Schweigendes Grauen Cal STAFF CAINE
Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeg...
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Schweigendes Grauen Cal STAFF CAINE
Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist übervölkert. Da startet der erste Kolonistenraumer „Galaxis” mit 50000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb geraten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstraße und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie „Hope' nennen, gründen hier die Stadt „Cattan“ und entdecken auf einer großen Insel Spuren einer hochentwickelten Kultur. Die Insel wird „Deluge“ genannt. Ren Dhark, dem man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf Deluge ein Raumschiff der Ureinwohner, das von ihm den Namen „Point Of“ erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer Invasorenrasse, den „Giants“, überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark versucht sie zu befreien. Es gelingt ihm, nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringlinge, „Cal“ genannt, festzunehmen. Sie wird wieder freigelassen, nachdem sie das Geheimnis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Durch die Sklaverei ist die Bevölkerung sehr geschwächt. Ren Dhark muß schnellstens geeignete Führungskräfte einsetzen, die verhindern sollen, daß auf der Erde ein Chaos ausbricht und die Menschheit in der Anarchie versinkt. Nachdem der Kampf gegen den Diktator Dewitt, der seine Macht als Gouverneur der Erde mißbrauchte, beendet ist, widmet Ren Dhark nun seine ganze Tatkraft dem Aufbau auf der Erde. Von nun an wird er Commander der Planeten genannt. Im Brana-Tal befindet sich die „Cyborg“-Station. Dort sind die Wissenschaftler unermüdlich am Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der „Cyborg“-Forschung. Die ersten Cyborgs haben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Doch schon zieht eine neue Gefahr für die Bewohner Terras herauf. Die von den Giants nach dem Planeten „Robon“ verschleppten Menschen, die nicht mehr wissen, daß sie Kinder Terras sind und in den Giants ihre Freunde, aber in den Erdbewohnern ihre Feinde sehen, wollen Terra erobern. Ren Dhark, Dan Riker und die beiden Cyborgs Bram Sass und Lati Oshuta werden vor den sogenannten „Robonen“ gefangengenommen. Auf Hidplace, dem neuen Heimatplaneten der Robonen, können die vier fliehen.
Personenverzeichnis: Colonel Huxley Captain Maxwell Derek Tanja Bernd Eylers Marschall Bulton Ren Dhark Dan Riker Jos Aachten van Haag Lati Oshuta, Bram Sass Charly und George Snide Janes Szardak Chris Shanton Ole Bigman Charaua Allon Sawall Henri de Ruy Scholf
Kommandant des Forschungsraumers NOGK Erster Offizier der NOGK GSO-Agent seine Frau Chef der GSO Vertreter Dan Rikers als Chef der TF Commander der Planeten sein Freund, Chef der TF GSO-Agent zwei Cyborgs Zwillinge, Cyborgs mit einer erstaunlichen Fähigkeit Vertreter Ren Dharks als Kommandant der POINT OF technischer Chef der Defensiv-Verteidigung, Dipl.-Ing. Siedler auf Perm Raumerkommandant der Nogks Robonenführer Kommandant des Robonenraumers NEMO robonischer Agent auf der Erde
Ole Bigman saß auf dem Vorbau seiner Pfahlbauhütte. Bis auf einen Lendenschurz war sein großer, muskulöser Körper nackt. Er sah einer Gruppe von Kindern zu, die vor der Pfahlbausiedlung im seichten Wasser herumtollten. Fröhlich, unbeschwert. Das Geschrei ihrer hellen Stimmen durchschnitt den Abend. Ole Bigman warf einen Blick auf die riesige rubinrote Sonnenscheibe, die sich anschickte, hinter den bewaldeten Höhen der roten Berge unterzugehen, welche am anderen Ufer des Binnenmeeres den Horizont bildeten. Ole erhob sich. Schläfrig dehnte er seine mächtigen Schultern. Die Boote mußten bald kommen, mit ihnen die jungen Männer und Frauen der Siedlung. Und Nahrung. Dann begann für sie alle die Arbeit, wie sie stets nach einem Fangtag getan werden mußte. „Ole! Sie kommen! Da!“ Die helle Stimme eines Jungen drang an sein Ohr, während das Bürschchen aufgeregt mit seinen dünnen Ärmchen in die Richtung wies, in der der Glutball der Sonne stand. Ole Bigman nickte. Und wieder staunte er über die scharfen Augen dieser Kinder. Er war Jäger, er besaß ausgezeichnete Augen, aber mit denen der Kinder konnte er es nicht aufnehmen. Er hatte sich schon oft gewundert, was für eine kräftige, kerngesunde und intelligente Generation da vor seinen Augen heranwuchs. Hatte verwundert beobachtet, wie jung die Menschen auf diesem Planeten blieben, zu welchen herben Schönheiten die Mädchen in den vergangenen fünf Jahren herangewachsen waren. Mädchen, die den Boden dieser Welt noch als Kinder betreten hatten. Und mit den jungen Männern verhielt es sich nicht anders. Ole Bigman warf der langsam sinkenden Sonnenscheibe abermals einen Blick zu. Eine junge Sonne noch, weißblau und heiß, nur durch die dichte Atmosphäre Perms gemildert, durch die gewaltigen Speicher der Binnenmeere, die die Strahlung der Sonne in sich aufsogen wie Schwämme und dann selbst den Nächten eine angenehme, hochsommerliche Temperatur gaben. Er hatte den Verdacht, daß die Strahlung jener Sonne, um die ihr Planet kreiste, die Menschen so vorteilhaft veränderte. Krankheiten gab es kaum, wo sie auftraten, wurden sie von den kräftigen Körpern rasch überwunden .. . Ole fuhr aus seinen Gedanken hoch. „Dürfen wir den Booten entgegenschwimmen, Ole? Bitte!” Direkt vor seinem Pfahlbau tauchten die kleinen bräunlichen Körper der Kinder auf. Dunkle, bittende Kinderaugen sahen ihn an. „Natürlich, los, schwimmt schon!” Die Kinder stießen ein wildes Geschrei aus und warfen ihre Leiber herum. Das Wasser quirlte unter ihren heftigen Bewegungen. Das Binnenmeer war ein harmloses Gewässer. Es gab keine Ungeheuer, nicht einmal Fische, die den Menschen angriffen. Die Gefahren dieses Planeten lauerten in den rötlichen Bergen, dort, wohin nur die erfahrenen Jäger gingen, deren Anführer Ole Bigman war. Und nicht allein das, er war der älteste auf Perm. Der Mann, auf dessen Wort die anderen hörten, wenn in der Versammlung wichtige Dinge diskutiert wurden, wenn es galt, Beschlüsse zu fassen. Er war knapp vierzig Jahre alt und doch schon der älteste. Auf Perm gab es keine alten Leute. Das einzige Schiff, das vor fünf Jahren diesen Planeten je erreichte und mit seiner Besatzung wieder verließ, um Nachschub und weitere Siedler zu holen, brachte fünfzig junge Ehepaare und ihre Kinder. Und Ole Bigman, einen erfahrenen Prospektor, der vorher schon manchen Planeten, manche fremde Welt kennengelernt hatte, ehe sie Perm fanden. Er hatte zu jenem Kommando gehört, das systematisch nach Planeten forschte, die sich als Siedlungswelten eigneten.
Gedankenverloren starrte Ole Bigman auf die dunklen Silhouetten der herankommenden Boote, in denen die Körper der Ruderer im Takt auf und nieder schwangen. Frauen und Männer. Auf Perm arbeiteten alle. Um die Kinder kümmerten sich diejenigen, die nicht mit hinausfuhren. Ole Bigman straffte sich. Schüttelte energisch die Gedanken von sich ab. Die Erde war weit. Fast schon vergessen von ihnen allen. So merkwürdig das auch sein mochte. Sie fühlten sich wohl auf dieser Welt ohne Falsch, unkompliziert, ohne jede Politik, ohne das makabre Spiel machtlüsterner Dunkelmänner... Ole Bigman spürte die Hand, die seine Schulter berührte, als das erste der Boote am Vorbau anlegte. Voll von glitzernden Fischen, umgeben von strampelnden, spritzenden Kindern, gehalten von den schlanken Körpern eines jungen Paares, dessen bronzene Haut in den Strahlen der versinkenden Sonne kupferrot wirkte. „Du hast wieder dran gedacht, Ole, oder?” Die ruhige, sanfte Stimme seiner Tochter Nadja stellte es einfach fest. Ole Bigman nickte, während er schon den ersten Korb entgegennahm. „Es stimmt, Nadja!” sagte er. „Aber es hat nichts zu bedeuten. Und wenn ich ganz ehrlich bin, so weiß ich nicht, ob ich uns wünsche, daß je ein Mensch der Erde seinen Fuß auf unsere Welt setzt ...” Die anderen Boote kamen heran. Vor den Hütten der Siedlung begann ein lebhaftes Treiben. Feuer flammten auf unschädlich und gebändigt durch die steinernen Gefäße, in denen sie brannten. Weit fiel ihr Schein auf die bereits dunklen Wasser des Binnenmeeres hinaus. Vom jenseitigen Ufer drang ein fernes, feines Grollen an die Ohren der Menschen. Für einen Moment unterbrachen sie ihre Arbeit und sahen über das Wasser. Loki, der riesige Vulkan in den roten Bergen, würde diese Nacht erwachen. Und sie wußten, daß ihre Welt wieder einen halben Umlauf um ihre Sonne hinter sich hatte. Daß von nun an die Tage wieder kürzer werden würden. Denn Loki war pünktlich. Auf die Stunde genau, solange sie auf dieser Welt lebten .. . Zur gleichen Stunde krochen die Schatten der Stielbauten Alamo Gordos, jener gewaltigen, langsam rotierenden Wohnkugeln hoch über den Wolken, auf die Häuser der Altstadt zu. Vielleicht war Altstadt auch nicht ganz der richtige Name, aber jeder nannte die City Alamo Gordos so. Der Robone Scholf hockte mißmutig im Kommandosessel seines Streifenjetts. Es war ein gefährliches Spiel, das er und seine Männer trieben. Sie mußten höllisch aufpassen, den beiden Snides nicht zu begegnen, denn diese beiden Burschen waren als einzige nichtrobonische Wesen auf der Erde in der Lage, jeden Robonen sofort zu identifizieren. Aber zur Zeit befanden sie sich in Europa, die beiden Snides waren die bestbeschatteten GSO-Männer Terras ... Keine Minute ließ man sie aus den Augen. Und es würde die Gelegenheit kommen, wo man sie ausschaltete. Aber jetzt ging es um etwas anderes. Etwas, das dringlicher schien als alles andere. Scholf warf einen Blick auf den Raumhafen unter seinem Jett. Deutlich sah er den gewaltigen Rumpf des Werkstattschiffes JAPETUS. Sie lag hinter den Sperren eines energetisch abgeriegelten Areals. Direkt neben einer Art Helling, wie man sie auf den Raumschiffwerften Terras verwendete. Und in dieser Helling, neugierigen Blicken höchst wirksam entzogen, der fast fertiggestellte Prototyp eines 200-m-Raumers. Das an sich hätte weder Scholf noch seine Rassegenossen sonderlich aufgeregt, schließlich wurden auf Terra Raumer am laufenden Band produziert. Auf den Werften der Sektoren III und IV die großen Schiffe der Planetenklasse, in einer anderen Werft sogar noch weit größere Bergungsraumer. Im ehemaligen Europa die kleineren Typen. Nein, das alles wäre nichts Besonderes gewesen. Es war ein anderer Umstand, der die Robonen selbst für ihre Verhältnisse zu ungewöhnlichen Mitteln greifen ließ, um herauszubekommen, was für eine Bewandtnis es mit diesem Schiff dort unten hatte. Und bisher waren alle Versuche, an das Objekt selbst heranzu-
kommen, an der Wachsamkeit der Terraner gescheitert. Jener Mann, den man bisher vergeblich zu beseitigen versucht hatte, der entgegen aller Voraussicht auch dem Unfall, dem Absturz der GINOK im System Mira Ceti entkommen war, ausgerechnet dieser Mann führte dort unten das Kommando: Colonel Frederic Huxley und seine gefürchtete Crew! Scholf warf einen Blick auf die Uhr. Es wurde langsam Zeit, zu verschwinden. Die Ablösung mußte in spätestens einer halben Stunde kommen. Der Robone stieß eine Verwünschung aus. Wenn man heute nicht zum Ziel kam, dann war wieder alles vergeblich. Denn die Terraner würden die ausgeschaltete Besatzung, von der man den Streifenjett übernommen hatte, vermissen. „Noch eine Schleife, dann Kurs Süd!!” befahl er. Der Pilot zog die Maschine herum und nahm Kurs auf die Stielbauten. Vor den Augen der Robonen wuchsen die Wohnkugeln zu gigantischer Größe empor. Die großen Direktsichtscheiben der Wohnungen und die Panorama-Views der peripher angeordneten Straßenzüge der Geschäftszentren im unteren Teil der Kugeln glühten im Licht der schon tiefstehenden Sonne. Im stillen bewunderte Scholf die Leistung der Terraner. Derartige Bauten gab es auch auf Hidplace nicht. Scholf kam bei diesen Überlegungen gar nicht der Gedanke, daß auch er wie alle seine robonischen Gefährten eigentlich Menschen, Terraner waren. Dieses Bewußtsein in Scholf war längst erloschen. Terraner und Robonen, das waren für ihn und alle anderen zweierlei Rassen ... Die Maschine befand sich fast am Ende ihrer Schleife, als der Schirm des Viphos plötzlich aufglühte. Für einen winzigen Moment erschien das Gesicht. eines Mannes. Scholf und der Pilot zuckten zusammen. Doch dann handelten sie. Scholf nahm gedankenschnell einige Schaltungen vor, das Bild des Viphoschirmes verzerrte sich. Nach wenigen Sekunden bereits liefen nur noch die unverfänglichen grünlichen Peilkoordinaten durch das, vom Koordinator projizierte Gitter der Meßlinien. Einer Einrichtung, die in modernen Jetts weitere Ortungsgeräte überflüssig machten. Scholf und seine Gefährten beobachteten den Schirm gespannt. Ihre geschulten Agentengehirne lasen die Nachricht mit, ehe der Decodierer den Klartext aus den Emissionsschlitzen des Bordgehirns lieferte. ...Wohnung Tanja Dereks, Frau des GSO-Beamten Clint Derek, ausfindig gemacht. Spezialapartment 5 in Wohnkugel 3. Sensorisch gesichert, angeschlossen an GSO-Alarmnetz. Derek ist als GSO-Beamter beim Projekt X, außerdem nach sehr sicheren Informationen aus noch unbekannten Gründen für die Dauer des ersten Fluges des neuen Raumers der Besatzung Huxleys zugeteilt. Halte Versuch einer Übernahme Dereks beim Betreten der Wohnkugel für aussichtsreich. Erwarte weitere Anweisungen. Ende .. . Scholf griff fast mechanisch nach der Folie, die aus dem, Emissionsschlitz hervorquoll. Aber er las sie nicht. „Derek!” murmelte er. „Clint Derek“ Dann verzerrte sich sein Gesicht plötzlich in wildem Haß. Scholf erinnerte sich, Dieser Mann hatte ihre Pläne schon wiederholt durchkreuzt. Damals, als es um das Archiv der stillgelegten T-XXX ging, in Atlanta und kürzlich erst wieder bei der Erprobung der neuen Jetts .. . Scholf straffte sich ruckartig. Dann glitten seine Finger über die Tasten eines kleinen, unscheinbaren Gerätes, das die Robonen in dem Jett nach seiner Übernahme installiert hatten. ...Apartment nicht aus den Augen lassen. Tanja Derek überwachen, Clint Derek bei Erscheinen sofort übernehmen. Agenten Gamma und Delta stoßen zu Ihnen. Bleibe ständig auf Empfang, bin in unmittelbarer Nähe. Ende ...
Scholf warf dem Piloten einen triumphierenden Blick zu. Die ersten Erfolge ihrer Tätigkeit begannen sich abzuzeichnen. Es war jetzt an der Zeit, den Jett zurückzugeben. Die eigentliche Besatzung würde sich irgendwo in einer Wüste wiederfinden und sich an nichts mehr erinnern können. Scholf war viel zu klug, um zu glauben, daß ein Mann wie Bernd Eylers, der Chef der terranischen GSO, sich durch einen solchen plumpen Trick täuschen ließ. Aber er würde auf Vermutungen angewiesen sein. Im dunkeln tappen. Der Jett war wertlos für Scholf, denn die Nachricht des Agenten Psi machte das Abfangen von Huxley oder einem seiner Crew vollkommen überflüssig. Das war Scholf aber ganz angenehm, denn mit dem Colonel oder seinem I.O., Captain Maxwell, oder überhaupt irgendeinem Mann aus seiner Crew war absolut nicht zu spaßen. Er vergaß, daß Clint Derek ein mindestens ebenso gefährlicher Gegner war, er übersah, daß Eylers Clint Derek nicht ohne Grund diesem Kommando zugeteilt hatte. Eylers war ein alter Fuchs, ein Mann, den die Schlappen der vergangenen Wochen nur härter, nur noch methodischer werden ließen. Ein Mann, der nie vergaß, auch für mögliche Eventualitäten seine Vorkehrungen zu treffen. Marschall Bulton stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf, als ihn die Wachen zum drittenmal kontrollierten. „Wer hat diesen verdammten Blödsinn angeordnet? Ich will sofort wissen, wer das war, Sergeant!” tobte er. Der Sergeant straffte sich. „Bernd Eylers persönlich, Sir! Sie finden ihn bei dem neuen Raumer, Sir!” Der Marschall funkelte den Sergeanten wütend an. „Und ob ich ihn finden werde, Sergeant! Das ist doch ...” Die anderen Worte hörte der Sergeant schon nicht mehr, denn der Marschall hatte seinem Piloten einen Wink gegeben. Der Spezialjett rollte mit pfeifenden Triebwerken davon. Die Maschine hob nicht ab, sondern glitt immer schneller und schneller über die Panzerplastikquader des Raumhafens auf die Helling zu, neben der der riesige Rumpf der JAPETUS lag. Als die Maschine schließlich dicht neben der ebenfalls gesicherten Helling hielt, die den einzigen Zugang zu dem gewaltigen Dom bildete, in dem der 200-m-Raumer lag, kam ihm der GSO-Chef bereits entgegen. „Gut, daß ich Sie hier treffe, Marschall!” empfing er den Allgewaltigen von Cent Field, der für die Dauer von Dan Rikers Abwesenheit das Kommando über die Terranische Flotte führte. Marschall Bulton runzelte unwillig die Stirn. „Es wird sich noch zeigen, Eylers, ob Sie es wirklich gut finden, mich hier zu treffen!” Er trat hart an den GSO-Chef heran. „Wer hat Ihnen die Befugnis erteilt, Eylers, mich dreimal kontrollieren zu lassen, wenn ich hierher will? Was soll der ganze Mumpitz eigentlich? Sie wissen so gut wie ich, daß dieses Forschungsschiff, dieser Neubau absolut keine militärischen Geheimnisse birgt! Ausgenommen vielleicht die weiterentwickelte Nogksche Allsichtsphäre, die abweichende Gesamtkonstruktion des Schiffes, die Dreifach-Triebwerke und die Tofiritkanone! Alles Dinge, die wichtig sind, aber nur geringen militärischen Wert haben, jedenfalls in bezug auf die Kampfkraft. Die NOGK ist ein Forschungs- und Erkundungsschiff, Eylers. Eine Spezialeinheit, die uns befähigen soll, auch in weiße Gebiete des Raumes vorzustoßen! Wozu also diese völlig übertriebene Geheimniskrämerei?” Eylers nickte. „Ich habe diese Frage erwartet, Bulton! Und ich kann sie Ihnen auch heute klipp und klar beantworten: Erstens wurde die Nogk ohne Ihr Wissen mit verbesserten Transitionsmeilern und Sprungma-
nipulatoren ausgerüstet, die von den Wissenschaftlern Deluges nach Angaben des Chef-Ingenieurs Erkinsson auf Grund seiner Kenntnisse auf dem Gebiet der Nogk-Technik hergestellt wurden. Sie werden mit allergrößter Wahrscheinlichkeit die ganzen üblen Begleiterscheinungen, die auch heute noch während der Transition in einem normalen Kugelraumer auftreten, kompensieren. Wenn Erkinsson recht behält, dann wird die Besatzung sogar - wie damals auf der FO I nach ihrem Umbau durch die Nogks - aktionsfähig bleiben. Zweitens aber verfolge ich mit dieser strengen Überwachung einen ganz bestimmten Zweck. Ich rechnete damit, daß die Robonen versuchen würden, hinter das Geheimnis dieses Schiffes zu kommen. Ich wollte sie dazu provozieren. Und offenbar geht meine Rechnung auch auf. Durch einen meiner Agenten habe ich entsprechende Informationen. Ganz abgesehen davon, daß die Robonen auf uns vorläufig noch unbekannte Weise einen der Streifenjetts übernommen, die gesamte Besatzung ausgeschaltet und die Maschine zu irgendeinem Einsatz benutzt haben. Wir fanden den Jett vor einigen Stunden am Rande des Llano Estacado, die Besatzung im Tiefschlaf. Sie wollte nach ihrem Erwachen ohne jede Erinnerung dort weitermachen, wo sie aufgehört hatte!” Der Marschall holte vernehmlich Luft. „Manipulatoren? Transitionsmeiler? Nogk-Technik?” Das Blut schoß ihm unvermittelt in den Kopf, seine bullige Gestalt ruckte hoch. „Verdammt, Eylers, wieso erfahre ich erst jetzt davon? Ich verbitte mir derartige Eigenmächtigkeiten ein für allemal! Ich trage für Cent Field die Verantwortung! Ich und kein anderer!” Marschall Bulton brüllte den GSO-Chef an, wie er es noch nie getan hatte. Aber Eylers blieb ruhig. „Marschall, vergessen Sie bitte nicht, daß auch ich gewisse Befugnisse habe. Und vergessen Sie bitte ebenfalls nicht, daß die NOGK das erste Schiff sein wird, das direkt der GSO - oder wenn Sie so wollen, der Raumabwehr und dem Raumsicherheitsdienst unterstellt ist. Sie kann ihre Aufgaben mit denen der Flotte koordinieren, aber die GSO hat dabei den Vorrang. Eigentlich sollten gerade Sie das wissen, Marschall!” Marschall Bulton starrte Eylers fassungslos an. Dann packte der den GSO-Chef heftig an den Oberarmen. „Was sagen Sie da? Woher sollte ich das denn wissen? Über diese Entscheidung von Trawisheim, denn jemand anders kann derartige Entscheidungen gar nicht getroffen haben, ist mir nichts, absolut nichts bekannt! Durch wen und wann sind mir diese Akten überstellt worden, Eylers?” Jetzt verlor selbst Eylers seine Ruhe. „Sie wußten nicht, Marschall... Sie haben nichts darüber ...” Er sprach nicht weiter. Schlagartig wurde er sich der Tragweite dieser Eröffnung bewußt. Er sah den Marschall eine Weile wortlos an. „Bulton, das bedeutet, daß die Robonen ihre Agenten mittlerweile in den höchsten Stellen der Defensiv-Group haben, in den geheimsten Stellen zwischen Regierung und Verteidigung. Von meinem eigenen Laden ganz zu schweigen!” Der Marschall erblaßte. Automatisch ließ er den GSO-Chef los und trat einige Schritte zurück. So cholerisch er auch sein mochte, so sehr seine Natur mit ihm immer wieder durchging, in solchen Lagen blieb er ein eis-kalter Taktiker. „Eylers”, fragte er gepreßt, „Sie sagten da etwas von einem Plan, den Sie mit dieser Geheimniskrämerei verfolgten?” Eylers nickte. Dann erklärte er dem Marschall mit knappen Worten sein Vorhaben. Der hörte schweigend zu.
„Derek, Clint Derek!” murmelte er dann. „Gut, wir sollten es versuchen, dieser ehemalige Jäger wird genug Instinkt für Gefahr besitzen, um auf sich aufzupassen, denke ich!” Die beiden Männer betraten das Innere des Werftdomes. Undeutlich tauchte vor ihnen im Halbdunkel der Rumpf des neuen Schiffes auf, an dem ein Stab von ausgesuchten Technikern zusammen mit denen der JAPETUS die letzten Arbeiten vornahmen. In der Hauptschleuse- stießen sie auf Captain Maxwell. Der Captain begriff sofort. über Vipho verständigte er Colonel Huxley und Clint Derek, die sich bei Chief Erkinsson in der Zentrale aufhielten. Und dann begannen die Ereignisse sich zu überstürzen ... Die beiden Agenten Gamma und Delta arbeiteten schnell. Weit schneller, als Eylers dachte. Sie stießen schon eine knappe halbe Stunde nach dem Gespräch mit Scholf zu dem bereits wartenden Psi. Von da ab lösten sie sich ständig ab. Das Spezialapartment Clint Dereks blieb keine Sekunde unbewacht. Als Tanja ihre Wohnung endlich ahnungslos verließ, summten die beiden Mini-Viphos der anderen Agenten warnend auf. Psi betätigte einen winzigen Schalter. Sofort begann eine fast unhörbare Stimme zu wispern. Tanja Derek verläßt ihre Wohnung. Sie befindet sich jetzt auf dem Weg zum Shopping-Center. Vermutlich wird sie nach einigen Einkäufen den Erfrischungsraum beim Panorama-View 4 aufsuchen. Delta soll sich dort unauffällig in der Nähe der Tür postieren. Ende!“ Delta bewegte sich durch die gebogene Ladenstraße, vorbei an den vielfältigen, bunten Auslagen der Geschäfte. Hin und wieder warf er einen raschen Blick aus den großen Rundsichtkuppeln, die in Form geräumiger Aussichtsterrassen aus dem Stahlkörper der Wohnkugel hervorragten und einen geradezu faszinierenden Blick über langsam dahinwandernde Cumuluswolken, gelbe Wüstenflächen und das gewaltige Areal vermittelten. Die Eile des Agenten fiel nicht auf. Es war genau eine Stunde vor Geschäftsschluß, fast jeder hatte es um diese Zeit eilig. Delta wußte genau, aus welchem A-Grav-Schacht Tanja kommen würde. Bei den gewaltigen Ausmaßen der Wohnkugel wurde jeder andere Weg zu einer außerordentlich zeitraubenden Exkursion, wobei man sich in diesem Fall auch noch sehr gut in den einzelnen Trakten der Kugel auskennen mußte. Besonders zum Zentrum hin, wo die kreisförmig verlaufenden Flure der einzelnen Stockwerke immer enger und immer häufiger von den Transportbändern zwischen den einzelnen Sektoren geschnitten wurden. Delta hätte auch jetzt eines jener schnellaufenden Bänder benutzen können, aber er unterließ es absichtlich. Minuten später erreichte er den A-Grav-Schacht. Unauffällig musterte er die Menschen, meist Frauen und Mädchen, die aus der Minus-Sphäre des Doppelschachtes hervorkamen. Genau in dem Augenblick, als Tanja Derek erschien, summte sein Vipho. Delta stieß eine Verwünschung aus. Unwillig drückte er die kleine Taste. Psi meldete sich. „Achtung!” wisperte seine Stimme, „Scholf ist auf dem Wege hierher. Irgend etwas ist geschehen, er wollte keine Auskunft geben! Größte Vorsicht!” Delta warf einen Blick auf die schöne, knabenhaft schlanke Frau, die eben in einem der Geschäfte verschwand. Seine scharfen Augen erfaßten sofort die Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen, die vollkommene Beherrschung in jeder ihrer Gesten. Der hochgeschlossene, knappsitzende Life-Dreß unterstrich ihre Erscheinung noch. Mit einer abermaligen Verwünschung riß Delta sich aus seinen Betrachtungen. Er krümmte den Zeigefinger seiner Rechten, um das Mini-Vipho abzuschalten, als sich plötzlich etwas Eiskaltes in seine Seite bohrte. „Keine Bewegung, GSO! Wer ist Scholf?”
