungslegung nach HGB gesehen), empfindliches Schädigungspotential in sich trägt und für die Rentabilitätsinteressen der Anleger nicht entscheidungserheblich ist. IAS 14 betrifft den Segmentbericht von kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (IAS 14.3). Eine Befreiungsmöglichkeit
171
Siehe auch in Fn. 134. In der Sache auch COENENBERG, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 857 und diesem folgend auch KLEEKÄMPER/KNORR/SOMES/BISCHOF/DOLECZIK, in: BAETGE/DÖRNER/KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), IAS 1 Rn. 14; vgl. dazu auch bei KÜMMEL, Grundsätze für die Fair Value-Ermittlung mit Barwertkalkülen, 44 f. samt Graphik. Grundlagentheoretisch die neue institutionenökonomische Sichtweise bei DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 7 ff., insbesondere 33 ff. sowie DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, 343 f. zur ökonomischen Analyse der Normgebung, v.a. bzgl. sinkender Transaktionskosten. 172 So KLEEKÄMPER/KNORR/SOMES/BISCHOF/DOLECZIK, in: BAETGE/DÖRNER/KLEEKÄMPER/ WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), IAS 1 Rn. 14.
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von der Segmentberichterstattung enthält IAS 14 nicht, auch nicht für kleine und mittelgroße Gesellschaften. Die Einleitung zu IAS 14, die die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des IAS 14 zusammenfasst, lässt deutlich eine kontinuierliche Ausweitung der auszuweisenden Einzelangaben erkennen; über eine Verringerung wurde nicht nachgedacht, umso weniger über Schutzklauseln. Nach IAS 14.35 i.V.m. IAS 14.50 ff. hat eine Gesellschaft aufgegliedert nach Geschäftsbereichen (i.S.d. IAS 14.9 S. 2 i.V.m. IAS 14.31)173 und geographischen Märkten (i.S.d. IAS 14.9 S. 3 i.V.m. IAS 14.31) – bzw. nach dem ab 1.1.2009 verpflichtenden IFRS 8174 zuvörderst nach operativen Segmenten175 – den Segmenterlös, das Segmentvermögen und die Segmentschulden sowie die Sachanlagen und die immateriellen Vermögenswerte samt ihren gesonderten Abschreibungen eines jeden Segments anzugeben176. Zusätzlich wird empfohlen, auch den Kapitalfluss im Segment (den sog. Segment-Cashflow) jeweils mit auszuweisen177. Die Angaben sind (bis auf letztere) verpflichtend, wenn in dem Segment 10 % oder mehr des Gesamterlöses, des Gesamtergebnisses oder der gesamten Vermögenswerte erzielt werden (IAS 14.69 bzw. IAS 14.70 ff.). Gegebenenfalls sind auch Angaben zu der Art der angebotenen 173
Allgemein ist ein Segment eine isolierbare Unternehmenseinheit innerhalb einer diversifizierten Wirtschaftseinheit, i.d.R. eines Konzerns. So u.a. HAAKER/PAARZ, KoR 2005, 194 (195) m.w.N. dort in Fn. 12, bei DENS. auf 196 f. auch zum Zusammenspiel, zur logischen Verknüpfung von Segmentabgrenzung und der Bestimmung einer Bewertungseinheit (einer sog. cash generating unit (CGU); dazu noch unten im Text bei 3.1.3.3.; mit Beispiel auf 198 f.; auf 197 auch zu den Angabepflichten im Einzelnen; dazu auch DIßARS, INF 2005, 835 (838 f.) – dort auch zu DRS 3 und IAS 14. 174 Übernommen (endorst) durch Verordnung (EG) Nr. 1358/2007 der Kommission vom 22.11.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den International Financial Reporting Standard (IFRS) 8, ABl. L 304/9. Die Änderung des bislang bestehenden IAS 14 zur Segmentberichterstattung in dem neuen IFRS 8 ist Teil des Konvergenzprojektes mit den US-GAAP und übernimmt materiell-rechtlich 1:1 die Regelung des US-amerikanischen SFAS 131 (vgl. dazu bei ALVAREZ/BÜTTNER, KoR 2006, 307, 309 und FINK/ULBRICH, KoR 2006, 233, 235 sowie MÜLLER/PESKES, BB 2006, 819, 821 ff. und nur als Teil einer allgemeinen Auflistung zum Konvergenzprojekt nachzulesen bei CAIRNS, Accountancy July 2006, 93 sowie KOBISCH/HUNDT/NEITZ, PiR 2007, 345, 346). 175 Legaldefinition in IFRS 8.5 (entsprechend dem vorausgegangenen Entwurf Exposure Draft ED 8.4, siehe diesen unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/285C0612-D703-405E-B6754D9F7D03645E/0/ED8_Standard.pdf (mit Stand vom 13.5.2008)) bzw. legaldefiniert in SFAS 131.10. Danach sind nur noch diejenigen isolierbaren Unternehmenseinheiten ein Segment i.d.S., wenn ein unmittelbarer Außenertrag oder –aufwand zu verzeichnen ist (vgl. dazu bei ALVAREZ/BÜTTNER, KoR 2006, 307, 309 sowie implizit MÜLLER/PESKES, BB 2006, 819, eingangs der 822). Abgestellt würde i.S.d. SFAS 131 auf den management approach und nicht mehr wie bislang auf einen risk and reward approach – bzw. den management approach with a risks and rewards safety net – des IAS 14. 176 Zu den mit IFRS 8.22 – 8.24 ab 1.1.2009 weitergehenden, mit SFAS 131 übereinstimmenden Pflichtangaben (Überleitungsrechnungen, Angaben zu unternehmerischen Organisationsgrundlagen der Segmentaufteilung, Arten von Produkten und Dienstleistungen usw.) vgl. zum vorausgegangenen und inhaltlich insoweit identisch umgesetzten Entwurf ED 8.21 – 8.23 bei ALVAREZ/BÜTTNER, KoR 2006, 307 (314 f. und dort in der Übersicht auf 317) sowie bei M ÜLLER/PESKES, BB 2006, 819 (821 ff.) und dort auch in der Tab. 2 auf 821. 177 IAS 14.62. Dies entspricht der Regelung des DRS 3.36.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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Produkte oder Dienstleistungen zu machen, wenn dies nicht schon andernorts im Abschluss geschehen ist (IAS 14.81). Anders als nach HGB sind Segmente, deren Umsätze überwiegend auf internen Leistungsbeziehungen im Konzern beruhen, nicht angabepflichtig.178 Solche Segmente können mit anderen berichtspflichtigen Segmenten zusammengefasst werden oder als nicht zuordenbarer Überleitungsposten (sog. unallocated reconciling items) gesondert ausgewiesen werden. Die Aufgliederung der Abschlussdaten nach Segmenten (nach dem sog. disaggregation approach179) soll es dem kodifizierten Ziel der Vorschrift zufolge den Adressaten ermöglichen, die Ertragslage, die Chancen und Risiken und damit die wirtschaftliche Situation samt den Zukunftsaussichten eines multinationalen und diversifizierten Unternehmens als Ganzem besser beurteilen zu können.180 Durch eine aggregierte Form der Daten im Jahresabschluss selbst sei eine solche Gesamtbeurteilung nicht gewährleistet. IAS 14 enthält anders als Art. 45 Abs. 2 der Bilanz-RiL und Art. 35 Abs. 2 der Konzernbilanz-RiL und anders als § 286 Abs. 2 HGB (und § 314 Abs. 2 HGB a.F.) keine Befreiungsmöglichkeit, auch nicht wenn erhebliche Nachteile drohen. Problematisch ist dies vor allem hinsichtlich der Angaben zum Kapitalfluss im Segment, die letztlich nicht nur die Liquidität und damit die Stabilität des Unternehmens, sondern auch Produktkalkulationen preisgeben. Mit den Produktkalkulationen werden neben wesentlichen internen Steuerungsstrukturen entscheidende interne Steuerungsgrößen des Unternehmens181 offen gelegt. Wie sensibel daher insbesondere diese Angaben des Kapitalflusses im Segment (sog. Segment-Cashflow) und die Umsatzrendite je Segment und dessen Beteiligungsergebnis für einen Wettbewerbsschaden auf dem Produktmarkt sind, macht die Umfrageauswertung von Langguth/Engelmann182 deutlich. Danach halten fast alle, selbst die Dax-Unternehmen diese Angaben regelmäßig geheim. Offenlegungspflicht hin oder her. Doch selbst wenn ein Unternehmen von der Angabe zum Kapitalfluss im Segment absieht, lässt sich dieser Kapitalfluss ohne Weiteres herauslesen aus den (zwingenden) Angaben zu den Zugängen im Anlagevermögen (gemäß IAS 14.57), den Abschreibungen je Segment (nach IAS 14.58) sowie aus den Angaben zu nicht zahlungswirksamen Aufwendungen im Segment.183 178
Im Umkehrschluss zu IAS 14.69, IAS 14.70 ff. und IAS 14.75. Der Disaggregationsansatz legt die Informationen aufgeschlüsselt offen; dabei stellt er die zentralen Bereiche in einen nachvollziehbaren Zusammenhang zu den Informationen, die das Unternehmen bzw. den Konzern betreffen, – anders der sog. autonomous entity approach, der das einzelne Segment als rechtlich selbständiges und unabhängig operierendes Unternehmen begreifen will und daher u.a. Synergieeffekte zwischen den einzelnen Segmenten eliminiert und demzufolge zwar zu detaillierten, aber lediglich geschätzten, hypothetischen Werten führt (vgl. dazu bei FINK/ULBRICH, KoR 2006, 233, 235). 180 So die Zielsetzung zu IAS 14. Dieser Einschätzung der Standardsetter folgend auch HALLER, in: BAETGE/DÖRNER/KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach Internationalen Accounting Standards, Teil B, IAS 14 Rn. 1 mit Verweis auf IAS 14 Objective; AICPA, Improving Business Reporting, 1994, 68; DRS 3.2 und SFAS 131.3. 181 So auch MÜLLER/PESKES, ZCG 2006, 33 (37). 182 DB 2005, 621 (628 Abb. 8). Zu selbigem Ergebnis kommt die empirische Studie von TSAKUMIS/DOUPNIK/SEESE für den US-amerikanischen Raum zu dem inhaltsgleichen (dazu oben Fn. 174 sowie Fn. 176) SFAS 131 (siehe JoIAA&T 2006, 32 ff.). 183 Vgl. FREIBERG, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 3 Rn. 141 a.E. 179
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Mit dem ab 1.1.2009 verpflichtenden IFRS 8, der den bisherigen IAS 14 ablöst, wird der personelle Anwendungsbereich für die Segmentberichterstattung neben den kapitalmarktorientierten Gesellschaften noch zusätzlich ausgeweitet184. Mit der Neudefinition der Segmentabgrenzung – nach operativen Einheiten – wird u.U. auch die Segmentierung verfeinert und damit die preiszugebende Menge an Daten zusätzlich ausgeweitet185. Praktische Folge dessen wird einer Umfrage zu Folge186 voraussichtlich sein, dass 75 % der Unternehmen ihre Segmente anders aufstellen werden – bei 85 % hieraus ist dies veranlasst durch die IAS/IFRS-Offenlegungsregelung. Dies entspricht der parallelen Entwicklung zu dem Entwurf des neuen, konvergenten Rahmenkonzepts. Es soll die Grundlage dafür schaffen, für Unternehmen künftig prinzipiell nicht mehr nur die Jahresabschlussberichterstattung, sondern vielmehr eine umfassende Finanzberichterstattung zur Pflicht zu machen. Ein solcher Ansatz einer gleichsam schrankenlosen Offenlegungspflicht widerspricht jedoch der wissenschaftlichen Analyse und der daraus eingangs abgeleiteten Prämisse, dass Anleger immer noch die Jahresabschlussberichterstattung als die fast alleinige und letztlich ausschlaggebende Informationsgrundlage für ihre Des- bzw. Investitionsentscheidung sehen 187. Die geplante Herangehensweise ist damit nicht nur für die Anleger unnütz und informationsökonomisch ineffizient, sie verfehlt damit mit Blick auf die Wettbewerbsrisiken auch eine Informationsgestaltung von Qualität und Güte. Bilanzanalytisch, also für die Informationsaufbereitung für die Anleger und Fremdkapitalgeber auf dem Finanzmarkt geben (schon bzw. selbst) die Segmentangaben, genau wie auch die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach HGB (wie oben gesehen), nur wenig her. U. a. wegen fehlender Angaben zu segmentspezifischem Aufwand und Ertrag und der nur empfohlenen und damit de facto unterbleibenden Kapitalflussrechnung im Segment können keine kapital- und vermögensbasierten Rentabilitätskennzahlen188 gebildet und damit keine handfesten und keine für den Investitionserfolg stichhaltigen Auswertungen der Ertragskraft und keine Beurteilung einer (in-/)effizienten Mittelverwendung im Unternehmen vorgenommen wer-
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Siehe IFRS 8.2 a) und b) und dem vorausgegangen Entwurf ED 8.2 a) und b) (Fn. 175). Vgl. dazu bei FINK/ULBRICH, KoR 2006, 233 (235 f.). 185 Siehe dazu FINK/ULBRICH, KoR 2006, 233 (241). 186 Siehe anlässlich und zum vorausgehenden Entwurf Exposure Draft ED 8 (Fn. 175) bei DILKS, Accountancy June 2006, 78 (79) laut einer Umfrage von PwC – dabei fehlen in vorstehendem Artikel Angaben zum personellen Umfrageprofil, so dass dieses Ergebnis wissenschaftlich nicht zu weiteren Schlussfolgerungen dienen kann. 187 Dazu oben bei Fn. 25 und in Fn. 27 und i.d.S. daher auch ablehnend das BRITISCHE ACCOUNTING STANDARDS BOARD (ASB) gegenüber dem weiten Berichtsansatz von IASB und FASB in deren gemeinsamen Entwurf (nachzulesen bei SINGLETON-GREEN, Accountancy October 2006, 81). 188 Bspw. Umsatz-, Kapitalrendite (sog. Return on Investment (ROI)), EBITRentabilität, die Zinsdeckungsquote und der Return on Core Equity bzw. – auch bezeichnet als – der Return on Capital Employed (ROCE)), dazu auch unten in Fn. 261) usw. Siehe KIRSCH, BB 2004, 261 (265 f.) und DERS., BBB 2005, 87 (87 ff.) = DERS., UM 2005, 229 (229 ff.). Allgemeiner und auf der Grundlage einer empirischen Studie belegen HOPE/THOMAS/WINTERBOTHAM die mangelnde Entscheidungserheblichkeit speziell von Angaben zu geografischen Segmenten (nach SFAS 131) für Anleger (siehe JoAA&F 2006, 323, 326 und 342 f.)
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
331
den, wie sie den Anleger interessieren würden. Darüber hinaus können die Angaben nach IAS 14 wegen der weiten Beurteilungsspielräume, der überbordenden Wahlrechte und der nicht verlässlichen Bewertung zum (meist hypothetischen) Marktwert nach fair value (zu diesem Punkt noch unten) vielfach höchstens in „gefühlte“ Aussagen umgemünzt werden189. Im Ergebnis sind die Angaben damit für Anleger und Fremdkapitalgeber vielfach nicht entscheidungstauglich und damit nicht entscheidungserheblich.190 Sie sind aber ein günstiger Angriffspunkt für Wettbewerber, Zulieferer und Abnehmer auf dem Produktmarkt. Die aus bestimmten Angaben zum Segment nachkonstruierbaren Daten zum Kapitalfluss im Segment geben die Investitions- und Finanzierungstätigkeit des Unternehmens preis und legen so tiefgehend dessen Liquiditätssituation offen 191. Wettbewerber blicken dadurch ein in die Lage um die gegenwärtige und künftige Stabilität des Unternehmens.192 Doch mehr noch: Aus den einzelnen Segmentangaben samt den gesonderten Abschreibungen je Segment und den Grundlagen für die Verrechnungspreisbildung193 können die Konkurrenten eines mittelständischen Unternehmens im Grunde Einzelprodukt bezogen auf dessen Produktionskalkulation rückschließen. Gewinnmargen können daneben aus dem Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit (dem sog. operativen Cashflow) abgelesen werden. Die Offenlegung und Auswertbarkeit der Segmentberichterstattung kommt also einer Offenlegung von Plandaten auf dem Produktmarkt gefährlich nahe. Dies macht gezielte (u. a.) preisgestalterische Wettbewerbsmaßnahmen für Konkurrenten einfach194. Daher fürchten die offenlegungspflichtigen Gesellschaften allen empirischen Studien aus diesem Bereich zufolge195 189
Ähnlich auch DEILMANN, BB 2006, 2347 (2348). Dazu auch Punkt 4.1.4.2.1. mit Abb. 13 und Punkt 4.1.4.2.4. mit Abb. 22 im Vergleich zu Punkt 4.1.4.3.1. mit Abb. 23 der Umfrageauswertung von LINK, in diesem Buch, S. 529 (541 f.), (552 ff.) und (554) zu der Frage der Bewertung der Offenlegung aus defensiver und aggressiver Sicht. 190 Dies bedeutet: So sehr sich die IAS/IFRS nach ihrem selbstgesteckten Ziel an den Bedürfnissen der Abschlussverwender, d.h. den Abschlussadressaten ausrichten wollen (siehe vor allem der neue IFRS 8.1 und 8.20, sog. „user-needs“), so sehr verfehlen sie dieses Ziel. 191 Ist bspw. der Cashflow aus Investitionstätigkeit negativ und gleichzeitig der Cashflow aus Finanzierungstätigkeit sehr hoch, deutet dies zum einen auf erhebliche Verkäufe aus dem Anlagevermögen und zum anderen auf eine hohe Finanzmittelaufnahme und damit erhebliche Liquiditätsengpässe hin. (Vgl. zu dieser sog. „Vorzeichenanalyse“ PEEMÖLLER, Bilanzanalyse und Bilanzpolitik, 355 a.E.). 192 Mit diesem Ergebnis auch KÜTING/WEBER, Die Bilanzanalyse, 189. 193 Vgl. GOEBEL, DStR 1995, 1037 (1038). 194 Damit ist der Segmentbericht für KMU (eingeschlossen Mittelständler) wettbewerbsschädigend (so auch schon KÜFFNER/HOCK, BFuP 1998, 57, 69; vgl. HALLER, in: BAETGE/DÖRNER/ KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach Internationalen Accounting Standards, Teil B, IAS 14 Rn. 12 f., 9). 195 Vgl. die Studien bei EDWARDS/SMITH, British Accounting Review, 1996, 155-172; und MÖCKLI, Schweizer Treuhänder 1997, 275 (276) und bei PEJIC, Segmentberichterstattung im externen Jahresabschluss, 64 sowie nachzulesen im Umfrageergebnis der empirischen Studie von MEYER/SCHILL/BÜTLER, Der Schweizer Treuhänder 2004, 1097 (1104 mit Abb. 7): mit besonders niedrigen Werten bei der Frage der Verbesserung der Wettbewerbsposition der Schweizer Unternehmen durch eine Rechnungslegung nach IAS/IFRS; mit selbigem Ergebnis zu dem inhaltsgleichen (dazu oben Fn. 174 sowie Fn. 176) SFAS 131 die empirische Studie bei TSAKUMIS/DOUPNIK/SEESE , JoIAA&T 2006, 32 ff. m.w.N., insbesondere (36 f.).
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seit jeher und zunehmend die Segmentberichterstattung nach IAS 14 und die sich daraus ergebenden Gefahren und Wettbewerbsschäden. Demgegenüber und entgegen dieser Erfahrung in der Praxis wird im Schrifttum zuweilen vorgetragen, die offene Segmentberichterstattung baue keine Wettbewerbsverzerrungen auf, sondern beseitige sie. Die Veröffentlichung von disaggregierten Daten von diversifizierten Unternehmen stelle lediglich in etwa den Zustand her, dem undiversifizierte Unternehmen ohnehin mit der Offenlegung ihres Jahresabschlusses ausgesetzt seien. Die Vergleichbarkeit von Abschlüssen würde dadurch gefördert, was einem gesunden Wettbewerb zugute käme. Eine ungesunde Wettbewerbsverzerrung könne daraus nicht erwachsen, weil die Angaben im Segmentbericht in ihrem Informationsgehalt im Vergleich zu den Jahresabschlüssen nicht diversifizierter Unternehmen sogar zurückblieben, so dass der Segmentbericht nur eine Annäherung an deren Offenlegungsniveau darstellte. Die Sorge der Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen und Wettbewerbsschäden sei daher unbegründet. Die Angaben im Segmentbericht seien aufgrund ihrer Inhalte auch nicht geeignet, die Wettbewerbssituation eines diversifizierten Unternehmens negativ zu beeinflussen. Die Wettbewerbssituation werde grundsätzlich durch seine Erfolgspotentiale, d.h. seine Wettbewerbsvorteile in den einzelnen Wertschöpfungsstufen bestimmt, über die im Segmentbericht keine Angaben zu machen sind. Allein die direkten und potentiellen indirekten196 Kosten könnten in der Regel kein Argument sein für eine Befreiung von der Segmentberichterstattung. IAS 14 enthalte hierfür keine Anhaltspunkte. Zum anderen herrsche internationaler Konsens darüber, dass die direkten und indirekten Kosten der Segmentberichterstellung grundsätzlich geringer seien als der durch die Disaggregation erzielte Nutzen.197 Dies komme auch in dem nationalen DRS 3 (Deutscher Rechnungslegungsstandard 3198) zur Segmentberichterstattung zum Ausdruck, der diesen Kostenaspekt ebenfalls nicht erwähnt. Abgesehen davon könne sich auch nur in ganz seltenen Ausnahmefällen eine Befreiung von IAS 14 aus dem tragenden Grundsatz der cost/benefit balance (F 44 bzw. QC 49-51 i.V.m. QC 53-59)199 ergeben; nämlich nur dann, wenn die Beschaffung der für den Segmentbericht erforderlichen Daten nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand200 und einer wesentlichen Verzögerung der Offenlegung des Abschlusses zu bewerkstelligen sei, weil dann das die Anleger und Fremdkapitalge196
Gemeint sind solche aus Wettbewerbsschäden entstehenden Kosten. So OECD, Segmented Financial Information, Tz. 27; AICPA (Hrsg.), Improving Business Reporting: A Customer Focus, 73; BERNARDS, Segmentberichterstattung diversifizierter Unternehmen, 72 ff.; PEJIC, Segmentberichterstattung im externen Jahresabschluss, 62 ff.; FEY/ MUJKANOVIC, DBW 1999, 261 (262). 198 Vgl. dazu oben in Fn. 58. 199 Näheres zu diesem Grundsatz aus dem Framework F 44 a.F. bei SCHÖLLHORN/MÜLLER, DStR 2004, 1623 (1627) und zu QC 49-51 i.V.m. QC 53-59 n.F. KAMPMANN/SCHWEDLER, KoR 2006, 521 (529), der normierungstechnisch sowie materiellrechtlich unverändert geblieben ist. 200 Dies ist nicht explizit kodifiziert, wird aber als Ausfluss des allgemeinen cost-benefit Grundsatzes (F 44; vgl. dazu die Erwähnungen in den Dokumenten in Fn. 148) uneingeschränkt als zulässig anerkannt (siehe dazu auch FISCHER/KLÖPFER, KoR 2006, 709, 715 m.w.N. dort in Fn. 52). 197
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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ber schützende und damit das konzeptionell entscheidendere Prinzip der timeliness (aus F 43 bzw. nun QC 15) der Informationsgewährung ebenso nicht erfüllt würde.201 Diese Argumentationsreihe übersieht allerdings schon im Eingang, dass auch das Einproduktunternehmen und das Monomarktunternehmen mit den geforderten Angaben sensible Daten preisgeben und dadurch dem predatory pricing auf dem Produktmarkt ausgesetzt sind. Richtigerweise muss daher gefragt werden, ob nicht vielmehr sowohl das Einsegmentunternehmen als auch das Multisegmentunternehmen von sensiblen Angabepflichten befreit werden müssen. Ob die Mehr-Information einen tatsächlichen Mehr-Nutzen bringt, wird selbst in der volkswirtschaftlichen Diskussion angezweifelt (siehe dazu unten im Beitrag von Schön, in Kapitel 4.2.). 3.1.3.1.2. IFRS-KMU (IAS/IFRS für kleine und mittlere Unternehmen) Die IAS/IFRS-Bilanz ist auf eine reine Informationsbilanz ausgerichtet. Dies wird auch für kleine und mittlere Unternehmen nach dem aktuellen Projekt „IAS light“ oder IFRS-KMU202 genannt, also dem Entwurf eines gesonderten IFRS ausschließlich für kleine und mittlere Unternehmen so bleiben. Dabei sieht das IASB den wesentlichen Unterschied zwischen den regulären (sog. full) IFRS und dem IFRSKMU in der Breite des Adressatenkreises. Während die gewöhnlichen IFRS für „Mehrzweckabschlüsse“ geeignet sind, welche (wie gesehen) „dem allgemeinen Informationsbedarf zahlreicher Adressaten, wie bspw. Anteilseignern, Gläubigern, Arbeitnehmern und der breiten Öffentlichkeit“203 dienen, werden Abschlüsse von KMU „oft nur für die in der Geschäftsführung tätigen Eigentümer, für steuerliche oder für andere, nicht auf die Registrierung von Wertpapieren abzielende Zwecke“204 aufgestellt. Der IFRS-KMU ist daher im Entwurf des IASB darauf angelegt, diesem eingegrenzten Adressatenkreis die für ihn nützlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Damit wird insbesondere die „Allgemeinheit“ i. S. der gesamten Öffentlichkeit (nebst Zulieferern oder Abnehmern und Konkurrenten) ausgeblendet. Die maßgebliche Grenzziehung zwischen regulären (sog. full) IAS/ IFRS und dem IAS/IFRS für kleine und mittlere Unternehmen soll daher das Fehlen einer „öffentlichen Rechenschaftspflicht“ i. S. einer Offenlegung des Abschlusses für eine Wertpapieraufsicht oder eine andere Regulierungsstelle für
201
So HALLER, in: BAETGE/DÖRNER/KLEEKÄMPER/WOLLMERT/KIRSCH, Rechnungslegung nach Internationalen Accounting Standards, IAS 14, Rn. 12 und 13 mit Verweis auf HALLER/PARK, ZfbF 1994, 499, 503; MÖCKLI, Schweizer Treuhänder 1997, 277; BÖCKING, in: DÖRNER/ MENOLD/PFITZER, Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 532 f. und COENENBERG, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 772. 202 Projekt „Accounting for Small and Medium-sized Entities“. IASB, Exposure Draft of a proposed IFRS for Small and Medium-sized Entities, (ED), 2007, unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/DFF3CB5E-7C89-4D0B-AB85-BC099E84470 F/0/SMEProposed26095.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). 203 IASB, ED IFRS-SME, (siehe Fn. 202), Vorwort V 7. 204 IASB, ED IFRS-SME, (siehe Fn. 202), Vorwort V 11.
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Emittenten sein205. Das IASB spricht daher bereits im Diskussionspapier mitunter statt von Small and Medium-sized Entities (SME) von Non Publicity Accountable Entities (sog. NPAE)206 und meint diese auch im inoffiziellen Entwurf (sog. Staff Draft, SD)207. Dabei gehen die Entwurfverfasser allerdings mit keinem Wort auf die in der Europäischen Gemeinschaft regelmäßig bestehende Situation ein, dass auch nicht-kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (und gleichgestellte Personengesellschaften) ihre Abschlüsse für die Allgemeinheit zum Handelsregister hinterlegen, d.h. offen legen müssen. Auch missachten sie die Wettbewerbsproblematik für kleine und mittlere Unternehmen, die für diese aus dieser Lage resultiert. Vielmehr wird den KMU selbst nach dem Entwurf für IFRS-KMU eine volle Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung, mit Eigenkapitalspiegel und Kapitalflussrechnung samt Anhang abverlangt (nach deutschem Recht tritt noch der Lagebericht hinzu). Auch Anteile an beteiligten Unternehmen sind anzugeben208, ebenso sind Forschungs- und Entwicklungskosten abzugrenzen209. Bemerkenswert ist lediglich, dass ein Unternehmen, welches den IFRS-KMU anwendet, keine Angaben über operative Segmente zu machen haben wird210. Weitere explizite Erleichterungen im Hinblick auf den Geheimnisschutz von Unternehmen bestehen jedoch nicht. Man muss den Eindruck gewinnen, dass die Verfasser des Entwurfs des IFRS-KMU sich mit der zugrunde liegenden Thematik und Grundproblematik überhaupt nicht auseinandergesetzt haben. Möglicherweise bzw. wahrscheinlich angesichts der Vorstellung, dass die von ihnen angesprochenen Fälle der Offenlegung von Finanzdaten nur einem kleinen Kreis an Personen preisgegeben würden, die dem Unternehmen ohnehin nahe sind und damit wohlgesonnen sind. Die Realität in Europa ist aber (wie eingangs geschildert) eine andere: sämtliche Kapitalge-
205
IASB, ED IFRS-SME, (siehe Fn. 202), Abschn. 1.1. D.h. die Zulassung zum öffentlichen Handel. Durch das alternative qualitative Kriterium, nämlich die treuhänderische Verwaltung von Vermögenswerten für einen breiten Anlegerkreis (fiduciary capacity), wird der personelle Anwendungsbereich jedoch nicht mehr hinreichend bestimmt oder bestimmbar (so zuvor auch das Urteil von ZABEL/CAIRNS, KoR 2005, 207, 210); so werden sich endlose Streitigkeiten bereits um das „Ob“ der Offenlegung nach IFRS-KMU ranken. Noch unbestimmter war hier das Diskussionspapier: Genannt war dort bspw. (1) ein in hohem Maße bestehendes Interesse von nicht geschäftsführenden Investoren oder anderer Personen (stakeholder), die in besonderem Umfang auf die externe Rechnungslegung und die damit verbundenen Informationen angewiesen sind (DP-SME Rn. 28a) (entsprechend australischem Vorbild) oder (2) eine besondere, d.h. wesentliche Verantwortung des Unternehmens für die öffentliche Versorgung (DP-SME Rn. 28b); (siehe IASB, Discussion Paper: Preliminary Views on Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities, v. Juni 2004, unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/40DFAE7D3B5F-4764-AF05-0E2F025 2F7E7/0/DPonSMEs.pdf (mit Stand vom 13.5.2008)). 206 IASB, DP-SME, (siehe Fn. 205 a.E.), v. Juni 2004, Issue 3, Rn. 20 ff, insbesondere Rn. 36 f., 20, insbesondere 24 f. 207 Preliminary Staff Draft v. Januar 2006, Tz. 3.1 und Staff Draft ED, v. 4.8.2006, Tz. 1.1-1.3, 7 auch wenn dort formell von SME gesprochen wird, denn inhaltlich werden NPAE beschrieben (zum Erlasszeitpunkt 2006 jeweils abrufbar gewesen unter www.iasb.org). 208 IASB, ED IFRS-SME, (siehe Fn. 202), Abschn. 13. 209 IASB, ED IFRS-SME, (siehe Fn. 202), Abschn. 17.14 ff. 210 IASB, ED IFRS-SME, (siehe Fn. 202), Abschn. 31.1.
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sellschaften (und ihnen gleichgestellte Personengesellschaften) müssen den Jahresabschluss allen interessierten Personen öffnen.
3.1.3.2. Die (geringfügigen) Befreiungen in der nationalen Umsetzung der IAS/IFRS durch den deutschen Gesetzgeber 3.1.3.2.1. Für den Konzernabschluss: Beteiligungsangaben Im Rahmen der nationalen Umsetzung der internationalen Rechnungslegung gewährt der deutsche Gesetzgeber den Unternehmen für den IAS-Konzernabschluss nach § 315a Abs. 1 und Abs. 3 HGB (wie eingangs zur Analyse der IAS/ IFRS kurz angedeutet) die Schutzklausel aus § 313 Abs. 3 HGB; allerdings ausgenommen der kapitalmarktorientierten Gesellschaften (§ 313 Abs. 3 S. 3 HGB). Problematisch sind die Rechtsfolgen bei einer Anwendung dieser Schutzklausel, je nachdem ob es sich um einen verpflichtenden Abschluss nach § 315a Abs. 1 oder einen freiwilligen Abschluss nach § 315a Abs. 3 HGB handelt und ob freiwillige oder Pflichtangaben nach IAS/IFRS betroffen sind. Führt die Schutzklausel zur Nichtoffenlegung von freiwilligen IAS/IFRS-Angaben, ist dies ipso iure unschädlich. Es entsteht weiterhin ein vollständiger IAS/IFRS-Abschluss. Sind IAS-Pflichtangaben betroffen, wirft dies Fragen auf, wie zu verfahren ist: Eine explizite gesetzliche Regelung für diesen Fall fehlt. Anders als bei § 325 Abs. 2a HGB, der dem Unternehmen in solch einem Fall über seinen S. 6 das Wahlrecht zu einem IAS-Einzelabschluss wieder nimmt und das Unternehmen auf einen Abschluss nach HGB (dann auch bspw. i.V.m. der Schutzklauselanwendung aus § 286 Abs. 1 HGB) verweist. Bei einem verpflichtenden IAS-Konzernabschluss nach § 315a Abs. 1 HGB hat das Unternehmen von vornherein keine solche Wahl in der Abschlussaufstellung, d.h. es kann ihm auch kein Wahlrecht genommen werden. Der Gesetzgeber nimmt mit der Formulierung des Gesetzeswortlautes auch hin, dass es in solch einem Fall punktuell zu „Einzelstaaten-IAS“ kommen kann. Denn möchte der Gesetzgeber gewährleisten, dass alle Pflichtangaben nach IAS/ IFRS ausnahmslos gemacht werden, schreibt er gesetzessystematisch üblich vor, dass die internationalen Rechnungslegungsstandards „vollständig zu befolgen“ sind (so bspw. der Wortlaut in § 325 Abs. 2a S. 2 HGB). Ein solcher Zusatz fehlt jedoch in Abs. 1 des § 315a HGB. Dies hat zur Folge, dass der Gesetzgeber die Anwendung der Schutzklauseln, auf die verwiesen wird, bei Pflichtangaben, wie dem IAS 28 für die Beteiligungsliste, immer und für die Aufstellungsvorschriften grundsätzlich folgenlos eröffnet. In dieser Konstellation ist i.S.d. § 313 Abs. 3 S. 2 HGB die Anwendung der Schutzklausel mitzuteilen und die nach IAS 1.14 vorgeschriebene compliance-Erklärung im Anhang entsprechend einzuschränken. Bei einem freiwilligen IAS-Konzernabschluss nach § 315a Abs. 3 HGB sind die Rechtsfolgen auf den ersten Blick ebenso wenig klar, weil nicht explizit gesetzlich geregelt. Gesetzlich formuliert ist jedoch, dass die (internationalen Rechnungslegungs-)„Standards und diese Vorschriften (gemeint sind die modifizierenden HGBZusatzvorschriften, die zusätzlich anwendbar bleiben sollen) vollständig zu befolgen“ sind. Fraglich ist, was im Fall der i.d.S. modifizierenden Schutzklausel aus § 313 Abs. 3 HGB, als Vorschrift in diesem Sinne, nun vorrangig „vollständig zu
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befolgen“ ist – die Pflichtoffenlegung nach IAS 28 oder die mögliche Schutzklauselanwendung aus § 313 Abs. 3 HGB. Auch wenn sich hierzu keine explizite Stellungnahme des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien findet, muss die Antwort eindeutig zu Gunsten der internationalen Rechnungslegungsstandards ausfallen. Die Schutzklausel nach § 313 Abs. 3 HGB ist bloße Ermessensvorschrift („brauchen nicht“), die kein „Muss“ festlegt, d.h. die man, um mit den Worten des Gesetzes zu sprechen, nicht „befolgen“ kann i.S.d. § 315a Abs. 3 S. 2 HGB. Demzufolge ist eine Pflichtangabe nach IAS/IFRS vorrangig einzuhalten. In der Schlussfolgerung heißt dies, dass das Wahlrecht zu einem freiwilligen IAS-Konzernabschluss nach § 315a Abs. 3 HGB entfällt.211 Auch wenn diese Rechtsfolge für einen Verstoß anders als in § 325 Abs. 2a S. 6 HGB in § 315a Abs. 3 HGB nicht explizit geregelt ist, muss hier dasselbe gelten wie dort: Das ergibt sich dogmatisch aus dem allgemeinen Grundsatz, dass es diesbezüglich die Gesetzgebungshoheit der EU zu respektieren und kontraproduktive Einzelstaaten-IAS zu vermeiden gilt, wo sie nicht zwingend und unvermeidlich sind – damit gilt es sie eben bei einem solchen freiwilligen IAS-Einzelabschluss zu vermeiden. Vor allem muss vermieden werden, dass ein nicht vollständig den IAS/IFRS entsprechender freiwilliger Abschluss Surrogat für eine HGB-Pflichtoffenlegung wird; wie hier bei einem Mutterunternehmen i.S.d. § 315a Abs. 3 HGB. Eine zusätzliche Regelung in § 325 HGB für die Offenlegung eines solchen freiwilligen IAS-Konzernabschlusses war nicht erforderlich, weil schon nicht offen gelegt werden kann, was (wie gerade hergeleitet) nicht aufgestellt werden darf. Man könnte zudem gesetzessystematisch und pragmatisch zugleich weiter argumentieren: Wenn das Unternehmen aus Eigeninteressen heraus eine Schutzklausel nach § 313 Abs. 3 HGB in Anspruch nimmt – denen der Natur der Sache nach weniger Berücksichtigung gebührt als Staatsinteressen (gemäß § 286 Abs. 1 i.V.m. § 325 Abs. 2a S. 6 HGB) – muss das Wahlrecht erst Recht entfallen. Hier muss der Rechtsgedanke, den die Gesetzesväter bei § 325 Abs. 2a S. 6 HGB geäußert haben, nämlich der anzuerkennende Schutz der Staatsinteressen zu einem „Erst-Recht-Umkehrschluss“ herangezogen werden und die beiden Grundsätze der Vollständigkeit einer Pflichtveröffentlichung – hier des Konzernabschlusses – sowie die Konzepttreue zu den IAS/IFRS – die den Unternehmensinteressen noch weit weniger Rechnung zollen als den Staatsinteressen – müssen erst Recht gelten.212 Daher muss das Wahlrecht in dieser Konstellation entfallen. Das Unternehmen hat noch einen Ausweg, nämlich den Weg des HGB-Abschlusses. 3.1.3.2.2. Für den IAS-Einzelabschluss: Beteiligungsangaben Anderes muss für eine Anwendung des § 286 Abs. 3 i.V.m. § 325 Abs. 2a S. 3 HGB bei einem freiwilligen IAS-Einzelabschluss gelten. § 325 Abs. 2a S. 6 HGB sieht ausdrücklich nur für den Fall des § 286 Abs. 1 HGB vor, dass das Wahlrecht ent211
I.E. so auch LÜDENBACH, in: DERS./HOFFMANN (Hrsg.), IFRS, § 5 Rn. 110b und für beide Abschlüsse (den freiwilligen IAS-Einzelabschluss und den freiwilligen IAS-Konzernabschluss) dies feststellend FEY/DEUBERT, KoR 2006, 92 (93) und (97). 212 Mit diesem Gedanken zuvor auch schon LÜDENBACH, der dies für die von ihm nicht präferierte Meinung vorträgt (in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 110c).
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fällt, nicht jedoch für den Fall des § 286 Abs. 3 HGB. Der Gesetzgeber hat die beiden bewusst unterschiedlich gehandhabt, nachdem er § 286 Abs. 1 und 3 HGB in S. 3 des § 325 Abs. 2a HGB noch in einem Atemzug nennt, in S. 6 hingegen nur ersteren behandelt. Dies ist konzeptionell zu begründen: Denn bei § 325 Abs. 2a S. 3 HGB handelt es sich um gewollte Rechtsgrundverweisungen, die demzufolge allein auf die nach demselben S. 3 des § 325 Abs. 2a HGB und damit allein auf die nach HGB zu machenden (modifizierenden) Zusatzangaben aus § 285 S. 1 Nr. 11 und 11 a HGB anwendbar sind (sein sollen213) und die daher auch keine rechtfolgenverweisende Ausweitung der Schutzklauseln auf sonstige Zusatzangaben oder gar auf vergleichbar sensible Angaben aus dem substituierenden IAS/IFRSAbschluss214 zulassen. D.h. umgekehrt die Inanspruchnahme der Schutzklausel aus § 286 Abs. 3 HGB hindert die Wahl eines befreienden freiwilligen IAS-Einzelabschlusses nicht, da es sich rein um Ausnahmen von deutschen Zusatzangaben handelt215, die den IAS/IFRS-Abschluss als solchen in seiner internationalen Vollständigkeit, wie sie § 325 Abs. 2a S. 2 HGB mit der gesetzestypischen Formulierung („Standards vollständig zu befolgen“) verlangt, und damit auch in seiner internationalen Vergleichbarkeit nicht tangieren. Damit handelt es sich auch um vom deutschen Gesetzgeber konzeptgetreu zugelassene Befreiungen. Hieran wird sich auch mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) nichts ändern. Es hätte sich hieran auch nichts geändert, selbst wenn dessen § 264e HGB-RefE über das Stadium des Referentenentwurfs hinaus beibehalten worden wäre: 3.1.3.2.3. Für den IAS-Jahresabschluss (nur nach RefE-BilMoG): Beteiligungsangaben Wie bei dem (derzeit möglichen) IAS-Einzelabschluss hätte auch bei dem mit dem Referentenentwurf zum BilMoG geplanten und im Regierungsentwurf bereits wieder gestrichenen IAS-Jahresabschluss die Wahl selbst bei Inanspruchnahme der Schutzklausel weiterhin offen stehen müssen. Der deutsche Gesetzgeber hätte den Unternehmen für einen künftigen IAS-Jahresabschluss nach § 264e S. 3 HGB-RefE die Schutzklausel aus § 286 Abs. 3 HGB gewährt. Eine Regelung zu dem Fall, dass eine Anwendung der Schutzklausel eine IAS/IFRS-Pflichtangabe beträfe, hätte gefehlt; wie bei (dem derzeit geltenden) § 325 Abs. 2a HGB mit Blick auf die Schutzklausel aus § 286 Abs. 3 HGB für die Beteiligungsangaben. Auch hier hätte es sich bei den Verweisungen in § 264e S. 3 HGB-RefE mit demselben Argumentationshintergrund um gewollte Rechtsgrundverweisungen gehandelt, die demzufolge allein auf die nach demselben S. 3 des § 264e S. 3 HGB-RefE und damit allein auf die nach HGB zu machenden Zusatzangaben aus § 285 S. 1 Nr. 11 und 213
So auch der historische Wille des Gesetzgebers zum BilReG (siehe die Begründung zum BilReG, BR-Drs. 326/04, v. 30.4.2004, 99 Mitte und 100 oben (zu Art. 1 Nr. 29 a) (§ 325 HGB)), indem der Gesetzgeber dort ausdrücklich nur die deutschen HGB-Zusatzangaben auflistet und inhaltlich – d.h. auf ihre Tatbestandsvoraussetzungen – verweist, indem er benennt, welche Vorschriften diese aus der Bilanz-RiL inhaltlich umsetzen. 214 Diesen Gedanken andeutend zuvor auch FEY/DEUBERT, KoR 2006, 92 (97). 215 So auch bereits FEY/DEUBERT, KoR 2006, 92 (97).
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11 a HGB anwendbar gewesen wären (hätten sein sollen216). Daher wäre es auch hier nicht zu einer rechtsfolgenverweisenden Ausweitung der Schutzklausel auf sonstige Zusatzangaben oder gar auf vergleichbar sensible Angaben aus dem substituierenden IAS/IFRS-Abschluss gekommen. D.h. umgekehrt, die Inanspruchnahme der Schutzklauseln aus § 286 Abs. 3 HGB hätte die Wahl eines freiwilligen IASJahresabschlusses nicht gehindert, da es sich rein um Ausnahmen von deutschen Zusatzangaben gehandelt hätte, die den IAS/IFRS-Abschluss als solchen in seiner internationalen Informationsvollständigkeit und damit auch in seiner internationalen Vergleichbarkeit nicht tangiert hätten; was der Gesetzgeber auch hier in § 264e S. 2 HGB-RefE, wie gesetzessystematisch üblich217, mit der Formulierung vorgeschrieben hat, dass die internationalen Rechnungslegungsstandards „vollständig zu befolgen“ sind. Auch der allgemeine Grundsatz, dass es diesbezüglich die Gesetzgebungshoheit der EU zu respektieren und es kontraproduktive „EinzelstaatenIAS“ zu vermeiden gilt, wäre auf diesem Weg nicht berührt worden. Gleichzeitig wäre mit dieser Auslegung des § 264e S. 3 HGB auch hier vermieden worden, dass ein nicht vollständig den IAS/IFRS entsprechender freiwilliger Abschluss Surrogat für eine HGB-Pflichtoffenlegung wird. Darüber hinaus kann diese Auslegung auch auf einen Umkehrschluss zur Vorgängervorschrift des § 264e HGB-RefE gestützt werden, nämlich zu § 325 Abs. 2a HGB. Dieser führt nach richtiger Gesetzesauslegung seines S. 6 (wie im vorigen Absatz besprochen) nur ausnahmsweise (nämlich nur für § 286 Abs. 1 HGB), weil insoweit ausdrücklich besonders angeordnet, zu einem Wegfall des Wahlrechts. Mit dem Streichen des § 264e HGB-RefE im Regierungsentwurf bleibt es nun bei dem Wahlrecht zum (modifizierten) IAS-Einzelabschluss allein zu Offenlegungszwecken gemäß § 325 Abs. 2a S. 1 i.V.m. S. 3 HGB. 3.1.3.2.4. Allgemeine Schutzklausel im Wege der Rechtsfortbildung? Eine allgemeine Schutzklausel, die de lege lata bei erheblichen Nachteilen stets eingreift, ist für einen IAS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB ebenso unbegründbar wie für einen IAS-Konzernabschluss nach § 315a Abs. 1 oder 3 HGB. Nachdem der deutsche Gesetzgeber in § 315a Abs. 1 und § 325 Abs. 2a HGB ausdrücklich geregelt hat, welche Schutzklauseln anwendbar bleiben sollen und welche nicht, fehlt es für eine solche Gesamtanalogie dogmatisch an einer planwidrigen Lücke. Mit dem Konzept eines IAS/IFRS-Abschlusses als reinen Informationsabschluss würde es überdies an einer vergleichbaren, vom Gesetzgeber in diesem (unternehmensschützenden Geheimhaltungs-)Sinne gewünschten Rechts- und Interessenlage fehlen.
216
So hier auch der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers zum Referentenentwurf (siehe die Begründung dazu (Fn. 14), zu Art. 1 Nr. 17 (§ 264e HGB-RefE Spiegelstr. 7), 129 oben). 217 Die Anlehnung der Formulierung an den Gesetzestext des § 325 Abs. 2a S. 2 HGB macht die Begründung zum Referentenentwurf deutlich (siehe a.a.O. (Fn. 14), 127).
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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3.1.3.3. Die bilanzpolitische Nutzung von Beurteilungsspielräumen, Wahlrechten und Ermessensregeln Während die IAS/IFRS (bis auf die beiden Ausnahmen) keine explizite Befreiungsmöglichkeit für Unternehmen mit Rücksicht auf den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bieten, lassen sich faktisch vielfältige verdeckte218 (sog. unechte219) Wahlrechte, Beurteilungsspielräume (vor allem hinsichtlich Planungen und Prognosen220) und Ermessensspielräume nutzen, um den Informationsgrad eines IAS/IFRS-Abschlusses zu verringern und Fakten zu verschleiern. So fehlt es bereits an einer verbindlichen Gliederung für die Gewinn- und Verlustrechnung. Zwar sollte mit dem Reformvorhaben Reporting Comprehensive Income aus dem Jahre 2003 eine solche Gliederung in IAS 1 festgelegt werden, doch haben selbst die dort vorgeschlagenen fünf Gliederungsebenen keine objektiv trennscharfe und nachprüfbare Abgrenzbarkeit gezeigt221. In den weiteren Reformschritten, mittlerweile unter dem Titel Financial Statements Presentation Project, ist das IASB derzeit wieder ganz von seinem ursprünglichen Ziel, einer verbindlichen Gliederung abgekommen222. Neben diesen Freiräumen in der formellen Darstellung eines IAS/IFRS-Abschlusses bestehen unzählige Spielräume zur Sachverhaltsgestaltung und zur inhaltlichen und damit materiellen Gestaltung von Ansatz und Bewertung. Materiell beispielhaft ist die Regelung der Forschungs- und Entwicklungskosten in IAS 38.54 ff. Während Forschungskosten nicht aktiviert werden dürfen (IAS 38.54), sind Entwicklungskosten (soweit sie zu einem greifbaren Vermögenswert führen werden (IAS 38.57223 i.V.m. IAS 38.8)) als Aktivum auszuweisen. Hier bestehen erhebliche – letztlich nicht objektiv nachprüfbare – Trennungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten224 und damit 218
So KIRSCH, StuB 2003, 241 und KÜTING, DB 2006, 2753 (2755) i.V.m. (2757 f.). TANSKI will sie als offene Regelungen bezeichnen oder als Wahlrechte i.w.S. (DERS., DStR 2004, 1843); dieser auch mit einer grafischen Übersicht dazu auf 1844. 219 So LÜDENBACH/HOFFMANN, in: DIES., IFRS, § 1 Rn. 47. 220 In der Literatur werden sie meist unter der Überschrift Ermessenspielräume erörtert; richtigerweise handelt es sich meist, statt um rechtsfolgenseitige um tatbestandsseitige Spielräume und damit um sog. Beurteilungsspielräume. (Siehe dazu auch eingangs in diesem Beitrag bei 3.1.2.1.) 221 Vgl. KIRSCH, RWZ 2006, 17 (19 f.) und (22). 222 Es werden zwei Gliederungsalternativen vorgeschlagen – eine als vom IASB bevorzugte –; beide lassen trennscharfe Abgrenzungskriterien der Gliederungsebenen jedoch weiterhin vermissen. Siehe Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 1 Presentation of Financial Statements: A Revised Presentation (ED IAS 1), v. September 2007, Rn. 81 und Rn. 82-84, unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/BDD7DFE3-59D4-478B-B3AD-F18B9924ECDA/0/ EDAmdmtstoIAS1.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). 223 Alle sechs Kriterien lassen sich im Wesentlichen vom Unternehmen selbst steuern. 224 Vgl. HOFFMANN, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 13 Rn. 43, 535 sowie THEILE, StuB 2003, 957 (960) und BURGER/ULBRICH/KNOBLAUCH, KoR 2006, 729 (732 ff.) hinsichtlich des tatsächlichen Überlappens von Forschungs- und Entwicklungsphase (nach IAS 38.58 S. 2 und) in der Praxis als bilanzpolitisch besonders geeigneten Aspekt und mit Blick auf den nicht zuordenbaren Bereich der angewandten Forschung (samt Graphik auf 730 Abb. 1). ZWIRNER/BOECKER/REUTER, KoR 2004, 217 (224) weisen bspw. auf die drei unterschiedlichen Methoden hin, wie allein schon der Grad der Fertigstellung vom Management bestimmt werden kann, und auf die Abhängigkeit der Bilanzierung je nach Vertragstyp.
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eine – nicht nachprüfbare – Einschätzungsprärogative seitens der Geschäftsleitung der Gesellschaft225. Ein anschauliches Beispiel hierfür präsentiert Engel-Ciric, das eine Entscheidungsspanne von einer völligen Nichtaktivierung bis hin zu einer Aktivierung des gesamten Aufwands in Höhe von 1,2 Mio. € ermöglicht226. Angesprochen sind von diesem faktischen Wahlrecht insbesondere Wachstumsunternehmen. Mit den Entwicklungskosten in unmittelbarem Zusammenhang steht die Aktivierung227, Bewertung und Neubewertung selbstgeschaffener immaterieller Vermögenswerte (sog. intangible assets) (nach IAS 38.51 ff.) zum (tatsächlichen oder einem hypothetischen) Marktpreis (dem sog. fair value228). Sie bilden eine der
225
Man kann hier von einem faktischen Ansatzwahlrecht für Entwicklungsaufwendungen sprechen. So auch RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 35. Auch KÜTING/ WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 12 sprechen hier von einem faktischen Wahlrecht. BURGER/ULBRICH/KNOBLAUCH, KoR 2006, 729 (734) wollen mit Blick auf ihre engere Definition eines faktischen Wahlrechts – i.S. eines bloßen Verfahrensspielraums – bei der Formulierung „Ermessensspielraum“ bleiben. ENGEL-CIRIC spricht hier auch von einer sog. bloßen Scheinobjektivierung, so DERS., DStR 2002, 780 (781); diesem folgend auch LITTKEMANN/SCHULTE/KRAFT, StuB 2005, 333 (334) m.w.V. dort in Fn. 10. 226 Vgl. das Beispiel bei ENGEL-CIRIC, DStR 2002, 780 (781) und rezipiert von RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 35. Die technische und wirtschaftliche Dimension dieser Einschätzungsprärogative sind dargestellt bei MEYER/MEISENBACHER, DStR 2004, 567 (570) auch mit Grafik (aus KIRSCH, StuB 2003, 241, 242 = KIRSCH, BB 2003, 1111, 1112 dort auch mit inhaltlichen Erläuterungen) und Rechenbeispielen, die die Abweichungen von +/- 100 % zeigen. Allgemein dazu auch KÜTING/DAWO, StuB 2002, 1157 (1161 f.); HEUSER/THEILE, IASHandbuch, Rn. 293 ff. und w.N. bei THEILE, StuB 2003, 957 (960 dort in Fn. 20). 227 Die einzelnen Tatbestandsmerkmale eines aktivierungsfähigen und -pflichtigen immateriellen Vermögensgegenstandes im Einzelnen erläuternd KÜTING/DAWO, StuB 2002, 1157 (1159 ff.); u.a. ist zu differenzieren nach extern beschafften und selbst geschaffenen Werten. 228 Der fair value wird als der Wert legaldefiniert, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Vertragspartnern ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte (IAS 39.9, entsprechend dem US-amerikanischen Concepts Statement No. 7 (SFAC 7)); hieran ändert auch das Reformkonzept „Fair Value Measurements“ (entsprechend dem US-amerikanischen WD SFAS 15x, nun SFAS 157.5) des IASB im Grunde nichts – betont wird dort nur die Unabhängigkeit der Vertragspartner, um neutral (entsprechend SFAS 15x.11, nun SFAS 157.11) ausgehandelte Marktpreise zu gewährleisten (siehe das zugehörige Diskussionspapier, Teil 1 und 2 unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/6C8AF291-EB14-4034-84F1-54305F72024D/0/DDFairValue.pdf sowie http://www.iasb. org/NR/rdonlyres/5D20E453-26D3-4E0A-AB08-FC391917FD89/0/DDFairValue2.pdf (mit Stand vom 13.5.2008)); vgl. dazu bei LÜDENBACH/FREIBERG, KoR 2006, 437, 439). Vgl. zur Herleitung der Definition auch bei BLAUFUS, Fair Value Accounting, 7 ff., insbesondere dort Rn. 22 und 27 sowie bei HITZ, Rechnungslegung zum fair value, S.57 f. m.w.N. Vgl. Erläuterungen zum fair value auch bei den Nachweisen bei KÜTING/REUTER, BB 2005, 706 (707) dort in Fn. 12; bei KÜMMEL, Grundsätze für die Fair Value-Ermittlung mit Barwertkalkülen, 27 f.; bei DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 115 f. sowie bei HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 82 f. Zu der Bewertung im Fall illiquider Märkte besonders FREIBERG, PiR 2007, 361 ff. Vgl. auch zu dem Modell der „dreistufigen Ermittlungshierarchie“, die sich bei einer Bewertung nach fair value ergeben kann, in der folgenden Fn. 229.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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Hauptgestaltungsmöglichkeiten der IAS/IFRS 229, die (gleichfalls) nicht230 objektiv nachprüfbar sind. Sie spiegeln eine rein unternehmensinterne Sichtweise des Bilanzansatzes wider. Auf diese Weise bieten sie trotz der vollen Kenntnis des Unternehmers und Bilanzierers über seine künftige Planung und seine Marktmaßnahmen doch eben nur eine beschränkte, weil rein subjektive Sichtweise des Erfolgspotentials des Unternehmens und daher keine wirkliche (objektivierte und damit verlässliche) Auskunft über individuelle Wettbewerbsvorteile, wie sie sich in
229
Eine fair value-Bewertung bringt Entscheidungsspielraum in bis zu drei aufeinander folgenden Entscheidungsebenen mit sich, so dass es automatisch zu einer nicht unerheblichen (Schätz-) Bandbreite kommt. Ob sich der Abschluss letztlich aus Werten an der Ober- oder an der Untergrenze dieses Korridors bewegt, also eher den best oder den worst case vor Augen hat, erfährt der Abschlussadressat nicht. D.h. nicht selten werden die Abschlussadressaten über eine schon von Gesetzes wegen weit von den realen Verhältnissen entfernte Vermögens-, Finanzund Ertragslage eines Unternehmens informiert. Vgl. dazu auch KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 7f. und die w.N. bei HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 86 dort in Fn. 464 unter dem Stichwort der „dreistufigen Ermittlungshierarchie“, dort auf 95 auch mit einem Schaubild über die Grobstruktur des dreistufigen Modells oder kurz bei DEMS., WPg 2005, 1013 (1015 f.). Siehe statt Vieler das Beispiel subjektiv unterschiedlicher Analysteneinschätzungen zum fair value und damit zum unweigerlichen Entstehen einer solchen Bandbreite bei TANSKI/ ZERETZKE, DStR 2006, 53 (57); dort auch der Verweis auf das Zitat aus der Zeitschrift The Economist, v. 30.7.2005, 59: „Even with the best will in the world, estimates can be wildly off the mark.“. Daher bezeichnen KÜTING/REUTER den fair value auch als den „Spielball der Bilanzpolitik“ (BB 2005, 706, 712); ähnlich auch GROENEVELD: „[…] financial statements are more a result of policy than a factor informing policy.“ (so titelt DERS., in: LANGENDIJK/ SWAGERMAN/VERHOOG, Is Fair Value Fair?, 265 und in der Synopse von VERHOOG, ebenda, 5, 24 f. über GROENEVELD); FREISLEBEN/LEIBFRIED sprechen von „Cookbook-Accounting“ (KoR 2004, 101); RAYMAN titelt sogar „Fair value or false accounting?“(Accountancy, Okt 2004, 82 ff.). 230 So auch statt Vieler bspw. KÜMMEL speziell für den regelmäßig heranzuziehenden Schätzwert, insbesondere in der Form des sog. Barwerts, bei der Bestimmung des fair value (Grundsätze für die fair value-Ermittlung mit Barwertkalkülen, 92 bis 95), für die Zahlungsströme als Einflussfaktoren mit Tabelle a.a.O. auf 167 ff., und 209 bis 216 und eigener differenzierter Stellungnahme auf 256 ff., insbesondere 258; diesem folgend auch LIENAU/ZÜLCH, KoR 2006, 319 (326 und 329); genauso in Bezug auf den Barwert HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 241, der dort auch von allenfalls plausibilisierten soft facts spricht; und DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 187 f., der für die einzelnen Stufen des fair value-Modells differenziert, auf 211, 217 und 218; so auch in aller Kürze HITZ, WPg 2005, 1013 (1025); allgemein m.w.N. auch BREKER, in: FREIDANK, Reform der Rechnungslegung und Corporate Governance in Deutschland und Europa, 1, 12 dort bei Fn. 32. Siehe als Beleg aus der Praxis die Auswertung einer empirischen Studie von GU/WANG, JoBFA 2005, 1673 (1676 ff.) sowie den durch Externe i.d.R. nicht beantwortbaren Analysekatalog von GEBHARDT/V. LEOPRECHTING, BB 2006, 192. TANSKI, DStR 2004, 1843 (1845); KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 12 ordnen den Ansatz immaterieller Vermögenswerte gleichwohl den korrigierbaren Maßnahmen zu, weil der Adressat das Ergebnis, nämlich die tatsächliche Aktivierung, sehen und damit – durch Kürzung des Eigenkapitals in gleicher Höhe – korrigieren könne; dass dies dann aber zu weiteren Verzerrungen führt und im Übrigen nicht der Philosophie reiner Transparenz der IAS/IFRS entspricht, übersehen KÜTING/WOHLGEMUTH.
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immateriellen Vermögenswerten, wie insbesondere dem Goodwill niederschlagen würden231. In den USA, wo auch die US-GAAP auf einem fair value-Accounting basieren, sind am Finanzmarkt in Folge dessen individualvertragliche Zusatzvereinbarungen (sog. covenants) zwischen den Unternehmen und den Investoren bzw. Kreditgebern über zusätzliche Informationen, denen eine Bewertung nach Anschaffungs- und Herstellungskosten zugrunde liegt und die damit objektiv nachprüfbar und verlässlich sind, üblich geworden.232 Mit dem Entwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) will der deutsche Gesetzgeber jene Bewertung zum beizulegenden Zeitwert in einem ersten Schritt im deutschen Bilanzrecht zulassen233, indem bestimmte Finanzinstrumente zum Zeitwert oberhalb der Anschaffungskosten bewertet werden können sollen (§ 253 Abs. 1 S. 3 und 4 HGB-RefE bzw. § 253 Abs. 1 S. 3 bis 5 HGB-RegE i.V.m. § 255 Abs. 4 HGBRefE bzw. -RegE). Mit ein weiterer entscheidender Faktor nicht nachprüfbarer Bilanzierung nach IAS/IFSR ist die Aushöhlung der Einzelbewertung234 durch die Bewertung nach Zahlungsmittel generierenden Einheiten (ZGE; sog. cash generating unit (CGU)), die, wie schon gesehen, wesentlich auf Planungen und Prognosen und damit einem Beurteilungsspielraum zum Ertragsverhalten einer solchen Einheit (nach IAS 36.6) basiert. Insofern kann ein Unternehmen eine solche Bewertungseinheit zum einen selbst definieren und abgrenzen (so implizit IAS 36.65 ff.) und damit Risiken kom-
231
Vgl. HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 251. Vgl. VATER, UM 2003, 141 (144). 233 Siehe die Begründung zum Referentenentwurf (Fn. 14), zu Art. 1 Nr. 10 (§ 253 Abs. 1 S. 3 HGB-RefE), 106 sowie die Begründung zum Regierungsentwurf (Fn. 15), zu selbiger Vorschrift, 117. Grundlage ist Art. 42a Abs. 1 der Bilanz-RiL (Fn. 2) in der Fassung der Richtlinie 2001/65/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.9.2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, (sog. Fair Value-RiL), ABl. L 283/28. Bedenkenswert ist, dass eine solche Bewertung anhand des beizulegenden Zeitwertes schon 1861 als „gemeiner Wert“ Bestandteil des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) war; nach den Bilanzskandalen von 1884 wurde diese Bewertung durch die heute noch (!) geltende Bewertung nach Anschaffungs- und Herstellungskosten gemäß § 255 HGB ersetzt (vgl. dazu BÖCKING/LOPATTA/RAUSCH, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 83, 97 f.; BALLWIESER/KÜTING/SCHILDBACH, BFuP 2004, 529, 530 sowie SCHULZE -OSTERLOH, ZIP 2004, 1128, 1136 m.w.N. dort in Fn. 112 und zu den Bilanzskandalen und dem damaligen Gründungsschwindel nach 1881 die Nachweise dort Fn. 3; ebenso skeptisch auch BAETGE, in: DERS., Übergang der Rechnungslegung vom HGB zu den IFRS, 83, 92). 234 So auch KÜTING/HAYN M., BB 2006, 1211 (1211 und 1214 ff.) und zuvor bereits u.a. KÜTING/ REUTER, BB 2005, 706 (712) m.w.N.; STREIM/BIEKER/ESSER, in: FS Wagner, 229 (233) und diesen folgend auch HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 128 f. Fast schon euphemistisch spricht KÜTING angesichts dessen an anderer Stelle von einem „Substituieren“ des Einzelbewertungsgrundsatzes durch den Gesamtbewertungsgrundsatz (vgl. DENS., DB 2006, 1441, 1449). 232
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pensieren und die bereichsbezogene Unternehmensbewertung beeinflussen235 236, zum anderen kann es damit auch spätere Abschreibungen im Werthaltigkeitstest im Voraus steuern237. Überdies fehlt es bei einem solchen späteren Werthaltigkeitstest an einem vordefinierten fixen Bewertungsanlass, so dass das Unternehmen Anlass und Intervall („im Jahreszyklus zu einem beliebigen Zeitpunkt“ („at any time“)) eigenmächtig steuern kann und darüber hinaus für jede der einzelnen Goodwill tragenden Zahlungsmittel generierenden Einheiten unterschiedlich festlegen kann (IAS 36.96). Beispielhaft sei hier der Fall von Kirsch238, der eine Entscheidungsspanne von 100 % eröffnet. Wie sich Planungen auf den Ausweis von Informationen im Jahresabschluss auswirken können, macht ein Blick auf den risk and reward approach (bzw. wie Müller/Peskes239 ihn nennen, den management approach with a risks and rewards safety net)240 im Segmentbericht (nach IAS 14.26) deutlich. Mehr noch, in dem 235
Vgl. HAAKER/PAARZ, KoR 2005, 194 (196) m.w.N. dort in Fn. 49. Bezugsgröße ist der Gesamtwert einer bestimmten Bewertungseinheit, einer sog. cash generating unit (CGU), weil der Nutzungswert (sog. value in use, als ein Weg, den Marktwert (fair value) zu bestimmen) zumeist für einen einzelnen Vermögenswert allein nicht zu ermitteln ist (so auch LIENAU/ ZÜLCH, KoR 2006, 319, 320). Man gibt damit den Einzelbewertungsgrundsatz auf. Damit fehlt dem Test ab dem ersten Folgetest eine Richtgröße, wie sie bei der Erstbewertung eines angeschafften Vermögenswertes der Kaufpreis ist. 236 Ein erster gefährlicher Schritt in diese Richtung ist der geplante § 254 HGB-RefE bzw. -RegE zum BilMoG (Fn. 14 und Fn. 15), wonach der Einzelbewertungsgrundsatz eingeschränkt wird und Bewertungseinheiten nun nach gewissen (jedoch nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum eröffnenden) Vorgaben zugelassen werden sollen. Dass man bereits im Regierungsentwurf von dem im Referentenentwurf daneben noch vorgesehenen § 253 Abs. 3 S. 5 HGB-RefE wieder abgesehen hat, der für zusammen genutzte Vermögensgegenstände eine Fiktion als ein Vermögensgegenstand eingeführt hätte, ist daher nur ein vermeintliches Einlenken. 237 Eine genaue Erläuterung, welche Beurteilungs- und damit Bewertungs- und Abschreibungsspielräume sich bspw. (auf der zweiten Entscheidungsebene zum fair value) bei der Bestimmung des beizulegenden Wertes (sog. recoverable amount) in der Form des Nutzungswertes (value in use) bei Behaltensabsicht i.S.d. IAS 36.30 ff. oder bei Veräußerungsabsicht in der Form des Nettoveräußerungswertes (fair value less costs to sell) i.S.d. IAS 36.25 bis 29 – ergeben, würde im Rahmen dieses Beitrags zu weit führen; hierfür kann auf die Nachweise in der obigen Darstellung zum „Creative Accounting“ beim fair value in Fn. 229 verwiesen werden. HOFFMANN stellt daher richtig fest, der input für die Formeln des Werthaltigkeitstests sei ermessensabhängig und vom Unternehmen zu bestimmen (in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 11 Rn. 65). Vgl. weitere Literatur hierzu auch nachgewiesen bei MÜLLER/WULF, BB 2001, 2206 (2213 dort in Fn. 80); DIES., BB 2005, 1267 (1273); auch die Praxishinweise von ERNST & YOUNG, bei WEBER, Handelsblatt v. 6.12.2004, 13; auch KIRSCH, StuB 2004, 481, leitet auf 487 her, dass die anzugebenden Auswirkungen auf einzelne Parameter wenig aussagekräftig sind, die Pflichtangaben letztlich also interpretationsbedürftig sind. Abzulehnen daher die Ansicht von SIENER/GRÖNER, die die starke Subjektivität und Volatilität dieser Bewertung zugeben, gleichwohl aber einen unzweifelhaft verbesserten Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens erkennen wollen (vgl. DIES., in: BIEG/HEYD, Fair Value, 333, 350). 238 StuB 2004, 481 (486). 239 BB 2006, 819. 240 Insgesamt zum risk and reward approach und zu dem den IAS/IFRS mit ihrem management approach with a risks and rewards safety net (in der Theorie) nicht entsprechenden, aber in der Praxis meist übereinstimmenden management approach vgl. KIRSCH, BB 2003, 1111 (1115) = KIRSCH, StuB 2003, 241 (245 f.) und HAAKER/PAARZ, KoR 2005, 194 (197) sowie MÜLLER/ PESKES, BB 2006, 819 (819); speziell zum risk- and rewards-approach bei Zweckgesellschaften (special purpose entities) zum Vergleich von IAS 27 i.V.m. SIC 12 zu FIN 46 der USGAAP MÜLLER/OVERBECK/BÜHRER, BB 2005, BB-Special 8, 26 ff.
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neuen IFRS 8.25 f. (und dem vorausgegangenen Entwurf Exposure Draft ED 8.24 f.) 241 bekennen sich die Standardsetter offen zu der (rein) unternehmensinternen Sichtweise eines (reinen) management approach. Die vom Management intern (aus welchen (bilanzpolitischen) Gründen auch immer) vorgenommene Segmentierung soll danach als die optimale, die für die Adressaten den größten Nutzen versprechende Aufgliederung akzeptiert werden242. Der offen zu legende, unternehmensintern definierte Segmenterlös wird eine zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit von Informationen eines vermeintlich vergleichbaren Marktsegmentes dann nicht nur wesentlich erschweren 243, sondern faktisch unmöglich machen. Seiner Art der Berichterstattung nach muss der Segmentbericht in Zukunft dann eher zum Geschäftsbericht zählen als zum Jahresabschluss und zum Lagebericht. Die internationale Rechnungslegung bewegt sich damit von der klassischen Rechenschaft hin zu einer prospektiven (vermeintlich umfassend und entscheidungserheblich informierenden) Finanzberichterstattung. Das größte bilanzpolitische Gestaltungspotential bieten schließlich diejenigen Wahlrechte, die es ermöglichen, statt erfolgswirksam auch erfolgsneutral zu bewerten und damit Werte an der Gewinn- und Verlustrechnung vorbei direkt im Eigenkapital zu erfassen. Sie führen auf diese Weise zu erfolgsneutral rein in der Bilanz erfassten Erträgen und Aufwendungen und so zu einem anderen Gewinnausweis (dem sog. „net income recognised directly in equity“ oder „other comprehensive income“.) In den IAS/IFRS spielt diese Art von Wahlrechten eine große Rolle 241
PESKES, BB 2006, 819 (819); speziell zum risk- and rewards-approach bei Zweckgesellschaften (special purpose entities) zum Vergleich von IAS 27 i.V.m. SIC 12 zu FIN 46 der USGAAP MÜLLER/OVERBECK/BÜHRER, BB 2005, BB-Special 8, 26 ff. 241 Vgl. dazu oben in Fn. 175. 242 Vgl. dazu bei ALVAREZ/BÜTTNER, KoR 2006, 307 (310) und implizit auch bei MÜLLER/PESKES, BB 2006, 819 (821). Die von FINK/ULBRICH, KoR 2006, 233 (241) befürchtete Informationsausweitung durch Aufgliederung, bspw. von einzelnen intern beschlossenen Stufen einer Produktionsprozesskette, würde in der Praxis faktisch dadurch ausgehebelt, dass ein solches internes Steuerungskonzept schlicht nicht eingerichtet wird. 243 Wie ALVAREZ/BÜTTNER (in KoR 2006, 307, 314) meinen. So auch MÜLLER/PESKES, ZCG 2006, 33 (38). WAGENHOFER kommt in seiner Analyse (IRZ 2006, 31 ff.) zu dem Ergebnis, dass das zunehmende Etablieren des management approaches in den Standards und auch im momentan diskutierten Management Commentary durch das IASB (Discussion Paper: Management Commentary, v. 27.10.2005, DP-MC Tz. 97 f., unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/0FE78C148AF9-4CFB-A764-40B1A08E0DF5/0/DPManagementCommentary.pdf (mit Stand vom 13.5.2008); dazu indirekt auch BEIERSDORF/BUCHHEIM, BB 2006, 96, 99) implizit deutlich werden lässt, wie das Oberziel der Vergleichbarkeit (F 39 ff.) untergeordnet wird unter das einer externen, aber der internen Kommunikation entsprechenden Informationsvermittlung. Die Mischung des Konzepts einer objektivierten und vergleichbaren Jahresabschlussberichterstattung mit dem eines subjektiven, der Vergleichbarkeit abträglichen Financial Reportings hält auch WAGENHOFER (IRZ 2006, 31, 35) schädlich für eine konsistente Informationsbasis. Das Paradoxon dieses management approaches zeigt sich vor allem darin, dass das IASB diesen Ansatz für die Berichterstattung zwar zusehends etabliert, gleichzeitig jedoch zusammen mit dem FASB in dem Diskussionspapier zum neuen, konvergenten Rahmenkonzept das Management von den Adressaten der Rechnungslegung explizit ausnimmt (OB 9, 11; vgl. dazu bei Kampmann/Schwedler, KoR 2006, 521, 524 bei und in Fn. 24).
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(anders als nach HGB, wo dies immerhin nur, aber genauso abzulehnen, nur vereinzelt zugelassen ist). Finanzinstrumente können bspw. nach IAS 39.55 ff. je nach Halteabsicht in die Kategorie „financial assets at fair value through profit or loss“ zugeordnet werden und erfolgswirksam erfasst werden oder aber – und das ist das Problematische – als „available for sale“ benannt werden und demzufolge erfolgsneutral244 eingestellt werden. Abgesehen davon kann das Unternehmen bspw. nach IAS 39.95 entscheiden, ob eine Finanzinvestition als Sicherungsinstrument mit nachweisbarer Sicherungsbeziehung ausgewiesen wird und damit die Zeitwertänderungen eines solchen Cashflow-Hedges erfolgsneutral erfasst werden oder aber ob auf einen solchen Nachweis verzichtet wird und der Ausweis erfolgswirksam nach IAS 39.55 a) i.V.m. IAS 39.9 erfolgt. Mit Hilfe solcher erfolgsneutralen Erfassungen kann die Eigenkapital- und Gesamtkapitalbasis ohne korrespondierende Erhöhungen des Periodenergebnisses in der Gewinn- und Verlustrechnung erhöht werden, so dass sich jegliche Rentabilität(-skennzahl) verschlechtert245. Darüber hinaus können im Rahmen der Folgebewertung auf der Basis von Neuwerten erhöhte Abschreibungen und passive latente Steuern ausgewiesen werden, die ihrerseits gleichwohl stets erfolgswirksam und damit ergebnismindernd in der Gewinnund Verlustrechnung zu erfassen sind. Das Periodenergebnis kann so bilanzpolitisch gegebenenfalls auf lange Sicht hin in doppelter Weise künstlich gesenkt werden. Insbesondere dieser Neubewertungseffekt führt nicht nur dazu, dass wegen dieser künstlichen Ausweisveränderungen letztlich die Gesamtsumme der einzelnen Periodenergebnisse nicht mehr mit dem Ergebnis der Totalperiode eines Unternehmens an dessen „Lebensende“ übereinstimmt und so gegen das betriebswirtschaftlich und dem Konzept einer Bilanz zu Grunde liegende und bilanzrechtlich zwingende Prinzip der Kongruenz verstoßen wird.246 Der für jede Periode künstlich 244
Die problematische erfolgsneutrale Erfassung von Wertänderungen beim fair value von available for sale Finanzinstrumenten entstammt den US-GAAP und fußt damit nicht auf konzeptionellen Erwägungen (siehe dazu WAGENHOFER, IRZ 2006, 31, 37). 245 Vgl. zur Verzerrung der Rentabilität(-skennzahlen) durch die erfolgsneutrale Erfassung und (verstärkt noch) durch die anschließende erfolgswirksame Abschreibung auf der Grundlage der Neubewertungswerte bei einem IAS/IFRS-Abschlusses KIRSCH, UM 2005, 229 (233 f.), dort unter 1.4. und 1.5., sowie (237) sowie DERS., RWZ 2006, 17 (21 f.). 246 Dieser Verstoß gegen das Kongruenzprinzip i.e.S. (sog. clean-surplus) und i.w.S. (sog. Summen- oder LÜCKE-Theorem) ergibt sich insbesondere bei der Neubewertung (revaluation) von Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten sowie bei zur Veräußerung gehaltenen Finanzinstrumenten nach IAS 16, IAS 38 und IAS 39. Ein Verstoß gegen die Kongruenz bedeutet, dass die Veränderungen des bilanziellen Reinvermögens nach Eignertransaktionen in einer Periode nicht mehr dem Periodenergebnis (aus der Gewinn- und Verlustrechnung) entsprechen bzw. (auf weite Sicht hin), dass die aufaddierten Periodenergebnisse nicht mehr dem Totalergebnis eines Unternehmens entsprechen – sich also bilanzpolitische Maßnahmen im Lebenszyklus des Unternehmens nicht betragsmäßig ausgleichen. Fehlt es an der Kongruenz von Periode und Totalergebnis, ist auch der Unternehmenswert nicht mehr die Summe aus buchmäßigem Kapital und Barwert der künftigen Residualgewinne (und damit wird gegen das inhaltlich damit beschriebene Summen- oder LÜCKE-Theorem verstoßen). Eine wertorientierte Bilanzanalyse ist aufgrund dieses Verstoßes also bei einem IAS/IFRS-Abschluss nicht uneingeschränkt möglich. Siehe Näheres dazu bei ZIMMERMANN/VOLMER, PiR 2006, 105 (106) sowie bei KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 8 f. mit Beispielen und m.w.N. und diesen folgend RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 87 f.; VELTHUIS/WESNER/ SCHABEL, KoR 2006, 458, 465 bei Fn. 29 sowie HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 17 f. m.w. Erläuterungen und m.w.N. sowie dort auf 104. Inhaltlich meint auch DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 214 den Verstoß gegen das LÜCKE-Theorem, wenn er mit Blick auf die erfolgsneutrale Behandlung der available for sale Finanzinstrumente aus IAS 39 vom nicht mehr ablesbaren Periodenerfolg spricht.
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beeinflusste Ausweis des Periodenergebnisses ist für den Adressaten auch im Wege einer Bilanzanalyse nicht nachverfolgbar und damit nicht korrigierbar. Die Information ist damit nicht verlässlich und somit nicht entscheidungstauglich und nicht entscheidungserheblich. Selbst Abschlüsse unterschiedlicher Perioden ein und desselben Unternehmens sind so nicht mehr miteinander vergleichbar. Kirsch spricht daher richtigerweise von typischen und folgereichen verdeckten Bewertungswahlrechten.247 So kann wegen der Abschreibung auf den objektiv nicht nachprüfbaren fair value bspw. die Neubewertung in Anlass und Höhe insgesamt nicht nachgeprüft werden; zumal darüber hinaus auch eine Teilbarkeit möglich ist, so dass die Neubewertung ohne Verstoß gegen das Stetigkeitsgebot flexibel auch nur auf einen Teil der zu bewertenden Vermögensgüter angewandt werden kann248.249 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn bspw. der Abschluss der Münchner Rück von 1999 nach IAS/IFRS ein Jahresergebnis von 16.164 Mio. € und nach HGB lediglich 6.270 Mio. € ausweist; der Abschluss von Volkswagen aus dem Jahr 2000 ein Jahresergebnis nach IAS/IFRS von 20.918 Mio. €, nach HGB von 9.811 Mio. € und von BMW aus dem genannten Jahr nach IAS/IFRS 9.432 Mio. € und nach HGB 4.896 Mio. €.250 So erstaunt es auch nicht, wenn die Umsatzrentabilität im Rahmen einer Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IAS/IFRS im Durchschnitt um 254 % steigt und die Gesamtkapitalrentabilität (i.S.d. Return on Investment (ROI)) durchschnittlich um ca. 20,8 %251 ansteigt.
247
SCHABEL, KoR 2006, 458 (465 bei Fn. 29) sowie HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 17 f. m.w. Erläuterungen und m.w.N. sowie dort auf 104. Inhaltlich meint auch DOHRN, Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 214 den Verstoß gegen das LÜCKE-Theorem, wenn er mit Blick auf die erfolgsneutrale Behandlung der available for sale Finanzinstrumente aus IAS 39 vom nicht mehr ablesbaren Periodenerfolg spricht. 247 Siehe dessen Darstellung in IRZ 2006, 95 (97 f.), dort ab Fn. 12. 248 Siehe dazu KIRSCH, BB 2006, 1266 (1270) samt Tab. 1 auf 1269. 249 Ändern will diese Grundgestaltungsmöglichkeit der Vorstoß des IASB in seinem Financial Statements Presentation Project (ED Amend IAS 1.90-96), das für einen vollständigen Jahresabschluss nach IAS/IFRS künftig fünf Rechenwerke vorsehen will und hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, dass das Gesamteinkommen künftig einheitlich in einer erweiterten Gewinn- und Verlustrechnung als eine Summe und damit eingerechnet aller Kongruenzverstöße (sog. „net income recognised directly in equity“ oder „other comprehensive income“) auszuweisen sein soll (sog. one statement approach als bevorzugte Gliederungsmethode). Erfolgsneutral bewertbare Vermögensgüter müssen dann demnach in derselben oder einer (ihren erfolgswirksam verbuchten verwandten, also bilanziell alternativen Partnern) anliegenden Spalte ausgewiesen werden, um sie diesen informatorisch im Erfolgsausweis gleichzustellen. (Siehe Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 1 Presentation of Financial Statements: A Revised Presentation (ED IAS 1), v. September 2007, BC 15, wo das IASB den one statement approach anders als noch in der Ausgangsfassung schon nicht mehr als zwingend vorschreiben will; unter http://www. iasb.org/NR/rdonlyres/BDD7DFE3-59D4-478B-B3AD-F18B9924ECDA/0/EDAmdmtstoIAS1. pdf (mit Stand vom 13.5.2008); dazu auch OVERSBERG, PiR 2007, 339, 341 f.). 250 Vgl. die Zahlen bei KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 8 und bei RAMMERT, in: LÜDENBACH/HOFFMANN, IFRS, § 51 Rn. 99. 251 Siehe die Zahlen bei BURGER/FELDRAPPE/ULBRICH, PiR 2006, 134 (140). Diese Tendenz der bisherigen Studien bestätigt jüngst auch ihre umfassende Analyse bei LEKER/MAHLSTEDT/ KEHREL, KoR 2008, 379 (383 dort bei Fn. 17; 384 bei Fn. 29; 385 bei Fn. 31).
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Die internationale Rechnungslegung nach IAS/IFRS möchte entscheidungserhebliche Informationen für die Abschlussadressaten (nach der decision usefulness) vermitteln und dabei eine true and fair presentation im Sinne der wirtschaftlichen Betrachtung nach (nach substance over form) bieten. Sie gibt ein Einblicksgebot aus und setzt zugleich auf eine Bewertung nach einer (verlässlichkeitsermangelnden und damit nur vermeintlichen) Marktnähe (fair value) – alles in gleichem Maße. Dies führt zu einem (im neu entworfenen Rahmenkonzept252 sogar noch verschärften) Zielkonflikt253. An einer helfenden, lösenden Rangfolge dieser gesteckten Ziele fehlt es, so dass der IAS/IFRS-Abschluss sowohl zu Zukunfts-, wie auch zu (klassischen) Vergangenheitsinformationen nur in sehr eingeschränktem Umfang254 fähig ist. Das IASB, so scheint es, ist mit der Devise „There is no damage in knowledge.“255 hoch motiviert gestartet, hat eine strikte Rangfolge seiner Zielvorgaben vermissen lassen, den Abschlusserstellern damit keine Führung an die Hand gegeben und damit für Abschlussersteller wie für Abschlussnutzer einen solchen (für unmöglich gehaltenen) Schaden zugelassen. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft bei den IAS/IFRS demnach eine große Lücke. Man kann sogar schon den Ansatz für verfehlt halten, zu Informationszwecken für potentielle Investoren den Informationsumfang auszuweiten. Und es könnte noch (Ä)ärger kommen: Denn das eigenständige Ziel, gegenwärtigen Anlegern Rechenschaft zu leisten, haben das IASB und das FASB bereits mit dem Diskussionspapier zum neuen gemeinsamen
252
IASB und FASB haben sich mit dem gemeinsamen Entwurf zu einem neuen Rahmenkonzept nun offen der prospektiven Finanzberichterstattung (BC 1.3-7) verschrieben, die als obere Anforderung an die Qualität der Berichtserstattung gleichwohl „glaubwürdig“ (faithful, QC 16 und 18 i.V.m. BC 2.26-29; dazu oben in Fn. 143) erfolgen soll. Daran lässt sich ablesen, dass die Standardsetter ihr Ziel, Widersprüche zwischen den Qualitätsanforderungen zu lösen, nicht erfüllt haben (so in ihrem Urteil auch ZÜLCH/GEBHARDT, PiR 2006, 203, 204). 253 F 31 f. vs. F 101. Diesen Zielkonflikt sehen auch KÜTING/REUTER, BB 2005, 706 (712) m.w.N.; KÜTING, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 493 (510) m.w.N.; KÜMMEL, Grundsätze für die Fair Value-Ermittlung mit Barwertkalkülen, 19 Kritikpunkt 5 mit Verweis auf das Zitat von JONAS (dort 19 in Fn. 104, ebenso nachzulesen bei KÜMMEL, a.a.O., 1 eingangs) und m.w.N. dort 19 in Fn. 106 und 90 in Fn. 47 sowie BERNDT/HOMMEL, BFuP 57, 2005, 407 (418), die in diesem Zusammenhang die Frage der Entscheidungsnützlichkeit von nicht „gerichtsfesten“ Daten aufwerfen. SIMKO sowie BARTH/CLINCH haben mit ihren empirischen Studien die Entscheidungsnützlichkeit des fair value in all seinen Stufen – sogar für marktgehandelte Finanzinstrumente – widerlegt (vgl. nachzulesen bei HITZ, WPg 2005, 1013, 1026 dort bei Fn. 89 und 91). Die sich in diesem ungelösten Zielkonflikt widerspiegelnden konzeptionellen Schwächen des IAS/ IFRS-Regelwerks moniert DOHRN trefflich (siehe DERS., Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, 223 und 231). 254 So auch BUCHHOLZ, DStR 2002, 1280 (1283). Diese theoretische Analyse wird bestätigt durch die empirischen Untersuchungen von AUER und STREIM/BIEKER/LEIPPE, die dem IAS/IFRS-Abschluss allesamt keinen höheren Informationsgehalt und keine höhere Entscheidungserheblichkeit (i.S.d. decision usefulness) bescheinigen konnten als einem Nicht-IAS/IFRS-Abschluss (vgl. den Nachweis bei SCHILDBACH, BFuP 2002, 263, 268 dort in Fn. 16 und Fn. 17). 255 So die von PELLENS/FÜLBIER, in: BAETGE, Zur Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), 35, 64 rezitierte These.
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Rahmenkonzept aufgegeben.256 Dem ist entschieden zu entgegnen: Warum soll einem potentiellen Anleger mehr Information geboten werden als einem gegenwärtigen Anleger und Aktionär, dem für seine Be- oder Entlastungsentscheidung über die ordnungsgemäße Verwaltung seines Geldes (nach klassischem Konzept) Rechnung zu legen und Rechenschaft zu leisten war (bzw. ist). In der wissenschaftlichen Beurteilung der internationalen Rechnungslegung nach IAS/IFRS hat sich vor diesem Hintergrund eine Kehrtwende vollzogen, die deutlich wird, wenn man die kontinentaleuropäische Literatur von 1998-2002 257 mit der Nachfolgeliteratur von 2002 bis heute258 vergleicht. Was zunächst noch als Lö256
Die Rechenschaftsfunktion ist als eigenständige Funktion hinweg definiert worden (siehe OB 2-5 mit OB 27-28 i.V.m. F 12-14 bzw. für die US-GAAP i.V.m. CON 1.50-53) (dazu bei KAMPMANN/SCHWEDLER, KoR 2006, 521, 524 f. und kurz auch ZÜLCH/GEBHARDT, PiR 2006, 203, 203 sowie GASSEN im Rahmen des Munich Workshop of Accounting and Auditing (MWAA) am 8.11.2006 an der LMU München) und soll nun von der Informationsfunktion und ihrem Vermitteln entscheidungsnützlicher Informationen miterledigt werden (OB 18-26). Dieser Ansatz übersieht jedoch, dass eine Rechenschaft ein gewisses Mindestmaß an Objektivierbarkeit und externer Nachprüfbarkeit der mitgeteilten Informationen benötigt (vgl. dazu auch LÖHR, StuB 2003, 643, 644 und 646 und TANSKI/ZERETZKE, DStR 2006, 53, 56). 257 Stellvertretend für Viele seien hier nur die markantesten Stellungnahmen genannt, wie die von GOEBEL, DStR 1995, 1037 (1038); MARTEN/SCHLERETH/CRAMPTON/KÖHLER, BB 2002, 2007 (2008); ORDELHEIDE, in: BÖRSIG/COENENBERG, Controlling und Rechnungswesen im internationalen Wettbewerb, 15, 26; ENGEL-CIRIC, BC 2001, 125; HOMMEL, BB 2001, 1943 ff.; ZIMMERMANN, StuB 2002, 573; vgl. die Umfrageauswertung von MEITNER/HÜFNER/KLEFF, KoR 2002, 139 (140); die Umfrageauswertung von MARTEN/SCHLERETH/CRAMPTON/KÖHLER, BB 2002, 2007 (2009 Abb. 2 und 3) sowie die Umfrageauswertung unter mittelfränkischen KMU von OEHLER, KoR 2006, 19 (26 und 27 Abb. 9 Frage 3) und die Umfrageauswertung von OCHS/LEIBFRIED, PiR 2006, 183 (186 Übersicht 11 i.V.m. Übersicht 9), was die allgemeine Unkenntnis der KMU bzgl. der IAS/IFRS belegt – wobei bei letzter Umfrage widersprüchlicher Weise der Zuwachs an bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten gleichsam (bereits) als sehr hoch eingestuft worden ist; und so auch die Schweizer Umfrageauswertung von MEYER/ SCHILL/BÜTLER, Der Schweizer Treuhänder 2004, 1097 (1105 a.E.); BORN, Rechnungslegung international, XXXIII; BROMWICH, in: LEUZ/PFAFF/HOPWOOD, The Economics and Politics of Accounting, 32 (37); AUER, Kreditwesen 1999, 373 ff; BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (546); V. KEITZ /STIBI, KoR 2004, 423 (426) m.w.N.; CARSTENSEN/LEIBFRIED, GmbHR 2004, 864 ff.; BÖMELBURG/KELLER, BilReG, BilMoG, IFRS und EHUG, unter http://www.roedl.de/inhalt/ aktuell/mittelstandstag/2006/pdf/1100_BilReG_BilMoG_IFRS_EHUG_Boemelburg_Keller_. pdf (mit Stand vom 10.10.2006), slide 14 und bspw. auch HEINTGES, DB 2006, 1569 (1575). 258 Hier seien stellvertretend nur die markanten Analysen genannt, wie die von KÜTING, DB 2006, 1441 (1449) m.w.N. und DEMS./DÖGE/PFINGSTEN, KoR 2006, 597 (611); PAULITSCHEK/WIESE, KoR 2006, 634 (635); JERMAKOWICZ/GORNIK-TOMASZEWSKI, JoIAAT 15 (2006), 170 (187 Tab. 8 aus Punkt 4 und 5) (dort im Abstimmungsverhalten zurückhaltend zustimmend, eher mit der Tendenz hin zur Unentschlossenheit – was wohl auch die Tatsache widerspiegelt, dass die Transparenz- und Vergleichbarkeitsfrage nicht pauschal für alle Unternehmen, -sgrößen und Branchen vollumfänglich schwarz oder weiß beantwortet werden kann); HOFMANN, ZCG 2006, 72 ff.; LUTZ, Bilanzrecht für die Praxis, 217, Rn. 4.345; wiederholend auch FISCHER/KLÖPFER, KoR 2006, 709 (719); BERNDT/HOMMEL, BFuP 57 (2005), 407 ff.; DASKE, BFuP 57 (2005), 455 (457 ff.); JESSEN/WELLER, DStR 2005, 532 (536); KÜTING, in: BIEG/ HEYD, Fair Value, 493 ff.; KÜTING/REUTER, BB 2005, 706 ff.; KÜTING, BB 2004, I und DERS., StuB 2004, 683 (684 f.); LORSON, in: BIEG/HEYD, Fair Value, 3 (30 f.); HITZ, Rechnungslegung zum fair value, 241 auf der Grundlage empirischer Analyse, dort auch in Fn. 1119 m.w.N. und vgl. auch die w.N. dort auf 315 in Fn. 1356 und Fn. 1358; so auch DERS., WPg 2005, 1013 (1025 ff.); TANSKI, DStR 2004, 1843 ff.; HÜTTCHE, DStR 2004, 1189 f. m.w.N.; MÖHLMANNMAHLAU/GERKEN/GROTHEER, StuB 2004, 849 ff.; MEYER/MEISENBACHER, DStR 2004, 567 ff.; KIRSCH, BB 2003, 1111 f. = DERS., StuB 2003, 241 ff. und DERS., StuB 2004, 481 ff.; BRUGGINK, in: LANGENDIJK/SWAGERMAN/VERHOOG, Is Fair Value Fair?, 255 ff. und in der
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sung für die bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse erschien und als das „System der gläsernen Taschen“259 gelobt wurde, hat sich in den Augen vieler Sachkenner als manipulationsfähiges Gebilde und als desinformierende Überflutung mit Informationen260 entpuppt und konnte dann als Optimum für die unternehmerische Bilanzpolitik und Verschleierungstaktik angepriesen werden.261 Man ist plötzlich gewahr geworden, dass die IAS/IFRS zwar weder Schutzklauseln noch explizite Wahlrechte beinhalten, dafür aber umso mehr faktische (sog. verdeckte) Wahlrechte und vor allem ganz erhebliche Beurteilungsspielräume und Einschätzungsprärogativen bieten, die im Abschluss nicht (und nicht nachprüfbar) erläutert werden müssen262. 259
(1025 ff.); TANSKI, DStR 2004, 1843 ff.; HÜTTCHE, DStR 2004, 1189 f. m.w.N.; MÖHLMANNMAHLAU/GERKEN/GROTHEER, StuB 2004, 849 ff.; MEYER/MEISENBACHER, DStR 2004, 567 ff.; KIRSCH, BB 2003, 1111 f. = DERS., StuB 2003, 241 ff. und DERS., StuB 2004, 481 ff.; BRUGGINK, in: LANGENDIJK/SWAGERMAN/VERHOOG, Is Fair Value Fair?, 255 ff. und in der Synopse von VERHOOG, ebenda, 5, 24 über BRUGGINK; THEILE, StuB 2003, 957 ff.; BUCHHOLZ, DStR 2002, 1280 (1282); KÜTING/DAWO, StuB 2002, 1157; ENGEL-CIRIC, DStR 2002, 780 (784) der hier auch von einem täuschenden Rechnungslegungswerk spricht; MÜLLER/WULF, BB 2001, 2206 ff; DIES., BB 2005, 1267 ff.; STREIM, BFuP 2000, 111 ff. Dass die praktische Anwendungserfahrung für diese Meinungstrendwende ausschlaggebend ist, zeigt eine Umfrageauswertung von 2003, die durchweg für IAS/IFRS-Anwender positivere Ergebnisse gegenüber den (verschleiernden) IAS/IFRS belegt als von IAS/IFRS-Nichtanwendern (siehe FISCHER/KLÖPFER/STERZENBACH, WPg 2004, 694, 697 ff.). 259 KÜTING/REUTER, BB 2005, 706 (713). Gebraucht wurde auch das Bild des Unternehmens „als gläsernes Haus“. 260 Daher titelt LINDSELL (Ernst & Young) in seinem Artikel in Accountancy October 2006, 77: „IFRS data risks drowning key information“. Vgl. statt Vieler dazu auch KÜTING/REUTER, BB 2005, 706 (712); DIES., DSWR 2004, 230 (232) sowie KÜTING/DÖGE/PFINGSTEN, KoR 2006, 597 (609). Grundlegend und kritisch zu der Frage der Verarbeitbarkeit und damit der ökonomischen Effizienz eines gesteigerten Maßes an Information HARTMAN, BAA&F 2006, 39 ff.; i.E. so hinsichtlich zusätzlicher Informationen von niedrigem und mittlerem Informationsniveau auch HUBER/KIRCHLER/SUTTER anhand einer spieltheoretischen Studie (zfbf 2006, 188 ff.). 261 Selbiges ist allgemein im Bereich der Finanz- und Geschäftsberichterstattung zu verfolgen. Die von den Unternehmen in ihren Geschäftsberichten angebotenen Kennzahlen (meist die Finanzund Börsenkennzahlen: wie das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (sog. Earnings before Interest and Taxes (EBIT)), das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (sog. Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization (EBITDA)) und die Eigenkapitalquote, die Rentabilitätskennzahl Return on Core Equity oder Return on Capital Employed (ROCE), Earning per share (EPS), der Jahreskurs, der höchste und niedrigste Schlusskurs, die Dividende pro Aktie, die Marktkapitalisierung, der Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)) sind nach empirischen Untersuchungen in der Praxis nicht vergleichbar, weil es an einer transparenten und nachvollziehbaren Methode der Kennzahlenbildung fehlt. Insbesondere bei der ROCE wird deutlich, dass die Unternehmen zum einen das Capital Employed nicht eindeutig und einheitlich ermitteln und überdies die dazu ins Verhältnis zu setzenden Ergebnisgrößen unterschiedlich definieren (vgl. BERTL, RWZ 2005, 12, 12 bis 14 samt statistischer Auswertung zu einzelnen Kennzahlen für den österreichischen Raum). 262 Vgl. statt Vieler bei KÜTING/WOHLGEMUTH, DStR 2004, Beihefter 3, 6 m.w.N. Ganz abgesehen davon, dass die Unternehmen eine in die Tiefe gehende (intensive), detaillierte und quantifizierte Offenlegung aller Einschätzungsprärogativen angesichts ihrer Masse über den gesamten Jahresabschluss gezählt gar nicht praktikabel leisten könnten; und der Adressat diese Fülle an Informationen nicht praktikabel verarbeiten könnte (LÜDENBACH, in: DERS./HOFFMANN, IFRS, § 5 Rn. 86.).
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Lorson spricht von einer Scheinlösung263, Küting/Wohlgemuth sprechen (nun) vom alten „Irrglauben“264 und Baetge/Heumann/Sickmann/Stellbrink/Richter vom „großen Bluff“ 265. Bisweilen werden die IAS/IFRS-Tatbestände sogar sinnbildlich mit „Wattebäuschen“266 verglichen. Geheimnisschutz funktioniert bei den IAS/IFRS daher nicht über systemgerechte Schutzklauseln, sondern über bilanzpolitische Verschleierungsmaßnahmen. Diese Art der Problemlösung geht aber an einer effizienten und fruchtbaren Lösung der Grundproblematik vorbei: Der Gesetzgeber will bei Wahlrechten und Beurteilungsspielräumen eine an den Zielen und Zwecken des Tatbestandes orientierte pflichtgemäße Ermessensausübung erreichen, ohne dabei die unternehmerischen Prognoseschwierigkeiten unberücksichtigt zu lassen. Bewertungswahlrechte sieht er beispielsweise vor, um das Unternehmen frei wählen zu lassen, je nachdem welche Art der Bewertung der realen wirtschaftlichen Lage am nächsten kommt. Beurteilungsspielräume sollen eben aber nicht dazu dienen, Verschleierungstaktiken zu unterstützen; seien sie aus unternehmerischer Sicht zur Prävention eines (vom Normgeber ignorierten) Wettbewerbs- oder Verhandlungsschadens gerechtfertigt oder nicht. Zum anderen soll ein Unternehmensabschluss den Anlegern als verlässliche Information oder Informationsgrundlage für ihre Des- bzw. Investitionsentscheidung dienen und dem Unternehmen eine effiziente Kapitalbeschaffung am Finanzmarkt ermöglichen. Eine Bilanzinformation ist für die Anleger hierzu nur dann wertvoll und brauchbar, wenn sie entweder von vornherein realitätsgetreu und verlässlich (reliable) ist oder wenn bilanzpolitische Maßnahmen, die für die Ausschüttungs- und Besteuerungsfunktion des Jahresabschlusses entsprechend der gesetzgeberischen Intention ziel- und zweckgerichtet eingesetzt worden sind, dementsprechend auch vom Anleger oder von Intermediären korrigiert werden können und sich damit eine verlässliche – glaubwürdige – Informationsbasis herstellen lässt. Hat der Gesetzgeber nicht die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass von vornherein eine ordnungsgemäße Bilanzinformation offen gelegt wird oder die Information Korrekturen in dem jeweils erforderlichen Maß zulässt, ist das Rechnungslegungssystem aus Sicht der Anleger von minderer Qualität und Güte. Typischerweise ist die Korrektur im erforderlichen Maß über die Berichtspflichten im Anhang möglich und nötig. Bei einem IAS/IFRS-Abschluss müssen die bilanzpolitischen Maßnahmen, wie gesehen, bei Wahlrechten, Beurteilungs- und Ermessensspielräumen jedoch nicht mitgeteilt werden, so dass eine solche relativierende oder gar korrigierende Sichtweise für den Anleger in den meisten Fällen überhaupt nicht möglich ist. Er bräuchte in diesem Fall vor allem Kenntnisse über das Zustandekommen der bilanzierten Sachverhalte. Solche Interna müssen allerdings nie mitgeteilt werden. Erst Recht ist die Vergleichbarkeit mit den IAS/ 263
In: BIEG/HEYD, Fair Value, 3, 30. DStR 2004, Beihefter 3, 19. 265 Manager-Magazin, 5/2003, 128 ff. 266 So SCHILDBACH im Rahmen des Munich Workshop of Accounting and Auditing (MWAA) am 24.11.2004 an der LMU München. 264
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IFRS-Abschlüssen anderer Unternehmen nicht mehr gegeben. Nicht einmal branchenintern ist ein Bilanzvergleich noch sinnvoll oder überhaupt möglich.267 Was bleibt ist eine unzureichende Plausibilitätskontrolle.268 Tendenzen neigen schon hin zu einer nur noch typologischen Bilanzanalyse, die lediglich noch die relative Abweichung von einer an ihrem empirisch beobachteten Bilanzierungsverhalten ermittelten, mehr oder weniger großen Referenzgruppe von Unternehmen (einer sog. peer group)269 misst. Nur noch verschärft wird dieses Problem durch die unterschiedlichen subjektiven Anwendungsbereiche der IAS/IFRS-Rechnungslegung durch den europäischen Gesetzgeber auf der einen Seite und den deutschen Gesetzgeber auf der anderen Seite. Zweckentfremden Unternehmen Bilanzierungstatbestände, konterkarieren sie damit nicht nur die eigentliche gesetzgeberische Zielrichtung der Vorschriften, es wirkt sich bezogen auf die Interessenkollision, wie die Analyse der IAS/IFRS zeigt, zudem einseitig zu Lasten der Anleger aus. Ein vertrauenswürdiger Geheimnisschutz im Sinne einer sachgerechten Lösung des in diesem Buch behandelten Ausgangskonflikts sieht vor diesem Hintergrund anders aus:
3.1.4. Schlussbemerkungen So mag man die warnenden Worte von Adolf Moxter wieder hören, der bereits seit 1962 immer wieder die Gefahren einer in der Wettbewerbswirtschaft zu weitgehenden Publizität angemahnt270 und die immanenten Grenzen der externen Rechnungslegung betont hat271. Der betrachtende Vergleich zum Geheimnisschutz in der nationalen Rechnungslegung nach HGB und der internationalen Rechnungslegung nach IAS/IFRS hat bereits im Laufe der obigen Analyse für den Bereich der Rechnungslegung von Unternehmen eine sachgerechte Lösung zu der in diesem Buch besprochenen Grundproblematik herauskristallisieren lassen, wie und welche Informationen für eine günstigere Kapitalbeschaffung offen zu legen sind, ohne sich dabei (schier unweigerlich) einem Wettbewerbsschaden auf dem Produktmarkt auszusetzen: (1) Oberste Maxime: Es dürfen nur die für Anleger und Fremdkapitalgeber relevanten272 Informationen auf dem Finanzmarkt offen zu legen sein. D.h. die Offen267
So auch statt Vieler KÜTING/REUTER, BB 2005, 706 (712); ENGEL-CIRIC, DStR 2002, 780 m.w.N. Empirisch belegt von V. KEITZ anhand ihrer umfassenden Analyse von 100 IFRS-Abschlüssen, in DIES., Praxis der IASB-Rechnungslegung: Best practice von 100 IFRS-Anwendern, 319 f. 268 Neben einer mehr oder minder abstrakten Systemprüfung BLAUFUS, Fair Value Accounting, 185 ff. Rn. 416 m.w.N. 269 Vgl. dazu bei HÜTTCHE, KoR 2005, 318 (321 f.) samt Anwendungsbeispiel. 270 MOXTER, Der Einfluss von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 1962 und dies rezitierend KRUMNOW, in: FS Moxter, 679 (682). 271 MOXTER, Bilanzlehre, Bd. 2: Einführung in das neue Bilanzrecht, 2. 272 Wichtig für die Adressaten sind nach ihrer Wichtigkeit abfallend aufgezählt, insbesondere: Die Höhe des Eigenkapitals, das Jahresergebnis (in seiner Zusammensetzung derart, dass es auch zwischen mehreren Betrieben verglichen werden kann), ein periodengerechter Erfolgsausweis, der Gesamtumsatzerlös, die Entsprechenserklärung zur Berücksichtigung des Vorsichts- und Imparitätsprinzips, die Beziehungen zu nahe stehenden (natürlichen und juristischen) Personen, nicht ganz unwesentlich auch die Zuordnung der Kaufpreise von Unternehmenserwerben zu immateriellen Vermögenswerten und mitunter ein wenig auch die Aktivierung eines als Restbe
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legungstatbestände sind auf das für die Investitionsentscheidung der Anleger auf dem Finanzmarkt unbedingt erforderliche, also entscheidungserhebliche (so schon Moxter 1976273) Maß zu reduzieren. Insbesondere sind die Erläuterungspflichten im Anhang zu reduzieren274. Die Anleger und Fremdkapitalgeber fixieren damit den größten und zugleich kleinsten gemeinsamen – und daher ausschlaggebenden – Nenner der Informationsansprüche aller (unterschiedlichen und damit auch unterschiedlich rechenschafts- und damit in unterschiedlichem Umfang informationsberechtigten) Abschlussadressaten an die Jahres- und Konzernabschlusspublizität.275 Wettbewerber, Abnehmer und Zulieferer sind vom Adressatenkreis auszunehmen. (2) Das einschlägige adäquate Rechtsinstitut, um bei der Offenlegung dieser in (1) festgelegten Informationen eine betriebsgefährdende Preisgabe von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen zu vermeiden, sind Schutzklauseln. Sie sind als Ausnahme von der Offenlegung nach (1) vorzusehen, wenn und soweit einem Unternehmen aus der Offenlegung erhebliche Nachteile drohen können. Diese Schutzklauseln müssen einzelfallorientiert danach abgewogen und ausformuliert sein, ob die bestimmte Information aus Gründen eines typischerweise bei ihr (auf dem Produktmarkt) drohenden Wettbewerbs- und/oder Verhandlungsschadens mit einer Befreiungsklausel ohne Berichtspflicht, dass von der Schutzklausel Gebrauch gemacht worden ist, kodifiziert werden kann oder aus Informationserfordernissen für Anleger und/oder Fremdkapitalgeber mit einer solchen Berichtspflicht zu normieren ist bzw. normiert werden kann – (soweit dies zur Information hinreichend und damit überhaupt sinnvoll ist). Nur für den Fall, dass es für den Anleger und/oder Fremd273
zwischen mehreren Betrieben verglichen werden kann), ein periodengerechter Erfolgsausweis, der Gesamtumsatzerlös, die Entsprechenserklärung zur Berücksichtigung des Vorsichtsund Imparitätsprinzips, die Beziehungen zu nahe stehenden (natürlichen und juristischen) Personen, nicht ganz unwesentlich auch die Zuordnung der Kaufpreise von Unternehmenserwerben zu immateriellen Vermögenswerten und mitunter ein wenig auch die Aktivierung eines als Restbetrag daraus resultierenden Goodwill, die Existenz und der Umfang werthaltiger selbstgeschaffener immaterieller Vermögenswerte, das Hinzukommen neuer Segmente. 273 In: FS Leffson, 87 (97) und dazu auch schon sein Zitat (ebenda, 96), wo er zu bedenken gibt, dass derjenige der Rechenschaft zu geben hat, den Rechenschaftsinhalt nicht sinnvoll ableiten kann bevor er nicht die Art der Entscheidungen kennt, die beeinflusst werden sollen. Wenn MOXTER an anderer Stelle (S. 98 f.) über den Gesamtumfang der Rechnungslegung spricht und kraft Natur der Sache rechenschaftsfreie Bereiche postuliert, um die außergewöhnliche Arbeitsleistung eines integren Unternehmensleiters zu belohnen, stützt er diese Aussage auf eine strenge, breit fundierte Moralvorstellung (die Integrität eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Kaufmanns), die um sich greifende Missbräuche verhindert (hat). So gilt es heute, sich von dem nun bestehenden, anderen Extrem als noch zu MOXTERS Zeiten (nämlich der Informationsüberflutung) auf die goldene Mitte des richtigen Maßes an Rechnungslegung zuzubewegen. (Siehe zu den Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses heeren Zieles auch die Nachweise bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563 (594 f.), dort in Fn. 141). 274 Dies wird auch LINDSELL (Ernst & Young) begrüßen (vgl. in „IFRS data risks drowning key information“, in Accountancy October 2006, 77). 275 Darin unterstützt von BUDDE/STEUBER, AG 1996, 542 (544). Zur grundsätzlichen Beschränkung der Offenlegungspflicht auf Mindesttatbestände auch bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563 (602), dort 4.2.4.3.3. letzter Absatz, dort in Fn. 164 auch mit Verweis auf die gleiche Auffassung von ADNATI/PFLEIDERER.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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kapitalgeber auf dem Kapitalmarkt als Informationsquelle unerlässlich ist und für den Wettbewerber auf dem Produktmarkt gleichwohl nicht verwertbar, ist die Kodifikation einer Berichtspflicht unter Angabe von Sachgründen zu bedenken. Je nach Gefahrenpotential der jeweiligen offen zu legenden Information kann gegebenenfalls ausnahmsweise eine Gegenausnahme für große börsennotierte Kapitalgesellschaften vorgesehen werden. Drastischere Maßnahmen, wie bspw. nach § 312 i.V.m. § 315 AktG, wonach den Abhängigkeitsbericht, der sensible interne Informationen über das Unternehmen beinhaltet, allein ein Antrag auf Sonderprüfung eines Aktionärs oder eines Quorums an Aktionären zugänglich machen kann 276, sind dann nicht erforderlich. Die Gegenausnahme nur für große börsennotierte Kapitalgesellschaften zuzulassen, ist zum einen vor dem Hintergrund der gemäß (4) erforderlichen allgemeinen subjektiven Beschränkung der Offenlegungspflicht als solcher zu sehen und zum anderen vor dem Gesichtspunkt, dass selbst mittelgroße börsennotierte Unternehmen, zu denen auch noch ein Teil des deutschen Mittelstandes zählt, regelmäßig auf dem Produktmarkt gefährdete Teilnehmer sind. Es sind regelmäßig erst die großen börsennotierten Kapitalgesellschaften, die ein ruinöses Unterbieten im Preis auf dem Produktmarkt in einem ihrer Segmente insgesamt durch ihre in der Regel breitere Marktstreuung ausgleichen können. Bedenkt man, dass in absoluten Zahlen gerechnet nur ca. 9.000 kapitalmarktorientierte große europäische Unternehmen ungefähr 5 Mio. europäischen KMU277 gegenüberstehen und die kleinen Unternehmen EU-weit relativ gesehen fast 99 % aller Unternehmen 278 ausmachen, wird deutlich, dass von dieser Gegenausnahme zu den erforderlichen Schutzklauseln dann ohnehin nur die allerwenigsten Unternehmen betroffen sein werden – und diese werden dies, wie gesehen, aus eigenem Potential heraus naturgemäß verkraften können. Besonders drängend ist die volkswirtschaftliche Dimension279 der Schutzklauseln dann ohnehin und ihrer Gegenausnahmen für Deutschland, wo 99,7 % aller Unternehmen dem regelmäßig gefährdeten Mittelstand angehören, 70 % der Arbeitsplätze stellen und zu 57 % an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beteiligt sind280. Kleine und mittelgroße börsennotierte Unternehmen und erst Recht kleine und mittelgroße nicht-börsennotierte Unternehmen unter keinen Umständen in die Gegenausnahmen von Schutzklauseln aufzunehmen, ist damit Teil einer Rechnungslegungslösung der in diesem Buch besprochenen Grundproblematik, die nicht unerheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen würde. Eine Rechnungslegungstendenz hingegen wie sie sich in der letzten Zeit sowohl national wie international andeutet und zusehends verfestigt, könnte demgegenüber gravierenden volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.
276
Vgl. HOMMELHOFF, in: KÜTING/PFITZER/WEBER, Herausforderungen und Chancen durch weltweite Rechnungslegungsstandards, 281 (306). 277 Vgl. BÖCKING/HEROLD/MÜßIG, Der Konzern 2004, 789 (790). 278 Siehe dazu die statistischen Werte von 2004 bei KUßMAUL/HENKES, BB 2006, 2235 (2238 Abb. 3). 279 Dazu auch schon MOXTER, DB 1998, 1425 (1427) und diesem folgend SCHILDBACH, DB 1999, 645 (651).
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(a) Für die Aufgliederung der Umsatzerlöse und für den Segmentbericht: besteht aus Sicht der Anleger und damit Eigenkapitalgeber für deren Des- bzw. Investitionsentscheidung kein Bedürfnis. Soweit eine Aufgliederung finanzwissenschaftlicher Untersuchung zufolge hingegen für Fremdkapitalgeber finanzierungserheblich sein sollte und damit als grundsätzlich offenlegungspflichtig nach (1) festzulegen ist, ist die Schutzklausel nach der alten Fassung des § 314 Abs. 2 S. 1 HGB wiedereinzuführen; jedoch ohne die Berichtspflicht aus S. 2 a.F. – diese ist zu streichen; eine Gegenausnahme für große börsennotierte Kapitalgesellschaften ist zu unterlassen (entsprechend dem Jahresabschluss gemäß § 286 Abs. 2 HGB). Die Vorschrift müsste lauten: „Die Umsatzerlöse brauchen nicht nach Abs. 1 Nr. 3 aufgegliedert zu werden, soweit nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muss, dass durch die Aufgliederung einem in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen.“ Art. 45 Abs. 1 b) und Abs. 2 der Bilanz-RiL und Art. 35 Abs. 2 der Konzernbilanz-RiL bleiben unverändert. In IAS 14.3 ist in einem 3.2 und genauso in IFRS 8 in einem eigenen Punkt nach IFRS 8.2 der Zusatz einzufügen: „Dieser Standard braucht nicht angewandt zu werden, soweit nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muss, dass durch die Aufgliederung einem in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen.“ – „The entity need not disclose the information when its nature is such that it would be seriously prejudicial to any of the undertakings affected by these provisions.“ (b)Für die Beteiligungsangaben: ist an der grundsätzlichen Offenlegungspflicht festzuhalten. Ebenso ist hierfür die Schutzklausel aus § 313 Abs. 3 HGB in ihrem Tatbestand aus S. 1 und ihrer Berichtspflicht nach S. 2 sachgerecht geregelt und daher so beizubehalten. Die Gegenausnahme in S. 3 ist umzuformulieren und muss lauten: „Satz 1 gilt insoweit nicht, als ein großes Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen und das von den Angaben aus Abs. 2 betroffene Unternehmen kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d sind.“ Entsprechend ist auch § 286 Abs. 3 S. 3 HGB zu ändern. Art. 45 Abs. 1 b) der Bilanz-RiL und Art. 35 Abs. 1 b) der Konzernbilanz-RiL bleiben unverändert. In IAS 28.1 ist ein Satz 3 anzufügen: „Dieser Standard braucht nicht angewandt zu werden, soweit nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet 280
Vgl. die Zahlen bei ZABEL/CAIRNS, KoR 2005, 207 (208). Absolut gerechnet stehen in Deutschland derzeit ca. 3,098 Mio. nicht-börsennotierte Unternehmen ca. 14.500 börsennotierten Unternehmen mit Sitz in Deutschland gegenüber (davon sind 855 Unternehmen am geregelten Markt an der deutschen Börse notiert und 9.263 Unternehmen im Freiverkehr gelisteten; vgl. diese Zahlen für Juni 2008 bei http://deutsche-boerse.com/INTERNET/EXCHANGE/ zpd.nsf/KIR+Web+Publikationen/RJAN-7FGJ49/$FILE/PSGS_2008_06_ohne+XLM.pdf?Open Element (mit Stand vom 13.6.2008) sowie auf S. 46 der Kapitalmarktstatistik der DEUTSCHEN BUNDESBANK für Juni 2008 unter http://217.110.182.54/download/volkswirtschaft/kapitalmarkt statistik/2008/kapitalmarktstatistik062008.pdf (mit Stand vom 13.6.2008) sowie für den Zeitraum ab 2006 nach Auskunft des STATISTISCHEN BUNDESAMTES und der DEUTSCHEN BUNDESBANK gegenüber der Autorin; vgl. die Zahlen für das Jahr 2005 bei OEHLER, KoR 2006, 19, 19).
