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Karl Werdan Hans-Peter Schuster Ursula Müller-Werdan (Hrsg.) Sepsis und MODS 4. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage
III
Karl Werdan Hans-Peter Schuster Ursula Müller-Werdan (Hrsg.)
Sepsis und MODS 4. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage Mit 140 Abbildungen
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Prof. Dr. Karl Werdan
PD Dr. Ursula Müller-Werdan
Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III Klinikum Kröllwitz der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 06097 Halle/Saale
Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III Klinikum Kröllwitz der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 06097 Halle/Saale
Prof. Dr. Hans-Peter Schuster Städtisches Krankenhaus Hildesheim Weinberg 1 31134 Hildesheim
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ISBN 3-540-00004-6 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in The Netherlands Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literarturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Ulrike Hartmann, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Schmitt, Heidelberg Copyediting: Dr. Elke Wolf, Garbsen Design: deblik Berlin SPIN 10877556 Satz: medionet AG, Berlin Druck: Krips, Meppel Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122 – 5 4 3 2 1 0
V
Inhaltsverzeichnis I. Klinische Grundlagen 1
Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Prophylaxe und Therapie der Organdysfunktionen 3
H.-P. Schuster, U. Müller-Werdan
2
Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
U. Müller-Werdan, K. Werdan
23
U. Müller-Werdan, H.-P. Schuster
3
Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) . . . .
Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 O. Moerer, L. de Rossi, R. Rossaint, H. Burchardi
II. Antiinfektiosa und Immunmodulation – Prävention und Therapie 6
Prävention der nosokomialen Sepsis . . . . . . . . . 153 F. Ackermann, P. Gastmeier, B. Ruf
7
Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 P. Zabel
9
14 Dysfunktion des Hepatogastrointestinaltrakts 421 M. Winkler
15 Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis . . . . . . . 427 K.G. Kreymann
16 Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem: Pathophysiologie, Klinik, Prophylaxe und Therapie der »Critical-illness«-Enzephalopathie, -Neuropathie und -Myopathie . . . . . . . . . . . . . . . 461 A. Lindner, S. Zierz
17 Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 M.W.A. Angstwurm, R. Gärtner
IV. Sepsis und Gerinnung
Antimikrobielle Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A.C. Rodloff
8
13 Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion . . . . . . . . . . . . . . 403 D. Barckow
77
K. Werdan, M. Buerke, C. Kuhn, U. Müller-Werdan, H.-P. Schuster
5
12 Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 H. Burchardi, M. Sydow
63
U. Müller-Werdan, H.-P. Schuster
4
11 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und wenig Gesichertes . . . . . . . . . . . 207 K. Werdan
10 Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 W. Seeger, F. Grimminger, D. Walmrath
18 Der Einfluss von Zytokinen auf die Endothelzellfunktion: das Endothel als Motor der Sepsis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 M. Brückmann, M. Riewald, G. Huhle
19 Veränderungen der Hämostase bei Sepsis: disseminierte intravasale Gerinnung, Verbrauchskoagulopathie und sepsisassoziierte Purpura fulminans . . . . . . . . . . . . . . . . 495 C.-E. Dempfle
20 Labordiagnostik der mit Sepsis assoziierten Hämostasestörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 M. Cobas-Meyer, M. von Depka
VI
1 2 3
Inhaltsverzeichnis
21 Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastininhibitor und aktiviertes Protein C: Stellenwert für die Therapie der schweren Sepsis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 C. Putensen, P. Kujath, R. Bouchard, I. Heinze, C. Thees
22 Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 C. Pechlaner, C.J. Wiedermann
4 5 6 7
V. Sepsis bei speziellen Patientengruppen 23 Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 H.-J. Fricke, K. Blumenstengel, K. Höffken
24 Neugeborenensepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
8
H. Stopfkuchen
25 Die Frau als Sepsispatientin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
9 10 11 12 13 14 15
U. Müller-Werdan
26 Der ältere Sepsispatient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 U. Müller-Werdan, K. Werdan
VI. Statt eines Ausblicks 27 Der Sepsispatient in der Postintensivstationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 K. Werdan, S. Reith, R.R. Flieger, U. Müller-Werdan
Anhang
16
Behandlung der schweren Sepsis und des septischen Schocks – Kurzfassung der Evidenzbasierten Therapie-Empfehlungen der »Surviving Sepsis Campaign« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593
17
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599
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VII
Autorenverzeichnis Ackermann, F., Dr. Städtisches Klinikum St. Georg, 2. Klinik für Innere Medizin, Delitzscher Str. 141, 04129 Leipzig
de Rossi, L. Priv.-Doz. Dr. Boehringer Ingelheim Pharma GmbH, Klinische Forschung, Birkendorfer Str. 65, 88397 Biberach an der Riss
Angstwurm, M.W.A., Dr. Medizinische Klinik Innenstadt der Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München
Dempfle, C.-E., Priv.-Doz. Dr. I. Medizinische Klinik, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg, Theodor-Kutzer-Ufer 1–3, 68167 Mannheim
Barckow, D., Prof. Dr. Universitätsklinikum Charité, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Augustenburgerplatz 1, 13353 Berlin
Flieger, R.R. Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale
Blumenstengel, K., Dr. Praxis für Innere Medizin, Georgenstr. 18, 99817 Eisenach Bouchard, R. Klinik für Chirurgie, Campus Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck Brückmann, Martina, Dr. I. Medizinische Klinik, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg, Theodor-Kutzer-Ufer 1–3, 68167 Mannheim Buerke, M., Priv-Doz. Dr. Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale Burchardi, H., Prof. Dr. Am Weinberge 18, 37120 Bovenden Cobas-Meyer, M., Dr. Innere Medizin und Intensivmedizin, Lilly Deutschland GmbH, Saalburgstr. 153, 61350 Bad Homburg
Fricke, H.-J., Priv.-Doz. Dr. Klinik für Innere Medizin, Innere Medizin II, Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität, Postfach, 07740 Jena Gärtner, R., Prof. Dr. Klinikum Innenstadt der Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München Gastmeier, Petra, Priv.-Doz. Dr. Institut für Hygiene, Heubergweg 6, 14059 Berlin Grimminger, F., Dr. Medizinische Klinik II, Justus-Liebig-Universität Gießen, Klinikstr. 36, 35392 Gießen Heinze, I., Dr. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Spezielle Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn, SiegmundFreud-Str. 25, 53105 Bonn Höffken, K., Prof. Dr. Klinik für Innere Medizin II, Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität, Postfach, 07740 Jena
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Autorenverzeichnis
Huhle, G. I. Medizinische Klinik, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg, Theodor-Kutzer-Ufer 1–3, 68167 Mannheim Kreymann, G., Prof. Dr. Universitätsklinikum Eppendorf, Medizinische Kernklinik und Poliklinik, Martinistr. 52, 20246 Hamburg Kuhn, C., Dr. Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale Kujath, P., Prof. Dr. Klinik für Chirurgie, Campus Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck Lindner, A., Priv.-Doz. Dr. Neurologische Klinik, Marienhospital Stuttgart, Postfach 103163, 70027 Stuttgart Moerer, O. Zentrum für Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Georg-August-Universität Göttingen, Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen Müller-Werdan, Ursula, Priv.-Doz. Dr. Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Klinikum Kröllwitz der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale Pechlaner, C., Dr. Medizinische Intensivstation und Notfallaufnahme, Abteilung Allgemeine Innere Medizin, Universitätsklinik für Innere Medizin Innsbruck, Anichstr. 35, 6020 Innsbruck, Österreich Putensen, C., Prof. Dr. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Spezielle Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Siegmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
Riewald, M. Dept. of Immunology, The Scripps Research Institute, La Jolla, 92037 CA, USA Reith, S. Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale Rodloff, A.C., Prof. Dr. Institut für medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Universität Leipzig, Liebigstr. 24, 04103 Leipzig Rossaint, R., Prof. Dr. Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Ruf, B.R., Prof. Dr. Klinikum St. Georg, 2. Klinik für Innere Medizin, Delitzscher Str. 141, 04129 Leipzig Schuster, H.-P., Prof. Dr. Städtisches Krankenhaus Hildesheim, Weinberg 1, 31134 Hildesheim Seeger, W., Prof. Dr. Medizinische Klinik II, Zentrum für Innere Medizin der Justus-Liebig-Universität, Klinikstr. 36, 35385 Gießen Stopfkuchen, H., Prof. Dr. Kinderklinik, Klinikum der Johannes-GutenbergUniversität, Langenbeckstr.1, 55101 Mainz Sydow, M., Priv.-Doz. Dr. Zentrum für Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Georg-August-Universiät Göttingen, Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen Thees, C. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Spezielle Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Siegmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
IX Autorenverzeichnis
von Depka, M., Priv.-Doz. Dr. Abteilung Hämatologie und Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Walmrath, D., Dr. Medizinische Klinik II, Justus-Liebig-Universität Gießen, Klinikstr. 36, 35392 Gießen Werdan, K., Prof. Dr. Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Klinikum Kröllwitz der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale Wiedermann, C.J., Prof. Dr. 2nd Department of Internal Medicine, Central Hospital of Bolzano/Bozen, Lorenz Böhler Street 5, 39100 Bolzano, Italy Winkler, M., Dr. Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale Zabel, P., Prof. Dr. Medizinische Klinik, Forschungszentrum Borstel, Parkallee 35, 23845 Borstel Zierz, S., Prof. Dr. Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle/Saale
XI
Vorwort Die Sepsis ist und bleibt eine der größten Herausforderungen für den Intensivmediziner: dies haben die Leser der ersten Auflage der »Intensivtherapie bei Sepsis und Multiorganversagen« sicherlich so empfunden, und die Leser der vorliegenden vierten Auflage werden dies nicht anders sehen. Eines aber hat sich seit dem Erscheinen der dritten Auflage vor fünf Jahren geändert: in die Sepsisbehandlung ist Bewegung geraten! Die vielen Enttäuschungen der letzten Jahre sind verblasst, und innovative, Evidenz-basierte und anscheinend erfolgreiche Therapiekonzepte geben Anlass zur Hoffnung: frühe, zielgerichtete Herz-Kreislauftherapie, Hydrocortisonsubstitution, Erzielen von Normoglykämie, Therapie mit aktiviertem Protein C, das sind neue Behandlungsansätze, die schon heute viele Intensivmediziner in die Tat umzusetzen versuchen, um damit die Überlebenschancen ihrer Sepsispatienten zu erhöhen. Die vierte Auflage der »Intensivtherapie bei Sepsis und MODS« trägt diesen neuen Entwicklungen natürlich Rechnung. Die bewährte Grundstruktur der bisherigen Auflagen wurde zwar beibehalten, aber durch zahlreiche neue Aspekte ergänzt: 5 Vier Kapitel »Sepsis und Gerinnung« (18–22) führen in die enge Verzahnung von Endothel, Gerinnung und Inflammation ein und berichten über die spannenden Ergebnisse der großen Studien mit gerinnungsaktiven Substanzen. Dabei wird das positive Ergebnis der PROWESS-Studie (Kapitel 21) mit Leitlinienempfehlung (Anhang) – die letalitätssenkende Wirkung der Gabe von aktiviertem Protein C – durchaus kritisch und dennoch konstruktiv hinterfragt (Kapitel 22). 5 Wer sich rasch über spezifische Aspekte der Sepsistherapie informieren möchte, kann dies im Kapitel 4 tun. Besonderer Wert wurde auf praktische Empfehlungen zur Antibiotikatherapie der Sepsis gelegt (Kapitel 4 und 7). Erstmals wurde auch die Prävention der nosokomialen Sepsis mit einem Kapitel (6) bedacht. Ökonomische Aspekte (Kapitel 5) werden in Zukunft immer mehr in unsere Überlegungen einzubeziehen sein. 5 Die Themen Prophylaxe und Therapie der Organdysfunktionen wurden um die Kapitel »Hepatogastrointestinaltrakt« (14) und »Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen« (17) erweitert. Aufmerksamkeit wollen wir lenken auf die Frau (Kapitel 25) und den älteren Menschen (Kapitel 26) als Intensivpatienten. Und wir fragen uns abschließend auch, wie es um die Lebensqualität der Patienten mit Sepsis und MODS nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bestellt ist (Kapitel 27). 5 Die Survival Sepsis Campaign hat 2004 ihre Leitlinien zur Behandlung der Sepsis publiziert und damit der Sepsistherapie zu einem qualitativen Sprung nach vorne verholfen. Im Anhang sind die wichtigsten Empfehlungen für unsere Leser zusammengefasst. Dank gebührt den »treuen« und ehemaligen Autoren und den neuen Autoren/Autorinnen F. Ackermann, M.W.A. Angstwurm, R. Bouchard, M. Brückmann, M. Buerke, H. Burchardi, M. Cobas-Meyer, C.-E. Dempfle, M. v. Depka, R. Gärtner, P. Gastmeier, I. Heinze, G. Huhle, K.G. Kreymann, C. Kuhn, P. Kujath, O. Moerer, C. Pechlaner, C. Putensen, M. Riewald, R. Roissant, B. Ruf, L. de Rossi, C. Thees, C.J. Wiedermann, M. Winkler. In die Sepsisbehandlung ist Bewegung geraten! Die vierte Auflage der »Intensivtherapie bei Sepsis und MODS« möchte mithelfen, Erkenntnisse der Grundlagenforschung und klini-
XII
Vorwort
1
scher Studien dem praktisch tätigen Intensivmediziner nutzbar zu machen und ihm bei der Umsetzung einer Evidenz-basierten erfolgreichen Sepsis-Therapie zu helfen!