Die Stimme des Mannes hinter ihm bohrte sich wie eine eiskalte Nadel in sein Gehirn. Und doch fand Delta noch Zeit, die unermeßliche Gefahr zu erkennen, die tödliche Falle, die sich hinter dieser Frage verbarg. Der GSO-Mann wollte ihn zu einer Unvorsichtigkeit verleiten, zu einer Schockreaktion. Die GSO beabsichtigte etwas, sonst hätten die Männer des Sicherheitsdienstes nur zu warten brauchen und Scholf wäre ihnen ganz von selber in die Hände gelaufen. Delta stellte diese Überlegungen mit der den Robonen eigenen Schnelligkeit an, einer Schnelligkeit, die auch jetzt noch von den Menschen, sogar von den geschulten Leuten der GSO immer und immer wieder unterschätzt wurde. Und dann handelte der Robone. Gedankenschnell wirbelte er herum. Der Blaster, dessen Mündung sich eben noch in seine Hüfte preßte, glitt ab. Diese Drehung kam so überraschend, daß selbst ein so geschulter Mann wie Jupiter Fendrook sie nicht verhindern konnte. Noch ehe er zu einer Abwehrreaktion imstande war, traf ihn ein Schlag. Wie ein Dampfhammer rammte sich die Faust des Robonen in seinen Leib. Jupiter Fendrook taumelte. In einer Reflexbewegung krümmte sich seine Preisboxerfigur zusammen. Das genügte dem Robonen, seinen zweiten Schlag zu landen. Jupiter Fendrook begriff, daß er verloren hatte. Es war eines der ganz wenigen Male in seinem Leben, wo es einem Gegner gelang, ihn auszuschalten, im Kampf Mann gegen Mann. Er machte noch einen Versuch. Ruckartig riß er seine Ellenbogen empor, aber es war zu spät. Der dritte Schlag des Robonen war ein Handkantenschlag. Er traf den GSO-Mann genau zwischen Halsansatz und Schulter. Das alles war so schnell, so lautlos vor sich gegangen, daß von den Passanten der Ladenstraße kaum einer Notiz davon genommen hatte. Delta, der sich noch immer in unmittelbarer Nähe der beiden Mündungen des Doppelschachtes befand, griff nach Fendrook. Mit unheimlicher Kraft wuchtete er den schweren Körper empor, trug ihn die wenigen Schritte bis zur Minus-Sphäre und kippte den Bewußtlosen kurzerhand in den AGrav-Tunnel. Er wußte, daß Jupiter Fendrook weiter und weiter in den Feldern der Minus-Sphäre durch die Wohnkugel sinken würde. Irgendwo würde er schließlich liegenbleiben, vielleicht erst am Fuß des über hundert Meter starken Stieles, auf dem die Wohnkugel langsam rotierte. Rund eintausendfünfhundert Meter tief. Delta drückte die Alarmtaste seines Mini-Viphos. Der Agent war jetzt hellwach. Sein Verstand arbeitete mit der Präzision eines Roboters. Er wartete die Antwort seiner Gefährten gar nicht erst ab. Es war zu un-wahrscheinlich, daß sich in diesem Stockwerk nur ein einziger GSO-Beamter befunden hatte. Der Robone zögerte keine Sekunde, als er die Gestalten erblickte, die sich ihm jetzt unauffällig von allen Seiten näherten. Mit ein paar gewaltigen Sprüngen schnellte er sich zu Tanja Derek hinüber, die eben das Geschäft verließ und noch im Gehen ihre Einkäufe in der Tragetasche ordnete. Tanja bemerkte den Schatten, der auf sie zuflog. Instinktiv, mit der Reaktionsfähigkeit des Mädchens, das monatelang zusammen mit dem Jäger Clint Derek durch die Wälder Alaskas vor den Giants geflohen war, warf sie sich zur Seite. Delta versuchte noch im Sprung, ihre Ausweichbewegung auszugleichen, aber er schaffte es nicht. Sein Körper prallte in die Auslagen und schleuderte sie zu Boden. Er selbst flog durch die Wucht seines Sprunges bis in den Laden. Entsetzt sprangen einige der Frauen zur Seite, als er noch im Fallen seinen Blaster au, dem Schulterhalfter hervorriß und sofort versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Er hatte jedoch nicht mit Tanja Derek gerechnet. Die junge Frau begriff augenblicklich, um was es hier ging. Außerdem sah sie gerade in diesem Moment ihren Mann aus der Plussphäre des A-GravSchachtes springen. Hinter ihm erschienen Bernd Eylers, Colonel Huxley, Captain Maxwell und andere Männer.
Tanja warf sich auf den Robonen. Sie prallte auf den Arm, der eben die Waffe gegen die Angreifer erhob. Mit einer Verwünschung fiel der Robone zurück, stieß abermals einen Ständer mit Früchten um und schlug schließlich mit dem Kopf gegen die Scheibe einer Tiefkühltruhe. Aber er verlor auch jetzt nicht seine Geistesgegenwart. Seine Rechte umklammerte den Blaster, die Linke griff nach Tanja und riß die junge Frau mit furchtbarer Gewalt zu sich heran. „Keine Bewegung!” zischte er, während er sich mit einem einzigen Ruck auf die Füße schnellte, Tanja dabei mit sich emporreißend. Die heranstürmenden Männer erkannten augenblicklich die Gefahr. Ruckartig blieben sie stehen. Der Robone starrte sie aus kalten, völlig gefühllosen Augen an. Er sprach kein Wort, bewegte sich lediglich mit Tanja als Schild vor seinem Körper auf den A-Grav-Schacht zu. Colonel Huxley verfolgte die Bewegungen des Agenten aus schmalen Augen, Und dann sah er plötzlich noch etwas. Aus der ängstlich weiter und weiter zurückdrängenden Menschenmenge schoben sich ein paar Gestalten nach vorn. Huxley war ein viel zu erfahrener Mann, um nicht sofort zu begreifen, was die Stunde geschlagen hatte. Huxley sprang, als der Robone einen Moment lang nicht auf ihn achtete. Mit einem Satz, wie ihn nur ein Mensch in allergrößter Verzweiflung fertigbringt, schnellte er sich zu dem Agenten und Tanja hinüber. Es gelang ihm, seinem Gegner den Blaster mit einem wuchtigen Hieb aus der Hand zu schlagen. Tanja flog durch einen weiteren Stoß Huxleys in eine der Schachtmündungen und verschwand von der Bildfläche. Colonel Huxley und Delta folgten ihr Bruchteile von Sekunden später. Dann brach die Hölle in der Ladenstadt los. Die Bewohner der Wohnkugel 3 flohen schreiend. Sie überrannten Scholf und seine Leute, die brutal um sich schlugen und sich nur mit größter Anstrengung davor bewahren konnten, einfach niedergetrampelt zu werden. Clint Derek, Bernd Eylers, Captain Maxwell und die Trooper aus Huxleys Crew rissen ihre Schokker heraus. Wütendes Feuer aus den Blastern der Robonen zwang sie jedoch augenblicklich in Deckung. Die Plastikverkleidungen der Ladenstraße zerschmolzen unter den jaulenden Entladungen. Verschiedene Gegenstände fingen Feuer. Unerträgliche Hitze breitete sich aus und nahm den Männern fast die Luft zum Atmen. Die automatische Löschanlage des Stockwerkes trat in Aktion. Schlagartig öffneten sich die Düsen der Sprühköpfe. Eine wahre Sintflut von Schaum ergoß sich über Robonen und Terraner und zwang sie innerhalb weniger Minuten, sich aufzurichten, wenn sie nicht ersticken wollten. Auch die Robonen verließen ihre Deckungen. Sie versuchten zu fliehen. „Feuer!” Bernd Eylers und Derek gaben das Kommando gleichzeitig. Die Schocker flogen empor und entluden sich flirrend in das Inferno von Schaum, Qualm und Hitze. Und diesmal fanden sie ihr Ziel. Diesmal waren die Robonen nicht schnell genug gewesen. Zu überraschend hatte sie der explosionsartig aus den Düsen der- Löschanlage hervorschießende Schaum getroffen. Die Männer und Captain Maxwell arbeiteten sich durch die schon fast knietiefe zähe Masse zu den Robonen hinüber, während Eylers über Vipho bereits Verstärkung anforderte. Sie hörten, wie die Kontakte der Magnethandschellen klickten, vernahmen die kurzen Kommandos des Captains. Dann kamen die Männer. Zwischen sich die taumelnden, leicht paralysierten Robonen. Der herabrieselnde Schaum hatte den Schockern einen großen Teil ihrer Wirkung genommen. „Los, raus hier! Oder wir ersticken jämmerlich in diesem Zeug!”
Als sie die Mündungen der beiden Sphären des A-Grav-Schachtes erreichten, kamen ihnen Colonel Huxley, Tanja und Jupiter Fendrook entgegen. Clint Derek trat auf den Colonel zu, aber Huxley winkte ab. „Kein Wort, Derek. Es gibt Wichtigeres. Dieser verdammte Agent hat sich umgebracht. Vor meinen Augen. Jupiter Fendrook kam zu spät, er wollte uns warnen!” Fendrook nickte. Sein Kopf saß schief zwischen den breiten Schultern. Er vermochte kaum zu sprechen. „Stimmt! Clint Derek hat das auch schon mal erlebt, „nur daß wir diesmal keinerlei Gift entdecken konnten!” quetschte er mühsam hervor. „Weiß der Teufel, wie dieser Bursche sich den Garaus gemacht hat und womit!” Fendrook lehnte sich erschöpft an die Wandung der Plussphäre. Und dann riß es die Männer förmlich herum. Die Gefangenen, die eben noch schwankend, wie in Trance zwischen ihnen gestanden hasten, sackten zu Boden. Ihre Körper verschwanden im Schaum, der immer noch aus den Düsen der Löschköpfe auf sie herabrieselte. Eylers sprang hinzu. Er zog einen der Robonen empor. Dann den nächsten und wieder einen. Überall das gleiche: Glasige, gebrochene Augen starrten ihnen entgegen. „Derek, rufen Sie den Notdienst der Medostation, versuchen Sie Dr. Sarano zu bekommen. Die Leichen sofort ins nächste Stockwerk. Huxley, lassen Sie bitte die Zugänge für den Publikumsverkehr sperren, bis Sarano mit seinen Medotransportern kommt!” Clint Derek verlor keine Zeit. Er bekam die gewünschte Verbindung sofort. Unterdessen verschwanden Huxleys Trooper schon mit den Toten im A-Grav-Schacht. Als Dr. Sarano kam, um die Toten zu untersuchen und in die Medostation zur Obduktion zu überführen, begannen die Männer wenig später an ihrem Verstand zu zweifeln. Dem GSO-Chef entgingen die prüfenden. Blicke nicht, mit denen der Arzt ihn, Derek, Tanja, Huxley und den heranstürmenden Captain Maxwell bedachte. Denn als sie den Flur betraten, an welchem der Tagungsraum lag, in dem man die Toten provisorisch aufgebahrt hatte, bot sich ihnen ein grauenhaftes Bild. Die beiden Männer, die dort Wache gehalten hatten, lagen verkrümmt auf dem Boden. Die Tür zum Tagungsraum stand sperrangelweit offen. Von den Toten keine Spur ... Sie waren verschwunden. Alle, ohne Ausnahme. Clint Derek, der ehemalige Jäger aus den Wäldern Alaskas, faßte sich als erster. Seinem Instinkt folgend unterzog er den Boden des Tagungsraumes und den gesamten Flur zusammen mit Tanja einer eingehenden Prüfung. Sie brauchten nicht lange, dann hatten sie entdeckt, wonach sie suchten. Clint Derek winkte den GSO-Chef und Colonel Huxley zu sich heran. „Wir sind geblufft worden! Von den Robonen war kein einziger tot. Da, sehen Sie! Ihre schaumgetränkten Schuhe und Kleider haben Spuren hinterlassen. Schwach, aber doch deutlich sichtbar! Sie müssen versucht haben, sie noch rasch zu beseitigen! Ich wette, wenn wir jetzt sofort in den Hangar eilen, dann werden wir weitere Spuren und das Fehlen einiger Maschinen feststellen!” Inzwischen hatte Dr. Sarano die beiden bewußtlosen Männer wieder zu Besinnung gebracht. Ihre Aussage machte alle weiteren Nachforschungen überflüssig. Die Robonen hatten sie überrascht und niedergeschlagen. Scholf und seine Leute waren entkommen. * Eylers verbrachte zusammen mit Clint Derek und dem Colonel eine schlaflose Nacht. Gegen Morgen, als niemand von ihnen auch nur im geringsten damit gerechnet hatte, stürmte Marschall Bulton
mit hoch-rotem Kopf in Eylers' Büro. Er kam Eylers in diesem Augenblick vor wie ein aufgestörter, wütender Nashornbulle. In seiner Rechten schwenkte er eine Kassette mit Mikrofilmen. Nichts Gutes ahnend, fuhren Eylers und seine beiden Gefährten aus ihren Sesseln. Aber der Marschall ließ ihnen keinerlei Zeit zu irgendwelchen Fragen. „Eylers, dieses Cent Field und alles, was dazugehört, ist ein verdammter Saustall! Wissen Sie, was ich hier in der Hand halte, hervorgezogen aus einem Berg angeblich unwichtiger, zur Vernichtung bestimmter Unterlagen? Nein, das wissen Sie, nicht, das können Sie auch gar nicht wissen, denn diese Unterlagen stammen noch aus der Zeit vor der Invasion. Es handelt sich um das Projekt Perm, um eine Siedlergruppe von fünfzig Familien, die man damals auf jenem Planeten abgesetzt hat. Mit ihren Kindern. Deren Versorgung durch die Invasion dann aber abriß! Und jetzt, Eylers, jetzt finde ich diesen Vorgang! Unterlagen, die möglicherweise über Tod oder Leben einer ganzen Menschengruppe entscheiden können, unter Akten und Speicherungen, die morgen vernichtet werden sollten!” Der Marschall hielt schweratmend inne und schwenkte die Kassette voller Zorn und Empörung hin und her. „Eylers, wissen Sie oder können Sie sich denken, warum dieser Planet den kuriosen Namen Perm von einem Prospektor namens Ole Bigman bekam? Nein? Nun, weil dieser Planet sich in einem Zustand befindet wie die Erde im Perm, vor 270 Millionen Jahren also!” Eylers brauchte eine ganze Weile, ehe er diese Nachricht, diese neuerliche Hiobsbotschaft, verkraftet hatte. Er wußte von Hope her, was es bedeutete, mit unzureichenden technischen Mitteln auf einer fremden Welt zu siedeln ... „Marschall, das ist, das ...” Bulton erhob sich ruckartig. „Eylers, zu dieser Stunde hat in meinen Dienststellen eine Fahndungsaktion begonnen, wie sie die Terranische Flotte noch nichterlebt hat. Ich bin überzeugt, ich wittere förmlich, daß es über das Projekt Perm noch mehr Unterlagen gibt. Und sie werden gefunden, Eylers, auch wenn meine Leute Tag und Nacht in den Archiven und Kellern wühlen müssen! Die Giants scheinen sich um alles, was aus Papier oder Kunststoff ist, einen Dreck gekümmert zu haben. Den Siedlern, Eylers, muß geholfen werden! So rasch wie möglich! Falls sie noch leben!“ Er sah Bernd Eylers und Huxley an. „Ich hoffe, daß Sie mir die NOGK zur Verfügung stellen werden. Ich gebe Ihnen dafür Colonel Huxley, denn Huxley gehört in meinen Bereich, z.b.V., Eylers, zur besonderen Verwendung, hatten Sie daran gedacht? Ich sage Ihnen das, weil man Ihnen ohne mein Wissen die NOGK überstellt hat!” Er drehte sich um und wollte den Raum verlassen. Doch unter der Tür blieb er abrupt stehen. „Wir sollten nicht wie Kinder auf strikte Abgrenzung unserer Kompetenzen achten, Eylers. Es geht um Menschenleben! Und Sie, Huxley, lassen Sie diese verdammten Robonen für eine Weile, kümmern Sie sich jetzt um Ihr Schiff! Machen Sie den Technikern Dampf, damit Sie so schnell wie möglich starten können!” Marschall Bulton behielt recht. Es fanden sich weitere Unterlagen. Im Januar 2051 verließ der Kreuzer SIRIUS die Erde mit dem Auftrag, nach dem Verbleib der Siedler auf Perm und den drei spurlos verschollenen Versorgungsraumern NAJADE, ARIADNE und HERMES zu forschen. Wie die anderen drei Schiffe kehrte der Kreuzer niemals zurück. Wahrscheinlich erreichte er nicht einmal sein Zielgebiet, das System der Sonne BETA im Sternbild des Löwen. Ein verstümmelter Spruch, vermutlich in den letzten Sekunden der SIRIUS abgestrahlt, war das letzte, was man von dem Kreuzer hörte. Im Mai des gleichen Jahres war es dann endgültig zu
spät, einen neuen Versuch zu starten, jener. kleinen Siedlergruppe Hilfe zu bringen. In den ersten Tagen des Mai 2051 begann die Invasion der Giants und setzte allen Bemühungen ein jähes Ende. Acht Stunden später öffnete sich der Plastikdom über der NOGK. Langsam glitt das schwere Schiff, durch A-Grav-Kräfte gehalten, von der Helling auf die eigentliche Piste des Raumhafens hinab. Zum erstenmal in ihrem Dasein leuchtete ihr türkisgrüner Druckkörper in den Strahlen der Sonne auf. Fasziniert verfolgten Marschall Bulton und Bernd Eylers diesen Vorgang. Der Marschall räusperte sich. „Ein gutes Schiff, Eylers! Ich denke, es wird halten, was es verspricht! Ich habe mich noch gestern zusammen mit Huxley davon überzeugt, daß uns diesmal weder Sabotage noch andere unliebsame Dinge einen Strich durch die Rechnung machen werden. Jeder einzelne Mann, der Hand an die NOGK legte, war mehrfach überprüft worden. Niemand hatte Zugang, nicht einmal Robonen haben es fertiggebracht, auch nur eine Niete des Raumers zu Gesicht zu bekommen!” Der Marschall traf diese Feststellung nicht ohne Genugtuung in der Stimme. Und auch Bernd Eylers mußte im stillen zugeben, daß sich auf Cent Field sehr viele Dinge zum Positiven gewandelt hatten, seit Bulton auf dem Raumhafen das Regiment führte. Nach und nach hörte jeder Schlendrian auf, denn der Marschall war völlig unberechenbar. Ohne Vorwarnung tauchte er mit seinem Adjutanten, Captain Patters, in den einzelnen Sektionen auf und nahm eigenhändig äußerst gründliche Kontrollen und Inspektionen vor. Marschall Bulton war fast nie am Schreibtisch zu finden, irgendwie brachte er es immer wieder fertig, ständig unterwegs zu sein, ohne daß deshalb auch nur ein einziger Vorgang unbearbeitet blieb. Der Marschall war gefürchtet, aber keineswegs unbeliebt. Er hatte für Vorschläge, Sorgen und Nöte auch des einfachsten Mannes immer ein offenes Ohr. Entscheidungen ließen bei Bulton niemals auf sich warten, sie wurden, sofern es .eben ging, sofort an Ort und Stelle getroffen. Amtsschimmel und Bürokratie führten unter seinem Regime ein kärgliches Dasein. Die NOGK stand jetzt neben der Helling auf der Piste. Eylers und der Marschall beobachteten, wie die JAPETUS ihre Versorgungsleitungen einzog und die Männer des Werkstattschiffes damit begannen, die letzten Verbindungen zur NOGK zu lösen. Marschall Bulton sah auf die Uhr. „Kommen Sie, Eylers, es wird Zeit. Ich möchte Huxley und seiner Crew noch persönlich alles Gute wünschen. Niemand von uns weiß, was ihn und seine Männer auf Perm erwartet!” Die beiden Männer verließen den Raum. Der Dienstjett des Marschalls brachte sie in wenigen Minuten zum Liegeplatz der NOGK. Mit energischen Schritten stampfte der Marschall auf die bereits vor der Hauptschleuse angetretene Besatzung des Schiffes zu. Doch dann blieb Bulton plötzlich wie angewurzelt stehen. Vor der Front, direkt neben Colonel Huxley und seinem I.O., stand eine knabenhaft schlanke Frau. Sie trug wie alle Männer der NOGK die Uniform der Terranischen Flotte. „Eylers, was zum Teufel soll denn das? Wie kommt denn eine Frau ...” Die Züge Bultons furchten sich. Er hatte das unangenehme Gefühl, wieder einmal nicht informiert zu sein. Colonel Huxley trat auf sie zu. „Besatzung NOGK vollzählig angetreten. 50 Mannschaftsdienstgrade, sieben Offiziere, 30 Techniker und Ingenieure, zehn Wissenschaftler, ein GSO-Beamter, ein Gast. Insgesamt 99 Mann!” meldete er knapp.
Marschall Bulton salutierte, runzelte aber zugleich unwillig die Stirn. „Danke, Colonel! 99 Mann, Huxley! Wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich bei einem Mitglied Ihrer Besatzung jedoch um eine Frau, wahrscheinlich ist sie der von Ihnen erwähnte Gast, oder? Ich wünsche eine Erklärung, Huxley, immerhin steht dieser Einsatz unter Geheimhaltung, ich verstehe Sie nicht, Huxley!” Ärger und Unwillen spiegelten sich in Marschall Bulton Zügen wider. Beunruhigt registrierte er das Grinsen der Besatzung. Die Wissenschaftler und Techniker, die einen besonderen Kader am linken Flügel bildeten, nicht ausgenommen. Colonel Huxley hatte Mühe, sich ernst zu halten. Unauffällig gab er seinem I.O. einen Wink. „Wenn Sie gestatten, Marschall ...” Das Gesicht Bultons rötete sich. Eine derartig unmilitärische Verhaltensweise hatte er gerade von Huxley am wenigsten erwartet. Doch er kam nicht mehr dazu, seine diesbezügliche geharnischte Bemerkung an den Mann zu bringen. Eine Stimme in seinem Rücken ließ ihn herumfahren. . Die grauen Augen Clint Dereks blickten ihn an. „Den Colonel trifft nicht die geringste Schuld, Marschall! Ich habe darauf bestanden, daß meine Frau mich begleitet. Nach den gestrigen Vorkommnissen hätte ich keine ruhige Minute, denn jener Scholf und seine Leute würden garantiert versuchen, sich Tanjas zu bemächtigen. Und Bernd Eylers hat sicher andere Sorgen, als meine Frau ständig bewachen zu lassen! Ich tue das auf diese Weise lieber selber. Außerdem kann sie sich an Bord bestimmt recht nützlich machen. Unter anderem werden Tanja und ich den Flugdozer der Hookers fliegen, sofern sein Einsatz erforderlich werden sollte!” Marschall Bulton schluckte. Ratlos sah er zu Eylers hinüber. „Eylers, zum Donnerwetter, was sagen Sie dazu? Derek ist schließlich Ihr Mann! Eine einzige Frau zwischen lauter Männern, also, ich weiß wirklich nicht ...” Immer noch ärgerlich,, schüttelte er den Kopf. Eylers kam ihm zu Hilfe. „Tanja Derek ist eine Agentin der GSO, Marschall. Ihr Aufenthalt an Bord der NOGK kann daher durchaus dienstlicher Natur sein . . .“ Bulton begriff. „Eylers, wann werden Sie eigentlich mal aufhören, mich in meinem ureigensten Bereich immer wieder vor vollendete Tatsachen zu stellen? Aber gut, vielleicht ist es wirklich das beste, wenn diese junge Frau für eine Weile aus Alamo Gordo verschwindet ...” Der Marschall straffte sich. „Männer!” rief er dann laut, „ihr wißt, ich bin kein Freund langer und überflüssiger Reden, ihr kennt eure Aufgabe. Euch wurde das beste und modernste Schiff der Flotte anvertraut, das ich hiermit offiziell auf den Namen NOGK taufe! Viel Glück, Männer! Schwere Einheiten der Flotte stehen von dieser Stunde an ständig bereit, euch sofort zu Hilfe zu kommen, falls das notwendig werden sollte!” Der Marschall salutierte abermals und reichte anschließend erst Tanja, dann Huxley, Maxwell und Clint Derek die Hand. „Kommen Sie alle gut wieder und, wenn irgend möglich, ausnahmsweise mal mit erfreulichen Nachrichten!”
Knapp zehn Minuten später hob die NOGK zum erstenmal seit ihrer Fertigstellung von der Piste ab. Das Pfeifen ihrer Triebwerke hing noch über Alamo Gordo, als das türkisgrüne Schiff längst im strahlenden Blau des sommerlichen Himmels verschwunden war... Unterdessen brach ein neuer Morgen über den dampfenden Wassern des Binnenmeeres vor der Pfahlbausiedlung auf Perm an. Doch vor den Hütten herrschte noch Ruhe, denn die vergangene Nacht war lange und hart gearbeitet worden. Zudem gab es auf Perm keine Uhr. Alles geschah stets wie der Tag, wie die Stunde es erforderte. Ole Bigman rieb sich verschlafen die Au gen. Dann dehnte er seine mächtigen Schultern und sprang mit einem Satz von seinem Lager. Vor der Hütte blieb er eine Weile stehen. Prüfend spähte er durch den Dunst über dem Wasser zum anderen, fernen Ufer hinüber, hinter dem sich im Licht der Morgensonne die roten Berge abzeichneten. Von dem Gipfel des Vulkans Loki erhob sich eine senkrechte, schwarzgraue Rauchfahne in das noch blasse Blau des Himmels. Doch dann, urplötzlich, stutzte Ole Bigman. Verdutzt rieb er sich abermals die Augen. Aber das Bild änderte sich nicht. Das Panorama der roten Berge hatte sich über Nacht verändert. Einer der großen Gipfel fehlte, war einfach verschwunden. Der Gipfel des Berges, den sie Mount Death getauft hatten, Berg des Todes. Ole Bigman hatte in seinem vierzigjährigen Leben schon manchen Planeten betreten. Er wußte um die Gefahren, die sich auf fremden Welten auch nach Monaten noch ganz überraschend einstellen konnten. Schließlich war selbst ein mittelgroßer. Planet, etwa von der Größe der Erde, im Vergleich zu lebenden Wesen und ihren Fähigkeiten immer noch ein gewaltiger Himmelskörper, der sich auch mit den Mitteln modernster Technik von heute auf morgen nicht vollständig und erschöpfend erschließen ließ. Eine Welt wie Perm jedoch, auf der sie ohne nennenswerte technische Hilfsmittel lebten, gefesselt an den Umkreis ihres Binnenmeeres, barg in seinen Weiten sicherlich noch manches Geheimnis. Daß über Nacht aber ein ganzer Berg verschwinden sollte, lautlos, ohne das warnende, furchterregende Grollen eines fernen Bebens, das wollte auch dem erfahrenen Ole Bigman nicht in den Kopf. Hastig trat er darum in seine Hütte zurück und griff nach dem sorgfältig gepflegten und gehüteten Feldstecher, der auch im dritten Jahrtausend noch nicht überflüssig geworden war. Leise trat er auf den Vorbau hinaus und setzte das Glas an die Augen. Systematisch, Meter um Meter, suchte er die Stelle ab, wo früher der Mount Death in den Himmel Permas geragt hatte. Er erblickte aber nur glatte, eigentümlich stumpfgrau glänzende Felshänge. Und erst jetzt erkannte er, daß sich auch die Hänge der anderen Berge verändert hatten. Es war, als sei über ihre Flanken das scharfe Messer eines Giganten hinweggegangen. So glatt, so merkwürdig wirkten sie. Ole Bigman setzte das Glas ab. Er zögerte nicht mehr länger. Irgend etwas war über Nacht auf ihrer Welt geschehen. Irgend etwas hatte sich verändert. Vielleicht lauerte auf sie alle eine drohende, tödliche Gefahr! Ole Bigman griff nach dem schweren Metallklöppel und hieb ihn gegen die metergroße Gongschale, die an den Balken vor seiner Hütte hing. Es dauerte nur Sekunden, bis die Frauen und Männer aus ihren Hütten hervorstürzten. Ihre bronzefarbenen Körper glänzten in dem noch gelblichen Licht der Morgensonne. Etwas später trappelten auch die Füße der größeren Kinder über die Bohlen. Sie schliefen abseits von den Erwachsenen in einer separaten Hütte. Das war von Anfang an so gehandhabt worden und hatte sich als gut erwiesen. Fragend starrten die Siedler Ole Bigman an.