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
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werden muss, dass durch die Angaben dem Mutterunternehmen, einem Tochterunternehmen oder einem anderen in dem Standard bezeichneten Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen können. Die Anwendung der Ausnahme ist im Konzernanhang anzugeben. Satz 1 gilt insoweit nicht, als ein großes Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen und die anderen in dem Standard bezeichneten Unternehmen kapitalmarktorientiert sind.“ – „The entity need not disclose the information [or: The disclosure prescribed in this standard may be omitted] when its nature is such that it would be seriously prejudicial to any of the undertakings affected by these provisions, either the parent company or the subsidiary or any other entity. Any such omission must be disclosed in the notes on the accounts. The information shall be disclosed [or: This standard shall be applied] by big parent companies whose equity or debt securities and whose subsidiaries’ and whose associated companies’ equity or debt securities are publicly traded and by the latter that are in process of issuing equity or debt securities in public securities markets.“. (c) Für die Aktivierung der Entwicklungsaufwendungen: ist in § 246 Abs. 1 HGB ein entsprechender Zusatz in einem Satz 3 einzufügen, wie soeben entsprechend zu § 314 Abs. 2 HGB vorgeschlagen. Hier kann eine Berichtspflicht vorgesehen werden. In IAS 38.57 ist in einem 57.2 ein entsprechender Zusatz einzufügen wie soeben zu IAS 14.3.2 vorgeschlagen; mit gegebenenfalls zusätzlicher Berichtspflicht. (d) Für die Kapitalflussrechnung: ist in § 297 Abs. 1 HGB in einem Satz 3 und 4 der Zusatz einzufügen: „Die Angaben zur Kapitalflussrechnung brauchen insoweit nicht gemacht zu werden, soweit a) sie für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns von untergeordneter Bedeutung sind. b) nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muss, dass durch die Angaben einem in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen. c) es i.S.d. Kosten-Nutzen Analyse ein unverhältnismäßiger und unwirtschaftlicher Aufwand wäre. d) Die Angaben zum Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit, zum Cashflow aus Investitionstätigkeit und die Angaben zum Cashflow aus Finanzierungstätigkeit beteiligter Unternehmen brauchen nicht gemacht zu werden, wenn das in Anteilsbesitz stehende Unternehmen seinen Jahresabschluss nicht offen zu legen hat und das Mutterunternehmen, das Tochterunternehmen oder die für Rechnung eines dieser Unternehmen handelnde Person weniger als die Hälfte der Anteile an diesem Unternehmen besitzt.“ Eine Berichtspflicht ist nicht vorzusehen. Hinsichtlich dieser Änderungen kann die Konzernbilanz-RiL unverändert bleiben, da sie keine Mindestangabe vorsieht. In IAS 7.1 ist in einem 1.2 der Zusatz einzufügen: „This information may be omitted where, for the purpose of this standard, it is of negligible importance only“ [Dies trägt dem Grundsatz der Relevanz nach F 26-28 und dem Grundsatz der Wesentlichkeit nach F 29 und F 30 Rechnung.] „or when its nature is such that it would
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be seriously prejudicial to any of the undertakings included in the consolidation and affected by these provisions or when the benefits derived from the information do not exceed the lost of providing it [or: or when the balance between benefit and cost is disproportional].“ [Letzteres entspricht dem Grundsatz der cost/benefit balance gemäß F 44.] „The information concerning the operative cash flow, the investive cash flow and the finance cash flow of associated companies may also be omitted where the undertaking concerned does not publish its balance sheet and where less than 50 % of its capital is held (directly or indirectly) by the abovementioned undertakings.“ (3) Sollte durch die Inanspruchnahme einer solchen Offenlegungsbefreiung nach (2) im Einzelfall das Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen, sind Angaben punktuell, prägnant und anlegerrelevant insoweit zu machen, bis diese Divergenz beseitigt ist. (4) Diese Bausteine – (1) (2) (3) – sollten begleitet werden von einer generellen Einschränkung des personellen Bereichs der Offenlegungspflicht. Beschränkt werden sollte sie zumindest auf kapitalmarktorientierte Unternehmen 281. Dies entspricht im Übrigen auch der gegenwärtigen US-amerikanischen Rechtslage und der seit Langem dort praktizierten Rechtstradition. Dabei ist zu bedenken, dass sogar diese (begrenzte) Offenlegungspflicht für kapitalmarktorientierte Gesellschaften in den USA in jüngerer Zeit bereits zunehmend heftig aus Wissenschaft und For-
281
Dazu ausführlich SCHÖN, in diesem Buch, S. 563 (590 ff.), dort 4.2.4.2.2. und (601 f.), dort 4.2.4.3.3. Dies entspricht darüber hinaus auch einem allgemeinen Konsens von kleinen wie großen Unternehmen und Wissenschaftlern, die ähnlich (jedoch in gewissem Punkt sogar weitergehend) ein Absehen von der Aufstellungspflicht für KMU fordern (vgl. dazu die Auswertung der Umfrage aus 2002 von MANDLER, StuB 2003, 680, 682 Übersicht 3 Frage 2); die Aufstellungspflicht gänzlich abzuschaffen, ist mit Blick auf die Ausschüttungs- und Steuerbemessung anhand der Rechnungslegung zwar nicht durchführbar, ein Abschaffen der Offenlegungspflicht auf dem Finanzmarkt für KMU ist jedoch sachgerecht. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist daher die Äußerung der Bundesregierung im Rahmen der Begründung zum Regierungsentwurf zum BilMoG: Dort weist die Bundesregierung eigens darauf hin, dass aus der Offenlegungspflicht als solcher bei kleinen Unternehmen bereits typischer Weise erhebliche Wettbewerbsgefahren drohen (siehe dazu schon in Fn. 36; vgl. in der Begründung zum RegE-BilMoG (Fn. 15), S. 72). Auf dem richtigen Weg ist auch die EU-Kommission: Zum einen mit der außerturnusmäßigen Anhebung der Schwellenwerte für kleine und mittlere Unternehmen um 20 % in der Änderungsrichtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.8.2006 (ABl. L 224, 1), die die Bundesregierung insoweit bereits mit dem BilReG von 2005 vorwegnehmend in deutsches Recht umgesetzt hatte (dazu auch bei MADZIAR/TIEDJE, IRZ 2006, 5, 7). Zum anderen mit dem Diskussionsvorschlag, Kleinstunternehmen (Micro Enterprises) völlig von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht freiszustellen und kleine Gesellschaften von der Offenlegung des Jahresabschlusses zu befreien (siehe Mitteilung der Kommission über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung v. 10.7.2007, KOM (2007) 394 endg., Abschn. 4 und Anhang 4, Abschn. 1 und 3; siehe dazu auch bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563, 566, dort bei Fn. 8).
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schung kritisiert wird 282 – vor allem mit Blick auf die zunehmende Informationsflut, ja -überflutung durch ständig steigende Publizitätspflichten. Angesichts der begrenzten ökonomischen Effizienz von Information am Kapitalmarkt und mit Blick auf eine internationale und interkontinentale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen ist auch auf dem kontinentaleuropäischen Festland eine solche Trendwende im Verständnis von Offenlegung und der Bewertung und Bewirtschaftung von Information einzuläuten.283 284 (Dazu näher unten im Beitrag von Schön, in Kapitel 4.2.). Die internationale Rechnungslegung für kleine und mittelgroße Unternehmen (IAS light) sollte demgegenüber für alle anderen, d.h. alle nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen gelten, für den Fall, dass diese sich trotzdem für eine freiwillige Offenlegung (sog. optional disclosure) entscheiden. Eine solche Rechnungslegung muss daher konzipiert werden für die im Wettbewerb am Produktmarkt gefährdeten Bedürnisse der KMU einschließlich der Mittelständler; d.h. eben neben den kleinen und mittelgroßen Unternehmen (sog. mid- and small-caps285) einschließlich des Mittelstandes auch für Tochterunternehmen von kapitalmarktorientierten Konzerngesellschaften und für alle großen, aber dennoch eigentümergeführten, nicht gelisteten Unternehmen. – Für kleine und mittlere Unternehmen ist es systematisch und gesellschaftsverfassungsrechtlich allein adäquat, eine externe Publizität auf die freiwillige Offenlegung zu reduzieren, weil bei allen diesen KMU typischerweise der Gesellschafterkreis mit dem der Geschäftsführung (nahezu) übereinstimmt, sie also regelmäßig sozusagen eigentümergeführt sind286. Bei ihnen herrscht nicht die für börsennotierte Unternehmen typische Informationsasym-
282
Siehe zu dieser US-amerikanischen Diskussion und Rechtslage näher bei SCHÖN, in diesem Buch, S. 563 (565), dort bei 4.2.1.2. Fn. 4 und (589 f.), bei 4.2.4.2.1, sowie kurz bei EBKE, BB 2005, Heft 45, I a.E. Empirischer Beleg aus den USA für einen geringen betriebswirtschaftlichen Nutzen aus einer Pflichtpublizität bei Unternehmen, die nicht auf Fremdfinanzierung am Finanzmarkt und sonstige Finanzierung von Außen ausgerichtet sind, von BUSHEE/LEUZ, JoA&E 2005, 233 (234 f.) und (261). 283 PELLENS und (diesem folgend) MARX/DALLMANN sowie EBKE sind bislang die ersten Vertreter aus dem deutschen Schrifttum, die diese von den USA angeführten Nichtoffenlegungs-Diskussion bereits aufgreifen (siehe MARX/DALLMANN, BB 2004, 929 (935) Fundstellennachweis dort bei Fn. 128 – wenngleich sie in ihren Reformansätzen und Schlussfolgerungen noch zu verhalten sind; sowie EBKE, BB 2005, Heft 45, I a.E.). 284 Im Übrigen spielt dies auch den Charakteristika des deutschen Kapitalmarktes zu, der eine geringe Aktienbesitzstreuung und eine Konzentration auf einige wenige Großaktionäre, dafür mit umso höherem Anteilsbesitz aufweist und damit (in der Corporate Governance) als sog. Insidersystem gilt; für dieses ist eine umfassende Unternehmenspublizität gesamtwirtschaftlich weniger bedeutsam (vgl. jüngst erst BRINKMANN/V. HENNIGS/LEIBFRIED/SPIEß/VOLKERS, KoR 2008, 411 (414) Abb. 1; bei BERNDT/HOMMEL, BFuP 57, 2005, 407 (419) mit Verweis auf BOLTON/V. THADDEN). Letztlich kommt dies auch der sog. „kontinentaleuropäischen (Nicht-) Offenlegungspolitik“ (KUNTZE-KAUFHOLD, BB 2006, 428, dort in Fn. 2) entgegen. 285 So ZABEL/CAIRNS, KoR 2005, 207 (210). 286 Im Unterschied zur Führung durch ein Management (dazu auch SCHÖN, in diesem Buch, S. 563, 601, dort bei 4.2.4.3.2) letzter Absatz sowie bereits 2001 der ARBEITSKREIS EXTERNE UNTERNEHMENSRECHNUNG DER SCHMALENBACH-GESELLSCHAFT, DB 2001, 160 mit positivem Kommentar dazu von WATRIN, DB 2001, 933 (935). Auch das IASB hat diese Eigentümerführung der KMU schon im Diskussionspapier (DP-SME; Preliminary Views on Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities (Fn. 205 a.E.), Rn. 18) erkannt. Abzulehnen ist daher die a.A. von KARLHEINZ KÜTING in Punkt 1 und 4 seiner Saarbrücker Thesen zur Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts (BB 2004, I) oder CHRIS NOBES in der
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metrie287. Überdies sind die KMU regelmäßig diejenigen Unternehmen, die anders als die quantitativ großen Unternehmen, wie in dem Beitrag gesehen, einem stärkeren Wettbewerbsumfeld ausgesetzt sind288, was letztlich dazu führt, dass im Mittelstand und bei den übrigen KMU der Vorteil der Transparenz in keinem Verhältnis zum Wettbewerbsnachteil und einem Wettbewerbsschaden steht289.290 Um einzelstaatlichen Abweichungen vorzubeugen, ist der Anwenderkreis für die Pflichtoffenlegung (der kapitalmarktorientierten Gesellschaften) und für die freiwillige Offenlegung (aller anderen Gesellschaften) in der Bilanz- und der Konzernbilanz-RiL einheitlich verbindlich festzuschreiben.291
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tivem Kommentar dazu von WATRIN, DB 2001, 933, 935). Auch das IASB hat diese Eigentümerführung der KMU schon im Diskussionspapier (DP-SME; Preliminary Views on Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities (Fn. 205 a.E.), Rn. 18) erkannt. Abzulehnen ist daher die a.A. von KARLHEINZ KÜTING in Punkt 1 und 4 seiner Saarbrücker Thesen zur Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts (BB 2004, I) oder C HRIS NOBES in der britischen Reformdiskussion (nachzulesen bei BOLTON, Accountancy März 2006, 90, 91) und die zu halbherzige und damit inkonsequente These von HEINTGES (DB 2006, 1569, 1572). Eine Untersuchung des BUNDESVERBANDES DER DEUTSCHEN INDUSTRIE (BDI) (dazu bei KUßMAUL/HENKES, BB 2006, 2235, 2239 bei Fn. 68) bestätigt, dass erst bei mittelgroßen Unternehmen ab 100 Mitarbeitern eine gemischt geführte Unternehmensstruktur anzutreffen ist und eine rein fremdgeführte Unternehmensstruktur erst ab 500 Mitarbeitern; d.h. (gemäß der quantitativen Größenkriterien nach § 267 HGB) ist erst bei großen Unternehmen eine reine Informationsasymmetrie zu Nicht-Gesellschafter-Geschäftsführern üblich. Dies stellen auch heraus: GAMPER/VOLKART/WILDE, Der Schweizer Treuhänder 2006, 642 (644) sowie MANDLER, StuB 2003, 680 (681) sowie Ergebnis bei den Umfrageteilnehmern (ebenda, 682 mit Übersicht 3 Frage 1); so auch BÖCKING/HEROLD/MÜßIG, Der Konzern 2004, 664 (669, 670 bei Fn. 71): nur 14-20 % der mittelständischen Unternehmen sind managementgeführt – mit dem Hinweis, dass die geläufige Eigentümerführung im Mittelstand aus Geheimnisschutzgründen gar nicht anders gewollt ist. Dies dringt auch implizit in der Diskussion im britischen Reformprozess zu den „Financial Reporting Standards for Smaller Entities“ (sog. FRSSE) von 1997 durch, wenn dort als sinnvollste Lösung eine je nach der Eigentümerstruktur unterschiedliche Rechnungslegung unterstützt wird (vgl. dazu bei EIERLE, BB 2004, 987, 989 bei Fn. 25 mit entsprechenden Nw. sowie deutlich auf 991 m.w.N. dort in Fn. 62 und auf 992). 287 Siehe dazu bereits im Zusammenhang in der vorigen Fn. 286. 288 Vgl. dazu auch bei GAMPER/VOLKART/WILDE, Der Schweizer Treuhänder 2006, 642 (644) m.w. Verweis auf ein Arbeitspapier von LEUNG/MORRIS/GRAY dort in Fn. 14 (widersprüchlich und unbegründet daher DIES., ebenda, 646). 289 So das Zitat aus dem deutschen Mittelstand (nachzulesen bei POLL, IRZ 2006, 83, 85 Mitte) und so implizit auch BEATER, in: MüKo-HGB, § 267 Rn. 1 und diesem folgend NIEMEIER, WPg 2006, 173 (185). 290 So auch die Auswertung der Umfrage (bereits 2002) von MANDLER, StuB 2003, 680 (682) Übersicht 3 Frage 2 sowie das Ergebnis der empirischen Studie von MEYER/SCHILL/BÜTLER, Der Schweizer Treuhänder 2004, 1097 (1104 mit Abb. 7): mit besonders niedrigen Werten bei der Frage der Verbesserung der Wettbewerbsposition der Schweizer Unternehmen durch eine Rechnungslegung nach IAS/IFRS. Dies zeigt auch der Misserfolg des GEX der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB), der als gedachter Mittelstandsindex aufgrund seiner erhöhten Transparenzanforderungen und dem Personal- und Kostenaufwand sowie dem Wettbewerbsrisiko zu keinem nennenswerten Listing mittelständischer Unternehmen geführt hat (so in seinem Urteil auch OELKE, BKR 2006, 7, 9). 291 Mit dieser Forderung unterstützt von HALLER/EIERLE, BB 34/2004, 1838 (1841) und BEIERSDORF, StuB 2005, 762 (763).
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Literatur AMERICAN I NSTITUTE OF CERTIFIED PUBLIC ACCOUNTANTS (AICPA) (HRSG.) AMERICAN I NSTITUTE OF CERTIFIED PUBLIC ACCOUNTANTS AICPA (HRSG.) ALVAREZ, MANUEL/ BÜTTNER, MANUEL ARBEITSKREIS BILANZRECHT DER HOCHSCHULLEHRER RECHTSWISSENSCHAFT (AKHR) ARBEITSKREIS EXTERNE UNTERNEHMENSRECHNUNG DER SCHMALENBACH-GESELLSCHAFT
AUER, KURT VINZENZ
BAETGE, JÖRG
BAETGE, JÖRG/ APELT, BERND
BAETGE, JÖRG/ FISCHER, THOMAS R./ PASKERT, DIERK BAETGE, JÖRG/ HEUMANN, RAINER BAETGE, JÖRG/ HEUMANN, RAINER/ SICKMANN, ERIC/ STELLBRINK, JÖRN/ RICHTER, MICHAEL BAETGE, JÖRG/ DÖRNER, DIETRICH/ KLEEKÄMPER, HEINZ/ WOLLMERT, PETER/ KIRSCH, HANS-J ÜRGEN (HRSG.) BALLWIESER, WOLFGANG BALLWIESER, WOLFGANG/ KÜTING, KARLHEINZ/ SCHILDBACH, THOMAS
Improving Business Reporting: A Customer Focus: Meeting the Information Needs of Investors and Creditors, New York 1994. Accounting Trends & Techniques, Jersey City, N.J. 1997.
ED 8 Operating Segments: Der neue Standardentwurf des IASB zur Segmentberichterstattung im Kontext des „Shortterm Project“ von IASB und FASB, KoR 2006, S. 307 ff. Zur Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts, BB 2002, S. 2372 ff. Die Zukunft der Rechnungslegung aus Sicht von Wissenschaft und Praxis: Fachprogramm des Arbeitskreises Externe Unternehmensrechnung im Rahmen des 54. Deutschen Betriebswirtschafter-Tags, DB 2001, S. 160 ff. Internationale Rechnungslegungsstandards: Ein Plädoyer für Transparenz und Vergleichbarkeit, Kreditwesen 1999, S. 373 ff. Diskussion zu den Vorträgen von Prof. Dr. Ulrich Lehner, Dr. Christoph Ernst, Prof. Dr. Norbert Herzig, in: BAETGE, JÖRG (Hrsg.), Übergang der Rechnungslegung vom HGB zu den IFRS: Vorträge und Diskussionen zum 19. Münsterischen Tagesgespräch des Münsteraner Gesprächskreises Rechungslegung und Prüfung e.V. am 22. Mai 2003, Düsseldorf 2004, S. 83 ff. Konsequenzen des Verstoßes gegen die Offenlegungsvorschriften des HGB: Analyse möglicher Folgen bei unterlassener Offenlegung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter besonderer Berücksichtigung der geplanten EG-Mittelstandsrichtline, DB 1988, S. 1709 ff. Der Lagebericht, Aufstellung, Prüfung und Offenlegung, Stuttgart 1989. Value Reporting in Konzernlageberichten, IRZ 2006, S. 39 ff. „Der große Bluff: Wie die Konzerne ihre Bilanzen schönen“, Manager-Magazin von 5/2003, S. 128 ff.
Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS): Kommentar auf der Grundlage des deutschen Bilanzrechts, 2. Aufl., 5. Ergänzungslieferung von Dezember 2007, Stuttgart 2007. IFRS für nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen?, IRZ 2006, S. 23 ff. Fair value: erstrebenswerter Wertansatz im Rahmen einer Reform der handelsrechtlichen Rechnungslegung?, BFuP 2004, S. 529 ff.
360 BAUMBACH, ADOLF/ HOPT, KLAUS J. (HRSG.)
BEIERSDORF, KATI BEIERSDORF, KATI/ BUCHHEIM, REGINE BERGER, AXEL/ ELLROTT, HELMUT/ FÖRSCHLE, GERHART/ HENSE, BURKHARD (HRSG.) BERNARDS, OLIVER
BERNDT, THOMAS BERNDT, THOMAS/ HOMMEL, MICHAEL BERTL, ROMUALD BLAUFUS, KAY BÖCKING, HANS-JOACHIM
BÖCKING, HANS-JOACHIM/ HEROLD, CHRISTIAN/ MÜßIG, ANKE BÖCKING, HANS-JOACHIM/ HEROLD, CHRISTIAN/ MÜßIG, ANKE BÖCKING, HANS-JOACHIM/ LOPATTA, KERSTIN/ RAUSCH, BENJAMIN
BÖMELBURG, PETER/ KELLER, BERND
BOLTON, LESLEY BORN, KARL
Susanne Eßbauer
Handelsgesetzbuch: mit GmbH &Co., Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 33. Aufl., München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: BAUM BACH/HOPT). IASB-Projekt: Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities (SME), StuB 2005, S. 762 ff. IASB-Diskussionspapier „Management Commentary“: Export des deutschen Lageberichts als Managementbericht?, BB 2006, S. 96 ff. Beck’scher Bilanz-Kommentar: Handels- und Steuerrecht, §§ 238 bis 339 HGB, 3. Aufl., München 1995, sowie 5. Aufl., München 2003 (zitiert: BEARBEITER, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar). Segmentberichterstattung diversifizierter Unternehmen: theoretische und empirische Analyse, Bergisch Gladbach 1994. Wahrheits- und Fairnesskonzeption in der Rechnungslegung, Stuttgart 2005. Konzernrechnungslegung zwischen Konvergenz und Wettbewerb: US-GAAP, IFRS oder Euro-IFRS?, BFuP 57 (2005), S. 407 ff. Rechnungslegung im Umbruch, RWZ 2005, S. 12 ff. Fair Value Accounting: Zweckmäßigkeitsanalyse und konzeptioneller Rahmen, Wiesbaden 2005. Segmentberichterstattung: Ein Baustein zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich!, in: DÖRNER, DIETRICH/ MENOLD, DIETER/ PFITZER, NORBERT, (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung: KontraG, KapAEG, EuroEG, StückAG, 1. Aufl., Stuttgart 1999, S. 509 ff. IFRS für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, Der Konzern 2004, S. 664 ff. Zur Notwendigkeit modifizierter IFRS für kleine und mittlere Unternehmen: Das IASB-Diskussionspapier „Preliminary Views on Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities“, Der Konzern 2004, S. 789 ff. Fair Value-Bewertung versus Anschaffungskostenprinzip: Ein Paradigmenwechsel in der Rechnungslegung?, in: BIEG, HARTMUT/ HEYD, REINHARD (Hrsg.), Fair Value: Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, München 2005, S. 83 ff. BilReG, BilMoG, IFRS und EHUG: Kein Ende der Änderungen in Rechnungslegung und Publizität in Sicht, unter http://www.roedl.de/inhalt/aktuell/ mittelstandstag/2006/ pdf/1100_BilReG_BilMoG _IFRS_EHUG_ Boemelburg_Keller_.pdf (mit Stand vom 10.10.2006). Recipe for dissent, Accountancy March 2006, S. 90 ff. Rechnungslegung international: Konzernabschluss nach IAS, US-GAAP, HGB und EG-Richtlinien, 2. Aufl., Stuttgart 1999.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
BREKER, NORBERT
BRINKMANN, RALPH/ HENNIGS, REINHARD VON/ LEIBFRIED, PETER/ SPIEß, ALEXANDER/ VOLKERS, ARNE BROMWICH, MICHAEL
BRÜGGEMANN, BENEDIKT/ LÜHN, MICHAEL/ S IEGEL, MIKOSCH, BRUGGINK, BERT
BUCHHOLZ, RAINER
BUDDE, WOLFGANG DIETER
361
Änderungsmöglichkeiten der deutschen Rechnungslegung durch die geplante Bilanzrechtsmodernisierung, in: FREIDANK, CARL -CHRISTIAN (Hrsg.), Reform der Rechnungslegung und Corporate Governance in Deutschland und Europa, Wiesbaden 2004, S. 1 ff. Aktuelle Entwicklungen: International Accounting, Zukunft des deutschen Bilanzrechts sowie des US-Steuer- und – Wirtschaftsrechts: Tagungsbericht zum 4. Gesprächskreis der German CPA Society e.V. am 18.04.2008 in Heidelberg, KoR 2008, 411 ff. Aspects of the Future in Accounting: The Use of Market Prices and „Fair Values“ in Financial Reports, in: LEUZ, CHRISTIAN/ PFAFF, DIETER/ HOPWOOD, ANTHONY (Hrsg.), The Economics and Politics of Accounting: international perspectives on research trends, policy, and practice, Oxford 2004, S. 32 ff. Bilanzierung hybrider Finanzinstrumente nach HGB, IFRS und US-GAAP im Vergleich, KoR 2004, S. 340 ff. und S. 389 ff. Fair Value Accounting will result in less transparency and more volatility in bank’s financial reporting, in LANGENDIJK, HENK/ SWAGERMAN, DIRK/ VERHOOG, W ILLEM (Hrsg.), Is Fair Value Fair?: Financial Reporting from an International Perspective, West Sussex 2003, S. 255 ff. IAS für mittelständische Unternehmen?: Vor- und Nachteile neuer Rechnungslegungsvorschriften in Deutschland, DStR 2002, S. 1280 ff. Rechnungslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, in: BALLWIESER, WOLFGANG (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt: Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Adolf Moxter, Düsseldorf 1994, S. 33 ff.
BUDDE, WOLFGANG DIETER/ STEUBER, ELGIN
Rechnungslegung im Spannungsfeld zwischen Gläubigerschutz und Information der Gesellschafter, AG 1996, S. 542 ff.
BUNDESMINISTERIUM DER FINANZEN (BMF)
Äußerung v. 15.2.2006, unter http://www.bundesfinanzministerium. de/cln_03/nn_584/DE/Geld__und__Kredit/Aktuell/002.html (mit Stand vom 10.1.2007). Monatsbericht: Januar 2006, unter http://www. bundesfinanzministerium.de/lang_DE/nn_17844/DE/ BMF__Startseite/Aktuelles/Monatsbericht__des__BMF/ 2006/01/060126agmb005,templateId=raw,property= publicationFile.pdf (mit Stand vom 31.5.2006). Auswirkungen der Umstellung von HGB auf IFRS auf zentrale Kennzahlen des Jahresabschlusses, PiR 2006, S. 134 ff. Zur Reform der Bilanzierung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nach IAS 38, KoR 2006, S. 729 ff. Economic consequences of SEC disclosure regulation: evidence from the OTC bulletin board, JoA&E 2005, S. 233 ff.
BUNDESMINISTERIUM DER FINANZEN (BMF)
BURGER, ANTON/ FELDRAPPE, TOBIAS/ ULBRICH, PHILIPP BURGER, ANTON/ ULBRICH, PHILIPP/ KNOBLAUCH, JENS BUSHEE, BRIAN J./ LEUZ, CHRISTIAN
362 BUSSE VON COLBE, WALTHER
CAIRNS, DAVID CARSTENSEN, BRITTA/ LEIBFRIED, PETER CASTAN, EDGAR/ BÖCKING, HANS-JOACHIM/ HEYMANN, GERD/ PFITZER, NORBERT/ SCHEFFLER, EBERHARD (HRSG.) COENENBERG, ADOLF GERHARD CORMIER, DENIS/ MAGNAN, MICHEL/ VAN VELTHOVEN, BARBARA DASKE, HOLGER
DASKE, HOLGER
DEILMANN, BARBARA
DILKS, IAN DIßARS, ULF-CHRISTIAN DOHRN, MATTHIAS DRUEY, JEAN NICOLAS DRUEY, JEAN NICOLAS EBKE, WERNER F. EDWARDS, PAMELA/SMITH, RICHARD A. EIERLE, BRIGITTE EKHOLM , ANDERS ENGEL-CIRIC, DEJAN ENGEL-CIRIC, DEJAN
Susanne Eßbauer
Kleine Reform der Konzernrechnungslegung durch das TransPuG: Ein weitere Schritt zur Internationalisierung und Kapitalmarktorientierung, BB 2002, S. 1583 ff. IFRS/US GAAP convergence, Accountancy July 2006, S. 93. Auswirkungen von IAS/IFRS auf mittelständische GmbH und GmbH & Co. KG, GmbHR 2004, S. 864 ff. Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung: HGB und IFRS, Bd. 1: München, Stand Dezember 2007, Bd. 2: München, Stand Dezember 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Bd.). Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 17. Aufl., Landsberg am Lech, 2000. Environmental Disclosure Quality in Large German Companies: Economic Incentives, Public Pressures or Institutional Conditions?, EAR 2005, S. 3 ff. Internationale Rechnungslegung und Kapitalkosten: Zum Stand der empirischen Rechnungswesenforschung, BFuP 57 (2005), S. 455 ff. Economic benefits of adopting IFRS or US-GAAP: Have the expected cost of equity capital rally decreased?, JoBFA 2006, S. 329 ff. EHUG: Neuregelung der Jahresabschlusspublizität und mögliche Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB, BB 2006, S. 2347 ff. Lessons learned: steady as she goes, Accountancy June 2006, S. 78 ff. Freiwillige Bestandteile des Jahresabschlusses nach HGB, INF 2005, S. 835 ff. Entscheidungsrelevanz des Fair Value Accounting am Beispiel von IAS 39 und IAS 40, Lohmar 2004. Information als Gegenstand des Rechts, Zürich 1995. Ist Geheimnisschutz schützenswert?, BJM 2005, S. 57 ff. Klare Worte zur Publizität der GmbH & Co.KG, BB 2005, Heft 45, S. I: Die Erste Seite. Competitive disadvantage and voluntary disclosures: the case of segmental reporting, in British Accounting Review, 1996, S. 155 ff. UK Financial Reporting Standards for Smaller Entities: Ein Modell für das IASB?, BB 2004, S. 987 ff. How do different types of investors react to new earnings information?, JoBFA 2006, S. 127 ff. Die Bewertung von Immobilien nach IAS 40, BC 2001, S. 125 ff. Einschränkung der Aussagekraft des Jahresabschlusses nach IAS durch bilanzpolitische Spielräume, DStR 2002, S. 780 ff.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
ERNST & YOUNG UND BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE (BDI) (HRSG.) ERNSTING, INGO/ KEITZ, ISABEL VON EWERT, RALF/ WAGENHOFER, ALFRED FEY, GERD/ DEUBERT, MICHAEL FEY, GERD/ MUJKANOVIC, ROBIN FINK, CHRISTIAN/ ULBRICH, PHILIPP FISCHER, THOMAS M./ KLÖPFER, ELISABETH FISCHER, THOMAS M./ KLÖPFER, ELISABETH/ STERZENBACH, SVEN FLEISCHER, HOLGER FORSTER, KARL-HEINZ/ GOERDELER, REINHARD/ LANFERMANN, JOSEF/MÜLLER, HANS-PETER/ SIEPE, GÜNTER/ STOLBERG, KLAUS (HRSG.) FREIBERG, JENS FREISLEBEN, NORBERT/ LEIBFRIED, PETER
GAMM, KEVIN FREIHERR VON GAMPER, PHILIPP CH./ VOLKART, RUDOLF/ WILDE, MARISA GASSEN, J OACHIM
GEBHARDT, S VEN/ LEOPRECHTING, GUNTER FREIHERR VON GOEBEL, ANDREA
363
Rechnungslegung im Umbruch: Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage bei der deutschen Industrie, BDI-Drs. 369, ISSN 0407-8977, unter http://www.bdi-online.de/Dokumente/BroschuereRechnungslegung_im_Umbruch.pdf (mit Stand vom 27.6.2006). Bilanzierung von Rückstellungen nach IAS 37: Eine kritische Analyse des neuen Standards sowie ein Vergleich zu IAS 10, DB 1998, S. 2477 ff. Unternehmenspublizität und Konkurrenzwirkungen, ZfB 1992, S. 297 ff. Befreiender IFRS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB für Zwecke der Offenlegung, KoR 2006, S. 92 ff. Segmentberichterstattung im interantionalen Umfeld, in DBW 1999, S. 261 ff. Segmentberichterstattung nach ED 8: Operating Segments, KoR 2006, S. 233 ff. Bilanzpolitik nach IFRS: Sind die IFRS objektiver als das HGB?, KoR 2006, S. 709 ff. Beurteilung der Rechnungslegung nach IAS: Ergebnisse einer Befragung deutscher börsennotierter Unternehmen, WPg 2004, S. 694 ff. Organpublizität im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, NZG 2006, S. 561 ff. Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen: Kommentar zum HGB, AktG, GmbHG, PublG nach den Vorschriften des Bilanzrichtlinien-Gesetzes: 2. Teilbd., 6. Aufl., Stuttgart 1995 (zitiert: BEARBEITER, in: ADLER/ DÜRING/SCHMALTZ). Fair value-Bewertung von Finanzinstrumenten bei illiquiden Märkten, PiR 2007, S. 361 ff. Warum IAS/IFRS-Abschlüsse nicht (miteinander) vergleichbar sind: Fehlende Detailregelungen, Auswirkungen von US-GAAP und Mangel an Kontrolle, KoR 2004, S. 101 ff. Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, Köln u.a. 1998. Value Reporting und aktive Investor Relations: Instrumente der Transparenzsteigerung, Der Schweizer Treuhänder 2006, S. 642 ff. Entscheidungsnützlichkeit über alles?: Überlegungen zum aktuellen IASB/FASB-Rahmenkonzeptentwurf, Vortrag auf dem Munich Workshop for Accounting and Auditing (MWAA) 2006/07, am 8.11.2006, in München. Checkliste: Bilanzpositionen: Checkliste zur Unternehmensanalyse, BBB 2006, S. 192 ff. Möglichkeiten und Probleme einer Anwendung der International Accounting Standards: Anpassungsstrategien für deutsche Konzerne, DStR 1995, S. 1037 ff.
364 GROENEVELD, JOOST G.
GU, FENG/ WANG, WEIMIN HAAKER, ANDREAS/ PAARZ, MICHAEL HAIL, LUZI/ LEUZ, CHRISTIAN
HALLER, AXEL
HALLER, AXEL/ EIERLE, BRIGITTE
HALLER, AXEL/ PARK, PETER HANFT, STEPHAN/ KRETSCHMER, THOMAS HARTMAN, CRAIG HEINTGES, SEBASTIAN
HENNRICHS, JOACHIM HEUMANN, RAINER HEUSER, PAUL J./ THEILE, CARSTEN HEUSER, PAUL J./ THEILE, CARSTEN HITZ, JÖRG-MARKUS HITZ, JÖRG-MARKUS HOFFMANN, WOLF-DIETER
HOFFMANN, WOLF-DIETER/ LÜDENBACH, NORBERT
Susanne Eßbauer
Financial statements are a result of policy and not a factor informing policy, in: LANGENDIJK, HENK/ S WAGERMAN, DIRK/ VERHOOG, WILLEM (Hrsg.), Is Fair Value Fair?: Financial Reporting from an International Perspective, West Sussex 2003, S. 265 ff. Intangible Assets, information complexity, and analysts’ earnings forecasts, JoBFA 2005, S. 1673 ff. Die Segmentberichterstattung als Informationsinstrument: Gewährleisten die Regelungen des IAS 14 eine zweckadäquate Segmentabgrenzung?, KoR 2005, S. 194 ff. International differences in the cost of equity capital: Do legal institutions and securities regulations matter?, JoAR 2006, S. 485 ff. IAS 14: Segmentberichterstattung (Segment Reporting), in: BAETGE, JÖRG/ DÖRNER, DIETRICH/ KLEEKÄMPER, HEINZ/ WOLLMERT, PETER/ KIRSCH, HANS-JÜRGEN (Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS): Kommentar auf der Grundlage des deutschen Bilanzrechts, 2. Aufl., Stuttgart 2003. Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities:Erste Weichenstellungen durch das IASB, BB 2004, S. 1838 ff. Grundsätze ordnungsmäßiger Segmentberichterstattung, ZfbF 1994, S. 499 ff. Quartalspublizität am Neuen Markt, AG 2001, S. 84 ff. Data: Is more better … or is it simply more?, BAA&F 2006, S. 39 ff. Entwicklung der Rechnungslegung nach internationalen Vorschriften: Konsequenzen für deutsche Unternehmen, DB 2006, S. 1569 ff. Unternehmensfinanzierung und IFRS im deutschen Mittelstand, ZHR 170 (2006), S. 498 ff. Value Reporting in IFRS-Abschlüssen und Lageberichten, Düsseldorf 2005. IAS-Handbuch, Köln 2003. Auswirkungen des Bilanzrechtsreformgesetzes auf den Jahresabschluss und Lagebericht der GmbH, GmbHR 2005, S. 201 ff. Rechnungslegung zum fair value: Konzeption und Entscheidungsnützlichkeit, Frankfurt a.M. 2005. Fair Value in der IFRS-Rechnungslegung: Konzeption, Inhalt und Zweckmäßigkeit, WPg 2005, S. 1013 ff. Anmerkungen über den Grundsatz der Wesentlichkeit im Anhang: Ein Beitrag zur Entwicklung von Grundsätzen ordnungsmäßiger Berichterstattung, BB 1986, S. 1050 ff. Die imparitätische Berichterstattung des Abschlussprüfers nach § 321 Abs. 2 Satz 4 HGB n.F., DB 2003, S. 781 ff.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
HOFMANN, S TEFAN
HOMMEL, MICHAEL HOMMELHOFF, PETER
HOPE, OLE-KRISTIAN/ THOMAS, WAYNE B./ WINTERBOTHAM , GLYN HOSSAIN, MAHMUD/ AHMED, KAMRAN/ GODFREY, JAYNE M. HÜFFER, UWE HÜTTCHE, TOBIAS HÜTTCHE, TOBIAS HÜTTEMANN, RAINER
HUBER, JÜRGEN/ KIRCHLER, MICHAEL/ S UTTER, MATTHIAS INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER (IDW) (HRSG.)
INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.) INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.) INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.)
INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.)
365
IFRS als „Spielball der Bilanz-Jongleure“?: Zum Risiko des Gestaltungsmissbrauchs in der internationalen Rechnungslegung, ZCG 2006, S. 72 ff. Neue Goodwillbilanzierung: das FASB auf dem Weg zur entobjektivierten Bilanz?, BB 2001, S. 1943 ff. Corporate Governance, Rechnungslegung und Abschlussprüfung vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, in KÜTING, KARLHEINZ/ PFITZER, NORBERT/ WEBER, CLAUSPETER (Hrsg.), Herausforderungen und Chancen durch weltweite Rechnungslegungsstandards: Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung und integrierte Unternehmenssteuerung, Stuttgart 2004, S. 281 ff. The impact of nondisclosure of geographic segment earnings on earnings predictability, JoAA&F 2006, S. 323 ff. Investment opportunity set and voluntary disclosure of prospective information: a simultaneous equations approach, JoBF&A 2005, S. 871 ff. Aktiengesetz, 8. Aufl., München 2008. Der deutsche IAS-Einzelabschluss: Wolf im Schafspelz oder Papiertiger?, DStR 2004, 1189 ff. Typologische Bilanzanalyse: Qualitative Auswertung von IFRS-Abschlüssen, KoR 2005, S. 318 ff. BB-Gesetzgebungsreport: Internationalisierung des deutschen Handelsbilanzrechts im Entwurf des Bilanzrechtsreformgesetzes, BB 2004, S. 203 ff. Vom Nutzen zusätzlicher Information auf Märkten mit unterschiedlich informierten Händlern: Eine experimentelle Studie, zfbf 2006, S. 188 ff. Position des IDW zum Entwurf des Transparenz- und Publizitätsgesetzes und zum Diskussionsentwurf des Corporate Governance Kodex, v. 7.1.2002, unter http://www.idw.de/ idw/generator/property=Datei/id=332414.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). Discussion Paper: Management Commentary (MC), v. 27.10.2005, unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/ 0FE78C14-8AF9-4CFB-A764-40B1A08E0DF5/0/DPManagement Commentary.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). Exposure Draft: ED 8 Operating Segments, v. Januar 2006, unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/285C0612-D703405E-B675-4D9F7D03645E/0/ED8_Standard.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). Discussion Paper: Preliminary Views on Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities, v. Juni 2004, unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/40DFAE7D3B5F-4764-AF05-0E2F0252F7E7/0/DPonSMEs.pdf (mit Stand vom 13.5.2008). Exposure Draft of a proposed IFRS for Small and Mediumsized Entities, (ED), 2007, unter http://www.iasb.org/NR/ rdonlyres/DFF3CB5E-7C89-4D0B-AB85-BC099E84470F/ 0/SMEProposed26095.pdf (mit Stand vom 13.5.2008).
366 INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.)
INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.)
Susanne Eßbauer
Discussion Paper: Fair Value Measurements: Part 1: Invititation to Comment and relevant IFRS guidance, v. November 2006, unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/ 6C8AF291-EB14-4034-84F1-54305F72024D/0/DDFairValue.pdf (mit Stand vom 13.5.2008) und Part 2: SFAS 157 Fair Value Measurements, v. November, unter http:// www.iasb.org/NR/rdonlyres/5D20E453-26D3-4E0AAB08-FC391917FD89/0/DDFairValue2.pdf (mit Stand vom 13.5.2008) . Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 1 Presentation of Financial Statements: A Revised Presentation, (ED IAS 1), v. September 2007, unter http://www.iasb.org/NR/ rdonlyres/BDD7DFE3-59D4-478B-B3ADF18B9924ECDA/0/EDAmdmtstoIAS1.pdf (mit Stand vom 13.5.2008).
INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.)
IASB/FASB, Discussion Paper: Preliminary Views on an Improved Conceptual Framework for Financial Reporting: The Objective of Financial Reporting and Qualitative Characteristics of Decision-useful Financial Reporting Information, vom 4.8.2006, unter http://www.iasb.org/NR/ rdonlyres/4651ADFC-AB83-4619-A75A-4F279C175006/ 0/DP_Conceptual Framework.pdf (mit Stand vom 31.5.2008).
INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (HRSG.)
[Draft] International Financial Reporting Standards for Small and Medium-sized Entities (Staff Draft of Proposed Exposure Draft), v. 4.8.2006, zum Erlasszeitpunkt 2006 abrufbar gewesen unter http://www.iasb.org/. Implementing IFRS from the perspective of EU publicly traded companies, JoIAAT 15 (2006), S. 170 ff. Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts: Die Möglichkeiten eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes für den Einzelabschluss, DStR 2005, S. 489 ff. und S. 532 ff. Steuerliche Gewinnermittlung unter dem Einfluss der IAS/ IFRS, IRZ 2006, S. 87 ff. Zum Entwurf eines gemeinsamen Rahmenkonzepts von FASB und IASB: Rechnungslegungsziele und qualitative Anforderungen, KoR 2006, S. 521 ff. in BB 34/2004, S. VI. Rechnungslegung nach IAS/IFRS: auch ein Thema für den Mittelstand?: Ergebnisse einer Befragung mittelständischer Unternehmen, KoR 2004, S. 423 ff. Ist der Fair Value fair?, in: BIEG, HARTMUT/ HEYD, REINHARD (Hrsg.), Fair Value: Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, München 2005, S. 57 ff. Praxis der IASB-Rechnungslegung: Best practice von 100 IFRS-Anwendern, 2. Aufl., Stuttgart 2005. Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 5/2, §§ 152160 AktG, §§ 265-289 HGB, 2. Aufl., München 2004 (zitiert: BEARBEITER, in: MüKo-AktG). Einfluss unternehmerischer Prognosen und Planungen auf den IAS-Jahresabschluss, StuB 2003, S. 241 ff.
JERMAKOWICZ, EVA K./ GORNIKTOMASZEWSKI, SYLWIA JESSEN, ULF/ WELLER, HEINO
KAHLE, HOLGER KAMPMANN, HELGA/ SCHWEDLER, KRISTINA KEITZ, ISABEL VON KEITZ, ISABEL VON/ STIBI, BERND
KESSLER, HARALD
KPMG DEUTSCHE TREUHAND GESELLSCHAFT AG (HRSG.) KROPFF, BRUNO/ SEMLER, JOHANNES (HRSG.) KIRSCH, HANNO
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
KIRSCH, HANNO KIRSCH, HANNO KIRSCH, HANNO
KIRSCH, HANNO KIRSCH, HANNO KIRSCH, HANNO KIRSCH, HANNO
KIRSCH, HANNO KLÖHN, LARS KOBISCH, SYLVIA/HUNDT, IRINA/ NEITZ, BERND KRUMNOW, JÜRGEN
KÜFFNER, PETER/ HOCK, BURKHARD KÜMMEL, JENS
KÜTING, KARLHEINZ KÜTING, KARLHEINZ
KÜTING, KARLHEINZ
KÜTING, KARLHEINZ
KÜTING, KARLHEINZ
367
Gestaltungspotential durch verdeckte Bilanzierungswahlrechte nach IAS/IFRS, BB 2003, S. 1111 ff. Rentabilitätsanalysen auf Basis eines IAS/IFRS-Abschlusses, BB 2004, S. 261 ff. Offenlegung von Einschätzungen und Prognosen des Managements nach IAS 1 (revised 2003) für das langfristige Vermögen, StuB 2004, S. 481 ff. Möglichkeiten und Grenzen der Kapitalrentabilitätsanalyse eines IFRS-Abschlusses, UM 2005, S. 229 ff. Rentabilitäts- und Produktivitätsananlyse, BBB 2005, S. 87 ff. Erfolgswirtschaftliche Analyse des IFRS-Jahresabschlusses, RWZ 2006, S. 17 ff. Auswirkungen des „Reporting Comprehensive Income“Projekts auf die Jahresabschlusspolitik und Jahresabschlussanalyse, in IRZ 2006, S. 95 ff. Beurteilung des bilanzpolitischen Instrumentariums der IFRS-Rechnungslegung, BB 2006, S. 1266 ff. Wettbewerbswidrigkeit von Kapitalmarktinformation?, ZHR 172 (2008), S. 388 ff. Das Konvergenzprojekt des IASB und des FASB: eine Prognose, PiR 2007, S. 345 ff. Die deutsche Rechnungslegung auf dem Weg ins Abseits?: Ein Ausblick nach der vorläufig abgeschlossenen EG-Harmonisierung, in: BALLWIESER, WOLFGANG (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt: Festschrift zum 65. Geburtstag von Adolf Moxter, Düsseldorf 1994, S. 679 ff. Internationalisierung der Rechnungslegung aus der Sicht mittelständischer Unternehmen, BFuP 1998, S. 57 ff. Grundsätze für die Fair Value-Ermittlung mit Barwertkalkülen: Eine Untersuchung auf der Grundlage des Statement of Financial Accounting Concepts No. 7, Düsseldorf 2002. Saarbrücker Thesen zur Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts, BB 2004, Heft 30, S. I: Die Erste Seite. Die Bilanzierung im Umbruch: Einführungsreferat zum Experten-Streitgespräch in Saarbrücken am 30.6.2004 von Prof. Dr. Karlheinz Küting, StuB 2004, S. 683 ff. Die Bedeutung der Fair Value-Bewertung für die Bilanzanalyse und Bilanzpolitik: Informiert der Fair Value besser über die „wahre“ Unternehmenslage?, in: BIEG, HARTMUT/ HEYD, REINHARD (Hrsg.), Fair Value: Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, München 2005, S. 493 ff. Auf der Suche nach dem richtigen Gewinn: Die Gewinnkonzeption von HGB und IFRS im Vergleich, DB 2006, S. 1441 ff. Der Stellenwert der Bilanzanalyse und Bilanzpolitik im HGB- und IFRS-Bilanzrecht, DB 2006, S. 2753 ff.
368 KÜTING, KARLHEINZ/ DAWO, SASCHA
KÜTING, KARLHEINZ/ DÖGE, BURKHARDT/ PFINGSTEN, ANDREAS KÜTING, KARLHEINZ/ HAYN, MARC KÜTING, KARLHEINZ/ HÜTTEN, CHRISTOPH KÜTING, KARLHEINZ/ REUTER, MICHAEL KÜTING, KARLHEINZ/ REUTER, MICHAEL
KÜTING, KARLHEINZ/ WEBER, CLAUS-PETER KÜTING, KARLHEINZ/ WEBER, CLAUS-PETER (HRSG.)
KÜTING, KARLHEINZ/ WOHLGEMUTH, FRANK KUNTZE-KAUFHOLD, GREGOR
KUßMAUL, HEINZ/ HENKES, JÖRG
LANGE, KNUT WERNER LANGGUTH, HEIKE/ ENGELMANN, ANDREAS LEFFSON, ULRICH/ RÜCKLE, DIETER/ GROßFELD, BERNHARD (HRSG.) LEHNER, ULRICH
LEKER, JENS/ MAHLSTEDT, DIRK/ KEHREL, UWE
Susanne Eßbauer
Bilanzpolitische Gestaltungspotenziale im Rahmen der International Financial Reporting Standards (IFRS): Ansatzfragen am Beispiel der Abbildung immaterieller Werte, StuB 2002, S. 1157 ff. Neukonzeption der Fair Value-Option nach IAS 39, KoR 2006, S. 597 ff. Anwendungsgrenzen des Gesamtbewertungskonzepts in der IFRS-Rechnungslegung, BB 2006, S. 1211 ff. Die Lageberichterstattung über Risiken der künftigen Entwicklung: Annäherung an die geplante Änderung der §§ 289, 315 HGB durch das KonTraG, AG 1997, S. 250 ff. Werden stille Reserven in Zukunft (noch) stiller?: Machen die IFRS die Bilanzanalyse überflüssig oder weitgehend unmöglich?, BB 1995, S. 706 ff. Bilanzierung im Spannungsfeld unterschiedlicher Adressaten: Können internationale Rechnungslegungsnormen zum Abbau von adressatenbedingten Spannungsfeldern führen?, in DSWR 2004, 230 ff. Die Bilanzanalyse: Beurteilung von Abschlüssen nach HGB und IFRS, 8. Aufl., Stuttgart 2006. Handbuch der Rechnungslegung: Einzelabschluss: Kommentar zur Bilanzierung und Prüfung, Bd. 3: §§ 275-335b HGB, 5. Aufl., Stuttgart, Stand: 2. Lfg. März 2003, (zitiert: BEARBEITER, in KÜTING/WEBER, Handbuch der Rechnungslegung). Möglichkeiten und Grenzen der internationalen Bilanzanalyse: Erkenntnisfortschritte durch eine internationale Strukturbilanz?, DStR 2004, Beihefter 3, S. 1 ff. Verschärfung der Jahresabschlusspublizität und Publizitätswegfall bei Einbeziehung in den Konzernabschluss eines gebietsfremden Mutterunternehmens, BB 2006, S. 428 ff. IFRS für den Mittelstand: Anwender- und Adressatenkreis im Kontext der neuesten Entwicklungen beim SME-Projekt des IASB, BB 2006, S. 2235 ff. Grundsätzliche und unbegrenzte Pflicht zur Berichterstattung im Lagenbericht?, BB 1999, S. 2447 ff. Empirische Untersuchung zur Segmentberichterstattung am deutschen Kapitalmarkt, DB 2005, S. 621 ff. Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, Köln 1986. Rechnungslegung als Teil der Finanzkommunikation, in: BAETGE, JÖRG (Hrsg.), Übergang der Rechnungslegung vom HGB zu den IFRS: Vorträge und Diskussionen zum 19. Münsterischen Tagesgespräch des Münsteraner Gesprächskreises Rechungslegung und Prüfung e.V. am 22. Mai 2003, Düsseldorf 2004, S. 1 ff. Auswirkungen der IFRS-Rechnungslegungsumstellung auf das Jahresabschlussbild, KoR 2008, 379 ff.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
LIENAU, ACHIM/ ZÜLCH, HENNING
LINDEMANN, JENS
LINDSELL, DAVID (ERNST & YOUNG) LITTKEMANN, JÖRN/ SCHULTE, KLAUS/ KRAFT, S ILKE LÖHR, DIRK LORSON, PETER
LÜDENBACH, NORBERT/ FREIBERG, JENS LÜDENBACH, NORBERT/ HOFFMANN, WOLF-DIETER (HRSG.) LUTZ, STEFAN MADZIAR, PIOTR/ TIEDJE, JÜRGEN MANDLER, UDO MANDLER, UDO MARTEN, KAI-UWE/ SCHLERETH, DIETER/ CRAMPTON, ADRIAN/ KÖHLER, ANNETTE G. MARX, FRANZ JÜRGEN/ DALLMANN, HOLGER MEITNER, MATTHIAS/ H ÜFNER, FELIX/ KLEFF, VOLKER,
MERKT, HANNO MERKT, HANNO MEYDING, BERNHARD/ BÖDEKER, ANNETTE
369
Die Ermittlung des value in use nach IFRS: Eine Betrachtung der Einflussfaktoren des value in use vor dem Hintergrund der Vermittlung entscheidungsnützlicher Abschlussinformationen, KoR 2006, S. 319 ff. Kapitalmarktrelevanz der Rechnungslegung: Konzepte, Methodik und Ergebnisse empirischer Forschung, ZfB 2006, S. 967 ff. in Accountancy October 2006, S. 77. Internationale Rechnungslegung für Einzelabschlüsse am Beispiel ausgewählter Bilanzierungssachverhalte, StuB 2005, S. 333 ff. IAS (IFRS) versus HGB: Ein einzelwirtschaftspolitischer Paradigmenwechsel als Fortschritt?, StuB 2003, S. 643 ff. Der Fair Value im System der Wertbegriffe nach IAS/IFRS und US-GAAP, in: BIEG, HARTMUT/ HEYD, REINHARD (HRSG.), Fair Value: Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, München 2005, S. 3 ff. Zweifelhafter Objektivierungsbeitrag des Fair Value Measurements-Projects für die IFRS-Bilanz, KoR 2006, S. 437 ff. IFRS-Kommentar, 5. Auflage, Freiburg 2007.
Bilanzrecht für die Praxis 2005/2006: Handelsrecht, Steuerrecht und IAS/IFRS, Freiburg i.Br. 2005. Rechnungslegung und Abschlussprüfung in der Europäischen Union, IRZ 2006, S. 5 ff. IAS-Wahlrecht versus Pflichtanwendung: Die IAS im Mittelstand aus empirischer Sicht, StuB 2003, S. 582 ff. Argumente für und gegen IAS/IFRS im Mittelstand, StuB 2003, S. 680 ff. Rechnungslegung nach IAS: Nutzeneffekte aus Sicht von Eigenkapitalgebern, BB 2002, S. 2007 ff. Jahresabschlusspublizität mittelständischer Unternehmen: Empirische Befunde und konzeptionelle Überlegungen, BB 2004, S. 929 ff. Enron: Wirtschaftsprüfer, Bilanzierungsvorschriften und der deutsche Aktienmarkt: Ergebnisse einer Umfrage unter Analysten und institutionellen Anlegern, KoR 2002, S. 139 ff. Unternehmenspublizität: Offenlegung von Unternehmensdaten als Korrelat der Marktteilnahme, Tübingen 2001. Creditor Protection through Mandatory Disclosure, EBOR 2006, Bd. 7, S. 95 ff. Gesetzentwurf über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG-E): Willkommen im Online-Zeitalter!, BB 2006, S. 1009 ff.
370 MEYER, CLAUS/ MEISENBACHER, MICHAELA, MEYER, CONRAD/ SCHILL, PHILIPP/ BÜTLER, RENÉ MÖHLMANN-MAHLAU, THOMAS/ GERKEN, UWE/ GROTHEER, SIMON MÖHLMANN-MAHLAU, THOMAS/ GERKEN, UWE/ GROTHEER, SIMON MOXTER, ADOLF MOXTER, ADOLF
MOXTER, ADOLF MOXTER, ADOLF MÜLLER, CHRISTIAN/ OVERBECK, HORST/ BÜHRER, KLAUS
MÜLLER, STEFAN/ PESKES, MARKUS MÜLLER, STEFAN/ PESKES, MARKUS MÜLLER, HERBERT/ PFITZER, NORBERT MÜLLER, STEFAN/ WULF, I NGE MÜLLER, STEFAN/ WULF, I NGE
MÜLLER, WELF
MUJKANOVIC, ROBIN NIEHUS, RUDOLF J
Susanne Eßbauer
Bilanzpolitik auf der Basis von IAS/IFRS, insbesondere in Zeiten der Krise, DStR 2004, S. 567 ff. Rechnungslegung mittelgroßer Unternehmen: Ergebnisse einer empirischen Erhebung, Der Schweizer Treuhänder 2004, S. 1097 ff. IFRS im Einzelabschluss: Konsequenzen für die Unternehmen und die Rechnungslegung, StuB 2004, S. 920 ff. IFRS im Einzelabschluss: Verlust entscheidender bilanzpolitischer Instrumente?, StuB 2004, S. 849 ff. Der Einfluss von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, Köln 1962. Fundamentalgrundsätze ordnungsmäßiger Rechenschaft, in: BEATGE, JÖRG (Hrsg.), Bilanzfragen: Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Ulrich Leffson, Düsseldorf 1976, S. 87 ff. Bilanzlehre, Bd. 2: Einführung in das neue Bilanzrecht, 3. Aufl., Wiesbaden 1986. Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee: Aufgaben und Bedeutung, DB 1998 S. 1425 ff. Der Risk- and Rewards-Ansatz bei der Konsolidierung von Zweckgesellschaften nach IFRS: Die Cashflow-Analyse nach FIN 46 als mögliches Vorbild für eine praxisorientierte Auslegung von SIC-12?, BB 2005, BB-Special 8, S. 26 ff. Die Segmentberichterstattung als Instrument der Corporate Governance: Erhöhte Anforderungen an den Ausweis von Segmentdaten, ZCG 2006, S. 33 ff. Konsequenzen der geplanten Änderungen der Segmentberichterstattung nach IFRS für Abschlusserstellung und Unternehmenssteuerung, BB 2006, S. 819 ff. Wie man sich vor einer Offenlegung schützen kann: Notfalls muss Karlsruhe der GmbH & Co. KG helfen, FAZ v. 22.12.2001, S. 19. Jahresabschlusspolitik nach HGB, IAS und US-GAAP, BB 2001, S. 2206 ff. Abschlusspolitisches Potenzial deutscher Unternehmen im Jahr 2005 unter besonderer Berücksichtigung der IFRSErstanwendung, BB 2005, S. 1267 ff. Die Änderungen im HGB und die Neuregelung der Sachdividende durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, NZG 2002, S. 752 ff. Fair value im Financial Statement nach International Accounting Standards, Stuttgart 2002. Der Reformbedarf im deutschen Bilanzrecht: Perspektiven der deutschen Rechnungslegung, in: KLEINDIEK, DETLEF/ OEHLER, WOLFGANG (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts im Zeichen internationaler Rechnungslegung und privater Standardsetzung, Köln 2000.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
NIEHUS, RUDOLF J.
NIEMEIER, WILHELM
OCHS, ANDREAS/ LEIBFRIED, PETER ORGANISATION FOR ECONOMIC CO-OPERATION AND DEVELOPMENT OECD (HRSG.) OEHLER, RALPH
OELKE, TORSTEN
ORDELHEIDE, DIETER
OVERSBERG, THOMAS
PANNIER, MATTHIAS/ RICKFORD, JONATHAN PAULITSCHEK, PATRICK/WIESE, ROLAND
PEEMÖLLER, VOLKER H., PEJIC, P HILIP
PELLENS, BERNHARD / FÜLBIER, ROLF UWE/ GASSEN, JOACHIM
PELLENS, BERNHARD/ FÜLLBIER, ROLF UWE
POLL, JENS RAYMAN, ANTHONY
371
Zur Internationalisierung der deutschen Konzernrechnungslegung: Das TransPub-Gesetz und der Deutsche Standardisierungs Rat (DSR), DB 2002, S. 53 ff. Die Steigerung der Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses durch die Änderungen der 4. und 7. Richtlinie, WPg 2006, S. 173 ff. IFRS für den deutschen Mittelstand?: Eine empirische Untersuchung, PiR 2006, S. 183 ff. Segmented Financial Information, Paris, 1990.
Internationale Rechnungslegung bei KMU: Ergebnisse einer empirischen Befragung mittelständischer Unternehmen im Raum Mittelfranken, KoR 2006, S. 19 ff. Der neue Entry Standard Index der Deutschen Börse: Ein Instrument zur Mittelstandsfinanzierung?, BKR 2006, S. 7 ff. Wettbewerb der Rechnungslegungssysteme IAS, US.GAAP und HGB: Plädoyer für eine Reform des deutschen Bilanzrechts, in: BÖRSIG, CLEMENS/ COENENBERG, ADOLF GERHARD (Hrsg.), Controlling und Rechnungswesen im internationalen Wettbewerb: Kongress-Dokumentation: 51. Deutscher Betriebswirtschafter-Tag 1997, Stuttgart 1998, S. 15 ff. Ein Abschied auf Raten: IASB legt die Grundlage für die Abschaffung des Ausweises eines Jahresüberschusses: Ein Überblick über die Anpassungen des IAS 1 – Presentation of Financial Statements, PiR 2007, S. 339ff. Corporate Governance Disclosures in Europe, EBLR 2005, S. 975 ff. Abbildung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage: HGB oder IFRS?: Tagungsbericht zur gleichnamigen Veranstaltung des Ulmer Forums für Wirtschaftswissenschaften (UFW) e.V. an der Universität Ulm, KoR 2006, S. 634 ff. Bilanzanalyse und Bilanzpolitik, 3. Aufl., Wiesbaden 2003. Segmentberichterstattung im externen Jahresabschluss: Internationale Normierungspraxis und Informationsbedürfnisse der Adressaten, Wiesbaden 1998. Internationale Rechnungslegung: IFRS 1 bis 7, IAS 1 bis 41, IFRIC-Interpretationen, Standardentwürfe; mit Beispielen, Aufgaben und Fallstudie, 6. Auflage, Stuttgart 2006. Ansätze zur Erfassung immaterieller Werte in der kapitalmarktorientierten Rechnungslegung, in: BAETGE, JÖRG (Hrsg.), Zur Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS), Düsseldorf 2000, S. 35 ff. Zum Stand des Projekts IFRS for SMEs, IRZ 2006, S. 83 ff. Fair value or false accounting?: Does IAS 39 contravene the Theft Act?, Accountancy October 2004, S. 82 ff.
372 SCHIESSL, MAXIMILIAN
SCHILDBACH, THOMAS
SCHILDBACH, THOMAS SCHILDBACH, THOMAS
SCHILDBACH, THOMAS SCHMIDT, KARSTEN (HRSG.)
SCHÖLLHORN, THOMAS/ MÜLLER, MARTIN
SCHÖN, WOLFGANG
SCHÖN, WOLFGANG/ OSTERLOHKONRAD, CHRISTINE
SCHULZE-OSTERLOH, JOACHIM
SCHULZE-OSTERLOH, JOACHIM SEIBERT, ULRICH/ DECKER, DANIELA
SIENER, F RIEDRICH/ GRÖNER, SUSANNE
SINGLETON-GREEN, BRIAN STEINER, EBERHARD/ GROSS, BEATRIX STOBBE, THOMAS STREIM, HANNES
Susanne Eßbauer
Unternehmensfinanzierung und Internationale Rechnungslegung im deutschen Mittelstand, ZHR 170 (2006), S. 522 ff. Das private Rechnungslegungsgremium gemäß § 342 HGB und die Zukunft der Rechnungslegung in Deutschland, DB 1999, S. 645 ff. IAS als Rechnungslegungsstandards für alle, BFuP 2002, S. 263 ff. IAS: Ins Abseits Schlittern, Vortrag auf dem Munich Workshop for Accounting and Auditing (MWAA) 2004/05, am 24.11.2004, in München. Jahresabschluss und Markt, Berlin 1986. Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch: Bd. 4: Drittes Buch: Handelsbücher, §§ 238-342a HGB, München 2001 (zitiert: BEARBEITER, in: MüKo-HGB). Bedeutung und praktische Relevanz des Rahmenkonzepts (framework) bei Erstellung von IFRS-Abschlüssen nach zukünftigem „deutschen Recht“, DStR 2004, S. 1623 ff. und S. 1666 ff. Eine Zukunft für das Maßgeblichkeitsprinzip, in: DERS. (Hrsg.), Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, S. 1 ff. Rechnungslegung in der Aktiengesellschaft, in: BAYER, WALTER/ HABERSACK, MATHIAS (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel: Bd. 2: Grundsatzfragen des Aktienrechts, Tübingen 2007, Kapitel 20, S. 893 ff. Internationale Rechnungslegung für den Einzelabschluss und für Unternehmen, die den öffentlichen Kapitalmarkt nicht in Anspruch nehmen: Zur Ausübung des Mitgliedstaatenwahlrechts nach Art. 5 der IAS-Verordnung, ZIP 2003, S. 93 ff. Vorschläge für ein Bilanzmodernisierungsgesetz, ZIP 2004, S. 1128 ff. Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG): Der „Big Bang“ im Recht der Unternehmenspublizität, DB 2006, S. 2446 ff. Bedeutung der Fair Value-Bewertung bei der goodwillBilanzierung, in: BIEG, HARTMUT/ HEYD, REINHARD (Hrsg.), Fair Value: Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, München 2005, S. 333 ff. The gathering storm, Accountancy October 2006, S. 80 ff. Auswirkungen des Bilanzrechtsreformgesetzes auf die Rechnungslegung, StuB 2004, S. 551 ff. Der Lagebericht, BB 1998, S. 303 ff. Die Vermittlung von entscheidungsnützlichen Informationen durch Bilanzierungsregeln und GuV: Ein nicht lösbares Versprechen der internationalen Standardsetter, BFuP 2/ 2000, S. 111 ff.
3.1. Geheimnisschutz im Jahres- und Konzernabschluss nach HGB und IAS/IFRS
STREIM , HANNES/ BIEKER, MARCUS/ ESSER, MAIK STREIM , HANNES/ BIEKER, MARCUS/ ESSER, MAIK
TANSKI, JOACHIM S.
373
Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen durch Fair Values: Sackgasse oder Licht am Horizont?, BFuP 2003, S. 457 ff. Der schleichende Abschied von der Ausschüttungsbilanz: Grundsätzliche Überlegungen zum Inhalt einer Informationsbilanz, in: DIRRIGL, HANS/ WELLISCH, DIETMAR/ WENGER, EKKEHARD (Hrsg.), Steuern, Rechnungslegung und Kapitalmarkt: Festschrift für Franz W. Wagner, Wiesbaden 2004, S. 229 ff. Bilanzpolitische Spielräume in den IFRS, DStR 2004, S. 1843 ff.
TANSKI, JOACHIM S./ ZERETZKE, RALF TEITLER, EVELYN
Die Fair Value-Fiktion, DStR 2006, S. 53 ff.
THEILE, CARSTEN
Neuerungen bei der GmbH durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz – TransPuG: Zu den Konsequenzen für den Konzernabschluss und die Abschlussprüfung, GmbHR 2002, S. 231 ff. Wahlrechte und Ermessenspielräume nach IAS/IFRS: Zugleich ein Beitrag zur Umstellungsplanung und zur Erstellung der unternehmensspezifischen Konzernrichtlinie, StuB 2003, S. 957 ff. Geheimnisschutz – Datenschutz – Informationsschutz im Wettbewerbsrecht, Vortrag auf dem Symposium „Geheimnisschutz – Datenschutz – Informationsschutz“, am 24.11.2006, in Salzburg.
THEILE, CARSTEN
THYRI, PETER
TSAKUMIS, GEORGE T./ DOUPNIK, TIMOTHY S./ SEESE, LARRY P. ULMER, PETER (HRSG.)
VATER, HENDRIK J. VEIL, RÜDIGER
VELTHUIS, LOUIS J./ WESNER, PETER/ SCHABEL, MATTHIAS M. VERHOOG, WILLEM
VIELMEYER, UWE VIERU, MARKKU/ PERTTUNEN, JUKKA/ SCHADEWITZ, HANNU
Offenlegungspflichten über die Hauptquellen von Schätzungsunsicherheiten nach IAS 1, IRZ 2006, S. 179 ff.
Competitive harm and geographic area disclosure under SFAS 131, JoIAA&T 2006, S. 32 ff. HGB-Bilanzrecht: Rechnungslegung, Abschlussprüfung, Publizität: Großkommentar: 1. Teilbd., §§ 238-289 HGB, Grundlagen. Jahresabschluss der Personen- und Kapitalgesellschaften, 2. Teilbd., §§ 290-342a HGB, Konzernabschluss, Prüfung und Publizität, Berlin u.a. 2002. Grundlagen und Probleme des Fair Value Accounting, UM 2003, S. 141 ff. Weitergabe von Informationen durch den Aufsichtsrat an Aktionäre und Dritte: ein Lehrstück zum Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, in ZHR 172 (2008), 239 ff. Fair Value und internes Rechnungswesen: Irrelevanz, Relevanz und Grenzen, KoR 2006, S. 458 ff. Is fair value fair?: Expert opinions on financial reporting from an international perspective: brief impressions, in: LANGENDIJK, HENK/ SWAGERMAN, DIRK/ VERHOOG, WILLEM (Hrsg.), Is Fair Value Fair?: Financial Reporting from an International Perspective, West Sussex 2003, S. 5 ff. Risikoorientierte Unternehmenspublizität, Frankfurt a.M. 2004. How investors trade around interim earnings announcements, JoBFA 2006, S. 145 ff.
374 WAGENHOFER, ALFRED WATRIN, CHRISTOPH
WEBER, JOACHIM,
WEBER, JOACHIM
WEBER, STEFAN
WEINMANN, MARTIN WULF, MARTIN/ KLEIN, MICHAEL/ AZAIZ, KARIM WYSOCKI, KLAUS VON/ SCHULZEOSTERLOH, J OACHIM (HRSG.) ZABEL, MARTIN/ CAIRNS, DAVID
ZIMMERMANN, JOCHEN ZIMMERMANN, JOCHEN/ VOLMER, PHILIPP B.
ZÜLCH, HENNING/ GEBHARDT, RONNY ZWIRNER, CHRISTIAN/ BOECKER, CORINNA/ REUTER, MICHAEL
Susanne Eßbauer
Fair Value-Bewertung im IFRS-Abschluss und Bilanzanalyse, IRZ 2006, S. 31 ff. Sieben Thesen zur künftigen Regulierung der Rechnungslegung: Anmerkungen zu den Vorschlägen des Arbeitskreises Externe Rechnungslegung der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 2001, S. 933 ff. Auf dem Papier steht nach den neuen Regeln mehr Eigenkapital: Manch ein Mittelständler entdeckt positive Nebenwirkungen der neuen Rechnungslegung, Handelblatt, v. 22.11.2004, S. 12 unter http://www.handelsblatt.com/pshb/ fn/relhbi/sfn/cn_artikel_.... Page_20...(mit Stand vom 13.12.2004). Immaterielle Werte versprechen mannigfaltige ShowEffekte: Goodwill-Behandlung und aktivierte Entwicklungskosten können Milliarden umlenken, in Handelblatt, v. 6.12.2004, S. 13, unter http://www.handelsblatt.com/pshb/ fn/relhbi/sfn/cn_ artikel_.... Page_20..., mit Stand vom 13.5.2008. Neue Behörde verhängt Ordnungsgelder: Publizitätsverstöße werden strenger geahndet: Noch hält vor allem die Mehrzahl der klein- und mittelgroßen Unternehmen ihre Bilanzen unter Verschluss, SZ, v. 23.10.2006, S. 17. Wertorientiertes Management von Unternehmenszusammenschlüssen, Frankfurt a.M. 2004. Umstellung des Konzernabschlusses auf IFRS, DStR 2005, S. 260 ff. und S. 299 ff. Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abt. IV/3, 2. Aufl., 1994. Vereinfachte IFRS für ausgewählte Untenehmen des Mittelstandes: Ein Diskussionsbeitrag und diene Bestandsaufnahme zu Bedeutung, Prozess und Lösungsansätzen des IASB-Projekts „Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities“, KoR 2005, S. 207 ff. Zur Qualität der US-GAAP: Ein genauer Blick auf die Enron-Konzernbilanz, StuB 2002, S. 573 ff. FASB und IASB auf dem Weg zu einer neuen Erfolgsrechnung?: Analyse des Projekts Financial Statements Presentation und von ED Amendments to IAS 1, PiR 2006, S. 105 ff. Anmerkungen zum Entwurf eines überarbeiteten Conceptual Framework für die Finanzberichterstattung, PiR 2006, S. 203 ff. Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS: Theoretischer Überblick und Veranschaulichung in Form eines Fallbeispiels, KoR 2004, S. 217 ff.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht? Christina Palmes*
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Einleitung .................................................................. 3.2.2. Der Lagebericht i.S.d. § 289 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.1. Der Inhalt des Lageberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2. Insbesondere: Berichterstattung über Ziele und Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.3. Erleichterungen im Hinblick auf Inhalt, Aufstellung und Offenlegung des Lageberichts . . . . 3.2.3. Wettbewerbsrelevante Angaben im Lagebericht: Notwendigkeit einer Schutzklausel? . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1. Geschäftsverlauf und Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2. Negative Berichterstattung, insb. über die Risiken der voraussichtlichen Entwicklung . . . . . . 3.2.3.3. Positive Berichterstattung, insb. über Chancen der voraussichtlichen Entwicklung und Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1. Analogie zu einer der gesetzlichen Schutzklauseln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1.1. § 286 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1.2. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1.3. Schutzklauseln des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1.3.1. § 15 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1.3.2. § 8 WpPG und § 40 BörsG a.F., § 60 BörsZulV a.F. . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1.4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.2. Verfassungsrechtlich gebotene Gesamtanalogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.4. „Einschränkende“ Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.4.1. Beschränkung auf allgemeine Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.4.2. Besonderheiten bei Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.4.3. Die Absicht des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.5. Die Auslegung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5. Auslegung anhand des Einblicksgebots („true and fair view“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.2.1. Einleitung Der Lagebericht ist neben dem Jahresabschluss das zweite Instrument der Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften. Unter Geheimnisschutzgesichtspunkten geht es beim Lagebericht nicht nur um die sensiblen Bereiche der Offenlegung technologischer und strategischer Informationen und die Gefahr der Nutzung offengelegter finanzieller Daten durch Wettbewerber, sondern allgemein um den Schutz des berichterstattenden Unternehmens vor durch die Berichterstattung verursachten Nachteilen. Für den Lagebericht enthält das Gesetz keine explizite Schutzklausel. Die Frage, ob die Berichterstattung unterbleiben kann, wenn erhebliche Nachteile für die Gesellschaft zu befürchten sind, ist daher lebhaft umstritten. Die unter-
* Dr. iur., Rechtsanwältin im Münchener Büro der Sozietät Latham & Watkins LLP.
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schiedlichen Lösungsvorschläge kommen zu dem Ergebnis, dass ein, wie auch immer gearteter, Nachteils- bzw. Geheimnisschutz besteht. Der Beitrag stellt zunächst das Informationsinstrument Lagebericht kurz vor und illustriert anhand von Beispielen, worauf die Befürchtung gründet, dem Unternehmen könnte durch die Berichterstattung ein Nachteil entstehen. Im Anschluss befasst sich der Beitrag mit einer kritischen Würdigung der vorgeschlagenen Lösungsansätze und der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Frage. Abschließend wird ein eigener Lösungsweg vorgestellt.
3.2.2. Der Lagebericht i.S.d. § 289 HGB Kapitalgesellschaften haben im Rahmen der jährlichen Rechnungslegung den Jahresabschluss um einen Lagebericht zu erweitern (§ 264 Abs. 1 S. 1 HGB). Dies gilt auch nach Öffnung des Bilanzrechts für die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards durch die IAS-Verordnung zumindest solange, als die IAS/ IFRS keine vergleichbare Berichterstattung vorsehen.1 Der Lagebericht ist von den gesetzlichen Vertretern aufzustellen, vom Abschlussprüfer zu prüfen, dem Aufsichtsrat und der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung vorzulegen und zum Handelsregister einzureichen.
3.2.2.1. Der Inhalt des Lageberichts Gesetzlich geregelt ist der Inhalt des Lageberichts in § 289 HGB. Diese Norm ist in jüngster Zeit Gegenstand weit reichender Änderungen gewesen.2 Kern des Lageberichts ist nach gegenwärtiger Rechtslage die Darstellung von Geschäftsverlauf und Lage der Gesellschaft, welche einen Überblick über die wesentlichen Ereignisse des vergangenen Geschäftsjahres und die gegenwärtigen Bedingungen der Geschäftstätigkeit erfordert. Durch das Bilanzrechtsreformgesetz3 vom 4. Dezember 2004 wurde klargestellt, dass dabei auch auf das Geschäftsergebnis einzugehen ist. Ein weiterer Schwerpunkt der Lageberichterstattung betrifft die Analyse der im Rahmen der Darstellung von Geschäftsverlauf und Lage geschilderten Entwicklungen und Ereignisse. Dieses Erfordernis verdeutlicht, dass sich der Lagebericht nicht auf die Präsentation von Fakten beschränken darf, sondern anhand der Offenlegung von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen zu erklären hat, auf welche Weise das Geschäftsergebnis erwirtschaftet wurde und welche Faktoren die Entwicklung bis 1
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Dies folgt für den Lagebericht des Einzelabschlusses schon daraus, dass nach wie vor nach HGB Rechnung zu legen ist und für den Konzernabschluss aus § 315a Abs. 1 HGB, siehe dazu PALMES, Der Lagebericht, 1. Kapitel, Abschnitt A.VI. Insbesondere das Bilanzrechtsreformgesetz vom 4.12.2004 (BGBl. I 2004, 3166), welches zwingende Vorgaben der Modernisierungs- und der Fair-Value-Richtlinie umsetzt, brachte eine erhebliche Erweiterung der gesetzlichen Regelung des Inhalts des Lageberichts. Die Erweiterung um eine Offenlegung der Grundzüge des Vergütungssystems der Gesellschaft erfolgte durch das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz vom 3.8.2005 (BGBl. I 2005, 2267; vgl. dazu BT-Drs. 15/5577). Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung – Bilanzrechtsreformgesetz, BGBl. I 2004, 3166.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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zur gegenwärtige Lage maßgeblich beeinflusst haben. Neben der vergangenheitsund gegenwartsbezogenen Darstellung und Analyse bilden die zukunftsbezogenen Angaben ein drittes wesentliches Element des Lageberichts. Auf der Grundlage der dargestellten Entwicklungen und gegenwärtigen Bedingungen der Geschäftstätigkeit hat die Unternehmensleitung eine Beurteilung abzugeben, von welchen Gegebenheiten sie für die zukünftige Führung des Unternehmens ausgeht. Mit anderen Worten ist die Darstellung und Analyse der Unternehmenstätigkeit im vergangenen Geschäftsjahr für die Zukunft fortzuschreiben. Dabei darf sich die Unternehmensleitung nicht auf die Benennung von Zielvorstellungen beschränken, sondern hat vielmehr anhand der ebenfalls offenzulegenden zugrunde liegenden Annahmen zu erläutern und zu begründen, auf welche Weise sie zu der Prognose gelangt ist. Neben positiven Entwicklungsmöglichkeiten hat die Unternehmensleitung auch darzulegen, welche Risiken die erwartete Entwicklung möglicherweise bedrohen können und wie sie diesen Risiken zu begegnen beabsichtigt. Auch im Bereich der zukunftsbezogenen Angaben geht es demnach um die Offenlegung von UrsacheWirkung-Zusammenhängen. In Konkretisierung der Anforderungen des § 289 Abs. 1 HGB benennt § 289 Abs. 2 HGB einzelne Aspekte, die regelmäßig von besonderer Bedeutung für den Geschäftsverlauf, die Lage und die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft sind, und über die daher zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes im Regelfall zu berichten ist. Dazu zählen neben Vorgängen von besonderer Bedeutung nach Schluss des Geschäftsjahres, dem Bereich Forschung und Entwicklung, Zweigniederlassungen, den Grundzügen des Vergütungssystems der Gesellschaft und bestimmten Übernahmehindernissen die bestehenden Risikomanagementsysteme und -methoden sowie bestimmte Risikoarten bei der Verwendung von Finanzinstrumenten. Nach gegenwärtigem Stand der Gesetzgebung ist eine weitere Erweiterung des Inhalts des Lageberichts um eine Corporate Governance Erklärung absehbar.4
3.2.2.2. Insbesondere: Berichterstattung über Ziele und Strategien Für nicht erforderlich wird eine Berichterstattung über die Ziele und Strategien der Unternehmensleitung gehalten. Diese Ansicht stützt sich darauf, dass die in der ursprünglichen Fassung des Entwurfs eines Bilanzrechtsreformgesetzes vorgesehene Pflicht zur Beschreibung der „wesentlichen Ziele und Strategien der gesetz-
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Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten un 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, Abl. L 224, 1; siehe auch den betreffenden Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Abänderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/ 349/EWG hinsichtlich der Jahresabschlüsse bestimmter Unternehmen und konsolidierter Abschlüsse vom 27.10.2004, KOM (2004) 725 endg. Zur Umsetzung der Abänderungsrichtlinie in deutsches Recht ist bislang ein Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgestz – BilMoG) vorgelegt worden.
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Christina Palmes
lichen Vertreter“5 auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags entfallen ist. Diese über die Modernisierungsrichtlinie hinausgehenden Vorgaben sollten dazu beitragen, den Gehalt des Lageberichts an entscheidungsrelevanten Informationen zu erhöhen und dem Investor Soll-Ist-Vergleiche zu ermöglichen. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs wären die Ziele und Strategien für das Unternehmen in ihren wesentlichen Elementen darzustellen gewesen, wie dies dem international üblichen Verständnis einer Analyse der Geschäftsentwicklung und Lage aus der Sicht des Managements entspricht.6 Dies wurde überwiegend dahingehend ausgelegt, dass eine Darstellung der übergeordneten Unternehmensstrategie, die für die Adressaten des Lageberichts entscheidungsrelevant ist, ausreiche und eine Offenlegung von Detailangaben nicht verlangt sei.7 Der Rechtsausschuss hielt hingegen diese Berichtsanforderungen nicht für erforderlich, da die Unternehmen hierzu keine konkreten Angaben machen würden und möglicherweise auch nicht machen könnten. Somit würden sich aus entsprechenden Anforderungen keine wesentlichen zusätzlichen Informationen über das Unternehmen ergeben.8 Damit nahm der Rechtsausschuss die Kritik auf, die während des Gesetzgebungsverfahrens verbreitet geäußert wurde.9 Bezweifelt wurde in erster Linie, ob mit der Berichterstattung über Ziele und Strategien die Prognosefunktion des Lageberichts tatsächlich verstärkt werden könne. Überwiegend wurde angesichts der schon bisher nur zögernden Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen erwartet, dass die betroffenen Unternehmen sich schon aus Gründen des Wettbewerbs auf allgemeine Angaben beschränken würden. Dahinter steht die Befürchtung, dass durch die Offenlegung strategieorientierter Informationen der Erfolg des publizierenden Unternehmens möglicherweise beeinträchtigt werden könnte.10 Empirische Befunde bestätigen, dass bei der Veröffentlichung strategiebezogener Informationen die wesentlichen Hemmnisse in befürchteten Wettbewerbsnachteilen liegen. 11 5
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§ 289 Abs. 1 S. 3 HGB in der Fassung des Regierungsentwurfs vom 4.06.2004, BT-Drs. 15/ 3419. Zum Inhalt dieser Berichtspflicht vor der Streichung GREINERT, KoR 2004, 51 (54 f.) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drs. 15/3419, 30. KAISER, WPg 2005, 406 (408). Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 15/4054, 37 f. Kritisch dazu KAISER, WPg 2005, 406 (408); FREIDANK/STEINMEYER, BB 2005, 2512 (2513 f.); FINK/KECK, WPg 2004, 1077 (1085); FINK/KECK, KoR 2005, 137 (138); GÜNTHER/BEYER, BB 2001, 1623 (1628); GÜNTHER/BEYER/MENNINGER, KoR 2003, 448 (455); BEIERSDORF/BUCHHEIM, BB 2006, 96 (98). KIRSCH/SCHEELE, BB 2003, 2733 (2738 f.); KAJÜTER, DB 2004, 197 (200); LANGE, ZIP 2004, 981 (9879); AK BILANZRECHT, BB 2004, 546 (547). KIRSCH/SCHEELE, BB 2003, 2733 (2736). GÜNTHER/BEYER/MENNINGER, KoR 2003, 448 (456); KIRSCH/SCHEELE, BB 2003, 2733 (2739). Weitere Bedenken gründen auf der Annahme, dass wegen der mangelnden Verlässlichkeit und Nachprüfbarkeit solcher Angaben im Hinblick auf die Plausibilität der Unternehmensplanung eine Anhebung der Qualität der Berichterstattung nicht eintreten werde. Gerade im Hinblick auf die Praxis der mittelgroßen Gesellschaften mit einem Alleingesellschafter oder wenigen Anteilseignern sei eine tatsächliche Umsetzung der auf die Bedürfnisse des Kapitalmarkts zugeschnittenen Berichtsanforderungen kaum zu erwarten, was das „in diesem Bereich ohnehin zu beobachtende Auseinanderfallen von Recht und Rechtswirklichkeit“ noch verstärken würde und „für das Rechtsbewusstsein problematisch“ sei (LANGE, ZIP 2004, 981, 987; AK BILANZRECHT, BB 2004, 546, 547).
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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Es wird die Gefahr gesehen, dass Konkurrenten die im Lagebericht enthaltenen Informationen über geplante Maßnahmen oder über Erwartungen zur künftigen Marktentwicklung bei ihrer eigenen Strategie berücksichtigen könnten12 und diese aus der Offenlegung der dargelegten Ziele und Maßnahmen resultierenden Anpassungsreaktionen der Konkurrenten wiederum zu negativen Rückwirkungen auf die Erfolgsentwicklung des publizierenden Unternehmens führen könnten.13 Diese Entwicklung veranschaulicht die Vorbehalte, die gegenüber einer als zu weitgehend empfundenen Berichterstattung vielfach bestehen und führt damit zu der Frage, auf welche Weise ein Geheimnisschutz für das zur Lageberichterstattung verpflichtete Unternehmen begründbar ist.
3.2.2.3. Erleichterungen im Hinblick auf Inhalt, Aufstellung und Offenlegung des Lageberichts Anders als beispielsweise für den Anhang, das Auskunftsrecht des Aktionärs, den Prospekt oder den Zwischenbericht enthält das Gesetz für den Lagebericht keine Schutzklausel, wonach die Berichterstattung in bestimmten Fällen unterbleiben kann. Insbesondere existiert für den Lagebericht keine allgemeine Schutzklausel in der Form, dass eine Information zurückgehalten werden kann, wenn ihre Veröffentlichung zu erheblichen Nachteilen für die Gesellschaft führt. Allerdings sind bestimmte Erleichterungen in Abhängigkeit von der Größe der Kapitalgesellschaft vorgesehen: Kapitalgesellschaften, welche die Schwellenwerte des § 267 Abs. 1 HGB nicht überschreiten und daher als kleine Kapitalgesellschaften einzuordnen sind, sind gemäß §§ 264 Abs. 1 S. 3, 326 HGB von der Pflicht zur Aufstellung und Offenlegung eines Lageberichts befreit. Inhaltliche Erleichterungen ergeben sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 289 HGB. Gemäß § 289 Abs. 3 HGB sind nur große Kapitalgesellschaften zur Einbeziehung nicht-finanzieller Leistungsindikatoren in die erforderliche Analyse verpflichtet, während kleine und mittelgroße Gesellschaften lediglich finanzielle Leistungsindikatoren zu berücksichtigen haben. Darüber hinaus lassen sich aus dem durch das Bilanzrechtsreformgesetz neu gefassten Wortlaut immanente Begrenzungen des Umfangs der Lageberichterstattung ableiten. So sind nur die wesentlichen Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung der Gesellschaft zu beurteilen und zu erläutern und in die Analyse nur die für die Geschäftstätigkeit bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen. Gleiches gilt für die Einbeziehung nicht-finanzieller Leistungsindikatoren, die nur insoweit erforderlich ist, als diese Informationen für das Verständnis von Geschäftsverlauf und Lage von Belang sind, § 289 Abs. 3 HGB. Aus der Zusammenschau dieser Merkmale folgt, dass der Lagebericht nur solche Informationen zu enthalten hat, die für die Entwicklung des Geschäftsverlaufs, die Lage und die zukünftige Entwicklung wesentlich und für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes unerlässlich sind. Die gesetzliche Formulierung setzt damit den 12 13
KRUMBHOLZ, Die Qualität publizierter Lageberichte, 27; HOFFJAN, BB 2003, 1494. EWERT/WAGENHOFER, ZfB 1992, 297 (299).
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Grundsatz der Wesentlichkeit um, der nach allgemeiner Ansicht bei der Aufstellung des Lageberichts zu beachten ist.14 Dahinter steht allerdings nicht der Schutz von Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft. Hintergrund des Wesentlichkeitsprinzips ist die Überlegung, dass eine umfassende Abbildung der Entwicklung und der Lage des Unternehmens angesichts der Komplexität der Geschäftstätigkeit in einem Geschäftsjahr nicht möglich erscheint und die Auswahl der Themen und Einzelsachverhalte daher zwangsläufig auf die wesentlichen Aspekte zu begrenzen ist. Eine Konzentration auf das Wesentliche ist auch deswegen geboten, weil eine Informationsüberflutung in Form einer unüberschaubaren Ansammlung ungewichteter Einzelpunkte die Verständlichkeit eher beeinträchtigt als fördert.15 Es geht also nicht um Geheimnisschutz, sondern um eine Begrenzung der Informationsflut zum Zweck der besseren Verständlichkeit. Eine weitere immanente Begrenzung ergibt sich daraus, dass die Analyse nach § 289 Abs. 1 S. 2 HGB dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit zu entsprechen hat. Die Komplexität der Geschäftstätigkeit wird bestimmt durch Kriterien wie die Anzahl der zu durchlaufenden Prozessschritte, die Existenz eines Kundenstamms, durch den Rückgriff auf erfahrene oder neue Lieferanten, die Verfügbarkeit von geeigneten Mitarbeitern oder die Notwendigkeit zu deren Ausbildung.16 Umfang und Detaillierungsgrad der Analyse sind in Abhängigkeit von diesen Faktoren zu bestimmen. Da Umfang und Komplexität der Geschäftstätigkeit mit zunehmender Größe der Gesellschaft ebenfalls ansteigen, liegt auch in diesem Kriterium eine größenabhängige Abstufung der Anforderungen an den Inhalt des Lageberichts. Damit soll den Belangen kleinerer Unternehmen Rechnung getragen werden, für die eine umfassende Analyse einen unzumutbaren Aufwand bedeuten würde. Im Ergebnis bestehen also durchaus immanente Beschränkungen für den Inhalt des Lageberichts und größenabhängige Erleichterungen hinsichtlich Aufstellung, Umfang und Publizität. Der Gedanke des Geheimhaltungsschutzes allerdings ist in keinem dieser Fälle ausschlaggebend. Es stellt sich daher die Frage, ob es Fälle gibt, in denen – trotz des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – die Berichterstattung zu bestimmten Punkten im Lagebericht unterbleiben kann. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Offenlegung zu Wettbewerbsnachteilen für das berichterstattende Unternehmen führen kann. Nur in diesen Fällen kann ein Bedürfnis dafür anzuerkennen sein, dass bestimmte an sich vorgeschriebene Angaben im Lagebericht unterbleiben können.
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DRS 15, Tz. 10. HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 Rn. 82. Dies entspricht der Ansicht für den Prospekt, wonach allzu viele unwesentliche Einzelinformationen dazu führen können, dass die entscheidenden Aussagen überdeckt werden, SCHWARK, in: SCHWARK, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 32. GREINERT, KoR 2004, 51 (53).
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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3.2.3. Wettbewerbsrelevante Angaben im Lagebericht: Notwendigkeit einer Schutzklausel? Entscheidend ist daher, ob im Lagebericht wettbewerbsrelevante oder sonst für das Unternehmen möglicherweise nachteilige Angaben zu machen sind. Zu der Frage, worin wettbewerbsrelevante Angaben im Lagebericht liegen können, werden im Schrifttum weit reichende Befürchtungen geäußert.
3.2.3.1. Geschäftsverlauf und Lage Im Lagebericht sind Geschäftsverlauf und Lage der Gesellschaft darzustellen und zu analysieren. Dazu ist auf die Rahmenbedingungen der Geschäftstätigkeit einzugehen, also etwa zu den Bereichen Beschaffung, Produktion, Absatz und Investitionen Stellung zu nehmen. Wettbewerbsrelevanz wird hier angenommen, weil Konkurrenten aufgrund dieser Angaben etwa die Lagerhaltung oder die Vorratspolitik ohne Zeitverlust übernehmen und dem berichterstattenden Unternehmen somit Wettbewerbsvorteile entziehen könnten.17 Gleiches gelte für die Angabe der wichtigsten Exportländer und der Preissituation bei den wichtigsten Produkten auf den wichtigsten Absatzmärkten.18 Auch von den Angaben über die Möglichkeit der Beschaffung von Know-how seien angesichts der großen Bedeutung von Knowhow schädigende Wirkungen zu erwarten. Eine Berichterstattung über die Einführung neuer Technologien oder Verfahren mache Wettbewerber auf diese Möglichkeiten erst aufmerksam und könnte sie veranlassen, Möglichkeiten zu deren Übernahme zu prüfen.
3.2.3.2. Negative Berichterstattung, insb. über die Risiken der voraussichtlichen Entwicklung Eine wahrheitsgetreue Berichterstattung kann es erforderlich machen, schwierige Rahmenbedingungen oder eine negative Entwicklung der Geschäftstätigkeit offenzulegen. Hier werden negative Anschlussreaktionen des Marktes dahingehend befürchtet, dass etwa eine Berichterstattung über Störungen im Produktionsablauf zum Rückzug von gegenwärtigen und potentiellen Anteilseignern führen könne, wenn die Entwicklung der übrigen Branche positiv zu beurteilen sei. Die Bekanntgabe der Ursachen für diese Störungen könne bei Abnehmern bzw. Kunden Misstrauen gegenüber der Produktqualität zur Folge haben und langfristige Imageschäden bewirken. Darüber hinaus könnten andere Marktteilnehmer eine negative Berichterstattung für gezielte Gegenmaßnahmen zum eigenen Vorteil nutzen und dadurch die Wettbewerbsposition oder die weitere Entwicklung der berichterstattenden Gesellschaft beeinträchtigen. So könnten etwa Lieferanten bei offengelegten Engpässen in der Beschaffung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen gezielt Preiserhöhungen vornehmen.19 17 18 19
VON GAMM, Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, 234. VON GAMM, Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, 234. VON GAMM, Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, 234.
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Besonders groß sind die Vorbehalte gegenüber der Berichterstattung über die Risiken der künftigen Entwicklung. Hier wird die Gefahr gesehen, dass die negative Darstellung Anschlussreaktionen des Marktes hervorrufe, die im Wege einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung die negative Entwicklung der Gesellschaft noch weiter verstärken.20 Bereits die Aussage, dass der Umsatz voraussichtlich sinken wird, könne ausreichen, um bei den Anteilseignern Ängste hinsichtlich zukünftiger Gewinnausschüttungen zu erzeugen.21 In wirtschaftlich schwierigen Zeiten könne eine frühzeitige und weitgehende Berichterstattung die Bemühungen der Unternehmensleitung um die Überwindung der Krise sogar gänzlich vereiteln22 und im Ergebnis zu einem Zusammenbruch des Unternehmens führen.23
3.2.3.3. Positive Berichterstattung, insb. über Chancen der voraussichtlichen Entwicklung und Investitionen Aber auch gegenüber einer positiven Berichterstattung werden Vorbehalte aus Gründen des Wettbewerbsschutzes geäußert. Im Mittelpunkt steht hier die Befürchtung, dass eine Berichterstattung über die Chancen der zukünftigen Entwicklung und über Investitionen den Konkurrenten ein Ausspähen fremder Geheimnisse ermöglichen könne. Erhalten die Konkurrenten Informationen über die Schwerpunkte und Ziele der für die Zukunftsaussichten und die zukünftige Wettbewerbsposition der Gesellschaft bedeutsamen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, sei es ihnen möglich, sich frühzeitig darauf einzustellen und somit Wettbewerbsvorteile des berichtenden Unternehmens zu verringern.24 Nachteile könnten auch durch das frühzeitige Bekanntwerden der einem neuen Produkt zugrunde liegenden Ideen entstehen.25 Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die Gefahr der Ausspähung durch die Konkurrenz und der Übernahme der im Lagebericht offen gelegten Verfahren zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition mit steigendem Detaillierungsgrad der Informationen verschärfe. Aus diesem
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BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 15; BAETGE/SCHULZE, DB 1998, 937 (943); LANGE, BB 1999, 2447 (2452); MOXTER, BB 1997, 722 (723); SIEBEL/GEBAUER, WM 2001, 118 (123); RODEWALD, BB 2001, 2155 (2160): Gefahr, dass Konkurrenten und Unternehmen, vor allem aber auch Akteure an den Finanzmärkten, Informationen erhalten die zu einer unverdient negativen Einschätzung führen und sich tendenziell risikoerhöhend auswirken; HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 Rn. 91; STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 60. VON GAMM, Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, 244. LANGE, BB 1999, 2447 (2451); WINNEFELD, Bilanzhandbuch, K Rn. 27. RODEWALD, BB 2001, 2155 (2160); BAETGE/SCHULZE, DB 1998, 937 (938); MOXTER, BB 1997, 722 (723); DÖRNER/BISCHOF, WPg 1999, 445 (450).; a.A. aber nunmehr DIES., Reform des Aktienrecht, der Rechnungslegung und der Prüfung, 617, 641 f. (mit DRS 5 nicht vereinbar). Wenn LANGE (BB 1999, 2447, 2451), ADLER/DÜRING/SCHMALTZ (§ 289 HGB Rn. 117) und ELLROTT (in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, § 289 HGB Rn. 43) ausführen, dass eine solche Berichterstattung nicht im Interesse der Anteilseigner liege, so ist damit wohl gemeint, dass ein Zusammenbruch des Unternehmens nicht im Interesse der Anteilseigner liege. KUHN, Forschung und Entwicklung im Lagebericht, 74; SELCHERT/GREINERT, in: Becksches Handbuch der Rechnungslegung, B 510 Rn. 119. KUHN, Forschung und Entwicklung im Lagebericht, 78.
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Grund wird insbesondere die Veröffentlichung konkreter Maßnahmen unter Wettbewerbsgesichtspunkten problematisch gesehen.26 Besonderes Gewicht erhalte die Gefahr der Vernichtung von Wettbewerbsvorteilen dadurch, dass regelmäßig kleinere Unternehmen, die es ohnehin schwer haben, sich auf dem Markt gegen größere und meist kostengünstiger produzierenden Betrieben zu behaupten, davon betroffen seien. Das Erfordernis einer detaillierten Berichterstattung stelle sich für diese Unternehmen als weiteres Expansionshindernis dar, da die Konkurrenten unmittelbar im Anschluss an die Offenlegung Gegenmaßnahmen ergreifen können. Ohne die Offenlegung könnten kleinere Unternehmen ihre Investitionen eher geheim halten, da ihnen aufgrund ihrer geringen Größe in der Regel keine große Beachtung in der Öffentlichkeit geschenkt werde. Schließlich wird vorgebracht, dass etwa die Wiedergabe positiver Umsatztendenzen die Beschäftigten mobilisieren könne, bei künftigen Tarifverhandlungen erhebliche Lohnsteigerungen zu fordern.27 Werde über die Errichtung eines neuen Standortes oder über die Anschaffung neuer Produktionsanlagen berichtet, müsse das Unternehmen Proteste der Beschäftigten befürchten, die aus Sorge um ihren Arbeitsplatz Vorbehalte gegen Produktionsverlagerungen bzw. Rationalisierungsmaßnahmen haben.
3.2.3.4. Zusammenfassung Die Ausführungen zeigen, dass nicht nur gegenüber einer zukunftsorientierten Berichterstattung über Risiken, Chancen oder Strategien, sondern auch gegenüber einer zu detaillierten vergangenheits- und gegenwartsorientierten Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft im Lagebericht Vorbehalte bestehen. So wird letztlich für alle gesetzlichen Vorgaben des § 289 HGB angenommen, dass sie ein Risikopotential bergen können, welches sich zum Nachteil für die Gesellschaft auswirken kann.28 Nach einer begleitend zu der Entstehung dieses Projektbandes durchgeführten Umfrage bei Unternehmen werden Wettbewerbsnachteile durch den Lagebericht vor allem im Hinblick auf den Risikobericht, die Berichterstattung über die voraussichtliche Entwicklung sowie eine Berichterstattung über Strategien im Lagebericht befürchtet.29 Die wesentlichen Gefahren werden in möglichen Umsatzeinbußen, Wettbewerbsnachteilen, Imageschäden sowie in der Gefährdung von Sanierungsmaßnahmen gesehen. In Bezug auf eine negative Berichterstattung wird dabei befürchtet, dass Konkurrenten oder Geschäftspartner die schlechte Situation für eigene Zwecke durch gezielte Gegenmaßnahmen ausnutzen könnten. Besonders groß sind die Vorbehalte im Hinblick auf wesentliche und bestandsgefährdende Risiken, deren Offenlegung negative Anschlussreaktionen des Marktes hervorrufe, welche die
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KAJÜTER, DB 2004, 197 (203); KIRSCH/SCHEELE, BB 2003, 2733 (2793). VON GAMM, Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, 244. STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 60. Link, S. 529 ff.
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Krise noch verstärken und Bemühungen um die Rettung des Unternehmens entgegenstehen könnten. Soweit es um eine positive Darstellung des Unternehmens geht, gründen sich die Vorbehalte im Wesentlichen auf die Befürchtung, die Offenlegung von Einzelheiten könnte Wettbewerbsvorsprünge vernichten. Ein Problem wird in der Gefahr der Ausspähung durch die Konkurrenz und der Übernahme der im Lagebericht offengelegten Verfahren zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition gesehen.30 Dies wird bestätigt durch die Ergebnisse der begleitend zu der Entstehung dieses Projektbandes durchgeführten Umfrage bei Unternehmen, wonach Wettbewerbsnachteile durch Jahresabschluss und Lagebericht vor allem in Gestalt von Druckausübung seitens der Lieferanten und Abnehmer, in Gestalt der Offenlegung von Verlusten und Risiken sowie des Bekanntwerdens von Geschäftschancen und lukrativen Märkten befürchtet werden.31
3.2.4. Lösungsansätze Aus diesen Gründen wird eine Schutzklausel für den Lagebericht vielfach befürwortet.32 Ein einheitlicher Begründungsansatz hat sich jedoch bislang nicht herausbilden können. Die Vorschläge reichen von einer analogen Anwendung der für andere Informationsinstrumente bestehenden Schutzklauseln bis zu einer einschränkenden Auslegung des § 289 HGB. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Information durch den Lagebericht nicht dem individuellen Schutz der ein-
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LANGE, BB 1999, 2447 (2451). LINK, S. 529 ff. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Umfrage insoweit nicht zwischen Jahresabschlussangaben und Lageberichterstattung differenziert. KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (255) („faktische Schutzklausel“); Lück, in: Handbuch der Rechnungslegung, § 289 HGB Rn. 29 (unter Rückgriff auf § 131 AktG, 93 Abs. 1 S. 2 AktG); LANGE, BB 1999, 2447 (2452); ELLROTT, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar § 289 HGB Rn. 12; MOXTER, BB 1997, 722 (723); REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV 3 Rn. 25 (unter Rückgriff auf § 93 AktG, der als allgemeiner Verhaltensmaßstab auch im Außenverhältnis gelte); SELCHERT/GREINERT, Becksches Handbuch der Rechnungslegung, B 510 Rn. 120; KAWLATH, in: FS Baetge, 189 (205); SELCH, WPg 2000, 357 (359); wohl auch SEMLER, ZGR-Sonderheft 2, 1980, 177 (199); STOBBE , BB 1988, 303 (309): „auf keinen Fall solle die Information so gestaltet sein, dass Konkurrenten wesentliche Vorteile daraus ziehen können und somit der Bestand bzw. eine positive Entwicklung des Unternehmens gefährdet ist“, etwa bei Berichterstattungen über einzelne Produkte, Beschaffungs- oder Absatzmöglichkeiten sowie über einzelne erfolgreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte; RÄUBER, BB 1988, 1285 (1287); SAHNER/KAMMERS, DB 1984, 2309 (2312): der Berichterstattung über Forschungs- und Entwicklungstätigkeit seien Grenzen gesetzt durch die Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit, dass mit der Bekanntgabe von Informationen darüber Nachteile für das publizierende Unternehmen herbeigeführt werden, d.h. selbst geschaffene Wettbewerbsvorteile verloren gehen oder die Möglichkeit zur Stärkung der eigenen Marktposition unterbunden wird. Soweit die Gefahr bestehe, die Stellung der eigenen Unternehmung im Markt zu schwächen, könne der Lagebericht auf Einzelheiten verzichten. Erforderlich seien daher zwar ausführliche, aber nur verbale Erläuterungen zur technisch-wissenschaftlichen Entwicklungstätigkeit bzw. Marktforschung, nicht aber Angaben zur Höhe des Forschungsaufwands.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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zelnen Wettbewerber zu dienen bestimmt ist.33 Dies ergibt sich daraus, dass die Bilanzrichtlinie eine derartige subjektive Schutzrichtung nicht verfolgt.34 Die einzelnen Wettbewerber zählen nicht zu den Schutzadressaten der Bilanzrichtlinie und damit auch nicht zu den Schutzadressaten des Lageberichts, so dass der Inhalt des Lageberichts nicht an den Informationsinteressen der Wettbewerber auszurichten ist.35 Fraglich ist allerdings, ob eine Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen des berichterstattenden Unternehmens in Betracht kommt.
3.2.4.1. Analogie zu einer der gesetzlichen Schutzklauseln? Zunächst erscheint eine Analogie zu einer der Schutzklauseln denkbar, die das Gesetz an verschiedener Stelle explizit anordnet, namentlich in § 286 HGB für den Anhang, in § 131 Abs. 3 AktG für das Auskunftsrecht des Aktionärs, in Form des Selbstbefreiungsrechts im Rahmen der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG sowie den Befreiungsmöglichkeiten nach § 8 WpPG für den Prospekt und in § 40 Abs. 2 BörsG a.F., § 60 BörsZulV a.F. für die Zwischenberichterstattung sowie für den Verschmelzungsbericht in § 8 Abs. 2 UmwG. 3.2.4.1.1. § 286 HGB Vereinzelt wird eine analoge Anwendung des § 286 HGB befürwortet.36 Von besonderer Relevanz sind dabei Absatz 2 und Absatz 3 S. 1 Nr. 2 dieser Norm, wonach bestimmte Angaben unterbleiben können, wenn diese nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Kapitalgesellschaft einen erheblichen Schaden zuzufügen.37 Nach § 286 Abs. 2 HGB kann die Aufgliederung der 33
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Nach dem Grundsatz der Adressatenorientierung und nach dem Grundsatz der entscheidungsrelevanten Information ist der Inhalt des Lageberichts an den Informationsbedürfnissen der Adressaten zu orientieren (all. Ansicht, vgl. nur BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 10; ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 289 HGB Rn. 38; für die Rechnungslegung allgemein MOXTER, in: FS Leffson, S. 87 ff.; MOXTER, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 6, 223). Zu den Adressaten werden überwiegend Anteilseigner, Anleger sowie Gläubiger, nicht aber die Wettbewerber gezählt (ausführlich PALMES, Lagebericht, 5. Kapitel, Abschnitt B.). CORDEWENER, in diesem Buch S. 105 ff. PALMES, Lagebericht, 5. Kapitel, Abschnitt B. BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 14, der eine direkte Anwendung von § 286 HGB ablehnt, aber den Maßstab des § 286 Abs. 3 Nr. 2 HGB anwendet, allerdings ohne Begründung oder Erwähnung des Analogieschlusses, vielmehr wird allein auf das zu berücksichtigende (Selbstschutz-)Interesse des Unternehmens verwiesen, dass die Interessen der Lageberichtsadressaten im Sinne einer „Interessenregelung“ begrenze; ebenso der Baetge-Schüler K RUMBHOLZ, Die Qualität publizierter Lageberichte, 27 (Vorrang des Selbstschutzinteresses); STOBBE, BB 1988, 303 (309): zwar nicht direkt anwendbar, aber als „Richtschnur“; mit dieser Formulierung auch KUHN, DStR 1993, 491 (492); KUHN, Forschung und Entwicklung im Lagebericht, 76; KRAWITZ, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, § 289 Rn. 148, STEUBER, in: MüKoAktG, § 289 Rn. 68 (§ 286 Abs. 2 HGB als Gefährdungsmaßstab). Auf die Schutzklausel zum Wohl des Staates nach § 286 Abs. 1 HGB wird hier nicht weiter eingegangen, da diese für die Konkurrenzwirkung nicht relevant ist. Nach § 286 Abs. 1 HGB hat die Berichterstattung insoweit zu unterbleiben, als es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Obwohl die Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Bilanzrichtlinie zweifelhaft ist (STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 67; HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 Rn. 87 ff.), wird die analoge Anwendung dieser „Staatsschutzklausel“ auf den Lagebericht überwiegend bejaht, da das übergeordnete Interesse
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Umsatzerlöse nach § 285 Nr. 4 HGB unterbleiben, soweit die Aufgliederung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Kapitalgesellschaft oder einem Unternehmen, an dem diese mindestens 20 % der Anteile besitzt, einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Nach § 286 Abs. 3 S. 1 HGB können Angaben gemäß § 285 Nr. 11 und 11a HGB unterbleiben, soweit sie für die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft nach § 264 Abs. 2 HGB von untergeordneter Bedeutung sind (Nr. 1) oder nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Kapitalgesellschaft oder dem anderen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen (Nr. 2). Die Anwendung von § 286 Abs. 3 S. 1 HGB ist im Anhang anzugeben. Bei den Angaben nach § 285 Nr. 11 HGB geht es um Angaben zu Anteilsbesitz der Kapitalgesellschaft oder einer für ihre Rechnung handelnde Person von mindestens 20%. Anzugeben sind neben der prozentualen Höhe des Anteilsbesitzes Name, Sitz, Eigenkapital und Ergebnis des letzten Geschäftsjahres des anderen Unternehmens. Von börsennotierten Kapitalgesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) sind zusätzlich alle Beteiligungen an großen Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 3 HGB mit über 5 % der Stimmrechte anzugeben. Nach § 285 Nr. 11a HGB sind Name, Sitz, und Rechtsform der Unternehmen anzugeben, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter die Kapitalgesellschaft ist. Börsennotierte Unternehmen, die einen organisierten Markt in Anspruch nehmen oder die Zulassung dazu beantragt haben, können sich allerdings nicht auf mögliche Nachteile für die Gesellschaft berufen, § 286 Abs. 3 S. 3 HGB. Schließlich können gemäß § 286 Abs. 4 HGB bei nicht börsennotierten Gesellschaften die in § 285 Satz 1 Nr. 9 Buchstabe a und b verlangten Angaben über die Gesamtbezüge der Verwaltungsorgane unterbleiben, wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines Organmitglieds feststellen lassen. Begründet wird die analoge Anwendung auf § 289 HGB zum einen mit dem Bedürfnis nach einer Schutzklausel für den Lagebericht. Außerdem sei es wertungswidersprüchlich, wenn der Gesetzgeber für den Anhang das Unterlassen bestimmter Angaben erlaube, für den Lagebericht die Veröffentlichung der Informationen jedoch anordne.38 Tatsächlich erscheint eine Analogie zu § 286 HGB schon wegen der sachlichen Nähe der im Recht der Rechnungslegung verorteten Normen nahe liegend. Bei näherer Betrachtung des § 286 HGB ist dem Argument der Wertungswidersprüchlichkeit jedoch entgegenzuhalten, dass diese Schutzklauseln auf genau
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HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 Rn. 87 ff.), wird die analoge Anwendung dieser „Staatsschutzklausel“ auf den Lagebericht überwiegend bejaht, da das übergeordnete Interesse des Staates Vorrang vor der Informationsvermittlung und § 286 Abs. 1 HGB Gebotscharakter habe (ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 289 HGB Rn. 54; REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV/3 Rn. 23; WINNEFELD, Bilanzhandbuch, K Rn. 25; BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 14; LANGE, BB 1999, 2447, 2452). Gleichwohl hält LANGE (ebenda) eine Abwägung zwischen dem Interesse des Adressaten, einen möglichst sicheren Einblick in die Lage des Unternehmens, und der Notwendigkeit der Geheimhaltung für erforderlich, wobei allerdings die Staatsschutzklausel als Ausnahmetatbestand eng auszulegen sei. So für § 286 Abs. 1 HGB LANGE, BB 1999, 2447 (2451); LANGE, in: MüKo-HGB, § 289 Rn. 14; REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV 3 Rn. 2: „Was im Anhang unterbleiben kann, kann nicht nach § 289 HGB verpflichtend sein“.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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bestimmte Anhangangaben Bezug nehmen, die der Gesetzgeber offenbar für besonders sensibel erachtet hat, nämlich die des § 285 Nr. 11 und Nr. 11a HGB bzw. die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach § 285 S. 1 Nr. 4 HGB. Nach § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB können nur diese Angaben unterbleiben. Eine analoge Anwendung des § 286 HGB kann daher in der Rechtsfolge allenfalls ergeben, dass eine Berichterstattung im Lagebericht über die dort ausdrücklich benannten Themenbereiche unterbleiben kann. Da aber über die im Anhang offenzulegenden Angaben ohnehin nicht wiederholt im Lagebericht zu berichten ist, würde eine Analogie leer laufen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das HGB eine über die ausdrücklich bezeichneten Angaben hinausgehende allgemeine Schutzklausel, nach der Angaben stets unterbleiben können, wenn ihre Veröffentlichung zu Nachteilen für die berichtende Kapitalgesellschaft führt, auch für den Anhang nicht kennt. Bei den Schutzklauseln des § 286 HGB handelt es sich um nicht analogiefähige Ausnahmetatbestände.39 Eine allgemeine Schutzklausel kann daraus weder für den Anhang und erst recht nicht für den Lagebericht hergeleitet werden. Auch der Hinweis auf die historische Entwicklung führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Befürworter einer Analogie weisen darauf hin, dass Anhang und Lagebericht ursprünglich gemeinsam den aktienrechtlichen Geschäftsbericht bildeten und in § 160 AktG a.F. geregelt waren. Zwar trifft es zu, dass das Aktienrecht ursprünglich für den aktienrechtlichen Geschäftsbericht eine einheitliche Schutzklausel enthielt, die nicht nach dem Ort der Berichterstattung unterschied und auch nicht auf bestimmte Einzelangaben bezogen war.40 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Schutzklausel im Hinblick auf die Erweiterung der Angabepflichten im Erläuterungsbericht, also dem Vorläufer des heutigen Anhangs, eingeführt wurde. Auch wenn die Schutzklausel also dem Wortlaut nach für beide Bestandteile des aktienrechtlichen Geschäftsberichts galt, bezweckte sie doch einen Schutz des Unternehmens im Hinblick auf die heutigen Anhangangaben. Bei näherer Betrachtung spricht die Entstehungsgeschichte somit gerade gegen eine Analogie. Zudem verkennt die historische Argumentation, dass bereits mit dem Aktiengesetz 1965 die ursprüngliche allgemeine Schutzklausel abgeschafft und durch eine auf spezifische Angaben des Erläuterungsberichts abstellende Klausel ersetzt wurde.41 Eine auf die Lageberichterstattung bezogene Schutzklausel bestand daher schon vor der Neufassung durch das Bilanzrichtliniengesetz nicht mehr. Angesichts dieser Gesetzesentwicklung erscheint es kaum vertretbar, die ausdrücklich auf bestimmte Ausnahmetatbestände reduzierte Schutzklausel auch auf nicht erfasste Angabepflichten anzuwenden. 39
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STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 67; LANGE, BB 1999, 2447 (2452); SIEBEL/ GEBAUER, WM 2001, 118 (128); STOBBE, BB 1988, 303 (309). LANGE, BB 1999, 2447 (2451). Der Gesetzgeber war der Auffassung, dass die Informationsinteressen der Aktionäre vorrangig seien. Jeder Aktionär solle sich ein Bild von der Lage der Gesellschaft machen können und der der Geschäftsbericht sollte alle dazu erforderlichen Angaben enthalten (vgl. § 128 Abs. 3 S. 2 AktG 1937 einerseits und § 160 Abs. 4 S. 2 AktG 1965 andererseits; Begr. Reg-E AktG 1965, BT-Drs. VI/171, 262). Die dahinter stehende gesetzgeberische Wertungsentscheidung betrifft eine Abwägung der Interessen der Gesellschaft mit denen der Aktionäre.
