Susan Mallery
Sag nicht Nein
Die hübsche Karatelehrerin Daisy Jane Monroe steht vor einer ungewöhnlichen Herausforderu...
45 downloads
792 Views
553KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Susan Mallery
Sag nicht Nein
Die hübsche Karatelehrerin Daisy Jane Monroe steht vor einer ungewöhnlichen Herausforderung! Jedes Jahr finden in ihrer Heimatstadt Glenwood spannende Wettkämpfe statt, bei denen es bisher nur eine Siegerin gab: Daisy! Aber diesmal findet sie ihren Meister, denn der durchtrainierte Quinn Reynolds schlägt sie in jeder Disziplin! Tief beeindruckt von dem äußerst attraktiven Mann, versucht Daisy ihn zu überreden, ihr ein paar sportliche Tricks zu verraten. Doch Quinn ist nicht interessiert. Erst als Daisy zu ihrer letzten Trumpfkarte greift, scheint sie Erfolg zu haben: Mutig bietet sie ihm zärtliche Liebesstunden an…
2003 by Susan Macias Redmond Originaltitel: „Quinn’s Woman“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. Amsterdam Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA Band 1434 (20/1) 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Tatjana Lenart-Seidnitzer Fotos: Corbis GmbH
1. KAPITEL „Versuch bitte, ihn lebend zurückzubringen“, sagte Sheriff Travis Haynes und deutete mit dem Kopf zu dem Soldaten, der neben dem Podium wartete. „Lebend kann ich versprechen“, erwiderte DJ. Monroe, während sie ein Gewehr von dem Stapel auf dem Tisch nahm. „Mit heilen Knochen könnte etwas schwieriger werden.“ Die Männer schmunzelten, doch der fragliche Soldat erblasste. Sie warf ihm das Gewehr zu, nahm ein zweites für sich und setzte sich in Bewegung. Sie ging davon aus, dass ihr Partner für die nächsten vierzehn Stunden folgen würde. Etwa dreißig Sekunden später hörte sie rasche Schritte auf dem feuchten Untergrund. „Wie heißt du, Junge?“ fragte sie, als er sie eingeholt hatte. „Soldat Ronnie West, Ma’am.“ Sie musterte ihn flüchtig. Er war groß – ein gutes Stück größer als sie – und dünn. Sein rotes Haar leuchtete wie eine Boje. Von Bartwuchs war nichts zu sehen. „Bist du überhaupt schon achtzehn?“ „Ja, Ma’am, seit vier Monaten.“ „Darf ich dich trotzdem duzen?“ „Natürlich.“ „Bist du beleidigt, weil du einer Frau zugeteilt wurdest?“ „Nein, Ma’am. Ich fühle mich geehrt. Mein Sergeant hat gesagt, dass Sie die Beste sind und ich verdammtes Glück habe, dass ich von Ihnen lernen darf.“ Er zog den Kopf ein. „Entschuldigung, dass ich geflucht habe.“ Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Das Manöver, das alljährlich vom Sheriffbüro, der Feuerwehr und den Sanitätern von Glenwood auf dem Armeestützpunkt abgehalten wurde, gab den Beteiligten eine Chance, zu lernen und Spaß zu haben. Den Vormittag über waren Hindernisrennen und Schießübungen veranstaltet worden. Das interessierte sie nicht sonderlich. Sie freute sich auf die Eroberungsphase der Spiele. Bis sechs Uhr am nächsten Morgen sollten feindliche Gefangene eingebracht werden. In den letzten zwei Jahren hatte sie in dieser Sparte gewonnen. Es war eine Frage der Ehre für sie. Die anderen Mitspieler murrten stets darüber und verstanden nicht, wie sie das schaffte, zumal sie sich immer unerfahrene Rekruten zum Partner nahm. „Ronnie, lass uns ein paar Grundregeln aufstellen. Du kannst fluchen, so viel du willst. Ich bezweifle, dass du ein Schimpfwort kennst, das ich noch nicht gehört – oder gesagt habe.“ Sie lächelte ihn an. „Okay?“ „Ja, Ma’am.“ „Gut. Während dieser Mission habe ich die Leitung. Du bist hier, um zuzuhören, zu lernen und Befehle zu befolgen. Wenn du mir in die Quere kommst, schneide ich dir ein Ohr ab. Oder etwas, das du noch mehr vermissen wirst. Verstanden?“ Er schluckte schwer und nickte. „Du bist gut fünfzehn Zentimeter größer als ich und wiegst etwa zwanzig Kilo mehr. Zweifelst du daran, dass ich dich im Handumdrehen überwältigen könnte?“ Er musterte sie von den Militärstiefeln über den Tarnanzug bis zum Gesicht. „Nein, Ma’am.“ „Vergiss das nicht.“ Sie holte ihren Rucksack aus dem Zelt, das ihr Team als Hauptquartier benutzte, nahm ein Messer heraus und steckte es sich in den rechten Stiefel. Ronnie hatte seine Ausrüstung bereits bei sich. „Überprüf deine Waffen“, ordnete sie an. Er runzelte die Stirn. „Die sind nicht geladen.“ „Tu es trotzdem.“
„Jawohl, Ma’am.“ Er folgte ihrem Beispiel und vergewisserte sich, dass weder das Gewehr noch die Pistole geladen war. Missmutig blickte sie hinauf in den grauen regnerischen Himmel, zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht und wünschte, die Sonne würde scheinen. Für Ende Juni war es viel zu feucht und kalt. Ronnie folgte ihr in den Wald und machte dabei so viel Lärm wie eine ganze Elefantenherde. Aber zumindest war er nicht geschwätzig. Ihr Partner im vergangenen Jahr hatte unablässig geplappert. Zwei Stunden später waren sie tief im feindlichen Gebiet. Sie verlangsamte den Schritt, um zu verhindern, dass der Junge durch sein Getrampel ihre Position verriet. Ihr Hemd war feucht und klebte ihr am Körper, was sie hasste. Regen tropfte von ihrer Mütze. Voraus hörte sie eine Bewegung. Sie blieb stehen, ebenso wie Ronnie. Stumm reichte sie ihm ihren Rucksack und bedeutete ihm zu warten. Dann schlich sie sich seitlich an. Ein Mann saß auf einem Baumstumpf und studierte eine Landkarte. Sie erkannte in ihm einen Sanitäter aus Fern Hill. Er war Mitte dreißig, ganz gut in Form, aber keine große Herausforderung. Bewusst trat sie auf einen Zweig und suchte Deckung hinter einem dicken Baum. Der Mann sprang auf und drehte sich zu dem Knacken um. Sein Rucksack lag auf dem Boden, ebenso sein Gewehr. Als er sich ihrem Standort näherte, packte sie von hinten seinen Arm und riss ihm mit einem Fuß die Beine weg, so dass er hart zu Boden ging. Ehe er wusste, wie ihm geschah, hatte sie ihn schon umgedreht und fesselte ihm die Hände auf dem Rücken. „Okay, Kid, du kannst rauskommen!“ rief sie. Ronnie erschien mit ihrem Rucksack. Mit offenem Mund starrte er zu dem wehrlosen Mann, dem sie gerade die Füße fesselte. „Das war echt cool.“ Der Sanitäter wirkte nicht amüsiert. „Und was jetzt?“ DJ. lächelte. „Jetzt ruhen Sie sich aus, während wir weiter nach Beute suchen. Ich werde nicht unsere Zeit verschwenden und mit nur einem Gefangenen ins Hauptquartier zurückkehren.“ „Sie können mich doch nicht hier liegen lassen. Es regnet. Der Boden ist ganz nass.“ Sie zuckte die Achseln. „Es ist Krieg.“ Er schrie immer noch, als sie schon fast eine Viertelmeile entfernt waren. Sie hätte ihn gern geknebelt, doch das verstieß gegen die Spielregeln. Schade. Eine Stunde später stießen sie auf drei Männer, die beieinander standen und rauchten. Sie unterhielten sich und lachten unbesorgt. DJ. schätzte die Situation ein und zog Ronnie weit genug zurück, so dass sie sich im Flüsterton unterhalten konnten. „Wenn man gewinnen will, muss man zu allem bereit sein“, erklärte sie, während sie ihren Rucksack ablegte. „Du schleichst dich im Halbkreis von hinten an. Sobald du in Position bist, lenke ich sie ab, und dann zielst du mit dem Gewehr auf ihre Rücken.“ Ronnie nickte, aber sie sah den Zweifel in seinem Blick. Er konnte sich nicht erklären, wie sie gleichzeitig drei Männer ablenken wollte. Sie lächelte. Es war ja so einfach. Zuerst zog sie sich das langärmelige Hemd aus. Darunter trug sie ein olivgrünes Trägerhemd ohne BH. Mit großen Augen starrte er sie an. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Er errötete, wich einen Schritt zurück und murmelte eine Entschuldigung. Während er sich offensichtlich fragte, ob sie ihm ein Ohr – oder Schlimmeres – abschneiden würde, zog sie das Hemdchen bis kurz unter dem Busen hoch und
verknotete den Saum, so dass sich der Stretchstoff über ihren Brüsten spannte und der Bauch nackt war. Dann lockerte sie den Hosenbund, rollte ihn hinab bis zu den Hüften und steckte die Pistole im Rücken hinein. Schließlich ließ sie die Mütze zu Boden fallen, band ihren Zopf auf und schüttelte die langen braunen Haare aus. Ronnie bewunderte sie mit offenem Mund. „Sie sehen toll aus“, stieß er unwillkürlich hervor. „Entschuldigung, Ma’am, ich wollte nicht…“ „Schon gut. Geh in Position. Ich gebe dir zwei Minuten Vorsprung.“ Sie wartete, ging dann mit vorgereckter Brust zu den Männern und verkündete kleinlaut: „Kann mir jemand helfen?“ Alle drei gehörten der Armee an, waren erfahrene Profis. Aber sie hatten nicht erwartet, auf eine dürftig bekleidete Frau im Wald zu treffen. Es war kalt und feucht, und alle drei Augenpaare hefteten sich auf ihre Brust. Der älteste Mann trat einen Schritt vor. „Was ist denn das Problem?“ In einer verzweifelten Geste strich sie sich durch die Haare. „Das ist einfach nichts für mich. Ich weiß nicht mal mehr, zu welchem Team ich gehöre. Ich habe mich nur für das Spiel angemeldet, weil mein Freund es wollte, und dann hat er mich vor drei Tagen sitzen lassen.“ Sie blinzelte. „Mir ist kalt, und ich bin müde, und ich habe mich verlaufen.“ Die Männer näherten sich ihr eifrig. „Stehen bleiben! Hände hoch!“ DJ. musste zugeben, dass Ronnies Stimme erstaunlich befehlsgewaltig klang. Die Männer wirbelten zu ihm herum und gaben ihr somit Gelegenheit, ihre Pistole zu zücken. Zwei der Offiziere fluchten, der dritte lachte und lobte: „Verdammt gute Show.“ „Danke.“ Wenige Minuten später waren alle drei gefesselt. Sie rollte den Hosenbund hoch und löste den Knoten aus dem Trägerhemd. Dann holte sie ihren Rucksack und schlüpfte in das Hemd. „Unseretwegen brauchen Sie sich nicht anzuziehen“, sagte einer der Offiziere grinsend. „Nackt steht Ihnen.“ „Wie schmeichelhaft“, murmelte sie und drehte ihm den Rücken zu. Warum gingen Männer immer davon aus, dass Frauen an ihren Avancen interessiert waren? „Weißt du noch, wo der Sanitäter ist?“ fragte sie Ronnie. „Ja, Ma’am.“ „Gut. Nimm die drei mit und geh ihn holen. Bring sie ins Hauptquartier und achte darauf, dass uns der Bonus gutgeschrieben wird.“ Je früher die Feinde ins Lager gebracht wurden, umso mehr Pluspunkte wurden erzielt. „Dann komm wieder her. Ich suche inzwischen nach weiteren potenziellen Gefangenen. Ich bleibe im Umkreis von einer Viertelmeile.“ Grinsend fügte sie hinzu: „Ich höre dich bestimmt kommen.“ „Ja, Ma’am.“ Sie blickte ihm nach, als er die drei Gefangenen wegführte, die nur lose an den Händen gefesselt waren. Denn die Spielregeln besagten, dass sie keinen Fluchtversuch mehr unternehmen durften, sobald der Rückmarsch zum Lager angetreten war. Aber vorsichtshalber hatte sie sich die Namen geben lassen, falls sie sich doch aus dem Staub machen wollten. Als sie allein war, nahm sie ihren Rucksack und streifte durch die Gegend. Eine Zeit lang war alles still ringsumher. Dann, nach einer Dreiviertelstunde, hörte sie etwas. Es waren keine Schritte und auch keine knackenden Äste. Sie konnte das Geräusch nicht eindeutig identifizieren, aber es ließ ihre Nackenhaare zu Berge stehen.
Da draußen war jemand. Sie versteckte den Rucksack im Laub und machte sich auf die Suche. Zuerst schlich sie nach Westen, dann nach Süden. Sie ging instinktiv vor, sah keine abgebrochenen Äste, keine Fußstapfen, keine aufgescheuchten Vögel oder Eichhörnchen. Offensichtlich hatte sie sich das undefinierbare Geräusch nur eingebildet. Eine knappe halbe Stunde später kam sie wieder an ihrem Ausgangspunkt an und stellte fest, dass sich ein Mann gerade über ihren Rucksack beugte. Empört ging sie zum Angriff über. Lautlos schlich sie sich bis auf einen Schritt an und drückte ihm den Gewehrlauf in den Rücken. „Bum, Sie sind tot“, sagte sie leise. „Richten Sie sich ganz langsam auf. Geister bewegen sich nicht schnell.“ Gelassen hob er die Hände hoch. „Ich habe Sie da draußen rumtrampeln gehört. Wo sind Sie so lange geblieben?“ Ihr gefiel weder die Frage noch der spöttische Ton, zumal sie wusste, dass sie sehr leise gewesen war. „Behalten Sie die Hände oben“, befahl sie und wich einen Schritt zurück, damit er ihr nicht das Gewehr abnehmen konnte. Dann analysierte sie die Lage. Der Mann war sehr groß und muskulös. Sein Verhalten sagte ihr, dass er kein Amateur war, im Gegensatz zu vielen anderen der Teilnehmer. Sie kannte ihn nicht, was bedeutete, dass er vermutlich nicht dem Armeestützpunkt angehörte. Sein Gewehr lag neben seinem Rucksack auf dem Boden, aber seine Pistole konnte sie nicht sehen, und das beunruhigte sie. „Wie lange wollen wir noch so rumstehen?“ fragte er gelassen. „Haben Sie vergessen, wie es weitergeht? Sie befehlen mir, mich umzudrehen. Dann mustern wir einander abschätzend, Sie machen mir Angst mit Ihrem Gewehr und fesseln mich. Können Sie sich das merken, oder soll ich es Ihnen Schritt für Schritt noch mal erklären?“ „Werden Sie nicht frech, Söhnchen.“ „Söhnchen?“ Er schmunzelte. „Honey, so alt klingen Sie auch wieder nicht.“ Arroganter Kerl, dachte sie verärgert. Zweifellos glaubte er, sie wäre leicht zu überwältigen, nur weil sie eine Frau war. Am liebsten hätte sie ihn in den Hintern getreten, aber so dumm war sie nicht. „Ich habe kein Interesse daran, Sie zu mustern. Verschränken Sie die Hände hinter dem Kopf, und gehen Sie auf die Knie.“ „Aber ich bin doch gerade erst aufgestanden“, protestierte er wie ein verwöhntes Kind, das sein Gemüse aufessen soll. „Warum überlegen Sie sich nicht zuerst, was Sie wollen, und sagen es mir dann?“ „Hören Sie, Mister, Sie…“ Er bewegte sich mit der Geschwindigkeit eines Gepards, der zum tödlichen Angriff übergeht. In einer Sekunde stand er noch reglos mit dem Rücken zu ihr, und in der nächsten war er herumgewirbelt und trat mit dem Fuß gegen das Gewehr. Schmerz zuckte durch ihren Arm, so dass sie es unwillkürlich fallen ließ. Aus dem Nichts zauberte er seine Pistole hervor und hielt sie ihr an den Kopf. Ihr Gehirn verarbeitete rasch die neue Situation. Er war äußerst kräftig und besaß blitzschnelle Reflexe. Er war gut, das musste sie ihm lassen. Aber er hatte das Gewehr, nicht ihre Hand getroffen. Hatte seine Mom ihm beigebracht, keine Gewalt gegen Frauen anzuwenden? Im Einklang mit ihrer Philosophie, jede verfügbare Waffe einzusetzen, hielt sie sich den Arm und wimmerte leise. Er behielt die Pistole auf sie gerichtet, trat aber einen halben Schritt näher. „Was ist? Ich habe das Gewehr getreten, nicht Sie.“ Sie starrte ihn an. „Vielleicht haben Sie darauf gezielt, aber getroffen haben Sie
es nicht.“ Sie rang nach Atem. „Ich glaube, mein Handgelenk ist gebrochen.“ „Ich habe Ihr Handgelenk nicht getroffen.“ „Ach so. Weil Sie ja durch Ihre schweren Stiefel genau fühlen konnten, was Sie getroffen haben. Mein Irrtum.“ Entzückt stellte sie fest, dass er hinab zu seinen Stiefeln blickte. Eine Nanosekunde Unachtsamkeit war alles, was sie brauchte. Sie kickte ihm mit dem Fuß voll in den Magen. Noch während er nach Atem rang, griff er nach ihrem Bein. Aber sie hatte es vorausgesehen und wich ihm behände aus. Seine Pistole verschwand ebenso schnell, wie sie aufgetaucht war. Er musste immer noch in Atemnot sein, aber er attackierte sie erneut, und sie fand sich unverhofft auf dem feuchten Boden wieder. Während sie zu ergründen suchte, wie er das angestellt hatte, fiel ihr auf, dass sie nirgendwo Schmerz verspürte. Wie hatte er seine Kraft derart dosieren können? Hastig rappelte sie sich auf, ging in die Hocke und konzentrierte sich auf einen Gegenangriff, anstatt zu warten, bis sie übertölpelt wurde. Als sie zum Sprung ansetzte, sah sie etwas glitzern. Instinktiv griff sie danach. Es war seine Pistole, die ihr jedoch gleich wieder entglitt, als er ihr mit der Handkante auf den Arm schlug. Mit dem Fuß schleuderte sie die Waffe in die Luft und fing sie mit der Hand wieder auf. Er duckte sich, als sie sich auf ihn stürzen wollte. Doch sie rutschte auf dem feuchten Laub aus. Im Fallen schoss ihr rechter Arm vor, und die Pistole traf ihn hart am Hinterkopf. Er ging zu Boden wie ein Stein. Er ist tot, war ihr erster Gedanke. Dann sah sie das stete Heben und Senken seiner Brust. Ihr zweiter Gedanke war, dass sie ihn schleunigst fesseln sollte. Denn wenn er erst mal wieder bei Bewusstsein war, gab er ihr sicherlich keine Chance mehr dazu.
2. KAPITEL Sobald Quinn zu sich kam, registrierte er die Tatsache, dass er mit gefesselten Händen auf dem Rücken im Schlamm lag. Er war überwältigt worden – nicht durch überlegene Kraft oder Technik, sondern durch Pech. War es nicht immer so? Was nun? Er beschloss, noch eine Weile den Bewusstlosen zu spielen, um seine Fängerin im Unklaren über seinen Zustand zu lassen. Doch dann spürte er eine Hand auf dem Fußknöchel. Aus lauter Neugier schlug er die Augen auf. Die Sonne war untergegangen, doch eine kleine Laterne auf dem Boden spendete Licht. Er verstand nicht ganz, warum sie riskierte, ihre Position durch das Licht zu verraten, aber er war froh, dass er sie beobachten konnte. Die Frau hockte neben ihm. Sie tastete die Innenseite seines Knöchels ab und zog das Taschenmesser aus dem Stiefel. Er wandte den Kopf und sah, dass sie das zweite bereits von seinem Gürtel entfernt hatte. Nacheinander tastete sie seine Beine bis zum Knie ab und strich dann an seinem Schenkel hinauf. Als sie beinahe sein bestes Stück erreicht hatte, sagte er grinsend: „Ein bisschen weiter links.“ Sie blickte auf. Während des Kampfes war ihr die Mütze abgefallen. Er registrierte einen langen braunen Zopf und braune Augen, wohlgeformte Lippen und Sommersprossen auf leicht gebräunter Haut. Hübsch, dachte er. Nein, mehr als hübsch. Sie wirkte feminin und zäh zugleich. Eine außerordentlich faszinierende Mischung. „Aha, weiter links also.“ Sie zog die adrett geschwungenen Augenbrauen hoch, legte ihm eine Hand auf die Leiste und tätschelte ihn. „Ich weiß ja, dass die meisten Männer ihre Ausstattung für eine Waffe halten, aber für mich ist das nicht weiter interessant.“ Er schmunzelte. „Das sagen Sie jetzt, wo ich gefesselt und machtlos in Ihrer Gewalt bin.“ „Es gibt keine Umstände, die meine Ansicht ändern könnten.“ Sie tastete sein zweites Bein ab, dann seinen Bauch und seine Brust. Ihm gefiel, ihre Hände auf dem Körper zu spüren. Sie ging schnell genug vor, um zu beweisen, dass sie wirklich nicht interessiert war, aber gründlich genug, um verborgene Waffen zu finden. Als sie seine Jacke untersucht hatte, bemerkte sie: „Sie scheinen entwaffnet zu sein.“ „Soll ich nicht das Hemd ausziehen? Ich könnte mir etwas auf die Brust geklebt haben.“ „Falls dem so wäre, würden Sie nicht so leicht rankommen, oder?“ Sie klopfte ihm auf den Oberarm. „Ich verstehe mich aufs Fesseln.“ Das war ihm bereits klar. Das Seil hatte sich nicht durch Zerren lockern lassen. Er musste wohl einen anderen Fluchtplan aushecken. Nicht, dass er beabsichtigte, umgehend zu verschwinden. Seine Fängerin bot die größte Unterhaltung seit Monaten. Er musterte ihre Gestalt, verharrte lange genug auf ihrem Busen, dass sie die Schultern straffte. Dann richtete er die Aufmerksamkeit auf ihr Gesicht. Sie kniff Augen und Lippen zusammen, aber sie beklagte sich nicht. Irgendwann hatte sie die Regeln gelernt – wenn sie in einer Männerwelt spielen wollte, musste sie sich nach Männerregeln richten. Aber das bedeutete nicht, dass es ihr gefiel. Sie starrten einander an, in einem kleinen Machtkampf. „Sie haben gemogelt“, sagte Quinn leise. Er wartete, dass sie errötete und
schuldbewusst den Blick abwandte. Sie zuckte nur die Schultern. „Ich habe gewonnen.“ „Sie haben einen Unfall ausgenutzt.“ „Genau.“ Sie setzte sich neben ihn. „Hätten Sie es anders gemacht?“ Er hätte keinen Unfall zum Sieg gebraucht, aber das wusste sie bereits. „Außerdem war es meine einzige Chance, Sie zu fesseln.“ „Guter Gesichtspunkt.“ „Und wer sind Sie?“ „Ihr Kriegsgefangener. Beabsichtigen Sie, mich zu missbrauchen?“ Es zuckte um ihre Mundwinkel. „Machen Sie sich keine Hoffnungen. Sie sind total sicher vor mir.“ „Verdammt schade.“ Das Zucken drohte zu einem Lächeln auszuarten, aber sie beherrschte sich und legte eine ernste Miene auf. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“ „Ich weiß.“ Beizeiten würde er ihr sagen, wer er war, aber momentan amüsierte er sich, trotz des kalten Abends und feuchten Schlamms. Er hatte ein langweiliges Manöver erwartet und freute sich, dass dem nicht so war. „Wenn Sie mir Ihren Namen schon nicht verraten wollen, dann sagen Sie mir wenigstens, warum Sie zu Ihren Stiefeln geguckt haben. Sie sind ein guter Kämpfer und mussten wissen, dass es ein Fehler war.“ Nun unterdrückte er ein Lächeln. Er war verdammt mehr als ein guter Kämpfer. „Ich wusste, dass Sie mich reinlegen wollten, und war gespannt, was Sie tun würden.“ Sie versteifte sich. „Sie wollten mich testen?“ „Eher mit Ihnen spielen.“ Empört rang sie nach Atem und blickte ihn vernichtend an. „Quinn Reynolds“, sagte er, um sie abzulenken. „Da Sie mich bereits am ganzen Körper abgetastet haben, sollten wir uns duzen“, fügte er herausfordernd hinzu. „Von mir aus“, entgegnete sie. Da sie offensichtlich nicht gewillt war, ihren Namen zu nennen, wechselte er das Thema. „Wo ist dein Partner?“ „Er wird jeden Moment zurückkommen, und dann bringen wir dich ins Lager. Er hat unsere ersten vier Gefangenen abtransportiert. Und wo ist deiner?“ „Ich bin zu spät hier eingetroffen, um einen abzukriegen. Außerdem arbeite ich lieber allein.“ „Ja, sicher“, erwiderte sie belustigt. „Das tut ihr paramilitärischen Machos immer.“ „Das ist ein Vorurteil.“ „Das ist zutreffend.“ Quinn konnte nicht widersprechen. Er blickte zum Himmel hinauf. „Es wird gleich wieder regnen. Wenn du mich schon nicht ins Lager bringst, könntest du mich wenigstens vor Nässe schützen.“ Auch sie blickte zum Himmel hinauf, sah aber nicht viel in der Dunkelheit. Eigentlich erwartete er, dass sie ihn im Schlamm liegen ließ. Doch sie holte eine Plane aus ihrem Rucksack und breitete sie unter einem Baum aus. Dann packte sie Quinn unter den Armen und zog ihn hinüber. Ihre Kraft beeindruckte ihn, während ihn ihre verärgerte Miene amüsierte. Warum war sie so sauer? Weil er ihr überlegen und nur so lange ihr Gefangener war, wie es ihm beliebte? Weil ihr Partner noch nicht zurück war? „Du bist nicht beim Militär, stimmt’s?“ erkundigte er sich. Sie setzte sich im Schneidersitz auf eine Ecke der Plane. „Woher willst du das
wissen?“ „Irre ich mich?“ Sie schüttelte den Kopf. In diesem Moment öffnete der Himmel seine Schleusen. In wenigen Sekunden bildete sich auf dem Platz, auf dem er gelegen hatte, eine riesige Pfütze. Er zog die Knie an die Brust, um trockene Füße zu behalten. Seine Fängerin wirkte verärgert. Er hörte sie förmlich denken. Woher hat er gewusst, dass es gleich regnet? Wer ist der Typ überhaupt? „Wenn du mir deinen Namen nicht sagen willst, kann ich ja raten“, sagte er. Sie rückte die Laterne näher und ignorierte ihn. „Brenda?“ Sie zuckte nicht mit der Wimper. „Bambi? Heather? Chloe? Sarah? Destiny?“ Sie seufzte „DJ.“ Er wollte wissen, wofür die Initialen standen, aber das erwartete sie sicherlich. „Ich würde mich ja gern gebührend mit dir bekannt machen, aber momentan sind mir die Hände gebunden.“ Sie grinste. Sinn für Humor. Das gefiel ihm. Eine raue, zähe Frau in einer sehr femininen Verpackung. Wenn er sie nur noch dazu bringen konnte, ihn noch mal komplett abzutasten, war sein Abend gerettet. DJ. blickte zur Uhr. Fast vier Stunden waren vergangen, seit Ronnie aufgebrochen war. Entweder hatte er sich verlaufen, oder er war gefangen genommen worden. Wäre er in der Nähe, würde sie ihn herumtrampeln hören. Die Stille verriet ihr, dass sie allein mit ihrem Gefangenen war. Sie richtete die Aufmerksamkeit auf Quinn. Dafür, dass er seit Stunden gefesselt auf dem Boden saß, wirkte er überraschend entspannt. Der Regen hatte aufgehört, aber es war noch immer feucht und kalt. Sie wäre liebend gern ins Lager zurückgekehrt. Nur eine Sache hielt sie davon ab – eine sehr große, sehr starke, sehr männliche Sache. „Die Spielregeln besagen, dass ein Gefangener auf dem Rückmarsch ins Lager keinen Fluchtversuch mehr unternehmen darf“, eröffnete sie. „Er muss willig mitgehen.“ Quinn nickte. „Ich habe davon gehört.“ „Und?“ „Ich habe noch nie was auf Regeln gegeben.“ Wie sie gedacht hatte. Mit Ronnies Hilfe hätte sie eine reelle Chance gehabt, Quinn in Gewahrsam zu behalten, aber ihr allein würde er entkommen. Sie gestand es nur ungern ein, aber er war zu gut. „Wenn du nicht kooperieren willst, sitzen wir hier fest bis morgen früh. Dann wird uns eine Patrouille auflesen.“ „Ist mir recht. Ich muss keinen mitternächtlichen Marsch absolvieren, und du kriegst Punkte für meine Gefangennahme.“ Sie traute seiner bereitwilligen Zustimmung nicht, denn sie hielt ihn für einen Mann, der immer etwas im Schilde führt. Er lehnte sich zurück an den Baumstamm und deutete mit dem Kopf zu ihrem Rucksack. „Wenn wir hier schon die ganze Nacht bleiben, wie wäre es dann mit was zu essen?“ Ihr Magen knurrte prompt. Sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen. „Wo ist denn deine Ausrüstung?“ „Versteckt.“ Das war ihr Rucksack auch gewesen – bis er ihn offensichtlich mühelos gefunden
hatte. Sie holte vier Müsliriegel, zwei Schokoriegel, einen Apfel und eine Flasche Wasser heraus. „Kein Fast Food?“ fragte er. „Mir ist nach Pommes.“ „Da wirst du warten müssen, bis sie im Gefängnis auf dem Speiseplan stehen.“ „Na ja, das hier ist immer noch besser als jede Eiserne Ration.“ Sie hatte ein paar Mal die konservierten Lebensmittel probiert, die Soldaten mit in den Kampf nahmen. Obwohl es nicht so scheußlich schmeckte, wie man behauptete, war sie kein Fan davon. „Du bist also beim Militär?“ „Gewissermaßen.“ „Spezialeinheit?“ „Gewissermaßen.“ Sie war sich nicht sicher, ob er so ausweichend antwortete, weil er sie ärgern wollte, oder ob er nicht über seinen Aufgabenbereich sprechen durfte. Er drehte ihr halb den Rücken zu und hielt ihr die gefesselten Hände hin. „Bindest du mich los, damit ich essen kann?“ Sie schmunzelte. „Im Leben nicht.“ Er drehte sich wieder zurück. „Dann musst du mich wohl füttern.“ Sie ignorierte das belustigte Funkeln in seinen Augen und wickelte einen Müsliriegel aus. „Ich habe dich noch nie in dieser Gegend gesehen. Du bist nicht hier stationiert, oder?“ „Nein. Ich bin vorgestern eingeflogen und erst heute Morgen in Glenwood angekommen. Ich bin hier, um meinen Bruder zu treffen.“ Sie brach den Riegel in kleine Stücke und reichte ihm eines. Da er sich nicht zu ihr beugte, musste sie den Arm über seinen Körper strecken. Erst als ihre Finger seinen Mund fast berührten, nahm er den Bissen an. „Das Ambiente lässt einiges zu wünschen übrig, aber über den Service kann ich mich nicht beklagen“, bemerkte er. „Woher bist du eingeflogen?“ „Nahost.“ Sie gab ihm ein zweites Stück. „Und du? Lebst du in Glenwood?“ „Ja.“ „Was tust Du?“ Sie zögerte, denn sie gab nicht gern persönliche Informationen. Schließlich sagte sie: „Ich unterrichte freiberuflich Frauen und Kinder in Selbstverteidigung. Ich arbeite außerdem mit staatlichen Organisationen und privaten Firmen zusammen. Sie konsultieren mich bei der Befreiung von Kindern aus gefährlichen Situationen.“ „Familienentführung?“ „Manchmal.“ Familienentführung bedeutete die Entführung durch das nicht sorgeberechtigte Elternteil. „Oft geht es auch um Kidnapping mit Lösegeldforderung oder aus Rache.“ Sie verstummte, sobald ihr bewusst wurde, dass sie Quinn beeindrucken wollte. Was kümmerte es sie, was dieser Typ von ihr dachte? Sie fütterte ihn mit dem letzten Stück und wickelte einen Riegel für sich selbst aus. „Gibt es einen Mr. DJ.?“ „Nein.“ „Einen ehemaligen Mr. DJ.?“ „Nein.“ „Warum nicht? Eine hübsche Frau wie du sollte verheiratet sein.“ Sie lachte. „Du klingst wie eine italienische Mama. Ich will nicht heiraten. Die Ehe ist eine Institution, die Männer erfunden haben, um ihre Bedürfnisse zu
befriedigen. Sie kriegen eine Vollzeithaushälterin und ein Kindermädchen. Dafür müssen sie nicht nur nicht bezahlen, sondern die meisten Ehefrauen gehen außerdem auch noch arbeiten und bringen Geld nach Hause. Das ist eine tolle Sache für Männer. Aber was haben Frauen davon?“ „Sicherheit.“ „Ach so? Sag das mal den Frauen im Frauenhaus, die von ihren liebenden Ehemännern zusammengeschlagen wurden.“ „Also hältst du deine Männer an einer kurzen Leine?“ „Ich halte sie im Käfig.“ Er lachte. „Nehmen alle Reißaus vor dir, oder gibt es einige, die tapfer genug sind, es mit dir aufzunehmen?“ „Die meisten laufen weg. Sie wollen sanfte, vertrauensselige Frauen.“ „Du kannst auch sanft sein.“ „Richtig. Ich bin eine zarte Blume.“ „Militärstiefel und ein paar kunstvolle Kampftechniken ändern nichts daran, dass du eine Frau bist.“ Sie hielt sich für kompetent und unabhängig, nicht für sanft. Sanft bedeutete schwach. „Meine Techniken sind nicht kunstvoll, sondern effektiv, und ich habe mehr als nur ein paar davon drauf.“ „Harte Sprüche für ein Mädchen.“ Sie hielt ihm ein Stück vom Riegel hin. „Willst du das essen oder lieber weiterquasseln?“ Gehorsam öffnete er den Mund, um sich weiterfüttern zu lassen. Sie rückte näher. Diesmal, als er den Bissen nahm, streiften seine Lippen ihre Fingerspitzen. Ihre Haut prickelte unter der Berührung, und sie spürte ein Flattern in der Magengegend. Was in aller Welt war das? Sie reagierte nicht auf Männer. Nicht jetzt, nicht sonst. Sie mochte nur wenige und traute selten einem. Beunruhigt, aber entschlossen, es nicht zu zeigen, fütterte sie ihn weiter, ohne ihn noch einmal zu berühren. Während sie ihren zweiten Riegel verzehrte, versuchte sie zu ergründen, was vor sich ging. Okay, Quinn war nicht wie die anderen Männer, die sie kannte. Ihre Person ließ ihn ebenso kalt wie seine Gefangennahme. Er war ein ausgezeichneter Kämpfer und vermutlich bei einer Spezialeinheit in Übersee stationiert. Er war… groß, dunkelhaarig, gut aussehend. Natürlich! Erleichterung durchströmte sie, als sie erkannte, dass Quinn Reynolds sie an die Brüder Haynes erinnerte. Alle vier besaßen diesen Körperbau, die dunkle Haarfarbe, die Gesichtsform. Sie kannte Travis und Kyle schon, seit sie nach Glenwood gezogen war. Im Laufe der Jahre hatte sie weitere Brüder kennen gelernt. Alle waren anständig und gehörten zu den wenigen Männern, denen sie traute. Quinn sah ihnen ähnlich genug, um sie aus dem Konzept zu bringen. Nachdem dieses Problem gelöst war, entspannte sie sich. „Ich glaube nicht, dass dein Partner wiederkommt“, bemerkte er nebenhin. DJ. nickte. „Ronnie ist nicht besonders gut im Wald. Bestimmt hat er sich verlaufen. Oder er wurde gefangen genommen.“ „Bist du sicher, dass du ihn nicht irgendwo angebunden zurückgelassen hast?“ Sie grinste, „He, wir sind Partner. Ich würde ihm nie was tun. Ich habe mich damit begnügt, ihm zu drohen.“ „Hatte er Angst?“ „Tierisch. Er ist gerade mal achtzehn und Rekrut. Aber er weiß Befehle zu befolgen. Wir haben in den ersten Stunden sogar schon zusammen vier Gefangene gemacht. Drei davon sind Armeeoffiziere.“
„Wie habt ihr das denn geschafft?“ Sie berichtete ihm, wie sich die Sache zugetragen hatte. Quinn schüttelte den Kopf. „Bist du immer zu allem bereit, um zu gewinnen?“ „Ich bin zu allem bereit, um die Kontrolle zu behalten.“ Er blickte zu ihrem Handgelenk. „Also habe ich dich vorhin nicht wirklich getreten. Du hast es nur vorgetäuscht.“ „Natürlich.“ „Respekt.“ „Wie hast du es eigentlich geschafft, mich zu Boden zu werfen, ohne mir wehzutun? Ich habe fast nichts gespürt.“ Er grinste. „Ich habe geschickte Hände.“ Sie verdrehte die Augen. „Es ist mir ernst.“ „Mir auch. Außerdem tue ich Frauen keine Gewalt an.“ Er streckte sich auf der Plane aus. „Wenn du mich schon hier draußen im Regen liegen lässt, kannst du dich wenigstens an mich kuscheln, damit uns warm wird.“ „Wohl kaum.“ „Das ist die Frau, die aus dir spricht.“ Sie wollte protestieren, doch er hatte Recht. Es war so kalt, dass sie zitterte und an Schlaf nicht zu denken war. Aber sich zu einem fremden Mann zu legen, war nicht ihr Ding. „Hemmungen?“ hakte er nach, Sie rückte näher. Sie hatte zwar mit einigen Männern geschlafen, war aber danach nie eingeschlafen und nie über Nacht geblieben. Doch Quinn war kein Geliebter, sondern ein Gefangener. Das änderte die Situation beträchtlich. Er war groß und stark, und als sie zu ihm rückte, spürte sie seine Wärme. „Ich könnte ein Kissen gebrauchen.“ Sie schob ihm den Rucksack unter den Kopf. Er lächelte. „Danke.“ „Keine Ursache. Schlaf jetzt.“ „Ich kann nicht. Meine Arme tun weh.“ Sie starrte ihn an. Sein Gesicht war ihrem sehr nahe. Deutlich sah sie lange, dunkle Wimpern und Bartstoppeln auf seinem Kinn. „Ich binde dich nicht los. Wenn du versprichst, dich zu benehmen, bringe ich dich ins Lager.“ „Ich benehme mich fast nie.“ „Das überrascht mich gar nicht.“ Sie knipste die Laterne aus und legte sich neben ihn. Irgendwie war es ihm gelungen, die Position so zu wechseln, dass ihr Kopf auf seiner Schulter landete. Instinktiv wollte sie zurückschrecken. Da er aber nicht merken sollte, dass es sie aufwühlte, hielt sie still. Bewusst verlangsamte sie die Atmung, und nach einer Weile entspannte sie sich. „Das ist nett“, sagte er in die Dunkelheit. „Hm.“ „Kriege ich keinen Gutenachtkuss?“ „Nein.“ „Du bist versucht, aber nervös. Das verstehe ich. Ich bin ein starker, überwältigend gut aussehender Mann, der dich antörnt. Aber du brauchst nicht nervös zu sein. Ich werde ganz sanft sein.“ „Du wirst nichts als Luft küssen.“ „Du musst mich nicht mal losbinden. Du kannst die Situation ausnutzen. Ich habe nichts dagegen.“ „Halt den Mund und schlaf.“ Er seufzte schwer. „Nur ein Kuss.“
„Nein.“ „Ohne Zunge. Komm schon, du willst es. Es dauert gar nicht lange, und dann können wir schlafen.“ „Du gehst mir auf die Nerven“, murrte sie und knipste die Laterne wieder an. Quinn schürzte die Lippen und bewegte sie wie ein Fisch, der nach Luft schnappt. Sie schmunzelte unwillkürlich. „Gib mir dein Wort, dass du danach still bist und schläfst.“ „Ich würde ja gern die Hand aufs Herz legen, aber ich bin momentan etwas verhindert.“ „War das ein Ja?“ „Ja.“ Sie beugte sich über ihn. Kaum berührten sich ihre Lippen, als sie erneut eine Woge der Hitze verspürte. Sie erwartete eine stürmische Reaktion von ihm, aber er rührte sich nicht. Sie war sich nicht mal sicher, ob er atmete. Allmählich erhöhte sie den Druck. Etwas regte sich in ihr. Panik stieg in ihr auf, als ihr bewusst wurde, dass sie es tatsächlich genoss. Verlockung, Verlangen, Sehnsucht, all das war zu riskant. Sie wusste es besser. Sie hatte es ihr ganzes Leben lang besser gewusst. Aber sie wollte ihn nicht spüren lassen, wie verunsichert sie war. Statt abrupt zurückzuweichen, beendete sie den Kuss ganz langsam und öffnete die Augen. Sie wappnete sich gegen eine spöttische Bemerkung, aber Quinn lächelte nur – nicht siegreich, nicht spöttisch, sondern zufrieden. Es war nur ein Kuss, sagte sie sich, als sie die Laterne löschte und sich hinlegte. Was war schon dabei? Es hatte nichts zu bedeuten.