Ein junger, sehr großer Mann trat auf ihn zu. „Was gibt es, Ole? Warum weckst du uns mit dem Gong?” „Schau dort hinüber, Topai!” erwiderte Ole Bigman ernst. Sein ausgestreckter rechter Arm wies auf die Berge am andern Ufer. Sofort blickten alle in die bezeichnete Richtung. Ole Bigman beobachtete, wie sie erschraken. „Der Berg des Todes! Er ist verschwunden!” riefen einige der Kinder, noch ehe die Erwachsenen ihren ersten Schrecken überwunden hatten. Ole Bigman reichte Topai sein Glas. „Sieh dir die Berge an, Topai! Und dann rufe die Jäger zusammen. Wir werden nachsehen, was dort in dieser Nacht passiert ist! Wo ganze Berge verschwinden, ohne daß wir durch einen Laut, durch das Grollen eines Bebens davon erfahren, da droht Gefahr, Topai!” Topai setzte das Glas Minuten später ab. „Du hast recht, Ole”, sagte er dann. „Wir müssen hinüber!” Ole Bigman war kein Mann langer Reden. Kurz und knapp gab er seine Anweisungen, während auch andere ihre Feldstecher aus den Hütten holten und die Gläser von Hand zu Hand gingen. Sorgfältig überprüften die Jäger ihre Waffen. Eine halbe Stunde später stießen die selbstgefertigten Boote von den Anlegeplätzen der Pfahlbausiedlung ab. Die zu-rückbleibenden Männer, Frauen und Kinder sahen ihnen nach. Erst als die Boote in den weißgrauen Schwaden der Morgennebel verschwanden, als auch das letzte Geräusch der im Takt eintauchenden Ruder in der Ferne erstarb, gingen sie schweigend an die Arbeit. Unter ihren Händen verwandelte sich die eben noch so friedliche Siedlung in ein befestigtes Lager. An den Palisaden, deren Ring sich bis in das Binnenmeer hineinzog und nur eine schmale Einfahrt frei ließ, patrouillierten die Männer und Frauen. Wenn ihnen eine Gefahr von den fernen Bergen drohte, dann würden sie sich ihr stellen. Perm war ihre Welt, jede Hütte, jedes Netz, die meisten Waffen und fast jedes Gerät hatten sie sich in schwerer, harter Arbeit selbst geschaffen. Sie liebten ihr freies, un-gezwungenes Dasein, hatten ihre Heimat, die Erde, ihre Sitten und Gebräuche in den wenigen Jahren, die sie auf Perm lebten, schon fast vergessen. Auf geheimnisvolle Weise hatte sich Perm ihrer bemächtigt. Wenn es sein mußte, dann würden sie kämpfen. Und so unheimlich das Verschwinden eines ganzen Berges auch auf sie wirkte - keiner der Siedler verspürte auch nur den Anflug einer Panik ... Gegen Mittag ließ Ole Bigman die erste Pause einlegen. Sie hatten die Hälfte der Strecke hinter sich. Mit Anbruch der Dunkelheit würden sie die Buchten vor den Farnwäldern erreichen. Hinter ihnen begann dann die große Ebene, die das Binnenmeer und die Farnwälder von den roten Bergen trennte. Vereinzelt stehende, über fünfzig Meter hohe Schuppenbäume wechselten sich dort mit ersten Nadelgewächsen und Siegelbäumen ab. Aber sie boten keine Deckung vor den stahlblauen, meterlangen Riesenlibellen oder vor den Pteranodons, wie Ole die riesigen Flugechsen getauft hatte, die ihre Höhlen an den Terrassen der Berge hatten. Die anderen Landtiere waren verhältnismäßig harmlos, bis auf eine Saurierart, die stark an den einstigen Tyrannosaurus der Erde erinnerte, aber nur sehr selten vorkam. Ole Bigman streckte sich in den Strahlen der hochstehenden Sonne. Er wußte, hinter den Bergen brandete der Ozean. Manchmal, wenn sie ins Gebirge hinaufgestiegen waren, konnten sie den leuchtenden Gischtstreifen seiner Brandung wie eine feine Linie vor den roten Felsen sehen. Aber bisher hatten sie den Marsch dorthin noch nicht gewagt. Denn um an jene Küsten zu gelangen, mußten sie die Berge überqueren. Sie kannten nur einen einzigen Paß, auf dem das möglich schien. Den ersten und bisher einzigen Versuch hatten sie abgebrochen, denn hinter den Bergen veränderte
sich das freundliche Gesicht ihrer Welt. Hinter jenen steinernen Terrassen und Hängen begann die Region der Vulkane, der Unwetter, der zuckenden Blitze und donnernden Entladungen, deren Grollen mit Beginn der Tätigkeit Lokis so manche Nacht bis an ihre Hätten drang, deren flackernden Schein oft über die Schroffen der roten Berge emporzuckte ... Ole Bigman richtete sich jäh auf. „Topai!” rief er einer plötzlichen Eingebung folgend. „Topai, wir rudern weiter! Diese Nacht bleiben wir in der Bucht der Krebse! Keiner betritt vor dem Morgen-grauen das Land. Die Boote werden unter den überhängenden Uferstellen versteckt. Nur du und ich werden von der kleinen Insel vor der Bucht die Berge beobachten! Vielleicht geschieht wieder etwas im Laufe der Nacht!” Topai nickte. Wortlos griffen die Männer zu den Rudern. Bei Anbruch der Dunkelheit zogen Topai und Ole Bigman ihren Einbaum auf das Ufer der Insel. Sorgfältig verbargen sie ihn zwischen schilfähnlichen Gewächsen, die die den Bergen zugewandte Südseite umsäumten. Danach suchten sie sich selber eine Stelle, von wo aus sie mit ihren Nachtgläsern einen guten Überblick hatten. Stunde um Stunde verrann. Die ihnen vertrauten Sternbilder wanderten langsam am nächtlichen Firmament entlang. Mit ihnen jener helle, gelb-rot glänzende Stern, den sie für einen Planeten hielten wie Perm. Genau wußten sie es nicht, denn er hatte seinen Standort in den vergangenen Jahren am Himmel kaum verändert. Möglicherweise war er so weit entfernt und seine Umlaufzeit so groß, daß fünf Jahre zu einer sicheren Beobachtung ohne Instrumente nicht ausreichten. Ole warf gerade wieder einen Blick auf diesen Stern, als Topai ihn plötzlich anstieß. „Da, Ole, sieh nur!” flüsterte er. Ole Bigman folgte seiner Handbewegung mit den Augen. Er brauchte einige Sekunden, ehe er entdeckte, was Topai. meinte. Zuerst hielt er es für eine Wolke, die sich langsam von Norden kommend über die Sterne schob. „Eine Wolke, Topai?” Der Jäger schüttelte energisch den Kopf. „Nein Ole, keine Wolke. Auf Perm kam noch nie eine Wolke aus Norden, es ist nicht möglich!“ Er befeuchtete seinen Finger und hielt ihn prüfend in die Höhe. Wie immer wehte der Wind ganz gleichmäßig aus Osten. Erst nach weiteren drei Monaten würde er auf West drehen und die Regenzeit einleiten. Aber aus Norden oder Süden kam er nie. Ole griff nach seinem Glas. Angespannt suchten seine scharfen Augen den Sternhimmel ab. Aber er entdeckte nichts. Keine festen Konturen zeichneten sich ab, nur die Sterne verloren mehr und mehr von ihrer Leuchtkraft, dann erloschen die ersten. Minuten später erreichte die unheimliche Erscheinung auch den hellen gelbroten Stern. Er verblich innerhalb weniger Minuten, wurde dunkler und dunkler und erlosch schließlich wie die anderen vor ihm. Aber sonst geschah nichts. Nach einer Viertelstunde war auch der letzte Stern verschwunden. Das Wasser und die Insel nahm eine tiefschwarze Farbe an. Kein noch so geringer Lichtreflex hellte die Nacht auf. Die beiden Männer auf der Insel umgab absolute Finsternis. Beide spürten, daß jeden Augenblick etwas Entsetzliches geschehen mußte. „Topai!” flüsterte Ole Bigman dem schlanken, großen Jäger zu. „Schwimm zu den andern. Sorge dafür, daß sie ja kein Feuer machen, paß auf, daß unter ihnen keine Panik ausbricht. Ich bleibe hier! Verkriecht euch unter den Uferböschungen, bleibt dort auf jeden Fall, bis ich komme! Aber du
mußt tauchen, Topai, nur zum Luftholen darfst du an die Oberfläche! Vermeide alles, wodurch du seine Aufmerksamkeit auf dich lenken könntest!” Topai richtete sich ruckartig auf. „Du meinst, Ole, dieses Ding, dieser Schatten ist ...?“ Ole schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, aber wir müssen mit allem rechnen. Mein Instinkt warnt mich! Seit heute morgen!” Der Jäger nickte. Er wußte, daß Ole Bigman über jenen unerklärlichen sechsten Sinn verfügte, dessen Warnungen sich noch nie als falsch oder überflüssig erwiesen hatten. Unhörbar glitt er davon und tauchte gleich darauf ins lauwarme Wasser der Bucht. Ole hatte recht, es war besser, wenn er zu den Männern schwamm. Sie waren alle noch sehr jung. Mit unhörbaren Bewegungen glitt er geschickt durch den Schilfgürtel der Insel in die pechschwarze Finsternis hinaus. Sein untrüglicher Orientierungssinn ließ ihn ganz von selber die richtige Richtung einschlagen. Im freien Wasser pumpte er seine Lungen voll Luft, tauchte abermals und schwamm dann mehrere Meter tief unter der Wasseroberfläche davon. Topai kam gerade noch dazu, die erschrockenen Gefährten halbwegs zu beruhigen und ihnen die notwendigen Verhaltungsmaßregeln zu geben, als das Unfaßbare geschah. Von den Bergen her drang ein durch Mark und Bein gehendes Knirschen an die scharfen Ohren der Jäger. Es war, als ob der Boden unter ihnen zu wanken begann. Die schrillen Schreie der Flugechsen hallten durch die Nacht. Schauerlich brach sich ihr Geschrei an den Hängen der Berge und vermischte sich mit den Lauten der anderen Tiere. Stampfende, dröhnende Schritte polterten auf sie zu. Von den Uferböschungen rieselte Sand auf ihre Körper. Irgendwo seitlich von ihnen schlug etwas ins Wasser. Riesige Wellen rasten auf sie zu und warfen ihre Boote wie Nußschalen hin und her. Eines von ihnen riß sich los und wurde weit aufs Ufer hinaufgeschleudert. Ein dumpfes, gurgelndes Zischen ließ den Jägern fast das Blut vor Schreck in den Adern gerinnen. „Topai, ein Tyrannosaurier! Er schwimmt in der Bucht, wenn er uns entdeckt ...” Topai griff nach seinen Waffen. Mit der gewaltigen Kraft seines Riesenkörpers strebte es in das Binnenmeer hinaus, immer wieder voller Panik jene entsetzlichen Laute ausstoßend, die den Menschen durch Mark und Bein gingen. Ole Bigman sah mehr als seine Gefährten. Da, wo vorhin noch die Sterne geschimmert hatten, stand jetzt eine fahlblau leuchtende Wolke am Himmel, die ihre Form von Sekunde zu Sekunde veränderte. Der Prospektor spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach, denn das Unheimliche senkte sich immer tiefer auf die Oberfläche Perms herab. In gespenstischer Lautlosigkeit. Es schien mit seiner unglaublichen Masse alles zu erdrücken. Wo es die Lufthülle des Planeten berührte, zuckten riesige Entladungen auf. Keine Blitze, eher gewaltige Fackeln, die mit unheimlicher Geschwindigkeit über das Firmament jagten Deutlich sah Bigman im Schein der Entladungen den riesigen Körper des Tyrannosaurus durch die Bucht schwimmen. Das Tier befand sich in höchster Panik und peitschte mit seinem starken Schwanz das Wasser, daß es in gewaltigen Fontänen in die Höhe spritzte. Auch über die Insel ergossen sich ganze Sturzbäche. In wenigen Minuten war Ole Bigman durch und durch naß. Aber er rührte sich nicht und tat gut daran, wie er sogleich erfahren sollte. Aus der Wolke löste sich plötzlich ein schnell rotierender Arm, der die Gestalt einer gleißenden Spirale besaß. Er stieß auf den wie wild um sich schlagenden Saurier hinab und riß das gigantische Tier aus dem Wasser. Sekundenlang schien das Ungeheuer in der Luft zu schweben, seine Gliedmaßen und der lange, schuppenbesetzte Schwanz peitschten die Luft. Dann war der Tyrannosaurier plötzlich verschwunden, von einer Sekunde zur andern.
Ole Bigmans Körper bedeckte sich mit Schweiß. Seine Glieder begannen zu zittern. Das knirschende, brechende Geräusch von reißenden Felsen ließ ihn herumfahren. Mit irren Blicken, in denen sich bereits die nur mühsam unterdrückte Panik abzeichnete, sah er, wie die schimmernde Wolke nach dem Gipfel des Vulkans Loki griff. Ein Grollen erschütterte die Bucht. Der Prospektor spürte die Bebenwelle, die den Boden unter seinem Körper durchlief. Voller Schrecken dachte er daran, wie ungeschützt die Pfahlbausiedlung mit den zurückgebliebenen Frauen, Männern und Kindern einer solchen Katastrophe ausgeliefert sein würde. Und was war, wenn die Menschen dort in Panik gerieten und die Aufmerksamkeit dieses grauenhaften Monsters auf sich lenkten, wie es der flüchtende Tyrannosaurier getan hatte? Blitzartig zog eine Reihe von Namen durch sein Gehirn. Da war noch Luke Sharon, ein ruhiger, besonnener Mann. Da war seine Tochter Nadja, deren Stimme genau wie seine im Rat Gewicht besaß. Vielleicht erkannten sie rechtzeitig die entsetzliche Gefahr, in der sie alle sich befanden, und handelten instinktiv richtig. Aber Ole Bigman fand keine Zeit, weiterhin an die Siedlung zu denken. Denn in diesem Moment geschah etwas, was selbst diesem unerschrockenen Mann den Atem verschlug. Der Vulkan Loki spie donnernd gewaltige Feuermassen in den Himmel. Im Nu war der ganze Horizont über den Bergen in das flammende Rot seiner Ausbrüche gehüllt. Der Prospektor beobachtete halb von Sinnen, wie die Spiralarme der Wolke immer und immer wieder nach dem Gipfel griffen. Aber Loki schien sich mit all seinen unermeßlichen Kräften zu wehren. Es schien Ole Bigman, als ob in diesem Augenblick die Unterwelt ihre Pforten öffnete. Gewaltige Mengen glühender Lava wurden aus dem Innern des Vulkans hoch in die Atmosphäre geschleudert. Immer wieder griffen die Spiralarme zu, aber sie kamen nie bis zum Gipfel des Berges durch. Ihre rotierenden, von Sekunde zu Sekunde heller leuchtenden Felder verloren sich wieder und wieder in den donnernden Eruptionen. Dann kam es. Ganz plötzlich. Erst nur ein unscheinbarer winziger Punkt, begleitet von einem infernalischen Pfeifen und Heulen, das Ole Bigman und seinen unter den Böschungen des Ufers der Bucht in ihren Booten hockenden Gefährten fast den letzten Rest ihrer Besinnung raubte. Bebend griff Ole nach seinem Glas. Er setzte es an die Augen. Gewaltsam zwang er sich, die Ellenbogen aufzustützen und den Feldstecher ruhig zu halten. Er zuckte zusammen. Wie unter einem Schlag. „Ein Raumer! Mein Gott, ein Raumer!!“ stöhnte er fassungslos. Das kugelförmige Schiff raste genau auf die Wolke zu. Es flog sehr tief. Ole Bigman schätzte seine Höhe auf nicht einmal 1000 Meter. Das Monster schien für einen Moment zu erstarren. Seine Spiralen zogen sich zusammen und ließen von dem brüllenden, tobenden Vulkan ab. Ole Bigman hatte den Eindruck, als ob es sich mit einer blitzschnellen Bewegung zusammenzog, gewissermaßen auf einen einzigen Fleck am Firmament konzentrierte. Und dann traute er seinen Augen nicht mehr. Irgend etwas durchschlug die Atmosphäre. Ein flimmernder, greller Impuls. Etwas, das von seinen Sinnen zwar irgendwie erfaßt, jedoch nicht gedeutet werden konnte. Instinktiv barg Ole Bigman den Kopf in seinen Armen und ließ das Glas einfach fallen. Er spürte den entsetzlichen Schlag nicht mehr, der in diesem Augenblick die Atmosphäre zerriß. Sah nicht mehr die gigantische Eruption, die den Gipfel Lokis in viele Stücke zersprengte und das brodelnde, weiß-glühende Magma freilegte. Denn Ole Bigman verlor das Bewußtsein. Genau wie seine Gefährten unter der Uferböschung in der Bucht der Krebse. Und das war gut so, denn es rettete ihnen allen das Leben ... *
Einige Zeit vorher. Colonel Huxley registrierte genau den Ausschlag der Instrumente auf den halb-kreisförmig angeordneten Steuerpulten des Raumers. Die Transition war gelungen. Niemand im Schiff hatte auch nur für einen winzigen Moment das Bewußtsein verloren. Kein Ziehen, keine Krämpfe, nicht die geringste Übelkeit hatte diesen in seinen letzten Geheimnissen noch immer unerklärlichen Vorgang des Sprunges durch den Hyperraum begleitet. Die NOGK stand knapp zwei Lichtminuten vor der Sonne Beta im Sternbild des Löwen. Sie war genau an dem Punkt ins Normalkontinuum zurückgekehrt, den das Bordgehirn errechnet hatte. Colonel Huxley drückte die Taste der Bordsprechanlage, während er mit seinem I.0., Clint Derek und Tanja einen raschen Blick tauschte. Chief Erkinsson meldete sich. „Gratuliere, Chief! Die nach ihren Angaben gebauten nogkschen Transitionsmeiler und Bordgehirn haben mit einer Genauigkeit gearbeitet, die nicht einmal unsere gute alte FO I besaß! Wir nehmen jetzt Kurs auf den innersten Planeten dieses Systems. Nur das kann Perm sein, der zweite ist ein wahrer Riese und viel zu weit von der Sonne entfernt, als daß dort Menschen leben könnten!” Es kam sehr selten vor, daß Huxley eine derartig unverhohlene Anerkennung aussprach. Aber weil er diesen Mann seit langen Jahren kannte, zählten diese Worte doppelt. Erkinsson war ein viel zu gewiegter Fachmann, als daß er sich nicht genau darüber im klaren gewesen wäre, was der geringste Fehler in seinen Überlegungen und Konstruktionen bedeutete. Da konnten Ihm auch die Wissenschaftler Deluges nicht helfen, denn nur er kannte sich auf dem Gebiet der komplizierten NogkTechniken aus. Langsam kehrte er zu seinen Kontrollen in der Triebwerkszentrale zurück. In diesem Moment schrillten die Alarmglocken der NOGK. Erschrocken blieb der Chief stehen. Art seinen Kontrollen sah er, daß Huxley den Raumer plötzlich beschleunigte. Gleichzeitig liefen die Versorgungsmeiler der beiden Tofirit-Kanonen an. Mit einem Satz sprang er zur Bordanlage. Aber Huxley war ihm zuvorgekommen. Sein Gesicht wirkte ernst. Ernster, als Erkinsson es je gesehen hatte. „Das Nor-ex, Chief. Es greift in diesem Augenblick irgend etwas auf unserem Zielplaneten an. Kein Zweifel möglich, beide Beobachtungskuppeln haben es einwandfrei identifiziert!” Huxley sparte sich jede weitere Erklärung. Erkinsson wußte auch so, was das bedeutete. „Nor-ex!” murmelte er entgeistert. Jenes unheimliche Wesen aus dem Hyperraum, das ganze Städte der Giants auf unerklärliche Weise verschwinden ließ! Das mehrere Schiffe der Terranischen Flotte einfach in sich aufgesogen hatte, unter ihnen auch die FO I mit ihrem zehnköpfigen Wachkommando. Jenes Monster, gegen das die POINT OF sich buchstäblich in allerletzter Sekunde mittels ToFunk-Frequenzen zur Wehr gesetzt hatte und es in einer mörderischen Schlacht schließlich aus dem Normalkontinuum vertrieb ... Erkinsson machte sich keine Illusionen. Wenn die NOGK das Nor-ex angriff, dann stand ihnen allen ein Kampf auf Leben und Tod bevor. Daß Huxley jedoch angreifen würde, wo immer er das Nor-ex erwischte, daran zweifelte der Chief keinen Moment. Nicht umsonst war gerade die NOGK mit den beiden Prototypen der Tofirit-Kanonen ausgerüstet worden. Er hatte schon damals den Verdacht gehabt, daß Huxley eine erbarmungslose Jagd auf jenes Ungeheuer plante, von dem kein Mensch zu sagen vermochte, was es war und woher es kam ... Colonel Huxley saß mit versteinertem Gesicht unter dem Kugelschirm der Allsichtsphäre. Es schien, als jagte sein hagerer Körper allein durch die schwarze Unendlichkeit des Alls. Kein schüt-
zender Druckkörper schien ihn und seine Gefährten zu umgeben. Zwischen den Koordinaten des Allsichtschirms stand eine fahlblau leuchtende, kilometerlange Wolke über dem Krater eines Vulkans. Immer wieder zuckten aus ihrem konturenlosen Körper rotierende Spiralarme gegen die glutflüssige Lava, die der Vulkan unaufhörlich ausspie. Colonel Huxley dachte in diesem Augenblick an die zehn Mann seiner Besatzung, die dieser Ausgeburt der Hölle auf Deluge mit seiner FO I zum Opfer gefallen waren. Lautlos, ohne daß irgend jemand es bemerkte. Unterdessen wuchs das Nor-ex zwischen den schwachleuchtenden Koordinaten der Allsichtsphäre zu bedrohlicher Größe. Die NOGK überquerte einen langgestreckten Inselkontinent Perms. Ihr Druckkörper zerriß unter infernalischem Heulen die Lufthülle des Planeten. Hinter dem Raumer rasten Windhosen .und Wirbelstürme über das Land, unter deren Gewalt mancher Schuppenbaum, mancher Riesenfarn wie ein Streichholz zusammenknickte oder entwurzelt viele Meter durch die tobende Atmosphäre gewirbelt wurde. Deutlich beobachtete Captain Maxwell die Verwüstung im Infra-Bereich der Allsichtsphäre. Unwillkürlich dachte er daran, daß irgendwo auf diesem Planeten Siedler, Menschen der Erde leben sollten. „Sir, wir ...“, begann er, schloß aber mitten im Satz erschrocken den Mund. Colonel Huxley hockte mit zusammengepreßten Lippen, weit vornübergebeugt vor dem Hauptsteuerpult. Seine Augen waren nur noch Schlitze, aus denen er wie gebannt auf die leuchtende Wolke des Nor-ex starrte. Langsam schoben sich seine Hände zu den Feuerleittasten der Tofirit-Kanonen an den Polen des Schiffes. Captain Maxwell begriff, daß Huxley in diesem Moment außer dem Nor-ex nichts mehr sah. Daß für ihn außer diesem Ungeheuer nichts mehr existierte. Maxwell beobachtete schaudernd, wie die Züge Huxleys sich mehr und mehr verzerrten, je näher er dem Monster kam. Der Colonel wollte Vergeltung, der Colonel war fest entschlossen, das Nor-ex zu vernichten oder selbst zum Teufel zu gehen. Gedankenschnell warf der Captain einen Blick zu Clint Derek und Tanja, hinüber. Er sah, daß auch die beiden begriffen hatten, was jetzt unweigerlich geschehen würde. Die NOGK überflog einen schmalen Küstenstreifen, hinter dem sich gewaltige Bergmassive erhoben. Ihnen folgte eine weite, offene Landschaft, in die große Binnenmeere eingebettet lagen. Eines von ihnen, größer als alle anderen, glühte im Schein des lodernden Vulkans, spiegelte die gewaltigen Entladungen wieder, die von den Spiralarmen des Nor-ex durch die Nacht zuckten, wo sie Materie berührten. Durch Huxleys hageren Körper ging ein Ruck. Seine Hände hieben auf die Feuerleittasten der Tofirit-Kanonen. Die NOGK erbebte. Ein Vibrieren und Dröhnen, durchlief den Schiffskörper und die Männer. Dann warf sie die Gewalt des Manövers, mit der Huxley sein Schiff aus dem Kurs riß, trotz der voll arbeitenden Schwerkraftkompensatoren tief in die Konturensitze. Die Allsichtsphäre flammte auf. Geblendet schlossen Huxley und seine Gefährten die Augen, während die NOGK über das Monster hinwegjagte. Das Nor-ex war getroffen. Die beiden TofiritKanonen hatten ihre dicken Frequenzbündel genau ins Ziel gebracht. Das Nor-ex spürte den Schlag, seine Spiralarme erstarrten. Sein energetischer Körper zog sich blitzartig zusammen. Konzentrierte sich als sonnenhelle Kugel auf einen winzigen Punkt. Deutlich sahen die entsetzten Männer vor den Schirmen und unter den Direktsichtkuppeln der beiden Observatorien der NOGK die roten Berge, die Ebene und das Binnenmeer unter dem fahl-blauen Licht daliegen. Schemenhaft erkannten sie in den Schirmen der Allsichtsphäre die Hütten einer fernen Siedlung.
Dann griff Huxley ein zweites Mal an. Und wieder trafen die Tofirit-Kanonen voll. Das Nor-ex zuckte zusammen. Ganz deutlich beobachteten Maxwell und die beiden Dereks, wie es von der Wucht der in seine Kraftfelder einschlagenden To-Frequenzen gegen die Berge gedrängt wurde. Die Oberfläche seines auf grauenhafte Weise fließenden konturenlosen Körpers begann zu schillern. Spiralarme schossen aus ihm hervor und warfen sich der abermals angreifenden NOGK entgegen. Aber sie erreichten das Schiff nie. Die Tofirit-Kanonen errichteten eine auch für die Kräfte des Nor-ex undurchdringliche Sperre. Und dann geschah es. Ganz plötzlich, noch ehe die Menschen im Innern des Raumers richtig begriffen, was sie sahen. Das Nor-ex blähte sich auf. Wuchs mit unheimlicher Schnelligkeit zu einem gigantischen Ball, aus dessen Innern donnernde Entladungen hervorbrachen. Es gelang Huxley gerade noch, die NOGK an dem Hyperraum-Ungeheuer vorbeizuziehen, dann platzte das Nor-ex. Die eben noch fahlblau strahlende Kugel verschwand vom Himmel Perms. Hinter ihr stürzte der feuerspeiende Krater Lokis in sich zusammen, weißglühende Lavamassen quollen aus dem Vulkan hervor und ergossen sich mit unheimlicher Schnelligkeit zwischen die Berge. Ole Bigman und seine Gefährten hatten Glück: Die Lava wurde von einer Felsbarriere daran gehindert, in die Wasser der Bucht zu strömen, wo unter den Uferböschungen die regungslosen Körper Topais und seiner Männer in den auf den Wellen hin und her tanzenden Einbäumen lagen ... Colonel Huxley starrte aus schmalen Augen auf den Schirm. „Es ist uns entwischt, Maxwell! Dieses verfluchte Nor-ex ist uns wieder entkommen! Krachend hieb er seine Rechte auf die Kante des Steuerpultes. Maxwell und die Dereks hörten, wie Huxley vor Zorn mit den Zähnen knirschte. Doch dann zwang der Colonel sich mit eiserner Energie zur Ruhe. „Kommandant an Observatorien. Liegen Strukturerschütterungen vor?” Einer der Wissenschaftler meldete sich umgehend. „Starke Kontinuumerschütterungen auf Grün, Rot und Gelb. Das Nor-ex muß in den Hyperraum entwichen sein, und zwar an mehreren Stellen zugleich. Es scheint, als ob der Beschuß mit ToFrequenzen seinen Körper, seine Kraftfelder zerrissen hat. Veranlassen Sie, daß zwei Beiboote und der Flugdozer startklar gemacht werden. Sie, Derek, nehmen mit mir und einer Gruppe von Männern den Dozer. Ihre Frau bleibt an Bord ... Ich dulde keinen Widerspruch! Niemand von uns weiß, was in den nächsten Stunden geschieht!” Die NOGK senkte sich der Ebene vor den roten Bergen entgegen. Ihre Scheinwerfer durchbrachen die Dunkelheit und tauchten das Terrain in gleißendes, orangefarbenes Licht. Dann setzte der Raumer auf. Knapp hundert Meter von der Bucht der Krebse entfernt . . . Ole Bigman erwachte aus seiner Bewußtlosigkeit, als der Strahl eines Scheinwerfers über ihn hin weghuschte. Verwirrt richtete er sich auf. Er mußte die Augen zusammenkneifen, um in das grelle Licht hineinsehen zu können, das das andere Ufer der Bucht vor den Bergen erhellte. Erst Sekunden später erblickte er auch den Kugelkörper des Raumschiffes. „Sie haben die Wolke vernichtet!“ hörte er die Stimme Topais neben sich flüstern. Ole Bigman fuhr herum. „Topai! Wie kommst du hierher? Wo sind die andern?”
Gleichzeitig begriff er, wie töricht seine Frage war, denn jetzt erkannte er die Gestalten der anderen Jäger, die neben ihm hockten und ihn ansahen. „Als wir wieder wach wurden, hörten wir die Fremden. Sie haben Maschinen ausgeladen und sind schwer bewaffnet. Wahrscheinlich sind es Menschen, aber genau wissen wir es nicht, denn wir sind sofort mit unseren Booten zu dir hinübergerudert. Noch ehe die Scheinwerfer des Schiffes uns erfassen konnten!“ Ole Bigman biß sich auf die Lippen. Menschen! dachte er. Woher kamen sie jetzt nach all den Jahren? Was wollten sie? Hatten sie am Ende jenes Monster verfolgt, das ihre Berge vernichtete? Er verspürte eine merkwürdige Mischung von Erleichterung und Ablehnung. Ablehnung, weil er im tiefsten Innern. wußte, daß der Kontakt mit Menschen der Erde nicht gut war, jetzt nicht mehr ... Ole Bigman griff nach seinem Glas, während er krampfhaft versuchte, sich an das zu erinnern, was vor seiner Bewußtlosigkeit geschehen war. Das Bild, das sich Ole in seinem Feldstecher bot, faszinierte ihn. Neben einem Kugelraumer, den er auf einen Durchmesser von gut 200 Meter taxierte, standen zwei kleine, ebenfalls runde Schiffe. Außerdem ein Fahrzeug, dessen äußere Form sich am ehesten mit einer unheimlichen Mischung aus Helikopter, Planierraupe und Rieseninsekt vergleichen ließ. Im Licht der Scheinwerfer blitzten die stählernen Hydraulikarme am Bug der Maschine, die mit starken Greifern bewehrt waren. Ole Bigman schauderte. Wenn das dort drüben wirklich Menschen waren, dann mußte sich auf der Erde in den vergangenen Jahren sehr viel verändert haben. Als ehemaliger solarer Prospektor kannte er sich in den Techniken von Raumschiffen und Maschinen aus. „Was sollen wir tun, Ole?” wisperte die Stimme Topais neben ihm. Ole Bigman zuckte die Achseln. „Weg können wir nicht, die Ortungen des Kugelschiffes erfassen uns sofort. Ein Wunder, daß sie euch nicht schon auf dem Wege hierher geschnappt haben. Das verdankt ihr wahrscheinlich nur dem Durcheinander nach dem Kampf mit der Wolke ...” „Wir müssen zur Siedlung, Ole! Unsere Frauen, die Kinder! Wir sollten die Siedlung verlassen und uns ins Innere des Planeten zurückziehen, Ole! Wir ...“ Weiter kam Topai nicht. Denn die Rotoren des Flugdozers brüllten auf und die schwere Maschine hob vom Boden ab. Scheinwerfer flammten auf, glitten suchend über die Wasserfläche und erfaßten gleich darauf die Insel, auf der Ole und seine Gefährten hockten. Der erfahrene Prospektor begriff sofort, daß sie entdeckt waren. Denn die grellen Lichtkegel ließen sie nicht mehr los. Es war völlig sinnlos, sich noch zu verstecken oder gar wegzulaufen. „Zu spät, Topai! Gegen die haben wir keine Chance! Hören wir also, was sie von uns wollen! Laßt mich reden, hörst du?“ Er sah nur noch, wie Topai nickte und den andern Jägern etwas zurief. Dann erhob Ole Bigman sich und trat in den Lichtkegel hinaus. Der Flugdozer drosselte sofort seine Motoren und senkte sich langsam der Insel entgegen. Direkt am Ufer setzte Clint Derek die Maschine auf. „Menschen, Huxley! Das sind die Siedler!” Der Colonel nickte und musterte die große, athletisch gebaute Gestalt, die bis auf einen Lendenschurz völlig unbekleidet war. „Ohne Zweifel, Derek, sie sind es! Und ihnen sind sämtliche Vorräte ausgegangen, sie scheinen hier wie die Wilden zu hausen!”