2
Karl Werdan, Hans-Peter Schuster, Ursula Müller-Werdan Halle/Saale und Hildesheim, im Januar 2005
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I Klinische Grundlagen 1
Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen – 3
2
Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie – 23
3
Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis – 63
4
Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) – 77
5
Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis – 135
1 Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen H.-P. Schuster, Ursula Müller-Werdan
Zur Geschichte der Sepsis Definition der Sepsis
–3
–4
Klinische Diagnose der Sepsis
– 10
Prognose von SIRS, Sepsis und septischem Schock – 16 Definition des Multiorgandysfunktions-Syndroms und Multiorganversagens – 16 Diagnose und Klinik des Multiorgandysfunktions-Syndroms und Multiorganversagens – 17 Literatur
– 20
Zur Geschichte der Sepsis [23] Schon Hippokrates beobachtete etwa im Jahr 400 v. Chr. ein Fieber, das verursacht wird durch eine Materie, die fault. Eine »Fäulnis des Blutes«, die ein kontinuierliches Fieber bedingt, wurde von Ibn Sina (Aviceuna) um 1000 n. Chr. beschrieben. In der Neuzeit postulierte H. Boerhaave 1751 eine schädliche Substanz, die über die Luft in die Wunden eindringt und eine systemische Erkrankung hervorruft. Um 1860 etablierten Koch und Pasteur die moderne Mikrobiologie. Die Ära der Endotoxinforschung seit 1892 bis zur Jetztzeit ist verbunden mit Namen wie Pfeifer, Centanni, Boivin, Morgan, Goebel, Shear, Westphal, Rietschel. Seit den 70er-Jahren dieses Jahrhunderts fokus-
sierte sich das wissenschaftliche Interesse auf die Aufklärung des pro- und anti-inflammatorischen Mediator-Zytokinnetzwerkes. Das immense Ausmaß des Sepsisproblems in der Vorantibiotikaära, v. a. das unvorstellbare Leid werdender Mütter und das hohe Schwangerschaftsrisiko quoad vitam, kann anhand einiger Zahlen erahnt werden: 1847 gelang es Ignaz Semmelweis, die Kindbettsterblichkeit durch die Einführung der Händedesinfektion mit Chlorwasser zu verringern in der Vorstellung, dadurch die Übertragung eines putriden Giftes zu verhindern. Die Wöchnerinnensterblichkeit betrug um 1850 an der Wiener Universitätsklinik 31 %, in der Stadt Pest, in der Semmelweis wirkte, dagegen 0,75 %! Prof. Schottmüller, Ordinarius für Innere Medizin in Ham-
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
burg, berichtete 1919 anlässlich seiner Antrittsvorlesung über mehr als 10.000 Patientinnen mit septischem Abort, die er selbst behandelt hatte. Das septische Multiorganversagen ist heute die häufigste Todesursache auf unseren Intensivstationen. Die Sepsis verursacht annähernd so viele Todesfälle wie der akute Myokardinfarkt. Um der Relevanz des Krankheitsbildes Rechnung zu tragen, wurde 2001 die »Deutsche Sepsisgesellschaft« gegründet (http://www.sepsis-gesellschaft.de).
Definition der Sepsis Definition der Sepsis im Wandel Auf Schottmüller geht die infektiologisch-klinische Begriffsbestimmung der Sepsis aus dem Jahr 1914 zurück [42]: Eine Sepsis liegt dann vor, wenn sich innerhalb des Körpers ein Herd gebildet hat, von dem konstant oder periodisch pathogene Bakterien in den Blutkreislauf gelangen, und zwar derart, dass durch diese Invasion subjektive und objektive Krankheitserscheinungen ausgelöst werden.
In dieser Abhandlung geht Schottmüller auch bereits auf die Rolle der bakteriellen Toxine in der Entstehung der klinischen Krankheitserscheinungen ein. Spätere Sepsisdefinitionen aus infektiologischer Sicht haben die Begriffsbestimmung Schottmüllers zwar variiert, aber nicht substantiell geändert: Sepsis ist der pathogenetische Sammelbegriff für alle Infektionszustände, bei denen, ausgehend von einem Herd, konstant oder kurzfristig periodisch, Erreger in den Blutkreislauf gelangen und bei denen die klinischen Folgen dieses Geschehens das Krankheitsbild auf die Dauer beherrschen [19]. Unter Sepsis oder Septikämie* verstehen wir eine bakterielle Allgemeininfektion mit ausgeprägten Krankheitserscheinungen, die das Er-
* Der Begriff Septikämie sollte nicht mehr verwendet werden.
gebnis einer dauernden oder intermittierenden Einschwemmung von Bakterien aus einem Sepsisherd in die Blutbahn darstellt [27].
Auch Sepsisdefinitionen im angelsächsischen Schrifttum lehnten sich an diese ursprüngliche Begriffsbestimmung an: Sepsis is defined as the physiologic alterations and clinical consequences of the presence of microorganisms or their products in the blood stream or tissues. Virtually any organisms infecting any site with or without documented bacteremia can produce the various manifestations of sepsis [18].
Nach dem heutigen Wissensstand kann die mikrobielle Sepsis folgendermaßen definiert werden: Sepsis ist die Gesamtheit der lebensbedrohlichen klinischen Krankheitserscheinungen und pathophysiologischen Veränderungen als Reaktion auf die Aktion pathogener Keime und ihrer Produkte, die aus einem Infektionsherd in den Blutstrom eindringen, die großen biologischen Kaskadensysteme und spezielle Zellsysteme aktivieren und die Bildung und Freisetzung humoraler und zellulärer Mediatoren auslösen.
Diese Definition trägt der Komplexität der Sepsis Rechnung. Sie stützt sich auf die 5 Grundpfeiler des septischen Prozesses: 5 den Infektionsherd oder die Infektionsquelle als Ausgangspunkt (septischer Fokus), 5 die Invasion pathogener Keime und toxischer Keimprodukte (Invasion), 5 die Bildung und Aktivierung von Mediatoren (Mediatorexplosion) 5 die Zellfunktionsstörungen und morphologische Destruktion von Zellmembranen und Zellstrukturen und/oder Auslösung von Apoptose als Grundlage der Organschädigungen (Zellschädigung), 5 die Multiorgandysfunktion/-insuffizienz als deren klinischer Ausdruck und Multiorganversagen als Endpunkt des septischen Prozesses (Multiorgandysfunktion und Multiorganversagen).
1
5 Definition der Sepsis
Diese Definition entspricht der heutigen Theorie, dass der Krankheitsverlauf der Sepsis primär durch Ausmaß und Ablauf der Reaktion des Patienten auf die auslösende Noxe und weniger von der Art, Zahl, Pathogenität und Virulenz der Erreger bestimmt wird. Das Krankheitsbild der Sepsis entsteht, wenn eine an sich sinnvolle Abwehrreaktion (»host response«) aus der Kontrolle der physiologischen Inhibitormechanismen gerät und damit in unkontrollierter, überschießender, generalisierter Form nicht mehr nur die auslösenden Pathogene eliminiert, sondern autodestruktive Schädigungen körpereigener Zellsysteme und Organe verursacht. Dieses Konzept der Sepsis ist nach neuerer Vorstellung dahingehend erweitert, dass nicht nur infektiöse, sondern auch nichtinfektiöse Stimuli zur Auslösung dieser Abwehrkaskaden führen können (. Abb. 1-1) und damit ein der bakteriellen Sepsis klinisch sehr ähnliches Krankheitsbild auslösen [48]. Beispiele solcher nichtinfektiöser Aggressionen sind Traumata, Verbrennungen, nichtinfektiöse Entzündungen, wie die Pankreatitis, Intoxikationen, Ischämie/Reperfusion oder auch Vaskulitiden und Transplantatabstoßungen. Unabhängig von der auslösenden Ursache laufen die Mediatorbildung und -freisetzung analog ab und manifestieren sich als mediatorinduzierte Multiorgandysfunktion und Multiorganversagen. In der deutschen Nomenklatur wird die Situation eines polyätiologisch verursachten Syndroms mit homo-
gener Pathogenese und homogener klinischer Erscheinungsform als ein Syndrom der 2. Ordnung bezeichnet. Dieser Definition entsprechen das mediatorinduzierte Dysfunktionssyndrom bzw. das mediatorinduzierte Multiorganversagen als Syndrome mit vielfältigen ursächlichen Auslösemechanismen bei einheitlicher Pathogenese und einheitlichem klinischem Erscheinungsbild. Die akut entzündliche Allgemeinreaktion wird nach einer Konsensusvereinbarung unabhängig von der auslösenden Ursache als systemisches Inflammationssreaktionsyndrom oder »systemic inflammatory response syndrome« (SIRS) bezeichnet,wenn die in . Übersicht 1-1 genannten klinischen Zeichen vorliegen. . Übersicht 1-1:
Terminologie und Definitionen. (Zusammenstellung nach [3, 29, 48] Infektion: Entzündliche Gewebereaktion auf Mikroorganismen oder Invasion von Mikroorganismen in normalerweise steriles Gewebe. Bakteriämie: Vorhandensein vitaler Bakterien im Blut; die Anwesenheit von Viren, Pilzen, Parasiten oder anderen Pathogenen in der Blutbahn sollte entsprechend benannt werden. SIRS (»systemic inflammatory response syndrome«, »systemisches Entzündungsreaktionssyndrom«): systemisch-entzündliche Reaktion 6
. Abb. 1-1. Ätiopathogenese von Sepsis und SIRS: Bakterielle Toxine führen zur Freisetzung von Mediatoren aus Makrophagen (Ma.) und Granulozyten (Gr.). Auch durch nichtinfektiöse Stimuli kann es zu einem SIRS kommen.
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
auf verschiedene schwere klinische Insulte, charakterisiert durch 2 oder mehr der folgenden Symptome: 1. Körpertemperatur >38,0oC oder <36,0oC, 2. Herzfrequenz >90/min, 3. Atemfrequenz >20/min oder paCO2 <32mmHg 4. Leukozyten >12.000/mm3 oder <4.000/ mm3, oder >10 % unreife (stabförmige) Formen; CARS (»compensatory anti-inflammatory response syndrome«): Kompensatorisches anti-inflammatorisches Reaktionssyndrom, das sich – im Anschluss an die proinflammatorische Phase – als Anergie, als erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Infektionen oder als beides manifestiert. MARS (»mixed antagonistic response syndrome«): antagonistisches Reaktionssyndrom, das sich aus mehreren SIRS- und CARS-Phasen zusammensetzt. Sepsis: systemische Reaktion auf eine Infektion, charakterisiert durch 2 oder mehr der folgenden, durch die Infektion hervorgerufenen Symptome: 1. Körpertemperatur >38,0oC oder <36,0oC, 2. Herzfrequenz >90/min, 3. Atemfrequenz >20/min oder paCO2<32mmHg 4. Leukozyten >12.000/mm3 oder <4.000/ mm3, oder >10 % unreife (stabförmige) Formen; schwere Sepsis: Sepsis, assoziiert mit Organdysfunktion, Minderperfusion oder Hypotonie. Minderdurchblutung und Durchblutungsstörungen können beinhalten, sind aber nicht beschränkt auf: Laktatazidose, Azidose, Oligurie oder eine akute Änderung der Bewusstseinslage; MODS (»multiple organ dysfunction syndrome«): Dermaßen geänderte Organfunktion bei Akutkranken, dass die Homöostase ohne Intervention nicht mehr aufrechterhalten werden kann; 6
sepsisinduzierte Hypotonie: systolischer Blutdruck <90mmHg oder Reduktion um >40 mmHg des Ausgangswerts bei Fehlen anderer Hypotonieursachen; septischer Schock: sepsisinduzierter Schock mit Hypotonie trotz adäquater Volumensubstitution, einhergehend mit Hypoperfusionszeichen oder Organdysfunktionszeichen; letztere können beinhalten, sind aber nicht beschränkt auf: Laktatazidose, Azidose, Oligurie oder eine akute Änderung der Bewusstseinslage. Patienten, die infolge einer Therapie mit inotropen oder vasokonstriktiven Substanzen nicht mehr hypotensiv sind, aber dennoch Zeichen der Hypotension oder Organdysfunktion aufweisen, werden trotzdem dem Stadium des septischen Schocks zugeordnet; refraktärer septischer Schock: septischer Schock ohne rasches Ansprechen auf Volumengabe (z. B. 500 ml NaCl in 30 min) und Vasopressoren; akute septische Kardiomyopathie: Herzschädigung im Rahmen einer Sepsis mit der Folge einer im Verhältnis zum systemischen Gefäßwiderstand verminderten Pumpfunktion des Herzens.
Wodurch es zur Anstoßung der Mediatorkaskaden bei den nichtentzündlichen Prozessen kommt, ist letztlich nicht geklärt. Häufig wird das Phänomen einer Translokation von Bakterien und Endotoxin aus dem Darm infolge einer Darmwandischämie als Trigger der systemischen Entzündungsreaktion angehen [1a]. Für die mikrobielle Sepsis lassen sich Patienten mit dem Bild einer Sepsis und positivem Keimnachweis in der Blutkultur als Untergruppe abgrenzen. Aus der Sicht des Klinikers und Therapeuten sind die verschiedenen Ätiologien eines mediatorbedingten Multiorganversagens in aller Regel unterscheidbar in Kenntnis des Gesamtbildes des Patienten. Auch erscheint die Differenzierung therapeutisch relevant. Der praktisch tätige Intensivmediziner wird durchaus zu unterschiedlichen
7 Definition der Sepsis
Therapieplänen kommen, je nachdem, ob es sich beispielweise um eine bakterielle Pneumonie, eine Meningitis, eine Pyelonephritis, eine postoperative abdominelle Infektion oder aber um einen Verkehrsunfall mit multiplen Frakturen, eine schwere Paraquatintoxikation oder eine akute generalisierte Vaskulitis handelt. So erscheint es aus klinischer Sicht nach wie vor sinnvoll, das infektionsbedingte Krankheitsbild der mikrobiellen Sepsis von einem primär nichtinfektiös bedingten, wenn auch sehr ähnlichen Krankheitszustand zu unterscheiden und beide als Varianten eines allgemeinen Syndroms zu begreifen.
Aktuelle Definitionen von Sepsis, SIRS und sepsisassoziierten Erkrankungen . Übersicht 1-1, fasst die derzeit gültigen Definitionen der Sepsis und assoziierter Erkrankungen zusammen. Eine amerikanische Konsensuskonferenz aus Vertretern der Thoracic Society und der Society of Critical Care Medicine hat sich 1991 auf Definitionen von Sepsis und SIRS geeinigt [29] . Das »Internationale Sepsis-Forum« hat die Gültigkeit dieser Definitionen im Jahre 2001 bestätigt [28a]. Danach ist SIRS eine allgemeine, entzündliche Abwehrreaktion auf unterschiedliche Aggressionen und manifestiert sich durch das Auftreten von 2 oder mehr der folgenden Reaktionen: Temperatur über 38°C (oder unter 36°C), Herzfrequenz über 90 Schläge/min, Atemfrequenz über 20 Atemzüge/ min oder paCO2 unter 32 mmHg, Leukozytenzahl über 12.000/mm3 oder unter 4.000/mm3 oder mehr als 10 % unreife Neutrophile. Sepsis ist definiert als das Auftreten dieser allgemein entzündlichen Antwort als Reaktion auf eine mikrobiologische Infektion. Der septische Patient ist danach der Patient mit einem SIRS aus infektiöser Ursache. Der Begriff Septikämie sollte nicht mehr verwendet werden. Im Verständnis der deutschen Medizin kommt diese Sepsisdefinition einer Inflation des Sepsisbegriffs gleich. Für unser Verständnis ist Sepsis nach wie vor eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung. Diesen Charakter verliert die Sepsis jedoch, wenn man der Definiti-
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on der Konsensuskonferenz folgt. Viel eher würden wir die Diagnose einer Sepsis stellen können, wenn die Situation der »severe sepsis« in der Definition der Konsensuskonferenz vorliegt. So wird in den folgenden Abschnitten auch die Diagnose »Sepsis« aufgefasst und dargestellt werden. Der schwere Verlauf wird durch Manifestation von Hypotension/Minderperfusion und/oder Dysfunktion vitaler Organsysteme definiert (. Tabellen 1-1 und 1-2).