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Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die zu § 160 AktG a.F. geltende Auslegung auf den Lagebericht des heutigen Rechts anwendbar ist, denn der Lagebericht findet seine Grundlage im europäischen Recht. Demnach hat die Auslegung des § 289 HGB richtlinienkonform zu erfolgen. Die Bilanzrichtlinie kennt jedoch keine Schutzklausel für den Lagebericht. Vielmehr vollzieht die Bilanzrichtlinie die Trennung zwischen dem Anhang, der dem Jahresabschluss zugeordnet wird, und dem Lagebericht, der als eigenständiges Berichtsinstrument neben dem Jahresabschluss steht. Mit dieser Systematik, die auch der deutsche Gesetzgeber in das HGB übernommen hat, ist eine analoge Anwendung der für den Anhang geltenden Schutzklauseln unvereinbar.42 Eine Ausnahme ist auch nicht für die Offenlegung der Gesamtbezüge der Verwaltungsorgane im vergangenen Geschäftsjahr anzuerkennen, soweit diese nicht im Anhang, sondern im Lagebericht erfolgt. Nach § 289 Abs. 2 Nr. 5 S. 2 HGB können im Rahmen des Vergütungsberichts auch Angaben entsprechend § 285 S. 1 Nr. 9a S. 5 – 9 HGB gemacht werden und die entsprechenden Angaben im Anhang in diesem Fall unterbleiben. § 286 Abs. 4 HGB sieht zwar eine Befreiung für die an sich nach § 285 S. 1 Nr. 9a HGB erforderlichen Angaben über die Gesamtbezüge vor, doch gilt diese nur für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften. Nicht börsennotierte Gesellschaften sind aber ohnehin nicht zur Berichterstattung über das Vergütungssystem verpflichtet, da § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB nur für börsennotierte Gesellschaften gilt, so dass sich die Frage einer analogen Anwendung des § 286 Abs. 4 HGB auf den Lagebericht gar nicht stellt. Aus diesen Gründen wird die analoge Anwendung des § 286 HGB auf den Lagebericht überwiegend abgelehnt.43 3.2.4.1.2. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG Stattdessen wird verbreitet eine Grenze der Berichterstattung im Lagebericht aus § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG hergeleitet.44 Nach dieser Schutzklausel darf der Vorstand 42
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Die Normen finden sich in unterschiedlichen Titeln eines Unterabschnitts. Dadurch bringt das HGB zum Ausdruck, dass es sich bei Anhang und Lagebericht um eigenständige, voneinander unabhängige Regelungsbereiche und Sachzusammenhänge handelt. Darüber hinaus spricht die gesetzliche Reihenfolge gegen eine Analogie. Die Schutzklausel ist in § 286 HGB noch vor § 289 HGB geregelt, während üblicherweise die Regel vor der Ausnahme normiert wird. ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, § 289 HGB a.E.; LÜCK, in: Handbuch der Rechnungslegung, § 289 HGB Rn. 29; RODEWALD, BB 2001, 2155 (2160); ELLROTT, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 289 Rn. 12; KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (253); unklar STEUBER, in: MüKoAktG, § 289 Rn. 67, 68: aus § 286 (gemeint ist wohl Abs. 1) HGB ergebe sich kein übertragbarer Gefährdungsmaßstab. STOBBE, BB 1988, 303 (309) (ohne Begründung); RODEWALD, BB 2001, 2155 (2160) (allerdings erst nach Interessenabwägung); unklar LANGE, in: MüKo-HGB, § 289 Rn. 15, wonach „Auskünfte“ unterbleiben können; STEUBER, in: MüKo-AktG § 289 HGB Rn. 68 zieht § 131 Abs. 3 AktG (nicht unerheblicher Nachteil) als Auslegungshilfe im Rahmen der verfassungsrechtlichen Abwägung heran; LÜCK, in: Handbuch der Rechnungslegung, § 289 HGB Rn. 29, um einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht des § 93 Abs. 1 AktG zu vermeiden; BÖCKING/ MÜßIG, in: BAETGE/KIRSCH/THIELE, § 289 HGB Rn. 44 (ohne Begründung); IDW RS HFA 1, Tz. 12, abgedruckt in WPg 1998, 653, 655 (aufgehoben am 7.7.2005, WPg 2005, 902): aus rechtssystematischen Gründen und um eine Kollision mit der Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht des § 93 AktG zu vermeiden.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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die Auskunft in der Hauptversammlung verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen.45 Dies sei auf den Lagebericht zu übertragen. Allerdings könne die Analogie kein vollständiges Unterlassen der Information rechtfertigen, sondern nur eine Verallgemeinerung: Angaben zu Vorgängen mit voraussichtlich bedeutender Auswirkung auf die künftige Entwicklung des Unternehmens können in ihrem Umfang insoweit reduziert werden, als aus einem frühzeitigen Bekanntwerden solcher Ereignisse nachvollziehbar mit einer Schädigung des Unternehmens gerechnet werden muss.46 Begründet wird die analoge Anwendung des § 131 AktG mit „rechtssystematischen“ Erwägungen.47 45
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Dass die Auskunftserteilung bereits unmittelbar den Nachteil herbeiführt, ist nicht erforderlich. Für eine zulässige Auskunftsverweigerung ist ausreichend, dass die begehrte Information durch eine weitere Offenbarung an Dritte, die nicht an der Hauptversammlung teilnehmen, zu einem Nachteil führen kann (KUBIS, in: MüKo-AktG § 131 Rn. 99; HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 24). Nachteil ist nicht nur ein Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB, sondern jede gewichtige Beeinträchtigung des Gesellschaftsinteresses (BayObLG, AG 1996, 322, 323 = NJW-RR 1996, 994, 995). Diese kann in wirtschaftliche Einbußen der Gesellschaft einmünden, etwa bei der Offenlegung interner Kalkulationen, von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen oder von strategischen Unternehmenszielen. Ausreichend ist jede drohende Beeinträchtigung, auch wenn der wirtschaftliche Umfang nicht ohne weiteres messbar ist, etwa die Offenlegung von Vergütungsstrukturen (KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 99). Die Entscheidung über die Auskunftsverweigerung trifft der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis. Die Eignung einer Auskunftserteilung zur Nachteilszufügung ist allein objektiv zu bestimmen und einer uneingeschränkten richterlichen Nachprüfung im Auskunftserzwingungsverfahren zugänglich (KUBIS, in: MüKo-AktG § 131 Rn. 99; OLG Düsseldorf, AG 1992, 34, 35). Vgl. zum Auskunftsrecht KERSTING, in diesem Buch S. 411 ff. IDW RS HFA 1, Tz. 12, abgedruckt in WPg 1998, 653, 655 (aufgehoben am 7.7.2005, WPg 2005, 902). Die Berücksichtigung von § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG sei erforderlich, um eine Kollision mit der Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht des § 93 AktG und die Strafbarkeit nach § 404 AktG zu vermeiden (BÖCKING/MÜßIG, in: BAETGE/KIRSCH/THIELE, § 289 HGB Rn. 44; LÜCK, in: Handbuch der Rechnungslegung, § 289 HGB Rn. 29; ebenso der inzwischen (am 7.7.2005, siehe WPg 2005, 902) aufgehobene IDW RS HFA 1, Tz. 12, abgedruckt in WPg 1998, 653, 655). Diese Begründung knüpft an den Umstand an, dass es sich bei der Pflicht zur Aufstellung und Offenlegung des Lageberichts um eine Maßnahme der Geschäftsführung handelt und die Geschäftsleitung dementsprechend dem dafür geltenden allgemeinem Sorgfaltsmaßstab unterliegt. Parallel dazu werden für den Lagebericht der GmbH § 51a GmbHG und die aus der Treuepflicht der Gesellschafter folgende Verschwiegenheitspflicht (ZÖLLNER/NOACK, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 35 Rn. 40; arg. ex § 85 GmbHG) heranzuziehen sein. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verpflichtet die Vorstandsmitglieder, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren. Vertrauliche Angaben können alle Informationen sein, die ein Vorstandsmitglied in dieser Eigenschaft erlangt hat. Geheimnisse der Gesellschaft sind Tatsachen, die nicht offenkundig sind und nach geäußertem Willen oder aus dem Gesellschaftsinteresse ableitbaren Willen der AG auch nicht offenkundig werden sollen, sofern ein objektives Geheimhaltungsbedürfnis besteht (HÜFFER, AktG, § 93 Rn. 7). Damit ist die Frage nach dem Verhältnis von § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aufgeworfen. Soweit den Vorstand eine Verschwiegenheitspflicht trifft, erscheinen vertrauliche Angaben und Geheimnisse im Sinne dieser Norm somit von vornherein nicht offenlegungspflichtig. Fraglich ist allerdings, was unterhalb der Schwelle des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gilt. Auf das Verhältnis von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG kann in diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden.
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Für eine Analogie spricht, dass das Auskunftsrecht des Aktionärs auf der Rechnungslegung aufbaut und die eher allgemein gehaltenen Informationen der Rechnungslegung im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse der zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung zusammengekommenen Aktionäre ergänzt. Angesichts dieser Ergänzungsfunktion erscheint der Erst-Recht-Schluss für den Lagebericht gerechtfertigt. Vernachlässigt werden dabei allerdings die weiteren Regelungszusammenhänge, in die der Lagebericht nach geltendem Recht eingebunden ist. Dazu erscheint ein kurzer Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des Lageberichts angezeigt. Ursprünglich war der im Rahmen der Aktienrechtsreform des ausgehenden 19. Jahrhunderts eingeführte aktienrechtliche Geschäftsbericht, welcher in etwa den heutigen Anhang und den Lagebericht in einem Rechnungslegungsinstrument neben der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung vereinte, ausschließlich den in der Generalversammlung zusammengekommenen Aktionären vorzulegen. Geschäftsbericht und Auskunftsrecht verfolgten somit eine im Grundsatz identische Zielrichtung, welche ausschließlich auf die Information der Aktionäre ausgerichtet war. Durch die Notverordnung des Jahres 1931 wurde hingegen auch für den Geschäftsbericht die allgemeine Publizitätspflicht eingeführt und durch die Bilanzrichtlinie und das Bilanzrichtliniengesetz die Pflicht zur Aufstellung und Offenlegung eines Lageberichts auf alle Kapitalgesellschaftern erstreckt. Durch die Einbeziehung in die allgemeine Publizität des Handelsregisters, spätestens aber durch die Einbeziehung der GmbH rückte neben den Schutz der Aktionäre durch die im Lagebericht enthaltene Information der Schutz der Gläubiger. Nach der Konzeption der Bilanzrichtlinie soll dieser Schutz nicht nur traditionell durch die Selbstinformations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion der Rechnungslegung, sondern auch durch direkte Information der vor der Entscheidung über die Aufnahme oder Ausgestaltung ihrer Geschäftsbeziehung zu dem berichterstattenden Unternehmen stehenden Gläubiger erfolgen. Neben den Gläubigern soll die Information des Lageberichts schließlich den Anlegern am Kapitalmarkt zugute kommen. Dies folgt aus der europarechtlich vorgegeben Einbindung des Lageberichts in das kapitalmarktrechtliche Informationssystem, wie es durch die Transparenzrichtlinie bestätigt und akzentuiert wird. Nach geltendem Recht besteht nach wie vor ein rechtssystematischer und funktionaler Zusammenhang zwischen Lagebericht und Auskunftsrecht insoweit, als beide Instrumente der Information der Aktionäre in der Hauptversammlung dienen. Allerdings ist der Lagebericht nicht allein den Aktionären in der Hauptversammlung vorzulegen, sondern in die allgemeine Publizität des Handelsregisters und in das kapitalmarktrechtliche Informationssystem einbezogen. Anders als das Auskunftsrecht ist der Lagebericht inhaltlich nicht ausschließlich auf die Information der Aktionäre zum Zweck der Beurteilung der Tagesordnungspunkte in der Hauptversammlung ausgerichtet.48 Vielmehr dient der Lagebericht neben der Information 48
In diesem Zusammenhang wird die Auffassung vertreten, dass das Auskunftsrecht des Aktionärs funktional auf die verbandsrechtlichen Kompetenzen der Aktionäre in der Hauptversammlung zugeschnitten ist, aber keinen allgemeinen Rechenschaftsanspruch des Aktionärs verwirklichen soll (HÜFFER, ZIP 1996, 401, 405; ECKARDT, in: GEßLER/HEFERMEHL, AktG, § 131 Rn. 23; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar, AktG, § 131 Rn. 10; K. SCHMIDT, Informationsrechte, 20; DECHER, in: GroßkommAktG, § 131 Rn. 9; vgl. zum Streitstand die Darstellung bei SEMLER, in: Münchener Handbuch Aktiengesellschaft, § 37 Rn. 2 und die Entscheidungen
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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der Aktionäre zugleich dem Gläubigerschutz durch die Bereitstellung von Informationen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und schließlich bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften als Grundlage und Referenzdokument für spezifisch kapitalmarktrechtliche Informationsinstrumente wie den Prospekt, den Zwischenbericht und teilweise auch die Ad-hoc-Publizität. Demnach ist der Lagebericht nach gegenwärtigem Recht nicht ein ausschließlich aktienrechtliches, sondern in gleichem Maße ein kapitalmarktrechtliches Informationsinstrument und dem Gläubigerschutz durch Information verpflichtet. Diese Funktionszusammenhänge verbieten eine ausschließlich an der Information der Aktionäre orientierte Betrachtung. Der Lagebericht stellt ein Instrument der Allgemeinpublizität dar, welches als „general purpose instrument“ durch die Bereitstellung grundlegender „Sockelinformationen“ nicht nur der Information der Aktionäre, sondern in gleicher Weise dem Schutz der Gläubiger, Anleger und sonstiger Dritte dient. Angesichts der funktionalen Einbindung des Lageberichts in über das Verbandsrecht der Aktiengesellschaft hinausreichende Regelungszusammenhänge können allein auf das Auskunftsrecht des Aktionärs abstellende Erwägungen rechtssystematisch und dogmatisch nicht überzeugen 49. 49
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Rn. 23; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar, AktG, § 131 Rn. 10; K. SCHMIDT, Informationsrechte, 20; DECHER, in: GroßkommAktG, § 131 Rn. 9; vgl. zum Streitstand die Darstellung bei SEMLER, in: Münchener Handbuch Aktiengesellschaft, § 37 Rn. 2 und die Entscheidungen BGHZ 86, 1, 19 = ZIP 1981, 1335; BVerfG NJW 2000, 129 und 349; KG, ZIP 1995, 1585 ff., 1590 ff., LG Berlin, BB 1993, 1827). Auch unter Berücksichtigung dieses Streits spricht gegen eine Gleichsetzung von Lagebericht und Auskunftsrecht im Hinblick auf die Möglichkeit zur Auskunftsverweigerung vor allem, dass bei der erforderlichen Abwägung die Informationsbedürfnisse des Aktionärs nach ständiger Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen sind, sondern es allein auf die Vor- bzw. Nachteile für die Gesellschaft ankommt. Demgegenüber ist die Information zur Vorbereitung verbandsrechtlich erforderlicher Entscheidungen der Aktionäre nur eine der verschiedenen Aufgabe des Lageberichts. Die für die spezifisch aktienrechtlichen Informationsinstrumente diskutierte Frage, inwieweit dem Aktionär auch die zur Bewertung seines Anteils und die Desinvestitionsentscheidung erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen sind, stellt sich für den Lagebericht nicht, da dieser ohnehin durch die Einbeziehung in die allgemeine Publizität des Handelsregisters bzw. nunmehr des Unternehmensregisters und die Einbindung in das kapitalmarktrechtliche Informationssystem eine über das Verbandsrecht hinausreichende Informationsfunktion übernimmt. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn man die Aktionäre als die Adressaten mit den am weitesten reichenden Informationsbedürfnissen betrachtet, denen gegenüber das geringste Bedürfnis für einen Geheimnisschutz besteht. In diesem Fall könnte der Maßstab des § 131 AktG als Obergrenze heranzuziehen und eine Anwendung des § 131 AktG auf den Lagebericht im Wege des Erst-Recht-Schlusses gerechtfertigt sein. Es bestehen allerdings erhebliche Zweifel, ob diese Annahme zulässig ist. Hinzu kommt ein weiterer – entscheidender – Aspekt. Selbst wenn man von einer derartige „Hierarchie“ der Informationsinteressen ausgeht, kann dies nicht über die systematischen und dogmatischen Unterschiede zwischen Auskunftsrecht und Lagebericht hinwegtäuschen. Allein die Tatsache, dass nach § 131 Abs. 1 AktG und im Lagebericht identische Informationen offenzulegen sein können, also faktisch eine Schnittmenge besteht, kann die aus rechtlicher Sicht bestehenden konzeptionellen Unterschiede zwischen den beiden Informationsinstrumenten nicht beseitigen. Schließlich ist ein weiterer Gesichtspunkt zu bedenken. Die Überlegungen zur Entwicklung einer Schutzklausel für den Lagebericht setzen bei einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Adressaten und dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft an (siehe oben Fn. 41). Demgegenüber setzt der Begriff des „nicht unerheblichen Nachteils“ i.S.d. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG eine Abwägung von Vor- und Nachteilen
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3.2.4.1.3. Schutzklauseln des Kapitalmarktrechts Fraglich ist daher, ob eine Analogie zu einer der Schutzklauseln in Betracht kommt, welche das Kapitalmarktrecht in § 15 Abs. 3 WpHG für die Ad-hoc-Publizität, in § 8 WpPG für den Prospekt und in § 40 BörsG a.F. für den Zwischenbericht vorsieht. 3.2.4.1.3.1. § 15 Abs. 3 WpHG Denkbar erscheint zunächst eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 WpHG auf den Lagebericht. Für den Tatbestand der Ad-hoc-Publizität wurde durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz die in § 15 Abs. 1 S. 5 WpHG a.F. vorgesehene Befreiungsmöglichkeit durch die Aufsichtsbehörde in ein Selbstbefreiungsrecht umgewandelt (§ 15 Abs. 3 WpHG).50 Der bislang erforderliche Befreiungsantrag entfällt. Stattdessen kann der Emittent eigenverantwortlich unter bestimmten Voraussetzungen die Veröffentlichung einer meldepflichtigen Information aufschieben. Der Emittent ist solange von der Veröffentlichungspflicht befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Ein berechtigtes Interesse des Emittenten ist insbesondere dann anzuerkennen, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen durch die Veröffentlichung wahrscheinlich beeinträchtigt würde und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde, zum anderen dann, wenn in gestreckten Sachverhalten eine erforderliche Zustimmung noch aussteht und die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährdet würde.51 Nach Wegfall der Gründe für den Aufschub lebt die Veröffentlichungspflicht wieder auf und ist die Veröffentlichung unverzüglich nachzuholen. Fraglich ist, ob dieser Rechtsgedanke auf den Lagebericht zutrifft und auf die Berichterstattungspflicht des § 289 HGB übertragbar ist. Dazu sind zwei Fälle zu unterscheiden. Teilweise wird generell angenommen, dass ein zeitliches Hinausschieben der Vorlage des Lageberichts vertretbar sei, wenn sich das berichtende Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, konkrete Möglichkeiten zur Rettung zur Verfügung stehen und bei fristgemäßer Vorlage mit einem unausweichlichen Zusammenbruch des
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heblichen Nachteils“ i.S.d. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG eine Abwägung von Vor- und Nachteilen der Offenlegung für die Gesellschaft voraus, während das Interesse des Aktionärs an der Information nicht zu berücksichtigen ist (KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 100; BayObLG, AG 1996, 322, 323 = NJW-RR 1996, 994, 995; LG Mainz, AG 1988, 169, 171; ECKARDT, in: GEßLER/HEFERMEHL, AktG, § 131 Rn. 84 ff.) Es sind also nicht, wie für den Lagebericht angenommen, die Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft gegen die Informationsbedürfnisse der Aktionäre abzuwägen, sondern es kommt allein auf eine Abwägung der Vor- und Nachteile für die Gesellschaft an. Diese Diskrepanz in der zugrunde liegenden Interessenwertung spricht gegen eine Analogie zu § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG. Siehe dazu VEITH, NZG 2005, 254 ff.; SCHNEIDER, BB 2005, 897 ff.; sowie unter Geheimnisschutzaspekten den Beitrag von KERSTING, in diesem Buch S. 411 ff. Zu den Voraussetzungen im einzelnen KERSTING, in diesem Buch S. 411 ff.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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Unternehmens zu rechnen ist.52 Insoweit könnte § 15 Abs. 3 WpHG als rechtlicher Anknüpfungspunkt heranzuziehen sein. Dagegen spricht jedoch, dass es bei § 15 Abs. 3 WpHG um die Besonderheiten gestreckter Entscheidungsprozesse, nicht aber um die Abwendung von Wettbewerbsnachteilen geht. Diese ratio des § 15 Abs. 3 WpHG trifft auf § 289 HGB nicht zu. Anders als im Fall der Ad-hoc-Publizität geht es beim Lagebericht nicht um die unverzügliche Veröffentlichung aktueller Sachverhalte. Ziel des Lageberichts ist es vielmehr, einmal jährlich eine zusammenfassende Darstellung der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Gesellschaft offenzulegen, welche grundlegende Informationen über das abgelaufene Geschäftsjahr und über die voraussichtliche Entwicklung zumindest des nächsten Geschäftsjahres beinhaltet. Das Problem zeitlich gestreckter Sachverhalte stellt sich für den Lagebericht somit nicht. Die für die analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 WpHG erforderliche sachliche Vergleichbarkeit ist daher nicht gegeben. Die Möglichkeit eines Aufschubs der Offenlegung würde dem Charakter des Lageberichts als periodischem Informationsinstrument widersprechen. Fraglich ist allerdings, ob über diesen Ausnahmefall hinaus eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 WpHG auf den Lagebericht in Betracht kommt. Dazu ist das Verhältnis zwischen Ad-hoc-Publizität und Lagebericht näher zu betrachten. Ursprünglich beschränkte sich die Funktion der Ad-hoc-Publizität auf eine zeitliche Ergänzung und Fortschreibung der jährlichen Rechnungslegung durch möglichst zeitnahe Veröffentlichung der ohnehin am Ende des Jahres in Jahresabschluss und Lagebericht offenzulegenden Informationen. Durch die Verlagerung in das WpHG und spätestes durch die auch terminologische Anpassung des Tatbestands des § 15 WpHG an die Vorschriften des Insiderhandels ist dieser enge Bezug zur Rechnungslegung jedoch ein Stück weit aufgelöst worden. Ad-hoc-publizitätspflichtig sind „kursrelevante“ Informationen, während das Kriterium der Kursrelevanz für die Angabepflicht im Lagebericht nicht ausschlaggebend ist. Auch wenn faktisch eine erhebliche Schnittmenge zwischen ad-hoc-meldepflichtigen und lageberichtspflichtigen Informationen existiert, bestehen aus rechtlicher Perspektive konzeptionelle Unterschiede zwischen den beiden Informationsinstrumenten. Zwar werden im Regelfall kursrelevante Informationen zugleich wesentliche Angaben i.S.d. § 289 HGB darstellen. Ebenso wie beim Auskunftsrecht des Aktionärs kann aber allein die faktische Überschneidung die aus rechtlicher Sicht bestehenden konzeptionellen Unterschiede nicht beheben, so dass eine Analogie nicht gerechtfertigt erscheint.53 Im Ergebnis kann das Unterlassen einer Berichterstattung im Lagebericht 52
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Ohne Rückgriff auf eine Analogie zu den Befreiungsmöglichkeiten bei der Ad-hoc-Publizität KROPFF, BFuP 1980, 514 (522); zustimmend LÜCK, in: Handbuch der Rechnungslegung, § 289 HGB Rn. 30; BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 15; REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV 3 Rn. 25; einschränkend RÄUBER, BB 1988, 1285 (1287), da ein zeitliches Hinausschieben nur in bestimmten Einzelfällen Aufsichtsorgane und Abschlussprüfer beruhigen könne. Dieses Ergebnis schließt allerdings das Erfordernis einer Feinabstimmung im Einzelfall nicht aus. Zu berücksichtigen ist, dass jede Ad-hoc-Mitteilung in den auf ihre Veröffentlichung folgenden Lagebericht aufzunehmen ist. Wenn ausnahmsweise nach § 15 Abs. 3 WpHG ein Aufschub der Mitteilung begründet ist, darf das Selbstbefreiungsrecht nicht durch einen Offenlegungszwang im Lagebericht unterlaufen werden. Daher ist eine Ad-hoc-Mitteilung erst dann in
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wegen befürchteter Wettbewerbsnachteile somit nicht auf eine Analogie zu § 15 Abs. 3 WpHG gestützt werden. 3.2.4.1.3.2. § 8 WpPG und § 40 BörsG a.F., § 60 BörsZulV a.F. Denkbar erscheint schließlich, die in § 8 WpPG für den Prospekt bzw. in § 40 a.F. BörsG für den Zwischenbericht geltenden Schutzklauseln auf den Lagebericht zu übertragen.54 Nach § 8 WpPG kann die Aufsichtsbehörde gestatten, dass bestimmte an sich vorgeschriebene Angaben nicht in den Prospekt aufgenommen werden müssen, wenn die Verbreitung dieser Angaben dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, des Anbieters, des Garantiegebers und der Wertpapiere, auf die sich der Prospekt bezieht, wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht.55 Im Hinblick auf den Zwischenbericht konnte die Zulassungsstelle nach § 40 Abs. 2 S. 2 BörsG a.F., § 60 BörsZulV 54
54
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gungszwang im Lagebericht unterlaufen werden. Daher ist eine Ad-hoc-Mitteilung erst dann in den Lagebericht aufzunehmen, wenn diese zumindest zeitgleich tatsächlich zu veröffentlichen wäre. Aus diesem Grund kommt ein Aufschub der Veröffentlichung im Lagebericht analog § 15 Abs. 3 WphG in dem Ausnahmefall in Betracht, dass – trotz der im Grundsatz unterschiedlichen Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht – nach § 289 HGB über eine meldepflichtige Insiderinformation auch im Lagebericht zu berichten wäre, aber die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG vorliegen und nicht anzunehmen ist, dass diese Voraussetzungen bis zum Ablauf der Veröffentlichungsfrist für den Lagebericht entfallen werden. In diesem Fall kann die Offenlegung der ad-hoc-pflichtigen Insiderinformation im Lagebericht unterbleiben, da eine zwingende Berichterstattung andernfalls das Selbstbefreiungsrecht des § 15 Abs. 3 WpHG leer laufen lassen würde. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Offenlegung des Lageberichts insgesamt unterbleiben kann. Die Ausnahme ist vielmehr inhaltlich begrenzt auf die konkrete Insiderinformation und nur zulässig, weil der Gesetzgeber mit der Regelung des § 15 Abs. 3 WpHG für diesen Sonderfall einen – zeitlich befristeten – Vorrang des Unternehmensinteresses vor den Informationsbedürfnissen des Kapitalmarkts ausdrücklich anerkannt hat. Der Aufschub der Offenlegungspflicht bezieht sich ausschließlich auf die konkrete Ad-hoc-Mitteilung, so dass diese nicht in den aktuellen, sondern erst in den auf ihre – nach Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen erfolgte – Veröffentlichung folgenden Lagebericht aufzunehmen ist. In der Praxis haben diese Normen allerdings bislang kaum eine Bedeutung erlangt. Zu der Vorgängernorm des § 8 WpPG (§ 47 BörsZulV) wurde vertreten, dass in der Regel das Informationsinteresse des Kapitalmarkts Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse der Emittenten habe und wegen der hohen Anforderungen der Anwendungsbereich des Befreiungstatbestands eher gering sei (HEIDELBACH, in: SCHWARK, Kapitalmarktrecht, § 47 BörsZulV Rn. 1; SIEBEL/ GEBAUER, WM 2001, 173, 175). Dieser Befreiungstatbestand dient der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 b) der Prospektrichtlinie („Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates kann gestatten, dass bestimmte vorgeschriebene Angaben nicht aufgenommen werden müssen, wenn sie der Ansicht ist, dass die Bekanntmachung der betreffenden Angaben dem Emittenten ernsthaft schadet, vorausgesetzt, dass das Publikum durch die Nichtaufnahme nicht in Bezug auf Tatsachen und Umstände, die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, Anbieters oder Garantiegebers und der mit den Wertpapieren, auf die sich der Prospekt bezieht, wesentlich verbundenen Rechte sind, irregeführt wird“) und entspricht dem früheren § 47 BörsZulV, der auf Art. 24 der Koordinierungsrichtlinie basierte. Entsprechende Befreiungstatbestände für die Emissionspublizität sind in § 7 Abs. 3 VerkProspG, § 14 VerkProspVO enthalten.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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a.F. gestatten, einzelne sonst zwingende Angaben nicht in den Zwischenbericht aufzunehmen, wenn deren Verbreitung dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt. Im Betracht kommen Umsatzeinbußen, Wettbewerbsnachteile, Imageschäden oder die Gefährdung von Sanierungsmaßnahmen.56 Bei der Entscheidung sind die Schutzinteressen des Emittenten gegen die Informationsinteressen des Publikums abzuwägen. Voraussetzung ist, dass das Publikum durch die unterlassene Veröffentlichung nicht über wesentliche Tatsachen und Umstände für die Beurteilung der Aktien getäuscht wird, § 60 S. 2 BörsZulV a.F. Insoweit wird vertreten, dass auf die Parallelvorschrift des § 286 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 HGB zurückgegriffen werden könne.57 Für den Prospekt sind demnach Befreiungsmöglichkeiten durch die Aufsichtsbehörde vorgesehen, wie sie bis zur Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz auch für die Ad-hoc-Publizität bestanden. Fraglich ist, ob diese Befreiungsmöglichkeiten analog auch für den Lagebericht gelten. Dagegen spricht, dass der Lagebericht anders als der Prospekt nicht einer Zulassungsstelle zu übermitteln ist und es bereits an entsprechenden Verfahrensvorkehrungen fehlt. Allenfalls ließe sich aus § 8 WpPG der Rechtsgedanke herleiten, dass eine für die Gesellschaft nachteilige Offenlegung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben kann. Insoweit ist jedoch im Hinblick auf die Zwischenberichterstattung zu berücksichtigen, dass diese Pflicht durch die Transparenzrichtlinie58 und deren Umsetzung durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz59 neu geregelt worden ist und weder die Transparenzrichtlinie noch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz oder die in diesem Zusammenhang erlassenen Durchführungsvorschriften60 Befreiungsmöglichkeiten für die Zwischenberichterstattung enthalten.
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HEIDELBACH, in: SCHWARK, Kapitalmarktrecht, § 40 BörsG Rn. 19; SIEBEL/GEBAUER, WM 2001, 173 (175, 181). HEIDELBACH, in: SCHWARK, Kapitalmarktrecht, § 40 BörsG Rn. 19. Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 390, 38 ff. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG) vom 5. Januar 2007 – TUG (BGBl. I 2007 Nr. 1 vom 10. Januar 2007, 10 ff.). Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, Abl. L 69, 27; in Deutschland bislang den Referentenentwurf einer Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (TranspRLDV).
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Entscheidend gegen eine Analogie spricht zudem ein weiterer Gesichtspunkt. Die Bedenken, die oben unter systematischen und dogmatischen Gesichtspunkten gegen eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Norm des § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG angeführt wurden, gelten in gleicher Weise im Hinblick auf die analoge Anwendung einer kapitalmarktrechtlichen Norm. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die spezifischen Informationspflichten des Kapitalmarktrechts auf dem Recht der Rechnungslegung aufbauen und der Lagebericht durch die Konzeption des Gesetzes ausdrücklich in den Dienst des Kapitalmarktsrechts gestellt ist. Die kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten richten sich jedoch ausschließlich an die Anleger. Im Hinblick auf die Schutzklauseln spiegelt sich dies in den Anforderungen wider, die das Gesetz an die von der Aufsichtsbehörde bei der Entscheidung über die Nichtaufnahme bestimmter Angaben in den Prospekt bzw. Zwischenbericht vorzunehmende Abwägung stellt und die gerade auf die Besonderheiten der kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Interessenabwägung abgestimmt sind. Demgegenüber ist die Funktion des Lageberichts nicht auf die Information des Anlegerpublikums im Hinblick auf dessen spezifische Informationsbedürfnisse beschränkt, sondern zielt zugleich auf die Information der zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung berufenen Aktionäre sowie der Gläubiger ab. Angesichts der unterschiedlichen Zweckrichtung und der unterschiedlichen Adressatenkreise der Informationsinstrumente kommt eine Übertragung der in den kapitalmarktrechtlichen Schutzklauseln enthaltenen Interessenwertung auf den Lagebericht nicht in Betracht. Eine analoge Anwendung einer kapitalmarktrechtlichen Norm würde die unterschiedlichen Regelungszusammenhänge, in die der Lagebericht eingebunden ist, außer Acht lassen. Demnach ist eine Übertragung der für die spezifischen Schutzklauseln, die das Kapitalmarktrecht in § 8 WpPG für den Prospekt und in § 40 BörsG a.F. für den Zwischenbericht vorsieht, auf die im allgemeinen Bilanzrecht verortete Norm des § 289 HGB abzulehnen. 3.2.4.1.4. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist eine Anwendung einer der gesetzlich geregelten Schutzklauseln auf den Lagebericht nicht begründbar. Eine analoge Anwendung des auf den ersten Blick sachlich am nächsten liegenden § 286 HGB kommt aus systematischen, historischen und europarechtlichen Gründen nicht in Betracht. Im Ergebnis gilt Gleiches für § 131 AktG und die kapitalmarktrechtlichen Schutzklauseln gemäß § 15 Abs. 3 WpHG, § 8 WpPG sowie § 40 BörsG a.F., § 60 BörsZulV a.F. Diese Schutzklauseln resultieren jeweils aus den Besonderheiten der spezifischen Informationspflichtregelung in Bezug auf einen bestimmten Adressatenkreis. Auch wenn es faktisch zu Überschneidungen bei den offenzulegenden Informationen kommen kann, erscheint es aus systematischen Gründen nicht gerechtfertigt, aus dem Aktienrecht oder dem Kapitalmarktrecht stammende Interessenregelungen auf die im allgemeinen Bilanzrecht verortete Offenlegungspflicht des § 289 HGB zu übertragen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass das Gesetz für alle speziellen Informationsinstrumente Schutzklauseln vorsieht für den Fall, dass dem berichterstattenden Unter-
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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nehmen durch die Berichterstattung ein „erheblicher Nachteil“ bzw. ein „nicht unerheblicher Nachteil“ entsteht. Dies könnte zu der Schlussfolgerung verleiten, dass es sich bei dem Fehlen der Schutzklausel für den Lagebericht um eine nicht beabsichtigte Regelungslücke handelt. Auch wenn eine Einzelanalogie zu den jeweiligen Schutzklauseln nicht gerechtfertigt ist, erscheint es daher denkbar und angesichts der funktionalen Einbindung des Lageberichts in unterschiedliche Funktionszusammenhänge nahe liegend, die Schutzklauseln kumulativ heranzuziehen und daraus eine Schutzklausel für den Lagebericht im Wege der Gesamtanalogie herzuleiten, welche immer dann greift, wenn der Schutz berechtigter Interessen dies erfordert bzw. die Offenlegung für die Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil bedeutet.
3.2.4.2. Verfassungsrechtlich gebotene Gesamtanalogie So wird teilweise vertreten, dass sich aus einer Zusammenschau der verschiedenen Schutzklauseln61 sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen im Wege einer Gesamtanalogie ergebe, dass auch für den Lagebericht eine Schutzklausel zu bejahen sei.62 Durch § 286 HGB und § 131 AktG habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass einer Kapitalgesellschaft das Recht zustehen müsse, zum eigenen Schutz von einer Veröffentlichung sensibler Informationen absehen zu können.63 Untermauert wird dies mit dem Hinweis auf § 8 UmwG, welcher für den Verschmelzungsbericht ebenfalls eine Schutzklausel vorsieht.64 Zusätzlich erscheint auch eine Berufung auf § 8 WpPG, § 40 BörsG a.F. und § 60 BörsZulV a.F. möglich. Eine Gesamtanalogie wird auch aus verfassungsrechtlichen Gründen für erforderlich gehalten.65 Die berichterstattende Gesellschaft könne sich auf das Grundrecht aus Art. 2 GG berufen, das auch für juristische Personen gilt.66 Zum Schutzbereich dieses Grundrechts gehört neben der allgemeinen Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsverkehr auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung67, welches definiert ist als die „aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“. Dazu gehören auch Daten über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse68 und geschäftliche Informationen69. Zwar könne das Grundrecht auf informationelle
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62 63
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STOBBE, BB 1988, 303 (309); STEUBER, in: MüKoAktG, § 289 HGB Rn. 68 ff.: § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG, § 8 Abs. 2 UmwG, § 286 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB. STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 66, 70. STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 70: „das Recht, zum eigenen Schutz sensible Informationen zurückhalten zu dürfen, könne nicht erst mit der Strafbarkeit einer Offenbarung nach § 203 StGB beginnen“. STEUBER, in: Mü-KoAktG, § 289 HGB Rn. 70. STEUBER, in: MüKoAktG, § 289 HGB Rn. 66. BVerfGE 44, 353 (372); 20, 323 (226); 3, 383 (390). BVerfGE 65, 1, 42 (Volkszählungsurteil vom 15.12.1983). BVerfGE 77, 121 (125). BVerfGE 73, 261 (272).
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Selbstbestimmung keine vollständige Befreiung von der Lageberichterstattung rechtfertigen.70 Im Hinblick auf den Umfang der Berichterstattung sei es aber im Wege einer Abwägung mit den Informationsinteressen der Adressaten zu berücksichtigen.71 Die Interessenabwägung habe sich zudem an dem aus den gesetzlich geregelten Schutzklauseln abzuleitenden Gefährdungsmaßstab zu orientieren.72
3.2.4.3. Stellungnahme Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich aus § 286 HGB und § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG tatsächlich ein allgemeiner Rechtsgedanke dieses Inhalts herleiten lässt. Bei den Tatbeständen des § 286 HGB handelt es sich – wie ausgeführt – um nicht analogiefähige Einzeltatbestände. Es erscheint daher fraglich, ob sich der Gedanke eines generellen Nachteilsschutzes darauf stützen lässt. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG enthält zwar eine allgemeine Nachteilsregelung, stellt aber auf den Sonderfall der Information der Aktionäre zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung ab und setzt zudem eine besondere Interessenabwägung voraus, welche an den Vor- und Nachteilen der Auskunftserteilung für die Gesellschaft zu orientieren ist. Anders als im Rahmen der Gesamtanalogie für den Lagebericht überwiegend angenommen, 70
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Die Pflicht zur unternehmerischen Rechnungslegung stelle einen Eingriff in dieses Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Eingriff sei jedoch dadurch gerechtfertigt, dass die Unternehmensleitung fremdes Geld verwalte (wobei die Anteilseigner ihre Rechte unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG herleiten können). Daher sei die unternehmerische Rechnungslegung im gesetzlich vorgegebenen Umfang zu erfüllen und dem Unternehmen insoweit auch in Bezug auf den Lagebericht keine Schutzklausel zuzubilligen. Eine Abwägung könne jedoch im Hinblick auf den Umfang der Berichterstattung im Lagebericht stattfinden (BUDDE, in: FS Moxter, 33, 40; STEUBER, MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 65). Nach der verfassungsrechtlichen Argumentation sei zu berücksichtigen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in besonderem Maße einer Güterabwägungs- und Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliege. Diese Prüfung sei am Adressatenschutz allgemein, vor allem aber am Anleger- und Gläubigerschutz zu orientieren, der als vorrangiger Schutzzweck der Lageberichterstattung begriffen wird. Eine eingeschränkte Lageberichterstattung sei daher nur vertretbar, wenn der potentielle Schaden der Gesellschaft die Adressatenschädigung überschreite (STEUBER, MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 65; BALLWIESER, in: FS Baetge, 153, 157; BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 15; ähnlich KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (255), die allerdings darauf hinweisen, dass in der Regel das Informationsinteresse der Adressaten überwiegen werde). Andere nehmen an, dass ein Schutz in allen Fällen bestehe, in denen die Folgen potentieller oder anzunehmender Risiken ungewiss sind und mögliche Reaktionen auf eine entsprechende Berichterstattung jedenfalls zu einer Bestandsgefährdung der Gesellschaft führen können. Die Gesellschaft dürfe nicht gezwungen werden, durch eine „self-fulfilling prophecy“ sich selbst schädigen zu müssen. Dabei stehe der Gesellschaft das Recht zu, über den Umfang ihrer Informationsverpflichtung (mit-)zubestimmen (LANGE, in: MüKoHGB, § 289 Rn. 14). BUDDE, in: FS Moxter, 33 (40); STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 65. Der im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Gefährdungsmaßstab ergebe sich aus den übrigen Berichtsbeschränkungen. Es sei also ein „erheblicher Nachteil“ i.S.d. § 286 Abs. 2 erforderlich Der Maßstab des § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG, welcher gegenüber den Aktionären gelte und einen „nicht unerheblichen“ Nachteil erfordert, sei geringer als der gegenüber den Jahresabschlussbzw. Anhangadressaten, daher sei das Risiko eines „erheblichen Nachteils“ jedenfalls die äußere Grenze der Lageberichterstattung. (STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 70).
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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ist das Interesse des Aktionärs an der Information gerade nicht zu berücksichtigen.73 Dadurch unterscheidet sich § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG von den für den Prospekt, den Zwischenbericht und die Ad-hoc-Publizität geltenden kapitalmarktrechtlichen Schutzklauseln, welche eine Abwägung der Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft mit den schutzwürdigen Informationsinteressen des Anlegerpublikums erfordern. Voraussetzung ist, dass das Publikum nicht getäuscht bzw. irregeführt wird. Dieser Vorrang der Information des Kapitalmarktes gilt auch für den Anhang, da die Schutzklausel hier nicht zugunsten kapitalmarktorientierter Unternehmen anwendbar ist.74 Insgesamt bestehen demnach im Detail erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Schutzklauseln, so dass ein einheitlicher und auf den Lagebericht übertragbarer Rechtsgedanke daraus nicht abzuleiten ist. Zudem ist zu beachten, dass schon kein Bedürfnis75 für einen Analogieschluss besteht, wenn eine Lösung bereits im Wege der Auslegung erzielt werden kann. Fraglich ist daher, ob sich über die Auslegung des § 289 HGB eine Lösung ergibt. Die Auslegung des § 289 HGB im Hinblick auf Inhalt und Umfang der Lageberichterstattung hat im Wesentlichen anhand des Zwecks des Lageberichts zu erfolgen. Der Zweck des Lageberichts liegt in der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen an Anteilseigner, Anleger und Gläubiger. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Interessengruppen mit ebenso unterschiedlichen Informationsbedürfnissen. Da eine Befriedigung sämtlicher Informationsbedürfnisse durch ein einziges Informationsinstrument nicht möglich ist und das Gesetz dem durch die Bereitstellung spezifischer Informationsquellen in den unterschiedlichen Rege73
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KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 100; BayObLG, AG 1996, 322 (323) = NJW-RR 1996, 994 (995); LG Mainz, AG 1988, 169 (171); ECKARDT, in: GEßLER/HEFERMEHL, AktG, § 131 Rn. 84 ff.; siehe dazu bereits oben Fn. 48. Diese durch das TransPuG (Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 24.08.2002 (BGBl. I 2002 Nr. 62 vom 30.08.2002, 3412) eingeführte Einschränkung der Schutzklausel beruht auf dem Gedanken, dass die Informationsfunktion des Konzernabschlusses über die Unternehmensinteressen zu stellen ist und die Angabepflichten im Anhang des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses einander entsprechen sollen (Begr. Reg-E TransPuG, BT-Drs. 14/8769, 27, 25). Für den Konzernabschluss erkennt der Gesetzgeber somit explizit einen Vorrang der Informationsbedürfnisse der Teilnehmer am Kapitalmarkt an. Anders als der Konzernabschluss dient der Jahresabschluss allerdings nicht allein Informationszwecken, sondern auch der Gewinnermittlung. Angesichts des Verweises der Begründung auf den Konzernabschluss geht der Gesetzgeber offenbar von einem Gleichlauf zwischen Konzernanhang und Anhang aus. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm auf einen Sachverhalt setzt das Bestehen einer unbewussten Regelungslücke sowie die Vergleichbarkeit der Sachverhalte voraus. Fraglich ist vorliegend insbesondere das Bestehen einer unbewussten Regelungslücke. Angesichts der bisher geführten Diskussion im Schrifttum und den Stellungnahmen in Gesetzesbegründungen ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber die Problematik eines Geheimnis- oder sonstigen Nachtteilsschutzes hinreichend bewusst ist. Obwohl seit dem Bilanzrichtliniengesetz mehrfach die Gelegenheit dazu bestand, insbesondere im Zuge der Einführung der nicht auf europäischen Richtlinienvorgaben beruhenden Risikoberichterstattung, ist bislang von der Normierung einer Schutzklausel für den Lagebericht abgesehen worden. Gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht auch, dass die ursprünglich in einem Vorentwurf des Bilanzrichtliniengesetzes vorgesehene Übertragung der Schutzklausel für den Anhang auf den Lagebericht im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden ist. (REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV Rn. 23).
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lungsbereichen Rechnung trägt, kann die Aufgabe des Lageberichts demnach nur darin liegen, als „general purpose instrument“ grundlegende und generelle Informationen über das Unternehmen bereitzustellen.76 Diese Auslegung legt in der Daihatsu- und der Springer-Entscheidung auch der EuGH dem Lagebericht zugrunde, wenn er ausführt, dass „nach Art. 46 der Richtlinie Angaben, die im Lagebericht enthalten sein müssen, allgemein gehalten“ sein dürfen.77 In der Zusammenschau mit dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Bestreben zur Verbesserung der Aussagefähigkeit der Lageberichte in der Gemeinschaft ist dies keineswegs in dem Sinne zu verstehen, dass die Berichterstattung sich auf stereotype oder pauschale Aussagen auf hohem Abstraktionsniveau beschränken dürfe. Nahe liegend ist vielmehr, dies als Hinweis auf die in den Richtlinien angelegte Grundlagenfunktion des Lageberichts zu begreifen. Informationslücken sind nicht zu befürchten, da das Gesetz für die individuellen Informationsbedürfnisse der unterschiedlichen Adressatengruppen jeweils spezifische, auf diese Informationsbedürfnisse abgestimmte Informationsinstrumente bereitstellt. Im Verhältnis zu diesen besonderen Informationsinstrumenten übernimmt der Lagebericht die Funktion eines Grundlagen- und Referenzdokuments, welches die notwendigen Rahmeninformationen bereitstellt. Liegt die Informationsfunktion des Lageberichts aber in der Vermittlung grundlegender Informationen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, so könnte die Offenlegung sensibler Informationen schon tatbestandsmäßig nicht erforderlich sein. Angesichts des von vornherein dergestalt eingeschränkten Inhalts und Umfangs der Lageberichterstattung ist es denkbar, dass nach der Konzeption des Gesetzes ein Bedürfnis für einen Geheimnisschutzes erst im Zusammenhang mit den speziellen und demgemäß detaillierteren Informationsinstrumenten und nicht schon auf der Ebene des Grundlagendokuments anzuerkennen ist. Aus der Tatsache, dass das Gesetz nur im Zusammenhang mit den speziellen Informationstatbeständen Schutzklauseln vorsieht, könnte folgen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass auf der Ebene des Grundlagendokuments kein Bedürfnis für eine Schutzklausel besteht. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts eine Schutzklausel für den Lagebericht gerade nicht vorgesehen ist und daher jede Einschränkung der Berichterstattung – gerade auch im Wege einer Analogie oder Gesamtanalogie – die Gefahr der Europarechtswidrigkeit birgt.78 Dieser Auslegung entspricht es, dass auch die Empfehlungen des DSR zum Lagebericht79 bzw. zur Risikoberichterstattung80 keine Schutzklausel vorsehen. 76 77 78
79 80
Siehe umfassend PALMES, Der Lagebericht, 6. Kapitel. Siehe dazu EuGH, Rs. C-435/02 u- C. 103/03, Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 55). FLEISCHER, AG 2006, 2 (13); HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 Rn. 87 ff.; ELLROTT, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 289 HGB Rn. 51. Auf europäischer Ebene besteht eine Schutzklausel nur punktuell für den Anhang in Art. 45 der Bilanzrichtlinie. Dadurch kommt das Konzept zum Ausdruck, den für alle Kapitalgesellschaften geltenden Grundsatz der öffentlichen Rechnungslegung nur eng begrenzt in einzelnen, genau definierten Ausnahmefällen durch Freistellungen und Erleichterungen zu durchbrechen. In diesen Zusammenhang gehören etwa die Erleichterungen bei der Aufstellung und Offenlegung des Lageberichts, die für kleine und mittlere Gesellschaften in Art. 46 Abs. 3 der Bilanzrichtlinie festgelegt sind (siehe oben 3.2.2.3.). DRS 15. DRS 5.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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3.2.4.4. „Einschränkende“ Auslegung Die Berichterstattung im Lagebericht könnte immanent begrenzt sein durch das Erfordernis einer Abwägung der Selbstschutzinteressen des berichterstattenden Unternehmens auf der einen und der Informationsinteressen der Adressaten des Lageberichts auf der anderen Seite.81 3.2.4.4.1. Beschränkung auf allgemeine Angaben So wird vertreten, dass zur Vermeidung von Nachteilen für die berichterstattende Gesellschaft die Angaben im Lagebericht allgemein gehalten werden dürfen.82 Eine Offenlegung von vertraulichen Daten im Lagebericht sei nicht erforderlich, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild zu vermitteln. Der Vorstand habe zwar kein Recht, Sachverhalte gänzlich zu verschweigen. Doch bestehe keine Verpflichtung, so detaillierte Angaben zu machen, dass schutzwürdige und schutzpflichtige Unternehmensgeheimnisse bekannt gegeben werden.83 Auch Einzelangaben seien wegen des allgemeinen Charakters der Berichtspflicht nicht erforderlich. Durch entsprechende Formulierungen ließen sich Nachteile für die berichtende Gesellschaft vermeiden, ohne dass auf diese Weise ein unzutreffendes oder unvollständiges Bild der Lage der Gesellschaft gezeichnet werde. Angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Bilanzrechtsreformgesetzes ist schließlich davon auszugehen, dass eine Berichterstattung über Ziele und Strategien – trotz deren Bedeutung und der Tatsache, dass strategieorientierte Angaben international nicht unüblich ist84 – nach geltendem Recht nicht erforderlich ist.
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So wohl BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 14 f.; STOBBE, BB 1988, 303 (309); RÄUBER, BB 1988, 1285 (1287); SAHNER/KAMMERS, DB 1984, 2309 (2312). KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (255) („faktische Schutzklausel“); ELLROTT, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 289 HGB Rn. 12; MOXTER, BB 1997, 722 (723); SELCHERT/GREINERT, in: Becksches Handbuch der Rechnungslegung, B 510 Rn. 120; KAWLATH, in: FS Baetge, 189 (205); SELCH, WPg 2000, 357 (359); wohl auch SEMLER, ZGR-Sonderheft 2, 1980, 177 (199); RÄUBER, BB 1988, 1285 (1287); SAHNER/KAMMERS, DB 1984, 2309 (2312). Dabei kann die Abgrenzung zwischen einem „patenten“ und einem „latenten“ Geheimnis herangezogen werden. Ein patentes Geheimnis liegt vor, wenn im Lagebericht offengelegt wird, dass ein Geheimnis vorhanden ist, konkrete Angaben hierzu aber fehlen. Ein latentes Geheimnis liegt demgegenüber vor, wenn nicht einmal offengelegt wird, dass ein Geheimnis überhaupt vorhanden ist. KAISER, WPg 2005, 406 (408); FREIDANK/STEINMEYER, BB 2005, 2512 (2513 f.); FINK/KECK, WPg 2004, 1077 (1085); FINK/KECK, KoR 2005, 137 (138); GÜNTHER/BEYER, BB 2001, 1623 (1628); GÜNTHER/BEYER/MENNINGER, KoR 2003, 448 (455); BEIERSDORF/BUCHHEIM , BB 2006, 96 (98), vgl. auch das IASB-Projekt „Management Commentary“, welches ausdrücklich auf strategische Aspekte verweist, dazu bereits IASB Observer Notes, February 2005, S. 3: “The objective of MC is to assist current and potential investors in assessing the strategies adopted by the entity and the potential for successfully achieving them”.
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3.2.4.4.2. Besonderheiten bei Risiken Eine Ausnahme gelte allerdings für die Berichterstattung über Risiken.85 Gerade bei bestandsgefährdenden Risiken seien Informationsinteresse und Schutzbedürfnis der Adressaten besonders hoch; gerade in der Krise seien Anteilseigner und Gläubiger auf Informationen angewiesen, da Maßnahmen erforderlich sein können.86 Daher sei eine Beschränkung der risikoorientierten Berichterstattung auf allgemeine Angaben mit Sinn und Zweck der Lageberichterstattung nicht vereinbar.87 Insbesondere bestehe das Risiko einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung bei jeder negativen Berichterstattung, so dass es Unternehmen fast durchgängig möglich wäre, Risikodarstellungen mit dem Hinweis auf mögliche Nachteile zu unterlassen.88 Die Informationsvermittlung im Lagebericht wäre sonst entwertet und Sinn und Zweck der Publizität als zentrale Grundlage privatautonom-eigenverantwortlichen Handelns allgemein in Frage gestellt.89 Zudem sei zu berücksichtigen, dass eine Offenlegung von Risiken dann nicht abschreckend wirke, wenn zugleich plausible Gegenmaßnahmen sowie die Ursachen der Krise aufgezeigt werden.90 Die 85
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LANGE, BB 1999, 2447 (2452); HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 Rn. 91; inkonsequent KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (255), die nicht von einem unbedingtem Vorrang der Pflicht zur Risikoberichterstattung ausgehen, sondern eine Abwägung für erforderlich halten: auch wenn die Abwägung fast ausnahmslos zugunsten der Adressaten erfolgen müsse, sei in dem Fall, indem die Veröffentlichung eines detaillierten Risikoberichts „nach objektiver Beurteilung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gravierende Nachteile für das berichtende Unternehmen nach sich ziehen wird“ eine diese Gefahr vermeidende Verallgemeinerung der Angaben zulässig; STOBBE, BB 1988, 303 (309), der sich schon vor dem KonTraG wegen des erhöhten Informationsbedarfs für eine erweiterte Berichtspflicht in Krisenzeiten ausspricht. Andere Ansicht RÄUBER (BB 1988, 1285, 1287): Der Lagebericht nötigt die Unternehmen nicht, innerbetriebliche Ereignisse und Ergebnisse bekannt zu geben, die zu einer Schädigung der Belange der Unternehmung führen können. Dies gelte auch, wenn das Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise geraten ist, wenn bei günstiger Entwicklung oder erfolgversprechenden Sanierungsmaßnahmen seitens der Geschäftsleitung eine Überlebenschance besteht, bei Offenlegung dieser Schwierigkeiten ein Zusammenbruch jedoch unabwendbar erscheint; so auch KROPFF, BFuP 1980, 514 (522); BÖCKING/MÜßIG, in: BAETGE/KIRSCH/THIELE, § 289 HGB Rn. 44; KAJÜTER, BB 2004, 427 (430); MOXTER, BB 1997, 722 ff.: Die für die Risikoberichterstattung geltenden Grundsätze seien auf die Berichterstattung über Chancen ebenso anzuwenden, denn auch hierbei besteht grundsätzlich eine Gefahr nachteiliger Wirkungen, z.B. wenn die Wahrnehmung von Chancen aufgrund von Konkurrenzreaktionen beeinträchtigt werde. STOBBE, BB 1988, 303 (309); LANGE, in: MüKo-HGB, § 289 Rn. 14. KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (253); RODEWALD, BB 2001, 2155 (2160): mit KonTraG verfolgte Regelungsabsicht ad absurdum geführt; HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 Rn. 89. KÜTING/HÜTTEN, AG 1997, 250 (255); anders STEUBER, in: MüKo-AktG, § 289 HGB Rn. 60 und REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV 3 Rn. 26, die nach dem Konkretisierungsgrad des Risikos differenzieren: eine Berichterstattung könne unterbleiben bei solchen Risiken, deren Eintritt „nicht gewiss, aber auch nicht völlig unwahrscheinlich“ sei, bei weitgehend konkretisierten Risiken hingegen bestehe eine Verpflichtung zur Berichterstattung. Dies entspricht letztlich dem Wesentlichkeitsgrundsatz. HOMMELHOFF, in: GroßkommHGB, § 289 HGB Rn. 92; BAETGE/SCHULZE, DB 1998, 937 (943): Publizität sei eine der zentralen Grundlagen privatautonom-eigenverantwortlichen Handelns und damit der rechtliche geordneten Wirtschaftsverfassung insgesamt. STOBBE, BB 1988, 303 (309); REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV 3 Rn. 26.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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Darlegung von Rettungsmaßnahmen und Besserungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der zutreffenden Darstellung der wirtschaftlichen Lage (Krise) fördere das Vertrauen in die Unternehmensleitung eher als ein Verschweigen unternehmerischer Schwierigkeiten.91 3.2.4.4.3. Die Absicht des Gesetzgebers Von einem immanenten Schutz scheint auch die Begründung des Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetzes92 auszugehen, welche ohne weitere Begründung ausführt: „Die Angaben zur Vergütungsstruktur können unterbleiben, soweit sie nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Gesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen.“ Dies betreffe in erster Linie Fälle, in denen Anreize an Ziele eines Unternehmens geknüpft sind, die nicht notwendigerweise für die Veröffentlichung bestimmt sind. Als Beispiele werden eine Steigerung des Umsatzes in einem bestimmten Geschäftsfeld oder einem bestimmten regionalen Absatzmarkt genannt. „Diese für die Geschäftspolitik wichtigen, aber sensiblen Informationen brauchen nicht im Lagebericht veröffentlicht zu werden.“ Hintergrund ist offenbar die Empfehlung der EU-Kommission93, wonach die Vergütungserklärung nicht die Preisgabe vertrauliche Geschäftsinformationen verlange, die der strategischen Position der Gesellschaft abträglich sein können.94 Damit gehen die Verfasser des Entwurfs offenbar von einem der Lageberichterstattungspflicht immanentem Geheimhaltungsrecht aus.
3.2.4.5. Die Auslegung des EuGH Schließlich erscheint eine solche „einschränkende Auslegung“ auch mit der Auslegung der Bestimmungen der Bilanzrichtlinie durch den EuGH vereinbar. Der EuGH erkennt im Grundsatz einen absoluten Vorrang der Informationsinteressen Dritter an und geht daher von einer grundsätzlich unbeschränkten Berichterstattungspflicht aus. Insbesondere wird dies für die risikoorientierter Berichterstattung gelten. Der Schutz Dritter vor finanziellen Risiken bei der Aufnahme von wirtschaftlichen Beziehungen zu Gesellschaften, bei denen nur ein Gesellschaftsvermögen hafte, habe Vorrang vor den Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft. Diese seien bereits durch die Einschränkungen der Offenlegungspflichten in Form der größenabhängigen Erleichterungen hinreichend geschützt.95 Eine Ausnahme bestehe lediglich, wenn es um die Preisgabe sensibler Daten ginge. Hier seien keine detaillierten Einzelangaben erforderlich, sondern könne sich die Berichterstattung auf all91
92 93
94 95
REITTINGER, in: Handbuch des Jahresabschlusses, IV/3 Rn. 26; auch schon CLEMM, Wpg 1977, 156 f.; ADLER/DÜRING/SCHMATZ, § 289 HGB Rn. 48; LANGE, BB 1999, 2447 (2451): Das Unternehmen muss die Berichterstattung als Chance begreifen, Sachargumente zu präsentieren. BT-Drs. 15/5577, 8. Empfehlung der Kommission zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften vom 14.12.2004 (2004/913/EG), ABl. L 385, 55. Erwägungsgrund 5 der Empfehlung, Art. 3.3 S. 2 der Empfehlung. EuGH, Rs. C-435/02 und C-103/03, Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 47 ff.).
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gemeine Angaben beschränken. Es sei daher nicht erforderlich, bestimmte sensible Daten, aus denen z.B. die Berechnungsgrundlage der Preise hervorgehen kann, detailliert mitzuteilen.96
3.2.4.6. Zwischenergebnis Insgesamt verdeutlich die Diskussion, dass allgemein von einem Bedürfnis für einen Geheimnisschutz ausgegangen wird. Über die konkrete Reichweite und Ausgestaltung dieses Geheimnisschutzes besteht jedoch ebensowenig Klarheit wie über dessen rechtliche Verankerung. Insoweit haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass alle Ansätze zur Herleitung einer Schutzklausel im Wege des Analogieschlusses nicht überzeugen können, sondern eine „einschränkende Auslegung“ vorzugswürdig erscheint. Die Berichterstattung im Lagebericht ist demnach immanent begrenzt. Offen bleibt allerdings, wie diese Auslegung konkret zu erfolgen hat. Als Anknüpfungspunkt kommt insoweit die aufgrund der Vorgaben der Bilanzrichtlinie im Wortlaut des § 289 HGB verankerte Zielvorgabe in Betracht, wonach der Lagebericht „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ von Geschäftsverlauf und Lage der Gesellschaft zu vermitteln hat.
3.2.5. Auslegung anhand des Einblicksgebots („true and fair view“) Dieses sog. Einblicksgebot ist am Zweck der Lageberichterstattung zu orientieren. Der Lagebericht hat eine ausschließliche Informationsfunktion. Dahinter steht nach der Konzeption der Bilanzrichtlinie eine auf den Schutz von „Gesellschaftern und Dritten“ gerichtete Schutzfunktion. Schutzadressaten, die unter den Begriff des Dritten fallen, werden zwar nicht in der Bilanzrichtlinie gesetzlich definiert, sind aber anhand einer systematischen Auslegung bestimmbar. Die Information durch den Lagebericht dient dem Schutz der Gesellschafter, Anleger und Gläubiger, und zwar sowohl der gegenwärtigen als auch der potentiellen Gläubiger. Auch wenn die Information durch den Lagebericht aufgrund der Publizität des Handelsregisters grundsätzlich jedermann erreicht, geht damit nicht zwangsläufig eine ebenso unbegrenzte Schutzrichtung einher. Wegen des Zusammenhangs mit der Haftungsbeschränkung bei Kapitalgesellschaften zielt der durch Information bezweckte Schutz vielmehr nur auf die spezifischen Risiken, die aus der Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt und der Haftungsbeschränkung bei Kapitalgesellschaften resultieren. Daraus folgt zum einen, dass die individuellen Wettbewerber, die diesen spezifischen Risiken gerade nicht ausgesetzt sind, nicht in den Schutzbereich des § 289 HGB fallen.97 Zugleich ergibt sich daraus der Maßstab für die Reichweite der konkret offen zu legenden Information, welche an dieser Schutzfunktion zu orientieren ist. Sensible Informationen insbesondere technologischer, strategischer und finan96
97
EuGH, Rs. C-435/02 und C-103/03, Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 55) = ZIP 2004, 2134 (2137) = BB 2004, 2456 (2460). Siehe bereits oben 3.2.4. sowie CORDEWENER, in diesem Buch S. 105 ff.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
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zieller Art sind nur insoweit offenzulegen, wie der Schutz der Anteilseigner, Anleger und Gläubiger dies erfordert. Für einen Geheimnisschutz ist demnach nicht auf eine besondere Schutzklausel zurückzugreifen. Vielmehr ergibt sich eine Grenze der Berichterstattung aus dem Zweck der Lageberichterstattung selbst, welche über das Einblicksgebot bei der Aufstellung zu berücksichtigen ist. Im Einklang mit den Vorgaben der Bilanzrichtlinie und der Rechtsprechung des EuGH lässt sich demnach über das in § 289 HGB selbst als Zielvorgabe für die Lageberichterstattung geregelte Einblicksgebot eine Lösung erzielen. Der Lagebericht hat alle Angaben zu enthalten, die zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes erforderlich sind. Dieser Maßstab wird in der Regel zur Bestimmung des Mindestumfangs des Lageberichts herangezogen. Zugleich ist damit jedoch auch die Obergrenze der Berichterstattung festgelegt: Angaben, die zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes und zum Schutz der Adressaten der Lageberichterstattung nicht erforderlich sind, gehören nicht in den Lagebericht. Damit ist der Berichterstattungsmaßstab des „true and fair view“ zugleich eine implizite Schutzklausel für den Lagebericht.98 Das Gesetz bringt dadurch zum Ausdruck, dass der Lagebericht nicht unbegrenzt Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens geben soll und dass § 289 HGB von vornherein nur auf einen begrenzten, am Schutzzweck orientierten Informationsinhalt abstellt. Dies ist bei der Auslegung des § 289 HGB im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen. Für bestimmte Berichtsgegenstände lässt sich jedoch eine „typisierte“ Auslegung vornehmen: insbesondere Risiken sind wegen der Schutzfunktion im Hinblick auf die spezifische Gefährdungslage bei Kapitalgesellschaften darzustellen, auch wenn die Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung besteht. Sonstige negative Informationen sind ebenfalls offenzulegen, wenn nur in diesem Fall ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt werden kann. Befürchteten Anschlussreaktionen des Marktes ist durch Veröffentlichung von Risikofrüherkennungs- und Managementmethoden oder konkreten Maßnahmen zur Handhabung der Risiken entgegenzuwirken. Chancen sind zu veröffentlichen, auch wenn eine Ausspähung und Übernahme durch Konkurrenzunternehmen befürchtet wird.99 Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH ist aller98 99
MOXTER, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 228. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der als Nachteil empfundenen eigenen Offenlegung immer auch der Vorteil der ebenso offenen Berichterstattung der Wettbewerber und der damit verbundenen Möglichkeit, selbst Informationen über das andere Unternehmen zu erlangen, gegenüberstehen kann (siehe dazu HOFFJAN, BB 2003, 1494). Während einerseits befürchtet wird, dass die Berichterstattung über strategische Informationen zu Wettbewerbsnachteilen für das berichterstattende Unternehmen führen kann, ist anerkannt, dass die Unternehmen umgekehrt durch die systematische Sammlung und Analyse von Jahresabschlussinformationen der Konkurrenz strategische Vorteile im Wettbewerb erlangen können. Dieser Prozess der Analyse, Evaluation, Verteilung und Aufbewahrung von Informationen über die Aktivitäten der Wettbewerber zum Zweck der Erklärung, Prognose und Beeinflussung von Aktionen und Reaktionen der Konkurrenz wird mit dem Begriff der „Competitive Intelligence“ bezeichnet. Für das berichterstattende Unternehmen ergibt sich daraus wiederum die Konsequenz, die Inhalte der (freiwilligen) Berichterstattung vorab auf mögliche damit verbundene Wettbewerbsnachteile zu überprüfen (sog. Counterintelligence, siehe dazu HOFFJAN, BB 2003, 1494).
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dings davon auszugehen, dass eine positive Berichterstattung im Lagebericht keine detaillierten Einzelangaben oder die Preisgabe sensibler Daten verlangt, sondern diese Angaben allgemeiner gehalten werden können.100 Es ist daher etwa nicht erforderlich, bestimmte sensible Daten finanzieller Art, aus denen z.B. die Berechnungsgrundlage der Preise hervorgehen kann, detailliert mitzuteilen.101 Gleiches wird im Hinblick auf die Offenlegung von Angaben technologischer (etwa Erfindungen) oder strategischer Art gelten. Allgemein ist davon auszugehen, dass anstelle der als besonders problematisch empfundenen Veröffentlichung konkreter Maßnahmen bei sensiblen Daten eine erforderliche Verallgemeinerung zulässig ist.
3.2.6. Ergebnis Im Ergebnis ist damit eine allgemeine Schutzklausel in der Form, dass eine Information unterbleiben kann, wenn ihre Veröffentlichung möglicherweise oder wahrscheinlich zu Nachteilen für das berichterstattende Unternehmen führt, nicht begründbar. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine unbeschränkte Berichterstattung erforderlich ist. Vielmehr ergibt sich eine Grenze der Berichterstattung aus dem Zweck der Lageberichterstattung selbst, welche über das Einblicksgebot bei der Aufstellung des Lageberichts zu berücksichtigen ist: wenn und soweit dies zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen erforderlichen Bildes erforderlich ist, ist zu berichten. Wenn dies ohne Beeinträchtigungen des Schutzzwecks des Lageberichts möglich ist, kann diese Berichterstattung zum Schutz des Unternehmens in abgeschwächter und weniger konkreter Form erfolgen. Es ist also nach Gestaltungen und Formulierungen zu suchen, durch die der Geheimnisschutz gewahrt bleibt, ohne dass auf diese Weise ein unzutreffendes oder unvollständiges Bild der Lage der Gesellschaft gezeichnet wird. Maßstab ist insoweit die anhand des Schutzzwecks des Lageberichts auszulegende Zielvorgabe des § 289 HGB, wonach durch den Lagebericht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Gesellschaft zu vermitteln ist.
Literatur ADLER, HANS/ DÜRING, WALTHER/ SCHMALTZ, KURT
Rechnungslegung und -prüfung der Unternehmen, 6. Auflage, Stuttgart 1995-2001 (zitiert: ADLER/DÜRING/ SCHMALTZ).
BAETGE, JÖRG/ FISCHER, THOMAS R./ PASKERT, DIERK BAETGE, JÖRG/ KIRSCH, HANSJÜRGEN/ THIELE, STEFAN
Der Lagebericht – Aufstellung, Prüfung, Offenlegung, Stuttgart 1989. Bilanzrecht, Kommentar, Berlin 2003 (zitiert: BEARBEITER, in: BAETGE/KIRSCH/THIELE)
100
EuGH, Rs. C-435/02 und C-103/03, Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 55) = ZIP 2004, 2134 (2137) = BB 2004, 2456 (2460). 101 Allgemein wird gelten, dass die Schutzfunktion der Rechnungslegung durch verborgen gebliebene Chancen weniger beeinträchtigt wird als durch verborgen gebliebene Risiken (MOXTER, BB 1997, 722, 723).
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
BAETGE, JÖRG/ SCHULZE, DENNIS
BALLWIESER, WOLFGANG
BAUMBACH, ADOLF/ HUECK, ALFRED (HRSG.) BEIERSDORF, KATI/ BUCHHEIM , REGINE BUDDE, WOLFGANG DIETER
CANARIS, CLAUS-WILHELM/ SCHILLING, WOLFGANG/ ULMER, PETER (HRSG.) CASTAN, EDGAR/ BÖCKING, HANS-J OACHIM/ HEYMANN, GERD/ PFITZER, NORBERT/ SCHEFFLER, EBERHARD (HRSG.) CLAUSSEN, CARSTEN P./ CREZELIUS, GEORG/ HENNRICHS, JOACHIM/ HOMMELHOFF, PETER/ HOPT, KLAUS/ HÜTTEMANN, RAINER/ KLEINDIEK, DETLEF/ KROPFF, BRUNO/ MERKT, HANNO/ PRIESTER, HANS-JOACHIM/ SCHÖN, WOLFGANG/ SCHULZEOSTERLOH, JOACHIM CLEMM, HERMANN
DÖRNER, DIETRICH/ BISCHOF, S TEFAN DÖRNER, DIETRICH/ BISCHOF, S TEFAN ELLROTT, HELMUT/ FÖRSCHLE, GERHART/ HOYOS, MARTIN/ WINKELJOHANN, NORBERT (HRSG.) EWERT, RALF/ WAGENHOFER, ALFRED
407
Möglichkeiten der Objektivierung der Lageberichterstattung über Risiken der künftigen Entwicklung, DB 1998, S. 937 ff. Die Lageberichte der DAX-Gesellschaften im Lichte der Grundsätze ordnungsgemäßer Lageberichterstattung, in: FISCHER, THOMAS R/ HÖMBERG, REINHOLD (HRSG.), Jahresabschluß und Jahresabschlußprüfung, Festschrift zum 60. Geburtstag von Jörg Baetge, Düsseldorf 1997, S. 153-187. GmbH-Gesetz, Kurzkommentar, 18. Auflage, München 2006. (zitiert: BEARBEITER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG) IASB-Diskussionspapier ‚Management Commentary’ – Export des deutschen Lageberichts als Managementbericht?, BB 2006, S. 96 ff. Rechenschaftslegung im Spannungsfeld des Grundgesetzes, in: BALLWIESER, WOLFGANG/ BÖCKING, HANS-J OACHIM/ DRUKARCZYK, JOCHEN/ SCHMIDT, REINHARD H, Bilanzrecht und Kapitalmarkt, Festschrift zum 65. Geburtstag von Adolf Moxter, Düsseldorf 1994, S. 33-59. Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 4. Auflage, Berlin, 2002 (zitiert: BEARBEITER, in: GroßkommHGB). Becksches Handbuch der Rechnungslegung, 28. Auflage, München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: Becksches Handbuch der Rechnungslegung). Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Bilanzrechtsreformgesetzes, BB 2004, S. 546 ff.
Die Bedeutung des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers einer Aktiengesellschaft nach derzeitiger Regelung und nach dem Verständnis der Allgemeinheit, WPg 1977, S. 145 ff. Zweifelsfragen zur Berichterstattung über die Risiken der künftigen Entwicklung im Lagebericht, WPg 1999, S. 445 ff. Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 2. Auflage, Stuttgart 2003. Beck’scher Bilanz-Kommentar, 6. Auflage, München 2006 (zitiert: BEARBEITER, in: Beck’scher Bilanzkommentar).
Unternehmenspublizität und Konkurrenzwirkungen, ZfB 1992, S. 297 ff.
408 FINK,CHRISTIAN/ KECK, BARBARA FINK,CHRISTIAN/ KECK, BARBARA FLEISCHER, HOLGER FREIDANK, CHRISTIAN/ STEINMEYER, VOLKER GEßLER, ERNST/ HEFERMEHL, WOLFGANG/ ECKARDT, ULRICH/ KROPFF, BRUNO (HRSG.) GEßLER, J ÖRG H. GAMM, KEVIN VON GREINERT, MARKUS
GÜNTHER, THOMAS/ BEYER, DIRK GÜNTHER, THOMAS/ BEYER, DIRK/ MENNINGER, JUTTA
HOFBAUER, MAX/ KUPSCH, PETER/ SCHERRER, GERHARD/ GREWE, WOLFGANG (HRSG.) HOFFJAN, ANDREAS HOFFMANN-BECKING, MICHAEL/ PRIESTER, JOHANNES (HRSG.) HOPT, KLAUS J. / WIEDEMANN, HERBERT (HRSG.) HÜFFER, UWE HÜFFER, UWE KAISER, KARIN
KAJÜTER, PETER KAJÜTER, PETER
Christina Palmes
Lageberichterstattung nach E-DRS 20: Kritische Würdigung aus Sicht der Unternehmensanalyse, WPg 2004, S. 1077 ff. Lageberichterstattung nach BilReG und DRS 15: eine kritische Würdigung, KoR 2005, S.137 ff. Prognoseberichterstattung im Kapitalmarktrecht und Haftung für fehlerhafte Prognosen, AG 2006, S. 2 ff. Fortentwicklung der Lageberichterstattung nach dem BilReG aus betriebswirtschaftlicher Sicht, BB 2005, S. 2512 ff. Aktiengesetz, Band II, München 1974 (zitiert: BEARBEITER, in: GEßLER/HEFERMEHL, AktG). Aktiengesetz, Köln 1989 (zitiert: BEARBEITER, in: GEßLER, AktG). Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität, Köln u.a. 1998. Weitergehende Anforderungen an den Konzernlagebericht durch E-DRS 20 sowie das Bilanzrechtsreformgesetz, KoR 2004, S. 51 ff. Value Based Reporting – Entwicklungspotenziale der externen Unternehmensberichterstattung, BB 2001, S. 1623 ff. Externe Berichterstattung über strategierelevante Informationen bei Unternehmen der „new economy“, KoR 2003, Sonderheft zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. h.c. Coenenberg, S. 448 ff. Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Auflage, Bonn 2002. Competitor Accounting – Zum Nutzen des Jahresabschlusses in der Konkurrenzanalyse, BB 2003, S. 1494 ff. Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, Aktiengesellschaft, 2. Auflage, München 1999 (zitiert: BEARBEITER, in: Münchener Handbuch Aktiengesellschaft) Großkommentar zum Aktiengesetz – §§ 131, 132, 4. Auflage, Berlin 2001 (zitiert: BEARBEITER, in: GroßkommAktG). Aktiengesetz, 8. Auflage, München 2008. Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand aktienrechtlicher Auskunftsbegehren, ZIP 1996, S. 401 ff. Auswirkungen des Bilanzrechtsreformgesetzes auf die zukunftsorientierte Lageberichterstattung, WPg 2005, S. 405 ff. Der Lagebericht als Instrument einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung, DB 2004, S. 197 ff. Berichterstattung über Chancen und Risiken im Lagebericht, BB 2004, S. 427 ff.
3.2. Eine Schutzklausel für den Lagebericht?
KAWLATH, ARNOLD
KIRSCH, HANS-JÜRGEN/ SCHEELE, ALEXANDER KROPFF, BRUNO KROPFF, BRUNO/ SEMLER, JOHANNES KRUMBHOLZ, MARCUS KUHN, WOLFGANG KUHN, WOLFGANG KÜTING, KARLHEINZ/ HÜTTEN, CHRISTOPH KÜTING, KARLHEINZ/ WEBER, CLAUS-PETER
LANGE, KNUT WERNER
LANGE, KNUT WERNER MOXTER, ADOLF
MOXTER, ADOLF
MOXTER, ADOLF PALMES, CHRISTINA RÄUBER, DIETER RODEWALD, JÖRG
SAHNER, FRIEDHELM/ KAMMERS, HEINZ SCHMIDT, KARSTEN/ EBKE, WERNER F. (HRSG.)
409
Reichen Jahresabschluß und Lagebericht, um auf künftige Unternehmenserfolge zu schließen?, in: FISCHER, THOMAS R./ HÖMBERG, REINHOLD (HRSG.), Jahresabschluß und Jahresabschlußprüfung, Festschrift zum 60. Geburtstag von Jörg Baetge, Düsseldorf 1997, S. 189 ff. E-DRS 20: Ausweitung der Lageberichterstattung zum Value Reporting?, BB 2003, S. 2733 ff. Der Lagebericht nach geltendem und künftigem Recht, BFuP 1980, 514 ff. Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, §§ 118-147, 2. Auflage, München 2004; §§ 278 – 328, 2. Auflage, München, 2000 (zitiert: BEARBEITER, in: MüKo-AktG). Die Qualität publizierter Lageberichte, Düsseldorf 1994. Forschung und Entwicklung im Lagebericht, Hamburg 1992. Die Berichterstattung über Forschung und Entwicklung im Lagebericht, DstR 1993, S. 491 ff. Die Lageberichterstattung über Risiken der künftigen Entwicklung, AG 1997, S. 250 ff. Handbuch der Rechnungslegung, Einzelabschluss, 5. Auflage, 2. Ergänzungslieferung vom November 2006, Stuttgart 2006 (zitiert: BEARBEITER, in: Handbuch der Rechnungslegung). Berichterstattung in Lagebericht und Konzernlagebericht nach dem geplanten Bilanzrechtsreformgesetz, ZIP 2004, S. 981 ff. Grundsätzliche und unbegrenzte Pflicht zur Berichterstattung im Lagebericht?, BB 1999, S. 2447 ff. Die Vorschriften zur Rechnungslegung und Abschlußprüfung im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, BB 1997, S. 722 ff. Fundamentalgrundsätze ordnungsmäßiger Rechenschaft, in: BAETGE, JÖRG/ MOXTER, ADOLF/ SCHNEIDER, DIETER, Bilanzfragen, Festschrift zum 65. Geburtstag von Ulrich Leffson, Düsseldorf 1976, S. 87 ff. Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, Düsseldorf 2003. Der Lagebericht – Grundfragen und Haftung (im Erscheinen). Der Lagebericht – Diskrepanz zwischen Erwartung und Rechtswirksamkeit, BB 1988, 1285 ff. Lagebericht als Investor-Relations-Instrument – Möglichkeiten und Grenzen aus rechtlicher Sicht, BB 2001, S. 2155 ff. Der Lagebericht – Gegenwart und Zukunft, DB 1984, S. 2309 ff. Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, München 2008 (zitiert: BEARBEITER, in: MüKo-HGB)
410 SCHMIDT, KARSTEN SCHNEIDER, SVEN H. SCHWARK, EBERHARD (HRSG.) SELCH, BARBARA
SEMLER, JOHANNES SIEBEL, ULF R./ GEBAUER, STEFAN STOBBE, THOMAS VEITH, ALEXANDER WINNEFELD, ROBERT WYSOCKI, KLAUS VON/ SCHULZEOSTERLOH, J OACHIM/ HENRICHS, JOACHIM/ KUHNER, CHRISTOPH ZÖLLNER, WOLFGANG/ NOACK, ULRICH (HRSG.)
Christina Palmes
Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, ZHR Beiheft 57, Heidelberg 1984. Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, BB 2005, 897 ff. Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Auflage, München 2004 (zitiert: BEARBEITER, in: SCHWARK, Kapitalmarktrecht). Die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen zum Lagebericht seit dem Aktiengesetz von 1965 bis zum KapCoRiLiG von 1999, WPg 2000, S. 357 ff. Erläuterungs- und Lagebericht, Quartalsberichte sowie Formen der Publizität, ZGR 1980, Sonderheft 2, S. 177 ff. Prognosen im Aktien und Kapitalmarktrecht, WM 2001, S. 118 ff. Der Lagebericht, BB 1988, S. 303 ff. Die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 III WpHG, NZG 2005, S. 254 ff. Bilanzhandbuch, 4. Auflage, München 2006. Handbuch des Jahresabschlusses, 42. Ergänzungslieferung vom April 2008, Köln 2005 (zitiert: BEARBEITER, in: Handbuch des Jahresabschlusses). Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage, Köln 2004 (zitiert: BEARBEITER, in: Kölner Kommentar, AktG).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
411
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Christian Kersting*
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Einleitung ................................................................. 3.3.2. Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1. Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2. Informationsrecht der GmbH-Gesellschafter gemäß § 51a GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.3. Tatbestandsmerkmale des § 51a Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.3.1 Einheitliches Informationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.3.2 Angelegenheiten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.3.3 Modalitäten der Informationserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4. Einschränkungen des weiten Informationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4.1 Tatbestandliche Einschränkung des § 51a Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4.2 Verschwiegenheitspflicht der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4.3 Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4.4 Verweigerungsrecht gemäß § 51a Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4.4.1. Zweckentfremdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4.4.2. Nachteilszufügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.4.4.3. Besorgnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.5. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2.6. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3. Informationsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2. Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.1 Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2 Sachliche Beschränkung des Auskunftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.1. Angelegenheiten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.3. Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.3.1. Rechnungspublizität . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.3.2. Auskunft zur Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.3.3. Keine Abstimmungsrelevanz der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.3.4. Umfassenderes Informationsrecht bei größerer Entscheidungskompetenz . . 3.3.2.3.2.2.3.5. Relevanter Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.2.2.3.6. Weitere Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.3. Normzweck des § 131 AktG: Der Aktionär als Gesellschafter, nicht als Kapitalanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.4. Modalitäten der Auskunftserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.5. Mißbrauch des Fragerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3.6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
411 413 414 414 415 416 418 420 421 421 422 423 424 426 427 427 428 429 430 431 431 432 432 433 433 434 434 435 436 437 438 439 439 439 439 440 445 446 448
* Dr. iur., LL.M. (Yale), Ordentlicher Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales Wirtschaftsrecht, Kartellrecht.
412
Christian Kersting 3.3.2.3.7.
Auskunftsverweigerung gemäß § 131 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 3.3.2.3.7.1 Verweigerungsrechte hinsichtlich spezifischer Informationen . . . . . . . 450 3.3.2.3.7.2 Verweigerungsrecht bei Strafbarkeit der Informationserteilung . . . . . 451 3.3.2.3.7.3 Verweigerungsrecht hinsichtlich vorab erteilter Informationen . . . . . . 452 3.3.2.3.7.4 Verweigerung bei drohendem Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 3.3.2.3.7.4.1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 3.3.2.3.7.4.2. Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 3.3.2.3.8. Vorgehen bei Auskunftsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 3.3.2.3.8.1 Auskunftsverfahren gemäß § 132 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 3.3.2.3.8.2 Beschlußanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 3.3.2.3.9. Auskunftsrecht gemäß § 131 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 3.3.2.3.10. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 3.3.2.4. Gesellschaftsrechtliches Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 3.3.2.4.1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 3.3.2.4.2. Ausrichtung des Informationsrechts auf Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 3.3.2.4.3. Konfliktlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 3.3.2.4.4. Verweigerungsrechte als Sicherung gegen die Zweckentfremdung . . . . . . . . . . . . 461 3.3.2.4.5. Verweigerungsrechte als Mittel der Nachteilsabwehr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 3.3.2.4.6. Der Gedanke der Verwendungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 3.3.2.4.6.1 Interessenausgleich allein durch Verbot der zweckwidrigen Verwendung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 3.3.2.4.6.2 Verwendungsbeschränkung als Leitgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 3.3.2.4.7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 3.3.3. Kapitalmarktrecht: Ad-hoc-Publizität gemäß § 15 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 3.3.3.1. Historische Entwicklung und europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 3.3.3.2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 3.3.3.3. Voraussetzungen der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 3.3.3.3.1. Insiderinformation (§§ 15 Abs. 1 S. 1, 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . . 471 3.3.3.3.1.1 Konkrete Information über Umstände (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 3.3.3.3.1.2 Nicht öffentlich bekannt (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . 474 3.3.3.3.1.3 Kursrelevanz (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 3.3.3.3.1.4 Detailregelungen (§ 13 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . 477 3.3.3.3.2. Unmittelbare Betroffenheit (§ 15 Abs. 1 S. 1, 3 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 3.3.3.3.3. Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 3.3.3.4. Geheimhaltungsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 3.3.3.4.1. Schutz berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 3.3.3.4.1.1 Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 3.3.3.4.1.2 Interessengleichlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 3.3.3.4.1.2.1. § 15 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 3.3.3.4.1.2.2. § 6 S. 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 3.3.3.4.1.2.2.1. § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV . . . . . . . . . . . . . 484 3.3.3.4.1.2.2.2. § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . 485 3.3.3.4.1.2.3. Auflösung des Konfliktes zwischen § 6 S. 1 und S. 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 3.3.3.4.1.3 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 3.3.3.4.2. Keine Irreführung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 3.3.3.4.3. Gewährleistung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 3.3.3.4.4. Nachholung der Veröffentlichung bei Wegfall der Aufschubvoraussetzungen . . . . 488 3.3.3.5. Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 3.3.3.6. Kapitalmarktrechtliches Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 3.3.3.6.1. Ratio der Aufschubnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 3.3.3.6.1.1 Erarbeitung der Interessen im Rahmen des § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV . . . 491 3.3.3.6.1.2 Erarbeitung der Interessen im Rahmen des § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV . . . 493 3.3.3.6.1.3 Relevanz der Emittenteninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 3.3.3.6.1.4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 3.3.3.6.2. Sicherung von Geheimhaltungsinteressen auch gegen die Anlegerinteressen . . . . 497 3.3.3.6.3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 3.3.4. Abgleich von § 131 AktG und § 15 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 3.3.4.1. Vergleich der rechtlichen Ausgangspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
413
3.3.4.2. Berücksichtigung faktischer Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.1 Hineinwirken des § 131 AktG in den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.2 Einflußnahme kapitalmarktrechtlich erteilter Informationen auf gesellschaftsrechtliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.2.1. Auswirkungen auf das Auskunftsrecht . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.2.2. Auswirkungen auf Beschlüsse der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.3 Gleichlauf der Informationsverweigerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.3.1. Hineinwirken von Verweigerungsnormen in das jeweils andere Rechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.3.1.1. Auswirkung des § 15 Abs. 3 WpHG auf § 131 Abs. 3 S. 1 AktG . . . . . . . . 3.3.4.1.2.3.1.2. Auswirkung des § 131 Abs. 3 S. 1 AktG auf § 15 Abs. 3 WpHG . . . . . . . 3.3.4.1.2.3.2. Einheitliche Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.3.3. Einheitliche Selbstbefreiung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.2.4 Gleichlauf der Informationserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.1.3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.3.1. Einleitung Ausgangspunkt auch dieses Beitrags ist das Spannungsfeld von Unternehmensinformation und Geheimnisschutz. Es ist einerseits sinnvoll, dem Unternehmen Informationspflichten aufzuerlegen, weil diesem dadurch bessere Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt geboten werden und als externer Effekt der Kapitalmarkt auch insgesamt gestärkt wird. Für Unternehmen, die den Kapitalmarkt nicht in Anspruch nehmen, werden die Informationspflichten „im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter“ statuiert1. Andererseits drohen durch die Publizitätspflichten auch Nachteile. Als nachteilig für das Unternehmen könnte sich die Verpflichtung erweisen, technologisch sensitive Daten oder Informationen über die strategische Planung offenlegen zu müssen. Die Offenlegung von Finanzinformationen kann zudem größere Wettbewerber dazu veranlassen, kleinere Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Schließlich droht auch Gefahr von den Informationsverpflichteten selbst, welche die Pflichtpublizität dazu nutzen könnten, in kartellrechtswidriger Weise untereinander Informationen auszutauschen2. Diese Problematik hat zu dem Vorschlag geführt, die zwingenden Offenlegungspflichten auf Kapitalmarktteilnehmer zu beschränken und für diesen Bereich der fortbestehenden Offenlegungspflichten über Schutzmechanismen gegen die genannten Gefahren nachzudenken3. 1
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Siehe Art. 44 Abs. 2 lit. g) EGV; sowie die Erwägungsgründe der Publizitätsrichtlinie (68/151/ EWG) des Rates vom 09.03.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages [jetzt Art. 48 Abs. 2 EGV] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten. Siehe den Beitrag von ENCHELMAIER, in diesem Buch S. 271 ff.; sowie SCHMIDT/SCHREIBER, BB 2002, 1921 ff. Siehe den Beitrag von SCHÖN, in diesem Buch, S. 563 ff.
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In diesem Beitrag wird aus der Sicht des geltenden Rechts die gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Perspektive beleuchtet. Während die Pflicht zur Rechnungslegungs- und Regelpublizität, wozu insbesondere die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses gehört4, in anderen Beiträgen behandelt wird5, geht es hier um spezifische Informationspflichten. In den Blick genommen werden die gesellschaftsrechtlichen Informationsansprüche der §§ 51a GmbHG, 131 AktG sowie die kapitalmarktrechtliche Informationsverpflichtung des § 15 WpHG. Betrachtet werden insbesondere die korrespondierenden Auskunftsverweigerungsrechte, um zu erarbeiten, welchen der genannten Gefahren das geltende Recht auf welche Weise begegnet.
3.3.2. Gesellschaftsrecht Die Untersuchung der gesellschaftsrechtlichen Aspekte ist auf die GmbH und die – in besonderer Weise am Schnittpunkt zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht stehende – AG beschränkt. Da deren Verpflichtung zur Rechnungs- und Regelpublizität nicht Gegenstand der Betrachtung des vorliegenden Beitrags ist6, werden vornehmlich die Gefahren thematisiert, die den Gesellschaften durch Informationserteilung an ihre Gesellschafter drohen. Dies sind einerseits Gefahren für die Gesellschaft aufgrund möglichen Wettbewerbs seitens der Gesellschafter, andererseits aber auch Gefahren für den Wettbewerb, wenn Überkreuzbeteiligungen zum kartellrechtswidrigen Austausch von Informationen genutzt werden. Daneben darf aber auch nicht ausgeblendet werden, daß Informationen an die Gesellschafter auch an die Öffentlichkeit dringen können, etwa wenn sie in einer Hauptversammlung erteilt werden. Bevor mit der Untersuchung des Kapitalgesellschaftsrechts begonnen wird, soll jedoch noch kurz auf die Personenhandelsgesellschaften eingegangen werden, wo das Gesetz das Spannungsverhältnis zwischen Information und Wettbewerb gesehen und einer Lösung zugeführt hat.
3.3.2.1. Personenhandelsgesellschaften Im Recht der Personenhandelsgesellschaften zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Informationserteilung bzw. der Informiertheit der Gesellschafter einerseits und ihrer Berechtigung, der Gesellschaft Konkurrenz zu machen, andererseits. Informierte Gesellschafter unterliegen einem Wettbewerbsverbot, während weniger informierte Gesellschafter einem solchen Verbot nicht unterliegen: Bei der Personenhandelsgesellschaft sind die Gesellschafter nach dem gesetzlichen Leitbild alle zur Geschäftsführung berufen und bereits aus diesem Grund vollständig informiert. Daneben bedürfen sie dieser Informationen auch aufgrund ihrer unbeschränkten Haftung (§ 128 HGB). Diese ist auch der Grund für den groß4
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§ 325 HGB [siehe hierzu demnächst die Kommentierung von KERSTING, in: STAUB5], §§ 37v ff. WpHG, §§ 5, 7, 10 WpPG. Siehe die Beiträge von EßBAUER, in diesem Buch S. 287 ff. und PALMES, in diesem Buch S. 375 ff. Siehe oben in und bei Fn. 5.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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en Informationsbedarf eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen OHG-Gesellschafters (§ 118 HGB)7. Das umfassende Informationsrecht wird flankiert durch ein umfassendes Wettbewerbsverbot (§§ 112 f. HGB8), welches den aus der umfassenden Information für die Gesellschaft herrührenden Gefahren einer zweckwidrigen Verwendung der Informationen zu Konkurrenzzwecken begegnet9. Die Überlegungen hinsichtlich der Geschäftsführung und der persönlichen Haftung tragen bei einem Kommanditisten hingegen nicht, so daß das dispositive Gesetzesrecht hier eine weitgehende Einschränkung des Informationsrechts vorsieht (§ 166 HGB), dafür aber auch das Wettbewerbsverbot für nicht anwendbar erklärt (§ 165 HGB) 10. Rechnung getragen wird aber auch atypischen Fällen. So wird § 165 HGB nicht angewandt und ein Wettbewerbsverbot angenommen, wenn der Kommanditist eine komplementärähnliche Stellung innehat11. In einer tatsächlichen Konkurrenzsituation kann auch der typische Kommanditist darüber hinaus darauf beschränkt sein, sein Einsichtsrecht aus § 166 HGB durch einen Sachverständigen ausüben zu lassen, der ihm sensible Informationen nicht zugänglich machen darf12. Damit begegnet das Personengesellschaftsrecht Gefahren, die der Gesellschaft aufgrund einer möglichen unerlaubten Verwendung von Informationen zu Wettbewerbszwecken drohen. Gefahren, die dem Wettbewerb aufgrund von Informationserteilungen drohen, sind nicht Regelungsgegenstand. Diesen kann daher nur im Rahmen des Kartellrechts begegnet werden.
3.3.2.2. Informationsrecht der GmbH-Gesellschafter gemäß § 51a GmbHG Im Bereich des Kapitalmarktrechts ist jetzt zunächst das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters zu beleuchten. Betrachtet man die grundlegende Norm des § 51a GmbHG, so fällt auf, daß sie – auch im Vergleich zu dem unten zu behandelnden § 131 AktG13 – einen umfassenden Anspruch gibt. § 51a GmbHG lautet:
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Vgl. ENZIGER, in: MüKo-HGB, § 118 Rn. 1; MAYEN, in: EBENROTH/BOUJONG/JOOST, § 118 Rn. 1 ff. § 112 HGB wird über seinen Wortlaut hinaus auch auf bestimmte Beteiligungen an anderen Gesellschaftsformen angewandt, vgl. HOPT, in: BAUMBACH/HOPT, § 112 Rn. 4, 6. Hierbei geht es einerseits allgemein um die Ausschaltung eines potentiellen Konkurrenten mit Insiderinformationen; andererseits sollen Geschäftschancen der Gesellschaft zugewiesen werden, vgl. HOPT, in: BAUMBACH/HOPT, § 112 Rn. 1; MAYEN, in: EBENROTH/BOUJONG/JOOST, § 112 Rn. 1 ff. Vgl. auch Hopt, in: BAUMBACH/HOPT, § 165 Rn. 2; MAYEN, in: EBENROTH/BOUJONG/JOOST, § 165 Rn. 3 ff.; aus der neueren Rechtsprechung OLG Hamm, DB 2005, 2683. BGHZ 89, 162 (166) = NJW 1984, 1351 (1352); BGH, NJW 2002, 1046 (1047); BEUTHIEN, ZHR 142 (1978), 259 (288); HOPT, in: BAUMBACH/HOPT, § 165 Rn. 3 mwN. BGH, BB 1979, 1315 (1316); WM 1982, 1402 (1403 f.); HOPT, in: BAUMBACH/HOPT, § 165 Rn. 2, § 166 Rn. 7. Siehe unten Informationsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG.
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„(1) Die Geschäftsführer haben jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten. (2) Die Geschäftsführer dürfen die Auskunft und die Einsicht verweigern, wenn zu besorgen ist, daß der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Die Verweigerung bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter. (3) Von diesen Vorschriften kann im Gesellschaftsvertrag nicht abgewichen werden.“
Den Gesellschaftern ist damit nicht nur – ohne Bindung an ein Erforderlichkeitskriterium14 – Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, sondern sie haben darüber hinaus noch ein Einsichtsrecht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft. Das in Absatz 2 geregelte Auskunftsverweigerungsrecht knüpft zwar an die Gefahr eines nicht unerheblichen Nachteils für die Gesellschaft oder ein verbundenes Unternehmen an. Jedoch berechtigt die Gefahr eines nicht unerheblichen Nachteils nur dann zur Verweigerung von Auskunft und Einsicht, wenn sie aus einer Zweckentfremdung von Auskunft und Einsicht herrührt15. Flankiert wird diese sehr gesellschafterfreundliche Norm durch das in Abs. 3 niedergelegte Verbot, im Gesellschaftsvertrag abweichende Regelungen zu treffen 16. 3.3.2.2.1. Historische Entwicklung Versucht man die historische Entwicklung dieser häufig als zu weitgehend kritisierten Norm nachzuzeichnen, so ergibt sich folgendes Bild17: Ursprünglich enthielt das GmbHG keine Vorschriften über ein individuelles „Kontrollrecht“ der Gesellschafter. Das Reichsgericht war bei der Zuerkennung von Kontrollrechten dementsprechend sehr zurückhaltend und formulierte: „Soll er [der Antrag, Anm. des Verf.] jetzt bedeuten, daß die Beklagten den Klägern als Geschäftsführern gegenüber das Recht in Anspruch nehmen, die Bücher jederzeit auch außerhalb der Versammlungen einzusehen, so ist er unbegründet, weil er viel zu weit geht. Ein solches Recht gibt dem einzelnen Gesellschafter weder das Gesetz noch hier der Vertrag […] Dem einzelnen Gesellschafter wird unter besonderen Umständen und auf Grund einer besonderen Sachlage im Einzelfalle das Recht auf Einsicht und Prüfung der Bücher auch außerhalb der Versammlungen und selbst gegen die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht versagt werden können; aber dies muß dann begründet werden.“18
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Ein solches schränkt § 131 AktG ein, vgl. unten Erforderlichkeit. Als Grund dafür, nicht wie im Aktienrecht an die objektive Schadensmöglichkeit anzuknüpfen, wird der Umstand genannt, daß bei der GmbH keine Gefahr von Dritten droht. Gefahr drohe nur von einem Gesellschafter, der „sich selbst dadurch zum Dritten macht, daß er die Auskunft oder Einsicht zu gesellschaftsfremden Zwecken (z.B. um der Gesellschaft Konkurrenz zu machen) verwenden wird, vgl. Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 44. Vgl. dazu OLG Köln, WM 1986, 761 (763) = NJW-RR 1987, 99; V. BITTER, ZIP 1981, 825 (830). Hierzu ausführlich RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 1 – 16. RGZ 49, 141 (148 f.); zustimmend auch RG, DR 1942, 279 (279).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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Auch die Rechtsprechung des BGH war zurückhaltend und erkannte ein Informationsrecht des einzelnen Gesellschafters nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes an. Dabei wurde ein solcher wichtiger Grund insbesondere dann angenommen, wenn der Gesellschafter auf die Informationen zur Ausübung seiner Rechte angewiesen war: „Was das Recht auf Vorlage und Einsicht der Bücher und Schriften der Gesellschaft anbetrifft, so können allgemeine Rechtsvorschriften nicht dazu führen, den einzelnen Gesellschaftern der GmbH in dieser Richtung eine unbeschränkte und jederzeit ausübbare Befugnis zuzugestehen (RG HRR 1940, 1359). Dies würde zu einer unerträglichen Erschwerung des Geschäftsbetriebs der GmbH und einer Entwertung der gesetzlich und statutarisch festgelegten Funktionen der Gesellschafterversammlung führen. […] In der Rechtsprechung und Rechtslehre besteht jedoch nahezu Übereinstimmung darin, daß dem Gesellschafter einer GmbH das Recht, sich gewisse Geschäftsunterlagen zur Einsichtnahme vorlegen zu lassen, jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zugestanden werden muß. […] Nach Ansicht des erkennenden Senats genügt es vielmehr, ist aber auch erforderlich, daß besondere Umstände vorliegen, die für den Gesellschafter einen wichtigen Grund zur Prüfung der Bücher und sonstigen Aufzeichnungen der Gesellschaft bilden. […] Ein solcher wichtiger Grund wird häufig gegeben sein, wenn der Gesellschafter ohne die Einsichtnahme nicht in der Lage ist, die ihm durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag gewährten Rechte, z.B. sein Stimmrecht in der Gesellschaftsversammlung, ordnungsgemäß auszuüben (RG DR 1942, 279).“ 19.
Mit der GmbH-Novelle von 1980 sollte das individuelle Kontrollrecht der Gesellschafter auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Der Regierungsentwurf20 sah eine differenzierte Regelung vor. Diese enthielt im Grundsatz ein weitgehendes Auskunfts- und Einsichtsrecht sowie im Kern das Verweigerungsrecht des jetzigen § 51a Abs. 2 GmbHG. Allerdings waren gesellschaftsvertragliche Beschränkungen dieser Rechte grundsätzlich möglich; diese wurden nur für bestimmte Fälle eingeschränkt, insbesondere für den Fall eines wichtigen Grundes oder bei Anhaltspunkten für eine unredliche Geschäftsführung21. Die jetzige weniger differenzierte Regelung resultierte aus den Beratungen des Rechtsausschusses22, welche eine erhebliche Veränderung des Regierungsentwurfs zur Folge hatten. Dabei verfolgte der Rechtsausschuß keine inhaltliche Agenda, sondern wollte den Regierungsentwurf lediglich redaktionell vereinfachen23. Den19 20 21
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BGHZ 14, 53 (56 f.). Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 11 f., 43 ff. § 51a Abs. 5 GmbHG-E sah vor: „Eine das Auskunftsrecht ausschließende oder beschränkende Bestimmung des Gesellschaftsvertrags steht der Geltendmachung dieses Rechts nicht entgegen, wenn die Auskunft außerhalb einer Gesellschafterversammlung verlangt wird und ein wichtiger Grund oder Grund zu der Annahme unredlicher Geschäftsführung vorliegt oder wenn sie in einer Gesellschafterversammlung verlangt wird. Eine das Einsichtsrecht ausschließende oder beschränkende Bestimmung des Gesellschaftsvertrags steht der Geltendmachung dieses Rechts nicht entgegen, soweit die Einsicht erforderlich ist, um den Jahresabschluß auf seine Richtigkeit prüfen zu können, oder soweit ein wichtiger Grund oder Grund zu der Annahme unredlicher Geschäftsführung vorliegt.“ Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/3908, 21 f., 75 f. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/3908, 75.
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noch waren hiermit erhebliche inhaltliche Änderungen verbunden. Zwar ging bereits die Tendenz des Regierungsentwurfs in Richtung einer erheblichen Erweiterung des Kontrollrechts, welche durch den Verzicht auf ein Erforderlichkeitskriterium über den Anwendungsbereich des § 131 AktG weit hinausging. Der entscheidende Punkt liegt jedoch in der Ausgestaltung dieses weiten Kontrollrechts als zwingendes Recht24. 3.3.2.2.2. Normzweck § 51a GmbHG ergänzt zunächst das kollektive Informationsrecht der Gesellschaftergesamtheit aus § 46 Nr. 6 GmbHG um eine individuelle Komponente25. Auf diese Weise wird der Minderheitsgesellschafter bei der Ausübung des Informationsrechts unabhängig von den Beschlüssen der – möglicherweise von anderen dominierten – Gesellschafterversammlung. Gleichzeitig weist § 51a GmbHG einen schnelleren und flexibleren Weg zur Befriedigung von Informationsbedürfnissen als § 46 Nr. 6 GmbHG, da die mit der Einberufung einer Gesellschafterversammlung verbundenen Formalien und Fristen nicht zu beachten sind26. Diese Auswirkungen des individuellen Informationsrechtes können jedoch nicht mit der ratio der Norm gleich gesetzt werden. Nur weil sich die individuelle Komponente besonders auch zugunsten von Minderheitsaktionären auswirkt, handelt es sich bei § 51a GmbHG noch nicht zwangsläufig um eine Norm des Minderheitsschutzes; schließlich steht auch dem Mehrheitsgesellschafter der Weg des § 51a GmbHG offen27. Ferner kann aus der Herauslösung der Ausübung des Informationsrechtes aus der Gesellschafterversammlung nicht zwingend gefolgert werden, die Norm diene der Verfahrensbeschleunigung und –abkürzung. Die Regierungsbegründung, welche der Bericht des Rechtsausschusses insofern kommentarlos hinnimmt, sieht den Sinn des Auskunftsrechts darin, „jedem Gesellschafter eine sachgemäße Ausübung seiner Rechte zu ermöglichen […]“28. Das Einsichtsrecht soll dem Gesellschafter dazu dienen, „in Ausübung seiner Gesellschafterrechte auch die Tätigkeit der Geschäftsführer wirksam kontrollieren zu kön-
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Eine Begründung für die Abweichung von der Erwägung der Regierungsbegründung, die insbesondere ein uneingeschränktes Einsichtsrecht für nicht in jedem Fall angemessen hielt (Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 44 f.), wird nicht gegeben. Der Rechtsausschuß hält mit dürren Worten fest, die von ihm neuformulierten Absätze 1 und 2 sollten seiner Auffassung nach zwingendes Recht sein. Daher sei der vorgeschlagene Absatz 5 durch den vom Rechtsausschuß formulierten Absatz 3 zu ersetzen (Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/3908, 76). Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 43. Vgl. auch GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (216 f.); LUTTER, ZGR 1982, 1 (3); RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 19. RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 19. K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 12; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 19. Vgl. auch BayObLG, GmbHR 1989, 201 (203) = WM 1988, 1789 ff. = BayObLGZ 1988, 349 ff.; OLG München, BB 1994, 735 (736) = GmbHR 1994, 551 (LS). Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 44. Vgl. auch OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 59 (60).
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nen“29. Für die Regierungsbegründung ist damit der Sinn des Informationsrechts sowohl in seiner Ausprägung als Auskunftsrecht als auch in seiner Ausprägung als Einsichtsrecht jeweils an die Ausübung der Gesellschafterrechte zurückgebunden30. Damit knüpft sie nahtlos an die Entwicklung in der Rechtsprechung an, welche Auskunfts- und Einsichtsrechte jeweils aus der Not heraus entwickelte und das Angewiesensein des Gesellschafters auf die Informationen betonte31. Während also das Auskunftsrecht dazu dient, von den Geschäftsführern Informationen zu erhalten, welche sich aus einem bloßen Einblick in die Unterlagen nicht oder nur schwer erschließen, dient das Einsichtsrecht der Überprüfung der faktischen Grundlagen von erteilten Auskünften32. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Sinn des Informationsrechts auch ist, dem Gesellschafter in seiner Eigenschaft als „Kapitalanleger“ Informationen zwecks Bewertung und Verkauf seines Anteils zur Verfügung zu stellen. Dies wird vielfach – wenn auch häufig ohne nähere Begründung – bejaht33. Für diese Auffassung mag sprechen, daß das Gesetz – anders als bei den Personengesellschaften – bei der GmbH eine Veräußerung von Anteilen grundsätzlich vorsieht, wenn es auch deren Fungibilität durch Formerfordernisse einschränkt (§ 15 GmbHG). Jedoch kann allein aus dem Umstand, daß das Informationsrecht auch die Bewertung des Geschäftsanteils ermöglicht und erleichtert, nicht geschlossen werden, daß es dieses auch bezweckt. Regierungsbegründung und Rechtsprechung zeigen sehr deutlich, daß das Informationsrecht der sachgemäßen Wahrnehmung der Gesellschafterrechte dient. Hierbei handelt es sich jedoch bei der Veräußerung des Anteils gerade nicht; der Veräußernde nimmt vielmehr das sich aus seiner Eigentümerstellung am Gesellschaftsanteil ergebende Recht der Veräußerung wahr. Im Ergebnis handelt es sich daher bei der Möglichkeit, Information zwecks Bewertung und Verkauf der Anteile zu erhalten, um einen Rechtsreflex. Dies ergibt sich auch aus § 51a Abs. 2 GmbHG, der gesellschaftsfremde Zwecke, zu denen auch der Verkauf von Anteilen zählt34, zum Anknüpfungspunkt für eine Informationsverweigerung macht. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, daß den Gesellschaftern bewertungsrelevante Informationen vorenthalten werden können; die Erteilung solcher Informationen braucht aber nur unter der Bedingung zu erfolgen, daß der Gesellschaft hieraus kein erheblicher Nachteil erwächst35.
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Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 44. Vgl. auch BGHZ 135, 48 (52), der die verantwortungsbewußte und sachgerechte Ausübung der Mitgliedschaftsrechte in der Gesellschafterversammlung als Normzweck betont und daneben auch die Wahrung der Individualinteressen der Gesellschafter erwähnt. Siehe oben Historische Entwicklung. KG, NJW-RR 1989, 230 (231). BayObLG, GmbHR 1993, 741 (742); OLG Hamm, GmbHR 2001, 163 (165); GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (218); ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 29; KILCHES, DStR 1998, 154 (155); LUTTER, ZGR 1982, 1 (8); RÖMERMANN, in: M ICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 20; K. SCHMIDT, IN: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 19 aE. Vgl. dazu unten Zweckentfremdung. Vgl. dazu unten Zweckentfremdung – insbesondere bei Fn. 98.
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3.3.2.2.3. Tatbestandsmerkmale des § 51a Abs. 1 GmbHG An dieser Stelle ist nun auf die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 51a GmbHG einzugehen. Allgemein setzt die Norm zunächst die Gesellschafterstellung der Informationsbegehrenden voraus36 und hält fest, daß ein entsprechendes Begehren37 an die Geschäftsführer zu richten und von diesen – in Vertretung der Gesellschaft38 – zu erfüllen ist. Dieses Recht wird „jedem“ Gesellschafter eingeräumt, so daß es weder auf die Größe seiner Beteiligung 39 noch auf ein Stimmrecht40 ankommt. Schließlich wird in allgemeiner Hinsicht noch festgehalten, daß die Geschäftsführer ihrer aus § 51a GmbHG folgenden Verpflichtung „unverzüglich“ nachzukommen haben. Der Regierungsentwurf sah insofern noch eine „angemessene Frist“ für den Fall vor, daß eine unverzügliche Erfüllung zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft führen würde41. Der Rechtsausschuß sah diese Überlegung jedoch von dem Begriff „unverzüglich“ als umfaßt an und beschränkte die Regelung hierauf42. Dies ist nach dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch zwar zweifelhaft, jedoch wird man diese Entstehungsgeschichte bei der Auslegung des Merkmals berücksichtigen können, zumal die Vermeidung einer unangemessenen Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der 36
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Einzelheiten bei K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 12 ff. Vgl. auch BayObLG, GmbHR 1989, 201 (203) = WM 1988, 1789 ff. = BayObLGZ 1988, 349 ff. Kein Informationsrecht des ausgeschiedenen Gesellschafters: BGH, NJW 1989, 225 (226) = GmbHR 1988, 434; BayObLG, GmbHR 1993, 741 (742); OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1995, 901 (901); OLG Thüringen, GmbHR 1996, 699 (700 f.); OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 626 (626); BayObLG, NJW-RR 2000, 487 (487). Nicht eindeutig geklärt ist, inwieweit eine Präzisierung erforderlich ist, vgl. hierzu insgesamt K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 18 mwN. Zum Teil wird – wohl aus prozeß- und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen – verlangt, die in Frage stehende Angelegenheit der Gesellschaft zu benennen, wobei die begehrte Art der Information zu bestimmen oder bestimmbar zu machen ist, vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 902 (903); OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 130 (130). KG, NJW-RR 1989, 230 (231); OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1995, 904 (904) = BB 1995, 1867; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1995, 901 (902), halten hingegen auch ein globales Verlangen der Einsichtgestattung für möglich. Schuldnerin des Informationsanspruchs ist die Gesellschaft, vgl. BGHZ 135, 48 (51); OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 59 (59); OLG Hamm, WM 1986, 740 (741) = GmbHR 1986, 384 ff.; KG, NJW-RR 1989, 230 (231); OLG Hamm, GmbHR 2001, 163 (165); V. BITTER, ZIP 1981, 825 (827); K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 16 mwN. Zur Geltendmachung des Informationsrechts im Insolvenzfall siehe BayObLG, NZG 2006, 67 (68 f.). BayObLG, NJW-RR 1991, 1252 (1253); HÜFFER, in: HACHENBURG, GmnHG, § 51a Rn. 12; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 12; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 5. Der Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 44, begründet den Verzicht auf eine Mindestgröße der Beteiligung mit dem Zweck des Auskunftsrechts, „jedem Gesellschafter eine sachgemäße Ausübung seiner Rechte zu ermöglichen.“ Vgl. auch V. BITTER, ZIP 1981, 825 (827); GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (215). V. BITTER, ZIP 1981, 825 (827); HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 12; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 12; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 6. § 51a Abs. 1 S. 3 GmbHG-E (vgl. Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, S. 11). Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/3908, 75.