Clint Derek schüttelte den Kopf. „Hausen? Ich weiß nicht, Huxley! Dieser Mann da...“ Der Colonel fuhr herum. „Was ist mit dem Mann, Derek? Was meinen Sie ...“ Clint Derek zuckte die Achseln. „Warten wir es ab, Huxley!“ Er setzte die Maschine auf und schaltete die beiden Rotoren ab. Unwillkürlich fiel sein Blick auf eines der Regale, in deren Magnethalterungen immer noch die Bordbücher der beiden Hookers steckten, denen diese Maschine gehörte und in ihren letzten Lebensjahren sehr oft auch als Heim gedient hatte. Er meinte für Sekunden das helle, fröhliche Lachen der hübschen Jane Hooker zu hören, glaubte die hagere Gestalt des Prospektors zu sehen, der unzähligen Gefahren getrotzt und aus den scheinbar hoffnungslosesten Situationen immer wieder einen Ausweg gefunden hatte. Bis er mit seiner Frau bei der HIDALGO-Katastrophe ums Leben kam ... Gewaltsam riß Clint Derek sich aus seinen Gedanken. Seine Blicke begegneten denen des Colonels. „Art Hooker war ein guter Mann, Derek! Einer von denen, wie die Erde sie dringend braucht! Er war der zweite Freund, den ich seit der Invasion verlor, Derek!“ Colonel Huxley sagte es leise, dann straffte er sich. „Gehen wir endlich, sonst werden die Siedler am Ende noch mißtrauisch!“ Derek und Huxley verließen die Schleuse des Dozers, die in ihrer Konstruktion in allem den Erfordernissen dieses Amphibienfahrzeuges entsprach, das sich in der Luft so sicher zu bewegen wußte wie auf dem Lande und auf dem Grund von Seen, Flüssen oder sogar Ozeanen. Als die beiden Männer ins Freie traten, zuckten sie unwillkürlich zusammen. Denn im Halbkreis um sie herum wuchsen die ebenfalls nahezu nackten Körper von Topai und seinen Jägern aus dem Boden. Clint Dereks Hand fuhr zur Waffe, aber der Colonel hinderte ihn daran, sie zu ziehen. „Machen Sie keinen Blödsinn, Derek! Gegen eine solche Anzahl Männer helfen uns unsere Strahler auch nicht, wir wären niemals schnell genug!“ raunte er ihm zu. Dann trat er scheinbar unbekümmert auf Ole Bigman zu. „Huxley, Colonel Huxley!” stellte er sich vor und streckte Bigman die Hand entgegen. „Ich bin der Kommandant des Raumers dort drüben. Wir gehören zu den Einheiten der Terranischen Flotte und haben den Auftrag, die vor fünf Jahren von der Erde auf Perm zurückgelassenen Siedler zu suchen und ihnen, wenn nötig, Hilfe zu bringen!” Ole Bigmans Augen zogen sich argwöhnisch zusammen. Er übersah die Hand des Colonels ostentativ. „Hilfe, Mr. Huxley? Jetzt, nach mehr als fünf Jahren? Nachdem alle unsere Hilferufe damals unbeantwortet blieben? Wir brauchen jetzt keine Hilfe mehr, Huxley, wir leben unser Leben und werden es nicht mehr ändern!“ Huxley und Derek tauschten einen Blick miteinander. „Sie sind Ole Bigman, früherer Prospektor der Weltregierung, stimmt's?“ Ole Bigman zuckte zusammen, als er aus dem Munde des Colonels seinen Namen hörte. Unwillkürlich trat er einen Schritt näher an Huxley heran. „Woher wissen Sie das? Was bringt die Weltregierung dazu, jetzt, nach all den Jahren noch ...”
Huxley schüttelte den Kopf. „Bigman, lassen Sie jetzt einmal alle Bitterkeit, all Ihr berechtigtes Mißtrauen beiseite. Rufen Sie Ihre Männer heran und setzen wir uns endlich. Ich werde Ihnen in großen Zügen berichten, was seit damals geschehen ist. Ihnen erklären, warum keiner Ihrer Rufe beantwortet werden konnte ...” Irgend etwas in der Stimme des Colonels ließ Ole Bigman und seine Jäger aufhorchen. Bigman gab seinen Gefährten einen Wink. Sofort kamen sie heran und ließen sich im Halbkreis um die beiden Terraner nieder. Huxley sprach eine gute halbe Stunde. Dann wußten Ole Bigman und seine Männer Bescheid. Ihre Gesichter waren grau, das Entsetzen stand in ihren Augen. Impulsiv streckte der ehemalige Prospektor dem Colonel seine Rechte hinüber. „Ich glaube Ihnen, Huxley! Sie sind nicht der Mann, der sich durch Lügen Vorteile verschafft! Ich werde eine Weile brauchen, ehe ich all das verdaut haben werde, was Sie mir und meinen Gefährten berichtet haben!” Ole Bigman erhob sich und ging einige Male auf und ab. Dann blieb er vor Huxley und Derek stehen. „Und das Monster, diese Wolke, die unsere Berge zerstörte? Was ist mit ihr?” Huxley sprang ebenfalls auf. „Das war das Nor-ex, Bigman. Es ist in den Hyperraum entwichen, wenn auch vielleicht schwer angeschlagen. Es hat auf anderen Planeten schon ganze Städte verschlungen, ebenfalls mehrere Schiffe der Terranischen Flotte. Ich muß wissen, Bigman, was es in den Bergen gewollt hat. Die Felsen allein haben es niemals angelockt. Es muß hier etwas geben, wovon auch Sie noch nichts wissen! Sobald es hell ist, werden wir nachsehen, und wenn wir den ganzen Planeten umdrehen müssen!” Er ballte vor Erregung die Fäuste. „Danken Sie der glücklichen Fügung, die uns gerade noch im rechten Augenblick kommen ließ, Bigman. Es hätte sich nicht mit den Bergen Perms begnügt, glauben Sie mir das! Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie und Ihre Leute uns helfen würden. Sie kennen Perm und seine Gefahren besser als wir!” Ole Bigman nickte. „Natürlich, Huxley! Aber vorher muß ich wissen, ob in der Siedlung am anderen Ufer des Binnenmeeres noch alles in Ordnung ist. Bis zum Morgengrauen bleiben uns noch zwei Stunden, das dürfte langen, wenn wir den Dozer nehmen!” „Dozer? Sagten Sie Dozer, Bigman?” Huxley trat einen Schritt zurück. Der Jäger nickte. „Ich kenne Maschinen dieser Art, ich war ja selbst Prospektor, Huxley! Ich habe sie nur in der ersten Aufregung nicht sofort erkannt, fünf Jahre sind eine lange Zeit!” Der Colonel nickte. Ihm selbst erschienen die vergangenen Jahre seit der Invasion wie eine Ewigkeit. „Gut, fliegen wir hinüber, Bigman. Sie können dann gleich mit den Leuten sprechen, damit sie sich nicht länger ängstigen. Die Siedlung steht noch, einer meiner Offiziere hat sie gesehen, bevor wir das Nor-ex angriffen!” Er wandte sich an Clint Derek.
„Derek, geben Sie bitte Captain Maxwell Bescheid, es ist besser, wenn er weiß, wo wir uns befinden!” Als der Flugdozer mit Huxley, Bigman und Derek wieder neben der NOGK landete, stand die Sonne schon über den Wassern des Binnenmeeres. Topai und seine Jäger befanden sich bei den bereits vor den Kugelbooten wartenden Expeditionstrupps. Ihre bronzefarbenen, fast nackten Körper bildeten einen merkwürdigen Gegensatz zu den grauen Kombinationen der Besatzung. Unwillig runzelte Huxley die Stirn, als er auf seinen I. O. zutrat. „Maxwell, warum zum Donnerwetter, haben Sie Topai und seine Jäger nicht mit Kombinationen versehen? Sie haben lange genug als Wilde leben müssen!” Doch der Captain schüttelte den Kopf. „Ich habe es versucht, Sir. Die Jäger wollten nicht. Sie wollten weder Strahler noch sonst irgend etwas von unserer Ausrüstung. Topai erklärte mir darüber hinaus mit aller Bestimmtheit, daß sie ihre Lebensgewohnheiten nicht zu ändern wünschten. jetzt nicht und später auch nicht!” Verblüfft starrte Huxley seinen I.O. an. Dann drehte er sich zu Ole Bigman herum. „Topai hat recht, Huxley. Wir werden weiterleben wie bisher. Ich habe in den vergangenen Jahren oft darüber nachgedacht, warum das so ist. Eine Antwort kann ich Ihnen nicht geben. Nur eins steht fest: Perm hat uns alle, Frauen, Kinder und Männer verändert. Es ist etwas in oder auf diesem Planeten, das uns die Erde längst vergessen ließ. Und auch jetzt haben wir keinerlei Sehnsucht nach ihrer Zivilisation, ihren Sitten und Gebräuchen. Und da wir einmal darüber sprechen: Sie sind auf Terra ein einflußreicher Mann. Ich sehe ein, daß wir wegen des Nor-ex für die Zukunft Schutz brauchen. Aber setzen Sie sich dafür ein, daß Perm nicht besiedelt wird, lassen Sie uns weiterleben wie bisher. Betrachten Sie uns wie eine fremde Rasse, Huxley. Als Freunde. Aber machen Sie den Leuten auf der Erde klar, daß Perm unsere Welt ist, ganz allein unsere Welt! Ich glaube, wenn das Bild, das ich mir aus Ihren Berichten von Ren Dhark gemacht habe, richtig ist, dann wird er unsere Wünsche und unsere Rechte respektieren!” Huxley starrte Ole Bigman an, als sei er ein Gespenst. Ihm fiel schwer, zu begreifen, was dieser Mann da von ihm verlangte. Aber dann dachte er an die Jahre, die er mit seiner Crew in der FO 1 durch den Raum geirrt war, an seine Freundschaft mit den Nogks. „Gut, Bigman. Ich verspreche Ihnen, mich auf Terra für Ihre Belange einzusetzen. Aber überlegen Sie sich noch einmal alles gut, Sie haben noch Zeit!” Clint Derek und Tanja, die mittlerweile auch zu den Jägern getreten war und sich mit Topai und seinen Männern unterhalten hatte, mischten sich ein. „Ich hatte im stillen gehofft, Huxley, daß Sie Bigman verstehen würden. Auf der Erde wird es noch schwierig genug damit werden: Aber vielleicht bleiben Tanja und ich ebenfalls hier auf Perm, wenn wir unsere Aufgabe gelöst haben.” Ohne sich um die neuerliche Verblüffung Huxleys und seines I. O. zu kümmern, sah Derek Bigman an. „Falls Sie uns haben wollen, Bigman. Tanja und ich haben früher in der Kuskokwim Bay in Alaska als Jäger gelebt. Wir haben uns immer nach unserem alten Leben gesehnt!” Colonel Huxley schüttelte den Kopf. Aber er sagte nichts. Dann ertönten einige Kommandos und die beiden Expeditionstrupps verschwanden einschließlich der bronzehäutigen Jäger in den Schleusen der Kugelboote. * Als die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne sich bis in die Schluchten und auf die Terrassen der roten Berge vortasteten, sahen sie es.
Ole Bigman und seine Gefährten starrten fassungslos auf die stumpfgraue, wie eloxiert wirkende Fläche, die statt des Mount Death zwischen den Bergen lag. „Er ist weg, Topai! Bis auf den Stumpf abrasiert!” murmelte Ole Bigman entsetzt. Er hatte gewußt, daß der Gipfel des Berges verschwunden war, aber der ganze Mount Death? Ole Bigman konnte es nicht fassen. Auch Huxley und die beiden Dereks blickten stumm auf jene wie glattpoliert wirkende Fläche, die wie ein gigantisches Plateau zwischen den Tälern und Terrassen der roten Berge lag. Langsam zogen die dunklen Schwaden über sie hinweg, die aus den Tälern, in denen noch immer das glühende Magma Lokis brodelte, aufstiegen und zeitweilig die Sonne verfinsterten. Huxley warf einen Blick auf die beiden Kugelboote, die an Backbord und Steuerbord des Flugdozers davonglitten. Dann griff er nach der Sprechkapsel des Viphos. Bevor er sprach, zögerte er jedoch abermals und warf noch einmal einen prüfenden Blick auf das Plateau. Irgendwie kam ihm diese Fläche unheimlich vor. Er hatte plötzlich das Gefühl, als verberge sich irgendwo auf ihr etwas vor den Blicken der Menschen. Nahezu in ihrer Mitte meinte er eine Zone zu erkennen, die irgendwie schwammig, verschleiert wirkte. „Derek, sehen Sie es auch? Oder fange ich langsam an überzuschnappen?” Er wies auf die Stelle, die auf geheimnisvolle Weise alles Licht in sich hineinzusaugen schien, und in der die Blicke der Männer wie in einem Vakuum verschwanden, das sich durch keinen Vergleich, durch keine Worte beschreiben ließ. Clint Derek nickte. „Sie haben recht, Huxley. Dort ist etwas. Wir sollten ...” Weiter kam er nicht. Denn sowohl Tanja als auch Ole Bigman prallten entsetzt zurück. Auf Colonel Huxleys Brust erschien ein hell leuchtendes Emblem. Eine scharf umrissene Ellipse, in deren Brennpunkt zwei winzige, schillernde Kugeln rotierten. Den übrigen Körper Huxleys umfloß eine langsam pulsierende rötliche Helligkeit, die gut mit dem harten Violett des geheimnisvollen Emblems über seinem Herzen harmonisierte. Tanja wich Schritt um Schritt zurück. Mit weitaufgerissenen Augen klammerte sie sich an ihren Mann. „Clint, um Himmels willen, Clint, was ist mit Huxley ...” Der Colonel stand unterdessen wie erstarrt. Seine Züge, durch das pulsierende, schattenlose Licht auf gespenstische Weise verändert, nahmen einen lauschenden Ausdruck an. Er schien in diesen Sekunden seine Umwelt vergessen zu haben. Ole Bigman und Topai starrten ebenfalls entsetzt auf das unbegreifliche Schauspiel, das sich ihren Augen bot. Wie gehetzt flogen ihre Blicke zu der grauen Fläche zwischen den Bergen, aber sie sahen nichts. Noch nichts. Huxleys Züge spannten sich. „Charaua!” murmelte er. Sein Gesicht drückte Erstaunen und Freude zugleich aus, während das Emblem zusammen mit der pulsierenden Helligkeit verschwand. „Ich komme, Charaua!” sagte er dann laut, während sein hagerer Körper sich plötzlich straffte. Gleich darauf hob er die Sprechkapsel des Viphos. „Kommandant an NOGK. Schiff startklar machen. Auf Abruf sofort starten! Ende!” Er schaltete das Vipho durch einen Tastendruck um.
„Maxwell!” gab er dann an das Kugelboot an der Steuerbordseite des Flugdozers durch. „Kehren Sie sofort an Bord der NOGK zurück. Sobald ich Ihnen den Befehl erteile, kommen Sie mit dem Schiff auf das Plateau. Landung erfolgt nach meinen Anweisungen, sofern Sie nicht von selber erkennen, was los ist! Ende!” Clint Derek hatte den Anweisungen Huxleys mit gerunzelten Brauen zugehört. Als der Colonel das Vipho abschaltete, drehte er sich in seinem Pilotensessel zu ihm herum. „Huxley, was zum Teufel hat das alles zu bedeuten? Mit wem haben Sie gesprochen, was war das für ein Emblem, für ein rotes Licht ...” Der Colonel sah Clint Derek und die anderen an. Seine Züge wirkten ungewöhnlich ernst. Mit einem plötzlichen Ruck drehte er sich zu einer der großen Direktsichtscheiben im Bug des Dozers herum. Die Gefährten folgten instinktiv seinen Bewegungen. Und dann trauten sie ihren Augen nicht. Genau vor ihnen, etwa in der Mitte des Plateaus, wuchs ein riesiges, eiförmiges Schiff aus dem Nichts empor. Ole Bigman schätzte die Länge seines liegenden Druckkörpers auf gut 700 bis 800 Meter. Die ihnen zugewandte Seite des Druckkörpers war an mehreren Stellen zerstört. Große Löcher klafften in den Flanken des fremden Raumers. Die zerfetzten und verbogenen Platten seiner Außenhaut hatten die gleiche stumpfgraue Farbe, wie die Fläche, auf der es lag. Außerdem erkannten sie auf den ersten Blick, daß die Fremden eine schon an Absturz grenzende Notlandung hinter sich hatten. Clint Derek und Tanja sahen sich an. In ihren Gesichtern stand die gleiche Überraschung, wie vorher in Huxleys Zügen. „Die Nogks!” stieß Clint Derek endlich hervor. „Das ist ja einer der riesigen Nogk-Kampf-Raumer, Huxley! Wie kommt denn der nach ...“ Der Colonel nickte, während er den unheimlichen Vorgang weiterhin beobachtete. „Es stimmt, Derek. Es handelt sich um ein Schiff der Nogks. Ihr System wurde vor etwa zwei Wochen vom Nor-ex angegriffen. Eine ihrer Ring-Städte wurde aufgesogen. Ebenfalls eine sofort startende Kampfgruppe von Raumern. Erst massivster Einsatz aller vorhandenen Waffen zwang das Nor-ex zum Rückzug. Die Nogks schickten Suchkommandos aus, um sich über das Ausmaß dieser neuen Bedrohung ihres noch unfertigen Wohnplaneten im System der Sonne Tantal zu informieren. Darunter auch dieses Schiff. Es wurde vom Nor-ex überraschend angegriffen. Seine Waffen versagten, weil dieses Monster aus dem Hyperraum sich inzwischen auf die Abwehr der Nogks eingestellt hatte. Ein purer Zufall verschlug das Schiff hier nach Perm, weil es auch bei seiner Flucht durch den Hyperraum vom Nor-ex eingeholt und ins Normalkontinuum zurückgeschleudert wurde, ehe es den vorbestimmten Transitionspunkt erreichte. Die Ausschleuderung zerstörte einen Teil der Aggregate des Raumers. Charaua, der Kommandant dieses Schiffes, Dhark, Szardak, mir und anderen aus früheren Begegnungen persönlich bekannt, schaffte gerade noch eine Notlandung. Als unsere Ortungen das Nor-ex erfaßten, erfolgte gerade sein dritter Angriff auf den bereits fast wehrlosen Nogkraumer. Nur der Vulkan lenkte das Nor-ex von seinem Opfer wieder ab. Trotzdem kann es sich nur um Minuten gehandelt haben, bis das Hyperraum-Ungeheuer auch dieses Schiff samt Besatzung in sich aufgesogen hätte!” Atemlos hatten Clint Derek und die andern dem Colonel zugehört. „Und das Emblem, die Ellipse?” fragte Tanja. Huxley öffnete seine Kombination und wies auf seine Brust. „Ich gehöre zum Rat des Nogkschen Imperiums. Als einziger Mensch. Die Nogk versahen meinen Körper mit einem Kontaktfeld, das auf ihre und die Ausstrahlungen ihrer Mental-Detektoren sofort reagiert. Es ist so eine Art Ausweis. Es arbeitet als Empfänger und Sender zugleich. Statt meiner
kann sich niemand in die Reihen des Rates unentdeckt einschleichen, das ist der Sinn dieses Feldes. Bis heute wußte ich allerdings auch nicht, wie es reagiert!” Clint Derek und Ole Bigman traten näher. Behutsam glitten ihre Finger über die wie feine Adern in der Haut verlaufenden Kontaktbahnen des ellipsenförmigen Emblems. „Ausweis ...”, murmelte Ole Bigman kopfschüttelnd. „Wozu, wenn die Nogks Sie kennen?” „Nicht alle kennen mich, zur Zeit meiner ersten Begegnung befand sich die Hälfte von ihnen in ihrer Schlafperiode, aber wir haben jetzt keine Zeit zu langem Palaver, Bigman. Vielleicht später. Die Nogks brauchen Hilfe, schnellstens!” Clint Derek begriff. Er schwang mit seinem Sessel herum und griff in die Steuerungen des Dozers. Huxley informierte unterdessen über Bordsprech die Besatzung des Kugelbootes an Backbord und seinen I.O., Captain Maxwell, der mit dem anderen Beiboot bereits zur NOGK unterwegs war, die immer noch am Ufer der Bucht lag. Der Dozer schoß vorwärts. Im Näherkommen erkannten die Männer schaudernd, mit welcher Energie und Todesverachtung die Nogks sich gegen ihren übermächtigen Feind zur Wehr gesetzt hatten: Überall zwischen den Bergen lagen ihre eiförmigen Beiboote. Zertrümmert, zerschmolzen, deformiert. Als sie landeten, trat ihnen aus dem Innern des schwer beschädigten Raumers ein Nogk entgegen. Seine schwarzen Facettenaugen blickten den Menschen entgegen, während seine vier langen Fühler auf dem Libellenkopf leicht hin und her pendelten. Dann reckte sich sein großer Körper. Die silberne Uniform, von deren Schultern breite goldene Streifen bis zu den Handgelenken hinabließen, leuchtete in der Sonne. Mit unheimlich schnellen, gleitenden Bewegungen, die wie der übrige Körper an eine gespenstische Mischung aus Insekt und Reptil erinnerten, bewegte sich der Nogk dem landenden Dozer entgegen. Huxley sprang aus der Schleuse des Flugdozers. „Charaua!” Mit langen Schritten eilte er dem Kommandanten des Nogkschiffes entgegen. „Du bist zur rechten Zeit gekommen, Huxley! Ein großer Teil meiner Krieger ist tot. Unsere Waffen versagten gegen das Ungeheuer. Sei willkommen, das Imperium wird deine Tat nicht vergessen!“ Charaua verneigte sich nach der Sitte seiner Rasse vor dem Colonel. In seinen starren Zügen schien ein Lächeln zu stehen. Doch sogleich verdüsterten sich seine Facettenaugen wieder. „Dein Schiff verfügt über eine höchst wirksame Waffe gegen diesen Feind aus dem Hyperraum! Du hast die Wolke in mehrere Teile geschossen, Huxley. Aber sie ist nicht tot, die einzelnen Stücke sind wieder in die graue Zone jenseits der Zeiten entwichen. Es wird wiederkommen, größer und schrecklicher vielleicht. Vielleicht werden aus den einzelnen Teilen neue Ungeheuer! Wie wissen es nicht. Kannst du mir eure Waffen zeigen und erklären, damit unsere Wissenschaftler sie so schnell wie möglich nachbauen? Die Existenz unseres Imperiums kann davon abhängen, Huxley!” Während Huxley und Charaua miteinander sprachen, hatte sich um die beiden ein großer Kreis von Nogks und Menschen gebildet. Verwundert registrierten Ole Bigman und seine Jäger die den Nogks eigene, lautlose Art, sich Wesen fremder Rassen mitzuteilen. Sie spürten die Impulse in ihren Gehirnen, erlebten, wie sich blitzschnell grellfarbige Bilder direkt in ihrem Bewußtsein aufbauten und wieder erloschen. So scharf, so unheimlich leuchtend und klar, daß jede Fehldeutung völlig unmöglich wurde. Huxley nickte Charaua zu.
„Ich werde es tun, auch ohne die Zustimmung meiner Regierung, Charaua. Aber nicht nur das, wir werden euer Schiff von jener grauen Schicht befreien, die jede Reparatur unmöglich macht. Desgleichen werden wir das Plateau hier säubern, denn diese graue Schicht lockt das Monster immer wieder an, läßt es hierher zurückkehren. Das jedenfalls ist unsere Erfahrung! Gleich zeitig werde ich eines unserer großen Werkstattschiffe anfordern, allein mit meinen Raumer kann ich euch nicht helfen. Vor allem solltest du das Imperium verständigen, Charaua. Ich nehme an, deine Sender sind ausgefallen! Anderenfalls befände sich wahrscheinlich schon ein Teil eurer Flotte hier, oder?” Der Nogk nickte. ' „Es ist wie du vermutest, Terraner! Aber fordere keines eurer Werkstattschiffe an, über deine Sender werde ich welche von uns zu Hilfe rufen. Die Reparatur meines Kampfschiffes kann nicht hier erfolgen. Lebenswichtige Teile wurden zerstört! Außerdem mögen die Bergungsschiffe unserer Flotte die nötigen Wissenschaftler und Geräte mitbringen, um eure Waffe zu untersuchen!” Der Nogk warf einen forschenden Blick über die Männer und die bronzefarbenen Jäger, die zusammen mit seinen eigenen Kriegern einen Kreis um sie bildeten. Huxley spürte die fragenden Impulse Charauas. In wenigen Sätzen informierte er den Nogk über den eigentlichen Grund seiner Anwesenheit. Anschließend winkte er den Kommandanten des Kugelbootes zu sich heran. „Rufen Sie die NOGK, Olson! Sie soll hier neben dem Nogk-Raumer landen!” Der Dritte Offizier salutierte und verschwand. Gleichzeitig erteilte Charaua seinen Kriegern einige kurze Befehle. Sofort kam Leben in sie. Mit ihren gleitenden, für menschliche Begriffe unheimlich schnellen Bewegungen verschwanden sie im Innern ihres Schiffes. Kurze Zeit später löste sich eins der eiförmigen Boote aus einer der weitoffenen Schleusen und verschwand in Richtung auf eine Felswand. Ein zweites brachte wenig später verschiedene Trupps von Nogks zu den Absturzstellen der im Kampf gegen das Nor-ex vernichteten Beiboote. Huxley beobachtete die Aktion aus schmalen Augen, während er und Charaua auf die Ankunft seines Schiffes warteten. „Du willst eure Toten auf Perm bestatten?” Der Nogk bejahte, während sich seine gut zweieinhalb Meter hohe Gestalt unwillkürlich reckte. Die gelbe, punktförmige Zeichnung seiner lederartigen Haut leuchtete bei jeder Bewegung im Licht der höher und höher steigenden Sonne. Unruhig spielten die langen Finger seiner unbedeckten Hände. „Es ist ungeschriebenes Gesetz meiner Rasse, daß jeder Nogk dort bestattet wird, wo er stirbt, Terraner: Es sind sehr viele gestorben in der vergangenen Nacht. Und es wird das erstemal in der Geschichte unseres Imperiums sein, daß der Angreifer nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Du als Terraner kannst nicht ermessen, was das für uns, für jeden einzelnen Nogk bedeutet. Aber wir können und werden das Nor-ex, wie deine Rasse es nennt, nicht im Hyperraum, in jener grauen Zone jenseits der Zeiten und jenseits unserer Macht zu stellen versuchen. Ich habe es dir nie gesagt, wir haben nie darüber gesprochen, Terraner: Unsere Rasse ist an ihren Lebensraum innerhalb des normalen Kontinuums gebunden. Es hängt mit den Strahlungsfeldern unserer Galaxis zusammen, die wir brauchen, um zu leben. Wir können nicht einmal den Sprung zu einer benachbarten Galaxis unternehmen, so vollkommen unsere Technik sonst auch ist. Allein der Versuch wäre für uns tödlich, weil unsere Körper nur im Strahlungsfeld dieser einen Sterneninsel zu existieren vermögen. Um in euren Begriffen zu sprechen: Wir Nogks sind das Zufallsprodukt einer kosmischen Katastrophe, eine Mutation! Wir denken nicht gern daran, wir verheimlichen es vor anderen, aber es ist so. Die Störungen, Stürme und Veränderungen der Kraftfelder innerhalb unserer Milchstraße, wie ihr sie nennt, bedrohen die Existenz unserer gesamten Rasse seit langem. Daran hat auch unsere Flucht
in das System der Sonne Tantal nur wenig geändert. Ich teile dir das mit, weil du Mitglied des Rates unseres Imperiums bist!” Charaua machte eine Pause. Doch dann trat er plötzlich ganz dicht an Huxley heran. „Wenn die Felder innerhalb unserer Galaxis sich weiterhin in dem Maße verändern wie bisher, dann wirst du eines Tages nach Tantal kommen und nur noch die Grüfte finden, in denen unsere Körper stehen! Warte also nicht zu lange mit deinem Besuch, wir haben dir und deiner Rasse noch vieles mitzuteilen!” Colonel Huxley starrte den Nogk an. „Ich habe es geahnt, Charaua!” erwiderte er schließlich leise. „Schon damals, als ich dich auf Charr bewußtlos neben deiner Maschine fand, als du mich zum Rat eures Imperiums bringen wolltest, als eure Sonne ihre Stabilität verlor und zur Veränderlichen wurde!” (S. RD 28). In diesem Moment erschien die NOGK über den Bergen. Das Singen ihrer Triebwerke unterbrach den Colonel. Auch Charaua warf dem anfliegenden Raumer einen scharfen Blick zu. Aus seinen dunklen Facettenaugen beobachtete er jedes Manöver des Schiffes. Als es unweit von ihnen aufsetzte und seinen riesigen Schatten über sie warf, setzten die beiden so verschieden gearteten Freunde sich in Bewegung. Kurze Zeit später verschwanden Charaua und der Colonel in der Schleuse. Es war das dritte Mal, daß ein Nogk ein terranisches Schiff betrat .. . Als Marschall Bulton und Bernd Eylers wenige Stunden später den detaillierten To-Funk-Bericht Colonel Huxleys gelesen hatten, begann der Marschall unruhig auf und ab zu wandern. Schließlich blieb er unmittelbar vor dem Sicherheitschef stehen. „Eylers, wir müssen sofort die Produktion von To-Funk-Kanonen ankurbeln! Wenn möglich noch größer, noch stärker als die der NOGK. Weiß der Teufel, was jetzt aus dem Nor-ex wird! Vielleicht haben Huxley und Charaua recht, daß es wiederkommt, sobald es seinen Schock überwunden hat, sobald die einzelnen Teile ...” Er brach ab. Schlagartig wurde ihm klar, daß jede Überlegung, jeder Vergleich auf der Basis menschlicher Vorstellung sinnlos war. Die einzige Möglichkeit für die Erde, dem Angriff dieses Monsters wirksam zu begegnen, waren die To-Funk-Kanonen. So schnell wie es ging mußte ein Teil der Raumer mit ihnen ausgerüstet werden. „Eylers, wir müssen diesmal unbedingt verhindern, daß uns die Aktionsgruppen der Robonen bei dieser Sache in die Quere kommen. Lassen Sie sich etwas einfallen, Eylers! Setzen Sie sich mit Trawisheim in Verbindung, damit Sie die notwendigen Vollmachten und damit die erforderliche Handlungsfreiheit bekommen! Ich rechne mit starker Tätigkeit der Robonen, besonders nach ihrer letzten Niederlage!” Er fuhr sich erregt über die Stirn. „Und überstellen Sie Chris Shanton an mich! Ich brauche den Mann. Von Deluge können wir keine Wissenschaftler holen, dafür bleibt keine Zeit. Shanton hat schon mit Achmed Tofir zusammengearbeitet, er kennt das Problem. Zusammen mit den Konstruktionsunterlagen muß er es schaffen!” „Sie haben recht, Marschall!” Der GSO-Chef erhob sich. Es durfte jetzt keine Zeit mehr verloren werden. „Und was wird mit Huxley, mit der NOGK?”