. Tabelle 1-1. Klinischer Ablauf der Sepsis. Übersicht über klinische Zeichen und Laborparameter Invasion von Bakterien/ Toxinen
Verschlechterung des Allgemeinzustands, anhaltendes Fieber (seltener Hypothermie), Schüttelfrost, Leukozytose (seltener Leukopenie)
Respiratorische Insuffizienz
Tachypnoe, Hypokapnie bei Hyperventilation, Hypoxämie
Herz-/ Kreislaufinsuffizienz
Herzfrequenzbeschleunigung, Blutdruckinstabilität, Blutdruckabfall, Haut heiß-rot-trocken (seltener kühl-blass-feucht)
Gerinnungsaktivierung
AT-Verminderung, Fibrinmonomere, Fibrin(ogen)spaltprodukteanstieg, Thrombozytenabfall, Thrombozytenfunktionsstörung
Metabolische Störungen
Hyperglykämie (seltener Hypoglykämie), Blutlaktatanstieg, Negativierung der Stickstoffbilanz
Niereninsuffizienz
Diureserückgang, Kreatininclearanceabfall, Serumkreatininanstieg
Enzephalopathie
Somnolenz, Unruhe, Verwirrtheit
Polyneuropathie, Myopathie
Weaning off-Probleme
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
. Tabelle 1-2. Formen und diagnostische Kriterien des Multiorganversagens. Übersicht über klinische Zeichen und Laborparameter Organ
Dysfunktion
Diagnose- und Differentialdiagnosehilfen
Lunge (s. auch 7 Kap. 12)
Lungenödem mit erhöhtem Kapillardruck: kardiales Lungenödem Lungenödem mit erhöhter Kapillarpermeabilität: Acute lung injury (ALI: paO2/FIO2<300 mmHg) Acute respiratory distress syndrome (ARDS) (paO2/FIO2<200 mmHg)
Hypoxämie (paO2 unter der Altersnorm bei Atmung von Raumluft), pathologisch-radiologischer Befund im Thoraxröntgenbild, Respiratortherapie erforderlich
Niere (s. auch 7 Kap. 13)
Prärenales Nierenversagen Akute Tubulusnekrose Rindennekrose
Anstieg des Serumkreatinins >3 mg/dl, Urinausscheidung <20 ml/h, Kreatininclearance <15 ml/min · 1,73 m2 trotz Normalisierung von Blutdruck und Flüssigkeitshaushalt, Nierenersatzverfahren erforderlich
Gehirn (s. auch 7 Kap. 16)
Enzephalopathie: ischämisch – septisch – hepatisch
neurologischer Status, CCT, EEG, Glasgow-Coma-Scale, Ammoniak
Peripheres Nervensystem, Skelettmuskel (s. auch 7 Kap. 16)
Polyneuropathie des Schwerstkranken Myopathie des Schwerstkranken
Neurologischer Status, EMG, Muskelbiopsie, Glasgow-Coma-Scale
Herz (s. auch 7 Kap. 11)
Myokardischämie Septische Kardiomyopathie Myokarddepression bei SIRS (SIRS-Kardiomyopathie) Supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien bradykarder und tachykarder Genese
Swan-Ganz-Katheter, Blutdruckmessung, Linksventrikulärer Schlagarbeitsindex
Kreislauf (s. auch 7 Kap. 11)
Sepsis Anaphylaxie
Systemischer Gefäßwiderstand
Gastrointestinaltrakt (s. auch 7 Kap. 14)
Bakterielle/Endotoxintranslokation Ileus Submuköse Darmblutung Eroxive Gastritis Stressulkus Akalkulöse Cholezystitis Pankreatitis, »Schockpankreas« [41]
Enzymdiagnostik, Endoskopie, Sonographie, CT
Leber (s. auch 7 Kap. 14)
Ischämische Hepatitis Intrahepatische Cholestase »Schockleber«
Anstieg Serumbilirubin >2mg/dl Erhöhung Transaminasen >2faches der Norm
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9 Definition der Sepsis
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. Tabelle 1-2. (Fortsetzung) Organ
Dysfunktion
Diagnose- und Differentialdiagnosehilfen
Gerinnungssystem (s. auch 7 Kap. 18– 22)
Disseminierte intravasale Gerinnung Verdünnungsthrombozytopenie
Abfall Thrombozytenzahl (Thrombopenie oder rascher Abfall um 150.000/mm³) Abfall der Fibrinogenkonzentration (Hypofibrinogenämie oder rascher Abfall um 150 mg/dl) Pathologische plasmatische Gerinnungstests, mindestens 2 (Quick-Wert, PTT, Faktoren II, V oder X)
Immunsystem (s. auch 7 Kap. 10)
Suppression der lokalen Darmimmunbarriere Störung der zellulären Immunantwort Störung der humoralen Immunantwort (sekundäres Antikörpermangelsyndrom) Immunparalyse
Immunglobuline, Differentialblutbild, monozytäre HLA-DR-Expression
Stoffwechsel (s. auch 7 Kap. 15)
Zu niedriges O2-Angebot, gehemmter zellulärer O2-Verbrauch Shift: Proteolyse, Lipolyse Hyperglykämie: gestörte Glukoseaufnahme und -verwertung
Blutzucker, Blutfette
Organinteraktion (s. auch 7 Kap. 11 u. 16)
Autonome Dysfunktion
Herzfrequenzvariabilität, Baro- und Chemoreflexsensitivität
Hypotension/Hypoperfusion kann bis zum Bild des manifesten septischen Schocks fortschreiten. Aus der initialen Dysfunktion vitaler Organsysteme kann sich ein manifestes Organversagen entwickeln. So können infektiöses und nichtinfektiöses SIRS in Schock oder Multiorganversagen münden (. Abb. 1-1).
Empfehlung 3: Infektion und Bakteriämie werden definiert wie in . Übersicht 1-1, aufgeführt. Der Begriff Septikämie wird ersatzlos gestrichen.
Ergebnisse der amerikanischen Konsensuskonferenz zur Definition von Sepsis und Organversagen 1991 im Einzelnen
Empfehlung 4: Schweregrade der Sepsis und ihrer Folgeerscheinungen können im Kontinuum des Krankheitsprozesses anhand von klinischen Daten als schwere Sepsis und septischer Schock abgegrenzt werden, wie in . Übersicht 1-1 definiert.
Empfehlung 1: Da eine systemisch-inflammatori-
sche Reaktion sowohl durch eine infektiöse als auch durch eine nichtinfektiöse Ursache ausgelöst werden kann, wird der Begriff SIRS (»systemic inflammatory response syndrome« ) wie oben definiert eingeführt, der diesen Prozess kennzeichnet, unabhängig von seiner Ursache.
Empfehlung 2: Wenn die systemisch-inflammato-
rische Reaktion durch eine gesicherte infektiöse Ursache bedingt ist, wird sie Sepsis genannt.
Sepsisstadien nach Bone [3] Nachdem die proinflammatorische Phase des septischen Geschehens (SIRS) in den vergangenen Jahren ganz im Vordergrund des Interesses der Sepsisforschung stand, wird in jüngerer Zeit dem
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
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. Abb. 1-2. Sepsisstadien nach Bone [3]. Im Krankheitsverlauf kann entweder ein systemisches Inflammationsreaktionssyndrom (SIRS) oder ein kompensatorisches antiinflammatorisches Reaktionssyndrom (CARS; »compensatory anti-inflammatory response syndrome«) dominieren, oder Phasen pro- und antiinflammatorischer Reaktion können sich abwechseln im Sinne eines gemischten antagonistischen Reaktionssyndroms (MARS; »mixed antagonistic response syndrome«).
antiinflammatorischen CARS und dem mehrere pro- und antiinflammatorische Episoden umfassenden MARS mehr Beachtung geschenkt (. Übersicht 1-1, . Abb. 1-2). Durch eine antiinflammatorische Gegenreaktion können das Krankheitsgeschehen und die Prognose des Patienten durch eine monozytäre Immunparalyse geprägt sein. Aus der diagnostischen Trennung von SIRS und CARS könnten sich zukünftig differentialtherapeutische Ansätze ergeben [10a].
Klinische Diagnose der Sepsis Problematik Ein Hauptproblem für den Kliniker besteht darin, die anerkannte pathophysiologisch-infektiologische Sepsisdefinition in eine praktikable klinische Sepsisdiagnose umzusetzen. Unter therapeutischen Gesichtspunkten muss die Diagnose frühzeitig im Ablauf des septischen Prozesses gestellt werden. Die Kriterien einer klinischen Sepsisdiag-
nose müssen also biologisch auf Initialzeichen der Sepsis beruhen, und sie müssen organisatorisch im klinischen Routineablauf rasch verfügbar sein. Daraus ergeben sich die Anforderungen an brauchbare Kriterien für die klinische Sepsisdiagnose 5 Erkennung der initialen Sepsis (Diagnose der Sepsis in der Frühphase), 5 rasche Verfügbarkeit (klinische und laborchemische Routinedaten), 5 Begründung durch die Pathophysiologie der Sepsis (hohe Spezifität und Sensitivität), 5 hohe Akzeptanz (möglichst allgemeine Anwendung der Kriterien). Daraus wird klar, dass eine positive Blutkultur oder der Nachweis von Endotoxin und Mediatorsubstanzen derzeit nicht als Kriterium einer frühzeitigen klinischen Sepsisdiagnose herangezogen werden können. Die Nachweisverfahren sind zu zeitaufwendig und stehen den meisten Kliniken als Routinemethode nicht zur Verfügung. Die für eine Sepsisdiagnose brauchbaren Kriterien sind vielmehr unter den Symptomen und Zeichen zu
11 Klinische Diagnose der Sepsis
suchen, welche den Ablauf der Sepsis klinisch widerspiegeln.
Klinische Symptome und Zeichen der Sepsis Ordnet man den pathogenetischen Grundschritten der Sepsis die jeweils entsprechenden klinischen, pathophysiologischen und pathobiochemischen Befunde zu, so ergibt sich die in . Tabelle 11 dargestellte Synopsis. Als Ausdruck der Invasion von Erregern und Toxinen kommt es zu einer zwar schwierig quantifizierbaren, dem Kliniker aber meist klar erkennbaren akuten Verschlechterung des Allgemeinzustands mit nachfolgendem anhaltenden Fieber in 60–80 % der Fälle, bei jedem 3. bis 4. Patienten begleitet von Schüttelfrost, seltener Hypothermie (10 %). In der Mehrzahl der Fälle (60–70 %) findet sich eine Leukozytose im peripheren Blut; eine kleine Untergruppe (10 %) ist leukopenisch. Bei jeweils etwa 20 % der Fälle bleiben Körpertemperatur oder Leukozytenzahl normal. Ein viel versprechender neuerer Parameter zur Diagnose der Infektion in der Sepsis ist das Prokalzitonin (PCT), ein Propeptid des Kalzitonins. Während die PCT-Spiegel im Blut bei Gesunden sehr niedrig sind (<0,1 ng/ml), wird das Peptid bei schweren Infektionen von extrathyreoidalen Geweben produziert und sezerniert und kann bei der schweren bakteriellen Sepsis Werte von bis zu >100 ng/ml erreichen [38a]. Als Konsequenz der durch die Invasion ausgelösten Bildung toxischer Mediatoren werden Veränderungen der Respiration und Zirkulation, der Blutgerinnung, des Stoffwechsels und der Bewusstseinslage erkennbar. Zeichen der respiratorischen Störung sind Tachypnoe, Hyperventilation mit Verminderung des arteriellen CO2-Partialdrucks und Hypoxämie mit Verminderung des arteriellen pO2 unter die Altersnorm bei Atmung von Raumluft. Zeichen der hämodynamischen Störung sind Herzfrequenzbeschleunigung, Blutdruckinstabilität mit schwankenden Blutdruckwerten und Neigung zu Blutdruckabfall, erhöhter Bedarf an Volumen und Katecholaminen.
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Die Haut ist in der Mehrzahl der Fälle heiß, rot und trocken, seltener bereits in der Initialphase kühl, blass und feucht. Aktivierte Gerinnungsprodukte sind in der Klinik aus methodischen Gründen schwierig zu fassen, sodass zum Nachweis der Gerinnungs- und Fibrinolyseaktivierung zumeist die Verminderung von Antithrombin, das Auftreten löslicher Fibrinmonomere, der Abfall der Thrombozytenzahl im peripheren Blut und der Anstieg von Fibrin(ogen)spaltprodukten herangezogen werden. Neben einer Verminderung der Thrombozyten ist in der Sepsis auch eine Thrombozytenfunktionsstörung [15] nachweisbar (zur ausführlichen Darstellung der Hämostaseologie 7 Kap. 19 u. 20). Messbare metabolische Veränderungen sind Hyperglykämie bei relativer peripherer Insulinresistenz, seltener Hypoglykämie, Anstieg der Blutlaktatkonzentration, erhöhte Stickstoffausscheidung im Urin. Eine beginnende Niereninsuffizienz zeigt sich in Diureserückgang, Verminderung der endogenen Kreatininclearance und Anstieg des Serumkreatinins. Frühe Zeichen einer septischen Enzephalopathie sind Somnolenz mit zunehmender Bewusstseinstrübung oder Unruhe und Verwirrtheit, bei manchen Patienten auch eine eigenartige Lethargie [26]. Im Verlauf einer Sepsis kann es auch zu einer Polyneuropathie oder Myopathie kommen (7 Kap. 16, »Prophylaxe und Therapie der Criticalillness-Neuropathie, Myopathie, Enzephalopathie« [26]). In der Klärung derjenigen Zeichen und Symptome, die als klinisch anwendbare und aussagekräftige Kriterien einer Sepsisdiagnose definitiv herangezogen werden können, haben die großen Sepsisstudien der vergangenen Jahre die entscheidenden Schritte getan z. B. [4, 12a, 34, 36, 39, 47]. Die in diesen Studien angewendeten Eingangskriterien sind in den nachfolgenden Übersichten exemplarisch aufgeführt und bilden heute die Grundlage der Sepsisdiagnose. Sie stützen sich auf Symptome, klinische Zeichen und physiologisch-biochemische Normabweichungen, wie sie als Folge der Invasion von Keimen und Toxinen sowie der frühen Reaktion spezieller Organsysteme auf diese Invasion auftreten.