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Gesellschaft auch sachlich geboten ist und im Interesse des Informationsbegehrenden liegen dürfte43. 3.3.2.2.3.1. Einheitliches Informationsrecht Neben diesen allgemeinen Anforderungen differenziert § 51a Abs. 1 GmbHG zwischen dem Auskunftsrecht und dem Einsichtsrecht. Entgegen dem ersten Eindruck, daß es sich hierbei um zwei verschiedene Rechte handelt, sind diese als Ausprägungen eines einheitlichen Informationsrechts zu verstehen44. Dementsprechend gibt es keine Rangordnung, sondern beide Ausprägungen stehen gleichrangig nebeneinander45. Auch kann das Informationsinteresse des Gesellschafters ggfls. durch Einsichtgewährung erfüllt werden, wenn Auskunft verlangt war und umgekehrt46. 3.3.2.2.3.2. Angelegenheiten der Gesellschaft Angesichts der Einheitlichkeit des Informationsrechts ist folgerichtig auch das Tatbestandsmerkmal „Angelegenheiten der Gesellschaft“ auf beide Ausprägungen des Informationsrechts zu beziehen, obwohl es sich sprachlich nur auf das Auskunftsrecht bezieht. Allerdings ergibt sich diese sprachliche Gestaltung auch schon aus dem Umstand, daß eine gegenständliche Beschränkung auf die Angelegenheiten der Gesellschaft beim Einsichtsrecht nicht erforderlich ist. Sie ergibt sich nämlich schon aus der Natur der Sache, da die Bücher und Schriften der Gesellschaft per se Angelegenheiten der Gesellschaft sind47. Versucht man sich dem Merkmal inhaltlich zu nähern, so ist zunächst festzuhalten, daß es – ebenso wie das entsprechende Merkmal in § 131 AktG48 – weit zu ver43
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LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 23; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 22. Bisweilen wird „unverzüglich“ aber auch als „ohne schuldhaftes Zögern“ im Sinne des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB verstanden, vgl. ZÖLLNER, in: BAUMBACH/ HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 17. Trotz des Verweises auf § 121 Abs. 1 BGB im hier verstandenen Sinne BayObLG, GmbHR 1989, 201 (203) = WM 1988, 1789 ff. = BayObLGZ 1988, 349 ff.; V. BITTER, ZIP 1981, 825 (827); HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 34; KOPPENSTEINER, in: ROWEDDER, GmbHG, § 51a Rn. 9. Grundlegend K. SCHMIDT, Informationsrechte, 35 ff., 39; DERS., Gesellschaftsrecht, § 35 I 4 b aa, 1040 ff.; DERS, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 10, 21 mwN. Vgl. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 18 (18); V. BITTER, ZIP 1981, 825 (826); HÜFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 6; ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 10; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 147; aA WOHLLEBEN, Informationsrechte des Gesellschafters, 47. OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 59 (59); OLG Hamm, GmbHR 1986, 384 (385) = WM 1986, 740 ff.; KG, NJW-RR 1989, 230 (231); OLG Jena, ZIP 2004, 2003 (2003); V. BITTER, ZIP 1981, 825 (826); LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 7; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 148 ff.; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 21. OLG Jena, ZIP 2004, 2003 (2003); GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (223 f.); RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 152; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 11, 21; aA: WOHLLEBEN, Informationsrechte des Gesellschafters, 132 ff. ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 9. Hierzu unten Angelegenheiten der Gesellschaft. Das aktienrechtliche Verständnis des Begriffs kann zur Auslegung des § 51a GmbHG herangezogen werden, vgl. GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (214).
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stehen ist49. Unter dieses Merkmal sind alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände der Gesellschaft zu fassen50. Beispielhaft genannt seien etwa die Gehälter von Organmitgliedern51, Protokolle eines mitbestimmten Aufsichtsrates52, die Tätigkeit des Aufsichtsrats allgemein53 sowie die Angelegenheiten verbundener Unternehmen54. Insgesamt wird zu Recht betont, daß das Merkmal der Angelegenheiten der Gesellschaft nicht oder allenfalls in geringem Maße zur Beschränkung des Informationsrechts herangezogen werden kann 55. Es dient im wesentlichen der Abgrenzung zum privaten Bereich der Gesellschafter und der Organwalter der Gesellschaft56. 3.3.2.2.3.3. Modalitäten der Informationserteilung Die einzelnen Modalitäten der Informationserteilungen sollen hier nicht ausgebreitet werden57. Vielmehr sollen drei problematische Komplexe herausgegriffen werden. Dies sind die Frage nach dem Umfang der zu erteilenden Auskunft, die Problematik der Störungen für den Geschäftsbetrieb, die sich aus der Ausübung des Eingriffsrechts ergeben können, sowie die Möglichkeit der Hinzuziehung dritter Personen bei der Einsichtnahme. Hinsichtlich des Umfangs der geschuldeten Auskunft wird nach der Genauigkeit der Frage differenziert. So kann auf eine pauschale Frage pauschal geantwortet werden, während eine um so detailliertere Antwort erforderlich ist, je genauer und konkreter gefragt wurde58. Ein Verschweigen vorhandener Informationen ist hinge49
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OLG Hamm, GmbHR 1986, 384 (384) = WM 1986, 740 ff.; OLG Jena, ZIP 2004, 2003 (2004); ZÖLLNER, IN: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 10 ff.; HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 21; LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 8; KOPPENSTEINER, in: ROWEDDER, GmbHG, § 51a Rn. 6; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 25; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 19. RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 26; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 19; vgl. auch OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 59 (59); OLG Köln, WM 1986, 761 (762) = NJW-RR 1987, 99. OLG Köln, WM 1986, 36 (39). BGHZ 135, 48 (51). OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 59 (60). OLG Köln, WM 1986, 36 (39 f.); LG Bielefeld, GmbHR 1985, 365 (365 f.). Zu den Angelegenheiten einer Komplementär-GmbH gehören auch die Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft. Einem GmbH-Gesellschafter, der zugleich Kommanditist ist, steht daher das Recht aus § 51a GmbHG auch hinsichtlich der Angelegenheiten der KG zu, BGH, NJW 1989, 225 (226) = GmbHR 1988, 434; OLG Hamm, GmbHR 1986, 384 (384) = WM 1986, 740 ff.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 18 (18); OLG Karlsruhe, GmbHR 1998, 691 (691). Vgl. insgesamt zu den Einzelheiten RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 35 ff.; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 20. LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 8; MERTENS, in: FS Werner, 557 (570); RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 25; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 19. GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (214); LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 8; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 27. Ausführlich hierzu RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 153 ff.; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 23 ff. ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 14f.; HÜFFER, in: HACHENBURG, § 51a Rn. 20, 32; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 160; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 24.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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gen auch dann nicht zulässig, wenn ein Auskunftsverweigerungsrecht geltend gemacht werden soll59. Bei der Einsichtnahme ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, um Störungen des Geschäftsbetriebs weitgehend zu vermeiden60. Der Gesellschafter hat keinen Anspruch auf aktive Unterstützung durch die Gesellschaft; wie sich aus der Formulierung des § 51a Abs. 1 GmbHG ergibt, ist diese lediglich zur Duldung verpflichtet61. Er kann daher zwar die Anfertigung von Kopien nicht verlangen, gleichwohl ist er dazu berechtigt, sich selbst Kopien anzufertigen62. Eine direkte Befragung von Mitarbeitern scheidet aus, wenn der Geschäftsführer hiermit nicht einverstanden ist63. Die Hinzuziehung dritter Personen durch den Gesellschafter ist grundsätzlich möglich. Dabei kommt es generell darauf an, das Interesse des Gesellschafters an der Hinzuziehung dieser Personen mit dem Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung vertraulicher Daten auszugleichen. Anerkannt dürfte das Recht des Gesellschafters sein, jedenfalls sachverständige und zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Dritte hinzuzuziehen64. 3.3.2.2.4. Einschränkungen des weiten Informationsrechts Die Norm des § 51a GmbHG wird allgemein als zu weitgehend angesehen. Das Informationsrecht der Gesellschafter sei, obwohl undifferenziert und unstrukturiert, trotzdem als unabdingbar geregelt65. Die Bezugnahme der Regierungsbegründung auf die umfassenden Gesellschafterrechte, welche ein umfassendes Informationsrecht bedingen, gehe in einer kapitalistisch strukturierten GmbH fehl66. An dieser Stelle sollen jetzt vier Möglichkeiten diskutiert werden, mit denen die ausgreifen59
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HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 32; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 161. OLG Köln, WM 1986, 761 (762) = NJW-RR 1987, 99; KG, NJW-RR 1989, 230 (232); BayObLG, GmbHR 1989, 201 (203) = WM 1988, 1789 ff. = BayObLGZ 1988, 349 ff.; OLG Jena, ZIP 2004, 2003 (2003); V. BITTER, ZIP 1981, 825 (826); MERTENS, in: FS Werner, 557 (566); K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 26, 36. RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 170; HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 42. OLG Köln, WM 1986, 36 (37); OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 18 (19); BayObLG, NJW-RR 2000, 487 (488); LG Mönchengladbach, GmbHR 1991, 323 (323); RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 171 f. mwN; K. SCHMIDT , in: SCHOLZ , GmbHG, § 51a Rn. 26. RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 170; HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 42. BGHZ 25, 115 (122 f.); BayObLG, GmbHR 1989, 204 (205); OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1995, 904 (905)= BB 1995, 1867; V. BITTER, ZIP 1981, 825 (828); HIRTE, BB 1985, 2208 (2209); K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 27. Problematischer ist hingegen die Bevollmächtigung anderer Dritter zur Ausübung des Informationsrechts oder die Weitergabe von Informationen durch den Gesellschafter an Dritte, vgl. hierzu ausführlich K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 14 f., 27. HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 3 f.; LUTTER, ZGR 1982, 1 (2); MERTENS, in: FS Werner, 557 (557 mwN); RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 129; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 7. MERTENS, in: FS Werner, 557 (559).
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den Wirkungen der Norm zurückgedrängt werden können. Dies sind die tatbestandliche Einschränkung des § 51a Abs. 1 GmbHG, eine Verschwiegenheitspflicht der Gesellschafter, die Statuierung eines Wettbewerbsverbots sowie die Informationsverweigerung nach § 51a Abs. 2 GmbHG. 3.3.2.2.4.1. Tatbestandliche Einschränkung des § 51a Abs. 1 GmbHG Die Meinungen darüber, ob und inwieweit eine tatbestandliche Einschränkung des § 51a Abs. 1 GmbHG möglich ist, gehen auseinander. Die Rechtsprechung sieht das Informationsrecht als „prinzipiell unbeschränkt“ an und erkennt erst die „nicht zweckentsprechende Wahrnehmung“ als Grenze an67. In die gleiche Richtung tendiert der Teil der Literatur, welcher die Grenze erst im Mißbrauchsverbot sieht68. In der Konsequenz dieser Auffassungen liegt dann der Versuch Lutters, das Informationsrecht durch praktische Maßnahmen zu kanalisieren. Hierzu schlägt er ein Berichtssystem vor, welches mögliche Ansprüche der Gesellschafter weitestgehend vorwegnehmen soll, ohne daß dem Gesellschafter die Möglichkeit zu ergänzenden Nachfragen und zur überprüfenden Einsichtnahme abgeschnitten werden soll69. Daneben wird auch eine objektive Grenzziehung angestrebt. So verlangt K. Schmidt das Vorliegen eines Informationsbedürfnisses, welches die Brücke zwischen dem Stammrecht auf Information und konkreten Informationsansprüchen bilde70. Mertens geht demgegenüber weiter und will einen Informationsanspruch an die nach der jeweiligen konkreten Ausgestaltung der GmbH bestehenden Aufgaben und Befugnisse der Gesellschafter knüpfen und damit den Anwendungsbereich des § 51a Abs. 1 GmbHG in der kapitalistisch organisierten GmbH erheblich einschränken 71. Vom gleichen Ansatzpunkt aus gelangt Grunewald zu einer weniger umfassenden Beschränkung des § 51a Abs. 1 GmbHG, weil sie durch den Funktionsbezug lediglich Informationen, die keinen Bezug zur Gesellschafterstellung haben ausklammern 67
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BGHZ 135, 48 (54). Vgl. auch BayObLG, WM 1988, 1789 (1791 f.); KG, NJW-RR 1989, 230 (231) [Mißbrauchsverbot]; OLG Jena, NZG 2004, 1156 (1156 f.); OLG München, ZIP 2006, 1349 (1349 f.) [Mißbrauchsverbot]; LG Düsseldorf, DB 1989, 1077 (1077) [Mißbrauchsverbot]. V. BITTER, ZIP 1981, 825 (829); LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 2; MÜLLER, GmbHR 1987, 87 (89 f.); ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 6 f., 33 ff.; TIETZE, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 115; LUTTER, ZGR 1982, 1 (3). LUTTER, ZGR 1982, 1 (5 ff., 8 f.). K. SCHMIDT, in: S CHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 8; DERS., in: FS Kellermann, 389 (392 ff.); DERS., Informationsrechte, 35 ff. So auch ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 27 ff.; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 129 f. Offengelassen von OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 59 (61). MERTENS, in: FS Werner , 557 (568 ff.), vgl. auch KORT, ZGR 1987, 46 (53 ff.); KRETZSCHMAR, AG 1987, 121 (123). Siehe auch OLG Hamm, GmbHR 2001, 163 (166), welches einem Funktionswandel der Gesellschafterstellung, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintrete, durch eine Beschränkung des Informationsrechts Rechnung tragen will, und BayObLG, GmbHR 1993, 741 (742), welches das Informationsrecht einer Liquidationsgesellschaft als Gesellschafterin einer GmbH funktional betrachtet. Beide Entscheidungen heben allerdings auch auf ein Informationsbedürfnis ab, das BayObLG beruft sich explizit auf Vertreter der funktionellen Ansicht (MERTENS, ebenda) und der Lehre vom Informationsbedürfnis (ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG § 51a Rn. 27).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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will. Die Überwachungsrechte der Gesellschafter sind für sie stets in gleichem Umfang gegeben und nicht der – möglicherweise kapitalistischen – Innenstruktur der GmbH anzupassen72. Im Rahmen dieses Beitrags kann diese Frage keiner umfassenden Analyse unterzogen und die Diskussion in der Literatur nicht im einzelnen nachgezeichnet werden. Dennoch sollen einige Leitgedanken herausgearbeitet werden. Ausgangspunkt ist zunächst der wohl unbestrittene Umstand, daß § 51a GmbHG zu weit geht und ein zu umfassendes Informationsrecht gibt. Dabei gründet sich dieser Befund weniger auf die Voraussetzungen und Grenzen des Informationsrechts, sondern vielmehr auf dessen satzungsfeste Ausgestaltung, die es nicht erlaubt, das für eine personalistische GmbH möglicherweise durchaus angemessene Informationsrecht bei einer kapitalistisch strukturierten GmbH zu beschränken. Denn hierin liegt eine Diskrepanz zum Personengesellschaftsrecht, welches zwar ebenfalls von einem grundsätzlich umfassenden Informationsrecht ausgeht (§§ 716 BGB, 118 HGB), aber dennoch gesellschaftsvertragliche Beschränkungen in gewissen Rahmen zuläßt und damit eine Anpassung an die Erfordernisse in atypischen Gesellschaften ermöglicht. Dementsprechend spricht Mertens zutreffend von dem notwendigen Versuch, die „Diskrepanz zwischen dem zwingenden Charakter des § 51a GmbHG einerseits und der Vielzahl der Erscheinungsformen der GmbH“ andererseits zu überwinden 73. Diesen Flexibilitätserfordernissen kann durch ein Mißbrauchsverbot als einziger Rechtsausübungsgrenze nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Ausgehend von dieser Überlegung ist es daher richtig, die Frage nach dem Informationsbedürfnis des Gesellschafters zu stellen, da dieser Ansatz eine flexible, einzelfallgerechte und der jeweiligen Struktur der GmbH entsprechende Lösung erlaubt. So lassen sich mit dem Informationsbedürfnis nicht nur die Mißbrauchsfälle ausscheiden74, sondern auch der Ansatz Lutters, durch ein Berichtssystem eine Kanalisierung der Informationsanforderungen zu erreichen, integrieren 75. Schließlich lassen sich auch die funktionellen Ansätze erfassen, indem das Informationsrecht an sich zwar nicht entsprechend den Befugnissen der Gesellschafter beschränkt wird, wohl aber im Einzelfall eine Darlegung des Interesses und Bedürfnis an einer Information jenseits des gesellschafterlichen Funktionskreises verlangt werden kann76. Ist in einer GmbH beispielsweise ein Aufsichtsrat eingerichtet, dem weitgehend die Kontrolle der laufenden Geschäfte übertragen ist, so kann dem Gesellschafter, der Einzelinformationen hinsichtlich laufender Geschäfte begehrt, zugemutet werden, sein Interesse an bzw. Bedürfnis nach dieser Information näher
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GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (219 f.). Ein fehlender Bezug zur Gesellschafterstellung ist für sie dann gegeben, wenn sich das „Informationsverlangen auf absolute Nebensächlichkeiten der Geschäftsführung bezieht“, GRUNEWALD, ebenda. MERTENS, in: FS Werner, 557 (568). Hierzu auch V. BITTER, ZIP 1981, 825 (829). K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 8; DERS., in: FS Kellermann, 389 (398 f.). K. SCHMIDT, in: FS Kellermann, 389 (399 f.); vgl. auch die Entscheidungen oben in Fn. 71, welche funktionelle Aspekte mit dem Erfordernis des Informationsbedürfnisses kombinieren.
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darzulegen77. Kann er dann etwa Anhaltspunkte für die Annahme unredlicher Geschäftsführung (vgl. §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB) oder mangelnder Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrates, die er nur durch Abfrage der angeblich nicht hinreichend kontrollierten Umstände belegen kann78, vorbringen, so hat er einen Informationsanspruch. Will er lediglich seine Neugier befriedigen, so kann ihm die begehrte Information versagt werden. Nur diese abgestufte Auslegung trägt dem von Grunewald in diesem Zusammenhang betonten Umstand Rechnung, daß den Gesellschaftern immer zumindest ein Residualrecht zur Überwachung der Geschäftsführung verbleiben muß79. Nicht verkannt wird, daß die hier vertretene Auffassung nicht in der Lage ist, die Defizite des § 51a GmbHG auszugleichen. Eine wünschenswerte Ausschlußmöglichkeit analog §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB, die lediglich einen unverzichtbaren Kernbereich des Informationsrechts als unabdingbar ausgestaltet, scheitert an dem eindeutigen Wortlaut der Norm. 3.3.2.2.4.2. Verschwiegenheitspflicht der Gesellschafter Der weite Anwendungsbereich des § 51a GmbHG wird dadurch ein wenig abgemildert, daß anders als bei der AG die Informationen nicht in einer quasi-öffentlichen Hauptversammlung erteilt werden, sondern zunächst nicht über den Kreis der Gesellschafter hinausreichen. Rechtlich flankiert wird dieser Umstand durch die Verschwiegenheitspflicht der Gesellschafter80. Abgeleitet wird dieses – im Gesetz nicht ausgesprochene81 – Vertraulichkeitsgebot zunächst aus dem der Treuepflicht entspringenden Schädigungsverbot, welches auch in § 51a Abs. 2 GmbHG angesprochen ist. Sodann wird die Korrelation eines umfassenden Informationsrechts mit einer Pflicht zur Vertraulichkeit betont82. Den Kontrollbefugnissen der GmbH-Gesellschafter seien funktionell die weitreichenden Befugnisse des Aufsichtsrats in der AG vergleichbar, dessen Mitglieder durch § 116 S. 2 AktG einer Verschwiegenheitspflicht unterworfen werden83.
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Unter den Vertretern der Lehre vom Informationsbedürfnis ist strittig, ob dem Gesellschafter hierfür die Beweislast (K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 44) oder lediglich die Darlegungslast (ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 30) obliegt. Vgl. hierzu GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (219). GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (219 mwN). BGHZ 135, 48 (55); GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (227); LUTTER, ZGR 1982, 1 (11 ff.); DERS., BB 1980, 291 (292 f.); TIMM, GmbHR 1980, 286 (294); LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 24; HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 11; KOPPENSTEINER, in: ROWEDDER, GmbHG, § 51a Rn. 20; ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 24 ff.; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 6. Jedenfalls für die kapitalistische GmbH aA MERTENS, in: FS Werner, 557 (561). MERTENS, in: FS Werner, 557 (557). LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 24; HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 11; LUTTER, ZGR 1982, 1 (11 f.); DERS., ZIP 1997, 613 (614 f.); ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 24 ff. LUTTER, ZGR 1982, 1 (12 f.).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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3.3.2.2.4.3. Wettbewerbsverbot Bei der Personenhandelsgesellschaft findet das umfassende Informationsrecht der persönlich haftenden Gesellschafter in einem umfassenden Wettbewerbsverbot sein Korrektiv84. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit dies auch bei der GmbH der Fall ist. Doch auch hier erweist sich das Informationsrecht des § 51a GmbHG als weniger weit eingeschränkt. Anders als bei der OHG besteht bei der GmbH für die Gesellschafter grundsätzlich kein Wettbewerbsverbot, wenn es nicht vertraglich vereinbart wurde. Lediglich für den beherrschenden Gesellschafter einer GmbH wird diskutiert, ob dieser einem Wettbewerbsverbot unterliegt85. Entsprechenden Gefährdungslagen läßt sich daher nur durch die soeben angesprochene Verschwiegenheitspflicht, welche die Weitergabe von Daten allgemein und damit auch an Wettbewerber verhindert, sowie durch eine Informationsverweigerung begegnen. Letztere Möglichkeit ist deswegen geboten, weil die zweckwidrige Nutzung der Informationen durch den Gesellschafter selbst durch die Verschwiegenheitspflicht nicht verhindert werden kann. 3.3.2.2.4.4. Verweigerungsrecht gemäß § 51a Abs. 2 GmbHG Schließlich sieht auch der Gesetzgeber des § 51a GmbHG, daß ein unbeschränktes (Abs. 1) und unbeschränkbares (Abs. 3) Informationsrecht eines Korrektivs bedarf. Deshalb hat er in § 51a Abs. 2 S. 1 GmbHG die Regelung getroffen, daß die Gesellschaft Informationen verweigern darf, „wenn zu besorgen ist, daß der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird“. Die Verweigerung setzt dabei nach S. 2 einen Beschluß der Gesellschafterversammlung voraus, um die Frage den nicht zuletzt wegen ihrer Abhängigkeit hiermit überforderten Geschäftsführern zu entziehen. Das in Abs. 3 S. 3 des Entwurfs vorgesehene Stimmrechtsverbot des informationsbegehrenden Gesellschafters86, ist im Zuge der Vereinfachungsbemühungen des Rechtsausschusses gestrichen worden, der ein entsprechendes Verbot für selbstverständlich hielt87. Auch wenn sich die herrschende Meinung dem angeschlossen hat, so hat dies dennoch zu einer Kontroverse in der Literatur geführt88. Kehren wir zurück zu den Vorausset84 85
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Vgl. §§ 112 f., 118, 165, 166 HGB sowie oben Personenhandelsgesellschaften. BGHZ 89, 162 (165 f.) = NJW 1984, 1351 ff.; BGH, GmbHR 1987, 302 (303); OLG Köln, NJW-RR 1991, 1316 (1316 f.); ALTMEPPEN, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 13 Rn. 45 ff.; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 13 Rn. 34 mwN; HARTMANN, DB 1981, 1073 (1073 ff., 1075); IVENS, GmbHR 1989, 273 (273); LUTTER/BAYER, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 14 Rn. 24.; RAISER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 14 Rn. 62 ff.; RÖHRICHT, WPg 1992, 766 (771 ff.); aus steuerrechtlicher Sicht CLAUSSEN/KORTH, in: FS Beusch, 111 (111 ff.); SCHULZE-OSTERLOH, FR 1993, 73 (76 ff.). Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 12, 44. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/3908, 76. Die hM bejaht einen Stimmrechtsausschluß nach § 47 Abs. 4 GmbHG, vgl. V. BITTER, ZIP 1981, 825 (828); GESSLER, BB 1980, 1385 (1390); LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/ HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 29; HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 53; ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 31; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 42 mwN; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 38 mwN; aA GRUNEWALD,
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zungen des Verweigerungsrechtes nach § 51a Abs. 2 S. 1 GmbHG, so fällt auf, daß dieses an zwei kausal miteinander verknüpfte Voraussetzungen gebunden ist. Es muß zunächst die Besorgnis zweckentfremdeter Verwendung bestehen. Sodann muß sich auf diese Besorgnis die weitergehende Besorgnis gründen, daß diese Zweckentfremdung zu nicht unerheblichen Nachteilen für die Gesellschaft führt. 3.3.2.2.4.4.1. Zweckentfremdung Das Merkmal der Zweckentfremdung ist eine Neuschöpfung der GmbH-Novelle, welche sich insofern nicht auf ein aktienrechtliches Vorbild stützen konnte. Die Parallelnorm des § 131 Abs. 3 S. 1 AktG kennt dieses Erfordernis gerade nicht, sondern stellt rein objektiv auf die Eignung zur Nachteilszufügung ab. Für die Regierungsbegründung rechtfertigt sich diese Unterscheidung aus der quasi-Öffentlichkeit der Hauptversammlung, welche eine Nachteilszufügung auch durch Dritte in Betracht kommen lasse. Diese Gefahr drohe bei der GmbH nicht, so daß Nachteile nur von Gesellschaftern drohten, die nicht im Gesellschaftsinteresse handelten89. Dies bedeutet, daß eine Information – selbst bei naheliegender Eignung zur Nachteilszufügung – nicht verweigert werden darf, wenn nicht zusätzlich auch die Besorgnis gegeben ist, daß der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet. Gesellschaftsfremde Zwecke sind nach dem Regierungsentwurf solche, die sich nicht mit den Interessen der Gesellschaft decken. Als Beispiel wird die Nutzung zu Konkurrenzzwecken angeführt90. In der Literatur werden zum Teil solche Zwecke als gesellschaftsfremd angesehen, die außerhalb ordnungsmäßigen mitgliedschaftlichen Verhaltens liegen 91. Hiervon sei nicht schon dann auszugehen, wenn neutrale, gesellschaftsindifferente Zwecke angestrebt seien92. Allerdings könnten gesellschaftsfremde Zwecke bereits dann vorliegen, wenn es an einem drohenden Schaden bzw. der Absicht, die Information zum Nachteil der Gesellschaft einzusetzen, fehle93. Zum Teil wird das Merkmal der Zweckentfremdung auch in einem Zusammenhang mit der Verschwiegenheitspflicht gestellt, dessen gesetzlicher Ausdruck dieses Merkmal sei94. Hieraus wird gefolgert, daß die Information nur zu gesellschaftsinternen Zwecken, worunter die gesellschaftsinterne Willensbildung sowie die Ausübung individueller Gesellschafterrechte verstanden werden, verwen89
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WALD, ZHR 146 (1982), 211 (233), die darauf abstellt, daß es bei der Entscheidung im Prinzip um die Definition des Gesellschaftsinteresses ginge. Siehe auch KOPPENSTEINER, in: ROWEDDER, GmbHG, § 51a Rn. 26. Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 44. Regierungsentwurf (GmbHG-Novelle), BT-Drs. 8/1347, 44. Ausführlich hierzu IVENS, GmbHR 1989, 273 (273 ff.). MÜLLER, GmbHR 1987, 87 (88) [Gesellschafter-, nicht Gesellschaftsinteresse]; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 39; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 33. MÜLLER, GmbHR 1987, 87 (88); K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 39; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 33. K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG § 51a Rn. 39; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 33. ROTH; in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 24 f. Gegen eine Ableitung der Verschwiegenheitspflicht aus § 51a GmbHG K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 6.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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det werden darf95. Diese Ansicht unterscheidet sich von der ersten dadurch, daß sie die neutralen Zwecke den gesellschaftsfremden Zwecken zuschlägt. Dies ist vom Wortlaut her möglich und auch sachlich geboten. Zum einen bedeutet „fremd“ nicht nur schädlich, sondern eben auch „neutral“. Zum anderen rechtfertigt sich das Zurücktreten etwaiger Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft gerade aus der Ausrichtung der Informationserteilung auf das Gesellschaftsinteresse, welches bei einer neutralen Zielsetzung nicht berührt ist. Relevant wird dies bei der Frage nach der Zulässigkeit der Mitteilung von Informationen an Erwerbsinteressenten, welche die erste Auffassung schon mangels eines gesellschaftsfremden Zwecks für zulässig hält96. Einem praktischen Bedürfnis folgend wird diese auch von der hier vertretenen zweiten Auffassung für zulässig gehalten, wenn ein zur Verschwiegenheit verpflichteter Sachverständiger zwischengeschaltet wird97. Wenn man die Verkaufsabsicht zutreffend als gesellschaftsindifferent98 und damit entsprechend der hier vertretenen Meinung als gesellschaftsfremd ansieht, so ist dies jedoch nur konsequent, sofern man die Zulässigkeit aus der fehlenden Besorgnis der Nachteilszufügung herleitet. 3.3.2.2.4.4.2. Nachteilszufügung Der Nachteilsbegriff ist weit gefaßt. Hierunter ist nicht nur ein Vermögensnachteil der Gesellschaft zu verstehen, sondern es kann bereits ausreichend sein, wenn die Gesellschaft einen Ansehensverlust erleidet. Auch entstehender Unfrieden unter den Gesellschaftern, mit Kunden oder mit verbundenen Unternehmen kann hierunter fallen 99. Allerdings wird ein Überwiegen des Nachteils für die Gesellschaft gegenüber dem Informationsinteresse des Gesellschafters für erforderlich gehalten100. Da jedoch das Informationsrecht – wie § 51a Abs. 2 GmbHG deutlich zeigt – auf Zwecke der Gesellschaft bezogen ist, wird man dem nur insoweit zustimmen können, als auf diese Weise das Kriterium der Erheblichkeit des Nachteils konkre95
LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 26; ROTH, in: ROTH/ ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 25. Vgl. auch HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 47; RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 202; WINTER, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, 122. Hierzu wird auch die Aufdeckung stiller Reserven gegenüber dem Finanzamt gezählt, wobei in dem entschiedenen Fall, der Gesellschafter auch die Erhöhung des eigenen Anteils am Gesellschaftsgewinn anstrebte, vgl. OLG Köln, WM 1986, 761 (762 f.) = NJW-RR 1987, 99. 96 Vgl. etwa GÖTZE, ZGR 1999, 202 (210); K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 39. 97 LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 26, 24; LUTTER, ZIP 1997, 613 (615); ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 27. Vgl. auch REUTER, BB 1986, 1653 (1656 f.). Siehe auch OLG München, DB 2007, 115 (115 f.) = ZIP 2008, 553 (554). 98 Vgl. hierzu auch REUTER, BB 1986, 1653 (1656). 99 HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 50; MÜLLER, GmbHR 1987, 87 (88 f.); RÖMERMANN, in: M ICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 207 ff.; ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 22 f.; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 40; siehe auch ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 36. 100 K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 40; abweichend ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 22, der dann jedoch in Rn. 29 auf eine in der Praxis vorzunehmende Gesamtabwägung verweist, welche die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung, Schwere des Nachteils und das Informationsinteresse einbezieht.
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tisiert wird. Bei einer Besorgnis zweckentfremdeter Verwendung der Information und dem Drohen eines erheblichen Nachteils für die Gesellschaft wird aber auch kein noch so großes und gewichtiges Informationsinteresse des Gesellschafters die Erteilung der Information erzwingen können. 3.3.2.2.4.4.3. Besorgnis Das Merkmal der Besorgnis bezieht sich sowohl auf die Zweckentfremdung als auch auf den nicht unerheblichen Nachteil für die Gesellschaft. Hierunter wird eine objektive Gefährdung verstanden. Notwendig ist das Vorliegen, objektiver Umstände, welche die Gefährdung als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. Besteht über diese Grundlagen auch weitgehend Einigkeit101, so wird doch über die Frage diskutiert, ob auch eine abstrakte Gefährdung ausreichen kann. Sachlicher Hintergrund dieser Kontroverse ist die Situation der Beteiligung eines Gesellschafters an einem Konkurrenzunternehmen. Während dies vielfach zumindest bei einer nicht nur kapitalistischen Beteiligung des Gesellschafters für ausreichend erachtet wird102, geht eine andere Auffassung davon aus, daß eine konkrete Gefährdung vorliegen müsse. Der bloße Umstand der Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen reiche nicht aus103. Grundsätzlich wird man eine Besorgnis im Einzelfall fordern und daher alle relevanten Umstände abwägen müssen. Dies wird in der Regel dazu führen, daß die nicht nur kapitalistische Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen eine Besorgnis im Sinne des § 51a Abs. 2 GmbHG begründet. Dies liegt nicht zuletzt in der Dauerverfügbarkeit einer einmal erhaltenen Information begründet, welche auch beim besten Willen in einer Entscheidungssituation nicht ignoriert werden kann104. Dennoch mögen Ausnahmefälle denkbar sein, in denen eine Gesamtabwägung zu dem Ergebnis führt, daß keine Besorgnis besteht. Dem muß dann angesichts der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers für ein umfassendes Informationsrecht Rechnung getragen werden.
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Vgl. OLG Stuttgart, GmbHR 1983, 242 (243); OLG Düsseldorf, GmbHR 1569 (1569 f.); V. BITTER, ZIP 1981, 825 (828); G RUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (228); HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 49; LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 26; LUTTER, ZGR 1982, 1 (10); MÜLLER, GmbHR 1987, 87 (89); RÖMERMANN, in: MICHALSKI, GmbHG, § 51a Rn. 199 f.; K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 41. 102 GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (228); HÜFFER, in: HACHENBURG, GmbHG, § 51a Rn. 49; LUTTER, ZGR 1982, 1 (10); K. SCHMIDT, in: SCHOLZ, GmbHG, § 51a Rn. 41; offengelassen in OLG Düsseldorf, GmbHR 1569 (1569 f.). 103 MÜLLER, GmbHR 1987, 87 (89). Wohl auch LUTTER/HOMMELHOFF, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 51a Rn. 26. Siehe auch OLG München, DB 2007, 115 (115 f.) = ZIP 2008, 553 (554), welches die Einschaltung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänders erwägt. 104 Vgl. GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (228); IVENS, GmbHR 1989, 273 (274); LUTTER, ZGR 1982, 1 (11); TIETZE, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 75 f.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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3.3.2.2.4.5. Sonstiges Eine Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluß nach § 51a Abs. 2 S. 2 GmbHG ist neben dem Verfahren gemäß § 51b GmbHG, zu dessen Einzelheiten auf die Darstellung zu § 132 AktG verwiesen werden kann105, nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein über das Informationsinteresse hinausgehendes Interesse des Gesellschafters vorliegt106. Hingegen können sonstige Beschlüsse, z.B. der Beschluß über die Bilanzfeststellung107, auch wegen Informationsverweigerung angefochten werden. 3.3.2.2.4.6. Bewertung § 51a GmbHG gewährt den Gesellschaftern ein sehr weitgehendes Informationsrecht, welches tatbestandlich keinen nennenswerten Einschränkungen unterliegt. Die Gesellschaft ist aus diesen Gründen erheblichen Gefahren ausgesetzt. Da die Gesellschafter grundsätzlich keinem Wettbewerbsverbot unterliegen und die Verschwiegenheitspflicht gegen ein Ausnutzen der Information durch den Gesellschafter selbst naturgemäß nicht schützt, droht die Aneignung sensibler Daten. Es steht stets zu befürchten, daß der Gesellschafter Daten über technologische Innovationen, geplante Geschäftsstrategien oder die finanzielle Lage der Gesellschaft zu eigenen Zwecken nutzt. Diese Betrachtung ist jedoch noch unvollständig. Sie ist noch um die Berücksichtigung des Auskunftsverweigerungsrechts des § 51a Abs. 2 GmbHG zu ergänzen. Dieses erlaubt die Verweigerung von Informationen, wenn die Besorgnis der Verwendung zu gesellschaftsfremden Zwecken besteht, wodurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt wird. Damit führt das Gesetz das Informationsrecht des Gesellschafters einerseits auf seine Funktion zurück, diesem die nötige Wissensbasis für Handlungen und Entscheidungen im Rahmen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Dies stellt klar, daß das Informationsrecht gerade nicht dazu gedacht ist, dem Gesellschafter Wissen für außerhalb der Gesellschaft liegende Zwecke zur Verfügung zu stellen. Andererseits ist das Verweigerungsrecht an das weitere Erfordernis des aufgrund der zweckwidrigen Verwendung drohenden nicht unerheblichen Nachteils gebunden. Die Gesellschaft darf Informationen also nicht bereits deswegen verweigern, weil der Gesellschafter diese zu privaten Zwecken verwenden möchte. Zusammengenommen erlaubt das Auskunftsverweigerungsrecht die Abwehr von Gefahren für die Gesellschaft, die sich aus dem Auskunftsrecht ergeben können. Denn die Aneignung technologischer Innovationen, die Entfremdung von Geschäftschancen, die Nutzung von Daten über die strategische Planung oder von finanziellen Daten zu Konkurrenzzwecken stellen allesamt eine Zweckentfremdung von Informationen dar, die mit einem nicht unerheblichen Nachteil für die Gesellschaft verbunden ist. Es darf allerdings auch nicht übersehen werden, daß im Rah-
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Siehe unten Vorgehen bei Auskunftsverweigerung. BGH, AG 1988, 102 (102 f.) = ZIP 1988, 87; LG Essen, GmbHR 1998, 941 (942). 107 OLG Hamburg, GmbHR 1985, 120 (120 f.). 106
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men der Ausfüllung der Auskunftsverweigerungsnorm im Einzelfall erhebliche Unsicherheit über das Vorliegen ihrer Voraussetzungen entstehen kann. Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll, die Ausgestaltung des Informationsrechts sowie des Verweigerungsrechts einer Regelung in der Gesellschaftssatzung zugänglich zu machen. Deutlich wird auch, daß das Gesetz nur den Konflikt regelt, der daraus resultiert, daß ein Gesellschafter auch Interessen verfolgen kann, die den Interessen seiner Gesellschaft entgegenlaufen. Negative externe Effekte, die aus der Informationserteilung entstehen, nimmt das Gesetz nicht in den Blick. Es läßt sich allerdings durchaus sagen, daß § 51a GmbHG der Gesellschaft auch ein Mittel an die Hand gibt, einem Gesellschafter kartellrechtsrelevante Informationen zu verweigern. Denn in der kartellrechtswidrigen Nutzung einer Information zur Begründung abgestimmter Verhaltensweisen läßt sich nicht nur eine Nutzung zu gesellschaftsfremden Zwecken sehen, sondern dies begründet auch einen erheblichen Nachteil für die Gesellschaft, soweit sich diese durch die Informationserteilung an der verbotenen Verhaltensweise beteiligt108. Dies führt gesellschaftsrechtlich indes nicht zu einem Zwang zur Informationsverweigerung, sondern begründet nur ein entsprechendes Recht der Gesellschaft. Ein ergänzender Zwang zur Informationsverweigerung wäre daher dem Kartellrecht zu entnehmen.
3.3.2.3. Informationsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG § 131 Abs. 1 S. 1 AktG sieht vor, daß jedem Aktionär „auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben [ist], soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist.“ Etwaige Gründe, die zu einer Verweigerung der Auskunft berechtigen, listet § 131 Abs. 3 S. 1 AktG abschließend auf. 3.3.2.3.1. Historische Entwicklung Für das Verständnis des § 131 AktG ist die historische Entwicklung nur von untergeordneter Bedeutung. Es kann daher bei einigen kurzen Ausführungen zur Vorgängernorm des § 112 AktG 1937 bewenden.109 Nachdem die Rechtsprechung ein Auskunftsrecht zuvor nur bei einem entsprechenden Beschluß der Hauptversammlung anerkannt hatte, gab § 112 AktG 1937 einen sehr weitgehenden Anspruch auf Informationen110, welcher insbesondere durch das in § 131 AktG neu aufgenommene Erforderlichkeitskriterium durch das AktG 1965 eine Einschränkung erfahren hat. Auf der anderen Seite korrespondierte dem weitgehenden Anspruch nach altem Recht eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit einer Auskunftsverweigerung. Gemäß § 112 Abs. 3 S. 2 AktG 1937 entschied der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Auskunftsverweigerung. Hieraus wurde eine weitgehende Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung auf Willkür und sachfremde 108
Siehe den Beitrag von ENCHELMAIER; sowie SCHMIDT/SCHREIBER, BB 2002, 1921 ff. Ausführlich hierzu CASPER, in: BAYER/HABERSACK, Aktienrecht im Wandel II, 546 Rn. 6 ff. 110 BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 1. 109
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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Erwägungen gefolgert111. Eine volle gerichtliche Nachprüfung einer Auskunftsverweigerung fand nur dann statt, wenn die Auskunft aus Rechtsgründen verweigert wurde112. Das neue Recht stellt demgegenüber dem auf erforderliche Auskünfte beschränkten Auskunftsanspruch die volle gerichtliche Überprüfung der Auskunftsverweigerung zur Seite113. 3.3.2.3.2. Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs 3.3.2.3.2.1. Allgemeine Voraussetzungen § 131 Abs. 1 S. 1 AktG setzt zunächst ein Auskunftsverlangen voraus, d.h. es geht im Rahmen des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG nicht um Informationspflichten des Vorstands, die unaufgefordert zu erfüllen sind114. Weiterhin muß es sich bei dem Auskunftsbegehrenden um einen Aktionär handeln und das Auskunftsverlangen muß in der Hauptverhandlung geäußert werden. Auskunft ist dabei vom Vorstand zu verlangen, ein Auskunftsbegehren an Aufsichtsratsmitglieder ist unzulässig 115. Das Auskunftsrecht ist „nicht auf einfache und leicht zu beschaffende Auskünfte beschränkt. Vielmehr erfaßt es auch Gegenstände, auf die der Vorstand bei angemessener Vorbereitung und unter Beiziehung bereitzuhaltender Unterlagen und sachkundiger Mitarbeiter ohne wesentliche Verzögerung der Hauptversammlung eingehen kann“116. Eine Auskunftspflicht des Vorstands besteht daher auch dann, wenn sich dieser die für eine Antwort erforderlichen Unterlagen unschwer und ohne wesentliche Verzögerung der Hauptversammlung beschaffen kann117. Hierfür muß auch an einem arbeitsfreien Tag das nötige Personal vorgehalten werden118. Der Fragende kann jedoch nach § 242 BGB gehalten sein, seine Frage vorher anzukündigen, anderenfalls kann die Auskunft verweigert werden, wenn sie nur mit unzumutbaren Aufwand erteilt werden könnte bzw. eine Erteilung in der Hauptversammlung unmöglich ist119.
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BGHZ 32, 159 (165) [zum AktG 1937]; 36, 121 (132 f.) [zum AktG 1937]. Dazu BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 1. 112 BGHZ 36, 121 (132) [zum AktG 1937]. 113 OLG Hamburg, AG 1969, 150 (151); OLG Hamburg, AG 1970, 50 (51); KG, AG 1973, 25 (25); OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152) = DB 1991, 2532 (2532); LG Heilbronn, AG 1967, 81 (81 f.); LG Heidelberg, AG 1996, 523 (524). Gegen eine volle gerichtliche Überprüfbarkeit noch WILHELMI, NJW 1968, 731 (732 f.). Vgl. auch unten bei Mißbrauch des Fragerechtsund Auskunftsverfahren gemäß § 132 AktG 114 AA LG Berlin, AG 1997, 183 (185). 115 OLG Stuttgart, AG 1995, 234 (235). 116 OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152) = DB 1991, 2532 (2533); KG, ZIP 1994, 1267 (1272) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff. 117 RGZ 167, 151 (169 f.); BGHZ 32, 159 (165) [zum AktG 1937]; KG, ZIP 1995, 1585 (1589); KG, AG 1996, 131 (134); KG, ZIP 1995, 1592 (1594 f.). 118 BGHZ 32, 159 (165) [zum AktG 1937]. 119 BayObLG, AG 1996, 180 (181); OLG Frankfurt a.M., AG 1999, 231 (232) [unter Verweis auf die zum AktG 1937 ergangene Entscheidung BGHZ 32, 159]; LG Essen, AG 1999, 329 (332 f.). Die Unzumutbarkeit wurde bejaht von KG, ZIP 1994, 1267 (1273) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.
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3.3.2.3.2.2. Sachliche Beschränkung des Auskunftsrechts Neben der bereits angesprochenen zeitlichen und persönlichen Beschränkung auf Aktionäre und die Zeit der Hauptversammlung sowie den Fällen der Unzumutbarkeit ist das Auskunftsrecht auch in sachlicher Hinsicht beschränkt. Zum einen sind bestimmte Vorgänge wie der Ablauf von Aufsichtsratssitzungen grundsätzlich vertraulich, so daß insofern keine Auskunft verlangt werden kann120. Zum anderen sind Auskünfte nur in Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen und dies auch nur, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung eines Punktes der Tagesordnung erforderlich ist. 3.3.2.3.2.2.1. Angelegenheiten der Gesellschaft Das Tatbestandsmerkmal der Angelegenheit der Gesellschaft ist weit auszulegen; hierunter fällt alles, was sich auf die AG und ihre Tätigkeit bezieht121. Angelegenheit der Gesellschaft ist etwa auch die Ausübung von konzernfremden Aufsichtsratsmandaten durch Vorstandsmitglieder122 oder Vorgänge in verbundenen Unternehmen (vgl. hierzu auch § 131 Abs. 1 S. 2 AktG 123), sofern diesen einige Bedeutung zukommt124, z.B. bei einer Beteiligung von 52,5 % an dem Unternehmen und bei fehlendem eigenen operativen Geschäft125. Die Gesamtvorgänge in dem verbundenen Unternehmen können jedoch auch dann nicht erfragt werden, wenn dieses seine Bilanz der Öffentlichkeit rechtswidrig vorenthält126. Keine Angelegenheit der Gesellschaft sind die Verkäufe von Aktien durch den Vorstandsvorsitzenden in seiner privaten Eigenschaft als Aktionär127, die Empfehlungen, welche die Gesellschaft (eine Bank) ihren Depotkunden im Hinblick auf Abstimmungen bei Hauptversammlungen verschiedener Gesellschaften erteilt hat128 sowie die bisher nicht ausgesprochenen Auffassungen, Überlegungen und Motive des Aufsichtsratsvorsitzenden129. Keine Angelegenheit der Gesellschaft ist ferner „das bloße Stellen einer Strafanzeige 120
OLG Stuttgart, AG 1995, 234 (235) [Vertraulichkeit der Aufsichtsratssitzungen]; vgl. BARZ, in: BARZ, AktG (1973), § 131 Anm. 32; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 50; OBERMÜLLER, DB 1962, 827 (830). 121 OLG Düsseldorf, AG 1988, 53 (54); BayObLG, AG 1996, 322 (323 f.); BayObLG, AG 1996, 516 (517); BayObLG, AG 1999, 320 (321); LG Dortmund, AG 1984, 83 (83); BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 7; GROßFELD/MÖHLENKAMP, ZIP 1994, 1425 (1425); HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 11. Enger GROß, AG 1997, 97 (104) [Angelegenheit der Gesellschaft ist, was sie und ihr Geschäft unmittelbar betrifft]. 122 KG, ZIP 1995, 1592 (1594); BayObLG, AG 1996, 180 (181). 123 Ausführlich hierzu SPITZE/DIEKMANN, ZHR 158 (1994), 447 ff. 124 OLG Düsseldorf, AG 1988, 53 (53 f.); BayObLG, AG 2000, 131 (132); LG München I, AG 1999, 283 (284). 125 BayObLG, AG 2000, 131 (132). 126 LG München I, AG 1999, 283 (284). 127 OLG Dresden, AG 1999, 274 (275). Insofern dürfte jedoch anderes für die hiermit in Zusammenhang stehende Pflicht der börsennotierten Gesellschaft gemäß § 15a Abs. 4 WpHG, Mitteilungen ihres Führungspersonals oder diesen nahestehender Personen über deren Handel mit Aktien der Gesellschaft zu veröffentlichen, gelten. 128 BayObLG, AG 1996, 563 (565) [aA die Vorinstanz LG München I, AG 1994, 380 (380)]; LG München I, AG 1996, 186 (186). 129 OLG Stuttgart, AG 1995, 234 (235).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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gegen ein ehemaliges Vorstands- und jetziges Aufsichtsratsmitglied im Zusammenhang mit einer Tätigkeit für die Gesellschaft, ohne dass strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden sind“130. Auch bei dem Buchwert, mit dem die Muttergesellschaft die Anteile der abhängigen Gesellschaft ansetzt131, handelt es sich nicht um eine Angelegenheit der abhängigen Gesellschaft. Strittig ist, inwiefern der Inhalt des Abhängigkeitsberichts und im Zusammenhang hiermit die Höhe der Konzernumlage zu den Angelegenheiten der abhängigen Gesellschaft gehört132. Richtig wird es sein, den Abhängigkeitsbericht zu den Angelegenheiten der Gesellschaft zu zählen und seine Vertraulichkeit über § 131 Abs. 3 S. 1 AktG zu wahren 133. Einzelne Auskünfte mögen dann allerdings durchaus zu erteilen sein 134. Inwieweit dem Merkmal „eigene Angelegenheiten“ neben dem sogleich zu erörternden Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit eine eigene Bedeutung im Sinne einer tatbestandlichen Einschränkung des Auskunftsrechts zukommt135, soll hier nicht erörtert werden. In aller Regel wird jedoch auch die Erforderlichkeit zu verneinen sein, wenn es sich nicht um eine Angelegenheit der Gesellschaft handelt136. 3.3.2.3.2.2.2. Erforderlichkeit Die Auskunft muß weiterhin zur sachgerechten Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sein; hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen137. Begründet wird dies u.a. mit Blick auf die wechselnden Aktionäre138. Die Erforderlichkeit ist dabei vom Standpunkt eines objektiv 139 denkenden Aktionärs zu beurtei130
LG Frankfurt a.M., ZIP 2005, 1275 (1275 – 3. Leitsatz, 1278). LG Heidelberg, AG 1996, 523 (525). 132 Siehe hierzu die (verneinende) Entscheidung des OLG Frankfurt a.M., NZG 2003, 224 (225) mwN zum Streitstand. 133 So die weit überwiegende Meinung, vgl. nur OLG Stuttgart, NZG 2004, 966 (968) mwN. 134 Zum Auskunftsrecht hinsichtlich der Konzernumlage siehe unten in und bei Fn. 265. 135 Dies wird zum Teil verneint: GROßFELD/MÖHLENKAMP, ZIP 1994, 1425 (1425); HÜFFER, AktG8 (2008), § 131 Rn. 11; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 18. Bejahend aber BayObLG, AG 1996, 563 (564); GROß, AG 1997, 97 (104); KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 33 [Frage der Darlegungslast]; SPITZE/DIEKMANN, ZHR 158 (1994), 447 (452). Offengelassen von KG, AG 2001, 421 (421). 136 Umgekehrt gilt, daß im Fall der Erforderlichkeit auch solche Umstände zu Angelegenheiten der Gesellschaft werden, die es normalerweise nicht sind, vgl. ZÖLLNER, in: Kölner KommentarWphG, § 131 Rn. 18. 137 OLG Düsseldorf, AG 1968, 23 (23 f.); KG, AG 1973, 25 (26); OLG Düsseldorf, AG 1987, 21 (23); OLG Frankfurt a.M., AG 1986, 233 (234); OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2153) = DB 1991, 2532; LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1929 (1930); LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1931 (1932); LG Dortmund, AG 1967, 236 (237); LG Frankfurt a.M., AG 1968, 24 (25); LG München I, AG 1981, 79 (81); LG München I, AG 1987, 185 (186). Für eine weitherzige Betrachtungsweise entsprechend dem AktG 1937 aber OLG Hamburg, AG 1969, 150 (150) unter Verweis auf BGHZ 32, 159 (164) [zum AktG 1937]. 138 LG München I, AG 1981, 79 (81). 139 OLG Hamburg, AG 1969, 150 (150) unter Verweis auf BGHZ 32, 159 (164) [zum AktG 1937]; KG, AG 1973, 25 (25); OLG Düsseldorf, AG 1987, 21 (23); OLG Frankfurt a.M., AG 1986, 233 (234); KG, ZIP 1994, 1267 (1268) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; KG, ZIP 1995, 1585 (1586) mwN; BayObLG, AG 1996, 180 (181); BayObLG, AG 1996, 563 (563); AG 1999, 320 (320); AG 2000, 131 (131); KG, AG 2001, 421 (421). 131
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len, der die Verhältnisse der Gesellschaft lediglich aufgrund der allgemein bekanntgegebenen Tatsachen kennt und beurteilen kann 140. Es kommt nicht darauf an, ob der Aktionär noch weitere Ziele verfolgt141. Die Erforderlichkeit wird dementsprechend bejaht, wenn die begehrte Auskunft aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs ein nicht nur unwesentliches Element für die Beurteilung des Tagesordnungspunktes und ggfls. für sein Abstimmungsverhalten ist142. Nicht erforderlich ist dabei, daß die Auskunft für sich genommen zur Beurteilung des Tagesordnungspunktes genügt, sondern es können auch lediglich ergänzende Informationen begehrt werden143. Hieraus ergibt sich, daß die Erforderlichkeit der Auskunft nur in dem konkreten Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt, zu dem die Frage gestellt wurde, beurteilt werden kann144; ggfls. muß der Aktionär die Frage bei dem passenden Tagesordnungspunkt wiederholen145. Auch sollen hinsichtlich verschiedener Tagesordnungspunkte unterschiedliche Maßstäbe gelten, wobei besonders bei Fragen zum Tagesordnungspunkt Entlastung ein strenger Maßstab angelegt werden soll, da die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche bedeute146. Die Größe des Aktienbesitzes des Auskunftsbegehrenden spielt für die Beurteilung der Erforderlichkeit keine Rolle147. 3.3.2.3.2.2.3. Kasuistik Die Kasuistik zu dem Merkmal der Erforderlichkeit kann an dieser Stelle nicht im einzelnen ausgebreitet werden148. Nachgespürt werden soll jedoch einigen Ansätzen zur weiteren Konkretisierung des Merkmals bzw. einigen wiederkehrenden Argumentationsmustern:
140
OLG Bremen, AG 1981, 229 (229); OLG Düsseldorf, AG 1987, 21 (23); AG 1988, 53 (54); KG, ZIP 1995, 1585 (1586); BayObLG, AG 1996, 516 (516); AG 1999, 320 (320); AG 2000, 131 (131); LG Berlin, AG 1991, 34 (35). 141 LG München I, AG 1981, 79 (81); ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 131 Rn. 33. 142 BGH, WM 2004, 2489 (2490) = ZIP 2004, 2428; OLG Düsseldorf, ZIP 1987, 1555 (1556); KG, ZIP 1994, 1267 (1268) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 23; BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 10; HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 12. 143 KG, ZIP 1994, 1267 (1269) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; KG, ZIP 1995, 1585 (1586). 144 BGHZ 119, 1 (13 f.); BayObLG, AG 1996, 180 (182); AG 1996, 563 (564); OLG München, AG 1998, 238 (238); OLG Dresden, AG 1999, 274 (275); BayObLG, AG 2000, 131 (132); LG München I, AG 1999, 138 (138). 145 BGHZ 119, 1 (14 f.). 146 OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2153) = DB 1991, 2532; OLG Hamburg, AG 1994, 420 (420). Vgl. LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1929 (1930); LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1931 (1932). 147 Regierungsbegründung bei KROPFF, Aktiengesetz 1965, 185; BGHZ 119, 1 (17); BayObLG, NJW 1974, 2094 (2094); OLG Düsseldorf, AG 1988, 53 (54); LG Köln, AG 1991, 38 (38). Vgl. auch KG, ZIP 1994, 1267 (1267 ff.) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; aA: LG Berlin, AG 1991, 34 (35); sowie unten bei Fn. 231. 148 Siehe hierzu HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 12, 17 ff. sowie MUTTER, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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3.3.2.3.2.2.3.1. Rechnungspublizität Das Auskunftsrecht des Aktionärs umfaßt mindestens alle Angaben, die nach der objektiven Rechtslage ohnehin im Jahresabschluß und im Geschäftsbericht enthalten sein müssen, eine Berufung auf Auskunftsverweigerungsgründe scheidet insofern aus149. Dabei ist das Auskunftsrecht des Aktionärs nicht durch Gliederungsvorschriften beschränkt150. Die §§ 266 ff., 275 ff. HGB legen nur ein Mindestmaß an Publizität fest151, so daß Fragen nach weiteren Einzelheiten ggfls. über § 131 AktG zu beantworten sind, da „die Grenzen der Offenbarungspflicht … nur das Verhältnis der Gesellschaft zur Öffentlichkeit [berühren], nicht zu ihren Aktionären.“ Es besteht allerdings grundsätzlich keine Verpflichtung der Gesellschaft, die Posten der Jahresbilanz bis in die letzten Einzelheiten offenzulegen152. Nicht erforderlich sind auch Fragen zu Punkten, zu denen eine kleine AG gemäß § 288 HGB keine Angaben zu machen braucht. Insofern greift mit § 131 Abs. 1 S. 3 AktG das Recht, einen vollständigen Jahresabschluß zu verlangen, ein 153. Da die Rechnungspublizität nur ein Mindestmaß an Publizität festlegt und das Auskunftsrecht hierauf nicht beschränkt ist, findet auch die Möglichkeit der Verweigerung von Angaben zu den Gesamtbezügen von Organen gemäß § 286 Abs. 4 HGB auf den Auskunftsanspruch des Aktionärs keine Anwendung 154. Soweit börsennotierte Gesellschaften betroffen sind, stellt sich nach Erlaß des Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetzes diese Frage ohnehin nur, wenn die Hauptversammlung gemäß § 286 Abs. 5 HGB beschlossen hat, die Bezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder nicht offenzulegen. Für diesen Fall, in dem die Verpflichtung zur Angabe der Gesamtbezüge grundsätzlich unberührt bleibt, ist davon auszugehen, daß das Auskunftsrecht durch den Beschluß der Hauptversammlung nicht beschränkt wird, da diese nicht über das Individualrecht des einzelnen Aktionärs verfügen kann155. Dies bedeutet jedoch nicht, daß auf eine Frage des Aktionärs zwingend Auskunft über die individuellen Vorstandsgehälter zu erteilen wäre bzw. entgegen der Regel des § 286 Abs. 4 HGB die Gesamtbezüge mitzuteilen wären. Die Erforderlichkeit entsprechender Angaben ist lediglich nicht per se ausgeschlossen. Anzumerken ist noch, daß sich das Auskunftsrecht auch auf die Vergütung von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene erstrecken kann, sofern Anhaltspunkte für eine überhöhte 149
BGHZ 86, 1 (8) = AG 1983, 75 ff.; LG München I, AG 1987, 185 (186); LG Berlin, AG 1991, 34 (36). 150 BGHZ 32, 159 (162) [zum AktG 1937]; 36, 121 (124) [zum AktG 1937]; 86, 1 (18) = AG 1983, 75 ff.; OLG Hamm, AG 1969, 295 (295); OLG Hamburg, AG 1970, 50 (52); OLG Frankfurt a.M., AG 1981, 232 (232 f.); LG München I, AG 1987, 185 (186); KUHN, WM 1966, 50 (51). 151 AA neuerdings NOACK/ZETZSCHE, ZHR 170 (2006), 218 (227 ff., 229), deren Verweis auf § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG insofern allerdings nicht zu überzeugen vermag. Hier ist eher ein Umkehrschluß geboten, vgl. hierzu unten Verweigerungsrechte hinsichtlich spezifischer Informationen (in und bei Fn. 244). 152 BGHZ 32, 159 (163) [offengelassen; zum AktG 1937]; BayObLG, AG 1996, 322 (323 f.). 153 LG Köln, AG 1991, 38 (38). 154 OLG Düsseldorf, DB 1997, 1609 (1609) unter Verweis auf KEMPTER, BB 1996, 419 (420); KLATTE, BB 1995, 35 (37). 155 Siehe nur LG Heidelberg, AG 1996, 523 (523); DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 18.
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Vergütung bestehen156. Erforderlich kann ferner die Angabe der Gesamtvergütung eines organexternen Leitungsgremiums sein, welches unterhalb der Vorstandsebene angesiedelt ist157. 3.3.2.3.2.2.3.2. Auskunft zur Unternehmensbewertung Das KG will bei der Beurteilung der Erforderlichkeit solche Kriterien heranziehen, die von Wissenschaft und Praxis für die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens bzw. für eine sachgerechte Aktienanalyse und Unternehmensbewertung benötigt oder für bedeutsam gehalten werden. Dazu zählen die Daten zur finanz- und erfolgswirtschaftlichen Unternehmensbeurteilung, die dem offenlegungspflichtigen Jahresabschluß nicht oder nicht hinreichend genau zu entnehmen sind158. An dem hieraus abgeleiteten Ergebnis, daß Angaben zu Minderheitsbeteiligungen erforderlich sind159, wird allerdings in der Literatur Kritik geübt160. Der Problematik ist jedoch durch § 285 Nr. 11 HGB, der Angaben zu Unternehmen, an denen 20 % bzw. bei börsennotierten Gesellschaften 5 % der Anteile gehalten werden, verlangt, etwas die Spitze genommen161. Betrachtet man den Normzweck des § 131 AktG allerdings genauer, so ist die Auffassung abzulehnen, daß über § 131 AktG Informationen für eine sachgerechte Aktienanalyse und Unternehmensbewertung abgefragt werden können. Die Norm ist nicht kapitalmarktrechtlich ausgerichtet. Dies wird sogleich im Anschluß an die Schilderung der Kasuistik näher auszuführen sein162. 156
LG Frankfurt a.M., AG 2005, 259 (260). OLG Frankfurt a.M., ZIP 2006, 610 (612); ZIP 2006, 614 (614 f.). 158 KG, ZIP 1994, 1267 (1269) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; KG, ZIP 1995, 1585 (1587); KG, AG 1996, 131 (131 f.); AG 2001, 421 (421). Herangezogen werden insofern auch die Transparenzrichtlinie (88/627/EWG) sowie die Versicherungsbilanzrichtlinie (91/674/ EWG), vgl. KG, ZIP 1994, 1267 (1269) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff. 159 Auskunft über Beteiligungsbesitz der AG jedenfalls ab einer bestimmten dem Einzelfall angemessenen Größenordnung: KG, WM 1993, 1845 (1847) = AG 1994, 83 [Stimmanteil 10 % oder Börsenwert ab 100 Mio. DM]; KG, ZIP 1994, 1267 (1270) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff. [Stimmanteil von 10 % oder Börsenwert ab 100 Mio. DM – Klarstellung, daß auch Beteiligung von mehr als 10 % ausreicht]; KG, ZIP 1995, 1585 (1587) [10 % des Grundkapitals oder Börsenwert ab 100 Mio. DM]; KG, AG 1996, 131 (132 f.) [Stimmanteil 10 % oder Börsenwert 100 Mio. DM]; BayObLG, AG 1996, 516 (516 f.) [5 % des Grundkapitals oder der Stimmrechte oder Börsenwert ab 100 Mio. DM]; AG 1996, 563 (564) [5 % des Grundkapitals oder der Stimmrechte oder Börsenwert ab 100 Mio. DM]; KG, AG 2001, 421 (421 f.) [ab 20 Mio. DM Börsenwert]; aA LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1929 (1931); WM 1994, 1931 (1932 f.). Dabei ist nicht der absolute Wert entscheidend, es kommt neben dem Verhältnis des Wertes zur Bilanzsumme auf das Gewicht an, das dem Engagement in Relation zum ausgewiesenen Ergebnis zukommt: KG, ZIP 1995, 1585 (1588); AG 2001, 421 (421 f.). Vgl. auch KG, ZIP 1994, 1267 (1270) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff. 160 HÜFFER, ZIP 1996, 401 ff.; GROß, AG 1997, 97 (104 ff.); WILKEN, EWiR 1995, § 131 AktG, 1/95, 943 f.; EBENROTH/BOHNE, WuB II A., § 131 AktG, 1.96. 161 Der Hinweis auf Meldepflichten nach § 21 WpHG geht zwar nicht fehl, ist aber dahingehend zu ergänzen und relativieren, daß die Meldung an die Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, erfolgt und dann von dieser zu veröffentlichen ist, sofern sie börsennotiert ist, § 21, 25 WpHG. Vgl. auch SAENGER, DB 1997, 145 (149). 162 Siehe unten Normzweck des § 131 AktG: Der Aktionär als Gesellschafter, nicht als Kapitalanleger. 157
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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3.3.2.3.2.2.3.3. Keine Abstimmungsrelevanz der Auskunft Erforderlich sind Auskünfte auch dann, wenn das Abstimmungsverhalten des Aktionärs bereits feststeht163. 3.3.2.3.2.2.3.4. Umfassenderes Informationsrecht bei größerer Entscheidungskompetenz In einem größeren Umfang ist die Erforderlichkeit zu bejahen, wenn der Vorstand unternehmerische Entscheidungen gemäß § 119 Abs. 2 AktG der Hauptversammlung überläßt164. 3.3.2.3.2.2.3.5. Relevanter Zeitraum Die Auskunftspflicht des Vorstands ist unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit grundsätzlich beschränkt „auf die Geschäftsvorfälle des Zeitraums, auf den sich die betreffende Hauptversammlung bezieht. … Über länger zurückliegende Vorfälle kann ein Aktionär daher Auskunft nur verlangen, wenn und soweit diese Vorgänge sich gerade in dem Geschäftsjahr ausgewirkt haben, auf das sich die betreffende Hauptversammlung bezieht“165. Mit den Verhandlungen über den Jahresabschluß können ferner auch solche Geschäftsvorfälle im Zusammenhang stehen, die sich erst im laufenden Jahr ereignet haben166. 3.3.2.3.2.2.3.6. Weitere Aspekte Die Erforderlichkeit wird bisweilen verneint, wenn die begehrte Auskunft nicht aussagekräftig wäre167 oder selbst beschafft werden kann bzw. bereits verfügbar ist168. Mittlerweile wird man die Entscheidung in den letzteren Fällen, in denen die Gesellschaft argumentiert, die Information könne selbst beschafft werden oder sei bereits verfügbar, jedoch auch an der neuen Regelung in § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AktG auszurichten haben. Diese gewährt für vorab erteilte Informationen unter bestimmten Voraussetzungen ein Auskunftsverweigerungsrecht169. 163
OLG Düsseldorf, AG 1987, 21 (23); aA die Vorinstanz LG Dortmund, AG 1987, 21 (22). LG München I, AG 1993, 435 (435 f.) [Auskunft über Vermögensverhältnisse eines zu übernehmenden Unternehmens]. Vgl. auch OLG München, DB 1996, 1172 (1172) [keine Berufung auf Verschwiegenheitspflicht im Falle des § 119 Abs. 2 AktG] sowie BGHZ 119, 1 (15 ff.). 165 OLG Düsseldorf, WM 1968, 74 (76); OLG Zweibrücken, AG 1990, 496 (496 f.); LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1929 (1930); WM 1994, 1931 (1932); LG Berlin, AG 1997, 183 (184); vgl. auch BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 11; ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 131 Rn. 38. 166 RGZ 167, 151 (166); BGHZ 32, 159 (164) [zum AktG 1937]; OLG Düsseldorf, AG 1968, 23 (23 f.); S. WILHELMI, in: GODIN/WILHELMI, AktG, § 131 Anm. 4; JOUSSEN, DB 1994, 2485 (2485). 167 OLG Hamburg, AG 1970, 50 (51) [Aufschlüsselung der Ergebnisse der Konzerngesellschaften]; LG München I, AG 1987, 185 (188) [Frage unspezifisch; keine Möglichkeit, Antwort in Bezug zu Angaben im Jahresabschluß zu setzen], (189) [Frage nur nach Miet- und Pachteinkünften, ohne zugleich nach gegenüberstehenden Aufwendungen zu fragen]. 168 KG, ZIP 1994, 1267 (1274) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff. [Aktionäre, die mehr als 0,5 % des Kapitals halten, aus Teilnehmerliste an der Hauptversammlung und Aktienbuch ersichtlich. Hiergegen UWE H. SCHNEIDER, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, Vor § 21 Rn. 55.]. 169 Vgl. hierzu unten Verweigerungsrecht hinsichtlich vorab erteilter Informationen, Auswirkungen auf das Auskunftsrecht, insbesondere bei Fn. 482. 164
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Bei einer an sich aussagekräftigen Auskunft wird darüber hinaus diskutiert, inwiefern die Informationsverarbeitungskapazität des Aktionärs relevant ist. So wurden Informationen über viele hundert Grundstücke nicht für erforderlich gehalten, weil der Aktionär aus Zeitmangel nicht in der Lage gewesen wäre, hieraus Rückschlüsse zu ziehen 170. Andererseits wurden 25.000 Einzelangaben bzgl. des Erwerbs und Verkaufs eigener Aktien durchaus für erforderlich gehalten, auch wenn das Auskunftsbegehren letztlich als mißbräuchlich eingestuft wurde171. 3.3.2.3.3. Normzweck des § 131 AktG: Der Aktionär als Gesellschafter, nicht als Kapitalanleger Das Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG ist ein Individualrecht des Aktionärs, welches aus seiner mitgliedschaftlichen Stellung abgeleitet ist. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß der Aktionär seine Rechte als Mitglied nur dann sinnvoll ausüben kann, wenn ihm die hierfür notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden172. Die Mitgliedschaft vermittelt dem Aktionär neben entsprechenden Befugnissen auch vermögensrechtliche Ansprüche; diese Eigentumsstellung wird durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt173. Hierzu gehört auch das Recht des Aktionärs, über seine Gesellschaft informiert zu werden174. § 131 AktG flankiert damit die mitgliedschaftsrechtlichen Kompetenzen des Aktionärs. In dieser Funktion findet es seine Legitimation und seine Grenzen175. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus: „Das Informationsrecht des Aktionärs hat in dessen mitgliedschaftlichen Befugnissen und vermögensrechtlichen Ansprüchen seinen Grund, aber auch seine Grenze. Es ist deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber den Informationsanspruch eines Gesellschafters rechtsformspezifisch – korrespondierend zu den Befugnissen in der jeweiligen Gesellschaftsform – ausgestaltet. Er muß dabei aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. Das ist bei § 131 I 1 AktG geschehen. Nach der Organisationsverfassung der AG sind die Aktionäre den anderen Gesellschaftsorganen nicht übergeordnet …“176
Das Informationsrecht kann daher durch § 131 AktG in zeitlicher Hinsicht (nur in der Hauptversammlung) und in gegenständlicher Hinsicht (nur soweit erforderlich) eingeschränkt werden177. Die Rechtfertigung liegt einmal in der Erwägung, daß eine
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LG Essen, AG 1999, 329 (332 f.); siehe auch OLG Frankfurt a.M., AG 2007, 672 (674). OLG Frankfurt a.M., AG 1984, 25 (26). 172 Regierungsbegründung bei KROPFF, Aktiengesetz 1965, 184; BVerfG, NJW 2000, 349 (350); BayObLG, AG 1996, 563 (563); AG 1996, 516 (516); DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 5; HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 1; DERS., ZIP 1996, 401 (405 f.); K. SCHMIDT, Informationsrechte, 21, 23. 173 BVerfG, NJW 2000, 349 (350); BVerfG, NJW 2000, 129 (129). 174 BVerfG, NJW 2000, 349 (350); DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 5. 175 BARZ, BB 1957, 1253 (1253); DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 5; K. SCHMIDT, Informationsrechte, 23. 176 BVerfG, NJW 2000, 349 (350). 177 BVerfG, NJW 2000, 349 (350); DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 8 f. mwN. 171
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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gleichmäßige Information aller Aktionäre erzielt werden soll, und einmal in der Verknüpfung von Auskunftsanspruch und Mitgliedschaftsrecht178. In dem Nebeneinander der Betonung des Aspektes der Mitgliedschaft einerseits und der vermögensrechtlichen Seite andererseits liegt die Kontroverse um den allgemeinen Rechenschaftsanspruch der Aktionäre begründet. Während eine Auffassung, die auch in der Rechtsprechung Anklang findet, in § 131 AktG auch das Mittel zur Durchsetzung eines solchen allgemeinen Rechenschaftsanspruchs sieht179, vermag die Gegenauffassung dem nicht zu folgen180. Letztere erkennt in der durch § 131 AktG begründeten Möglichkeit, Rechenschaft zu erlangen, nur einen Reflex 181. Sie weist in erster Linie auf die Funktion des Aufsichtsrates als für die Überwachung zuständiges Organ sowie die Bindung des § 131 AktG an die Erforderlichkeit zur Beurteilung einzelner Tagesordnungspunkte hin182. Relevant wird diese Kontroverse bei der Frage, inwiefern Auskünfte erforderlich sind, welche dem Aktionär die Unternehmensbewertung und eine sachgerechte Aktienanalyse ermöglichen 183. Bejaht man die Erforderlichkeit, können Aktionäre Auskünfte auch in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger verlangen, wobei ausdrücklich auch der Zweck des Zukaufs erwähnt wird184. Die Tendenz in der Literatur weist dabei in Richtung einer Bejahung einer kapitalmarktrechtlichen Komponente des § 131 AktG 185. 178
BVerfG, NJW 2000, 349 (350); DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 8 f. mwN. BGHZ 86, 1 (19) = AG 1983, 75 ff.; OLG Düsseldorf, AG 1988, 53 (54); KG, AG 1996, 131 (132); KG, ZIP 1995, 1585 (1587); KG, AG 2001, 421 (421); LG München I, AG 1987, 185 (186); AG 1999, 283 (284); EBENROTH, Das Auskunftsrecht des Aktionärs, 4, 11; GEIßLER, NZG 2001, 539 (539); GRAGE, Das Auskunftsrecht des Aktionärs, 104 ff.; KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 1 mwN; MEILICKE/HEIDEL, DStR 1992, 72 (72); SEMLER, in: MünchHdb AG, § 37 Rn. 2. 180 DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 11; EBENROTH/BOHNE, WuB II A., § 131 AktG, 1.96; EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage 8, 2; EBENROTH/WILKEN, BB 1993, 1818 (1821); GROß, AG 1997, 97 (99 f.); DERS., EuZW 1994, 395 (402 f.); HÜFFER, ZIP 1996, 401 (403 f., 405); KRIEGER, DStR 1994, 177 (178); SAENGER, DB 1997, 145 (148); UWE H. SCHNEIDER/SINGHOF, in: FS Kraft, 585 (595); SPITZE/DIEKMANN, ZHR 158 (1994), 447 (457 ff., 461); WEITBRECHT/WILKEN, EWS 1994, 418 (419, 422); WILDE, ZGR 1998, 423 (442); WILKEN, EWiR 1995, § 131 AktG, 1/95, S. 943 f.; ZÖLLNER, in: Kölner KommentarWphG, § 131 Rn. 3.; DERS., in: Unternehmensrecht und Internet, 69 (89 f.). 181 DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 11; EBENROTH/WILKEN, BB 1993, 1818 (1821); EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (2). Vgl. zu § 112 AktG 1937 auch BARZ, BB 1957, 1253 (1253). 182 LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1929 (1931); WM 1994, 1931 (1932 f.); DECHER, in: HOPT/ WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 11 ff. mwN; EBENROTH/KOOS, BB 1995, Beilage Nr. 8, 1 (2); GROß, AG 1997, 97 (99 f.); HÜFFER, ZIP 1996, 401 (403 f., 405); SAENGER, DB 1997, 145 (148); WILDE, ZGR 1998, 423 (442). 183 Vgl. dazu KG, AG 1996, 131 (132); ZIP 1995, 1585 (1587). 184 Vgl. dazu KG, ZIP 1993, 1618 (1619); WM 1994, 1479 (1483) = ZIP 1994, 1267 ff. = AG 1994, 469 ff.; AG 1996, 131 (132); ZIP 1995, 1585 (1587); LG München I, AG 1987, 185 (186); ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 131 Rn. 1; GROßFELD/MÖHLENKAMP, ZIP 1994, 1425 (1426); HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (768); HOPT, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 309, 334; MERKT, Unternehmenspublizität, 259 ff., 323; MÜLBERT, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, Vor §§ 118 – 147 Rn. 199 ff., 203. Vgl. auch HOPT, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 309, 334; WENGER, ZIP 1993, 1622 (1622 ff.). Ausführlich neuerdings ZETZSCHE, Aktionärsinformation in der börsennotierten AG, 92 ff., 108 ff., 118 ff., 130 ff. 185 Siehe Fn. 184. 179
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Dieser Trend ist jedoch nicht unbedenklich. Zum einen ist in § 131 AktG nur ein Individualschutz einzelner Aktionäre angelegt186. Gerade das Erforderlichkeitskriterium läßt den Bezug zu den in der Hauptversammlung auszuübenden Rechten der Aktionäre (§ 118 AktG) stark in den Vordergrund treten. Dem läßt sich nicht mit Ebenroth durch Hinweis darauf, daß auch Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht das Auskunftsrecht geltend machen können, begegnen187. Denn wie Ebenroth selbst einräumt, läßt sich dies dadurch erklären, daß Vorzugsaktionären bei rückständigen Vorzugsbeträgen das Stimmrecht zukommt (§ 140 Abs. 2 AktG)188. Während somit der Individualschutz des Aktionärs als Verbandsmitglied im Gesetzestext zum Ausdruck kommt, läßt sich die kapitalmarktrechtliche Komponente allenfalls aus den faktischen Wirkungen einer Auskunftserteilung in der Hauptversammlung herleiten189. Hierbei handelt es sich jedoch um den klassischen Fall eines Reflexes, der vom Gesetzgeber vielleicht hingenommen, nicht aber bezweckt wurde. Gegen diesen Begründungsweg wird ferner zu Recht eingewandt, daß es an einer Pflicht zur allgemeinen Bekanntmachung von auf Aktionärsfragen erteilten Informationen fehlt190. Diese sind – wenn überhaupt – nur an einen kleinen Teil des Kapitalmarktes gerichtet; angesprochen sind nur die vorhandenen Aktionäre, nicht aber potentielle Aktionäre. Eine kapitalmarktrechtliche Dimension des § 131 AktG dann aber allein aus der kapitalmarktrechtlichen Öffnung des Aktienrechts durch KonTraG und KapAEG herzuleiten191, erscheint angesichts des Wortlauts der Norm und des systematischen Zusammenhangs mit den Mitwirkungsrechten der Aktionäre als zu weitgehend192. Im übrigen ist sehr zweifelhaft, ob es einem modernen Kapitalmarktrecht entspricht, die Offenlegung kapitalmarktrelevanter Informationen dem Zufall von Aktionärsfragen zu überlassen und deren Verbreitung gar nicht 186
EBENROTH/WILKEN, BB 1993, 1818 (1823); FRANKEN/HEINSIUS, in: FS Budde, 213 (220, Fn. 16). 187 EBENROTH, Das Auskunftsrecht des Aktionärs, 10 f. 188 EBENROTH, Das Auskunftsrecht des Aktionärs, 10 f.; vgl. auch die Begründung zu § 112 AktG 1937, in: Deutscher Reichs- und Preußischer Staatsanzeiger, 04.02.1937, Nr. 28, Erste Beilage, S. 2 Nr. 2. EBENROTH diskutiert diese Frage unter dem Aspekt der Auskunftsberechtigung. Seine Auffassung, es bestehe dennoch keine Verknüpfung von Auskunftsrecht und Stimmrecht, da es Zweck des Auskunftsrechts sei, eine Hilfe bei der Beurteilung des Aktienbesitzes zu bieten, ist von daher nachvollziehbar, wenn man den von ihm postulierten Zweck nicht in Frage stellt. Diskutiert man aber wie hier gerade die Frage nach dem Zweck des Auskunftsrechts, dann wäre es ein Zirkelschluß, wollte man die vom Gesetzeswortlaut her gegebene Verknüpfung von Auskunftsrecht und Stimmrecht unter Verweis auf den – gerade gesuchten! – Zweck des Auskunftsrechts verneinen. 189 An die faktische Öffentlichkeit von in Hauptversammlungen erteilten Informationen knüpfen an: HOPT, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 309, 334; MERKT, Unternehmenspublizität, 259 ff., 323. 190 HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (767 f.). 191 HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (768). Zu KonTraG und KapAEG vgl. die Gesetzesbegründungen: BT-Drs. 13/9712, (KonTraG) sowie BR-Drs. 967/96 (KapAEG). 192 In den allgemein gehaltenen Gesetzesbegründungen (Fn. 191) fehlt auch ein spezifischer Bezug auf § 131 AktG. Im übrigen entgegnet ZÖLLNER, NZG 2003, 354 (354, Fn. 2), HOMMELHOFF zu Recht, daß die Annahme kapitalmarktrechtlicher Zwecke des Auskunftsrechts mit dem Wortlaut der Norm kaum zu vereinbaren ist.
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zu regeln. Näher liegt da die Annahme, daß § 131 AktG mitwirkungsrelevante Informationen für Aktionäre betrifft, die gleichzeitig auch für den Kapitalmarkt relevant sein können; nicht aber darüber hinaus auch Informationen, welche nur für den Kapitalmarkt relevant sind. Eine kapitalmarktrechtliche Intention des Gesetzgebers läßt sich auch nicht aus § 131 Abs. 3 S. 1 AktG herleiten, welcher die faktische Öffentlichkeit von in der Hauptversammlung erteilten Informationen zum Anlaß für ein Auskunftsverweigerungsrecht nimmt193. Denn aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber im Rahmen des Informationsausschlusses an die faktische Öffentlichkeit der Informationen anknüpft, folgt nicht zwingend, daß er dies bei der Informationsgewährung ebenfalls getan hat. Geht man jedoch davon aus, so wäre immer noch zu begründen, warum dies bei § 131 Abs. 1 AktG im Sinne einer Informationsausweitung geschehen sein sollte und nicht – wie es § 131 Abs. 3 AktG umgekehrt auch nahelegen könnte – im Sinne einer weiteren Einschränkung. Schließlich läßt sich § 131 Abs. 3 AktG auch primär auf die Aktionäre beziehen, wenn man die Norm dahingehend versteht, daß sie die unsachgemäße Verwendung der Information durch die Aktionäre als Informationsdestinatäre verhindern will – sei es, daß die Information zweckwidrig, etwa zu Wettbewerbszwecken, verwandt wird, sei es, daß sie an Außenstehende weitergegeben wird. Ferner ist noch darauf hinzuweisen, daß auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Anlaß bietet, in verfassungskonformer Auslegung einen allgemeinen Rechenschaftsanspruch in § 131 AktG hineinzulesen. Das KG beruft sich für seine gegenteilige Auffassung auf die folgende Passage aus dem Mitbestimmungsurteil194: „Das Anteilseigentum ist in seinem mitgliedschaftsrechtlichen und seinem vermögensrechtlichen Element gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum (vgl. BVerfGE 14, 263 (276) - Feldmühle; 25, 371 (407) - Rheinstahl): Neben dem Sozialordnungsrecht (BVerfGE 25, 371 (407)) bestimmt und begrenzt das Gesellschaftsrecht die Rechte des Anteilseigners; nach diesem wird das Vermögensrecht durch das Mitgliedschaftsrecht „vermittelt“; der Eigner kann sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse wahrnehmen, sondern er ist hinsichtlich der Nutzung auf den Vermögenswert beschränkt, während ihm Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung – nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zustehen. Anders als beim Sacheigentum, bei dem die Freiheit zum Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der Wirkungen des Gebrauchs in der Person des Eigentümers zusammenfallen, ist diese Konnexität beim Anteilseigentum also weitgehend gelöst. Die tatsächliche Tragweite der Befugnisse der Anteilseigner kann nach den einzelnen Gesellschaftsformen und wegen des das Gesellschaftsrecht beherrschenden Mehrheitsprinzips erheblich variieren; sie reicht von der alleinigen Entscheidung des GesellschafterGeschäftsführers einer Ein-Mann-GmbH über den bestimmenden Einfluß großer Anteilseigner, vor allem in konzernbeherrschenden Gesellschaften, bis hin zu der 193
EKKENGA, ZGR 1999, 165 (180), will § 131 Abs. 3 AktG aber „auch im Sinne einer Marktordnungsregel begreifen, die darauf angelegt ist, die Interessen der Gesellschaft als Anbieterin von Finanztiteln an den Kapitalmärkten zu beschützen.“ 194 KG, ZIP 1995, 1585 (1587).
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praktischen Bedeutungslosigkeit der Verfügungsbefugnis des Anteilseigners einer unselbständigen Konzerntochter, dessen Mitgliedschaftsrecht nur noch das Vermögensrecht vermittelt (vgl. BVerfGE 14, 263 (283)).“195
Wie Hüffer überzeugend dargelegt hat, geht das Bundesverfassungsgericht damit nicht von einem Vermögensrecht aus, welches selbständig neben der Mitgliedschaft besteht, sondern gliedert das Anteilseigentum, d.h. die Mitgliedschaft im gesellschaftsrechtlichen Sinne, in ein mitgliedschaftliches Element und ein vermögensrechtliches Element auf. Dabei seien mit dem mitgliedschaftlichen Element die Verwaltungsrechte und mit dem vermögensrechtlichen Element u.a. Dividendenrecht, Bezugsrecht und Anteil am Liquidationserlös gemeint, die beide aus der Mitgliedschaft im gesellschaftsrechtlichen Sinne folgten196. Selbst wenn man Hüffer hinsichtlich des vermögensrechtlichen Elements nicht zur Gänze folgen und in den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts auch die Vorstellung eines mittelbaren Eigentums an den konkreten Vermögenswerten der Gesellschaft erblicken wollte197, so ließe sich doch auch hieraus nicht die Vorstellung eines jenseits der Mitgliedschaft im gesellschaftsrechtlichen Sinne bestehenden Vermögensrechts ableiten198. Das Bundesverfassungsgericht hält lediglich fest, daß Art. 14 Abs. 1 GG sowohl die Verwaltungskomponente als auch den Wert der Beteiligung schützt199. Diese Interpretation wird auch durch die jüngeren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht in Frage gestellt. Zwar läßt sich den Formulierungen, daß das Informationsrecht auch mit den vermögensrechtlichen Ansprüchen, die die Gesellschaftsbeteiligung vermittelt, korrespondiere und daß die grundrechtlich geschützte Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegenstand praktisch leerliefe, wenn sich ein Aktionär kein Bild über das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, machen könnte200, auch ein anderes Ergebnis entnehmen201. Auch der zustimmende Verweis auf die Entscheidung des BGH, in der dieser einen allgemeinen Rechenschaftsanspruch obiter angenommen hat, deutet in diese Richtung202. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht in der oben bereits zitierten – tragenden – Passage desselben Urteils festgehalten, daß es nicht zu beanstanden ist, „wenn der Gesetzgeber den Informationsanspruch eines Gesellschafters rechtsformspezifisch – korrespondierend zu den Befugnissen in der jeweiligen Gesellschaftsform – ausgestal195
BVerfGE 50, 290 (342). HÜFFER, ZIP 1996, 401 (403). 197 Vgl. hierzu MÜLBERT, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, Vor §§ 118 – 147 Rn. 187 ff.; SCHÖN, in: FS Ulmer, 1359 (1370). 198 Siehe nur MÜLBERT, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, Vor §§ 118 – 147 Rn. 187 ff. Vgl. auch SAENGER, DB 1997, 145 (148, 151): Kein Rechenschaftsanspruch, da „aufgrund der aktienmäßigen Beteiligung Vermögensrechte außerhalb der Mitgliedschaft nicht begründet werden.“ 199 Zum Wert der Beteiligung vgl. nur BVerfGE 100, S. 289 ff.; sowie SCHÖN, in: FS Ulmer, S. 1359 (1379 ff.). 200 BVerfG, NJW 2000, 349 (350). 201 Vgl. SCHÖN, in: FS Ulmer, 1359 (1370). 202 BVerfG, NJW 2000, 349 (350). Der Verweis bezieht sich auf BGHZ 86, 1 (19) = AG 1983, 75 ff. 196
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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tet“ 203. Es hat also die Beschränkung des § 131 AktG auf die Unterstützung des – in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts – mitgliedschaftlichen Elements des Anteilseigentums akzeptiert. Der obiter statuierten Anforderung des Art. 14 Abs. 1 GG, daß sich der Gesellschafter ein Bild von seinem Unternehmen machen können muß, kann darüber hinaus in verfassungskonformer Weise durch andere Vorschriften Rechnung getragen werden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang in erster Linie die Rechnungslegungspublizität sowie die kapitalmarktrechtlichen Publizitätsanforderungen, die gerade diesem Ziel dienen204. Diese Argumentation findet sich im Grundsatz auch bei Schön, der aber bei nicht-börsennotierten Gesellschaften ein verfassungsrechtliches Defizit für möglich hält, da kapitalmarktrechtliche Publizitätsvorschriften auf diese keine Anwendung fänden205. Da eine unterschiedliche Interpretation des § 131 AktG bei börsennotierten Aktiengesellschaften (enge gesellschaftsrechtliche Interpretation) und bei nicht-börsennotierten Aktiengesellschaften (weite anlegerbezogene Interpretation) nicht in Betracht kommt, stellt sich die Frage, ob die allgemeine Rechnungspublizität nicht auch schon für sich den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dies ist zu bejahen. Denn ein Aktionär, der sich an einer nicht-börsennotierten AG beteiligt, weiß, worauf er sich einläßt, und erwirbt von vornherein nur entsprechend gemindertes Eigentum. Ein echter Konflikt besteht in diesem Fall nur im Rahmen eines delisting206, wobei ein solcher Sonderfall über ein Pflichtangebot besser gelöst ist als über gesteigerte Informationsansprüche207. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß das Auskunftsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG rein gesellschaftsrechtlichen Zwecken dient. Es soll die Aktionäre in die Lage versetzen, sich Informationen zu verschaffen, die sie zur Ausübung ihrer Befugnisse in der Hauptversammlung benötigen. Eine kapitalmarktrechtliche Zielsetzung im Sinne einer Entscheidungshilfe bei Investitions- oder Deinvestitionsentscheidungen ist ihm nicht zu eigen. 3.3.2.3.4. Modalitäten der Auskunftserteilung Der Aktionär muß sein Auskunftsbegehren nicht begründen208. Bestehen allerdings Zweifel, ob die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunktes erforderlich ist, so trifft den Aktionär eine Darlegungslast nach einem entsprechenden Hinweis des Versammlungsleiters209. Etwaige Redezeitbeschrän203
BVerfG, NJW 2000, 349 (350). Dazu SCHÖN, in: FS Ulmer, 1359 (1377 f.). Auch das BVerfG, NJW 2000, 349 (351), verweist auf die Einbettung des § 131 AktG „in eine Vielzahl von Informations- und Publizitätsvorschriften […], von denen jeder einzelne Aktionär als Verbandsmitglied profitiert“. Dazu HENZE, BB 2002, 893 (901); SCHÖN, in: FS Ulmer, 1359 (1381). 205 SCHÖN, in: FS Ulmer, 1359 (1381). 206 SCHÖN, in: FS Ulmer, 1359 (1382 f.). 207 Zum DELISTING vgl. BGH, NJW 2003, 1032 ff.; K. SCHMIDT, NZG 2003, 601 ff. 208 OLG Hamburg, AG 1970, 50 (51); KG, ZIP 1995, 1592 (1594); wohl aA LG Frankfurt a.M., WM 1989, 683 (684). 209 OLG Hamburg, AG 1970, 50 (51); KG, ZIP 1995, 1592 (1594); LG München I, AG 1987, 185 (186). 204
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kungen konnten nach altem Recht das Auskunftsrecht nicht begrenzen210, jedoch durfte der Fragesteller die Hauptversammlung auch nicht durch Fragen blockieren211. Mittlerweile erlaubt § 131 Abs. 2 S. 2 AktG eine Ermächtigung des Versammlungsleiters durch Satzung oder Geschäftsordnung gemäß § 129 AktG, „das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen zu beschränken, und Näheres dazu bestimmen“212. Über den Umfang der Auskunft entscheidet der Vorstand213, wobei pauschale Fragen auch pauschal beantwortet werden können. Wenn der Aktionär dann nicht nachfragt, verwirkt er sein Anfechtungsrecht214. Der Aktionär braucht sich allerdings nicht auf von ihm selbst anzustellende Berechnungen verweisen zu lassen, die durch eine ordnungsgemäße Auskunft vermeidbar wären215. Der Vorstand erteilt die Auskunft grundsätzlich mündlich 216, was auch einen Anspruch auf Verlesung beinhalten kann217. Auf eine (spätere) schriftliche Beantwortung seiner Fragen braucht sich der Aktionär grundsätzlich nicht verweisen zu lassen218. In bestimmten Fällen liegt es aber im Interesse des Aktionärs, ihm Einsicht in Aufzeichnungen zu gewähren, insbesondere wenn dieser sich anhand der Aufzeichnungen schneller und zuverlässiger informieren kann als bei einer mündlichen Information219. Daher kann die AG in solchen Fällen während der Hauptversammlung Einsicht gewähren, ohne hierzu jedoch verpflichtet zu sein220. Das Auskunftsrecht wird schließlich auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Hauptversammlung im Fernsehen übertragen wird. Ein Abschreckungseffekt ist hiermit nicht verbunden, weil die Aktionäre ohnehin mit einer öffentlichen Kontrolle ihres Verhaltens durch anwesende Journalisten rechnen müssen. Zudem kann der Aktionär einer befürchteten Prangerwirkung durch die Einschaltung eines Vertreters entgehen221. 3.3.2.3.5. Mißbrauch des Fragerechts Zu § 112 AktG 1937, der ein Auskunftsrecht in allen Angelegenheiten der Gesellschaft begründete, war anerkannt, daß der Vorstand die Auskunft auch wegen 210
OLG Stuttgart, AG 1995, 234 (235); DB 1995, 568 (569, mwN in Fn. 7); KG, ZIP 1995, 1585 (1589); KG, AG 1996, 131 (134). 211 KG, WM 1993, 1845 (1848) = AG 1994, 83. 212 Ausführlich hierzu WEIßHAUPT, ZIP 2005, 1766 (1766 ff.); siehe auch LG Frankfurt a.M., ZIP 2007, 1861 (1862 ff.). 213 KG, ZIP 1995, 1585 (1589). 214 LG Braunschweig, AG 1991, 36 (37). 215 BayObLG, AG 1996, 322 (323 f.). 216 BGHZ 101, 1 (16) = AG 1987, 344; BGHZ 122, 211 (236); LG Heidelberg, AG 1996, 523 (524). 217 BGH, NJW 1967, 1462 (1463 f.) [zum AktG 1937]. Werden Dokumente zu schnell verlesen, so muß der Aktionär dies rügen, LG Karlsruhe, AG 1998, 99 (100). 218 OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152) = DB 1991, 2532. Vgl. insgesamt KUBIS, in: FS Kropff, 171 ff. 219 BGHZ 101, 1 (16) = AG 1987, 344; BGHZ 122, 211 (236). 220 BGHZ 122, 211 (237). 221 LG Frankfurt a.M., NJW-RR 2005, 837 (838).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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Rechtsmißbrauchs verweigern konnte. Das Fortbestehen dieses Mißbrauchseinwands nach neuem Recht ist umstritten. Die ablehnende Ansicht verweist auf § 131 Abs. 3 S. 2 AktG und führt aus, daß der Fall des Rechtsmißbrauchs bereits durch das Erforderlichkeitskriterium in § 131 Abs. 1 AktG erfaßt werde222. Demgegenüber hält es die herrschende Meinung für möglich, einem Auskunftsbegehren mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs zu begegnen223. Dabei wird jedoch betont, daß in den meisten Fällen, in denen der Mißbrauchseinwand in Betracht kommt, entweder schon die Erforderlichkeit der Auskunft zu verneinen sein wird oder aber ein Auskunftsverweigerungsrecht in Betracht kommen wird224. Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung mit der Annahme eines Mißbrauchs zurückhaltend. Ein Mißbrauch des Fragerechts liegt vor, wenn die Verfolgung sachfremder Ziele derart überwiegt, daß bei der Abwägung nach Treu und Glauben das Verhalten des Aktionärs nicht gebilligt werden kann225. Das BayObLG ließ demgegenüber offen, ob mit der Rechtsprechung des RG nicht ein noch strengerer Maßstab anzulegen und Mißbrauch nur bei der Verfolgung ausschließlich selbstsüchtiger, nicht auf eine sachliche Aufklärung gerichteter Zwecke anzunehmen ist226. Letzteres entspräche einem § 226 BGB vergleichbaren Mißbrauchsverständnis, während die erste Auffassung eher auf § 242 BGB abstellt227. Der Rechtsprechung zufolge kann ein Rechtsmißbrauch jedenfalls nicht schon dann angenommen werden, wenn der Aktionär eigene Interessen verfolge228. Der Aktionär könne sein Auskunftsrecht im eigenen Interesse, also auch egoistisch ausüben229; es diene ihm zur Beurteilung seines Aktienbesitzes230. Auch aus dem Umstand, daß ein Aktionär nur eine Aktie hält, kann nicht wegen eines daher fehlenden vertretbaren wirtschaftlichen Interesses der Einwand des Rechtsmißbrauchs hergeleitet werden231. Dementsprechend wurde der Einsatz des Fragerechtes, um eine höhere Ausschüttung zu erhalten, als nicht sachfremd eingestuft232. Es sei auch kein 222
ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 131 Rn. 132 mwN. OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152 f.) = DB 1991, 2532 (2533); DB 1997, 1609 (1609); OLG Frankfurt a.M., AG 2007, 672 (674); BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 12; GEIßLER, NZG 2001, 539 (541 ff.); HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 33 mwN; KEMPTER, BB 1996, 419 (420); ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 44. 224 BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 12; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 44. 225 OLG Karlsruhe, AG 1990, 82 (82); BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 13; DERS., BB 1957, 1253 (1255); GEIßLER, NZG 2001, 539 (541); V.D. BURG, AG 1962, 92 (93); DEUSS, Das Auskunftsrecht des Aktionärs, 114 f.; NITSCHKE/BARTSCH, AG 1969, 95 (99); HABERLANDT, BB 1962, 117 (119); REUTER, DB 1988, 2615 (2616). Vgl. auch OLG Frankfurt a.M., AG 1984, 25 (26), welches ebenfalls den Gesichtspunkt der sachfremden Ziele anspricht. 226 BayObLG, NJW 1974, 2094 (2094), unter Verweis auf RGZ 167, 151 (161 f.) [zum AktG 1937]. 227 Vgl. HABERLANDT, BB 1962, 117 (119). Vgl. auch BayObLG, AG 1996, 180 (182), wo die Frage des Rechtsmißbrauchs unter dem Gesichtspunkt des § 226 BGB erörtert wird. 228 OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152) = DB 1991, 2532 (2533). 229 LG München I, AG 1987, 185 (186); LG Berlin, AG 1991, 34 (35); SCHLAUS, DB 1972, 374 (376). 230 LG Berlin, AG 1991, 34 (35). 231 BayObLG, NJW 1974, 2094 (2094). Vgl. auch oben Fn. 147. 232 OLG Karlsruhe, AG 1990, 82 (82); ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 45. 223
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Mißbrauch, wenn der Kläger mit seiner Frage und Anfechtungsklage eine Erhöhung der Dividende erstrebe, gleichzeitig aber bereit sei, gegen Abnahme seiner Aktien zu einem über dem Börsenkurs liegenden Betrag hierauf zu verzichten233. Auch ein (zusätzliches) gesellschaftsfremdes Interesse an der Auskunft, die der Fragende bei seiner eigenen Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft einsetzen könnte, führt noch nicht zur Annahme eines Rechtsmißbrauchs234. Die Rechtsprechung hat den Einwand des Rechtsmißbrauchs hingegen gelten lassen, wenn nicht an die Motivation des Aktionärs angeknüpft wurde, sondern an formale Umstände. So wurde ein Auskunftsbegehren, welches 25.000 Einzelangaben erfordert hätte, zwar für erforderlich, aber – wegen der mit einer Auskunft verbundenen Blockade der Hauptversammlung – für mißbräuchlich gehalten235. Gleiches gilt in dem Fall, in dem sich der Aktionär Fragen bis zum vorher angekündigten Schluß der Debatte aufspart und bis dahin lediglich als Frage getarnte Kritik vorträgt, obwohl der Versammlungsleiter im Hinblick auf den Schluß der Debatte nur noch Fragen zulassen wollte236. Andererseits ist eine große Anzahl (über 50) Fragen nicht schon per se mißbräuchlich, dem Aktionär muß jedenfalls Gelegenheit zur Beschränkung gegeben werden237. 3.3.2.3.6. Zwischenfazit Bereits der Tatbestand des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG schränkt das Auskunftsrecht des Aktionärs weitgehend ein. So ergibt sich schon aus dem Normzweck, daß den Aktionären nur solche Auskünfte zur Verfügung gestellt werden brauchen, die diese als Grundlage für eine Entscheidung über Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung benötigen. Nach der hier vertretenen Auffassung gehören Informationen, die für eine sachgerechte Aktienanalyse und Unternehmensbewertung benötigt werden, nicht automatisch hierzu. Sie mögen zwar im Einzelfall auch zur Beurteilung eines Tagesordnungspunktes erforderlich sein. Sofern sie Aktionären jedoch nicht in deren Eigenschaft als Gesellschafter dienlich sind, sondern diesen nur in deren Eigenschaft als Kapitalanleger die Entscheidung über Verkauf oder Zukauf erleichtern, brauchen sie nicht erteilt zu werden. Dies erlaubt der Gesellschaft, Informationen zurückzuhalten, welche über die in der Regelpublizität offengelegten Informationen hinausgehen und die nicht nur den Kapitalanlegern, sondern auch dem Konkurrenten nützlich sein können. Flankiert wird diese Einschränkung durch die Rechtsprechung zum Mißbrauch des Fragerechts. Diese entbindet die Gesellschaft von ihrer Pflicht zur Auskunftserteilung auch dann, wenn die Erforderlichkeit der begehrten Auskunft nicht verneint werden kann. Angeknüpft wird insofern entweder an formale Umstände oder an die Motivation des Aktionärs, der mit seiner Frage ausschließlich oder überwiegend sachfremde Ziele verfolgt. Mit dem Kriterium der Verfolgung sachfremder Ziele ist 233
BGHZ 36, 121 (135 f.) [zum AktG 1937]. Vgl. auch ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 45 mwN. 234 OLG Hamburg, AG 1970, 372 (373); ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 44. 235 OLG Frankfurt a.M., AG 1984, 25 (26). Vgl. hierzu GEIßLER, NZG 2001, 539 (543 f.). 236 LG Karlsruhe, AG 1998, 99 (100). 237 LG München I, AG 1987, 185 (189).
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der Gesellschaft ein weiteres Mittel an die Hand gegeben, um Informationen zurückzuhalten, die weniger bei der Beurteilung von Tagesordnungspunkten dienlich sind und dafür um so mehr den Konkurrenten nützen. Allerdings ist die Rechtsprechung hier sehr zurückhaltend, so daß diese Begrenzung des Auskunftsrechts nur eine geringe Rolle spielen dürfte. Hinzu kommt, daß an die mißbilligenswerte Motivation des Fragenden angeknüpft wird. Dies führt dazu, daß anderen Aktionären auf dieselbe Frage durchaus Auskunft zu erteilen sein könnte. Im praktischen Ergebnis werden diese Fälle daher eher auf der Ebene des Auskunftsverweigerungsrechts gelöst werden müssen. Dennoch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Rechtsprechung zum Mißbrauch des Fragerechts, die Ausrichtung des § 131 AktG auf den gesellschaftsrechtlichen Zweck des Fragerechts unterstreicht, indem sie die (theoretische) Möglichkeit eröffnet, zweckdienliche Informationen wegen beabsichtigter Zweckentfremdung durch den Fragenden zurückzuhalten. 3.3.2.3.7. Auskunftsverweigerung gemäß § 131 Abs. 3 AktG Informationen sind zu verschiedenen Zwecken einsetzbar. Es verwundert daher nicht, daß – wie bereits angedeutet – auch zweckdienliche („erforderliche“) Informationen zweckwidrig verwandt werden können. Dieser Gefahr läßt sich auch nicht in jedem Fall durch Ablehnung des Auskunftsbegehrens als mißbräuchlich begegnen, weil die zweckwidrige Verwendung nicht unbedingt durch den Auskunftsbegehrenden drohen muß. Sie kann auch daraus resultieren, daß Dritte auf der quasiöffentlichen Hauptversammlung erteilte Auskünfte zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln. Nötig ist in solchen Fällen ein Auskunftsverweigerungsrecht. Ein solches statuiert § 131 Abs. 3 AktG, der dem Vorstand die Möglichkeit eröffnet, die Auskunft nach § 131 Abs. 1 AktG238 in den in S. 1 abschließend aufgezählten Fällen zu vermeiden. Ob der Vorstand verpflichtet ist, eine Auskunftsverweigerung in der Hauptversammlung zu begründen, ist umstritten239. Einigkeit besteht aber jedenfalls dahingehend, daß die AG im Verfahren nach § 132 AktG Gründe nachschieben kann240, 238
Umstritten ist, inwiefern nach dieser Norm auch Auskünfte nach anderen Vorschriften verweigert werden können, vgl. zu § 293 Abs. 4 AktG a.F. (jetzt § 293g Abs. 3 AktG) BGHZ 119, 1 (16 f.) [offengelassen]. 239 BGHZ 101, 1 (8 mwN) = AG 1987, 344 [offengelassen]. Für eine grundsätzliche Begründungspflicht: OLG Hamburg, AG 1969, 150 (151) unter Verweis auf BGHZ 32, 159 (168) [zum AktG 1937], sowie auf BGHZ 36, 121 (130 ff.) [zum AktG 1937]; OLG Hamburg, AG 1970, 50 (51); BARZ, in: BARZ, AktG, § 131 Anm. 13; HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 26; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 86. Gegen eine Begründungspflicht: KG, ZIP 1994, 1267 (1272) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; KG, ZIP 1995, 1585 (1589); LG Köln, AG 1991, 38 (38); ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 131 Rn. 80; KUHN, WM 1966, 50 (51 f.); REUTER, DB 1988, 2615 (2620). 240 Befürworter einer grundsätzlichen Begründungspflicht: OLG Hamburg, AG 1969, 150 (151) unter Verweis auf BGHZ 32, 159 (168) [zum AktG 1937], sowie auf BGHZ 36, 121 (130 ff.) [zum AktG 1937]; OLG Hamburg, AG 1970, 50 (51); KG, WM 1993, 1845 (1848) = AG 1994, 83; LG München I, AG 1987, 185 (186); HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 26, § 132 Rn. 7. Gegner einer Begründungspflicht: KG, ZIP 1994, 1267 (1272) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; KG, ZIP 1995, 1585 (1589); LG Köln, AG 1991, 38 (38); ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 131 Rn. 80; BARZ, in: BARZ, AktG, 131 Anm. 13; REUTER, DB 1988, 2615 (2620).
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so daß eine in der Hauptversammlung zu Unrecht unterbliebene Begründung sich nicht auf das Auskunftserzwingungsverfahren auswirkt. Ausgesprochen wurde auch, daß sich der Vorstand, der eine erbetene Information nicht erteilt, noch nicht einmal auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen müsse, wenn bereits dies Spekulation des Publikums auslösen könnte, die nachteilig für die Gesellschaft sind241. Die Verweigerungsrechte des § 131 Abs. 3 S. 1 AktG sollen nachfolgend in vier Gruppen untersucht werden. Dabei geht es um Verweigerungsrechte im Hinblick auf spezifische Informationen, im Hinblick auf die Strafbarkeit der Informationserteilung, bei bereits vorab erteilten Informationen sowie um die Möglichkeit der Auskunftsverweigerung bei einem der Gesellschaft drohenden nicht unerheblichem Nachteil. Insbesondere der letzte Punkt bedarf genauerer Untersuchung. Aufgrund des generalklauselartigen Charakters dieses Auskunftsverweigerungsrechts erweist sich dieses nämlich als besonders geeigneter Ansatzpunkt zum Geheimnisschutz. 3.3.2.3.7.1. Verweigerungsrechte hinsichtlich spezifischer Informationen § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 3, 4, 6 AktG erlaubt dem Unternehmen, spezifische Informationen zurückzuhalten, ohne daß nachzuweisen wäre, daß dem Unternehmen im Einzelfall aus der Erteilung der Information ein Nachteil droht. Diese werden als abstrakt gefährlich angesehen. § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG erlaubt die Auskunftsverweigerung über stille Reserven, sofern die Hauptversammlung nicht ausnahmsweise den Jahresabschluß feststellt242. Flankiert wird dieses Verweigerungsrecht durch die Möglichkeit, Angaben zu den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu verweigern, soweit die Angaben im Anhang zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes ausreichen (§ 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 AktG). Besondere Vorschriften gelten in diesem Zusammenhang für Kreditinstitute, die bestimmte Angaben in der Rechnungspublizität nicht zu machen brauchen (§ 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 AktG). Diese Vorschriften haben das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens im Blick243. Sie erlauben es, bestimmte Angaben, die von der Rechnungspublizität nicht gefordert werden, auch gegenüber den Aktionären zurückzuhalten, und zwar auch dann, wenn diese die Angaben zur Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte eigentlich benötigen. In diesen Bereichen wird die Regelpublizität damit als Höchstmaß der dem Unternehmen abverlangten Publizität definiert. Dies läßt allerdings auch den Umkehrschluß zu, daß Auskunftsbegehren, die in anderen Bereichen an die Rechnungspublizität anknüpfen und vertiefte Informationen verlangen, grundsätzlich zulässig sind244. Schließlich ist noch die Möglichkeit zu erwähnen, Informationen über steuerliche Wertansätze oder die Höhe einzelner Steuern zu verweigern (§ 131 Abs. 3 S. 1 241
OLG Frankfurt a.M., AG 1986, 233 (233). Zu § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG vergleiche etwa BVerfG, NJW 2000, 129 (129) [stille Reserven dürfen geheimgehalten werden]; KG, ZIP 1994, 1267 (1273) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; LG Frankfurt a.M., WM 1994, 1929 (1930). 243 Vgl. etwa HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 29 f., 32; KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 107, 112, 121. 244 AA wohl NOACK/ZETZSCHE, ZHR 170 (2006), 218 (227 ff., 229); siehe auch oben in und bei Fn. 151. 242
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Nr. 2 AktG). Der Grund hierfür soll nicht in dem Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens, sondern in einer Irreführungsgefahr für den Aktionär liegen, der zu der Annahme verleitet werden könnte, der steuerliche Gewinn entspreche dem betriebswirtschaftlich erzielten Gewinn und könne auch ausgeschüttet werden245. Teilweise wird allerdings auch das Unternehmensinteresse in den Mittelpunkt gestellt und angenommen, es ginge um den Schutz des Steuergeheimnisses246 oder die Verschleierung stiller Reserven 247. Folgt man jedoch der Regierungsbegründung, so dient dieses Auskunftsverweigerungsrecht in erster Linie der Sicherung des Normzwecks des Auskunftsrechts: Aktionären soll bei der Entscheidungsfindung geholfen werden; aus diesem Grund werden irreführende und daher kontraproduktive Angaben unterdrückt. Vor diesem Hintergrund wird auch eine teleologische Reduktion dieses Verweigerungsrechts befürwortet. Es solle nur Anwendung finden, wenn tatsächlich eine Irreführung drohe248. 3.3.2.3.7.2. Verweigerungsrecht bei Strafbarkeit der Informationserteilung § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG erlaubt die Auskunftsverweigerung, „soweit sich der Vorstand durch die Erteilung der Auskunft strafbar machen würde“. Die Vorschrift sichert die Einheit der Rechtsordnung, indem sie widersprüchliche Verhaltensanforderungen an den Vorstand vermeidet. So entsteht weder der Eindruck, der Vorstand sei gezwungen, sich strafbar zu machen, noch der Eindruck, § 131 AktG rechtfertige eine ansonsten strafbare Informationserteilung249. Zur Begründung einer Auskunftsverweigerung kann sich der Vorstand allerdings nicht auf § 404 AktG berufen, der die Verletzung der Geheimhaltungspflicht unter Strafe stellt. Hier droht aufgrund des weiten Begriffs des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ansonsten ein Unterlaufen des Verweigerungsrechts nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG bzw. sogar des Auskunftsrechts insgesamt. Gestützt wird diese Auffassung entweder auf die Verneinung des Tatbestandsmerkmals „unbefugt“ in § 404 AktG oder auf eine engere Interpretation des Geheimnisbegriffs250. Aus der Untersuchungsperspektive dieser Arbeit bietet das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG dem Vorstand eine Handhabe, um Auskunftsbegehren entgegenzutreten, die zur Begründung einer kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhaltensweise dienen. Da ein Verweigerungsrecht auch dann besteht, wenn die Informationserteilung eine Ordnungswidrigkeit darstellen wür245
So die Regierungsbegründung bei KROPFF, Aktiengesetz 1965, 186. Kritisch HÜFFER, AktG, § 131 Rn. 28; KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 103; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 37. 246 DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 306 ff.; aA KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 103; MEILICKE/HEIDEL, DStR 1992, 113 (117). 247 SEMLER, in: MünchHdb AG, § 37 Rn. 36; aA KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 103; MEILICKE/HEIDEL, DStR 1992, 113 (117). 248 MEILICKE/HEIDEL, DStR 1992, 113 (117). 249 Vgl. auch KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 120; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 43. 250 DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 324; KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 116; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 41.
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de251, kann insofern auf § 81 GWB verwiesen werden. Dieser sanktioniert Verstöße gegen die Art. 81 Abs. 1, 82 S. 1 EGV sowie gegen das GWB. Voraussetzung ist allerdings, daß sich die Gesellschaft durch die Informationserteilung selbst an dem kartellrechtswidrigen Verhalten beteiligen würde252, weil ansonsten keine Bußgelddrohung besteht. 3.3.2.3.7.3. Verweigerungsrecht hinsichtlich vorab erteilter Informationen Das Verweigerungsrecht hinsichtlich vorab erteilter Informationen (§ 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AktG) zielt weder auf das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens noch will es eine befürchtete Irreführung der Aktionäre verhindern. Es erlaubt vielmehr eine Auskunftsverweigerung für den Fall, daß die Informationen ohnehin zur Verfügung stehen. Den Gesellschaften soll so die Möglichkeit eingeräumt werden, wiederkehrende Fragen vorab zu beantworten und auf diese Weise die Hauptversammlung zu entlasten253. Im Grunde geht es damit um die oben bereits erwähnten Fälle, in denen die Erteilung der Auskunft als nicht erforderlich angesehen wird, weil die begehrte Information den Aktionären bereits zur Verfügung steht254. Diese werden jetzt zumindest teilweise nicht mehr auf der Ebene des Tatbestands des Auskunftsrechts, sondern auf der Ebene der Auskunftsverweigerungsrechte zu lösen sein. Zudem wird man in Zukunft die besonderen Anforderungen, die § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AktG im Hinblick auf die Dauer der Verfügbarkeit und das Medium stellt, auch im Kontext anderer Fälle beachten müssen255. 3.3.2.3.7.4. Verweigerung bei drohendem Nachteil Das wohl bedeutendste Auskunftsverweigerungsrecht räumt das Gesetz dem Vorstand für den Fall eines der Gesellschaft drohenden nicht unerheblichen Nachteils ein. Mit diesem Instrument ist es dem Vorstand möglich, die Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft zu wahren. § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 lautet: „Der Vorstand darf die Auskunft verweigern, 1. soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen“.
3.3.2.3.7.4.1. Allgemeines Der Vorstand hat bei der Prüfung der Eignung zur Nachteilszufügung einen objektiven Maßstab anzulegen256. Dabei sind etwaige Vorteile der Gesellschaft gegen
251
KUBIS, in: MüKo-AktG, § 131 Rn. 115. Siehe den Beitrag von ENCHELMAIER; sowie SCHMIDT/SCHREIBER BB 2002, 1921 ff. 253 Siehe hierzu nur Regierungsbegründung (UMAG), 14.03.2005, in: BT-Drs. 15/5092, 17; FLEISCHER, NJW 2005, 3525 (3530); SPINDLER, NZG 2005, 825 (826); WEIßHAUPT, ZIP 2005, 1766 (1770 f.). 254 Vgl. dazu oben Weitere Aspekte. 255 Siehe dazu unten Auswirkungen auf das Auskunftsrecht. 256 OLG Hamburg, AG 1969, 150 (151); OLG Hamburg, AG 1970, 50 (51); LG Heilbronn, AG 1967, 81 (81 f.); LG München I, AG 1981, 79 (81); LG Mainz, AG 1988, 169 (171); LG Heidelberg, AG 1996, 523 (524). 252
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Nachteile abzuwiegen257, wobei es nicht darauf ankommt, inwiefern ein Interesse des Aktionärs an der Information oder ein Interesse des Vorstands an der Geheimhaltung überwiegt258. Die Auskunftsverweigerung darf kein Mittel des Vorstands sein, eigenes Fehlverhalten zu verbergen259. Bei objektiv begründeten Zweifeln an der Geschäftsführung und wenn ein Eingreifen des Aufsichtsrates nicht zu erwarten ist, darf sich der Vorstand nicht auf mögliche Nachteile für die Gesellschaft berufen260. 3.3.2.3.7.4.2. Kasuistik Ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG wird u.a. bejaht, wenn eine Auskunft Rückschlüsse auf die interne Kalkulation und Preispolitik des Unternehmens zuließe261. Ein weiterer Aspekt, der die Geheimhaltung rechtfertigt, ist die drohende Beeinträchtigung laufender Verhandlungen262. Auch die Höhe der Entwicklungskosten kann geheimgehalten werden263 sowie konkrete Schritte zur Mobilisierung stiller Reserven264. Inwieweit die Konzernumlage verheimlicht werden darf, ist hingegen unklar 265. Außerdem dürfen die individuellen Gehälter von Mitarbeitern, die einem organexternen Leitungsgremium angehören, aufgrund der Gefahr von Abwerbeversuchen geheimgehalten werden; für geforderte Angaben zur Gesamtvergütung der Mitglieder eines solchen Gremiums gilt dies hingegen nicht266. Ferner wurde zunächst die Verheimlichung von Beteiligungsangaben für zulässig gehalten, damit keine Spekulation einsetzt und ein Zuerwerb nicht gestört wird267. Diese vor Inkrafttreten des WpHG ergangene Rechtsprechung dürfte jedoch nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Die §§ 21 ff. WpHG zeigen auch jenseits ihres Anwendungsbereichs, daß durch Offenlegung von Beteiligungsverhältnissen möglicherweise ausgelöste Marktreaktionen hinzunehmen und kein Grund für eine Geheimhaltung sind268. Eine Auskunftsverweigerung wäre aufgrund der anderwei257
BGHZ 86, 1 (19) = AG 1983, 75 ff.; OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2155) = DB 1991, 2532 (2533); BayObLG, AG 1996, 322 (323 f.). 258 LG Mainz, AG 1988, 169 (171); ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 131 Rn. 84 ff. 259 BGHZ 86, 1 (19) = AG 1983, 75 ff.; OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2155) = DB 1991, 2532 (2533). 260 BGHZ 86, 1 (19 f.) = AG 1983, 75 ff. 261 OLG Zweibrücken, AG 1990, 496 (497); OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152) = DB 1991, 2532 (2532); LG Dortmund, AG 1987, 21 (22); LG Dortmund, AG 1987, 189 (189); LG Mainz, AG 1988, 169 (171). 262 KG, AG 1996, 421 (423 f.) [Bewertung des zu kaufenden Objekts]; LG Heilbronn, AG 1967, 81 (81 f.) [Höhe der Lizenzeinnahmen]. 263 LG Heilbronn, AG 1967, 81 (81 f.). 264 OLG Stuttgart, AG 1992, 459 (459). 265 Verneinend OLG Karlsruhe, AG 1990, 82 (82). Bejahend: OLG Frankfurt a.M., NZG 2003, 224 (225); hiergegen OLG Stuttgart, NZG 2004, 966 (968). 266 OLG Frankfurt a.M., ZIP 2006, 610 (612); ZIP 2006, 614 (614 f.). 267 KG, WM 1993, 1845 (1848) = AG 1994, 83; KG, ZIP 1994, 1267 (1272) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff.; LG München I, AG 1981, 79 (81); vgl. auch EBENROTH/WILKEN, BB 1993, 1818 (1822 f.); KRIEGER, DStR 1994, 177 (179). 268 Vgl. auch UWE H. SCHNEIDER, in: ASSMANN/S CHNEIDER, WphG, Vor § 21 Rn. 54.