3. KAPITEL Quinn erwachte im Morgengrauen in dem großen Schlafzelt und streckte sich auf dem Feldbett, das wesentlich bequemer war als die Plane unter dem Baum, auf der er den ersten Teil der Nacht verbracht hatte. Er hatte die Gesellschaft einer faszinierenden, wundervollen Frau gegen Komfort eingetauscht. Er lächelte in Erinnerung an den vergangenen Abend. Wenn DJ. aufwachte und seine Flucht bemerkte, würde sie vor Wut schäumen. Schade, dass es ihm entging. Aber er war überzeugt, dass sie ihn aufsuchen und eine Erklärung fordern würde. Fünfzehn Minuten später saß er an einem Tisch im Kasinozelt und trank Kaffee. Er hatte die Morgenzeitung vor sich aufgeschlagen, doch statt zu lesen, beobachtete er den Eingang in der Erwartung, eine große, wohlgeformte Brünette hereinstürmen zu sehen. Stattdessen sah er seinen Bruder kommen. Grinsend trat Gage an den Tisch. „Du hast es also geschafft.“ Quinn stand auf. Sie umarmten sich flüchtig und klopften sich auf die Schultern. „Das ist Travis Haynes“, stellte Gage den Mann vor, der ihm gefolgt war. „Er ist der hiesige Sheriff.“ Quinn schüttelte dem Mann die Hand, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Doch er war sicher, diesen Travis Haynes noch nie gesehen zu haben. Er vergaß kein Gesicht. „Ich fasse es nicht“, murmelte Travis. „Wir sollten uns lieber setzen und darüber reden.“ Quinn sank wieder auf seinen Stuhl. Gage und Travis nahmen ihm gegenüber Platz. „Ist bei dir alles klar?“ erkundigte sich Travis. Quinn nippte an seinem Kaffee. „Wenn du mir was zu sagen hast, dann rück raus damit.“ Gage nickte, „Ich wollte nur…“ „Ich sollte lieber gehen“, warf Travis ein. „Wir können uns treffen, nachdem ihr beide geredet habt.“ Gage schüttelte den Kopf. „Bleib hier. Es betrifft dich auch. Außerdem kannst du eventuelle Fragen am besten beantworten.“ Er wandte sich an Quinn. „Tut mir Leid, dass ich so geheimnisvoll tue. Ich wollte es dir nicht am Telefon oder schriftlich mitteilen. Danke, dass du gekommen bist.“ Quinn zuckte die Achseln. Sein Beruf verhinderte oft monatelang jeden Kontakt. Seine Familie konnte ihm nur eine Nachricht unter einer Geheimnummer hinterlassen und warten, bis er sich meldete. Manchmal war es ihm schon nach einigen Tagen möglich, doch meistens vergingen Wochen oder Monate. Gage hatte die erste Nachricht vor zwei Monaten hinterlassen. Die zweite mit der Aufforderung, nach Glenwood zu kommen, war vor einigen Tagen erfolgt. „Hast du mit Mom gesprochen?“ fragte Gage. „Ja. Sie hat gesagt, dass alles in Ordnung sei.“ Er runzelte die Stirn. Hatte sie ihm etwas verschwiegen? War sie krank? Keineswegs überraschend erriet Gage seine Gedanken. „Es geht ihr gut. Ich dachte nur, sie hätte vielleicht etwas erwähnt.“ Er seufzte. „Es ist schwerer, als ich dachte.“ „Spuck es einfach aus.“ „Okay. Ralph Reynolds war nicht unser leiblicher Vater. Er und Mom konnten keine Kinder zusammen kriegen. Beide wollten welche, und so hat sie sich von einem andern schwängern lassen. Er heißt Earl Haynes. Travis ist sein Sohn und somit unser Halbbruder.“
Quinn hörte die Worte, doch die Bedeutung entging ihm zunächst. Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf, von denen keine einzige angenehm war. Erinnerungen an seinen Vater, der ihn ständig kritisierte, dem er nichts recht machen konnte. Dieser Vater war nicht sein Vater? „Für mich war es auch verdammt schwer zu verdauen“, sagte Gage. Das bezweifelte Quinn nicht. Gage und der alte Herr hatten sich bestens verstanden. Immer. Während Quinn es nicht hatte erwarten können, Possum Landing zu entfliehen, war Gage geblieben. Er war stolz darauf, die fünfte Reynolds-Generation in der Stadt zu sein, und war Sheriff geworden. „Bist du sicher?“ Gage nickte. „Mom hat es mir gesagt. Damals war es wesentlich schwieriger für unfruchtbare Paare, Abhilfe zu schaffen, und sie hatten kein Geld für irgendwelche Behandlungen. Es lag an ihm, nicht an ihr. Dad – Ralph kam auf die Idee, dass Mom sich von jemand schwängern lassen sollte, der ihm ähnlich sieht.“ „Das klingt barbarisch, selbst für den alten Herrn.“ „Sie war nicht glücklich darüber“, pflichtete Gage ihm bei. „Aber dann hat sie sich gefügt und ist nach Dallas gefahren. Dort hat sie Earl Haynes bei einer Messe kennen gelernt.“ „Und neun Monate später kamst du?“ „Ja. Ralph war glücklich darüber. Alle glaubten, er wäre der Vater, und alles war bestens.“ Bis ich daherkam, dachte Quinn ungerührt. Er hatte sich längst damit abgefunden, unerwünscht gewesen zu sein von dem Mann, den er für seinen Vater gehalten hatte. „Ein Jahr darauf traf sie sich wieder mit ihm und wurde schwanger mit dir. Also sind wir immer noch Brüder.“ Quinn konnte das alles noch nicht wirklich fassen, aber das kümmerte ihn nicht. Er wollte sich später damit auseinander setzen. Er grinste. „Und ich hatte schon gehofft, ich könnte dich endlich loswerden.“ „Keine Chance.“ Gage boxte ihn in den Arm. „Vergiss nicht, dass ich immer noch älter bin, besser aussehe und dir in jeder Hinsicht überlegen bin.“ Quinn lachte gutmütig und wandte sich an Travis. „Du bist also auch Sheriff?“ Travis nickte. „Es liegt in der Familie. Mein Bruder Kyle und meine Halbschwester Hannah sind Deputys. Craig, der Älteste von uns, ist bei der Polizei in Fern Hill. Jordan ist das schwarze Schaf. Er ist Feuerwehrmann.“ „Da ich auch Sheriff bin“, sinnierte Gage, „und du auf deine Weise für Ordnung auf der Welt sorgst, muss es Vererbung oder Schicksal sein.“ „Ich halte nichts von dieser Schicksalstheorie.“ „Weil du noch nicht alles weißt. Trink deinen Kaffee. Du wirst ihn brauchen.“ „Warum?“ „Earl hat nicht nur mit unserer Mutter geschlafen, sondern…“ Ein Aufruhr am Eingang ließ Gage verstummen. Quinn blickte auf und sah DJ. ins Zelt stürmen. Sie kochte vor Wut. In einem Tarnanzug, mit den langen dunklen Haaren und einem Gewehr in der Hand war sie eine höchst reizvolle Kriegerin. Als sie Quinn erreichte, warf sie die zerschnittenen Fesseln vor ihm auf den Tisch. „Wie zum Teufel hast du das geschafft?“ Er ignorierte die Frage wie ihren Zorn. Stattdessen nippte er gelassen an seinem Kaffee, bevor er mit einem Fuß einen Stuhl unter dem Tisch hervorzog. „Setz dich doch.“ „Ich habe dich was gefragt.“
„Ich weiß.“ Er begegnete ihrem Blick. Er wollte lächeln, unterließ es aber. Er wollte sie an sich reißen und küssen, bis ihr der Atem verging. Auch davon sah er ab. Unverwandt starrten sie einander an, bis Travis aufstand und zwischen sie trat. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie nicht gerade sanft auf den Stuhl. „Reg dich ab. Ich hole dir einen Kaffee.“ Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder. „Danke“, murmelte sie dann, und es klang nicht sonderlich dankbar. Als Travis zurückkehrte, stellte er ihr einen Becher hin und setzte sich wieder. „Offensichtlich kennst du Quinn bereits. Das da ist sein Bruder Gage.“ Sie nickte Gage flüchtig zu und wandte sich wieder an Quinn. „Ich will Antworten.“ Betont auffällig blickte er zur Uhr. „Ich hatte dich eigentlich früher zurückerwartet. Anscheinend hast du verschlafen. Na ja, nach der Nacht, die wir zusammen verbracht haben, wundert es mich nicht, dass du erschöpft warst.“ Sie sprang vom Stuhl auf, doch bevor sie zum Angriff übergehen konnte, warf Travis lachend ein: „Mach uns nichts vor. DJ. hätte dich fertig gemacht.“ Quinn zog eine Augenbraue hoch. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Mit zusammengepressten Lippen beobachtete sie, wie Quinn so seelenruhig an seinem Kaffee nippte, als hätte er alle Zeit der Welt. Er sah ausgeruht, frisch geduscht und total entspannt aus. Sie hingegen war müde, schmutzig und hatte Laub in den Haaren. Sie weigerte sich einzugestehen, dass ihre miese Laune zum Teil von dem Kuss herrührte. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie nachgegeben und auch noch Gefallen daran gefunden hatte. „Wie habt ihr beide euch kennen gelernt?“ wollte Gage wissen. „DJ. hat mich gefangen genommen“, erklärte Quinn. „Du machst Witze!“ „Nein.“ Gages Miene verriet, dass er es nicht glaubte, und DJ. konnte es ihm nicht verdenken. Quinn war den ganzen Abend lang der Überlegene gewesen. Er hatte sich nur so lange gefangen halten lassen, wie es ihm beliebte. Sie wollte wissen, warum, und brannte darauf, mit ihm allein zu sein und ihn auszufragen. Sie griff nach ihrem Kaffee und wandte sich an Travis, um ihm dafür zu danken. In diesem Moment fiel ihr auf, wie sehr er Gage und Quinn ähnelte. Alle drei besaßen denselben Körperbau, dieselbe Haarfarbe. Sogar die Augen ähnelten sich. „Was geht hier eigentlich vor?“ fragte sie mürrisch. „Veranstaltet ihr einen Doppelgängerwettbewerb?“ Travis grinste. „Seltsam, dass du das sagst.“ Während des Frühstücks lauschte DJ. aufmerksam, als Travis und Gage ihre verzwickten Familienverhältnisse erläuterten. Sie interessierte sich jedoch mehr für Quinns frühe Jahre als die Tatsache, dass er ein Halbbruder der HaynesGeschwister war. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass ein Kind aus einer texanischen Kleinstadt zu einem harten Agenten heranwuchs, aber offensichtlich war genau das passiert. Sie nahm gerade einen Bissen Schinkenspeck, als ein dünner, durchnässter junger Mann mit flammend roten Haaren an den Tisch trat. „Hast du dich verlaufen oder wurdest du gefangen genommen?“ Ronnie errötete und zog den Kopf ein. „Beides, Ma’am. Es tut mir furchtbar Leid.“ Die Männer am Tisch hatten zu reden aufgehört und verfolgten interessiert das Gespräch. „Tja, jeder macht mal einen Fehler. Geh dir was zu essen holen.“ Verständnislos starrte er sie an.
Sie gestattete sich ein vages Lächeln. „Ich schneide dir nicht die Ohren ab. Hol dir dein Frühstück.“ Er strahlte sie an. „Ja, Ma’am, sofort.“ Als er gegangen war, sah sie Travis und Kyle grinsen und warnte: „Legt euch nicht mit mir an.“ „Es sieht dir gar nicht ähnlich, so milde zu sein.“ „Ich bin nicht milde, sondern gerecht. Das Kind hat sich sehr bemüht und einen Fehler gemacht. So was soll vorkommen.“ Kyle beugte sich zu ihr vor. „Er steht auf dich.“ DJ. verdrehte die Augen. „Sicher. Ich bin bestimmt der Traum seiner schlaflosen Nächte – für die nächste Viertelstunde.“ Er schmunzelte. Die Unterhaltung kam allmählich wieder in Gang. DJ. lauschte jedoch nur und aß weiter. Quinn saß ihr gegenüber. Sie schaute ihn nicht direkt an, aber sie war sich seiner Anwesenheit sehr bewusst und staunte immer noch über seine Ähnlichkeit mit den anderen Männern am Tisch. Craig und Jordan Haynes hatten sich dazugesellt, und auch die zweieiigen Zwillinge Kevin und Nash Harmon – ebenfalls Söhne von Earl Haynes und in enger Freundschaft mit Quinn und Gage aufgewachsen. Erst kürzlich hatten sie von ihrem Verwandtschaftsverhältnis erfahren. DJ. war die Einzige am Tisch, die nicht dem Familienclan angehörte. Andere hätten sich unter diesen Umständen ausgeschlossen gefühlt. Sie nicht. Sie war sehr froh, dass sie ihre familiären Bande hinter sich gelassen hatte. Sie hielt den Kopf Travis zugewandt, der gerade redete, blickte aber aus den Augenwinkeln zu Quinn. Er hatte sein Frühstück beendet, lauschte und nickte gelegentlich, ohne viel zu sagen. Während sie ihn am vergangenen Abend äußerst redselig erlebt hatte, war er an diesem Morgen immer schweigsamer geworden. Mag er keine Menschenansammlungen? fragte sie sich. Genau in diesem Moment begegnete er ihrem Blick. Seine dunklen Augen und seine neutrale Miene verrieten nicht, was er dachte. Er hätte gerade überlegen können, ob er noch einen Kaffee trinken wollte. Doch sie spürte eine gewisse Spannung zwischen ihnen knistern, und das beunruhigte sie. Ronnie kehrte mit seinem Frühstück zurück. Sie machte ihm Platz am Tisch und stellte ihn den Anwesenden vor. Travis wartete, bis Ronnie gerade den Mund voll hatte, bevor er grinsend zu DJ. sagte: „Also hast du dieses Jahr ausnahmsweise nicht gewonnen.“ Der Junge verschluckte sich prompt. Sie warf Travis einen vernichtenden Blick zu und klopfte Ronnie auf den Rücken. Als er wieder zu Atem kam, trank er ein halbes Glas Milch in einem Zug und hakte schuldbewusst nach: „Weil ich nicht wiedergekommen bin?“ „Lass es gut sein, Junge. Meine Glückssträhne musste ja mal abreißen.“ „Leider war sie nicht fähig, allein einen Gefangenen zu nehmen“, warf Quinn ein. „Oh, Moment mal. Du hattest doch einen, oder?“ Sie ignorierte ihn. Ronnie riss verblüfft die Augen auf. „Sie hatten einen Gefangenen?“ Travis schmunzelte. „Lass es gut sein, Junge. Sonst reißt sie dir den Kopf ab.“ Quinn wagte tatsächlich, sie selbstzufrieden anzulächeln. Nash stand auf. „Tut mir Leid, dass ich die Runde verlasse, aber ich muss mich um einige Dinge kümmern.“ „Dinge?“ hakte Kevin ironisch nach. „Du meinst nicht zufällig Stephanie?“
Nash lächelte. „Genau das meine ich.“ Er wandte sich an Quinn. „Du hast wahrscheinlich noch nicht gehört, dass ich mich vor kurzem verlobt habe. Übrigens bin ich nicht der Einzige. Kevin will Anfang Oktober heiraten, und von Gage weißt du ja sicher schon.“ „Wir hatten noch keine Zeit, darüber zu reden“, sagte Gage, als Quinn ihn erstaunt anblickte. „Ich werde auch heiraten.“ „Meinen Glückwunsch.“ „Drei von euch haben sich kürzlich verlobt?“ hakte DJ. nach. „Ist hier irgendein Virus im Leitungswasser?“ Travis stand auf. „Mag sein. Dann steigst du vorsichtshalber auf Flaschenwasser um, oder?“ „Sofort.“ Sie schüttelte sich. „Heirat!“ murmelte sie wegwerfend. Die HaynesBrüder und auch ihre Freundin Rebecca schienen zwar glückliche Ehen zu führen, doch das waren in ihren Augen nur rühmliche Ausnahmen. Allmählich löste sich die Runde auf, und nur DJ. und Quinn blieben zurück. Sie erwartete, dass auch er sich entfernte, doch er blieb ruhig sitzen. „So, jetzt sag mir, wie du entkommen bist“, forderte sie ihn auf. „Die Seile sind durchgeschnitten, also musst du irgendwo ein Messer gehabt haben.“ „Wie könntest du ein Messer übersehen haben?“ konterte er belustigt. „Du hast mich doch sehr gründlich und sehr erfreulich abgetastet. Wenn du es noch mal tun möchtest…“ Sie ignorierte den Vorschlag und den Spott in seiner Stimme. „Wo hattest du das Messer versteckt?“ Er knöpfte die steife Manschette seines schweren Armeehemdes auf und zog eine kurze Klinge ohne Griff hervor. Na klar, dachte sie. Er hatte sich nur ein bisschen winden müssen, und schon hatte er die Klinge erreichen können. „Was hast du sonst noch für Tricks drauf, die ich nicht kenne?“ Statt der erwarteten anzüglichen Entgegnung stand er auf. „Das Frühstück war großartig.“ Sie erhob sich ebenfalls. „Warte. Ich möchte es wirklich wissen.“ Seine Miene wurde sehr ernst und müde. Offensichtlich hatte er Dinge gesehen und getan, die kein Mensch erleben sollte. „Ich scherze nicht“, versicherte sie. „Ich will lernen, was du kannst.“ „Warum?“ „Deine Fähigkeiten würden mir bei meiner Arbeit helfen.“ „Bist du denn nicht gut genug in deinem Job?“ „Doch, aber gut genug reicht mir nicht. Ich will die Beste sein. Ich bezahle dich auch.“ Da lächelte er. „Danke, aber ich habe kein Interesse. Pass auf dich auf, DJ.“ Und dann ging er einfach aus dem Zelt, ohne einen Blick zurück. Sie blickte ihm nach und fasste den festen Entschluss, ihn irgendwie zu einem Gesinnungswechsel zu bewegen. „Oh, du bist aber geladen heute Morgen. Willst du darüber reden?“ DJ. wandte sich von dem Sandsack ab, den sie bearbeitet hatte, und sah Rebecca Lucas mit einer Thermosflasche und einem rosa Kuchenpaket in der Tür des Fitnessraums stehen. Ihre Laune hob sich sofort, als sie das Papier erkannte. „Danisch?“ fragte sie hoffnungsvoll. „Natürlich. Bringe ich nicht immer dänischen Kuchen mit?“ DJ. nickte. „Du bist eine wahre Freundin.“ „Ich weiß.“ Rebecca ging voraus ins Büro und stellte Kaffee und Kuchen auf den Schreibtisch. „Also, welche Laus ist dir heute Morgen über die Leber gelaufen?
Bei jeder anderen hätte ich geschworen, dass es ein Mann ist.“ „Ist es auch, aber nicht in romantischer Hinsicht.“ „Schade. Du brauchst einen Mann in deinem Leben.“ „Der wäre für mich in etwa so nützlich wie eine Giftmüllhalde.“ Rebecca seufzte und schenkte zwei Becher Kaffee ein. Sie nahm sich ein Stück Kuchen und knabberte geziert daran, während DJ. herzhaft in ihr Stück biss. Wie üblich schwiegen sie, bis beide das erste Teilchen verzehrt hatten. DJ. war als Erste fertig und leckte sich die Finger ab. Rebecca betupfte sich die Lippen mit einer Serviette. Wir könnten nicht unterschiedlicher sein, dachte DJ. Rebecca war ganz Frau, von den langen, lockigen Haaren bis hin zu den fließenden geblümten Kleidern, die sie bevorzugte. Sie trug töricht zierliche Schuhe und wundervollen Schmuck und hätte sich niemals ohne Make-up in der Stadt gezeigt. „Du starrst mein Kleid an. Du hasst es.“ „Nein, es ist toll.“ DJ. musterte die hellblauen Blümchen auf weißem Untergrund, den Spitzenkragen und die Puffärmelchen. „Ich verstehe nur nicht, warum du dich immer so mädchenhaft kleiden musst.“ „Wir müssen ja nicht alle so rumlaufen, als kämen wir gerade von einem Ausverkauf im Armeegeschäft. Olivgrün steht mir einfach nicht. Außerdem gefällt es Austin, wie ich mich kleide.“ Thema beendet, dachte DJ. Wenn Austin erwähnte, dass er die Erdrotation gern umgepolt hätte, würde sie alle Hebel in Bewegung setzen, um es zu verwirklichen. Sie betete ihren Ehemann geradezu abgöttisch an. Das war für DJ. nur erträglich, weil Austin einer der wenigen anständigen Männer war und er seine Frau ebenso liebte. Rebecca musterte D.J.s Tarnhose und die schweren Stiefel. „Erwartest du nachher einen Krieg?“ „Sehr witzig.“ DJ. nahm sich ein zweites Stück Kuchen. „Also, was liegt an?“ Rebecca berichtete von den neuesten Eskapaden ihrer vier Kinder und verkündete anschließend: „Ich gebe nächste Woche eine Party.“ DJ. hob abwehrend die Hände. „Nein danke.“ „Wie kannst du das sagen?“ „Du gibst nur zwei Arten von Partys. Die eine ist für Paare, was bedeutet, dass du für mich irgendeinen Typen einlädst, den ich nicht kennen lernen will. Die andere ist reine Frauensache, wo mir jemand was zu verkaufen versucht, was völlig nutzlos für mich ist.“ „Kosmetik“, bestätigte Rebecca. „Und die ist nicht nutzlos. Ich weiß, dass du nicht viel von Make-up hältst, aber du pflegst deine Haut. Es geht um eine neue, ganz erstaunliche Pflegeserie. Außerdem tut es dir gut, mal auszugehen.“ „Ich gehe oft aus.“ „Ich rede davon, Zeit mit normalen Frauen zu verbringen.“ „Ich verbringe Zeit mit dir, mindestens dreimal pro Woche.“ Rebecca seufzte. „Wieso kannst du nicht geselliger sein?“ „Das ist nicht mein Ding.“ „Was ist dann dein Ding?“ Unwillkürlich dachte DJ. an Quinn. „Ich habe da während der Kriegsspiele einen Mann kennen gelernt.“ Rebecca horchte auf. „Und? Habt ihr euch verabredet?“ „Es war ganz anders. Ich habe ihn gefangen genommen, aber nur durch Glück. Ich will lernen, was er draufhat.“ „Und das wäre?“ „Ich habe mich etwas umgehört und erfahren, dass er für einen militärischen
Geheimdienst arbeitet. Ich wette, er weiß mehr übers Töten als jeder andere, den ich kenne.“ Rebecca erschauerte. „Was reizt dich daran? Du tötest niemanden. Du hältst die Leute am Leben.“ „Je mehr ich weiß, umso besser.“ „Bist du sicher, dass es dir nur um den Austausch von Wissen geht?“ Dumme Frage, dachte DJ. Nun, so dumm auch wieder nicht, wenn sie den Kuss berücksichtigte. Doch sie verdrängte die Erinnerung daran augenblicklich und tat ihn als bedeutungslos ab. „Wieso klingt dein Schweigen so schuldbewusst?“ „Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest.“ „Oh, darauf wette ich.“ Rebecca warf ihr langes Haar zurück. „Wenn er so was Besonderes ist, warum verabredest du dich dann nicht einfach mit ihm? Muss bei dir jede Begegnung ein Kampf sein?“ „Ich habe ihn gebeten, mir einige Dinge beizubringen, aber er ist nicht interessiert. Ich habe ihm sogar Geld geboten.“ „Nicht gerade der beste Weg, ihn für dich zu gewinnen.“ „Ich will ihn doch gar nicht für mich gewinnen.“ „Warum nicht?“ DJ. seufzte. „Ich habe dir schon zigmal gesagt, dass ich keinen Freund will. Ich suche einen Lehrer. Sag mir nur, wie ich ihn dazu bringen kann.“ „Nur unter Protest. Du brauchst einen Mann in deinem Leben.“ „Nun sag schon“, drängte DJ. ungeduldig. „Es gibt nur einen Weg, einen Mann dazu zu bringen, etwas zu tun, das er nicht tun will.“ „Und das wäre?“ „Gib ihm das eine, das er wirklich will.“
4. KAPITEL Ungewöhnlich zögerlich klopfte DJ. an die Tür des Hotelzimmers. Es war nicht ihre Art, Sex als Bezahlung zu bieten, aber der Zweck heiligt die Mittel, sagte sie sich. Ihrer Erfahrung nach legten Männer keinen Wert auf Kochkünste oder geistreiche Gespräche, sondern hegten eher niedere Bedürfnisse. Die Tür öffnete sich. DJ. hatte sich genau zurechtgelegt, was sie sagen wollte, doch sobald sie Quinn erblickte, war all das vergessen. „Guten Tag“, wünschte er mit einem Lächeln, während er sie forschend musterte. „Welche Überraschung.“ „Das kann ich mir denken.“ Sie betrachtete ihn ebenso gründlich. Er trug Jeans und ein kurzärmeliges blaues Hemd. Seine Füße waren nackt und seine Haare zerzaust. Er sah aus, als wäre er gerade aus dem Bett gekommen, obwohl es bereits spät am Nachmittag war. Wortlos wich er zurück, und sie trat ein. „Setz dich“, sagte er und deutete zu einem Sessel am Fenster. Sie blickte sich in dem schlichten Raum um, der außer dem Sessel ein Bett, einen Schreibtisch mit Stuhl und einen Fernseher auf einem niedrigen Tischchen enthielt. Abgesehen von einem Buch auf dem Bett waren keinerlei persönliche Gegenstände vorhanden. Statt des angebotenen Sessels wählte sie den Stuhl am Schreibtisch. Als Quinn sich auf die Bettkante gesetzt hatte, eröffnete sie: „Ich bin sehr beeindruckt von den Fertigkeiten, die du beim Manöver bewiesen hast.“ Er grinste. „Ich bin eben ein eindrucksvoller Typ.“ Sie ignorierte seine Bemerkung, seine Belustigung und das Flattern in ihrer Magengegend. „Ich habe meine Meinung nicht geändert. Ich will immer noch, dass du mich unterrichtest.“ „Ich habe meine Meinung auch nicht geändert. Ich bin nicht interessiert.“ „Ich beabsichtige, dich zu überreden.“ „Wie denn?“ „Ich dachte mir, wir könnten ein Abkommen treffen. Du gibst mir, was ich will, und ich gebe dir, was du willst.“ Sie war nicht die erste Frau, die sich ihm anbot. Einige wenige hatten es ehrlich gemeint, andere hatten es nur auf Geld abgesehen. Keines der Angebote hatte ihn so überrascht wie dieses. Sex gegen Information? Warum? Er suchte nach Anhaltspunkten in ihrem Gesicht. Er fand nur eine vage Anspannung, die ihm verriet, dass sie nervöser war, als sie sich anmerken lassen wollte. Er senkte den Blick zu ihrem Körper. Sie trug ein Top ohne BH und eine enge Jeans. Sie sah durchaus reizvoll aus. Er konnte nicht behaupten, dass er nicht versucht war, aber er hatte vor langer Zeit gelernt, dass nichts im Leben so einfach war. „Was ist dir so wichtig daran, dass du dich anbiederst?“ Sie zuckte beinahe unmerklich zusammen. „So würde ich es nicht nennen.“ Wie sonst? Ihr Verhalten bewies ihm, dass ihr der Entschluss nicht leicht gefallen war. Von ihrer ersten Begegnung wusste er, dass sie furchtlos war. Doch die Wahl des Sitzplatzes verriet ihm, dass sie Angst vor ihm hatte. Sie hatte auf den bequemen Sessel verzichtet und den Stuhl genommen, weil er näher zur Tür stand und ihr einen ungehinderten Fluchtweg bot. „Meine Arbeit ist mir sehr wichtig“, erklärte sie. „Ich habe dir ja erzählt, dass ich oft angeheuert werde, um bei der Befreiung misshandelter oder entführter Kinder zu helfen. Manchmal geraten diese Rettungsaktionen außer Kontrolle, und ich muss improvisieren. Je besser ich reagiere, umso mehr Kinder werden gerettet. Außerdem unterrichte ich Selbstverteidigung. Je mehr ich weiß, umso mehr
Wissen kann ich an meine Schüler weitergeben.“ „Du bist gut genug ausgebildet.“ „Aber ich…“ „Wie viele Schwarze Gürtel hast du?“ unterbrach er. „Drei.“ „Du kannst mit Waffen umgehen?“ „Ja, aber…“ Er unterbrach sie erneut, diesmal mit einem Kopfschütteln, und stand auf. Es überraschte ihn nicht, dass sie sich ebenfalls erhob. Er ging zu ihr und bedeutete ihr vorzutreten. Als sie widerstrebend gehorchte, umkreiste er sie und musterte ihre Arme, ihren Oberkörper, ihre schlanken Hüften. „Du hast deinen Oberkörper trainiert“, sagte er mehr zu sich selbst. „Im Allgemeinen sind Frauen in dieser Hinsicht unterlegen, aber du hast das weitgehend ausgeglichen. Du hast Kraft und Durchhaltevermögen. Das reicht.“ „Nicht, um dich zu besiegen.“ „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich anfange, Kinder zu entführen.“ „Mich reizt die Herausforderung. Das müsstest du eigentlich verstehen.“ „Du wirst nie stark genug sein, um jeden zu besiegen. Es wird immer jemanden geben, der schneller, gerissener, besser ist.“ „Aber was du mir beibringen kannst, würde mir einen Vorteil verschaffen.“ Er wandte sich ab und trat ans Fenster. Er war durchaus versucht einzuwilligen. Nicht, weil er ihr die Gründe für ihr Anliegen glaubte, sondern weil sie ihn reizte. Er hatte vor langer Zeit gelernt, sich nur auf seinen Beruf zu konzentrieren, sich von nichts und niemandem rühren zu lassen. Konnte es bei ihr anders sein? Sie brachte ihn zum Lachen und ließ ihn vergessen, wer und was er war. Sie ließ ihn eine normale Welt erinnern. Sie war hart genug, so dass er sie nicht mit Samthandschuhen anfassen musste, und doch verletzlich genug, um… Abrupt unterbrach er sich mitten im Gedanken. Sie zu begehren, war erlaubt. Sich für sie zu interessieren, war dumm, aber verständlich. Alles andere war ein Hirngespinst, das seinen Verstand benebelte und sein Leben bei seinem nächsten Einsatz gefährdete. Er drehte sich zu ihr um und verkündete: „Du bist nicht fit genug. Du könntest nie mit mir mithalten.“ DJ. war überaus durchschaubar. Wie erwartet regte sich sofort ihr Widerstand. „Oh doch, ich kann.“ „Ja, ja“, murmelte er bewusst zweifelnd. „Ich beweise es dir.“ Er gab vor, gründlich darüber nachzudenken. „Ich gebe dir eine einzige Chance. Wenn du es vermasselst, ist es vorbei.“ „Gut.“ „Wir fangen mit Laufen und Fitnesstraining an. Wenn du mithältst und dich nicht beklagst, sehen wir weiter.“ „Ich beklage mich nie.“ „Das bleibt abzuwarten.“ Den meisten Leuten wäre der vage Anflug von Zufriedenheit um ihren Mund und von Entschlossenheit in ihren Augen entgangen, doch Quinn war darauf geschult, hinter die Fassade zu blicken und verborgene Nuancen zu entdecken. Sie glaubte fest daran, ihn übertreffen zu können. Er konnte es kaum erwarten. „Kein Sex“, sagte er. „Was?“ „Du wirst mich nicht mit Sex bezahlen.“ „Warum nicht?“ Er lächelte. „Das wäre zu einfach.“
„Wie willst du dann bezahlt werden?“ „Das habe ich noch nicht entschieden. Aber du wirst es als Erste erfahren.“ An diesem Abend fuhr Quinn zu der Frühstückspension, in der Gage abgestiegen war. Er selbst hätte auch ein Zimmer dort bekommen können, aber er zog anonyme Hotels vor. Pensionen waren zu überschaubar und persönlich und erforderten Interaktion, die ihm nicht unbedingt lag. Er stellte den Leihwagen am Straßenrand ab und ging die Stufen zu dem großen viktorianischen Gebäude hinauf. Gage erwartete ihn im Foyer, zusammen mit Travis Haynes, und klopfte ihm auf die Schulter. „Du bist tatsächlich noch in der Stadt. Ich dachte schon, du wärst wieder mal vorzeitig abberufen worden.“ „Diesmal nicht.“ Quinn begrüßte Travis. „Wenn du hier bist, wer passt dann auf Glenwood auf?“ Travis lachte. „Mein kleiner Bruder.“ Die drei Männer nahmen in einer Sitzecke Platz. „Quinn, ich muss dich warnen. Elizabeth, meine Frau, plant schon wieder eine Familienzusammenkunft. Wir hatten schon mehrere, seit Gage, Nash und Kevin hier sind, und ich dachte, sie wäre damit zufrieden. Aber jetzt, wo du eingetrudelt bist, macht sie sich Sorgen, dass du dich ausgeschlossen fühlen könntest. Es geht um ein Barbecue mit Ehefrauen, Kindern, Hunden.“ Gage muss meine Ungeselligkeit erwähnt haben, dachte Quinn und erwiderte: „Na ja, ein Barbecue werde ich schon überstehen.“ „Gut. Ich tue mein Bestes, damit es eine schlichte Sache wird, aber ehrlich gesagt hört Elizabeth nicht auf mich. Sie war schon immer unabhängig.“ Aus seinen Worten klang die Zuneigung und Zuversicht eines Mannes, der sich in seiner Beziehung sicher war. Quinn wusste, dass Travis mehrere Kinder und zahlreiche Verpflichtungen in der Gemeinde hatte. Ihm selbst war so ein Dasein ebenso fremd wie das Leben auf dem Mars. Er hatte dem alltäglichen Leben mit Antritt seines gegenwärtigen Berufs den Rücken gekehrt. Als man ihn damals gewarnt hatte, dass es kein Zurück geben würde, hatte er es nicht geglaubt, doch nun wusste er es besser. Er lebte in einer Schattenwelt, in der kein Raum für Beziehungen, Gefühle, Bindungen war. Lange Zeit hatte es ihn nicht gestört, doch seit kurzem fragte er sich, ob ihm nicht irgendetwas fehlte. „Wir alle reden darüber, wie du DJ. überlistet hast“, eröffnete Travis grinsend. „Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie immer noch wütend über deine Flucht.“ Quinn zuckte die Achseln. „Sie war gar nicht so schlecht.“ „Aber nicht gut genug für dich.“ „Wer ist sie eigentlich? Ich weiß, womit sie sich beschäftigt, aber wie ist sie dazu gekommen?“ „Interessant“, murmelte Travis. „Die Lady hat sich auch nach dir erkundigt.“ Das freute Quinn. „Interessierst du dich für sie?“ hakte Gage erstaunt nach. „Sie ist nicht wie deine üblichen Frauen.“ Quinn lachte. „In der Tat.“ Gage wandte sich an Travis. „Mein Bruder bevorzugt schöne Frauen, die nichts zu sagen haben.“ „Vielleicht liegt mir nichts an Konversation.“ „Ich weiß, dass es so ist.“ „Ich mag die Dinge unkompliziert.“ „DJ. ist bestimmt nicht unkompliziert“, warnte Travis.