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
Kriterien der Sepsisdiagnose für die Behandlungsstudie mit einem monoklonalen Anti-TNF-Antikörperfragment [39] Alle 5 der folgenden Kriterien zur Sepsisdiagnose mussten zum Studieneinschluss in einem Zeitraum von 24 h gemeinsam vorliegen: 5 klinische Evidenz einer Verdachtsdiagnose Sepsis, 5 Hyperthermie (Körpertemperatur >38,0°C) oder Hypothermie (Körpertemperatur <35,6°C), 5 Tachykardie, entsprechend einer Herzfrequenz >90 Schläge/min in Abwesenheit einer ß-Blockerbehandlung, 5 Tachypnoe, definiert als eine Atemfrequenz >20 Atemzüge/min oder als Notwendigkeit mechanischer Beatmung, 5 Hypotension, definiert als ein systolischer Blutdruck <90 mmHg oder ein anhaltender Blutdruckabfall um >40 mmHg bei adäquater Volumensubstitution, oder Anhalt für systemische Toxizität oder verminderte Endorgandurchblutung, definiert durch 2 oder mehrere der folgenden Kriterien: – metabolische Azidose (arterieller Blut-pHWert <7,3 oder Basenexzess >5 mmol/l), – arterielle Hypoxie (pO2 <10 kPa [<75 Torr] bei Raumluft oder pO2/FIO2<250), – erhöhter Plasmalaktatwert, – akutes Nierenversagen (Urinproduktion <0,5 ml/kg/h über mindestens 1 h), – Blutgerinnungsstörung (Prothrombinzeit >5 · Kontrolle oder partielle Thromboplastinzeit >1,2 · Kontrolle), – unerklärter Abfall der Thrombozytenzahl (< 100.000 Thrombozyten/mm3 oder ein Abfall um mindestens 50 % des Ausgangswerts), – akute Verschlechterung des mentalen Status, oder ein Herzindex von >4,0 l/min/m² mit einem systemischen Gefäßwiderstand von <800 dyn · cm-5 · s. Die retrospektive Stratifizierung der Patienten ergab einen Nutzen für die Patienten mit einem IL6-Blutspiegel >1.000 pg/ml; dies wurde als Ein-
schlusskriterium für eine Folgestudie angewendet: Die MONARCS-Studie belegte eine signifikante Senkung der Sterblichkeit durch einen monoklonalen Anti-TNF-α-Antikörper bei septischen Patienten mit IL-6-Spiegeln von >1000 pg/ml [34a].
Einschlusskriterien der SBITS-Studie, einer Behandlungsstudie mit polyvalentem Immunglobulin G [36] Mindestens 4 der folgenden 9 Sepsiskriterien mussten zum Einschluss in die Studie erfüllt sein, zusätzlich mussten der APACHE-II-Score 20 bis einschließlich 35 Punkte und der Sepsisscore nach Elebute u. Stoner 12 bis einschließlich 27 Punkte betragen [37]: 5 Temperatur >38,5°C oder <36,0°C, 5 Leukozytenzahl >12 oder <3,5 G/l, 5 Herzfrequenz >100Schläge/min, 5 Atemfrequenz >28/min oder FIO2>0,21, 5 mittlerer arterieller Blutdruck <75 mmHg, 5 Herzindex >4,5 l/min/m² oder systemischer Gefäßwiderstand <800 dyn · cm-5 · s, 5 Thrombozytenzahl <100 G/l, 5 Blutkulturen positiv, 5 klinische Evidenz der Sepsis positiv (chirurgische oder invasive Prozedur innerhalb der vorausgehenden 48 h oder Vorhandensein eines offensichtlichen primären septischen Herdes).
Medizinische Einschlusskriterien einer Behandlungsstudie mit Interleukin-1Rezeptorantagonist [34] 5 Klinische Evidenz einer Infektion, angezeigt
durch, aber nicht begrenzt auf die Anwesenheit eines oder mehrerer der folgenden Zeichen innerhalb der vorausgegangenen 72 h: – Nachweis von polymorphkernigen Zellen in einer normalerweise sterilen Körperflüssigkeit, – positive Kultur oder Gramfärbung zum Nachweis eines pathogenen Mikroorganis-
13 Klinische Diagnose der Sepsis
mus in Blut, Sputum, Urin oder einer normalerweise sterilen Körperflüssigkeit, – Thoraxröntgenaufnahme ist vereinbar mit der Diagnose einer Pneumonie – Infektionsfokus ist visuell identifiziert (z. B. Darmruptur mit Nachweis von freier Luft oder Darminhalt im Abdomen während eines operativen Eingriffs; Wunde mit purulenter Drainage; röntgenologischer oder computertomographischer Nachweis eines Abszesses oder einer Osteomyelitis; usw.), – der Patient hat eine Grundkrankheit oder Bedingung, die wahrscheinlich mit einer Infektion assoziiert ist (z. B. aszendierende Cholangitis, Darmischämie, usw.). 5 Anhalt für eine systemische Reaktion auf eine Infektion, definiert durch die Anwesenheit aller der folgenden Zeichen während der vorausgegangenen 24 h: Fieber oder Hypothermie (Kerntemperatur > 38,0°C [>100,4oF] oder <36,0°C [<96,8°F]), – Tachykardie (Herzfrequenz >90/min), außer bei Patienten, die ß-Blocker erhalten oder einen frequenzkontrollierten Schrittmacher tragen – Tachypnoe (>20 Atemzüge/min bei Spontanatmung) oder Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung. Darüber hinaus muss eines der beiden folgenden Kriterien erfüllt sein: 5 anhaltende Hypotension oder Gebrauch von Vasopressoren (außer Dopamin <5,0 µg/kg/ min) minimal über 1 h bei adäquater Volumensubstitution und ohne Anwendung antihypertensiver Medikation. Anhaltende Hypotension wurde definiert als 2 oder mehr Blutdruckmessungen im Abstand von minimal 1 h mit einem systolischen Blutdruckwert <90 mmHg oder einem mittleren arteriellen Blutdruck <65 mmHg. 5 Anhalt für eine Endorgandysfunktion oder -hypoperfusion, definiert durch 2 oder mehr der folgenden Zeichen, die nicht das Resultat einer Grundkrankheit sind, sondern einer Sepsis zuzuordnen sind: – arterielle Hypoxämie (paO2 <75 Torr [<10 kPa] oder paO2/FIO2 <250 [höhenkorrigiert]),
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– metabolische Azidose (pH-Wert >7,30 oder Basendefizit >5,0 mmol/l oder eine erhöhte Plasmalaktatkonzentration), – anhaltende Oligurie (Urinmenge <0,5 ml/ kgKG/h über minimal 2 h bei adäquater Flüssigkeitssubstitution), – neu (innerhalb von 24 h) aufgetretene Gerinnungsanomalie (Prothrombinzeit >1,2faches des oberen normalen Limits [<60 % Aktivität] oder partielle Thromboplastinzeit >1,2faches des oberen normalen Limits), – Thrombozytopenie [Thrombozytenzahl<100.000 Zellen/mm3; (< 1006/l)] – Herzindex >4,0 l/min/m² bei einem systemischen Gefäßwiderstand von <800 dyn · cm-5 · s.
Wertigkeit der Sepsisdiagnosekriterien Unterschieden werden »obligate«, d. h. für die Sepsis diagnostische, und »fakultative«, d. h. für die Sepsisdiagnose konfirmierende Kriterien.
Obligate Kriterien der Sepsisdiagnose Als obligate Kriterien der Sepsisdiagnose können aufgrund der bereits angeführten Sepsisstudien sowie der Erfahrung in anderen klinischen Arbeiten die nachfolgend aufgeführten Daten gelten, wobei die Angaben an die Definitionen der amerikanischen Konsensuskonferenz angeglichen sind. Klinisch offenkundiger Sepsisherd: 5 Infektionsherd 5 chirurgischer oder invasiver Eingriff innerhalb der vorausgegangenen 24 h, 5 4 der nachfolgenden 5 Kriterien: – Fieber (rektal >38,0°C) oder Hypothermie (rektal <36,0°C), – Tachypnoe (>20 Atemzüge/min) oder Hypokapnie (paCO2 <32 mmHg), – Tachykardie (>90 Schläge/min), – Leukozytose (>12.000/mm³) oder Leukopenie (<4.000/mm³), – Nachweis von zumindest einem Indikator inadäquater Organperfusion oder gestörter Organfunktion nach Ausschluss anderer Ursachen: Veränderung des mentalen
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
Status (Somnolenz, Verwirrtheit, Lethargie) oder Hypoxämie (paO2 <75 mmHg bei Atmung von Raumluft) oder Laktatanstieg (> 1,6 mmol/l) oder Diureserückgang (<30 ml/ h) oder Blutdruckabfall (<90 mmHg systolisch oder Abfall von >40 mmHg vom Ausgangswert).
4 Fakultative Kriterien der Sepsisdiagnose
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Als fakultative Kriterien, welche die Diagnose unterstützen, ohne jedoch für die Sepsisdiagnose obligat zu sein, können die nachfolgend aufgeführten Kriterien gelten (Inzidenz in %): 5 Positive Blutkulturen (Erregernachweis; 40 %) 5 Positiver Limulustest (Endotoxinnachweis; 60-80 %) 5 Thrombopenie (<100.000/mm³; 10 %) 5 Thrombozytenabfall (30 % des Ausgangswertes; 80 %) 5 AT-Erniedrigung (<70 % der Norm; 80 %). Die Angaben zur Inzidenz beziehen sich auf die Größenordnung, in der nach den Angaben der Literatur [4, 6, 10, 17, 33, 47] das jeweilige Kriterium in einem Patientenkollektiv anzutreffen ist, wenn anhand der obligaten Kriterien eine Sepsis diagnostiziert wurde.
großer Bedeutung, dass eine in dieser Weise diagnostizierte Sepsis kein homogenes Krankheitsbild darstellt. In einem Kollektiv von Patienten mit der klinischen Diagnose Sepsis sind ätiologisch zumindest folgende Untergruppen enthalten: 5 Patienten mit gramnegativer Infektion und nachgewiesener Bakteriämie, 5 Patienten mit gramnegativer Infektion ohne Erregernachweis im Blut, 5 Patienten mit grampositiver Infektion und nachgewiesener Bakteriämie, 5 Patienten mit grampositiver Infektion ohne Erregernachweis im Blut, 5 Patienten mit Infektionen durch andere Keime, z. B. Pilze oder Viren, oder Mischinfektionen 5 Patienten ohne primäre Infektionen. Über die Größe der letzten Gruppe entscheiden die Anforderungen, die an die Feststellung eines Infektionsherdes oder einer Keimquelle gestellt werden. Je schärfer die Kriterien hierfür gefasst werden, desto eher handelt es sich um eine mikrobielle Sepsis im strengen Sinne. Je liberaler diese gehandhabt werden, desto eher werden auch Patienten mit einem nichtinfektiös bedingten SIRS im Diagnosekollektiv enthalten sein. Leider gibt es bisher für den Nachweis einer Infektionsquelle keine vergleichbar scharfen Kriterien wie für die Diagnose von Sepsis und SIRS selbst.