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tigen Veröffentlichung auch faktisch nicht zielführend269 und wird daher allenfalls in Ausnahmefällen und jenseits des Anwendungsbereichs unabhängig bestehender Publizitätspflichten in Betracht kommen können. Eine Vertraulichkeitsvereinbarung hindert nur dann die Erteilung der Auskunft, wenn die Vereinbarung sachlich notwendig war 270. Die bloße Vereinbarung von Vertraulichkeit ist dabei kein ausreichender Verweigerungsgrund271. Auch mit einer örtlichen Verkehrssitte, wonach die Geheimhaltung bestimmter Umstände geboten sei, kann eine Verweigerung nicht begründet werden272. Im Fall einer Kollision von Auskunftsrecht und Bankgeheimnis ist eine Abwägung erforderlich, wobei dem Auskunftsrecht ein gewisser Vorrang zukommen soll273. 3.3.2.3.8. Vorgehen bei Auskunftsverweigerung Verweigert der Vorstand die Auskunft auf eine Frage, so stehen dem Aktionär zwei Möglichkeiten zur Verfügung, um sein Recht durchzusetzen. Zunächst ist dies das Auskunftsverfahren gemäß § 132 AktG. Daneben hat der Aktionär noch die weitere Option, einen in der Hauptversammlung zu dem Tagesordnungspunkt, zu dem ihm die Auskunft verweigert worden ist, gefaßten Beschluß anzufechten (§ 243 Abs. 1 AktG). 3.3.2.3.8.1. Auskunftsverfahren gemäß § 132 AktG Die Entscheidung des Vorstands über die Verweigerung der Auskunft unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung 274. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz dadurch, daß der Gesellschaft nicht die volle Beweislast für das Vorliegen eines Auskunftsverweigerungsgrundes obliegt275. Anderenfalls könnte sich die Gesellschaft gezwungen sehen, die Information offenzulegen, weil sie den Beweis für das
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Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß die Mitteilung nach §§ 21 ff. WpHG gegenüber der Gesellschaft zu erfolgen hat, an der die Beteiligung besteht, und nicht gegenüber der Gesellschaft, welche die Beteiligung hält. Denn das Argument der Befürworter eines Verweigerungsrechts bezieht sich ja gerade auf Spekulationen mit den Anteilen der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht. Genau diese Spekulationsinformation wird durch §§ 21 ff. WpHG zur Verfügung gestellt, nicht durch § 131 AktG. Das Interesse der Aktionäre der Gesellschaft, welche die Beteiligung hält, an einer Auskunft über diese Beteiligung wird hiervon aber nicht berührt, auch nicht dadurch, daß diese Information ohnehin öffentlich ist, vgl. dazu unten Auswirkungen auf das Auskunftsrecht. 270 BayObLG, AG 1996, 322 (323 f.); AG 2000, 131 (132); LG Berlin, AG 1991, 34 (36); ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 52. 271 LG Koblenz, AG 2001, 205 (206). 272 BayObLG, AG 1996, 322 (323 f.). 273 LG Frankfurt a.M., ZIP 2005, 1275 (1276 f.); im Ergebnis zustimmend, UWE H. SCHNEIDER, WuB II A., § 131 AktG, 1.06. 274 OLG Hamburg, AG 1969, 150 (151); AG 1970, 50 (51); KG, AG 1973, 25 (25); OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152) = DB 1991, 2532 (2532); LG Heilbronn, AG 1967, 81 (81 f.); LG Heidelberg, AG 1996, 523 (524). Gegen eine volle gerichtliche Überprüfbarkeit noch WILHELMI, NJW 1968, 731 (732 f.). 275 So aber wohl LG Heilbronn, AG 1967, 81 (81 f.).
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Bestehen eines Auskunftsverweigerungsgrundes anders nicht führen kann276. Die Gesellschaft trifft daher nur eine Plausibilitätslast, d.h. sie muß das Vorliegen von Gründen für das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts für das Gericht einsehbar machen277. Im Rahmen des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG ist dabei beispielsweise die konkrete Darlegung erforderlich, worin die Nachteile für die Gesellschaft gesehen werden278. Diese Darlegung wird von den Gerichten auf Stichhaltigkeit überprüft279. Die Beweislast für eine etwaige Unrichtigkeit der Darlegung der Gesellschaft trifft dann den Aktionär280. Gegenstand des öffentlichen Verfahrens nach § 132 AktG ist nicht die erstrebte Auskunft an sich, sondern die Verpflichtung zu ihrer Erteilung. Die Frage des Aktionärs kann im Auskunftsverfahren präzisiert werden, wenn der Vorstand es unterlassen hat, in der Hauptversammlung auf eine Präzisierung zu drängen281. Die Auskunft ist so zu erteilen, wie sie auch in der Hauptversammlung zu erteilen gewesen wäre. Wäre daher eine Auskunft dem Vorstand in der Hauptversammlung etwa mangels verfügbaren Datenmaterials nicht zumutbar gewesen, so ist sie auch im späteren Verfahren nicht zu erteilen282. Ein Beschluß des Gerichts, mit dem die Verpflichtung zur Auskunftserteilung ausgesprochen wird, wird zum Handelsregister eingereicht und nimmt an dessen Öffentlichkeit teil283. Der Vorstand hat die begehrte Auskunft dann auch außerhalb der Hauptversammlung zu erteilen, § 132 Abs. 4 S. 1 AktG, was die Folge hat, daß sie in der nächsten Hauptversammlung auf Verlangen auch jedem anderen Aktionär zu erteilen ist, § 131 Abs. 4 AktG. Weitere Einzelheiten des Auskunftsverfahrens können an dieser Stelle nicht ausgebreitet werden. Von erheblichem Interesse ist jedoch noch die Frage, ob im Verfahren nach § 132 AktG die Richtigkeit der Auskunft geprüft werden kann. Dies wird von der herrschenden Meinung häufig mit der Begründung verneint, nach § 132 AktG werde nur das Bestehen einer Auskunftspflicht geprüft, nicht aber die Erfüllung dieser Pflicht. Bei Falschauskünften stünde dem Aktionär beispielsweise die Anfechtungsklage oder eine zivilrechtliche Leistungsklage als Rechtsbehelf zur 276
Vgl. hierzu LG Heilbronn, AG 1967, 81 (81 f.). OLG Karlsruhe, AG 1990, 82 (82); OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2152) = DB 1991, 2532 (2532); KG, WM 1993, 1845 (1848) = AG 1994, 83; ZIP 1995, 1585 (1589); AG 1996, 131 (134); BayObLG, AG 1996, 322 (323 f.); OLG Düsseldorf, DB 1997, 1609 (1609); BayObLG, AG 2000, 131 (132); LG München I, AG 1987, 185 (186); LG Berlin, AG 1991, 34 (35); ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 35 f. 278 LG München I, AG 1987, 185 (188). 279 Vgl. zum alten Recht BGHZ 32, 159 (169 f.) [zum AktG 1937]; 36, 121 (123, 134) [zum AktG 1937]; sowie zum neuen Recht BayObLG, AG 2000, 131 (132). Zum neuen Recht verwiesen die Gerichte zum Teil darauf, daß die begehrte Information Konkurrenten ohnehin zur Verfügung steht, OLG Hamburg, AG 1969, 150 (151 f.); OLG Hamburg, AG 1994, 420 (420 f.). Zum Teil wird angemerkt, die begehrte Information erlaube der Konkurrenz keine Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, LG München I, AG 1987, 185 (187). 280 LG München I, AG 1981, 79 (81). 281 LG Dortmund, AG 1999, 133 (133). 282 BayObLG, AG 1996, 180 (182 f.). 283 § 132 Abs. 3 S. 1 iVm § 99 Abs. 5 S. 3 AktG. Vgl. LG Köln, AG 1997, 188 (188). 277
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Verfügung284. Dies wird jedoch zunehmend bezweifelt285. Einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft entspreche eine Auskunft nur, wenn sie auch inhaltlich zutreffend sei. Der Normzweck des § 132 AktG, der in der Schaffung eines kostengünstigen und beschleunigten Verfahrens bestehe, rechtfertige auch die inhaltliche Überprüfung einer erteilten Auskunft. Die herrschende Meinung erschwere die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs in einem wichtigen Fall erheblich286. 3.3.2.3.8.2. Beschlußanfechtung Unabhängig von der Möglichkeit der Einleitung eines Auskunftsverfahrens nach § 132 AktG 287 besteht für Aktionäre, denen eine Auskunft verweigert oder eine unzutreffende Auskunft gegeben wurde, die Möglichkeit einer Anfechtungsklage. Diese ist nach herrschender Meinung auf eine Gesetzesverletzung, nämlich des § 131 AktG, zu stützen (§ 243 Abs. 1 AktG) 288. Richtigerweise findet sich der einschlägige Anfechtungsgrund jedoch in § 243 Abs. 4 S. 1 AktG, der die Grundnorm darstellt, auf welche Anfechtungen wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung einer Information zu stützen sind289. Eine Anfechtungsklage ist gegen den Beschluß zu richten, den die Hauptversammlung zu dem Tagesordnungspunkt gefaßt hat, zu dem erfolglos Auskunft begehrt worden war 290. Nicht möglich ist allerdings eine Anfechtung von Beschlüssen wegen Auskunftsverweigerung, wenn bei einer Umwandlung ein Zusammenhang mit der Barabfindung besteht, der Ausschluß von Klagen gemäß §§ 210, 212 UmwG steht dem entgegen291. § 243 Abs. 4 S. 2 AktG n.F. spricht dies nun auch ausdrücklich aus292. Als weitere Voraussetzung für einen Erfolg der Anfechtung verlangte die Rechtsprechung zunächst, daß der Beschluß auf der Verletzung des Auskunftsrechts beruht. Der beklagten AG stand daher der Beweis offen, daß die Verletzung keinen Einfluß auf den Beschluß hatte293, wobei die Aussage anderer Aktionäre, daß sich 284
OLG Dresden, AG 1999, 274 (276); LG Dortmund, AG 1999, 133 (133); LG Köln, AG 1991, 38 (38); LG Berlin, WM 1990, 978 (983); BARZ, in: BARZ, AktG, § 132 Anm. 2; ECKARDT, in: GEßLER, AktG, § 132 Rn. 27; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 132 Rn. 5. 285 Vgl. DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 132 Rn. 6 f. mwN; HELLWIG, in: FS Budde, 265 (275 ff., 283); KUBIS, in: MüKo-AktG, § 132 Rn. 15; QUACK, in: FS Beusch, 663 (669 ff.). Offengelassen in BayObLGZ 2002, 227 (230). 286 DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 132 Rn. 7. 287 Die Beschlußanfechtung und das Verfahren nach § 132 AktG stehen nebeneinander: Eine Anfechtung ist nicht ausgeschlossen, weil kein Verfahren nach § 132 AktG eingeleitet wurde und auch nicht mehr möglich ist. Eine Bindungswirkung eines Beschlusses nach § 132 gibt es im Anfechtungsverfahren nicht: BGHZ 86, 1 (4 ff.) = AG 1983, 75 ff.; OLG München, NZG 2002, 187 (187); LG Braunschweig, AG 1991, 36 (37). 288 BGHZ 119, 1 (14 f.); OLG München, AG 1998, 238 (238) [Aufruf zu Fragen zu allen Tagesordnungspunkten]; OLG Brandenburg, AG 2003, 328 (329) [für eine Ausnahme im konkreten Fall]. 289 KERSTING, ZGR 2007, 319 (327 ff.); siehe auch in und bei Fn. 301. 290 Siehe die Nachweise in Fn. 288. 291 BGHZ 146, 179 (186); BGH, ZIP 2001, 412 (413 f., 415); OLG Karlsruhe, NZG 1999, 604 (604 f.). 292 Siehe hierzu NOACK/ZETZSCHE, ZHR 170 (2006), 218 (231 ff.). 293 RGZ 167, 151 (165); BGHZ 36, 121 (139) [zum AktG 1937]; OLG Düsseldorf, AG 1968, 19 (21); OLG Karlsruhe, AG 2003, 444 (447).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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ihr Abstimmungsverhalten nicht geändert hätte, gemäß § 243 Abs. 4 AktG a.F. als unerheblich eingestuft wurde294. Als Maßstab für die Beurteilung der Kausalität wurde das Abstimmungsverhalten eines objektiv urteilenden Aktionärs herangezogen295. Der Beweis konnte gelingen, wenn beispielsweise dem Groß- bzw. Mehrheitsaktionär die erfragten Angaben bekannt waren296. Die Rechtsprechung hat sich dann in jüngster Zeit der sogenannten Relevanztheorie angeschlossen und hält jetzt für entscheidend, „ob es – bei wertender Betrachtungsweise – möglich oder ausgeschlossen ist, dass sich der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat“297. In den Worten des BGH gilt nun folgendes: „Werden einem Aktionär Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung des Beschlussgegenstands in dem oben (zu 2a) dargelegten Sinne „erforderlich“ sind, so liegt darin zugleich ein „relevanter“ Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Aktionärs […], ohne dass es darauf ankommt, ob der tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten und später eventuell erst im Anfechtungsprozess erteilten Auskunft einen objektiv urteilenden Aktionär von der Zustimmung zu der Beschlussvorlage abgehalten hätte […].“298
Dementsprechend würde jede Verletzung des Auskunftsrechts ein Anfechtungsrecht begründen299. Der Gesetzgeber hat in der Folge allerdings § 243 Abs. 4 S. 1 AktG neu gefaßt. Dieser schließt eine Anfechtung wegen Informationspflichtverletzungen aus, wenn nicht „ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte.“
Auch wenn es damit auf den ersten Blick nicht nur um die „Erforderlichkeit“ der Information, sondern auch darum geht, daß diese eine „wesentliche Voraussetzung“ darstellt, liegt hierin keine Verschärfung gegenüber der Rechtsprechung300. § 243 Abs. 4 S. 1 AktG ist – wie bereits erwähnt – nicht als Einschränkung der Anfechtbarkeit bei Informationspflichtverletzungen zu lesen, sondern als die Grundnorm, welche die Anfechtbarkeit von auf unzureichender Informationsgrundlage gefaßten Beschlüssen regelt301. Davon abgesehen wäre es merkwürdig, wollte man eine Information zwar für erforderlich, dann aber doch für unwesentlich halten. Es bleibt
294
Hieran soll sich durch die Änderung des § 243 Abs. 4 AktG nichts geändert haben, vgl. Regierungsbegründung (UMAG), 14.03.2005, in: BT-Drs. 15/5092, 26. 295 BGHZ 36, 121 (140) [zum AktG 1937]; 107, 297 (307); 119, 1 (19); 122, 211 (239); BGH, NJW 1995, 3115 (3116 f.); OLG Karlsruhe, AG 2003, 444 (447). 296 OLG Düsseldorf, AG 1968, 19 (21); OLG Hamburg, AG 1968, 190 (193) [zum AktG 1937]. 297 BGHZ 149, 158 (163 ff.) = NJW 2002, 1128 (1129). Hierzu aus der Literatur: HÜFFER, AktG, § 243 Rn. 13 mwN; ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG (1985), § 243 Rn. 81 ff. 298 BGH, WM 2004, 2489 (2491) = ZIP 2004, 2428. 299 Siehe auch WEIßHAUPT, ZIP 2005, 1766 (1771). 300 Ausführlich und mwN KERSTING, ZGR 2007, 319 (323 ff.). 301 KERSTING, ZGR 2007, 319 (327 ff.). Siehe auch oben in und bei Fn. 289.
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demnach dabei, daß jede Verletzung des Auskunftsrechts ein Anfechtungsrecht begründet302. 3.3.2.3.9. Auskunftsrecht gemäß § 131 Abs. 4 AktG Das Auskunftsrecht gemäß § 131 Abs. 4 AktG verwirklicht das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG). Ohne Bindung an ein Erforderlichkeitskriterium sind Auskünfte, die Aktionären in ihrer Eigenschaft als solchen außerhalb der Hauptversammlung gegeben wurden, jedem anderen Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung ebenfalls zu erteilen. Um einer Ausforschung entgegenzuwirken, wird verlangt, daß der Aktionär greifbare Anhaltspunkte dafür darlegt, daß einem anderen Aktionär in dieser Eigenschaft303 Auskünfte außerhalb der Hauptversammlung erteilt wurden304. Die Vorlage von Dokumenten kann nach dieser Vorschrift nicht verlangt werden305. § 131 Abs. 4 ist nicht auf Auskünfte beschränkt, die in dem der Hauptversammlung vorausgehenden Geschäftsjahr erteilt wurden306; auf einen Zusammenhang mit einem Tagesordnungspunkt kommt es nicht an307. § 131 Abs. 4 AktG greift nicht ein, wenn die Auskunft von der (abhängigen) AG auf Weisung der Mutter an die Mutter erteilt wird308. 3.3.2.3.10. Bewertung Als abschließende Bewertung läßt sich festhalten, daß von dem Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG keine Nachteile drohen, die ein Überdenken dieser Informationsnorm nahelegen. So ist das Auskunftsrecht bereits tatbestandlich beschränkt und zielt nur auf die zur Ausübung mitgliedschaftlicher Befugnisse erforderlichen Informationen ab. Sodann räumen die Auskunftsverweigerungsrechte dem Vorstand weitgehende Möglichkeiten ein, den Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft Rechnung zu tragen. Abgesehen von den Regelungen, welche bestimmte Informationen bereits abstrakt aus dem Kreis der zwingend zu erteilenden Informationen ausscheiden, erlaubt § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG dem Vorstand ausdrücklich, Informationen zurückzuhalten, wenn der Gesellschaft aus der Informationserteilung nicht unerhebliche Nachteile drohen. Selbst der gerichtliche Streit um die Berechtigung einer Auskunftsverweigerung zwingt den Vorstand nicht dazu, die streitgegenständliche Information offenzulegen, um so das Bestehen des Auskunftsverweigerungsrechts darlegen zu können. Es genügt insofern eine Darlegung der Plausibilität.
302
KERSTING, ZGR 2007, 319 (327); siehe auch oben in und bei Fn. 298, 299. Die Vorschrift ist nicht anwendbar auf Auskünfte, die einem Aktionär in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied, Abschlußprüfer, Kreditgeber, Vertragspartner oder Rechtsanwalt erteilt wurden, BayObLGZ 2002, 227 (228 f.). 304 OLG Dresden, AG 1999, 274 (276). 305 OLG Dresden, AG 1999, 274 (276). 306 BayObLGZ 2002, 227 (229); S. WILHELMI, in: GODIN/WILHELMI, AktG, § 131 Anm. 13 [Auskunft ist in Hauptversammlung nach Kenntniserlangung zu verlangen]. 307 BayObLGZ 2002, 227 (229); aA ZÖLLNER, in: Kölner Kommentar-WphG, § 131 Rn. 70. 308 LG München I, AG 1999, 138 (138 f.). 303
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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Als problematisch stellt sich das Auskunftsrecht allerdings insofern dar, als eine Auskunftsverweigerung nicht nur das Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG eröffnet, sondern auch die Gefahr einer Beschlußanfechtung begründet. Jedoch ist dies im Ergebnis hinzunehmen. Anderenfalls könnte die Gesellschaft auskunftsbegehrende Aktionäre stets ohne eigenes Risiko auf das Auskunftserzwingungsverfahren verweisen. Zudem handelt es sich bei der Möglichkeit der Beschlußanfechtung um eine zwingende Konsequenz aus der Ausgestaltung des Auskunftsrechts. Dieses ist gerade darauf ausgerichtet, den Gesellschaftern die nötige Wissensbasis zum Treffen von Entscheidungen zu verschaffen. Wird ihnen diese Wissensbasis rechtswidrig verkürzt, so ist es nur logisch, daß sich dies auch auf die Validität der getroffenen Entscheidung auswirken muß309. Keiner ausdrücklichen Regelung zugeführt ist auch hier der Fall, daß die in der Informationserteilung liegende Gefahr darin besteht, daß Wettbewerber ihr Verhalten untereinander abstimmen. Jedoch besteht hier einerseits die Möglichkeit der Anknüpfung an § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG iVm § 81 GWB, andererseits läßt sich in der Beteiligung der Gesellschaft an einer verbotenen Absprache oder Abstimmung auch ein nicht unerheblicher Nachteil für sie erkennen, der ebenfalls zur Informationsverweigerung berechtigt. Aus dem Recht zur Auskunftsverweigerung wird jedoch erst aufgrund des kartellrechtlichen Verbotstatbestands auch eine entsprechende Pflicht.
3.3.2.4. Gesellschaftsrechtliches Fazit Abschließend soll jetzt ein gesellschaftsrechtliches Fazit gezogen werden, indem die verschiedenen Regeln verglichen und gemeinsame Leitgedanken erarbeitet werden. 3.3.2.4.1. Ausgangspunkt Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß es im Kapitalgesellschaftsrecht kein Prinzip eines umfassenden Informationsrechts der einzelnen Gesellschafter gibt. Während das Personengesellschaftsrecht schon aufgrund der Geschäftsführungsbefugnis und der unbeschränkten Haftung der OHG-Gesellschafter bzw. der Komplementäre von deren umfassender Information ausgeht310, ist dies im Kapitalgesellschaftsrecht anders. Dort werden die Gesellschafter als beschränkt haftende Kapitalgeber betrachtet, die gerade nicht naturgemäß an der Geschäftsführung beteiligt sind. In den ursprünglichen Fassungen von AktG und GmbHG fehlte daher ein § 118 HGB entsprechendes Kontroll- und Informationsrecht der Gesellschafter. Deswegen war die Rechtsprechung vor Einfügung des § 51a GmbHG mit der Zuerkennung von Informationsansprüchen an einzelne Gesellschafter sehr zurückhaltend. Gleiches galt für die aktienrechtliche Rechtsprechung vor Einfügung des § 112 AktG 1937311. 309
Ausführlich KERSTING, ZGR 2007, 319 ff. Siehe oben Personenhandelsgesellschaften. 311 Siehe oben Historische Entwicklung, Historische Entwicklung. 310
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3.3.2.4.2. Ausrichtung des Informationsrechts auf Verwendungszweck Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme nahe, daß auch die gesetzlichen Informationsrechte in §§ 51a GmbHG, 131 AktG den Gesellschaftern kein prinzipiell umfassendes Recht gewähren wollen, sondern ein bestimmtes Ziel verfolgen und aufgrund ihrer Zielrichtung beschränkt sind. Betrachtet man die fraglichen Normen, so wird deutlich, daß sich beide auf die Ausübung von Gesellschafterrechten beziehen: Bei § 131 AktG folgt dies ohne weiteres aus dem Tatbestand des Auskunftsrechts, der eindeutig auf die in der Hauptversammlung zu treffenden Entscheidungen des Aktionärs abzielt. Bei § 51a GmbHG wird dies erst deutlich, wenn man Regel und Ausnahme gemeinsam betrachtet. Eine gemäß § 51a Abs. 1 GmbHG grundsätzlich zu erteilende Information darf nämlich gemäß § 51a Abs. 2 GmbHG verweigert werden, wenn ihre Verwendung zu gesellschaftsfremden Zwecken zu besorgen ist. Aus dieser Zielrichtung beider Auskunftsrechte erklärt sich ihr unterschiedlicher Umfang: Die Informationsrechte im GmbH-Recht sind umfassend ausgestaltet, weil die Befugnisse der GmbH-Gesellschafter umfassend sind und sich daher auch der einzelne Gesellschafter umfassend informieren können muß312. Demgegenüber sind sie im Aktienrecht – entsprechend den nur beschränkten Befugnissen der Aktionäre – eingeschränkter. Aus dem Umstand, daß beide Normen nur die Ausübung von Gesellschafterrechten ermöglichen sollen, ergibt sich, daß diese die Gesellschafter auch nur in ihrer Funktion als Verbandsmitglieder mit Aufgaben – wie z.B. Kontrollaufgaben – in der Organisationsverfassung der Gesellschaft ansprechen. Die Interessen der Gesellschafter als Individuen fördern sie nur reflexartig. Relevant ist diese Überlegung insbesondere für Ansprüche auf Informationen über den Wert der Anteile zum Treffen einer Anlageentscheidung. Solche bestehen bei dieser Auslegung im Rahmen des § 131 AktG mangels Erforderlichkeit nicht, im Rahmen des § 51a GmbHG werden sie allenfalls zu bejahen sein, wenn diese – zweckwidrige – Verwendung der Information keinen erheblichen Nachteil für die Gesellschaft bedeutet313. 3.3.2.4.3. Konfliktlinie Die Konfliktlinie ist hiermit vorgezeichnet. Auf der einen Seite erhalten die Gesellschafter Informationen, die sie – fremdnützig – zur Ausübung ihrer gesellschaftsrechtlichen Befugnisse verwenden sollen. Auf diese Weise soll ein Prinzipal-AgentKonflikt entschärft werden, indem den Gesellschaftern als Prinzipalen die Ausübung von Kontrolle über die Geschäftsleitung (den Agenten) ermöglicht wird. Im GmbH-Recht erhalten die Gesellschafter auf diese Weise zudem die nötigen Informationen zur Ausübung der Leitungsmacht, die ihnen durch ihr Weisungsrecht ein312
Vgl. den Ansatz von MERTENS, in: FS Werner, 557 (568 ff.) (hierzu oben Fn. 71); aA ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 51a Rn. 10, der den im Vergleich zu § 131 AktG größeren Umfang des Auskunftsrechts nicht mit der umfassenden Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung begründen will, da diese beschränkt werden könne. Er stellt statt dessen auf das größere Risiko der Beteiligung an einer GmbH ab. 313 Siehe oben Verweigerungsrecht gemäß § 51a Abs. 2 GmbHG (GmbH), Auskunft zur Unternehmensbewertung (AG).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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geräumt ist314. Auf der anderen Seite sind die Gesellschafter jedoch auch ihrerseits insofern Agenten, als sie die erhaltenen Informationen zweckentsprechend nutzen müssen und sie nicht privatnützig zum eigenen Vorteil und zum Schaden der Gesellschaft verwenden dürfen315. Die privatnützige Verwendung der Information durch die Gesellschafter ist nur insoweit hinzunehmen, als dies der Gesellschaft nicht zum Schaden gereicht. Die Verwendung einer Information zur Anteilsbewertung zwecks Treffens einer Anlageentscheidung wäre daher – die insiderrechtliche Zulässigkeit unterstellt – grundsätzlich akzeptabel – weil für die Gesellschaft nicht schädlich –, während die Verwendung zu Wettbewerbszwecken schädlich und daher nicht hinzunehmen wäre. Als externer Faktor im Rahmen dieser Konfliktbeschreibung sind schließlich noch Dritte zu nennen, welche aufgrund von Informationsrechten erteilte Information zwangsläufig oder durch Indiskretionen erhalten. Auch diese können solche Informationen zum Schaden der Gesellschaft für sich nutzen. Zu denken ist insbesondere an Konkurrenten. 3.3.2.4.4. Verweigerungsrechte als Sicherung gegen die Zweckentfremdung Aus dem beschriebenen Konflikt zwischen der Zielsetzung der Informationsrechte auf der einen und der überschießenden Verwendbarkeit der Information auf der anderen Seite ergibt sich die Notwendigkeit, die Zweckentfremdung der Information – ihre privatnützige Verwendung zum Schaden der Gesellschaft – möglichst zu vermeiden. Im Personengesellschaftsrecht geschieht dies durch Wettbewerbsverbote. Dem hohen Informationsstand des persönlich haftenden Gesellschafters aufgrund der Geschäftsführung oder des Kontrollrechts aus § 118 HGB korrespondiert das Wettbewerbsverbot der §§ 112 f. HGB. Demgegenüber entspricht dem nur eingeschränkten Kontrollrecht des Kommanditisten (§ 166 HGB) das Nichteingreifen des Wettbewerbsverbots (§ 165 HGB) 316. Die Statuierung eines Wettbewerbsverbots ist bei der Kapitalgesellschaft jedoch nicht möglich. Bei der AG versteht sich dies aufgrund der rein kapitalistischen Struktur von selbst. Aber auch die GmbH wird vom Gesetz anders als die OHG nicht als Haupterwerbsquelle der Gesellschafter angesehen. Ein generelles Wettbewerbsverbot wäre daher – insbesondere bei kleineren Beteiligungen – unangemessen. Andererseits kann das – satzungsfeste! – umfassende Informationsrecht in diesen Fällen ebenfalls zu weit gehen. Eine Ausbalancierung der widerstreitenden Interessen muß daher über die Informationsverweigerung erfolgen: Abzuwägen ist der Vorteil der Gesellschaft aus der zweckentsprechenden Verwendung der Information gegen den Nachteil für die Ge314
Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß das Weisungsrecht ein kollektives Recht der Gesellschaftergesamtheit und kein individuelles Recht der einzelnen Gesellschafter ist, so daß insofern eher das Informationsrecht in § 46 Nr. 6 GmbHG einschlägig sei. Denn ein Abstimmungsverhalten über Weisungen bzw. auch über die Geltendmachung des § 46 Nr. 6 GmbHG ist eine individuelle Entscheidung des einzelnen Gesellschafters, der sich hierfür erforderliche Informationen über § 51a GmbHG beschaffen kann. 315 Dies ergibt sich aus dem Ausschluß der Information in solchen Fällen, siehe §§ 51a Abs. 2 GmbHG, 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG. 316 Siehe oben Personenhandelsgesellschaften.
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sellschaft bei zweckwidriger Verwendung durch den Empfänger oder durch Dritte. Nicht relevant sind dabei die Interessen Außenstehender, wie z.B. gegenwärtiger und potentieller Anleger, Gläubiger und erst recht nicht die Interessen von Konkurrenten. Betrachten wir nun kurz die Informationsverweigerungsrechte, so zeigt sich, daß diese genau dem beschriebenen Interessenausgleich dienen317: § 51a Abs. 1 GmbHG gewährt ein umfassendes Informationsrecht. Die Verschwiegenheitspflicht der Gesellschafter reicht schon deswegen nicht aus, um eine zweckwidrige Verwendung der Information zu verhindern, weil es an einem Wettbewerbsverbot fehlt. Ausgeschlossen wird durch die Verschwiegenheitspflicht nämlich nur die Zweckentfremdung durch Dritte, während der Gesellschafter selbst die Information privatnützig verwenden kann. Diesem Gefährdungspotential wirkt § 51a Abs. 2 GmbHG entgegen, der allein auf eine Zweckentfremdung durch den Gesellschafter abstellt und hieran das Informationsverweigerungsrecht knüpft. § 131 AktG gewährt zwar von vornherein nur ein eingeschränktes Informationsrecht, jedoch ist die Gefahrenlage im Grundsatz die gleiche. Da es im Aktienrecht an einer Pflicht zur Verschwiegenheit fehlt – bzw. sich eine solche aufgrund der quasi-Öffentlichkeit der Hauptversammlung nicht effektiv durchsetzen ließe – und auch kein Wettbewerbsverbot existiert, muß das Auskunftsverweigerungsrecht die Gefahr einer schädigenden privatnützigen Informationsverwendung durch Aktionäre und Dritte abwehren. 3.3.2.4.5. Verweigerungsrechte als Mittel der Nachteilsabwehr? Die Verweigerungsrechte, die soeben als Sicherung gegen die Zweckentfremdung von Informationen erkannt wurden, dienen daher der Abwehr von Nachteilen, welche der Gesellschaft aufgrund der Informationserteilung drohen. Allerdings sollen die Auskunftsverweigerungsrechte nicht allgemein Schäden abwehren, sondern nur bestimmte Schäden. Abgewehrt werden sollen nur Schäden, die aus einer zweckwidrigen Verwendung der Information resultieren. Schäden, die aus einer zweckentsprechenden Informationsverwendung resultieren sind hingegen hinzunehmen. Verdeutlichen läßt sich dies an der auch intuitiv einsichtigen Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft, daß ein Auskunftsverweigerungsrecht ausscheidet, wenn der Vorstand eigenes Fehlverhalten verbergen will318. Das Bekanntwerden mag für die Gesellschaft zwar schädlich sein, jedoch resultiert dieser Nachteil aus einer zweckentsprechenden Informationsverwendung. Denn auch wenn das Auskunftsrecht nicht primär der Kontrolle des Vorstands dient, so soll es doch zumindest die Entscheidung über seine Entlastung vorbereiten. Diese Rechtsprechung dürfte auf das GmbH-Recht zu übertragen sein319. Selbst die Rechtsprechung, wonach das Verfolgen auch gesellschaftsfremder Interessen durch Aktionäre kein Grund für einen Informationsausschluß sei320, ist mit der Ausrichtung auf den Informationszweck in Einklang zu bringen. Denn wenn die Auskunft nicht nur erforderlich (§ 131 Abs. 1 AktG) ist und keinen erheblichen 317
Anders jedoch § 15 Abs. 3 WpHG, vgl. hierzu unten Ratio der Aufschubnorm. Vgl. oben Mißbrauch des Fragerechts– insbesondere bei Fn. 258, 259, 260. 319 ROTH, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbHG, § 51a Rn. 23. 320 Vgl. oben Mißbrauch des Fragerechts– insbesondere bei Fn. 225, 234. 318
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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Nachteil für die Gesellschaft mit sich bringt (§ 131 Abs. 3 AktG), sondern auch zumindest einem Informationszweck dienen kann, so ist kein Grund für eine Verweigerung ersichtlich. Dementsprechend wird eine Verweigerung wegen Mißbrauchs nur dann – unter dem Aspekt des Rechtsmißbrauchs – für denkbar gehalten, wenn ausschließlich gesellschaftsfremde Zwecke verfolgt werden und kein Zweck ersichtlich ist, welcher dem Informationszweck entspricht321. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die Auskunftsverweigerungsrechte primär sicherstellen sollen, daß erteilte Information nicht zweckwidrig verwandt werden. Sie dienen damit nur mittelbar der Abwehr von Nachteilen für die Gesellschaft, und auch nur von solchen Nachteilen, die aus einer zweckwidrigen Informationsverwendung resultieren. 3.3.2.4.6. Der Gedanke der Verwendungsbeschränkung Die bisherigen Überlegungen nahmen ihren Ausgang bei der Zweckbestimmung der Informationsnormen, welche auf die mitgliedschaftlichen Befugnisse der Gesellschafter bezogen sind. Die Möglichkeiten der Gesellschaft zur Verweigerung von Informationen wurden demgegenüber als Sicherungen gegen eine Zweckentfremdung der Information durch Gesellschafter oder durch Dritte betrachtet. Als gemeinsamer Leitgedanke läßt sich hieraus der Gedanke der Verwendungsbeschränkung entwickeln, wonach in der jeweiligen Zweckbestimmung der Unternehmensinformation auch eine Zweckbeschränkung liegt und Informationen dementsprechend nur zu dem von der Norm angestrebten Zweck verwandt werden dürfen. 3.3.2.4.6.1. Interessenausgleich allein durch Verbot der zweckwidrigen Verwendung? Der nötige Interessenausgleich zwischen dem Interesse an einer ausreichenden Information der Gesellschafter, damit diese ihre gesellschaftsrechtlichen Befugnisse wahrnehmen können, und dem Interesse der Gesellschaft an Geheimhaltung, kann praktisch allerdings nicht allein durch ein Verbot der zweckwidrigen Informationsverwendung erreicht werden. Man könnte zwar jeder Informationspflicht die weitere, diesmal den Empfänger der Information treffende, Pflicht beigeben, die erhaltene Information nur zweckentsprechend zu verwenden. Eine solche Vorgehensweise würde jedoch erhebliche Probleme aufwerfen. Zunächst könnte eine solche Pflicht nämlich nur die Informationsadressaten erreichen, was Abgrenzungsprobleme zu Personen, die zufällig Kenntnis erlangen, aufwirft. Sodann wäre die Frage nach einer geeigneten Sanktion zu klären. Sollen wirklich alle Empfänger einer Information für eine Verletzung der Normzweckbeschränkung gemäß § 280 BGB haften? Oder sollen alle Geschäfte nichtig sein, welche unter zweckwidriger Verwendung einer Information geschlossen wurden? So weitreichende Rechtsfolgen lassen sich der bloßen Statuierung von Informationspflichten nicht entnehmen. Nur im Hinblick auf die Gesellschafter läßt sich aus der Treuepflicht ableiten, daß diese Informationen, die sie in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter erlangt haben, 321
Vgl. oben Mißbrauch des Fragerechts– insbesondere bei Fn. 225, 234 – sowie REUTER, DB 1988, 2615 (2616). Zu § 112 AktG 1937 vgl. BARZ, BB 1957, 1253 (1254).
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auch nur in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter nutzen dürfen322. Jedoch ist es auch einem gutwilligen Gesellschafter bereits faktisch unmöglich, eine wettbewerbsrelevante Information, welche er in seiner Eigenschaft als Gesellschafter erhalten hat, bei ihm obliegenden Entscheidungen über die Geschäftsführung eines Konkurrenzunternehmens auszublenden323. Auch kann dem Aktionär aus der Treuepflicht keine Bindung auferlegt werden, welche ihn gegenüber Nichtaktionären, die zwangsläufig ebenfalls Kenntnis von der Information erhalten, benachteiligt. 3.3.2.4.6.2. Verwendungsbeschränkung als Leitgedanke Es verwundert daher nicht, daß das Gesetz in erster Linie auf Informationsverweigerungsrechte als Mittel gegen die Zweckentfremdung setzt. Dennoch ist der Gedanke der Verwendungsbeschränkung wichtig, weil sich aus ihm differenziertere Lösungen entwickeln lassen: Für die GmbH – und auch für die hier nicht näher betrachtete Personengesellschaft – läßt sich eine Verwendungsbeschränkung durchaus über die Treuepflicht als rechtliche Innenbindung der Gesellschafter erfassen324. Schließlich wird auch die Verschwiegenheitspflicht aus der Treuepflicht abgeleitet325. Dem Informationsrecht der Gesellschafter korrespondiert dann die Pflicht zur ausschließlich zweckentsprechenden Verwendung der Information. Demgegenüber läßt sich zwar einwenden, daß das Gesetz mit der Statuierung des Informationsverweigerungsrechts in § 51a Abs. 2 GmbHG der Schadensverhinderung Vorrang vor einem Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen die Verwendungsbeschränkung einräumt. Doch verliert der Gedanke der Verwendungsbeschränkung damit nicht seine Bedeutung. Zum einen läßt sich auch die Informationsverweigerung aus ihm heraus erklären, wenn man in ihr eine vorbeugende Sicherung des Unterlassungsanspruchs aus der Verwendungsbeschränkung sieht. Zum anderen wird die Verwendungsbeschränkung dann praktisch, wenn es mangels Besorgnis der Zweckentfremdung an einem Verweigerungsrecht fehlt und es dennoch zu einer schädigenden Zweckentfremdung kommt. Setzt der Gesellschafter die Information im Wettbewerb mit der Gesellschaft ein, so kann sich aus dem Verstoß gegen die Verwendungsbeschränkung nämlich auch dann ein Schadensersatzanspruch ergeben, wenn kein Wettbewerbsverbot besteht. Hiermit wird der Gesellschafter einer stärkeren Bindung unterworfen als nach herkömmlicher Ansicht. Ihm wird nämlich auch als nicht geschäftsführendem Gesellschafter angesonnen, der GmbH solche Geschäftschancen zu belassen, von denen er in seiner Eigenschaft als Gesellschafter, durch Ausübung seines Informationsrechts, erfahren hat326. 322
Vgl. FISCHER, NJW 1954, 777 (779); GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (216). Vgl. GRUNEWALD, ZHR 146 (1982), 211 (228); IVENS, GmbHR 1989, 273 (274); LUTTER, ZGR 1982, 1 (11); TIETZE, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 75 f. 324 Siehe die Nachweise oben in Fn. 322, 323. 325 Siehe oben Verschwiegenheitspflicht der Gesellschafter. 326 Vgl. LUTTER/BAYER, in: LUTTER/HOMMELHOFF, GmbHG, § 14 Rn. 22; ZÖLLNER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG, § 13 Rn. 34 mwN. Zur auf den Geschäftsführer bezogenen Geschäftschancenlehre siehe nur FLEISCHER, DStR 1999, 1249 ff.; ZÖLLNER/NOACK, in: BAUMBACH/ HUECK, GmbHG, § 35 Rn. 41 ff. 323
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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Gleichzeitig läßt sich die Verwendungsbeschränkung als eine Art Auslegungsleitlinie für das Informationsverweigerungsrecht in der GmbH verstehen: Wenn sich die Verwendungsbeschränkung anderweitig sichern läßt, ist ein Informationsausschluß nicht erforderlich, d.h. die Zweckentfremdung nicht zu besorgen. Erklärt sich beispielsweise der Informationsbegehrende mit der Informationserteilung an einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen einverstanden, so entfällt das Verweigerungsrecht327. Gleiches gilt, wenn der Informationsbegehrende bereit ist, sich einem individualvertraglichen Wettbewerbsverbot zu unterwerfen. Man wird in Fortführung dieser Überlegungen sogar darüber nachdenken können, in dem Gedanken der Verwendungsbeschränkung die Grundlage eines Wettbewerbsverbots zu sehen: Informiert sich ein Gesellschafter ausführlich über wettbewerbsrelevante Details, so kann er sich damit in ein – eigentlich nicht bestehendes – Wettbewerbsverbot „hineinfragen“. Es ist dann der bloße Umfang der erfragten Informationen, der dazu führt, daß der Gesellschafter der ihn rechtlich bindenden Verwendungsbeschränkung nur noch dadurch nachkommen kann, daß er sich des Wettbewerbs für eine gewisse Zeit enthält328. Es geht dann nicht mehr um die Zuweisung einer einzelnen Geschäftschance an die GmbH, sondern um die Zuweisung eines so großen Bündels von Geschäftschancen, daß dies einem Wettbewerbsverbot gleichkommt. Zugegebenermaßen führt der Gedanke der Verwendungsbeschränkung bei der Aktiengesellschaft nicht weiter. Differenzierende Lösungen lassen sich dort kaum entwickeln, weil die Verwendungsbeschränkung bei der AG in der Regel zum Ausschluß der Information führen muß, wenn eine schädigende privatnützige Verwendung droht. Dies ist, wie bereits ausgeführt, Folge der (faktischen) Öffentlichkeit der Information, welche eine Erfassung der Verwendungsbeschränkung als rechtliche Innenbindung verbietet. Die hierdurch eingeschränkten Möglichkeiten der Aktionäre, gesellschaftsrechtliche Aufgaben wahrzunehmen hat der Gesetzgeber hingenommen. Die mit der hieraus resultierenden strukturellen Schwäche der Aktionäre als Kontrollinstanz einhergehenden Probleme für die Unternehmensverfassung werden durch eine institutionelle Zuweisung von Aufgaben an andere Gremien, insbesondere den Aufsichtsrat, gelöst. 3.3.2.4.7. Ergebnis Die kapitalgesellschaftsrechtlichen Informationsverweigerungsnormen sollen eine Verwendungsbeschränkung bewirken, d.h. sicherstellen, daß Informationen nur zu dem Zweck eingesetzt werden, dem sie nach der ratio des Informationsrechts zu dienen bestimmt sind. Dies ist bei den untersuchten Normen die Unterstützung der 327
Vgl. zu einer Verpflichtung des Gesellschafters, auf die persönliche Geltendmachung seines Informationsrechts zu verzichten und einen „Treuhänder“ zwischenzuschalten BayObLGZ 1988, 413 (420) = WM 1989, 371 mwN. Siehe auch V. BITTER, ZIP 1981, 825 (830). 328 Voraussetzung dürfte allerdings sein, daß im Zeitpunkt der Geltendmachung des Informationsrechts keine für die übrigen Gesellschafter erkennbare Besorgnis der Zweckentfremdung bestand. Anderenfalls wäre die Information zu verweigern oder nur an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen oder nur gegen Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots zu erteilen gewesen.
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Gesellschafter bei der Ausübung ihrer gesellschaftsrechtlichen Befugnisse. Im GmbH-Recht läßt sich diese Verwendungsbeschränkung als rechtliche Innenbindung und Auslegungsleitlinie verstehen, welche letztlich aber auch den Informationsausschluß erfordern kann. Im Aktienrecht ist die Verwendungsbeschränkung hingegen effektiv nur durch Informationsverweigerung erzielbar. Dieser Gedanke führt dazu, daß die Auskunftsverweigerungsrechte nicht einfach als Mittel zur Schadensvermeidung verstanden werden dürfen. Interpretiert man sie vor dem Hintergrund des Informationszwecks, so zeigt sich, daß Schäden aus einer zweckentsprechenden Informationsverwendung hinzunehmen und nur bei zweckwidriger Verwendung der Information zu vermeiden sind. Jedoch können Schäden aus einer drohenden Zweckentfremdung auch dann zu einer Verweigerung der Information führen, wenn die Information durchaus (auch) zweckentsprechend verwandt werden kann und soll. In einem solchen Fall ist eine Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen erforderlich, die der Gesellschaft aus der Informationserteilung erwachsen 329. Insgesamt läßt sich damit sagen, daß die gesellschaftsrechtlichen Auskunftsverweigerungsrechte den Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaften ausreichend Rechnung tragen. Sie erlauben den Gesellschaften, technologische Innovationen sowie finanzielle und strategische Daten geheimzuhalten. Dabei haben sie insbesondere die Gefahren im Blick, die der Gesellschaft aufgrund einer zweckentfremdeten Nutzung der Information durch Gesellschafter oder Dritte drohen. Gefahren für den Wettbewerb, die aus einem kartellrechtlich unerwünschten Informationsfluß resultieren können, thematisieren sie nicht. Dies liegt insbesondere darin begründet, daß die Auskunftsverweigerungsrechte lediglich als Möglichkeit der Gesellschaft ausgestaltet sind, die sich hierauf berufen kann, aber nicht muß. Aus diesem Grund kann ein solcher Informationsfluß nur durch Normen aus dem sachnäheren Kartellrecht gestoppt werden. Die jeweiligen Informationsnormen des Gesellschaftsrechts erweisen sich hierfür jedoch durchaus als anschlußfähig, weil sich in solchen Fällen zumindest über den Nachteilsbegriff ein Auskunftsverweigerungsrecht annehmen läßt, welches durch die kartellrechtliche Verbotsnorm zur Auskunftsverweigerungspflicht wird.
3.3.3. Kapitalmarktrecht: Ad-hoc-Publizität gemäß § 15 WpHG Kapitalmarktrechtliche Informationen dienen dem Interesse Außenstehender. Sie richten sich an die Anleger, den Markt. Grundlage der Kapitalmarktpublizität ist 329
Siehe oben Allgemeines (AG). Die Interessen der Gesellschafter sollten auch bei der GmbH ausgeblendet werden (siehe dazu aber oben Nachteilszufügung). Dies ergibt sich schon daraus, daß die Informationsrechte den Gesellschaftern nur im Interesse der Gesellschaft eingeräumt sind (Normzweck, Normzweck des § 131 AktG: Der Aktionär als Gesellschafter, nicht als Kapitalanleger). Außerdem werden die Gesellschafterinteressen bereits dadurch gewahrt, daß lediglich die – von dem Gesellschafter zu verantwortende – Besorgnis der Zweckentfremdung zu einer Informationsverweigerung führen kann. Zudem kann diese Besorgnis häufig auch dadurch entkräftet werden, daß die Information einem zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen erteilt wird, der dem Gesellschafter nur in allgemeiner Weise Bericht erstattet.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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zunächst die Transparenzrichtlinie aus 2004330. Diese Richtlinie knüpft an die Rechnungspublizität an und nutzt diese kapitalmarktrechtlich, indem sie Regelungen über Halbjahres- und Quartalsberichte (Art. 4 ff.), über Informationen über bedeutende Beteiligungen (Art. 9 ff.) sowie – an der Grenze zum Gesellschaftsrecht – über Informationen für die Inhaber (Art. 17 f.) trifft. Umgesetzt wurde sie durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)331. Jedoch sind auch im Kapitalmarktrecht die allgemeinen Informationspflichten nicht Thema dieses Beitrags. Vielmehr wird auch hier die Verpflichtung zu spezifischen Informationen im Einzelfall in den Mittelpunkt gerückt. Angesprochen ist damit die sogenannte Ad-hoc-Publizität. Nur diesbezüglich ist eine Befreiungsnorm – oder besser: Aufschubnorm – vorgesehen. Auch im Kapitalmarktrecht lassen sich die Normen über die Auskunftsverweigerung, d.h. über die (zeitweise) Befreiung von einer Informationspflicht, nur dann sinnvoll behandeln, wenn man sich zuvor des Grundtatbestandes, d.h. der Informationspflicht, vergewissert hat. Es ist daher zunächst die Informationspflicht zu erläutern, bevor der Konflikt mit den Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft und dessen gesetzliche Lösung behandelt werden können.
3.3.3.1. Historische Entwicklung und europarechtliche Grundlagen Zunächst soll ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung der Ad-hocPublizität und ihre europarechtlichen Grundlagen gegeben werden 332: Die Ad-hocPublizitätspflicht beruhte anfangs auf der Börsenzulassungsrichtlinie von 1979333 und wurde 1987 in § 44a BörsG a.F. in das deutsche Recht transformiert. Durch die Insiderrichtlinie wurde 1989 der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht erweitert334; der deutsche Gesetzgeber schuf im Zuge der Umsetzung mit dem 2. Finanzmarktförderungsgesetz (2. FFG) 1995 das WpHG. Die Börsenzulassungsrichtlinie wurde sodann 2001 durch die Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie335 ersetzt, welche in ihrem Art. 68 die Regelungen zur Ad-hoc-Publizität aufnahm. Im Jahr 2002 änderte der deutsche Gesetzgeber die Vorschriften durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz (4. FFG), das mit den §§ 37b, 37c WpHG neue Haftungsnormen 330
Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG. 331 BGBl. I 2007, 10. 332 Vgl. die ausführlichen Darstellungen von MÖLLERS, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 3 Rn. 1 ff.; SCHULTE, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 4 Rn. 12 ff., 39 ff., 55 ff., 67 ff., 71 ff.; ZIMMER, in: SCHWARK, Kapitalmarktrechtskommentar, § 15 WpHG Rn. 1 ff. 333 Art. 13 iVm Schema C Nr. 5 lit. a), Schema D, A Nr. 4 lit. a) Börsenzulassungsrichtlinie 79/ 279/EWG vom 05.03.1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, ABl. L 066, 21 ff. 334 Art. 7 Insiderrichtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. L 334, 30 ff. Dazu SCHULTE, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 4 Rn. 64. 335 Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.05.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, Abl. L 217, 18 ff.
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schuf, welche die zivilrechtliche Geltendmachung von aufgrund falscher oder unterlassener Ad-hoc-Meldungen entstandener Schäden ermöglichte. Anschließend wurde der europäische Gesetzgeber wieder aktiv und ersetzte 2003 die in der Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie enthaltenen Regeln über die Ad-hoc-Publizität durch Art. 6 Marktmißbrauchsrichtlinie336, welcher die schon durch die Insiderrichtlinie begründete Entwicklung, die Ad-hoc-Publizität in einem engen Zusammenhang mit der Insiderproblematik zu normieren, abschließt. Diese Neuregelung wurde durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz 2004 in das deutsche Recht transformiert337; Änderungen erfolgten durch das TUG.
3.3.3.2. Normzweck Ziel der Publizitätspflicht ist der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch die Schaffung von Transparenz338. Gefördert werden soll die allokative und institutionelle Effizienz des Kapitalmarktes 339. Zu diesem Zweck soll die Ad-hocPublizität zunächst zur Bildung realistischer Wertpapierpreise, welche den wahren Wert der Aktie widerspiegeln, beitragen, und so das Vertrauen der Anleger stärken340. Weiterhin soll sie den Insiderhandel verhindern und auf diese Weise einer Erschütterung des Anlegervertrauens vorbeugen 341. Schließlich hat sie die Aufgabe, die Regelpublizität in Form der Zwischenberichts- und aktienrechtlichen Jahresabschlußpublizität zu ergänzen342, wobei diese Ergänzungsfunktion rein
336
Marktmißbrauchsrichtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmißbrauch), Abl. L 96, 16 ff. Siehe auch die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, Abl. L 339, 70 ff. 337 Der Regierungsentwurf (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, wurde von Bundestag und Bundesrat in der Fassung des Ausschußberichtes, 01.07.2004, BTDrs. 15/3493, beschlossen. 338 FÜRHOFF, AG 2003, 80 (83); FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (449); KRAUSE, ZGR 2002, 799 (800 f.); ZIMMER, in: SCHWARK, Kapitalmarktrechtskommentar, § 15 WpHG Rn. 8. 339 ZIMMER, in: SCHWARK, Kapitalmarktrechtskommentar, § 15 WpHG Rn. 8. 340 Regierungsbegründung (2. FFG), 27.01.1994, in: BT-Drs. 12/6679, 48; Finanzausschuß des Deutschen Bundestages (2. FFG), 14.06.1994, in: BT-Drs. 12/7918, 102; KRAUSE, ZGR 2002, 799 (800); ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 18, 20; MÖLLERS, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 3 Rn. 43; ZIMMER, in: SCHWARK, Kapitalmarktrechtskommentar, § 15 WpHG Rn. 9. 341 Regierungsbegründung (2. FFG), 27.01.1994, in: BT-Drs. 12/6679, 48; Finanzausschuß des Deutschen Bundestages (2. FFG), 14.06.1994, in: BT-Drs. 12/7918, 102; FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (449); KRAUSE, ZGR 2002, 799 (800); ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 31 f.; MÖLLERS, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 3 Rn. 43; GEIBEL, in: Schäfer, § 15 WpHG Rn. 1 f.; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 10. 342 FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (449); HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (147 f.); KRAUSE, ZGR 2002, 799 (801); ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 35 f.; MÖLLERS, ZGR 1997, 334 (344); ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 12; vgl. dazu auch SCHULTE, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 4 Rn. 27, der insofern auf die Börsenzulassungsrichtlinie (79/279/EWG) verweist.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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kapitalmarktrechtlich motiviert ist, schließlich werden nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften nicht erfaßt. Problematisch ist, inwieweit der Ad-hoc-Publizität neben diesem institutionellen Normzweck, noch die ratio des individuellen Anlegerschutzes unterliegt. Dabei wird diese Thematik häufig allein unter dem engen Blickwinkel einer möglichen Schutzgesetzqualität des § 15 WpHG betrachtet. Unter diesem Aspekt geht die fast einhellige Ansicht davon aus, daß § 15 WpHG ausschließlich im öffentlichen Interesse bestehe und der Schutz der Anleger lediglich ein Reflex sei343. Verwiesen wird dabei auf die Gesetzesmaterialien344 sowie insbesondere § 15 Abs. 6 WpHG345. Über diese Betrachtungsweise geht ein Teil der Literatur hinaus und bejaht eine individualschützende Funktion der Ad-hoc-Publizität, ohne auf diese Weise das Ergebnis zum fehlenden Schutzgesetzcharakter des § 15 WpHG in Frage stellen zu wollen. Grundlage ist dabei die Erkenntnis von Hopt, daß der Funktionsschutz des Kapitalmarktes und der Individualschutz der Anleger zwei Seiten derselben Medaille sind346. Hiervon ausgehend kann aus den durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz eingefügten §§ 37b, 37c WpHG gefolgert werden, daß § 15 WpHG materiell individualschützende Funktion hat, auch wenn er kein Schutzgesetz ist347. Es wäre in der Tat merkwürdig, wollte man dem zentralen Anknüpfungspunkt der ohne Zweifel individualschützenden Normen der §§ 37b, 37c WpHG die individualschützende Wirkung absprechen. Die Behauptung der Gesetzesbegründung, Schutzgut des § 15 WpHG sei (nur) die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes348, ist angesichts der individualschützenden 349 Haftungsnormen, fragwürdig. Eine normative Qualität kann ihr ohnehin nicht zukommen. Der gesetzliche Ausschluß des § 823 Abs. 2 BGB läßt sich zwanglos als gesetzliche Konkurrenzre343
CASPARI, ZGR 1994, 530 (533) [zur Schutzrichtung der Insiderregeln]; FRANKEN/HEINSIUS, in: FS Budde, 213 (222); FÜRHOFF, AG 2003, 80 (81); GEIBEL, in: SCHÄFER, § 15 WpHG Rn. 3, 150; KÜMPEL, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.220 ff.; REICHERT/WELLER, ZRP 2002, 49 (53); STEINHAUER, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 134; WALDHAUSEN, Die adhoc-publizitätspflichtige Tatsache, 50; WEBER, BB 1995, 157 (164); ZIMMER, in: SCHWARK (Hrsg.), § 15 WpHG Rn. 8; aA GEHRT, Die neue ad-hoc-Publizität, 24 f., 195 ff., 212. 344 Regierungsbegründung (4. FFG), 14.11.2001, in: BR-Drs. 936/01 (neu), 245; Finanzausschuß des Deutschen Bundestages (2. FFG), 14.06.1994, in: BT-Drs. 12/7918, 102. 345 BVerfG, NJW 2003, 501 (502) [siehe auch die einstweilige Anordnung BVerfG, DB 2002, 2588 f.]; BGH, DStR 2004, 1486 (1487 f.); GROß, WM 2002, 477 (482); HORN, in: FS Ulmer, 817 (819); KRAUSE, ZGR 2002, 799 (809 mwN in Fn. 59 f., 812 ff.); ASSMANN, in: ASSMANN/ SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 27 f., 307; RÜTZEL, AG 2003, 69 (72); ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 8. 346 HOPT, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 334 ff.; DERS., ZGR 1991, 17 (26 f.); DERS., ZHR 159 (1995), 135 (159); DERS., in: HADDING/HOPT /SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 3 (6 f.). Diese Erkenntnis an sich hat viel Zustimmung erfahren, vgl. nur KRAUSE, ZGR 2002, 799 (810, mwN in Fn. 73 auf S. 811). 347 MÖLLERS, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 3 Rn. 48, der in Fn. 141 ausdrücklich darauf hinweist, daß § 15 WpHG damit nicht zum Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB wird. So auch bereits V. KLITZING, Ad-hoc-Publizität, 53 f. 348 Regierungsbegründung (4. FFG), 14.11.2001, in: BR-Drs. 936/01 (neu), 245. 349 Regierungsbegründung (4. FFG), 14.11.2001, in: BR-Drs. 936/01 (neu), 260.
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gel begreifen, welche die normalerweise gegebene Anspruchskonkurrenz aufhebt und den Vorrang der Spezialnormen der §§ 37b, 37c WpHG anordnet350. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß die europarechtlichen Vorgaben den Anlegerschutz explizit ansprechen351.
3.3.3.3. Voraussetzungen der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität Bei der Erörterung der Informationspflicht kann hier nicht allein die sich nach der Umsetzung der Marktmißbrauchsrichtlinie durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz ergebende Rechtslage dargestellt werden. Zum besseren Verständnis der Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizität ist es vielmehr erforderlich auch auf die alte Rechtslage einzugehen. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG idF des 4. FFG lautete: „Der Emittent von Wertpapieren, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, muß unverzüglich eine neue Tatsache gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 veröffentlichen, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten und nicht öffentlich bekannt ist, wenn sie wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen, oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen kann.“
Durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz sowie das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz erhielt die Norm (§ 15 Abs. 1 S. 1, 2, 3 WpHG) die folgende Fassung: „1Ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten muss Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen; er hat sie außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln. 2Als Inlandsemittent gilt im Sinne dieser Vorschrift auch ein solcher, für dessen Finanzinstrumente erst ein Antrag auf Zulassung gestellt ist. 3Eine Insiderinformation betrifft den Emittenten insbesondere dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind.“
Der für die Ad-hoc-Publizität neue Begriff der Insiderinformation ist in § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG definiert: „Eine Insiderinformation ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.“
Der Begriff der ‚neuen Tatsache‘ wurde damit durch den Begriff der ‚konkreten Information über nicht öffentlich bekannte Umstände‘ ersetzt. Das Merkmal der 350 351
So auch SETHE, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, §§ 37b, 37c Rn. 104. Vgl. nur Erwägungsgrund 43 Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) sowie Erwägungsgrund 4 Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG). Ausführlich: SCHULTE, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 4 Rn. 11, dort insbesondere Fn. 32, sowie Rn. 68.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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‚Eignung zur Beeinflussung des Börsenpreises‘ findet sich hingegen auch in der Neuregelung wieder, welche allerdings auf eine nähere Umschreibung des auslösenden Faktors der Kursbewegung verzichtet und so den Anwendungsbereich der Regelung erweitert. Nachfolgend soll jetzt auf die wesentlichen Tatbestandsmerkmale eingegangen werden. Dabei kann es nicht um eine erschöpfende Darstellung der mit diesen Merkmalen verbundenen Zweifelsfragen gehen; es soll vielmehr ein Überblick gegeben werden, um den Anwendungsbereich des § 15 WpHG besser erfassen zu können. 3.3.3.3.1. Insiderinformation (§§ 15 Abs. 1 S. 1, 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) Wie bereits erwähnt, knüpft die Neuregelung der Ad-hoc-Publizität nicht mehr an den Begriff der ‚neuen Tatsache‘352, sondern an den Begriff der ‚Insiderinformation‘ an. Diese Integration der Ad-hoc-Publizität in das – ebenfalls reformierte – Insiderrecht schließt eine Entwicklung ab, welche auch schon bisher zu einer immer engeren Verzahnung von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität geführt hatte. Bereits nach altem Recht deckten sich die Begriffe ‚Insidertatsache‘ und ad-hocpublizitätspflichtige Tatsache insoweit, als beide eine nicht öffentlich bekannte Tatsache sowie die Eignung zur Kursbeeinflussung voraussetzten 353. Unterschiede bestanden jedoch aufgrund einschränkender Voraussetzungen bei der Ad-hoc-Publizität. Dort mußte die Tatsache im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sein und die Kursrelevanz mußte aufgrund von Auswirkungen der Tatsache auf die Vermögens- oder Finanzlage der Gesellschaft bestehen. Ferner erfaßte die Ad-hoc-Publizitätspflicht keine Unternehmen, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt wurden. Das Insiderrecht hatte also einen größeren Anwendungsbereich als die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität354. An diesen Unterschieden hat sich auch durch die Neuregelung nicht viel geändert355. Entfallen ist lediglich das Erfordernis der Rückführbarkeit der Eignung zur Kursbeeinflussung auf bestimmte Faktoren. Außerdem ist das Merkmal des Eintre-
352
Nach altem Recht waren alle Tatsachen „neu“, die nicht öffentlich bekannt waren (GEIBEL, in: SCHÄFER, § 15 WpHG Rn. 36; V. KLITZING, Ad-hoc-Publizität, 89 f.; ASSMANN, in: ASSMANN/ SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 10, 51; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 38 f. Demgegenüber will eine andere Ansicht die Neuheit der Tatsache nicht aus der Sicht der Öffentlichkeit, sondern des Unternehmens betrachten, so daß es Tatsachen geben kann, die zwar nicht öffentlich bekannt, aber „alt“ sind, so daß keine Publizitätspflicht besteht: BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 37 ff.; SCHÄFER, in: DREYLING/SCHÄFER, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Rn. 373 ff.); durch einen zwischenzeitlichen Verstoß gegen die Regelpublizitätspflicht wurde die Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht gesperrt, die Tatsache galt weiterhin als „neu“ (ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 39; aA SCHÄFER, in: DREYLING/SCHÄFER, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Rn. 376). 353 Dabei wurde jedoch vielfach von einem unterschiedlichen Tatsachenbegriff in beiden Normen ausgegangen. Vgl. nur HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (152) sowie ASSMANN, in: ASSMANN/ SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 51 (Verweis auf § 15 Rn. 36 der dritten Auflage). 354 ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 14. 355 Vgl. Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), S. 40. Zur rechtlichen Einordnung des Emittentenleitfadens als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift siehe CLAUSSEN/FLORIAN, AG 2005, 745 (747); MERKNER/SUSTMANN, NZG 2005, 729 (730).
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tens im Tätigkeitsbereich des Emittenten zu einem Regelbeispiel für das neue Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit geworden (§ 15 Abs. 1 S. 3 WpHG n.F.)356. Emittenten, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt werden, sind weiterhin von der Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität ausgenommen357 und die Ad-hoc-Publizitätspflicht wird nur durch unmittelbare Betroffenheit ausgelöst, während für das Insiderhandelsverbot auch ein (mittelbarer) Emittenten- oder Wertpapierbezug ausreicht358. Diese Unterschiede betreffen jedoch allgemein den Anwendungsbereich der Normen, nicht jedoch den Begriff der Insiderinformation. Die entscheidende Neuerung liegt darin, daß die dem Insiderrecht und der Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität zugrundeliegenden unterschiedlichen Tatsachenbegriffe jetzt einheitlich zur Insiderinformation geworden sind. Es ist daher nach der neuen Rechtslage nicht mehr möglich, über einen gegenüber dem Insiderrecht engeren Tatsachenbegriff den Anwendungsbereich des § 15 WpHG einzuschränken und so etwa Entscheidungen, die noch der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen, aus dem Tatsachenbegriff auszuscheiden359. Diese Konstellationen sind nun über die Aufschubnorm des § 15 Abs. 3 WpHG n.F. zu lösen 360. 3.3.3.3.1.1. Konkrete Information über Umstände (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) Durch die Definition der Insiderinformation als konkrete Information über Umstände wird der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht erweitert. Denn durch die Verwendung des Begriffs „Umstände“ lehnt sich der Gesetzgeber bewußt an andere Normen an, die diesen Begriff verwenden, um außer Tatsachen361 auch
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Vgl. Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/ 3174, 27. Zum Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit vgl. Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), S. 41 f. 357 Kritisch hierzu der DAV, NZG 2004, 703 (704); GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (906). 358 Vgl. Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/ 3174, 33. Dies entspricht auch dem europäischen Recht wie ein Vergleich von Art. 1 Nr. 1 mit Art. 6 Abs. 1 Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) zeigt. Vgl. auch DIEKMANN/SUSTMANN, NZG 2004, 929 (934); KUTHE, ZIP 2004, 883 (885); SIMON, Der Konzern 2005, 13 (14). 359 Siehe auch CAHN, Der Konzern 2005, 5 (6); HARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1899); KUTHE, ZIP 2004, 883 (884); MÖLLERS, WM 2005, 1393 (1394 f.); SIMON, Der Konzern 2005, 13 (14). Zur Bedeutung der Marktmißbrauchsrichtlinie in diesem Zusammenhang siehe G RIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (906). Zum alten Recht vgl. H OPT , ZHR 159 (1995), 135 (152); KIEM/ KOTTHOFF, DB 1995, 1999 (1999 ff.); ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 34 f. 360 Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, 34 f. Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 lit. b) Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) zur Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG). Siehe auch DIEKMANN/SUSTMANN, NZG 2004, 929 (934 f.); GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (906, 908); FÜRHOFF, AG 2003, 80 (80); ZIEMONS, NZG 2004, 537 (541). 361 Der Tatsachenbegriff umfaßt alle dem Beweis zugänglichen Vorgänge und Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens. So zur alten Rechtslage BRAUN, in: MÖLLERS/ ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 2; KÜMPEL/ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 55 mwN; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 31 mwN; gegen die Einbeziehung innerer Tatsachen V. KLITZING, Ad-hoc-Publizität, 75 ff., 77; ausführlich zu dieser Streitfrage BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 20 ff. mwN.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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Werturteile, Meinungsäußerungen und Prognosen zu erfassen 362. Die Regierungsbegründung spricht davon, daß „auch überprüfbare Werturteile und Prognosen“ umfaßt seien 363. Demgegenüber war nach der alten Rechtslage nicht eindeutig, ob in den Tatsachenbegriff alten Rechts auch Pläne, Meinungen, Prognosen oder gar Gerüchte einbezogen werden konnten364. Weiter nähern kann man sich dem Begriff der konkreten Information durch einen Rückgriff auf die zugrundeliegenden europäischen Rechtsakte, deren Umsetzung das Anlegerschutzverbesserungsgesetz dient365. So spricht Art. 1 Nr. 1 Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) von einer präzisen Information. Art. 1 Abs. 1 der entsprechenden Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) konkretisiert dies dahingehend, daß eine Information dann als präzise anzusehen ist, „wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.“
Unklar bleibt, warum der deutsche Gesetzgeber in Abweichung von dem Wortlaut der Richtlinie den Begriff der ‚konkreten Information‘ an die Stelle des Begriffs der ‚präzisen Information‘ gesetzt hat. Gänzlich undurchsichtig wird es dann, wenn die Regierungsbegründung an der Stelle, an der die Durchführungsrichtlinie (2003/124/ EG) fordert, daß die Information ‚spezifisch genug‘ sein müsse, den Ausdruck ‚konkret genug‘ verwendet366. Im Ergebnis wird man im Wege richtlinienkonformer Auslegung des Merkmals ‚konkret‘ auf die Definition in der Durchführungsrichtlinie zurückgreifen, welche sich sprachlich ohne weiteres – evtl. sogar besser – in dem Wort ‚konkret‘ zusammenfassen läßt. § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG stellt im Sinne der europarechtlichen Vorgaben schließlich noch klar, daß auch solche Umstände unter S. 1 fallen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft eintreten 362
So die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drs. 15/3493, 51, welche auf das 4. FFG verweist; vgl. hierzu § 20a WpHG sowie VOGEL, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 20a Rn. 52. Siehe auch DIEKMANN/SUSTMANN, NZG 2004, 929 (930 f.); KUTHE, ZIP 2004, 883 (884); RODEWALD/TÜXEN, BB 2004, 2249 (2249); ZIEMONS, NZG 2004, 537 (538, 541). 363 Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, 33; siehe auch Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), S. 19 f. Gerüchte sollen nicht erfaßt sein, siehe hierzu CAHN, Der Konzern 2005, 5 (7). 364 Bejahend KÜMPEL/ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 56 f.; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 32 f. (beide mwN auch zu anderen und differenzierenden Auffassungen), die als Tatsache jedoch nicht den jeweiligen Inhalt, sondern die Existenz der Pläne, Prognosen etc. bzw. der zugrundeliegenden Umstände ansahen. Vgl. auch VGH Kassel, NJWRR 1999, 120 (120 f., 122) [Vorinstanz: VG Frankfurt a.M., NJW-RR 1998, 625 (625 f.)] sowie BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 6 ff. mwN. 365 Diesen Weg geht auch die Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, 33 f. 366 Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, 34.
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werden. Die Bezugnahme auf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit soll dabei die Erfassung bloßer Gerüchte ausschließen367. Der Auffassung, daß etwa Verhandlungen über Unternehmenszusammenschlüsse solange als nicht hinreichend konkret anzusehen sind, wie der Erfolg der Transaktion ungewiß ist368, kann somit nicht gefolgt werden369. 3.3.3.3.1.2. Nicht öffentlich bekannt (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) Die fraglichen Umstände dürfen ferner ‚nicht öffentlich bekannt‘ sein. Dieses Merkmal spielt eine wichtige Rolle für die Ermittlung des Anwendungsbereiches der Ad-hoc-Publizität. Denn sein Verständnis ist entscheidend für die Ermittlung des Adressatenkreises von ad hoc zu publizierenden Tatsachen. Aus dem Adressatenkreis lassen sich wiederum Rückschlüsse auf das Verhältnis der Ad-hoc-Publizität zu anderen Publizitätspflichten, etwa der Regelpublizität ziehen. Zur Ermittlung des Bedeutungsgehalts dieses Merkmals kann im wesentlichen auf die alte Rechtslage zurückgegriffen werden, da Neuerungen nicht beabsichtigt waren370. Allgemein wird versucht, sich dem Verständnis dieses Merkmals über eine negative Definition zu nähern. Gefragt wird also, wann eine Tatsache öffentlich bekannt ist. Die herrschende Meinung hält eine Tatsache dann für öffentlich bekannt, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen Kenntnis von ihr hat oder haben könnte371. Umstritten ist, ob mit dieser unbestimmten Anzahl von Personen die breite Öffentlichkeit372 oder – so die überwiegende Meinung – lediglich eine Bereichsöffentlichkeit373 gemeint ist. Die überwiegende Meinung verweist insofern auf § 15 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG a.F.374, der eine Veröffentlichung über ein elektronisches Informationssystem ge367
Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, 34. Vgl. zum Verhältnis von § 13 Abs. 1 S. 1 und S. 3 WpHG auch CAHN, Der Konzern 2005, 5 (6). 368 DIEKMANN/SUSTMANN, NZG 2004, 929 (930), welche diese Konsequenz an späterer Stelle (ebenda, 935) selbst nicht mehr zu ziehen scheinen. 369 Siehe auch Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), S. 51 f.; H ARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1900 f.). 370 Die Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/ 3174, geht auf das Merkmal nicht näher ein. 371 Regierungsbegründung (2. FFG), 27.01.1994, in: BT-Drs. 12/6679, 46, 48; ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 13 Rn. 34; BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 41; WITTICH, AG 1997, 1 (3); ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 42. 372 BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, § 8 Rn. 43; HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (153 f.); DERS., ZGR 1997, 1 (24 f.); MÖLLERS, ZGR 1997, 334 (358 f.); NOACK, ZGR 1998, 592 (608); VEIL, ZHR 167 (2003), 365 (384). So auch noch ASSMANN, AG 1994, 196, 237 (252). 373 LG München I, NJW-RR 2001, 1701 (1702). Aus der Literatur: ASSMANN, ZGR 1994, 494 (511 f.); FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (451); GEIBEL, in: SCHÄFER, § 15 WpHG Rn. 46 mwN; ASSMANN, in: ASSMANN/S CHNEIDER, WphG, § 13 Rn. 34 ff.; MERKT, RabelsZ 64 (2000), 517 (530 f.); SCHÄFER, in: DREYLING/SCHÄFER, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Rn. 384; STEINHAUER, Ad-hoc-Publizität, 123; WALDHAUSEN, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 186 f.; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 43 mwN. 374 Dies entspricht § 15 Abs. 5, 7 WpHG n.F. iVm den Vorschriften der WpAIV; diese beschränkt sich jedoch nicht auf die Herstellung der Bereichsöffentlichkeit, siehe unten bei Fn. 386.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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stattete, welches bei Kreditinstituten, zum Handel an der Börse zugelassenen Unternehmen und Versicherungsunternehmen weit verbreitet ist375. Es sei widersinnig, wenn bei einer ordnungsmäßigen Veröffentlichung nach dieser Vorschrift, die Adhoc-Publizitätspflicht nach Abs. 1 weiterbestehen solle376. Dieser Auffassung, der auch die BaFin für das neue Recht anzuhängen scheint377, kann jedoch nicht gefolgt werden. Maßgeblich ist die Kenntnis der breiten Öffentlichkeit. So zutreffend die Auslegung der nationalen Vorschrift des § 15 WpHG a.F. durch die herrschende Meinung nach Gesetzgebungsgeschichte, Wortlaut und systematischen Zusammenhang auch sein mag, so übergeht sie doch die gebotene europarechtskonforme Auslegung378. So bezog sich Art. 68 Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie (2001/34/EG), welcher die Vorschrift der Börsenzulassungsrichtlinie als europarechtliche Grundlage der Ad-hoc-Publizitätspflicht abgelöst hatte, eindeutig auf die breite Öffentlichkeit. Die in Art. 102 zugelassenen Veröffentlichungswege führten sämtlich zu einer Information der breiten Öffentlichkeit379. Zwar war den Mitgliedstaaten dort gestattet, auch andere Wege als gleichwertig anzuerkennen; jedoch mußte die Gleichwertigkeit im Sinne eines effet utile als materielle Gleichwertigkeit verstanden werden, die nicht allein durch einen formalen Akt der Anerkennung durch die zuständigen Behörden begründet wird. Es war Deutschland daher verwehrt, die Information einer Bereichsöffentlichkeit der Information der breiten Öffentlichkeit gleichwertig zu erachten. Hieran hat sich durch die Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) und die Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) nichts geändert; diese verlangt in Art. 6 Abs. 1 die Unterrichtung der Öffentlichkeit380 – ohne eine mögliche Einschränkung vorzusehen. Die Ausführungsrichtlinie (2003/124/EG der Kommission) verweist in ihrem Art. 2 Abs. 1 auf die bereits erwähnten Art. 102 Abs. 1, 103 der Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie (2001/34/EG), die eine Veröffentlichung in im ganzen Staatsgebiet verbreiteten Zeitungen vorsehen 381. Auch die Aufhebung der Art. 102 f. Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie (2001/34/EG) durch Art. 32 Nr. 6 Transparenzrichtlinie ändert hieran inhaltlich nichts, da nun Art. 21 Transparenzrichtlinie eingreift, der ebenfalls ohne Einschränkung von „Öffentlich375
ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 13 Rn. 35. vgl. auch Regierungsbegründung (2. FFG), 27.01.1994, in: BT-Drs. 12/6679, 46, 48. 376 ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 43. 377 Der Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), S. 20 f. ist insofern allerdings nicht ganz eindeutig. Einerseits wird auf den Begriff der Bereichsöffentlichkeit zurückgegriffen. Andererseits wird auch von einem „breiten Anlegerpublikum“ gesprochen und Bereichsöffentlichkeit dahingehend definiert, daß jeder interessierte Marktteilnehmer die Möglichkeit hat, von der Information Kenntnis zu nehmen. 378 Zu der nachfolgenden europarechtlichen Argumentation vgl. auch BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 43; HIRTE, in: HADDING/HOPT /SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (65 ff.); MÖLLERS, ZGR 1997, 334 (358 f.); NOACK, ZGR 1998, 592 (608 f.). So auch noch ASSMANN, AG 1994, 196, 237 (252). 379 Diesen Aspekt übersieht HANSEN, [2004] EBLR 183 (194 f.), der aus europarechtlicher Sicht in Richtung einer Bereichsöffentlichkeit tendiert und dies ökonomisch begründet. 380 Vgl. GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (907). 381 Kritisch dazu GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (907).
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keit in der gesamten Gemeinschaft“ (Abs. 1) spricht. Auch die Empfehlung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR)382 läßt sich nicht dahingehend lesen, daß eine Bereichsöffentlichkeit ausreicht383. Aber auch innerhalb des deutschen Rechts läßt sich die These von der Bereichsöffentlichkeit mit guten Gründen anzweifeln, wenn man § 15 WpHG richtigerweise auch die Zielsetzung des Anlegerschutzes unterlegt384. Dem kann seitens der noch herrschenden Auffassung nicht entgegnet werden, angesichts der zunehmenden Einstellung der Information auch in das Internet gebe es immer weniger Fälle, in denen nur eine Bereichsöffentlichkeit bestehe385. Denn zum einen geht es darum, die Zielrichtung der Ad-hoc-Publizität zu ermitteln. Hierfür ist es wichtig zu wissen, welche Pflicht rechtlich besteht. Reicht eine Bereichsöffentlichkeit ggfls. aus oder muß die breite Öffentlichkeit informiert werden? Zum anderen reicht eine faktische Europarechtskonformität nicht aus, diese muß vielmehr durch Rechtsvorschriften hergestellt sein. Schließlich hält § 5 S. 1 Nr. 2 WpAIV, der § 15 WpHG konkretisiert, für das deutsche Recht mittlerweile fest, daß eine Bekanntgabe über ein weitverbreitetes elektronisches Informationssystem nicht ausreicht, sondern, daß die Mitteilung zudem auf der Internetseite des Emittenten eingestellt werden muß386. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß eine Tatsache dann nicht öffentlich bekannt ist, wenn sie der breiten Öffentlichkeit unbekannt ist. Die Herstellung einer Bereichsöffentlichkeit reicht somit nicht aus, um der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu genügen. Am Rande sei noch angemerkt, daß – geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, daß zur Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht Öffentlichkeit und nicht bloß Bereichsöffentlichkeit herzustellen ist – sich auch der Streit um die Perspektive, aus der die Richtigkeit einer Ad-hoc-Mitteilung zu beurteilen ist, auflöst. Es läßt sich dann nicht mehr vertreten, daß die Kenntnisse und der Verständnishorizont der professionellen Marktteilnehmer, welche die Bereichsöffentlichkeit bilden, bei der Auslegung einer Ad-hoc-Mitteilung zugrundezulegen sind 387. Es ist vielmehr auf den Kenntnisstand und Verständnishorizont eines objektiven durchschnittlichen Anlegers abzustellen388. 382
Committee of European Securities Regulators (CESR), http://www.cesr-eu.org. Es handelt sich um das Dokument „CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive“, CESR/02-89d vom 31.12.2002. Einschlägig ist Empfehlung Nr. 57 auf S. 21. 383 So aber wohl ZIEMONS, NZG 2004, 537 (542). 384 So unter Verweis auf die neuen §§ 37b, 37c WpHG VEIL, ZHR 167 (2003), 365 (384). Vgl. auch schon ASSMANN, AG 1994, 196, 237 (252). Zum Ziel des Anlegerschutzes im Rahmen von § 15 WpHG vgl. Normzweck. 385 So aber noch KÜMPEL/ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 53; siehe auch WÖLK, AG 1997, 73 (75 f.). 386 Dies gilt zwar nur, wenn der Emittent eine Internetseite hat, jedoch dürfte dies faktisch immer der Fall sein. Siehe auch VERSTEEGEN, in: KölnerKommentar-WpHG, § 15 Anh. - § 5 WpAIV Rn. 3 f. (2007). 387 So aber LG München I, NJW-RR 2001, 1701 (1702). AA auch für den Fall, daß Bereichsöffentlichkeit ausreicht, OLG München, ZIP 2002, 1989 (1990). 388 OLG München, ZIP 2002, 1989 (1990); ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 43.
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3.3.3.3.1.3. Kursrelevanz (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) Auch das Merkmal der Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung (Kursrelevanz) ist aus dem alten Recht bekannt. Die Auslegung dieses Begriffs war dabei problematisch. Diskutiert wurde insbesondere, welche Kriterien zur Ermittlung der Kursrelevanz heranzuziehen seien, der nötige Wahrscheinlichkeitsgrad für die Beeinflussung und ob für die Erheblichkeit eine feste Schwelle von beispielsweise 5 % angenommen werden könne389. Diesen Unsicherheiten begegnet die Neuregelung nun, indem sie die Eignung dann bejaht, „wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“390. Es wird somit ein subjektiver Maßstab gewählt und auf die Fixierung bestimmter Schwellenwerte bewußt verzichtet391. Nicht aus dem alten Recht übernommen wurde das weitere Erfordernis, daß sich die Kursrelevanz aus den Auswirkungen der Insiderinformation „auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten“ ergibt. In dem Verzicht auf dieses Merkmal liegt eine Ausweitung der Ad-hoc-Publizität, deren Bindung an die Regelpublizität auf diese Weise gelockert wird. Nach altem Recht diente dieses Merkmal nämlich der weiteren Eingrenzung der publizitätspflichtigen Tatsachen gegenüber den Insidertatsachen392. In sachlicher Hinsicht gehörten nach bestrittener Auffassung hierzu nur Tatsachen, die auch der Regelinformation (§§ 264, 289 HGB) unterliegen393, in zeitlicher Hinsicht erst die den unternehmensinternen Willensbildungsprozeß abschließende Tatsache394. 3.3.3.3.1.4. Detailregelungen (§ 13 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 WpHG n.F.) Schließlich gibt das Gesetz noch eine Hilfestellung hinsichtlich einiger Einzelfragen. So erklärt es in § 13 Abs. 1 S. 4 WpHG n.F. in Form eines Regelbeispiels bestimmte Informationen hinsichtlich des Handels mit Finanzinstrumenten oder Derivaten zu Insiderinformationen. In Abs. 2 der Norm wird die Frage von Bewertungen, die aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellt wurden, behandelt. Diese werden auch bei Kursrelevanz nicht als Insiderinformationen eingestuft. 389
Vgl. hierzu ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 13 Rn. 62 ff. mwN; FÜRHOFF/ WÖLK, WM 1997, 449 (454 f.); HIRTE, in: HADDING/HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (75 ff.); ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 101 ff. mwN. Zur 5 % Schwelle auch ASSMANN, AG 1994, 196, 237 (244); DERS., ZGR 1994, 494 (514 f.); HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (154); VEIL, ZHR 167 (2003), 365 (368). 390 § 15 Abs. 1 S. 3 WpHG n.F. Vgl. auch Art. 1 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG): „…, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde.“ 391 Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, 34. Dazu ZIEMONS, NZG 2004, 537 (538). Vgl. auch Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), S. 22 f. 392 ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 58. 393 Bericht des Finanzausschusses (2. FFG), BT-Drs. 12/7918, 96; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 12 f., 68 mwN; aA CAHN, ZHR 162 (1998), 1 (28); FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (453); HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (150); WÖLK, AG 1997, 73 (78). Zweifelnd HOMMELHOFF, ZGR 2000, 748 (757 f.). 394 ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 59 ff.
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3.3.3.3.2. Unmittelbare Betroffenheit (§ 15 Abs. 1 S. 1, 3 WpHG n.F.) Neben dem Vorliegen einer nicht öffentlich bekannten konkreten Information und der Kursrelevanz dieser Information ist weitere Voraussetzung der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG n.F., daß diese Information den Emittenten unmittelbar betrifft. Während §§ 13, 14 WpHG, also das Verbot des Insiderhandels, auch für solche Informationen gilt, die den Emittenten oder die von ihm ausgegebenen Finanzinstrumente nur mittelbar betreffen, ist der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht damit enger 395. Die Bedeutung des Unmittelbarkeitserfordernisses wird durch ein Regelbeispiel erläutert. § 15 Abs. 1 S. 3 WpHG sieht die Unmittelbarkeit insbesondere dann als gegeben an, wenn sich die Information auf in seinem Tätigkeitsbereich eingetretene Umstände bezieht. Damit knüpft das Gesetz an ein Tatbestandsmerkmal des alten Rechts an, so daß auf dessen Auslegung zurückgegriffen werden kann. Diese soll hier kurz in Erinnerung gerufen werden: Das Tatbestandsmerkmal „im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten“ verlangte einen „Emittentenbezug“ der Tatsache396. Ein solcher Emittentenbezug wurde unabhängig davon bejaht, ob es sich um den in- oder ausländischen Tätigkeitsbereich des Emittenten handelte397, ob die Tatsache in Umständen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens begründet lag398 oder ob der Emittent auf ihren Eintritt Einfluß hatte oder nicht399. Der Tätigkeitsbereich eines Unternehmens umfaßte auch die bei einem verbundenen Unternehmen eingetretenen Tatsachen400. Negativ bestimmen ließ sich dieses Merkmal in Abgrenzung gegenüber den allgemeinen Marktdaten401. Hierunter werden solche Umstände verstanden, die sich weder als unmittelbare Folge der unternehmerischen Tätigkeit darstellen noch sonst einen spezifischen Bezug zu einem bestimmten Emittenten haben402. Umstritten war dabei, ob auch Entscheidungen Dritter, etwa über die Aufnahme des Emittenten in einen Index oder Änderungen des Ratings eines Emittenten, einen solchen spezifischen Bezug haben403. Gleiches galt für er-
395
Vgl. oben Fn. 358. ASSMANN, ZGR 1994, 494 (513); ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 55 ff. (siehe auch dritte Auflage Rn. 44). 397 BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 51; FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (451); GEIBEL, in: SCHÄFER, § 15 WpHG Rn. 37; ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 58 (siehe auch dritte Auflage Rn. 44). 398 ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 59 (siehe auch dritte Auflage Rn. 44). 399 BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 51; GEIBEL, in: SCHÄFER, § 15 WpHG Rn. 40; KÜMPEL/ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 44. 400 ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 72 mwN. Differenzierend: BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 61 ff. 401 Zur Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) vgl. GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (906). Zum alten Recht: ASSMANN, ZGR 1994, 494 (513); BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hocPublizität, § 8 Rn. 52; FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (451); ASSMANN, in: ASSMANN/ SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 64; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 45, 49. 402 ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 46 f. 403 Bejahend: GEHRT, Die neue ad-hoc-Publizität, 139, 229. Ablehnend: ASSMANN, in: ASSMANN/ SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 66; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 48. 396
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
479
folgte oder angestrebte Änderungen der Aktionärsstruktur, z.B. durch bevorstehende Übernahmeangebote404. Aufgrund der gewählten Regelbeispielsmethode kann hierbei jedoch nicht stehengeblieben werden. Es sind folglich jetzt Konstellationen denkbar, in denen sich die Insiderinformationen nicht auf Umstände beziehen, die in dem Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind, ihn aber gleichwohl unmittelbar betreffen405. Als Beispiele werden u.a. die Veräußerung eines größeren Aktienpakets durch einen Aktionär des Emittenten oder Ereignisse in der Muttergesellschaft der börsennotierten Tochter genannt406. Ein nur mittelbares Betroffensein liege hingegen vor, wenn die Information den Prozeß der Preisbildung an einem organisierten Markt als solchen beeinflussen kann, ohne daß die zugrundeliegenden Umstände im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind407. Ferner wird man die zum bisherigen Recht umstrittenen Fragen hinsichtlich der Entscheidungen Dritter (Rating, Aufnahme in einen Index) sowie im Hinblick auf Änderungen der Aktionärsstruktur408 neu bewerten müssen. Die BaFin zeigt sich in diesem Zusammenhang jedoch zurückhaltend. In ihrem Emittentenleitfaden geht sie davon aus, daß der Emittent von folgenden Insiderinformationen nur mittelbar betroffen wird, so daß keine Ad-hoc-Publizitätspflicht besteht: Entscheidung über Regeln der Indexzusammensetzung und –berechnung, Kauf- und Verkaufaufträge in den Finanzinstrumenten des Emittenten, zukünftig zu veröffentlichende Ratingergebnisse, Veränderungen der Situation von Konkurrenten, Erwerb oder Veräußerung eines größeren Aktienpaketes durch einen Aktionäre, Aktiensplits409. Fehl gehen dürfte der in der Literatur erhobene Vorwurf, die Umsetzung der Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) sei mangelhaft, weil § 15 WpHG n.F. lediglich verlange, daß die Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betreffe, während die Richtlinie auch ein Betroffensein eines Finanzinstruments genügen lasse410. Liest man die Richtlinie genau, so findet sich der Bezug auch auf Finanzinstrumente lediglich in der Definition von Insiderinformation (Art. 1 Nr. 1). Diese Definition findet sich auch in § 13 Abs. 1 WpHG n.F. korrekt wieder. Die Anordnung einer Adhoc-Publizitätspflicht in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie bezieht sind – genau wie § 15 WpHG n.F. – auf Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen. Auf diese Weise wird aus dem weiten Kreis der Insiderinformationen eine Teilmenge 404
Bejahend: BRAUN, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 52, 56 f.; GEHRT, Die neue ad-hoc-Publizität, 139 f. Ablehnend: CLAUSSEN, Insiderhandelsverbot und Ad hoc-Publizität, Rn. 102; FÜRHOFF/WÖLK, WM 1997, 449 (452); GEIBEL, in: SCHÄFER, § 15 WpHG Rn. 39, 41, 43. Vermittelnd (nur die diesbezüglichen Entscheidungen des Emittenten sind in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten): HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (153, Fn. 75); WALDHAUSEN, Die ad-hocpublizitätspflichtige Tatsache, 193 ff.; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 52 f. 405 Vgl. auch KUTHE, ZIP 2004, 883 (885); ZIEMONS, NZG 2004, 537 (541). 406 KUTHE, ZIP 2004, 883 (885). 407 Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/3174, 33 f. 408 Vgl. oben Fn. 403, 404. 409 Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 41 f. 410 So aber ZIEMONS, NZG 2004, 537 (541).
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herausgegriffen, nämlich die Informationen, die direkt (unmittelbar) den Emittenten betreffen. Ausgeklammert werden Informationen, welche direkt (unmittelbar) die Finanzinstrumente betreffen, sowie diejenigen Informationen, welche den Emittenten oder die Finanzinstrumente indirekt (mittelbar) betreffen. 3.3.3.3.3. Kasuistik Nach diesem Überblick über die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht sollen jetzt einige typische Fälle genannt werden. Hierbei kann auf den Emittentenleitfaden der BaFin zurückgegriffen werden, der formuliert: „Grundsätzlich kann sich aber, erhebliches Preisbeeinflussungspotenzial unterstellt, bei folgenden Fallkonstellationen die Frage der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Meldung stellen […]: – Veräußerung von Kerngeschäftsfeldern, Rückzug aus oder Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern, – Verschmelzungsverträge, Eingliederungen, Ausgliederungen, Umwandlungen, Spaltungen sowie andere wesentliche Strukturmaßnahmen, – Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge, – Erwerb oder Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen, – Übernahme- und Abfindungs-/Kaufangebote, – Kapitalmaßnahmen (inkl. Kapitalberichtigung), – wesentliche Änderung der Ergebnisse der Jahresabschlüsse oder Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen, – Änderung des Dividendensatzes, – bevorstehende Zahlungseinstellung/Überschuldung, Verlust nach § 92 AktG/kurzfristige Kündigung wesentlicher Kreditlinien, – Verdacht auf Bilanzmanipulation, Ankündigung der Verweigerung des Jahresabschlusstestats durch den Wirtschaftsprüfer, – erhebliche außerordentliche Aufwendungen (z.B. nach Großschäden oder Aufdeckung krimineller Machenschaften) oder erhebliche außerordentliche Erträge, – Ausfall wesentlicher Schuldner, – Abschluss, Änderung oder Kündigung besonders bedeutender Vertragsverhältnisse (einschließlich Kooperationsabkommen), – Restrukturierungsmaßnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf die künftige Geschäftstätigkeit, – bedeutende Erfindungen, Erteilung bedeutender Patente und Gewährung wichtiger (aktiver/passiver) Lizenzen, – maßgebliche Produkthaftungs- oder Umweltschadensfälle, – Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung, – überraschende Veränderungen in Schlüsselpositionen des Unternehmens (z.B. Vorstandsvorsitzender, Aufsichtsratsvorsitzender, überraschender Ausstieg des Unternehmensgründers), – überraschender Wechsel des Wirtschaftsprüfers, – Antrag des Emittenten auf Widerruf der Zulassung zum amtlichen oder geregelten Markt, wenn nicht noch an einem anderen inländischen organisierten Markt eine Zulassung aufrecht erhalten wird, – Lohnsenkungen oder Lohnerhöhungen, – Beschlussfassung des Vorstandes, von der Ermächtigung der Hauptversammlung zur Durchführung eines Rückkaufprogramms Gebrauch zu machen.“411 411
Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 43 f.
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Läßt man diese Konstellationen Revue passieren, so werden bereits hier die Geheimhaltungsinteressen deutlich, die nachfolgend zu erörtern sind. Besonders hervorgehoben seien hier nur die Angaben zu Umstrukturierungsmaßnahmen, zu bedeutenden Erfindungen sowie zu Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung. In Bezug auf die Rechtsstreitigkeiten können nach Ansicht der BaFin Veröffentlichungspflichten sogar unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens entstehen. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der Emittent preisbeeinflussende Maßnahmen ergreift, z.B. durch Bildung von Rückstellungen412.
3.3.3.4. Geheimhaltungsinteressen Liegen die Voraussetzungen für eine Ad-hoc-Publizitätspflicht vor, so ist die Gesellschaft zur Veröffentlichung der Insiderinformation in einer Ad-hoc-Mitteilung verpflichtet. Eine solche Veröffentlichung kann jedoch – genau wie die Erteilung einer Auskunft an Aktionäre gemäß § 131 AktG – berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft entgegenlaufen. Nach der bisherigen Rechtslage konnte die BAFin „den Emittenten auf Antrag von der Veröffentlichungspflicht befreien, wenn die Veröffentlichung der Tatsache geeignet ist, den berechtigten Interessen des Emittenten zu schaden“ (§ 15 Abs. 1 S. 5 WpHG a.F.). Dabei setzte die Befreiungsmöglichkeit eine Abwägung der Interessen des Emittenten einerseits und der Anleger andererseits voraus413. Solche Befreiungen, die auf kurze Zeit – womöglich wenige Stunden – zu befristen waren414, wurden bislang im wesentlichen nur ausnahmsweise in Sanierungsfällen erteilt415. Daneben werden als Beispiele Fälle genannt, in denen bei sofortiger Veröffentlichung erhebliche Wettbewerbsnachteile entstehen, unverhältnismäßige Kostensteigerungen zu erwarten sind, die Gefahr der Vereitelung von Geschäftsplänen besteht, Kollisionen mit ausländischen Rechtsordnungen drohen, laufende Übernahmeverhandlungen gestört werden416. Die Neuregelung erlaubt es dem Emittenten hingegen in den Worten des Art. 6 Abs. 2 Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG), „die Bekanntgabe von Insider-Informationen […] auf eigene Verantwortung auf[zu]schieben, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten.“
412
Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 50. HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (157); ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 129 f; aA ASSMANN, ZGR 1994, 494 (528); wohl auch HIRTE, in: HADDING/HOPT /SCHIMANSKY, 47 (50). 414 KÜMPEL/ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 136 mwN; SIMON, Der Konzern 2005, 13 (19); WILGA, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 9 Rn. 33. 415 GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (908); KÜMPEL/ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 137. 416 FÜLBIER, StuB 1999, 1260 (1265); KÜMPEL/ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 137; WILGA, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität, § 9 Rn. 23. 413
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§ 15 Abs. 3 WpHG n.F. setzt diese Vorgaben in das deutsche Recht um, indem eine Befreiung von der Veröffentlichungspflicht angeordnet wird, solange dies zum Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten erforderlich ist, keine Irreführung zu befürchten ist und die Vertraulichkeit gewährleistet ist417. Konkretisiert wird diese Vorschrift durch § 6 WpAIV: „§ 6 Berechtigte Interessen für eine verzögerte Veröffentlichung Berechtigte Interessen, die nach § 15 Abs. 3 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes von der Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes befreien können, liegen vor, wenn die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn 1. das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde, oder 2. durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder andere getroffene Entscheidungen zusammen mit der Ankündigung bekannt gegeben werden müssten, dass die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten noch aussteht, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde.“
Durch die engere Verzahnung von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität kommt der Befreiungsnorm eine gesteigerte Bedeutung zu. Aufgrund des Verzichts auf einen eigenständigen Tatsachenbegriff im Rahmen der Ad-hoc-Publizität und die Anknüpfung an den Begriff der Insiderinformation hat sich nämlich der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizität erweitert. Jenseits der Sanierungsfälle muß jetzt auch eine Störung der unternehmensinternen Entscheidungsfindung durch verfrühte Veröffentlichungen verhindert werden418. Als Fälle eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses nennen die Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) und § 6 WpAIV daher laufende Vertragsverhandlungen oder damit verbundene Umstände, wenn es durch die Veröffentlichung zu einer Beeinträchtigung des normalen Verhandlungsverlaufs kommen kann. Hierzu wird auch der Sanierungsfall gezählt419. Daneben kann durch den Aufschub der Veröffentlichung auch der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung Rechnung getragen werden, indem etwa die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrates abgewartet werden kann 420.
417
Hierzu etwa SCHNEIDER/GILFRICH, BB 2007, 53 ff., die eine ausdrückliche und dokumentierte Entscheidung des Emittenten über den Aufschub verlangen. 418 Siehe oben Fn. 359, 360. Vgl. auch Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 55; GRIMME/ V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (908). 419 Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG), § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV. 420 Art. 3 Abs. 1 lit. b) Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG), § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV. Hierzu auch GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (908 f.); sowie ausführlich M ÖLLERS, WM 2005, 1393 (1393 ff.).
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3.3.3.4.1. Schutz berechtigter Interessen 3.3.3.4.1.1. Interessenabwägung Zentrales Merkmal der Aufschubnorm ist das Kriterium des Schutzes der berechtigten Interessen des Emittenten. Wie bereits erwähnt, entstammt dieses Merkmal dem alten Recht, in dessen Rahmen eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Emittenten und den Interessen der Anleger für erforderlich gehalten wurde421. Auch für das neue Recht wird vertreten, daß auf eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Unternehmens und denen der Anleger nicht verzichtet werden könne422 und man diese Auslegung weiterhin auf das Merkmal der ‚berechtigten‘ Interessen stützen dürfe423. Stützen läßt sich diese Auffassung auf § 6 S. 1 WpAIV, der in Umsetzung von Art. 3 Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) das Merkmal der berechtigten Interessen konkretisiert. Dieser sieht eindeutig eine Interessenabwägung vor: Die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information müssen die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen. Dabei sind die zwei Schutzdimensionen der Publizitätspflicht zu berücksichtigen. Geschützt wird einerseits die realistische Preisbildung auf dem Markt, andererseits wird die Verhinderung des Insiderhandels angestrebt424. 3.3.3.4.1.2. Interessengleichlauf Trotz dieser ausdrücklichen Regelung in § 6 S. 1 WpAIV kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Eine Abwägung gegensätzlicher Interessen des Emittenten und der Anleger ist nicht vorzunehmen. Entgegen der Aussage des § 6 S. 1 WpAIV und entgegen dem Verständnis des Merkmals der berechtigten Interessen im alten Recht können die Interessen des Emittenten nicht dazu führen, daß die Interessen der Anleger zurückstehen müssen. Ein Aufschub der Publizitätspflicht kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Interessen von Emittent und Anlegern gleichläufig sind. Es muß also sowohl im Interesse des Emittenten als auch im Interesse der Anleger liegen, daß die eigentlich gebotene Information vorläufig zurückgehalten wird. Dies ist nachfolgend zu begründen.
421
Siehe oben Fn. 413. Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 54 f. Vgl. auch GRIMME/V. BUTTLAR, WM 2003, 901 (908), deren Verweis auf Aussagen des CESR allerdings fehlgeht; HARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1904); SVEN SCHNEIDER, BB 2005, 897 (898); SIMON, Der Konzern 2005, 13 (19); TOLLKÜHN, ZIP 2004, 2215 (2218); VEITH, NZG 2005, 254 (257). 423 Zu diesem Merkmal vgl. ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 15 Rn. 135 ff.; CAHN, WM 1998, 272 (273); GEIBEL, in: Schäfer, § 15 WpHG Rn. 114; VERSTEEGEN, in: KölnerKommentar-WpHG, § 15 Rn. 152 [siehe aber auch KölnerKommentar-WpHG/VERSTEEGEN, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 7, 16 f. (2007)]; ZIMMER, in: SCHWARK, § 15 WpHG Rn. 131. 424 Siehe oben Normzweck; vgl. auch CLAUSSEN/FLORIAN, AG 2005, 745 (757), die jedoch nur die Verhinderungen von Insiderhandel in den Blick nehmen; VEITH, NZG 2005, 254 (257), der auf die Bildung adäquater Marktpreise abhebt. 422
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3.3.3.4.1.2.1. § 15 Abs. 3 WpHG Zunächst ist festzuhalten, daß bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 3 WpHG nicht zu der Annahme zwingt, die Aufschubnorm diene dem Ausgleich gegensätzlicher Interessen von Emittenten und Anlegern. In § 15 Abs. 3 WpHG ist nämlich nur von den „berechtigten Interessen“ des Emittenten die Rede. Anlegerinteressen werden nicht angesprochen und daher auch erst recht nicht als gegenläufig betrachtet. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, von einer Berechtigung der Interessen des Emittenten nur auszugehen, wenn seine Interessen die Interessen der Anleger überwiegen. Aber zwingend ist dies keineswegs. Zumal die Interessen der Anleger bereits durch das Erfordernis berücksichtigt werden, daß der Aufschub keine Irreführung der Öffentlichkeit bewirken dürfe und die Vertraulichkeit gewahrt bleiben müsse. 3.3.3.4.1.2.2. § 6 S. 2 WpAIV Die hier vertretene Auffassung, wonach die Interessen des Emittenten dann berechtigt sind und einen Aufschub rechtfertigen, wenn diese mit den Interessen der Anleger konform gehen, läßt sich auf § 6 S. 2 WpAIV stützen. Dieser nimmt nämlich das Vorliegen berechtigter Interessen in zwei Regelbeispielen an, die sich beide dadurch auszeichnen, daß die Interessen des Emittenten und die Interessen der Anleger gleichläufig sind425. 3.3.3.4.1.2.2.1. § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV greift den Fall auf, daß eine Veröffentlichung laufende Verhandlungen des Emittenten beeinträchtigen könnte. Dies entspricht durchaus noch dem klassischen Verständnis von berechtigten Emittenteninteressen. Während aber nach klassischem Verständnis jetzt die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung gegen die Interessen der Anleger oder des Kapitalmarktes an der Offenlegung der betreffenden Informationen abzuwägen wären, verlangt § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV, daß eine Veröffentlichung auch die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde. Mit anderen Worten: Der Aufschub muß nicht nur im Emittenteninteresse liegen, sondern auch im Interesse der Anleger426. Dem wird zwar unter Verweis auf Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) entgegengehalten, eine europarechtskonforme Auslegung müsse dazu führen, daß die Anlegerinteressen nur im Sanierungsfall ebenfalls gefährdet sein müßten, während es in allen anderen Fällen hierauf nicht ankäme427. Jedoch ist dieser Auffassung zu entgegnen, daß bei genauerer Betrachtung auch das Europarecht generell die Beeinträchtigung der Anlegerinteressen fordert. Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie ist nämlich ein doppelter Regelbeispielscharakter zu 425
AA z.B. VERSTEEGEN, in: KölnerKommentar-WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 7, 16 ff., 35 (2007). 426 Vgl. auch BRANDI/SÜßMANN, AG 2004, 642 (656), die allerdings den Fall bilden, daß der Emittent selbst indifferent ist und nur die Anleger an einem Aufschub interessiert sind. 427 MÖLLERS, WM 2005, 1393 (1395 f.). VERSTEEGEN, in: KölnerKommentar-WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rn. 35 (2007), verneint das Erfordernis einer Gefährdung der Anlegerinteressen auch für diesen Fall.
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eigen. Der Sanierungsfall ist dort als Regelbeispiel des Regelbeispiels der laufenden Verhandlungen ausgestaltet, so daß dessen Anforderungen zur Auslegung des Hauptregelbeispiels herangezogen werden können. Es wäre auch merkwürdig, sollten für den intuitiv einsichtigen und weithin als Schulbeispiel herangezogenen Aufschubfall der Sanierungsverhandlungen strengere Anforderungen für den Aufschub der Information gelten als in anderen Fällen. Im Ergebnis ist also daran festzuhalten, daß § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV in richtlinienkonformer Weise fordert, daß ein Aufschub nicht nur im Interesse des Emittenten, sondern auch im Interesse der Anleger liegt. 3.3.3.4.1.2.2.2. § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV Auch das zweite Regelbeispiel in § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV entspricht dieser Konzeption. Das Interesse des Emittenten an der Wahrung seiner gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung, d.h. daran, Entscheidungen erst dann bekanntzugeben, wenn alle Entscheidungsträger zugestimmt haben, wird nicht als ein den Interessen der Anleger entgegengesetztes Interesse betrachtet. Es ist vielmehr gerade auf ein gleichläufiges Anlegerinteresse bezogen: Ein Aufschub soll in diesen Fällen mehrstufiger Entscheidungen nur dann stattfinden, wenn anderenfalls „die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährdet würde“. Die Interessen des Emittenten, die im Regelbeispiel der Nr. 1 noch gleichrangig neben den Anlegerinteressen stehen, spielen in der Nr. 2 damit sogar nur eine untergeordnete Rolle. Festzuhalten ist damit, daß § 6 S. 2 WpAIV in beiden Regelbeispielen sehr deutlich herausstellt, daß keine Abwägung zwischen gegenläufigen Emittenten- und Anlegerinteressen stattzufinden hat, sondern daß von berechtigten Interessen, die einen Aufschub der Informationserteilung ermöglichen, nur gesprochen werden kann, wenn die Interessen der Anleger und Emittenten konform gehen. 3.3.3.4.1.2.3. Auflösung des Konfliktes zwischen § 6 S. 1 und S. 2 WpAIV Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß § 6 S. 2 WpAIV damit in einem deutlichen Konflikt zu § 6 S. 1 WpAIV, der ausdrücklich eine Abwägung gegensätzlicher Interessen fordert, steht. Es stellt sich daher die Frage, wie dieser Konflikt aufzulösen ist. Entscheidet man sich zugunsten des S. 1, so bewegt man sich in die Richtung des klassischen Verständnisses des Merkmals der berechtigten Interessen und gelangt zu einer Abwägung gegensätzlicher Interessen. Entscheidet man sich zugunsten des S. 2, so führt dies zu einem neuen Verständnis, welches die gemeinsamen Interessen von Emittent und Anlegern betont. Eine Entscheidung auf der Ebene des nationalen Verordnungsrechts läßt sich nicht treffen. Es läßt sich nämlich einerseits argumentieren, § 6 S. 1 WpAIV sei die Grundnorm, während § 6 S. 2 WpAIV lediglich Regelbeispiele normieren, die über das grundsätzliche Erfordernis einer Abwägung gegensätzlicher Interessen keine generelle Aussage treffen könnten. Andererseits kann man mit guten Gründen die Bedeutung der Regelbeispiele für die Konkretisierung der Grundnorm betonen und sich auf den Standpunkt stellen, unbenannte Fälle seien in Anlehnung an die Regelbeispiele zu entwickeln, so daß für diese ebenfalls ein Interessengleichlauf zu fordern sei.
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Die Lösung liegt auf der Ebene des europäischen Rechts. § 6 WpAIV konkretisiert § 15 Abs. 3 WpHG, indem er Art. 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie (2003/124/ EG) in das deutsche Recht umsetzt, der seinerseits die europarechtliche Grundlage des § 15 Abs. 3 WpHG, Art. 6 Abs. 2 Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG), konkretisiert. Diese Vorschrift enthält ausschließlich die Regelbeispiele des § 6 S. 2 WpAIV, sie enthält kein Äquivalent des § 6 S. 1 WpAIV. Dies bedeutet, daß die Regelbeispiele des Europarechts jeweils Fälle ansprechen, in denen die Interessen des Emittenten und die Interessen der Anleger gleichläufig sind. Da es auch keine gegenläufigen europarechtlichen Aussagen gibt, die einen Interessengegensatz zwischen Emittent und Anlegern zugrundelegen428, kann für das Europarecht den Regelbeispielen des Art. 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) der Grundsatz entnommen werden, daß berechtigte Emittenteninteressen im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Marktmißbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) nur vorliegen, wenn diese mit den Anlegerinteressen konform gehen. Dies muß sich auf die Auslegung des § 6 WpAIV dahingehend auswirken, daß die Regelbeispiele des § 6 S. 2 WpAIV in den Vordergrund gerückt und für die Auslegung des § 15 Abs. 3 WpHG als bestimmend angesehen werden. § 6 S. 1 WpAIV wird man entweder als europarechtswidrig unangewendet lassen müssen oder europarechtskonform auslegen müssen. Dabei ist für eine europarechtskonforme Auslegung insofern Spielraum, als § 6 S. 1 WpAIV nicht von den Interessen der Anleger (so § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV) oder des Publikums (so § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV) spricht, sondern von den Interessen des Kapitalmarktes. Setzt man diese Begriffe nicht gleich, so läßt sich der Konflikt zwischen § 6 S. 1 WpAIV und § 6 S. 2 WpAIV europarechtskonform auflösen: Es reicht aus, die Interessen des Kapitalmarktes im Sinne beider Schutzdimensionen der Ad-hoc-Publizität zu verstehen. Hat der Kapitalmarkt aufgrund der Gefahr der Schädigung von Anlegern oder der Gefahr mangelnden Verständnisses des Publikums kein Interesse an der Informationserteilung zum Zweck der Bildung realistischer Wertpapierpreise, so bedeutet dies nicht, daß auch sein Interesse an der Verhinderung des Insiderhandels entfällt. Da mit einem Aufschub stets eine erhöhte Gefahr des Insiderhandels verbunden ist, läßt sich daher argumentieren, daß eine Abwägung jedenfalls mit dem Interesse des Kapitalmarktes an der Verhinderung des Insiderhandels möglich bleibt429. Praktisch dürfte dieser Abwägungsvorgang allerdings unbedeutend sein, weil das Gesetz insofern bereits durch das Merkmal der Gewährleistung der Vertraulichkeit Vorsorge trifft und für den praktisch wichtigsten Fall, daß die Vertraulichkeit im Herrschaftsbereich des Emittenten gebrochen wird, die Befreiung entfallen läßt430.