„Das habe ich schon gemerkt.“ „Sie lebt seit etwa vier Jahren in der Stadt. Vorher war sie in Kalifornien. Wenn du mehr über sie erfahren willst, musst du sie selbst fragen.“ „Okay.“ Travis beugte sich eindringlich vor. „Quinn, du gehörst zur Familie. Wir alle sind froh, dass du und Gage uns gefunden habt. Unser Vater hat sich nicht um uns geschert, und deshalb haben wir gelernt, uns umeinander zu kümmern.“ Er zögerte. „Aber ich muss ehrlich sein. DJ. ist nicht wie andere Frauen. Sie ist hart und entschlossen, eine Kämpfernatur. Aber im Innern… Ich kann es dir nicht erklären. Ich werde dir nicht sagen, dass du die Finger von ihr lassen sollst, aber ich mag sie. Wir alle mögen sie.“ „Ich verstehe.“ Gage schüttelte den Kopf. „Ich glaube, dass sie sehr gut auf sich selbst aufpassen kann.“ „Das kann sie auch“, bestätigte Travis, aber es klang nicht überzeugt. Auch das verstand Quinn. Trotz ihres mutigen Auftretens und ihrer Muskelkraft hatte sie etwas Verletzliches an sich. Er dachte daran, seine lauteren Absichten zu erklären, aber Worte waren bedeutungslos, solange sie nicht von Taten gestützt wurden. Mit der Zeit würde sich schon herausstellen, dass er niemanden ausnutzen wollte. Er spielte mit dem Gedanken zu erwähnen, dass DJ. ihm Sex angeboten hatte. Aber vermutlich hätte Travis es nicht geglaubt und ihn womöglich zu einem Duell herausgefordert. Nicht gerade ein guter Auftakt für eine brüderliche Beziehung. Nein, diese Episode blieb lieber unausgesprochen. Er war überzeugt, dass auch DJ. es nicht ausposaunen würde. Es blieb ihr kleines Geheimnis – und erinnerte ihn daran, dass er sich noch einfallen lassen musste, was er von ihr als Bezahlung fordern sollte. Als Travis sich kurze Zeit später verabschiedete, erkundigte sich Quinn bei Gage: „Wirst du nicht von einer hübschen Blondine erwartet?“ „Nein. Kari ist für ein paar Tage zu einer Freundin nach San Francisco gefahren. Wir könnten uns eine Flasche Scotch besorgen und uns betrinken.“ „Danke, aber ich bin nicht in Stimmung für einen Kater.“ Gage lachte. „Ich auch nicht. Wir scheinen alt zu werden.“ „Das musste ja mal passieren.“ „Übrigens habe ich heute mit Mom gesprochen. Sie plant die letzten Details für ihre Hochzeit. Meinst du, dass du kommen kannst? Sie hätte dich wirklich gern dabei.“ „Ich werde mein Bestes tun.“ Quinn hatte in den vergangenen zehn Jahren auf zahlreiche Familienfeste verzichten müssen. Solange sein Vater – besser gesagt Ralph Reynolds – noch gelebt hatte, war es ihm einerlei gewesen. Gage war immer der Lieblingssohn gewesen. Er war klug und beliebt und ein hervorragender Sportler. Quinn, ein Jahr jünger, hatte ihm in nichts nachgestanden und ihn in einiger Hinsicht sogar übertroffen. Doch in den Augen des Mannes, der sie aufgezogen hatte, hatte Gage nichts falsch und Quinn nichts richtig machen können. „Vermisst du ihn noch?“ „Dad?“ Quinn nickte. „Ja, manchmal. Er bleibt für mich mein Vater. Als ich die Wahrheit erfahren habe, ist für mich zuerst eine Welt eingestürzt. Ich wusste nicht mehr, wer ich bin oder wohin ich gehöre.“ „Die fünfte Reynolds-Generation in Possum Landing.“ „Richtig. Ich gehörte plötzlich nicht mehr dazu.“
„Und was hat deine Meinung geändert?“ Gage lächelte. „Kari. Sie hat mir bewusst gemacht, dass Dad mich zwar nicht gezeugt hat, aber mir in jeder wichtigen Hinsicht ein Vater war.“ Seine Miene verdüsterte sich. „Das ist kein Trost für dich, ich weiß.“ „Er war, wie er war.“ „Er hatte einen Grund, dich zu hassen.“ „Das habe ich auch schon erkannt.“ „Inwiefern?“ „Du hast gesagt, dass er Mom zu der ersten Schwangerschaft überredet hat. Aber aus unerfindlichen Gründen ist sie ein Jahr später wieder zu Earl Haynes gefahren und schwanger zurückgekommen. Vermutlich war Ralph nicht angetan davon. Du warst der Sohn, den er sich immer gewünscht hat. Ich war der lebende Beweis für die Untreue seiner Frau.“ Seltsam, dass Quinn vor Jahren seine Seele verkauft hätte, um zu erfahren, warum der Mann, den er für seinen Vater gehalten hatte, ihn so sehr gehasst und Gage im selben Maße geliebt hatte. Er erinnerte sich, wie er sich als Kind in den Schlaf geweint hatte, wie er seine Mutter um eine Erklärung angefleht hatte. Sie hatte es ihm nie verraten. Nach all der Zeit begriff er es endlich, doch es änderte nichts. „Es tut mir Leid“, murmelte Gage mit betroffener Miene. „Es ist ja nicht deine Schuld.“ Der alte Herr war tot. Die Vergangenheit war vorbei. „Habt ihr schon ein Datum für die Hochzeit festgelegt?“ Gage grinste. „Silvester. Kari sagt, weil es romantisch ist, aber ich glaube, sie will nur sichergehen, dass ich unseren Hochzeitstag nicht vergesse.“ „Warum wollt ihr so lange warten?“ „Wegen Moms Hochzeit. Sie und John wollen eine lange Hochzeitsreise nach Australien machen, die sie absagen müssten, wenn Kari und ich früher heiraten. Wir haben unser ganzes Leben vor uns. Ein paar Monate zu warten schadet nichts.“ Gage klang wie jemand, der sich seines Platzes in der Welt sicher war. So war es schon immer gewesen, und nun hatte er die eine Frau gefunden, die sein Leben vervollständigte. Quinn freute sich darüber. „Was wäre wohl passiert, wenn Kari damals nicht als Model nach New York gegangen, sondern in der Stadt geblieben wäre?“ „Wir wären wahrscheinlich nicht zusammengeblieben. Wir waren beide noch zu jung. Immerhin ist es acht Jahre her. Jetzt bin ich mir sicher, dass wir eine lange gemeinsame Zukunft haben.“ „Das freut mich für dich.“ „Gibt es eigentlich jemanden in deinem Leben?“ Quinn lachte. „Dazu bleibe ich nicht lange genug an einem Ort.“ „Wird sich das je ändern?“ „In letzter Zeit denke ich gelegentlich daran“, gestand Quinn ein. „Ich will dich nicht nach deinem Job ausfragen, aber wenn du darüber reden willst, höre ich zu.“ „Danke.“ „Und wenn du über Dad reden willst, höre ich auch zu.“ Quinn nickte bedächtig. Er wusste das Angebot zu schätzen, doch nach all den Jahren blieb nicht viel zu sagen.
5. KAPITEL DJ. erreichte den Park fünf Minuten vor der verabredeten Zeit. Sie war die drei Blocks von ihrem Büro gelaufen und hatte dabei versucht, ihren Kopf zu klären und sich zu konzentrieren. Es war ihr nicht besonders gut gelungen. Schlafmangel, sagte sie sich, während sie ihre Beinmuskeln dehnte. Unter anderen Umständen hätte sie gesagt, dass sie nervös war. Doch dazu bestand kein Grund. Quinn war lediglich ein Mann, der Dinge wusste, die sie lernen wollte. Sie beugte den Oberkörper vor, legte die Handflächen auf den Rasen und spürte ein Ziehen in den Oberschenkeln. Okay, vielleicht ging er ihr mehr unter die Haut als andere Männer. Vielleicht ging ihre Reaktion über schlichte Bewunderung seiner Fähigkeiten hinaus. Vielleicht, nur vielleicht, fand sie ihn attraktiv. Mit diesem Konzept war sie nicht sonderlich zufrieden. Dass manche Männer besser aussahen als andere, war ihr normalerweise egal. Ihr Interesse an einem Männerkörper bezog sich nur auf die potenzielle Bedrohung. Sie schlang die Arme um die Waden und presste das Gesicht an die Knie. Dann richtete sie sich auf und schrie beinahe vor Schreck. Ihr Herz hämmerte. Quinn stand wenige Schritte entfernt. Irgendwie hatte er sich unbemerkt angeschlichen. „Morgen“, wünschte er mit einem lässigen Lächeln. „Bist du bereit?“ „Sicher.“ „Hast du dich genügend aufgewärmt?“ Sie nickte. „Dann packen wir es an.“ Er lief zu dem Jogging-Pfad, und sie folgte ihm. Beide trugen Shorts und T-Shirt. Sie wusste nicht, was er von ihrem Outfit hielt, aber seines wirkte aufreizend. Seine Shorts enthüllten muskulöse Oberschenkel, während sich das verwaschene T-Shirt über breiten Schultern spannte. Nicht zum ersten Mal erinnerte er sie an ein gefährliches Raubtier. DJ. passte sich seinen langen Schritten an. Als er das Tempo steigerte, achtete sie darauf, tief und gleichmäßig zu atmen. „Wir müssen uns nach dem Laufen ein Fitnessstudio suchen“, sagte er. „Ich habe eine Route geplant, die bei deinem Büro endet. Ich nehme an, du kennst das nächste Studio.“ Woher wusste er, wo sie arbeitete? Von Travis oder Kyle, dachte sie sich. „Ich habe eins im Hinterzimmer.“ „Großartig.“ Er erhöhte erneut das Tempo. „Bist du mit sechs Meilen einverstanden?“ Innerlich stöhnte sie, doch sie erwiderte tapfer: „Na klar, kein Problem.“ In wesentlich kürzerer Zeit, als DJ. erwartet hatte, erreichten sie ihr Büro. Sie hielt sich für fit und sportlich, aber Quinn hatte das Lauftempo immer mehr gesteigert, bis sie total außer Atem geraten war. Aber sie hatte mitgehalten und sich nicht beklagt. Auf dem Schreibtisch stand ein Sechserpack mit Wasser. Sie warf Quinn eine Flasche zu, nahm sich selbst eine und trank etwa ein Drittel aus. Danach war sie immer noch durstig, aber sie wusste, dass sie warten musste, bis sich ihr Körper etwas abgekühlt hatte. Schweiß rann ihr in Bächen vom Körper. Sie hatte die Haare zu einem französischen Zopf geflochten, der ihr am Rücken klebte. Sie sehnte sich nach einer Dusche, aber zuerst war der zweite Teil des Trainings zu absolvieren. „In den Fitnessraum geht’s hier entlang“, sagte sie betont langsam, damit er nicht merkte, wie sehr sie außer Atem war.
Sie ging voraus durch den Flur in das große Hinterzimmer. Die Rückwand war verspiegelt. Trainingsgeräte nahmen die rechte Seite ein, während dicke Bodenmatten zur Linken einen Sparringplatz bildeten. „Fangen wir an“, sagte sie. „Zeig mir am besten dein normales Programm.“ Sie griff zu einer Hantelstange mit Gewichten von fünfundzwanzig Pfund und begann mit Stoßen. Danach begab sie sich an die Geräte. Quinn sagte nichts, während sie mehrere Übungen absolvierte, aber er beobachtete sie aufmerksam. Seine stumme Musterung ging ihr auf die Nerven, aber es war seine ungeheure Körperkraft, die ihr Unbehagen weckte, als er die Übungen mit beträchtlich höheren Gewichten absolvierte und nicht einmal außer Atem geriet. „Das war’s“, verkündete sie schließlich, lehnte sich auf der Bank zurück und wischte sich den Schweiß von Gesicht und Nacken. Ihre Muskeln zitterten, und sie fragte sich, ob sie noch die Energie hatte aufzustehen. „Nicht schlecht“, sagte er und reichte ihr die Hand. Sie zögerte. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie ihre eigene Kraft sparen und sich helfen lassen sollte. Doch sie fürchtete, dass er die Situation ausnutzen und sie in einen Schwitzkasten nehmen könnte, aus dem sie sich nicht befreien konnte. Sie unterdrückte ihre Angst, nahm seine Hand und ließ sich hochziehen. Nichts Schlimmes geschah, außer dass sie ihm zu nahe stand – so nahe, dass sie die goldenen Pünktchen in seinen braunen Augen sehen konnte. „Du trainierst hart“, sagte er. „Du bist stark und diszipliniert.“ Sein Lob freute sie. „Gut, dann können wir ja jetzt…“ Er unterbrach sie mit einem Lächeln. „Jetzt wollen wir mal sehen, was du auf der Matte draufhast.“ Sie wollte protestieren. Sie wollte eine Ganzkörpermassage, in die Sauna und dann eine Woche schlafen. Ihre Beine zitterten so stark, dass sie ihr Gewicht nicht eine Sekunde länger zu tragen drohten. „Warum nicht?“ erwiderte sie jedoch und ging zu den Matten. Quinn baute sich in lässiger Haltung vor ihr auf. „Greif mich an.“ Sie erwog mehrere Taktiken. Ihre einzige Chance bestand darin, ihn zu überraschen. Sie täuschte eine linke Gerade an und kickte mit dem Fuß nach seinen… Im nächsten Moment lag sie flach auf dem Rücken. Mühsam raffte sie sich auf. „Noch mal“, forderte er sie auf. Sie wiederholte den Angriff noch dreimal ohne Erfolg. Als sie beim vierten Mal zu Boden ging, kam sie dem Rand der Matte zu nahe und stieß mit dem Ellbogen auf das harte Parkett. Schmerz schoss ihren Arm hinauf, so dass ihr übel wurde. Er kniete sich neben sie. „Alles in Ordnung?“ Sie brachte keinen Ton heraus, also nickte sie nur. Er nahm ihren Arm und untersuchte den Ellbogen. „Nichts gebrochen.“ Sie zwang sich aufzustehen und erwartete, dass er sie erneut zum Angriff aufforderte. „Wir tun es jetzt noch mal in Zeitlupe“, verkündete er jedoch, „und ich zeige dir dabei, wie du kontern kannst.“ Schritt für Schritt gingen sie den Angriff durch, bis sie erkannte, wie es ihm gelungen war, sie auszutricksen. „Jetzt weißt du, was auf dich zukommt, und kannst dementsprechend reagieren.“ „Okay.“ Als er diesmal herumwirbelte und nach ihrem Fuß griff, sprang sie blitzschnell beiseite. Doch den Bruchteil einer Sekunde später landete sie erneut auf der Matte, und Quinn beugte sich über sie. Der Aufprall raubte ihr den Atem, und gleichzeitig schwindelte ihr. Plötzlich sah
sie nicht mehr Quinn, sondern ihren Vater, der vor ihr aufragte. Sie konnte den Alkohol riechen. Sie hatte oft gehört, dass Wodka nicht riecht, aber das stimmte nicht. Der Geruch strömte aus seinen Poren, und ihr drehte sich der Magen um. Sie sah die blutunterlaufenen Augen, den wutverzerrten Mund und den Baseballschläger in seiner Hand. Sie wartete auf das Knirschen von Hartholz auf Knochen und den stechenden Schmerz. Sie blinzelte. Ihr Vater verschwand, und sie sah wieder Quinn, der lächelnd fragte: „Kannst du atmen?“ Konnte sie? Sie versuchte es und spürte Luft in ihre Lungen strömen. Ihr war heiß und kalt zugleich, so als hätte sie Fieber. Sie konnte die schreckliche Angst riechen – metallisch, wie Blut. „Du hast Potenzial“, sagte er und reichte ihr erneut die Hand. Sie wollte schreiend weglaufen. Doch sie hatte vor langer Zeit gelernt, dass sie ihre Angst nur überwinden konnte, indem sie sich ihr stellte. Sie nahm seine Hand und ließ sich hochziehen. Als sie auf den Füßen stand, unterdrückte sie den Fluchtdrang und ging gemächlich zu dem kleinen Kühlschrank in der Ecke. „Willst du Wasser?“ „Gern.“ Sie warf ihm eine Flasche zu, nahm sich eine zweite, leerte sie zur Hälfte und hielt sich das kalte Plastik an den Nacken, während sie mehrmals durch den Raum wanderte, um sich zu beruhigen. Dann riskierte sie einen Blick zu Quinn. Er beobachtete sie eingehend. Obwohl er nicht wissen konnte, was soeben in ihr vorgegangen war, fühlte sie sich verletzlich und ängstlich. Sie hasste Angst. Angst bedeutete Schwäche. Sie blieb vor ihm stehen und fragte herausfordernd: „Und?“ „Ich unterrichte dich.“ „Großartig.“ Sie trank die Flasche aus. „Wie lange bleibst du in der Stadt?“ „Ein paar Wochen.“ Das überraschte sie. „Musst du nicht zurück zum Einsatz?“ „Ich habe mich beurlauben lassen. Ich bleibe lange genug hier, um dir ein paar Dinge beizubringen.“ Sie hätte gern gewusst, warum er sich hatte beurlauben lassen, aber sie sprach es nicht aus. „Was willst du als Gegenleistung?“ wollte sie wissen. Er nahm mehrere große Schlucke aus der Wasserflasche, bevor er sagte: „Mal sehen. Du hast mir Geld und Sex vorgeschlagen. Was hast du sonst noch zu bieten?“ „Du musst den Preis bestimmen. Ich sage dir dann, ob ich ihn zahlen will.“ „Okay. Ich gebe dir den Unterricht unter der Bedingung, dass du mir Gesellschaft leistest.“ „Wobei?“ „Beim Dinner.“ Sie blinzelte. „Was?“ „Dinner. Das ist die Mahlzeit, die nach dem Lunch kommt. Ich will, dass du heute Abend mit mir essen gehst.“ Ihr lag eine Ablehnung auf den Lippen. Sie wich einen Schritt zurück. „Ein Dinner als Gegenleistung für den Unterricht?“ „Wir fangen mit einem Dinner an. Vielleicht will ich mehr. Vielleicht will ich sogar, dass du mir auch zum Lunch Gesellschaft leistest.“ Sein Vorschlag gefiel ihr ganz und gar nicht. Zum einen sah sie keinen Sinn darin. Zum anderen hasste sie vage, unbegrenzte Vereinbarungen. Sie wollte von Anfang an Klarheit. „Du kannst das Restaurant aussuchen“, erklärte er. „Schließlich ist es deine
Stadt. Aber nichts Billiges. Kein Schnellimbiss. Ein hübsches Lokal. Und du musst ein Kleid tragen. Ich will viel Dekollete und Bein sehen.“ „Ich treffe kein Rendezvous.“ „Das ist es auch nicht. Es ist ein Geschäftsessen.“ Er trat näher und strich ihr eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. „Ist es so schwer zu verstehen, dass ich mit einer schönen Frau essen gehen möchte?“ Attraktiv hätte sie ihm vielleicht abgekauft, aber schön? „Ich halte nichts von diesen Junge-Mädchen-Spielchen. Sie zielen alle darauf ab, dass der Junge gewinnt.“ „Ich bin kein Junge“, entgegnete er lässig. „Also, entscheide dich. Ja oder nein?“ „Also gut“, gab sie ungnädig nach. „Ich hole dich um sieben ab.“ „Nein. Ich hole dich ab.“ „Ist mir auch recht.“ Sie blickte zur Wanduhr. „Du hast bestimmt noch was vor.“ Ei* lachte. „Ein sehr subtiler Wink.“ Er machte keinerlei Anstalten zu gehen. „Ich muss jetzt arbeiten. Ich habe ein Geschäft zu führen.“ „Okay. Beantworte mir nur noch eine Frage.“ „Was ist denn noch?“ „Warum ist es für dich schlimmer, mit mir essen zu gehen als Sex mit mir zu haben?“ „Sex ist einfach, weil er unbedeutend ist.“ „Es kann auch anders sein.“ „War es das für dich schon mal?“ Er zögerte. „Vielleicht gelegentlich.“ „Siehst du? Bei Männern ist es der Normalfall, dass Sex nichts bedeutet. Warum muss es bei mir anders sein?“ „Das muss es wohl nicht unbedingt“, räumte er ein. „Wir sehen uns also heute Abend.“ Er verließ den Raum, und sie atmete erleichtert auf, als die Ladentür hinter ihm ins Schloss fiel. Doch obwohl er fort war, konnte sie nicht aufhören, an ihn zu denken. Das bevorstehende Dinner erweckte Anspannung und Vorfreude in ihr. Verrückt, sagte sie sich. Sie kannte ihn kaum, und er war völlig bedeutungslos und sollte es auch bleiben. Einen Mann zu nahe kommen zu lassen, führte nur zu Unheil. Ein Schauer durchlief sie, als sie an den Flashback mit ihrem Vater dachte. Sie verdrängte die Erinnerung. Er war seit langem tot, und sie hatte nicht einen einzigen Tag um ihn getrauert. Sie weigerte sich, auch nur eine Minute in Gedenken an ihn zu vergeuden. DJ. saß vor dem Spiegel und befingerte missbilligend die Lockenwickler auf ihrem Kopf. „Lass das“, schalt Rebecca. „Du zerstörst mein Werk. Jetzt versuch den dunklen Lippenstift.“ Seufzend gehorchte DJ. „Besser, aber nicht perfekt“, urteilte Rebecca. „Es ist doch bloß Lippenstift. Es muss nicht perfekt sein.“ Rebecca murrte etwas vor sich hin und kramte in den Schminksachen, die sie mitgebracht hatte. Währenddessen musterte D. J. sich im Spiegel und fragte sich zum hundertsten Mal, warum sie bloß in dieses Date eingewilligt hatte. Es ist kein Date, rief sie sich in Erinnerung, sondern Bezahlung. Leider hob die Definitionsklärung nicht ihre Stimmung, ebenso wenig wie der rauchgraue
Lidschatten und die schwarze Mascara. Make-up, Schmuck und High Heels zählten zu dem typisch weiblichen Zierart, den sie im Allgemeinen aus verschiedenen Gründen vermied. „Probier den hier.“ Gehorsam trug DJ. den Lippenstift auf, der ihren Mund voll und einladend wirken ließ, und musterte sich überrascht. „Siehst du? Es kann doch perfekt aussehen“, triumphierte Rebecca. „Jetzt tupf etwas Lipgloss auf die Mitte. Das macht einen Schmollmund.“ DJ. verdrehte die Augen. „Ich bin nicht der schmollende Typ.“ „Heute Abend schon. Du wirst ihn von den Socken hauen.“ „Ich enttäusche dich nur ungern, aber wir werden unsere Kleidung anbehalten.“ Rebecca grinste. „Das sagst du jetzt, aber das könnte sich ändern.“ Eher nicht. Ihr Interesse an Quinn war rein geschäftlicher Natur. Sie war zu Sex nur als Bezahlung bereit, und das hatte Quinn abgelehnt. „Du bist so verdammt gut gelaunt“, murrte sie, während Rebecca die Lockenwickler entfernte. „Ich kann es nicht ändern. Du gehst mit einem umwerfenden ledigen Mann aus. Du ziehst sogar ein Kleid an. Ich habe große Hoffnung, dass er der Richtige ist.“ DJ. wollte nicht eingestehen, dass sie einen Deal mit Quinn geschlossen hatte und das Kleid nicht anziehen wollte, um ihn zu beeindrucken. „Ich suche nicht nach dem Richtigen“, entgegnete sie daher nur. „Das sagst du immer, aber ich glaube dir nicht. Du brauchst die Liebe eines anständigen Mannes.“ „Im Leben nicht. Ich bin stark und unabhängig. Dieser Drang nach Zweisamkeit ist bloß gesellschaftlich konditionierter Unsinn.“ Rebecca entfernte den letzten Lockenwickler. „Du verstehst überhaupt nicht, worum es mir geht. Es wäre zwar schön, wenn du einen Mann hättest, der dich liebt, aber mir ist wichtiger, dass du jemanden liebst. Deck die Augen ab.“ DJ. wollte dieses Gespräch nicht führen und hielt sich daher bereitwillig die Hände vor das Gesicht, während Rebecca ihr die Haare in Form zupfte und gleichzeitig eine halbe Dose Haarspray versprühte. „Mach auf.“ . DJ. spähte durch die Finger, ließ dann stöhnend die Hände sinken. „Ich sehe aus wie ein Pornostar.“ „Wir ziehen dich ja noch an.“ „Ich meine nicht den Bademantel, sondern meine Frisur.“ „Was ist daran auszusetzen?“ DJ. gestikulierte mit den Händen, konnte aber nicht erklären, was ihr an der üppigen Lockenpracht und den Ponyfransen, die bis zu den Augenbrauen reichten, nicht gefiel. Sie fühlte sich äußerst mädchenhaft und albern.* „Du siehst fabelhaft aus. Und jetzt das Kleid.“ Rebecca verschwand im Kleiderschrank, der eine recht dürftige Auswahl bot. DJ. trug zwar gelegentlich ein Kostüm zu geschäftlichen Anlässen, aber das entsprach nicht gerade dem Outfit, das Quinn gefordert hatte. Ihre Kleidung war überwiegend konservativ und züchtig. „Auf keinen Fall!“ rief DJ. und sprang entsetzt auf, als Rebecca mit zwei Schachteln zurückkehrte. „Du musst.“ „Ich muss gar nicht.“ Unbeirrt legte Rebecca den Schuhkarton auf das Bett und nahm aus der anderen Schachtel das Kleid, das DJ. impulsiv aus einem Katalog bestellt und nie getragen hatte. „Es ist wundervoll.“ „Es ist praktisch nicht existent.“
Das Kleid bestand aus schwarzer Spitze. Es war vorn wie hinten sehr tief ausgeschnitten, der Saum bedeckte kaum die Oberschenkel, und die langen Ärmel waren ungefüttert und daher durchsichtig. „Du willst doch gut aussehen für dein Date, oder?“ „Es ist kein Date.“ „Wie auch immer. Zieh es für mich an, ja?“ drängte Rebecca mit flehendem Blick. „Bitte!“ Das Klopfen an der Tür kam pünktlich. Quinn öffnete mit einem Lächeln und einer bedeutungslosen Bemerkung auf den Lippen. Doch D.J.s Anblick raubte ihm beinahe den Verstand. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und widerstand mit Mühe dem Drang, sich die Augen zu reiben. Er musste an Halluzinationen leiden. Sicher, er hatte tiefen Ausschnitt und viel Bein gefordert, aber nicht geglaubt, dass sie auf ihn hören würde. Er hatte erwartet, herausgefordert statt überwältigt zu werden. Von den dichten, lockigen Haaren bis zu den schwarzen Stilettos, die als Waffen klassifiziert werden konnten, war sie eine erotische Versuchung. Make-up betonte ihre vollkommenen Züge. Das Kleid – kaum mehr als ein Streifen schwarzer Spitze – enthüllte das Tal zwischen ihren Brüsten und betonte ihre Rundungen. Ihre muskulösen, wohlgeformten Beine wirkten endlos lang und warfen die Frage auf, wie es sein mochte, wenn sie um seine Hüften geschlungen waren. Verlangen überkam ihn, und dazu Verblüffung. Verdammt, sie ging ihm gewaltig unter die Haut. Aber er durfte nicht riskieren, ihr ein Kompliment zu zollen, denn das erwartete sie. „Du bist pünktlich“, sagte er. „Und wenn schon. Ich will von vornherein klarstellen, dass es kein Date ist.“ „Natürlich nicht.“ Er nahm sein Jackett vom Stuhl neben der Tür und trat auf den Flur. „Ist es uns trotzdem gestattet, uns zu amüsieren?“ „Sicher.“ Schmunzelnd über ihren angespannten Ton ging er zur Treppe. Als sie den Parkplatz erreichten, wandte sie sich einem schwarzen SUV zu. Quinn blickte von dem hohen Trittbrett zu ihrem kurzen Kleid und konnte es kaum erwarten, sie einsteigen zu sehen. „Soll ich fahren?“ Sie zögerte. Dann reichte sie ihm den Schlüssel. „Okay.“ Er öffnete ihr die Tür. Sie ignorierte die Hand, die er ihr bot, und kletterte auf den Sitz. Ihr Kleid rutschte fast bis zum Scheitelpunkt ihrer Schenkel hoch. Wie auf ein Stichwort spürte er eine Woge der Hitze in der Leistengegend. Das wird ein verdammt guter Abend, dachte er, während er die Beifahrertür schloss und zur Fahrerseite ging. Dass DJ. ihn gefangen genommen hatte, war das Beste, das ihm seit Jahren passiert war.