Marschall Bulton griff unwillkürlich abermals nach dem Bericht, legte ihn jedoch sogleich wieder auf seinen Arbeitstisch zurück. „Ich denke, wir sollten ihn und seine Männer einstweilen auf Perm lassen. Die Siedler brauchen Schutz, die Nogks ebenfalls, bis ihre eigenen Schiffe dort eintreffen! Ihre Meinung?” „In Ordnung, Bulton, ich verständige Huxley!” Bernd Eylers verließ endgültig den Raum. Aber er hatte ein ungutes Gefühl, sobald er nur an die Robonen dachte. Denn seit jenem Kampf in der Wohnkugel blieben sie verschwunden. Eylers spürte, daß sich hinter seinem Rücken etwas anbahnte, daß Scholf und seine Männer - oder wie immer sie sonst heißen mochten - zu einem neuen Schlag ausholten. Abermals wünschte der GSO-Chef, daß Janos Szardak mit seiner Suchgruppe endlich Erfolg haben möchte. Denn die Lösung aller Probleme trug für ihn, einen Mann, der so schnell den Mut nicht sinken ließ, den Namen Ren Dhark ... Chris Shanton drehte knurrend die Depesche in seinen Händen hin und her. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Endlich einmal Urlaub, und jetzt. war auch der wieder zum Teufel, weil man ihn nach Alamo Gordo zurückrief! Knall und Fall! Einfach so! Shanton warf einen sehnsüchtigen Blick zu den ziehenden Wolken am Himmel Lapplands empor. Blickte auf das Wasser des Sees zu seinen Füßen. Aber die Sache schien wirklich dringend zu sein. Sonst hätte sich Eylers nicht persönlich bemüht. Der Teufel mochte wissen, wie man ihn so schnell aufgespürt hatte! Schließlich war Lappland auch im dritten Jahrtausend immer noch ein Gebiet, in dem die Technik noch nicht den Lebensrhythmus bestimmte. Genau deshalb befand er sich schließlich hier. Langsam, widerwillig erhob sich der Dicke. Es würde sicher eine ganze Weile dauern, bis er seine kleine Blockhütte hier hoch im Norden wiedersah! Er pfiff nach Jimmy, seinem Robothund. „Los, Jimmy, aus ist's mit Urlaub! Statt nach Fischen werden wir jetzt mal wieder eine Zeit nach allem Möglichen angeln. Vermutlich nach ziemlich fetten Brocken, unangenehmen, fürchte ich!” Doch dann stutzte er, während der Hund an ihm emporsprang. Verdammt, wie konnte er das denn bloß vergessen! Sein Jett war ja zur Reparatur, irgend etwas mit dem Triebwerk stimmte nicht. Und da die Reparaturwerft in Narvik noch keinen Bescheid gegeben, keiner der Werkspiloten den Jett gebracht hatte, war er folglich auch noch nicht fertig. Das konnte Eylers nicht wissen. Chris Shanton stampfte zu einem der Schränke hinüber, in dem er sein GSO-Vipho verwahrte. Er mußte Narvik anrufen. Minuten später hatte er den Werftleiter persönlich. „Augenblick, Mr. Shanton, ich höre nach!” Es dauerte wiederum nur Minuten, dann erschien das Pferdegesicht Direktor Holgersons. „Leider nicht, Mr. Shanton. Wir warten auf einen neuen Meiler, in der Produktion scheint gerade ein Engpaß zu sein, Sie müssen noch ungefähr mit acht Tagen rechnen!” Chris Shanton schnaubte ungeduldig. „Hören Sie, Holgerson, ich muß so schnell wie möglich nach Alamo Gordo. Lassen Sie mich durch eine Ihrer Werksmaschinen holen. Von Narvik aus nehme ich dann eine der Linienmaschinen, sie sind ohnehin schneller als der beste Jett!” „In Ordnung, Mr. Shanton, ich werde sofort eine Buchung vornehmen lassen! Die Maschine ist in einer Stunde bei Ihnen!”
Chris Shanton schaltete ab. In wenigen Minuten hatte er seine paar Habseligkeiten zusammengepackt. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die grundsätzlich gerade nur das Nötigste bei sich führten und auf jede Art von Ballast von vornherein verzichteten. Genau zwei Stunden später landete die Werksmaschine auf dem Flughafen der Arktis Co. Ltd, Narvik. Sofort machte Shanton sich auf den Weg, um sein Ticket am Schalter abzuholen. Aber er sollte eine böse Überraschung erleben. Der Schalterbeamte, ein kleiner, magerer Mann mit grauem Haar, wand sich verlegen hin und her. „Ja natürlich, Mr. Shanton, Direktor Holgerson hat angerufen. Wir haben ihm auch die Buchung zugesagt. Aber leider, so sehr wir bedauern müssen, Mr. Shanton, wir haben keinen einzigen Platz mehr frei. Bis Montag nicht. Alle Maschinen sind restlos ausgebucht. Ein höchst bedauernswertes Mißverständnis unserer Zentrale ...” Chris Shanton runzelte seine Brauen. „Was sagen Sie da? Ausgebucht? Bis Montag?” Mit einem Ruck zog er seinen GSO-Ausweis aus der Brusttasche und hielt ihn dem Beamten vor die Nase. „Besorgen Sie mir einen Platz, Mister! Wie, ist mir schnuppe! GSO hat Vorrang, oder sollte Ihnen das nicht bekannt sein?” Der Mann hinter dem Schalter wand sich vor Verlegenheit. „Wir wußten bereits von Direktor Holgerson, daß Sie zur GSO gehören. Trotzdem, Mr. Shanton, es ist kein Platz frei. Keine unserer Maschinen fliegt bis Montag Cent Field an. Die gesamte Kapazität wurde für dieses Wochenende für Flüge nach Nordafrika gechartert ...” Shanton glaubte nicht richtig gehört zu haben. „Gechartert? Nach Nordafrika? Wohin dort? Und wieso übernimmt die Kapstadt-Gesellschaft diese Flüge nicht? Sie wäre doch wohl am ehesten zuständig, oder?” Der Beamte zuckte abermals die Achseln. „Tut mir leid, Mr. Shanton. Für Ihre Fragen bin ich nicht zuständig. Der größte Teil unserer Maschinen befindet sich bereits zum Tschad-See unterwegs!” Tschad-See! Der dicke Shanton spürte, wie in seinem Gehirn plötzlich eine Klappe fiel. Afrika! Ein ungeheurer Verdacht schoß ihm durch den Kopf. „Wer hat die Maschinen gechartert, können Sie mir das sagen?” Der Mann hinter dem Schalter schüttelte den Kopf. „Nein, über Dispositionen unserer Gesellschaft werde ich nicht informiert, ich bin hier lediglich ...” Shanton winkte ab. „Schon gut! Wo ist die nächste Vipho-Zelle? Ich werde mir eine andere Fluggelegenheit besorgen!” Der Beamte warf Shanton einen argwöhnischen Blick zu. Der Dicke war ihm plötzlich viel zu friedlich. Er ahnte, daß sich hinter Shantons Sinnesänderung irgend etwas verbarg. Aber ihm konnte es schließlich gleichgültig sein. „Am Ende der Empfangshalle befindet sich unser Vipho-Center. Dort werden Sie alles finden, was Sie brauchen. Und nochmals, Mr. Shanton, ich bedaure sehr, Ihnen keinen günstigeren Bescheid geben zu können!” Aber die letzten Worte hörte der Dicke schon nicht mehr. Er hatte es plötzlich sehr eilig. Sein eigenes Vipho reichte für die große Entfernung bis Alamo Gordo nicht aus.
Minuten später hatte er bereits die Verbindung zu Bernd Eylers. „Eylers!” sprudelte Shanton hervor, „lassen Sie sofort einen Codierer in die Leitung schalten, ich kann im Klartext nicht sprechen!” Der GSO-Chef sah Shanton sekundenlang an. „Gut, warten Sie!” Shanton hörte es kurz darauf einige Male in der Leitung knacken, dann überlagerte ein feines Rauschen die Sprechfrequenz. Eylers kam wieder ins Bild. „Sie können jetzt sprechen, Shanton. Was ist los?” Chris Shanton informierte den GSO-Chef in kurzen Worten. „Die Kapazität einer ganzen Linie wurde gechartert! Weiß der Himmel, die Arktis ist nicht gerade die kleinste Linie Terras! Und alle Maschinen fliegen zum Tschad-See, falls das angegebene Ziel überhaupt stimmt, woran ich stark zweifeln möchte! Außerdem noch etwas, Eylers: Woher kommen wohl plötzlich ausgerechnet in diesem Gebiet am Polarkreis derartig viele Ausflügler? Ganz abgesehen davon, daß die GSO hier nur sehr wenig Agenten stationiert hat, weil es außer der unbedeutenden Jett-Werft in Narvik einfach nichts zu überwachen gibt! Das fängt erst in Grönland wieder an, interessant zu werden!” Eylers' Augen verengten sich. „Lassen Sie endlich die Katze aus dem Sack, Shanton! Ich bin heute nicht in der Stimmung, Rätsel zu raten!” Der Dicke schüttelte den Kopf. „Sie sollten in Urlaub gehen, Eylers. Denn Ihr Kombinationsvermögen hat anscheinend gelitten, um nicht geradewegs zu sagen, daß Sie merkwürdig schwer von Begriff sind. Bei einer solchen Menschenmenge kann es sich doch nur um Robonen handeln! Die Burschen lassen sich in Massen irgendwohin transportieren. Zu Tausenden wahrscheinlich. Dreimal dürfen Sie raten, wozu! Wenn Sie meine Meinung hören wollen, dann ist wieder eines ihrer Schiffe im Anflug, um sie abzuholen! Und deshalb, Eylers, würde ich an Ihrer Stelle schleunigst alle die Linien-Gesellschaften überprüfen, die nicht so im Brennpunkt des Interesses liegen! Ich würde mich außerdem darum kümmern, ob es sich bei den Unternehmern nicht sogar um Robonen handelt! Und lassen Sie mich hier abholen, egal womit!” Mit Bernd Eylers ging eine Veränderung vor sich. Sein eben noch abgespanntes Gesicht glättete sich. „Wir haben alle unsere guten und schlechten Tage, Shanton. Außerdem ist inzwischen wieder eine Menge passiert. Sie werden es noch erfahren. Aber ich denke, daß Ihr Tip eine ganze Menge taugt! Ich glaube sogar, daß meine Pechsträhne hier endet! Ich schicke Ihnen eine Sternschnuppe. Sie landet auf der Piste der Arktis Ltd. Ende!” * Die sofort durchgeführten Recherchen des GSO-Chefs hatten Erfolg: Die Linienraumer dreier Gesellschaften waren von Unbekannten .übers Wochenende gechartert worden. Alle Schiffe hatten ihre Passagiere am Tschad-See abgesetzt und waren dann sofort wieder gestartet, um neue zu holen. Insgesamt mußten inzwischen mehrere tausend Menschen an den Ufern des Tschad-Sees versammelt sein. Das Dumme an der ganzen Geschichte für Eylers bestand jedoch darin, daß alle Flüge auf Grund ordnungsgemäßer Verträge erfolgten. Damit waren ihm die Hände gebunden. Zumindest konnte er nicht offiziell eingreifen. Denn jedem Bürger Terras stand es frei, auf der Erde zu reisen, wohin er
wollte. Auch gegen Massenausflüge gab es keine Gesetze, schon gar nicht, wenn sie in derartig abgelegene Gebiete führte wie zum Tschad-See. Bernd Eylers ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Wahrscheinlich hatte Chris Shanton mit seiner Behauptung recht. Die Suprasensoren der Raumortungszentralen von Cent Field liefen auf Hochtouren, aber auch dort zeigte sich nichts, was irgendeine Aktion rechtfertigen konnte. Trotzdem mußte er etwas unternehmen, diese ganze Sache war so schlau, so raffiniert eingefädelt, daß Eylers den Braten förmlich roch. Zumal sich eine solche Massenwanderung nicht zum erstenmal abspielte. Die Bücher der Gesellschaften wiesen derartige Charterverträge in nahezu regelmäßigen Abständen seit gut einem Jahr aus. Dann kam Eylers endlich die rettende Idee. Er griff nach dem Vipho. Marschall Bulton meldete sich sofort. Auch seine Züge drückten Unruhe aus. „Marschall, ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn einige Ihrer Einheiten sofort zu einer Alarmübung mit kriegsmäßiger Ausrüstung starten. Als Zielpunkt würde ich Nordafrika vorschlagen, besonders die Umgebung des Tschad-Sees. Sie haben doch noch die Kreuzer startbereit auf der Piste liegen, die auf Abruf zur Hilfeleistung für die NOGK Huxleys bestimmt waren, oder? Damit verletzen wir keines der bestehenden Gesetze, sind aber zur Stelle, falls etwas geschehen sollte, was uns die Möglichkeit zum Einschreiten gibt!“ Im Gesicht des Marschalls zuckte es. „Ausgezeichnet, Eylers. Werde sofort alles Nötige veranlassen. Damit wirklich jede Panne, jeder unerwünschte Zwischenfall völlig ausgeschlossen ist, schlage ich vor, daß Sie und ich diesmal an der Übung teilnehmen. Schließlich muß der Ausbildungsstand der Flotte auch für den Chef der GSO von Interesse sein, oder?” „In Ordnung, Bulton! In zehn Minuten bin ich auf dem Raumhafen!” Eine knappe halbe Stunde später hob ein Verband von drei Kreuzern der Planeten-Klasse, zwei 200-m-Raumern der Hunter-Klasse und drei Sternschnuppen ab: Sie formierten sich über dem riesigen Areal des Raumhafens und verschwanden dann mit hoher Fahrt nach Osten über den Atlantik In der Wohnkugel der Stielbauten fuhren viele Menschen erschrocken aus den tiefen Sesseln der Panorama-Views empor und starrten den blitzenden, schimmernden Kugeln nach, deren gewaltige Triebwerke die Gläser auf den Tischen zum Klirren brachten. Der Robone Scholf leckte sich nachdenklich die Lippen. „Kurs Ost“, murmelte er erschrocken. Dann warf er einen raschen Blick auf seine Uhr. Anschließend winkte er die Bedienung heran und zahlte. Als ob nichts geschehen sei, verließ er seinen Platz vor der riesigen Direktsichtscheibe, die einen faszinierenden Blick über langsam dahinwandernde Wolken und die gelben Gebiete der umliegenden Wüste gewährte. Erst nachdem er in der Plussphäre des Antigrav-Schachtes verschwunden war und die Schleuse im Jett-Hangar verließ, beschleunigte er seine Schritte .. . * Doch noch ehe sein Jett startete, landete einige hundert Kilometer vom Tschad-See entfernt eine Sternschnuppe. Sie tat das auf geheime Weisung von Bernd Eylers. Direkt nach der Landung luden ihre Greifer einen jener schnellen Mini-Jetts aus, wie sie sich nur sehr begüterte Bürger der Erde leisten konnten. In seiner kleinen, jedoch mit allen Raffinessen der Technik ausgestatteten Kanzel saßen die eidetischen Zwillinge, die Cyborgs Charly und George Snide.
„Wir müssen uns beeilen! Die Sternschnuppe hat länger gebraucht, als wir dachten, George!” sagte Charly zu seinem Bruder. George nickte nur, dann ließ er auch schon die kräftigen Triebwerke des Mini-Jetts anlaufen. Sekundenlang wirbelte neben der Sternschnuppe eine Sandwolke auf. Der Jett hob ab und schoß in nördlicher Richtung davon. Die Maschine flog so tief, daß ihr ovaler Druckkörper manchmal die grünen Felder zu streifen schien. Nach einer halben Stunde landeten die beiden Snides am Rand einer Plantage. Auffordernd sahen sie sich an. Es war ausgemacht, daß Charly sich allein informieren sollte. „Paß nur auf, daß die Verbindung nicht abreißt, George. Auf mein Zeichen Alarmstart. Du, ich rechne auf dich, und gleichzeitig rufst du die Sternschnuppe an. In keinem Fall früher. Okay?” George nickte. Er sah noch, wie sein Bruder zwischen den hohen Stauden in nördlicher Richtung verschwand. Dann beobachtete er den Bildschirm. Eine Amplitude war darauf zu sehen - die schwache, kaum zu ortende Verbindung zwischen seinem Bruder und ihm. Es wurde erst kritisch, wenn dieser Blip sich veränderte und drei steile Kurven zeigte. Das war das verabredete Zeichen. Das hieß aber auch, daß sich Charly in höchster Gefahr befand und Hilfe nötig hatte. „Verdammte Robonen“, flüsterte George Snide in seinem Jett, lehnte sich im Sitz leicht zurück und wartete ab. Charly Snide hatte auf sein zweites System geschaltet. Er war Cyborg geworden und konnte nur über sein Programm-Gehirn denken; über die schwache Rückschaltungs-Phase sein normales Gehirn zu befragen war nicht erforderlich. Das zweite System verlieh seinem Körper für menschliche Begriffe geradezu unheimliche Kräfte. Trotz der glühenden Hitze bewegte er sich im Laufschritt, ohne zu ermüden. Breite Bewässerungsgräben übersprang er, als seien sie nur einen halben Meter breit und keine acht bis zehn. Auf das durchdringend helle Singen einiger Turbopumpen in der Nähe achtete er nicht. Daß das Wasser schnell durch die plastikbetonierten Gräben jagte, übersah er. Ein Windstoß, der aber keine Kühlung hervorrief, brachte den Geruch von frischem Wasser heran, ein Zeichen, daß er sich dem Ufer des Tschad-Sees näherte. Die Stauden standen hier dichter zusammen. Eine neue, ertragreichere Züchtung. Nur hatten sie einen Fehler, der Charly lästig wurde. Ihre langen, messerscharfen Blätter waren so zäh wie Federstahl und zwangen ihn immer wieder zu unvorhergesehenen Umwegen. Dann war es soweit. Mittels eines System-Gehörs, das bedeutend empfindlicher als das normale war, vernahm er Stimmen. Eigentlich nur gedämpftes Gemurmel, das durch die Stauden gedämpft und seltsam verzerrt zu ihm herüberdrang. Vorsichtig schob er sich weiter. Meter um Meter. Er wußte, daß er als Cyborg weder unsterblich noch unverwundbar war. Mit jedem Messer konnte ihm der Garaus gemacht werden. Nur gegen Schocker-Beschuß war er immun. Charly schob sich noch weiter vor und zuckte zusammen. Zwischen den Staudenblättern blickte er auf eine grasbewachsene Ebene hinaus, deren Abschluß der Tschad-See war. Er sah eine Menschenschlange, die sich langsam bewegte. Abertausende Robonen! Sie gingen ins Nichts, ins Imaginäre! Die vordersten der Schlange verschwanden urplötzlich, als habe eine unsichtbare Macht sie einfach aufgelöst. Als ob die Menschenschlange unaufhaltsam von einem Vakuum verschluckt würde. Charly nahm sein Vipho hoch, schaltete es ein. Er mußte es riskieren. Sein Bruder im Jett sollte dieses Unbegreifliche auch sehen, selbst auf die Gefahr hin, geortet zu werden.
Hier, hinter einem Schirmfeld, befand sich ein Raumer der Robonen, eins jener Geisterschiffe, die unbemerkt durch das Sonnensystem flogen und nicht nur abertausende Robonen fortschafften, sondern auch unheimliche Mengen wertvollster Industriegüter. Bernd Eylers mußte unterrichtet werden. Dieser Raumer durfte nicht starten. Sein Geheimnis hatte er Terra preiszugeben! „George, hörst du mich?” flüsterte er in sein Vipho. „Ich höre . „ „George, starten! Zieh im Tiefflug davon! Dann können Sie dich kaum orten. Drück auf die Tube, denn hier geht die Verladung der Robonen plötzlich schneller vor sich. Die Flotte muß her. Nicht nur ein Kahn...” George hatte Bedenken. Er wollte seinen Bruder auch nicht allein lassen. Charly redete mit Engelszungen. „Ich bleibe hier in Deckung und beobachte weiter, George, das verspreche ich dir!” Das gab den Ausschlag, George startete, um seine bestürzende Nachricht an der richtigen Stelle anzubringen. Henri de Ruy stand in der Zentrale der NEMO und kontrollierte die großen Sichtschirme. Um seine Lippen spielte ein geringschätziges Lächeln. Einer der Schirme zeigte Charly Snide, ein anderer den Jett und ein dritter den anfliegenden Verband von Raumern der Terranischen Flotte. Der Erste Offizier warf dem Kommandanten einen besorgten Blick zu. „Wenn Sie erlauben, Sir, wir sollten die Verladung abbrechen. Außer den kleinen Einheiten nähern sich der NEMO auch vier Kreuzer der Planeten-Klasse. Wir sind entdeckt, Sir. Der startende Jett wird die Kommandanten der anfliegenden Raumer warnen. Unser Geheimnis ist verraten!” Statt einer Antwort drückte de Ruy die Viphotaste. „Kommandant an Schleusen I, II, III. Wann ist die Anbordnahme abgeschlossen?” Sofort meldete sich der kommandoführende Offizier. „In wenigen Minuten, Sir. Schleuse hat bereits geschlossen, Schleuse III folgt gerade, wir ...” „Aktion beschleunigen. Vollzugsmeldung sofort an mich. Unterbringung der Leute nach dem Start. Ende!” Dann erst wandte er sich an seinen I.0. „Ich habe es Ihnen schon öfter gesagt, Patrick: Sie müssen endlich etwas gegen Ihre Nervosität tun. Und wenn die ganze Terranische Flotte im Anflug wäre. Ich würde nicht eher starten, bis auch der letzte Mann an Bord ist. Die Verdammten sind dumm Sie besitzen die gleichen Schiffe wie wir, zum Teil sogar größere, bessere, stärker bewaffnete. Trotzdem haben sie nichts gelernt: Sie haben nicht die geringste Ahnung von den Möglichkeiten der Technik unserer Freunde, der All-Hüter! Was sie von ihnen übernommen haben, waren nur die primitivsten Techniken des Raumfluges. Die Feinheiten, die Möglichkeiten der einzelnen Geräte, die sich im Innern der von ihnen erbeuteten Schiffe befanden, die haben auch ihre Wissenschaftler nicht begriffen. Nein, Patrick, von diesen Dilettanten haben wir nichts zu befürchten!” De Ruy warf abermals einen Blick auf den Schirm, der Charly Snide fast in Lebensgröße zeigte. Der Kommandant der NEMO stieß ein grollendes Lachen aus. „Da, Patrick! Da liegt dieser Narr nun und staunt sich die Augen aus den Höhlen, weil er nicht weiß, wieso die Robonen unter seinen Blicken im Nichts verschwinden. Ich könnte ihn durch einige meiner Leute mit Leichtigkeit fangen lassen, aber wozu?”
Der I. O. schüttelte eigenwillig den Kopf. „Mit Verlaub, Sir, aber ich bin in diesem und auch in andern Punkten absolut nicht Ihrer Meinung. Immerhin gelang es Ren Dhark, die All-Hüter von der Erde zu vertreiben. Seine POINT OF ist ein Schiff, das auch der NEMO gefährlich werden würde. Die Terraner haben in kürzester Frist die Erde wieder aufgebaut. Ihre Werften produzieren Schiffe, von denen eins besser als das andere ist. Wir sind diejenigen, die ihnen ihre Erzeugnisse bei Nacht und Nebel stehlen müssen, um genügend Aggregate, Materialien und dergleichen zu haben. Wir mußten Robon aufgeben, weil Ren Dhark uns auf den Fersen war. Der Cal ...” De Ruy drehte sich langsam herum. „Genug jetzt, Patrick. Ich lasse jedem seine Meinung, im Gegensatz zu Allon Sawall. Aber alles, was Sie da anführen, ist Unsinn. Ren Dhark hat wie wir die Technik einer fremden Rasse übernommen und sich zunutze gemacht. Nur hat er keine Verbindung zu diesen Mysterious. Die POINT OF ist das einzige Schiff dieser Art. Auch die Gruppe der Männer um Ren Dhark, also jene, die wir zu fürchten haben - ich denke da an Janos Szardak, Ralf Larsen, an Eylers, an diesen verdammten Huxley mit seinen Verbindungen zu den Nogks und noch an einige andere - auch diese Gruppe ist nur klein. Ren Dhark selbst ist, falls er lebt, auf Hidplace gefangen. Es wird ihm schwerfallen, von dort wieder wegzukommen. Außerdem startet morgen früh, wenn wir zurück sind, die .größte Suchaktion nach Dhark, seinem Freund Riker und diesen andern beiden Figuren, über deren seltsame Natur wir noch nichts wissen. Nein, Patrick, unsere Chancen stehen gut. Unsere Einsatzgruppen auf der Erde arbeiten vorzüglich. Über kurz oder lang erreichen wir unser Ziel!“ Das Vipho summte. De Ruy blickte in den Schirm. „Alle Schleusen geschlossen, Sir. Schiff ist startklar!” De Ruy nickte. „Gut, Waoni! Kümmern Sie sich jetzt mit Ihren Leuten um unsere Passagiere. Das gilt für die gesamte Dauer des Fluges. Sie sind von jedem andern Dienst suspendiert! ENDE!” Er wartete keine Erwiderung ab. Sein Dritter Offizier, ein kleiner Malaye, wußte Bescheid. Er war der geeignetste Mann für diese Aufgabe. Gleichzeitig warf er einen Blick auf den Schirm, in dem sich die Schiffe des anfliegenden Raumerverbandes abzeichneten. An ihrer Kursänderung erkannte de Ruy, daß sie die NEMO zwar suchten, aber noch nicht gefunden hatten. „Sehen Sie, Patrick?” fragte der Kommandant nicht ohne Genugtuung. „Der Jett hat sie benachrichtigt, ihnen wahrscheinlich eine einigermaßen präzise Meldung über unsere vermutliche Lage gemacht. Aber sie können uns weder sehen noch orten. Sie können nicht einmal auf gut Glück das Feuer eröffnen, denn ihre Gesetze und ihr sogenanntes Gewissen verbietet ihnen, auf eine Menschenansammlung zu schießen, solange keine kriegerischen Konflikte entstehen. Wir werden jetzt starten, Patrick und ich werde den Herren von Terra einen kleinen Denkzettel verpassen!” De Ruy gab an das, Waffendeck seine Anweisungen. Der riesige Kugelkörper hob ab. Die Oberfläche des Tschad-Sees kräuselte sich. Sonst nichts. Auf seinen A-Grav-Polstern glitt der Robonenraumer davon. De Ruy beobachtete die Terranischen Schiffe sorgfältig. Er spürte förmlich die Unruhe, die in diesem Augenblick an Bord der Kreuzer, Jäger und Sternschnuppen herrschte. Sah an ihrem plötzlichen Formationswechsel, daß sein Start bemerkt worden war, daß sie aber immer noch nicht wußten, in welche Richtung die NEMO sich bewegte. De Ruy wartete, bis der mittelste Kreuzer des Verbandes in die Zielkoordinaten einwanderte. Wenige Minuten später war es soweit. „Pressor IV und V Feuer!”