Diagnostizierte Patientenkollektive in Abhängigkeit von Infektionsquellennachweis
Inzidenz der Sepsis (s. auch 7 Kap. 5)
Es bleibt festzuhalten, dass die Diagnose der Sepsis in der Klinik aufgrund eines Datenmosaiks aus Symptomen, Zeichen und Befunden erfolgt. Bei einem Patienten, der das geforderte Datenmosaik erfüllt, wird die Diagnose Sepsis gestellt. Intensivmediziner bezeichnen einen Patienten als »septisch«, wenn er diese diagnostischen Sepsiskriterien bietet. Die Abgrenzung einer mikrobiellen Sepsis von dem nichtinfektiös bedingten SIRS hängt vom Nachweis eines Sepsisherdes oder einer Infektionsquelle ab. Für das Verständnis von Studienergebnissen, aber auch für die interdisziplinäre Diskussion zwischen Klinikern und klinisch-theoretischen Wissenschaftlern ist schließlich die Feststellung von
In den USA geht man nach einer neueren Schätzung [1] von jährlich etwa 751.000 Fällen einer schweren Sepsis aus, entsprechend einer Inzidenz von 0,3 %. Die Inzidenz nimmt in dieser epidemiologischen Studie altersabhängig um mehr als den Faktor 100 zu (0,02 % bei Kindern bis zu 2,62 % bei den über 85-Jährigen). Die Letalität beträgt 28,6 %, das entspricht jährlich etwa 215.000 Todesfällen. Auch bei der Letalität zeigt sich eine Altersabhängigkeit (von 10 % bei Kindern bis auf 38,4 % bei den über 85-Jährigen). Die Inzidenz und auch die Sterblichkeit waren bei Frauen altersbezogen niedriger, wobei die Unterschiede in der Letalität durch Unterschiede bei den zugrunde liegenden
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15 Klinische Diagnose der Sepsis
Erkrankungen und beim Infektionsherd zu erklären sind. In unseren Bereichen ist im Mittel mit 5 Erkrankungen an Sepsis auf 1.000 Krankenhauspatienten zu rechnen [28J, in akademischen Lehrkrankenhäusern der Maximalversorgung beträgt die Inzidenz, bezogen auf alle Krankenhauspatienten, 1,3-2 % [20, 40]. Bei Patienten der Intensivstationen liegt wegen der bekannten Infektgefährdung kritisch Kranker die Sepsisinzidenz höher und beträgt etwa 10 % [24]. In den vergangenen Jahrzehnten stieg die Inzidenz der Sepsis kontinuierlich an [9]. Über 50 % der Sepsisfälle sind Folge nosokomial erworbener Infektionen, ca. 25 % entstehen auf der Intensivstation [5]. Die Zahl der aufgetretenen Sepsisfälle in größeren Kollektiven von Intensivpatienten über einen bestimmten Zeitraum wird mit 3–5 % angegeben. Die Daten einer aktuellen epidemiologischen Studie internistischer Intensivpatienten [40] sind in . Tabelle 1-3 wiedergegeben, das Keimspektrum dieser Patienten in . Tabelle 1-4. Eine französische Multicenterstudie über 11.828 Intensivpatienten erbrachte eine Sepsisinzidenz von ca. 9 % [24]. Bei einer Untersuchung von 170 konsekutiven Patienten, die auf eine chirurgische Intensivstation aufgenommen und 30 Tage weiterbeobachtet wurden, erfüllten ca. 93 % die Diagnosekriterien eines SIRS (davon ca. 19 % nach Entlassung von der Intensivstation), ca.49 % die Konsensuskriterien einer Sepsis (davon ca. 29 % nach Entlassung von der Intensivstation), ca. 16 % entwickelten definitionsgemäß eine schwere Sepsis (davon ca. 8 % nach Entlassung von der Intensivstation [38]). Bei insgesamt 1.555 Aufnahmen auf eine interdisziplinäre Intensivstation wurde in 245 Fällen (16 %) eine Sepsis diagnostiziert. Unterschiedliche Angaben zur Inzidenz der Sepsis können einerseits zustande kommen durch unterschiedliche Kriterien für die Sepsisdiagnose, aber auch durch eine unterschiedliche Zusammensetzung der Patientenkollektive. Die Abhängigkeit der Sepsisgefährdung von der Art des Grundleidens ist allgemein akzeptiert. In . Tabelle 1-5 sind die bei insgesamt 446 Sepsispatienten beobachteten hauptsächlichen prädisponierenden Grundleiden sowie die als Sepsisherd identifizierten Organfunktionen aufgeführt [28]. Zu den
prädisponierenden Erkrankungen im Bereich der operativen Intensivmedizin zählen darüber hinaus Polytraumen, Verbrennungen und große risikoreiche Eingriffe. Die Verteilung der infektiösen Sepsisherde wurde in einer aktuellen Studie mit 16 Zentren wie folgt berichtet [39]: Respirationstrakt 39,3 %, intraabdominaler Fokus/Pelvis 23,0 %, Harnwege 0,8 %, Haut/Wunde 10,7 %, Fremdkörper/Katheter
. Tabelle 1-3. Sepsisepidemiologie. Von Januar 1993 bis April 1994 (176.036 Krankenhauspatienten): 1.342 Sepsisepisoden bei 1.166 Patienten (Nach [40]) Sepsisinzidenz
2,0/100 Krankenhauseinweisungen 2,8/1.000 Patiententage
Mittleres Patientenalter:
59 Jahre
Positive Blutkulturen:
28%
Mittlere Dauer des Intensivstationsaufenthalts:
17,7 Tage
Mittlere Dauer des Krankenhausaufenthalts:
29 Tage
Letalität: 28-Tage-Letalität
34 %
5-Monate-Letalität
45,3 %
. Tabelle 1-4. Sepsiskeimspektrum. Von Januar 1993 bis April 1994 (176.036 Krankenhauspatienten): 1.342 Sepsisepisoden bei 1.166 Patienten (Nach [40]) Keimspektrum
[%]
Grampositiv
39,5%
Gramnegativ
35,0%
Pilze
7,4%
Intraabdominelle Anaerobier
2,4%
Andere/nicht klassifizierte Keime
4,5%
Polymikrobielle Infektionen
11,1%
Summe
99,9%
16
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
. Tabelle 1-5. Prädisponierende Erkrankungen und infizierte Organe bei 446 Sepsisfällen einer medizinischen Universitätsklinik [28] Prädisponierende Erkrankungen
[%]
Infizierte Organsysteme
[%]
Tumorleiden
16
Harnwege
22
Diabetes mellitus
15
Gastrointestinaltrakt
21
Nierenerkrankungen
13
Gefäßkatheter
16
Lebererkrankungen
10
Respirationstrakt
12
Hämoblastosen
9
Haut
8
Keime
29
Endokard
2
–
Knochen
1
–
Unbekannt
16
1,6 %, Endokarditis 2,5 %, Zerebrospinalflüssigkeit 2,5 %, andere 4,1 %.
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Prognose von SIRS, Sepsis und septischem Schock Sepsis und septischer Schock liegen an 13. Stelle in der Reihenfolge der Todesursachen in den USA [9]. Sie sind die häufigste Todesursache auf den nichtkardiologischen Intensivstationen [35]. Die Letalität liegt bei 30–40 % und steigt mit der Entwicklung eines Schocks auf 70–80 % an [5, 25]. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Letalität der Erkrankung, wie aus klinischen Studien berichtet wurde, trotz aller neuer Antibiotikagenerationen und Fortschritten der Intensivmedizin nicht entscheidend reduzieren lassen [51]. Das Vorliegen eines SIRS lässt keine prognostische Aussage zu. Eine Untersuchung 450 kritisch verletzter Patienten bestätigte bei 87,8 % das Vorliegen der Kriterien für SIRS; es gab keine signifikante Assoziation zur Letalität dieser Patienten [30].
Definition des Multiorgandysfunktions-Syndroms und Multiorganversagens Als Multiorganversagen (MOV) bezeichnet man das gleichzeitig oder in rascher zeitlicher Abfolge auftretende Versagen von 2 oder mehr vitalen Organsystemen [2]. In der Regel gehen dem manifesten Organversagen Zeichen einer initialen Organinsuffizienz voraus. Die insuffiziente Leistung eines Organs wird als Organdysfunktion, das Zusammentreffen dieser Situation für mehrere Organe als Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) bezeichnet. In der klinischen Anwendung ist eine Unterscheidung entsprechend diesen Definitionen häufig nicht klar zu treffen, da bei einem Patienten durchaus 1 oder 2 Organe Zeichen einer Dysfunktion zeigen können, während ein weiteres Organ bereits versagt. Dieser Problematik trägt die zunehmende Verwendung des Begriffs des MODS auch für Patienten Rechnung, die neben einer Organdysfunktion zusätzlich ein Versagen von einem oder mehreren Organen zeigen. Klinisch die häufigste Ursache für die Entwicklung eines MODS bei kritisch Kranken ist die bakterielle Sepsis. Die Organfunktionsstörungen, die bereits in der Initialphase der Sepsis auftreten, können mit Progression des Krankheitsverlaufs bis zum multiplen Organversagen fortschreiten. Ein Multiorganversagen ist der klinische Endpunkt des fortschreitenden septischen Prozesses. Die hauptsächlich betroffenen Organsysteme und damit die Hauptkomponenten von Multiorganinsuffizienz und Multiorganversagen sind: 5 akute respiratorische Insuffizienz und akutes Lungenversagen (ARDS), 5 akute kardiozirkulatorische Insuffizienz und Herz-Kreislauf-Schock, 5 akute renale Insuffizienz und akutes Nierenversagen, 5 akute Leberinsuffizienz und akutes Leberversagen, 5 akute gastrointestinale Läsionen und Stressblutungen, 5 akute akalkulöse Cholezystititis und Gallenperforation, 5 akute Enterokolitis, akute Pankreatitis,
17 Diagnose und Klinik des Multiorgandysfunktions-Syndroms und Multiorganversagens
5 akute Blutgerinnungsstörungen und dissemi-
nierte intravasale Gerinnung, 5 akute Störung des Bewusstseins und metabolisches Koma.
Diagnose und Klinik des Multiorgandysfunktions-Syndroms und Multiorganversagens Im Gegensatz zu Sepsis und SIRS stehen einheitliche diagnostische Kriterien für das Vorliegen eines MODS oder MOV vonseiten der nationalen und internationalen Gesellschaften noch aus. Auch die amerikanische Konsensuskonferenz hat festgestellt, dass solche diagnostischen Kriterien noch ausstehen. Jedoch lassen sich aus den in der Literatur vorliegenden Untersuchungen zum MODS und MOV klinisch anwendbare diagnostische Kriterien ableiten, die in . Tabelle 1-2 zusammengestellt sind. . Tabelle 1-6 extrahiert daraus einige klinisch praktikable diagnostische Anhaltspunkte, die Anwendung finden können, bis konsente Kriterien für MODS und MOV vorliegen.
1
MODS – wie viele Organe sind betroffen? Die Ausprägung der Schwere eines MODS wird durch Angabe der Zahl der betroffenen Organsysteme erfasst. Innerhalb einzelner Organsysteme ist die Unterscheidung des Schweregrades der Funktionsstörung anhand von MODS- und MOVScores möglich [37, 52]. Der hierfür am häufigsten angewandte Score ist der Multiple Organ Failure (MOF) Score nach Goris (s. dazu 7 Kap. 3, »Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufbeurteilung der Sepsis«). Eine Graduierung des sepsisinduzierten MODS ist anhand des SOFA-Scores möglich (s. dazu [37]). Bei Patienten mit MOV in Folge einer Sepsis wird ein septischer Schock in etwa 75 % der Fälle beobachtet. Dabei ist der septische Schock eher ein Teil des MOV als ein essentieller Schritt in dessen Pathogenese.
MODS – nur die Summe einzelner Organdysfunktionen oder Folge einer gestörten Organinteraktion? Die rein summarische Auflistung der dysfunktionierenden Organe lässt die Organinteraktionen als wesentlichen Aspekt für die Entwicklung und
. Tabelle 1-6. Diagnostische Kriterien des Multiorganversagens Akutes Lungenversagen
Hypoxämie (paO2 unter Altersnorm bei Atmung von Raumluft), pathologischer radiologischer Befund im Thoraxbild, Respiratortherapie erforderlich
Herzversagen, Kreislaufschock
Arterielle Hypotension trotz Volumensubstitution, Katecholamine erforderlich
Akutes Nierenversagen
Anstieg Serumkreatinin > 3 mg/dl, Kreatininclearance <15ml/min · 1,73 m2 trotz Normalisierung von Blutdruck und Flüssigkeitshaushalt, Nierenersatzverfahren erforderlich
Akutes Leberversagen
Anstieg Serumbilirubin > 2 mg/ml, Erhöhung Transaminasen > 2faches der Norm
Gastrointestinale Stressblutung
Endoskopisch Erosionen oder Ulzera, Bluttransfusion erforderlich
Disseminierte intravasale Gerinnung
Abfall Thrombozytenzahl (Thrombopenie oder rascher Abfall um 150.000/mm3), Abfall der Fibrinogenkonzentration (Hypofibrinogenämie oder rascher Abfall um 150 mg/dl), pathologische plasmatische Gerinnungstests, mindestens 2 (QuickWert, PTT, TT, Faktoren II, V, X)
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
Aufrechterhaltung der Homöostase und andererseits wesentlichen pathogenetischen Aspekt eines MODS außer Acht. So ist bei kritisch Kranken eine eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität Ausdruck einer Dysbalance zwischen Sympathikus- und Parasympathikusaktivität und geht mit einer 13fach erhöhten Letalität einher [50]. Der Grad der Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität als Ausdruck der autonomen Dysfunktion scheint direkt mit dem Schweregrad der Erkrankung korreliert. In einer Pilotstudie zeigten Patienten mit einem MODS septischer Genese eine deutliche Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität gegennüber nichtseptischen Intensivpatienten ohne MODS [31]. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung eines über die Einschränkung der isolierten Organfunktion hinausgehenden Verlustes der nervalhumoral vermittelten Organinteraktion für die Ausprägung eines MODS. Ob und inwieweit eine gestörte nerval-humoral vermittelte Organinteraktion – die auch interpretiert wird als eine Entkopplung biologischer Oszillatoren – als eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung und Prognose eines MODS gewertet werden muss [16], werden zukünftige Untersuchungen belegen müssen (s. auch 7 Kap. 11).
Kurz- und Langzeitprognose des Multiorganversagens [44, 52] Für die Prognoseeinschätzung ist neben der für das Krankheitsbild zu erwartenden Letalität die zukünftig zu erwartende Lebensqualität gerade bei intensivmedizinisch behandelten Patienten wesentlich. Zur Erfassung der Sterblichkeit dienen die Erhebung der individuellen Überlebenszeit, die kollektiven Kurzzeit- und Langzeitüberlebensraten, die mittlere Überlebensdauer oder die Zahl der durch die intensivmedizinische Behandlung gewonnenen Lebensjahre des Patienten. Zur Beurteilung der Lebensqualität des Patienten in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht kommen heute Scoreerfassungssysteme, wie der Sickness Impact Profile (SIP) oder Nottingham Health Profile (NHP), zur Anwendung. Eine kombinierte Erfassung, welche die durch die intensiv-
medizinische Therapie erzielten Überlebensjahre und die damit einhergehende Lebensqualität des Patienten berücksichtigt, ist anhand sog. qualitätsadjustierter Überlebensjahre versucht worden. Hierfür wird ein anhand standardisierter Erfassungssysteme ermittelter Score der Lebensqualität mit der Zahl der erzielten Lebensjahre multipliziert [45].
Kurzzeitprognose Die entscheidenden Determinanten der Kurzzeitprognose eines Patienten mit MODS oder MOV sind der Schweregrad der Erkrankung, die Grundkrankheit und das Alter des Patienten [21, 22]. Zur Erfassung des Schweregrads der Erkrankung stehen dem Intensivmediziner heute standardisierte Scoresysteme zur Verfügung (s. dazu 7 Kap. 3 »Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufbeurteilung der Sepsis«). Die direkte Abhängigkeit der zu erwartenden Letalität des Patienten mit MODS oder MOV vom score-identifizierten Schweregrad der Erkrankung konnte in einer in Europa und Nordamerika durchgeführten multizentrisch angelegten Studie bestätigt werden [25]. Neben der Zahl der betroffenen Organsysteme ist die Dauer des Organversagens prognostisch bedeutsam (. Abb. 1-3).
. Abb. 1-3. Letalität des Multiorganversagens in Abhängigkeit von der Dauer des Organversagens und der Zahl der betroffenen Organsysteme. Mit steigender Anzahl der betroffenen Organe und der Dauer des Organversagens nimmt die Letalität zu. l Patienten mit einem versagenden Organ; n Patienten mit 2 versagenden Organen; u Patienten mit 3 oder mehr versagenden Organen. (Nach [21]).