6. KAPITEL DJ. war froh, dass sie und Quinn in einer ruhigen Nische im hintersten Winkel des Restaurants saßen. Zum einen wollte sie nicht von Bekannten gesehen werden, die eventuell hereinkamen. Zum anderen war sie weniger versucht zu fliehen, wenn sie den Ausgang nicht sehen konnte. Das Steakhaus war elegant eingerichtet, gedämpft beleuchtet und unter der Woche halb leer. Quinn blickte sich um. „Ein nettes Lokal. Kommst du oft her?“ Sie dachte an ihr kaum existierendes Gesellschaftsleben. Ein Treffen mit Rebecca und ihrer Familie in einer Pizzeria bedeutete für sie schon ein großes Ereignis. „Gelegentlich. Das Essen ist gut.“ Der Kellner kam mit den Speisekarten und fragte: „Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?“ Quinn wandte sich an DJ. „Trinkst du Wein?“ „Sicher.“ Er bestellte eine Flasche Cabernet Sauvignon. Sie schlug die Speisekarte auf, konnte sich aber nicht auf das Angebot konzentrieren. Ihre Aufmerksamkeit galt zu sehr ihrem Gegenüber. Er hatte reizvoll in Tarnausrüstung und verlockend in Jeans ausgesehen. In einem Anzug sah er wie ein erfolgreicher Geschäftsführer bei einer Vorstandssitzung aus. Der dunkle Stoff des Jacketts ließ seine Augen fast schwarz wirken, und das weiße Hemd mit der silbergrauen Krawatte betonte seine markante Kieferpartie. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht. Er beobachtete sie. Was mochte er denken? Spürte er, wie nervös er sie machte? Ahnte er, wie sehr sie es hasste? Bevor sie entscheiden konnte, erschien der Kellner mit dem Wein. Geschickt öffnete er die Flasche und schenkte einen kleinen Schluck in ein Glas. Quinn schwenkte es, schnupperte daran und kostete. „Ausgezeichnet.“ Nachdem der Kellner beiden eingeschenkt hatte und wieder gegangen war, hob Quinn sein Glas. „Auf das, was jeder von uns beiden lernen wird.“ Sie war nicht sicher, ob ihr dieser Trinkspruch gefiel, aber ihr fiel kein eigener ein. Also stieß sie mit ihm an und nahm einen Schluck. Der Wein war erstaunlich mild, mit viel Bouquet und gar nicht bitter. Eigentlich bevorzugte sie Weißwein, aber dieser mundete ihr auch. „Sehr gut“, sagte sie und stellte ihr Glas ab. „Es freut mich, dass du einverstanden bist.“ Er blickte auf ihre Speisekarte. „Weißt du schon, was du nimmst?“ „Steak, Salat, Folienkartoffel.“ Er nickte und winkte dem Kellner. Nachdem er die Bestellung aufgegeben hatte, wandte er sich wieder an DJ. „Du hast gesagt, dass du nicht in Glenwood aufgewachsen bist. Woher stammst du?“ Sie konnte sich nicht erinnern, etwas über ihre Vergangenheit erwähnt zu haben. Aber sie hatten während der Fahrt von sechs Meilen geplaudert, und vielleicht waren ihr unbedeutende Details herausgerutscht. „Aus Kalifornien. Los Angeles.“ „Glenwood muss eine große Umstellung bedeutet haben.“ „Die mir leicht gefallen ist.“ „Nach dem Motto: Es lebe die Kleinstadt?“ hakte er verwundert nach. „So ähnlich.“ Sie griff nach ihrem Wein. Sie wollte nicht über sich selbst reden, sondern über ihn. Sie wollte wissen, was er für die Regierung arbeitete, wie lange und wo er dazu ausgebildet worden war, ob das Messer in seiner Manschette die einzige Waffe war, die sie bei der Leibesvisitation übersehen hatte. Das alles waren wichtige Fragen, aber sie wusste nicht, wie sie das
Gespräch vom müßigen Plausch auf ernste Themen bringen sollte. „Ich habe dir ja erzählt, dass ich in einer Kleinstadt in Texas aufgewachsen bin. Ähnlich wie Glenwood. Jeder kennt jeden. Meinen Bruder Gage hast du ja kennen gelernt.“ Sie nickte. „Nash und Kevin Harmon auch. Ihr alle seid echte Texaner.“ „Uns verbindet mehr als das.“ Er lächelte sie an. „Es ist äußerst kompliziert.“ Sie bemühte sich, das Flattern in der Magengegend zu ignorieren, das sein Lächeln auslöste. „Inwiefern kompliziert?“ „Nash und Kevin sind ohne Vater aufgewachsen. Der Typ, der ihre Mutter geschwängert hat, wollte nie was mit ihnen zu tun haben.“ DJ. ging durch den Kopf, dass es möglicherweise das Beste für alle Beteiligte war, aber sie wollte seine Erzählung nicht unterbrechen. „Es hat sich herausgestellt, dass ihr Vater derjenige ist, der Gage und mich gezeugt hat. Wir sind alle Halbbrüder der Haynes’.“ Sie blickte ihn überrascht an. „Ich habe gehört, dass der alte Earl Haynes ein Frauenheld sein soll, aber ich hatte keine Ahnung, dass seine Eroberungen über die Staatsgrenze hinausgehen. Wann hast du das alles erfahren?“ „Gage hat es vor ein paar Monaten herausgefunden. Er hat es Kevin und Nash gesagt und mich hierher beordert.“ Sie war nicht gerade ein Fan von großen Familien, aber nicht jeder dachte wie sie. „Also hast du plötzlich mehr als ein halbes Dutzend Halbgeschwister. Das bedeutet, dass du wesentlich mehr Weihnachtskarten verschicken musst.“ Er grinste. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“ Der Kellner servierte die Salate. Als er wieder fort war, fragte Quinn: „Du kennst die Gebrüder Haynes alle?“ „Am besten kenne ich Travis und Kyle. Meine Arbeit wird überwiegend vom Sheriffbüro koordiniert. Jordan wohnt hier in der Stadt, aber er ist Feuerwehrmann, und deshalb haben wir nicht viel Kontakt. Ich bin Craig ein paar Mal begegnet, und mit Hannah verstehe ich mich blendend.“ „Sie sind alle Gesetzeshüter bis auf Jordan, und er kommt dem sehr nahe.“ Lächelnd griff sie zu ihrer Gabel. „Da sind seine Brüder ganz anderer Meinung. Alle setzen ihm zu, weil er Feuerwehrmann geworden ist.“ Seine Miene wurde nachdenklich. „Mein Bruder ist Sheriff, Kevin ist US Marshai, Nash ist beim FBI und ich…“ Seine Stimme verklang. „Es ist seltsam.“ „Nicht unbedingt. Brüder arbeiten oft in derselben Branche. Außerdem kannst du froh sein, dass du eine so gute Familie gekriegt hast.“ „Sie stehen alle auf Frauen und Kinder.“ „Soweit ich weiß, hat jeder nur eine Frau, aber viele Kinder.“ Sie nahm eine Gabel voll Salat. „Bist du verheiratet?“ Er schüttelte den Kopf. „Nicht mein Stil.“ „Wegen deiner Arbeit?“ „Unter anderem.“ Was mochten die anderen Gründe sein? „Also, wofür steht DJ.?“ „Nichts Interessantes.“ „Das glaube ich nicht.“ Quinn aß etwas Salat. „Debbi Jo.“ Sie schüttelte den Kopf. „Darling Jenny.“ Sie nahm einen Schluck Wein. „Darlene Joy.“ Sie brach ein Stück Brot ab und biss hinein. „So schlimm kann es nicht sein. Gib mir einen Tipp.“
„Ich gebe keine Tipps.“ Er seufzte theatralisch. „Dann muss ich mich eben in der Stadt umhören.“ „Frag nur. Niemand kennt die Wahrheit.“ „In echt?“ „Ich weiß meine Geheimnisse zu wahren.“ „Was für Geheimnisse hast du sonst noch?“ „Wenn ich es dir sage, sind es ja keine mehr.“ „Das stimmt allerdings.“ Er musterte sie. „Du siehst wundervoll aus heute Abend.“ Der unverhoffte Themenwechsel verblüffte sie. Schlimmer noch, das Kompliment machte sie verlegen. „Danke.“ „Gern. Ich weiß es zu schätzen, dass du meinem Kleiderwunsch nachgekommen bist.“ „Ich pflege meine Rechnungen voll zu begleichen.“ „Geht es nur darum?“ „Wir haben einen Deal. Ich habe meinen Teil erfüllt und erwarte, dass du dasselbe tust.“ Er hob sein Glas, so als wollte er ihr erneut zuprosten, aber er nahm wortlos einen Schluck und blickte sie auf seltsame Weise an. Er beobachtete sie nicht nur, er studierte sie und lernte. Es machte sie verlegen, aber auch seiner Männlichkeit bewusst. „Du bist eine tolle Frau, DJ.“ Der aufrichtige Klang seiner Stimme durchdrang einen winzigen Riss in ihrem gewöhnlich soliden Schutzwall. Sie begann, sich in seiner Gegenwart zu entspannen, ihn zu akzeptieren, ihn zu mögen. Letzteres hätte sie alarmieren sollen, aber sie wollte zumindest eine Weile lang nicht an Sicherheit und Distanz denken. Es war ein zu schönes Gefühl, einfach mit einem Mann zusammen zu sein, dessen Gegenwart sie genoss. „Also, erzähl mir von deiner Kindheit in L. A.“, sagte er. Ihre gute Laune verflog abrupt. Vorsicht erwachte, zusammen mit dem Drang zur Flucht. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe mit elf meine Eltern verloren. Es gab keine weiteren Angehörigen, also wurde ich in Pflege gegeben.“ Sie hielt eine Hand hoch, bevor er etwas dazu sagen konnte. „Die Leute, zu denen ich kam, waren echt nett. Sie haben mir wesentlich mehr gegeben, als der Staat ihnen bezahlt hat.“ Es entsprach der Wahrheit. Sie war von den zwei Familien, bei denen sie fast sieben Jahre lang gelebt hatte, gut ernährt, gekleidet und umsorgt worden. Was niemand erkannt hatte, war, dass der Schaden bereits vor ihrem elften Lebensjahr entstanden war. „Ich habe die High School und ein College besucht und bin schließlich hier gelandet.“ Der kurze Abriss ihrer Vergangenheit wirkte wie die Betrachtung einer Skizze in Schwarz-Weiß, in der die Farben und die Details fehlten. Kein Zufall, dachte Quinn, und nicht gegen mich persönlich gerichtet. Sie wollte niemanden in ihr Leben einweihen. Unwillkürlich wünschte er sich, alle Nuancen zu entdecken, die sie zu der Frau gemacht hatten, die ihm nun gegenübersaß. Das war erstaunlich, denn für gewöhnlich interessierte ihn nur, was für eine sehr flüchtige Beziehung nötig war. Seine emotionale Bindung ging im Allgemeinen nicht über ein langes Wochenende hinaus. Je weniger er von seinen Frauen wusste, desto geringer war das Risiko, dass ihm etwas missfiel. Er neigte zu Affären, die nur seinen Körper betrafen. Bei DJ. war er bereit zu riskieren, mehr zu erfahren. Lag es daran, dass er ahnte,
dass sie ihn nur positiv überraschen würde? Er bezweifelte nicht, dass sie eine berauschende Geliebte war. Allein der Gedanke daran, dass sie all ihre Energie und Entschlossenheit in Sex umleitete, raubte ihm den Atem. Aber ihn reizte auch die Persönlichkeit hinter der Fassade. „Und wie sieht dein Werdegang aus?“ erkundigte sie sich beiläufig. „Ich habe auch ein College besucht.“ „Lass mich raten. Du warst ein Footballstar.“ Er lehnte sich zurück und grinste. „Ich war sehr beliebt.“ „Das kann ich mir denken. An jedem Arm einen Cheerleader.“ „An guten Tagen.“ Er musterte sie eindringlich. „Du hättest heiß in dem Outfit ausgesehen, aber ich kann mir dich nicht als Cheerleader vorstellen.“ „Ich war zu sehr damit beschäftigt, selbst sportliche Erfolge zu erzielen. Wie ging es nach dem College weiter?“ „Ich bin zum Militär gegangen. Als Offiziersanwärter.“ „Natürlich.“ Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. „Du bist beeindruckt. Nicht wegen der Uniform, sondern der Macht.“ „Aha. Sprich weiter.“ „Nachdem ich mein Offizierspatent hatte, wurde ich einer Spezialeinheit zugewiesen.“ „Und dort tust du Dinge, über die du nicht reden darfst.“ „Richtig.“ „Du hast erwähnt, dass du Amerikaner aus Orten befreist, an denen sie nicht sein sollten. Wie kommen sie dorthin?“ Er verzog das Gesicht. „Die Leute, die genügend Geld haben, kommen fast überallhin. Manchmal verwandelt sich auch ein harmloses Urlaubsland in eine Gefahrenzone, wenn das Regime unverhofft wechselt. Dann kommen mein Team und ich zum Einsatz.“ Sie spielte mit ihrer Gabel. „Es muss schön sein, all dem für ein paar Wochen zu entkommen und nicht ständig über die Schulter gucken zu müssen.“ Er nickte. Die gedämpfte Beleuchtung zauberte rötliche Highlights in ihre dunkelbraunen Haare. Die Locken fielen ihr über die Schultern auf die Brust und lenkten seinen Blick auf ihr Dekollete. Durch die Spitzenärmel konnte er ihre ausgeprägten Muskeln sehen. Sie war anders als alle Frauen, die ihm bisher begegnet waren. „Willst du gar nicht fragen, ob ich schon mal jemanden getötet habe?“ erkundigte er sich, denn irgendwann stellten seine Dates unweigerlich diese Frage. Er hätte es besser wissen sollen. DJ. griff nach ihrem Weinglas. „Mir würde nicht in den Sinn kommen, dass du es nicht getan haben könntest. Sonst hättest du nicht deine Art von Erfahrung. Du bist nicht ohne Grund, wer und was du bist.“ Die Akzeptanz in ihren Worten wirkte verlockend. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als er es für möglich gehalten hatte, ein ganz normales Leben zu führen. Die Frau zu finden, die Verständnis aufbrachte. Die akzeptierte, was er tat, und den Grund kannte. Doch vor langer Zeit hatte er die Hoffnung aufgegeben, sie je zu finden. Sie existierte nicht. Oder vielleicht doch? Kam DJ. infrage, oder war es nur Wunschdenken? „Du hast versprochen, dass du ein paar Wochen in der Stadt bleibst“, bemerkte sie. „Ich erwarte eine Gegenleistung für meine Investition.“ „Ich bin auf unbestimmte Zeit beurlaubt.“ „Warum? Wurdest du verletzt?“ Nicht in der Art, die sie meinte. „Ich will meine Möglichkeiten überdenken. Meine Arbeit erfordert ein großes Maß an Distanziertheit. Ich weiß nicht, ob ich dazu
noch bereit bin. Vielleicht ist es an der Zeit für eine Veränderung.“ Zum ersten Mal sprach er aus, was ihm seit einigen Wochen durch den Kopf ging. Er horchte in sich hinein, ob ihm die Worte richtig erschienen oder nicht. Als er keine eindeutige Antwort fand, leerte er sein Glas und griff nach der Flasche. „Ich sollte jemanden töten und konnte es nicht.“ Er schenkte sich ein Glas ein und füllte ihres auf. „Ich habe vorher noch nie einen Auftrag abgelehnt. Aber diesmal…“ Ihr Blick ruhte auf seinem Gesicht, ohne jede Spur von Abscheu oder dummen Fragen. „Du hattest einen guten Grund für die Ablehnung.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Ja“, bestätigt er. Ihm war aufgetragen worden, einen Doppelagenten zu töten. Es war nicht das erste Mal, und er schreckte nicht davor zurück, einen Landsmann zu töten, der zur Gegenseite übergewechselt war. Doch der Überläufer hatte sich als sein früherer Vorgesetzter und Mentor entpuppt. Quinn hatte sich wie in einem schlechten Spionagefilm gefühlt, in dem die Darsteller und Kugeln allerdings echt waren. Er hatte den Mann im Visier gehabt und den Abzug nicht betätigen können. Ein anderer war geschickt worden, um das Problem zu beseitigen. Quinn hatte um Beurlaubung angesucht, die ihm gewährt worden war. Er wusste nun, dass er nicht so weitermachen konnte wie bisher, ohne mit seiner Seele zu bezahlen. Stille herrschte. Er suchte nach einem unverfänglichen Thema, einer Ablenkung. Normalerweise sprach er nicht im Detail über seine Arbeit, und er sagte nie die Wahrheit. Warum also tat er es jetzt? Sie neigte den Kopf. „Wenn du dich in fremde Länder begibst, bekommst du wohl nicht diese exotischen Stempel in deinen Pass, oder?“ „Nein. Unter den gegeben Umständen ziehen wir es vor, die Einwanderungsbehörden zu umgehen.“ „Ein Jammer. Die Stempel sind das Beste an den Reisen“, scherzte sie. Ihre gelassene Einstellung entspannte ihn und machte ihn gleichzeitig neugierig. „Warum bist du nicht mit jemandem liiert?“ „Ich bin doch kein Idiot. Ich brauche kein sexistisches Männchen, das mein Leben dominiert. Was hätte ich davon? Mehr Arbeit? Mehr finanzielle Verpflichtungen? Nein danke.“ Er schmunzelte. „Was ist mit Kindern?“ „Ich hätte gern Kinder.“ Übertrieben verstohlen blickte sie sich im Restaurant um und beugte sich dann zu ihm vor. „Du hast es vielleicht noch nicht gehört, weil du so viel im Ausland bist, aber die Ehe ist nicht mehr erforderlich, um Kinder zu kriegen.“ „Machst du Witze?“ „Nein. Ist die moderne Wissenschaft nicht verblüffend?“ Der Kellner erschien mit dem Hauptgericht. Während er servierte, musterte Quinn sie nachdenklich. Es gab einen Grund dafür, dass sie die Ehe im Allgemeinen und Männer im Speziellen so vehement ablehnte. Irgendwer hatte ihr irgendwie wehgetan. Aber wer und warum? Er wusste, dass sie es ihm nicht erzählen würde, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er es unbedingt wissen wollte. DJ. hielt vor dem Hotel an und bedachte Quinn mit einem bedeutungsvollen Blick. Wie er wusste, erwartete sie, dass er sich unverzüglich verabschiedete und ausstieg, aber so leicht wollte er sie nicht davonkommen lassen. „Stell doch den Wagen für einen Moment ab, ja?“ bat er. Sie seufzte schwer, so als wäre es eine Zumutung. Dann fuhr sie in eine Parklücke und stellte den Motor ab. „Wann willst du morgen anfangen?“ wollte er wissen.
„Frühmorgens passt es mir am besten.“ „Gut. Dein Fitnessraum hat alles, was wir brauchen. Du hast ihn sehr gut ausgestattet.“ „Danke. Das gehört zu meinem Beruf. Ich unterrichte dort die Frauen.“ „Keine Männer?“ Sie zuckte die Achseln. „Sie dürfen gern teilnehmen, aber es besteht kein Bedarf. Männer haben nicht dieselben Probleme wie Frauen. Obwohl auch im Tierreich unprovozierte Angriffe vorkommen können, ist der Mensch die einzige Spezies, bei der das Weibchen sich instinktiv vor fremden Männchen fürchtet. Kein Mann, der nachts in einer dunklen Straße einer Frau begegnet, denkt sich was dabei. Aber dieselbe Frau ist sich jedes Mannes sehr bewusst.“ „Da magst du Recht haben.“ Sie verdrehte die Augen und entgegnete sarkastisch: „Vielen Dank für die Zustimmung.“ Er unterdrückte ein Grinsen. „Du wirkst auf mich nicht wie eine Frau, die oft Angst hat.“ „Hab ich auch nicht, aber ich passe ja auch gut auf. Ich weiß mich zu wehren und begebe mich nicht in gefährliche Situationen.“ Er beugte sich zu ihr. „Ich bin gefährlich.“ „Du bist eine bekannte Gefahr, auf die ich vorbereitet bin.“ „Unmöglich.“ „Wollen wir wetten?“ Sie bluffte. Beide wussten, dass er sie mühelos überwältigen konnte. Doch sie trotzte ihm furchtlos. „Hart wie Stahl“, murmelte er. „Das gehört zu den Dingen, die mir an dir gefallen.“ Sie blickte ihn mit großen Augen und leicht geöffneten Lippen an. Seine Aussage schien sie zu verblüffen – und vielleicht auch ein klein wenig zu erfreuen. Spannung knisterte zwischen ihnen, und er betrachtete es als gutes Zeichen. Anziehungskraft war nur einen kleinen Schritt von Erregung entfernt, und er wollte sie reichlich erregt wissen. Er stützte eine Hand auf das Armaturenbrett und beugte sich zu DJ. Doch kaum hatte er sich ihr wenige Zentimeter genähert, als sie sich auch schon versteifte. Es war eine vage Reaktion, die er eher spürte als sah. Sofort hielt er inne und lehnte sich auf seinem Sitz zurück. Ein anderer Mann hätte sich vielleicht entmutigen lassen oder denken können, dass sie nicht der Mühe wert war. Nicht aber Quinn. Es sprach einiges für eine Frau, die nicht so schnell zu gewinnen war, um mit Shakespeare zu sprechen. Er rieb sich die Augen. Er zitierte Shakespeare? Verdammt, dann hatte es ihn schlimm erwischt. „Wir müssen uns einigen, wie viele Unterrichtsstunden deine Gesellschaft beim Dinner wert war“, bemerkte er gelassen. „Bei einem Dinner, das ich auch noch bezahlt habe.“ Er blickte aus dem Fenster und gab vor zu gähnen. „Ich habe mich erboten, aber du wolltest ja unbedingt.“ Er hatte sich geschlagen gegeben, weil sein Instinkt ihm geraten hatte, dass es die bessere Strategie war. „Fünf Stunden“, forderte sie. „Zwei.“ „Drei.“ „Abgemacht. Du darfst mich jetzt küssen, aber ich will, dass du dir echt Mühe gibst. Es muss besser sein als der letzte Kuss.“ DJ. hätte ihn am liebsten mit bloßen Händen erwürgt. Sie durfte ihn küssen?
Diese unverfrorene Frechheit von einem eingebildeten, selbstgefälligen… „Ich kann dich förmlich fluchen hören.“ Quinn lächelte nachsichtig, mit halb geschlossen Augen. „Angst?“ Es fiel ihr sehr schwer, die Herausforderung nicht anzunehmen. „Nicht interessiert“, entgegnete sie lässig. „Natürlich bist du interessiert. Komm und hol dir, was du willst. Ich stehe ganz zu deiner Verfügung.“ Sie wollte ihn ohrfeigen. Schlimmer noch, sie wollte ihn küssen. Sie hasste es, dass er Recht hatte. Sie war wirklich interessiert – gegen ihren Willen. Es war verrückt. Sie kannte die Gefahr, sich zu engagieren, Zuneigung zu empfinden, verletzlich zu werden. Sie ließ es nicht zu. Niemals. Es gibt nur eine Lösung, sagte sie sich. Sie musste Quinn in die Knie zwingen, ohne sich zu engagieren. Sie holte tief Luft, rutschte näher und beugte sich über die Mittelkonsole zu ihm. Sie machte sich auf seine Umarmung und ihren daraus resultierenden Drang zur Flucht gefasst. Aber Quinn rührte sich nicht. Sobald sie den Mund auf seinen senkte, stürmten verschiedenste Eindrücke auf sie ein. Seine Wärme. Die Weichheit seiner Lippen. Der aufreizend maskuline Duft seines Körpers. Sie begehrte ihn, wie sie bestürzt feststellte. Angst kämpfte gegen das Bedürfnis, sich zu beweisen. Die Herausforderung siegte. Sie bewegte die Lippen an seinen, erforschte die Konturen, bevor sie den Kopf neigte und den Mund öffnete. Er akzeptierte die Einladung, strich mit der Zungenspitze über ihre Unterlippe. Verlangen strömte durch ihren Körper, und ihre Brüste wurden plötzlich empfindsam. Sie beugte sich näher zu ihm. Als seine Zunge zwischen ihre Lippen drang, legte sie ihm unwillkürlich eine Hand auf die Brust. Sie spürte seine Wärme selbst durch das Jackett und wollte seine nackte Haut spüren. Doch obwohl ihr Körper nachgab, schaltete ihr Verstand auf Alarm. Sie sagte sich, dass Männer von Natur aus gefährlich waren, und keiner mehr als Quinn. Das Verlangen musste beherrscht werden. Sex war für sie eine Waffe, kein Vergnügen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie schluckte schwer. Sachte legte Quinn ihr eine Hand auf den Rücken. Doch der erwartete Fluchtinstinkt blieb aus. Sie wollte nicht weglaufen. Sie hatte keine Angst. Sie hatte Hunger. Sie wollte mehr. Sie wollte überall von ihm berührt werden. Sie wollte nackt sein und ihn in sich spüren. Er erregte sie, doch darüber hinaus berührte er etwas tief in ihrem Innern. Er machte sie schwach, und sie wusste, was das bedeutete. Schwäche bedeutete Gefahr. Die Starken zerquetschten die Schwachen. Nun stellte sich doch die Angst ein. Sie richtete sich auf und suchte zu verbergen, dass sie zitterte. „Es ist spät geworden“, sagte sie unvermittelt und starrte aus dem Fenster. Sie wollte nicht in sein Gesicht blicken und sehen, was er dachte. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann sagte er: „Wir sehen uns morgen früh um neun.“ Sie fürchtete, dass ihre Stimme brechen würde, wenn sie sprach. Also nickte sie nur, und er öffnete die Autotür und stieg ohne ein weiteres Wort aus.
7. KAPITEL Um sieben Uhr am nächsten Morgen betrat Quinn das kleine Cafe, in dem er mit Travis zum Frühstück verabredet war. „Morgen“, wünschte er, als er zu dem Tisch am Fenster trat. Travis legte die Zeitung nieder, in der er gelesen hatte, und schenkte Kaffee aus einer Kanne ein, die auf dem Tisch stand. „Hallo. Schön, dass du da bist. Ich war nicht sicher, ob du wirklich so früh aufstehen willst.“ „Ich schlafe nicht viel“, entgegnete Quinn. Es war berufsbedingt. Jahrelange Anspannung führte dazu, dass sich der Schlaf nicht so leicht einstellte. In der vergangenen Nacht hatte sich sexuelle Unzufriedenheit dazu gesellt. Der Kuss hatte ihn sehr erregt, doch es war eine schlaflose Nacht wert. Travis blickte zur Uhr. „Meine Brüder und Hannah frühstücken meistens mit mir. Aber sie wissen, dass ich ohne sie anfange, wenn sie um fünf nach sieben nicht hier sind. Anscheinend sind wir heute nur zu zweit.“ „Kein Problem.“ Quinn nahm einen Schluck von dem dampfenden schwarzen Kaffee und lehnte sich zurück. „Was macht das Sheriffsamt?“ „Wir haben zum Glück einen ruhigen Sommer. Erfahrungsgemäß werden die Jugendlichen in etwa einem Monat unruhig und begehen Bagatelldelikte. Unbedeutende Streiche im Vergleich zu dem, womit du zu tun hast.“ Quinn zuckte die Achseln. „Kleinstädte haben gewisse Vorteile. Man braucht nicht so viel Rückendeckung.“ „Da hast du sicherlich Recht.“ Travis lächelte. „Also, wie war das Dinner?“ Es überraschte Quinn nicht, dass sich die Neuigkeit so schnell verbreitet hatte. „Gut. Die Gesellschaft war noch besser.“ „Es hat mich überrascht zu hören, dass du und DJ. ausgegangen seid.“ „Weil sie nicht viel mit Männern verkehrt?“ Travis zögerte. „Sie lebt sehr zurückgezogen.“ Nette Ausflucht, dachte Quinn. Es gefiel ihm, dass Travis sie zu schützen suchte und DJ. nicht so sehr auf sich gestellt war, wie sie vorgab. „Sie ist eine vielschichtige Frau.“ „Sind sie das nicht alle?“ „Ich behaupte nicht, dass ich die Frauen verstehe“, gestand Quinn ein. Und schon gar nicht DJ. dachte er. Obwohl sie ihm freimütig Sex als Gegenleistung für seinen Unterricht geboten hatte, war sie am vergangenen Abend allein durch einen Kuss in Panik geraten. Er hätte sich gern eingebildet, dass seine großartige Technik sie derart hingerissen hatte, aber er musste sich eingestehen, dass mehr dahinter steckte. „Was läuft eigentlich zwischen euch beiden?“ fragte Travis unverhohlen. „Sie hat mich engagiert, ihr ein paar Dinge beizubringen.“ „Ich habe eine ungefähre Vorstellung von deiner Tätigkeit – eher durch das, was dein Bruder nicht gesagt hat, als das, was er gesagt hat. Du hast DJ. im Manöver besiegt, was bisher noch keiner geschafft hat. Deshalb verstehe ich, dass sie von dir lernen will. Aber das erklärt nicht die Dinnerverabredung.“ Quinn wollte nicht unbedingt eingestehen, dass es ihre Bezahlung für den Unterricht war. Daher entgegnete er ausweichend: „Sie ist eine wundervolle Frau.“ „Die meisten Männer können ihre raue Schale nicht genügend durchbrechen, um das zu merken.“ „Ich habe es gemerkt.“ Travis lächelte. „Ich habe nicht das Recht dazu, aber ich will fragen, was du in dieser Hinsicht zu tun gedenkst.“
„Kein Problem. Es freut mich zu wissen, dass DJ. jemanden hat, der sich um sie sorgt.“ „Ja? Sag ihr bloß nichts davon. Sie würde mir den Kopf abreißen.“ „Nachdem sie dir die Beine gebrochen hat“, stimmte Quinn mit einem Grinsen zu. Ein großer Mann mit langen dunklen Haaren und einem Ohrring trat an den Tisch. „Komme ich zu spät?“ Travis rückte zur Seite, um Platz für ihn auf der Bank zu machen. „Nein. Wir haben noch nicht bestellt.“ Der Mann setzte sich und streckte die Hand über den Tisch. „Austin Lucas.“ „Quinn Reynolds.“ Während sie sich die Hände schüttelten, erklärte Travis: „Austin ist ehrenhalber ein Haynes. Wir sind seit unserer Kindheit befreundet.“ „Ich habe deinen Bruder Gage kennen gelernt“, verkündete Austin. „Er ist ein guter Mensch.“ „Das stimmt.“ Die Kellnerin brachte eine neue Kanne Kaffee und eine Tasse für Austin, nahm die Bestellung auf und ging wieder. „Wir haben gerade über DJ. gesprochen“, sagte Travis. „Quinn war gestern Abend mit ihr essen.“ „Das wundert mich“, bemerkte Austin. „Normalerweise macht sie jeden Mann zur Schnecke und jagt ihn dann zum Teufel.“ Seine Äußerung kündete von einem Ausmaß an Intimität, das Quinn nicht gefiel. Er versuchte, sein Unbehagen zu definieren. War es Verärgerung? Eifersucht? Austin begegnete seinem Blick und erklärte: „DJ. ist mit meiner Frau eng befreundet. Sie sind völlig gegensätzlich, aber Rebecca meint, dass die Beziehung gerade dadurch so interessant ist.“ „DJ. ist eine interessante Frau.“ Austin blickte zu Travis. „Sollten wir besorgt sein?“ „Meinetwegen nicht“, versicherte Quinn. „Ich gehöre zu den Guten.“ „Ach ja?“ hakte Austin überrascht nach. Quinn hatte Verständnis für den Zweifel. Es gab kaum Umstände, unter denen er sich so bezeichnen würde, außer in diesem Fall. Er beabsichtigte, sein Versprechen gegenüber DJ. zu halten, und hielt es für unwahrscheinlich, dass er ihr in irgendeiner Weise wehtun könnte. Travis beugte sich vor. „Quinn, du gehörst jetzt zur Familie, und wir kümmern uns alle gegenseitig umeinander. Die Sache ist, dass wir uns auch um DJ. kümmern. Ich nehme an, wir werden darauf vertrauen müssen, dass du das respektierst. Okay?“ „Sicher“, bestätigte Quinn bereitwillig, doch er hatte das Gefühl, dass sein Leben von nun an wesentlich komplizierter werden würde. Am nächsten Morgen hatte DJ. den Kuss und ihre Reaktion darauf in die richtige Perspektive gerückt und beschlossen, einfach zu vergessen, dass es je geschehen war. In ihrem Leben galten sehr spezifische Prioritäten, und die Wichtigste war, die Beste zu sein. Quinn besaß Informationen, die sie haben wollte und zu bekommen gedachte. Ende der Geschichte. Die Eingangstür öffnete sich, und das Objekt ihrer Überlegungen spazierte herein. Ihre Gedanken stoben auseinander wie ein Schwarm Spatzen vor einer jagenden Katze. Doch die geistige Verwirrung war längst nicht so ärgerlich wie ihre körperliche Reaktion auf seinen Anblick. Ihr Mund war plötzlich wie ausgedörrt, ihre Handflächen wurden feucht und ihre Schenkel heiß. „Morgen“, wünschte er fröhlich und schloss die Tür hinter sich. „Wie man so
schön sagt, erscheint der Lehrer, wenn der Schüler bereit ist. Hier bin ich. Du solltest lieber bereit sein.“ Sie versuchte, über seinen Humor zu lächeln, aber sein Aussehen faszinierte sie zu sehr. Shorts betonten seine langen, kräftigen Beine, und ein T-Shirt spannte sich über seiner breiten, muskulösen Brust. „Hast du gut geschlafen?“ Er wirkte ruhig und ausgeruht, so als hätte der Kuss ihn überhaupt nicht berührt. Sie war bereit, auf sein Spielchen einzugehen, und überzeugt, dass sie ihn übertreffen konnte. „Natürlich“, log sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Er trat zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Dann packen wir es an.“ Sie schüttelte seine Hand ab und stürmte in den Fitnessraum. Sie hasste die Wärme, die auf ihrer Haut verweilte, und das Flattern in ihrem Bauch. Ironischerweise beunruhigte ihre sexuelle Reaktion sie mehr als sein Potenzial, ihr körperlich wehzutun. Sie begannen mit einer Reihe von Aufwärm- und Dehnübungen. Dann zogen sie sich beide die Schuhe und Strümpfe aus und betraten die Bodenmatten. „Wir lassen es langsam angehen“, eröffnete Quinn. „Letztes Mal habe ich dir gezeigt, wie man einen Frontalangriff abwehren kann. Erinnerst du dich daran?“ Sie nickte. „Du hast es mir gezeigt, aber es hat nicht geklappt.“ 6r grinste. „Ich bin eben echt gut.“ „Hör auf anzugeben. Es geht nicht um dich.“ „Stimmt. Also, fang an.“ Sie ging zum Angriff über. Sekunden später landete sie flach auf dem Rücken. „An diesen Teil erinnere ich mich sehr gut“, murrte sie, während sie aufstand. „Ich zeige es dir noch mal. Beobachte mich ganz genau.“ Vierzig Minuten später hatte sie Fortschritte gemacht. Bei zwanzig Prozent der Angriffe erreichte sie ein Unentschieden und bei dreißig Prozent einen Sieg. Das bedeutete, dass fünfzig Prozent im Ernstfall tödlich geendet hätten. „Jetzt verstehe ich, warum du so viel verdienst“, murmelte sie, als sie erneut durch die Luft gesegelt und auf der Matte gelandet war. „Du hast es erfasst.“ Er reichte ihr eine Hand. Inzwischen war ihr die Geste so vertraut, dass sie sich ohne Zögern auf die Füße helfen ließ. Als sie stand, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Quinn sah natürlich immer noch wie frisch geduscht aus. „Ich greife jetzt von hinten an“, erklärte er. „Es gibt verschiedene traditionelle Angriffspositionen.“ Sein Körper presste sich an ihren, und ein Arm legte sich um ihren Hals. Gemischte Gefühle erwachten in ihr. Einerseits genoss sie den Kontakt, andererseits verspürte sie einen Drang zur Flucht. „Diesem Griff kannst du leicht entkommen, indem du das Kinn gesenkt hältst und Hebelkraft einsetzt“, sagte er. „Wesentlich gefährlicher ist dieser Griff.“ Er bewegte den Arm, legte ihr die Hand um die Kehle und übte Druck mit dem Daumen aus. Ihre Angst eskalierte und drängte sie zur Flucht. Ihr Magen drehte sich um, und Adrenalin wurde freigesetzt. „Der Druck verhindert, dass Blut ins Gehirn strömt. Je nachdem, wie lange und fest man drückt, wird der Betroffene entweder nur bewusstlos oder getötet“, erklärte er erstaunlich gelassen. Sie holte mit dem Arm aus, um ihm den Ellbogen in den Magen zu rammen. Danach wollte sie ihn mit einem Schulterwurf… Er ließ sie los und trat zurück. „Versuch du es jetzt bei mir.“ Die Panik verebbte so schnell, wie sie aufgestiegen war. DJ. ignorierte das leichte
Gefühl der Benommenheit, das sie noch verspürte, trat hinter ihn und stellte sich auf Zehenspitzen, um ihm den Arm um den Hals schlingen zu können. „Es wäre leichter, wenn du kleiner wärst“, murrte sie. Sie versuchte, seine Kehle zu drücken, aber es wollte ihr nicht recht gelingen. Die Wärme seiner Haut und der Geruch seines Körpers halfen ihr nicht gerade, sich zu konzentrieren, und ihre Hand war zu klein. Sie fühlte sich unzulänglich und schwach, was ihr nicht sonderlich zusagte. „Kann ich dich nicht einfach erschießen?“ „Das würde unseren Unterricht vorzeitig beenden.“ Er beugte die Knie. „Ist es so besser?“ „Etwas.“ „Sobald du die Technik richtig beherrschst, musst du mit meiner vollen Körpergröße zurechtkommen. Du kannst nicht darauf bauen, dass alle potenziellen Angreifer kleiner sind als ich.“ Sie wollte ihm gerade zustimmen, als eine vertraute Stimme ihren Namen rief. Ein rascher Blick zur Uhr verriet, dass es beinahe halb elf war. Die Zeit war nur so verflogen. „Hier hinten!“ rief sie und trat von Quinn zurück. „Wir machen jetzt Pause.“ Er drehte sich zur Tür um und zog die Augenbrauen hoch, als Rebecca erschien. DJ. folgte seinem Blick und unterdrückte ein Stöhnen. Einfach perfekt, dachte sie, während sie eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank holte. Sie war erhitzt und verschwitzt und schlecht gekleidet in Shorts und T-Shirt. Rebecca hingegen verkörperte weibliche Vollkommenheit in einem weißen Sommerkleid, mit makellosem Make-up und geschmackvollen Perlenohrringen. Zierliche Sandaletten enthüllten ihre rosa lackierten Fußnägel. DJ. war nie zuvor eifersüchtig auf ihre Freundin gewesen und verwehrte sich auch jetzt dagegen. Sie war nicht interessiert an Quinn; Rebecca war glücklich verheiratet und sah keinen Mann mehr an, seit sie Austin vor fast zehn Jahren kennen gelernt hatte. Rebecca hielt eine Thermosflasche in einer und eine Schachtel Doughnuts in der anderen. „Störe ich?“ „Überhaupt nicht.“ DJ. deutete mit dem Kopf zu Quinn, ohne ihn wirklich anzusehen. „Rebecca, das ist Quinn. Er unterrichtet mich in Selbstverteidigung.“ „Aha. Äußerst interessant.“ Rebecca stellte die Mitbringsel auf den Tisch, durchquerte den Raum und reichte Quinn die Hand. „Es freut mich, dich kennen zu lernen.“ Gegen ihren Willen beobachtete DJ. wie die beiden sich aufmerksam anblickten und viel zu lange die Hand schüttelten. Aber was kümmerte es sie? Männer wie er interessierten sie nicht. Kein Mann interessierte sie. „Gleichfalls. Ich habe heute Morgen beim Frühstück deinen Mann kennen gelernt.“ Rebecca entzog ihm die Hand und seufzte. „Ist er nicht wundervoll?“ „Wundervoll ist nicht unbedingt das Wort, mit dem wir Männer uns gegenseitig bezeichnen.“ Sie lächelte. „Mag sein. Wärst du bereit, DJ. so zu bezeichnen?“ Er blickte zu DJ. hinüber. Sie trank aus der Flasche und bemühte sich, gleichgültig zu wirken. „Vielleicht.“ „Ich fasse es als ein Ja auf.“ Rebecca hakte sich bei ihm unter und erklärte: „Ich komme vormittags ein paar Mal in der Woche hier vorbei und bringe Kaffee und Kalorienbomben mit.“ „Bist du nicht berufstätig?“ hakte Quinn nach.