Im Schiff heulten schwere Aggregate auf. Aus dem Nichts brachen plötzlich meterdicke Strahlen hervor und rasten auf das Flaggschiff des Verbandes, die TERRA, zu. Dem Raumer blieb keine Zeit zu einer Gegenreaktion. Die Druckstrahlen der Pressorbatterien der NEMO saßen mitten im Ziel ... * Marschall Bulton und Bernd Eylers hörten gerade noch den warnenden Ruf des Kommandanten, dann flogen sie auch schon trotz der voll arbeitenden Schwerkraftkompensatoren durch die Zentrale. Auf den Schirmen der TERRA begann alles zu kreisen. Die Wolken und Plantagen samt TschadSee drehten sich in einem irren Wirbel durch die Koordinaten. Bernd Eylers lag neben dem Marschall auf dem Boden der Zentrale. Ihre Körper wurden von unheimlichen Kräften gegen den Plastikbelag gepreßt. Der Druck ließ erst nach, als die Schwerkraftkompensatoren diesen allzu plötzlich erfolgten Stoß abfingen. Fluchend kamen die beiden Männer auf die Füße. Der Marschall blutete aus einer Wunde am Schenkel. Als einer der Offiziere hinzuspringen wollte, wies er ihn barsch zurück. „Ich sterbe nicht daran!” fauchte er und stampfte zum Schirm hinüber. Er sah, wie die übrigen Schiffe seines Verbandes einem imaginären Objekt nachjagten. Die TERRA selbst befand sich fast außerhalb der Atmosphäre, ehe es dem Kommandanten gelang, sein Schiff wieder in die Gewalt zu bekommen. „Lassen Sie sofort bei den andern Schiffen anfragen, ob man irgendwelche Beobachtungen machen konnte. Strukturerschütterungen oder ähnliches!” befahl der Marschall, während unter seiner kantigen Stirn die Gedanken jagten. Er blickte den GSO-Chef an. „Eylers, das war eben eine Ungeheuerlichkeit! Die Robonen hätten uns mit Leichtigkeit vernichten können, Sie haben sich aber mit einer Warnung, mit einer Art Denkzettel oder auch Machtdemonstration begnügt! Trotz der, wie sich ja nun herausgestellt hat, äußert präzisen Angaben der beiden Snides haben wir von hier oben keinen einzigen Robonen gesehen. Von dem Raumer ganz zu schweigen! Nichts! Was schließen Sie daraus, Eylers?“ Der GSO-Chef biß auf seiner Oberlippe herum. „Sie verfügen über einen Unsichtbarkeitsschirm”, erwiderte er nach einer Weile. „Undurchdringlicher noch als der der Nogks. Außerdem ...“, Eylers griff nach einer Folie und skizzierte mit einigen raschen Strichen, was er meinte, „müssen sie in der Lage sein, gegen die Sicht von oben einen zweiten, vielleicht pilzförmigen Zusatzschirm aufzubauen. Unter ihm können dann ungestört die Verladungen von Robonen und Material stattfinden. Kein Patrouillen-Raumer kann sie auf diese Weise bemerken. Gegen Annäherungen von unten werden sie sich absichern. Ich bin überzeugt, daß sie die beiden Snides lange entdeckt hatten, ehe wir ihre Meldung bekamen!” Marschall Bulton drehte die Skizze zwischen seinen Fingern. Unterdessen liefen von den anderen Schiffen des Verbandes die ersten Meldungen ein. „Strukturerschütterung auf Koordinate Rot 23:46,07. Fremder Raumer transistierte vor fünf Sekunden. Austrittspunkt nicht zu ermitteln.“ Der Marschall ließ sich in einen Sessel fallen. „Aktion abbrechen!” befahl er mit heiserer Stimme. „Alle Schiffe des Verbandes kehren unverzüglich nach Cent Field zurück. Die beiden Snides sollen sich nach ihrer Rückkehr bei Eylers und mir melden!“ Anschließend drehte er sich in seinem Sessel zu dem GSO-Chef herum.
„Eylers, ich fürchte, wir werden uns, nun sehr bald etwas einfallen lassen müssen! Anderenfalls könnten wir eines vielleicht gar nicht mehr fernen Tages eine böse Überraschung erleben!” Bernd Eylers nickte verbissen. Dann hockte er sich ebenfalls in einen der Sessel und sprach bis zur Landung der TERRA auf der Piste des Raumhafens kein Wort mehr... Während die NEMO Kurs auf Hidplace nahm, begannen sich die Ereignisse auf dem Planeten zu überstürzen. Allon Sawall stand ruckartig auf. Seine Augen wanderten über die versammelten Offiziere. Dann glitten sie zu den acht Giants hinüber, die regungslos an der anderen Seite des Konferenzsaales standen und aus ihren gelben Augen zu ihm herüberstarrten. Ihre Raubtierköpfe, die ihren zweieinhalb Meter großen Körpern ein unheimliches. unsagbar fremdes Aussehen verliehen und von denen wiederum jeder einzelne völlig verschieden vom andern war, bewegten sich nicht. Die Giants wurden Allon Sawall fast mit jeder Stunde unheimlicher. Sie waren allgegenwärtig. Antworteten jedoch auf keinen seiner Kontaktversuche. Nicht auf Schlangenzischen und auch nicht auf gedankliche Konzentration. Jede Frage, die er ihnen stellte, versackte im Nichts ihrer Schweigsamkeit. Gewaltsam riß er seine Blicke von der Gruppe der Giants los. „Sobald die NEMO gelandet ist, beginnt unsere Aktion. Meine Beweise dafür, daß Dhark und seine Gefährten nach wie vor leben und sich irgendwo auf Hidplace aufhalten, sind untrüglich. Dhark ist der wichtigste Mann der Erde. Wir missen ihn wieder in unsere Gewalt bekommen, lebend! Das ist ein Befehl. Wer ihn tötet, auch wenn es in Notwehr oder aus Versehen sein sollte, hat sein Leben selber verwirkt. Gehen Sie jetzt ...“ Das Summen des Viphos unterbrach Allon Sawall. Ärgerlich schaltete er das Gerät auf Empfang. „Was gibt es, ich hatte doch ausdrücklich befohlen, mich nicht zu stören!” herrschte er den Mann der Zentrale an. Sein großer dunkelhäutiger Körper richtete sich bei den letzten Worten mit einer unbewußten, herrischen Bewegung hoch auf. Die dunklen Augen loderten und bildeten einen seltsamen Kontrast zu seinem sorgfältig gepflegten, eisgrauen Haar. Aber der Mann auf dem Schirm ließ sich nicht einschüchtern. Fast trotzig klang seine Entgegnung. „Ich habe von der Ortungszentrale eine dringende Meldung für Sie. Es ist meine Pflicht, sie sofort an Sie persönlich weiterzuleiten, Sir!” Der Mann griff nach der Folie. Dann verlas er den Text, jedes Wort aufsässig betonend. „Starke Energie-Emissionen über den Paradise-Bergen. Genaue Position Grün 28:03,47. Diagramm weist auf Strahlung unbekannter Aggregate hin. Wahrscheinlich Triebwerks-Emissionen von mindestens drei, vermutlich vier Kleinraumern. Gegenwärtige Höhe 35 Kilometer über NN. Eigenbewegung Null.” Allon Sawalls Augen begannen zu funkeln. „Dhark!” stieß er hervor. „Es könnten einige seiner Flash sein!” fuhr er dann murmelnd in seinen Überlegungen fort. „Irgendwie müssen seine Gefährten ihn nun doch gefunden haben, oder er hat sich mit ihnen in Verbindung gesetzt!” Sawall stieß eine Verwünschung aus. Ren Dhark durfte ihm nicht entkommen, das mußte er mit allen Mitteln verhindern! Er fuhr herum und starrte den Mann auf dem Viphoschirm an.
„Befehl an NEMO, Kommandant de Ruy: Sofort Kurs auf die Paradise-Berge nehmen. Kontakt mit fremden Objekten halten. Nur im Notfall angreifen, unter allen Umständen jedoch jede Landung und auch den Versuch dazu verhindern! übermitteln Sie das, schnell!“ Ohne einen weiteren Blick auf den Schirm zu verschwenden, wandte er sich sofort an die versammelten Offiziere. „Wir starten sofort! Aktion verläuft wie besprochen. Anordnungen bezüglich der fremden Objekte über den Paradise-Bergen nur von mir persönlich!” Allon Sawall verließ mit schnellen Schritten den Konferenzraum. Knapp zehn Minuten später hob von den Hochstraßen und Dachlandeplätzen der Robonenstadt Anon eine Gruppe von schnellen Jetts modernster Bauart ab. Über ihnen donnerte der gewaltige Kugelrumpf der NEMO durch die Nacht, die ihre Landung abgebrochen hatte und nun mit ihren Tausenden von Passagieren an Bord dem befohlenen Ziel entgegenjagte. Erschrocken fuhren die Bewohner der Stadt in ihren würfelförmigen Häusern aus dem Schlaf. Unruhig starrten sie in den lodernden Himmel, über den die ständigen Entladungen der As-OnenTriebwerke des Raumers wie ein schweres Gewitter zuckten. Henry de Ruy saß mit verbissenem Gesicht in seinem Kommandantensessel. Der erfahrene Mann spürte, daß dieses Unternehmen anders verlaufen würde, als Sawall sich das vorstellte. Irgendwie warnte ihn sein sechster Sinn, dessen Stimme ihn noch nie getäuscht hatte. „Patrick, sorgen Sie dafür, daß alle Waffendecks ab sofort gefechtsklar sind. Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Mit einem derartig beladenen Schiff fliegt kein vernünftiger Mensch einen solchen Einsatz!” Der I.O. warf seinem Kommandanten einen erschrockenen Blick zu. Es war sehr selten, daß de Ruy sich pessimistisch gab, aber wenn, dann ging auch regelmäßig etwas schief. Er beeilte sich, den Befehl des Kommandanten auszuführen. Als die letzte Klarmeldung in der Zentrale einlief, kamen die Paradise-Berge in Sicht. Deutlich sahen sie die fünf kugelförmigen Körper zwischen den Koordinaten ihrer Ortungsschirme stehen. Sie sackten langsam tiefer, offenbar wollten sie in einem der Bergtäler landen. Henry de Ruy zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Genau, wie er sich es gedacht hatte. Er sollte die fremden Objekte an der Landung hindern. Wenn erforderlich mit Waffengewalt. „Erkennungsdienst!” De Ruy schwang herum und starrte in den Vipho-Schirm der Ortungszentrale. Der Offizier schüttelte den Kopf. „Sehen aus wie Robotsonden, Sir. Sind aber wesentlich größer. Auswertung läuft noch - ja, wieviel?” unterbrach er sich. „Drei Meter, mindestens zwei im Durchmesser. Reagieren auf keinen Anruf!” „Danke!” De Ruy wandte sich an seinen I.O. „Warnschuß! Aufforderung wiederholen, jeden Landungsversuch sofort einzustellen. Andernfalls erfolgt scharfer Beschuß bis zur Vernichtung!” Die Versorgungsmeiler der Waffendecks heulten auf. Der Warnschuß verließ eine der Strahlantennen. Haarscharf vor den Kugeln durchschnitt der dicke Energiestrahl die aufglühende Atmosphäre. Der Funker begann den Spruch abzusetzen. Aber er kam nur bis zu den ersten Impulsen, dann geschah etwas völlig Unerwartetes, Unfaßbares.
Die Besatzung der NEMO erstarrte. Ihre Finger verkrampften sich von einer Sekunde zur andern. Niemand vermochte auch nur ein Glied zu rühren. De Ruy sah, wie die fremden Objekte auf den Schirmen der NEMO erloschen. Statt ihrer stand für den Bruchteil von Sekunden ein nebelartiger, sich unheimlich schnell ausdehnender Fleck zwischen den Koordinaten. Er wuchs ins Gigantische und griff nach den Gehirnen der Männer. Ein Wesen, ein Antlitz, etwas, das alle erkannten, das jedoch keiner begriff. Sie sahen es und waren dennoch unfähig, es geistig zu erfassen. Es zwang sie aus ihren Sitzen, verkrümmte ihre Körper unter entsetzlichen Krämpfen und Zuckungen und schleuderte sie auf die Böden von Decks, Gängen, Zentralen und Stationen. Die Männer brüllten vor Entsetzen. Dann kam die Helligkeit. Dieses grauenhafte Licht, das von den Zügen dieses unfaßbaren Wesens auf sie eindrang, das sie ihre Arme hochreißen und vor die Augen pressen ließ, das jede einzelne Zelle ihres Körpers wie Höllenfeuer durchflutete. Das entsetzliche Gesicht blieb über ihnen, in ihnen, zwischen ihnen. Als sie sich endlich stöhnend, schweißgebadet, mit zitternden Gliedern wieder aufrichteten, war es noch immer da. „Der Cal!” brach es aus de Ruy hervor. „Als Einheit, als Wesen, nicht als Fünfergruppe!” Seine Lippen zuckten. Die ganze entsetzliche Todesangst der vergangenen Minuten stand noch in seinen Augen. Wie in Trance gab er den Befehl, zum Raumhafen nach Anon zurückzukehren. Widerspruchslos führten die Männer die Anweisungen ihres Kommandanten aus, während die grauenhafte Erscheinung in ihrem Bewußtsein verblaßte und die Konturen ihrer Stadt zwischen den feinen Gittern der Meßkoordinaten erschienen. Als die NEMO schließlich aufsetzte und ihre Triebwerke verstummten, saß Henry de Ruy noch eine ganze Weile schweigend in seinem Kommandantensessel. Unaufhörlich rann ihm der Schweiß über den Körper. Er erhob sich erst mühsam, als auch die Jetts Allon Sawalls taumelnd landeten. An den Bewegungen der Maschinen erkannte er, daß es Sawall und seinen Männern nicht besser ergangen war als ihm selber.., Dunkel wurde de Ruy bewußt, daß der Cal in dieser Nacht zum erstenmal auf eine solche Weise seine Macht über sie demonstriert hatte. Er beobachtete, wie Sawall seinen Jett verließ. Sein großer, sonst so herrischer Körper wirkte gebeugt. De Ruy kannte Sawall. Dieser Schlag, diese Demonstration absoluter Macht mußte den Diktator der Robonen weit schlimmer getroffen haben als sie alle. Es war die zweite Schlappe, die dieser Mann innerhalb kürzester Frist auf Hidplace hinnehmen mußte ... De Ruy erhob sich. „Patrick, lassen Sie die Schleusen öffnen. Veranlassen Sie die sofortige Ausschiffung der Passagiere. Sawall wartet auf mich!” Er wies auf den Schirm. Im gleichen Augenblick summte das Vipho. Aber de Ruy ging nicht an den Apparat. „Sagen Sie, daß ich bereits auf dem Wege zu ihm bin!” Der I.O. starrte seinem Kommandanten aus schmalen Augen nach. So hatte er de Ruy noch nie erlebt ... Ren Dhark lehnte keuchend in der Felsnische, in der sich ihr Lager befand. Ungläubig blickte er auf die Stelle, an der noch eben diese entsetzlichen Bestien gestanden hatten. Jetzt glühten dort die Fel-
sen und strahlten eine fast wohltuende Wärme durch die kalte Nacht zu ihnen herüber. Aber das empfand er gar nicht. In seinem Gehirn arbeitete es fieberhaft. Wer war ihnen da zu Hilfe gekommen? Die schwarzen Weißen etwa? Aber dann erinnerte er sich, daß die vernichtenden Energiestrahlen von oben und nicht aus den Felsen gekommen waren. Hatten die Schwarzen etwa auch Raumschiffe? Ren Dhark sah seinen Freund Dan Riker an, während sein Atem langsam ruhiger wurde. „Hast du eine Erklärung, Dan? Hast du eine Vorstellung, woher diese Hilfe in buchstäblich letzter Sekunde gekommen sein könnte?“ Dan Riker schüttelte den Kopf. Zu einer Antwort kam er nicht mehr. Denn von Ferne drang das Dröhnen gewaltiger Triebwerke zu ihnen herüber. Jos Aachten van Haag und die Cyborgs Bram Sass und Lati Oshuta ruckten herum. „Ein Raumer! Das sind die Triebwerke eines Raumers, Dhark!” flüsterte Jos. In ihre eben noch schreckensstarren Körper kam Leben. Die fünf Menschen hasteten aus ihrer Felsnische heraus und klommen in den Felsen empor bis auf jenes kleine Plateau, von dem aus sie einen leidlichen Überblick über das Gebirge hatten. Und dann sahen sie das Schiff. Einen riesigen Kugelraumer, dessen Triebwerks-Emissionen wie Wetterleuchten durch die Nacht zuckten. „Dan, das ist ein Giant-Raumer. Ich erkenne das deutlich an seinen As-Onen-Triebwerken!” Ren Dhark preßte die Worte hervor, während sich die Muskeln seines Körpers reflexartig spannten. „Aber wer fliegt ihn? Sawalls Leute? Haben sie uns entdeckt?” Unwillkürlich fuhr seine Hand zur Waffe. Auch Jos' Rechte zuckte zur Hüfte. Dis Donnern der Triebwerke wurde überlagert durch ein rasch anschwellendes Singen, das sich ihnen nun ebenfalls von Westen her kommend näherte. „Jetts! Verdammt, Dhark, Sawall hat uns entdeckt! Die Burschen haben uns die Bestien vom Hals geschafft, um uns jetzt um so sicherer zu kassieren!” Verbitterung klang in Jos' Stimme durch. Doch dann geschah etwas Seltsames. Der Raumer drehte plötzlich in einer halsbrecherischen Kurve ab. Er flog links an den Paradise-Bergen vorbei. Das Donnern seiner Triebwerke wurde schwächer und verklang schließlich. Nicht anders verhielt es sich mit dem Singen der Jett-Aggregate. Auch sie erstarben überraschend schnell, ohne daß die Männer auch nur eine einzige der Maschinen zu Gesicht bekommen hatten. „Was... Himmel und Hölle, Ren, was bedeutet das denn nun wieder?“ Dan Riker packte den Freund unwillkürlich am Arm. Dabei bemerkte er den Ruck, der fast gleichzeitig durch die beiden Körper der Cyborgs ging. Ihr zweites System war nach wie vor aktiv, ihre Sinne waren also wesentlich leistungsfähiger als die der drei Gefährten. Besonders die Augen. „Fünf Kleinraumer im direkten Anflug auf uns!” Die Stimme Lati Oshutas durchdrang die atemlose Stille. Die beiden Freunde sahen in die Richtung, in die der Cyborg wies. Fünf Kugeln kamen auf sie zu. Zuerst hielten Dhark und Riker sie für Robotsonden. Als sie jedoch nahe genug heran waren, bemerkten sie, daß die Kugeln statt der stumpfgrauen Außenhülle der Sonden einen schimmernden, metallisch wirkenden Druckkörper besaßen. Außerdem waren sie größer. Schon wollten sie, in Deckung gehen, als sie abermals vor Überraschung ihren Sinnen nicht mehr trauten.
„Die Kugeln landen in den Felsen. Sobald sich ihre Druckkörper öffnen, steigt ein. Der Cal wird euch retten!” „Der Cal!“ Ren Dhark stieß die Worte betroffen hervor. Wenn er mit allem gerechnet hätte, damit nicht! Wie kam der Cal dazu, sie gerade jetzt zu retten, nachdem sie mit knapper Not dem Angriff jener entsetzlichen Bestien entgangen waren? Nachdem auf rätselhafte Weise auch Sawalls Such- und Greifkommandos wieder umgekehrt waren? Auf rätselhafte Weise? Ren Dhark zuckte unter der jähen Erkenntnis wie unter einem elektrischen Schlag zusammen. Der Cal hatte sich eingeschaltet! Er hatte die Bestien verjagt, er hatte Sawall und seine Häscher zur Umkehr gezwungen! Er blickte zu den fünf Kugeln empor, die sich inzwischen nahezu senkrecht über ihnen befanden. Sie zögerten einen Moment lang und standen bewegungslos in der Nacht. Dann senkten sie sich wie auf Kommando. Aus der Unterseite der schimmernden Druckkörper drückte sich ein wulstartiger Ring hervor, der drei um 120 Grad gegeneinander versetzte konusförmige Stützbeine aufwies. Ren Dhark begriff sofort, daß diese Vorrichtung die bei den Giant-Raumern sonst üblichen Teleskopbeine ersetzte. Im stillen bewunderte er die Genialität, mit der die Raubtierköpfe dieses Problem gelöst hatte. Und wieder einmal fragte sich Ren Dhark, woher diese merkwürdige, selbst nach all den Jahren und Kämpfen immer noch unbegreifliche Rasse ihr Können, ihr Wissen nahm. Denn nirgends hatten sie bisher irgendwelche Hinweise dafür gefunden, daß es bei den Giants eine technische Entwicklung gab. Produktionszentren ja, andere in ihrer Perfektion geradezu unbegreifliche Anlagen — aber alles stets komplett. Niemals hatten sie eine Sache, ein Bauwerk oder eine Anlage entdeckt, die noch unfertig, unvollendet war. Ren Dhark riß sich aus seinen Gedanken, denn die Kugeln setzten auf dem felsigen Boden auf. Sekunden später öffneten sich wie von Geisterhänden betätigt die Druckkörper, indem die oberen Hälften der Kugeln wie Schalen zurückglitten. Er trat auf eines dieser merkwürdigen Fahrzeuge zu. Das Innere der Kugeln wurde von der gleichen schattenlosen Helligkeit erfüllt, die auch die Außenwandungen der Druckkörper umgab. In dem eigenartigen, flimmernden Licht erkannte er die Umrisse eines Konturensitzes. Viel zu groß für einen menschlichen Körper, aber ganz sicher bequem und durchaus auch für einen längeren Aufenthalt in der Kugel geeignet. Neben dem Sitz traten die glitzernden Bahnen von Kontaktflächen verschieden-artigster Formen und Größen hervor. Hier und da hoben sich auch die Umrisse kleinerer Aggregate ab. Prüfend glitten Ren Dharks Finger über die Kante der Schalenhälfte. Die Kugel war doppelwandig. Die beiden ineinander liegenden Zellen hatten einen ungefähren Abstand von 30 Zentimetern. Nicht viel und doch eine Menge Raum, um zwischen ihnen alles mögliche unterzubringen. „Steigt ein, beeilt euch, Terraner!” Ren Dhark und seine Gefährten zuckten unter den starken Impulsen der telepathischen Botschaft des Cal förmlich zusammen. Irgend etwas in ihr klang so fordernd, so drängend, daß bei den Menschen schon fast das Gefühl einer hypnotischen Beeinflussung aufkam. Ren Dhark wandte sich um. Erst jetzt sah er, daß Dan Riker, Jos und die beiden Cyborgs unmittelbar hinter ihm standen. „Also, worauf warten wir denn noch?”
Dan Riker trat einen Schritt zurück. Im schwachen Licht, das die Kugeln ausstrahlten, erkannte Ren Dhark die Ablehnung und die Entschlossenheit in seinen Zügen. Blitzschnell blickte er zu Jos und den beiden Cyborgs hinüber. Auf allen Gesichtern der gleiche, verbissene Ausdruck. „Wir steigen nicht ein, Ren. Und du auch nicht!“ Dan Riker sagte es ganz ruhig. Aber in seiner Stimme war etwas, das Ren Dhark aufhorchen ließ. „Das ist eine Falle, Ren!” fuhr Riker fort. Jos nickte zu seinen Worten. Sein langes, schmales Gesicht wirkte starr. „Wenn wir einsteigen und die Kugeln schließen sich über uns, dann sind wir gefangen, endgültig. Dann gibt es kein Entkommen mehr!” Jos hagerer Körper löste sich aus dem Halbdunkel und kam auf Ren Dhark zu. „Dhark, ich bin nun lange genug Agent, ich lebe schon zu lange ständig mit einem Bein im Sarg, um diese Falle, diese Gefahr nicht zu wittern! Haben Sie denn ganz vergessen, daß die Giants praktisch die Gebieter der Robonen sind? Wie nun, wenn uns diese verdammten Kugeln zu Allon Sawall und seinen Häschern schaffen?” Ren Dhark sah seine Gefährten an. Ihre Argumente waren keineswegs von der Hand zu weisen. Und doch sträubte sich alles in ihm dagegen, hier an eine Falle zu glauben. „Sass, Oshuta, was ist Ihre Meinung?“ Die beiden Cyborgs traten einige Schritte vor. Über die Rückschaltungsphase waren sie wieder zu normalen Menschen geworden. „Wir glauben, daß Riker und Jos recht haben. Was sollte die Giants dazu veranlassen, uns zu retten? Jetzt, da wir praktisch schon so gut wie tot sind? Denn dieser Planet läßt uns nicht mehr frei. Daran ändert auch unser zweites System nichts. Irgendwann werden wir auf etwas stoßen, dem wir nicht gewachsen sind. Schon die Bestien vorhin hätten uns den Garaus gemacht, wenn nicht unerwartet ...“ „Genau, Sass! Darauf will ich nämlich auch hinaus, das ist der Punkt, an den ich schon die ganze Zeit denke!” Ren Dhark trat noch näher an seine Gefährten heran. „Überlegen wir doch mal logisch! Allon Sawall hätte uns vorhin bekommen. Er hätte uns nur noch abzuholen brauchen. Tot oder lebendig, aber er hätte uns bekommen. Sawall weiß aber ganz genau, daß keiner von uns aufgibt, solange noch Leben in ihm ist. Also hätten wir uns auch nicht von den Felsen gestürzt, wenn seine Jetts gelandet und seine Häscher ihre Hände nach uns ausgestreckt hätten! Sawall weiß das genau! Und dann noch etwas: Nicht die Giants, sondern der Cal will uns retten. Wir haben einen Vertrag mit dem Cal geschlossen. Nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, daß der Cal beabsichtigt, diesen Vertrag zu brechen. Ich kann mir nicht helfen: Ich vertraue dem Cal. Und wenn er uns jetzt diese Kugeln schickt, dann werden wir jetzt einsteigen. Es ist unsere einzige Chance. Die Bestien von vorhin können jeden Augenblick wieder auftauchen. Unsere Blaster sind leer, die Schocker halten auch nicht mehr lange. Also, was ist nun? Wollt ihr meinem Rat folgen oder nicht? Ihr wißt genau, daß wir zur Erde zurück müssen, wir sind verantwortlich für alles, was dort geschieht! Es ist ganz einfach unsere Pflicht, jede Chance zu ergreifen, die sich uns bietet. Auch dann, wenn wir Bedenken haben. Denn es geht hier nicht um uns, sondern um die Erde, denkt daran! Und nun entscheidet euch!” Ren Dhark stand hochaufgerichtet vor seinen Gefährten. Dan Riker starrte ihn aus ungläubigen Augen an. Da war er wieder, der alte Ren Dhark! Ein Mensch wie sie, mit Fehlern und Schwächen. Und doch ein Mann, der bisher in allen wesentlichen Dingen immer noch einen Ausweg gefunden, eine Entscheidung getroffen hatte, die sich letzten Endes mit nur ganz wenigen Ausnahmen als gut, als richtig erwies. So sehr sich in Dan Riker auch alles dagegen sträubte, sich diesen Kugeln anzu-
vertrauen, den Argumenten seines Freundes vermochte er sich nicht zu verschließen. Auch wußte Riker, daß seine Entscheidung ausschlaggebend für die anderen sein würde. Konnte er denn eigentlich seinem Freund Ren Dhark, den Gefährten der jahrelangen Kämpfe, den Commander der Planeten, jetzt im Stich lassen? Ohne es zu wissen schüttelte er den Kopf. Gleichzeitig spürte Dan Riker, wie ganz tief in seinem Innern das Bild seiner jungen Frau Anja entstand. O doch, er wollte, er mußte leben! Für die Erde, aber nicht nur für sie. Auch für Anja! Jede sich bietende Chance mußten sie nutzen. Allon Sawall auf der einen Seite, grauenhafte Bestien, Kälte, Hunger und Erschöpfung auf der andern. Er sah Ren Dhark an. „Gut, Ren. Ich steige ein. Du hast recht: Wir sollten es versuchen. Schlimmer als es jetzt um uns steht, kann es kaum noch werden!“ Er drehte sich zu Bram Sass, Lati Oshuta und Jos Aachten van Haag um. „Und ihr, wie habt ihr entschieden?“ Jos zuckte die Achseln. „Well, ich mache mit. Habe schließlich keine Lust, mich hier zum Schluß mutterseelenallein mit diesen Biestern herumzuraufen!“ Die beiden Cyborgs stimmten ebenfalls zu. Ren Dhark verschwand als erster in einer der Kugeln. Wenig später verließen die fünf Kugeln das kleine Felsplateau in den Paradise-Bergen. Paradise-Berge! Paradies! Welch ein Hohn, dieser Name! dachte Dan Riker, während ihn die wahnsinnige Beschleunigung tief in die Konturen seines viel zu großen Sitzes preßte. Dann verschwamm das Innere seiner Kugel vor seinen Augen. Er registrierte nicht mehr genau, wohin und wie schnell er sich bewegte. Er wußte nicht einmal mehr, ob die Kugel immer noch stieg oder bereits wieder zur Landung ansetzte. Seinen Gefährten erging es nicht besser. Ren Dhark kam durch den Ruck wieder zu sich, mit dem seine Kugel aufsetzte. Gleichzeitig durchdrangen ihn Impulse, die ihn zwar sofort hellwach sein ließen, die er aber nicht zu deuten wußte. Die Kugel öffnete sich. Zusammen mit ihm kletterten die anderen aus ihren Flugkörpern. Verwundert sahen sie sich um. Dann stieß Jos plötzlich eine Verwünschung aus. Entgeistert starrte er auf die Hochstraße, auf der er und seine Gefährten standen. Aus schmalen Augen fixierte er das hohe, würfelförmige Gebäude, das im Abstand von einigen hundert Metern vor ihnen stand. Verfolgte mit den Augen die sich dort von allen Seiten vereinigenden Hochstraßen, die jenes Bauwerk im Zentrum der Stadt in einem weiten Kreis umliefen. An der Innenseite dieses Ringes bemerkte er auch wieder jene kleinen, röhrenförmigen Schächte, die sowohl vom Highway — unwillkürlich drängte sich ihm dieser Ausdruck wieder auf — nach unten als auch hinüber in das Zentralgebäude führten. Jos erkannte, wo er sich befand. Jeder Zweifel war völlig ausgeschlossen. Sie standen haargenau auf der Hochstraße jener kleinen Stadt, in der er vor wenigen Tagen erst auf der Flucht vor den Robonen mit seinem Jett gelandet war. Ungefähr an dieser Stelle hatte er dann die weißen Schwarzen entdeckt. Dunkel stieg in ihm die Erinnerung daran auf, wie er seinen Schocker wieder in die Halfter stecken wollte, um mit den Fremden zu verhandeln. Doch dann kam jener Blitz ... Er wirbelte herum. Aber noch ehe er dazu kam, auch nur ein einziges Wort zu sagen, ließ ihn das scharfe Geräusch der sich wieder schließenden Druckkörper der Kugeln abermals herumfahren. „Halt, verdammt nochmal, halt ...”, brüllte er unwillkürlich und streckte die Hand nach seiner Kugel aus.