428
Siehe hierzu auch VERSTEEGEN, in: KölnerKommentar-WpHG, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn. 7, 16 f. (2007), für den es aber ausschließlich auf die Emittenteninteressen ankommt. 429 Vgl. auch CLAUSSEN/FLORIAN, AG 2005, 745 (757). 430 Von Bedeutung wird die Abwägung daher nur dann sein, wenn ein Insiderhandel droht, der nicht auf Vertraulichkeitslücken im Bereich des Emittenten zurückzuführen ist. In diesem Fall entfällt das Kriterium der Gewährleistung der Vertraulichkeit nämlich nicht, vgl. unten Gewährleistung der Vertraulichkeit.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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3.3.3.4.1.3. Ergebnis Im Ergebnis liegen berechtigte Interessen, die einen Aufschub der Veröffentlichung ermöglichen, dann vor, wenn der Aufschub sowohl im Interesse des Emittenten als auch im Interesse der Anleger liegt. Auf eine Abwägung gegensätzlicher Interessen des Emittenten und der Anleger kommt es nicht an. Ein berechtigtes Interesse ist nach § 6 WpAIV anzunehmen, wenn durch eine vorzeitige Veröffentlichung laufende Verhandlungen beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung (auch) die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde oder wenn in mehrstufigen Entscheidungsprozessen die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährdet ist. Die BaFin nennt darüber hinaus den Fall, daß die Veröffentlichung einer bereits getroffenen Maßnahme die noch fehlende Zustimmung des Aufsichtsrates oder deren Durchführbarkeit gefährden könnte. Ferner könne der Emittent ein berechtigtes Interesse daran haben, vor der Bekanntgabe einer neuen Erfindung diese zum Patent anzumelden431. 3.3.3.4.2. Keine Irreführung der Öffentlichkeit Schwierig zu beantworten ist die Frage, wann eine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist. Weder die Gesetzesmaterialien noch die europäischen Rechtsakte geben hier eine Hilfestellung 432. In der Literatur wird zwischen positiven und negativen Insiderinformationen unterschieden. Während der Aufschub positiver Informationen über den Emittenten zumeist nicht irreführend sein soll, liege der Irreführungsvorwurf bei einem Aufschub negativer Informationen (Sanierungsfall) nahe433. Diese Unterscheidung vermag jedoch nicht ohne weiteres zu überzeugen, denn sowohl die positive als auch die negative Information wirkt auf den Kurs ein. Die positive Information über den Emittenten erhöht den Preis, die negative Information senkt ihn. Im ersten Fall begünstigt das Zurückhalten der Information den Käufer und schädigt den Verkäufer, im zweiten Fall ist es umgekehrt. Könnte bereits hieraus der Vorwurf der Irreführung abgeleitet werden, liefe die Befreiungsmöglichkeit ins Leere434. Richtiger dürfte es wohl sein zu fragen, ob das mit dem Aufschub verbundene Schweigen der Gesellschaft ein ‚beredtes Schweigen‘ ist. Wenn der Emittent durch sein Schweigen unzutreffende Vermutungen des Kapitalmarktes hervorruft oder verstärkt oder zutreffende Vermutungen des Kapitalmarktes abschwächt oder aufhebt, dann kann von einer Irreführung der Öffentlichkeit gesprochen werden. Die BaFin spricht davon, der Emittent dürfe keine Signale setzen, welche zu der noch nicht veröffentlichten Insiderinformation in Widerspruch stehen435. 431
Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 54 f. Vgl. die Regierungsbegründung (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), 24.05.2004, BT-Drs. 15/ 3174, 35. Auch die Durchführungsverordnung (2003/124/EG) geht in ihrem Art. 3 nur auf die berechtigten Interessen ein. 433 ZIEMONS, NZG 2004, 537 (543). 434 Vgl. auch HARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1905); SIMON, Der Konzern 2005, 13 (20); VEITH, NZG 2005, 254 (257); VERSTEEGEN, in: KölnerKommentar-WpHG, § 15 Rn. 153 ff. (2007). 435 Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), S. 55 f.; HARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1905). SIMON, Der Konzern 2005, 13 (20), spricht insofern eine Verantwortung des Emittenten aus Ingerenz an. 432
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3.3.3.4.3. Gewährleistung der Vertraulichkeit Schließlich kommt ein Aufschub nur dann und nur solange in Betracht, wie der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Insiderinformation zu wahren. Demnach wird eine Veröffentlichung der Insiderinformation durch eine Ad-hocMitteilung unumgänglich, wenn „etwas durchsickert“. Die Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) macht hierzu nähere Vorgaben. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie verlangt, daß der Personenkreis, der Zugang zu Insiderinformationen hat, möglichst klein gehalten wird, daß diese Personen die ihnen als Insider obliegenden Pflichten kennen und anerkennen sowie sich der bestehenden Sanktionen bewußt sind, sowie daß Vorkehrungen bestehen, die Insiderinformationen im Falle einer Verletzung der Vertraulichkeit unmittelbar bekannt geben zu können. Die Umsetzung durch § 7 WpAIV erscheint diesbezüglich unvollständig, weil sie nur die Aspekte der Beschränkung des Zugangs zur Information und die Vorbereitung einer umgehenden Veröffentlichung aufgreift, während sie Kenntnis der Insider von ihren Pflichten und den drohenden Sanktionen nicht fordert. Da sich eine entsprechende Informationsverpflichtung des Emittenten jedoch aus § 15b Abs. 1 S. 3 WpHG ergibt, dürfte ein Verstoß gegen die Vorgaben des Europarechts zu verneinen sein436. Die BaFin versteht die Gewährleistung der Vertraulichkeit durch den Emittenten dahingehend, daß dieser „Vertraulichkeitslücken in seinem Herrschaftsbereich“ verhindern muß. Gerüchte, die nicht auf eine solche Vertraulichkeitslücke im Herrschaftsbereich des Emittenten zurückzuführen sind, lassen das Kriterium der Vertraulichkeit daher nicht entfallen 437. 3.3.3.4.4. Nachholung der Veröffentlichung bei Wegfall der Aufschubvoraussetzungen Sobald die Voraussetzungen für einen eigenverantwortlichen Aufschub der Veröffentlichung entfallen, muß der Emittent gemäß § 15 Abs. 3 S. 2 WpHG n.F. die Veröffentlichung unverzüglich nachholen. S. 4 der Vorschrift verlangt zusätzlich eine Mitteilung des Emittenten an die BAFin über die Gründe der Befreiung sowie die Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung. Dabei dürften die Begriffe ‚Befreiung‘ und ‚Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung‘ synonym gebraucht sein. Die umständliche Gesetzesformulierung ist auf die alte Rechtslage zurückzuführen, die eine Befreiung durch die BAFin vorsah. Nach neuem Recht ist die Vorstellung, der Emittent befreie sich selbst von der Veröffentlichungspflicht, wenig sinnvoll und auch § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG n.F. ordnet eine gesetzliche Befreiung an. Dementsprechend können mit dem Ausdruck ‚Gründe der Befreiung‘ in S. 4 nur diejenigen Erwägungen gemeint sein, welche
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Siehe auch HARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1906) mwN. Der Emittent darf allerdings keine aktiven Erklärungen abgeben, welche zu der unveröffentlichten Insidertatsache in Widerspruch stehen, weil dies zu einer Irreführung der Öffentlichkeit führen würde, vgl. insgesamt Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 56. Siehe auch HARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1907); aA BRANDI/SÜßMANN, AG 2004, 642 (653).
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die Verantwortlichen des Emittenten dazu bewogen haben, von einem Vorliegen der Voraussetzungen des S. 1 auszugehen. In der Literatur wird die Frage aufgeworfen, ob eine solche Nachholungspflicht auch dann besteht, wenn etwa eine Sanierung erfolgreich war oder eine Akquisition gescheitert ist. Es wird dabei für möglich gehalten haben, daß in diesen Fällen ein berechtigtes Interesse daran bestehen könne, die überwundene Krise nicht nachträglich publik zu machen bzw. das Scheitern einer Akquisition nicht eingestehen zu müssen438. Solchen Überlegungen ist jedoch entgegenzuhalten, daß das Gesetz ersichtlich nicht davon ausgeht, daß die Insiderinformationen dauerhaft zurückgehalten werden können. Insbesondere Art. 6 Abs. 2 Marktmißbrauchsrichtlinie (20003/ 6/EG) spricht auch nicht von einer Befreiung, sondern nur von einem Aufschub der Veröffentlichung. Andererseits ordnet die Richtlinie die Nachholung auch nicht explizit an; dies ergibt sich vielmehr mittelbar aus der fortbestehenden Pflicht zur Veröffentlichung nach Art. 6 Abs. 1. Damit ist jedoch auch bereits der Weg zu einer Lösung gewiesen: Grundsätzlich zwingt § 15 Abs. 3 S. 2 WpHG n.F. zu einer Nachholung der Veröffentlichung bei Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn bei Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen auch die Voraussetzungen für eine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F. entfallen sind, weil etwa keine Kursrelevanz mehr gegeben ist439. Demnach gibt es auch Situationen, in denen sich das Unternehmen auch bei einer erfolgreichen Sanierung oder einer gescheiterten Akquisition dem Markt stellen muß. Denn bildlich gesprochen mag zwar das Durchschreiten eines Tales oder die Überquerung eines Berges die Lage des Unternehmens per Saldo nicht verändern. Jedoch kann allein die Tatsache einer zurückgelegten Strecke auch ohne bleibende Veränderung der Höhenlage eine ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache sein, wenn diese Schwelle bei der Wellenbewegung einmal erreicht war.
3.3.3.5. Haftungsfragen Die zivilrechtliche Sanktionierung von falschen oder unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen wirft eine erhebliche Anzahl von Fragen auf, die hier nicht alle im Detail behandelt werden können. Es soll daher an dieser Stelle nur ein grober Rahmen skizziert werden: Zunächst ist festzuhalten, daß § 15 WpHG kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 BGB darstellt440. Dementsprechend konnte eine Haftung mangels einer spezialgesetzlichen Haftungsnorm zunächst nur auf § 826 BGB gestützt werden; dabei erwies sich in vielen Fällen das Kausalitätserfordernis als problematisch441. Mit dem 438
ZIEMONS, NZG 2004, 537 (543). Siehe auch DIEKMANN/SUSTMANN, NZG 2004, 929 (935), welche eine Nachholung nach Sinn und Zweck ablehnen, wenn sich die Information überholt hat; VEITH, NZG 2005, 254 (258). 439 Vgl. auch Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 53. 440 Vgl. § 15 Abs. 6 WpHG n.F. sowie oben Normzweck. 441 BGH, DStR 2004, 1486 (1486 ff.); DStR 2004, 1490 (1490 ff.); ZIP 2005, 1270 (1270 ff.); hierzu EDELMANN, BB 2004, 2031 (2031 ff.); FLEISCHER, DB 2004, 2031 (2031 ff.); GERBER, DStR 2004, 1793 (1793 ff.); KÖRNER, NJW 2004, 3386 (3386 ff.); LEISCH, ZIP 2004, 1573 (1573 ff.). Vgl. auch OLG München, ZIP 2002, 1727 (1727 f.) = NZG 2002, 1111 (1111 f.); OLG Frankfurt a.M., NJOZ 2003, 1728 (1730); AG 2006, 162; RÜTZEL, AG 2003, 69 (69 ff.).
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Vierten Finanzmarktförderungsgesetz wurden 2002 die §§ 37b, 37c WpHG eingeführt, so daß mittlerweile spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen vorhanden sind, welche vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität sanktionieren442. Als Haftender kommt dabei nur der Emittent in Betracht. Durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurden diese Normen der Neukonzeption des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität angepaßt. Inwiefern die Kausalitätsproblematik durch die §§ 37b, 37c WpHG gelöst wird, ist umstritten. Nach der überwiegend vertretenen Auffassung verzichten die §§ 37b, 37c WpHG auf einen konkreten Kausalitätsnachweis zwischen Pflichtverstoß und Geschäftsabschluß443.
3.3.3.6. Kapitalmarktrechtliches Fazit Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß die Neuregelungen im Kapitalmarktrecht die Ad-hoc-Publizitätspflicht ausgeweitet und gleichzeitig die Geheimhaltungsmöglichkeiten der Emittenten eingeschränkt haben. Während sich nämlich der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 WpHG durch die engere Anbindung an das Insiderrecht erweitert hat, hat sich der Anwendungsbereich der Befreiungsnorm gegenüber dem alten Recht verkleinert. Diese hat sich zwar von einer Befreiungsnorm, welche eine administrative Befreiung von der Veröffentlichungspflicht erlaubte, in eine Aufschubnorm verwandelt, bei der der Emittent zunächst selbst über den Aufschub entscheiden kann. Im Gegensatz zum alten Recht kommt ein solcher Aufschub jedoch nicht mehr schon dann in Betracht, wenn die Interessen des Emittenten die (entgegengesetzten) Interessen der Anleger überwiegen, sondern nur noch dann, wenn sowohl die Interessen des Emittenten als auch die Interessen der Anleger für einen Aufschub sprechen. Nachfolgend soll nun zunächst die ratio der Aufschubnorm näher beleuchtet werden. Anschließend ist die Frage zu stellen, wie der notwendige Ausgleich zwischen Unternehmensinformation und Geheimnisschutz gewährleistet werden kann: Wie können die Geheimhaltungsinteressen der Emittenten notfalls auch gegen die Interessen der Anleger an einer Veröffentlichung bestimmter Informationen gesichert werden? 3.3.3.6.1. Ratio der Aufschubnorm An dieser Stelle ist nun die ratio der Aufschubnorm zu ermitteln. Da sich die ratio nur ermitteln läßt, indem die geschützten Interessen genauer benannt werden, muß Ausgangspunkt der Überlegungen sein, daß ein Aufschub nur in Betracht kommt, wenn dies sowohl im Interesse des Emittenten als auch im Interesse der Anleger 442
Dazu etwa ESCHER-WEINGART/LÄGELER, WM 2004, 1845 (1845 ff.); FLEISCHER, BB 2002, 1869 (1869 ff.); MAIER-REIMER/WEBERING, WM 2002, 1857 (1857 ff.); RÖSSNER/BOLKART, ZIP 2002, 1471 (1471 ff.). 443 Vgl. HOPT/VOIGT, in: HOPT/VOIGT, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung (2005), 9 (133 ff.); MAIER-REIMER/WEBERING, WM 2002, 1857 (1860 f.); SCHWARK, in: FS Hadding, 1117 (1136 f.); ZIMMER, in: SCHWARK, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 90; vgl. auch MÖLLERS/ LEISCH, BKR 2002, 1071 (1079); RÖSSNER/BOLKART, ZIP 2002, 1471 (1475 f.); aA HUTTER/ STÜRWALD, NJW 2005, 2428 (2430); MÜLBERT/STEUP, WM 2005, 1633 (1636 f.); TILP, ZIP 2002, 1729 (1729); VEIL, ZHR 167 (2003), 365 (370 ff.).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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bzw. des Publikums ist444. Gelingt es die angesprochenen Interessen genauer zu benennen, so kann man versuchen, aus ihrer gesetzlichen Verknüpfung die Intention des Gesetzes zu ermitteln. 3.3.3.6.1.1. Erarbeitung der Interessen im Rahmen des § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV Zunächst sollen die Interessen genauer benannt werden, die im Rahmen des ersten Regelbeispiels des § 6 S. 2 WpAIV relevant sind. Das Interesse des Emittenten ist in der Norm direkt angesprochen: Für den Emittenten geht es darum, eine erhebliche Beeinträchtigung des Ergebnisses oder des Gangs laufender Verhandlungen zu vermeiden. Schließlich steht im Sanierungsfall seine Existenz445, in anderen Fällen immerhin eine als lohnend betrachtete Geschäftschance auf dem Spiel. Dies begründet sein Interesse daran, die Veröffentlichung der Information aufzuschieben. Dies genügt jedoch noch nicht, um ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 15 Abs. 3 WpHG anzunehmen. Auch die Anleger müssen an dem Aufschub interessiert sein, weil ansonsten ihre Interessen ernsthaft gefährdet wären. Welche Gefährdung ist hier gemeint? Man kann sich an dieser Stelle nicht mit der Annahme begnügen, daß die Anleger als Aktionäre des Emittenten ein eigenes Interesse an dessen Wohlergehen hätten. Denn die kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität richtet sich nicht an die gegenwärtigen Aktionäre des Unternehmens, sondern an Anleger. Zu diesen gehören bei richtlinienkonformer Auslegung indes nicht nur die vorhandenen, sondern auch die potentiellen Aktionäre des Emittenten446. Letztere sind aber nicht an der Realisierung etwaiger Geschäftschancen durch den Emittenten oder den Erfolg von Sanierungsbemühungen interessiert, sondern allein daran, ihre Transaktionsentscheidungen zu informationsgerechten Preisen zu treffen, d.h. zu Preisen, welchen vollständige und zutreffende Informationen über den Emittenten zugrundeliegen. Da die Interessen der Anleger nur einheitlich bestimmt werden können, muß ein etwaiges weiterreichendes Interesse, welches einige Anleger in ihrer Eigenschaft als Aktionäre haben, ausgeblendet werden. Hinzu kommt, daß dieses weiterreichende Interesse des Anleger-Aktionärs am Wohlergehen des Emittenten schon aufgrund der Anlage der Norm auszublenden ist. Soweit es für den Anleger-Aktionär um eine Kaufentscheidung geht, versteht sich dies von selbst, weil er dann den potentiellen Aktionären gleichzustellen ist. Soweit der Anleger-Aktionär über einen Verkauf seiner Aktien nachdenkt sieht es jedoch nicht anders aus. Als Verkäufer hat er gerade kein weiterreichendes Aktionärsinteresse am Wohlergehen des Emittenten mehr. Ein Aufschub der Veröffentlichung guter Nachrichten ist nicht in seinem Interesse, während ihm ein Aufschub schlechter Nachrichten zwar nützt, sein Interesse an einem Verkauf zu überhöhten Preisen jedoch nicht schützenswert ist, weil dieses der Intention des § 15 WpHG entgegenläuft. Lediglich ein Anleger-Aktionär, der seine Aktien hält, mag ein Interesse am Wohlergehen des Emittenten haben. Jedoch blendet 444
Siehe oben Schutz berechtigter Interessen. Siehe nur CLAUSSEN/FLORIAN, AG 2005, 745 (757); VEITH, NZG 2005, 254 (256). 446 § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV verwendet den Terminus „Anleger“, während sich Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) von den „vorhandenen und potenziellen“ Aktionären spricht. 445
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das Kapitalmarktrecht die passiven Marktteilnehmer weitgehend aus, was sich insbesondere an den Haftungsvorschriften der §§ 37b, 37c WpHG zeigen läßt. Ihre Interessen werden nicht geschützt. Dieses Ergebnis wirft die Frage auf, wann überhaupt eine ernsthafte Gefährdung der Anlegerinteressen durch die Veröffentlichung droht, wenn es insofern nicht um eine mittelbare Beeinträchtigung durch Beeinträchtigung der Emittenteninteressen gehen kann. Vor dem Hintergrund der Zielrichtung der Informationsnorm, Transaktionen zu informationsgerechten Preisen sicherzustellen, kann eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger nur dann ernsthaft gefährden, wenn die Veröffentlichung dazu führt, daß die Anleger eben nicht zu informationsgerechten Preisen kontrahieren. Doch erscheint dies paradox. Ist eine Information zutreffend erteilt, so kann sie bei Transaktionsentscheidungen berücksichtigt werden und geht in den Preis ein. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, wie dies gleichzeitig dazu führen kann, daß die Anleger nicht zu informationsgerechten Preisen kontrahieren. Es ist aber der Fall vorstellbar, daß eine Information durch ihre Erteilung entwertet wird. In diesem Fall geht eine Information zunächst in den Preis ein, obwohl sie demnächst wieder aus dem Preis zu entfernen ist. Bildlich gesprochen löst sie eine Wellenbewegung aus, bei der der Preis auf sein Ausgangsniveau zurückkehrt. Dabei ist zwar jeder Preis auf dieser Welle eigentlich informationsgerecht, dennoch schaffen Transaktionen aufgrund dieser Information wirtschaftlich betrachtet keinen Mehrwert. Sie führen lediglich zu vermeidbaren Transaktionskosten und unproduktiven Umverteilungen zwischen den Anlegern, die zu Enttäuschungen und einem Vertrauensverlust führen. Demgegenüber ist es besser, einen nicht informationsgerechten Preis zunächst hinzunehmen. Denn einerseits bleibt der Preis damit lediglich auf dem Niveau, auf das er – nach einigen Ausschlägen – auch bei einer Informationserteilung ohnehin zurückkehren würde. Andererseits wird durch den – zumeist kurzfristigen Aufschub – die Chance auf ein wirtschaftlich produktives Geschäft gewahrt. Illustrieren läßt sich dies am Beispiel des Falls, daß die frühzeitige Veröffentlichung einer Information über laufende Verhandlungen eine Intervention Dritter hervorzurufen droht, die beispielsweise ein Konkurrenzangebot abgeben könnten, so daß der angestrebte Geschäftsabschluß scheitert. In diesem Fall liegt der Aufschub nicht nur im Interesse des Emittenten, sondern auch im Interesse der Anleger, weil der Information durch ihre Veröffentlichung der Boden entzogen zu werden droht. Durch den Aufschub der Information kontrahieren die Anleger zwar kurzfristig in Unkenntnis der Geschäftschance, doch geschieht ihnen damit kein Unrecht, weil sich diese Chance im Fall der vorzeitigen Informationserteilung nicht realisieren lassen würde, so daß der Preis doch gerechtfertigt wäre. Doch ist Vorsicht geboten und eine genaue Analyse des Einzelfalls veranlaßt. Auf Übernahmeangebote läßt sich diese Argumentation nicht ohne weiteres erstrecken447. Denn zumindest die Interessen der Anleger, die mit Aktien der Zielgesellschaft handeln, werden durch eine Intervention eines Dritten („white knight“) als 447
Ausführlich zu Unternehmenskäufen BRANDI/SÜßMANN, AG 2004, 642 (651 ff.); HARBARTH, ZIP 2005, 1898 (1904 f.).
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weiteren Bieters nicht gefährdet. Ihnen ist es nämlich gleichgültig, mit wem das Geschäft zustande kommt. Ein Aufschub der Informationserteilung kommt daher allenfalls durch die übernehmende Gesellschaft in Betracht, deren Interessen mit ihren Anlegern konform gehen, weil beider Interessen durch ein Scheitern des Geschäfts gefährdet würden448. Insofern enthält § 10 Abs. 6 WpÜG auch eine ausdrückliche Kollisionsregel, wonach § 15 WpHG nicht für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebotes gilt449. Im Ergebnis bleibt ein Aufschub der Informationserteilung allerdings wirkungslos, sobald und soweit die Voraussetzungen der Ad-hocPublizitätspflicht bei der Zielgesellschaft vorliegen450. Als weiteres Beispiel kann der Fall des Führens von Sanierungsgesprächen dienen, der auch von Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie (2003/124/EG) in den Mittelpunkt gestellt wird. Die vorzeitige Veröffentlichung der Information, daß eine Kreditlinie gekündigt wurde und Sanierungsgespräche geführt werden, kann Reaktionen auslösen, welche die Sanierung scheitern lassen. Zu denken ist etwa an die Kündigung weiterer Kredite durch Dritte. Damit würde nicht nur der Emittent geschädigt, sondern auch diejenigen Anleger, welche bei ihren Transaktionen gerade auf den Umstand, daß Sanierungsgespräche geführt wurden, gesetzt haben. Diese Information wird nämlich durch ihre Veröffentlichung entwertet. Im Ergebnis geht es im ersten Regelbeispiel also um Fälle, in denen die Information durch ihre Erteilung entwertet zu werden droht. Die Aufschubnorm soll verhindern, daß die Informationsnorm kontraproduktiv wirkt: Der Emittent soll vor einem Scheitern seines Vorhabens bewahrt werden. Die Anleger sollen vor Informationen bewahrt werden, die sich aufgrund einer zu frühen Veröffentlichung – durch das Scheitern des Vorhabens – selbst entwerten. Wirtschaftlich gesehen werden hierdurch Schäden beim Emittenten, unproduktive Umverteilungen zwischen den Anlegern sowie ein Vertrauensverlust der Anleger vermieden. 3.3.3.6.1.2. Erarbeitung der Interessen im Rahmen des § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV Im zweiten Regelbeispiel werden die Interessen des Emittenten an einem Aufschub der Veröffentlichung zwar nicht ausdrücklich angesprochen, sie lassen sich aber schnell ermitteln: Aus Sicht des Emittenten ist es unglücklich, Entscheidungen bekanntgeben zu müssen, die intern noch der Zustimmung durch ein weiteres Gremium bedürfen. Eine vorzeitige Bekanntgabe führt dazu, daß die Stellung des Aufsichtsgremiums geschwächt wird, weil dies nicht mehr frei entscheiden kann, sondern stets berücksichtigen müßte, daß eine Zustimmungsverweigerung einen Ansehensverlust des Unternehmens und auch seines Vorstands auslösen könnte451. 448
Siehe auch VEITH, NZG 2005, 254 (256). Vgl. ebenfalls BRANDI/SÜßMANN, AG 2004, 642 (652). 449 Siehe hierzu BRANDI/SÜßMANN, AG 2004, 642 (651 f.); MERKNER/SUSTMANN, NZG 2005, 729 (736). 450 Für eine frühzeitige Veröffentlichungspflicht der Zielgesellschaft BRANDI/SÜßMANN, AG 2004, 642 (651 f.). Für eine Heranziehung des § 10 Abs. 6 WpÜG auch durch die Zielgesellschaft MERKNER/SUSTMANN, NZG 2005, 729 (736). 451 Siehe auch Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 46; CLAUSSEN/FLORIAN, AG 2005, 745 (755). Vgl. auch MESSERSCHMIDT, BB 2004, 2538 (2538 ff.).
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Die Interessen der Anleger kommen hingegen in der Norm des § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV selbst zum Ausdruck. Aus dem Umstand, daß die Veröffentlichung aufgeschoben werden soll, wenn ansonsten die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährdet wäre, läßt sich ablesen, daß auch das zweite Regelbeispiel das Interesse der Anleger, des Publikums, an informationsgerechten Preisen in den Mittelpunkt rückt. Es geht um die sachgerechte Bewertung der Information, d.h. um ihren Einfluß auf den Wert des Wertpapiers. Sodann läßt sich der Norm auch entnehmen, wann dieses Interesse der Anleger als gefährdet angesehen wird. § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV geht von der Möglichkeit einer solchen Gefährdung für den Fall aus, daß nicht nur über einen geschlossenen Vertrag oder getroffene Entscheidungen des Vorstands zu berichten wäre, sondern gleichzeitig anzugeben wäre, daß die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrates noch aussteht. Durch ein Herauszögern der Informationserteilung soll in diesen Fällen erreicht werden, daß nur noch die mit Zustimmung des Aufsichtsrates getroffene Entscheidung bekanntzugeben ist. Ziel ist es also, durch ein kurzfristiges Zurückhalten einer Information diese Information zu verfestigen, so daß die Anleger nicht mit der Information und zeitgleich einer Einschränkung ihrer Gültigkeit konfrontiert werden. Damit kann der BaFin nicht darin beigepflichtet werden, daß auch das Interesse der Anleger darin bestehe, eine Schwächung der Position des Aufsichtsrates zu vermeiden452. § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV sieht die Interessen der Anleger nicht in deren abstrakten Sorge um eine gute Corporate Governance, sondern darin begründet, erteilte Informationen korrekt einordnen zu können. Im Vergleich zur Nr. 1 geht es bei § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV nicht darum, daß sich eine Information aufgrund ihrer Erteilung selbst zu entwerten droht. Es steht nämlich nicht zu erwarten, daß ein rational handelnder Aufsichtsrat seine Zustimmung deswegen verweigern wird, weil die Information vorab veröffentlicht wurde. Auch in den Fällen, in denen die Zustimmung später tatsächlich verweigert wird, bedeutet dies keine nachträgliche Entwertung der Information. Denn diese war von vornherein ambivalent, weil die Mitteilung des Vertragsschlusses bzw. der Vorstandsentscheidung zusammen mit der Mitteilung erfolgt, daß die Zustimmung des Aufsichtsorgans noch aussteht. Die Möglichkeit, daß der Vertrag oder die Entscheidung realisiert wird, ist in ihr genauso enthalten wie die Möglichkeit, daß die Zustimmung verweigert wird und Vertrag bzw. Entscheidung nicht umgesetzt werden können. Es ist gerade die Ambivalenz dieser Information, die es rechtfertigt, sie zunächst zurückzuhalten, um wenig später eine eindeutigere Information veröffentlichen zu können. 3.3.3.6.1.3. Relevanz der Emittenteninteressen Angesichts der Zielrichtung der beiden Regelbeispiele – Nr. 1 will die Entwertung der Information aufgrund ihrer vorzeitigen Veröffentlichung verhindern, Nr. 2 will ambivalente Informationen zurückhalten – stellt sich die Frage, welche Rolle die Emittenteninteressen in diesem Zusammenhang spielen. Denn im Grunde zielen 452
Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 46. Kritisch hierzu VERSTEEGEN, in: KölnerKommentar-WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 47 (2007).
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beide Regelbeispiele auf die Sicherung des Informationszwecks ab. Sie wollen erreichen, daß Ad-hoc-Mitteilungen informieren, ohne kontraproduktiv zu wirken, indem sie – über ihren Informationsgehalt hinaus – auf die ihnen zugrundeliegenden Umstände einwirken (Nr. 1), und ohne zu verwirren (Nr. 2). Der Fokus auf die Sicherung der Erreichung des Zweckes der Informationsnorm ist jedoch auch ein Fokus auf die Adressaten dieser Norm, die Anleger. Dies wirft die Frage auf, warum für die Möglichkeit des Aufschubs nicht allein auf die Interessen der Anleger abgestellt wird: Wieso muß eine verwirrende Information (Nr. 2) erteilt werden, nur weil sie die Interessen des Emittenten nicht beeinträchtigt? Warum muß der Emittent eine Information erteilen, deren vorzeitige Veröffentlichung zwar seine Interessen unberührt läßt, die aber dennoch dazu führen kann, daß die Information durch ihre Veröffentlichung entwertet wird und so die Interessen der Anleger ernsthaft gefährdet werden? Wieso ist die Aufschubmöglichkeit überhaupt fakultativ ausgestaltet? Warum darf der Emittent seine Interessen zurückstellen und Nachteile in Kauf nehmen, obwohl dies auch die Interessen Dritter, der Anleger, beeinträchtigt? Auf der Suche nach einer Erklärung könnte man zunächst überlegen, darauf abzustellen, daß sich in der Praxis kaum Fälle finden werden, in denen bei einer Gefährdung der Anlegerinteressen nicht auch die Interessen des Emittenten gefährdet sind. Auch die Betrauung des Emittenten mit der Entscheidung läßt sich mit praktischen Erwägungen rechtfertigen. Nur der Emittent kennt die fragliche Information und ein Anreiz, das Risiko eines Aufschubs einzugehen (§ 37b WpHG!), besteht für ihn nur, wenn auch seine Interessen gefährdet sind. Dennoch befriedigen diese Überlegungen nicht. Wenn es ohnehin keine Fälle gibt, in denen die Emittenteninteressen nicht neben den Anlegerinteressen betroffen sind, dann wäre es überflüssig gewesen, die Emittenteninteressen überhaupt in der Norm zu erwähnen. Sie finden sich aber sogar in der zentralen Norm des § 15 Abs. 3 WpHG, während die Anlegerinteressen erst in der Konkretisierungsnorm angesprochen sind. Zudem erklärt sich aus der Anreizstruktur nicht, warum dem Emittenten bei einer Gefährdung seiner Interessen und der Interessen der Anleger die Möglichkeit eingeräumt ist, dennoch zu informieren. Dies zwingt dazu, den oben konstatierten Fokus der Aufschubnorm auf die Sicherung des Ziels der Informationsnorm – korrekte Information der Anleger – zu relativieren. Das Gesetz stellt die Interessen des Emittenten und der Anleger nebeneinander, es zielt sowohl auf die Wahrung der Interessen des Emittenten als auch auf die Wahrung der Anlegerinteressen. Beide Zielrichtungen sind bei seiner Interpretation zu berücksichtigen. Auch wenn sich also die in den Regelbeispielen angesprochenen Anlegerinteressen unter dem einheitlichen Gesichtspunkt der Sicherung des Informationszwecks zusammenfassen lassen, während die angesprochenen Emittenteninteressen disparat bleiben, kann die ratio der Norm nicht allein aus der Sicht der Anlegerinteressen ermittelt werden. 3.3.3.6.1.4. Ergebnis Dies führt allerdings dazu, daß der Aufschubnorm keine einheitliche Zielrichtung entnommen werden kann. Es geht nicht im Interesse der Anleger um die Sicherung
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des Ziels der Informationsnorm, weil dieses dann nicht erreicht wird, wenn dem Emittenten keine Nachteile drohen oder dieser trotz drohender Nachteile die Information erteilt. Es geht auch nicht um die Verhinderung von Nachteilen für den Emittenten, weil dies dann nicht gelingt, wenn den Anlegern keine Nachteile drohen. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß das Gesetz das Interesse des Kapitalmarktes, im obigen Sinne verstanden als Interesse an möglichst vollständiger Informationseffizienz453, stets höher bewertet als das alleinige Interesse des Emittenten an Geheimhaltung und stets höher als das alleinige Interesse der Anleger an zielführenden Informationen. Das Informationsinteresse des Kapitalmarktes tritt nur dann zurück, wenn – auch aus jeweils unterschiedlichen Gründen – ein Aufschub sowohl aus Sicht des Emittenten als auch aus Sicht der Anleger geboten ist. Der Zweck der Aufschubnorm kann damit nur darin gesehen werden, die Informationserteilung zumindest dann hinauszuschieben, wenn ein allseitiges Aufschubinteresse besteht. Sie kann damit durchaus dazu dienen – und dies ist in der Formulierung des § 15 Abs. 3 WpHG auch angelegt –, Geheimhaltungsinteressen des Emittenten zu befriedigen. Jedoch ist damit nur ein Randbereich des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit angesprochen. Es kommt nämlich nur ein kurzfristiges Aufschieben der Informationserteilung in Betracht. Dies mag im Hinblick auf geplante Transaktionen und laufende Verhandlungen relevant sein, Unternehmensdaten lassen sich auf diese Weise allerdings nicht vor Konkurrenten geheimhalten. Aber auch unabhängig von diesem zeitlichen Moment findet sich die Notwendigkeit des Ausgleichs zwischen dem Bedarf an Unternehmensinformationen und dem Gebot eines angemessenen Geheimnisschutzes nicht im Zusammenspiel der Informationsnorm (§ 15 Abs. 1 WpHG) mit der Informationsverweigerungsnorm (§ 15 Abs. 3 WpHG) wieder. Anders als im Gesellschaftsrecht soll § 15 Abs. 3 WpHG nicht im Interesse des Informationsverpflichteten eine Zweckentfremdung der Information verhindern, sondern er erfaßt den Sonderfall eines allseitigen Aufschubinteresses, der – wie § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV zeigt – auch im Fall zweckentsprechender Informationsverwendung gegeben sein kann454. Eine Verbindung zum Gesichtspunkt der Verwendungsbeschränkung wird man nur insofern ziehen können, als das Interesse an einer zweckfremden Informationsverwendung den Aufschub nicht hindert. Der konkurrenzbezogene Geheimnisschutz kann daher insgesamt nicht als primäres Anliegen der Aufschubnorm betrachtet werden; das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten ist nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für einen Aufschub.
453 454
Siehe bereits oben Auflösung des Konfliktes zwischen § 6 S. 1 und S. 2 WpAIV. § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV, der sich auf mehrstufige Entscheidungsverfahren bezieht, läßt sich nicht mit dem Aspekt der Verwendungsbeschränkung beschreiben. Denn dort geht es einerseits darum, die gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung zu wahren und Entscheidungen des Aufsichtsgremiums nicht zu präjudizieren, und andererseits darum, Anlegern keine ambivalenten Informationen anzubieten, die nur schwer zu bewerten sind. Es geht nicht darum, zu verhindern, daß Informationen zu anderen Zwecken als zum Treffen von Anlageentscheidungen verwandt werden.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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3.3.3.6.2. Sicherung von Geheimhaltungsinteressen auch gegen die Anlegerinteressen § 15 Abs. 3 WpHG erweist sich damit als zur Sicherung der Geheimhaltungsinteressen des Emittenten nur bedingt geeignet. Er erlaubt keine längerfristige Geheimhaltung und versagt, sobald die Offenlegung keine Interessen der Anleger gefährdet. Bei einer bestehenden Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 WpHG verbleibt dem Emittenten daher nur ein geringer Spielraum, um seine Geheimhaltungsinteressen zu sichern. Er kann sich lediglich bemühen, die gebotenen Informationen so zu erteilen, daß einerseits der Kapitalmarkt hinreichend informiert ist, die Information andererseits aber Konkurrenten nicht mehr nützt als unvermeidbar. Angesprochen ist damit ein möglichst hoher Abstraktionsgrad als Methode der Geheimhaltung. Hiermit ist kein zwingender Widerspruch zu dem Gebot der Offenlegung verbunden. Denn offenzulegen sind Informationen, die ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential haben. Dem ist zu entnehmen, daß diese Informationen mit einem Detaillierungsgrad veröffentlicht werden müssen, daß das Preisbeeinflussungspotential deutlich wird. Die BaFin verlangt vor diesem Hintergrund, daß etwa auch die Größenordnung eines Kaufpreises bei Unternehmenskäufen oder die Größenordnung von Volumen und Vertragslaufzeit eines bedeutenden Auftrags anzugeben sind. Demgegenüber besteht jedoch keine Verpflichtung, weitere Details offenzulegen. So können bestimmte Sonderkonditionen und Rabatte verschwiegen werden455. In gleicher Weise wird ein Emittent zwar deutlich machen müssen, warum er einer ad hoc gemeldeten technologischen Innovation ein erhebliches Preisbeeinflussungspotential zumißt. Er muß dabei jedoch nicht die Innovation in ihren technischen Details offenlegen und damit die Gefahr einer Nachahmung hervorrufen. Es genügt, daß er den Anwendungs- bzw. Einsatzbereich der Innovation schildert. In gleicher Weise kann versucht werden, Unternehmensdaten so zu aggregieren, daß zwar deren Preisbeeinflussungspotential deutlich wird, ohne daß jedoch Konkurrenzunternehmen ermöglicht wird, diese Daten zu Wettbewerbszwecken zu nutzen. Allerdings gerät man mit dem letzten Beispiel bereits an die Grenze dieses Ansatzes. Insbesondere kleine Ein-Segment-Unternehmen können sich durchaus gezwungen sehen, auch sensible Daten ad hoc zu veröffentlichen, ohne daß sie die Möglichkeit haben, durch einen hohen Abstraktionsgrad der veröffentlichten Mitteilung gegenzusteuern. 3.3.3.6.3. Ergebnis Unter dem Aspekt der Auskunftsverweigerung wurde im Kapitalmarktrecht die Möglichkeit betrachtet, entgegen einer grundsätzlich bestehenden Pflicht des Emittenten zur Ad-hoc-Publizität die Herausgabe einer Ad-hoc-Mitteilung aufzuschieben. Die genauere Betrachtung der Aufschubnorm zeigt, daß diese – anders als im Gesellschaftsrecht – nicht allein dazu dient, die Geheimhaltungsinteressen des 455
Emittentenleitfaden der BaFin (15.07.2005), 58 f.
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Emittenten zu wahren. Der Aufschub dient auch dazu, die Anleger vor Informationen zu bewahren, die ihre Interessen ernsthaft gefährden oder die sie nicht sachgerecht bewerten können. § 15 Abs. 3 WpHG regelt damit nur den Fall eines allseitigen Aufschubinteresses, nicht den Konfliktfall zwischen den Interessen des Emittenten und der Anleger. Damit ist der Gegensatz zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Informationsverpflichteten und den Offenlegungsinteressen der Informationsadressaten, welcher die gesellschaftsrechtlichen Auskunftsverweigerungsnormen prägt, in § 15 Abs. 3 WpHG nicht enthalten. Dies führt dazu, daß der Emittent seine Geheimhaltungsinteressen über § 15 Abs. 3 WpHG nicht zuverlässig sichern kann. Diesem bleibt nur der Versuch, seiner Veröffentlichungspflicht auf eine Weise nachzukommen, die seine Geheimhaltungsinteressen nicht mehr als nötig beeinträchtigt. Allerdings stößt der Versuch, Geheimnisse über einen hohen Abstraktionsgrad der erteilten Information zu schützen, schnell an seine Grenzen, da zumindest deutlich gemacht werden muß, welches die preisbeeinflussenden Faktoren sind. Insbesondere kleinere Unternehmen können sich schnell gezwungen sehen, sensible Daten mit ihren Wettbewerbern teilen zu müssen. Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten wird man dies jedoch nicht als bedenklich einstufen. Denn die mit den Veröffentlichungspflichten verbundenen Nachteile sind der Preis für die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes, der nur funktionieren kann, wenn ein hohes Maß an Transparenz gewährleistet ist456. Als zweifelhaft erscheint indes die gesetzliche Lösung, einen Aufschub nur dann zuzulassen, wenn die Interessen des Emittenten und der Anleger dies gebieten. Denn warum soll der Emittent, dessen Interessen durch eine Veröffentlichung nicht nachteilig berührt werden, gezwungen sein, durch eine Veröffentlichung Anlegerinteressen zu beeinträchtigen? Angesichts der Zielsetzung der Informationsnorm läge es näher, ausschließlich auf die Interessen der Anleger abzustellen und einen Aufschub immer dann zuzulassen, wenn dies in ihrem Interesse ist. Allerdings würde dies im praktischen Ergebnis wenig ändern. Denn in der Konsequenz der vorgestellten Überlegung liegt es, daß der Aufschub dann auch obligatorisch ausgestaltet werden müßte. Da aber nur der Emittent als Träger der Information über den Aufschub befinden kann, träfe diesen die Aufschubpflicht, die haftungsbewehrt werden müßte, damit sie nicht leerläuft. An dieser Stelle scheitert das Konzept jedoch. Denn eine haftungsbewehrte Aufschubpflicht würde den Emittenten mit einem zu großen Haftungsrisiko belasten, da er sich dem Haftungsrisiko nicht mehr wie bisher durch Wahl der sicheren Alternative Veröffentlichung entziehen könnte457. Verzichtet man daher auf einen obligatorischen Aufschub, so würde sich im Vergleich zur Lösung des geltenden Rechts nur wenig ändern. Für den Emittent bestünde nämlich nur dann ein Anreiz, das mit einem Aufschub verbundene Haftungsrisiko einzugehen, wenn dies auch in seinem Interesse liegt. Die problematische Verbindung von Emittenten- und Anlegerinteressen in der Aufschubnorm läßt sich auch nicht dadurch auflösen, daß man in der Aufschub456
Siehe auch den Beitrag von SCHÖN, der für börsennotierte Gesellschaften die strengsten Publizitätspflichten fordert. 457 Siehe auch SVEN SCHNEIDER, BB 2005, 897 (900).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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norm de lege ferenda die Anlegerinteressen ausblendet und – wie es § 15 Abs. 3 WpHG bereits jetzt suggeriert – ausschließlich auf die Emittenteninteressen abstellt, die dann gegen die von der Informationsnorm geschützten Anlegerinteressen abzuwägen wären. Denn damit würde aus § 15 Abs. 3 WpHG eine den gesellschaftsrechtlichen Auskunftsverweigerungsrechten ähnliche Aufschubnorm, welche die Publizitätspflichten den Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft unterzuordnen bereit ist. Hierdurch würde indes gerade der kapitalmarktrechtliche Gedanke ausgeblendet, daß ein funktionierender Kapitalmarkt ein hohes Maß an Transparenz verlangt, und Geheimhaltungsinteressen dahinter zurückstehen müssen. Will man den Anlegern ermöglichen, sich in voller Kenntnis der Sachlage zwischen verschiedenen Anlagen zu entscheiden, so erfordert dies ein für alle Unternehmen gleiches Maß an Publizität. Einzelne Geheimhaltungsinteressen müssen dahinter auch dann zurückstehen, wenn dies für das betreffende Unternehmen nachteilig ist. Wie bereits erwähnt, sind die hiermit für die Emittenten verbundenen Nachteile der Preis, den sie für ihre Inanspruchnahme des Kapitalmarktes zahlen müssen458.
3.3.4. Abgleich von § 131 AktG und § 15 WpHG Die Betrachtung der Auskunftsverweigerungsrechte im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht fordert im Hinblick auf die Aktiengesellschaft schließlich noch einen Abgleich konkurrierender Informationspflichten bzw. Auskunftsverweigerungsrechte. Die börsennotierte Aktiengesellschaft sieht sich nämlich sowohl den Anforderungen des § 131 AktG als auch des § 15 WpHG ausgesetzt. Im Ausgangspunkt ist hierbei zunächst auf den gemeinsamen Berührungspunkt hinzuweisen: Unabhängig davon, ob eine Information zu gesellschafts- oder kapitalmarktrechtlichen Zwecken erteilt wird, steht sie faktisch doch auch für den jeweils anderen Zweck zur Verfügung. In gleicher Weise kann über die Nichterteilung einer Information nur einheitlich entschieden werden; ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 AktG ist faktisch wertlos, wenn nicht zugleich ein Aufschub gemäß § 15 Abs. 3 WpHG n.F. in Betracht kommt – und umgekehrt. Die Bedeutung dieser faktischen Gegebenheiten für die rechtliche Beurteilung soll nachfolgend untersucht werden. Dazu soll zunächst die rechtliche Ausgangsposition herausgearbeitet werden, d.h. die beiden Normen hinsichtlich ihrer rechtlichen Ausgestaltung und Zielsetzung verglichen werden. Erst im Anschluß daran wird die Frage aufgeworfen, wie das Recht die faktische Wechselwirkung berücksichtigen kann.
3.3.4.1. Vergleich der rechtlichen Ausgangspositionen Bei einem Vergleich der rechtlichen Ausgangspositionen sind zunächst die spezifisch gesellschaftsrechtliche Dimension des § 131 AktG und die spezifisch kapitalmarktrechtliche Dimension des § 15 WpHG herauszustellen. § 131 AktG setzt ein Auskunftsbegehren voraus und knüpft, wie insbesondere auch Abs. 4 zeigt, an die
458
Siehe bereits oben Fn. 456.
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Aktionärsstellung desjenigen, der die Auskunft wünscht, an. Gleichzeitig deutet die weitere Tatbestandseinschränkung, daß die begehrte Auskunft „zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich“ sein muß, mit großer Klarheit auf die Zielsetzung der Norm hin. Das Auskunftsrecht dient der Ausübung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse. Wie oben bereits ausführlich dargelegt, ist ihm eine kapitalmarktrechtliche Zielsetzung nicht zu eigen, d.h. es soll den Aktionär ausschließlich bei der Ausübung seiner gesellschaftsrechtlichen Befugnisse, nicht aber bei seiner Entscheidung über (weitere) Investition oder Deinvestition unterstützen459. Dementsprechend steht es nur den in der Hauptversammlung anwesenden oder vertretenen Aktionären zu, schließlich sieht § 118 Abs. 1 AktG eine Ausübung der Aktionärsrechte grundsätzlich nur in der Hauptversammlung vor. Demgegenüber zielt § 15 WpHG, unabhängig von einem Auskunftsbegehren und einer etwaigen Aktionärsstellung, auf die Information des Marktes, um auf diese Weise Informationsasymmetrien abzubauen. Gerade das Erfordernis der Kursrelevanz macht diesen entscheidenden Gesichtspunkt deutlich. Die Marktteilnehmer sollen bei ihrer Entscheidung über Investition oder Deinvestition über alle kursrelevanten Informationen verfügen. Gefördert werden soll so die ökonomische Effizienz des Kapitalmarktes, wozu eben auch die Stärkung des Anlegervertrauens durch den Schutz der Anleger vor unfairen Preisen gehört460. Damit sind die Merkmale der Erforderlichkeit bei § 131 AktG und der Kursrelevanz bei § 15 WpHG funktionell äquivalent, weil beide die Wirkung der jeweiligen Norm auf das angestrebte Ziel beschränken. Dies bedeutet jedoch noch nicht, daß sie einheitlich auszulegen wären461. Denn schließlich sind die angestrebten Ziele nicht identisch. Während § 15 WpHG die Ad-hoc-Publizitätspflicht auf kursrelevante Informationen beschränkt, weil nur diese für einen effizienten Kapitalmarkt und informierte Investitions- bzw. Deinvestitionsentscheidungen erforderlich sind, beschränkt § 131 AktG das Auskunftsrecht auf diejenigen Informationen, die für die Beurteilung der Tagesordnung erforderlich sind, weil nur diese Informationen zur Ausübung der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse benötigt werden. Die Schnittmenge mag besonders groß sein, ohne daß jedoch von Identität der beiden Teilmengen gesprochen werden könnte462. In jedem Fall handelt es sich aber um eine faktisch bestehende, nicht eine rechtlich geschaffene Schnittmenge. So mögen zwar Informationen über einen drohenden Gewinneinbruch sowohl erforderlich als auch kursrelevant sein. Ob die – zweifelsohne zumindest im Hinblick auf die Entlastung erforderliche – Information über die Gründe hierfür stets auch kursrelevant im Sinne eines Potentials zur erheblichen Beeinflussung des Wertpapierkurses ist, kann hingegen mit Fug und Recht bezweifelt werden. Dies gilt selbst dann, wenn
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Siehe oben Normzweck des § 131 AktG: Der Aktionär als Gesellschafter, nicht als Kapitalanleger; vgl. auch K. SCHMIDT, Informationsrechte, 23: „Hilfsrecht zur Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Positionen“. 460 Vgl. oben Normzweck. 461 So aber HIRTE, in: HADDING/HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (55 f.). Vgl. auch JOUSSEN, DB 1994, 2485 (2489). 462 Vgl. auch FRANKEN/HEINSIUS, in: FS Budde, 213 (238 ff.).
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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man den Zukunftsbezug auch von Vergangenheitszahlen, die zur Extrapolation benutzt werden, betont463. Noch einmal herauszustellen sind schließlich die unterschiedlichen Adressatenkreise der Normen. Während sich § 131 AktG ausschließlich an die in der Hauptversammlung anwesenden oder vertretenen Aktionäre richtet, geht § 15 WpHG weit darüber hinaus und dient der Information des gesamten Marktes, der alle Aktionäre und alle Nicht-Aktionäre einschließt. Auch dies ist eine Konsequenz der unterschiedlichen Zielrichtungen der Normen. In diesem Zusammenhang ist auch noch festzuhalten, daß im Hinblick auf den Öffentlichkeitsbezug Diskrepanzen bestehen464. Während Ad-hoc-Mitteilungen nach der hier vertretenen Ansicht an die (breite) Öffentlichkeit, jedenfalls aber an eine Bereichsöffentlichkeit zu richten sind465, sind Hauptversammlungen aus rechtlicher Sicht keine öffentlichen Veranstaltungen466. Dort erteilte Auskünfte mögen zwar faktisch an die Öffentlichkeit gelangen, rechtlich sind sie jedoch nur an eine bestimmte Personenzahl, nämlich an die in der Hauptversammlung anwesenden oder vertretenen Aktionäre gerichtet. Dementsprechend wird eine Information durch die Erteilung einer Auskunft auf der Hauptversammlung noch nicht öffentlich bekannt im Sinne des WpHG 467. Alle diese Aspekte führen zu dem Ergebnis, daß § 131 AktG und § 15 WpHG verschiedenen Regelungsbereichen angehören. Sie haben unterschiedliche Adressatenkreise und Regelungsziele und stehen insofern rechtlich unverbunden nebeneinander, woran sich ihre Auslegung zu orientieren hat. Es geht also nicht an, § 131 AktG auch eine kapitalmarktrechtliche Zielsetzung und § 15 WpHG auch eine gesellschaftsrechtliche Zielsetzung beizumessen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht generell unverbunden nebeneinander stehen. Selbstverständlich sind beide Rechtsgebiete aufeinander bezogen und müssen sinnvoll aufeinander abgestimmt werden468. Dabei wird sich auch herausstellen, daß einige Normen sowohl gesellschafts- als auch kapitalmarktrechtlichen Zwecken dienen. Mit der Aussage, § 131 AktG und § 15 WpHG stünden rechtlich unverbunden nebeneinander, ist daher auch nicht gemeint, daß diese Normen grundsätzlich nichts gemeinsam hätten und keine Berührungspunkte aufweisen würden. Es wird hier lediglich betont, daß diese konkreten Informationspflichten spezifisch gesellschaftsrechtlichen und spezifisch kapitalmarktrechtlichen Zwecken dienen. Sie sind im 463
In diesem Sinne etwa HIRTE, in: HADDING/HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (55). 464 Hierzu zum alten Recht HIRTE, in: HADDING/HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (70), der diese Diskrepanz als Hindernis auf dem Weg zu einer Abstimmung von Auskunftsrecht und Ad-hoc-Publizität beklagt. Er sieht allerdings die Diskrepanz zwischen einer Bereichsöffentlichkeit einerseits und der Hauptversammlungsöffentlichkeit andererseits, während hier zwar das Konzept der Bereichsöffentlichkeit abgelehnt wird, dafür aber betont wird, daß die Hauptversammlung rechtlich keine öffentliche Veranstaltung ist. 465 Siehe oben Nicht öffentlich bekannt (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.). 466 FRANKEN/HEINSIUS, in: FS Budde, 213 (217 f., 238 ff.); JOUSSEN, DB 1994, 2485 (2486). 467 JOUSSEN, DB 1994, 2485 (2486 f.). 468 Vgl. hierzu den Überblick über die Literatur bei ZETZSCHE, Aktionärsinformation in der börsennotierten AG, 118 ff.
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rechtlichen Ausgangspunkt verschieden und treffen sich erst auf der faktischen Ebene, weil die erteilten Informationen in aller Regel jeweils auch für den anderen Zweck zur Verfügung stehen. Ihr auf der faktischen Ebene durchaus vorhandener Berührungspunkt ist auch der Umstand, auf den nachfolgend eingegangen wird.
3.3.4.2. Berücksichtigung faktischer Wechselwirkungen Die Ablehnung einer rechtlichen Verzahnung von aktienrechtlichem Auskunftsrecht und kapitalmarktrechtlicher Ad-hoc-Publizität bedeutet nicht, daß das Recht spill-over-Effekte ignorieren kann, die sich aus der Natur des Gutes Information ergeben. Es stellt sich daher die Frage, wie das Recht auf den Umstand reagieren muß, daß Informationen aus der Hauptversammlung in den Kapitalmarkt hineinwirken und daß umgekehrt kapitalmarktrechtlich erteilte Informationen auf die Willensbildung in der Hauptversammlung Einfluß nehmen können. Quer hierzu liegt die weitere Fragestellung, wie eine ausnahmsweise erforderliche Geheimhaltung auch faktisch sichergestellt werden kann. 3.3.4.2.1. Hineinwirken des § 131 AktG in den Kapitalmarkt Zunächst soll auf den Umstand eingegangen werden, daß Informationen, welche den Aktionären in der Hauptversammlung gegeben werden, auch ihren Weg in den Kapitalmarkt finden. Der Einwand, daß es sich bei der Hauptversammlung um eine grundsätzlich nicht öffentliche Veranstaltung handelt, verfängt demgegenüber nicht, da an dieser Stelle nicht rechtlich, sondern faktisch argumentiert wird. In faktischer Hinsicht dürfte aber weitgehend Einigkeit bestehen, daß in der Hauptversammlung erteilte469 Informationen Eingang in die Preisbildung am Kapitalmarkt finden. Ökonomisch gesprochen entspricht dies der verbreiteten Hypothese eines zumindest semi-effizienten Kapitalmarktes, der alle öffentlich zugänglichen Informationen im Preis verarbeitet. Problematisch hieran ist, daß die faktische Öffentlichkeit der Hauptversammlung zunächst nur eine Teilöffentlichkeit ist. Es ist nicht sichergestellt, daß die dort erteilten Informationen sofort allen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen, so daß zumindest kurzfristige Informationsasymmetrien entstehen können, welche die faire Preisbildung an der Börse beeinträchtigen können. Da das Kapitalmarktrecht solche Informationsasymmetrien unterhalb der Schwelle des § 13 WpHG, d.h. bei fehlender Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung (Kursrelevanz), hinnimmt und keinen Ausgleich der Asymmetrie über § 15 WpHG fordert, besteht ein rechtlicher Abstimmungsbedarf auch nur bei Kursrelevanz, d.h. 469
Zwar finden auch nicht erteilte Informationen insofern Eingang in die Preisbildung des Kapitalmarktes, als sie Preisschwankungen aufgrund der nicht offengelegten Umstände vermeiden. Da eine Nicht-Information jedoch allen Marktteilnehmern gleichermaßen nicht zur Verfügung steht, stellt sich das nachfolgend im Text erörterte Problem der bloßen Teilöffentlichkeit der Hauptversammlung nicht. Auf (pflichtwidrig) nicht erteilte Informationen wird daher im folgenden für den Bereich des § 131 AktG nicht weiter eingegangen. Da nach der hier vertretenen Ansicht § 131 AktG auch keine kapitalmarktrechtliche Intention unterliegt, sind auch keine rechtlichen Auswirkungen eines (pflichtwidrigen) Zurückhaltens von Informationen auf den Kapitalmarkt zu untersuchen.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
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sobald es um Insiderinformationen geht. Insofern wird in der Literatur zutreffend darauf hingewiesen, daß ein Konkurrenzverhältnis zwischen § 131 AktG und § 15 WpHG nicht für vergangenheitsbezogene Auskünfte zum letzten Geschäftsjahr, wohl aber für aktuelle Tatsachen denkbar ist470. Abstrakt betrachtet, kommen verschiedene Lösungswege in Betracht. So könnte man zum einen die Verwendung der in der Hauptversammlung erteilten Information beschränken, indem sie – dem Zweck des § 131 AktG entsprechend – nur für gesellschaftsrechtliche Zwecke, nicht aber für Wertpapiergeschäfte genutzt werden darf. Denkbar wäre dies in Fällen, in denen die an sich zwingend gebotene Ad-hoc-Veröffentlichung der Insiderinformation gemäß § 15 Abs. 3 WpHG n.F. aufgeschoben werden kann, gleichwohl aber eine Unterrichtung der Aktionäre gewünscht ist. Rechtstechnisch ließe sich das über die Insiderregeln erreichen, da die Teilnehmer an der Hauptversammlung durch ihre Information gemäß § 131 AktG zu Insidern würden und damit den Verboten des § 14 WpHG n.F. unterworfen wären. Hiergegen spricht aber, daß bei der Vielzahl von Teilnehmern an Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften das Insiderrecht überlastet wäre. Auch ließe sich die Einhaltung der Verbote des § 14 WpHG angesichts der vielfach bestehenden „Presseöffentlichkeit“ der Hauptversammlung nicht mehr kontrollieren. Es stellt sich darüber hinaus ferner die Frage, ob solche Informationen nicht bereits „öffentlich bekannt“ im Sinne des § 13 WpHG und damit keine Insiderinformationen mehr sind, auch wenn sie nicht auf dem Weg des § 15 WpHG veröffentlicht wurden471. Kommt eine Verwendungszweckbeschränkung der erteilten Informationen als Lösung nicht in Betracht, so bleiben zwei Lösungen: entweder wird die Information allen verweigert oder allen erteilt. Eine allgemeine Verweigerung kommt jedoch nur in dem Ausnahmefall überwiegender Geheimhaltungsinteressen in Betracht, der weiter unten behandelt werden soll472. Vom Gesetz vorgezeichnet ist vielmehr der Weg über eine allgemeine Erteilung der Information. Denn Insiderinformationen sind unabhängig davon, ob diesbezüglich ein Auskunftsrecht in der Hauptversammlung geltend gemacht wird, unverzüglich gemäß § 15 WpHG n.F. zu veröffentlichen. Versteht man hierunter richtigerweise die Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit, so besteht kein Konflikt mit § 131 AktG, da auch die Teilnehmer an der Hauptversammlung Teil der breiten Öffentlichkeit sind. Sofern erforderlich mag der Vorstand die begehrte Information daher – nach Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht – in der Hauptversammlung noch einmal erteilen473.
470
DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 45; MÖLLERS, ZGR 1997, 334 (356). Vgl. dazu ASSMANN, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG, § 13 Rn. 40; SCHWARK, in: SCHWARK, § 13 WpHG Rn. 36. 472 Siehe unten Gleichlauf der Informationsverweigerung. 473 So auch DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 325 ff.; HIRTE, in: HADDING/HOPT/ SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (57 f.); HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (156 f.): Betrifft ein Auskunftsbegehren ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsachen, so muß der Vorstand vor der Auskunftserteilung zunächst seiner Adhoc-Publizitätspflicht genügen. 471
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Aufgrund der unabhängig von einer Geltendmachung des Auskunftsanspruch bestehenden Pflicht zur Ad-hoc-Publizität darf sich der Vorstand nicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG berufen, weil er sich durch die Weitergabe einer Insiderinformation an die Aktionäre strafbar machen würde. Denn die Strafbarkeitsdrohung besteht gerade nicht, wenn er zuvor seiner Pflicht aus § 15 WpHG genügt und damit die Eigenschaft der Information als Insiderinformation beseitigt. Nur wenn dies in Ausnahmefällen – etwa aufgrund der fortgeschrittenen Zeit – nicht mehr möglich ist, besteht ein Weigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG474. Zu Recht wird daher auch darauf hingewiesen, daß ein echter Konflikt zwischen § 131 AktG und § 15 WpHG in der Hauptversammlung nur dann entstehen kann, wenn die begehrte Information erst durch das Auskunftsverlangen kursrelevant wird. In allen anderen Fällen liegt schon vor dem Auskunftsbegehren ein Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht vor475. Aufzulösen ist jeder dieser – echten oder unechten – Konflikte durch Herausgabe einer Ad-hoc-Mitteilung – ggfls. aus der Hauptversammlung heraus – und anschließende Auskunft in der Hauptversammlung. Nach altem Recht stellte sich ferner die Frage, wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen Insiderinformationen erfragt wurden, welche (noch) nicht unter die Adhoc-Publizitätspflicht fielen. Eine solche Konstellation war denkbar, weil die Definitionen von Insidertatsache und ad-hoc-publizitätspflichtiger Tatsache nicht identisch waren476. Nach neuem Recht stellt sich diese Frage nicht mehr, weil bereits alle Insiderinformationen zu veröffentlichen sind. Die Problematik wird daher in den sogleich477 zu untersuchenden Bereich der Befreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG verlagert. Im Ergebnis sind die faktischen Auswirkungen einer Auskunftserteilung gemäß § 131 AktG, das Hineinwirken in den Kapitalmarkt, rechtlich dadurch zu berücksichtigen, daß vor der Auskunftserteilung der (vorher versäumten) Publizitätspflicht gemäß § 15 WpHG zu genügen ist. Diese zeitliche Kollisionsregel gibt also vor, welche von zwei nebeneinander bestehenden Pflichten zuerst zu erfüllen ist. Sie regelt dabei sowohl den Ausnahmefall, daß die Auskunftspflicht gemäß § 131 AktG und die Ad-hoc-Publizitätspflicht zeitgleich entstehen, als auch den Regelfall, daß die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität zwar zuerst entstanden, aber pflichtwidrig nicht unverzüglich erfüllt worden ist, so daß es zu einem Zusammentreffen mit der Auskunftspflicht kommen konnte.
474
Im einzelnen: DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 325 ff.; HIRTE, in: HADDING/ HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (58). 475 HOPT, ZHR 159 (1995), 135 (156 f.). Siehe auch SCHNEIDER/SINGHOF, in: FS Kraft, 585 (595). 476 Zum alten Recht vgl. BENNER-HEINACHER, DB 1995, 765 (765 f.); BUTZKE, in: OBERMÜLLER/ WERNER/WINDEN, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, G 77 ff.; HIRTE, in: HADDING/HOPT /SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (58 ff.); SEMLER, in: MünchHdb AG, § 37 Rn. 43 ff. 477 Siehe unten Gleichlauf der Informationsverweigerung.
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3.3.4.2.2. Einflußnahme kapitalmarktrechtlich erteilter Informationen auf gesellschaftsrechtliche Entscheidungen Nicht nur auf Hauptversammlungen erteilte Informationen können in den Kapitalmarkt hineinwirken. Umgekehrt können auch Informationen, welche dem Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt werden, in die Hauptversammlung hineinwirken. 3.3.4.2.2.1. Auswirkungen auf das Auskunftsrecht Denkbar sind hier zunächst Auswirkungen auf das Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG. Informationen, welche den Aktionären bereits über den Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt wurden, werden diese in aller Regel nicht mehr in der Hauptversammlung nachfragen. Aus praktischer Sicht entlastet die Kapitalmarktpublizität damit die Hauptversammlung. In rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob das Auskunftsrecht hierdurch auch rechtlich eingeschränkt wird. Insofern könnte man die Erforderlichkeit einer Auskunft mit der Begründung verneinen, daß die begehrte Information bereits öffentlich verfügbar ist. Vor diesem Hintergrund wird die Ansicht vertreten, daß die Publizitätsvorschriften des WpHG und WpPG und die Ad-hoc-Publizität den Auskunftsanspruch aus § 131 AktG konsumieren und der Vorstand bei Beachtung dieser Vorschriften „über buchungs- und berichtspflichtige Angelegenheiten, soweit sie die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft im laufenden Geschäftsjahr betreffen, in der Hauptversammlung nicht zur Auskunft verpflichtet“ ist478. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zunächst können im Hinblick auf die Ausübung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse weitergehende Auskünfte erforderlich sein als Informationen nach § 15 WpHG veröffentlicht werden müssen. Entscheidend ist aber ein weiterer Gedanke. § 131 AktG ist als ein Hilfsrecht für die Aktionäre konzipiert, welche in der Hauptversammlung in die Lage versetzt werden sollen, die Gegenstände der Tagesordnung sachgerecht zu beurteilen. Hierfür reicht es aber nicht aus, den Aktionären bislang allgemein unbekannte Informationen zur Verfügung zu stellen. Vielmehr kann es auch erforderlich sein, bereits öffentlich verfügbare Informationen dadurch nutzbar zu machen, daß sie in der Hauptversammlung verfügbar gemacht werden. Es kann von den Aktionären nämlich weder verlangt werden, alle öffentlich verfügbaren Informationen über ihre Gesellschaft zu kennen, noch kann verlangt werden, diejenigen Informationen, die ihnen irgendwann zur Kenntnis gelangt sind, auch ständig präsent zu haben. Der Gegenansicht ist zuzugeben, daß einige Gerichtsentscheidungen dahingehend gelesen werden können, daß Auskünfte über öffentlich verfügbare Informationen nicht erforderlich sind479. Jedoch spricht zum einen die Existenz von Gegenstimmen noch nicht gegen die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung. Zum anderen stützen die meisten dieser Entscheidungen bei genauerem Hinsehen sogar die hier vertretene These: Sie betreffen nämlich Informationen, die in der Hauptversammlung verfügbar sind. Paradigmatisch sind hierfür Auskunftsbegehren, die sich 478 479
JOUSSEN, DB 1994, 2485 (2489). Vgl. die Darstellung bei ZETZSCHE, Aktionärsinformation in der börsennotierten AG (2006), 150 f.
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auf Informationen beziehen, die dem Jahresabschluß entnommen werden können480. Dieser ist nämlich gemäß § 120 Abs. 3 S. 2 AktG der Hauptversammlung vorzulegen, so daß er den Aktionären auch in der Hauptversammlung zur Verfügung steht481. Soweit dies geschehen ist, sind Auskünfte über Sachverhalte, die sich aus dem Jahresabschluß ergeben, tatsächlich nicht erforderlich. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, daß die Aktionäre alle öffentlich verfügbaren Informationen präsent haben müssen und Auskunft nur über solche Sachverhalte begehren können, die noch nicht öffentlich bekannt sind. Den in diese Richtung tendierenden Entscheidungen kann damit nicht gefolgt werden; zum Teil sind sie auch überholt482. Gestützt wird diese Auffassung auch durch die im Rahmen des UMAG erfolgten Änderungen des § 131 AktG. Die neue Norm des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AktG sieht ein Auskunftsverweigerungsrecht insoweit vor, als „die Auskunft auf der Internetseite der Gesellschaft über mindestens sieben Tage vor Beginn und in der Hauptversammlung durchgängig zugänglich ist“. Dies macht zunächst deutlich, daß die Erforderlichkeit einer Information nicht dadurch beseitigt wird, daß sie anderweitig verfügbar ist. Sodann wird aber auch auf der Ebene der Auskunftsverweigerung klargestellt, daß diese nur in Betracht kommt, wenn die begehrte Information auch in der Hauptversammlung verfügbar ist483. Die neu geschaffene Norm mutet es den Aktionären gerade nicht zu, alle bereits veröffentlichten Informationen über die Gesellschaft im Kopf zu haben, sondern gibt der Gesellschaft nur dann ein Auskunftsverweigerungsrecht, wenn diese Informationen auch während der Hauptversammlung zugänglich sind. Sie verlangt sogar weitergehend, daß diese Informationen über einen bestimmten Zeitraum vor der Hauptversammlung verfügbar gewesen sein müssen. 480
OLG Hamburg, AG 2001, 359 (361): Information, die sich aus Jahresabschluß ergibt, bedarf keiner Wiederholung in der Hauptversammlung; in dem Fall des LG Köln, 06.02.1991, 91 O 207/90, wäre ein Anspruch grundsätzlich zu bejahen gewesen, der aber von dem weitergehenden Anspruch aus § 131 Abs. 1 S. 3 AktG verdrängt wird. OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148 (2153) = DB 1991, 2532: Auskunft nicht erforderlich, „wenn in der Hauptversammlung ein Jahresabschluß in nicht abgekürzter Form gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 AktG vorgelegt wird, aus welchem sich eine Beantwortung des Auskunftsbegehrens ergibt.“ 481 Hierzu auch HÜFFER, AktG, § 176 Rn. 2; ZÖLLNER, in: NOACK/SPINDLER, Unternehmensrecht und Internet, 69 (89). 482 Nicht gefolgt werden kann insbesondere der Entscheidung des LG Frankfurt a.M., ZIP 1997, 1698 (1703), in welcher – ohne nähere Begründung – ein vor der Hauptversammlung gegebener Hinweis des Vorstands auf eine Fundstelle im Bundesanzeiger als ausreichend angesehen wurde. In der Entscheidung KG, ZIP 1994, 1267 (1274) = AG 1994, 469 ff. = WM 1994, 1479 ff., hat das KG die Erforderlichkeit von Angaben über Beteiligungen an der Gesellschaft verneint, weil der Auskunftbegehrende sich hierüber selbst durch Einsichtnahme in das Teilnehmerverzeichnis und das Aktienbuch informieren könne. Der Verweis auf das Teilnehmerverzeichnis entspricht der hier vertretenen Auffassung, weil dieses gemäß § 129 Abs. 1 S. 2 AktG in der Hauptversammlung zur Verfügung steht. Für das Aktienbuch gilt dies hingegen nicht, zumal nach neuer Rechtslage auch das allgemeine Einsichtsrecht der Aktionäre in das Aktienbuch abgeschafft wurde, vgl. § 67 Abs. 6 AktG. Die Entscheidung ist damit überholt. 483 Vgl. in diesem Zusammenhang auch ZÖLLNER, AG 2000, 145 (152 f.); DERS., in: NOACK/ SPINDLER, Unternehmensrecht und Internet, 69 (88 f.).
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Verallgemeinern läßt sich dies zunächst dahingehend, daß bereits veröffentlichte oder anderweitig verfügbare Informationen nicht von vornherein als „nicht erforderlich“ aus dem Anwendungsbereich des § 131 Abs. 1 AktG herausfallen. Weiterhin kommt allein aufgrund der Tatsache, daß diese Informationen öffentlich verfügbar sind, noch kein Auskunftsverweigerungsrecht in Betracht. Diese sind vielmehr an weitergehende Voraussetzungen geknüpft, welche die Verfügbarkeit der Information auch in der Hauptversammlung sicherstellen. Auf kapitalmarktrechtlich bereits erteilte Informationen übertragen bedeutet dies, daß diese das Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG nur einschränken, wenn sie in der Hauptversammlung verfügbar sind. Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn den Aktionären in der Hauptversammlung ein Internetzugang zur Verfügung steht und sich auf der Internetseite der Gesellschaft ein Link auf die von der Gesellschaft herausgegebenen Ad-hoc-Mitteilungen findet. Im Hinblick auf den in § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AktG ist zudem noch zu verlangen, daß dieser Link bereits über den dort genannten Zeitraum von sieben Tagen zur Verfügung stand. 3.3.4.2.2.2. Auswirkungen auf Beschlüsse der Hauptversammlung Welche Auswirkungen können kapitalmarktrechtlich erteilte Informationen auf Beschlüsse der Hauptversammlung haben? In faktischer Hinsicht ist es zunächst keineswegs ausgeschlossen, daß ein Aktionär und späterer Teilnehmer an der Hauptversammlung des Emittenten eine positive, aber unzutreffende, Ad-hoc-Mitteilung wahrnimmt und unter diesem Eindruck seine Zustimmung zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat erteilt. Ebenso denkbar ist, daß im Fall pflichtwidrig unterlassener negativer Berichterstattung derselbe Aktionär diese Zustimmung erteilt, weil er bei einer Überprüfung der letzten Ad-hoc-Mitteilungen des Emittenten keine negative Information gefunden hat. Auch umgekehrt lassen sich Fälle denken, in denen diese Zustimmung aufgrund einer falschen negativen oder einer unterlassenen positiven Ad-hoc-Meldung verweigert wird484. Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, daß dieses Hineinwirken kapitalmarktrechtlich erteilter Informationen in die Hauptversammlung ein rein faktisches Phänomen ist. § 15 WpHG dient zwar der Ergänzung der Regelpublizität485, welche ihrerseits auch gesellschaftsrechtlichen Zwecken dient, jedoch ist diese Ergänzung rein kapitalmarktrechtlich motiviert. Dies läßt sich gerade anhand der Beschränkung dieser Ergänzungsfunktion auf börsennotierte Gesellschaften zeigen. Sodann ist die Frage aufzuwerfen, ob und wenn ja welche Folgen aus diesem Hineinwirken zu ziehen sind. Ein Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG kommt insofern nicht in Betracht. Denn zum einen geht es nicht um den Fall einer verweigerten Auskunft im Sinne des § 131 AktG. Zum anderen wissen die Aktionäre sowohl im Fall einer falschen Ad-hoc-Mitteilung als auch im Fall einer unterbliebenen Mitteilung ja gerade nichts von ihrem zusätzlichen Informationsbedürfnis und sobald sie es erkennen, haben sie zumeist die fehlende Information. Als Reaktion ex 484
Die Fälle einer zulässig unterbliebenen positiven oder negativen Ad-hoc-Mitteilung werden unten (Gleichlauf der Informationsverweigerung?) untersucht. 485 Siehe oben Normzweck, insbesondere bei Fn. 342.
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post scheiden auch die §§ 37b, 37c WpHG aus. Diese geben zwar allgemein einen Anspruch auf Schadensersatz, so daß man auch darüber nachdenken könnte, im Wege der Naturalrestitution einen Anspruch auf Neuvornahme der Beschlüsse zu gewähren, jedoch schützen sie nicht die passive Marktseite. Ganz im Sinne des Kapitalmarktrechts schützen sie ausschließlich vor den negativen Folgen von Transaktionen, die aufgrund der unzureichenden Informationslage vorgenommen wurden. Es bleibt daher nur das aktienrechtliche Anfechtungsrecht gemäß § 243 AktG. Dessen Eingreifen auch bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen ist an anderer Stelle ausführlich dargelegt worden486, so daß hier eine kurze Begründung genügen soll: Anfechtungsklagen wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung einer Information sind auf § 243 Abs. 4 S. 1 AktG zu stützen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Information aufgrund aktienrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Grundlage oder gar freiwillig erteilt wurde. Erforderlich ist allerdings ein Bezug der fraglichen Information auf die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung. Bei fehlerhaften oder fehlenden Ad-hoc-Mitteilungen reicht es für die Bejahung eines solchen Bezugs – und damit des Anfechtungsgrundes – indes nicht schon aus, daß Ad-hoc-Meldungen kursrelevante Sachverhalte betreffen, welche in der Hauptversammlung in aller Regel wenigstens mit dem Tagesordnungspunkt der Entlastung in einem Zusammenhang stehen und die Entscheidung hierüber beeinflussen können. Denn demgegenüber läßt sich einwenden, daß hierdurch allenfalls ein faktischer, nicht aber ein rechtlicher Bezug zur Beschlußfassung in der Hauptversammlung begründet wird. Doch existiert auch ein rechtlicher Bezug: § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AktG nimmt nämlich auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich verfügbare Informationen, zu denen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WpAIV auch die aktuellen Ad-hoc-Mitteilungen der Gesellschaft gehören, in Bezug, indem er es erlaubt, diesbezügliche Fragen nicht zu beantworten. Der Vorstand kann also Fragen in der Hauptversammlung dadurch abschneiden, daß er auf seine an den Kapitalmarkt gerichteten Informationen verweist. Hierdurch wird ein Bezug zur Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung hergestellt, der es rechtfertigt, einen Anfechtungsgrund bei Fehlerhaftigkeit dieser Informationen zu bejahen. Jedoch bestehen für anfechtungswillige Aktionäre formale Hürden, die sich als unüberwindlich erweisen können. Zu nennen sind hier das Widerspruchserfordernis des (§ 245 Nr. 1 AktG) sowie insbesondere die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG487. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß ein Verstoß gegen kapitalmarktrechtliche Pflichten ein aktienrechtliches Anfechtungsrecht begründen kann. 3.3.4.2.2.3. Gleichlauf der Informationsverweigerung? Während bislang die faktischen Auswirkungen von nach § 131 AktG erteilten Informationen auf den Kapitalmarkt sowie von gemäß § 15 WpHG erteilten oder pflichtwidrig nicht erteilten Informationen auf die Hauptversammlung untersucht wurden, soll jetzt die rechtmäßige Nichterteilung von Informationen beleuchtet werden. Sowohl § 131 AktG als auch § 15 WpHG sehen vor, daß die Gesellschaft 486 487
Ausführlich zu dieser Problematik KERSTING, ZGR 2007, 319 (319 ff., 327 ff., 336, 337 ff.). Hierzu KERSTING, ZGR 2007, 319 (345 ff., 347 ff.).
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Informationen, die sie grundsätzlich zu erteilen verpflichtet ist, zurückhalten darf, wenn ihr die Veröffentlichung zum Nachteil gereichen kann. Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung muß die Erkenntnis sein, daß ein Zurückhalten von Informationen jeweils nur dann zielführend im Sinne einer Vermeidung von Nachteilen ist, wenn die Entscheidung für beide Rechtsgebiete einheitlich getroffen werden kann. Denn kapitalmarktrechtliche Auskünfte sind ohnehin an die breite Öffentlichkeit zu richten und damit – etwa über das Internet – allgemein zugänglich. Sie stehen damit den Teilnehmern an der Hauptversammlung des Emittenten genauso zur Verfügung wie dessen Konkurrenten. Sie lassen sich auch nicht mit der Maßgabe herausgeben, daß sie nur zu kapitalmarktrechtlichen Zwecken, nicht aber zur Konkurrenzanalyse o.ä. verwendet werden dürfen. Umgekehrt lassen sich, wie oben bereits ausgeführt, Nachteile aus einer Erfüllung des Auskunftsanspruchs praktisch nicht durch eine Verwendungszweckbeschränkung der Information dahingehend, daß sie nur für gesellschaftsrechtliche Zwecke verwandt und nicht weitergegeben werden darf, vermeiden. In der Hauptversammlung einer börsennotierten AG mitgeteilte Informationen dringen unweigerlich nach draußen und an den Kapitalmarkt. Wie läßt sich nun eine einheitliche Entscheidung für beide Rechtsgebiete erreichen? Dies wäre zum einen bereits dann sichergestellt, wenn das Eingreifen einer Verweigerungsnorm rechtlich auf das jeweils andere Rechtsgebiet ausstrahlt und dort ebenfalls die Informationsverweigerung erlaubt. Ist dies nicht möglich, stellt sich die Frage, ob die Normen einheitlich ausgelegt werden können, so daß sie stets zum gleichen Ergebnis kommen. 3.3.4.2.2.3.1. Hineinwirken von Verweigerungsnormen in das jeweils andere Rechtsgebiet Zunächst soll untersucht werden, inwieweit die gesellschaftsrechtliche und die kapitalmarktrechtliche Verweigerungsnorm in das jeweils andere Rechtsgebiet ausstrahlt und dort ebenfalls ein Verweigerungsrecht begründet: Führt das Eingreifen von § 15 Abs. 3 WpHG zu einem Auskunftsverweigerungsrecht auch im Aktienrecht? Führt das Eingreifen von § 131 Abs. 3 AktG zu einem Aufschiebungsrecht im Kapitalmarktrecht? 3.3.4.2.2.3.1.1. Auswirkung des § 15 Abs. 3 WpHG auf § 131 Abs. 3 S. 1 AktG Zum alten Recht wurde de lege ferenda diskutiert wie einer Befreiung von der Adhoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG a.F. eine Bindungswirkung im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, ob ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG vorliegt, beigemessen werden könnte488. Dem aus einer
488
Eine Bindungswirkung de lege lata verneinen DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 302; MÖLLERS, ZGR 1997, 334 (357); aA WÜSTHOFF, Der Auskunftsanspruch des Aktionärs nach § 131 AktG zwischen Insider-Verboten und Ad hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 158 ff., 160. De lege ferenda für eine Bindungswirkung: HIRTE, in: HADDING/ HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (62 f.). Siehe auch FRANKEN/HEINSIUS, in: FS Budde, 213 (241).
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solchen Bindungswirkung entspringenden Gebot, im Rahmen der Verwaltungsentscheidung auch den Aktionären rechtliches Gehör zu gewähren, konnte dabei nicht wie von Hirte vorgeschlagen durch eine Veröffentlichung der Befreiung und der Einräumung eines Drittwiderspruchrechts Rechnung getragen werden489, weil die Veröffentlichung der Befreiung ihren Zweck konterkarieren würde490. Diese Diskussion ist aufgrund der Neuregelung gegenstandslos geworden; es gibt jetzt keine administrative Befreiung mehr, die insofern als Anknüpfungspunkt dienen könnte. Man könnte aber argumentieren, daß ein Aufschub nach § 15 Abs. 3 WpHG deshalb ein gesellschaftsrechtliches Auskunftsverweigerungsrecht begründe, weil es sich bei der zurückgehaltenen Information um eine Insiderinformation handelt, die diesen Charakter aufgrund des Aufschubs nicht verliert. Die Mitteilung von Insiderinformation in der Hauptversammlung ist verboten (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) und die verbotene Mitteilung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG). Insofern greift daher das Auskunftsverweigerungsrecht des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG ein491. Selbst wenn man den Vorstand für befugt im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG halten wollte, so läge insofern eine Ordnungswidrigkeit vor, als die Mitteilung in der Hauptversammlung nicht eine Veröffentlichung in der vorgeschriebenen Weise gemäß §§ 15 WpHG, 5 WpAIV darstellt (§ 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG). Damit scheint die kapitalmarktrechtliche Nichtveröffentlichung zu einem gesellschaftsrechtlichen Auskunftsverweigerungsrecht zu führen. Dies übersieht jedoch, daß es in der Hand des Vorstands liegt, die Voraussetzungen für eine Auskunft gemäß § 131 Abs. 1 AktG zu schaffen, indem er die Insiderinformation zuvor gemäß §§ 15 Abs. 1 WpHG, 5 WpAIV veröffentlicht. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Vorstand zu dieser Vorgehensweise nicht verpflichtet ist, weil das Auskunftsrecht des § 131 Abs. 1 AktG gerade durch das Verweigerungsrecht des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG ausgesetzt sei. Denn die fehlende Verpflichtung beruht auf gesellschaftsrechtsfremden Gründen, sie soll lediglich den Vorstand vor der Strafbarkeit bewahren. Richtigerweise ist daher allein auf die grundsätzliche gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zur Informationserteilung (§ 131 Abs. 1 AktG) sowie die Möglichkeit, das gesellschaftsrechtsfremde Hindernis zu beseitigen, abzustellen. Schließlich läßt sich aus § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 AktG ein Umkehrschluß ziehen: Diese Norm schützt anderweitige Geheimhaltungsrechte vor der Aushöhlung durch das Auskunftsrecht des Aktionärs. Für § 15 Abs. 3 WpHG fehlt eine solche Klausel. Im Ergebnis ergibt sich bei bestehendem Aufschubrecht nach § 15 Abs. 3 WpHG ein Verweigerungsrecht für den Vorstand damit nur dann, wenn er aus anderen Gründen nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet ist, etwa weil der Gesellschaft ein nicht unerheblicher Nachteil droht (§ 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG). Dies mag zwar in den Fällen des § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV häufig der Fall sein, jedoch bedeutet dies keinen rechtlichen Automatismus. Bereits ein Blick auf die – im Rahmen einer Hauptversammlung zugegebenermaßen kaum jemals relevanten – Fälle 489
HIRTE, in: HADDING/HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (63 ff.). 490 MÖLLERS, ZGR 1997, 334 (357). 491 Siehe auch oben Verweigerungsrecht bei Strafbarkeit der Informationserteilung.
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des § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV zeigt, daß die beeinträchtigten Emittenteninteressen nicht immer gleichbedeutend mit einem nicht unerheblichen Nachteil für das Unternehmen sein müssen. 3.3.4.2.2.3.1.2. Auswirkung des § 131 Abs. 3 S. 1 AktG auf § 15 Abs. 3 WpHG Ferner ist die Frage zu stellen, ob das Eingreifen des § 131 Abs. 3 S. 1 AktG im Gesellschaftsrecht zu einem Aufschiebungsrecht (§ 15 Abs. 3 WpHG) im Kapitalmarktrecht führt. Auch diese Frage ist zu verneinen. Es fehlt schon an einer ähnlich direkten Einwirkung des § 131 Abs. 3 S. 1 AktG auf die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 WpHG wie wir sie gerade umgekehrt diskutiert haben. Auch eine Übertragung des § 131 Abs. 3 AktG auf das Kapitalmarktrecht scheidet aus, weil dieser die Einschränkungen des § 15 Abs. 3 WpHG (keine Irreführung der Öffentlichkeit, Gewährleistung der Vertraulichkeit) nicht abbildet. Zudem reicht für § 15 Abs. 3 WpHG ein Nachteil für den Emittenten nicht aus, sondern dieser muß mit einem Nachteil für die Anleger einhergehen. 3.3.4.2.2.3.2. Einheitliche Auslegung? Im Ergebnis ist ein kumulatives Eingreifen beider Ausnahmetatbestände notwendig, damit das Ziel einer Informationsverweigerung erreicht werden kann. Ansonsten läßt sich kein Gleichlauf erzielen, so daß zwar die Informationsverweigerung in einem Rechtsgebiet möglich sein mag, diese aufgrund der Informationserteilung im anderen Rechtsgebiet ins Leere läuft. Diese Notwendigkeit eines kumulativen Eingreifens beider Verweigerungsnormen deckt sich dabei durchaus mit dem oben erzielten Ergebnis, wonach die beiden Informationsnormen rechtlich unverbunden nebeneinander stehen. Die Notwendigkeit des kumulativen Eingreifens beider Verweigerungsnormen erschwert es naturgemäß, einen Gleichlauf bei der Informationsverweigerung zu erzielen. Will man das Erzielen einer einheitlichen Entscheidung über die Auskunftsverweigerung nicht dem Zufall überlassen, so ist zu überlegen, inwiefern eine einheitliche Auslegung der Informationsverweigerungsnormen Abhilfe schaffen kann. Vergleicht man die betreffenden Normen, so erscheint es vom Wortlaut her zwanglos möglich, den Schutz der berechtigten Interessen (§ 15 Abs. 3 S. 1 WpHG) dann für erforderlich zu halten, wenn die Erteilung der Auskunft dazu geeignet ist, dem Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Dies gilt um so mehr als Art. 6 Abs. 2 Marktmißbrauchsrichtlinie explizit davon spricht, eine Schädigung der berechtigten Interessen zu vermeiden. Damit rückt er den seiner Umsetzung dienenden § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG noch näher an § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG, der von nicht unerheblichen Nachteilen spricht. Dementsprechend wird auch in der Literatur eine einheitliche Auslegung dieser Tatbestände gefordert492. 492
DECHER, in: HOPT/WIEDEMANN, AktG, § 131 Rn. 46, 302; HIRTE, in: HADDING/HOPT/SCHIMANSKY, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 47 (61 f.); MÖLLERS, ZGR 1997, 334 (357 f.); WÜSTHOFF, Der Auskunftsanspruch des Aktionärs nach § 131 AktG zwischen Insider-Verboten und Ad hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 158 ff. Siehe auch ZETZSCHE, Aktionärsinformation in der börsennotierten AG, 257.
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Betrachtet man die Normen allerdings genauer so zeigt sich, daß der erste Eindruck trügt und eine einheitliche Auslegung kaum möglich ist. Dies liegt vor allen daran, daß die Zielrichtung der Normen unterschiedlich ist. Während es im Aktienrecht um die Vermeidung der Zweckentfremdung der Information geht und daher im Rahmen des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG Vor- und Nachteile für die Gesellschaft gegeneinander abgewogen werden493, geht es bei § 15 Abs. 3 WpHG um Nachteile für Emittent und Anleger. Diese zusätzliche Schutzdimension des § 15 Abs. 3 WpHG steht einem einheitlichen Verständnis entgegen: Zunächst ist allerdings festzuhalten, daß eine einheitliche Auslegung zumindest aus einer Richtung möglich ist. Die Erfüllung der Aufschubvoraussetzungen des § 15 Abs. 3 WpHG kann nämlich durchaus auch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG bedeuten, wenn eine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Emittenten auch einen nicht unerheblichen Nachteil für die Gesellschaft bedeutet. Wie oben bereits ausgesprochen, liegt dies insbesondere für die Fälle des § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV tatsächlich nahe. Es besteht aus diesem Grund in der Tat die Möglichkeit, durch eine einheitliche Auslegung einen Gleichlauf der Informationsverweigerung zu erreichen. Inwiefern hier ein Automatismus, der in jedem Fall eine einheitliche Entscheidung garantiert, erzielt werden kann, soll an dieser Stelle offenbleiben. Oben wurde bereits erwähnt, daß ein Blick auf § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV die Vermutung nahelegt, daß dies nicht immer möglich ist. Allerdings ist zuzugeben, daß der Fall, daß in der Hauptversammlung Informationen über ein schwebendes, noch von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängiges Geschäft begehrt werden, konstruiert ist. Ausgeschlossen ist er indes nicht, insbesondere dann nicht, wenn entsprechende Gerüchte die Aktionäre zu diesbezüglichen Fragen veranlassen494. Aus der anderen Richtung ist eine einheitliche Auslegung allerdings nicht möglich. Zunächst versteht es sich angesichts der Regelbeispiele des § 6 S. 2 WpAIV, welche in bestimmten Konstellationen ein Aufschubinteresse des Emittenten annehmen und damit im Umkehrschluß eine Informationserteilung als für ihn nachteilig erklären, nicht von selbst, daß ein nicht unerheblicher Nachteil für die Gesellschaft (§ 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG) auch die berechtigten Interessen des Emittenten im Sinne des § 15 Abs. 3 WpHG beeinträchtigt. Der Kreis der gesellschaftsrechtlich geschützten Gesellschaftsinteressen dürfte sogar deutlich größer sein als der Kreis der kapitalmarktrechtlich geschützten Emittenteninteressen. Selbst wenn der nicht unerhebliche Nachteil für die Gesellschaft auch die kapitalmarktrechtlich geschützten Interessen des Emittenten zu gefährden droht, so führt er doch keineswegs zwingend zu einer Beeinträchtigung auch der Anlegerinteressen. Wie zuvor ausgeführt, gehören zu den Anlegern nämlich nicht nur die Aktionäre des Emittenten, sondern auch dessen potentielle Aktionäre, die nur an einem korrekten Wertpapierpreis, nicht jedoch an dessen gegenwärtigen Wohlergehen interessiert sind495.
493
Siehe oben Allgemeines. Vgl. bereits oben Auswirkung des § 15 Abs. 3 WpHG auf § 131 Abs. 3 S. 1 AktG. 495 Siehe oben Erarbeitung der Interessen im Rahmen des § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV. 494
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Im Ergebnis läßt sich über eine einheitliche Auslegung allenfalls ein Gleichlauf zwischen einem kapitalmarktrechtlichen Aufschub der Information und der gesellschaftsrechtlichen Informationsverweigerung erzielen. Ein Gleichlauf zwischen der gesellschaftsrechtlichen Informationsverweigerung und dem kapitalmarktrechtlichen Aufschub ist hingegen nicht erzielbar. 3.3.4.2.2.3.3. Einheitliche Selbstbefreiung? In praktischer Hinsicht läßt sich ein Gleichlauf der Informationsverweigerung allerdings in jedem Fall erzwingen. Die Entscheidung liegt nämlich in beiden Fällen in der Hand des Vorstands. Dennoch ist es nicht ratsam, einen Gleichlauf durch Rechtsbruch zu erzielen. Von einem rechtswidrigen kapitalmarktrechtlichen Informationsaufschub zur Durchsetzung eines gesellschaftsrechtlichen Auskunftsverweigerungsrechts ist schon deswegen abzuraten, weil die Ad-hoc-Publizitätspflicht bußgeld- und haftungsbewehrt ist. Aber auch die rechtswidrige gesellschaftsrechtliche Auskunftsverweigerung zur Durchsetzung des kapitalmarktrechtlichen Geheimhaltungsrechts birgt Gefahren, obwohl hier kein dauerndes Schweigerecht, sondern nur ein Aufschubrecht gesichert werden soll. Der Vorstand sollte sich nicht darauf zurückziehen, im Auskunftserzwingungsverfahren die Auskunft leichten Herzens erteilen zu können, weil dann auch das Aufschubrecht nicht besteht. Zwar droht hier weder ein Bußgeld noch eine zivilrechtliche Haftung. Jedoch kann eine Beschlußanfechtung erhebliche Nachteile für das Unternehmen mit sich bringen. 3.3.4.2.3. Gleichlauf der Informationserteilung Schließlich ist noch die Frage des Gleichlaufs der Informationserteilung zu thematisieren: Welche Auswirkungen hat die Veröffentlichung einer Information in einem Regelungsbereich auf das – an und für sich zu bejahende – Eingreifen eines Geheimhaltungsrecht im anderen Regelungsbereich? Werden die Geheimhaltungsrechte durch die anderweitige Veröffentlichung ausgeschlossen? Für das Kapitalmarktrecht gilt, daß wenn eine grundsätzlich ad-hoc-publizitätspflichtige Information, für die ein Aufschubrecht geltend gemacht wird, aufgrund anderer Vorschriften (etwa des § 131 AktG) erteilt wird, das Aufschubrecht entfällt. § 15 Abs. 3 WpHG greift nämlich nicht ein, wenn die Vertraulichkeit nicht gewährleistet ist. Dabei darf zudem nicht übersehen werden, daß es sich hierbei um Insiderinformationen handelt, so daß die anderweitige Erteilung erst nach der Herausgabe einer Ad-hoc-Mitteilung möglich ist496. Für das Gesellschaftsrecht erscheint die Lage etwas komplizierter. Seinem Wortlaut nach könnte § 131 Abs. 3 S. 1 AktG nämlich auch dann eingreifen, wenn die Information anderweitig – etwa nach § 15 WpHG – erteilt wurde oder zu erteilen ist. Dem ist jedoch für die Nr. 1 zu entgegnen, daß der Nachteil ohnehin aufgrund der anderweitigen Veröffentlichung eintreten wird oder eingetreten ist, so daß die Auskunftserteilung nach § 131 AktG hierzu nichts beitragen kann. Ein Verweigerungsrecht besteht daher nicht.
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Siehe oben Hineinwirken des § 131 AktG in den Kapitalmarkt.
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Soweit ein Auskunftsverweigerungsrecht allein deswegen für gegeben erachtet wird, weil die Information anderweitig, aufgrund der kapitalmarktrechtlichen Erteilung, verfügbar ist, so ist dem – wie oben ausführlicher dargelegt – entgegenzuhalten, daß es hierauf nach dem Rechtsgedanken des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AktG nur ankommt, wenn die Information sieben Tage vor der Hauptversammlung und in der Hauptversammlung zugänglich ist497. Im Hinblick auf die Vorschriften, welche die Verweigerung spezifischer Informationen gestatten (§ 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 3, 4, 6 AktG), könnte man mit der Begründung von einem fortbestehenden Verweigerungsrecht ausgehen, daß diese Verweigerungsrechte eine Irreführung der Aktionäre in der Hauptversammlung verhindern sollen. Dies läßt sich jedoch allenfalls für die Nr. 2 vertreten, weil eine drohende Irreführung der Aktionäre nur dort als Grund der Regelung angesehen wird. Die anderen Vorschriften zielen auf die Sicherung anderer Geheimhaltungsmöglichkeiten ab, die bei einer anderweitigen Veröffentlichung ohnehin entfallen sind 498. Im Ergebnis wird man die genannten Vorschriften schon deswegen außer Betracht lassen müssen, weil die fraglichen Angaben schon nicht ad-hoc-publizitätspflichtig sind, so daß bereits aus diesem Grunde kein Konflikt droht. Festzuhalten bleibt daher, daß eine kapitalmarktrechtliche Informationserteilung ein gesellschaftsrechtliches Auskunftsverweigerungsrecht entfallen läßt.
3.3.4.3. Ergebnis Zunächst ist von einem rechtlich unverbundenen Nebeneinander der Auskunftsund Auskunftsverweigerungsrechte im Gesellschafts- und im Kapitalmarktrecht auszugehen. Eine rechtliche Verzahnung von Aktien- und Kapitalmarktrecht ist abzulehnen. Trotz dieser Trennung müssen aufgrund der besonderen Eigenschaften von Informationen die faktischen Wechselwirkungen zwischen beiden Rechtsbereichen beachtet werden. Die faktischen Wechselwirkungen führen zunächst zu einem Gleichlauf der Informationserteilung. Wer in einer Auskunft nach § 131 Abs. 1 AktG eine Insiderinformation erteilen muß, muß diese zunächst nach § 15 Abs. 1 WpHG veröffentlichen. Ein etwaiges Aufschubrecht gemäß § 15 Abs. 3 WpHG entfällt dann, weil die Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet ist. Wer Informationen in einer Ad-hocMitteilung veröffentlicht hat, darf auf der Hauptversammlung eine entsprechende Auskunft nicht unter Berufung auf § 131 Abs. 3 AktG verweigern. Dies macht deutlich, daß die Wechselwirkung in Richtung einer Informationserteilung in beiden Bereichen drängt. Eine Informationsverweigerung ist daher nur dann möglich, wenn in beiden Rechtsgebieten ein Aufschubrecht besteht. Dies wird häufig der Fall sein, wenn ein Aufschubrecht nach § 15 Abs. 3 WpHG besteht, weil das Emittenteninteresse an einem Aufschub regelmäßig darin liegt, einen nicht unerheblichen Nachteil für die Gesellschaft zu vermeiden. Zumindest besteht hier die Möglichkeit einer einheitlichen Auslegung. Im umgekehrten Fall läßt sich indes 497 498
Siehe ausführlich Auswirkungen auf das Auskunftsrecht. Vgl. hierzu oben Verweigerungsrechte hinsichtlich spezifischer Informationen.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
515
nicht argumentieren, daß ein Verweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG regelmäßig auch ein Aufschubrecht im Sinne des § 15 Abs. 3 WpHG begründet. Der nicht unerhebliche Nachteil für die Gesellschaft ist allenfalls eine notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Bedingung für das Bestehen eines Aufschubrechts. Damit gilt, daß zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht ein Gleichlauf der Informationserteilung nicht nur faktisch unvermeidbar, sondern auch rechtlich vorgegeben ist, während ein Gleichlauf der Informationsverweigerung zwar kein Zufall, aber rechtlich nur begrenzt steuerbar ist.
3.3.5. Fazit Die gesellschaftsrechtlichen Auskunftsverweigerungsnormen (§§ 51a Abs. 2 GmbHG, 131 Abs. 3 S. 1 AktG) erlauben es den Gesellschaften, ihre Geheimhaltungsinteressen zu wahren. Informationen können dann verweigert werden, wenn aus der Informationserteilung ein erheblicher Nachteil zu entstehen droht. Leitmotiv ist insofern eine Verwendungsbeschränkung der Information, die nur zu gesellschaftsrechtlichen Zwecken eingesetzt werden darf. Da diese Verwendungsbeschränkung im Aktienrecht eine Informationsverweigerung auch dann rechtfertigt, wenn die Zweckentfremdung nicht durch den Aktionär als Informationsdestinatär, sondern durch Dritte droht, die zwangsläufig von der Information Kenntnis erhalten, lassen sich die Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen auf diese Weise befriedigen: Auskünfte über technische Innovationen sowie sensible Unternehmensdaten, die ein Wettbewerber zu seinem eigenen Vorteil nutzen könnte, können verheimlicht werden. Gesellschaftsrechtlich nicht faßbar sind hingegen Gefahren für den Wettbewerb, die aus einer Informationserteilung resultieren können, welche ein abgestimmtes Verhalten von Konkurrenten ermöglicht. Ebenfalls nicht faßbar sind solche Gefahren, die Unternehmen aufgrund der Rechnungspublizität erwachsen499. Diese Thematik wird von den aktienrechtlichen Auskunftsverweigerungsrechten nur insofern angesprochen, als diese anderweitige Einschränkungen dieser Pflichten gegen eine Aushöhlung über das Auskunftsrecht sichern500. Die kapitalmarktrechtliche Aufschubnorm (§§ 15 Abs. 3 WpHG, 6 WpAIV) bietet hingegen keine Grundlage, um die Geheimhaltungsinteressen der Emittenten systematisch zu sichern. Sie hat zwar durchaus die Sicherung der Interessen des Emittenten zum Ziel. Doch geht es hierbei weniger um grundsätzliche Geheimhaltungsinteressen. Denn die Veröffentlichung der fraglichen Information wird nur kurzfristig aufgeschoben, nicht jedoch aufgehoben. Zudem nimmt sie auch die Interessen der Anleger in den Blick und erlaubt einen Aufschub nur, wenn auch die Anleger hieran interessiert sind. Damit können etwaige Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem Fall gesichert werden. Dies schließt es zwar nicht aus, daß Geheimhaltungsinteressen in Einzelfällen über die Aufschubnorm gewahrt werden können. 499 500
Siehe zu dieser Thematik die Beiträge von EßBAUER und PALMES in diesem Buch. Insbesondere § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 4, 6 AktG; siehe auch oben Verweigerungsrechte hinsichtlich spezifischer Informationen.
516
Christian Kersting
Es bleibt jedoch dabei, daß § 15 Abs. 3 WpHG nicht dazu dient, allein im Sinne der Geheimhaltungsinteressen des Emittenten, die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität zu beschränken. Er ist insofern nicht mit § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG vergleichbar, dem diese Funktion durchaus zukommt. Aus rechtspolitischer Sicht ist hieran auch keine Kritik zu üben. Die Regelung ist nämlich durchaus stimmig. Da die Ad-hoc-Publizität an die Regelpublizität anknüpft und diese verlängert und verstetigt501, gibt es keinen Anlaß, eine allgemeine Geheimhaltungsvorschrift vorzusehen, die es bei der Regelpublizität gerade nicht gibt. Rechtspolitische Kritik müßte bei den Vorschriften der Regelpublizität ansetzen und dabei auch bedenken, daß im kapitalmarktrechtlichen Kontext im Interesse der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durchaus höhere Anforderung gestellt werden können als im Rahmen der allgemeinen (gesellschaftsrechtlichen) Rechnungspublizität. Aber auch soweit die Ad-hoc-Publizität über die Ergänzung der Regelpublizität hinaus das Zurverfügungstellen von Informationen gebietet502, sind die für Emittenten hieraus resultierenden Nachteile der Preis, den sie für ihre Teilnahme am Kapitalmarkt zahlen müssen und der dessen Funktionieren zugute kommt503. Damit trifft sich dieser Befund durchaus mit den Ergebnissen des Beitrags von Schön. Dieser kommt nämlich zu dem Schluß, daß Publizitätspflichten auf Kapitalmarktteilnehmer beschränkt werden sollen. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß dies im geltenden Recht zumindest insofern angelegt ist, als Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen in erster Linie außerhalb des Kapitalmarktes berücksichtigt werden. Demgegenüber haben solche Unternehmen, die am Kapitalmarkt teilnehmen, nicht nur kapitalmarktrechtlich geringere Aussichten, ihre Geheimhaltungsinteressen zu wahren, sondern sie müssen auch damit rechnen, daß kapitalmarktrechtliche Publizitätsgebote auf das Gesellschaftsrecht zurückwirken und auch dort eine Offenlegung verlangen.
Literatur ASSMANN, HEINZ-DIETER ASSMANN, HEINZ-DIETER ASSMANN, HEINZ-DIETER / SCHNEIDER, UWE H. (HRSG.) BARZ, CARL HANS BARZ, CARL HANS / U.A. (HRSG.)
501
Das künftige deutsche Insiderrecht, AG 1994, S. 196 ff., 237 ff. Das neue deutsche Insiderrecht, ZGR 1994, S. 494 ff. Wertpapierhandelsgesetz: Kommentar, 3. Auflage, Köln 2003, 4. Auflage, Köln 2006 (zitiert: BEARBEITER, in: ASSMANN/SCHNEIDER, WphG). Grenzen des Auskunftsrechtes des Aktionärs, BB 1957, S. 1253 ff. Aktiengesetz: Großkommentar, 3. Auflage, Berlin – New York 1973 (zitiert: BEARBEITER, in: BARZ, AktG).
Siehe oben Normzweck. Vgl. zu dieser Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage oben Kursrelevanz (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.) (Fn. 393). 503 Vgl. bereits oben Ergebnis. 502
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
BAUMBACH, ADOLF / HOPT, KLAUS BAUMBACH, ADOLF / HUECK, ALFRED
BENNER-HEINACHER, JELLA BEUTHIEN, VOLKER
BITTER, CHRISTIAN VON BRANDI, TIM OLIVER /SÜßMANN, RAINER BUNDESANSTALT FÜR FINANZDIENSTLEISTUNGSAUFSICHT
BURG, DETLEF V. D. BUTZKE, VOLKER
CAHN, ANDREAS CAHN, ANDREAS CAHN, ANDREAS
CASPARI, KARL-BURKHARD CLAUSSEN, CARSTEN P. CLAUSSEN, CARSTEN P. / FLORIAN, ULRICH CLAUSSEN, CARSTEN P. / KORTH, H.-MICHAEL
DEUSS, PETER
DIEKMANN, HANS / SUSTMANN, MARCO DREYLING, GEORG / SCHÄFER, FRANK A.
517
Handelsgesetzbuch, 33. Auflage, München 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: BAUMBACH/HOPT). GmbH-Gesetz: Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung: Kommentar, 18. Auflage, München 2006 (zitiert: BEARBEITER, in: BAUMBACH/HUECK, GmbHG). Kollidiert die Auskunftspflicht des Vorstands mit dem Insidergesetz?, DB 1995, S. 765 ff. Gesellschaftsrecht und Kartellrecht: Kann Gesellschaftsrecht (§§ 1 GenG, 112, 161, 165 HGB, 284 AktG, 68 GenG) Kartellrecht brechen?, ZHR 142 (1978), S. 259 ff. Das Informationsrecht der GmbH-Gesellschafter in §§ 51a, 51b GmbHG, ZIP 1981, S. 825 ff. Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, S. 642 ff. Emittentenleitfaden, Stand 15.07.2005, im Internet unter http://www.bafin.de/schreiben/89_2005/emittentenleitfaden.pdf Mißbrauch von Aktionärsrechten und Ausschluß aus der Hauptversammlung, AG 1962, S. 92 ff. OBERMÜLLER, WALTER/WERNER, WINFRIED/WINDEN, KURT (Begr.), Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Auflage, Stuttgart 2001. Das neue Insiderrecht, Konzern 2005, S. 5 ff. Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), S. 1 ff. Entscheidungen des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG, WM 1998, S. 272 ff. Die geplante Insiderregelung in der Praxis, ZGR 1994, S. 530 ff. Insiderhandelsverbot und Ad hoc-Publizität, Köln 1996. Der Emittentenleitfaden, AG 2005, S. 745 ff. Das Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers / Gesellschafters einer GmbH, in: BEISSE, HEINRICH/LUTTER, MARCUS/ NÄRGER, HERIBALD (Hrsg.), Festschrift für Karl Beusch zum 68. Geburtstag am 31. Oktober 1993, Berlin – New York 1993, S. 111 ff. Das Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft nach § 112 AktG und als Problem der Aktiensrechtsreform, München und Berlin 1962. Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, S. 929. Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Köln 2001 (zitiert: BEARBEITER, in: DREYLING/SCHÄFER, Insiderrecht und Adhoc-Publizität).
518 EBENROTH, CARSTEN THOMAS
EBENROTH, CARSTEN THOMAS / BOHNE, MICHAEL EBENROTH, CARSTEN THOMAS / KOOS, STEFAN EBENROTH, CARSTEN THOMAS / WILKEN, OLIVER EDELMANN, HERVÉ
EKKENGA, JENS
ESCHER-WEINGART, CHRISTINA / LÄGELER, ALEXANDER FLEISCHER, HOLGER
FLEISCHER, HOLGER
FRANKEN, PAUL / HEINSIUS, THEODOR
FÜLBIER, ROLF UWE FÜRHOFF, JENS
FÜRHOFF, JENS / WÖLK, ARMIN GEHRT, JOHN ALEXANDER
GEIßLER, MARKUS GERBER, OLAF
GESSLER, ERNST
Christian Kersting
Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der verbundenen Unternehmen, Bielefeld 1970. Anmerkung zu KG, 24.08.1995, 2 W 4557/94, WM 1995, 1920, 2 W 1255/95, WM 1995, 1927, 2 W 115/95, WM 1995, 1930, WuB II A., § 131 AktG, 1.96. Die Verfassungsmäßigkeit des Auskunftsverweigerungsrechts gem. § 131 Abs. 3 AktG bei Aktionärsanfragen bezüglich stiller Reserven, BB 1995, Beilage 8, S. 1 ff. Zum Auskunftsrecht des Aktionärs im Konzern: Zugleich Anmerkung zu LG Berlin, Beschluß v. 24.6.1993 - 93 O 244/92, BB 1993, 1827 ff., BB 1993, S. 1818 ff. Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Ad-hocMitteilungen – Besprechung der Infomatec-Urteile des BGH, BB 2004, S. 2031 ff. Die Ad-hoc-Publizität im System der Marktordnungen: Plädoyer für eine kapitalmarktrechtliche statt gesellschaftsrechtliche Interpretation des § 15 WpHG, ZGR 1999, S. 165. Schadensersatzanspruch, Schadensart und Schadensberechnung gem. der §§ 37b, 37c WpHG, WM 2004, S. 1845. Zur deliktsrechtlichen Haftung der Vorstandsmitglieder für falsche Ad-hoc-Mitteilungen: Zugleich eine Besprechung der Infomatec-Entscheidungen des BGH vom 19.7.2004, DB 2004, S. 1928 ff., DB 2004, S. 2031 ff. Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs wegen unwahrer oder unterlassener unverzüglicher Ad-hoc-Mitteilungen, BB 2002, S. 1869 ff. Das Spannungsverhältnis der allgemeinen Publizität zum Auskunftsrecht des Aktionärs, in: FÖRSCHLE, GERHART/ KAISER, KLAUS/ MOXTER, ADOLF (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, Festschrift für Wolfgang Dieter Budde, München 1995, S. 213 ff. 5 Jahre Ad-hoc-Publizität: Ein Zwischenergebnis, StuB 1999, S. 1260 ff. Neuregelung der Ad-hoc-Publizität auf europäischer Ebene: Auswirkungen auf § 15 WpHG und systematische Einordnung, AG 2003, S. 80 ff. Aktuelle Fragen zur Ad-hoc-Publizität, WM 1997, S. 449 ff. Die neue Ad-hoc-Publizität nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz: Eine kritische Betrachtung im Vergleich zur französischen und anglo-amerikanischen Regelung, Baden-Baden 1997. Der aktienrechtliche Auskunftsanspruch im Grenzbereich des Mißbrauchs, NZG 2001, S. 539 ff. Die Haftung für unrichtige Kapitalmarktinformationen – Zugleich eine Besprechung der BGH-Entscheidungen vom 19.7.2004 „Infomatec“, DStR 2004, S. 1793 ff. Die GmbH-Novelle, BB 1980, S. 1385 ff.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
GEßLER, ERNST /HEFERMEHL, WOLFGANG / ECKARDT, ULRICH / KROPFF, BRUNO GODIN, F REIHERR VON / WILHELMI, HANS GÖTZE, CORNELIUS
GRAGE, KATJA
GRIMME, LEONIE / BUTTLAR, JULIA VON GROß, WOLFGANG GROß, WOLFGANG GROß, WOLFGANG GROßFELD, BERNHARD / MÖHLENKAMP, ANDREAS GRUNEWALD, BARBARA HABERLANDT, HELMUT HANSEN, JESPER LAU HARBARTH, STEPHAN HARTMANN, BERNHARD
HELLWIG, HANS-JÜRGEN
HENZE, HARTWIG
HIRTE, HERIBERT
519
Aktiengesetz, München 1974, 1984 – 1986 (zitiert: BEARBEITER, in: GEßLER, AktG). Aktiengesetz vom 6. September 1965, 4. Auflage, Berlin – New York 1971 (zitiert: BEARBEITER, in: GODIN/ WILHELMI, AktG). Auskunftserteilung durch GmbH-Geschäftsführer im Rahmen der Due Diligence beim Beteiligungserwerb, ZGR 1999, S. 202. Das Auskunftsrecht des Aktionärs unter besonderer Berücksichtigung von Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand aktienrechtlicher Auskunftsbegehren, Lohmar – Köln 1999. Neue Entwicklungen in der Ad-hoc-Publizität: Vom Vierten Finanzmarktförderungsgesetz zur Marktmißbrauchsrichtlinie, WM 2003, S. 901 ff. Informations- und Auskunftsrecht des Aktionärs, AG 1997, S. 97 ff. Haftung für fehlerhafte oder fehlende Regel- oder ad-hocPublizität, WM 2002, S. 477 ff. Deutsches Gesellschaftsrecht in Europa, EuZW 1994, S. 495 ff. Zum Auskunftsrecht des Aktionärs: Eine Besprechung des „Allianz“-Beschlusses des Kammergerichts vom 30. Juni 1994, ZIP 1994, 1267, ZIP 1994, S. 1425 ff. Einsichts- und Auskunftsrecht des GmbH-Gesellschafters nach neuem Recht, ZHR 146 (1982), S. 211 ff. Zur Auskunftspflicht über Vorstandsbezüge, BB 1962, S. 117 ff. MAD in a Hurry: The Swift and Promising Adoption of the EU Market Abuse Directive, [2004] EBLR 183. Ad-hoc-Publizität beim Unternehmenskauf, ZIP 2005, S. 1898 ff. Schadensersatzanspruch der GmbH gegenüber einem Gesellschafter für die Nutzung ihres Fachwissens und ihrer Geschäftsverbindungen außerhalb der GmbH, DB 1981, S. 1073 ff. Der Auskunftsanspruch des Aktionärs nach unrichtiger Auskunftserteilung, in: ÖRSCHLE, GERHART/ KAISER, KLAUS/ MOXTER, ADOLF (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, Festschrift für Wolfgang Dieter Budde, München 1995, S. 265 ff. Pünktlich zur Hauptversammlungssaison: Ein Rechtsprechungsüberblick zu Informations- und Auskunftsrechten, BB 2002, S. 893 ff. Die Ausübung der Informationsrechte von Gesellschaftern durch Sachverständige, BB 1985, S. 2208 ff.
520 HIRTE, HERIBERT
HIRTE, HERIBERT / MÖLLERS, THOMAS M. J. (HRSG.) HOFFMANN-BECKING, MICHAEL (HRSG.) HOMMELHOFF, PETER HOPT, KLAUS
HOPT, KLAUS
HOPT, KLAUS
HOPT, KLAUS HOPT, KLAUS J. / VOIGT, HANSCHRISTOPH
HOPT, KLAUS / WIEDEMANN, HERBERT (HRSG.) HORN, NORBERT
HÜFFER, UWE HÜFFER, UWE HUTTER, STEPHAN / STÜRWALD, FLORIAN JOUSSEN, PETER
Christian Kersting
Die Ad-hoc-Publizität im System des Aktien- und Börsenrechts, in: HADDING, WALTHER/ HOPT, KLAUS J./ SCHIMANSKY, HERBERT (Hrsg.), Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Bankrechtstag 1995, Berlin – New York 1996, S. 47 ff. Kölner Kommentar zum WpHG, Köln – Berlin – München 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: Kölner Kommentar-WphG). Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts: Aktiengesellschaft, 2. Auflage, München 1999, 3. Auflage, München 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: MünchHdb AG). Anlegerinformationen im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2000, S. 748 ff. Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz: insbesondere Insidergeschäfte und Ad-hocPublizität, ZHR 159 (1995), S. 135 ff. Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken: Gesellschafts-, bank- und börsenrechtliche Anforderungen an das Beratungs- und Verwaltungsverhalten der Kreditinstitute, München 1975. Das neue Insiderrecht nach §§ 12 ff. WpHG: Funktion, Dogmatik, Reichweite, in: HADDING, WALTHER/ HOPT, KLAUS J./ SCHIMANSKY, HERBERT (Hrsg.), Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Bankrechtstag 1995, Berlin – New York 1996, S. 3 ff. Europäisches und deutsches Insiderrecht, ZGR 1991, S. 17 ff. Grundsatz- und Reformprobleme der Prospekt und Kapitalmarktinformationshaftung, in: H OPT, KLAUS/VOIGT, HANS (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, Recht und Reform in der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, Tübingen 2005, S. 9 ff. AktG: Großkommentar, 4. Auflage, Berlin – New York 1996 (§§ 241 – 255), 2001 (§§ 131, 132) (zitiert: BEARBEITER, in: HOPT/W IEDEMANN, AktG). Zur Haftung der AG und ihrer Organmitglieder für unrichtige oder unterlassene Ad-hoc-Informationen, in: HABERSACK, M ATHIAS/ HOMMELHOFF, P ETER/ HÜFFER, UWE/ SCHMIDT, KARSTEN (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, Berlin 2003, S. 817 ff. Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand aktienrechtlicher Auskunftsbegehren, ZIP 1996, S. 401 ff. Aktiengesetz, 8. Auflage, München 2008. EM.TV und die Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, NJW 2005, S. 2428 ff. Auskunftspflicht des Vorstands nach § 131 AktG und Insiderrecht, DB 1994, S. 2485 ff.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
521
KEMPTER, F RITZ
Zum Recht des Vorstands, keine Angaben über die Gesamtbezüge von Organen der Gesellschaft zu machen: Ein Beitrag zur Auslegung von § 286 HGB und § 131 AktG, BB 1996, S. 419 ff.