Die beiden spazierten aus dem Fitnessraum und überließen es DJ. ihnen Kaffee und Gebäck nachzutragen. „Doch. Hauptsächlich bin ich Ehefrau und Mutter, aber ich arbeite halbtags im Waisenheim. Früher habe ich es geleitet, aber seit ich verheiratet bin und Kinder habe, bleibt mir nicht genug Zeit.“ Als DJ. ihr Büro erreichte, hatten Rebecca und Quinn bereits Platz genommen. Sie sank auf ihren Stuhl und knallte gereizt die Gebäckschachtel auf den Schreibtisch. Sie wusste selbst nicht, warum sie so irritiert war. Was war schon dabei, wenn die beiden miteinander plauderten? Rebecca zwinkerte ihr zu und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf Quinn. „Lass dich nicht von den bescheidenen Räumlichkeiten täuschen. Unsere DJ. ist sehr erfolgreich. Sie fliegt im ganzen Land herum, und manchmal sogar in der ganzen Welt, um Kinder zu retten. Außerdem unterrichtet sie Selbstverteidigung.“ DJ. nahm sich einen Doughnut. „Ich bin hier im selben Raum, weißt du.“ Rebecca lächelte. „Natürlich bist du hier. Aber du hast bestimmt nicht von all deinen Leistungen erzählt.“ Sie wandte sich an Quinn. „DJ. kann sehr bescheiden sein.“ „Sie hat erwähnt, dass sie entführte Kinder befreit.“ „Ja. Das ist sehr gefährlich, aber sie ist sehr mutig. Sie wirkt zwar hart, aber die Kids haben nie Angst vor ihr. Sie spüren wohl, dass sie nur helfen will.“ „Wechseln wir das Thema“, warf DJ. entschieden ein. „Reden wir über Quinn. Männer stehen gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass du das weißt“, entgegnete Rebecca überrascht. Dann fragte sie Quinn: „Woher stammst du?“ „Aus einer Kleinstadt in Texas.“ „Ich weiß, dass du einen Bruder hast. Na ja, jetzt hast du sogar mehrere. Was ist mit deiner Mom? Stehst du ihr nahe?“ DJ. stöhnte laut und blickte Rebecca vorwurfsvoll an. „Was hast du denn? Wie ein Mann seine Mutter behandelt, kann wichtige Hinweise auf seinen Charakter liefern. Nun, es sei denn, sie ist so furchtbar, wie Austins Mutter es war.“ Quinn grinste. „Meine Mom ist fantastisch, und ich verstehe mich ausgezeichnet mit ihr.“ „Bist oder wärst du verheiratet?“ wollte Rebecca als Nächstes wissen. DJ. hätte sich am liebsten unter den Tisch verkrochen. „Weder noch.“ „Fest liiert?“ Er schüttelte den Kopf. „Meine Arbeit hält mich zu sehr auf Trab.“ „Aha.“ Rebecca biss zart in einen Doughnut und schluckte. „Das ist eine bessere Ausrede, als manch andere haben.“ Sie warf einen bedeutungsvollen Blick zu DJ. „DJ. geht nicht oft aus, obwohl sie es nötig hätte.“ „Ich bin immer noch hier im Raum“, murrte DJ. „Das wissen wir doch“, beschwichtigte Rebecca und wandte sich mit einem Seufzen wieder an Quinn. „Es ist sehr traurig. Viele Männer interessieren sich für sie, aber das Problem ist ihr mürrisches Verhalten.“ „Mein mürrisches Verhalten?“ hakte DJ. verärgert nach. „Stimmt es etwa nicht? Ermutigst du etwa Männer in irgendeiner Form, an deinem Leben teilzuhaben? Verschreckst du nicht jeden, der auch nur einen Funken Interesse zeigt?“ „Jetzt reicht es.“ DJ. stand auf. „Du solltest jetzt wirklich gehen.“ Quinn lehnte sich grinsend auf seinem Stuhl zurück. „Meinetwegen musst du sie
nicht wegschicken.“ „Natürlich nicht. Du würdest dir liebend gern die wilden Geschichten über meine Vergangenheit anhören.“ „Das ist interessanter als Kabelfernsehen.“ Rebecca stand auf und griff nach ihrer Handtasche. „Ich wollte doch nur helfen. Quinn scheint sehr nett zu sein.“ „Ich spreche von jetzt an nicht mehr mit dir“, verkündete DJ. schroff. „Unsinn.“ Rebecca tätschelte ihr den Arm und sagte zu Quinn: „Lass dich von ihr nicht abschrecken. Es hat mich sehr gefreut, dich kennen zu lernen.“ „Gleichfalls. Dein Mann ist ein Glückspilz.“ Sie seufzte. „Das weiß er. Ach, übrigens geben wir morgen Abend eine Dinnerparty für die ganze Familie. Ich hoffe, du kommst auch.“ „Ich werde es mir nicht entgehen lassen.“ Rebecca wandte sich an DJ. „Ich brauche deine Hilfe bei den Vorbereitungen.“ „Im Leben nicht.“ „Bitte, du musst mir unbedingt helfen.“ DJ. wollte nicht durch einen Streit zu Quinns weiterer Belustigung beitragen. Also biss sie die Zähne zusammen und nickte. „Gut.“ Rebecca winkte beiden zu und verschwand. DJ. blickte ihr nach und unterdrückte den Drang, einen Stuhl durch den Raum zu schleudern, um ihre Verärgerung abzureagieren. „Gehen wir wieder an die Arbeit.“ Quinn rührte sich nicht vom Fleck. „Nicht so schnell. Ich habe eine Frage.“ „Wie es kommt, dass Rebecca und ich befreundet sind?“ „Nein. Wofür stehen die Initialen?“ „Das verrate ich dir nicht.“ „Ich helfe dir nicht, solange du es mir nicht sagst.“ „Ich habe für den Unterricht bezahlt. Du bist es mir schuldig.“ „Mag sein, aber ich rühre mich nicht, solange du es nicht ausspuckst.“ Sie starrte ihn finster an. Er wirkte gelassen und bereit, bis in den Abend sitzen zu bleiben. Sie erwog ihre Möglichkeiten und stellte fest, dass sie keine hatte. Sie konnte ihn nicht zwingen, sich zu bewegen, und sie konnte den Unterricht nicht ohne ihn fortsetzen. Sie holte tief Luft und machte sich auf sein lautes Gelächter gefasst. „Daisyjane.“ Ein vages Zucken um seine Mundwinkel war seine einzige Reaktion. „Der Name passt zu dir.“ Sie trat einen Schritt auf ihn zu. „Ich bringe dich um, wenn du mich so nennst.“ Er grinste. „Du könntest mir nicht mal einen Kratzer verpassen, Kleine. Also los, an die Arbeit.“
8. KAPITEL Quinn traf um kurz nach sieben zur Party ein. Der Anzahl der Autor in der Auffahrt nach zu urteilen, war das Haus voll. Er blieb einige Sekunden am Steuer sitzen und sagte sich, dass es nur eine Familienfeier war, ohne Gefahren, ohne Bedrohungen. Er rief es sich nicht in Erinnerung, um sich besser zu fühlen, sondern um nicht in den Arbeitsmodus zu wechseln. Für gewöhnlich lösten Menschenmengen Alarmbereitschaft in ihm aus. Zu oft hatte er politische Gefangene aus überfüllten Gefängnissen oder Geiseln aus voll besetzten Flugzeugen befreien müssen. Er wusste sich zu bewegen, ohne gesehen zu werden, aufzutauchen und zu verschwinden, ohne dass jemand seine Anwesenheit bemerkte. Das war nicht gerade eine Eigenschaft, die seinen Beliebtheitsgrad in der Familie förderte. Er stieg aus dem Auto und ging zur Haustür, die sich öffnete, bevor er anklopfen konnte. Rebecca Lucas empfing ihn mit einem Lächeln. „Genau pünktlich.“ Er deutete zu den zahlreichen Personen im Haus. „Sind alle anderen zu früh gekommen?“ Sie lachte. „Die Frauen und Kinder sind gegen vier eingetrudelt. Die Männer kommen jetzt erst. Apropos alle anderen – du hast die ganze Familie noch nicht gleichzeitig gesehen, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Dann mach dich auf was gefasst.“ Sie nahm ihn am Arm und zog ihn in das große, behagliche Haus. Er erhielt einen flüchtigen Eindruck von warmen Farben, bequemen Polstermöbeln und unzähligen Leuten. „Die meisten Kinder spielen hinten im Garten“, sagte Rebecca. „Ich stelle sie dir jetzt lieber nicht vor. Es wird schwer genug, dir zu merken, wer von den Erwachsenen mit wem verheiratet ist.“ Sie blieb bei drei Frauen stehen und stellte sie als Travis’ Frau Elizabeth, Craigs Frau Jill und Jordans Frau Holly vor. „Hannah ist auch irgendwo hier. Das da drüben ist ihre Mutter Louise. Sie war damals während der High School mit Earl liiert. Oh, da ist Gage.“ Quinn drehte sich um und sah seinen Bruder nahen. Gage grinste Rebecca an. „Quinn hat diesen gehetzten Ausdruck auf dem Gesicht. Ich errette ihn lieber, bevor er noch die Flucht ergreift.“ Sie nickte. „Alle zusammen wirken ziemlich überwältigend. Ich hatte Glück. Als ich Austin kennen gelernt habe, war nur Travis verheiratet. Die anderen Ehefrauen und Kinder sind erst nach und nach dazugekommen. Du dagegen wirst gleich ins Tiefe geworfen. Sag mir Bescheid, wenn du einen Rettungsring brauchst.“ „Okay.“ Sie tätschelte aufmunternd seinen Arm und ging davon. Gage führte ihn in die Küche, holte zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und reichte ihm eine. „Wie geht’s dir so?“ „Einigermaßen.“ „Zuviel Familie?“ Quinn dachte darüber nach. Er war kein geselliger Typ und traf sich selten mit Freunden. Aber das lag eher an den Umständen als an seiner Natur. „Ich komme schon klar, solange kein Namensquiz veranstaltet wird.“ Gage schmunzelte. „Wir mussten alle da durch. Du packst es bestimmt.“ Quinn schaute sich in der Küche und dem angrenzenden Wohnraum um. Mehrere Kinder hatten sich zu einem Brettspiel um den Couchtisch versammelt. Nash und
Kevin saßen auf dem Sofa. Stephanie stand neben Nash. Ihre Hand ruhte auf seiner Schulter, und er hatte ihr einen Arm um die Taille gelegt. Quinn ließ den Blick durch den Raum schweifen, bis ihm bewusst wurde, dass er nach DJ. Ausschau hielt. Sie war reizbar, schwierig und widerspenstig. Warum also brannte er so darauf, sie wiederzusehen? Er grinste. Weil es nie langweilig mit ihr war. Gerade in diesem Augenblick betrat sie das Haus durch die Hintertür. Sie trug ein kurzärmeliges Hemd, Jeans und Sandalen statt der üblichen Stiefel. Ihr Haar war offen, ihre Miene glücklich. Sie hielt ein kleines Mädchen an der Hand, beugte sich zu ihm hinab und hörte ihm aufmerksam zu. Dann nickte sie und deutete durch den Raum. Das Mädchen lief davon, und sie richtete sich auf. Quinn wusste genau, in welchem Moment sie sich seiner Anwesenheit bewusst wurde. Ihre Blicke begegneten sich nicht nur, sondern die Temperatur im Raum schien außerdem um zehn Grad zu steigen. „Ist das nicht die Frau vom Manöver?“ fragte Gage. „Ja. DJ.“ „Kurzform für was?“ Quinn zuckte die Achseln. Unter keinen Umständen wollte er ihr Geheimnis preisgeben. Kari betrat die Küche, lehnte sich an Gage und lächelte Quinn an. „Wie geht’s dir? Ich habe dich seit einer Ewigkeit nicht gesehen.“ „Mir geht es gut. Meinen Glückwunsch zu eurer Verlobung. Du weißt, dass Gage besser dabei abschneidet, oder?“ Groß und blond, mit blauen Augen und einem ansteckenden Lächeln, war Kari immer die Dorfschönheit gewesen. Gage hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Als sie dann aus Possum Landing weggegangen war, hatte Quinn vermutet, dass es endgültig aus mit ihnen wäre. Doch seltsamerweise hatten sie doch wieder zueinander gefunden. Sie lehnte den Kopf an Gages Schulter. „Ich glaube, wir schneiden beide sehr gut dabei ab.“ „Bildhübsch und auch noch diplomatisch. Wieso hast du so viel Glück?“ „Eine Folge der richtigen Lebensweise“, meinte Gage philosophisch. „Unverdientes Glück, wenn du mich fragst.“ Kari musterte ihn nachdenklich. „Du könntest auch jemanden finden.“ „Sehr unwahrscheinlich“, entgegnete er und nahm einen großen Schluck Bier. „Sein Lebensstil gestattet keine längeren Beziehungen als für fünfzehn Minuten“, sagte Gage. „Man kann seinen Lebensstil ändern.“ „Mag sein“, murmelte Quinn und entschuldigte sich. Er drehte sich zur Hintertür um, doch DJ. stand nicht länger dort. Aber er wusste, dass sie das Haus nicht verlassen hatte. Er eilte in den Wohnraum und sah sie mit Rebecca reden. Rebecca zwinkerte ihr zu, als er sich näherte. „Da kommt deine Flamme.“ DJ. stöhnte. „Er ist mein gar nichts.“ „Er muss irgendwas sein, weil ich die Hitze zwischen euch bis hierhin spüre.“ „Was du spürst, sind vorzeitige Wallungen.“ Rebecca lachte und wandte sich an Quinn. „Vielleicht solltest du sie betrunken machen.“ „Rebecca, wie kannst du so was Furchtbares sagen!“ „Quinn wird dir nicht wehtun, und du musst dich mal entspannen. Und ich muss mich jetzt um meine anderen Gäste kümmern.“ Sie lächelte beiden zu und eilte davon. DJ. blickte ihr mit zusammengekniffenen Augen nach. „Ich kann es nicht fassen,
dass sie mir derart in den Rücken fällt! Statistisch gesehen sind Frauen, die sich betrinken…“ „Halt den Mund, Daisy Jane.“ „Was hast du gesagt?“ hakte sie empört nach. „Du hast es gehört. Wie immer die Statistik aussehen mag, sie trifft nicht auf diese Situation zu, und das weißt du genau. Behandle mich nicht wie einen Schuljungen, der sich rücksichtslos nimmt, was er will, ohne an die Konsequenzen zu denken.“ „Nenn mich nicht bei diesem Namen“, stieß sie mühsam beherrscht zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Warum nicht?“ „Ich hasse ihn.“ „Er ist sehr hübsch.“ Mit zorniger Miene verschränkte sie die Arme vor der Brust und murrte: „Ich begreife nicht, wieso ich überhaupt hergekommen bin. Rebecca hat mich belogen. Als ich ankam, war überhaupt nichts mehr zu tun. Es war nur ein Trick von ihr.“ „Natürlich. Sie versucht, uns zusammenzubringen.“ „Stört dich das gar nicht?“ „Nein. Dich sollte es auch nicht stören. Rebecca liegt sehr viel an dir.“ „Sie sollte sich ein Hobby zulegen.“ „Ich glaube, das bist du.“ Drei Kinder stürmten durch das Haus zur Küche. DJ. wich ihnen aus und verkündete: „Im Hinterzimmer steht ein Billardtisch. Hast du Lust auf eine Partie?“ „Na klar.“ Als sie sich abwandte, um vorauszugehen, legte er ihr eine Hand auf den Rücken. Sie versteifte sich und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Was soll das?“ „Ich bin nur höflich.“ „Ich kann mich ohne fremde Hilfe fortbewegen“, murrte sie und schob seine Hand fort. „Warum hast du solche Angst?“ „Hab ich gar nicht. Dass es mir nicht gefällt, begrabscht zu werden, heißt noch lange nicht, dass mit mir was nicht stimmt.“ „Gute Story, aber ich kaufe sie dir nicht ab.“ „Gut, weil ich nichts verkaufe.“ Quinn schmunzelte unwillkürlich. Sie machte es ihm gewiss nicht leicht, aber es war bestimmt der Mühe wert, sie für sich zu gewinnen. Vermutlich würden die meisten Männer sie zähmen wollen, aber er nicht. Er mochte sie widerspenstig. Er wollte eine Frau, die stark genug war, um ihn zur Hölle zu schicken, wenn er ihrer Ansicht nach dorthin gehörte. DJ. nahm die Abdeckplane vom Billardtisch, der mitten in einem riesigen Raum stand, und faltete sie zusammen. Quinn sortierte die Kugeln und sagte: „Ich habe eine ganze Weile nicht mehr gespielt. Ich würde gern ein paar Probestöße ausführen.“ „Kein Problem. Worum spielen wir?“ „Ist für dich alles ein Wettkampf?“ „So ziemlich.“ „Und was ist, wenn zwei Menschen dasselbe Ziel haben?“ „Wann kommt das schon vor?“ „Bei der Arbeit zum Beispiel.“ „Okay, aber sonst praktisch nirgends.“
„Mir fallen mehrere Orte ein.“ Sie seufzte schwer. „Dreht sich bei dir alles nur um Sex?“ Er grinste. „So ziemlich.“ Es zuckte um ihre Mundwinkel. „Wir könnten um Geld spielen.“ „Das ist zu langweilig. Wie wäre es mit Kleidungsstücken?“ DJ. schüttelte den Kopf. „Es sind Kinder im Haus.“ „Ich bin bereit, meinen Gewinn erst später zu kassieren. Ort und Zeit werden noch ausgehandelt.“ „Wieso bist du so sicher, dass du gewinnst?“ „Ich gewinne immer.“ „Ich auch.“ „Das macht das Spiel umso reizvoller für uns beide.“ Er erwartete einen Protest, doch sie zuckte nur die Achseln. Er fragte sich, ob es daran lag, dass sie sich ihrer Fähigkeiten so sicher war, oder ob es sie in diesem Fall nicht störte zu verlieren. Er wünschte sich das Zweite. Er wünschte sich, dass sie ebenso die erotische Spannung zwischen ihnen spürte wie er. Er wollte, dass sie ihn begehrte. Er wusste, dass sie durch irgendein Erlebnis in der Vergangenheit argwöhnisch war, und er akzeptierte es. Er war bereit zu warten, bis sie ihm vertraute, und alles Nötige zu tun, um sich dieses Vertrauen zu verdienen. Er führte ein paar Stöße zur Probe aus. Seine Arbeit mochte anstrengend sein, aber es gab auch lange Perioden des Wartens, die er größtenteils mit seinem Team beim Billard verbrachte. Schon bald fühlte er sich wieder sicher und war überzeugt, dass er gewinnen konnte. Ein Münzwurf entschied, dass DJ. den Anstoß ausführte. Als sie sich über den Tisch beugte, bewunderte er ihren starken, schlanken Körper. Allein der Anblick ihrer Beine, ihrer sanft gerundeten Hüften und ihres reizvollen Hinterteils erweckte Verlangen. Er wollte sich hinter sie stellen und an sie pressen, die Arme um sie schlingen und ihre Brüste umschmiegen. Er wollte sie überall berühren und küssen. Er wollte sie haben. Hätte er diese Fantasien in die Tat umgesetzt, hätte sie ihm sicherlich ein blaues Auge verpasst. Sie lochte die erste Kugel sauber ein und machte sich zum zweiten Stoß bereit. Die langen Haare fielen ihr über den Arm, als sie sich über den Tisch beugte, und er beobachtete fasziniert, wie es im Lampenschein schimmerte. „Warum trägst du sie lang?“ fragte er, als sie die Kugel versenkt hatte und sich wieder aufrichtete. „Was?“ Er trat zu ihr und berührte ihre Haare. „Sie sind wundervoll, aber warum trägst du sie nicht kurz?“ Normalerweise hasste sie es, angefasst zu werden, doch nun störte es sie nicht sonderlich. Er war ihr zwar nahe, aber nicht auf aggressive Weise. „Meine Mutter hatte lange Haare“, erwiderte sie, bevor ihr bewusst wurde, dass sie ihm die Wahrheit sagen wollte. Oder zumindest teilweise. „Als ich klein war, haben wir uns immer gegenseitig die Haare gebürstet und geflochten und uns versprochen, sie nie abschneiden zu lassen.“ Quinn lauschte aufmerksam und beobachtete ihr Gesicht. „Also ist es dir das Risiko wert?“ Sie wusste genau, was er meinte. Lange Haare stellten in ihrem Beruf tatsächlich ein Risiko dar, denn sie bedeuteten einen Angriffspunkt. „Ich trage sie im Einsatz geflochten und hochgesteckt.“ „Hast du sie je abschneiden lassen?“
Sie nickte. „Einmal. Ich hatte das Gefühl, meine Mutter verraten zu haben.“ Das Geständnis überraschte sie. Das hatte sie bisher niemandem erzählt. Er wickelte sich eine lange Locke um den Finger. Es ziepte ein wenig. Eine andere Frau hätte es kaum bemerkt, aber DJ. versteifte sich sofort. Ihr schwindelte ein wenig, und dann schien sie sich nicht länger in dem großen, hell erleuchteten Freizeitraum zu befinden. Vielmehr spürte sie die Enge des Besenschrankes, in dem sie Unterschlupf gefunden hatte. Doch, ihrer Mutter war dieses Glück nicht vergönnt gewesen. Ihr Vater – betrunken und zornig – hatte sie an den Haaren gepackt. DJ. hörte sie im Geiste flehen und wimmern, hörte ihn schreien und schimpfen, hörte das rhythmische Hämmern eines Messers auf dem Schneidebrett. Dann war Stille eingekehrt, und DJ. hatte sich aus ihrem Versteck geschlichen. Sie hatte ihren Vater besinnungslos betrunken auf der Couch liegen, ihre Mutter am Küchentisch sitzen und den billigen Fußbodenbelag von unregelmäßig abgehackten Haaren übersät gesehen… DJ.? Eine Hand auf ihrem Arm brachte sie zurück in die Gegenwart. Verängstigt wirbelte sie herum, bereit zur Abwehr des Angreifers, bis ihr bewusst wurde, dass es Quinn war. „Willst du darüber reden?“ fragte er leise. „Es ist alles bestens. Ich war nur in Gedanken.“ Sie glaubte schon, dass er sie der Lüge bezichtigen würde, aber er tat es nicht. Noch immer aufgewühlt von dem Flashback, führte sie den nächsten Stoß aus. Die Kugel verfehlte das Loch. Quinn übernahm den Tisch. Sie stand abseits und beobachtete seine geschmeidigen Bewegungen. Als er die dritte Kugel sauber einlochte, beschlich sie das Gefühl, dass er sie an der Nase herumgeführt hatte. „Ich vermute, du hast schon als Teenager Billard gespielt“, murmelte sie. „Nein. Ich habe es erst beim Militär gelernt.“ „Du bist gut.“ „Danke.“ Er schenkte ihr ein Lächeln, das ihr Herz schneller pochen ließ. Eher um sich abzulenken als aus Wissensdurst fragte sie: „Und wie sah dein Leben als Teenager so aus?“ „Typisches Kleinstadtleben. Ich war ganz gut in der Schule, fuhr zu schnell, war hinter Mädchen her. Das Übliche.“ „Bist du gut mit deinen Eltern ausgekommen?“ „Mit meiner Mom schon. Mit dem alten Herrn habe ich mich nie vertragen.“ Er richtete sich auf. „Ich konnte ihm nie was gut genug machen. Ich habe mich die ersten vierzehn Jahres meines Lebens gefragt, warum er mich nicht lieb haben kann, und mir die nächsten vierzehn Jahre eingeredet, dass es mir nichts ausmacht.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Ich habe es bis vor ein paar Wochen auch nicht verstanden. Er konnte keine Kinder zeugen. Da es damals kaum Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung gab, überredete er meine Mutter, sich von einem Mann schwängern zu lassen, der ihm ähnlich sieht. Sie tat es, und er akzeptierte Gage wie seinen eigenen Sohn.“ „Sie ist Earl Haynes zufällig begegnet?“ „Bei einer Messe in Dallas. Ein Jahr später suchte sie ihn wieder auf und wurde zum zweiten Mal schwanger. Ihr Mann war nicht bereit, ihre Untreue zu übergehen. Im Laufe der Zeit hat er ihr verziehen, aber nicht mir.“ „Weil du ihn ständig daran erinnert hast.“ „So wird es wohl gewesen sein. Wir haben nie darüber geredet. Er hat mir nur
das Leben zur Hölle gemacht.“ „Ändert es etwas, dass du den Grund jetzt weißt?“ „Ich dachte, dass es so wäre, aber nein.“ DJ. konnte es verstehen. Zu wissen, warum etwas geschah, erleichterte die Situation nicht immer. Sie verstand alles, was ihre Vergangenheit anging, doch das Wissen nützte ihr gar nichts. „Mein Dad war auch ein gemeiner Schuft“, sagte sie. „Er ist der Hauptgrund, aus dem ich immer die Kontrolle behalten will.“ Geständnisse waren nicht ihr Stil, und dieses war ihr besonders unangenehm. Er nickte bedächtig. „Das ist verständlich.“ Er wandte sich wieder dem Tisch zu und spielte fehlerfrei weiter. Als er die schwarze Kugel versenkte, zwinkerte er ihr zu. „Das kostet dich die Bluse, Daisy Jane.“ „Ich dachte eher an einen Strumpf oder so.“ „Es ist mein Sieg. Ich darf mir den Gegenstand aussuchen. Hör auf zu widersprechen, oder ich entscheide mich für deinen Slip.“ Bei der nächsten Partie verpatzte er den ersten Stoß. Sie hatte das Gefühl, dass er es absichtlich tat, aber sie beklagte sich nicht. Fest entschlossen, diesmal zu gewinnen, griff sie nach dem Queue. „Wann hast du mit Kampfsport angefangen?“ erkundigte er sich, während sie die erste Kugel versenkte. „In der High School. Ich habe den ganzen Sommer über gearbeitet, um den Unterricht bezahlen zu können.“ „Ich meine immer noch, dass du als Cheerleader toll ausgesehen hättest.“ „Oh, bitte! Ich hatte kein Interesse daran, in alberner Kleidung für die Jungs herumzustolzieren.“ „Manche Teams sind sehr sportlich.“ Sie bereitete den nächsten Stoß vor. „Das stimmt. Wäre es bei uns so gewesen, hätte ich mitgemacht. Aber an meiner High School waren die Mädchen nur darauf aus, gut auszusehen. Ich habe mich auf Leichtathletik verlegt.“ „Kein Bogenschießen oder Fechten?“ „Das stand nicht auf dem Lehrplan.“ „Wie alt warst du, als du den ersten Schwarzen Gürtel errungen hast?“ „Siebzehn.“ Sie erinnerte sich lebhaft, wie sie sich zum ersten Mal seit Jahren stark und sicher gefühlt hatte. „Hattest du einen Freund?“ „Überleg doch mal. Ich war Leichtathletin und hatte einen Schwarzen Gürtel. Was meinst du wohl?“ Er grinste und trat zu ihr. „Dass du den Jungs Angst gemacht hast.“ Sie wusste, dass er scherzte, und wollte lächeln. Aber die Erinnerung an jene Zeiten machte sie traurig. Niemand hatte verstehen können, warum sie immer stärker, schneller, besser sein wollte. Sie hatte gelernt, sich selbst zu beschützen, und dadurch nie der Einsamkeit entrinnen können. „Den meisten.“ Er legte seinen Queue auf den Tisch und die Hände auf ihre Taille. „Pech für sie, dass sie deinen Bluff nicht durchschaut haben. Ihnen ist viel entgangen.“ Sie wusste nicht, worauf sie als Erstes reagieren sollte. Auf seine Nähe? Sie sagte sich, dass sie zurückweichen sollte, aber sie konnte sich nicht rühren. Auf seine Bemerkungen über ihre Vergangenheit? Sie hatte nicht geblufft. „Quinn, ich halte das nicht für eine gute Idee.“ „Daisy Jane, wenn wir warten, bis du es für gut hältst, kommen wir uns nie näher. Es liegt an mir, die Dinge voranzutreiben.“ Sie spürte seinen Atem auf der Wange, als er den Kopf ein wenig senkte. „Nenn
mich nicht so.“ „Sicher, Daisy Jane.“ Bevor sie protestieren oder sich dagegen wehren konnte, küsste er sie. Sie hatte gewusst, dass er es beabsichtigte. Warum also war sie nicht geflohen? Sie bekam die Antwort darauf, sobald er den Mund auf ihren senkte und eine Woge der Hitze durch ihren Körper jagte. Sie wollte es. Sie, die nie einem Mann so sehr vertraut hatte, um ihn wirklich nahe kommen zu lassen, wollte nachgeben. Sie musste ihren Queue fallen gelassen haben, denn ihre Hände waren plötzlich leer, als sie die Arme um seinen Nacken schlang. Seine Lippen waren warm, fest und forschend. Es gefiel ihr, wie sie sich bewegten, sie aufreizten. Ungeduldig öffnete sie den Mund. Er reagierte mit einer Leidenschaft, die sie veranlasste, sich an ihn zu schmiegen. Ihre Körper berührten sich von den Schultern bis zu den Knien, und sie spürte deutlich seine rasch wachsende Erregung. Als er die Hände von ihren Hüften zu ihrem Po gleiten ließ, presste sie sich an ihn. Sein Körper war überall so aufreizend hart und stark, dass sie sich unwillkürlich ausmalte, wie er nackt aussehen mochte. Und dann stellte sie sich vor, dass sie hier vor ihm auf dem Billardtisch lag… Ihr Verlangen wuchs. Sie wollte ihn in sich spüren. Sie wollte, dass er sie anfasste, dass er eine Hand zwischen ihre Schenkel schob und… Panik stieg in ihr auf. Wenn er sie dort anfasste, würde sie nachgeben. Sie würde die Kontrolle verlieren. „Nein!“ rief sie. „Hör auf.“ Sie wollte ihn von sich stoßen, doch er wich von selbst zurück. „DJ. was hast du denn?“ „Ich…“ Sie zitterte. „Ich kann nicht“, stieß sie atemlos hervor, und dann lief sie weg. Als sie zu Hause ankam, war sie wieder zu Atem gekommen, aber sie zitterte noch am ganzen Körper. Sie redete sich ein, dass der Kuss nichts bedeutete, dass sie einen Elefanten aus einer Mücke machte. Aber dem war nicht so. Denn ihre Reaktion auf den Kuss erweckte schmerzliche Erinnerungen an ihre Jugendzeit. Wie oft war sie auch damals einsam und allein zurückgeblieben und hatte sich gefragt, was sie falsch machte? Wie oft hatte sie sich ersehnt, aufrichtig erklären zu können, warum es so beängstigend für sie war, Gefühle zu zeigen? Aber keiner war lange genug geblieben, bis sie den Mut dazu aufbrachte. Schließlich hatte sie sich eingeredet, dass sie nichts vermisste. Auch bei Quinn würde es ihr so ergehen, wenn er wegging. Sie würde ihn nicht lange vermissen. Er war nicht wichtig. Lange Zeit saß sie im Dunkeln und versuchte zu verdrängen, was sie sich nicht eingestehen wollte: Dass sie sich selbst belog – vor allem, was Quinn betraf.
9. KAPITEL Quinns Handy klingelte früh am nächsten Morgen. Da nur eine Person die Nummer kannte, wusste er sofort, wer der Anrufer war: sein Vorgesetzter, Major Ron Banner. „Guten Morgen, Major“, wünschte er. „Wie geht es Ihnen, Reynolds?“ „Großartig.“ „Das freut mich. Sie besuchen Angehörige, nicht wahr?“ „Ja. Ein großes Familientreffen.“ „Das klingt gut.“ „Aber das ist nicht der Grund für Ihren Anruf.“ „Stimmt. Der Bericht ist gekommen.“ „Und?“ „Die Psychologen halten es für positiv, dass Sie den Auftrag abgelehnt haben, da das Ziel Ihr ehemaliger Mentor war, zu dem Sie eine emotionale Verbindung hatten, und es nicht um Leben oder Tod ging. Sie meinen, dass Sie die Sache erledigt hätten, wenn er Unschuldige bedroht hätte. Sie nennen es kontrollierten Widerstand. Angeblich besitzen Sie einen ausgeprägten Moralkodex.“ „Wer hätte das gedacht?“ murmelte Quinn trocken. „Sie sind trotzdem sauer, weil ich den Befehl verweigert habe.“ „Es macht mir das Leben schwerer“, gestand der Major ein. „Aber so was kommt öfter vor.“ „Weil Ihr Killerteam ein eigenwilliger Haufen ist?“ „So ähnlich. Mich interessiert jetzt, ob es wieder vorkommen wird, dass Sie einen Mordauftrag ablehnen. Die Psychologen meinen, dass Sie bereit sind, den Job fortzuführen. Ich bin mir da nicht so sicher. Wollen Sie immer noch ein Killer sein, Quinn?“ Quinn dachte darüber nach. „Ich weiß es nicht. Ich brauche mehr Zeit.“ „Okay, nehmen Sie sich, so viel Sie brauchen. Ich will Sie nur wieder an Bord, wenn Sie hundertprozentig einsatzfähig sind. Ich will keine Bedenken, keine Gewissensbisse.“ „Okay.“ „Sie melden sich?“ „Sicher.“ „Sagen wir in drei Wochen?“ „Gut.“ Quinn unterbrach die Verbindung, warf das Handy auf das Bett und wanderte aufgewühlt im Zimmer herum. Manchmal redete er sich ein, dass es nur ein Job war. Er erhielt einen Auftrag, führte ihn aus und wurde am Ende des Monats bezahlt. Aber in letzter Zeit war er verunsichert. Er wusste, dass er sofort in den Dienst zurückkehren und hervorragende Arbeit leisten konnte. Aber was sagte das über ihn aus? Was machte das aus ihm? Sein Blick fiel auf die Uhr. In knapp einer Stunde sollte er DJ. Unterricht geben, aber dazu war er an diesem Tag nicht fähig. Er schnappte sich seinen Schlüssel und stürmte hinaus. Eine Viertelstunde später betrat er ihr Büro und fand sie am Telefon vor. Sie lächelte ihn verlegen an und wandte sich hastig ab. Er dachte zurück an das Billardspiel, den Kuss und ihre Flucht. Der Vorfall hatte ihn die halbe Nacht wach gehalten. War es wirklich erst am vergangenen Abend gewesen? Es erschien ihm wie eine Ewigkeit. Er stürmte in das Hinterzimmer, streifte sich das Hemd ab, bandagierte sich die
Hände und zog sich Boxhandschuhe an. Dann attackierte er den Sandsack, der in einer Ecke hing. Energiegeladen, kraftvoll schlug er in raschem Rhythmus auf den Sack ein. Er konzentrierte sich völlig auf seinen Körper, auf die Kraft der Hiebe, den Rhythmus seiner tänzelnden Füße, und er verdrängte alles andere aus seinem Kopf. Einige Zeit später spürte er DJ.s Gegenwart, hielt inne und drehte sich zu ihr um. „Ich habe einige Dinge zu verarbeiten.“ Sie nickte. „Heute gib es keinen Unterricht.“ „Ich verstehe.“ Er fragte sich, ob sie wirklich verstand. Er fragte sich, wie sie ihn in diesem Moment sah, wie sie seine ungewöhnliche Verwirrung und Unbeherrschtheit auffasste. „Hast du Angst?“ Sie reckte das Kinn vor. „Natürlich nicht.“ Er wusste, dass sie log. Er wusste, dass sie geflohen wäre, wenn er sich ihr genähert hätte, dass er dann nicht nur einen Anflug von Angst, sondern blanken Terror in ihren Augen gesehen hätte. Wer hatte ihr das angetan? War sie überfallen, misshandelt, vergewaltigt worden? Er wollte wissen, was in ihrer Vergangenheit vorgefallen war, damit er keinen Fehler machte. Er wollte nicht, dass sie Angst vor ihm hatte. Er wollte, dass sie sich bei ihm geborgen fühlte. Idiot, schalt er sich. Als ob das je passieren würde. Als ob er je gut genug für sie sein könnte. Als ob sie eine Zukunft hätten. Er drehte sich wieder zum Sandsack um und schlug auf ihn ein, bis seine Muskeln schmerzten und er vor lauter Schweiß in den Augen nichts mehr sehen konnte. Bis er zu erschöpft war, um Fragen zu stellen oder sich um Antworten zu scheren. Als er aufhörte, war DJ. immer noch da und beobachtete ihn. Er zog sich die Handschuhe aus und wickelte die Bandagen von den Händen. Er spürte, dass sie reden wollte, und betete, dass sie schweigen möge. Was gab es schon zu sagen? Es war falsch von ihm, sie zu begehren, sie zu küssen, sie zu mögen. Er hatte sich erlaubt zu vergessen, wer und was er war. Ein Killer. Ein Mensch ohne Seele. Sein Vorgesetzter wollte eine Antwort, aber Quinn wollte sich nicht mit dem Thema auseinander setzen. Wie sollte er wissen, was er vom Leben erwartete? Wie sollte er den besten Weg herausfinden? Wenn er seinem Job den Rücken kehrte, was dann? Konnte er zurück in die Normalität finden? Erinnerte er überhaupt, was das war? All die Leute in Rebeccas Haus am vergangenen Abend waren seine Angehörigen und doch Fremde. Sogar Gage. Niemand von ihnen wusste, was er tat, wer er war. Konnte er einer von ihnen werden? Wollte er es? Er schnappte sich sein Hemd und strich sich die nassen Haare aus der Stirn. „Wir sehen uns.“ DJ. nickte wortlos. Er hätte ihr gern alles erklärt, aber was gab es zu sagen? Er musste seine Probleme allein bewältigen. Er war eine einsame Kreatur, und so würde es bleiben. Ziellos fuhr DJ. durch die Stadt, vorbei am Einkaufszentrum, einem Park, mehreren Restaurants. Schließlich fand sie sich vor Quinns Hotel wieder. Ohne darüber nachzudenken, ob es klug oder richtig oder ungefährlich war, betrat sie das Gebäude und klopfte kurz darauf an seine Zimmertür. Sekunden später öffnete er ihr. Er hatte sich geduscht und umgezogen, seit sie
ihn am Morgen gesehen hatte, aber er hatte sich nicht erholt. In seinen Augen lag noch immer ein brütender, kummervoller Ausdruck. Er wirkte immer noch einsam und verloren. Er sagte nichts, trat einfach zurück und ließ sie eintreten. Als er die Tür hinter ihr schloss, gestand sie aufrichtig: „Ich weiß selbst nicht, warum ich gekommen bin.“ Sie konnte sich nicht erklären, warum er so verzweifelt aussah, aber es rührte sie so sehr, dass sie den Drang verspürte, ihn zu trösten. Sie ging zu ihm, legte ihm die Hände auf die Schultern, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn. Sie konnte sich weder ihr Verhalten erklären noch seine Reaktion voraussehen. Bevor sie sich einen Dummkopf schelten und zurückweichen konnte, schloss er sie fest in die Arme und drückte sie an sich. Während er leidenschaftlich ihren Kuss erwiderte, streichelte er ihren Rücken, ihre Hüften, ihren Po. Schließlich spürte sie seine Hände auf ihren Brüsten. Er erforschte die üppigen Rundungen, strich mit den Fingern über die harten Spitzen. Verlangen überwältigte sie. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie wollte sich an ihm reiben wie eine Katze. Stattdessen streichelte sie seinen Rücken, genoss seine Stärke, seine Männlichkeit. Er zog ihr die Bluse aus der Jeans, knöpfte sie auf und streifte sie von ihren Schultern. Dann legte er ihr die Hände auf die Hüften und zog sie an sich. Ihr stockte der Atem, als sie seine starke Erregung spürte. Geschickt zog er ihr den BH aus und ließ ihn zu Boden fallen. Er musterte ihre nackten Brüste, umschmiegte sie mit den Händen, und dann beugte er sich vor, nahm eine Spitze in den Mund und saugte. Ein Schauer der Erregung rann durch ihren Körper. Ihre Schenkel zitterten so sehr, dass sie sich an ihm festhalten musste. Unverhofft hob er sie hoch, trug sie zum Bett und legte sie behutsam auf die Matratze. Dann zog er ihr Jeans und Slip aus und küsste ihren flachen Bauch. Als er mit einer Hand ihre Schenkel spreizte, brachte sie atemlos hervor: „Warte. Einer von uns beiden hat zu viel an.“ Quinn blickte sie an. Seine Miene wirkte nicht mehr so finster, und er lächelte sogar vage. „Stimmt.“ Er stand auf und entkleidete sich. Währenddessen kniete sie sich auf das Bett, griff nach ihrem Zopf und begann ihn zu lösen. Er stöhnte. Sie blickte auf und sah ihn reglos dastehen, mit offener Jeans und nacktem Oberkörper. Begierig musterte er sie. Sie wartete darauf, dass Angst ihre Erregung dämpfte, aber stattdessen war sie stolz darauf, dass sie ihm gefiel. „Du bist wunderschön“, murmelte er, während er sich vollends auszog. Er legte sich zu ihr und zog sie zu sich hinab. Ihre Lippen trafen sich zu einem stürmischen Kuss, während er ihre Brüste streichelte. Als er eine Hand zwischen ihre Schenkel schob und jene empfindsame Stelle liebkoste, spannte sich ihr gesamter Körper. Eine Sekunde lang ließ sie ihn gewähren. Doch dann, bevor es zu spät war und sie die Kontrolle über sich verlor, zog sie entschieden seine Hand fort. „Sag mir bitte, dass du Verhütungsmittel dahast.“ „Was?“ Einen Moment lang blickte er sie verwirrt an. Dann grinste er. „Sicher, Daisy Jane.“ „Nenn mich nicht so.“ „Warum nicht? Das ist doch dein Name.“ Er stand auf, ging ins Badezimmer und
kehrte mit einer Packung Kondome zurück. Sobald er sich wieder zu ihr gelegt hatte, beugte sie sich über ihn und nahm ihn in den Mund. Er stöhnte leise, während sie ihn mit der Zunge reizte. Schließlich hob sie den Kopf, packte ein Kondom aus und streifte es ihm über. Und dann, bevor er nach ihr greifen konnte, kniete sie sich über ihn. „Warte.“ Er hielt ihre Hüften fest. „Ich will, dass du auch…“ „Das werde ich“, beschwichtigte sie und sank lächelnd auf ihn nieder. Es fühlt sich gut an, dachte sie und klammerte sich an ihre Beherrschung. Zu gut. Sie war sehr versucht, ihrem Verlangen nachzugeben. Aber das durfte sie nicht. Also konzentrierte sie sich ganz auf den Rhythmus ihrer Bewegungen. Entzücken durchströmte sie, als er eine Hand zwischen ihre Beine schob. Sie verspürte den Drang, sich ihm völlig hinzugeben. Sie war dem Höhepunkt so nahe. Anstatt sich gehen zu lassen, flüsterte sie seinen Namen. Als er die Augen öffnete und sie anblickte, reckte sie aufreizend die Brüste vor und bewegte sich schneller und schneller. Er stöhnte auf und streichelte sie im Rhythmus ihrer Stöße. Mühsam rang sie um Beherrschung. Sie beugte sich vor, so dass er noch tiefer in sie eindrang und kein Platz mehr für seine Hand war. Zufriedenheit erfüllte sie, als sie spürte, wie sich sein Körper spannte. Er schloss die Augen, erschauerte heftig und blieb schließlich still liegen. Sie seufzte und lächelte. „Das war beeindruckend.“ Quinn schlug die Augen auf. Für einen Mann, der soeben einen gewaltigen Höhepunkt erlebt hatte, sah er nicht sehr glücklich aus. Anstatt ihr Lächeln zu erwidern, stieß er sie zurück auf die Matratze und beugte sich drohend über sie. „Was zum Teufel ist gerade passiert?“ knurrte er.