Eine Reflexbewegung, eine sinnlose Geste. Die Kugel hob ohne Rücksicht auf seinen Protest ab und verschwand heulend mit den anderen vier im blauen Himmel über der Stadt. Jos starrte ihren schimmernden Druckkörpern fassungslos nach. Dann erst kam ihm zum Bewußtsein, daß inzwischen Tag war, daß die Sonne Nabob ihre Strahlen über die Bauten und Straßen der Stadt warf. Jos drehte sich langsam zu seinen Gefährten um. Er sah das verkniffene Gesicht Dan Rikers, die bedenklichen Mienen der beiden Cyborgs und Ren Dharks. „Wißt ihr eigentlich, wo wir uns befinden?” fragte er leise. Dhark nickte. „Wir kennen diese Stadt, Jos! Nicht an dieser Stelle, aber doch zwischen ihren Bauten sind wir den beiden Robotern begegnet. Ich erkenne die Stadt an jenem Gebäude dort, an dem Ring der Hochstraße, der es umläuft!” Jos ließ resigniert die Schultern sinken. „Und jetzt? Wenn mich nicht alles täuscht, dann wird es nicht lange dauern, bis wir Besuch bekommen, Dhark. Ich denke, der verdammte Cal hat uns doch in eine hübsche kleine Falle gelockt, denn mit diesem Pärchen von Schwarzen, die aussehen wie Standbilder aus dem alten Hellas zu seiner Blütezeit, mit diesen beiden ist absolut nicht zu spaßen! Ich habe es erfahren, ziemlich genau hier an dieser Stelle!” Dan Riker wollte etwas hinzufügen, aber er kam nicht mehr dazu. „Sie hatten recht, Jos, da sind sie schon!” Die Männer fuhren herum und blickten in die Richtung, in die Ren Dhark wies. Tatsächlich, da standen sie. Ein Mann und eine Frau., Ebenholzschwarz, dennoch im Aussehen wie Weiße. Nichts an ihnen erinnerte auch nur im geringsten an negriden Einschlag. Ihre Körper waren von einem Ebenmaß, wie es der beste Bildhauer auf der Erde niemals zu schaffen vermochte. Sie sahen zu den fünf Menschen hinüber. Dann setzten sie sich langsam in Bewegung und kamen auf Ren Dhark und seine Gefährten zu. „Laßt ja die Hände von den Waffen!” warnte Jos. „Sie auch, Riker!” fügte er schärfer hinzu, als Dan Riker trotz seiner Warnung seine Rechte langsam zur Hüfte schob. „Ich möchte diesmal wenigstens bei Bewußtsein erleben, was sie mit uns machen!” Dan zog seine Hand zurück. Wenige Meter vor ihnen blieben die Schwarzen stehen. Der Mann machte ihnen ein Zeichen. Ren Dhark und seine Gefährten verstanden sofort. „Wir sollen ihnen folgen! In das Gebäude dort!” Jos ergriff diesmal die Initiative. „Also, gehen wir. Worauf warten wir denn noch? Wenn die uns in das Gebäude haben wollen, dann bekommen sie uns auch dorthin. Nur, wie gesagt, diesmal möchte ich gern wissen, was mit mir geschieht!” Der Agent nickte den beiden Schwarzen zu und ging gleichzeitig los. Die andern folgten ihm langsam. Dan Riker war gar nicht wohl in seiner Haut. „Es ist Wahnsinn, was wir tun, Ren!” flüsterte er. Aber Ren Dhark beschwichtigte ihn.
„Wir werden sehen, Dan! Jedenfalls befinden wir uns nicht bei Sawall und seinen Leuten, das ist schon mal ein Vorteil!” Die Schwarzen setzten sich an die Spitze des kleinen Zuges. Durch eine der Röhren liefen sie von der Hochstraße zu dem Zentralgebäude hinüber. Dort warteten sie, bis Dhark und die andern ebenfalls vor der Rampe standen, die tiefer in das Gebäude hineinführte. Dann gingen sie weiter, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach den fünf Menschen umzusehen. Rampe für Rampe stiegen sie hinab. Längst mußten sie sich tief unter der Oberfläche der Stadt befinden. Wieder betraten sie eine neue Rampe. Sie war etwas steiler als die andern. Manchmal hatten sie Mühe, auf der Schräge nicht auszugleiten. Vor ihnen wurde es zusehends dunkler. Dan Riker faßte seinen Freund am Arm. „Ren, wir sollten nicht mehr weitergehen! Uns droht Gefahr, ich spüre es!” Er hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als die beiden Schwarzen stehenblieben. Ihre Augen glommen durch die Dunkelheit. Sekundenlang sahen sie die Menschen an. Ren Dhark spürte plötzlich den eiskalten Luftzug, der vom Ende der Rampe her aus der Finsternis zu ihnen herüberwehte. Auch Jos Aachten van Haag nahm ihn wahr. Und dann begriff der Agent, der sich vor Dhark und den andern unmittelbar hinter den Schwarzen befand. „Ein Schacht, Vorsicht, am Ende der Rampe befindet sich ein ...“ Weiter kam er nicht. Denn bei seinem letzten Wort griff eine unheimliche Kraft nach den Menschen. Sie fühlten, wie ihnen die Beine unter dem Körper weggerissen wurden, wie sie durch die Luft über die Rampe in die gähnende Finsternis hineinflogen. Dann fielen sie. Ihre Körper drehten und überschlugen sich. Aber wohin sie in ihrer Angst, in der plötzlich aufsteigenden Panik auch griffen: Sie berührten nichts, sie sahen nichts, sie registrierten nur, wie sie immer schneller, immer tiefer fielen. Jos, der den anderen viele Meter voraus war, schrie plötzlich gellend auf. So grauenhaft hallte sein Schrei durch die Finsternis, daß den anderen das Blut in den Adern zu erstarren drohte. Die Cyborgs versuchten ihr zweites System einzuschalten, aber auch sie kamen nicht mehr dazu. Denn im nächsten Augenblick schrien sie und ihre Gefährten genauso wie vorher der Agent. Ihre Körper krümmten sich unter geradezu grauenhaften Schmerzen. Irgend etwas schien an ihren Gliedern zu zerren und sie zu zerreißen. Das letzte, was Ren Dhark spürte, war. daß der Körper Dan Rikers gegen den seinen prallte. Instinktiv, vor Schmerz schon fast ohne Bewußtsein, packte er zu. Dann wußte er plötzlich nichts mehr. In ihm wurde es dunkel. Ren Dhark und seine Gefährten verloren das Bewußtsein. * Das erste, was sie erblickten, als sie wieder zu sich kamen, waren die Körper der acht Giants, deren gelbe Augen sie ohne jede erkennbare Regung anstarrten. Ren Dhark sprang auf. Erstaunt stellte er fest, daß weder der grauenhafte Sturz noch der entsetzliche Schmerz irgend etwas in ihm zurückgelassen hatte. Seine Gefährten machten an sich die gleiche Feststellung.
Verwundert sahen sie sich an. Sie befanden sich in einem Raum mit viereckigen Sichtöffnungen, die aber völlig offen und ungeschützt waren. Zusammen mit Dan Riker traten sie an eine der Fensteröffnungen und erschraken. Es bedurfte nur eines einzigen Blickes und sie wußten, wohin die Schwarzen sie befördert hatten. „Himmel und Hölle, Ren, wir sind in Anon, in der Stadt Allon Sawalls! Die Schwarzen haben uns an die Robonen ausgeliefert. Die ganze Sache war ein abgekartetes Spiel!” Er fuhr herum und starrte die acht Giants aus wutblitzenden Augen an. „Man sollte diese verdammten Burschen einfach umlegen, Ren!” tobte er. „Vielleicht haben wir dann noch eine Gelegenheit, aus dieser Mausefalle zu entwischen!” Doch Ren Dhark wies ihn energisch zur Ruhe. „Verliere jetzt nur nicht die Nerven. Die acht sind Giants, keine Robonen. Nichts deutet im Augenblick darauf hin, daß der Cal uns wirklich verraten hat! Vielleicht sind wir unter dem Schutz der Giants sogar sicherer, als an jedem anderen Ort auf Hidplace!” Dan Riker starrte seinen Freund' an. als zweifle er an seinem Verstand. „Mein Gott, Ren, ich möchte bloß wissen, was eigentlich mit dir los ist? Wie kann denn ein normaler Mensch nur glauben, daß die Giants uns vor dem Zugriff der Robonen beschützen werden! Siehst du denn nicht, daß wir uns in dem Zentralgebäude befinden, in dem Sawall seinen Regierungssitz hat?” Er zog Ren Dhark abermals zu jenem Fenster und wies auf das Gewirr von Hochstraßen, das sich unter ihnen über die Würfelbauten der Robonenstadt nach allen Richtungen verlor. Jos gab ihm recht. „Es stimmt, Dhark! Ich kenne dieses Gebäude und die Aussicht von seinem verdammten Flachdach viel besser als mir lieb ist! Es gibt in der ganzen Stadt keinen einzigen Würfel, der die nötige Höhe hätte, um einen derartigen Überblick zu gewähren! Es ist das Regierungsgebäude, in dem wir uns befinden! Wir sollten wahrhaftig machen, daß wir hier fort kommen!” Doch Ren Dhark schüttelte abermals den Kopf. Längst hatte er versucht, zu den acht Giants telepathischen Kontakt zu bekommen. Aber keine seiner Fragen wurde beantwortet. Die Giants gaben durch keine Regung zu verstehen, daß sie ihn verstanden. Trotzdem spürte Ren Dhark, daß bald etwas geschehen würde. Er trat vom Fenster zurück und unterzog den Raum einer eingehenden Musterung. Nach wenigen Minuten entdeckte er im rückwärtigen Teil des Raumes die Mündung eines dunklen Schachtes. Er winkte seine Gefährten heran. „Der Schacht! Vielleicht haben uns die Schwarzen über ein uraltes Transmittersystem nach Anon geschafft! Ich möchte doch gern wissen, welche Rolle sie eigentlich in dieser ganzen Sache spielen! Nur so viel ist sicher: Von diesem Schacht oder dieser Verbindung zu ihrer Stadt wissen Allon Sawall und seine Robonen nichts! Wohl aber die Giants!” Ren Dhark richtete sich aus seiner gebückten Haltung auf und warf abermals einen Blick auf die regungslos dastehenden Giants. Welche Verbindung bestand von den Schwarzen zu den Giants oder umgekehrt? Was hatte der Cal mit diesen perfekten Robotern zu tun? Zu den Gefährten gewandt fuhr er fort. „Wir werden hierbleiben. Ich bin überzeugt davon, daß wir uns keineswegs zufällig hier befinden! Der Cal und die beiden Schwarzen haben genau gewußt, was sie
taten! Ich kann es nicht erklären, aber mein Instinkt sagt mir, daß sehr bald etwas passieren wird! Warten wir es ab. Sawall und seine Häscher brauchen wir zur Zeit jedenfalls nicht zu fürchten!” Dan Riker schüttelte langsam den Kopf. In seinen Mienen stand überdeutlich der Zweifel, als er Ren Dhark jetzt einen undefinierbaren Blick zuwarf. Doch er fügte sich. Zusammen mit den Gefährten hockte er sich auf den Boden. Nur jeweils einer von ihnen behielt durch die fensterlosen Öffnungen die Umgebung im Auge, damit sie vor unangenehmen Überraschungen wenigstens so weit wie möglich sicher waren .. . Janos Szardak saß unterdessen erschöpft im Kommandantensessel vor der Bildkugel in der Zentrale der POINT OF. Seine Stimmung war im Laufe der langen, bisher völlig erfolglosen Suche nach Ren Dhark und seinen Gefährten auf dem absoluten Nullpunkt angelangt. Längst hatte sein Gesicht die früher so gesunde braune Farbe verloren. Janos Szardak wirkte überanstrengt. Aber der eiserne Wille dieses Mannes hielt seinen Körper aufrecht. Er schlief nur sehr wenig, denn als Kommandant des Ringraumers lastete nicht allein die Verantwortung für Schiff und Mannschaft auf ihm. Zu der POINT OF gehörten weitere fünf Kreuzer, die sich zu dieser Stunde in einem anderem Teil des Systems Dg-45 befanden, um auch dort nach irgendwelchen Hinweisen bezüglich der Verschollenen zu forschen. Die POINT OF trieb langsam zwischen den fremden Konstellationen der Sterne. Mißmutig starrte Szardak auf die nadel-feinen, gleißenden Punkte in der Schwärze des Universums. Er war sich in den letzten Tagen schmerzlich der Größe, der ungeheuren Dimensionen des Raumes bewußt geworden. Und mehr als einmal hatte er sich die Frage gestellt, wie sie es überhaupt anstellen mußten, um Ren Dhark und die andern in dieser Unendlichkeit jemals wiederzufinden. Janos Szardak riß sich zusammen. Er wußte, daß derartige Gedanken auch ein Symptom für seine schon nahezu chronische Übermüdung waren. Sein Körper schrie nach Schlaf, schrie nach Luft, Sonne und Erholung. Aber daran war unter den gegenwärtigen Umständen nicht einmal zu denken. Noch einmal las er sich die Daten des Checkmasters sorgfältig durch. Nach einigen Minuten drehte er sich zu dem blonden Ortungsspezialisten, Tino Grappa, herum. „Grappa, sind Sie auch ganz sicher, daß es sich bei den Emissionen um die Austrittspunkte einer Transition innerhalb von Dg-45 handelt? Ich meine: ist daran auch nicht der geringste Zweifel möglich?” Seine grauen Augen sahen den jungen Mailänder an. Doch der schüttelte energisch den Kopf. „Kein Zweifel möglich, Sir!” sagte er. „Nur lassen sich keine exakten Daten ermitteln, auch der Checkmaster ist nicht weitergekommen. Der Austrittspunkt war in seinen Begrenzungen so eigentümlich verschwommen, so, als hätten die Robonen einen neuen Ortungsschutz entwickelt!” Szardak nickte. „Passen Sie weiter auf. Schärfen Sie das auch Ihrer Ablösung ein. Nur wenn wir wenigstens eine ungefähre Ortsbestimmung vornehmen können, werden wir in der Lage sein, den Planeten zu finden, zumindest aber das Sonnensystem, zu dem die Robonen fliegen!” Szardak erhob sich. „Ich werde mich jetzt eine Stunde hinlegen, Grappa. Wecken Sie mich in genau einer Stunde. Wenn etwas Wichtiges sein sollte, unter allen Umständen sofort!” „Jawohl, Sir!” Szardak nickte dem blonden Mailänder zu und verließ die Zentrale. Auf dem Bett seiner in unmittelbarer Nähe der Zentrale gelegenen Kabine streckte er sich aus. Er wollte nicht schlafen, lediglich eine Stunde ruhen, sich entspannen.
Ohne es zu wollen, duselte er ein. Und plötzlich glaubte er zu träumen: In seinem Unterbewußtsein stand in grellen Farben eine Botschaft, wie er sie noch nie vernommen hatte. ...Der Planet heißt Hidplace, er umläuft die Sonne Nabob. Dort findest du Ren Dhark und die anderen vier Männer, nach denen ihr sucht. Sie werden von acht All-Hütern beschützt. Aber beeilt euch, auch der Cal ist nicht allmächtig ... Es folgten noch die exakten Sprungdaten für die POINT OF, die, ohne daß Szardak es merkte, ebenfalls zur gleichen Zeit vom Bordgehirn des Ringraumers eingespeichert wurden. Nach einigen weiteren grelleuchtenden Bildern, die Janos Szardak eine Stadt, ihre genaue Lage auf jenem fremden Planeten, das Gebäude und den Raum zeigten, in dem Ren Dhark und seine vier Gefährten sich befanden, taumelte Szardak empor. Er griff sich an den Kopf. Ein merkwürdig ziehender Schmerz, der wie ein eiserner Ring um sein Gehirn lag, erinnerte ihn nachdrücklich an das, was er soeben gehört und gesehen hatte. „Der Cal!” Szardak schüttelte den Kopf und verstand für den Augenblick gar nichts mehr. Wie in aller Welt kam der Cal eigentlich dazu, ihm eine solche Botschaft zu schicken? Oder war das eine Falle? War das ein raffinierter Trick der Robonen, mit Hilfe giantischer Technik auch die POINT OF in ihre Gewalt zu bekommen? Szardak blieb stehen. Der Druck in seinem Kopf ließ nach, und er konnte wieder völlig klar denken. Doch noch ehe er dazu kam, alles, was er im Unterbewußtsein gesehen und vernommen hatte, einer abermaligen Prüfung zu unterziehen, meldete sich die rätselhafte Stimme in ihm abermals. ... Beeile dich, Terraner! Wenn du Ren Dhark retten willst, dann zögere nicht länger ... Der Kommandant des Ringraumers zuckte unter der Wucht der Impulse zusammen. Doch dann kam Leben in ihn, Er stürzte aus seiner Kabine und rannte über den gebogenen Flur des Kabinentraktes zur Zentrale hinüber. Seine Zweifel waren wie weggewischt. Tino Grappa und Miles Congollon, der Chefingenieur des Ringraumers, ruckten hoch. „Szardak! Was ist los, wie sehen Sie denn aus ...” Aber der winkte ab und schwang sich in seinen Kommandantensessel. Mit einem Griff aktivierte er die Rundsprechanlage. „Kommandant an Besatzung. Durch eine Botschaft des Cal wurde mir der Aufenthalt Ren Dharks und seiner Gefährten bekannt. Der Cal fordert uns auf, sofort zu dem bezeichneten Planeten zu transistieren. Flashbesatzungen der Kampfgruppe III sofort in Bereitschaft. Nach dem Sprung erfolgen weitere Anweisungen, Wonzeff übernimmt mit mir die 001. Fünf Flash werden nur von ihren Piloten geflogen, um Platz für Dhark und seine Gefährten zu behalten. Ende!” Miles Congollon stand hinter Janos Szardak und starrte ihn fragend an. Mißtrauen war in seinem Blick. Szardak spürte fast körperlich die Gedanken des Chiefs. Langsam wandte er sich um. „Ihnen geht es wie mir vorhin, Congollon. Aber die Informationen stimmen. Ich weiß es. Stellen Sie jetzt keine weiteren Fragen, wir haben keine Zeit zu verlieren. Dhark, Riker und die andern befinden sich in einer Stadt auf dem von uns schon lange gesuchten Robonenplaneten. Acht Giants scheinen sie im Auftrag des Cals gegen den Zugriff der Robonen zu schützen ...” Szardak brach ab und gab in fliegender Eile die notwendigen Anweisungen. Er hörte, wie Miles Congollon die Zentrale durchquerte, um in den Haupttriebwerksraum zu gehen. „Halt, Congollon, bleiben Sie hier! Sie übernehmen die POINT OF, sobald ich mit der Flashgruppe starte. Ihre Leute kommen ohne Sie zurecht!” Der Ringraumer beschleunigte.
„Grappa, legen Sie auf Gedankensteuerung über Checkmaster!” Der Ortungsspezialist wollte die notwendigen Schaltungen vornehmen, doch die Gedankensteuerung unterbrach ihn. „Daten sind gespeichert, ich übernehme selbst. Transition ist eingeleitet ...” Janos Szardak ruckte herum. Seine ausgemergelten Züge verzerrten sich. Krampfhaft versuchte er sich an die vom Cal übermittelten Daten zu erinnern, es gelang ihm nicht. Die Werte verschwammen bei jedem neuen Versuch in seinem Bewußtsein mehr und mehr. Schweiß trat auf seine Stirn. Was war denn das nun wieder? Szardak kannte sein Gedächtnis und dessen Merkfähigkeit und wußte, wie sehr er sich sonst darauf verlassen konnte. Das Intervall erlosch. Im Schiff setzte das Pfeifen ein. Auf der Bildkugel verzerrten sich die Sterne. Der Ringraumer verließ das Normalkontinuum; er transistierte. Ohne Übergang stand plötzlich in der Kursmarkierung der Bildkugel ein leuchtender Planet. Szardak fand kaum Zeit, sich Einzelheiten einzuprägen, mit so wahnwitziger Geschwindigkeit schien Hidplace aus dem Innern der Bildkugel auf ihn und die andern zuzustürzen. Er erkannte nur noch einen dunklen Fleck auf seiner Oberfläche, der rasend schnell wuchs und aus dem sich in Sekundenschnelle einzelne, würfelförmige Bauwerke heraushoben. Miteinander verbunden durch merkwürdige, breite Bänder, die sich kreuz und quer über die Bauten hinwegzogen, indem sie die Dächer der Würfel als Auflage, die Bauten selbst als Pfeiler benutzten. Szardak glitt aus seinem Sessel. „Die Stadt! Congollon, dort ist die Stadt! Und da, da ist auch das Gebäude!” Seine grauen Augen verengten sich zu Schlitzen. Der Chief der POINT OF starrte Szardak an. Er sah die Anspannung in dessen Zügen und registrierte den lauschenden Ausdruck in seinem Gesicht. „Übernehmen Sie jetzt, Congollon!” Szardak hastete davon, während der Ringraumer bereits damit begann, seine Geschwindigkeit abzubremsen. Die Robonen auf den Straßen und neben den Würfelbauten Anons fuhren unter dem unheimlichen Knall zusammen, mit dem die POINT OF in die Atmosphäre ihres Planeten einbrach. Erschrocken starrten sie nach oben und sahen den blauschimmernden Ringraumer genau auf sie zugerast kommen. „Die POINT OF! Sie greift die Stadt an!” gellten einige Stimmen auf. Sie stammten von Robonen, die erst vor wenigen Stunden mit der NEMO de Ruys von der Erde gekommen waren, denen die POINT OF bestens bekannt war. Panik bemächtigte sich der Massen auf den Straßen der überfüllten Stadt Anon. Die Robonen stoben nach allen Seiten auseinander. Verschwanden in den Eingängen der Würfelbauten und hasteten über die Rampen weiter. Nach oben oder unten, wie es sich gerade traf. Über den Hochstraßen erzitterte die Luft unter dem infernalischen Heulen und Pfeifen des heranschießenden Ringraumers. Drohend, wie die Inkarnation des Bösen, hing der Ringkörper der POINT OF über den Bauten. Winzige dunkle Punkte lösten sich aus seinen bläulich schimmernden Flanken und jagten auf das riesige Zentralgebäude zu. Allon Sawall stand stocksteif neben de Ruy vor der Fensteröffnung seines Arbeitszimmers. Sein dunkles Gesicht war grau vor Schreck und Wut. „Sie haben uns gefunden, de Ruy!” zischte er in ohnmächtiger Wut. „Sie greifen uns an, und wir haben ihnen nichts entgegenzusetzen, weil sie uns überrascht haben!“
Seine Finger krallten sich um die Lehne seines Sessels hinter dem großen Arbeitstisch. „Sie suchen Ren Dhark, sie werden ihn finden und befreien! Wir sind verraten! Der Cal spielt falsch, de Ruy!“ Allon Sawall schrie diese Worte in das Inferno von heulenden, singenden Triebwerken hinein. Doch de Ruy hörte gar nicht zu. Er sprang zum Vipho hinüber und drückte die Verbindungstaste zum Raumhafen. „Angriff, sofort angreifen, mit allen Mitteln!“ brüllte er, als der Bildschirm aufflammte. Doch dann fiel ihm vor Schreck die Hand von der Betätigungstaste. Er sah die Flash auf ihr Gebäude zurasen. „Flash, die Flash der POINT OF!” Da Ruy packte Sawall am Arm. „Das gilt Ihnen, Sawall! Die Burschen suchen Sie! Kommen Sie, wir müssen hier weg!” Sawall nickte. Seine Lippen zuckten. Er war unfähig, auch nur einen einzigen Laut von sich zu geben. Wie betäubt folgte er de Ruy, der ihn aus dem Zimmer zerrte und dann mit ihm über eine der Rampen nach unten stürmte. Aber sie kamen nicht weit, denn auf den Rampen quollen ihnen die Robonen aus den anderen Abteilungen der Regierung entgegen. Voller Panik, mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen. Allon Sawall kam wieder zu sich, er erkannte die drohende Gefahr. Wenn sie von diesen vor Angst halb wahnsinnigen Massen niedergetrampelt wurden, dann war es aus mit ihnen. In diesem Augenblick half ihm sein Rang, seine Stellung gar nichts mehr. Er riß seinen schweren Schocker aus dem Halfter und feuerte. Die entsetzten Robonen erkannten diese neue Bedrohung viel zu spät. Von den flirrenden Lähmstrahlen getroffen, stürzten sie auf die Schrägen der Rampen, sackten in den Fluren zusammen, denn de Ruy schoß jetzt ebenfalls um sich. Wer nicht getroffen wurde, raste in blinder Angst und Panik davon, irgendwohin. Oft genug in die ebenfalls paralysierenden Strich-Punkt-Strahlen der jetzt von allen Seiten in das Gebäude einfliegenden Flash .. . Janos Szardak saß mit zusammengebissenen Zähnen in seiner 001. Der Flash flog wie die anderen fünf, die Ren Dhark und die Gefährten aufnehmen sollten, nach der Gedankensteuerung. Sie durchquerten das Gebäude, kaum daß sie Notiz von dem wilden Durcheinander nahmen, das das Erscheinen ihrer Flash unter den Robonen anrichtete. Szardak und seine Männer wußten, daß es in diesem Gebäude nichts gab, was ihnen gefährlich zu werden vermochte. Abermals korrigierte Szardak mit traumwandlerischer Sicherheit seinen Kurs. Dann durchbrachen die zehn Flash die Wand zu einem großen Raum, durchstießen mehrere Rampen und verlangsamten plötzlich ihre Geschwindigkeit. Ihre zylindrischen Druckkörper glitten der letzten Mauer entgegen... Unterdessen starrten Ren Dhark, Dan Riker, die beiden Cyborgs und Jos wie gebannt auf den blauschimmernden Rumpf der POINT OF, die für sie alle deutlich sichtbar über den Hochstraßen der Stadt stand. „Sie sind da!” murmelte Dan Riker immer noch fassungslos. Ren Dhark schwieg. Er beobachtete die heranjagenden Flash. Tausend Gedanken und Empfindungen zugleich stürzten durch sein Gehirn. Ein Geräusch ließ die Männer herumfahren. Einer der Giants trat auf sie zu. Wir gehen jetzt. Ihr braucht uns nicht mehr, teilte er sich den Menschen mit. Verwirrt sahen sie, wie die acht Giants sich wie auf Kommando in Bewegung setzten, in den rückwärtigen Teil des Raumes hinübergingen und dann einer nach dem andern in jener dunklen
Schachtmündung verschwanden, aus der auch Ren Dhark und seine Gefährten vor einiger Zeit in diesen Raum gelangt sein mußten. „Warum haben Sie uns eigentlich hierher geholt?” murmelte Jos Aachten van Haag ratlos. „So wie die Sache läuft, hätte der Cal uns doch ebensogut oder sogar leichter die POINT OF in die Berge schicken können ...”, Ren Dharks scharfen Ohren war das Selbstgespräch des Agenten nicht entgangen. Auch er hatte sich bereits diese Frage gestellt. Die Stadt Anon war im Grunde genommen gerade für ein solches Unternehmen äußerst ungünstig, zumal die POINT OF Gefahr lief, von den Kreuzern der Robonen angegriffen zu werden ... Er hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als das Röhren schwerer Strahlgeschütze die Luft über der Stadt erzittern ließ. Dhark und die andern stürzten zur Fensteröffnung. Ihren Augen bot sich ein grauenhaftes, gespenstisches Bild. Vier große Kreuzer der Planeten-Klasse jagten von Süden kommend heran und beschossen die POINT OF aus allen Rohren. Auf ihrem Intervall zuckte und blitzte es. Entladungen in allen Farben des Spektrums liefen zuckend über die beiden halbkugelförmigen Sphären des Mini-Kontinuums. Doch dann erwiderte der Ringraumer das Feuer: Es war, als ob über die Stadt Anon das Jüngste Gericht hereinbrach. Die Hochstraßen begannen unter dem Donner der energetischen Eruptionen ihrer Strahlantennen zu schwingen. Das Material ächzte und knirschte. Einer der Kugelraumer drehte torkelnd ab und stürzte gleich darauf in eines der Bauwerke. am Rande der Robonenstadt. Staub, Qualm und Feuer schossen empor. Die weitere Entwicklung des Kampfes blieb Ren Dhark und seinen Gefährten verborgen, denn die 001 Janos Szardaks glitt durch die Wand und landete. Der Ausstieg öffnete sich und Janos Szardak sprang heraus. Sein verschwitztes graubraunes Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen. „Endlich! Verdammt noch mal, Wonzeff, wie haben sie! Rufen Sie die fünf Flash, aber einen nach dem andern, sonst müssen wir uns in dieser Bude noch übereinanderstapeln!” Er sprang auf Ren Dhark zu und merkte gar nicht, daß seine Füße dabei in den dunklen Schlund des Schachtes gerieten, in dem eben noch die Giants verschwunden waren. Ren Dhark schnellte sich sofort zu ihm hinüber und streckte schon die Hände aus, um ihn zu packen, aber es geschah nichts. Szardak federte lediglich einige Male hoch wie auf einem Trampolin. Verwirrt und verwundert sah er sich um, während Dhark ihn schon zu sich hinüberzog. „Was ist denn ...” Die Gefährten klärten ihn in kurzen Worten auf. Der Schreck fuhr Janos Szardak noch nachträglich in die Glieder. Doch dann begrüßte er Dhark und die andern stürmisch. Alles weitere ging schnell. Wie auf dem Exerzierplatz landete eine Maschine nach der andern in dem Raum. Jede von ihnen nahm einen der fünf an Bord. Zuletzt verschwanden Dan Riker und Ren Dhark in ihren Flash, nachdem sie noch einen rasche? Blick auf die noch immer wie wild um sich feuernde POINT OF geworfen hatten. Die Flash verließen das Regierungsgebäude. Ohne zu zögern, stürzten sie sich wie blindwütige Hornissen auf die drei restlichen Kreuzer, die eben versuchten, die POINT OF einzuschließen und sie so ins Zentrum ihres Feuers zu bekommen. Das Erscheinen der Flash gab den Ausschlag. Die Robonenkreuzer räumten fluchtartig das Feld.