19 Diagnose und Klinik des Multiorgandysfunktions-Syndroms und Multiorganversagens
Eine weitere Determinante der Letalität ist die Art des Grundleidens. Verglichen mit der mittleren Krankenhausletalität der intensivmedizinisch behandelten Patienten in Deutschland von etwa 15 %, liegen die mittlere Letalität des akuten Lungenversagens (ARDS) mit 60–70 %, die Letalität des akuten Nierenversagens mit 60–80 %,die Sterblichkeit von Sepsis und septischem Schock mit 30– 80 % und die des Schlaganfalls mit Beatmungspflichtigkeit mit etwa 70 % [7] erheblich höher. Das Alter des auf der Intensivstation behandlungsbedürftigen Patienten stellt einen unabhängigen Risikofaktor dar [43]. Die mit dem Alter ansteigende Letalität intensivpflichtiger Patienten ist eindeutig belegt [13]. Ursächlich für die mit dem Alter zunehmende Letalität sind nicht etwa eine bei älteren Patienten vermindert durchgeführte Diagnostik [8] oder weniger aggressive Behandlungsstrategie [14]. Die wesentliche Bedeutung des Alters als unabhängiger Risikofaktor spiegelt sich wider bei der Vergabe von Alterspunkten bei prognostizierenden Scoresystemen (s. dazu 7 Kap. 2, »Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufbeurteilung der Sepsis«).
Langzeitprognose (s. auch 7 Kap. 27) Langzeitergebnisse nach Intensivtherapie werden zumeist durch Erfassung der individuellen oder kumulativen Ein- bis Fünfjahresüberlebensraten – bezogen auf die Aufnahme auf der Intensivstation oder die Klinikentlassung – erhoben. Die Darstellung von Langzeitergebnissen in Form von Überlebenskurven erlaubt den Vergleich von erzielten Überlebensraten nach Intensivtherapie im Vergleich zur Überlebensrate der Allgemeinbevölkerung. Zieht man die bisher vorliegenden Daten zweier großer Kollektive zur Abschätzung der Langzeitprognose von Patienten nach Intensivtherapie zusammen [11, 32], so ist nach 5 Jahren von einem mittleren Überleben von etwa 60 % der vormals auf einer Intensivstation aufgenommenen Patienten auszugehen. Dies entspricht einer etwa 3,3fach höheren Letalität ehemals intensivpflichtiger Patienten gegenüber der Allgemeinbevölkerung, wobei die Letalität in den ersten 2 Monaten, die auch die Intensivphase, Kranken-
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hausphase und unmittelbare Posthospitalphase einschließen, am höchsten ist. Nach etwa 2 Jahren lässt sich kein wesentlicher Unterschied zwischen der Sterblichkeit ehemaliger Intensivpatienten und der Sterblichkeit in der Gesamtbevölkerung nachweisen [32]. Vergleichbar der Kurzzeitprognose wird auch die Langzeitprognose von intensivpflichtigen Patienten mit MOV von der Schwere der Erkrankung, der Grunderkrankung und dem Alter des Patienten bestimmt. Die Aufsplittung der Fünfjahresüberlebensrate nach der Grunderkrankung lässt bei der Abschätzung der Prognose durchaus große Unterschiede erkennen. So ließ sich in einer an 12.180 Patienten in Finnland durchgeführten Untersuchung für Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand eine Frühletalität von etwa 65 % und konsekutiv eine frühzeitige Angleichung an die Überlebenskurven der Allgemeinbevölkerung nachweisen. Tumorpatienten zeigten dagegen mit etwa 25 % eine deutlich geringere Frühletalität, im weiteren Verlauf bis zu 5 Jahren jedoch eine relative Übersterblichkeit gegenüber der Gesamtbevölkerung [32]. Die relative Fünfjahresletalität – die tatsächliche Letalität bezogen auf die in der Allgemeinbevölkerung erwarteten Letalität – lag in dieser Untersuchung für Patienten mit Zustand nach Kreislaufstillstand bei etwa 80 %. Dagegen wiesen Patienten mit Krebsleiden eine relative Letalität von 66 % auf. Mit 58 % lag die relative Fünfjahresletalität für Patienten mit respiratorischer Insuffizienz über der von Patienten mit gastrointestinalen (46 %) oder kardiovaskulären Erkrankungen (39 %). Die geringste relative Letalität mit 19 % bzw. 25 % wiesen intoxikierte Patienten und Patienten mit Traumata auf. Die Stratifizierung aller in diese Studie eingeschlossenen Patienten nach dem APACHE-II-Score bei Aufnahme auf die Intensivstation macht deutlich, dass die Unterschiede der Fünfjahresüberlebensrate in Abhängigkeit des Schweregrades der Erkrankung entscheidend von der unterschiedlichen Frühletalität der einzelnen Erkrankungen bestimmt werden (. Abb. 1-4). Gelingt es also, die in Abhängigkeit von der Grunderkrankung unterschiedlich hohe Frühletalität zu senken, so könnte dies die Langzeitprognose verbessern. Als ein weiterer prognostischer Faktor für die Überlebenswahrscheinlichkeit von
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
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. Abb. 1-4. Fünfjahresüberlebensrate von 12.180 intensivpflichtigen Patienten. Der Schweregrad der Erkrankung bei Aufnahme auf die Intensivstation wurde anhand des APACHE-II-Scores erfasst. die Fünfjahresüberlebensraten waren entscheidend von der unterschiedlichen Frühletalität der einzelnen Erkrankungen bestimmt (Nach [32]).
Intensivpatienten wurde die Verfügbarkeit von Medizintechnologie identifiziert [49]. Die Kenntnis der zu erwartenden kumulativen Früh- und Langzeitletalität kritisch Kranker darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die individuelle Prognose offen ist. Ähnlich ist die erzielbare Lebensqualität anhand von Gesamtprofilen zwar vorab abschätzbar, kann sich von diesen Schätzungen im Einzelfall – nicht zuletzt aufgrund der subjektiven Befindlichkeit des Patienten – weit unterscheiden. So gibt es inzwischen Evidenz dafür, dass es durch emotional traumatisierende Episoden während einer intensivmedizinischen Behandlung (Angst, Schmerz, Atemnot, Albträume) zu einem posttraumatischen Stresssyndrom der Überlebenden kommen kann [40a]. Die Einrichtung von Postintensivambulanzen kann helfen, Patienten mit organischen [18a] oder psychischen Folgeschäden zu identifizieren und ihnen nötigenfalls die entsprechende Hilfe zuteil werden zu lassen (s. auch 7 Kap. 27).
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Kapitel 1 · Definition und Diagnose von Sepsis und Multiorganversagen
43. Schuster H-P (1991) Intensivtherapie im Alter. Med Klinik 86: 473-481. 44. Schuster H-P (1998) Outcome nach Intensivtherapie. Med Klinik 86: 473-481. 45. Schwartz S, Richardson J, Glasziou PP (1993) Quality-adjusted life years: originals, measurements, applications, objections. Aust J Publ Health 17: 272-278. 46. Seige M, Werdan K (1998) Allgemeine Intensivtherapie. In: Paumgartner G, Riecker G (Hrsg) Therapie Innerer Krankheiten. Springer, Heidelberg New York Tokio, 9. Auflage, 1452–1508. 47. Veterans Administration Systemic Sepsis Cooperative Study Group (1987) Effect of high-dose glucocorticoid therapy on mortality in patients with clinical signs of systemic sepsis. N Engl J Med 317: 659-665. 48. Werdan K, Müller-Werdan U (1996) Schock, Kollaps und akute Kreislaufinsuffizienz. In: Erdmann E, Riecker G (Hrsg) Klinische Kardiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio, S. 697-710. 49. Werdan K (1998) Sinnvoller Einsatz von High-TechMedizin. MMW 140: 225-231. 50. Winchell RJ, Hoyt DB (1996) Spectral analysis of heart rate variability in the ICU. J Surg Res 63: 11-16. 51. Witthaut R, Werdan K (1996) Ergebnisforschung am Beispiel der Sepsis. Internist 37: 1249-1259. 52. Witthaut R, Werdan K, Schuster H-P (1998) Multiorgandysfunktions-Syndrom und Multiorganversagen – Diagnose, Prognose und Therapiekonzepte. Internist 39: 493501.
2 Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie Ursula Müller-Werdan, H.-P. Schuster
Sepsisherd
– 25
Die Tumornekrosefaktorfamilie
– 31
Sekundäre/finale Mediatoren im Sepsisgeschehen Allgemeine Pathogenese der Organschäden
– 38
– 48
Pathophysiologie der kardiozirkulatorischen Störungen Autonome Dysfunktion Literatur
– 48
– 56
– 57
Der heutige Kenntnisstand über Pathogenese, Pathophysiologie und klinisches Erscheinungsbild der Sepsis kann in einem schematischen Abriss skizziert werden, welcher die Hauptereignisse des Sepsisprozesses markiert und als Basis für das Verständnis und die Auswahl der Therapie dienen kann (. Abb. 2-1). Mannigfaltige Stimuli – einschließlich aller Klassen von Mikroorganismen oder auch isolierte bakterielle Toxine wie Endotoxin oder Superantigene – können eine mediatorbedingte Systemerkrankung unter dem klinischen Erscheinungsbild einer Sepsis auslösen (. Abb. 22). An den Zielzellen entwickeln die Mediatoren des antiinfektiösen Arsenals des Organismus stimulatorische, aber auch toxische Wirkungen und
modulieren die Apoptose. Dazu kommt eine direkte Toxizität der bakteriellen Toxine. Auf der Ebene der Organe kann es so zur Organdysfunktion und zur Störung der Organinteraktionen mit einer »Entkopplung der biologischen Oszillatoren« [23] (s. auch 7 Kap. 1) kommen. In der Mehrzahl der Fälle kommt es durch das Zusammenwirken vieler Toxine und bakterieller Stoffwechselprodukte zur Entwicklung der klinisch apparenten Infektionserkrankung. Jedoch reicht bereits die singuläre Applikation von Endotoxin [83] oder die alleinige oder kombinierte Gabe von TNF-α [57, 99] aus, um die hämodynamischen Veränderungen wie bei Sepsis auszulösen.
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
Toxine
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Mediatoren Fokuselimination
3
Ma.
Gr.
M O D S
Toxin/Mediator – Neutralisation – Antagonisierung – Elimination Antibiotika
Supportive Therapie
antiinflammatorisch Immunmodulation
. Abb. 2-1. Pathogenese der Sepsis als Grundlage der Therapie. Die Therapie der Sepsis gründet sich auf die Fokussanierung,die antiinfektiöse Therapie und die supportive Therapie des Multiorgandysfunktionssyndroms (MODS). In kontrollierten Studien sind mehrere Strategien zur Mediatorelimination und -neutralisation in der Sepsis untersucht worden.
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. Abb. 2-2. Toxin- und Mediatornetzwerke bei Sepsis und SIRS. (TNF-α Tumornekrosefaktor α; IL-1 Interleukin 1; IL-6 Interleukin 6; IFN-γ Interferon γ; Neutrophile neutrophile Granulozyten; O2 Superoxidanion; HOCl hypochlorige Säure; PAF plättchenaktivierender Faktor; PG Prostaglandine; NO Stickoxid; ELAM Adhäsionsmolekül ELAM; MODS Multiorgandysfunktionssyndrom). (Nach [53])
25 Sepsisherd
Sepsisherd Jedes Gewebe kann ein Infektionsherd werden Die Abwehrbarrieren des Organismus können durch verschiedenste Ursachen beeinträchtigt, und so die Bildung eines Infektionsherdes im Organismus begünstigt sein. Beispielsweise kann sich ein Infektionsherd entwickeln bei einer Verletzung von Haut oder Schleimhaut, einer ziliaren Dysfunktion der Epithelzellen des Tracheobronchialbaumes oder in Assoziation mit einem Fremdkörper. Andererseits kann es durch eine erhöhte Virulenz des Mikroorganismus dazu kommen, dass intakte Abwehrbarrieren überwindbar werden. Der Infektionsherd als Ausgangspunkt für die Invasion von pathogenen Keimen und deren Toxinen kann in allen Geweben lokalisiert sein [35a]. Eine Häufigkeitsverteilung der als Sepsisherde betroffenen Organe bei insgesamt 446 Patienten einer medizinischen Universitätsklinik gibt . Tabelle 16. Auch die großen Sepsistherapiestudien der vergangenen Jahre schlüsseln die Verteilung infektiöser Herde detailliert auf (7 Kap. 1 in diesem Buch). Bei chirurgischen Patienten treten als prädisponierende Erkrankungen Polytraumen, Verbrennungen, große risikoreiche Eingriffe hinzu. Sowohl bei oral als auch bei nasotracheal intubierten Patienten muss an eine Sinusitis als Sepsisherd gedacht werden; die akalkulöse Cholezystitis ist ein weiterer Sepsisfokus, den es in der Intensivmedizin zu beachten gilt [88]. In der klinischen Praxis gilt häufig auch ohne definitiven Nachweis einer Organ- oder Gewebeinfektion der klare Hinweis auf eine Infektionsquelle als ausreichend für die Annahme einer bakteriellen Sepsis. Als derartige Infektionsquellen gelten Operationen oder andere invasive, instrumentelle Eingriffe innerhalb einer bestimmten Zeitspanne vor Ausbruch der Sepsis; in der Regel während der vorausgegangenen 24 h.
Katheterassoziierte Infektionen [15, 88] Als Sepsisherde gelten auch infizierte Katheter und Kanülen. Katheterassoziierte Infektionen sind die
2
häufigste Ursache nosokomialer Bakteriämien auf der Intensivstation, mit einer Bakteriämieinzidenz von 2,1–30,2/1.000 zentralvenöse Kathetertage und einer Letalität von 0,2 % bei bakteriellen Infektionen bis zu 81 % bei Pilzsepsis. Bereits infizierte Patienten haben diesbezüglich ein überdurchschnittlich hohes Risiko [48]. Von den möglichen Kontaminationsursachen spielt die Keimbesiedlung der Punktionsstelle eine wesentliche Rolle; hämatogene Besiedlung insbesondere der Katheterspitze bei Bakteriämien und Fungiämien, Kontaminationen der Infusionssysteme einschließlich Zubehör und unsterile Infusionslösungen stellen weitere Quellen dar. Mundpflege und intratracheale Absaugung sind bei beatmeten Patienten – insbesondere für Subklavia- und Jugularis-Venenkatheter – nicht zu unterschätzende Infektionsquellen.