10. KAPITEL Quinn forschte in DJ.s Gesicht, aber er konnte nicht ergründen, was in ihr vorging. Ihr Lächeln war verschwunden. „Warum guckst du mich so an?“ fragte sie verwirrt. „Du hast mich ausgetrickst“, sagte er in betont leichtem Tonfall. „Warum?“ „Ich wollte, dass es schön für dich ist.“ „Und was ist mit dir?“ „Es war okay.“ „Aha.“ Er glaubte ihr nicht eine Sekunde. Er war überzeugt, dass sie dem Höhepunkt verdammt nahe gewesen war, sich aber aus irgendeinem Grund zurückgehalten hatte. Um seine Theorie zu testen, schob er eine Hand zwischen ihre Schenkel und streichelte sie. Sofort beschleunigte sich ihr Atem. Doch sie schob seine Hand fort, setzte sich auf und wollte aus dem Bett schlüpfen. Er hielt sie am Arm fest. „Was ist los?“ „Nichts. Würdest du mich bitte loslassen?“ „Nachdem du mir gesagt hast, warum es bei der ganzen Übung nur um mich ging.“ „Wolltest du es nicht so?“ „Nein. Ich wollte, dass es um uns beide geht.“ „Es war doch nur Sex“, entgegnete sie wegwerfend. Sie stand auf und begann sich anzuziehen. „Du gehst nicht, bevor diese Sache geklärt ist“, teilte er ihr mit. Sie blickte ihn kühl an. „Willst du mich gefangen halten?“ „Wenn nötig.“ Sie schlüpfte in ihre Bluse und knöpfte sie zu. „Du hättest einen Höhepunkt haben können. Warum wolltest du nicht?“ Sie stopfte die Bluse in die Jeans. „Du hattest einen. Reicht dir das nicht?“ „Nein. So läuft das bei mir nicht.“ „Weil du kein richtiger Mann bist, wenn du eine Frau nicht befriedigen kannst?“ „So ähnlich.“ „Tja, finde dich damit ab. Was heute passiert – oder nicht passiert ist, hat nichts mit dir zu tun. Es liegt an mir.“ Sie ging zum Spiegel und kämmte sich mit den Fingern. „Ich bin nicht dazu gemacht. Mein Körper reagiert nicht.“ Er schnappte sich seine Jeans und zog sie an. „Willst du damit sagen, dass du noch nie einen Höhepunkt hattest? Dass du frigide bist?“ „Ja. So was soll vorkommen.“ „Unsinn. Ich habe gespürt, dass du sogar sehr heftig reagiert hast. Du warst ganz nahe. Du hast dich bewusst zurückgehalten.“ Mit zornig funkelnden Augen drehte sie sich zu ihm um. „Anscheinend überschätzt du deine Fähigkeiten im Bett.“ „Ich behaupte ja nicht, dass ich der beste Liebhaber der Welt bin. Ich möchte nur der Frau Vergnügen bereiten, mit der ich zusammen bin. Was ist daran auszusetzen?“ Sie seufzte. „Nichts. Ich weiß es zu schätzen, aber es ist nicht nötig.“ „Für mich schon.“ „Es geht aber nicht um dich.“ Er trat zu ihr und hob ihr Kinn. Als sie ihn anblickte, lächelte er. „Ich habe die ganze Nacht Zeit. Lass uns wieder ins Bett gehen und es noch mal probieren.“ Sie entwand sich ihm. „Danke, kein Interesse.“ „Warum bist du dann überhaupt hergekommen?“
„Gute Frage. Ich bereue es inzwischen.“ Verständnislos runzelte er die Stirn. Er stellte sich ihr in den Weg, als sie zur Tür gehen wollte. „Beantworte mir die Frage. Sag mir, warum du dich nicht befriedigen lassen wolltest, und dann lasse ich dich gehen.“ Sie atmete tief durch. „Du bist äußerst lästig.“ „Ich weiß. Antworte.“ „Ich tue es einfach nicht. Nicht, weil ich nicht kann, sondern weil ich nicht will. Ich will mich nicht so verletzlich machen“, erklärte sie leise, mit einem kummervollen Zug um den Mund. „Warum hasst du die Männer so sehr?“ „Es geht nicht um Hass. Das würde mehr Energie erfordern, als ich darauf verwende.“ Sie wandte sich ab, ging zum Bett und sank auf die Matratze. „Es geht darum, dass ich ihnen nicht vertraue. Befriedigender Sex macht eine Frau schwach. Es weckt Gefühle in ihr, und dabei ist es egal, ob der Mann ein Schuft ist oder nicht. Ich will nicht so schwach sein. Ich will das Risiko nicht eingehen.“ „Das ist lächerlich. Wie vielen Frauen passiert etwas Schlimmes, weil sie beim Sex befriedigt werden?“ Sie sprang auf. „Eine ist schon zu viel. Du als Mann weißt ja nicht, worum es geht.“ „Dann erkläre es mir. Hilf mir, es zu verstehen.“ Sie schüttelte den Kopf und ging zur Tür. Er wusste, dass er sie diesmal gehen lassen musste. Doch zu seiner Überraschung griff sie nicht zur Klinke, sondern stützte sich am Rahmen ab. „Mein Vater hat meine Mutter geschlagen“, sagte sie mit dem Rücken zu ihm. „Er war ein gemeiner Säufer und sogar noch schlimmer, wenn er nüchtern war. Meine früheste Kindheitserinnerung ist, dass sie um Gnade gefleht hat.“ Quinns Magen drehte sich um. Er hatte unbedingt wissen wollen, was DJ. solche Angst eingejagt hatte. Nun, da er es wusste, hätte er seinen Wunsch gern rückgängig gemacht, denn das Wissen half gar nichts. „Manchmal lagen Tage oder sogar Wochen zwischen seinen Attacken. Ich lag jede Nacht wach und horchte, ob es wieder anfing. Ich hatte immer Angst, dass er sie umbringen würde. Dass er auf mich auch losgehen würde.“ Sie ließ die Hand sinken und drehte sich zu ihm um. „Er fing an meinem siebten Geburtstag damit an, weil ich Kuchen auf den Fußboden fallen ließ. Er schlug mich mit der bloßen Hand und manchmal mit dem Gürtel. Er warf Bierflaschen nach mir. Dann, wenn er endlich besinnungslos war, hockten meine Mutter und ich uns auf dem Sofa zusammen und schmiedeten Fluchtpläne. Lange Zeit glaubte ich daran, dass es wirklich dazu kommen würde. Aber sie überlegte es sich jedes Mal anders. Am nächsten Morgen brachte sie tausend Gründe vor, warum wir nicht weggehen konnten. Die Wahrheit ist, dass sie ihn geliebt hat. Auch wenn er ihr den Kiefer gebrochen, die Haare abgehackt und sie als Hure beschimpft hat.“ Er wollte zu ihr gehen und sie in die Arme schließen, aber er wusste, dass sie nicht angefasst werden wollte. Sie schloss die Augen. „Als ich elf war, ging er mit einem Baseballschläger auf mich los. Ich weiß nicht mal mehr, warum. Ich erinnere mich nur, wie weh es tat. Meine Mutter brachte mich ins Krankenhaus. Mein Arm war gebrochen.“ Sie holte tief Luft und öffnete die Augen wieder. „Am nächsten Tag zwang sie mich, zur Schule zu gehen. Ich wollte nicht. Ich schämte mich und hatte starke Schmerzen. Aber sie bestand darauf. Als ich das Haus verlassen hatte, erschoss sie meinen Vater und dann sich selbst. Sie hinterließ einen Abschiedsbrief. Darin stand, dass sie nicht zulassen konnte, dass er mir weiter wehtut, dass sie aber
auch nicht weiterleben könnte in dem Wissen, den einzigen Mann getötet zu haben, den sie je geliebt hatte.“ Quinn schluckte schwer. Er hatte geahnt, dass sie misshandelt worden war, aber er hatte nicht erwartet, dass es so schlimm war. Kein Wunder, dass sie Männern nicht traute und nicht an Liebe glaubte. Kein Wunder, dass sie sich beim Sex nicht gehen ließ. „Es tut mir Leid. Ich hätte nicht fragen sollen.“ „Du hast mehr gehört, als du wissen willst, wie?“ „Darum geht es nicht. Mir tut Leid, dass ich dich gezwungen habe, es noch mal zu durchleben.“ Sie zuckte die Achseln. „Das ist Schnee von gestern. Es ist nicht mehr wichtig.“ „DJ. ich…“ Sie hielt eine Hand hoch. „Wenn du jetzt rührselig wirst, kriegst du es gewaltig mit mir zu tun.“ Er ging zu ihr und griff nach ihr. Sie zuckte zurück, versteifte sich dann und trotzte ihm. Er hatte Männer im Kampf gesehen, die ihre Angst überwanden, aber keiner von ihnen war so tapfer wie diese Frau. Sie wusste, dass er ihr mühelos etwas antun konnte, doch anstatt zu fliehen, wollte sie von ihm unterrichtet werden. Sie hatte die blinde Wut erlebt, mit der er an diesem Morgen den Sandsack attackiert hatte, und doch war sie zu ihm gekommen und hatte ihm Trost geboten. „Du bist eine tolle Frau“, flüsterte er und zog sie fester an sich. Sie hielt sich stocksteif. „Lass das bitte sein, ich brauche keine Umarmung.“ „Aber ich vielleicht.“ Sie seufzte schwer, so als wäre es eine Zumutung, während er ihren Rücken streichelte. Allmählich entspannte sie sich und legte ihm locker die Arme um die Taille. Er atmete den Duft ihres Körpers, ihrer Haare ein. Sie war hart, aber doch weich. Er verstand, warum sie nicht nachgegeben hatte. Endlich verstand er außerdem, warum es für sie leichter war, Sex als Gegenleistung für den Unterricht zu bieten als eine Dinnerverabredung. Sex betraf nur den Körper, über den sie die Kontrolle behalten konnte. Ein Rendezvous dagegen drohte Gefühle auszulösen. Er wusste außerdem, was sich an diesem Nachmittag zwischen ihnen abgespielt hatte. Sie hatte ihm Sex geboten, er hatte akzeptiert. Es war keine Liebe im Spiel. Quinns Brust schnürte sich zu. Wollte er Liebe? Durfte er das Risiko eingehen? Sie wich zurück, und diesmal ließ er sie gehen. Sie durchquerte den Raum und ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Am nächsten Morgen wartete DJ. nervös auf Quinn. In gewisser Weise hoffte sie, dass er sich nach allem, was am vergangenen Abend passiert – oder nicht passiert – war, gar nicht mehr blicken ließ. Es hätte sie erleichtert, sich nicht mehr seinen forschenden Fragen stellen zu müssen. Sie hatte in der vergangenen Nacht nicht geschlafen. Verärgerung, Verlegenheit und Verzweiflung hatten sie wach gehalten. Sie konnte kaum glauben, dass sie ihm die ganze Wahrheit erzählt hatte, die sonst niemand, nicht einmal Rebecca kannte. Hatte sie ihn dadurch abschrecken wollen? Oder hoffte sie auf sein Verständnis? Das Zweite implizierte, dass er ihr wichtig war. Doch dem war nicht so. Das hatte sie beim Sex bewiesen. Sie hatte sich zurückgehalten wie immer. Der einzige Unterschied bestand darin, dass es ihm aufgefallen war. Sie ging zum Fenster und starrte hinaus auf die Straße. Die meisten Männer, mit denen sie zusammen gewesen war, hatten sich überhaupt nicht darum geschert, ob es ihr Spaß machte oder nicht. Die anderen hatte sie überzeugen können,
dass ihnen das Ereignis nur entgangen war. Quinn war der Einzige, der sich wirklich Gedanken machte. Was er nicht wusste und nie erfahren sollte, war, dass sie fast nachgegeben hätte, und das machte ihr Angst. Die Tür ging auf. Sie wandte sich vom Fenster ab und verbarg die Erleichterung, die sie verspürte, als Quinn eintrat. Er trug Shorts und T-Shirt, hielt einen Blumenstrauß in der Hand und lächelte charmant. Ihr Blick glitt zurück zu den Blumen. Zorn stieg in ihr auf. „Was zum Teufel soll das?“ fauchte sie. „Ich wünsche dir auch einen guten Morgen“, entgegnete er und legte die Rosen auf ihren Schreibtisch. „Wieso bringst du mir Blumen? Ach ja, weil sie alles wieder gutmachen, was mir passiert ist. Wieso habe ich nicht selbst an diese Art von Therapie gedacht? Ein paar Blumen heilen sicher alle Wunden.“ Sie starrte ihn verärgert an. „Hast du mir überhaupt nicht zugehört? Findest du nicht, dass diese alberne Geste die Sache ein kleines bisschen bagatellisiert? Oder sollte ich froh sein, dass du dich überhaupt darum scherst?“ „Die Blumen haben nichts mit deiner Vergangenheit zu tun. Ich bringe einer Frau, die ich nackt gesehen habe, immer welche mit. Das gebietet die Höflichkeit. Ich habe extra für dich Rosen mit Dornen bestellt. Ich dachte mir, das würde dir gefallen.“ Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, murmelte dann verlegen: „Oh.“ „Wie wäre es mit einem Dankeschön? Die Dornen sind doch ein cooler Touch, oder?“ Sie lächelte. „Stimmt. Danke.“ „Okay. Ich schlage vor, dass du das Training mit zwanzig Minuten Seilspringen anfängst. Du musst überschüssige Energie loswerden.“ DJ. nickte und ging voraus in den Fitnessraum. Er folgte ihr, nahm ihre Hand und drehte sie zu sich um. „Vertragen wir uns wieder?“ „Ja. Es tut mir Leid, dass ich so heftig reagiert habe.“ „Gut. Aber glaub ja nicht, dass dir die Entschuldigung das Seilspringen erspart.“ Er ließ ihre Hand los. „Auf geht’s.“ Sie grinste ihn an. Vielleicht war es doch kein Fehler, dass sie ihm von ihrer Vergangenheit erzählt hatte. Vielleicht bestand Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendete. Eine Woche später wusste DJ. immer noch nicht besser, woran sie mit Quinn war. Zu ihrer Verwunderung erwähnte er den Sex in jener Nacht und ihr Geständnis mit keinem Wort mehr. Es schien beinahe, als hätte er das alles einfach vergessen. Sie hingegen war sich seiner deutlicher bewusst denn je. Wenn sie zusammen trainierten, achtete sie auf jede Berührung seiner Hand. Wenn sie sich unterhielten, forschte sie in seinen Worten, seinem Tonfall nach versteckten Andeutungen. Alles in allem beschäftigte sie sich mehr mit ihm, als gut war für ihr Seelenheil. „Hör einfach auf, an ihn zu denken“, murrte sie vor sich hin, während sie an Rebeccas Haustür klopfte. „Ich habe Austin mit den Kindern weggeschickt“, verkündete Rebecca, während sie DJ. hereinließ, „damit wir unter uns sind.“ Sie lächelte. „Ich habe daran gedacht, nur einen Küchen zu backen, weil wir unseren morgendlichen Kaffeeklatsch momentan ausfallen lassen müssen. Aber das wäre kein richtiges Mittagessen.“
„Das hätte mich nicht gestört“, entgegnete DJ. und folgte ihr in die Küche. „Aber du hättest nicht aufhören müssen, mich zu besuchen.“ Rebecca trat an die Anrichte, auf der Zutaten für einen gemischten Salat bereitstanden. „Natürlich musste ich. Es ist das erste Mal, dass du Interesse an einem Mann zeigst. Da will ich nicht stören. Nimm dir was zu trinken. Du weißt ja, wo alles ist.“ „Danke.“ DJ. holte sich ein Glas aus dem Schrank. „Nebenbei bemerkt, ich bin nicht an Quinn interessiert.“ Rebecca grinste. „Nebenbei bemerkt, du lügst.“ DJ. ignorierte die Bemerkung und holte sich eine Limonade aus dem Kühlschrank. „Er bleibt nicht hier in der Stadt.“ Rebecca schnitt eine Avocado auf. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“ „Ich will damit nur sagen, dass eine Beziehung, zu der du mich drängen willst, nur vorübergehend sein könnte.“ „Nicht unbedingt. Er wird nicht ewig beim Militär bleiben.“ Ein guter Einwand. „Er ist nicht mein Typ.“ „Du gehst nicht oft genug mit Männern aus, um einen Typ zu haben.“ Auch ein guter Einwand. „Genug von mir. Reden wir von dir. Wie geht es den Kindern?“ Rebecca rieb Käse auf den Salat und reichte DJ. die Schüssel. „Stell die bitte auf den Tisch, und glaub ja nicht, dass du vom Thema ablenken kannst. Den Kindern geht es gut, Austin geht es gut, mir geht es gut. Und jetzt zurück zu dir und Quinn.“ „Es gibt kein ich und Quinn. Es gibt nur mich.“ „Also ist die Tatsache unbedeutend, dass ich seinen Leihwagen jeden Morgen vor deinem Haus sehe?“ „Total. Er trainiert nur mit mir.“ Rebecca stellte einen Teller mit Sandwichs neben den Salat. „Halb bekleidete, verschwitzte Körper, die auf der Bodenmatte herumrollen? Das klingt sehr romantisch für mich.“ „Dann solltest du an deiner Definition von Romantik arbeiten.“ Als sie sich an den Esstisch setzten, wurde DJ. wieder einmal bewusst, wie unterschiedlich sie waren. Rebecca trug ein leichtes Sommerkleid, Schmuck und eine Schleife im Haar. Sie selbst hatte eine Khakihose, ein Top und Sandalen an. Ihr einziger Schmuck war eine Sportuhr. Ihre Haare waren zusammengebunden, und sie fühlte sich in etwa so feminin und zart wie eine Maschinenpistole. Rebecca schminkte sich, lackierte ihre Nägel, kochte und backte, nähte Karnevalskostüme für die Kinder. DJ. hatte drei Schwarze Gürtel, keine Familie und nicht einmal eine Zimmerpflanze zu versorgen. Manchmal wünschte sie sich mehr. Manchmal wollte sie normal sein wie andere Frauen. Manchmal fragte sie sich, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn sie nicht in Angst aufgewachsen wäre. „Was denkst du gerade?“ fragte Rebecca. „Du siehst so brütend aus.“ „Ich habe mich gefragt, wie du alles schaffst, ohne Angst zu haben.“ „Wovor denn?“ „Männern. Was sie Frauen antun können. Wie viel stärker sie sind.“ „Tja, ich gebe ja zu, dass es kriminelle und brutale Männer gibt, aber sie gehören nicht zu unserem Alltagsleben. Wir befinden uns nicht in einem Kriegsgebiet. Das scheinst du manchmal zu vergessen.“ „Mag sein.“ „Du erlebst die Menschen von der schlechtesten Seite. In deinem Unterricht hilfst du Frauen, die misshandelt und geschlagen wurden. Ich bewundere deine Arbeit,
aber sie vermittelt dir kein ausgewogenes Urteil über die Menschheit.“ „Und was ist mit dem Prozentsatz der Frauen, die von ihren Ehemännern geschlagen werden? Oder der Kinder, die…“ Rebecca hob eine Hand. „Darum geht es mir ja gerade. Du lebst in einer Welt der Statistik über negative Dinge. Aber die meisten von uns führen ein normales Leben mit wundervollen Männern. Sicher, sie können nerven, aber sie sind trotzdem fürsorglich und liebevoll. Sie sind gute Väter und würden eher sich selbst einen Arm abhacken, als dass sie ihren Frauen oder Kindern etwas antun.“ DJ. wollte es glauben. Sie wusste vom Verstand her, dass die meisten Männer keine Feinde waren. Das Problem war nur, dass ihr nicht viele von den Guten begegneten. „Eine Ehe bedeutet zu große Opfer, und zwar alle von Seiten der Frau.“ „Da bin ich anderer Meinung. Beide Partner verzichten, und mit dem richtigen Mann kann es wundervoll sein.“ „Oh, bitte!“ „Es stimmt. Verletzlich und offen gegenüber einem Mann zu sein, der dir gegenüber verletzlich und offen ist, ist die reinste Form der Bindung. Einer kann dem anderen wehtun, aber er tut es nicht. Das ist Liebe. Einander vertrauen, Geheimnisse anvertrauen.“ „Ich bin nicht an Liebe interessiert.“ „Aber sicher bist du das“, widersprach Rebecca. „Deine Angst ist nur größer als dein Interesse. Ich habe das schon immer für traurig gehalten. Ich wünsche mir, dass du jemanden findest und glücklich wirst.“ „Ich brauche keinen Mann, um glücklich zu sein.“ „Vielleicht nicht, aber du brauchst jemanden, der dir unter die Haut geht und beweist, dass du nicht ständig weglaufen musst.“ DJ. stocherte missmutig in ihrem Salat. „Ich finde, das ist ein blödes Gesprächsthema.“ „Quinn ist ein sehr interessanter Mann.“ „Das alles hat nichts mit ihm zu tun.“ Rebecca lächelte. „Natürlich nicht. Wie du gesagt hast – er bleibt nicht lange hier. Aber er wäre gut für dich zum Üben. Wenn der Richtige dann kommt, weißt du, wie du dich verhalten musst.“ „Es gibt keinen Richtigen.“ „Für eine Frau, die alles zu wissen glaubt, bist du erstaunlich unbedarft in Herzensdingen.“ „Was soll das denn heißen?“ „Du hast dich längst in Quinn verliebt.“ „Blödsinn. Er ist mir total egal“, entgegnete DJ. nachdrücklich. Zwischen ihr und Quinn lief gar nichts. Okay, sie hatten Sex gehabt. Na und? Es lag schon eine Woche zurück, und er hatte keinerlei Anstalten gemacht, es zu wiederholen. Und das war ihr auch lieber so. Ein Mann, der sie begrabschte, hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie blieb lieber allein. Jedenfalls war es bisher immer so gewesen.
11. KAPITEL „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du tatsächlich mitkommst“, verkündete DJ. als sie mit Quinn das Einkaufszentrum von Glenwood betrat. „Ich auch nicht. Es ist ziemlich außergewöhnlich.“ Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal ein Einkaufszentrum betreten hatte. Wenn er ein Geschenk kaufen musste – gewöhnlich für seine Mutter zu Weihnachten oder zum Geburtstag –, benutzte er das Internet. „Kriegst du keinen Ausschlag oder so? Sind nicht alle Männer allergisch gegen Shopping?“ Er blickte sich in dem zweistöckigen, hell erleuchteten Gebäude um, das von zahlreichen Teenagern und Rentnern und nur wenigen Familien mit Kindern besucht war. „Da ich es nicht oft tue, wird die Reaktion nicht so heftig ausfallen. Ich werde es überstehen. Wenn nicht, kannst du ja Erste Hilfe leisten.“ „Erwarte bloß keine Mund-zu-Mund-Beatmung.“ „Warum nicht? Ich hatte mir ausgemalt, in der Damenabteilung umzukippen.“ „Einer der stämmigen Wachmänner wird dir bestimmt gern das Leben retten.“ „Mir ist lieber, wenn du es tust.“ Sie schüttelte den Kopf und ging weiter. Zunächst hatte sie seine Einladung zum Dinner mit der Begründung abgelehnt, dass sie ein Geburtstagsgeschenk für Rebecca kaufen müsse. Daraufhin hatte er prompt angeboten, sie zu begleiten. Ihre Zusage hatte nicht nur ihn, sondern ebenso sie selbst überrascht. Quinn war ihr gefolgt und fragte: „Willst du zuerst einkaufen oder zuerst essen?“ „Wo essen wir denn?“ „Im Chinabüfett.“ „Wie bitte?“ „Im Chinabüfett. Du kannst dir nehmen, was immer du willst, und zum Nachtisch kriegst du sogar Eiscreme.“ „Ich bin überwältigt.“ „Ich weiß eben, einer Frau Freude zu bereiten.“ „Tja, ich würde vorschlagen, dass wir zuerst einkaufen, damit ich die Vorfreude länger auskosten kann.“ Sie ging voraus in ein großes Kaufhaus. Im Erdgeschoss wurden Kosmetika, Schmuck und Damenschuhe angeboten. „Ich weiß nie, was ich Rebecca kaufen soll“, gestand DJ. in der Parfümabteilung. „Ich war gestern bei ihr zum Lunch und habe wieder mal festgestellt, dass wir absolut nichts gemeinsam haben.“ „Dann kauf ihr etwas, das du hasst, und sie wird es lieben.“ Sie schüttelte den Kopf. „Vielen Dank für den Rat.“ Sie griff zu einem Kristallflakon, schnupperte daran und stellte ihn wieder hin. Quinn konnte ihre Bedenken nachvollziehen. Soweit er es beurteilen konnte, hatten DJ. und Rebecca lediglich das Geschlecht gemeinsam. Aber die Freundschaft überraschte ihn nicht. Rebecca vermittelte ein gewisses Maß an Balance, auch wenn DJ. es nie eingestanden hätte. „Sie ist so furchtbar mädchenhaft“, murrte sie. Quinn entnahm ihren Worten, dass es ihr sehr wichtig war, ein geeignetes Geschenk zu finden. Sie mochte über Rebecca herziehen, aber ihr lag sehr viel an ihr. Sie ließ nicht viele Menschen in ihre Welt, aber wenn es geschah, dann war es für das ganze Leben. Er fragte sich, wo er selbst auf ihrem Radarschirm sein mochte. Nicht im inneren Kreis. Aber sie vertraute ihm zumindest so sehr, dass sie ihm von ihrer Vergangenheit erzählt hatte. Er wusste, dass diese Vergangenheit sie gebrochen
hatte, und nicht nur in körperlicher Hinsicht. Er wollte sie behüten und trösten, bis ihre Wunden verheilt waren, aber dazu war er seelisch selbst nicht gesund genug. „Gucken wir mal in die Boutiquen“, schlug sie vor. „Wie wäre es mit Schuhen? Sind nicht alle Frauen verrückt danach?“ „Hast du schon mal Schuhe für eine Frau gekauft?“ „Nein.“ „Ich rate dir auch sehr davon ab.“ Er blickte hinab zu ihren Füßen. Sie trug Sandalen. Es gefiel ihm, ihre nackten Zehen zu sehen. Ihm gefiel, so ziemlich alles von ihr nackt zu sehen. „Du grinst ja so. Woran denkst du gerade?“ „Willst du das wirklich wissen?“ Sie seufzte. „Nein.“ Sie kamen an einem Wäschegeschäft vorbei. „Warum kaufst du nicht so was? Da würde ich ganz gern reingehen.“ „Typisch Mann!“ „Männer sind nun mal visueller als Frauen. Wir können nichts dafür.“ „Aha.“ Sie blieb vor einem Trödelladen stehen. Das Schaufenster war mit Spieldosen in verschiedenster Form gefüllt, von Porzellanhunden über Puppen zu geschnitzten Holzschachteln. „Letzten Monat habe ich hier ein paar ganz nette Sachen gesehen, aber ich weiß nicht recht…“ „Das scheint das Richtige für Rebecca zu sein“, meinte Quinn. Sie zuckte die Achseln. „Das habe ich auch schon gedacht, aber es ist alles so unpraktisch.“ Er nahm sie am Arm, als sie sich abwenden wollte. „Willst du nicht trotzdem mal reingehen?“ „Na ja, vielleicht.“ Er strich mit dem Daumen über ihren Arm. „Was du auch aussuchst, es wird ihr gefallen, weil es von dir kommt“, versicherte er ihr. „Das kannst du nicht wissen.“ „Doch. Rebecca hat dich nämlich sehr lieb.“ DJ. riss sich los. „Wir sind befreundet.“ „Das habe ich doch gesagt.“ Sie murmelte etwas Unverständliches und betrat das Geschäft. Quinn folgte ihr. Sie stand vor einem Regal mit exotischen Spieldosen und berührte behutsam den Flügel eines farbenprächtigen Schmetterlings, der auf einer der Dosen thronte. „Der ist sehr schön“, sagte er. „Er erinnert mich an Rebecca.“ „Das kann ich verstehen.“ Seltsamerweise erinnerte er ihn auch an DJ. Sie war schön und zäh wie ein Schmetterling, der jedes Jahr Tausende von Meilen fortzog. Sie seufzte. „Ich glaube, ich nehme sie. Ich sehe sonst nichts, was mir gefällt.“ Er ahnte, dass ihr diese Spieldose schon im vergangenen Monat gefallen hatte, sie aber eine zweite Meinung hatte hören wollen. Es rührte ihn, dass sie ihm gestattete, ihr bei der Entscheidung zu helfen. „Sie wird sich sehr freuen.“ „Hoffentlich.“ Impulsiv hob er eine Hand und streichelte sanft ihre Wange. „Was tust du da?“ „Ich fasse dich an.“ „Warum?“ „Weil ich es möchte.“
Mit großen Augen blickte sie ihn an. Spannung knisterte zwischen ihnen. Sicher war da sexuelle Anziehungskraft, aber da war noch mehr. Eine Verbindung. Eine Möglichkeit. Er erwartete, dass sie protestierte, dass sie seine Hand wegstieß. Doch sie lächelte ihn an. „Na gut.“ DJ. kehrte mit ihrem gefüllten Teller an den Tisch zurück und sank auf den Plastikstuhl. Als sie nach einigem Zögern Quinns Einladung zum Essen angenommen und versucht hatte, sich den gemeinsamen Abend auszumalen, hatte sie überhaupt nicht damit gerechnet, in einem nüchternen Schnellimbiss mit ihm zu landen. „Lass noch Platz für Eiscreme“, riet er. „Ich spendiere dir zwei Kugeln.“ „Das lässt mein Herz gewaltig höher schlagen.“ Er grinste. „Es liegt an den Blumen, stimmt’s?“ „Was liegt an den Blumen?“ „Dass du eine romantische Ader entwickelst. Das ist schön.“ Sie griff zu der Plastikgabel. „Ich bin überhaupt nicht romantisch.“ „Doch, natürlich. Wenn du möchtest, können wir Händchen halten, während wir essen.“ „Lieber nicht.“ Er zwinkerte ihr zu. „Mir gefällt, dass du so schüchtern bist.“ Sie blickte ihn vernichtend an. „Du machst dich über mich lustig.“ Er nickte. Sie unterdrückte ein Lächeln, doch es zuckte um ihre Mundwinkel. „Mir geht dieses Wäschegeschäft nicht aus dem Kopf“, verkündete er. „Wir sollten nach dem Essen zurückgehen. Dann kannst du mir was von den Sachen vorführen.“ Ihre Belustigung verflog. „Ich werde bestimmt nicht in erotischer Wäsche vor dir herumstolzieren.“ „Von stolzieren habe ich nichts gesagt.“ Er beugte sich zu ihr vor und fuhr mit gesenkter Stimme fort: „Ich war lange Zeit im Dschungel, im Dienst für mein Vaterland. Wenn du es tätest, würdest du, auf deine eigene persönliche Weise, zur Verteidigung der Nation beitragen.“ „Nimmt dir eigentlich irgendwer deine Sprüche ab?“ „Das war gemein. Ich bin total aufrichtig. Du würdest toll in Reizwäsche aussehen. Ich weiß, wovon ich rede, denn schließlich habe ich dich nackt gesehen.“ DJ. begriff gar nichts mehr. Die ganze vergangene Woche über hatte er ihren Besuch in seinem Hotelzimmer mit keinem Wort erwähnt. Sie hatte sich sogar schon gefragt, ob er es vergessen hatte. Doch plötzlich machte er es zum Gesprächsthema Nummer eins. „Definier Reizwäsche.“ Er grinste. „Bis zum Bauchnabel ausgeschnitten, mit Beinausschnitt bis zu den Hüften. Oder topless. Durchsichtig. Aus Seide, Spitze, Satin. Ich bin nicht wählerisch.“ „Ich stehe auf Baumwolle.“ „Baumwolle tut’s auch. Du würdest in allem heiß aussehen.“ Argwöhnisch musterte sie ihn. Doch er sah verdammt ernst aus. „Danke.“ „Gern. Also, gehen wir zurück zu dem Laden?“ „Nein.“ „Und wenn ich dich anflehe?“ Sie schüttelte den Kopf. „Die männliche Faszination mit dem weiblichen Körper wird mir immer ein Rätsel bleiben. Ich verstehe, dass Teenager neugierig sind, aber wenn ein Mann erst mal über dreißig ist, was kann es dann noch für
Geheimnisse geben?“ „Du machst Witze, oder?“ „Nein. Ich verstehe das wirklich nicht.“ Sie legte ihre Gabel nieder. „Nimm zum Beispiel die drei Offiziere bei den Kriegsspielen, von denen ich dir erzählt habe. Ich habe mich bloß sexy präsentiert und die Dumme gespielt, und schon haben sie mir förmlich aus der Hand gefressen. Na ja, es war kalt und das Top war nass, also kann ich verstehen, dass die Sache mit der Brust irgendwie aufreizend war, aber die waren so fasziniert, dass sie sich haben schnappen lassen. Woran liegt das bloß?“ „Ich habe keine Ahnung.“ „Ich meine, es ging doch bloß um Brüste, und die drei Männer waren weit über dreißig und hatten bestimmt schon Dutzende davon gesehen. Warum sind Männer solche Trottel? Kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn ich zu dem nassen Top nur einen Tanga angehabt hätte? Hätte ich es darauf angelegt, hätten die mir garantiert sämtliche Staatsgeheimnisse anvertraut.“ Quinn stöhnte leise. „Wechsle bitte das Thema.“ „Warum? Du hast doch angefangen, von Wäsche zu reden.“ Er zog ihren Stuhl näher an seinen, nahm ihre Hand und legte sie sich auf den Schritt. DJ. staunte über das Ausmaß seiner Erektion. „Tangas törnen dich an?“ hakte sie verwundert nach. „Nein. Du in einem Tanga. Oder in nichts. Wir müssen von was anderem reden.“ Langsam zog sie ihre Hand zurück. Ihr wurde bewusst, dass all das Gerede über Reizwäsche und Sex auch sie erregt hatte. Außerdem verstand sie nun, warum er so verärgert reagiert hatte, nachdem sie intim geworden waren. Er war ein Mann, der gern teilte, statt nur zu nehmen. Er hatte ihr vertraut, und sie hatte dieses Vertrauen missbraucht. Vor allem aber beeindruckte sie, dass er sie begehrte und es sie wissen ließ, obwohl sie sich ihm letztendlich verweigert hatte, obwohl es ihn verletzlich machte. Unwillkürlich wünschte sie, er würde sie vom Stuhl hochziehen, zu seinem Wagen zerren und zu seinem Hotel fahren, um sich dort leidenschaftlich mit ihr zu vereinen. „Guck mich nicht so schockiert an“, sagte er leichthin. „Ich werde es überleben.“ Das wusste DJ. Sie alle würden irgendwie überleben. Aber irgendwie war ihr das nicht mehr genug. „Quinn?“ „Mach dir keine Gedanken, Daisy Jane“, murmelte er, und dann zog er ihre Hand an die Lippen und presste einen feuchten Kuss auf die Innenfläche. Der zärtliche, erotische Kuss erweckte Verlangen und den Drang, sich an ihn zu kuscheln. Sie wollte umarmt werden und ihn umarmen. Sie wollte ihn anfassen, ihren nackten Körper an seinen schmiegen und sich vielleicht, nur vielleicht, richtig gehen lassen. Nur dieses eine Mal. Sie spielte mit dem Gedanken, ihn in ihre Wohnung einzuladen, falls er das Risiko einer Abfuhr nicht eingehen und sie nicht in sein Hotel bitten wollte. Doch sie nahm nie jemanden mit nach Hause. Die einzige Person, die ihren Wohnort kannte, war Rebecca. So viele Schutzwälle, dachte sie betrübt. Sie hatte so sehr darauf geachtet, sich abzuschirmen, dass sie nicht bedacht hatte, was ihr dabei entgehen könnte. „Eiscreme?“ fragte er in ihre Gedanken. „Na klar.“ „Zwei Kugeln?“
„Drei. Ich bin ein Genussmensch.“ Quinn kehrte allein ins Hotel zurück. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, DJ. in sein Zimmer einzuladen, aber der Abend war so gut verlaufen, dass er nicht riskieren wollte, dem ein negatives Ende zu setzen. Außerdem spürte er, dass sich bei ihr etwas regte. Er wollte ihr Verlangen wachsen lassen, denn er war fest entschlossen, bei ihrem nächsten Beisammensein ihre Barriere zu durchbrechen und sie zu verleiten, sich vollends hinzugeben. Bis dahin waren wohl einige kalte Duschen angesagt. Als er zum Bett ging, sah er eine Nachricht auf dem Display seines Handys. Er wählte die Nummer aus dem Gedächtnis und wartete. „Banner“, meldete sich sein Vorgesetzter. „Hier ist Reynolds.“ „Es hat eine unerwartete Entwicklung gegeben. Ich brauche einen Scharfschützen. Sind Sie interessiert?“ Quinn blickte zu dem leeren Notizblock auf dem Nachttisch. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, eine Liste über das Für und Wider seines Jobs anzulegen. Aber was hatte es für einen Sinn? Er dachte an Gage und Kari – ihre Verlobung, ihre Hochzeitspläne, ihren Kinderwunsch. Er dachte an Rebecca, die ihren Mann bedingungslos liebte. Gab es für ihn selbst auch so eine Frau? „Quinn?“ „Ich bin noch dran. Meine Antwort lautet Nein.“ „Zu diesem Auftrag oder zu allen?“ Er dachte an DJ. Sie machte es ihm nicht leicht, aber das gefiel ihm. Wenn er sie für sich gewinnen konnte… „Zu allen.“ Major Banner seufzte. „Es wird verdammt schwer sein, Sie zu ersetzen. Sie waren der Beste.“ „Und was sagt das über mich?“ „Gute Frage. Sie müssen vorbeikommen und es schriftlich formulieren. Aber das hat keine Eile.“ „Ich melde mich.“ „Okay. Viel Glück.“ „Danke.“ Quinn beendete das Gespräch und warf das Handy auf das Bett. Soeben hatte er eine Tür hinter sich geschlossen. Nun musste er abwarten, wie sich die Aussicht aus dem Fenster gestaltete. „Hast du die Unterlagen durchgelesen?“ fragte DJ. und wunderte sich, dass sie so nervös war. Sie hatte den Unterricht Tausende Male abgehalten – aber noch nie zusammen mit Quinn. „Sogar mehrmals. Entspann dich.“ „Aber du warst noch nie bei so einer Demonstration dabei.“ Sie ging voraus zum Eingang der Grundschule. „Ich will, dass alles glatt läuft.“ Seufzend schüttelte er den Kopf. „DJ. es wird schon klappen. Ich habe ja nicht mal Text. Ich bin nur dein Punchingball.“ „Wir werden den Kids die Grundlagen der Selbstverteidigung beibringen. Dieses Training ist möglicherweise alles, was einen Entführungsversuch vereiteln kann. Das ist mir sehr wichtig.“ „Mir auch. Deswegen bin ich hier.“ Sein ernster Blick beruhigte sie. Normalerweise ließ sie sich von einem der Deputys helfen, doch anstatt Travis anzurufen, hatte sie Quinn gebeten. Wirklich dumm, dachte sie. Denn es roch ganz nach einem Vorwand, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, und das hasste sie. Ihr Leben war wesentlich einfacher gewesen, bevor sie von seiner Existenz gewusst hatte.