Der Ringraumer und seine Flash verschwanden ebenfalls unter hoher Beschleunigung. Keine der beiden Parteien verspürte die geringste Lust, diesen Kampf bis zum bitteren Ende über den Hochstraßen der Stadt Anon auszukämpfen ... Erst weit draußen im freien Raum flogen die Flash in ihre Depots ein. Kurze Zeit später betraten Ren Dhark und seine vier Leidensgefährten nach langer Zeit zum erstenmal wieder die Zentrale des Ringraumers. Erst jetzt bemerkten Janos Szardak und die übrigen Männer der Besatzung, wie ausgemergelt und mitgenommen Ren Dhark, Dan Riker und Jos Aachten van Haag aussahen. Überdeutlich hatten sich die ständigen Strapazen ihrer Flucht durch die Täler und Gebirge, durch Tage und Nächte, der ständige Kampf mit der feindlichen Umwelt des Planeten Hidplace in ihre Züge eingegraben. Lediglich die beiden Cyborgs Lati Oshuta und Bram Sass machten einen leidlich frischen Eindruck. Janos Szardak setzte einen Spruch an die anderen Schiffe seines Verbandes ab und teilte ihnen die Befreiung Ren Dharks und seiner Gefährten mit. „Treffpunkt auf Grün 104:0.1,58. Von dort sofort Sprung zur Erde! Ende!“ Ren Dhark nickte. Das war genau das, was er beabsichtigte. Er spürte, wie sich seiner eine bleierne Müdigkeit bemächtigte. Mit aller ihm zu Gebote stehenden Energie ging er gegen diese verständliche Reaktion seines geschundenen Körpers an. „Szardak, lassen Sie noch einen Spruch an Eylers absetzen, verständigen Sie ihn von unserer Ankunft!” Szardak nickte. Kurz darauf ging die POINT OF in Transition und stieß zu der Gruppe der bereits wartenden Kreuzer. * Schon wollte Ren Dhark, der inzwischen das Kommando über die POINT OF wieder übernommen hatte, den Befehl zum nächsten Sprung durch den Hyperraum geben, als er plötzlich zusammenzuckte. Er sah Dan Riker einige Sekunden lang an. „Wir haben etwas vergessen, Dan! Die Koordinaten von Hidplace fehlen uns noch!” Blitzartig wandte er sich zu dem blonden Mailänder um, der nur wenige Meter von ihm entfernt an seinem Kontrollpult saß. „Grappa, lassen Sie sich sofort über den Checkmaster die Sprungkoordinaten von Hidplace geben!“ Grappa nahm unverzüglich die notwendigen Schaltungen vor; aber der Checkmaster schwieg beharrlich. Ren Dharks Lippen preßten sich zusammen. Er versuchte es über die Gedankensteuerung. Auch hier dauerte es eine ganze Weile, ehe er Antwort bekam. Und die war gleichermaßen bestürzend wie überraschend. ...Auskunft über die gewünschten Koordinaten kann nicht erteilt werden ... Ren Dhark starrte erst Dan Riker, dann Janos Szardak und schließlich Miles Congollon verblüfft an. Er versuchte es abermals. Mit dem gleichen Erfolg. Über die Züge Szardaks zuckte es wie plötzliches Begreifen. Der grauhaarige, hagere Haudegen sprang auf. „Wir werden die Koordinaten nicht bekommen! Als ich die Transition nach Hidplace einleiten wollte, waren sie bereits in meiner Erinnerung gelöscht. Die Gedankensteuerung der POINT OF teilte mir lediglich mit, daß sie selbst übernähme und die Transition bereits eingeleitet sei!”
Szardak ballte die Fäuste. „Ich habe mir in diesem Moment nicht besonders viel dabei gedacht, denn es waren zu viele Entscheidungen auf einmal zu treffen. Aber jetzt ...” Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich möchte doch gern wissen, wie das alles zusammenhängt! Zusammenhänge der Gedankensteuerung, die Sprungdaten herauszugeben, bestehen auf jeden Fall!” In der Zentrale der POINT OF herrschte eine Weile Schweigen. Dan Riker sprach schließlich aus, was alle dachten. „Jetzt sind wir zwar den Robonen wieder entwischt, aber sie uns auch! Wir kennen sie dort leben, welche Massen von Menschen und Material sie dort ansammeln, wissen von Allon Sawall und seinen Plänen und sind im Grunde genommen doch keinen einzigen Schritt weiter als vorher!” Er sah seinen Freund Dhark an. „Der Cal hat auf zwei Schultern getragen. Unsere Vernichtung durch Allon Sawall paßte ebensowenig in seine Pläne wie ein entscheidender Schlag unsererseits gegen seine Schützlinge! Wahrhaft, seit heute beginne ich den Cal mit anderen Augen zu sehen als bisher, denn dieser Schachzug kann an Gerissenheit kaum noch überboten werden!” Dan Rikers Stimme klang bitter. Von allen Männern in der Zentrale mißtraute er seit jeher den Giants am meisten. Und Ren Dhark fragte sich in diesem Moment, ob sein Freund denn nicht doch auf seine Weise recht hatte. Ob man künftig nicht doch vorsichtiger und weniger vertrauensselig sein sollte. Er dachte es, sprach es jedoch nicht aus. „Zur Erde!” Ren Dhark sagte nur diese zwei Worte. Aber wer ihn kannte, der wußte, daß in ihnen mehr Unruhe, mehr Sorge enthalten war, als die längste Rede je hätte ausdrücken können. Der Raumerverband formierte sich. Die Bordgehirne der Schiffe begannen automatisch die Transitionsdaten für den Sprung ins Sol-System zu errechnen. Die POINT OF beschleunigte, während Ren Dhark einige letzte Anweisungen an die Zentralen der anderen Kreuzer gab. In geschlossener Formation strebte der Verband seiner Sprungposition entgegen... * Inzwischen war Bernd Eylers auf der Erde nicht untätig geblieben. Der GSO-Chef wollte und konnte keine weiteren Niederlagen gegen die Aktionsgruppen der Robonen mehr hinnehmen. Seine grüngrauen Augen musterten durch die Direktsichtscheiben seines Dienstjetts den hellen Wüstenstreifen unter der Maschine. „Eigentlich müßten wir bald, da sein, Bow, oder?” fragte er nach einem weiteren forschenden Blick. Mike Bow, früherer Sergeant des Siedlerschutzes auf Hope, jetzt Captain und Ressortchef der GSO und, darüber hinaus Bernd Eylers' Rechte Hand in mancherlei Beziehung, nickte. „Es wird gleich im Blickfeld unserer Sichtschirme auftauchen, Eylers!” Bernd Eylers steckte sich eine Zigarette an. „Ich möchte doch bloß wissen”, murmelte er, „ob dieser Scholf - oder wie der Kerl sonst heißen mag - uns diesmal in die Falle geht!” Um seine Lippen bildete sich ein harter Zug. Eylers war sich völlig darüber im klaren, daß Scholf auf der Erde von den Robonen, ihren Drahtziehern, wahrscheinlich nur als unbedeutendes Werkzeug, als ausführendes Organ benutzt wurde. Aber der GSO-Chef wußte aus eigener Erfahrung, daß man Männer wie jenen Scholf nicht unterschätzen durfte. Diese Art von Akteuren war viel zu gerissen, um sich damit zu begnügen, nur Werkzeug zu sein. Und da, genau dort, lag meist der verhäng-
nisvolle Fehler in den Überlegungen der sogenannten Bosse: Sie erkannten meist viel zu spät, daß sich ihre Kreaturen längst selbständig gemacht hatten. Scholf gehörte zu dieser Art. Eylers kannte diesen Robonen nicht persönlich. Trotz all seiner Bemühungen, trotz der Häufigkeit, mit der dieser Name in den Berichten seiner Agenten immer wieder auftauchte, war es nie gelungen, diesen Mann zu stellen oder gar zu erwischen. Scholf und seine Aktionsgruppe arbeitete nahezu lautlos. Überraschend schlug sie zu. Er hatte die beiden Snides auf diesen Robonen angesetzt. Fanden sie einmal eine Spur, dann verwischte sie sich im nächsten Moment wieder. Und deswegen stellte er ihm jetzt eine Falle. Ruckartig drehte er sich zu Mike Bow herum. „Weiß Doc Sarano Bescheid? Hat er alle Vorkehrungen getroffen? Er und seine Spezialisten müssen unbedingt verhindern, daß die Robonen sich wieder ausschalten, sich in den Zustand von Scheintoten versetzen! In der Wohnkugel haben sie uns ganz schön geblufft!” Der Captain nickte. „Soweit wie möglich hat Doc Sarano Vorkehrungen getroffen, ich...” Mike Bow unterbrach sich plötzlich. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. In den Sichtschirmen der Maschine, genau im Schnittpunkt der Kursmarkierung und der Meßkoordinaten, erschienen die Umrisse des alten Forts am Rande des Llano Estacado, das schon eine ganze Weile als Nebenstation des Forschungszentrums von Alamo Gordo diente. Auch Eylers zuckte zusammen. Er spürte, wie ihm der Schweiß aus den Poren drang, sein eben noch braunes Gesicht verfärbte sich. „Bow, das ... das ist ...” Verbiestert, fassungslos, starrten die beiden Männer auf die verglasten, verkohlten Ruinen der Nebenstelle, die Scholf und seinen Akteuren hatte zur Falle werden sollen. Mike Bow drückte den Jett unwillkürlich herunter. Mit pfeifenden, heulenden Triebwerken schoß die Maschine den Ruinen entgegen. Die Gedanken der beiden GSO-Männer überstürzten sich. „Das war die Arbeit eines Raumschiffes, Bow!” Betroffen stieß der GSO-Chef diese Worte hervor. Mike Bow erwiderte nichts. Statt dessen drosselte er die Triebwerke der Maschine und landete den Jett auf seinen A-Grav-Polstern knapp hundert Meter vor der Einfassungsmauer, die jetzt nur noch als glasig schimmerndes Fragment unter den sengenden Strahlen der Wüstensonne stand. Die Luft über dem Llano Estacado flimmerte, die glühende Hitze lag wie ein wabernder, fließender Spiegel über den unendlich erscheinenden Sandflächen. Eylers schüttelte abermals den Kopf. „Bow!” sagte er leise, „ich kann es nicht begreifen! Es ist doch einfach unmöglich, daß ein Kreuzer unmittelbar vor den Toren Cent Fields, in unmittelbarer Nachbarschaft der Terranischen Flotte eine Außenstation Alamo Gordos angreift und vernichtet, ohne daß unsere Sicherungen in irgendeiner Form davon Kenntnis geben! Ohne daß sofort von den Warn-Zentren Vollalarm ausgelöst wird!” Der GSO-Chef schüttelte den Kopf, während er noch immer auf das flimmernde, verschwommene Bild der völlig zerstörten Station starrte. „Sehen wir uns die Sache aus der Nähe an, Eylers, so kommen wir nicht weiter! Ehe wir dem Marschall Meldung erstatten, sollten wir genau feststellen, was geschehen ist!” Eylers löste langsam die Gurte seines Konturensessels. „Gut, gehen wir, Bow!”
Die beiden Männer verließen die Kanzel ihres Jetts und sprangen aus dem sich öffnenden Schott der Maschine. Langsam, Schritt für Schritt gingen sie auf die Befestigungsmauer des umgebauten Forts zu. Daß die Waffen des fremden Raumers sie nicht völlig zerstrahlt hatten, war nur auf das verwendete Material zurückzuführen. Die Gebäude, das langgestreckte Labor, die Mauer mit den energetischen Sperren, alles bestand aus der gleichen unverwüstlichen Materie, aus der auch seit kurzem die Druckkörper der Raumer, gebaut wurden. An das Fort selbst erinnerten nur noch die alte Anlage selbst und die Museumstrakte, die vor der Invasion Reisenden einen Blick in vergangene Jahrhunderte gewährt und eigentümlicherweise die Invasion der Giants nahezu unversehrt überdauert hatten. Die dort ausgestellten Gegenstände mußten für die Invasoren keinerlei Wert besessen haben, oder die Giants hatten sie später über all ihren anderen Entdeckungen in den großen Städten einfach vergessen ... Eylers riß sich aus seinen Gedanken. Es war geradezu lächerlich, in diesem Moment an derartige Dinge auch nur einen einzigen Gedanken zu verschwenden. Denn von alledem existierte nichts mehr, absolut nichts, das wurde mit jedem Schritt deutlicher. Verwundert stellte er sich die Frage, warum sie überhaupt mit dem Jett gelandet waren, anstatt das Fort zu überfliegen und sich zunächst aus der Luft einen viel besseren und umfassenderen Überblick zu verschaffen. Unwillkürlich blieb der GSO-Chef bei diesem Gedanken stehen. Argwohn stieg in ihm auf, verdichtete sich in Bruchteilen von Sekunden zur unumstößlichen Gewißheit. „Bow, wir sind wie die Idioten in eine Falle …“ Weiter kam Eylers nicht. Eine scharfe Stimme in seinem Rücken ließ ihn erstarren. „Weitergehen, Wir haben auf Sie gewartet, Eylers. Und Sie sind in Ihre eigene Falle gestolpert! Das kommt davon, wenn man so dumm ist, immer wieder in seine eigenen Fehler zu verfallen! Los, vorwärts!” Der Lauf eines Blasters bohrte sich in den Rücken des GSO-Chefs. Mike Bow erging es nicht besser. Hinter jedem von ihnen befanden sich drei maskierte Männer, die die dunklen Uniformen der GSO trugen. Eylers brauchte eine Weile, ehe er seine Wut und seine Überraschung über diese neue, ihm völlig unbegreifliche Schlappe überwunden hatte. Aber der Druck der Waffe in seinem Rücken verstärkte sich. „Gehen Sie, Eylers, oder ich werde Sie dazu zwingen müssen! Wer sich wie ein Narr benimmt, der muß auch die Folgen seiner Dummheit tragen!” Eylers marschierte los. Der Sand des Llano Estacado wirbelte unter seinen Schuhen auf. „Nach links!” kommandierte der Unbekannte hinter ihm. Eylers gehorchte. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg. Andererseits war ihm klar, daß man weder ihm noch Bow Gelegenheit geben würde, zu entkommen. Und dann geschah es. Nach ungefähr zehn weiteren Schritten blieben Eylers und Bow verblüfft stehen. Wie ein Schleier zerriß vor ihren Augen das bisherige Bild verglaster Mauern und zerstörter Gebäude. Die Außenstation war völlig unversehrt. Ihr war nicht das geringste geschehen. Eylers hörte, wie Mike Bow einen Ruf der Überraschung ausstieß. Die Stimme in Eylers' Rücken lachte. „Gut, nicht? Sie haben vorhin mit Ihren Überlegungen genau richtig gelegen, Eylers! Hätten wir diese Station auch nur angetastet, wir hätten längst die gesamte Terranische Flotte auf dem Hals! Also suggerierten wir Ihnen das gewünschte Bild. Sie hätten das merken müssen, Eylers. Zumal Sie
ja Kenntnis von unseren kleinen Geräten haben, mit denen wir normalen Terranern für eine befristete Zeit unseren Willen aufdrücken, ihr Bewußtsein praktisch überlagern können. Keiner von uns hat je begriffen, wieso die terranischen Wissenschaftler nie darauf gekommen sind! Aus der Lehre, die den Menschen von den All-Hütern erteilt wurde, haben sie nichts gelernt, Eylers, absolut nichts!” Eylers spürte den Hohn, den Triumph in der Stimme des Robonen. Langsam drehte er sich um, und der Robone hinderte ihn nicht daran. Er starrte in das maskierte Gesicht, aus dem ihn nur zwei kalte, glitzernde Augen anstarrten. „Es war recht interessant, was Sie mir da eben erzählt haben! Und so gut Ihr Trick mit diesem Fort auch war, Sie werden in Zukunft auf der Erde Schwierigkeiten haben, Scholf!“ Der Robone bewegte sich nicht. Er starrte den GSO-Chef nur aus seinen kalten, völlig gefühllosen Augen an. Dann schüttelte er langsam den Kopf. Mit einer Bestimmtheit, die Eylers eisige Schauer über den Rücken jagte. „Sie irren, Eylers. Wir werden keine Schwierigkeiten mehr auf der Erde haben. Jetzt nicht mehr. Und Sie auch nicht! Gehen Sie jetzt. Machen Sie keine Dummheiten, Eylers, jeder Versuch ist zwecklos!” Eylers und Bow gingen weiter. Zwei gegen sechs. Die Robonen hatten ihnen bisher noch nicht einmal ihre Schocker abgenommen, so sicher fühlten sie sich. Sie passierten das ehemalige Tor der Station. Als einziges war es von irgendeiner Bordwaffe zerstrahlt worden. Mit einem einzigen kurzen Feuerstoß, wie die geschulten Augen der beiden GSOMänner sofort erkannten. „Auf das Gebäude vor Ihnen zu!” befahl der Robone, von dem Eylers noch nicht einmal mit Bestimmtheit wußte, ob er der gesuchte Scholf war. Zähneknirschend befolgte der GSO-Chef auch diesen Befehl. Nein, sie hatten absolut keine Chance. Vielleicht erwischten Bow und er zwei oder drei von ihnen, niemals jedoch alle sechs! „Halt!” Das Kommando kam ungewöhnlich scharf - fast hastig. Eylers und Bow registrierten ebenfalls eine leichte Unruhe in ihrem Rücken. Ein Mann kam zwischen den Gebäuden genau auf sie zugerannt. Erregt winkte er den Robonen in ihrem Rücken, die, wie Eylers vorhin sofort gesehen hatte, als er mit seinem Bewacher sprach, keinerlei Übertragungsgeräte bei sich führten. Der Robone kam heran. Er keuchte, und in seinem unmaskierten Gesicht lasen die beiden GSOMänner deutlich die Bestürzung, den Schrecken. Und dann hörten sie auch schon die unglaubliche Botschaft, die wie ein elektrischer Schlag durch ihre Glieder fuhr. „Die POINT OF befindet sich im Anflug auf Cent Field! Ren Dhark und seine Gefährten sind von Hidplace entkommen, über Anon hat eine Schlacht stattgefunden! Mit der POINT OF kommen fünf Kreuzer der Gruppe Szardak, wir müssen hier weg, sofort! Der Ringraumer kann jede Minute hier sein!” Bow und Eylers hörten den Fluch, die bitteren Verwünschungen, die die Robonen in seinem Rükken ausstießen. Ein fernes, leises Singen ließ die Robonen verstummen. „Er ist da, der Ringraumer kommt!” Panik schwang in der Stimme hinter ihnen. Sie spürten, wie jemand ihnen mit einer blitzschnellen Bewegung die Waffen aus den Halftern riß, hörten den Aufschlag ihrer Schocker irgendwo auf den Quadern, mit denen der Wüstenboden im Innern des Forts ausgelegt war.
Gleich darauf das Geräusch sich in größter Eile entfernender Schritte. Instinktiv warfen Eylers und Bow sich zu Boden. Aber ihre Vorsicht war überflüssig, denn die Robonen waren wie vom Erdboden verschluckt. „Verdammt, Bow, sie sind getürmt! Scholf und seine Genossen haben uns nicht einmal umgelegt, ich verstehe jetzt überhaupt nichts mehr!” Eylers sprang auf. Von irgendwo ertönte das Wummern schwerer Triebwerke. Ein heftiger Windstoß zerriß die flimmernde Luft. Eylers starrte perplex über sich in den blaßgrauen Himmel. Und dann machte er plötzlich einen Satz. „Da, Bow, sehen Sie!” schrie er in höchster Erregung. „Die POINT OF! Sie setzt zur Landung an!” Deutlich, wenn auch leicht verzerrt, senkte sich der bläulich schimmernde Unitallkörper des Ringraumers aus dem Himmel herab. Das Schiff glitt auf nördlichem Kurs über sie hinweg und war wenige Augenblicke später hinter dem Horizont verschwunden. In Bow und Eylers kam Leben. „Zurück zu unserem Jett! Wir müssen schleunigst die Zentrale verständigen und die ganze Aktion hier abblasen, ehe die andern sich in Marsch setzen: Und dann möchte ich so rasch wie möglich nach Alamo Gordo, ganz gleich, was Scholf und seine Leute jetzt wieder aushecken!” Der GSO-Chef und Bow rannten los. Sie fanden ihre Maschine vor, wie sie sie verlassen hatten. Die Triebwerke heulten auf, und der Jett schoß mit allem, was seine starken Triebwerke an Beschleunigung hergaben, über die eintönigen Weiten des Llano Estacado davon. Bow und Eylers sahen sich an. Jeder von ihnen dachte dasselbe. Wie war es nur möglich, daß die Robonen sich zurückgezogen hatten, ohne sie umzubringen? War der Schock über das plötzliche Erscheinen der POINT OF, über die unerwartete Rückkehr Ren Dharks zur Erde daran schuld? Oder gab es noch Dinge, von denen sie nichts ahnten? „Wir haben Glück gehabt, Eylers. Unbegreiflichen Dusel, ich habe für unser Leben keinen Pfifferling mehr gegeben! Dieser Scholf hätte uns auf seine Methode verhört, uns vielleicht sogar nach Hidplace verschleppt, falls ich den Namen dieses Planeten vorhin richtig verstanden habe. Und dann ...“ Der Captain schwieg. Dieses „und dann” kannte er als GSO-Mann nur zu gut. * Aber auf noch einem Planeten der Galaxis wurden Menschen Zeugen eines atemberaubenden Schauspiels. Ole Bigman stand mit Topai neben Clint Derek, Tanja und Colonel Huxley, als die von Charaua angeforderten Nogk-Raumer am Himmel Perms erschienen. Die Menschen auf der Pfahlbau-Siedlung drängten sich vor ihren Hütten. Zwei Stunden nach Sonnenaufgang des vierten Tages nach dem Überfall durch das Nor-ex erdröhnte der Himmel Perms, unter den Vibrationen gewaltiger Triebwerke. Die Nogk-Raumer sanken wie Tropfen aus ihrem Unsichtbarkeitsschirm in die Atmosphäre des Planeten ein. Hunderte von riesigen Raumern, eine gewaltige Flotte eines gewaltigen Imperiums, das seine Streitkräfte nach diesem neuen Überfall auf eines ihrer Kampfschiffe endgültig mobilisiert hatte. Charaua und ein Teil seiner Nogks standen zwischen den Menschen. Ihre dunklen Facettaugen verfolgten jede Bewegung der landenden Schiffe. Hin und wieder zuckten ihre Fühler in einigen rhythmischen Schlägen hin und her.
Einer der Raumer löste sich aus dem Verband der übrigen, die sich nach einem genauen System rund um das Binnenmeer und über die roten Berge verteilten. Er glitt über die glitzernde Wasserfläche genau auf die Siedlung zu. Tiefer und tiefer sackte sein gewaltiger, eiförmiger Rumpf. Er berührte die Wasseroberfläche des Binnenmeeres, tauchte ein und glitt schließlich mit schäumender Bugwelle auf die Pfahlbauten der Siedlung zu. Die bis weit ins Wasser hineinreichenden Palisaden brachen die Gewalt der anrollenden Wogen. Dann stoppte das Kampfschiff. Sein massiger, viele hundert Meter hoher Bug leuchtete in der Sonne. Ein Beiboot löste sich aus seinem Druckkörper, Minuten später stand es bewegungslos über den Vorbauten der Hütten. Das Schott öffnete sich und ein Nogk sprang heraus. Er trug eine goldene, weithin leuchtende Uniform, die bis auf das grünlich schimmernde, ellipsenförmige Emblem mit den in ihren Brennpunkten rotierenden Kugeln völlig schmucklos war. Mit den eigentümlich gleitenden Bewegungen seiner Rasse kam er auf Charaua und Huxley zu. Eine Weile sahen seine dunklen Facetten die beiden an, während Charaua sich ehrerbietig verneigte. Dann jedoch wandte er sich dem Colonel zu. „Charaua hat mich von deinem Eingreifen unterrichtet, Huxley! Das Nogksche Imperium wird sich dieser Tat erinnern. Es ist das zweitemal, daß Terraner uns in größter Not beistehen. Ich freue mich, daß du dem Rat unseres Imperiums angehörst, wenn ich auch anfangs dagegen war. Als einziger von allen Mitgliederndes Rates!” Der Nogk schwieg einen Moment. „Wir haben einen gemeinsamen Feind, Huxley. Deine und meine Rasse werden sich gegen dieses Wesen aus der grauen Zone jenseits der Zeiten wehren müssen, oder es vernichtet uns. Ihr habt eine Waffe, mit der man es verjagen, zerschießen aber offenbar noch nicht töten kann. Unsere Wissenschaftler sollten sich zusammentun. Trage deiner Regierung diesen meinen Wunsch vor. Das Imperium der Nogks wird mit seiner ganzen Macht für ein Bündnis einstehen, wenn deine Rasse es mit uns schließen will! Wir werden jetzt unser beschädigtes Kampfschiff bergen, dann werden meine Wissenschaftler deine neuen Waffen untersuchen, wenn du es erlaubst. Wenn du einverstanden bist, übernehmen wir für eine Weile den Schutz deiner Brüder und Schwestern auf dieser Welt. Du solltest zurückkehren und mit deiner Regierung sprechen, Terraner!” Colonel Huxley nickte dem Nogk zu. „Dein Rat ist gut, und ich werde ihn befolgen. Ich ...” Huxley wurde durch einen Anruf aus der Zentrale seines Schiffes unterbrochen. Mit einer entschuldigenden Geste griff er zu seinem Mini-Vipho. „Sir!” meldete sich sein I.O. mit freudig erregtem Gesicht. „Nachricht von der Erde, aus Alamo Gordo: Ren Dhark und die POINT OF sind vor einer Stunde auf Cent Field gelandet!” Durch die hagere Gestalt des Colonels ging ein Ruck. Seine grauen Augen leuchteten. „Das geschah zur rechten Zeit, Maxwell! Bereiten Sie alles für den baldigen Start vor! Sobald die Wissenschaftler der Nogks mit ihren Untersuchungen fertig sind, starten wir! Perm bleibt bis zu unserer Rückkehr unter dem Schutz der Nogks!” Anschließend teilte er den Nogks die Neuigkeit mit. Ihre langen Fühler begannen erregt zu schwirren. Schließlich beendete der Nogk in der goldenen Uniform die Diskussion. „Wir wollen uns beeilen! Sage Ren Dhark unseren Gruß, Huxley! Ich würde mich im Namen aller Angehörigen meiner Rasse sehr freuen, wenn wir schon bald über alle weiteren Schritte miteinander beraten würden!”
* Der Abend kam und die Nacht brach herein. Vor den Hütten der Pfahlbausiedlung loderten die Feuer. Clint Derek und Tanja saßen zusammen mit Ole Bigman und Topai vor seiner Hütte. Clint Derek sah über das Wasser des Binnenmeeres, während er seinen Arm um die Schultern Tanjas legte. Der Widerschein der vielen Feuer spiegelte sich in seinen Zügen. „Perm ist eine Welt, Ole, wie Tanja und ich sie uns immer gewünscht haben! Hier wollen wir leben, hier, bei dir und deinen Familien sollen unsere Kinder aufwachsen! Auf einer Welt, in der der Mensch noch etwas gilt; in der nicht die Mächtigen regieren, sondern die Gemeinschaft aller! Wir kommen wieder, Ole, denn Tanja und ich hätten unser Jägerleben ohne die Invasion nie aufgegeben. Ich selbst werde auf der Erde mit Ren Dhark sprechen. Ich werde durchsetzen, daß Perm eure Welt bleibt. Mögen dann die nächsten Generationen, die Kinder unserer Kinder, endgültig darüber entscheiden, welche Entwicklung Perm nehmen soll!” Clint Derek und Tanja erhoben sich. Sie drückten Ole Bigman und Topai die Hand, winkten den anderen jungen Männern und Frauen zu und verschwanden dann im Innern des Flugdozers. Die Maschine hob ab, stieg senkrecht in die Luft empor, überflog das gewaltige Kampfschiff der Nogks, das noch immer wie ein dunkler Schatten vor der Siedlung im Wasser des Binnenmeeres lag, und verschwand in Richtung auf die roten Berge. Im Morgengrauen des kommenden Tages verließen drei Raumer Perm. Die NOGK Huxleys nahm Kurs auf die Erde. Zwei Kampfschiffe der Nogks kehrten in das System der Sonne Tantal zurück, um dort sofort die notwendigen Vorbereitungen für die Produktion von Tofirit-Kanonen zu treffen. Ole Bigman und Topai sahen den schnell kleiner werdenden Raumern nach. Erst als der blaßblaue Morgenhimmel die Schiffe in sich aufgesogen hatte, kehrten beide in ihre Hütte zurück. Sie würden ein paar Stunden schlafen. Danach wartete harte Arbeit auf sie. Das Wild in der Ebene vor den Terrassen der roten Berge hatte das Nor-ex vergrault. Es würde viel Zeit vergehen, ehe es dorthin zurückkehrte. Ole Bigman, Topai und die anderen Jäger mußten sich neue Jagdgründe suchen ... —ENDE—