Invasion Hat sich einmal ein infektiöser Fokus entwickelt, erfolgt eine gerichtete Aktivierung einer Vielzahl von Abwehrfunktionen mit dem Ziel einer Abtötung der Mikroorganismen und Neutralisation ihrer Toxine und Stoffwechselprodukte. Versagt diese Abwehrlinie, kommt es zur Gewebsinvasion und Einschwemmung von Mikroorganismen und ihrer Toxine in den Blutstrom. Die Blutbahninvasion und ihre Folgen werden im Wesentlichen durch 3 Faktoren bestimmt: 5 Zahl, Pathogenität und Virulenz der Erreger, 5 Funktion der körpereigenen Abwehrmechanismen, 5 Reaktion des Wirtsorganismus Der Reaktionsweise des Organismus wird heute besondere Bedeutung beigemessen. Eine Schwächung der Abwehrlage ist für die Entwicklung der nosokomialen Sepsis in der Intensivmedizin ein wesentlicher Faktor. So können auch traditionell als gering pathogen oder apathogen eingestufte Keime (z. B. Staphylococcus epidermidis) zum Vollbild einer lebensbedrohlichen Sepsis führen. Aus dem Infektionsherd oder der Infektionsquelle kommt es unter Überwindung der körpereigenen Abwehrmechanismen zu einer Einschwemmung pathogener Bakterien oder anderer patho-
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
gener Keime sowie toxischer Keimprodukte in Blutbahn und Gewebe. Die Invasion pathogener Keime oder toxischer Bakterienprodukte, wie Endotoxin und Exotoxine aus dem Sepsisherd oder der Infektionsquelle, kann ein einmaliges, zeitlich umgrenztes Ereignis sein, sie kann aber auch über längere Zeiträume kontinuierlich oder periodisch erfolgen. Wahrscheinlich hängt die Zeitgestalt der Blutstrominvasion wesentlich vom Grundleiden ab. Eine akute Pyelonephritis oder ein instrumenteller Eingriff sind Beispiele für einmalige Episoden einer massiven Keiminvasion. Beispiele für eine eher kontinuierliche oder periodische Invasion dürften die bakterielle Peritonitis, eine Pneumonie oder die Katheterinfektion sein.
che und attraktive Erklärung für die Mediatorfreisetzung bei primär nichtinfektiösem Multiorgandysfunktionssyndrom (7 Kap. 1) und ist die Grundlage der Hypothese, der Darm sei der »Motor des Multiorganversagens« [8]. Translokation von Endotoxin könnte auch die Ursache für die (meist geringgradige) Aktivierung von Zytokinen bei chronischer Herzinsuffizienz sein: in Korrelation zu den erhöhten TNF-α-Plasmaspiegeln wurden bei Patienten mit nichtinfektiös bedingter Herzinsuffizienz erhöhte Plasmaspiegel des löslichen Endotoxinrezeptors sCD14 gefunden (s. unten), und besonders bei Patienten mit ödematöser Herzinsuffizienz sind die Blutspiegel für Endotoxin erhöht [57a].
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Translokation
Wie wirkt Endotoxin toxisch? [71, 72, 77]
9
Als eine spezielle Form der Invasion von Bakterien gilt deren Translokation aus dem Darm in die Blutbahn [60, 64]. Definitionsgemäß versteht man hierunter die Passage lebender und abgetöteter Mikroorganismen und ihrer Stoffwechselprodukte durch eine anatomisch intakte intestinale Barriere.Die Translokation per se wird als physiologischer Vorgang angesehen und soll für den Aufbau einer natürlichen Immunität durch Bildung präformierter natürlicher Antikörper verantwortlich sein. Andererseits kann die Barriere bei mesenterialer Hypoperfusion einbrechen, etwa beim hämorrhagischen Schock, bei Polytrauma, Verbrennung und Sepsis. Auch Malnutrition erhöht vermutlich die bakterielle/fungale Translokation nach Verbrennungen, Hämorrhagie und systemischer Inflammation: Die intestinalen Mikroorganismen beziehen ihre Nährstoffe aus der Nahrung oder von der Mukosaoberfläche des Darms; fehlen intraluminale Substrate, so adhärieren die Bakterien an die mukosale Oberfläche [96]. Durch Auswahl geeigneter enteraler Nutriagenzien lassen sich sowohl das Wachstum als auch die Wandadhärenz intestinaler Bakterien modulieren [96]. Eine kausale Bedeutung für die Pathogenese intensivmedizinisch relevanter Krankheitsbilder kann derzeit nicht als bewiesen gelten [43a]. Die Bedeutung der Translokation wird unterschiedlich beurteilt. Sie bietet jedoch eine mögli-
Endotoxine sind amphiphile Lipopolysaccharide, die zusammen mit Phospholipiden und Proteinen die äußere Membran gramnegativer Bakterien bilden. Die Endotoxine verschiedener gramnegativer Bakterien unterscheiden sich in der Zusammensetzung und Länge der Polysaccharidketten, dagegen ist allen Molekülen der Lipidanteil, genannt Lipid A, gemein. Die toxische und immunstimulatorische Wirkung der Endotoxine ist dem Lipid A zuzuordnen (. Abb. 2-3). Das äußere und innere Kernoligosaccharid sitzt in der Zellmembran, wohingegen die variable Zuckerkette wie ein Haar aus der Oberfläche der Bakterien hervorragt. Wenn sich gramnegative Bakterien vermehren oder zerfallen – auch nach Gabe von Antibiotika geschieht dies in unterschiedlichem Ausmaß – wird Endotoxin frei. Endotoxin kann auch durch Translokation aus dem Darm (s. oben) die Blutbahn erreichen und wird quantitativ im peripheren Blut nachweisbar, sobald die Clearancekapazität des retikuloendothelialen Systems für Endotoxin erschöpft ist (»spillover«). Bei Patienten mit gramnegativem septischem Schock finden sich Endotoxinplasmaspiegel in der Größenordnung von 10–200 pg/ml. Dennoch ist der quantitative Nachweis von Endotoxin derzeit noch mehr von wissenschaftlichem als von praktisch-klinischem Interesse. Einmal aus der bakteriellen Zellmembran freigesetzt, formt Endotoxin Aggregate oder Mizellen.
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27 Sepsisherd
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. Abb.2-3. Struktur des Endotoxins. Endotoxine sind Lipopolysaccharide. Die Endotoxine verschiedener gramnegativer Bakterien bestehen aus einem allen Endotoxinen einheitlichen Lipidanteil, dem Lipid A, und einem kovalent gebundenen Polysaccharidanteil. Der Polysaccharidanteil besteht aus einem Kernoligosaccharid und einer O-spezifischen Kette, deren Länge zwischen den bakteriellen Spezies variiert und bei manchen Bakterien ganz fehlt. Die O-spezifische Kette besteht aus sich wiederholenden Zuckern, deren chemische Zusammensetzung charakteristisch ist für jedes einzelne Bakterium. Das Kernoligosaccharid unterteilt sich in das dem Lipid A verbundene »inner core«, das nur begrenzte Variabilität zeigt, und das der O-spezifischen Kette verbundene »outer core«, das zwischen den bakteriellen Spezies stärker variiert. DieToxizität des Endotoxins ist dem Lipid-A-Anteil zuzuordnen.
Im Serum zirkulierendes Endotoxin liegt assoziiert an Serumproteine vor: Während die Bindung von Endotoxin an HDL oder LDL oder das »bactericidal permeability-increasing protein« (BPI; im Serum vorhanden in einer Konzentration von ungefähr 1 ng/ml) die Toxizität neutralisiert, steigert eine Komplexierung mit dem »lipopolysaccharide-binding-protein« (LBP) die Toxizität von Endotoxin dramatisch und führt dazu, dass Femto- bis Picogrammmengen bioaktiv werden. BPI ist als basisches Protein in den azurophilen Granula von Neutrophilen enthalten, LBP wird in Hepatozyten synthetisiert (normale Serumkonzentration: 14–22 µg/ml, maximal ansteigend bis ca. 200 µg/ ml bei Akutphasereaktionen). Die einzig bekannte biologische Aktivität von LBP ist die hochaffine Bindung von Endotoxin. Die Gene für LBP und BPI liegen in derselben Region des langen Arms von Chromosom 20; die Proteine sind zu 45 % homolog. In der Sepsis wurden erhöhte Plasmaspiegel für BP und LBP gefunden. Ein Serumfaktor namens »Septin« scheint ähnlich zu wirken wie das LBP. Daneben assoziieren verschiedene andere Serumproteine einschließlich Albumin, Transferrin, Laktoferrin und Hämoglobin mit Endotoxin ohne signifikante Mo-
difikation der Bioaktivität. Dagegen könnten Serumlipide die Endotoxinwirkung möglicherweise modifizieren [67a]. Die klinische Relevanz des Endotoxins für die humane Sepsis ist letztlich nur indirekt belegt, und zwar durch mehrere klinische Studien, die hohe Endotoxinspiegel bei septischen Patienten mit einer erhöhten Letalität assoziierten [60a]. Allerdings ist die prognostische Aussagekraft einer Endotoxinämie gering [16c]. Der besondere Stellenwert des Endotoxins als Trigger der antimikrobiellen Abwehrmechanismen zeigt sich in der Expression spezifischer endotoxinbindender Moleküle und darin, dass die Targetzellen (Monozyten, Makrophagen, Subpopulationen von neutrophilen Granulozyten und B-Lymphozyten, myeloische Zellen) des Säugetierorganismus hochaffine Endotoxinrezeptoren tragen, deren Besetzung spezifische Veränderungen in der Proteinexpression triggert. LBP vermag das LPS an ein membranständiges CD14-Molekül abzugeben, oder an lösliches CD14 (sCD14) oder auch an HDL. Die Bindung von Endotoxin an das membranständige 53kD-Glykoprotein CD14 erfolgt über die Lipid-A-Komponente mit hoher Affinität. Lösliches sCD14 liegt im Serum physiologisch in einer Konzentration von 2-6 µg/ml vor
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und und kann die Endotoxinaktivität inhibieren, aber der Endotoxin/sCD14-Komplex kann andererseits auch CD14-negative Zellen, wie Endothelzellen und glatte Gefäßmuskelzellen, aktivieren [47] Die Serumspiegel von sCD14 unterliegen Veränderungen im Verlauf mehrerer infektiöser und nicht-primär infektiöser Krankheitsprozesse [4]. CD 14 ist jedoch nicht für die Aktivierung der Signaltransduktion durch Endotoxin verantwortlich, da das Molekül keine transmembranäre Domäne aufweist, sondern über Glykosylphosphatidylinositol (GPI) in der Membran verankert ist. Als signaltransduzierendes Molekül des Endotoxinrezeptorkomplexes wurde der »toll-like receptor« 4 identifiziert [66a], jedoch sind zusätzlich Faktoren – wie das Adapterprotein MD 2 [67b] und ein Kaliumkanal [15a] – für die Zellaktivierung erforderlich. Die Familie der »Toll-like«-Rezeptoren (TLR), die wesentliche Erkennungsmoleküle zur Aktivierung der natürlichen Immunabwehr sind [67a], sowie deren intrazelluläre Signaltransduktionskaskaden werden ausführlich in 7 Kap. 8 erörtert. Das CD14-Molekül hat neben der Erkennung von Endotoxin weitere Funktionen. So binden verschiedene weitere Bakterientoxine an CD 14, und kürzlich wurde entdeckt, dass CD 14 an der Erkennung und Phagozytose von apoptotischen Zellen durch Makrophagen beteiligt ist [17]. Im Unterschied zur Bindung von Endotoxin an CD 14 kommt es jedoch hierbei nicht zu einer Freisetzung proinflammatorischer Zytokine. Zum Zeitpunkt einer systemischen Endotoxinämie haben die Endotoxine verschiedene Reaktionen in Gang gesetzt, nämlich die pyrogene Reaktion, die Stimulation der humoralen Immunantwort, die Aktivierung des Gerinnungs-, Komplement- und Kallikrein-Kinin-Systems und weiterer Komponenten der Entzündungsreaktion. Eine Vielzahl von Reaktionen folgt der Endotoxinaktivierung sensibler Zellen (. Abb. 2-2): Zytokinfreisetzung (TNF-α, IL-1, IL-6 etc.), Produktion reaktiver O2-Verbindungen, Elastasenfreisetzung, Sekretion von Lipidmediatoren (Prostanoide, Leukotriene, PAF), Aktivierung der Gerinnungskaskaden, Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen und Granulozyten sowie Freisetzung vasoaktiver Mediatoren. Innerhalb der Vielzahl freigesetzter Mediatorsubstanzen zeichnet
sich eine gewisse Hierarchie ab (. Abb. 2-2), auch wenn aufgrund der vielfältigen Interaktionen zwischen Mediatorzellen und Mediatoren von einem Zytokinnetzwerk auszugehen ist, das durch Redundanz und Pleiotropie gekennzeichnet ist, und die Wirkungen einzelner Zytokine sehr vom aktuellen internen Milieu abhängen [16a]: 5 Triggersubstanzen (Endotoxin und andere Toxine) setzen die Mediatorexplosion in Gang und werden daher als Initiatoren bezeichnet. 5 Frühe Mediatoren rufen durch ihre Einwirkung auf neutrophile Granulozyten, Endothelzellen, Monozyten, Makrophagen, Fibroblasten und Thrombozyten die inflammatorische Reaktion hervor und werden daher auch als Aktivatoren bezeichnet. Als proinflammatorische Zytokine gelten Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Interleukin-1 (IL-1), Intereron-γ (IFN-γ), IL-12, IL-18 und GranulozytenMakrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF). IL-6 hat gemischt pro- und antiinflammatorische Eigenschaften. Zeitgleich werden auch die natürlichen Inhibitoren der Zytokine, wie die löslichen TNF-Rezeptoren und der Interleukin-l-Rezeptorantagonist, systemisch freigesetzt. 5 In Reaktion auf die proinflammatorische Phase werden auch antiinflammatorische Reaktionskasaden angestoßen mit der Freisetzung von antiinflammatorischen Zytokinen wie IL10, TGF-β, IL-4, IL-13. Die paradoxe Koexistenz von sowohl pro-als auch antiinflammatorischen Substanzen in Blut und Gewebe schafft in der protrahierten Sepsis ein internes Milieu einer beeinträchtigten Adaptationsfähigkeit des Organismus. Obwohl viele der initialen Mediatoren im Sepsisgeschehen Zytokine sind, wird nachfolgend eine Vielzahl von Protein- und Lipidmediatoren in einem komplexen Netzwerk freigesetzt. Sekundäre Mediatoren, auch als finale Mediatoren oder Effektoren bezeichnet, sind diejenigen Mediatoren, die unmittelbar für die funktionellen und strukturellen Schädigungen an Endothel und Parenchymzellen verantwortlich sind. Hierzu zählen die Metaboliten des Arachidonsäurestoffwechsels, Proteasen, Sauerstoffradikale und Stickoxid (NO).