KERSTING, CHRISTIAN
Die aktienrechtliche Beschlussanfechtung wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen, ZGR 2007, S. 319 ff. Ad-hoc-Publizität bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, DB 1995, S. 1999 ff. Möglichkeiten des Verzichts auf Angabe von Organbezügen und Ergebnisverwendung, BB 1995, S. 35 ff. Die Ad-hoc-Publizität, Köln – Berlin – Bonn – München 1999. Infomatec und die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche ad hoc-Mitteilungen, NJW 2004, S. 3386 ff. Das Informationsrecht des Gesellschafters der Konzernobergesellschaft, ZGR 1987, S. 46 ff. Ad-hoc-Publizität und haftungsrechtlicher Anlegerschutz, ZGR 2002, S. 799 ff. Zur Konkretisierung des Auskunftsrechts nach § 51a GmbHG, AG 1987, S. 121 ff. Auskunftsanspruch der Aktionäre hinsichtlich der an anderen AG gehaltenen Anteile: Anmerkung zum KG-Beschluß vom 26.8.1993, 2 W 6111/92, DStR 1994, S. 177 ff. Aktiengesetz: Textausgabe mit Begründung des Regierungsentwurfs, Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags etc., Düsseldorf 1965. Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, München 2006 (zitiert: BEARBEITER, in: MüKo-AktG). Die „formunwirksame“ schriftliche Auskunftserteilung nach § 131 AktG, in: FORSTER, KARL H/ GRUNEWALD, BARBARA/ LUTTER, MARCUS/ SEMLER, JOHANNES (Hrsg.), Aktien- und Bilanzrecht, Festschrift für Bruno Kropff, Düsseldorf 1997, S. 171 ff. Die Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiete des Aktienrechts, WM 1966, S. 50 ff.
KIEM, ROGER / KOTTHOFF, JOST KLATTE, VOLKMAR KLITZING, J OACHIM VON KÖRNER, MARITA KORT, MICHAEL KRAUSE, RÜDIGER KRETZSCHMAR, ALFONS KRIEGER, GERD
KROPFF, BRUNO
KROPFF, BRUNO / SEMLER, JOHANNES (HRSG.) KUBIS, DIETMAR
KUHN, GEORG KÜMPEL, SIEGFRIED KUTHE, THORSTEN
Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Auflage, Köln 2004. Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, S. 883 ff.
LEISCH, FRANZ CLEMENS
Vorstandshaftung für falsche Ad-hoc-Mitteilungen – ein höchstrichterlicher Beitrag zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland, ZIP 2004, S. 1573 ff. Due diligence des Erwerbers beim Kauf einer Beteiligung, ZIP 1997, S. 613 ff. Fragerecht und Informationsanspruch des Aktionärs und GmbH-Gesellschafters im Konzern, AG 1985, S. 117 ff. Zum Informationsrecht des Gesellschafters nach neuem GmbH-Recht, ZGR 1982, S. 1 ff.
LUTTER, MARCUS LUTTER, MARCUS LUTTER, MARCUS
522 LUTTER, MARCUS LUTTER, MARCUS / HOMMELHOFF, PETER MAIER-REIMER, GEORG / WEBERING, ANNABEL MEILICKE, HEINZ / HEIDEL, THOMAS
MERKNER, ANDREAS / SUSTMANN, MARCO MERKT, HANNO MERKT, HANNO MERTENS, HANS-JOACHIM
MESSERSCHMIDT, NICOLETTA
MICHALSKI, LUTZ (HRSG.)
MÖLLERS, THOMAS
MÖLLERS, THOMAS M. J.
MÖLLERS, THOMAS M. J. / LEISCH, FRANZ CLEMENS MÖLLERS, THOMAS M. J. / ROTTER, KLAUS (HRSG.)
MÜLBERT, PETER O. / STEUP, STEFFEN
MÜLLER, KLAUS NITSCHKE, MANFRED / BARTSCH, HANS-JÜRGEN
Christian Kersting
Zum Verhältnis von Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, BB 1980, S. 291 ff. GmbH-Gesetz: Kommentar, 16. Auflage, Köln 2004 (zitiert: BEARBEITER, in: LUTTER/HOMMELHOFF). Ad hoc-Publizität und Schadensersatzhaftung: Die neuen Haftungsvorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, WM 2002, S. 1857 ff. Das Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung (Teil I), DStR 1992, S. 72 ff. Insiderrecht und Ad-Hoc-Publizität – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz „in der Fassung durch den Emittentenleitfaden der BaFin“, NZG 2005, S. 729 ff. Unternehmenspublizität: Offenlegung von Unternehmensdaten als Korrelat der Marktteilnahme, Tübingen 2001 ff. Freiwillige Unternehmenspublizität, RabelsZ 64 (2000), S. 517 ff. § 51a Abs. 1 GmbHG und die kapitalistisch strukturierte GmbH, in: HADDING, WALTHER/ IMMENGA, ULRICH/ MERTENS, HANS J/ PLEYER, KLEMENS/ SCHNEIDER, UWE H (Hrsg.) Festschrift für Winfried Werner zum 65. Geburtstag am 17. Oktober 1984, Berlin – New York 1984, S. 557 ff. Die neue Ad-hoc-Publizitätspflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen – Ist der Aufsichtsrat damit überflüssig?, BB 2004, S. 2538 ff. Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), München 2002 (zitiert: BEARBEITER, in: MICHALSKI, GmbHG). Anlegerschutz durch Aktien- und Kapitalmarktrecht: Harmonisierungsmöglichkeiten nach geltendem und künftigem Recht, ZGR 1997, S. 354 ff. Insiderinformation und Befreiung von der Ad-hoc-Pubizität nach § 15 Abs. 3 WpHG – Zur Neubeurteilung von mehrstufigen Entscheidungsprozessen durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz –, WM 2005, S. 1393 ff. Schaden und Kausalität im Rahmen der neu geschaffenen §§ 37b und 37c WpHG, BKR 2002, S. 1071 ff. Ad-hoc-Publizität: Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanlegern, München 2003 (zitiert: BEARBEITER, in: MÖLLERS/ROTTER, Ad-hoc-Publizität). Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen am Beispiel der fehlerhaften Regelpublizität – das System der Kapitalmarktinformationshaftung nach AnSVG und WpPG mit Ausblick auf die Transparenzrichtlinie –, WM 2005, S. 1633 ff. Schranken des Informationsrechtes nach § 51a GmbHG, GmbHR 1987, S. 87 ff. Über Bedeutung und Umfang des Auskunftsrechts, insbesondere im Zusammenhang mit Entlastungsbeschlüssen, AG 1969, S. 95 ff.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
NOACK, ULRICH NOACK, ULRICH NOACK, ULRICH / ZETZSCHE, DIRK OBERMÜLLER, WALTER QUACK, KARLHEINZ
QUACK, KARLHEINZ
REICHERT, J OCHEM / WELLER, MARC PHILIPPE
523
Der Widerspruch des Aktionärs in der Hauptversammlung, AG 1989, S. 78 ff. Moderne Kommunikationsformen vor den Toren des Unternehmensrechts, ZGR 1998, S. 592 ff. Die Informationsanfechtung nach der Neufassung des § 243 Abs. 4 AktG, ZHR 170 (2006), S. 218 ff. Die Diskussion in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, DB 1962, S. 827 ff. Unrichtige Auskünfte und das Erzwingungsverfahren des § 132 AktG, in: BEISSE, HEINRICH/LUTTER, MARCUS/ NÄRGER, HERIBALD (Hrsg.), Festschrift für Karl Beusch zum 68. Geburtstag am 31. Oktober 1993, Berlin – New York 1993, S. 663 ff. Beschränkungen der Redezeit und des Auskunftsrechts des Aktionärs: Anmerkungen zur Dauer von Hauptversammlungen, AG 1985, S. 145 ff. Haftung von Kontrollorganen - Die Reform der aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Haftung, ZRP 2002, S. 49 ff.
REUTER, ALEXANDER REUTER, ALEXANDER
§ 51a GmbHG – Quo vadis?, BB 1986, S. 1653 ff. Das Auskunftsrecht des Aktionärs – neuere Rechtsprechung zu § 131 AktG, DB 1988, S. 2615 ff.
RODEWALD, JÖRG / TÜXEN, ANDREAS
Neuregelung des Insiderrechts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) – Neue Organisationsanforderungen für Emittenten und ihre Berater, BB 2004, S. 2249 ff. Das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters und des Geschäftsführers, WPg 1992, S. 766 ff. Schadensersatz bei Verstoß gegen Ad-hoc-Publizitätspflichten nach dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz, ZIP 2002, S. 1471 ff. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG): Kommentar, 5. Auflage, München 2005 (zitiert: BEARBEITER, in: ROTH/ALTMEPPEN, GmbhG). Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG): Kommentar, 4. Auflage, München 2002 (zitiert: BEARBEITER, in: ROWEDDER, GmbHG). Der aktuelle Stand der Rechtsprechung zur Haftung bei Ad-hoc-Mitteilungen, AG 2003, S. 69 ff. Zum Auskunftsanspruch des Aktionärs über Minderheitsbeteiligungen, DB 1997, S. 145 ff. Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz mit BörsZulV, Verkaufsprospektgesetz mit VerkProspV, Stuttgart – Berlin – Köln 1999 ff. Eine Zwischenbilanz zum Aktiengesetz 1965: Zugleich eine Besprechung des neuen Godin-Wilhelmi, DB 1972, S. 374 ff. Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden: Ein Beitrag zur gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung, Heidelberg 1984.
RÖHRICHT, VOKER RÖSSNER, MICHAEL-CHRISTIAN / BOLKART, JOHANNES ROTH, GÜNTER H. / ALTMEPPEN, HOLGER ROWEDDER, HEINZ / SCHMIDTLEITHOFF, CHRISTIAN RÜTZEL, STEFAN SAENGER, INGO SCHÄFER, FRANK A.
SCHLAUS, WILHELM
SCHMIDT, KARSTEN
524 SCHMIDT, KARSTEN
SCHMIDT, KARSTEN SCHNEIDER, SVEN H. SCHNEIDER, UWE H. SCHNEIDER, UWE H. / GILFRICH, STEPHANIE UTA SCHNEIDER, UWE H. / SINGHOF, BERND
SCHOLZ, F RANZ SCHÖN, WOLFGANG
SCHULZE-OSTERLOH, JOACHIM
SCHWARK, EBERHARD
SCHWARK, EBERHARD
SIMON, STEFAN SPINDLER, GERALD SPITZE, PETER ALEXANDER / DIEKMANN, HANS STEINHAUER, CARSTEN
Christian Kersting
Die Dogmatik des Informationsrechts als Grundlage der Konkretisierung des § 51a GmbHG: Eine Skizze über Verständnis und Mißverständnis der „funktionellen Betrachtung“ und der Lehre vom Informationsbedürfnis, in: GOERDELER, REINHARD (Hrsg.), Festschrift für Alfred Kellermann zum 70. Geburtstag am 29. November 1990, Berlin 1991, S. 389 ff. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Köln – Berlin – Bonn – München 2002. Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, BB 2005, S. 897 ff. Anmerkung zu LG Frankfurt a.M., 24.01.2005, 3-5 O 661/ 03, WM 2005, 2235, WuB II A., § 131 AktG, 1.06. Die Entscheidung des Emittenten über die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, BB 2007, S. 53 ff. Die Weitergabe von Insidertatsachen in der konzernfreien Aktiengesellschaft, insbesondere im Rahmen der Hauptversammlung und an einzelne Aktionäre – Ein Beitrag zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht –, in: HÖNN, GÜNTHER (Hrsg.), Festschrift für Alfons Kraft zum 70. Geburtstag, 1998, S. 585 ff. Kommentar zum GmbH-Gesetz, 10. Auflage, München 2007 (zitiert: BEARBEITER, in: SCHOLZ, GmbHG). Der Aktionär im Verfassungsrecht, in: HABERSACK, MATHIAS/ HOMMELHOFF, PETER/ HÜFFER, UWE /SCHMIDT, KARSTEN (Hrsg.),Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, Berlin 2003. S. 1359 ff. Ersatzansprüche gegen Gesellschafter und verdeckte Gewinnausschüttung im Recht der GmbH unter besonderer Berücksichtigung von Verstößen gegen Wettbewerbsverbote, FR 1993, S. 73 ff. Kapitalmarktbezogene Informationshaftung, in: HÄUSER, FRANZ/ HAMMEN, HORST/ HENNRICHS, JOACHIM/ STEINBECK, ANJA /SIEBEL, ULF R /W ELTER, REINHARD (Hrsg.), Festschrift für Walther Hadding zum 70. Geburtstag am 8. Mai 2004, Berlin 2004, S. 1117 ff. Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Auflage, München 2004 (zitiert: BEARBEITER, in: SCHWARK, Kapitalmarktrechtskommentar). Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, S. 13 ff. Die Reform der Hauptversammlung und der Anfechtungsklage durch das UMAG, NZG 2005, 825 ff. Verbundene Unternehmen als Gegenstand des Interesses von Aktionären: Inhalt des Auskunftsanspruchs nach § 131 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG, ZHR 158 (1994), S. 447 ff. Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität: Eine rechtsvergleichende Analyse zivilrechtlicher Haftungsansprüche von Anlegern in den USA und Deutschland, Baden-Baden 1999.
3.3. Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
TIETZE, J ÖRG TILP, ANDREAS W. TIMM, WOLFRAM TOLLKÜHN, OLIVER ULMER, PETER
VEIL, RÜDIGER VEIL, RÜDIGER
VEITH, ALEXANDER WALDHAUSEN, STEPHAN
WEBER, ULF ANDREAS WEIßHAUPT, FRANK WEITBRECHT, ANDREAS / WILKEN, OLIVER WENGER, EKKEHARD WILDE, CHRISTIAN WILHELMI, SYLVESTER WILKEN, OLIVER WINTER, MARTIN
WOHLLEBEN, HERMANN PETER WÖLK, ARMIN WÜSTHOFF, ANDREAS
ZETZSCHE, DIRK
525
Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, Köln 1985. Anmerkung zu OLG München, Urt. v. 14.5.2002 – 30 U 1021/01, ZIP 2002, 1727, ZIP 2002, S. 1729 ff. Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, GmbHR 1980, S. 286 ff. Die Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, S. 2215 ff. Hachenburg: Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG): Großkommentar, 8. Auflage, Berlin – New York 1997 (zitiert: BEARBEITER, in: HACHENBURG, GmbHG). Klagemöglichkeiten bei Beschlußmängeln der Hauptversammlung nach dem UMAG, AG 2005, 567 ff. Die Ad-hoc-Publizitätshaftung im System kapitalmarktrechtlicher Informationshaftung, ZHR 167 (2003), S. 365 ff. Die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 III WpHG, NZG 2005, S. 254 ff. Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache: Eine Untersuchung zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unter Berücksichtigung der Ad-hoc-Publizität im Vereinigten Königreich, BadenBaden 2002. Das neue deutsche Insiderrecht, BB 1995, S. 157 ff. Informationsmängel in der Hauptversammlung: die Neuregelungen durch das UMAG, ZIP 2005, S. 1766 ff. Publizität, Anlegerschutz und Gesellschaftsrecht im Europäischen Kapitalmarktrecht, EWS 1994, S. 418 ff. Anmerkung zu KG vom 26.8.1993 – 2 W 6111/92, ZIP 1993, S. 1622 ff. Informationsrechte und Informationspflichten im Gefüge der Gesellschaftsorgane, ZGR 1998, S. 423 ff. Probleme zum aktienrechtlichen Auskunftsrecht, NJW 1968, S. 731 ff. Anmerkung zu KG, 24.08.1995, 2 W 4557/94, ZIP 1995, 1592, EWiR 1995, § 131 AktG, 1/95, S. 943 ff. Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht: Rechtsformspezifische Aspekte eines allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Prinzips, München 1988. Informationsrechte des Gesellschafters, Köln – Berlin – Bonn – München 1988. Ad hoc-Publizität – Erfahrungen aus der Sicht des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel, AG 1997, S. 73 ff. Der Auskunftsanspruch des Aktionärs nach § 131 Aktiengesetz zwischen Insider-Verboten und Ad hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, Aachen 2000. Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, Köln – Berlin – Bonn – München 2006.
526 ZIEMONS, HILDEGARD
ZÖLLNER, WOLFGANG ZÖLLNER, WOLFGANG ZÖLLNER, WOLFGANG
ZÖLLNER, WOLFGANG (HRSG.)
Christian Kersting
Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad-hoc-Publizität durch die Marktmißbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, S. 537 ff. Zur Problematik der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, AG 2000, S. 145 ff. Vereinheitlichung der Informationswege bei Aktiengesellschaften?, NZG 2003, S. 354 ff. Aktienrechtliche Binnenkommunikation, in: NOACK/SPINDLER (Hrsg.), Unternehmensrecht und Internet, München 2001, S. 69 ff. Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Köln – Berlin – Bonn – München 1985.
4. Ökonomische Einsichten und rechtspolitische Vorschläge
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
529
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz – Problemeinschätzung deutscher börsennotierter Unternehmen Simon Patrick Link*
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz – Problemeinschätzung deutscher börsennotierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Literatur zum Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3. Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4. Umfrageergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.1. Respondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.1.1. Unternehmensangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.1.1.1 Unternehmen und Marktposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.1.1.2 Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.1.2. Antwortende Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.2. Competitive Disadvantage durch Pflichtangaben in der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.2.1. Ausmaß und Ausprägungen des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.2.2. Kritische Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.2.3. Schadenspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.2.4. Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.3. Nutzung von Pflichtveröffentlichungen zur Wettbewerbsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.3.1. Aktivitäten zur Wettbewerbsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.3.2. Wert der Angaben der Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.3.3. Nutzungsmöglichkeiten der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
529 529 530 533 534 534 535 535 539 540 541 541 547 551 552 554 554 554 558 559 560
4.1.1. Problemstellung In allen entwickelten Rechtsordnungen unterliegen am Wirtschaftsleben teilnehmende Gesellschaften Publizitätspflichten. Teilweise werden – wie etwa in Europa – diese Pflichten Gesellschaften auferlegt, deren Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist, so dass keine natürliche Person mit ihrem Vermögen für die Schulden der Gesellschaft einzustehen hat. In diesem Fall werden die Publizitätspflichten als Korrelat der beschränkten Haftung gesehen und sollen die Gläubiger der Gesellschaft schützen, indem ihnen Informationen über das allein haftende Vermögen erteilt werden. In anderen Rechtsordnungen – wie etwa in den U.S.A. – knüpfen die Publizitätspflichten dagegen an die Teilnahme an den Kapitalmärkten an, so dass ihr primärer Zweck in der Information dieser Märkte liegt. Unabhängig von dieser grundlegenden Rechtfertigung wecken Informationspflichten gemeinhin die positive Assoziation der Transparenz. Es wird davon ausgegangen, dass eine hinreichende Information über die Verhältnisse der Teilnehmer
* Diplom-Kaufmann, Rechtsanwalt im Münchener Büro der Sozietät Hengeler Mueller.
530
Simon Patrick Link
von Märkten für deren Funktionieren erforderlich ist. Spektakuläre Firmenzusammenbrüche in den U.S.A. und in Europa haben folglich auch eine Welle der Ausweitung von Informationspflichten nach sich gezogen. Gleichzeitig erblickt man in Informationspflichten auch ein besonders marktkonformes Regulierungsinstrument. Anstatt den Wirtschaftsteilnehmern sachliche Vorschriften etwa über erforderliches Kapital zu machen, verpflichtet man sie, über ihre Verhältnisse zu informieren. Dadurch ermöglicht man es dem Markt selbst, über seine Anforderungen zu entscheiden. Auch Unternehmen selbst erkennen die Vorteile von Transparenz und Information, weil so Vertrauen geschaffen und die eigene Marktstellung verbessert werden kann. Deshalb veröffentlichen sie teilweise zusätzliche Informationen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Trotz dieser Vorteile haben Informationspflichten auch negative Seiten. Das kann zunächst aus Sicht des zur Veröffentlichung verpflichteten Unternehmens gelten. Dieses kann sich gezwungen sehen, Informationen zu veröffentlichen, die Konkurrenten im Wettbewerb zum Nachteil ausnutzen können. So können etwa Angaben im Jahresabschluss Rückschlüsse auf die Kalkulation zulassen und so einen gezielten Preiskampf ermöglichen; oder gute Zahlen können Verhandlungen mit Lieferanten und Abnehmern erschweren. Zusätzlich zu solchen individuellen Nachteilen für einzelne Unternehmen kann die Veröffentlichung von sensiblen Informationen auch dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den Teilnehmern eines Marktes gemildert wird, weil der Informationsaustausch zu einer Abstimmung unter ihnen führt. Über diese Beispiele hinaus sind eine Vielzahl weiterer möglicher Wettbewerbswirkungen von Informationspflichten denkbar. Diesen Wirkungen und ihren ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen widmet sich der vorliegende Projektband. Um dabei der theoretischen Diskussion eine Basis zu geben, wurde unter 120 an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Unternehmen eine Umfrage durchgeführt. Ziel war es, die Einschätzung dieser Unternehmen zu den Wettbewerbswirkungen von Pflichtpublikationen zu erfragen. Der Schwerpunkt lag dabei zum einen darauf, welche Arten von Wettbewerbswirkungen sich ergeben können und zum anderen, welche Publizitätspflichten hierbei als besonders problematisch angesehen werden. Dabei konzentrierte sich die Umfrage auf die Jahresabschlussund Lageberichtpublizität und die darin zu machenden Angaben. Gleichzeitig wurde der umgekehrte Blickwinkel der Unternehmen untersucht, indem sie danach befragt wurden, welche Informationen sie selbst für ihre eigene Wettbewerbsanalyse aus den Pflichtpublikationen ihrer Wettbewerber gewinnen können, inwiefern diese im Wettbewerb relevant sind und welche Angaben dabei besonders wertvoll sind.
4.1.2. Literatur zum Gegenstand der Untersuchung Zur Frage der Wettbewerbswirkungen von Informationspflichten existieren bereits eine Reihe von empirischen Untersuchungen. Zusätzlich befasst sich vor allem im anglo-amerikanischen Raum eine große Zahl von Untersuchungen mit der Wirkung
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
531
von und der Motivation der Unternehmen zu freiwilligen, über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehenden Veröffentlichungen. Da die vorliegende Studie sich auf Wettbewerbswirkungen von Pflichtpublikationen zum Nachteil des eigenen Unternehmens konzentriert, sind diese vor allem dann relevant, wenn sie auch solche nachteiligen Wirkungen betrachten. Weiterhin existieren eine Reihe von theoretischen Abhandlungen über die Wettbewerbswirkungen von Informationspflichten. Küffner/Hock setzen sich in einem allgemeinen Beitrag über internationale Rechnungslegung aus der Sicht mittelständischer Unternehmen unter anderem mit der Segmentberichterstattung nach internationalen Standards auseinander und vertreten die Auffassung, dass diese für mittelständische Unternehmen nachteilig sind, weil gerade hier aus den Angaben Rückschlüsse auf die Ursachen des Unternehmenserfolges abgeleitet werden können.1 Carstensen/Leibfried haben im Rahmen einer Umfrage unter mittelständischen GmbHs und GmbH & Co. KGs untersucht, welche Vorteile internationaler Rechnungslegungsstandards mittelständische Unternehmen zu einer freiwilligen Anwendung dieser Standards bewegen können. Sie haben sich dabei allerdings nicht mit möglichen Wettbewerbsnachteilen befasst.2 Mit der Umstellung auf internationale Rechnungslegungsstandards befasst sich auch eine Untersuchung, die Unternehmen des Prime Standard nach ihren Erfahrungen nach einer solchen Umstellung befragte.3 Diese Untersuchung konzentrierte sich aber auf mögliche Vorteile der internationale Rechnungslegung und stellte diesen die Kosten gegenüber, die im Zuge der Umstellung und in der Folge durch größeren Erstellungsaufwand entstehen. Auf Wettbewerbswirkungen wurde jedoch nicht eingegangen. Die Studie befragte aber die Teilnehmer danach, welche Umstände zu einer größeren Transparenz durch die Anwendung internationaler Abschlüsse führen können. Dabei wurden insbesondere detailliertere Angaben im Anhang, Segmentberichterstattung und Eigenkapitalspiegel genannt. Eine weitere Studie untersuchte ebenfalls – diesmal aus Sicht von Eigenkapitalgebern – welche Umstände zu einer höheren Transparenz der internationalen Abschlüsse führen können. Hierbei ergaben sich ähnliche Ergebnisse, wobei die Segmentberichterstattung sich als wichtigster Faktor erwies.4 Fischer/Klöpfer/Sterzenbach befragten Unternehmen dazu, welche Regelungen der IAS/IFRS sie als vorteilhaft oder unvorteilhaft beurteilten, jedoch ohne nach den Gründen für diese Einschätzung zu fragen.5 Folglich kann nicht abgeleitet werden, ob eventuelle Beurteilungen als unvorteilhaft auf mögliche Wettbewerbsnachteile zurückzuführen sind.
1 2 3
4
5
KÜFFNER/HOCK, BFuP 1998, 57 ff. CARSTENSEN/LEIBFRIED, GmbHR 2004, 864 ff. KÖHLER U.A., Praxisbefragung: Erfahrungen von Unternehmen bei der Umstellung der Rechungslegung von HGB auf IAS/IFRS oder US-GAAP. MARTEN U.A., Rechnungslegung nach IAS – Nutzeneffekte aus Sicht von Eigenkapitalgebern, BB 2002, 2007 ff. FISCHER/KLÖPFER/STERZENBACH, Beurteilung der Rechnungslegung nach IAS – Ergebnisse einer Befragung deutscher börsennotierter Unternehmen, BB 2003, 2615 ff.
532
Simon Patrick Link
Eine für die vorliegende Fragestellung relevante Studie von Chang untersucht das Verhältnis zwischen den eigenen Aktivitäten eines Unternehmens auf dem Gebiet der Wettbewerbsanalyse und dessen Einstellung gegenüber der Finanzpublizität.6 Die Studie beobachtet dabei, dass wettbewerbsrelevante Informationen, die bei der freiwilligen Publizität zurückgehalten werden, dennoch im Rahmen der Wettbewerbsanalyse der Konkurrenz aufgedeckt werden. Die Studie findet ihre Thesen bestätigt, dass größere Aktivität auf dem Gebiet der Wettbewerbsanalyse einhergeht mit geringerer Sensibilität gegenüber der Veröffentlichung wettbewerbsrelevanter Informationen. Diese Sensibilität nimmt außerdem mit der Unternehmensgröße ab, jedoch mit der wahrgenommenen Wettbewerbsintensität zu. Als mögliche Einflussfaktoren für eine größere Gefahr von Wettbewerbsnachteilen wurden in der Studie die Zukunftsgerichtetheit der Informationen, ihr Bezug zu Planungen und Geschäftschancen des Unternehmens, der Bezug zu einzelnen Prozessen und die inhaltliche Verknüpfung mit internen Informationsprozessen abgefragt. Als aus Wettbewerbssicht für die Unternehmen gefährliche Veröffentlichung untersucht eine Studie von Edwards/Smith ebenfalls die Segmentberichterstattung.7 Dabei ergab sich, dass eine solche Gefahr von Wettbewerbsnachteilen nach Ansicht der Unternehmen tatsächlich besteht, dass die gesetzlichen Regelungen aber durchaus Möglichkeiten bieten, durch gezielte Gestaltung der Berichterstattung Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, etwa durch geschickten Zuschnitt der Segmente. Die Studie findet dabei ihre These bestätigt, dass die geographische Segmentierung problematischer gesehen wird als diejenige nach Produkten. An Wettbewerbsnachteilen wurde insbesondere das Bekanntwerden von Margen und daraus entstehende Nachteile in Preisverhandlungen, das Bekanntwerden von Tätigkeit in sensiblen Gegenden und die Aufmerksamkeit von staatlichen Stellen auf unterschiedliche Profitabilität in verschiedenen Bereichen oder Regionen befürchtet. Teilweise konnten die genau befürchteten Nachteile auch nicht spezifiziert werden. Eine Studie von Gray/Radebaugh/Roberts untersuchte die von den Unternehmen wahrgenommenen Kosten von freiwilligen Veröffentlichungen. Als indirekte Kosten wurden dabei insbesondere auch Wettbewerbsnachteile erfasst.8 Die Studie fragt eine ganze Reihe von möglicherweise problematischen Angaben und daraus befürchteten Wettbewerbsnachteilen ab. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten stellten sich dabei zukunftsgerichtete und disaggregierte Informationen als problematisch heraus, sowie Beschreibungen der Aktivitäten der Gesellschaft. Eine Studie von Clarkson/Kao/Richardson testet ebenfalls die Wettbewerbsrelevanz von vorausschauenden Prognosen. Sie findet dabei empirische Unterstützung für die These, dass die freiwillige Veröffentlichung von vorausschauenden Prognosen mit der Wettbewerbsintensität abnimmt.9
6 7 8 9
CHANG, Finance India, XVI June 2002, Nr. 2, 557 ff. EDWARDS/SMITH, 28 British Accounting Review, 1996, 155 ff. GRAY/RADEBAUGH/ROBERTS, 21 Journal of International Business Studies, 1990, S. 597 ff. CLARKSON/KAO/RICHARDSON, 11 Contemporary Accounting Research, 1994, 423 ff.
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
533
Eine weitere Studie, die sich direkt mit den Wettbewerbsauswirkungen von Pflichtveröffentlichungen auseinandersetzt ist diejenige von Botosan/Stanford. Diese finden ihre These bestätigt, dass Möglichkeiten zum Verbergen von Segmentinformationen, die der frühere Standard SFAS 14 bot, eher von solchen Unternehmen genutzt wurden, die von ihrem Haupttätigkeitsbereich verschiedene Aktivitäten mit höherer Profitabilität in weniger wettbewerbsintensiven Märkten unterhielten. Sie ziehen daraus den Schluss, dass die Segmentinformationen zurückgehalten wurden, um diese Profite in weniger wettbewerbsintensiven Märkten zu schützen.10 Re-Jin/Baruch/Nan finden ebenfalls im Hinblick auf die Wettbewerbsrelevanz von Pflichtveröffentlichungen, dass Biotech-Firmen bei ihrem Börsengang im Börsenprospekt tendenziell umfangreichere Informationen über ihre Produktforschung offenbaren, je gesicherter ihre Wettbewerbsposition aufgrund von Patentschutz, Fortschritt des Entwicklungsprozesses und Verfügbarkeit von Venture Capital ist.11 Leuz untersucht anlässlich der Einführung verpflichtender Segmentberichterstattung in Deutschland im Jahre 1998, ob Firmen, die zuvor keine freiwilligen Segmentberichte veröffentlichten, dies deshalb nicht taten, weil sie Wettbewerbsnachteile befürchteten. Dies findet er bestätigt, weil eher solche Unternehmen freiwillig Segmentberichte veröffentlichten, die in Märkten mit hohen Eintrittsbarrieren operierten, deren Segmentberichte selbst noch einen hohen Aggregationsgrad aufwiesen und deren Profitabilität gering war. Diese Eigenschaften wurden als Indikatoren für geringe Wettbewerbskosten der Veröffentlichung von Segmentberichten aufgefasst. Firmen, deren sonstige veröffentlichte Zahlen stark heterogene Informationen aggregieren, veröffentlichten tendenziell keine Segmentberichte, die gerade hier besonders informativ gewesen wären.12 Damit ergibt sich, dass in der vorhandenen Literatur vor allem disaggregierte, zukunftsgerichtete sowie die Aktivitäten der Gesellschaft beschreibende Informationen als unter Wettbewerbsgesichtspunkten problematisch angesehen werden. Die empirischen Untersuchungen finden für diese These jeweils auch Bestätigung. Unter den disaggregierten Informationen ist vor allem der Segmentbericht gegenstand intensiver Betrachtung. An befürchteten Wettbewerbsnachteilen werden insbesondere von Edwards/Smith das Bekanntwerden von Margen und von Tätigkeiten in sensiblen Regionen sowie die Aufmerksamkeit von staatlichen Stellen auf besondere Profitabilität genannt.13
4.1.3. Untersuchungsdesign Der verwendete Fragebogen bestand aus vier Teilen. Der erste Teil befasste sich mit grundlegenden Charakteristika des befragten Unternehmens, insbesondere seiner Größe und Marktstellung. Diese Informationen sollten die Beurteilung ermögli-
10 11 12
13
BOTOSAN/STANFORD, 80 The Accounting Review, 2005, 751 ff. RE-JIN/BARUCH/NAN, 42 Journal of Accounting Research, 2004, S. 319. LEUZ, CHRISTIAN, in: LEUTZ/PFAFF /HOPWOOD, The Economics and Politics of Accounting, 164 ff. EDWARDS/S MITH, 28 British Accounting Review, 1996, 155 ff.
534
Simon Patrick Link
chen, inwieweit die Einschätzungen der Wettbewerbswirkungen von Pflichtpublizität von diesen Faktoren abhängen. Die Teile zwei und drei bildeten den Hauptteil des Fragebogens, wobei zunächst die defensive Sichtweise der Unternehmen abgefragt wurde, also ihre Einschätzung, welche Wettbewerbsnachteile in welchem Ausmaß aus welchen Pflichtangaben zu befürchten sind. Sodann wurde die aktive Wettbewerbsanalyse beleuchtet und danach gefragt, welche Rolle Pflichtpublikationen hier spielen. In Teil vier schlossen sich noch einige Angaben zur antwortenden Person selbst an. Die Items zu den Fragen nach möglichen Wettbewerbswirkungen wurden aus den Wettbewerbswirkungen gebildet, die in der Literatur diskutiert werden. Zusätzlich enthielt der Fragebogen die Möglichkeit, frei zusätzliche Items anzugeben und zu bewerten. Gleiches gilt für die Fragen, bei denen einzelne Pflichtpublikationen nach ihrer Wettbewerbswirkung beurteilt werden sollten.14 Der Fragebogen wurde an 120 an der Frankfurter Wertpapierbörse notierte Unternehmen versandt. Er wurde dabei jeweils an die Investor-Relations-Abteilung adressiert. Je 30 der adressierten Unternehmen wurden im Wege einer Zufallsstichprobe aus den Indizes Dax, MDax, SDax und TecDax der Frankfurter Wertpapierbörse in ihrer Zusammensetzung am 10. August 2005 ausgewählt. Die Fragebögen wurden am 29. September 2005 versandt. Die Unternehmen wurden gebeten, sie bis 31. Oktober 2005 zurückzusenden. Es wurden aber auch einige danach noch eingehende Fragebögen berücksichtigt.
4.1.4. Umfrageergebnisse 4.1.4.1. Respondenten Insgesamt gingen 26 Antworten ein. Zusätzlich gingen eine Reihe von Mitteilungen ein, dass der Fragebogen nicht beantwortet werden würde. Dies wurde jeweils damit begründet, dass nach der generellen Linie des betreffenden Unternehmens nicht an Umfragen teilgenommen würde. Von einer Nachfassaktion beispielsweise in Form eines Erinnerungsschreibens wurde abgesehen. Die 26 Antworten ergeben bei 120 versandten Fragebögen eine Rücklaufquote von 21,7%. Dies stellt eine für vergleichbare Umfragen übliche Quote dar. 15 Von den im Dax notierten Unternehmen gingen neun Fragebögen ein (Rücklaufquote 30%), im MDax waren es sieben (Rücklaufquote 23%), im SDax und im TecDax jeweils fünf (Rücklaufquote 17%).
14
15
Dank gilt Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann, Sprecher des Vorstands des Instituts der Wirtschaftsprüfer, für eine Stellungnahme zu einem Fragebogenentwurf mit der Anregung zur Aufnahme weiterer Items aus dem Bereich der internationalen Rechnungslegung, die größtenteils umgesetzt wurde. Vergleiche etwa VON ROSEN, Deutsches Aktieninstitut, Wertorientierte Überwachung durch den Aufsichtsrat, Ausgewählte Ergebnisse einer Umfrage, 16.
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
535
4.1.4.1.1. Unternehmensangaben 4.1.4.1.1.1. Unternehmen und Marktposition Um eventuelle Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung der wettbewerblichen Chancen und Risiken von Pflichtveröffentlichungen und der Tätigkeit und dem Marktumfeld der befragten Unternehmen erfassen zu können, wurden die Unternehmen nach der Branche gefragt, in der sie tätig sind. Dabei wurde die Brancheneinteilung herangezogen, die die Deutsche Börse zur Grundlage ihrer Branchenindizes macht.16 Allerdings wurden die befragten Unternehmen nicht nach der Einteilung der Deutschen Börse zugeteilt sondern im Fragebogen nach einer eigenen Eingruppierung gefragt. Diese kann von der Einteilung der Deutschen Börse in Branchenindizes abweichen, wenn der jeweilige Respondent die Einteilung abweichend beurteilt. Zusätzlich gestattete die Fragestellung Mehrfachnennungen. Solche traten jedoch nicht auf. Die antwortenden Unternehmen verteilten sich danach wie in Abbildung 11 gezeigt auf die vorgegebenen Branchen. Zusätzlich gaben zwei Unternehmen von der vorgegebenen Brancheneinteilung abweichende Branchen an. Diese Antworten sind in der Statistik unter „other“ erfasst.
Abbildung 1
Der Vergleich dieser Verteilung der Branchenzugehörigkeit mit der Verteilung in der Grundgesamtheit erlaubt möglicherweise Schlüsse auf die Repräsentativität der eingegangen Antwortbögen. Da die befragten Unternehmen aus den jeweiligen Indexmitgliedern des DAX, des MDAX des SDAX sowie des TecDAX ausgewählt 16
Vgl. Deutsche Börse, Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5, März 2008, 43 ff., abrufbar unter http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/binary/gdb_content_ pool/imported_files/public_files/10_downloads/50_informations_services/30_Indices_Index_ Licensing/21_guidelines/10_share_indices/equity_indices_guide.pdf.
536
Simon Patrick Link
wurden, muss der Vergleich getrennt für diese Grundgesamtheiten erfolgen. Abbildung 2 – Abbildung 5 stellen jeweils die Branchenverteilung der antwortenden Unternehmen, die ihren Angaben nach im jeweiligen Index notiert sind, mit den Angaben der Deutschen Börse zur Branchenverteilung in den jeweiligen Indizes gegenüber. Diesmal sind nicht die absoluten Werte, sondern der Anteil der Unternehmen einer Branche an der Gesamtzahl der Unternehmen im jeweiligen Index insgesamt bzw. in den Antworten aus diesem Index dargestellt. Diese Gegenüberstellung kann selbstverständlich dadurch verfälscht sein, dass die Unternehmen ihre Branchenzugehörigkeit anders einschätzen als die Deutsche Börse. Die Angaben zur Verteilung in den Indizes wurden der Statistik der deutschen Börse zur Gewichtung der Indexwerte für den Monat August 2005 entnommen, die auch die Branchenzugehörigkeit enthält. Auf August 2005 bezog sich auch die Auswahl der Unternehmen, die befragt wurden.
Abbildung 2
Abbildung 3
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
537
Abbildung 4
Abbildung 5
Als Angaben zur Größe der befragten Unternehmen wurden diese nach Mitarbeiterzahl und Umsatz, jeweils konzernweit, befragt. Die eingegangenen Antworten decken dabei ein breites Spektrum ab, wie Abbildung 6 und Abbildung 7 zeigen.
538
Simon Patrick Link
Abbildung 6
Abbildung 7
Wegen des möglichen Zusammenhanges mit der Wahrnehmung des Problems des Competitive Disadvantage wurden die Unternehmen auch gebeten, den Grad ihrer Diversifikation sowie die Wettbewerbsintensität auf den Märkten, auf denen sie tätig sind, zu beurteilen. Die Anzahl der Nennungen zu den möglichen Antworten hierzu sind in Abbildung 8 und Abbildung 9 dargestellt.
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
539
Abbildung 8
Abbildung 9
4.1.4.1.1.2. Rechnungslegung Eine weitere wichtige Grundlage zur Beurteilung der Angaben zu wettbewerblichen Chancen und Risiken von Pflichtpublikationen stellen die von den Unternehmen angewandten Rechnungslegungsvorschriften dar. Alle antwortenden Unternehmen sind zur Aufstellung eines HGB-Einzelabschlusses verpflichtet. Sechs Unternehmen gaben an, zur Aufstellung eines HGBKonzernabschlusses verpflichtet zu sein, zehn Unternehmen trifft diese Pflicht nach ihren Angaben nicht. Diese Angaben stehen allerdings im Widerspruch dazu, dass alle Unternehmen angaben, die Befreiung nach § 292a HGB wahrzunehmen. Als
540
Simon Patrick Link
danach erstellter internationaler Abschluss wurden in der in Abbildung 10 gezeigten Verteilung IAS/IFRS und US-GAAP angegeben.
Abbildung 10
Zusätzlich wurde danach gefragt, ob und ab wann sie der Pflicht zur Aufstellung eines IAS/IFRS-Abschlusses unterliegen. Zum Zeitpunkt gingen dazu die aus Abbildung 11 ersichtlichen Antworten ein. Teilweise ist dabei offensichtlich aufgrund eines Missverständnisses der Fragestellung angegeben worden, ab wann tatsächlich ein Abschluss nach IAS/IFRS erstellt wurde.
Abbildung 11
4.1.4.1.2. Antwortende Person Um die Beurteilung der Antworten zu erleichtern, wurde schließlich die antwortende Person selbst um einige Angaben zu ihrer Stellung im Unternehmen gebeten.
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
541
Die überwiegende Zahl von Fragebögen (18) wurde in der Investor Relations Abteilung beantwortet, was darauf zurückzuführen ist, dass sie dorthin adressiert waren. Weitere zwei Fragebögen wurden von Personen beantwortet, die sowohl für die Bereiche Investor Relations als auch Rechnungslegung zuständig waren. Je zwei Fragebögen wurden in Rechnungslegung bzw. in Finance beantwortet und schließlich je einer im Controlling und im allgemeinen Management. Abbildung 12 zeigt zusätzlich, wie viele Hierarchiestufen unterhalb der Vorstands-/Geschäftsleitungsebene der Antwortende seine eigene Position angesiedelt hat.
Abbildung 12
4.1.4.2. Competitive Disadvantage durch Pflichtangaben in der Rechnungslegung Der erste Hauptteil des Fragebogens betraf zunächst eine defensive Betrachtungsweise, fragte also danach, welche wettbewerblichen Gefahren die Unternehmen in welchen Pflichtveröffentlichungen erblicken. 4.1.4.2.1. Ausmaß und Ausprägungen des Problems Dazu wurden die Teilnehmer zunächst nach einer allgemeinen Einschätzung des Ausmaßes des Problems Competitive Disadvantage befragt. Die Antworten darauf verteilten sich wie in Abbildung 13 dargestellt. Zu beachten ist hierbei, dass das Problem des Competitive Disadvantage bei dieser Frage nur allgemein dahingehend beschrieben wurde, dass Wettbewerber aus den Pflichtveröffentlichungen des eigenen Unternehmens Informationen gewinnen und diese zu dessen Schaden nutzen können. Mögliche Konkretisierungen, wie etwa das Bekanntwerden von Strategie oder Kalkulationsdetails, wurden den Antwortenden nach der Reihenfolge des Fragebogens hier noch nicht nahegelegt.
542
Simon Patrick Link
Abbildung 13
Aus der Verteilung ergibt sich die Tendenz, kein allzu großes Problem in der Veröffentlichungspflicht zu erblicken. Das arithmetische Mittel der Antworten, die einen der Werte von 1-5 angaben, liegt bei 2,36; der Median ist 2. Nur einmal wurde mit 4 oder 5 geantwortet, was 4% der Antworten entspricht. Dagegen beinhalteten 54% der Antworten die Angabe 1 oder 2. 38% der Antworten entfielen auf 3. Allerdings zeigen die zusammen 42% der auf 3, 4 und 5 entfallenden Antworten auch, dass die Pflichtveröffentlichungen nicht durchgehend als unproblematisch eingeschätzt werden. Die einzelne Antwort mit dem Wert 4 gehört zu der Gruppe der Unternehmen mit einem Umsatz unter € 1,25 Mrd. In dieser Gruppe wurde keinmal mit 1 geantwortet. Auf die Angabe 2 entfielen hier 36% der Antworten, 55% auf 3. Das arithmetische Mittel der Antworten, die einen der Werte von 1-5 angaben, liegt hier bei 2,75; der Median ist 3. Damit wird das Problem hier tendenziell gravierender eingeschätzt. Wie sich aus Tabelle 1 ergibt, korrelieren die Angaben zur Größe des Problems des Corporate Disadvantage auf dem 95%-Konfidenzintervall signifikant positiv mit der Angabe zur Wettbewerbsintensität (große Wettbewerbsintensität – großes Problem des Corporate Disadvantage) und negativ mit der Einteilung in die beiden Gruppen mit Umsätzen unter bzw. über € 1,25 Mrd. Da die Umsatzgruppen bei dieser Einteilung dahingehend codiert waren, dass die 1 einen Umsatz von unter € 1,25 Mrd und die 2 einen Umsatz von über € 1,25 Mrd. repräsentierte, bedeutet dies, dass niedrigere Umsätze mit einer größeren Einschätzung des Problems des Corporate Disadvantage einhergehen.
543
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
Konkurrenzintensität Größe des Problems Corporate Disadvantage
Diversifikation
Mitarbeiterzahl
Jahresumsatz
Umsatzgruppe (1-6)
Umsatzgruppe (> 1,25 Mrd)
Branche
Korrelation nach Pearson
,367
,101
-,164
-,130
-,255
-,439 Korrelation nach Spearman
,360
Signifikanz (1-seitig)
,036
,315
,217
,268
,109
,014 Sig. (2-seitig)
,077
25
25
25
25
25
N
25 N
25
Tabelle 1
Zur Präzisierung des Konzepts des Competitive Disadvantage wurden die Teilnehmer befragt, welche Art von Wettbewerbsnachteilen sie im Einzelnen befürchten. Dabei wurden 12 Möglichkeiten zur Bewertung vorgegeben. Zusätzlich konnten frei weitere Angaben gemacht werden, wovon jedoch nur unwesentlich Gebrauch gemacht wurde. Zusätzlich waren die hier vereinzelt genannten Wettbewerbsnachteile den vorgegebenen sehr ähnlich. Abbildung 14 zeigt die Bewertungen der vorgegebenen Wettbewerbsnachteile. Gefragt war jeweils danach, wie groß die Gefahr des Eintritts des jeweiligen Wettbewerbsnachteils durch Pflichtpublizität ist (1: Keine Gefahr; 5: Große Gefahr). Tabelle 2 zeigt die Variablenbedeutung. GÜBERN
Gefahr einer feindlichen Übernahme oder einem Fusionsversuch ausgesetzt zu sein
GKALK
Bekanntwerden von Kalkulationsdetails und Gewinnmargen, so dass Wettbewerber bei Auftragsvergabe unterbieten können
GPRESSE
Negative Presse/Reputationseffekte
GPOL
Politische Einflüsse
GGES
Gesellschaftlicher Druck
GLIEFER
Druck von Lieferanten
GABN
Druck von Abnehmern
GSTRATEG
Bekanntwerden der Unternehmensstrategie
GRISIKEN
Offenlegung von Verlusten und Risiken
GCHANCEN
Bekanntwerden von Geschäftschancen und lukrativen Märkten
GKNOWHOW
Bekanntwerden von Know How und Geschäftsgeheimnissen
GPERSONA
Gefahr der Abwerbung von Personal
Tabelle 2
544
Simon Patrick Link
Abbildung 15 zeigt zusätzlich, wie oft für die einzelnen Wettbewerbsnachteile die Werte 3-5 genannt wurden.
Abbildung 14
Abbildung 15
545
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
Bei den Variablen GPRESSE, GLIEFER, GABN, GRISIKEN und GCHANCEN wurde in 50% und mehr der Antworten eine Bewertung von 3-5 abgegeben. Diese Arten von Wettbewerbsnachteilen werden mehr als andere befürchtet. Die folgende Tabelle 3 zeigt die Korrelation der einzelnen Angaben zu den Problemausprägungen mit den bereits beschriebenen Unternehmensdaten:
Gefahr einer feindlichen Übernahme
Bekanntwerden von Kalkulationsdetail s
Negative Presse/ Reputationseffekte
Politische Einflüsse
Gesellschaftlicher Druck
Konkurrenzintensität
Diversifikation
Mitarbeiterzahl
Jahresumsatz
Umsatzgruppe (1-6)
Umsatzgr. (1: 2:> 1,25 Mrd)
,066
,335
,014
,008
-,111
-,339
,375
,047
,472
,484
,295
,045
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,042
,416
,084
-,042
-,048
-,308
-,146
,419
,017
,342
,419
,408
,063
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,292
-,279
,387
,464
,377
,234
-,143
,074
,084
,026
,009
,029
,125
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
-,254
-,221
,214
,082
,433
,387
-,217
,111
,144
,152
,349
,015
,028
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
25
25
25
25
25
25
N
25
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
-,024
-,044
,507
,455
,608
,437
-,433
,454
,416
,004
,010
,000
,013
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
26
26
26
26
26
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
N
Branche
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
,045
,829
,476
,485
,298
,027
26
546 Druck von Lieferanten
Druck von Abnehmern
Bekanntwerden der Unternehmensstrategie
Offenlegung von Verlusten und Risiken
Bekanntwerden von Geschäftscha ncen
Bekanntw. von Geschäftsgeheimnissen
Simon Patrick Link Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
-,041
,218
,097
,040
,058
-,089
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
-,106
,421
,142
,319
,422
,389
,333
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,148
,042
,058
-,004
,089
-,021
,177
,493
,333
,460
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
,235
,419
,389
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,214
-,103
-,184
-,203
-,018
-,114
,211
,147
,308
,184
,159
,466
,289
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,232
-,077
,112
,041
,247
,028
,060
,127
,354
,294
,421
,112
,446
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,386
,127
-,252
-,264
-,167
-,352
,207
,026
,269
,108
,096
,207
,039
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
26
26
26
26
26
26
N
26
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,108
,185
-,127
-,178
-,158
-,215
,252
,304
,188
,272
,198
,225
,151
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
N
25
25
25
25
25
25
N
25
,606
,388
,301
,772
,309
,224
547
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz Abwerbung von Personal
Korrelation nach Pearson Signifikanz (1-seitig)
,470
-,007
-,120
-,140
-,191
-,297
,008
,487
,280
,247
,176
,070
N
26
26
26
26
26
26
Korrelation nach Spearman Sig. (2-seitig)
,088
N
26
,670
Tabelle 3
Auffällig ist, dass die Angaben zu den Problemen „Negative Presse/Reputationseffekte“, „politische Einflüsse“ und „Gesellschaftlicher Druck“ positiv mit den zur Unternehmensgröße in Bezug stehenden Indikatoren korrelieren. Das legt nahe, dass eher größere Unternehmen diese Probleme befürchten. Die Gefahr, gesellschaftlichen Druck zu provozieren, scheint außerdem von Branche zu Branche unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Die Korrelation der Gefahr des Bekanntwerdens von Kalkulationsdetails mit dem Grad der Diversifikation entspricht der allgemeinen Erwartung. Sie ist deshalb positiv, weil nach der Kodierung der Variablen zur Diversifikation ein hoher Wert eine starke Festlegung auf wenige Absatzmärkte bedeutet. Bei einer solchen Fokussierung wird die Gefahr einer solchen Offenbarung also größer eingeschätzt. Die Korrelation der Gefahr einer feindlichen Übernahme mit dem Umsatz (negativ) und mit der Diversifikation, die allerdings nur schwach signifikant sind, entspricht ebenfalls der Erwartung. Größere, diversifizierte Unternehmen sehen sich einer solchen Gefahr weniger ausgesetzt. Schließlich entsprechen auch die Korrelationen der Gefahr des Bekanntwerdens von Geschäftsgeheimnissen und der Abwerbung von Personal mit der Konkurrenzintensität (positiv) und ersterer mit der Umsatzgruppe (negativ, schwach signifikant) dem, was man allgemein erwarten würde. 4.1.4.2.2. Kritische Veröffentlichungen Die zweite Kernfrage des Fragebogens verlangte eine Bewertung einzelner Pflichtveröffentlichungen im Hinblick auf die Gefahr, für Wettbewerber nützliche Informationen zu offenbaren. Abbildung 16 und Abbildung 17 geben einen Überblick über die hierzu gemachten Angaben. 1 steht nach dem Fragebogen für „Keine Gefahr“ und 5 für „Große Gefahr“.
548
Abbildung 16
Abbildung 17
Simon Patrick Link
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
549
Die Variablenbedeutung zeigt Tabelle 4. GJÜ
Jahresüberschuss
GUE
Umsatzerlöse
GMA
Materialaufwand
GPA
Personalaufwand
GABP
Planmäßige Abschreibungen
GABA
Außerplanmäßige Abschreibungen
GZINS
Zinsen & ähnlicher Aufwand
GSTEU
Steuern vom Einkommen und Ertrag
GHERST
Herstellungskosten
GVERTR
Vertriebskosten
GIMMAT
Immaterielle Vermögensgegenstände
GFWERT
Geschäfts- und Firmenwert
GVOR
Vorräte
GFORD
Forderungen
GRÜCK
Rückstellungen
GVERB
Verbindlichkeiten
GEV
Sonstige finanzielle Verpflichtungen/Eventualschulden
GLAT
Latente Steuern
GANT
Angaben zu Anteilsbesitz
GMANAG
Individualisierte Angabe von Managergehältern
GRISK
Risikoberichte
GBED
Bedeutende Vorgänge nach Geschäftsjahresschluss
GVORAUS
Voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft
GFORSCH
Forschungs- und Entwicklungsbericht
GSTRAT
Darlegung der Unternehmensstrategie im Lagebericht
GSEGPROD
Segmentberichterstattung nach Produkten/Geschäftssegmenten
GSEGGEO
Geographische Segmentberichterstattung
GFINIMMO
Angaben zu als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien (IAS 40)
GFININST
Angaben zu Finanzinstrumenten (IAS 32/39)
GIMPLOSS
Angaben zu Impairment Losses (IAS 36)
GVERÄUß
Angaben über zur Veräußerung gehaltene, langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche (IFRS 5)
GFERT
Fertigungsaufträge (Bilanzierung, Angaben - IAS 11)
GZUSAMME
Angaben zu Unternehmenszusammenschlüssen (IFRS 3)
GKAPFL
Kapitalflussrechnung und zusätzliche Angaben (IAS 7)
Tabelle 4
Ein Antwortender machte von der Möglichkeit zu freien Angaben Gebrauch und führte zusätzlich Capital Expenditures an.
550
Simon Patrick Link
Tabelle 5 zeigt zusätzlich arithmetische Mittel und Mediane der Variablen, Abbildung 18 den Anteil der Antworten, die die Werte 3-5 wählten. GJÜ
GUE
GMA
GPA
GABP
GABA
GZINS
GSTEU
Mittelwert
2,08
1,65
2,08
1,85
1,85
2,27
1,88
1,81
Median
2
1,5
2
2
2
2
2
2
GHERST
GVERTR
GIMMAT
GFWERT
GVOR
GFORD
GRÜCK
GVERB
2,63
2,44
1,80
2,00
2,04
2,08
2,08
2,04
Mittelwert Median Mittelwert Median
3
3
2
2
2
2
2
2
GEV
GLAT
GANT
GMANAG
GRISK
GBED
GVORAUS
GFORSCH
2,04
1,85
2,28
2,81
2,60
2,19
2,62
2,39
2
2
2
3
3
2
3
2
GSTRAT
GSEGPROD
GSEGGEO
GFINIMMO
GFININST
GIMPLOSS
GVERÄUß
GFERT
2,60
2,88
2,58
1,61
2,26
2,30
2,43
2,00
2
1
2
2
2
2
Mittelwert Median
3
3
GZUSAMME
GKAPFL
Mittelwert
2,55
2,17
Median
3
2
Tabelle 5
Abbildung 18
Wegen der höheren Werte hervorzuheben sind hier die Angaben Herstellungskosten (GHERST), Vertriebskosten (GVERTR), individualisierte Angabe von Managergehältern (GMANAG), Risikobericht (GRISK), voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft (GVORAUS), Strategiebericht (GSTRAT), Segmentbericht nach Pro-
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
551
dukten/Geschäftssegmenten (GSEGPROD), Angaben zu Impairment Losses (GIMPLOSS), Angaben über zur Veräußerung gehaltene, langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche (GVERÄUß) und Angaben zu Unternehmenszusammenschlüssen (GZUSAMME), sowie mit etwas geringeren Werten Angaben zu Anteilsbesitz (GANT), der Forschungs- und Entwicklungsbericht (GFORSCH) und der geographische Segmentbericht (GSEGGEO). Diese Angaben bergen aus Sicht der antwortenden Unternehmen ein größeres Potential Wettbewerbsnachteile zu verursachen. Das Ergebnis der Studie von Edwards/Smith, wonach der geographische Segmentbericht tendenziell problematischer wahrgenommen wird als derjenige nach Produkten, bestätigt sich hier nicht. Die grundsätzliche Problematik des Segmentberichts aus Wettbewerbssicht zeigt sich allerdings durchaus, so dass die Ergebnisse insofern mit den bestehenden Studien in Einklang stehen. Das Hervorstechen der Angaben zu Managergehältern, dem Risikobericht, den zukunftsgerichteten Angaben, dem Strategiebericht sowie der Segmentberichterstattung entspricht den sich aus theoretischen Überlegungen ergebenden Erwartungen sowie teilweise bereits in anderen Umfragen gewonnenen Ergebnissen. Interessant erscheint die erhöhte Bewertung der Gefahr aus den Angaben zu Herstellungs- und Vertriebskosten. 4.1.4.2.3. Schadenspotential Zur Konkretisierung der Eingangsfrage nach der Bedeutung des Problems des Competitive Disadvantage wurden die Befragten gebeten, das Ausmaß des drohenden Schadens abzuschätzen. Dabei wurde eine achtstufige Skala mit beschreibenden Bezeichnungen vorgegeben. Die Häufigkeit der Antworten zeigt Abbildung 19.
Abbildung 19
Danach beurteilen 62% der Unternehmen den möglichen Schaden als bedeutend (Stufen bis „Nicht messbarer aber als bedeutend empfundener Schaden“) und 24% der Unternehmen sehen wichtige Einzelgeschäfte oder ganze Geschäftsbereiche
552
Simon Patrick Link
bedroht. Diese Antworten zeigen ebenfalls, dass die Problematik in der Praxis nicht unbedeutend ist. 4.1.4.2.4. Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen Als weiterer Indikator dafür, wie bedeutend das Problem des Competitive Disadvantage für die angesprochenen Unternehmen ist, wurde danach gefragt, ob die Unternehmenspublikationen daraufhin überprüft werden, ob sie Wettbewerbsnachteile verursachen können. Dazu wurden die in Abbildung 20 dargestellten Angaben gemacht, aus denen sich eine insgesamt hohe Prüfintensität ergibt:
Abbildung 20
Bei einer weiteren Frage sollten die Unternehmen angeben, in welchem Umfang gegenwärtig bestehende gesetzliche Schutzklauseln und Befreiungen genutzt werden. Teilweise waren hier die jeweiligen Vorschriften den Befragten nicht bekannt oder auf das jeweilige Unternehmen nicht anwendbar. Bei ersterem mag es eine Rolle gespielt haben, dass die Respondenten nur zu einem geringen Anteil direkt im Reporting tätig waren. Je ein Unternehmen gab an, die Schutzklauseln nach § 286 Abs. 2 HGB (Keine Aufgliederung der Umsatzerlöse wegen erheblichem Nachteil) bzw. nach § 313 Abs. 2 HGB (Unterlassen von Angaben zu in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen) zu nutzen. Drei Unternehmen wenden § 286 Abs. 4 HGB (Keine Angabe der Organbezüge wegen möglicher Rückschlüsse auf Einzelbezüge) an. Zusätzlich wurde darum gebeten, anzugeben, welche Faktoren außer den gesetzlichen Schutzmöglichkeiten Wettbewerbsnachteile aus Pflichtveröffentlichungen verhindern können. Dabei wurden drei Items zur Bewertung vorgegeben. Die Möglichkeit, frei weitere hinzuzufügen wurde nicht genutzt. Die vorgegebenen Items waren: 1. Abstraktheit der Angaben verhindert Offenbarung wettbewerbsrelevanter Informationen 2. Zusammenfassung von Angaben verhindert Offenbarung wettbewerbsrelevanter Informationen
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
553
3. Wettbewerbsrelefante Informationen sind zwischen anderen Informationen nicht zu identifizieren Deren Wirkung wurde wie in Abbildung 21 dargestellt bewertet.
Abbildung 21
Danach wirken vor allem Abstraktheit und Zusammenfassung gegen die Offenbarung zu sensibler Informationen. Als Abschluss des Teils des Fragebogens zur aktiven Sichtweise wurden die Befragten gebeten, abzuschätzen, wie wertvoll die von ihnen veröffentlichten Informationen für ihre eigenen Wettbewerber sind. Nach den Angaben in Abbildung 22 besteht ein solcher Wert durchaus. Allerdings scheinen die Unternehmen auch ein gewisses Vertrauen in ihre Vorsichtsmaßnahmen zu haben.
Abbildung 22
554
Simon Patrick Link
4.1.3.1. Nutzung von Pflichtveröffentlichungen zur Wettbewerbsanalyse Ebenso wie Unternehmen die Wirkung der von ihnen selbst veröffentlichten Informationen im Wettbewerb bedenken müssen, haben sie umgekehrt die Möglichkeit, die von ihren Konkurrenten zur Verfügung gestellten Informationen für ihre eigene Wettbewerbsanalyse zu nutzen. 4.1.3.1.1. Aktivitäten zur Wettbewerbsanalyse Nach der ersten Frage zu diesem Themenbereich tun dies 85% der antwortenden Unternehmen. Ein Unternehmen gab an, über eine eigene Abteilung oder sonstige Organisationseinheit zu verfügen, die sich ausschließlich mit Wettbewerbsanalyse befasst. Weitere 58% verfügen über eine Organisationseinheit, die sich unter anderem mit Wettbewerbsanalyse befasst, während bei 38% der antwortenden Unternehmen keines von beiden der Fall ist. Die Fragen zu Mitarbeiterzahl und Budget der Analyseabteilungen wurden größtenteils nicht beantwortet. Nach den in Abbildung 23 dargestellten Antworten scheint die Analyse von Pflichtpublikationen aber eine erhebliche Bedeutung für die Wettbewerbsanalyse der befragten Unternehmen zu haben. 50% der Antworten entfallen auf die Stufen vier und fünf der Skala.
Abbildung 23
4.1.3.1.2. Wert der Angaben der Wettbewerber Spiegelbildlich zu der Frage, von welchen Pflichtangaben die größte Gefahr von Wettbewerbsnachteilen ausgeht, wurde nun danach gefragt, wie wertvoll die einzelnen Pflichtangaben bei der Wettbewerbsanalyse sind. Die Antworten sind in Abbildung 24 und Abbildung 25 dargestellt. Die Variablennamen sind in den Grafiken identisch zum aktiven Fall (siehe Tabelle unter 4.1.4.2.2.).
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
555
Abbildung 24
Abbildung 25
Abbildung 26 enthält wiederum den Anteil an Nennungen der Werte 3-5. In Tabelle 6 sind die arithmetischen Mittel und Mediane aufgeführt.
556
Simon Patrick Link
Abbildung 26
GJÜ
GUE
GMA
GPA
GABP
GABA
GZINS
GSTEU
Mittelwert
3,42
3,50
3,04
2,83
2,23
2,61
2,13
2,26
Median
3
4
3
3
2
3
2
2
GHERST
GVERTR
GIMMAT
GFWERT
GVOR
GFORD
GRÜCK
GVERB
Mittelwert
3,14
3,00
2,23
2,48
2,59
2,45
2,50
2,59
Median
3
3
2
2
3
2,5
3
3
GEV
GLAT
GANT
GMANAG
GRISK
GBED
GVORAUS
GFORSCH
Mittelwert
2,32
1,76
2,95
2,15
3,09
3,05
3,59
3,58
Median
2
2
3
2
3
3
4
4
GSTRAT
GSEGPROD
GSEGGEO
GFINIMMO
GFININST
GIMPLOSS
GVERÄUß
GFERT
Mittelwert
3,55
3,79
3,46
1,68
1,76
2,45
2,32
1,95
Median
4
4
4
1,5
2
2
2
2
GZUSAMME
GKAPFL
Mittelwert
3,22
3,17
Median
3
3
Tabelle 6
Danach scheint der Großteil der in Pflichtinformationen enthaltenen Angaben für die Wettbewerbsanalyse relevant zu sein. Abbildung 27 und Abbildung 28 stellen Mittelwerte und Mediane der Beurteilung der verschiedenen Pflichtangaben jeweils in der aktiven und in der passiven Sichtweise gegenüber.
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
557
Abbildung 27
Abbildung 28
Hier zeigt sich, dass der Wert der einzelnen Pflichtangaben für die Wettbewerbsanalyse jeweils höher eingeschätzt wird, als die Gefahr, die aus entsprechenden eigenen Veröffentlichungen des Unternehmens entsteht. Diese Diskrepanz kann selbstverständlich auf einer unterschiedlichen Wahrnehmung der Skalen bzw. der Maßstäbe (Gefahr von Wettbewerbsnachteilen/Wert der Informationen für das eigene Unternehmen) beruhen. Andererseits kann sie aber auch darauf schließen lassen, dass der Wert der eigenen Informationen für Wettbewerber unter- oder der Wert der Informationen der Wettbewerber für das eigene Unternehmen überschätzt
558
Simon Patrick Link
wird. Ersteres würde auf eine bisher mangelnde Sensibilisierung für das Problem des Competitive Disadvantage hindeuten. 4.1.3.1.3. Nutzungsmöglichkeiten der Informationen Schließlich wurde auch im Rahmen der aktiven Sichtweise danach gefragt, zu welchen Zwecken der Wettbewerbsanalyse die von den Wettbewerbern publizierten Informationen wie nützlich sind. Dabei wurde um die Bewertung der vorgegebenen, in Tabelle 7 mit Variablennamen gezeigten Möglichkeiten gebeten. Die im Fragebogen vorhandene Gelegenheit, weitere Nutzungsarten anzugeben, wurde nicht wahrgenommen. AÜBERN
Identifikation von Fusions- oder Übernahmezielen
AKALK
Erforschung von Kalkulationsdetails und Gewinnmargen von Wettbewerbern
ALIEF
Informationen für Verhandlungen mit Lieferanten
AABN
Informationen für Verhandlungen mit Abnehmern
ANSTRAT
Erforschung der Strategie von Wettbewerbern
ACHANCE
Identifikation von Geschäftschancen und lukrativen Märkten
ANFORSCH ASTÄRKE
Informationsgewinnung für Forschung und Entwicklung Einschätzung der Wettbewerbsstärke von Konkurrenten
ANRISK
Identifikation von Risiken
ANPERS
Abwerben von Personal
Tabelle 7
In Abbildung 29 sind die Häufigkeiten der einzelnen Bewertungen der Nutzungsmöglichkeiten dargestellt. Dabei steht der Wert 1 für die Aussage, dass die Pflichtpublikationen der Wettbewerber keinen Nutzen für diesen Zweck haben; der Wert 5 steht für einen großen Nutzen. Zusätzlich zeigt Abbildung 30 die Häufigkeit, mit der die Werte 3-5 angegeben wurden.
Abbildung 29
4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
559
Abbildung 30
Werte von über 50% ergeben sich hier für die Nutzungen „Identifikation von Fusions- oder Übernahmezielen“, „Erforschung von Kalkulatoinsdetails und Gewinnmargen“, Informationen für Verhandlungen mit Abnehmern“, „Erforschung der Strategie von Wettbewerbern“, „Identifikation von Geschäftschancen und lukrativen Märkten“ und „Einschätzung der Wettbewerbsstärke von Konkurrenten“. Für diese Analyseziele scheinen die Pflichtpublikationen besonders gut geeignet zu sein. Die Gefahr aufgrund von Pflichtveröffentlichungen Fusions- oder Übernahmeversuchen ausgesetzt zu sein oder Informationen über Kalkulationsdetails oder Strategie preiszugeben, war in der passiven Sichtweise eher gering eingeschätzt worden. Während aus aktiver Sicht diese Analyseziele als besonders gut mit Pflichtangaben erreichbar eingeschätzt werden. Auch dies kann wieder auf einer unterschiedlichen Wahrnehmung der Skalen basieren, jedoch auch auf eine Unterschätzung des Problems und mangelnde Sensibilisierung hindeuten.
4.1.4. Zusammenfassung Insgesamt zeigt die Umfrage, dass die Gewinnung von wettbewerbsrelevanten Informationen aus Angaben in Pflichtveröffentlichungen große praktische Bedeutung hat. Dies gilt sowohl für die Befürchtung von Unternehmen aufgrund von eigenen Angaben Nachteile zu erleiden, als auch für die eigene Nutzung der von Wettbewerbern publizierten Informationen. Dabei wird die Nützlichkeit der Informationen von Wettbewerbern für die eigene Nutzung höher eingeschätzt als der Nutzen der eigenen Publikationen für die Wettbewerber. Gleichzeitig wird auch bei der Wettbewerbsanalyse eine größere Bandbreite von Angaben für nützlich gehalten. Im Einzelnen werden die verschiedenen abgefragten Veröffentlichungen im Hinblick auf ihre Wettbewerbsrelevanz durchaus unterschiedlich beurteilt. Für ei-
560
Simon Patrick Link
nige Angaben entsprechen die Ergebnisse den theoretischen Überlegungen; so etwa für Risikobericht, Forschungs- und Entwicklungs- sowie Strategiebericht und für die Segmentberichterstattung. Die verschiedenen Arten möglicher Wettbewerbsgefahren wurden ebenfalls verschieden bewertet, sodass nicht alle theoretisch angenommenen möglichen Wettbewerbsnachteile in der Praxis die gleiche Rolle spielen. Das Gleiche gilt für die verfolgten Zwecke bei der aktiven Wettbewerbsanalyse. Insgesamt bieten die gewonnenen Informationen einen empirischen Hintergrund für die theoretische Diskussion über Wettbewerbsnachteile aus Pflichtveröffentlichungen. Die Unterschiede in der Beurteilung einzelner Angaben sowie einzelner Ziele der Wettbewerbsanalyse beziehungsweise Gefahren der Publikationen sowie die sich ergebenden Zusammenhänge mit Größe, Strategie und Marktumfeld der Unternehmen geben Anlass zu weiteren Untersuchungen.
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4.1. Unternehmensinformation und Wettbewerbsschutz
MARTEN, KAI-UWE/ SCHLERETH, DIETER/ CRAMPTION ADRIAN/ KÖHLER, ANNETTE G. RE-JIN, GUO/BARUCH, LEV/ NAN, ZHOU ROSEN, RÜDIGER VON (HRSG.)
561
Rechnungslegung nach IAS – Nutzeneffekte aus Sicht von Eigenkapitalgeber, BB 2002, S. 2007 ff. Competitive Costs of Disclosure by Biotech IPOs, 42 Journal of Accounting Research, 2004, S. 319 ff. Deutsches Aktieninstitut, Wertorientierte Überwachung durch den Aufsichtsrat, Ausgewählte Ergebnisse einer Umfrage, Studien des Deutschen Aktieninstituts, Heft 32, Frankfurt am Main 2005.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
563
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb – eine ökonomische und rechtspolitische Perspektive Wolfgang Schön*
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb – eine ökonomische und rechtspolitische Perspektive . . . . . . . . . . 4.2.1. Gesteigerte Unternehmenstransparenz im deutschen Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.1. Die Rechtslage nach dem EHUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.2. Zur Notwendigkeit der Pflichtpublizität von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.3. Das Problem des Wettbewerbsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2. Die Grundlagen im Europäischen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.1. Das Axel-Springer-Urteil des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2. Der rechtliche Rahmen europäischen Bilanzrechts568 4.2.2.2.1. Primäres EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2.2. EU Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2.2.1. Die Offenlegung als Korrelat der beschränkten Haftung . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2.2.2. Uneingeschränkter Zugang zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2.2.3. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in Europa? . . . . . 4.2.2.2.3. Der Einfluss des europäischen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.3. Die Rolle des Konkurrenten im Europäischen Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.3.1. Schutz der Konkurrenten im Bilanzrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.3.2. Die Bewältigung von Wettbewerbsnachteilen im Rahmen der Bilanzvorschriften . 4.2.3. Die Offenlegung von Unternehmensinformationen als Gegenstand der ökonomischen Forschung . . . 4.2.3.1. Vollkommene Märkte und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.2. Zielgruppen der Unternehmensinformation in Kapital- und Produktmärkten . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3. Die ökonomische Konzeption freiwilliger Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3.1. Das Konzept des „Unravelling“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3.2. Die Kosten der Produktion, Verbreitung und Verarbeitung von Informationen . . . . 4.2.3.3.3. Wettbewerbsinduzierte Kosten der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3.4. Positive und negative Wettbewerbswirkungen der Offenlegung von Unternehmensdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4. Grundfragen der rechtlichen Anordnung von Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.1. Die relevanten Fragen und die relevanten Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.2. Argumente für und gegen gesetzliche Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.2.1. Die europäische und die amerikanische Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.2.2. Argumente für Marktversagen: Kollektivgüter, Netzwerkexternalitäten und Geschäftsherr-Vertreter Konflikte . . . . 4.2.4.2.3. Argumente gegen zwingende Vorgaben: Zur „Angemessenheit“ der Informationsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.3. Schlussfolgerungen für die (europäische) Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.3.1. Offenlegung auf dem Produktmarkt und das kartellrechtliche Problem des „Marktinformationssystems“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.3.2. Offenlegung für Gesellschafter und Gläubiger von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . 4.2.4.3.3. Offenlegung für Kapitalmarktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.3.4. Publizität und Wettbewerb: Regelungen für relevante Konfliktsituationen . . . . . . . 4.2.4.3.4.1. Gesetzliche Offenlegungspflichten als Hindernis für Innovation . . . . . 4.2.4.3.4.2. Offenlegung und dominante Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.3.4.3. Offenlegung als Instrument für gemeinsames Vorgehen . . . . . . . . . . . .
563 564 564 565 565 566 566 568 569 569 571 572 573 574 574 576 577 577 579 581 581 582 584 587 589 589 589 589 590 594 595 595 599 601 602 603 605 606
* Dr. iur., Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München,
564
Wolfgang Schön
4.2.5. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 4.2.5.1. Aufhebung der Publizitätspflicht für nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . 608 4.2.5.2. Fortbestehende Publizität von Großunternehmen nach dem Publizitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 608 4.2.5.3. Fortbestehende Publizität für börsennotierte Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 4.2.5.4. Schutzklauseln im Rahmen des europäischen und deutschen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . 609 4.2.5.5. Regelungen im europäischen und deutschen Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611
4.2.1. Gesteigerte Unternehmenstransparenz im deutschen Bilanzrecht 4.2.1.1. Die Rechtslage nach dem EHUG Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister (EHUG) zum 1.1.20071 hat die Offenlegung von Unternehmensinformationen in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Dimension erlangt2. Dieser Qualitätssprung hat zwei Ursachen: Der erste Grund liegt in der Umgestaltung des Handelsregisters in eine elektronische Datensammlung (§ 8 Abs.1 HGB) sowie in der Einführung eines bundesweiten Unternehmensregisters, auf das jedermann kostenfrei und online Zugriff nehmen kann (§ 8b HGB). Mit der Führung des Unternehmensregisters ist die „Bundesanzeiger VerlagsGesmbH“ als beliehene Unternehmerin betraut (§ 9a Abs.1 S.1 HGB; VO v. 15.12.2006 BGBl I 2006, S.3202). Für die Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften bedeutet dies, dass ihre gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss zunächst durch den elektronischen Bundesanzeiger einreichen und bekanntmachen lassen müssen (§ 325 Abs.1, 2 HGB); diese Daten werden anschließend dem Unternehmensregister übermittelt (§ 8b Abs.3 Nr.1 HGB) und dort der Allgemeinheit zugänglich gemacht (§ 8b Abs.1 Nr. 4 HGB). Die Einsichtnahme in das Handelsregister und das Unternehmensregister sind „jedermann zu Informationszwecken gestattet“ (§ 9 Abs.1 S.1, Abs.6 S.1 HGB). Der zweite Grund liegt in der Verschärfung der Sanktionen bei Nichtbeachtung der Offenlegungspflichten für Jahresabschlüsse. Nach § 335a S.1 Nr.1 und S.2 HGB a. F. wurde gegen die Mitglieder der vertretungsberechtigten Organe einer Kapitalgesellschaft bei fehlender Offenlegung nur dann ein Ordnungsgeld verhängt, wenn ein Dritter einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Bis zu einer Gesetzesreform im Jahre 2000 war ein solcher Antrag sogar nur zulässig, wenn er von einem Gesellschafter, einem Gläubiger oder dem Betriebsrat des Unternehmens gestellt worden war. Demgegenüber wird nach § 335 Abs.1 Nr.1 HGB n. F. ein Ordnungsgeldverfahren wegen „pflichtwidrigen Unterlassens der rechtzeitigen Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen“ von Amts wegen durchgeführt. Es handelt sich um die „zentrale Sanktionierung der Offenlegungspflicht“3 von Kapi1 2 3
BGBl. I 2006, 2553. Siehe den Aufsatz von SEIBERT/DECKER, DB 2006, 2446 ff. MERKT, in: BAUMBACH/HOPT, § 335 Rn. 1.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
565
talgesellschaften. Schätzungen zufolge lag die Offenlegungsquote unter der früheren Rechtslage bei Gesellschaften außerhalb des Kapitalmarkts nahe 5 %, während durch das EHUG eine substantielle Erhöhung der „compliance“ erreicht worden sein soll.
4.2.1.2. Zur Notwendigkeit der Pflichtpublizität von Kapitalgesellschaften Das Inkrafttreten des EHUG bildet den End- und Höhepunkt einer über mehrere Jahrzehnte geführten Diskussion innerhalb Deutschlands und Europas um die Notwendigkeit einer verpflichtenden Jahresabschlusspublizität von Kapitalgesellschaften. Nachdem deutsche Unternehmen – mit Unterstützung des Gesetzgebers – sich über viele Jahrzehnte faktisch der Offenlegung ihrer Finanzdaten im Handelsregister entzogen haben, bringt die rechtliche Verschärfung der Publizität durch die geschilderten Neuregelungen die Frage nach der Angemessenheit von Publizitätspflichten erneut auf den Plan. Auch im deutschen Schrifttum wird von akademischer Seite darauf hingewiesen, dass dem europäischen Modell einer subjektiv weit gefassten Publizitätspflicht das US-Modell einer sehr viel liberaleren Regulierung gegenübersteht, die lediglich kapitalmarktorientierte Gesellschaften der Pflichtpublizität unterwirft4. Und selbst diese Pflichtpublizität an den Börsen wird von führenden US-Wissenschaftlern inzwischen heftig kritisiert5. Aus der Praxis wird unter der neuen deutschen Rechtslage der gesteigerte Bedarf nach einer Nutzung bilanzpolitischer Spielräume betont6. Die herrschende Meinung scheint jedoch wie bisher dazu zu neigen, in der generellen Pflichtpublizität aller Kapitalgesellschaften in Europa einen sinnvollen Beitrag zur allgemeinen Markttransparenz zu sehen; zumindest handele es sich um ein logisches Pendant zum Tatbestand der Haftungsbeschränkung. Gesellschaftsgründer, die keine unbeschränkte Haftung für die Unternehmensschulden übernehmen wollten, müssten die gesteigerte Publizität gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft akzeptieren.
4.2.1.3. Das Problem des Wettbewerbsschutzes Das wesentliche Argument gegen eine weitgehende Publizitätspflicht von Kapitalgesellschaften liegt in den Nachteilen, welche ein Unternehmen als Wettbewerber am Produktmarkt von der Publizität gegenüber Konkurrenten, Zulieferern oder Kunden erleiden kann. Im Schrifttum zum EHUG wird ausführlich darauf hingewiesen, dass bereits der Einblick in einfache Kennzahlen eines Unternehmens – vor allem bei kleinen und mittleren Ein-Segment-Unternehmen – markstarken Geschäftspartnern oder Wettbewerbern die Möglichkeit zur Ausübung von Druck oder gar zur Aushungerung durch Dumping-Preise ermöglichen kann. Diese Gefahren erhöhen sich deutlich durch die neu eingeführten Erleichterungen, näm-
4 5 6
EBKE, BB 2005, Heft 45, I. Siehe unten. PLAGENS/WOLTER/HENKE, DStR 2007, 1413 ff.
566
Wolfgang Schön
lich den einfachen Online-Zugriff auf alle Gesellschaften bzw. die von Amts wegen durchgeführte Exekution des Offenlegungsgebots. Dies scheint auch auf rechtspolitischem Parkett neue Anerkennung zu finden. So formuliert die Bundesregierung in dem Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes7, dass dem Gedanken des Wettbewerbsschutzes offenlegungspflichtiger Unternehmen stärker Rechnung getragen werden müsse. Und auch auf dem Gesetzgebungsprogramm der Europäischen Kommission finden sich Überlegungen einer weiteren Deregulierung der Publizitätspflichten. So hat die Europäische Kommission in einer Mitteilung vom Juli 2007 für Kleinstunternehmen (Micro Enterprises) die vollständige Befreiung von Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zur Diskussion gestellt und für kleine Gesellschaften den Verzicht auf die allgemeine Publizität des Jahresabschlusses erwogen8. Die Reaktionen der betroffenen Kreise auf den letztgenannten Vorschlag waren gemischt: Während von einigen die Einschränkung der Publizität mit dem Argument begrüßt wurde, dass ohnehin vornehmlich die Wettbewerber die mitgeteilten Bilanzzahlen nutzen würden, möchten vor allem Finanzintermediäre für ihre Datensammlungen nicht auf eine breite Informationsbasis verzichten9.
4.2.2. Die Grundlagen im Europäischen Gesellschaftsrecht Der deutsche Gesetzgeber ist in der Ausgestaltung von Publizitätspflichten für Kapitalgesellschaften nicht frei. Deren Grundlagen liegen im Europäischen Gesellschaftsrecht. Daher soll die Sachproblematik anhand eines vom Europäischen Gerichtshofs entschiedenen Falles deutlich gemacht (nachstehend unter 4.2.2.1.) und anschließend der gemeinschaftsrechtliche Rahmen erörtert werden10.
4.2.2.1. Das Axel-Springer-Urteil des Europäischen Gerichtshofs Am 6.Februar 2002 beantragte die Axel Springer AG, einer der führenden deutschen Medienkonzerne, beim Amtsgericht Essen, ein Zwangsgeld gegen eine kleine Kapitalgesellschaft mit mehreren Gesellschaftern anzuordnen, nämlich den Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG, um die gesetzliche Verpflichtung des Zeitungsverlags zur Hinterlegung seines Jahresabschlusses beim örtlichen Handelsregister durchzusetzen. Dieser Antrag gründete sich auf § 335 Abs.2 HGB a. F.11, 7
8
9
10
11
Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) v. 8.11.2007, Begründung, Allgemeiner Teil, Abschn. II 2. Mitteilung der Kommission über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung v. 10.7.2007 KOM (2007) 394 endg., Abschn. 4 und Anhang 4, Abschn. 1 und 3. European Commission, Synthesis of the Reactions received to the Commission Communication on a Simplified Business Environment for Companies in the Areas of Company Law, Accounting and Auditing, COM (2007) 394, Dezember 2007, Abschn. 6.1. und 6.3. Siehe auch die ausführliche Darstellung und Analyse der europarechtlichen Grundlagen der Publizität in diesem Buch bei CORDEWENER, S. 105 ff. HGB vom 10 Mai 1897, Reichsgesetzblatt 1897, 219; letzte Abänderung: Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanrechtsreformgesetz BilReG), BGBl. 2004, 3166.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
567
welcher Dritten das Recht gibt, bei Gericht die Durchsetzung der Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften (und Kommanditgesellschaften, deren Komplementär ein Unternehmen ist) zu verlangen. § 335 HGB setzt Artikel 2 (1) (f) und 6 der europäischen Publizitäts-RL um12. Während Artikel 2 (1) (f) dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten aufgibt, „die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften (auf) die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr“ erstreckt, sind nach Artikel 6 (erster Gliederungspunkt) der Richtlinie sind Mitgliedstaaten weiterhin dazu verpflichtet, „geeignete Maßregeln für den Fall anzudrohen, dass die in Artikel 2 Abs. 1 (f) vorgeschriebene Offenlegung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unterbleibt.“ Das Amtsgericht gab dem Antrag statt. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin legte das Landgericht Essen den Fall dem Europäischen Gerichtshof mit einem Ersuchen um Vorabentscheidung vor13. Ein ähnlicher Fall wurde vom Landgericht Hagen dem EuGH vorgelegt, wo die Axel Springer AG gerichtlich wegen Nichteinhaltung der Publizitätsvorschriften gegen einen anderen kleinen Konkurrenten vorging, nämlich die Betriebsgesellschaft Radio Ennepe-Ruhr-Kreis mbH & Co. KG und ihren Geschäftsführer 14. Die Landgerichte unterbreiteten dem EuGH folgende Fragen: Ermächtigt die rechtliche Grundlage der 1. Richtlinie (Artikel 44 (2) EG) die Gemeinschaft, Dritten das Recht der Einsichtnahme einzuräumen, welche keinen Schutz benötigen, nach Ansicht des verweisenden Gerichts? Verletzt die Pflicht zur Offenlegung in den oben genannten Fällen die Freiheit, ein Gewerbe oder einen Beruf aus zu üben und die Pressefreiheit, so wie sie sich in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt haben? Ist es vereinbar mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichheit, wenn eine Kommanditgesellschaft dazu verpflichtet ist, vollständig seinen Jahresabschluss offen zu legen, je nach Status des Komplementärs (eine natürliche oder eine juristische Person)? Der EuGH sah keinen Grund, die Gültigkeit der Vorgaben zur Offenlegung gemäß der 1. Richtlinie anzuzweifeln15. Es bestätigte das Recht Dritter – einschließlich Konkurrenten – jedwedes den europäischen Bilanzregelungen unterliegende Unternehmen (GmbH, Aktiengesellschaften, Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaften als Komplementäre) zur Vorlage ihrer Jahresabschlüsse beim öffent12
13
14 15
Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. L 65, 8-12. LG Essen, NZG 2003, 579; siehe ebenfalls NAUJOK, GmbHR 2003, 263 ff; SCHMITTMANN, StuB 2003, 304 ff; HÖFNER, NJW 2004, 475 ff. LG Hagen, Urteil vom 11. Februar 2003, ABl. C/12. EuGH, Verb. Rs. C-435/02 und C-103/03, Axel Springer AG/Zeitungsverlag Niederrhein und Hans-Jürgen Wenske, Slg. 2004, I-8663; über die Auswirkung dieses Urteils auf deutsches Recht, siehe SCHMIDT, Die Information 2005, 1063 ff.; SCHMITTMANN, StuB 2004, 1063 ff.; KIESEL/GRIMM, DStR 2004, 2210 ff; BLAESE, Neue Wirtschaftsbriefe 2005, 49 ff.
568
Wolfgang Schön
lichen Handelsregister zu zwingen. Er sah nur sehr begrenzten Handlungsspielraum in dieser Richtlinie, sich der Vertraulichkeit von Geschäftsinformationen im konkurrenzbetonten Umfeld von Kapitalgesellschaften anzunehmen. Das europäische Gericht erster Instanz bestätigte diese Haltung im Danzer Urteil vom 21 Juni 200616. Dasselbe Ergebnis wurde vom OGH Wien in einem ähnlichen Fall erreicht, in dem Abnehmer eines Unternehmens daran interessiert waren, ihre Verhandlungsposition zu stärken, indem sie Informationen über die finanzielle Situation ihres Vertragspartners erhielten17.
4.2.2.2. Der rechtliche Rahmen europäischen Bilanzrechts 4.2.2.2.1. Primäres EU-Recht Gemäß Artikel 5 (1), ist den Institutionen der Europäischen Gemeinschaft nur dann gestattet, Maßnahmen zu ergreifen, wenn diese in den ihnen ausdrücklich und implizit übertragenen Befugnissen des EG-Vertrages enthalten sind. Dieser Grundsatz gilt auch im Europäischen Gesellschaftsrecht, wo Artikel 44 (2) EG (ehemals Artikel 54 (3) EWG) bestimmt, dass der Rat, die Kommission und das Parlament „soweit erforderlich, die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“.
Es ist allgemein bekannt, dass diese Regelung die Grundlage für diejenige europäische Gesetzgebung bildet, welche den Schutz von Gesellschaftern, Gläubigern oder Mitarbeitern beabsichtigt. Doch war in der Vergangenheit sehr umstritten, ob diese Norm weitergehend den europäischen Gesetzgeber dazu ermächtigt im Interesse anderer dritter Personen zu agieren, etwa für Kunden, Zulieferer oder Konkurrenten oder schlicht mit Rücksicht auf das Allgemeinwohl ohne Bezug zu konkreten Drittinteressen. Vor dem Hintergrund dieser Ermächtigungsgrundlage hatte die deutsche Gesetzgebung ursprünglich das Antragsrecht für Geldbuße gegen säumige publizitätspflichtige Unternehmen lediglich den Gesellschaftern dieses Unternehmens, seinen Gläubiger und dem die Arbeitnehmer vertretenden Betriebsrat eingeräumt. Die Europäische Kommission bezeichnete diese Gesetzeslage als eine unzureichende Umsetzung der 1.Richtlinie und erhob im Jahre 1995 Vertragsverletzungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Ein weiteres Verfahren wurde im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zum EuGH geführt: In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Daihatsu Deutschland GmbH, welche Kraftfahrzeuge von Südkorea nach Deutschland importierte, ihren Jahresabschluss nicht beim örtlichen Handelsregister eingereicht. Die Vereinigung deutscher Daihatsu Händler beantragte eine Geldbuße gegen die Daihatsu Deutschland GmbH, was von den Amts16 17
EuG, Rs. T-47/02, Danzer, Slg. 2006, II-1779 (Rn. 40 ff.). BGH, NZG 2000, 1045 (1046); über die Auswirkung des EuGH-Urteils im Fall Axel Springer auf österreichisches Rechts, siehe GRUBER, WBL 2005, 161 ff.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
569
und Landgerichten abgewiesen wurde. Das Oberlandesgericht in Düsseldorf konfrontierte den EuGH mit der Frage, ob Artikel 6 der Publizitäts-RL so ausgelegt werden muss, dass er die Legislative eines Mitgliedstaates daran hindert, den subjektiven Anwendungsbereich des Antragsrechts auf Gesellschafter oder Gläubiger eines Unternehmens oder seine Arbeitnehmervertretung zu begrenzen18. In diesen beiden Fällen – Kommission gegen Deutschland und Daihatsu – hat sich der EuGH für eine großzügige Auslegung des Artikel 44 (2) (g) EG entschieden19. Der Gerichtshof wies zunächst darauf hin, dass der Wortlaut des Artikel 44 (2) g EG auf „andere“ im Allgemeinen verweise, ohne Kategorien abzugrenzen oder auszuschließen, die in den Geltungsbereich dieses Begriffs fallen können. „Daher“, sagte der EuGH, „kann der Begriff der Dritten im Sinne des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages nicht auf die Gläubiger der Gesellschaft beschränkt werden20.“ Überdies meinte der Gerichtshof, dass der Geltungsbereich dieses Artikels im teleologischen Rahmen der Norm des Binnenmarktes nach Artikel 3 (h) EG und im systematischen Zusammenhang der Niederlassungsfreiheit (Artikel 43 EG) festgestellt werden müsse. Dieser erfordere mehr als den Schutz begrenzter Zielgruppen. In seinen Schlussanträgen in diesen Verfahren machte auch Generalanwalt Cosmas klar, dass künftige Gläubiger des Unternehmens, seine Geschäftspartner und alle Personen, die an dem Erwerb einer Beteiligung am Unternehmen interessiert seien, durch gesetzliche Maßnahmen gemäß Artikel 44 (2) (g) EG geschützt werden können21. Im Fall Axel Springer machte der EuGH deutlich, dass der Gerichtshof nicht gewillt ist, diese weite Auslegung des Vertrages zurückzunehmen22. 4.2.2.2.2. EU Sekundärrecht 4.2.2.2.2.1. Die Offenlegung als Korrelat der beschränkten Haftung Während eine weit gefasste Auslegung des Artikel 44 (2) (g) EG im Allgemeinen vertretbar erscheint, ist es schwieriger zu begründen, warum in concreto Artikel 2 und 6 der Publizitäts-RL dazu gedacht sind, das Allgemeinwohl zu schützen, indem sie jedem Dritten – einschließlich Konkurrenten – das Recht gewähren sollen, Ordnungsgelder gegen eine Kapitalgesellschaft zu beantragen, die ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat. Dafür muss geprüft werden, worin die sachliche Begründung dieser Offenlegungspflicht besteht, welche einerseits Kapitalgesellschaften jeder Art (einschließlich der GmbH & Co KG) erfasst und dafür Personengesellschaften und Einzelfirmen ausnimmt, jedoch andererseits die verpflichtende Offenlegung nicht auf börsennotierte Unternehmen beschränkt.23 18 19 20
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OLG Düsseldorf, DB 1996, 319 ff. Siehe auch die ausführliche Darstellung bei CORDEWENER, in diesem Buch S. 105 ff. EuGH, Rs. C-97/96, Daihatsu Deutschland, Slg. 1998, I-6843. Rs. C-191/95 Kommission/ Deutschland, Slg. 1998, S. I-5449, 5504 (Rn. 66). Schlussanträge GA COSMAS; Rs. C-191/95 Kommission/Deutschland, Slg. 1997, S. I-5449, 5463 (Rn. 32). EuGH, Verb. Rs. C-435/02 und C-103/03, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 28-31). HAZEN, Treatise on the Law of Securities Regulation, ii.
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Der dritte Erwägungsgrund in der Präambel der Publizitäts-RL erklärt den subjektiven Anwendungsbereich der Offenlegungspflicht mit dem Umstand, dass „diese Gesellschaften zum Schutze Dritter24 lediglich das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung stellen“25. Offensichtlich legt die Publizitäts-RL (insoweit in Übereinstimmung mit dem zweiten Erwägungsgrund der Bilanz-RL26) das Prinzip zugrunde, dass die finanzielle Transparenz einer Gesellschaft als gedankliches Korrelat zur beschränkten Haftung der Gesellschafter27 verstanden werden müsse. Eine solche Auslegung müsste indessen zu der Annahme führen, dass nur solche Personen, die in finanzielle Beziehungen mit dem Unternehmen treten (oder erwägen, dies zu tun), die Zielgruppe der Offenlegung bilden können28. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht belegen, dass die Allgemeinheit, einschließlich der Konkurrenten, ermächtigt sein soll, die vollständige Offenlegung der Rechnungslegungsdaten zu verlangen. In den Fällen Daihatsu Deutschland und Kommission/Deutschland wurde dieser besondere Begründungszusammenhang zwischen beschränkter Haftung und Offenlegung weder durch den Generalanwalt noch durch den Gerichtshof angesprochen29. Generalanwalt Cosmas verwies lediglich in sehr allgemeiner Weise auf die Notwendigkeit, „größtmögliche Transparenz“ des Unternehmens zu garantieren und dabei den Schutz verschiedenen Personen zu gewährleisten, welche möglicherweise in eine Geschäftsbeziehung mit dem besagten Unternehmen treten werden. Konkret hob er die Berechtigung der Daihatsu-Händler hervor, Wissen über die finanzielle Situation von Daihatsu Deutschland zu erlangen, da ihre eigene wirtschaftliche Existenz eng mit der Situation des Unternehmens verbunden war, welches die Autoimporte ihrer Marke kontrolliert. Allerdings differenzierte er dabei nicht zwischen den finanziellen Risiken, welche die Autohändler mit Rücksicht auf die beschränkte Haftung des Generalimporteurs tragen können, und ihrem allgemeinen Interesse, an einer starken wirtschaftlichen Position mit einem Vertragspartner. Der EuGH sprach dieses Thema schließlich in seinen zwei Urteilen aus dem Jahre 1997 und 1998 überhaupt nicht an. Erneut zur Sprache kam dieser Punkt allerdings im Fall „Axel Springer“, wo der Gerichtshof um eine schlüssige Erklärung der in der Richtlinie angelegten Differenzierung zwischen typischen Kommanditgesellschaften und solchen mit einer Kapitalgesellschaft als Komplementär gebeten wurde. Der EuGH zögerte nicht, darauf
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2. Erwägungsgrund. 3. Erwägungsgrund. Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. L 222, 11-31. VAN OMMESLAGHE, 5 Cahiers du Droit Européen, 1969, 495 (557); für eine ausführliche Beschreibung des Gesetzgebunsprozesses siehe STEIN, Harmonization of European Company Laws, 195. Schlussanträge GA KOKOTT, Verb. Rs. C-387/02, C-391/02 und C-403/02 Berlusconi, Slg. 2004, I-3565 (Rn.74). Für eine kritische Einschätzung siehe SCHÖN, JZ 1998, 194 ff; siehe ebenfalls SCHULZEOSTERLOH, ZIP 1997, 2157 ff.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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hinzuweisen, dass es einen Unterschied macht, ob ein Unternehmen nur seine eigenen Vermögenswerte (sowie die Vermögenswerte einer Kapitalgesellschaft als Komplementär) als Haftungsmasse für andere Parteien anbietet, oder ob die volle Haftung natürlicher Personen gegeben ist30. Doch zog der Gerichtshof keine Schlüsse aus diesem Ergebnis für die teleologische Auslegung der Offenlegungspflicht, obgleich es offensichtlich ist, dass das Verhältnis eines Unternehmens zu einem Konkurrenten für gewöhnlich unabhängig von der (haftungsbeschränkenden) Rechtsform des Unternehmens ist. 4.2.2.2.2.2. Uneingeschränkter Zugang zum Handelsregister Das tragfähigste Argument für eine weite Auslegung der Offenlegungsregelungen gemäß der 1. und 4. Richtlinie liegt in der Tatsache, dass Artikel 3 der PublizitätsRL die Mitgliedstaaten anhält, ein zentrales Register einzurichten, in dem Jahresabschlüsse und andere Dokumente, die mit der rechtlichen und finanziellen Situation eines Unternehmens zusammen hängen, eingereicht werden müssen 31. Im Fall Daihatsu Deutschland hielt der EuGH daher fest, dass „die Bestimmungen des Artikels 3 der Richtlinie, die die Führung eines öffentlichen Registers, in das alle offen zu legenden Urkunden und Angaben einzutragen sind, sowie für jedermann die Möglichkeit vorsehen, Abschriften der Jahresabschlüsse zugesandt zu bekommen, das Bestreben, diese Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen, bestätigen32.“
Im Axel Springer-Fall wiederholte der EuGH dieses Argument und betonte erneut, dass Personen, die einen Antrag auf Offenlegung einreichen, nicht verpflichtet sind, „ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse zu belegen“33. Es ist ziemlich offensichtlich, dass die institutionelle Ausgestaltung des öffentlichen Registers nicht dazu konzipiert ist, die verwaltende Behörde dazu zu ermächtigen, in jedem individuellen Fall über die Gesetzesmäßigkeit eines Antrags zu entscheiden. Es ist durchaus überzeugend, dass – wenn ein Unternehmen seine Verpflichtung erfüllt hat, den Jahresabschluss beim Handelsregister einzureichen – es nicht einfach ist, den Zugang zu diesem öffentlichen Register bestimmten Personengruppen zu verwehren. Dies führt zu schwierigen Folgefragen: Kann es einen Unterschied für die Situation eines Unternehmens machen, ob ein Konkurrent direkt die Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen verlangt, oder ob der Konkurrent Informationen verwendet, die auf Antrag eines Gläubigers oder eines Aktionärs zum Register eingereicht wurden? Was würde passieren, wenn der Konkurrent einen solchen Gläubiger oder Aktionär dazu veranlassen würde, einen Antrag im eigenen Namen einzureichen? Befindet sich die Information nämlich erst einmal im öffentlichen Bereich, erlangt es die Eigenschaften eines „öffentlichen Gutes“.
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EuGH, Verb. Rs. C-435/02 und C-103/03, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 66–69). Siehe das jüngst gefällte EuGH, Verb. Rs. C-387/02, C-391/02 und C-403/02 Berlusconi, Slg. 2005, I-3565 (Rn. 56 ff.). EuGH, Rs. C-97/96, Daihatsu Deutschland, Slg. 1998, I-6843 (Rn. 22). EuGH, Verb. Rs. C-435/02 und C-103/03, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 31, 33).
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Trotz dieser problematischen Abgrenzungsfragen sollte die alleinige Tatsache, dass die tatsächliche Verfügbarkeit von Jahresabschlüssen für jedermann – sind sie erst mal eingereicht worden – einsehbar sind, nicht zu der normativen Annahme führen, dass die Regeln der Publizitäts-RL bzw. der Bilanz-RL jedwede dritte Person rechtlichem Schutz unterstellen. Es handelt sich um einen bloßen faktischen Reflex, der die Auslegung und Anwendung der Vorschriften dem Grunde nach nicht beeinflussen sollte. 4.2.2.2.2.3. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in Europa? Artikel 44 (2) (g) EG zielt nicht nur auf einen ausreichenden Schutz von Gesellschaftern und andere Zielgruppen im Unternehmensrecht ab, sondern ist zugleich darauf angelegt, eine gewisse Äquivalenz gesetzlicher Regeln für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen in Europa zu gewährleisten. Daher betont der EuGH in seinen Entscheidungen, dass die Erfordernisse der Bilanz-RL im Zusammenhang mit der allgemeinen Strategie des EG-Vertrages begriffen werden müssen, einen Binnenmarkt zu begründen. Der „Umfang der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben soll“ – so der EuGH in Daihatsu Deutschland34- „gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften herstellen“35. Dieser Ansatz – welche in Axel Springer bestätigt wurde36 – wirkt überzeugend, wenn man sich allein der Wettbewerbssituation der rechtsfähigen Gesellschaften als solchen zuwenden würde. Dabei berücksichtigt der Gerichtshof jedoch nicht, dass der Wettbewerb in Produktmärkten nicht beschränkt ist auf körperschaftlich verfasste Unternehmen; speziell in Europa (und insbesondere in Deutschland) finden wir viele Marktteilnehmer, die in der Rechtsform von Personengesellschaften oder Einzelfirmen auftreten. Dies gilt insbesondere im Fall von mittelständischen Unternehmen und großen Familiengesellschaften. Das bedeutet: Wenn man die europäischen Vorschriften zur Offenlegung an der Zielsetzung gleicher Wettbewerbsbedingungen für in Produktmärkten konkurrierende Unternehmen ausrichten würde, könnte es nicht überzeugen, die öffentliche Verfügbarkeit von finanziellen Informationen auf rechtsfähige Gesellschaften zu begrenzen. Wenn man sich jedoch auf die Gleichheit im Wettbewerb an den geregelten Kapitalmärkten konzentriert und versucht, gleiche Wettbewerbsbedingungen in diese Richtung herzustellen, würde es genügen, gemeinsame Regelungen für die Offenlegungspflicht für börsennotierte Unternehmen festzulegen. Es ist deutlich, dass an dieser Stelle die Verfasser der Richtlinien einfach nicht präzise genug gewesen sind. Zwar haben sie im Hinblick auf die bloße Rechtsform überzeugend auf die wechselseitige Austauschbarkeit von Aktiengesellschaften und GmbH hingewiesen 37. Doch haben sie zugleich die indi-
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EuGH, Rs. C-97/96, Daihatsu Deutschland, Slg. 1998, I-6843 (Rn. 22). Diese Auswirkung wurde bereits hervorgehoben, als die Richtlinie konzipiert wurde, siehe AULT, 20 Hastings Law Journal, 1968, 77 (91, 96). EuGH, Verb. Rs. C-435/02 und C-103/03, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663 (Rn. 32). STEIN (Fn. 27), 197; FIKENTSCHER/GROßFELD, 2 Common Market Law Review, 1964, 265 ff.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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viduelle Börsennotierung eines Unternehmens als Erfordernis für die obligatorische Information der breiten Öffentlichkeit nicht herausgearbeitet. Aber selbst wenn man die Voraussetzung akzeptiert, dass es Argumente für die Harmonisierung von Offenlegungsregelungen für Unternehmen in Europa gibt, muss immer noch diskutiert werden, ob – gemäß dem „Subsidiaritätsprinzip“ und der im Artikel 44 (2) EG festgesetzten Regelung, dass alle Maßnahmen im europäischen Unternehmensrecht „notwendig“ sein müssen, um die Zielsetzungen des Binnenmarktes zu fördern – es eigentlich erforderlich ist, Unternehmen mit weitreichenden Verpflichtungen zu belasten, ihre finanzielle Informationen offenzulegen. Dabei wird zunächst häufig nicht gesehen, dass es der Geschäftsleitung von Unternehmen ohnehin freisteht, freiwillig ihre Daten in einer effizienten Art und Weise transparent zu machen und dabei auch glaubwürdige Selbstbindungen einzugehen. Demgegenüber muss von allen gesetzlichen Regelungen zur Offenlegungspflicht vermutet werden, dass sie – soweit sie das Maß freiwilliger Offenlegung überschreiten – zu hohen Befolgungskosten führen, die sich von den Kosten der Informationsverarbeitung bis zu den von Unternehmen erlittenen Wettbewerbsnachteilen erstrecken. Zwar ist offensichtlich, dass der ursprüngliche Rahmen des EGVertrages eine Tendenz zur immer weiter reichenden Angleichung von Gesetzesregeln verkörpert, doch sollte unter der Herrschaft des Subsidiaritätsprinzips die Beweislast für eine weit reichende Auslegung der gesetzlichen Grundlagen für Harmonisierung und des Sekundärrechtes, die dieser Quelle entspringt, auf der Seite der Befürworter der Harmonisierung liegen. 4.2.2.2.3. Der Einfluss des europäischen Kapitalmarktrechts Es ist aus den Überlegungen zur 1. und 4. Richtlinie ersichtlich geworden, dass die Teilnehmer der regulierten Kapitalmärkte nicht die einzige Zielgruppe der Offenlegungspflicht im Rahmen des europäischen Bilanzrechts bilden. Doch hat das europäische Kapitalmarktrecht von jeher auf diese Bilanzierungsregeln verwiesen, und zwar auf die durch Artikel 44 (2) (g) EG in Kraft gesetzten Richtlinien zum Gesellschaftsrechts. Seit der Ratsrichtlinie 79/279/EWG vom 5. März 1979, die die Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren für die amtliche Börsennotierung festlegte38, hat das europäische Kapitalmarktrecht börsennotierte Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse den Kapitalmärkten zu präsentieren. Gegenwärtig legt Artikel 66 (1) der Richtlinie 2001/34/EG vom 28 Mai über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen 39 fest, dass „die Gesellschaften dem Publikum unverzüglich ihren letzten Jahresabschluss und ihren
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Richtlinie 79/279/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, ABl. L 66, 21-32. Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. L 184, 1-66.
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letzten Lagebericht zur Verfügung stellen.“ Diese Verpflichtung findet eine Ergänzung unter Artikel 68 (1) besagter Richtlinie, welche vorsieht: „Die Gesellschaft muss das Publikum unverzüglich über neue erhebliche Tatsachen in Kenntnis setzen, die in ihrem Tätigkeitsbereich eingetreten sind und die der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind, aber wegen ihrer Auswirkung auf ihre Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf zu einer beträchtlichen Änderung der Kurse ihrer Aktien führen können.“ In unserem Zusammenhang lohnt es festzuhalten, dass Artikel 68 (2) eine explizite Erlaubnis für die zuständigen Behörden enthält, „die Gesellschaft von dieser Pflicht zu entbinden, wenn die Verbreitung bestimmter Informationen geeignet ist, den berechtigten Interessen der Gesellschaft zu schaden.“40 Seit dem 1.Januar 2005 müssen börsennotierte Unternehmen ihre Konzernabschlüsse gemäß Artikel 3 der IAS Verordnung aufstellen41. Diese Richtlinie zielt darauf ab, „einen Beitrag zur effizienten und kostengünstigen Funktionsweise des Kapitalmarktes zu leisten“. Darüber hinaus verfügen Mitgliedstaaten über einen Ermessensspielraum, diese Verpflichtung auf den Einzelabschluss von börsennotierten Unternehmen und auf den Einzel- und Konzernabschluss von nicht-notierten Gesellschaften gemäß Artikel 5 der IAS-Regelung zu übertragen. Im Rahmen der IAS and IFRS finden wir keinen Verweis auf die Vertraulichkeit der Informationen und jedwede Erlaubnis, Informationen zurück zu halten, deren Veröffentlichung vielleicht zu einem Wettbewerbsvorteil des Unternehmens (oder Konzerns) führen könnte42. Folglich hat die Einführung von IAS/IFRS zu zusätzlichem Druck auf Unternehmen geführt, der Öffentlichkeit Details von finanziellen und anderen Informationen preis zu geben, welche die Lage des Unternehmen in seinem Wettbewerbsumfeld verschlechtern könnten.
4.2.2.3. Die Rolle des Konkurrenten im Europäischen Bilanzrecht 4.2.2.3.1. Schutz der Konkurrenten im Bilanzrecht? Während die Auswirkungen der Offenlegungspflicht hinsichtlich des Gläubigerschutzes und der Kapitalmarktregeln ziemlich offensichtlich sind und ausführlich in der Fachliteratur erörtert wurden, stand die Frage, ob die Veröffentlichung des Jahresabschlusses darauf angelegt ist, die Interessen eines Konkurrenten zu fördern, nicht im Zentrum der Diskussion. Aus der Sicht des deutschen Handelsrechts hat das Reichsgericht im Jahre 1897 sogar entschieden, dass eine Person, welche die Handelsbilanz eines Geschäftsmannes einem Dritten mitteilt, eine Straftat nach dem UWG begehe – das Jahresergebnis müsse als Betriebsgeheimnis des Kaufmanns betrachtet werden43. 40 41
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Siehe dazu ausführlich KERSTING, in diesem Buch S. 411 ff. VO 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze, ABl L 243. Dazu eingehend EßBAUER, in diesem Buch S. 287 ff. RGSt 29, 426 (430); für eine detaillierte Analyse siehe VON GAMM , Betriebsgeheimnisse und bilanzrechtliche Publizität.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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Bei der Betrachtung der 1. und 4. Richtlinie und ihrer Formulierungen finden wir demgegenüber keinen einzigen Hinweis darauf, dass die Offenlegungspflicht dazu konzipiert war, von unmittelbaren Konkurrenten der offen legenden Gesellschaft benutzt zu werden. Nichtsdestotrotz ist in der jüngeren Literatur angedeutet worden, dass Konkurrenten ebenfalls eine Zielgruppe bilden, welche die Vorteile öffentlicher Informationen genießen sollten, die von einer Gesellschaft gemäß den im europäischen Unternehmensrecht44 festgelegten Offenlegungsregelungen zur Verfügung gestellt wurden. Das Hauptargument hinter diesem Vorschlag liegt in der Annahme, dass die Verbreitung von Informationen generell hilfreich sei für die Verbesserung der Funktionsweise von Märkten im Allgemeinen. Auch Konkurrenten seien schutzwürdige Marktteilnehmer und sollten daher untereinander nicht von der Offenlegungspflicht befreit werden. Bei der Bewertung dieser Argumentation ist zu unterscheiden. Einerseits verdient es dieser sehr allgemeine Ansatz einer „Publizität als Korrelat zur Marktteilnahme“, bei der rechtspolitischen Bewertung45 der Publizitätspflichten de lege ferenda genauer in Augenschein genommen zu werden. Demgegenüber kann ausgeschlossen werden, dass der europäische Gesetzgeber konkret diesen Gedanken in seiner Gesetzgebung verfolgt hat. Obgleich es im Laufe der europäischen Gesetzgebung durchaus eine Diskussion über das Interesse der breiteren Öffentlichkeit an dem Geschäftsverlauf und der finanziellen Lage großer Unternehmen gegeben hat46, enthalten weder die europäischen Richtlinien noch andere amtlichen Dokumente irgendwelche expliziten Hinweise auf Informationen zugunsten von Wettbewerbern im Rahmen des europäischen Unternehmensrechtes. Diese Zielsetzung wäre auch eine bedeutende Erweiterung der europäischen Gesetzgebung gewesen, die über die Grenzen des Gesellschaftsrechts und die es begleitenden Schutzmaßnahmen hinausginge. Es wäre dies ein Projekt des allgemeinen Handelsrechts gewesen (unabhängig von der Rechtsform) und hätte entweder im Zusammenhang mit der allgemeinen Binnenmarktgesetzgebung (gemäß Artikel 94 und Artikel 95 EG) oder vor dem Hintergrund der europäischen Wettbewerbspolitik (gemäß Artikel 81 ff. EG) entwickelt werden müssen. Dem entspricht es, wenn der Einbezug von Konkurrenten in eine Gruppe von kapitalmarktrechtlich geschützten Parteien auch in der US-amerikanischen Diskussion als zweifelhaft erachtet wird47. Vor allem aber besteht kein sachlich überzeugender Bezug zwischen einer möglichen Zielsetzung, die Marktbedingungen der Konkurrenten durch ein Mehr an Information zu verbessern, und der Begrenzung der Offenlegungspflicht auf Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft.
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MERKT, Unternehmenspublizität, 321, 413. Siehe infra, Absatz F. STEIN (Fn. 27), 210. ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 (419).
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4.2.2.3.2. Die Bewältigung von Wettbewerbsnachteilen im Rahmen der Bilanzvorschriften Im Gegensatz zu den Fragen des Schutzes von Konkurrenten war das Thema des Schutzes vor Konkurrenten durchgehend auf der Tagesordnung der europäischen Gesetzgebung, soweit es sich um Offenlegungsregelungen48 für Unternehmen, insbesondere für mittelständische Unternehmen, handelte. Als die Publizitäts-RL im Jahre 1968 in Kraft trat, war die vollständige Verpflichtung, Unternehmensabschlüsse offen zu legen, auf Aktiengesellschaften beschränkt, während für GmbH dieses Erfordernis bis zur Harmonisierung des materiellen Bilanzrechtes aufgeschoben war (Art. 2 (1) (f) (dritter Satz) Publizitäts-RL). Dieser Schritt folgte im Jahre 1978, als die 4. Richtlinie über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen in Kraft gesetzt wurde. Einige Mitgliedsstaaten regten dabei an, dass kleine Unternehmen von dieser Richtlinie gänzlich ausgenommen bleiben sollten, doch dieser Vorschlag wurde zurückgewiesen49. Obgleich die Richtlinie nunmehr die Offenlegungspflicht auch auf die Familiengesellschaften und andere Kapitalgesellschaften in privater Hand ausweitete, erkannten die Verfasser an, dass „jedoch auch in dieser Hinsicht Ausnahmen zugunsten mittelständischer Gesellschaften gemacht werden können“50. Im Jahre 1988 wurde das Thema erneut zur Sprache gebracht, und die Kommission schlug vor, kleine Kapitalgesellschaften mit wenigen Gesellschaftern von der Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse frei zu stellen, doch dies fand ebenfalls nicht die Mehrheit im Ministerrat51. Gegenwärtig definiert die 4. Richtlinie für wichtige Erleichterungen verschiedene Grenzziehungen für kleine und mittelständische Unternehmen (Artikel 11 und Artikel 27), je nach Bilanzsumme, Nettoumsatz und der durchschnittlichen Anzahl an Angestellten während des Geschäftsjahres. Hinsichtlich kleiner Unternehmen ist es Mitgliedstaaten gestattet, sie von der Bilanzprüfungspflicht frei zu stellen, ihnen zu erlauben, eine gekürzte Bilanz aufzustellen, eine gekürzte Gewinn- und Verlustrechnung und einen gekürzten Anhang sowie den Lagebericht insgesamt weg zu lassen. Die Veröffentlichungspflicht kann somit auf die Bilanz als solche beschränkt werden. In Hinsicht auf mittelgroße Unternehmen besitzen Mitgliedstaaten die Freiheit, ihnen die Veröffentlichung einer gekürzten Bilanz zu erlauben, eine gekürzte Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen und zu veröffentlichen und einen gekürzten Anhang zum Jahresabschluss zu veröffentlichen. Die jeweiligen Schwellen wurden seit 1978 mehrfach angehoben, zuletzt im Jahre 200352 (die Umsetzung erfolgt gegenwärtig im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes).