„Du bist nervös“, stellte er überrascht fest. „Natürlich bin ich nervös“, fauchte sie. „Ich bin ein Mensch, keine Maschine. Ich habe Gefühle.“ „Die du meistens verdrängst.“ Sie blieb mitten in der Eingangshalle stehen und blickte ihn finster an. „Es ist ein verdammt schlechter Zeitpunkt, um mich zu analysieren.“ Er legte ihr eine Hand an die Wange. „Du wirst es schon schaffen.“ „Natürlich werde ich es schaffen. Ich bin nicht das Problem.“ „Willst du damit sagen, dass ich es bin?“ Er ließ die Hand sinken. „Das ist nicht wahr, Daisy Jane.“ „Nenn mich nicht so.“ „Hm. Wenn ich es nicht bin und du es nicht bist, was macht dir dann solche Angst?“ „Ich könnte dich umbringen“, murrte sie. „Hast du Angst, die Kids könnten merken, dass du mich magst und mit mir gehen möchtest?“ „Ich mag dich überhaupt nicht, und ich will schon gar nicht mit dir gehen“, konterte sie entrüstet und eilte weiter zum Klassenzimmer. An der Tür drehte sie sich zu Quinn um. „Ich erwarte, dass du dich da drinnen benimmst.“ Er grinste. „Und wenn ich es nicht tue? Bestrafst du mich dann, wenn wir in meinem Hotelzimmer sind?“ Sie verdrehte die Augen, betrat das Zimmer und begrüßte die Lehrerin und die Schüler mit einem Lächeln. Als Quinn ihr folgte, stellte sie ihn der Klasse vor und erklärte, warum sie gekommen waren. Als sie sah, wie Quinn einem kleinen Jungen zuzwinkerte, verflog ihre Nervosität. Nun war sie sicher, dass alles wie am Schnürchen klappen würde.
12. KAPITEL Es überraschte Quinn nicht, dass DJ. aus dem Auto sprang, sobald er den Motor abstellte. Dass sie überhaupt eingewilligt hatte, sich von ihm in seinem Wagen kutschieren zu lassen, war bereits ein Fortschritt. Zu seiner Überraschung hatte sie seine Einladung zu einem Grillabend bei Travis akzeptiert. Noch vor zwei Wochen hätte sie ihm ohne Zögern einen Korb gegeben. Sie hatte sich in kurzer Zeit sehr Verändert. Er fragte sich, ob es nur ihm auffiel oder auch ihr bewusst war. „Danke, dass du mein Date bist“, sagte er, während er ihr zum Haus folgte. Sie blieb abrupt stehen. „Dein was?“ Wahrscheinlich war es nicht klug, sie zu necken, aber es machte ihm verdammt viel Spaß. Es gefiel ihm, wie ihre Augen funkelten, wenn sie zornig war, und wie sie sich vor ihm aufbaute, so als könnte sie ihm tatsächlich Paroli bieten. „Mein Date. Ich habe dich gebeten, mit mir auszugehen, und du hast eingewilligt. Wie würdest du das nennen?“ „Vorübergehende geistige Umnachtung“, murrte sie. „Ich weiß, dass du mir dafür danken willst, dass der Unterricht in der Schule so gut gelaufen ist. Du suchst nach einem Weg, mir zu sagen, wie brillant ich war.“ Sie verdrehte die Augen. „Du brauchst mich nicht für dieses Gespräch, oder?“ „Komm schon, gib es zu. Ich war echt gut.“ Sie seufzte schwer. „Okay, du warst gut. Die Kids haben sich im Umgang mit dir wohl gefühlt, und das ist wichtig.“ Das Kompliment überraschte ihn. „Du warst auch großartig. Du bist echt nett zu den Kindern. Sie vertrauen dir. Du gibst ihnen wichtige Informationen, die ihr Leben retten könnten, und machst ihnen das klar, ohne ihnen Angst zu machen.“ Sie senkte den Blick. „Danke“, murmelte sie. „Ihre Sicherheit ist mir sehr wichtig.“ „Ich weiß.“ Er wusste außerdem, dass ihre Sorge um die Kids daher rührte, dass sie sich als Kind nie sicher gefühlt hatte. Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen und das ändern. Lautes Lachen erregte seine Aufmerksamkeit. Nun erst blickte er zu dem großen Anwesen hinüber. Ein dreistöckiges Gebäude in viktorianischem Stil stand auf einem riesigen Grundstück. Ein halbes Dutzend Kinder tobte im Garten herum. Auf der Veranda saßen zwei junge Mädchen über ein Brettspiel gebeugt. Quinn legte DJ. einen Arm um die Schultern und ging zur Tür. „Cops scheinen hier in Glenwood wesentlich mehr zu verdienen als in Possum Landing.“ „Das glaube ich nicht. Dieses Haus wurde von den Dividenden aus Austins Firma gekauft. Er hat irgendeinen hitzebeständigen Kunststoff entwickelt und damit viel Geld verdient. Die Haynes’ haben ihm damals mit Startkapital unter die Arme gegriffen und wurden dafür reichlich entlohnt. Es ist eine stabile Firma. Ich habe selbst ein paar Anteile gekauft.“ Es freute ihn, dass sie sich seinem Arm nicht entzogen hatte. Nun beugte er sich zu ihr. „Ein toller Körper und dazu Geld. Du bist ein guter Fang, Daisy Jane.“ „Du bist der irritierendste Mann, den ich kenne.“ „Und doch betest du mich an.“ Sie blieb am Fuß der Außentreppe stehen. „Anbeten ist reichlich übertrieben ausgedrückt. Ich bin bereit zuzugeben, dass ich dich toleriere – und auch das nur gelegentlich.“ Aus ihrem Munde war das praktisch gleichbedeutend mit einer Liebeserklärung. „Außerdem findest du mich sexy“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Du bist ein eingebildeter, arroganter, egoistischer…“
Er brachte sie mit einem raschen Kuss zum Schweigen. Sie versteifte sich, wich aber nicht zurück. Das erachtete er als Fortschritt. Als er den Kopf hob, wirkte sie verwirrt. Verlangen lag in ihrem Blick, was ihn sehr freute. Die vergangenen Wochen hatte er in einem ständigen Zustand der Erregung verbracht. Es hatte zahlreiche Gelegenheiten gegeben, sie in sein Bett zu locken. Aber er wollte auf den richtigen Zeitpunkt warten. Wenn sie ein zweites Mal miteinander schliefen und sie sich dabei wieder zurückhielt, würde sich ein sehr schwer zu durchbrechendes Schema etablieren. Also war es besser, sich vorerst mit kalten Duschen zu begnügen. Er nahm sie bei der Hand und zog sie die Stufen hinauf. Im Haus herrschte ein reges Treiben. Zahlreiche Kinder tobten durch die Räume. Travis und Kyle unterhielten sich zusammen mit ihren Ehefrauen. Kari, Haley und Stephanie standen beieinander. Rebecca hielt ein Baby auf dem Arm. Kevin und Nash saßen zusammen auf einem Sofa. Familie, dachte Quinn, meine Familie. Jordan erblickte ihn und DJ. als Erster und rief ihnen einen Gruß zu. Dann wurden sie plötzlich von dem ganzen Clan umringt. Quinn schüttelte den Männern die Hände und ließ sich von den Frauen umarmen und küssen. „Ich bin froh, dass ihr es doch noch geschafft habt“, sagte Austin und legte Rebecca einen Arm um die Taille. „Wir dachten schon, ihr hättet euch verfahren.“ „DJ. hat Schuld“, entgegnete Quinn. „Sie braucht immer so lange.“ „Ich war genau pünktlich fertig“, konterte sie. „Aber der Frau die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist ja viel einfacher.“ Er grinste. „Es ist einen Versuch wert.“ Es zuckte um ihre Mundwinkel, und dann lächelte sie und bat: „Entschuldige mich einen Moment. Ich muss etwas mit Jill besprechen.“ Versonnen blickte er ihr nach. In seiner Brust regte sich etwas, doch bevor er ergründen konnte, was es bedeutete, trat Gage zu ihm und erkundigte sich: „Wie läuft es bei dir so?“ „Gut. Und bei dir?“ Gage deutete zu den anderen Leuten. „Es gefällt mir nicht, hier wegzugehen, aber Kari und ich fahren in ein paar Tagen nach Hause. Sie hat versprochen, Mom bei der Vorbereitung für die Hochzeit zu helfen, und dann müssen wir unsere eigene planen. Ich hätte dich gern als Trauzeugen. Meinst du, dass du es einrichten kannst?“ „Ich werde da sein.“ „Bist du sicher?“ hakte Gage überrascht nach. Kari trat zu ihm und hakte sich bei ihm unter. „Sicher wobei?“ „Quinn meint, er kann nach Hause kommen und mein Trauzeuge sein.“ Sie lächelte. „Das freut mich. Gage will dich unbedingt dabeihaben, und ich auch. Meinst du, dass du es aushältst, für ein paar Stunden einen Smoking zu tragen?“ „Na klar.“ „Gut. Jetzt, da die Familie sich ausgeweitet hat, wird die Gästeliste wesentlich länger. Mehr Leute bedeuten mehr Spaß. Oh, dabei fällt mir ein, dass ich die Adressen für die Einladungen brauche. Ich lasse sie mir lieber gleich geben, bevor ich es vergesse.“ Sie küsste Gage auf die Wange, und er blickte ihr nach, als sie wegging. „Du siehst sehr verliebt und glücklich aus“, bemerkte Quinn. „Das bin ich auch. Sie ist es wert, dass ich all die Jahre gewartet habe.“ „Woher wusstest du, dass sie die Richtige ist?“ „Das ist mir erst allmählich klar geworden. Als sie wieder nach Hause kam, hatte ich noch Gefühle für sie, aber ich war mir nicht sicher, ob es nur Nostalgie war.
Dann stellte sich heraus, dass Earl Haynes unser leiblicher Vater ist, und das hat mich umgehauen. Kari hat mir sehr geholfen, den Schock zu überwinden. Ich habe gemerkt, dass ich mit ihr besser dran bin als ohne sie und dass ich mir gut vorstellen kann, in zwanzig Jahren noch mit ihr zusammen zu sein.“ „Das klingt gut.“ „Das ist es auch. Ich will Kinder mit ihr haben. Ich will Wurzeln schlagen.“ Quinn nickte. Wurzeln waren seinem Bruder immer wichtig gewesen. „Du hast immer gewusst, was du willst.“ Gage blickte zu DJ. „Und was ist mit dir? Da läuft was zwischen euch. Wir alle spüren es.“ Quinn machte sich nicht die Mühe, das Offensichtliche zu leugnen. Es lief wirklich etwas zwischen ihnen. Er wusste nur nicht genau, was es war. Vielleicht war sie alles, was er wollte und brauchte. Aber war er auch richtig für sie? „Sobald ich es selbst weiß, wirst du es erfahren.“ Travis schlenderte herüber, klopfte Gage auf den Rücken und fragte Quinn: „Hat er dir gesagt, dass er wieder nach Texas fährt?“ „Das hat er.“ Travis schüttelte den Kopf. „Ich habe mein Bestes getan, um ihn zum Bleiben zu bewegen, aber er will nicht auf mich hören.“ Elizabeth trat zu ihm. „Honey, du musst aufhören, jeden überreden zu wollen, nach Glenwood zu ziehen. Für uns ist es ein perfekter Wohnort, aber Gage scheint sehr an seiner Heimatstadt zu hängen. Das musst du respektieren.“ „Ich möchte meine Brüder nun mal in meiner Nähe haben.“ „Du brauchst keine Angst zu haben, dass wir den Kontakt verlieren“, versicherte Gage. „Jetzt, wo wir uns gefunden haben, habt ihr uns für immer am Hals.“ „Das hoffe ich doch.“ Kyle gesellte sich zu der Gruppe. „Was ist mit dir, Quinn? Hast du schon mal daran gedacht, hier zu bleiben? Du könntest gegen Travis als Sheriff kandidieren.“ Quinn schmunzelte. „Lieber nicht. Ich bin wirklich absolut kein Typ für Wahlen.“ „Dann fordere ihn durch Armdrücken heraus.“ Travis schüttelte entsetzt den Kopf. „Oh nein. Er wäre mir haushoch überlegen.“ „Wieso das denn?“ wandte Elizabeth ein. „Du bist doch so stark.“ „Danke für den Beistand“, sagte er und küsste sie. „Aber er kennt zu viele Tricks.“ Quinn musterte die zufriedenen Gesichter, und obwohl er seinen Angehörigen das Glück nicht neidete, erweckte es ein Gefühl der Leere in ihm. In diesem Moment kehrte DJ. zurück, und er nahm sie spontan bei der Hand und zog sie näher. Wider Erwarten wies sie ihn nicht zurück. Vielmehr blickte sie ihn erstaunt an und rückte so nahe, dass er ihr einen Arm um die Taille legen konnte. Travis und Elizabeth tauschten einen bedeutungsvollen Blick, sagten aber nichts. Gage und Kyle grinsten sich an. „Wie lange bleibst du eigentlich noch beim Militär?“ erkundigte sich Elizabeth. „Quinn hatte immer vor, mindestens zwanzig Jahre dabeizubleiben“, sagte Gage. „Das bedeutet noch zehn Jahre.“ Quinn nickte. Das war sein Plan gewesen. Bis vor einigen Tagen. „Ich habe letzte Woche den Dienst quittiert.“ Alle starrten ihn verblüfft an. Gage trat einen Schritt auf ihn zu. „Was ist denn passiert?“ Quinn spürte D.J.s Hand im Rücken. Als er sie anblickte, sah er Besorgnis in ihren Augen. Er lächelte sie beruhigend an und erklärte: „Ich will einfach nicht mehr diese Person sein.“
Gage grinste. „Dann kommst du also wirklich zu meiner Hochzeit.“ „Das habe ich doch versprochen.“ Travis schlug ihm auf die Schulter. „Du bist hier herzlich willkommen. Glenwood kann immer noch einen Deputy gebrauchen.“ „Oder einen Sheriff“, warf Kyle grinsend ein. „Danke für das Angebot. Ich weiß noch nicht, was ich tun werde, aber sobald ich es weiß, sage ich euch Bescheid.“ Das Gespräch wandte sich anderen Dingen zu, und nach und nach löste sich die Gruppe auf. Quinn behielt den Arm um DJ. gelegt. Als sie allein waren, bemerkte er: „Du bist ja so still geworden.“ „Ich bin immer noch schockiert von deiner Bombe. Wieso hast du den Dienst quittiert?“ „Mir hat nie gefallen, was ich getan habe – obwohl ich gut darin war. Es wurden nicht genügend Menschen gerettet und zu viele getötet. Das ist nicht mein Ding.“ „Das kann ich verstehen.“ Es war ihm wichtig zu erfahren, wie sie darüber dachte. Kümmerte es sie? Interessierte es sie, dass er nicht länger ständig in der ganzen Welt herumreiste? Würde sie ihm die Wahrheit sagen, wenn er sie fragte, und würde er diese Wahrheit hören wollen? „DJ….“ Sie unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln und flüsterte: „Ich bin froh.“ Drei kleine Wörter, die eine überwältigende Wirkung ausübten, die ihn hoffen ließen. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Er blickte sich um, entdeckte einen kleinen Waschraum unter der Treppe und zog sie an der Hand mit sich. Als sie sich in den winzigen Raum gezwängt hatten, verschloss er die Tür. Anstatt zu protestieren, sank DJ. ihm in die Arme. Ihre Lippen fanden sich zu einem feurigen, hungrigen Kuss. Er streichelte ihre Haare, ihren Rücken, umschmiegte ihren Po. Sie drängte sich an ihn, presste sich an seine Erektion. „Ich will dich“, flüsterte er und ließ die Lippen über ihren Hals wandern. Sie bog den Kopf zurück, als er die erogene Zone hinter ihrem Ohr küsste, und stöhnte leise. Er schob ihr das Top von den Schultern. Der Stoff rutschte über ihre Brüste hinab und fesselte ihre Arme an ihren Körper. Sie hätte sich mühelos befreien können, doch das Gefühl, gefangen zu sein, gefiel ihr gewiss nicht. „Es ist alles gut“, versicherte er. „Ich werde dir nicht wehtun.“ Er öffnete ihren BH, ließ die Lippen zu ihren Brüsten wandern und nahm eine Spitze in den Mund, während er die andere mit den Fingern liebkoste. Sie erzitterte. „Ich liebe es, wie du auf mich reagierst“, murmelte er, und dann saugte er sanft. Sie rang nach Atem und befreite die Arme aus dem Top. Er machte sich darauf gefasst, dass sie ihn von sich stieß, doch sie vergrub die Finger in seinen Haaren und hielt seinen Kopf fest. „Hör nicht auf.“ Erleichterung stieg in ihm auf. Sie vertraute ihm – vielleicht nicht bedingungslos, aber mehr, als er für möglich gehalten hatte. Er wollte sie auf den Waschtisch heben und sie auf der Stelle nehmen, aber er wusste, dass Ort und Zeit nicht geeignet waren. Er richtete sich auf und presste sich an sie, während er die Hände auf ihren Brüsten behielt. „Ich will dich so sehr“, murmelte er. „Sag mir, dass du mich auch willst.“ Er verlangte zu viel, das wusste er. Aber er wollte, musste es von ihr hören. Sie wich ein wenig zurück. „DJ. nicht“, flüsterte er, und dann küsste er sie. Dass sie den Kuss leidenschaftlich erwiderte, musste ihm reichen. Schließlich wurde er sich seiner Umgebung bewusst und hob den Kopf. „Irgendjemand braucht bestimmt bald diese Toilette.“
„Vermutlich.“ Er ließ ihre Brüste los. „Du bist ein tolles Date.“ Sie lächelte. „Du bist auch nicht so schlecht.“ Sie zog sich BH und Top an und beobachtete, wie er versuchte, seine Erektion zu verbergen. Grinsend bemerkte sie: „Du solltest dich dicht hinter mir halten, bis es weggeht. Sonst wird die ganze Familie darüber lästern.“ „Gute Idee.“ Sie griff nach der Türklinke, hielt dann inne. „Quinn, ich…“ Sie schüttelte den Kopf und holte tief Luft. „Ach verdammt, ich will dich auch“, gestand sie ein. Dann öffnete sie die Tür und trat hinaus auf den Flur. Verblüfft, erregt und beeindruckt von ihrem Mut folgte er ihr – und fand sich von Angesicht zu Angesicht mit Rebecca wieder. Amüsiert verkündete sie: „Mensch, ich hätte wirklich gedacht, dass du in deinem Alter schon allein zur Toilette gehen kannst.“ DJ. errötete. Hätte Quinn es nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte er es nicht für möglich gehalten. „Es ist nichts passiert“, wehrte sie ab. Rebecca zog die Augenbrauen hoch. „Wie schade.“ Nach dem Dinner räumten traditionell die Männer den Tisch ab und servierten Kaffee und Kuchen. Rebecca kam in die Küche, als Quinn gerade sehr sorgfältig eine Torte anschnitt, und sagte: „Ich habe dir einen Tortenheber mitgebracht.“ „Danke.“ Er nahm das silberne Gerät und transferierte damit ein Stück auf einen Teller. Sie lehnte sich an den Schrank und sah ihm zu. „Es freut mich, dass DJ. sich endlich in jemanden verliebt hat.“ Er schwieg besonnen. Sie lächelte. „Ist dir das Thema unangenehm?“ „Vielleicht.“ „Das sollte es nicht. Du machst sie glücklich, und das ist gut so.“ Wortlos zerteilte er die Torte. „Na gut, ich rede, und du hörst zu. Ich weiß, dass es dunkle Geheimnisse in D J.s Vergangenheit gibt. In ihrer Kindheit ist irgendwas Furchtbares passiert. Sie redet nicht darüber, aber ich erkenne die Anzeichen.“ Quinn blickte sie fragend an. „Ich arbeite seit Jahren mit Waisenkindern und habe viel Kummer und Leid gesehen. DJ.s Seele ist verletzt, und das liegt nicht nur daran, dass ihre Eltern tot sind.“ „Aha.“ „Es ist irgendwie paradox“, sinnierte Rebecca. „Sie hat immer alles getan, um in Sicherheit zu leben, zumindest laut ihrer Definition des Wortes. Und dann verliebt sie sich ausgerechnet in den einen Mann, der immer stärker, schneller, gefährlicher sein wird. Vielleicht erkennt sie in dir etwas von sich selbst wieder. Und du siehst in ihr vielleicht eine Gleichgesinnte.“ Er wollte nicht über sich selbst reden. Er wusste immer noch nicht, ob für ihn eine normale Beziehung möglich war. „Es fällt ihr schwer zu vertrauen.“ „Ich weiß, aber sie fängt allmählich an, dir zu vertrauen. Wenn sie dich abweist, dann tröste dich damit.“ „Wieso meinst du, dass ich ihrer wert bin?“ „Ich habe dich und deine Brüder kennen gelernt. Du gehörst zu den Guten.“ „Weißt du, womit ich mir bisher den Lebensunterhalt verdient habe?“ „Nein. Ist das denn wichtig?“
„Wenn du es wüsstest, wärst du nicht allein mit mir hier.“ „Da irrst du dich. Es geht nicht darum, was du tust, sondern darum, wer du bist.“ „Hast du noch nie gehört, dass Männer sind, was sie tun?“ „Sicher. Und du hast gerade deinen Job hingeworfen. Ich glaube, es besteht Grund zur Hoffnung. Wichtiger ist noch, dass DJ. es glaubt.“ „Du solltest mich lieber warnen, ihr nicht wehzutun.“ „Ich bin überzeugt, dass du es nicht tun wirst. Ich fürchte eher, dass sie dir keine Chance gibt. Ich hoffe, dass sie sich genug öffnet, um verletzlich zu sein. Ich wünschte…“ Rebecca blickte zur Tür und verstummte. DJ. kam in die Küche. „Sprich ruhig weiter.“ „Das geht nicht. Wir haben gerade über dich geredet. Es macht keinen Spaß, wenn wir es nicht hinter deinem Rücken tun können.“ Sie versuchte, DJ. ein Tablett in die Hand zu drücken. „Bring das ins Esszimmer, damit wir weitertratschen können.“ „Oh nein. Ich will hören, was ihr gesagt habt.“ „Das kommt nicht infrage“, wehrte Quinn ab. Drohend trat sie zu ihm. „Ich kann dich zum Reden zwingen.“ Ihre Blicke begegneten sich. Sein Verlangen, das ständig unter der Oberfläche schwelte, entflammte augenblicklich. Rebecca seufzte. „All diese sexuelle Energie bringt mich auf die Idee, meinen Mann nach Hause zu schleifen und mich an ihm zu vergehen. Genau das werde ich jetzt auch tun. Gute Nacht miteinander“, wünschte sie und verschwand. Quinn hielt den Blick auf DJ.s Gesicht geheftet. „Gar keine schlechte Idee.“ Die Fahrt zu Quinns Hotel dauerte vermutlich nicht länger als eine Viertelstunde, aber DJ. erschien es wie eine Ewigkeit. Tausend Fragen gingen ihr durch den Kopf, und keine einzige Antwort. Zu viele Dinge hatten sich in zu kurzer Zeit ereignet. Quinn hielt auf dem Parkplatz an und stellte den Motor ab. „Ich möchte, dass du die Nacht mit mir verbringst.“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Das Wort Ja lag ihr auf der Zunge, aber es auszusprechen, erforderte ein Ausmaß an Mut, das sie nicht besaß. Er berührte ihre Wange. „Ich möchte, dass du bei mir bleibst. Aber nur, wenn es diesmal anders ist. Du musst bereit sein, mir zu vertrauen.“ Sie wusste, was er meinte: Er wollte nicht, dass sie sich wieder zurückhielt. Sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt noch fähig war zu widerstehen. Sie redete sich ein, dass es einfacher und vernünftiger war, Nein zu sagen. Quinn war ein großartiger Typ, aber wollte sie sich wirklich weiter mit ihm einlassen? Sie griff zur Türklinke, zuckte dann zurück. Sie war schon so verdammt lange allein. Sie widmete ihr Leben dem Selbstschutz, aber war sie wirklich lebendig? Was hatte sie an Lebensqualität vorzuweisen? Wollte sie sich nicht einmal mit einem anderen Lebewesen vereinen? Wollte sie nicht einmal wie alle anderen sein? Sie blickte in sein vertrautes Gesicht, in seine dunklen Augen. „Ich kann nicht versprechen, dass es klappt.“ Er lächelte. „Zugegeben. Aber du musst versprechen, dass du es versuchst.“ Sie dachte daran, wie es beim letzen Mal gewesen war, und was sie vor wenigen Stunden in dem winzigen Waschraum verspürt hatte. Sie dachte an all die Gelegenheiten, bei denen er Verständnis wie kein anderer aufgebracht hatte. Sie dachte daran, wie sehr sie sich immer darauf freute, ihn wiederzusehen, und wie viel er ihr bedeutete. Langsam stieg sie aus. Quinn tat dasselbe. Über das Dach hinweg blickten sie sich an.