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VAN HULLE/VAN DER TAS, in: ORDELHEIDE/KPMG, Transnational Accounting, 772 (779); siehe ebenfalls STEIN (Fn. 27), 209; in diesem Buch siehe den Beitrag von EßBAUER, S. 287 ff. VAN HULLE/VAN DER TAS, ebenda, 794. 6. Erwägungsgrund. VAN HULLE/VAN DER TAS (Fn. 48), 794. Vgl. den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtmodernisierungsgesetz) verfügbar unter: http://www.bmj.bund.de/files/-/2567/RefE%20BilMo G.pdf.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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Unabhängig von der Größe eines Unternehmens betrifft die wichtigste gesetzliche Einschränkung zum Schutz offenlegungspflichtiger Gesellschaften vor Wettbewerbsnachteilen im Rahmen der europäischen Bilanzvorschriften den Fall der Segmentberichterstattung. Im Allgemeinen müssen gemäß Art. 43 (1) (8) BilanzRL „die Aufgliederung der Nettoumsatzerlöse im Sinne des Art. 28 nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geographisch bestimmten Märkten“ im Anhang angegeben werden, „soweit sich, unter Berücksichtigung der Organisation von für die normale Geschäftstätigkeit der Gesellschaft typischen Erzeugnissen, die Tätigkeitsbereiche und geographisch bestimmten Märkte untereinander erheblich unterscheiden“. Da die Segmentberichterstattung es Konkurrenten ermöglicht, die Rentabilität bestimmter Produktionszweige oder Regionen aufzuspüren, ist diese Information immer als äußerst sensibel erachtet worden. Gemäß Art. 45 (1) und (2) der Bilanz-RL müssen die durch Art. 43 (1) (8) vorgeschriebenen Angaben „nicht gemacht zu werden, soweit sie geeignet sind, einem in Artikel 43 Absatz 1 Nummer 2 bezeichneten Unternehmen einem erheblichen Nachteil zuzufügen.“ Für mittelständische Unternehmen gemäß Art. 27 der Richtlinie kann der Wegfall von allen in Art. 43 (1) (8) der Richtlinie vorgeschriebenen Offenlegungen von den Mitgliedstaaten erlaubt werden. Dennoch: Für Unternehmen aus einem einzigen Segment (zum Beispiel die recht kleinen Medienunternehmen im Axel Springer-Fall) sind all diese Erleichterungen nicht ausreichend, da große Konkurrenten in der Lage sind, wesentliche Schlussfolgerungen sogar aus einer gekürzten Bilanz zu ziehen. Ihnen würde zum Schutz gegen übermächtige Konkurrenten nur eine vollständige Befreiung von der Offenlegungspflicht helfen.
4.2.3. Die Offenlegung von Unternehmensinformationen als Gegenstand der ökonomischen Forschung 4.2.3.1. Vollkommene Märkte und ihre Grenzen Jede Bewertung der rechtspolitischen Leitlinien der oben beschriebenen gegenwärtigen Gesetzgebung und Rechtsprechung in Europa muss sich der ökonomischen Grundlagen der Offenlegungspflichten und der Geheimhaltungsregelungen annehmen. Um sich einen Überblick über die betroffenen Themen zu verschaffen, müssen daher die Implikationen der Produktion von Unternehmensinformationen, ihrer Verbreitung und dem Gebrauch, den Dritte davon machen53, ermittelt werden. Für dieses Ziel empfiehlt es sich, mit einigen allgemeinen Bemerkungen zu beginnen. Ausgangspunkt ist gemäß der neoklassischen ökonomischen Theorie der „vollkommene Markt“, auf dem allen Wirtschaftssubjekten sämtliche Informationen sofort und kostenlos zur Verfügung stehen. Sie sind in der Lage, zukünftige Entwicklungen vorherzusehen, und können vollständige Vertragsbeziehungen eingehen, welche mit absoluter Präzision überwacht und kontrolliert werden können. Unter dieser Arbeitshypothese spiegeln Marktpreise alle bestehenden Informationen über 53
VAN HULLE/VAN DER TAS (Fn. 48), 794.
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Produkte und ihrer Eigenschaften sowie über Angebot und Nachfrage wider. In so einem „vollkommenen Markt“ ist kein Marktteilnehmer in der Lage, den Marktpreis durch sein individuelles Verhalten zu beeinflussen. Wirtschaftssubjekte können weder ein Informationsproblem erzeugen noch müssen sie Wettbewerbsprobleme meistern – es gibt keine Monopole, Oligopole oder Kartelle, die den Markt beherrschen. Das Thema dieses Buches – die Koordinierung von Offenlegungspflichten und Wettbewerb – würde einfach nicht existieren. Natürlich gibt es eine solch perfekte Welt nicht54. Für die hier gegebene Thematik müssen drei verschiedene, aber miteinander korrespondierende Beschränkungen berücksichtigt werden: – Zunächst ist festzuhalten, dass Informationen in ungleicher Weise den Marktteilnehmern in Produkt- oder Kapitalmärkten zugewiesen sind55. Der Verkäufer kennt seine Waren besser als der Käufer. Das Management eines Unternehmens kennt seine Geschäftsmöglichkeiten besser als ein potentieller Investor. Dies führt zu Informationsasymmetrien, welche das Funktionieren des Marktes verzerren. Der schlecht informierte Käufer wird häufig nicht bereit sein, einen der Qualität der Ware angemessenen Preis an den Verkäufer zu zahlen, während der weniger informierte Investor nicht bereit sein wird, ein den realen Aussicht der Investition entsprechendes Kapital dem Emittenten zuzuführen. Diese Grundhaltung des weniger informierten Marktteilnehmers wird die Verkäufer von Produkten hoher Qualität oder gut geführte Unternehmen benachteiligen. Letzten Endes wird die „adverse Selektion“ zur Unterproduktion von hochwertigen Gütern und zu einer Fehlallokation von Ressourcen führen („Lemon Problem“). – Weiterhin gilt, dass die Menge der zur Verfügung stehenden Informationen nicht statisch, sondern dynamisch verfasst ist. Die gewünschte Innovation bringt neue Produkte, Technologien oder strategische Geschäftsmethoden hervor. Angebot und Nachfrage unterliegen stetem Wandel. Dieser dynamische Wechsel dient der Gesamtwohlfahrt. Dennoch ist es eine typische Eigenschaft von Innovationen, dass der Zugang zu den Informationen, welche während des Innovationsprozesses produziert werden, zunächst auf wenige Marktteilnehmer beschränkt ist. Die Innovation wird von ihnen zunächst genutzt und nur schrittweise in der Öffentlichkeit verbreitet. Die Idee einer perfekten Informationseffizienz gehört daher nicht zum Konzept einer innovativen Wirtschaft. – Schließlich ist zu beachten, dass unterschiedliche Marktteilnehmer über unterschiedliche Marktmacht verfügen. Es gibt immer einige Akteure oder Gruppe
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Für einen Überblick über die Begrenzungen der Markteffizienz, siehe AVGOULEAS, The Mechanics and Regulation of Market Abuse, 44; wegweisende Aufsätze zu den Themenkomplexen der Ökonomie und des Rechts beziehen folgende mit ein: GROSSMAN/STIGLITZ, 70 American Economic Review, 1980, 393 ff.; GILSON/KRAAKMAN, 70 Virginia Law Review, 1984, 549 ff. VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 93, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; zu den Mechanismen des Informationshandels, der die Verfügbarkeit von Informationen für Marktteilnehmer zur Folge hat, siehe GILSON/KRAAKMAN, 70 Virginia Law Review, 1984, 549 (565 ff.).
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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von Wirtschaftssubjekten, die in der Lage sind, das Angebot, die Nachfrage und den daraus resultierenden Preis zu beeinflussen. Die individuelle Struktur eines Marktes hängt von dem Bestehen und dem Ausmaß von Marktzutrittsschranken ab. Wir unterscheiden zwischen mehr oder weniger kompetitiven Märkten. Die meisten Rechtsnormen – im Unternehmens-, Wertpapier- und Bilanzrecht, aber ebenfalls im Wettbewerbs- und Urheberrecht – sind dazu konzipiert, die Probleme des Marktversagens zu lösen, die aus den oben genannten Grenzen der Markteffizienz resultieren. Für eine nähere Analyse ist es jedoch erforderlich, die Zielgruppen des Abbaus von Informationsasymmetrien näher zu identifizieren.
4.2.3.2. Zielgruppen der Unternehmensinformation in Kapital- und Produktmärkten Die Offenlegung von Unternehmensinformation – sei es auf freiwilliger oder sei es auf verpflichtender Grundlage – kann in vielerlei Hinsicht auf das Verhalten von Marktteilnehmern Einfluss ausüben. In diesem Zusammenhang muss man zwei (mindestens) Märkte berücksichtigen, die in verschiedener Weise zusammenwirken: Zunächst muss man den Kapitalmarkt in den Blick nehmen. In diesem Markt führen Investoren den Unternehmen Finanzkapital zu und erwarten (als Gegenleistung) eine Beteiligung an den Gewinnen des Unternehmens oder eine Zahlung von Festzinsen. Diese erwarteten Kapitalerträge sind entscheidend für die Höhe des dem Unternehmen zugeführten Kapital. Um die Kapitalerträge zu bewerten, benötigt der Investor weit reichenden Zugang zu Informationen, welche die wirtschaftliche Lage des Unternehmens betreffen, zum Beispiel Informationen zu aussichtsreicher Forschung und Entwicklung oder zu innovativen Geschäftsstrategien. Jedwede Erhöhung der zur Verfügung stehenden Informationen verbessert die Präzision der Bewertung von Aktien und dadurch das Angebot-Nachfrage Verhältnis in Kapitalmärkten56. Die Auswahl, die Investoren tätigen, wenn sie sich zwischen verschiedenen Emittenten entscheiden, ist dabei zugleich eine Auswahl zwischen verschiedenen Sachinvestitionen. Auf diesem Wege unterstützen Kapitalmärkte die optimale Zuweisung von Ressourcen, die nicht nur für den individuellen Investor und den Emittenten, sondern auch für die Wirtschaft als Ganzes von Bedeutung ist57. Eng verknüpft mit der Kapitalmarktfunktion von Information ist seine Bedeutung innerhalb des Rahmens von Principal-Agent-Verhältnissen 58. Dies betrifft 56
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VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 59, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; KITCH, 61 Brookland Review, 1995, 764 ff; FOX/MORCK/YEUNG/DURNEY, 102 Michigan Law Review, 2003, 337 ff; GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (135); FRANCIS/NANDA/OLSSON, 46 Journal of Accounting Research, 2008, 53 ff. COFFEE, 70 Virginia Law Review, 1984, 717 (724, 758); FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1358); FOX/MORCK/YEUNG/DURNEY, 102 Michigan Law Review, 2003, 337 (338); GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (136). GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (133); CHENG U.A., 41 The International Journal of Accounting 2006, 262.
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den Markt für Unternehmensführung und Kontrolle. Wenn Aktionäre der Geschäftsleitung die Verwaltung ihrer Gelder anvertrauen, können sich Informationsasymmetrien entwickeln, welche das Management veranlassen können, ihre Sorgfaltspflichten und ihre Loyalität zu vernachlässigen. Wenn und soweit die Geschäftsleiter dazu angehalten sind, Informationen über die Verwendung der Gesellschaftsmittel offen zu legen und über die von ihnen getroffenen unternehmerischen Entscheidungen im Laufe ihrer Unternehmensführung Rechnung zu legen, sind Investoren in der Lage, das Verhalten der Agenten zu überwachen. In der Praxis bestehen weitgehende Überschneidungen zwischen den beiden konzeptionellen Grundlagen zu den Informationen des Managements gegenüber den Investoren: der Kapitalmarktfunktion im Allgemeinen (Emittent versus Investor) und dem Principal-Agent Problem im Speziellen (Management versus Gesellschafter)59. So können zum Beispiel die Aktionäre mit Hilfe derselben Unternehmensinformationen zu nachteiligen unternehmerischen Maßnahmen einerseits über Maßnahmen zu entscheiden, die sich aus ihrer Stellung als Aktionäre gegen das Management richten (Aktionärsklagen etc.) und andererseits die weiteren Perspektiven ihres Investments in den Blick nehmen, zum Beispiel ein Übernahmeangebot annehmen, das aus dem schlechten Management und dem darauf folgenden Verfall des Aktienkurses des Unternehmens resultiert. Neben dem Kapitalmarkt muss man sich dem Produktmarkt zuwenden, also dem Markt, auf welchem das Unternehmen Güter oder Dienstleistungen der Öffentlichkeit anbietet. In diesem Markt können Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nützlich für Anbieter, Kunden und Konkurrenten des Unternehmens sein. Anbieter und Kunden sind mit Hilfe finanzieller Informationen besser in der Lage, ihre Verhandlungsstrategie gegenüber dem Unternehmen zu definieren. Konkurrenten werden in die Lage versetzt, lohnende Märkte zu ermitteln, die Qualität strategischer oder technologischer Entwicklungen zu bewerten, oder Preis- und Quantitätsziele für ihre eigene Produktion zu setzen. Ein spezielles Thema betrifft öffentlich regulierte Wirtschaftszweige, wo Marktzugang und Marktpreise von Behörden geregelt werden. Hier führt eine erweiterte Offenlegung zu erhöhter Überwachung durch Regierungsbehörden und zu einer verbesserten Feinabstimmung ihrer regulatorischen Aktivität60. Letzten Endes mag auch die breite Öffentlichkeit Vorteile aus dem Zugang zu Unternehmensinformation ziehen61. Politische Akteure greifen auf Geschäftsdaten zurück, wenn sie die Auswirkung (künftiger) Gesetzgebung auf Unternehmen bewerten möchten 62. Die Gesellschaft als solche – nicht zuletzt die Medien – verwendet Informationen, um unternehmerisches Sozialverhalten gutzuheißen oder zu rügen. Traditionell verlassen sich auch die Steuerbehörden auf die handelsrechtliche
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Zur Notwendigkeit einer rechtlichen Differenzierung zwischen dem Status als Investor und dem Status als Aktionär siehe KERSTING, in diesem Buch S. 411 ff. WATTS/ZIMMERMANN, 13 The Accounting Review, 1978, 112 (115). STEVENSON JR., Corporations and Information: Secrecy, Access and Disclosure, 135. WATTS/ZIMMERMANN, 13 The Accounting Review, 1978, 112 (115).
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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Rechnungslegung, um das steuerpflichtige Einkommen des Unternehmens zu verifizieren63. In unserem Kontext soll nur die Auswirkung der Offenlegung von Unternehmensdaten auf Kapitalmärkte und Produktmärkte berücksichtigt werden. Diese betrifft im Kern die Informationsstrategie von Körperschaften gegenüber Investoren, wenn das Unternehmen zugleich im Produktmarkt mit intensivem Wettbewerb konfrontiert wird. Nicht Gegenstand dieser Ausführungen sind die Vorteile und Nachteile der Offenlegungspflicht für große Unternehmen – etwa nach dem deutschen Publizitätsgesetz, die in erster Linie mit Rücksicht auf deren Auswirkungen auf die Interessen der Allgemeinheit an einer Transparenz wichtiger Wirtschaftssubjekte festgelegt worden sind64.
4.2.3.3. Die ökonomische Konzeption freiwilliger Offenlegung 4.2.3.3.1. Das Konzept des „Unravelling“ Ein wesentlicher Unterschied zwischen den wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten und den rechtswissenschaftlichen Arbeiten zur Offenlegung von Unternehmensinformationen ist darin begründet, dass die ökonomische Theorie erhebliche Arbeiten zu dem Thema der freiwilligen Offenlegung vorgelegt hat, während die juristische Literatur sich auf die Voraussetzungen und den Inhalt von gesetzlichen Offenlegungspflichten konzentriert. Gemäß der Prämisse, dass Gesetzesregeln nur dort eingreifen müssen, wo Marktkräfte es versäumen, effiziente Ergebnisse zu liefern, muss daher die nähere Betrachtung mit der Frage begonnen werden, wie die Marktkräfte die Verbreitung von Information auch ohne obligatorische Offenlegung beeinflussen. Gemäß den Mechanismen der „Spieltheorie“ tendieren Marktteilnehmer dazu, sich strategisch zu verhalten, indem sie nicht nur die unmittelbaren Ergebnisse ihrer eigenen Handlungen berücksichtigen, sondern ebenfalls die erwarteten Reaktionen der anderen Parteien 65. Ein Informationsempfänger wird vor diesem Hintergrund strategisch entscheiden, welche Schlüsse aus den von anderen Marktteilnehmern bereitgestellten Informationen zu ziehen sind. Gemäß der vorherrschenden Theorie ist der Empfänger auch in der Lage, Schlüsse aus der Verweigerung von Informationen zu ziehen, die seinem Gegenspieler bekannt sind. Im Rahmen des Kapitalmarkts bedeutet dies, dass der nach Kapitalgebern suchende Emittent seine Informationspolitik gegenüber dem Kapitalmarkt so arrangieren wird, dass seine geschäftlichen Angelegenheiten in einem positiven Licht erscheinen. Der Empfänger wird allerdings nicht nur skeptisch diese Information begutachten und eine Verifizierung einfordern, sondern er wird ebenfalls untersuchen, welche Information 63 64 65
SCHÖN, 58 Tax Law Review, 2005, 111. Siehe SCHÖN/OSTERLOH-KONRAD, in: BAYER/HABERSACK, Aktienrecht im Wandel, 893 (933). Es sollte angemerkt werden, dass auf den Stellenwert der „Spieltheorie“ für die Analyse der freiwilligen Offenlegung bereits durch einen deutschen Ökonomen im Jahre 1962 hingewiesen wurde: Siehe ADOLF MOXTER, in seinem Buch, Der Einfluss von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 29.
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ihm nicht zugänglich gemacht wird. Fehlende Informationsbereitschaft wird den Empfänger zu der Schlussfolgerung führen, dass auf Seiten des Emittenten versteckte ungünstige Informationen gegeben sind. Diese mutmaßliche Schlussfolgerung wird den Emittenten dazu veranlassen, auch ungünstige Informationen so lange offen zu legen, wie die Schlussfolgerungen aus dieser Information – relativ gesehen – günstiger erscheinen als die Schlussfolgerungen aus dem Schweigen der anderen Partei. Natürlich wird der Empfänger ebenso rational dieses Verhalten antizipieren und seine Einschätzungen so lange herunterstufen, bis der Emittent einen Anreiz hat, jedwede verfügbare Information (bis auf die Allerungünstigste)66 offen zu legen. Es ist dabei ebenfalls möglich, dass sich ein Gleichgewicht entwickeln wird, in dem der Emittent Gründe hat, der anderen Seite „dramatisch“ schlechte Nachrichten vorzuenthalten, während er solche ungünstigen Informationen freiwillig offen legen wird, welche nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohnehin von der anderen Seite erwartet werden67. In einem besonders günstigen Szenario wird daher jedwede gesetzliche Offenlegungspflicht überflüssig – die Gesetzmäßigkeit des „Unravelling“ schafft für Emittenten einen marktorientierten Anreiz haben, (nahezu) alle relevanten Fakten öffentlich zu machen, die ihre wirtschaftliche Lage betreffen68. 4.2.3.3.2. Die Kosten der Produktion, Verbreitung und Verarbeitung von Informationen Der geschilderte Ansatz unterliegt jedoch wesentlichen Beschränkungen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Konzept des erfolgreichen „Unravelling“ nur dann aufgeht, wenn die Offenlegung der Information an den Kapitalmarkt keine Kosten für den Emittenten beinhaltet, welche die Vorteile überwiegen, die das Unternehmen aus der Verbesserung ihrer Lage im Kapitalmarkt ziehen könnte. Ist erst ein Mal die Möglichkeit gegeben, dass die Produktion und Verteilung von Informationen für den Emittenten Kosten mit sich bringt, können die Kapitalanbieter nicht mehr eine eindeutige Schlussfolgerung aus der Verweigerung der Information seitens des Emittenten ziehen. Die Signalwirkungen dieses Verhaltens werden unsicher und das mechanische „Unravelling“ wird abgebremst69. Es gibt verschiedene Arten solcher Kosten im Rahmen der Unternehmensinformation70. Im engeren Sinne beinhalten diese Aufwendungen das Sammeln von Informationen, ihre Verifikation (z. B. das Testat eines Wirtschaftsprüfers) und
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EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (683). CLINCH/VERRECCHIA, 22 Australian Journal of Management, 125 (130). GERTNER, in: NEWMAN, The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law I, 605 ff; für eine empirische Studie der Beziehung zwischen großen Informationsasymmetrien und großer freiwilliger Offenlegung, siehe DEBRECENY/RAHMAN, 40 The International Journal of Accounting, 2005, 249 ff. VERECCHIA, „Essays on Disclosure“, 87, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479 (480). VERRECCHIA, in: LEUZ U.A., The Economics and Politics of Accounting , 149 (157); GILSON/ KRAAKMAN, 70 Virginia Law Review, 1984, 549 (593 ff.).
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
583
ihre Veröffentlichung (also den Einsatz von (Massen) Medien)71. Das Bestehen solcher Kosten führt zu einer Ungewissheit seitens des Empfängers72, der bei ausbleibenden Informationen nicht im Bilde ist, ob das Unternehmen schlichtweg über die relevanten Informationen nicht verfügt oder ob die Lage absichtlich verschleiert wird. Eine Frage der Investoren nach technischen Verbesserungen des Produktionsvorgangs kann aus verschiedenen Gründen unbeantwortet bleiben, z. B. weil ungünstige Informationen vorliegen oder weil das Management des Unternehmens nicht Zeit und Geld investiert hat, um das erforderliche Wissen zu erwerben. Die Kosten der Verifikation – also durch Wirtschaftsprüfer und andere Experten – sind ebenfalls ganz erheblich73 und mögen ein Unternehmen davon abhalten, Daten zum Verkehrswert von Beteiligungen, Immobilien oder Immaterialgütern zu veröffentlichen. Andererseits laufen die Empfänger ohne die Überprüfung durch Dritte Gefahr, sich einzig und allein auf rechtlich folgenlosen „cheap talk“ zu verlassen74. Unter den auf Seiten des Emittenten verursachten Kosten muss man weiterhin solche Abweichungen von der optimalen Informationspolitik einkalkulieren, die im opportunistischen Verhalten von Geschäftsleitern begründet sind, welche versuchen, gute Nachrichten zu übertreiben oder schlechte Nachrichten dem Kapitalmarkt vorzuenthalten, um ihre Position zu retten (zumindest für einige Zeit)75. Ein anderes Beispiel für opportunistische Informationspolitik des Managements ist ganz umgekehrt die strategische Verbreitung von schlechten Nachrichten und das Vorenthalten guter Nachrichten im Vorfeld eines Management Buyout, bei dem der Erwerbspreis gedrückt werden soll76. Die Problematik von Insidergeschäften an der Börse ist ein anderes, hervorstechendes Beispiel für die Ausnutzung von Informationsasymmetrien77. Dieses Bestehen von Principal-Agent-Konflikten innerhalb der Organisation des Emittenten ist zugleich ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht einfach die Frage stellen kann, ob einer Kapitalgesellschaft als Emittent von Wertpapieren Informationen zur Verfügung stehen. Vielmehr ist die Gesamtheit der im Unternehmen verfügbaren Information innerhalb des Unternehmens auf das Management, die Belegschaft und die Aktionäre ungleichmäßig verteilt. Die aufgespaltene Verfügbarkeit solcher Informationen für unterschiedliche Individuen innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit stellt selbst eine hohe Hürde für eine effiziente Zuweisung
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73 74 75
76 77
GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (139). VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 62, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; DERS. (Fn. 70), 159. ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479 (480). VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 63, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699. GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (133); VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 65, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699FOX; 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1355); FOX, 2 Theoretical Inquiries in Law, 2001, 563 (567); AVGOULEAS (Fn. 54), 184. COFFEE, 70 Virginia Law Review, 1984, 717 (738). AVGOULEAS (Fn. 54), 184.
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von Informationen dar78. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Management förmliche Informationen an die Investoren mit dem Argument verweigern mag, auf diese Information gegründete Aktionärsklagen verhindern zu wollen, um also das Risiko eines Rechtsstreites für das Unternehmen zu vermindern79. Natürlich wird auch der Empfänger mit Informationskosten konfrontiert. Er wird nicht umhin kommen, die verfügbaren Informationen zu verarbeiten und seine eigenen Schlüsse zu ziehen80. Verfügt der Investor nicht über die erforderliche Zeit oder die notwendigen Fachkenntnisse, so wird er die Dienste von Finanzintermediären (Anlageberater, Rating-Agenturen) zu hohen Kosten in Anspruch nehmen müssen. Schließlich muss der Empfänger (oder seine Intermediäre) herausfinden, welche Themen überhaupt relevant sein könnten und welche Fragen an den Emittenten werden müssen. Ansonsten ist der Empfänger ohnehin nicht in der Lage, strategisch das Schweigen des Emittenten zu beurteilen. Wenn man die Vielzahl von möglichen Situationen und Ereignissen berücksichtigt, welche die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens beeinflussen, dürfte alleine diese Problematik es ausschließen, dass alleine mit Hilfe eines freiwilligen „Unravelling“ die Investoren sämtliche relevanten Informationen erhalten können. 4.2.3.3.3. Wettbewerbsinduzierte Kosten der Offenlegung Neben den spezifischen Produktions-, Verbreitungs- und Verarbeitungskosten für Unternehmensinformationen begründet der zwischenbetriebliche Wettbewerb das zweite Gros der Kosten im Rahmen der Offenlegung. Sobald ein Unternehmen sich der Tatsache bewusst ist, dass die Offenlegung betrieblicher Vorhaben die Wettbewerbssituation des Unternehmens nachteilig beeinflussen könnte, wird es sogar die Offenlegung von günstiger Information gegenüber Investoren vermeiden, wenn die prognostizierten Nachteile im (konkurrenzbetonten) Produktmarkt die Vorteile im Rahmen der Kapitalbeschaffung überwiegen81. In der Literatur wird angenommen, dass diese wettbewerbsinduzierten Kosten den bedeutsamsten Kostenfaktor darstellen, der die Unternehmen von der freiwilligen Offenlegung ihrer ökonomischen Daten abhalten kann82. Dies betrifft in erster Linie Informationen hinsichtlich For78 79
80 81
82
DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, 159. EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (707); KITCH, 61 Brookland Review, 1995, 764 (770, 838); skeptisch VERRECCHIA (Fn. 70), 159; siehe ebenfalls HUGHES/ SANKAR, 21 Journal of Accounting, Auditing and Finance, 2006, 55; eine empirische Studie zur Beziehung zwischen konservativer Rechnungslegung und Prozessrisiko wird vorgezeigt von HUIJGEN/LUBBERINK, 32 Journal of Business, Finance and Accounting, 2005, 1275; andererseits vermag die frühzeitige Offenlegung schlechter Nachrichten vielleicht das Prozessrisiko senken (FIELD U.A., 39 Journal of Accounting and Economics 2005, 487). Über die Gefahr von zuviel Information, siehe DRUEY (Fn. 78), 68. ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479 (480); EASTERBROOK/ FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (685, 687); VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 61, 66, 96, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; KITCH, 61 Brookland Review, 1995, 764 (772, 846); FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1345, 1353, 1361). GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (149); CLINCH/VERRECCHIA, 22 Australian Journal of Management, 125 (126); EDWARDS/SMITH, 28 British Accounting Review, 1996, 155 ff.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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schung und Entwicklung oder Geschäftsstrategien, aber auch Informationen über allgemeine Kennzahlen des Unternehmens, z. B. Umsatzgrößen83. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur haben sich in den letzten Jahren differenzierte Modelle entwickelt, die das Wechselspiel zwischen der Offenlegung im Kapitalmarkt und dem zwischenbetrieblichen Wettbewerb beschreiben84. Ein prägnantes Modell wurde von Wagenhofer im Jahre 1990 präsentiert. Er legt strategisches Verhalten zwischen zwei konkurrierenden Unternehmen zugrunde und gelangt zu einem Gleichgewicht mit begrenzter freiwilliger Offenlegung von betrieblichen Informationen. In seinem Modell wird eine ungünstige Information überhaupt nicht an den Kapitalmarkt weiter gegeben, während er für günstige Informationen wie folgt abgrenzt: Solange der Nutzen der Information gegenüber Investoren am Kapitalmarkt nicht die Kosten überschreitet, die durch eine Verwendung derselben Information durch Konkurrenten am Markt entstehen, wird sie offen gelegt, um die Situation des Emittenten im Kapitalmarkt zu verbessern. Dies hängt auch davon ab, mit welchen Kosten der Einstieg in den Wettbewerb für den Konkurrenten verbunden ist. Sollte die Information sich als so wertvoll für den Konkurrenten erweisen, dass dieser die Einstiegskosten in Kauf nehmen würde, wird der Emittent von einer Offenlegung absehen, wenn die wettbewerbsinduzierten Kosten für den Emittenten den Mehrwert der Information im Kapitalmarkt übersteigen. Falls die Information allerdings am Kapitalmarkt von so großem Nutzen ist, dass die im Verhältnis zu den Investoren durch ihre Offenlegung erzielten Vorteile die Kosten übersteigen, die den prognostizierten Aktivitäten eines (neuen) Konkurrenten zurechenbar sind, wird sie ebenfalls offen gelegt85. Neben diesen Modellen wurden eine Reihe von einschlägigen empirischen Studien in den letzten Jahren veröffentlicht86. Für den deutschen Finanzmarkt präsentierte Christian Leuz im Jahre 2004 eine Studie, welche aufzeigen sollte, dass Segmentberichte immer dann freiwillig erstattet werden, wenn die relevanten Wettbewerbskosten relativ niedrig sind, z. B. weil die Eingangsbarrieren für poten83 84
85
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STEVENSON (Fn. 61), 9. VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 95, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; CLINCH/VERRECCHIA, 22 Australian Journal of Management, 125 (126); BIRT/BILSON/SMITH/ WHALEY, Ownership, Competition and Financial Disclosure, Working Paper (2005), verfügbar unter www.anu.edu.au/research/papers/pdf, 7; SADKA, Financial Reporting and Product Markets: Learning from Competitors, Working Paper, 1; DARROUGH/STOUGHTON, 12 Journal of Accounting and Economics, 1990, 219; FELTHAN/XIE, 9 Contemporary Accounting Research 1992, 46; FRANTZ/INSTELFJORD, 33 Journal of Business Finance and Accounting, 2006, 793; darüber hinaus ist demonstriert worden, dass freiwillige Information durch Firmen sich als Vorteil für eine Firma erweisen kann, wenn es der Firma gelingt, Dritten bei der Suche nach weiteren Informationen zuvor zu kommen. (ARYA/MITTENDORF, 40 Journal of Accounting and Economics, 2005, 231). WAGENHOFER, 12 Journal of Accounting and Economics, 1990, 341 ff.; WAGENHOFER, Informationspolitik im Jahresabschluss, 85, 90; EWERT/WAGENHOFER, ZfB 1992, 297 ff.; WAGENHOFER/EWERT, Externe Unternehmensrechnung, 303. Eine ältere Studie über Großbritannien und amerikanische multinationale Unternehmen ist von GRAY/RADEBAUGH/ROBERTS durchgeführt worden (597 Journal of International Business Studies, 1990, 597 ff.); Für eine Studie, die die Offenlegung in regulierten Industriezweigen abdeckt, siehe BHOIJRAJ/BLACONNIERE/D’SOUZA, 79 The Accounting Review, 2004, 921 ff.
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tielle Wettbewerber relativ hoch sind. Ist die Segmentinformation sehr konsolidiert und die Rentabilität eines Unternehmens ist relativ niedrig im Vergleich zum Rest der Industrie87. Im selben Jahr veröffentlichten Guo u.a. eine empirische Studie über die zeitliche Koordinierung der Offenlegung zur Forschung und Entwicklung von kapitalsuchenden biotechnologischen Unternehmen in Kalifornien88. Sie fanden heraus, dass die Bereitschaft zur Publikation der Forschungsergebnisse im Bereich der Biotechnologie ziemlich hoch waren, sobald die Forschungsergebnisse bereits Schutz unter dem Patentrecht erhielten oder der Emittent jedenfalls so wesentliche Fortschritte gemacht hatte, dass die Ergebnisse nicht einfach von Konkurrenten kopiert werden können. In diesen Fällen dürften die Vorteile aus der Offenlegung am Kapitalmarkt hoch und wettbewerbsinduzierte Kosten niedrig sein. Demgegenüber kommt es kaum zur Offenlegung von Forschungsergebnissen in ihrem Anfangsstadium (wenn das Kosten-Nutzen Verhältnis gleichsam gegenläufig sein würde). Im Jahre 2005 veröffentlichten Botosan und Stanford die Ergebnisse einer Studie, die zeigte, dass die Unternehmensleitung in diesen Fällen von den bilanzpolitischen Spielräumen der Segmentberichterstattung sogar dann Gebrauch machen, um sensible Informationen zurückzuhalten, wenn dies auf den ersten Blick zu suboptimalen Ergebnissen im Kapitalmarkt führt89. Dasselbe trifft auf den Ausweis geographisch abgegrenzter Teilergebnisse zu, wie es Tsakumis u.a. beschrieben haben90. Ebenfalls in 2005 haben Garcia-Meca u. a. einen Artikel präsentiert, welcher darauf hinweist, dass mehr Informationen der breiten Öffentlichkeit in Bezug auf Geschäftsstrategien und Kundenbeziehungen zur Verfügung gestellt werden, während Neuigkeiten über Forschung und Entwicklung oder andere innovative Maßnahmen eher verschleiert werden91. Schließlich ist auch in diesem Buch eine auf deutsche börsennotierte Unternehmen fokussierte Studie enthalten, in der die Vertreter von Aktiengesellschaften sowohl nach den Wettbewerbsgefahren aus der Offenlegung ihrer eigenen Daten als auch nach der von ihnen durchgeführten Nutzung fremder Unternehmensdaten gefragt wurden92. Es stellte sich heraus, dass große Unternehmen mit der Transparenz ihrer Daten stärker die Sorge um Nachteile in den Medien oder der politischen Diskussion fürchteten, während kleine – wenig diversifizierte Unternehmen stärker die Gefahren wettbewerblicher Beeinträchtigungen spüren. Dabei stehen bestimmte Positionen des Jahresabschlusses und des Lageberichts im Vordergrund, z. B. Herstellungs- und Vertriebskosten oder der Risikobericht bzw. die Beurteilung der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens. Bemerkenswert ist auch, dass eine 87 88 89
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LEUZ, in: LEUZ U.A., The Economics and Politics of Accounting, Oxford 2004, 164 (192). GUO U.A., 42 Journal of Accounting Research, 2004, 319 ff. BOTOSAN/STANFORD, 80 The Accounting Review, 2005, 751 ff.; siehe ebenfalls BERGER/ HANN, Segment Disclosures, Proprietary Costs, and the Market for Corporate Control, Working Paper 2002, verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=357780; HOPE/THOMAS/WINTERBOTHAM, 21 Journal of Accounting, Auditing and Finance, 2006, 323 ff. TSAKUMIS U.A., 15 Journal of International Accounting, Auditing and Taxation, 2006, 32 ff. GARCIA-MECA U.A., 14 European Accounting Review, 2005, 63 ff. LINK, in diesem Buch S. 529 ff.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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große Zahl an Unternehmen bestätigte, fremde Unternehmensdaten für wettbewerbliches Verhalten zu nutzen; man kann sogar den Eindruck gewinnen, dass der eigene Nutzen fremder Daten höher eingeschätzt wird als der Schaden durch die Fremdnutzung eigener Daten93. Demzufolge können wir für die rechtspolitische Bewertung auf die theoretisch und empirisch gestützte Feststellung aufbauen, dass Kosten aus zwischenbetrieblichem Wettbewerb mitunter die wichtigsten Beschränkungen für eine ungehinderte freiwillige Offenlegung von Unternehmensdaten gehören94. 4.2.3.3.4. Positive und negative Wettbewerbswirkungen der Offenlegung von Unternehmensdaten Bei näherer Betrachtung kann das Zusammenspiel von Offenlegung und Wettbewerb allerdings nicht auf das Grundmodell des „Unravelling“ und dessen Verzerrungen durch wettbewerbsinduzierte Kosten begrenzt werden. Schaut man näher hin, so können aus freiwilliger oder verpflichtender Offenlegung von Unternehmensdaten sowohl positive als auch negative Auswirkungen für den (Produkt)Markt folgen 95. Zuvörderst muss berücksichtigt werden, dass die Offenlegung einer Information als solche niemandem außer der offenlegenden Person einen Nachteil bereiten kann. Andere Wirtschaftssubjekte, z. B. Konkurrenten, die von ihnen nachteiligen Fakten Kenntnis erlangen, werden nicht durch die Offenlegung als solche beeinträchtigt, sondern allenfalls durch die dahinter stehenden Tatsachen, die mit der Zeit ohnehin allgemein bekannt und ihre Geschäftstätigkeit beeinflussen würden96. Vielmehr ist die Offenlegung aller Arten von Nachrichten im Grundsatz nützlich für die Konkurrenten des mitteilenden Unternehmens, da sie es ihnen möglich macht, zu einem frühen Zeitpunkt auf Informationen zu reagieren – z. B. auf sich abzeichnende Marktentwicklungen oder innovative Geschäftsmethoden oder technologische Fortschritte des publizierenden Unternehmens97. Sogar für allgemein ungünstige Informationen – z.B. über einen Abschwung in einem bestimmten Produktmarkt oder das Scheitern eines Forschungsvorhabens – gilt, dass die Offenlegung als solche positive Effekte zu zeitigen vermag – der Konkurrent kann dazu veranlasst werden, keine überflüssigen Kosten durch Einstieg in einen Markt oder ähnliche Forschungsprojekte zu investieren98. Nicht nur Konkurrenten, sondern auch Kunden – Geschäftskunden oder Verbraucher- werden schließlich in die Lage versetzt, von frühzeitiger Information über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zu profitieren99. Schließlich kann 93 94 95
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LINK, in diesem Buch S. 529 ff. GERTNER (Fn. 68), 605 (608); STEVENSON (Fn. 61), 7; VERRECCHIA (Fn. 70), 157. Eine frühe Darstellung von möglichen Wechselwirkungen ist von MOXTER gemacht worden, (Fn. 65), 4; siehe ebenfalls KUHNER, Verfügungsrechte an Unternehmensinformationen, 86. FOX, 2 Theoretical Inquiries in Law, 2001, 563 (570). In dieser Hinsicht ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes wichtig. ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 (431). YOSHA, Financing Innovation: Is Transparency a Two-Edged Sword?, CESifo Working Paper 2003, 7. GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (148).
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die zeitnahe Information anderer Markteilnehmer sogar „Lerneffekte“100 erzeugen und ineffiziente Mittelverwendungen verhindern und deshalb der allgemeinen Wohlfahrt dienen101. Der strategische Nutzen von offen gelegter Information für Konkurrenten (oder Anbieter oder Kunden) im Produktmarkt wirft allerdings die Frage auf, ob eine solche Publizität sogar das Funktionieren eines Marktes behindern könnte. Die Auswirkungen einer solchen Offenlegung können zweischneidige Effekte zeitigen. Falls ein Unternehmen an die Öffentlichkeit bringt, dass es hohe Gewinne in einem bestimmten Marktsegment erzielt, kann dies andere Unternehmen motivieren, in einen Markt einzudringen und dadurch das Angebot zu erhöhen. Dies kann wiederum zur Ermäßigung des Marktpreises für Verbraucher führen, zu verbesserter Produktqualität oder einer größere Bandbreite an verfügbaren Gütern und deshalb zu erhöhtem Allgemeinwohl für die Verbraucher102. Andererseits könnten (potentielle) Konkurrenten von der mitgeteilten Marktmacht des offen legenden Unternehmens so beeindruckt sein, dass sie von einer Penetration des Marktes völlig absehen103. Wenn man dieses Beispiel weiterspinnt, kann die öffentliche Bekanntmachung eines Unternehmens, dass es seine Produktionskapazitäten als Reaktion auf sinkende Nachfrage herunterfahren wird, andere Unternehmen dazu verleiten, dem Beispiel zu folgen104. Falls alle Konkurrenten beschließen, ihre Produktionskapazitäten gleichzeitig offen zu legen, könnte dies sogar als „abgestimmte Verhaltensweise“ in der Terminologie des Wettbewerbsrechts angesehen werden105. Schließlich – wie der Axel Springer-Fall zeigt – kann die Verfügbarkeit öffentlicher Informationen von kleinen Marktteilnehmern durch Marktführer dazu verwendet werden, Wissen über die wirtschaftliche Stärke ihres Konkurrenten zu erlangen, so dass sie in der Lage sein werden, ihre strategische Position im Markt zu verbessern (und vielleicht sogar eine marktbeherrschende Position zu missbrauchen)106. Wenn wir dieses Ergebnis aus einer normativen Perspektive betrachten, müssen wir letztlich auch die Tatsache akzeptieren, dass die obligatorische Offenlegung wirtschaftlicher Daten an die breite Öffentlichkeit im Rahmen des Kapitalmarktrechts zugleich als wettbewerbsrechtlich anstößige Mitteilung an die Konkurrenz
100
SADKA (Fn. 84), 2, 12; siehe ebenfalls MOXTER (Fn. 65), 19. SADKA (Fn. 84), 6. 102 KITCH, 61 Brookland Review, 1995, 764 (853, 855). 103 VERRECCHIA (Fn. 70), 158; ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 (546); SADKA (Fn. 84), 23. 104 VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 67, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; CLINCH/VERRECCHIA, 22 Australian Journal of Management, 125 (126); laut SHIN, The Effect of Product Market Competition on Corporate Voluntary Disclosure Decisions, Working Paper 2002, verfügbar über SSRN: http://ssrn.com/abstract=338361, Unternehmen, die impliziert sind im Kapazitätswettbewerb, neigen dazu, mehr Information offen zu legen als Unternehmen, die impliziert sind im Preiswettbewerb. 105 GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (148). 106 MOXTER (Fn. 65), 40; für eine aktuelle Analyse von ausschließenden Praktiken, siehe European Advisory Group on Competition Policy, An Economic Approach to Article 82 (Juli 2005), verfügbar unter www. europa.eu.int. 101
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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angesehen werden könnte107. Ob die positiven Auswirkungen dieser Marktverzerrung (Konkurrenten werden davon abgehalten, Kosten in ineffizienten Projekten zu „versenken“) die negativen Auswirkungen auf Verbrauchervielfalt und Marktpreis überwiegen, kann nicht allgemein beantwortet werden108.
4.2.4. Grundfragen der rechtlichen Anordnung von Offenlegungspflichten 4.2.4.1. Die relevanten Fragen und die relevanten Rechtsgebiete Aus den oben genannten ökonomischen Überlegungen kann der Schluss gezogen werden, dass es eine Reihe von Gründen gibt, eine gesetzliche Offenlegungspflicht für Unternehmensdaten einzuführen. Andererseits muss ein Gesetzgeber auch die mit der Produktion, Verbreitung und Verarbeitung von Unternehmensinformation verbundenen Kosten als Gegenargument berücksichtigen. Darüber hinaus ist es erforderlich, die positiven und negativen Auswirkungen, die eine solche Offenlegung auf den Wettbewerb in den Produktmärkten haben mag, zu bedenken. Um einen passenden gesetzlichen Rahmen für die Offenlegungspflicht zu definieren, wird man daher Antworten auf die folgenden drei Fragen finden müssen: – Welche Gründe sprechen entscheidend für die Offenlegungspflicht und welche Unternehmen sollten diesen Regelungen unterworfen werden? – Gibt es Argumente für die Befreiung von der Offenlegungspflicht, um Wettbewerbsnachteile des offen legenden Unternehmens zu vermeiden oder um aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen unter Konkurrenten zu verhindern? – Lassen sich Einschränkungen des Gebrauchs beschreiben, den Konkurrenten von Informationen machen können, die aus Gründen der Kapitalmarktinformation offen gelegt wurden? Bereits in den Anmerkungen zu der ökonomischen Diskussion ist deutlich geworden, dass die in diesem Rahmen zu beachtenden Rechtsgebiete vielfältig sind. In Betracht kommen das Unternehmens-, das Kapitalmarkt-, und das Bilanzrecht, aber ebenfalls das Recht Geistigen Eigentums und das Wettbewerbsrecht. Nur eine ganzheitliche Betrachtungsweise der implizierten Interessen kann dabei die oben beschriebenen Problemstellungen lösen.
4.2.4.2. Argumente für und gegen gesetzliche Offenlegungspflichten 4.2.4.2.1. Die europäische und die amerikanische Debatte Betrachtet man die rechtswissenschaftliche Diskussion über die Vorzüge gesetzlicher Offenlegungspflichten, so stellt sich heraus, dass der Atlantische Ozean
107
YOSHA (Fn. 98), 15; MOXTER (Fn. 65), 55, für eine wettbewerbsrechtliche Analyse, siehe infra Section F. 108 Zu möglichen positiven Effekten von Offenlegungen im Oligopol siehe jüngst HUGHES/ MICHAEL, 83 The Accounting Review, 2008, 111 ff.
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wahrhaft eine Kluft zwischen zwei unterschiedlichen Rechtssystemen darstellt109. Wie oben geschildert, hat das europäische Gemeinschaftsrecht den obligatorischen Charakter der Unternehmensoffenlegung maßgeblich erweitert, und die juristische Fachliteratur unterstützt mit großer Mehrheit diese Sichtweise. Die Offenlegungspflicht wird als eine natürliche Voraussetzung für Marktteilnehmer110 gesehen, und ist noch nicht einmal auf Aktiengesellschaften oder kapitalmarktorientierte Unternehmen beschränkt. Einzig der Fall kleiner und mittelständischer Unternehmen wird immer noch diskutiert, aber ohne bisher ohne spürbare Auswirkung auf das Fortschreiten der Transparenzpflichten – aus deutscher Sicht zuletzt im EHUG. In den USA bietet sich ein ganz anderes Bild. Dort besteht im Grundsatz keinerlei Verpflichtung für einfache Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften, ihren Jahresabschluss offen zu legen; sogar für die nach US-Bundesrecht zur Publizität verpflichteten börsennotierten Gesellschaften wird die rechtspolitische Notwendigkeit der mandatory disclosure deutlich in Frage gestellt. Die Diskussion unter amerikanischen Wissenschaftlern, welche in den sechziger Jahren begann111 und ihren Höhepunkt in mehreren Artikeln von Roberta Romano112 und Merritt Fox113 um die Jahrtausendwende fand, hat bis heute keinen Konsens gefunden. Vielmehr richtet sich gegenwärtig das Augenmerk auf empirische Studien, welche darauf abzielen, zuverlässige Daten für sachbezogene Schlussfolgerungen zur Verfügung zu stellen114. 4.2.4.2.2. Argumente für Marktversagen: Kollektivgüter, Netzwerkexternalitäten und Geschäftsherr-Vertreter Konflikte In der amerikanischen und in der europäischen Diskussion liegt die einzige erkennbare Gemeinsamkeit in der Annahme, dass die Einführung einer gesetzlichen Offenlegungspflicht den Nachweis eines Marktversagens hinsichtlich der Produktion, Verbreitung und Verarbeitung von Unternehmensinformationen erfordert. Allein das Bestehen von Informationskosten, die Unternehmen davon abhalten können, ihre wirtschaftlichen Daten der Allgemeinheit mitzuteilen, stellt indessen kein überzeugendes Argument für die Offenlegungspflicht dar115. Im Gegenteil: Die Tat109
Für einen Überblick über die Diskussion auf beiden Seiten des Atlantiks, siehe M ERKT, 1 European Company and Financial Law Review, 2004, 1 (5). 110 MERKT, 1 European Company and Financial Law Review, 2004, 1 (26). 111 STIGLER, 37 Journal of Business, 1964, 117 ff.; BENSTON, 63 American Economic Review, 1973, 144 ff. 112 ROMANO, 107 Yale Law Journal, 1998, 2359 (2365); siehe ebenfalls ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 ff. 113 FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 ff.; FOX, 2 Theoretical Inquiries in Law, 2001, 563 ff. 114 FOX/MORCK/YEUNG/DURNEY, 102 Michigan Law Review, 2003, 337 (366), FERRELL, 1 Berkeley Business Law Journal 2004, 369 ff.; gemäß GILSON und KRAAKMAN, 70 Virginia Law Review, 1984, 549 (635, 641), “mag es vielleicht keine präzise Methode geben, den Bruttogewinn von Offenlegung heute zu ermitteln, als durch das Weglassen einiger oder aller Elemente des Offenlegungssystems und die langfristigen Auswirkungen auf die Informationaquistionskosten von Marktakteuren.“ 115 FISHMAN/HAGERTY, in: NEWMAN, The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law II, 605 (606).
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sache, dass Unternehmen Kosten in Kauf nehmen müssen, um ihren Offenlegungspflichten genügen zu können, stützt die Sichtweise, dass solche Regelungen nur eingeführt werden sollten, wenn die Vorteile der Offenlegung die Kosten übersteigen, welche von den betroffenen Unternehmen getragen werden müssen116. Dabei ist auch zu bedenken, dass es vorrangig allen an Informationen interessierten Parteien frei steht, den Emittenten auf vertraglicher Grundlage um Informationen zu bitten und dabei für die Kosten zu entschädigen, die dem Emittenten durch die Zusammenstellung und Offenlegung von relevanter Information entstehen können117. Findet sich keine Einigung mit den Emittenten, eine solche Offenlegung vertraglich bereitzustellen, gibt es allerdings noch keinen Grund, von Marktversagen zu sprechen; dies kann schlicht auch darauf beruhen, dass der Nutzen der Information für den Emittenten höher ist als für den potentiellen Erwerber. Wenn man die Logik dieser Debatte weiterdenkt, kann ein relevantes Marktversagen nur dann eintreten, wenn die Produktion und die Verbreitung von Unternehmensinformationen Vorteile hervorrufen würden, welche dem Inhaber der Information durch potentielle Vertragspartner nicht entgolten würden. Für Kapitalgesellschaften mit wenigen Gesellschaftern ist es daher offensichtlich, dass man keine obligatorische Offenlegung benötigt, sondern es den Gesellschaftern und Gläubigern überlassen kann, auf individueller Basis den Zugang zu Informationen zu verhandeln. Dennoch mag Marktversagen eintreten im Fall von kapitalmarktorientierten Unternehmen, bei denen die Unternehmensinformationen einige Eigenschaften von „Kollektivgütern“118 an den Tag legen, d.h. dass Wohlfahrtsgewinne aus der Nutzung von Informationen durch eine unbegrenzte Anzahl von Wirtschaftssubjekten als spezifisch öffentliches Gut entstehen können. So ist bei börsennotierten Gesellschaften zu berücksichtigen, dass die durch einen einzigen Emittenten offen gelegte Information nicht für die Finanzierung dieser Körperschaft allein relevant ist. Vielmehr geht jede emittentenspezifische Information als Teil einer Vielzahl von Informationen in das Gesamtbild ein, dass von Investoren und Intermediären am Kapitalmarkt verarbeitet wird. In diesem Zusammenhang trägt jedwede spezifische Information zur Genauigkeit der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt bei, da nur in der Gesamtschau unterschiedliche Investments verglichen oder Schlüsse aus den Wirtschaftsdaten eines einzelnen Unternehmens für einen ganzen Wirtschaftssektor oder eine Region abgeleitet werden können. Die Präzision der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt korreliert mit dem Volumen an Informationen119, die auf dem Kapitalmarkt verarbeitet werden und die Liquidität – ebenfalls ein Erfordernis eines gut funktionierenden Marktes – wird erhöht120. Der zusätzliche Vorteil, welcher die optimale Allokation von Ressourcen erhöht121 und – letz116
EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (683); ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479 (480). 117 AVGOULEAS (Fn. 54), 180. 118 COFFEE, 70 Virginia Law Review, 1984, 717 (725); SADKA (Fn. 84), 4; FOX, 2 Theoretical Inquiries in Law, 2001, 563 (572); AVGOULEAS (Fn. 54), 176. 119 ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479 (481, 487). 120 VERRECCHIA (Fn. 70), 149; EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (689). 121 FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1338).
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ten Endes – das Allgemeinwohl fördert, kann nicht verwertet werden, wenn der Inhaber der Information keinen finanziellen Anreiz hat, die Produktions-, Verbreitungs-, und Verarbeitungskosten dieser Information zu tragen122. Demzufolge ist aus der Sicht des Kapitalmarkts bei fehlender Offenlegungspflicht mit einer Unterproduktion des Kollektivguts „Information“ zu rechnen. Andererseits kann bei fehlender Offenlegungspflicht auch eine Überproduktion von Informationen eintreten, z. B. wenn viele verschiedene Investoren gleichzeitig versuchen, dasselbe Wissen über ein Unternehmen und seine wirtschaftlichen Aussichten zu erlangen. Durch diese parallele Sucharbeit werden die hiermit verbundenen Kosten multipliziert, obgleich in den meisten Fällen nur der Gewinner dieses Rennens um Information in der Lage sein wird, die Vorteile seiner Investition zu nutzen123. Eine einheitliche Offenlegungspflicht kann diese teuren Informationskosten, die von vielen Teilnehmern durch Parallelarbeit verursacht wurden, reduzieren124. Eine andere Argumentationskette verweist auf die Netzwerkexternalitäten, welche in einem Kapitalmarkt mit einer großen Anzahl an Teilnehmern auftreten können. Da die bereit gestellten Informationen von den Empfängern verstanden werden müssen und da eine gemeinsame Sprache die Vergleichbarkeit von Unternehmensinformationen maßgeblich erhöht (und dementsprechend der Vergleich von verschiedenen Realinvestitionen verbessert wird), kann jedwede Standardisierung auf diesem Gebiet hilfreich sein, wird aber wahrscheinlich nicht durch das spontane Zusammenspiel von individuellen Marktteilnehmern erfolgen 125. Dieses Ziel, die Vergleichbarkeit von Unternehmensinformation zu erhöhen, steht im Mittelpunkt der bedeutsamsten nationalen und internationalen Entwicklungen auf dem Gebiet der Rechnungslegung – der US GAAP 126, der International Financial Reporting Standards127 und das endorsement der IAS/IFRS durch die europäischen Institutionen128. Eine weitere Eigenschaft der Offenlegungspflicht liegt in der Vollstreckbarkeit gesetzlicher Verpflichtungen, welche die Glaubwürdigkeit von Informationsverpflichtungen unterstützt. Da Investoren zur Anerkennung der Verlässlichkeit von Informationen ein System vorausgehender und glaubwürdiger Verpflichtungen benötigen, ist die rechtliche Durchsetzbarkeit einer Offenlegungspflicht zur Vermeidung adverser Selektion unter Informationsasymmetrie zu fordern 129. Letzten Endes würde diese Offenlegungspflicht nicht nur die Probleme bezüglich der „Kol122
COFFEE, 70 Virginia Law Review, 1984, 717 (726); HELLWIG, in: HOPT/WYMEERSCH/KANDA/ BAUM , Corporate Governance, 379 ff. 123 VERRECCHIA (Fn. 70), 151. 124 VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 89, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699. 125 EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (686); KUHNER (Fn. 95), 273. 126 KIESO/WEYGANDT/WARFIELD, Intermediate Accounting, Kapitel 2, 33. 127 INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD, International Financial Reporting Standards 2005, Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Rn. 39-42. 128 Verordnung Nr. 1606/2002/EG des Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002, ABl. L 243/1, 7. Erwägungsgrund. 129 FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1365); ROCK, 23 Cardozo Law Review, 2002, 675 (684).
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lektivgüter“ im Kapitalmarkt, sondern ebenfalls die Principal-Agent-Konflikte innerhalb der Organisation des Emittenten ansprechen. Da es Gesellschaftern nicht möglich ist, vollständige Verträge mit dem Management einzugehen und sie dabei zu verpflichten, für mannigfaltige zukünftige Situationen die Gesellschafter mit Informationen zu versorgen, liegt es nahe, dass die Geschäftsleitung einer zwingenden Informationspflicht gegenüber den Gesellschaftern unterworfen werden sollte130. Doch hat diese Zielsetzung der Verhinderung opportunistischen Informationsverhaltens der Geschäftsleitung nicht die Allgemeinheit der Kapitalmarktteilnehmer als solche im Blick, sondern nur die jeweiligen Anteilseigner als mittelbare „Eigentümer“ des Unternehmens. Das Argument der Unternehmensinformation als „Kollektivgut“ gilt im Übrigen nicht nur im Kapitalmarkt, es kann ebenfalls im Produktmarkt vorgebracht werden. Wie Merritt Fox131 bereits deutlich gemacht hat, kann der Austausch von Informationen unter Konkurrenten sehr wohl die Effizienz erhöhen, z. B. wenn Konkurrenten unter dem Eindruck einer Information davon Abstand nehmen, Ressourcen in ineffiziente Projekte zu stecken. Daraus kann sich ein Markt entwickeln, auf dem Konkurrenten willens sind, gegen eine Entschädigung an den Eigentümer der Information wertvolle strategische oder technologische Kenntnisse zu erhalten. Der Markt für rechtlich geschützte – patentierte – Erfindungen präsentiert eine vergleichbare Konstellation, in der die Offenlegung mit einem Ausschließlichkeitsrecht verbunden wird und daher zu effizienten Ergebnissen führen kann. Allerdings gibt es gegenwärtig keinen effizienten Markt für den Austausch von Informationen zwischenbetrieblichen Wettbewerb (abgesehen von der Information, die von den Industrieverbänden gesammelt und verbreitet werden). Dies liegt nicht nur an den „Kollektivgut“- Eigenschaften von Information im Allgemeinen; es spiegelt sich hierin zugleich das Problem, dass es ohne Kenntnis des tatsächlichen Inhalts der Information nicht möglich erscheint, im Vorfeld Verhandlungen über ihre Verwertung einschließlich einer rationalen Preisbildung zu führen. Wenn allerdings eine Information im Laufe der Vertragsverhandlungen mitgeteilt worden ist und die Verhandlungen anschließend scheitern, ist es – im Gegensatz zum Fall der Patentverletzungen – nahezu unmöglich zu ermitteln, ob, wie und in welchem Maß die Unternehmensinformation faktisch von dem Konkurrenten genutzt wurde132. Letzten Endes trifft man daher auf dem Produktmarkt auf dasselbe Problem der Unterund Überproduktion von wettbewerbsbezogener Information wie am Kapitalmarkt. Wenn wir dieses Argument – einer Verbesserung des Informationsangebots auf den Produktmärkten – ernst nehmen würden, müsste man sich allerdings nicht nur 130
FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1338); GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (165); MAHONEY, 62 University of Chicago Law Review, 1995, 1047 (1051); aber siehe RAMSAY, in: GRANTHAM/RICKETT, Corporate Personality in the 20th century, 215 (245), der strafrechtliche Sanktionen (wegen Betrugs) den Publizitätsregeln, als Maßnahme, Direktoren in die Schranken zu weisen, vorzieht, siehe FRANCO, 2002 Columbia Business Law Review, 223 ff. 131 FOX, 2 Theoretical Inquiries in Law, 2001, 563 (570). 132 GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (149).
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für die Offenlegungspflicht von börsennotierten Aktiengesellschaften, sondern auch für weitergehende Transparenz von Kapitalgesellschaften im Allgemeinen und natürlich auch von den an den Produktmärkten aktiven Personenunternehmen entscheiden. 4.2.4.2.3. Argumente gegen zwingende Vorgaben: Zur „Angemessenheit“ der Informationsdichte Auch die Kritiker der Offenlegungspflicht können auf valide Argumente verweisen 133. Zunächst betonen sie die erheblichen Kosten, die für Unternehmen auf der Grundlage der gegenwärtigen Gesetzgebung entstehen134. Sie erkennen weiterhin keine augenfälligen Beweise dafür, dass der oben genannte Vorgang des „unravelling“ in der Praxis nicht funktioniert135. Im Gegenteil: Sie zweifeln den empirischen Hintergrund für die geschilderte Unterproduktion der Information in einem unregulierten Markt an136. Selbst wenn sich eine solche Unterversorgung feststellen ließe, könnte diesem Defizit bereits auf freiwilliger Basis durch Handlungen privater Marktteilnehmer (z.B. Finanzintermediäre) 137 entgegengewirkt werden. Die Gegner zwingenden Publizitätsrechts stellen den Nutzen von standardisierten Geschäftsinformationen nicht grundsätzlich in Frage. Dennoch zweifeln sie, ob es einen zwingenden Grund gibt, Emittenten dazu zu verpflichten, einen bestimmten gesetzlich vorgegebenen Satz an Bilanzregeln zu befolgen. Vielmehr könne es ausreichen, den Emittenten die Wahl zwischen verschieden Regelwerken zu gewähren – sei es zwischen dem Kapitalmarktrecht verschiedener Staaten138 oder zwischen standardisierten Regelwerken, die von privaten Einrichtungen139 erarbeitet werden. Auch könne man das Problem der Glaubwürdigkeit von Informationen, welches die im Vorfeld festgelegte zwingende Durchsetzbarkeit einer Verpflichtung voraussetzt, auch durch freiwillige Unterwerfungserklärungen lösen 140. Selbst für den Fall, dass sich dem Grunde nach die Einführung gesetzlicher Offenlegungspflichten vertreten ließe, verweisen Kritiker darauf, dass die oben beschriebenen individuellen Vor- und Nachteile von Offenlegungspflichten auf den verschiedenen Märkten es erschweren, für eine solche gesetzliche Regelung das richtige Maß an Publizität zu definieren, das nicht überflüssige (und kostspielige) Dokumentationen veranlasst, sondern einen ausgeglichenen Mittelweg zwischen
133
MAHONEY, 62 University of Chicago Law Review, 1995, 1047 (1089). EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (695); ROMANO, 107 Yale Law Journal, 1998, 2359 (2380). 135 ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 (418). 136 ROMANO, 107 Yale Law Journal, 1998, 2359 (2373). 137 MAHONEY, 62 University of Chicago Law Review, 1995, 1047 (1096); AVGOULEAS (Fn. 54), 181. 138 ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 (388); ROMANO, 107 Yale Law Journal, 1998, 2359 (2361). 139 EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (700); ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479; CHOI/GUZMAN, 65 Fordham Law Review, 1997, 1855 (1900). 140 ROCK, 23 Cardozo Law Review, 2002, 675 (684). 134
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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den Interessen der Emittenten, der Investoren und der Konkurrenten beschreitet141. Gerade standardisierte Lösungen werden – so wird argumentiert – dieser Fragestellung bei individuellen Unternehmen nicht gerecht werden können142.
4.2.4.3. Schlussfolgerungen für die (europäische) Gesetzgebung Vergleicht man die in den USA geführte Debatte mit der rechtspolitischen Landschaft in Europa, so fällt unmittelbar auf, dass die fortwährende Tendenz in Europa, immer zahlreichere Offenlegungspflichten zu veranlassen, einem unbegründeten Vertrauen auf die natürlichen Vorzüge der Transparenz geschuldet ist, welches nicht das Übermaß an Regulierung und damit die immensen direkten und indirekten Informationskosten berücksichtigt. In aller Regel werden in Europa auch nicht die Notwendigkeit, einen Mittelweg zwischen den rechtmäßigen Interessen der Geheimhaltung gegenüber Konkurrenten, Zulieferern und Kunden und den berechtigten Informationsansprüchen einer breiteren Öffentlichkeit – Gläubiger, Investoren, Aktionäre und Konkurrenten – zu definieren. Demgegenüber bietet es sich für eine sachangemessene Lösung an, auf drei verschiedenen Stufen zu differenzieren: a) Welche Unternehmen sollten der Offenlegungspflicht unterliegen? Inwiefern spielt die Rechtsform oder die Börsennotierung eine Rolle? b) In welchem Umfang kann bei der materiellen Ausgestaltung des Publizitätsrechts auf die Problematik des Wettbewerbsschutzes Rücksicht genommen werden? c) In welcher Weise kann die Nutzung von Unternehmensdaten auf den Produktmärkten eingeschränkt werden? 4.2.4.3.1. Offenlegung auf dem Produktmarkt und das kartellrechtliche Problem des „Marktinformationssystems“ Wenn man eine möglichst weit gefasste Perspektive einnimmt, so kann man die Offenlegungserfordernisse für alle Unternehmensformen – Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften, börsennotierte oder nicht börsennotierte Unternehmen breitflächig ausgestalten, um das Niveau von Marktinformationen in Produktmärkten zu verbessern143. In diesem Fall werden Konkurrenten (wie im Axel Springer-Fall), Anbieter oder Kunden (wie im Daihatsu-Fall) in die Lage versetzt, 141
MAHONEY, 62 University of Chicago Law Review, 1995, 1047 (1095); ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 (422, 435); ROMANO, 107 Yale Law Journal, 1998, 2359 (2367); BAINBRIDGE, 68 University of Cincinnati Law Review, 2000, 1023 (1056), siehe ebenfalls VERRECCHIA, „Essays on Disclosure“, 92, verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=276699; POSNER, Economic Analysis of Law, 458. 142 ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479 (482, 512); ROMANO, 2 Theoretical Inquiries in Law 2001, 387 (435). 143 Es sollte angemerkt werden, dass die Europäische Kommission in ihrem Aktionsplan von 2003 (Mitteilung des Rates und das Europäische Parlament: Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union- Aktionsplan, 22.05.2003, KOM (2003) 284 endg.) ebenfalls zu dem Schluss kam, dass „eine saubere Unterscheidung zwischen Unternehmensformen“ im Hinblick auf die Offenlegung gemacht werden sollte (Rn. 2.1, 8).
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offengelegte Informationen anderer Marktteilnehmer für ihren eigenen Nutzen zu verwenden. Dies kann positive Auswirkungen zeitigen (Konkurrenten können von wenig erfolgversprechenden Projekten Abstand nehmen), aber auch negative Auswirkungen hervorrufen (Unternehmen können Innovation unterlassen) – jeweils abhängig von der Art der publizierten Information. Schaut man näher hin, so macht es vor dem Hintergrund eines Produktmarktes jedenfalls keinen Sinn, zwischen Kapitalgesellschaften und anderen Unternehmensformen zu unterscheiden. Die Rechtsform ist schlicht nicht relevant für den Produktwettbewerb. Die geltende Rechtslage, welche nur Kapitalgesellschaften (und GmbH & Co KG) für publizitätspflichtig erklärt, verursacht daher unsystematische Verteilungseffekte auf den Produktmärkten zu Lasten von Kapitalgesellschaften und zugunsten von Personenunternehmen144. Dennoch könnte man für die allgemeine Offenlegungspflicht plädieren, wenn sich nachweisen ließe, dass die Kollektivgut- Eigenschaften der Informationen im zwischenbetrieblichen Wettbewerb so wesentlich sind, dass ein bestehendes Marktversagen den effizienten Austausch von Informationen zwischen Konkurrenten, Kunden und Anbietern verhindert. Konkrete Folgerungen für den Inhalt der Offenlegungspflichten lassen sich jedoch gerade auf den Produktmärkten letztlich nicht ziehen. Während es einerseits sicher erscheint, dass die Existenz von Offenlegungspflichten für Informationen im Produktmarkt zu hohen direkten und indirekten Kosten für den Anbieter dieser Information führen wird, kann kein genereller Schluss gezogen werden, dass dieser Nachteil von den Vorteilen überwogen wird, die von anderen Teilnehmern und der Wirtschaft im Allgemeinen erlangt werden. Hier zeigt sich auch ein relevanter Unterschied zwischen Produktmarkt und Kapitalmarkt: Die Vorteile von Marktliquidität, Genauigkeit des Aktienpreises und der Vergleichbarkeit von Finanzdaten, welche für die Kollektivgut-Eigenschaften von Kapitalmarktinformationen verantwortlich zeichnen, existieren nicht im selben Maß im Produktmarkt. Während im Kapitalmarkt jede zusätzliche Information zur größeren Genauigkeit von Börsenkursen und daher zu einer verbesserten Zuweisung von finanziellen Mitteln zu bestimmte Investitionen führen wird, wird eine Informationspflicht im Produktmarkt zumeist ambivalente Auswirkungen haben: Erstens werden formell vereinheitlichte Offenlegungserfordernisse für alle Arten von Geschäftsunternehmen auf dem Produktmarkt mit dem Problem konfrontiert, dass inhaltsgleiche Regelungen viel mehr Schaden bei kleinen Ein-SegmentUnternehmen anrichten als an großen Konglomeraten145. Dies ist besonders problematisch, da diese kleinen Unternehmen häufig dazu tendieren, ihre Geschäftsstrategien innovativer auszurichten als große Kapitalgesellschaften146; demzufolge haben sie ein Interesse daran, vor so genannten „big players“ geschützt zu werden, die bei anderen Unternehmen rentable Geschäftsmodelle und Technologien abschöpfen 144
GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (145); MERKT, 1 European Company and Financial Law Review, 2004, 1 (27). 145 FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1408); KITCH, 61 Brookland Review, 1995, 764 (856); EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (671); YOSHA (Fn. 98), 9. 146 YOSHA (Fn. 98), 3.
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möchten. Dies ist nicht nur relevant für technologisch sensible Informationen, sondern auch in Hinsicht auf strategisch wichtiges Wissen, zum Beispiel Finanzdaten, die es mächtigen Konkurrenten ermöglichen, sich auf ruinöse Preisunterbietungen einzulassen. Zweitens muss berücksichtigt werden, dass die nachteiligen Effekte des zwischenbetrieblichem Austausch von vertraulichen Informationen seit langem im Blickpunkt des Kartellrechts steht. Insbesondere die Auswirkungen von „Marktinformationssystemen“, in welchen Konkurrenten vertrauliche Informationen über Preise, Mengen und andere strategisch wichtige Faktoren austauschen, werden von den Kartellbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks147 kontrolliert. Mit seinem Urteil in American Column & Lumber Co et al vs. US148, hat der amerikanische Supreme Court eine Reihe von Urteilen eingeleitet, nach der jedweder konzertierte Austausch von Informationen in Konflikt mit den im amerikanischen Kartellrecht enthaltenen Regelungen geraten kann149. Derselbe Kurs ist von der Europäischen Kommission und dem EuGH in den letzten Jahren verfolgt worden150. Dabei sind sich die Kartellbehörden durchaus bewusst, dass es von der Marktstruktur abhängt, ob der zwischenbetriebliche Austausch von Informationen den Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern verbessert oder verschlechtert. Einerseits räumt der Supreme Court daher ein, dass „es der Konsens unter Ökonomen und vielen der wichtigsten Regierungsbehörden ist, dass das öffentliche Interesse gewahrt wird durch die Beschaffung und Verbreitung, im weitesten Sinne, von Informationen in Hinsicht auf Produktion und Verteilung, Kosten und Preise von aktuellen Umsatzerlösen, Wirtschaftsgütern, da die Bereitstellung solcher Informationen dazu tendiert, Handel und Industrie zu stabilisieren, fairere Preisniveaus zu erzeugen und die Verschwendung zu vermeiden, welche unweigerlich die unüberlegte Betriebsführung mit sich bringt“151.
147
Für einen Überblick über das Recht, das Marktinformationssysteme reguliert, siehe TUGENDREICH, Die kartellrechtliche Zulässigkeit von Marktinformationsverfahren. Eine juristische und ökonomische Untersuchung zum deutschen und europäischen Kartellrecht unter Berücksichtigung der US-amerikanischen Rechtspraxis; ENCHELMAIER, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, 101; für das Beispiel der amerikanischen Praxis siehe HENRY, 62 Antitrust Law Journal, 1994, 483; für die EU-Praxis siehe NIEMEYER, 4 European Competition Law Journal, 1993, 151; der gegenwärtige Stand wird beschrieben von ENCHELMAIER, in: HEILBRONNER/ WILMS, Art. 81 Rn. 85. 148 US Surpreme Court, Column & Lumber Co. et al vs. US, 257 US 377 (410). 149 Siehe ebenfalls US Surpreme Court, Maple Flooring Manufacturers Association vs. US, 268 US 563, US vs. Container Corporation of America et al, 393 US 333 ff.; US v US Gypsum Company et al., 438 US 422 ff. 150 Entscheidung der Kommission vom 17. Februar 1992, in Bezug auf ein Verfahren gemäß Artikel 85 des EG-Vertrages IV/31.370 und 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange), 92/157/EWG, ABl Nr. L 068/19, Rn. 36, 52; EuG, Rs. T-35/92, John Deere, Slg. 1994, II-00957 (Rn. 47, 53); EuGH, Rs. C-7/95, John Deere, Slg. 1998, I-03111 (Rn. 85-91); EuG, Rs. T. 141/94, Thyssen Stahl, Slg. 1999, II-00347 (Rn. 393-401); EuGH, Rs. C-194/99, Thyssen Stahl, Slg. 2003, I-10821 (Rn. 81-90); Rs. C-199/99, Corus UK, Slg. 2003, I, Rn. 105112. 151 US Surpreme Court, Maple Flooring, 268 US 563 (582).
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Andererseits erkennt es an, dass „ wir realisieren, dass solche Informationen, gesammelt und verbreitet unter den Ausführenden eines Handels oder Geschäfts, die Grundlage sein könnten für eine Einigung oder gemeinsames Vorgehen, um die Produktion willkürlich zu verringern oder Preise über die Produktions- und Preisniveaus hinaus zu setzen, die vorherrschen würden, wenn keine solche Vereinbarung oder gemeinsames Vorgehen folgten, und die im Handel verwickelten Personen die Freiheit besäßen, individuelle Initiative auf vollständige Informationen der wesentlichen Bestandteile ihrer Geschäfte zu stützen. Solch ein gemeinsames Vorgehen stellt eine Beschränkung des Handels dar und ist nicht rechtens152.“
Diese Zweideutigkeit der Effekte hat die Gerichtshöfe auf beiden Seiten des Atlantiks dazu geführt, pauschale Lösungswege zu vermeiden. Man hat sich vielmehr darauf verständigt, dass die wettbewerbsinduzierten Effekte von „Marktinformationssystemen“ von der „vertraulichen“ Beschaffenheit der Information und der Struktur des jeweiligen Marktes abhängt. Im Fall US vs. Container Corporation of America et al, machte der Supreme Court klar, dass es vielleicht einen Unterschied gibt zwischen “konkurrenzbetonten Märkten”, wo Informationen dazu tendieren, den Wettbewerb zu erhöhen, und konzentrierten Märkten, wo mit Hilfe von Informationen einige Anbieter in die Lage versetzt werden, jeweils das Konkurrenzverhalten des anderen zu kontrollieren153. In der Rechtssprechung des EuGH wird vielfach betont, dass „Transparenz unter Händlern auf einem wahrlich konkurrenzbetonten Markt wahrscheinlich grundsätzlich zu einer Intensivierung des Wettbewerbs unter Anbietern führt, da in einer solchen Situation die Tatsache, dass ein Händler Informationen berücksichtigt, die ihm zur Verfügung gestellt wurden, um sein Verhalten auf dem Markt zu korrigieren, ist nicht wahrscheinlich, in Hinblick auf das aufgelöste Wesen des Angebots, jedwede Unsicherheit zu reduzieren oder zu beseitigen über die vorhersehbare Beschaffenheit des Verhaltens ihrer Konkurrenten,“
Allerdings ist es möglich, dass „in einem hoch konzentrierten oligopolistischen Markt, wie der fragliche Markt, und in welchem der Wettbewerb größtenteils reduziert und der Austausch von Informationen vereinfacht ist, wird der Austausch von Informationen wahrscheinlich wesentlich den Wettbewerb, welcher zwischen Händlern existiert, beeinträchtigen … Unter solchen Umständen, hat die Mitbenutzung von Informationen, auf einer regelmäßigen und häufigen Basis, hinsichtlich des Ablauf des Marktes, den Effekt, periodisch allen Konkurrenten die Marktpositionen und Strategien der verschiedenen individuellen Konkurrenten zu offenbaren154.“
Die Frage, die sich uns stellt, wenn wir weit gefasste Offenlegungserfordernisse für alle Unternehmen, welche aktiv im Produktmarkt sind, diskutieren, lautet folgen152
Ebenda, 585. US vs. Container Corporation of America et al, 393 US 333 (336). 154 EuGH, Rs. C-7/95, John Deere, Slg. 1998, S. I-03111 (Rn. 51); Rs. C-194/99, Thyssen Stahl, Slg. 2003, S. I-10821 (Rn. 84); Rs. C-199/99, Corus UK, Slg. 2003, S. I (Rn. 108). 153
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dermaßen: Kann es richtig sein, ein Verhalten unter dem Titel der „gesetzlichen Offenlegungspflicht“ zu legalisieren, welches als freiwillige Maßnahme der Unternehmen im Rahmen des Kartellrechts als „Marktinformationssystem“ verboten würde? Die Instinkte einer marktwirtschaftlichen Ordnung veranlassen uns zu der Annahme, dass die besseren Argumente gegen regulatorische Vorgaben für eine Offenlegung auf den Produktmärkten sprechen. Man sollte es daher den Marktkräften überlassen, ob und in welcher Art und Weise Unternehmen auf dem Produktmarkt mitteilen, und dabei die Rahmenbedingungen des Kartellrechts beachten. Weitergehend muss man berücksichtigen, dass man es im Produktmarkt (im Gegensatz zum Kapitalmarkt) regelmäßig nicht mit einer unbestimmten Vielzahl an Marktteilnehmern, sondern mit einer überschaubaren Gruppe an Konkurrenten, Zulieferern und Kunden zu tun hat, die auch auf privater Verhandlungsgrundlage mit anderen Marktteilnehmern über den Austausch von Informationen Einigkeit erzielen können (abgesehen von den hier nicht interessierenden Fragen der Verbraucherinformation). Daher sind auf den Produktmärkten auch die oben geschilderten Argumente für den Vorrang privater Verhandlungsergebnisse recht schlagkräftig: solange nicht eine unterschiedliche Marktmacht der Beteiligten den freien Austausch von „Informationen gegen Entgelt“ beeinträchtigt und solange nicht die Errichtung eines Kartells in Frage steht, kann man den Beteiligten solche freiwilligen Informationsmechanismen ermöglichen. Doch unterstützen diese Fallkonstellationen gerade nicht eine obligatorische Offenlegungsregelung. Ein letzter Punkt betrifft schließlich den maßgeblichen Inhalt der Offenlegungspflicht. Es darf als selbstverständlich gelten, dass eine Offenlegungspflicht im Produktmarkt nicht dieselben Informationen in den Blick nehmen würde, die im Kapitalmarkt relevant sind. Es muss sogar anerkannt werden, dass es sehr viel schwieriger im Produktmarkt als im Kapitalmarkt ist, auf allgemeiner Basis die Informationen zu identifizieren, die publik gemacht werden müssen. Letzten Endes gelangt man daher zu dem Schluss, dass es keine überzeugenden Argumente für irgendeine Offenlegungspflicht gegenüber Konkurrenten, Zulieferern und Abnehmern im Produktmarkt gibt. Weder ist es möglich, wesentliches Marktversagen zu ermitteln, noch ist es machbar, ein übergreifendes Format für solche Informationen zu konzipieren. Schließlich können wir nicht sicher sein, dass eine solche Offenlegung in ihrer Grundtendenz effizienzsteigernde Auswirkungen haben würde. Im Gegenteil: jedwedes standardisiertes Offenlegungssystem wird dazu neigen, Kartellstrukturen im Produktmarkt zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund sollte man davon absehen, hier obligatorischen Regelungen für Geschäftsunternehmen einzuführen. 4.2.4.3.2. Offenlegung für Gesellschafter und Gläubiger von Kapitalgesellschaften Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen europäischem und amerikanischem Gesellschaftsrecht liegt in der Grundannahme, dass Offenlegungsregelungen den gesellschaftsrechtlichen Preis für beschränkte Haftung bilden. In diesem Punkt existieren sogar erhebliche Unterschiede zwischen amerikanischer und britischer Gesetzgebung. Während in den USA die Offenlegungsregelungen auf kapitalmark-
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torientierte Gesellschaften155 beschränkt sind, unterliegen in Großbritannien – wie auch in Deutschland und in der gesamten EU – sämtliche Aktiengesellschaften und GmbH den oben geschilderten Offenlegungspflichten156. Als die Offenlegungspflicht für nicht notierte Gesellschaften in den sechziger und siebziger Jahren zu einem europäischen Thema wurde, betrachtete man die Publizitätspflicht in Großbritannien als natürliches Erfordernis, während es auf hartnäckigen Widerstand in Frankreich und Deutschland stieß157. Allerdings wird im Anschluss an die Verabschiedung der 1. und 4. Richtlinie zum europäischen Gesellschaftsrecht die zwingende gesetzliche Verbindung zwischen pflichtmäßiger Offenlegung und beschränkter Haftung derzeit in Europa158 weitgehend akzeptiert. Dies wird bis in die jüngste Zeit von der Europäischen Kommission hervorgehoben159. Schaut man näher hin, so ist diese gegenwärtige stabile Haltung europäischer und inländischer Gesetzgebung zur Offenlegung von Unternehmensdaten im Rückzug begriffen. Zwar zweifelt niemand den Wert zuverlässiger finanzieller Information für Gläubiger an, die bei der Vergabe und weiteren Kontrolle von Darlehen ein Mindestmass an Information benötigen. Sie besitzen ein legitimes Interesse, über die wirtschaftliche Lage ihres Darlehensnehmers in Kenntnis gesetzt zu werden und dabei auch herauszufinden, ob Gelder den Aktionären oder Dritten zugewandt worden sind. Die Frage ist aber, ob dieses legitime Interesse die zwingende Offenlegungspflicht für die Allgemeinheit rechtfertigt. Brian Cheffins hat darauf hingewiesen160, dass die oberflächliche Logik, die beschränkte Haftung mit der Offenlegungspflicht zu kombinieren, keine Überzeugungskraft besitzt. Manche Gläubiger bezweifeln ohnehin, dass Jahresabschlüsse bei der Bewertung der Bonität eines Schuldners sehr hilfreich sein; andere, die sich von einem Blick auf den Jahresabschluss Vorteile versprechen, können auch außerhalb einer gesetzlichen Publizitätspflicht das Unternehmen auf der Basis von Verhandlungen um die Vorlage eines (testierten) Abschlusses bitten. Dies macht es aber nicht erforderlich, dieselbe Information dem allgemeinen Publikum offen zu legen. Natürlich können sich für kleine Gläubiger Koordinations- und Transaktionsprobleme einstellen, doch würde es zur Behebung dieses Mangels ausreichen, den Gläubigern einen gesetzlichen Anspruch auf Vorlage der wichtigsten Finanzdaten161 einzuräumen, ohne die 155
HAZEN (Fn. 23); zu den unterschiedlichen Zwecksetzungen bilanzrechtlicher und kapitalmarktrechtlicher Offenlegung im Europäischen Recht siehe CORDEWENER, in diesem Buch S. 105 ff. 156 DAVIES, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, Kapitel 21, 533; was die Notwendigkeit eines Prüfungserfordernisses für kleine Unternehmen anbelangt, siehe GODWIN/FREEDMAN, Journal of Business Law 1993, 105 ff. 157 EDWARDS, EC Company Law, 22. 158 APELT, Die Publizität der GmbH: Die Regelung des BiRiLiG, der Mittelstandsrichtlinie und der GmbH & Co. KG- Ergänzungsrichtlinie; für eine kritische Bewertung siehe MERKT (Fn. 44), 316. 159 Europäische Kommission (Fn. 143), Rn. 3.7, 22; siehe ebenfalls RICKFORD, 15 European Business Law Review 2004, 919 (933, 989). 160 CHEFFINS, Company Law – Theory Structure and Operation, 508; siehe ebenfalls MERKT, 1 European Company and Financial Law Review, 2004, 1 (279, welcher es wünscht, die Offenlegung auf alle marktbezogenen Aktivitäten auszuweiten. 161 CHEFFINS, ebenda, 151.
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Hinterlegung in einem öffentlichen Register erzwingen zu müssen. Zwar reduziert der unmittelbare Zugang zu einem öffentlichen Register, insbesondere in grenzüberschreitenden Situationen 162, die Transaktionskosten für inländische und ausländische Vertragspartner, die Informationen bezüglich von Kapitalgesellschaften suchen. Aber es lässt sich nicht einfach sagen, dass diese Effekte den enormen Verwaltungsaufwand und die indirekten Kosten der Regelpublizität rechtfertigen. Schließlich lässt sich der oben geschilderten Diskussion in der ökonomischen Fachliteratur und in der US-amerikanischen Rechtswissenschaft über die Vorzüge der Offenlegungsregelungen mit großer Eindeutigkeit entnehmen, dass es keine überzeugenden Argumente für die allgemeine Offenlegungspflicht von Jahresabschlüssen und vergleichbaren Informationen außerhalb des Kapitalmarkts gibt. In personenbezogenen Kapitalgesellschaften (auch wenn es sich um Aktiengesellschaften handelt), sind Gesellschafter und Gläubiger in der Lage, durch das Management individuell über die laufende Geschäftstätigkeit des Unternehmens informiert zu werden. Insofern mögen sich vielleicht zwingende Rechnungslegungspflichten des Managements gegenüber einem begrenzten Personenkreis rechtfertigen und vielleicht sogar die Einführung einer Prüfungspflicht von Abschlüssen personenbezogener Kapitalgesellschaften begründen lassen. Doch können diese Gründe nicht rechtfertigen, das Unternehmen dazu zu zwingen, diese Dokumente bei einem Handelsregister für die breite Öffentlichkeit einzureichen. 4.2.4.3.3. Offenlegung für Kapitalmarktteilnehmer Ein engerer Blickwinkel wird dann eingenommen, wenn man lediglich die Offenlegungspflicht von Unternehmen in den Blick nimmt, deren Anteile oder Obligationen an Kapitalmärkten gehandelt werden. In dieser Situation sprechen überzeugende Argumente für die gesetzliche Offenlegungspflicht. Publikumsaktionäre und potentielle Investoren sind nicht in einer starken Verhandlungsposition, um wesentliche Informationen auf freiwilliger Basis der Geschäftsführung abzufordern. Es ist auch zweifelhaft, ob diese Aufgabe in ausreichendem Umfang von finanziellen Intermediären ersetzt werden könnte (die ihrerseits mit principal-agent-Konflikten konfrontiert sind)163. Daher erfordern sowohl die Notwendigkeit, Konfliktpotentiale zwischen der Geschäftsführung und Publikumsaktionären einzudämmen, als auch das Ziel, einen funktionierenden Kapitalmarkt zu begründen, die Verpflichtung, Unternehmensinformationen offen zu legen. Zugleich führt dies zur Anwendung von standardisierten Formaten, die es Aktionären (und ihren Intermediären) ermöglichen, Informationen zweckdienlich zu verarbeiten und den Investoren den Vergleich verschiedener Investments einräumt. Darüber hinaus führen das Bestehen von Netzwerkexternalitäten und die mannigfaltigen Probleme bezüglich einer Verwaltung der Rechnungslegungssysteme durch rein private Gremien auf freiwilliger Basis zu der Erkenntnis, dass eine gesetzlich vorgegebene Offenlegungspflicht sich als überlegen erweist gegenüber 162 163
FIKENTSCHER/GROßFELD, 2 Common Market Law Review, 1964, 265 (266). AVGOULEAS (Fn. 54), 185; siehe ebenfalls LANGEVOORT, 84 California Law Review, 1996, 627 ff.
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einem spontanen Ergebnis, das im freien Spiel der Marktkräfte entstehen könnte. Die derzeitige Globalisierung von Rechungslegungsregeln ist ein schlagkräftiges Argument dafür, dass die Marktkräfte als solche die Gesetzgeber dazu zwingen können, sich gemeinsam auf weltweit einheitliche Bilanzregeln zu einigen. Dabei ist allerdings die Gesetzgebung von Einzelstaaten keine Lösung mehr, wie in Europa aus der unzulänglichen Harmonisierung und disparaten Umsetzung der früheren, heterogenen Bilanzierungsrichtlinien innerhalb der EU gefolgert werden kann. Zwar haben Kritiker der Offenlegungspflicht Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass es nicht möglich ist, im Vorfeld das richtige Maß der Offenlegung von börsennotierten Gesellschaften zu bestimmen. Doch sollte dieses Argument nicht dazu veranlassen, insgesamt das Konzept einer gesetzlichen Offenlegungspflicht aufzugeben. Den wesentlichen Schluss, den man aus dieser wohlbegründeten Skepsis ziehen muss, wird man darin sehen können, dass man die Offenlegungspflicht auf „Mindestregeln“164 beschränken und zugleich den Unternehmen mehr Spielraum geben sollte, ihre Position durch zusätzliche freiwillige Offenlegung zu verbessern oder sich für eine defensivere Offenlegungsstrategie zu entscheiden, um direkte und indirekte Kosten auf den Produktmärkten zu reduzieren165. Die gegenwärtige Regelungslage in Europa, welche regelmäßige Veröffentlichungspflichten und Ad-HocOffenlegung von wichtigen Geschäftsvorfällen kombiniert, zeigt, dass es einen Weg gibt, maßgeschneiderte Publizitätsvorschriften zu erzeugen, ohne auf eine standardisierte Mindestmenge166 an Informationen zu verzichten. Umgekehrt sollten Investoren ebenfalls die Freiheit besitzen, mit zusätzlichem Einsatz von Ressourcen weitergehende Informationen über das Niveau hinaus zu erlangen, das auf der Grundlage der gesetzlichen Offenlegungspflicht allen Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt wird167. 4.2.4.3.4. Publizität und Wettbewerb: Regelungen für relevante Konfliktsituationen Wenn man sich (in Europa) der amerikanischen Grundentscheidung anschließt, dass nur Unternehmen, die der breiten Öffentlichkeit Wertpapiere anbieten, kraft Gesetzes verpflichtet werden, Geschäftsinformationen der Öffentlichkeit preiszugeben, lässt sich faktisch nicht ausschließen, dass Konkurrenten und andere Teilnehmer im Produktmarkt des Emittenten Wissen über diese Informationen erlangen. Dies kann einen dreifach negativen Effekt auf den Wettbewerb haben: – Es könnte sein, dass die innovationsabhängigen Aktivitäten eines Unternehmens auf Hindernisse stoßen, da Konkurrenten frühzeitig über die Tätigkeiten infor164
ADMATI/PFLEIDERER, 13 Review of Financial Studies, 2000, 479 (482). Ein analytisches Modell zur Wechselwirkung zwischen freiwilliger Publizität und der Offenlegungspflicht wird von EINHORN dargestellt, 43 Journal of Accounting Research, 2005, 593 ff. 166 AVGOULEAS (Fn. 54), 183. 167 Ob die Offenlegungspflicht dazu neigt, die private Aneignung von Informationen „zu verdrängen“, was daher suboptimale Resultate zur Folge hat, wurde von VERRECCHIA gefragt, (Fn. 70), 154. 165
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miert werden. Dies ist besonders relevant, wenn wir unser Augenmerk auf technologische Informationen richten. – Es könnte sein, dass Konkurrenten, Zulieferer oder Abnehmer in der Lage sind, ihre Marktmacht zu missbrauchen, da sie auf dem Umweg über den Kapitalmarkt über Wissen zu den finanziellen Daten eines Unternehmens verfügen. – Es könnte sein, dass öffentlich zur Verfügung gestellte Informationen es Konkurrenten ermöglicht, parallel zu agieren, um ihre Wettbewerbsposition gegenüber Außenstehenden und den Kunden zu verteidigen. Dies ist besonders relevant in oligopolistischen Märkten. 4.2.4.3.4.1. Gesetzliche Offenlegungspflichten als Hindernis für Innovation Wenn gesetzliche Offenlegungspflichten dazu führen, dass einzelne Unternehmen sich an wertvollen Innovationen gehindert sehen, so müsste dies als ein bedeutsamer Fall wettbewerblicher Schäden eingeordnet werden. Für den Gesetzgeber gibt es verschiedene Optionen, darauf zu reagieren: – Man kann schlichtweg diese Wettbewerbsnachteile ignorieren. – Man kann den betroffenen Unternehmen sachlich begrenzte Freistellungen von der Offenlegungspflicht anbieten (Schutzklauseln). – Man kann für den Fall der Nutzung dieser Informationen durch Konkurrenten Ausgleichszahlungen zwischen den Beteiligten anordnen. – Man kann den Gebrauch solcher Informationen durch Konkurrenten, Zulieferer oder Abnehmer untersagen168. Die erste Reaktion könnte man mit der Ausgangsentscheidung des Emittenten rechtfertigen, seine Wertpapiere auf dem Kapitalmarkt zu platzieren. Da der Emittent die Freiheit besitzt zu entscheiden, ob zusätzliche Gelder im Kapitalmarkt aufgenommen werden sollen, besitzt er zugleich die Möglichkeit, die Auswirkungen der Offenlegungspflicht auf seine Wettbewerbsposition zu evaluieren. In diesem Sinne ist jedwede Offenlegung freiwillig, so dass man vielleicht von effizienten Ergebnissen ausgehen kann: Der Emittent wird den Schritt zum offenen Kapitalmarkt nur tätigen, falls der erwartete Nutzen die erwarteten Nachteile übersteigt. Dennoch erscheint diese Argumentation nicht überzeugend. Eine solche Wahl wird nämlich weder der Interessenlage des Emittenten noch derjenigen der Investoren gerecht. Auch die Investoren würden nämlich wahrscheinlich davon Abstand nehmen, auf der Offenlegung derjenigen Informationen zu bestehen, welche vielleicht ihrer Investitionsentscheidung weniger nützlich sein würden als sie sich als schädlich für den Emittenten im Hinblick auf Wettbewerbsnachteile erweisen würden. Ein gutes Beispiel dafür sind detaillierte technologische Informationen, die häufig nutzlos für den Investor am Kapitalmarkt, aber sehr wertvoll für den Konkurrenten am Produktmarkt sein könnten. Zwar ist es richtig, dass die Kollektivgut-Vorzüge offengelegter Informationen nicht nur den individuellen Investor betreffen; vielmehr zielen sie auf das Funktio168
Siehe zu Verwendungsbeschränkungen publizierter Daten aus verfassungsrechtlicher Sicht WARTENBURGER in diesem Buch, S. 49 ff.
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nieren des Kapitalmarkts im Allgemeinen und damit auch auf die Wahl zwischen verschiedenen Realinvestitionen im Interesse einer optimalen Ressourcenallokation. Vor diesem Hintergrund könnte ein Gesetzgeber sich entscheiden, Wettbewerbsnachteile sogar in Situationen zu ignorieren, in denen der individuelle Aktionär oder potentielle Investor die Offenlegungspflichten des Unternehmens nicht streng einfordern würde. Andererseits steht der Kollektivgut-Eigenschaft von Unternehmensinformationen im Kapitalmarkt die das Gemeinwohl steigernde Wirkung von Innovationen gegenüber. Ist sich ein Unternehmen erst einmal der Tatsache bewusst, dass die Offenlegung von innovativen Tätigkeiten den Nutzen reduzieren würde, den es aus diesen Tätigkeiten zieht, sieht es sich vielleicht dazu veranlasst, den innovativen Weg nicht weiter zu verfolgen. Insoweit macht es Sinn, die ökonomischen Grundsätze des Geistigen Eigentums hinsichtlich des Schutzes von Innovationen heranzuziehen169. Dabei ist anerkannt, dass Geheimhaltungsregelungen einen langfristigen Anreiz für innovative Maßnahmen im Rahmen des Unternehmens setzen 170. Auch wenn es gute Gründe für eingehende Anlegerinformationen in Hinblick auf unternehmerische Strategien gibt, kann das Gegengewicht des Innovationsschutzes zu dem Schluss führen, dass es dem Emittenten selbst überlassen werden sollte, freiwillig über die Offenlegung solcher Informationen zu entscheiden. Es mag in dieser Hinsicht nützlich sein, zwischen strategischer Information über Produktionskapazitäten, Preisniveaus oder bevorstehende Investitionen einerseits und technologischer Information andererseits zu unterscheiden, welche typischerweise einen höheren Schutz verdient171. Man kommt dabei zu dem Schluss, dass es Ausnahmeregelungen geben muss, die den Regeln des Schutzes Geistigen Eigentums folgen, und diese müssen so gestaltet werden, dass innovative Vorgänge innerhalb von Unternehmen nicht durch prohibitive Publizitätsvorschriften geschädigt werden. Eine andere Option wäre es, die Offenlegung solch vertraulicher technologischer Daten zwar durchzusetzen, aber auf jedweden Gebrauch, den Konkurrenten von diesem innovativen Material tätigen, mit Sanktionen zu reagieren. Genauso wie im Patentrecht kann man darüber nachdenken, eine pflichtmäßigen Offenlegung zu kombinieren mit einer strikten Begrenzung des Gebrauchs innovativer Information. Man könnte sogar ein völliges Verbot für Konkurrenten in Erwägung ziehen, diese offengelegten Informationen zu nutzen. Falls dies nicht machbar erscheint, könnte man auch eine Regelung begründen, nach der Konkurrenten, die Gebrauch von solch vertraulichen Informationen machen, dazu verpflichtet sind, das offen legende Unternehmen für jedwede Verluste zu entschädigen, die bei solch einer Verletzung der schützenswerten Information eintreten.
169
GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (139). GUTTENTAG, 32 Florida State University Law Review, 2004, 123 (165); STEVENSON (Fn. 61), 15; im Hinblick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Patentrechts, siehe POSNER (Fn. 141), 37. 171 YOSHA (Fn. 98), 6. 170
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Natürlich wird man argumentieren können, dass solche rechtlichen Instrumente sich in der Praxis als untauglich erweisen würden. Dies ließe dann allerdings nur den Schluss zu, dass die relevante Information von vornherein nicht veröffentlicht werden oder nur an einen Intermediär weitergeleitet werden sollte, der den Kapitalmarkt in einer sehr allgemeinen Weise über die Auswirkungen der Informationen in Kenntnis setzt, ohne Details an die breite Öffentlichkeit weiter zu geben172. In diesem Zusammenhang wird unter anderem diskutiert, ob Investoren in der Lage sind, die geschilderten Wettbewerbsnachteile im Verhältnis mehrerer Unternehmen dadurch auszugleichen, dass sie ein breit angelegtes Portefeuille an Beteiligungen unterhalten. Dies mag zu einer Situation führen, in der die Aktionäre den Vermögensverlust des einen Unternehmens als Vermögensgewinn im Rahmen einer anderen Beteiligungsgesellschaft wahrnehmen würden173. Dann scheint ein Bedürfnis nach Wettbewerbsschutz auf der Ebene der Investoren gar nicht zu bestehen. Dennoch scheint diese Argumentation nicht realistisch zu sein. In der Wirklichkeit haben wir es nicht mit einer homogenen Aktionärstruktur in allen beteiligten unternehmerischen Einheiten zu tun; überdies würden sich zumindest die Manager einem solchen „Trittbrettfahren“ von konkurrierenden Unternehmen widersetzen174. Jedweder Versuch aber, in dieser Hinsicht Druck auf die Geschäftsleiter auszuüben, würde ernsthafte Koordinierungsprobleme zwischen den Aktionären nach sich ziehen175. Aus europäischer Sicht, wo nicht-börsennotierte Unternehmen immer noch einen großen Anteil der Wirtschaft ausmachen, und wo personenbezogene Kapitalgesellschaften in Familienbesitz zu den wichtigen, großen Akteuren in vielen Märkten gehören, erscheint diese Argumentation ganz untauglich: Es besteht schlicht nicht die Möglichkeit von Investoren, sich frei an allen miteinander konkurrierenden Einheiten zu beteiligen. 4.2.4.3.4.2. Offenlegung und dominante Marktteilnehmer Die zweite Situation, die berücksichtigt werden muss, betrifft den Missbrauch von öffentlich verfügbarer Information durch starke Marktteilnehmer. Dies erlangt eine besondere Wichtigkeit im Fall von ruinöser Preisunterbietung, wenn ein dominanter Marktteilnehmer in der Lage ist, Verluste für eine begrenzte Zeit zu tragen, um kleinere Konkurrenten vom Markt zu verdrängen176. Dies gilt etwa auch, wenn mächtige Zulieferer oder Nachfrager finanzielle Informationen, die von ihrem Vertragspartner der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, verwenden, um die 172
EASTERBROOK/FISCHEL, 70 Virginia Law Review, 1984, 669 (687); siehe zur parallelen Diskussion bei zivilrechtlichen Auskunftsansprüchen OSTERLOH-KONRAD in diesem Buch S. 9 ff. 173 ROMANO, 107 Yale Law Journal, 1998, 2359 (2368). 174 FOX, 85 Virginia Law Review, 1999, 1335 (1350); FOX, 2 Theoretical Inquiries in Law, 2001, 563 (585). 175 FOX, 2 Theoretical Inquiries in Law, 2001, 563 (586). 176 Die EU-Praxis wird beschrieben von JONES/SUFRIN, EC Competition Law, Text, Cases and Materials, 388; MOSSO/RYAN, in: FAULL/NIKPAY, The EC Law of Competition, Rn. 4.151; für eine aktuelle ökonomische Analyse, siehe EUROPEAN ADVISORY GROUP ON COMPETITION POLICY (Fn. 106), 18.
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Gewinnmargen der anderen Seite zu drücken. Ein solches Verhalten ist kartellrechtlich verboten – sowohl nach den US-Regelungen als auch im Rahmen des Art. 82 EG. Es versteht sich von selbst, dass Kenntnisse über die finanziellen Daten eines kleinen Konkurrenten einem marktstarken Unternehmen die Kalkulationsgrundlage dafür geben, um mit einem begrenzten Geld- und Zeitaufwand der Verdrängung des anderen Unternehmens durchzuführen. Der Axel Springer Fall verdeutlicht sehr gut das Interesse eines großen Pressekonglomerats, Wissen über die finanzielle Leistungsfähigkeit von zwei kleinen Konkurrenten zu erlangen. Der Fall verdeutlicht ebenfalls, dass auch die von kleinen und mittleren Unternehmen im Rahmen der Regelpublizität abgefragten Daten erhebliche Wettbewerbsrelevanz besitzen können.177 Erneut verfügt man über zwei Optionen für regulierende Eingriffe. Die ideale Kombination von Kapitalmarktinformation und Wettbewerbspolitik wäre es, einerseits die Offenlegungspflicht zu etablieren, aber andererseits den Gebrauch dieser Information durch den dominanten Konkurrenten/Zulieferer/Nachfrager zu verbieten. Da es schwierig ist, diese Nutzung zu kontrollieren, kann man auch einen Mittelweg empfehlen: Zunächst wird abgewartet, ob der dominante Konkurrent mit einer ruinösen Preisunterbietung beginnt. Falls der kleine Konkurrent nun in der Lage ist zu zeigen, dass die Kenntnis seiner finanziellen Daten dem Angreifer in diesem Preiskrieg einen wesentlichen Vorteil verleiht, rechtfertigte dies entsprechende Maßnahmen gemäß Artikel 82 EG. Die Beweislast dafür, dass die von dem kleinen Konkurrenten im Rahmen der Regelpublizität offen gelegte Information keine Rolle in diesem Preiskrieg spielt, sollte dem großen Unternehmen zugewiesen werden. Falls man zu dem Schluss kommt, dass sogar diese Lösung praktische Probleme nach sich zieht, sollte man eine Freistellung für den kleinen Konkurrenten von der Pflicht zur Einreichung beim Handelsregister in Erwägung ziehen. Falls das kleine Unternehmen in der Lage ist zu zeigen, dass diese Information es besonders anfällig für Wettbewerbsnachteile macht, sollten sogar die allgemeinen Bedürfnisse des Kapitalmarkts diesem Schweigen nicht im Wege stehen. 4.2.4.3.4.3. Offenlegung als Instrument für gemeinsames Vorgehen Nicht zuletzt müssen wir mit der Situation zurecht kommen, dass an die breite Öffentlichkeit im Rahmen von Publizitätspflichten weitergegebene Informationen es dem offenlegenden Unternehmen und dessen konkurrierenden Unternehmen ermöglichen, ein abgestimmtes Verhalten in Hinblick auf Preise, Produktionsmengen und andere marktrelevante Faktoren zu praktizieren. Dieser Problematik kann nicht durch die Einführung einer Schutzklausel begegnet werden, da das offen legende Unternehmen ja Wert darauf legt, die wettbewerbsrelevanten Informationen im Rahmen des nationalen und internationalen Kapitalmarktrechts auch Konkurrenten verfügbar zu machen. 177
MAHONEY, 62 University of Chicago Law Review, 1995, 1047 (1103); zur bisherigen Praxis siehe ENCHELMAIER in diesem Buch, S. 271 ff.
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Im Hinblick auf die gegenwärtige Praxis der Kartellbehörden zu den Marktinformationssystemen178 lässt sich feststellen, dass ein solcher kapitalmarktrechtlich legaler Austausch von Informationen die Tendenz aufweisen wird, wettbewerbswidrige Effekte hervorzubringen, und zwar je nach Struktur des jeweiligen Markts. Andererseits ist es nicht einfach, die im Rahmen der US-amerikanischen Kartellrechtsgesetzgebung und des EG-Vertrages entwickelten Tatbestandsmerkmale auf dieses Verhalten unmittelbar anzuwenden. So kann nicht einfach angenommen werden, dass diesen Pflichtpublikationen eine privatrechtliche Absprache179 oder sonst ein abgestimmtes Verhalten der betroffenen Unternehmen zugrunde liegt. Auch geht es nicht um den Austausch von „Geschäftsgeheimnissen“180 – wie wir dies in der bestehenden Praxis und Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht antreffen, weil das Gesetz als solches die Unternehmen dazu zwingt, diese Informationen publik zu machen181. Zwar ist anerkannt, dass auch staatliche Maßnahmen, die Marktteilnehmer mit solchen Informationen versorgen, als wettbewerbswidriges Verhalten182 eingestuft werden können. Aber es wäre schwierig zu behaupten, dass die der kapitalmarktrechtlichen Offenlegung zugrunde liegenden Gesetze als staatlicher Verstoß gegen die Wettbewerbsregelungen eingeordnet werden können. Wie die geschilderte Diskussion über Marktinformationssysteme gezeigt hat, ist der relevanteste Punkt denn auch nicht der Austausch von Informationen als solcher, sondern der Gebrauch, den die beteiligten Unternehmen von diesem Wissen machen. Falls es einen hoch konzentrierten oligopolistischen Markt gibt, kann es – wie die US und EU-Gerichtshöfe dies klar gemacht haben – dazu kommen, dass der Austausch von Informationen von den Oligopolisten dazu verwendet wird, den Wettbewerb zu reduzieren und ihr Marktverhalten abzustimmen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass die Wettbewerbsbehörden streng überwachen müssen, ob Unternehmen, mit Rücksicht auf die Offenlegung der finanziellen Daten wissen infolge der gesetzlichen Offenlegungspflichten im Hinblick auf ihre Geschäftsstrategien parallel zu agieren. Die Existenz von offen gelegten Informationen könnte als Indiz dienen, wenn es darum geht, überzeugende Argumente gegen das Verhalten von Oligopolisten gemäß Artikel 81 EG zu liefern. 178
Siehe oben unter 3.2.4.3.1. EuGH, Rs. C-199/99, Corus UK, Slg. 2003, I (Rn. 105). 180 EuGH, Rs. C-7/95, John Deere, Slg. 1998, I-03111 (Rn. 89). 181 Näher ENCHELMAIER in diesem Buch S. 271 ff. 182 NIEMEYER, 4 European Competition Law Journal, 1993, 151 (156); Entscheidung der Kommission vom 17. Februar 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag in der Sache IV/ 31.370 und 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange), 92/157/EWG, ABl. L 068/19, Rn. 49: „Schließlich berührt die Tatsache, daß ein Ministerium Angaben über Umsätze einzelner Wettbewerber in einem gegebenen Markt im Gegensatz zu nicht aufgeschlüsselten Gesamtdaten für einen gesamten Wirtschaftszweig zur Verfügung stellt, nicht die Anwendbarkeit von Artikel 85 EWG-Vertrag auf das Vorgehen der beteiligten Unternehmen. Vielmehr setzt sich die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen damit ebenfalls dem Vorwurf der Vertragsverletzung aus, in diesem Fall Artikel 5 EWG-Vertrag, da gemäß Artikel 85 Artikel 3 Buchstabe f) in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 2 EWG-Vertrag die Bestimmungen des nationalen Rechts oder die Vorgehensweise der nationalen Behörden die uneingeschränkte Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln nicht beeinträchtigen dürfen ….” 179
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4.2.5. Schlussfolgerungen 4.2.5.1. Aufhebung der Publizitätspflicht für nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften Der Axel Springer Fall zeigt, dass etwas mit den europäischen Publizitätsvorschriften nicht stimmt. Sie überspannen den Rahmen, da sie Unternehmen ein zwingendes Gerüst von Offenlegungspflichten aufnötigen, das nicht von ihrem Zugang zu öffentlichen Kapitalmärkten abhängig ist. Die Erfordernisse des Gläubigerschutzes bei haftungsbeschränkten Gesellschaften sollten hingegen kein Grund für gesetzliche Offenlegungspflichten sein. Die Europäische Union sollte dem Beispiel der Vereinigten Staaten folgen und die gesetzlichen Offenlegungspflichten auf börsennotierte Unternehmen beschränken. Andererseits sollte man nicht einen – ebenfalls in der US-amerikanischen Diskussion vorgeschlagenen – extremen Lösungsweg anstreben und die Offenlegungspflicht auch bei börsennotierten Unternehmen gänzlich abschaffen. Es gibt weiterhin keine überzeugenden Argumente für eine allgemeine Offenlegungspflicht in Produktmärkten. Kein Unternehmen sollte gesetzlich dazu angehalten werden, seine wirtschaftlichen Grunddaten an Konkurrenten, Zulieferer und Kunden preis zu geben. Dies ist nicht nur auf die hohen direkten und indirekten Informationskosten zurück zu führen; es berücksichtigt ebenfalls, dass die Auswirkungen der Offenlegung auf die Märkte sehr unterschiedlich ausfallen können. Daher wird vorgeschlagen: Die allgemeine Publizitätspflicht für Kapitalgesellschaften nach Art.2 Abs.2 lit.4 Publizitäts-RL sowie nach Art.47 Bilanz-RL und nach Art.38 Konzernbilanz-RL wird außer Kraft gesetzt. Gleiches gilt für §§ 325 – 329 HGB. Stattdessen wird in der Bilanz-RL, der Konzernbilanz-RL sowie im HGB eine individuelle Vorlagepflicht eines (testierten) Jahresabschlusses mit Lagebericht gegenüber den Gesellschaftern, den Gläubigern und der Arbeitnehmervertretung gesetzlich angeordnet. Parteien, die beabsichtigen, in ein Rechtsverhältnis mit der Gesellschaft zu treten (künftige Gläubiger oder Gesellschafter sowie andere Vertragspartner), steht es frei, den Einstieg in Vertragsverhandlungen von der freiwilligen Vorlage dieser Unterlagen durch die Gesellschaft abhängig zu machen: „(§ 325 Abs.1 HGB-E): Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften sind verpflichtet, den Jahresabschluss einem Gesellschafter oder einem Gläubiger oder der Arbeitnehmervertretung auf deren Verlangen zugänglich zu machen.“
4.2.5.2. Fortbestehende Publizität von Großunternehmen nach dem Publizitätsgesetz Es wird in dieser Arbeit schließlich nicht behandelt, ob es ein legitimes Interesse der breiten Öffentlichkeit und politischen Institutionen gibt, Wissen über die wirtschaftliche Lage von (sehr) großen Unternehmen zu erlangen. Dem ist in Deutschland durch das Publizitätsgesetz aus dem Jahre 1969 Rechnung getragen worden.
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Die dort vorausgesetzten politökonomischen Annahmen über die Notwendigkeit einer Transparenz mächtiger sozialer Einheiten im Wirtschaftsleben würden den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Der Fortbestand des Publizitätsgesetzes wird daher unterstellt.
4.2.5.3. Fortbestehende Publizität für börsennotierte Kapitalgesellschaften Nach Art.4 der Richtlinie 2004/109/EG sind börsennotierte Unternehmen verpflichtet, ihren Jahresabschluss und andere Dokumente für die breite Öffentlichkeit offen zu legen. Im deutschen Recht wird diese Richtlinienvorgabe in § 37v des Wertpapierhandelsgesetzes umgesetzt. Bei dieser gesetzlichen Publizitätspflicht soll es auch in Zukunft bleiben.
4.2.5.4. Schutzklauseln im Rahmen des europäischen und deutschen Kapitalmarktrechts Es gibt zwei Situationen, die eine individuelle Beschränkung der Kapitalmarktpublizität von Gesellschaften im Interesse des Wettbewerbsschutzes erfordern: – Die Beschränkung von Innovation durch Regelungen, die eine frühe Offenlegung von innovativen Tätigkeiten erfordern. Einer solchen Gefahr sollte begegnet werden durch eine Ausnahmeregelung, die es dem Unternehmen überlässt zu entscheiden, ob es die Kapitalmärkte informieren und dafür Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen möchte. – Der Missbrauch einer beherrschenden Marktstellung kann darin liegen, dass ein großer Marktakteur finanzielle Daten eines kleinen Konkurrenten verwendet, um ruinöse Preisunterbietungen oder andere Formen des Marktmissbrauchs durchzuführen. In diesem Fall sollte man eine Ausnahmeregelung für kleine Konkurrenten bewilligen, die diese davon freistellt, ihre sensiblen finanziellen Daten bei den öffentlichen Behörden einzureichen. Dies erfordert im europäischen Recht weder eine Änderung der Bilanz-RL und der Konzernbilanz-RL noch eine Änderung der IAS-VO. Beide regeln lediglich den Inhalt des Jahresabschlusses, nicht aber dessen Offenlegung (jedenfalls nach der oben vorgeschlagenen Abschaffung des Art.47 Bilanz-RL und des Art.38 Konzernbilanz-RL). Vorgeschlagen wird vielmehr eine Erweiterung des Art.4 der Richtlinie 2004/109/EG durch eine allgemeine Schutzklausel183 in Abs.3a: „(3a) Der Emittent ist nicht verpflichtet, im Jahresabschluss oder im Lagebericht Zahlen oder andere Informationen offen zu legen, deren Verwendung durch Dritte geeignet ist, dem Emittenten einen erheblichen geschäftlichen Nachteil zuzufügen. Dies gilt insbesondere, wenn die Offenlegung die Forschung und Entwicklung des 183
Zum Fehlen einer allgemeinen Schutzklausel für den Jahresabschluss und den Lagebericht im geltenden Recht siehe die Beiträge von EßBAUER, in diesem Buch S. 287ff. und PALMES, in diesem Buch S. 375 ff.
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Emittenten gefährden oder anderen Marktteilnehmern die Möglichkeit zu wettbewerbswidrigem Verhalten ermöglichen würde. Von diesem Wahlrecht kann nicht Gebrauch gemacht werden, wenn eine unvollständige Darstellung geeignet ist, die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten zu gefährden.“ Zugleich muss eine Kontrolle dieser Schutzklausel durch Wirtschaftsprüfer stattfinden184. In Art.4 der Richtlinie 2004/109/EG ist daher der folgende Abs.4a einzusetzen: „(4a) Der Bestätigungsvermerk muss auch die Rechtmäßigkeit der Ausübung eines Wahlrechts nach Abs.3a erfassen. Schließlich muss eine entsprechende Anwendung für den Lagebericht vorgesehen werden, und zwar in einem neuen Art.5 S.2 der Richtlinie 2004/109/EG: „Abs.3a und Abs.4a finden entsprechende Anwendung“. Diese Vorschriften sind wortgleich in § 37v WpHG zu übernehmen.
4.2.5.5. Regelungen im europäischen und deutschen Kartellrecht – Der Missbrauch einer dominanten Position i. S. von Art.81 EG (§§ 19, 20 GWB, insbesondere § 20 Abs.4 GWB) ist gegeben, wenn ein großer Marktakteur finanzielle Daten eines kleinen Konkurrenten verwendet, um ruinöse Preisunterbietungen oder andere Formen des Marktmissbrauchs durchzuführen. In diesem Fall sollte man Beweiserleichterungen zugunsten des kleineren Wettbewerbers anerkennen, wenn es seine Finanzdaten publiziert hat und diese geeignet sind, die Verdrängungsstrategie des marktbeherrschenden Unternehmens zu fördern. – Der Austausch von Informationen im Rahmen der gesetzlichen Offenlegungspflichten kann abgestimmtes Verhalten zwischen Konkurrenten ermöglichen. In einem solchen Fall besteht aus kartellrechtlicher Sicht kein Sinn, die gesetzlichen Offenlegungspflichten für publizitätspflichtige Unternehmen als solche einzuschränken. Allerdings sollten die Wettbewerbsbehörden kontrollieren, ob eine solche Information von den Unternehmen verwendet wurde, um parallele Strategien oder andere abgestimmte Aktionen durchzuführen.
184
Dies entspricht der Tendenz des Zivilprozessrechts, eine Überprüfung vertraulicher Tatsachen durch Wirtschaftsprüfer zu ermöglichen; siehe dazu in diesem Buch OSTERLOH-KONRAD, S. 9 ff.
4.2. Unternehmenspublizität und Wettbewerb
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RICKFORD, JONATHAN (HRSG.)
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ROMANO, ROBERTA ROMANO, ROBERTA SADKA, GIL SCHMIDT, CHRISTIAN
SCHMITTMANN, JENS M. SCHMITTMANN, JENS M. SCHÖN, WOLFAGNG/ OSTERLOH-KONRAD, CHRISTINE
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VAN OMMESLAGHE, PIERRE
VERRECCHIA, ROBERT E.
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