Ihr Auto stand nur wenige Meter entfernt. Ein leichter Fluchtweg, dachte sie, aber zu welchem Preis? Sie straffte die Schultern und nickte. „Okay, ich versuche es.“
13. KAPITEL DJ. zitterte, als sie Quinns Hotelzimmer betrat, und zwar nicht vor Verlangen. Der Drang zur Flucht war überwältigend. Als er die Tür hinter ihnen schloss, hallte das Geräusch in ihrem Kopf wider. Seit ihrem letzten Besuch schien der Raum gewaltig geschrumpft zu sein. Sie konnte kaum atmen. Er nahm sie bei der Hand und führte sie zum Bett. „He, du siehst aus, als würdest du gleich umkippen. Das ist nicht gerade gut für mein Ego. Wenn du mein Selbstvertrauen untergräbst, werde ich versagen.“ Sie versuchte zu lächeln. „Ich glaube kaum, dass dein Ego das Problem ist.“ Er seufzte. „Du hast Recht. Ich bin einfach zu gut.“ Er setzte sich und zog sie zu sich hinunter. Sie wollte aufspringen, widerstand aber dem Drang. Sie faltete die Hände im Schoß und konzentrierte sich darauf, ruhig zu atmen und sich zu entspannen. „Leg dich hin.“ Verblüfft drehte sie sich zu ihm um. „Was? Einfach so? Soll ich auch gleich die Beine breit machen? Du kannst es in fünfzehn Sekunden tun, und dann kann ich verschwinden. Eine tolle Idee.“ Er ignorierte ihre Tirade, legte sich hin und klopfte neben sich auf die Matratze. „Komm schon, leg dich hin und sprich mit mir. Mehr tun wir nicht. Nur reden.“ Widerstrebend zog sie sich die Schuhe aus und legte sich hin. Quinn stützte sich auf einen Ellbogen und legte ihr eine Hand auf den Bauch. Sie zuckte zusammen und rang nach Atem. Langsam ließ er die Hand kreisen, immer wieder, wie bei einem kranken Kind. „Hast du dir jemals gestattet, beim Sex zu kommen?“ Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Warst du jemals nahe dran?“ „Manchmal“, flüsterte sie. „Selten. Wenn ich zu… erregt werde, denke ich an was anderes.“ „Als wir zusammen waren, dachte ich, du wärst kurz davor. Stimmt das?“ Sie nickte. „Also hat es nichts mit meinen Fähigkeiten im Bett zu tun.“ Sie schlug die Augen auf und starrte ihn finster an. „Musst du alles auf dich beziehen?“ „So ziemlich.“ Er rieb weiterhin ihren Bauch. „Ich verstehe, dass du nervös bist und Angst hast. Ich will von dir nur, dass du dich nicht verschließt. Lieg einfach still da und lass dich verführen. Ich werde dich überall berühren.“ Er beugte sich über sie und küsste ihren Hals. Ein Prickeln rann über ihre Haut, als er sie mit der Zungenspitze streichelte. Erregung verdrängte langsam die Angst. „Ich werde dich ausziehen. Wenn du nackt bist, werde ich dich angucken, weil du so wundervoll bist. Dann werde ich bei deinen Zehenspitzen anfangen und immer höher gleiten. Und wenn ich hier ankomme…“ Er legte die Hand zwischen ihre Beine. „… werde ich dich streicheln, mit den Händen und dem Mund und der Zunge, bis wir es beide nicht mehr aushalten. Du brauchst nur still zu liegen und mich gewähren lassen.“ Sie fühlte sich plötzlich wie entflammt. Ihre Gliedmaßen waren schwer, und ihr Gehirn funktionierte nicht so schnell wie gewöhnlich. Bisher hatte sie es nie einem Mann gestattet. Aber plötzlich wollte sie wissen, wie es war, den intimsten Kuss zu erleben. Sie wollte seinen heißen Atem spüren, seine festen Lippen, seine forschende Zunge. Sie musste schlucken, bevor sie sprechen konnte. „Wenn es mir nicht gefällt, hörst du dann auf?“
„Natürlich.“ Er legte ihr die Hand wieder auf den Bauch. „Du brauchst nicht Ja zu sagen. Du brauchst nur nicht Nein zu sagen. Ich zähle bis drei. Wenn du nichts sagst, fange ich an. Okay?“ Zum ersten Mal in ihrem Leben war das Verlangen größer als die Angst. Sie wollte die erotische Vorstellung ausleben, die er wachgerufen hatte. Sie wollte sich in seinen Armen verlieren und erfahren, wie es war, sich einem Mann, diesem Mann hinzugeben. „Eins“, murmelte er gedehnt und blickte ihr in die Augen. „Zwei.“ Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog ihn an sich. „Drei“, flüsterte sie. Während sie sich leidenschaftlich küssten, streichelte er ihren Rücken und löste ihre Haare aus dem Zopf. Dann richtete er sich auf und zog ihr das Top über den Kopf. Er beugte sich über sie und ließ die Lippen langsam über ihren Hals hinab zu ihrer Brust wandern. Geschickt öffnete er den Vorderverschluss ihres BHs. Sie spürte kalte Luft auf ihrer Haut. Dann senkte er den Mund auf eine Brust und legte eine Hand auf die andere. Mit Lippen und Fingern reizte er die harten Spitzen. Verlangen durchströmte sie. Sie wollte ihn an sich ziehen, aber sie konnte sich nicht rühren. Nur noch der Augenblick und die intensiven Gefühle existierten. Quinn hatte von Hingabe gesprochen, und momentan konnte sie sich nichts anderes vorstellen. Er öffnete ihre Jeans, glitt ans Fußende des Bettes und streifte ihr die Hose zusammen mit dem Slip ab. Als sie nackt war, kniete er sich zwischen ihre Füße. Ein vages Unbehagen erwachte in ihr. Das war der Zeitpunkt, an dem sie für gewöhnlich die Führung übernahm, indem sie den Mann auf die Matratze drückte und dafür sorgte, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Alte Gewohnheiten waren schwer abzulegen. Doch während sie den Drang verspürte, sich aufzurichten und Quinn auf den Rücken zu legen, dachte sie an ihr Versprechen, es zu versuchen. Sich verführen zu lassen. Sich gehen zu lassen, nur dieses eine Mal. Er ließ die Lippen über ihre Wade wandern und streichelte ihr Knie mit der Zunge. „Was tust du da?“ fragte sie kichernd und wand sich. „Das kitzelt.“ Er hörte jedoch nicht auf, sondern kitzelte ihr anderes Knie, so dass sie heftig strampelte. „Hör auf. Ich will dir nicht die Zähne austreten.“ Er hob den Kopf und lächelte. „Eine ausgezeichnete Philosophie, die ich voll unterstütze.“ Dann senkte er den Kopf wieder und ließ den Mund über ihren Oberschenkel gleiten. Sie war nervös und angespannt, doch unwillkürlich spreizte sie die Beine, und als sie seinen warmen Atem spürte, zuckte sie nicht zurück. Ein Schauer der Erregung durchlief sie, als er sie mit den Fingerspitzen berührte. Die Hitze wuchs, und ebenso die Spannung. Ihre Muskeln zitterten, ihr Puls raste, und ihr ganzes Sein konzentrierte sich auf jenen einen Punkt. Anstatt sie wie erwartet dort zu küssen, nahm er ihre Hand und zog sie an die Lippen. Sie öffnete die Augen. „Was tust du denn da?“ „Ich versuche, die Dinge aufzulockern.“ Er setzte sich auf. „Wie fühlst du dich? Bist du nervös?“ „Müssen wir darüber reden, oder können wir es einfach machen?“ stieß sie schroff hervor. „So gefällst du mir.“ Er grinste. „Immer die zarte Blume. Wir machen nicht es. Wir machen Liebe.“ Dann, während sie immer noch über seine Worte staunte, legte er sich hin und
senkte den Mund auf sie. Er küsste sie so sanft, dass es ihr den Atem raubte. Zärtlich streichelte er jene empfindsame Stelle mit der Zunge, mal schnell, mal langsam. Ihre Beherrschung schwand, während ihr Verlangen wuchs und wuchs. Sie zog die Knie an, spreizte die Beine weiter, stemmte die Fersen in die Matratze. Sie wollte mehr. Als er sanft an jener Stelle saugte, stöhnte sie auf. Wenn sie sich beherrschen wollte, dann war es die letzte Gelegenheit. Aber es war zu schön. Sie wollte nicht, dass er aufhörte. Sie wollte nicht unbefriedigt bleiben. Sie wollte sich gehen lassen. Nur dieses eine Mal. Nur mit Quinn. Inzwischen wusste sie, dass es ihm nicht nur um den Sex ging, den sie bisher erlebt hatte. Ihm lag wirklich an ihr und ihrer Reaktion. Er verstand sie wie kein anderer Mann. Sie wollte ihm beweisen, dass sein Vertrauen in sie nicht unangebracht war, dass sie seiner Aufmerksamkeit wert war. Er schob einen Finger hinein, langsam und tief, zog ihn dann wieder heraus. Gleichzeitig streichelte er sie immer schneller mit der Zunge. Der Reiz war zu groß. In einem Moment nahte der Gipfel noch, im nächsten war er überschritten. Der Höhepunkt erstaunte sie. Ihr gesamter Körper zuckte in Ekstase. Sie bäumte sich auf und schrie, und es ging weiter und weiter. Als sich ihr Körper schließlich beruhigte, öffnete sie die Augen. Die Angst kehrte zurück, warnte sie vor einer tödlichen Gefahr. Quinn hob den Kopf und blickte sie lächelnd an. „Bin ich gut im Bett oder was?“ Hätte er etwas emotional Bedeutungsvolles von sich gegeben, wäre sie vielleicht geflohen. Hätte er sie geneckt, wäre sie auf ihn losgegangen. Doch er machte sich über sich selbst lustig und brachte sie zum Lachen. Sie grinste. „Du bist ganz okay.“ „Nur ganz okay? Ich dachte, ich hätte mindestens ein Sehr gut für meine Leistung verdient.“ „Es war okay.“ Sein Lächeln schwand. „Du kriegst doch keine kalten Füße, oder?“ „Nicht, solange du nicht zu einem Alien mutierst.“ „Das hatte ich nicht vor. Ich dachte eher, ich ziehe mich aus und treibe es mit dir.“ „Nun gut.“ Während er sich auszog, holte sie ein Kondom aus dem Badezimmer. Ihr Blick fiel in den Spiegel. Ihre Haare waren zerzaust, ihre Lippen geschwollen, ihre Wangen gerötet. Sie sah sehr befriedigt und glücklich aus. Es überraschte sie, dass sie keine Angst hatte, dass sie nicht weglaufen wollte. Sie wollte vielmehr Quinn in sich spüren, ihm Entzücken bereiten. Beseelt von diesem Gedanken kehrte sie ins Schlafzimmer zurück. Er lag nackt auf dem Bett. Sie warf ihm das Kondom zu und glitt auf die Matratze. „Nimm mich. Ich bin ganz dein.“ Ihr unbeschwerter, neckischer Tonfall rührte ihn. Es hatte ihn überrascht und gefreut, dass sie sich dem Liebessiel ganz hingegeben hatte. Doch es war die Tatsache, dass sie es danach nicht bereute und keinen Rückzieher machte, die ihn besonders erfreute. Sie hatte sich durchgerungen, ihm zu vertrauen, und er wollte ihr Vertrauen auf keinen Fall missbrauchen. Er streifte sich das Kondom über, rückte näher zu DJ. und küsste sie. Als sich ihr Atem beschleunigte und sie ihn leidenschaftlich liebkoste, drückte er sie auf den Rücken und kniete sich zwischen ihre Beine. Ihre Blicke hielten sich gefangen, als er eindrang. Als er wieder hinausglitt, stöhnte sie, umfasste seine Hüften, zog ihn an sich und schlang die Beine um
ihn. „Mehr“, drängte sie. Wieder und wieder drang er ein, und jedes Mal spürte er, wie sie sich ihm immer mehr öffnete. Je schneller er sich bewegte, desto mehr verlangte sie. Sie war stark und kräftig, aber femininer als jede andere Frau, die er kannte. Ihre Hingabe raubte ihm die Beherrschung. „Ich kann nicht länger warten“, gestand er atemlos. Sie öffnete die Augen „Das sollst du auch nicht“, flüsterte sie und zog ihn noch tiefer. Er verlor sich in einer explosiven Erlösung, und dann spürte er, wie sich ihr Körper spannte und aufbäumte. Sie rang nach Atem und schrie auf, als Woge um Woge des Entzückens über ihr hereinbrach. Er blickte ihr ins Gesicht, in die Augen, und hatte das Gefühl, bis in ihre Seele zu schauen. DJ. erwachte mit dem Gefühl, dass ihre Brust wie zugeschnürt war und sie nicht atmen konnte. Sie erkannte die Symptome, aber das Wissen, dass es ein Panikanfall war, linderte nicht die Angst zu sterben. Sie setzte sich auf und wehrte sich bewusst gegen die Furcht. Als die Bettdecke hinabrutschte, merkte sie, dass sie nackt war. Die Ereignisse des vergangenen Abends fielen ihr wieder ein, lieferten eine Erklärung für den Panikanfall. Behutsam, um Quinn nicht zu stören, stieg sie aus dem Bett, ging ins Badezimmer und schloss die Tür. Sie beugte sich vor und rang nach Atem. Allmählich gewann ihre Vernunft die Oberhand. Als das Gefühl der Beklemmung verging, richtete sie sich auf und wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser. Sie sah ihren nackten Körper im Spiegel und dachte zurück an das wundervolle, beängstigende, Leben verändernde Erlebnis mit Quinn. Er verwirrte sie. Wie konnte er trotz seines bisherigen harten Berufs so sanft und zärtlich sein? Wie konnte er so verständnisvoll sein? Irgendwie hatte er ihre Ängste durchschaut und vertrieben. Warum? Hätte er nicht nur an sich selbst denken sollen? Warum hatte er sich die Zeit genommen und die Mühe gemacht? Unverhofft traten Tränen in ihre Augen und rollten über ihre Wangen. Schluchzer schüttelten ihren Körper. Sie nahm sich ein Handtuch und presste es sich vor das Gesicht, um die Geräusche zu dämpfen. Sie konnte sich nicht erklären, was mit ihr los war. Sie weinte nie. Doch nun konnte sie nicht aufhören. Die Badezimmertür öffnete sich, und Quinn trat ein. Beschämt wandte sie sich ab, doch er legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich um. Dann nahm er ihr das Handtuch weg, schloss sie in die Arme und sprach leise auf sie ein, während er sanft ihr Haar streichelte. Sie klammerte sich an ihn. Er war warm und stark und beschützend in einer Welt, in der sie sich nicht länger zurechtfand. Die zarte Berührung seiner Lippen auf ihrer Stirn wirkte tröstend. Das stete Klopfen seines Herzens beruhigte sie. Einige Zeit später verebbten ihre Schluchzer. Sie wusste immer noch nicht, was in sie gefahren war, aber sie hatte das Gefühl, dass es mit der sexuellen Begegnung mit Quinn zusammenhing. Hatte die körperliche Erlösung auch seelische Auswirkungen mit sich gebracht? Er streichelte weiter ihren nackten Rücken. Plötzlich wirkte es nicht mehr tröstend wie zuvor. Ihr wurden ihre Nacktheit und seine Männlichkeit bewusst. Eine Woge der Hitze stieg in ihr auf und senkte sich zwischen ihre Schenkel. Ihre Brustspitzen wurden hart, ihr Atem beschleunigte sich. Quinn schien es nicht zu bemerken. Er hielt sie weiterhin mit rührender Zärtlichkeit in den Armen. Als sie jedoch seine Hand nahm und auf ihre Brust legte, reagierte er sofort. In weniger als fünf Sekunden war er erregt. Sie setzte sich auf den Waschtisch und öffnete die Beine. Er stöhnte, kramte hastig ein Kondom aus einer Schublade
und streifte es sich über, während sie seine Brust küsste. Dann drang er ein, und sie konnte nicht mehr denken, konnte nur noch fühlen. Sie schlang die Beine um seine Hüften und zog ihn näher. Er umfasste ihren Po und drückte sie an sich. Mit jedem Stoß näherte sie sich dem Höhepunkt, der schließlich mit gewaltiger Kraft über sie hereinbrach, als er aufstöhnend kam. Als sich ihre Körper wieder entspannt hatten, kehrten die Tränen zurück. Nicht die Schluchzer. Nur stille Tränen flossen, die sie weder stoppen noch erklären konnte. Aber Quinn fragte nicht. Er zog sie wortlos an sich, hob sie auf die Arme und trug sie ins Schlafzimmer. Als sie unter der Decke lagen, hielt er sie im Arm und küsste sie sanft. Sie klammerte sich an ihn, selbst nachdem die Tränen versiegt waren. Und als er ihr sagte, dass sie schlafen solle, schloss sie die Augen und tat wie geheißen. DJ. erwachte mit der Sonne in den Augen. Sie drehte sich um und stellte erstaunt fest, dass es schon nach neun Uhr war. Sie schlief nie so lange – nicht mal, wenn sie krank war. Noch verblüffender war der Anblick von Quinn, der geduscht und angezogen war und die Morgenzeitung las. Wieso hatte sie nichts davon gehört? „Morgen“, wünschte er, als er aufblickte und feststellte, dass sie wach war. „Ich habe Frühstück bestellt. Es müsste in ein paar Minuten da sein. Du kannst also zuerst ins Badezimmer gehen.“ „Du hast telefoniert?“ „Ja. Ich habe es schon ein paar Mal mit Telepathie probiert, aber dabei wurde die Bestellung meistens falsch verstanden.“ Er wirkte genau wie am Vortag. Nichts hatte sich geändert an seinem Blick, seinem Lächeln, seinem Humor. Sie machte sich gefasst auf Fragen, aber er schien keine zu haben. Nahm er etwa das, was zwischen ihnen passiert war, als ganz normal hin? Wollte er gar nicht darüber reden? „Du hast bestimmt noch Zeit für eine Dusche“, fuhr er fort. „Duschgel steht auf der Wanne. Aber es ist nichts von diesem Frauenzeug. Es ist für Männer gedacht.“ Die Antwort auf ihre Frage lautete offensichtlich Nein, was sie erfreute und zugleich beängstigte. Sie wollte eigentlich nicht aufstehen und sich nackt vor ihm präsentieren, aber sie musste dringend ins Badezimmer. Also warf sie die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Als sie an Quinn vorbeiging, nahm er ihre Hand und küsste die Innenfläche. „Danke“, sagte er lächelnd. Das war alles. Nur Danke. Ihre Brust war wie zugeschnürt, aber nicht vor Panik. Ihr Herzschlag beschleunigte sich außerdem, und ihre Haut prickelte. Sie beugte sich zu ihm und umarmte ihn. „Quinn, ich…“, setzte sie an, aber dann wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Er streichelte ihre Wange. „Ich weiß, Daisy Jane. Ich auch. Und jetzt geh duschen.“ Sie richtete sich auf und eilte ins Badezimmer. Obwohl sie nicht wusste, was sie hatte sagen wollen oder was er bestätigt hatte, fühlte sie sich glücklich und beschwingt und unbeschwert. Sie musste nicht einmal aus dem Fenster nach dem Wetter sehen, um zu wissen, dass es ein wundervoll sonniger Tag war.
14. KAPITEL „Wir hatten Sex“, verkündete DJ. während sie in Rebeccas Küche herum wanderte. Rebecca lächelte. „Und? Wie war es? Ich nehme an, dass Quinns ausgeprägter Jagdinstinkt sich im Schlafzimmer sehr gut macht.“ DJ. starrte sie finster an. „Das ist überhaupt nicht witzig. Wir reden gerade über mein Leben.“ „Wenn wir keinen Spaß an unserem Leben finden, was bleibt uns dann?“ „Ich weiß, dass ich furchtbar und unlogisch bin, aber wenn du wüsstest, was wirklich passiert ist…“ Sie hielt inne und presste die Lippen zusammen. Sie wollte nichts mehr sagen. Auf keinen Fall konnte sie die ganze Wahrheit gestehen, nicht mal ihrer besten Freundin. Aber ohne gewisse Details konnte sie nicht erklären, wie furchtbar und verwirrend alles war. „Ich habe geheult.“ Rebecca saß am Küchentisch und trank ihren Morgenkaffee. Nun stellte sie seelenruhig den Becher ab und sagte einfach: „Ach?“ DJ. stampfte mit dem Fuß auf. „Ach? Das ist alles? Ich habe geheult! Ich, die gefühllose, unverfrorene, mutige Kämpferin! Ich habe mir die Augen ausgeweint, und dann hatten wir Sex auf dem Waschtisch.“ „Eigentlich interessiert mich, ob es nicht zu kalt auf den Kacheln war, aber ich frage lieber nicht. Ich merke schon, dass es dir nicht darum geht.“ „Du nimmst es nicht ernst.“ „Ich weiß, und es tut mir Leid. Ich verstehe einfach nicht, was so schlimm ist. Wir alle heulen mal.“ „Nicht ich. Niemals. Und schon gar nicht vor irgendeinem Kerl.“ Rebecca stand auf und trat zu ihr. „Quinn ist nicht irgendein Kerl. Er ist was ganz Besonderes. Du magst ihn. Du vertraust ihm. Du liebst ihn.“ Sie seufzte. „Endlich hast du den Richtigen gefunden. Das finde ich wundervoll.“ Du liebst ihn. Diese drei Worte hallten DJ. unaufhaltsam immer wieder durch den Kopf. Eine Eiseskälte beschlich sie. „Auf keinen Fall. Nicht jetzt. Niemals.“ „Tut mir Leid, aber nicht mal du hast die freie Entscheidung, wenn es um Herzensdinge geht.“ Panik stieg in ihr auf. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, wo sie sich ohnehin so zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe fühlte. „Ich kann nicht.“ „Du tust es, und du hast dir einen großartigen Mann ausgesucht. Quinn passt ausgezeichnet zu dir. Er ist stark genug, so dass du ihm nicht auf dem Kopf rumtanzen kannst, aber er ist auch sanft und fürsorglich. Ihr habt sehr viel gemeinsam. Kurzum, er ist perfekt für dich.“ DJ. presste sich eine Hand auf den Magen und wich zurück. „Nein. Ich muss jetzt gehen.“ „Hab keine Angst. Er wird dir nicht wehtun. DJ. warte!“ Doch DJ. lief bereits zu ihrem Wagen. Hastig stieg sie ein und startete den Motor. Liebe? Nein, das konnte sie nicht riskieren. Nicht mit einem Mann wie Quinn, der schneller, stärker und viel gefährlicher war als sie selbst. DJ. schwang den Fuß vor und traf Quinn am Arm. Die Wucht des Trittes überraschte ihn, aber er sagte nichts. Sie war gereizt, schon seit er zum Training erschienen war, und nach dem Vorfall vor zwei Tagen konnte er es ihr nicht verdenken. Auch ihm fiel es schwer, es zu bewältigen. Er hatte mit heißem Sex gerechnet, aber nicht mit diesem Ausmaß an Verbundenheit, das er nie zuvor erlebt hatte. Sie war zum Frühstück geblieben und dann gegangen. Seitdem hatte er sie nicht gesehen. Am vergangenen Abend hatte er mit dem Gedanken gespielt, sie
aufzusuchen. Aber er hatte ihr Zeit lassen wollen und daher bis zu diesem Morgen gewartet. Sie verlagerte das Gewicht und trat erneut. Diesmal wehrte er den Angriff ab, und sie landete auf der Matte. Er beugte sich vor und bot ihr die Hand. Sie ignorierte die Geste und stand aus eigener Kraft auf. Typisch, dachte er eher belustigt als verärgert. Rückzug war eine Taktik, die er selbst einsetzte, wenn er unsicher war. Allerdings hatte er in Herzensdingen bisher keine Gelegenheit dazu gehabt. Er hatte nie tiefe Gefühle entwickelt. Angesichts ihrer Vergangenheit und ihrer Ängste verstand er ihr Bedürfnis, auf der Hut zu sein. Er verstand wesentlich mehr, als sie ahnte. Sogar ihre Tränen, die ihn mehr gerührt hatten als ihre Hingabe. Sie umkreiste ihn, täuschte einen Kick an und boxte ihn mit dem rechten Arm in den Magen. Sie mochte als Frau kräftemäßig benachteiligt sein, aber sie schlug wie ein Mann. Als ihm der Atem wegblieb, wich er zurück und verließ die Matte. „Das war’s.“ „Was? Warum hörst du auf? Wir sind noch nicht fertig.“ „Ich schon.“ Er ging zum Kühlschrank und holte sich eine Flasche Wasser. „Weil ich besser geworden bin, oder? Das kannst du nicht ertragen“, höhnte sie. Er trank einen Schluck und musterte DJ. Sie stand mitten auf der Matte, die Hände herausfordernd in die Hüften gestemmt. „Du bist nicht wegen des Unterrichts hier. Du bist hier, weil du zornig bist. Wahrscheinlich eher auf dich als auf mich, aber ich gebe eine einfachere Zielscheibe ab.“ „Ich wusste gar nicht, dass du einen Doktor in Psychologie hast. Danke für die Analyse.“ „Ich bin weg“, sagte er und stürmte zur Tür. „Weil du nicht gegen mich kämpfen willst? Hast du Angst? Ich bin doch nur ein Mädchen. Für einen Profi wie dich kann ich kein Problem sein. Komm schon, du packst das.“ Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Warum tust du das? Wir hatten etwas Wundervolles. Warum willst du das zerstören?“ Sie trat zu ihm. „Ich will dich besiegen. Ich will, dass du zugibst, dass ich besser bin.“ Bevor er reagieren konnte, ging sie auf ihn los. Er wehrte ihren Tritt ab. Sie holte zu einem rechten Haken aus. Er hob einen Arm, um ihren Schlag abzublocken, gerade als sie die Hand sinken ließ, und dadurch traf er beinahe ihr Gesicht. Fluchend wich er zurück. „Was zum Teufel sollte das? Was ist das für ein Spielchen?“ „Schlag mich!“ rief sie. „Das willst du doch.“ Sie stellte sich auf Zehenspitzen und baute sich vor ihm auf. „Komm schon, tu es.“ Betroffen wich er noch einen Schritt zurück. „Schlag mich!“ schrie sie. Und dann verstand er. Alles. Die Wut, die Angst und das Bedürfnis, ihn wie einen Feind zu attackieren. Traurigkeit beschlich ihn, und das Gefühl, verloren zu haben. „Es tut mir Leid“, sagte er leise. Sie zitterte förmlich vor Zorn. „Entschuldige dich nicht, du Schuft! Tu es einfach.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Ich will nicht. Das alles ist meine Schuld. Ich dachte, es wäre genug, wenn du merkst, wie es mit uns sein kann. Aber es war ein Irrtum. Ich kann deine Vergangenheit nicht bewältigen, und du willst es nicht.“ „Wovon zum Teufel redest du da?“ „Von dir. Von uns. Wir haben uns auf eine Weise verbunden, die uns beide erschüttert hat.“
Sie verdrehte die Augen. „Ich habe auch Angst, aber der Unterschied ist, dass ich nicht davor weglaufe. Ich bin bereit einzugestehen, dass du mir wichtig bist, dass wir wichtig sind. Dass zwischen uns etwas Besonderes besteht.“ „Da ist gar nichts. Absolut gar nichts.“ „Du hast Recht. Mein Fehler.“ Er nahm ihre Hand und hielt sie fest, als DJ. sich ihm entziehen wollte. „Du willst, dass ich dich schlage, denn wenn ich es tue, kannst du dich abwenden. Dann bin ich genau wie alle anderen, und du behältst Recht und musst keine Gefühle investieren.“ Er ließ sie los. „Ich mache es dir leicht. Ich zwinge dich nicht, dich deinen Dämonen zu stellen. Ich gehe.“ „Feigling.“ Er schüttelte den Kopf. „Seltsam. Die ganze Zeit habe ich mir Sorgen gemacht, dass ich nicht gut genug für dich sein könnte. Ich habe nie gemerkt, dass du nicht gut genug für mich bist.“ Sie erblasste, aber sie sagte nichts. Er ging zur Tür, blieb dann stehen und blickte zu ihr zurück. „Ich habe mich nicht mehr geprügelt, seit ich fünfzehn war, und ich habe nie eine Frau geschlagen. Aber du weißt längst, dass ich dir nie wehtun würde. Doch das ändert nichts, denn du hast schon beschlossen, mir nicht zu vertrauen, noch bevor wir uns begegnet sind. Du willst niemandem trauen, und mir schon gar nicht, weil ich schneller, stärker und besser trainiert bin und du nicht bereit bist, was zu riskieren.“ „Du hast kein Recht, mich zu verurteilen. Du hast meine Erfahrungen nicht durchmachen müssen.“ „Du bist nicht mehr das elfjährige Mädchen. Siehst du das nicht ein? Du lebst in einer emotionalen Seifenblase. Du lässt niemanden an dich heran und kannst dadurch nicht verletzt werden. Aber ist das ein Leben? Ich bin bereit, meine Vergangenheit hinter mir zu lassen und von vorn anzufangen. Warum bist du es nicht? Ich dachte, wir könnten uns etwas bedeuten. Ich dachte, wir würden perfekt zusammenpassen. Aber du willst niemanden, der dir ebenbürtig ist. Du willst jemanden, den du rumschubsen kannst. Du hast dein Leben lang Männer wie deinen Vater gemieden. Aber weißt du was? Du hast ihn nicht genug gemieden. Du bist wie er geworden. Du interessierst dich nur für Menschen, die du tyrannisieren kannst, genau wie er.“ „Mein Vater hat meine Mutter und mich geschlagen“, sagte DJ. tonlos, und dann berichtete sie von dem Vorfall mit ihrem gebrochenen Arm und den nachfolgenden Ereignissen. Rebecca lauschte stumm bis zum Ende der Story. Dann nahm sie D.J.s Hand. „Es tut mir Leid.“ „Aber es überrascht dich nicht.“ „Ich habe mit genügend misshandelten Kindern gearbeitet, um zu ahnen, woher deine Wunden stammen. Ich verstehe diese Menschen nicht, die ihre Kinder misshandeln. Was bringt sie dazu, es zu tun? Wieso sehen sie nicht ein, wie krank sie sind, und lassen sich nicht helfen? Und wie konnte deine Mutter es wagen, sich umzubringen und dich im Stich zu lassen? Sie hätte ihn verlassen können. So was macht mich wütend.“ „Danke für dein Mitgefühl. Es bedeutet mir sehr viel.“ DJ. blickte sich in ihrem kleinen Wohnzimmer um, das einmal ihr Zufluchtsort gewesen war. Nun war es nicht mehr als ein Raum, in dem sie in ihren schlaflosen Nächten herumlief. Nun erschien es ihr kalt und düster, selbst bei Sonnenschein. Sie hatte geglaubt, Frieden zu finden, indem sie sich Rebecca anvertraute. Aber es hatte nicht viel geholfen. „Es war falsch von mir, ihm nicht zu vertrauen“, flüsterte sie. „Ich hatte
Angst und habe vom Leder gezogen.“ „Jeder macht mal einen Fehler. Quinn auch.“ Rebecca lächelte. „Er hat sich geirrt. Du bist kein Tyrann, bist es nie gewesen.“ „Ich bin genau wie mein Vater. Ich will nur Leute um mich, die ich beherrschen kann.“ Rebecca lachte. „So ein Unsinn. In unserer Beziehung bin ich die Starke, nicht du.“ „Wie kommst du denn darauf? Du bist… na ja, ein richtiges Mädchen.“ „Ich bin eine Frau, die zufrieden mit ihrem Leben und ihrem Platz in der Welt ist. Es gibt nichts Mächtigeres als das.“ DJ. verstand. Rebecca lebte in Liebe und Hoffnung, während sie selbst in Angst lebte. In der vergangenen Woche hatte sie sich selbst gründlich betrachtet und dunkle Seiten entdeckt, die ihr gar nicht gefielen. „Ich kann nicht anders sein“, flüsterte sie niedergeschlagen. „Doch, du kannst. Du hast dich schon verändert.“ Rebecca zwinkerte. „Daisy Jane.“ „Ich kann es nicht fassen, dass ich dir das verraten habe.“ „Ich bin tief beeindruckt. Und ich verstehe, warum du deine Initialen vorziehst.“ DJ. lächelte. „Danke.“ „Ich tue, was ich kann, um dir zu helfen. Aber das kann wohl nur Quinn.“ „Er war für mich da. Er hat gesagt, dass er mich mag. Er hat es mir in allem bewiesen. Aber ich habe es mit Füßen getreten.“ Ihre Augen brannten. Sie wollte die Tränen unterdrücken, doch dann fiel ihr ein, dass sie sich nicht mehr hinter einer Fassade verschanzen wollte, dass sie nicht mehr weglaufen wollte. „Ich habe furchtbare Dinge zu ihm gesagt“, murmelte sie, während sie sich die Tränen abwischte. „Er wird mir nie verzeihen.“ Wahrscheinlich hatte er sie längst vergessen. Eine Woche war schon vergangen. Jeden Tag hatte sie darauf gewartet, dass er sich meldete, mit ihr aussöhnte. Aber er hatte es nicht getan. Bestimmt hielt er sie nicht der Mühe wert. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Seufzend zuckte sie die Achseln. „Tja, ich werde es überwinden.“ „Demnach willst du wohl nicht zugeben, dass du ihn liebst.“ DJ. hatte drei Tage gebraucht, um es sich selbst einzugestehen. „Ich liebe ihn wirklich, und ich weiß, dass es dadurch länger dauern wird, es zu überwinden. Er ist das Beste, was mir je passiert ist, und ich habe ihn vertrieben.“ „Das hast du allerdings, du Dummkopf. Du meinst also, dass er weg ist?“ „Ja. Ich wollte Gage schon fragen, wo Quinn hin ist, aber ich habe mich nicht getraut.“ „Du weißt doch, dass Gage wieder in Texas ist, oder?“ „Ja. Travis hat es mir erzählt.“ Rebecca studierte aufmerksam ihre Fingernägel. „Gage hat Kari mitgenommen, und Kevin und Haley sind auch weg. Man sollte meinen, dass es Quinn zu langweilig in diesem Nest geworden wäre, aber er kampiert immer noch in seinem Hotel. Ich frage mich, wieso.“ D.J.s Herz setzte einen Schlag lang aus. Hoffnung stieg in ihr auf. Es war beängstigend und fremd, aber immer noch besser als Angst. Sie sprang auf. „Er ist hier in der Stadt?“ „Ja. Was meinst du, was das bedeutet?“ DJ. zog Rebecca vom Sofa hoch und schloss sie in die Arme. „Es bedeutet, dass ich noch eine kleine Chance habe, oder?“ Rebecca lächelte. „Ich glaube, du hast eine echt gute Chance. Aber lass dir einen Rat geben.“ Sie befingerte D.J.s zerschlissenes T-Shirt. „Zieh was
Verführerisches an und sprüh dich mit Parfüm ein, bevor du zu ihm gehst. Männer stehen auf so was.“ Quinn warf seine T-Shirts in den Koffer. Nachdem er eine Woche vergeblich darauf gewartet hatte, dass DJ. zur Einsicht kam, gab es keinen Grund mehr, in Glenwood zu bleiben. Travis hatte ihn zu überreden versucht, einen Job im Sheriffbüro anzunehmen. Aber Quinn konnte nicht so nahe bei DJ. bleiben. Zu wissen, dass sie in derselben Stadt war, durch dieselben Straßen ging, dieselben Leute traf – das alles würde zu sehr wehtun. Er ging ins Badezimmer und packte seine Toilettensachen. Darunter befand sich eine ungeöffnete Packung Kondome. Als er DJ. zum ersten Mal begegnet war und gemerkt hatte, wie sehr sie ihn antörnte, hatte er praktisch den gesamten Bestand des Drugstores aufgekauft. Elender Optimist, schalt er sich. Nun war sie aus seinem Leben verschwunden, und ihm blieb nur noch… Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. „Ich komme!“ rief er und ging ins Schlafzimmer. Als er die Tür öffnete, traute er seinen Augen nicht. DJ. stand auf der Schwelle. Zumindest war er ziemlich sicher, dass sie es war. Sie trug ein sehr kurzes, sehr tief ausgeschnittenes Minikleid aus schwarzem Leder und High Heels – und sonst nichts, soweit er es beurteilen konnte. Üppige, glänzende Locken fielen ihr auf den Rücken. Make-up betonte ihre großen Augen. Sie war umwerfend. Eine Sexgöttin. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, schüttelte den Kopf und stürmte an ihm vorbei ins Zimmer. „Ich hatte Unrecht“, sagte sie hastig, „in allem. Ich war ein Idiot. Schlimmer noch, ich habe dir wehgetan. Ich habe furchtbare Dinge gesagt, und es tut mir Leid.“ Er schloss die Tür und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sprich weiter.“ Sie schluckte schwer und fuhr leise fort: „Was zwischen uns passiert ist, was ich gefühlt habe, hat mir Angst gemacht. Du hattest Recht, dass ich in einer Seifenblase gelebt habe. Ich habe die Welt ausgeschlossen, weil Gefühle für mich Todesgefahr bedeutet haben. Ich habe nicht erkannt, dass das Alleinsein eine andere Art von Tod ist.“ Sie holte tief Luft. „Du warst so geduldig mit mir, und ich weiß nicht, warum. Ich meine, warum hast du dir die Mühe gemacht? Warum hast du dich nicht einfach abgewendet?“ „Es gibt nicht viele Frauen wie dich. Du bist hart und verletzlich, feminin und stark – und so verdammt sexy. Wie kann ich da widerstehen?“ „Ich dachte, es liegt vielleicht daran, dass ich mich nicht an deiner Vergangenheit störe. Ich verstehe, was du getan hast, und es ist okay für mich. Du bist ein guter Mensch. Was du getan hast, ändert nichts daran. Ich weiß, dass du stärker und schneller und besser bist als ich, und das ist auch okay. Du würdest mir nie wehtun.“ Ihre Worte ließen ihn erleichtert aufatmen. Er trat zu ihr. „Was willst du damit sagen, Daisy Jane?“ „Dass du Recht hast mit dem, was du letzte Woche gesagt hast. Wir passen gut zusammen.“ „Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe.“ Sie lächelte strahlend. „Ich liebe dich auch. Ich will mich von meiner Vergangenheit befreien, damit ich eine Zukunft mit dir haben kann. Wenn du mich willst. Wenn du von mehr gesprochen hast als bloß einer…“ Er zog sie an sich, und ihre Lippen trafen sich in einem heißen Kuss, der von zu langer Trennung und einem Leben voller Verheißungen kündete.
„Ich habe von ewig gesprochen“, murmelte er an ihren Lippen. „Ich will dich heiraten.“ Er schmunzelte. „Wenn schon aus keinem anderen Grund, dann deshalb, damit der Pfarrer laut deinen Namen sagt, so dass es die ganze Welt hören kann.“ „Das stört mich nicht“, entgegnete sie. „Ach, Quinn, wenn du willst, kannst du in mein Geschäft einsteigen. Wir könnten expandieren und viel mehr Kinder retten und verschiedene Projekte…“ Er brachte sie erneut mit einem Kuss zum Schweigen. Für geschäftliche Besprechungen war später noch genügend Zeit. „Ich kann es nicht fassen, dass ich dich gefunden habe“, murmelte er und strich mit den Händen über das weiche Leder ihres Kleides. „Ich habe dich gefunden“, widersprach sie. „An dem Tag in den Wäldern. Ich habe dich gefangen genommen.“ „Stimmt. Mit Haut und Haaren.“ Er lächelte. „Hast du nun was unter diesem aufreizenden Kleid an oder nicht?“ „Tut mir Leid, nein. Da ist nichts drunter.“ Er stöhnte. „Du bist eine Frau nach meinem Herzen.“ Daisy Jane Monroe strahlte vor Entzücken über diese Worte. Sie wusste, dass all der Kummer und die Angst der Vergangenheit hinter ihr lagen. Sie hatte gelernt, sich zu öffnen und zu lieben. Quinns Frau. Genau das war es, was und wer sie sein wollte. Er sollte ihr Mann werden, und sie würden sich lieben für den Rest ihres Lebens. - ENDE -