29 Sepsisherd
Endotoxin ist zweifellos ein wesentlicher Virulenzfaktor der gramnegativen Sepsis und für die schlechte Prognose mitverantwortlich [84]. Eine begrenzte Immunaktivierung bei Infektionen gehört jedoch zu den vitalen Abwehrmechanismen des Organismus. Für Endotoxin wurden darüber hinaus selbst bei systemischer Wirkung neben deletären auch protektive Effekte auf das Herz nachgewiesen (zit. in [91]).
Weitere bakterielle Toxine und ihre Targets und Wirkungsmechanismen
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Immunstimulatorische DNA Kürzlich wurde erkannt, dass bestimmte bakterielle DNA-Sequenzen in der Lage sind, antigenpräsentierende Zellen (Monozyten) zu aktivieren [44]. Diese DNA-Abschnitte sind reich an nichtmethylierten CpG-Motiven. Oligodeoxynukleotide mit CpG-Motiven werden vom TLR-9 erkannt; diese DNA-Abschnitte werden in die Zellen aufgenommen und führen nach einer Azidifizierung in den Endosomen zu einer Aktivierung sowohl von mitogenaktivierten Proteinkinasen als auch dem Transkriptionsfaktor NF-κB [91a] (s. unten).
ADP-ribosylierende Toxine Weitere CD14- und TLR-abhängige bakterielle Toxizität Ein weiteres wesentliches bakterielles Toxin, Peptidoglykan, wird – ebenso wie Endotoxin – von CD14 gebunden (. Abb. 2-4) und führt über TLR zur Zellaktivierung. Peptidoglykan ist Hauptbestandteil der Wand grampositiver Bakterien. Weitere bakterielle Toxine – wie Lipoteichonsäure, Lipoarabinomannan von Mykobakterien oder Mannuronan – führen ebenfalls über einen CD14- und TLR-abhängigen Weg zur Aktivierung von Leukozyten [43b].
ADP-ribosylierende Toxine sind hochselektive Stoffwechselgifte; oft erkennen sie nur ein oder wenige Targets im Zellstoffwechsel. Aufgrund dieser Selektivität werden ADP-ribosylierende Toxine in der Forschung als Biokatalysatoren eingesetzt, um die Regulation von Signaltransduktionswegen zu untersuchen. In den vergangenen Jahren ist erkannt worden, dass gerade die potentiell tödlich wirkenden Bakterientoxine an zellulären Substraten angreifen, die auch einer endogenen Regulation durch ADP-Ribosylierung unterliegen (. Tabelle 2-1). Eine endogene ADP-Ribosylierung ist sowohl für den eukaryotischen Elongati-
CD 14 TLR
. Abb. 2-4. Wirkungsmechanismen bakterieller Toxine. Endotoxin (LPS) gramnegativer Bakterien und Peptidoglycan aus der Zellwand grampositiver Bakterien binden an membranständiges CD14 und führen nachfolgend zur Aktivierung von Makrophagen. Superantigene binden an den T-Zellrezeptor (TZR). Die Superantigenerkennung unterscheidet sich von der Erkennung konventioneller Antigene. Superantigene binden nicht an die eigentliche Antigenerkennungsstelle der T-Zellrezeptoren, sondern an Bereiche des Rezeptors, die von den Vβ-Gensegmenten der β-Kette des T-Zellrezeptors kodiert werden. Durch die Vβselektive T-Zellaktivierung werden etwa 2–10 % aller T-Zellen gleichzeitig aktiviert (TLR »toll-like receptor«). Nach [32]
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
. Tabelle 2-1. ADP-ribosylierende Toxine. (Nach [3]) Toxin
Zelluläres Substrat
Endogene ADP-Ribosyltransferase nachgewiesen in:
Äquivalente onkogene Mutation nachgewiesen in:
Pseudomonas Exotoxin A
Elongationsfaktor 2 (Diphthamid715)
Transformierte Babyhamster Nierenzellen; Ratten-, Rinderleber
?
Diphtherietoxin Choleratoxin
Gsα (Arg201)
Thrombozyten
Hypophysentumore
Pertussistoxin
Giα (Cys352)
Erythrozyten
?
onsfaktor 2 der Proteinbiosynthese nachgewiesen worden als auch für das die Adenylatzyklase stimulierende und das inhibierende G-Protein (Gsα und Giα)[3]. Besonderes Interesse für die Sepsis verdient das Pseudomonas aeruginosa Exotoxin A, das den ribosomalen Elongationsfaktor 2 der Proteinbiosynthese ADP-ribosyliert und einen wesentlichen Virulenzfaktor der Pseudomonassepsis darstellt. Vor mehr als 20 Jahren ist bereits beschrieben worden, dass die Prognose für Patienten mit Pseudomonassepsis günstiger ist, wenn sie vor der Erkrankung einen erhöhten Antikörpertiter gegen Exotoxin A (oder Endotoxin) aufwiesen (zit. in [52]). An Kardiomyozyten führt Exotoxin A über eine partielle Proteinsynthesehemmung zu einer Störung der Neusynthese von β-Adrenozeptoren bei schnellen regulativen Vorgängen [52].
Superantigene [32] Toxine mit Superantigeneigenschaften, wie die Staphylokokkenenterotoxine A-E, besitzen wie konventionelle Antigene die Fähigkeit, T-Lymphozyten zu aktivieren. Unter Umgehung des Kontrollmechanismus der Antigenpräsentation stimulieren sie jedoch nicht nur 0,01 % der T-Lymphozyten, wie bei konventionellen Antigenen der Fall, sondern 2–10–25 % aller T-Lymphozyten gleichzeitig. Dies wird dadurch möglich, dass Superantigene nicht an die eigentliche spezifische Antigenerkennungsstelle des T-Zellrezeptors binden, sondern an bestimmte Vβ-Gensegmente der β-Kette des T-Zellrezeptors (. Abb. 2-4). Ein Superantigen
kann charakterisiert werden durch ein spezifisches Vβ-Bindungsmuster. Superantigene aktivieren damit alle T-Zellen, die bestimmte Vβ-Gensegmente für ihren T-Zellrezeptor benutzen. Die Folge ist eine Überaktivierung der T-Zellen mit massiver Zytokinfreisetzung, insbesondere von Tumornekrosefaktor α (TNF-α), und evtl. letalem Schockverlauf. Die Bedeutung der Superantigene bei der Pathogenese der Sepsis kann gegenwärtig noch nicht abgeschätzt werden. Beim Menschen könnte das vor einigen Jahren erstmals (bei menstruierenden Frauen) beschriebene toxische Schocksyndrom ein Prototyp der superantigenvermittelten Sepsis sein; Auslöser der Erkrankung ist eine lokale (vaginale) Infektion mit Staphylococcus-aureus-Stämmen, die das Superantigen Toxic-shocksyndrome-Toxin-1 produzieren. Mehr als 40 % aller klinischen Staphylococcus-aureus-Isolate produzieren eines oder mehrere Superantigene. Superantigene sind jedoch nicht auf grampositive Bakterien beschränkt: Pseudomonaden, Yersinien, Mykobakterien und sogar HIV können Superantigene produzieren. Neuere Bemühungen gehen dahin, die Wirkung von Staphylokokken- und Streptokokkensuperantigenen durch definierte Peptide und Antikörper zu hemmen, die direkt die Interaktion mit der Bindungsstelle blockieren [86b]. Im Tierversuch zeigte sich diese Strategie als Erfolg versprechend. Superantigene und Endotoxin können sich in ihrer Wirkung verstärken [86b]. Bei gleichzei-
31 Die Tumornekrosefaktorfamilie
tigem Vorhandensein beider Toxinklassen reicht die Kombination bereits sehr geringer Toxinmengen zur Schockauslösung bei Tieren aus. Da es auch bei grampositiver Sepsis und bei nichtinfektiösem SIRS infolge Translokation zur Endotoxinämie kommen kann, mag eine solche Konstellation pathogenetisch bedeutsam sein.
Porenbildner Porenbildner sind von Bakterien sezernierte Proteintoxine, die an Zellmembrankomponenten (vorwiegend Lipide) binden und auf diese Weise die Zellmembran mit Ausbildung 1-30 nm großer Löcher schädigen. Prototypen dieser Toxinklassen sind das α-Toxin (Hämolysin) von Staphylococcus aureus, das Streptolysin-O von Streptococcus pyogenes A und das Escherichia coli Hämolysin. Der Mechanismus der Zellschädigung durch porenbildende Toxine ist jedoch nicht begrenzt auf die Porenbildung, zusätzlich wurde ein Shedding von Rezeptoren für IL-6 und Endotoxin durch Einwirkungvon porenbildenden Toxinen nachgewiesen [87]. Die klinische Relevanz, v. a. bei grampositiven Infektionen, wird derzeit wahrscheinlich noch unterschätzt. Insbesondere die prokoagulatorische Wirkung auf das Gerinnungssystem und die Endothelzellschädigung mit Ausbildung einer pulmonalen Hypertonie scheinen wesentliche Komponenten eines SIRS durch porenbildende Toxine zu sein.
Die Tumornekrosefaktorfamilie Geschichte der Entdeckung des Tumornekrosefaktors [50, 86] Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) ist ein zentraler Mediator entzündlicher Prozesse, wurde aber ursprünglich beschrieben als eine Substanz, die es vermag, Tumoren zu nekrotisieren, ja ganz verschwinden zu lassen. Die tatsächliche Entdeckung einer solchen Substanz geht zurück ins Jahr 1893, als der Chirurg Dr. William Coley am New Yorker Memorial Hospital bemerkte, dass bei einem Patienten ein Sarkom im Halsbereich sich komplett zurückbildete nach 2 aufeinander folgenden Epi-
2
soden eines Erysipels; der Patient lebte danach noch mehrere Jahre ohne Rezidiv. 1962 berichteten O‘Malley und 1975 Carwell u. Lloyd Old, dass Seren endotoxinbehandelter Mäuse zur hämorrhagischen Nekrose von Tumoren führen können. Die Reinigung und Charakterisierung des Moleküls erfolgte 1984 durch Pennica. Ein Jahr später wurde ein Protein Cachektin isoliert, dem eine Rolle beim Gewichtsverlust im Rahmen von Infektionskrankheiten zugeschrieben wurde. Es wurde festgestellt, dass es sich beim TNF-α und Cachektin um identische Moleküle handelt. Kurz darauf wurde klar, dass ein bereits 1968 beschriebenes Molekül, das Lymphotoxin, eine hohe Sequenzhomologie von 35 % zum TNF-α aufweist und vergleichbare Wirkungen hat. Fortan wurde diese Molekül als TNF-β bezeichnet.
TNF und Lymphotoxin: Moleküle und Rezeptoren (. Abb. 2-5; [2, 25, 35, 86]) Der humane TNF wird als 26-kD-Prohormon synthetisiert und lagert sich nach Acylierung in die Zellmembran ein als Typ-II-Membranprotein. Die Vorstufe ist biologisch aktiv und entfaltet ihre Wirkung v. a. im Zusammenhang mit Zell-zu-ZellKontakten. Das reife TNF-Molekül entsteht durch proteolytische Spaltung der Vorstufe; dieser Aktivierungsschritt scheint ein hochregulierter Prozess zu sein. Das Monomer des so entstandenen 17-KD-Moleküls ist biologisch nicht aktiv. Erst durch Trimerisierung entsteht das biologisch aktive TNF-Molekül. Lymphotoxin (LT) ist ein 25-kD-Glykoprotein, das keine Transmembrandomäne hat und sezerniert wird. In Lösung lagern sich 3 Lymphotoxinmoleküle zu einem Homotrimer zusammen, ähnlich wie TNF-α. Auch das LT kann membranständig werden durch Anlagerung an ein Typ-II-Membranprotein, dem Lymphotoxin-β (auch p33 genannt). Es entstehen so LT-Heterotrimere aus LT und LT-β in einem unterschiedlichen stöchiometrischen Verhältnis, entweder a1β2 oder a2β1. Die Homotrimere von TNF-α und TNF-β binden an die beiden TNF-Rezeptoren (55-kD-Rezeptor: Typ I, CD120a; 75-kD-Rezeptor: Typ II,
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
. Abb. 2-5. TNF-α und Lymphotoxin: die Moleküle und ihre Rezeptoren. (Erläuterungen s. Text)
membrananständiges TNT-α
Lymphotoxin-β
2 sTNF-α
TNF-β
3 4 5 6 TNF-R1
TNF-R2
Lymphotoxin-β− Rezeptor
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CD120b) mit vergleichbarer Affinität (KD 10-11 bis 10-10 M) und vergleichbaren Assoziationsraten (. Abb. 2-5). Diese TNF-Rezeptoren sind auf den meisten somatischen Zellen des Organismus exprimiert, außer auf Erythrozyten und ruhenden T-Lymphozyten. Die Zahl der Rezeptormoleküle pro Zelle wird mit ca. 200–10.000 angegeben. Die Expression des TNF-Typ-I-Rezeptors scheint bei den meisten somatischen Zellen zu überwiegen im Vergleich zum Typ-II-Rezeptor, mit Ausnahme der Zellen des hämatopoetischen Systems, bei denen der Rezeptor Typ II vorherrscht. Die Mehrzahl der zellulären Wirkungen wird über den TNFTyp-I-Rezeptor vermittelt, jedoch können beide Rezeptoren Apoptose auslösen und zu einer Aktivierung von nukleärem Faktor κB (NF-κB) führen. Die wesentliche Funktion, die dem TNF-TypII-Rezeptor zugeschrieben wird, ist jedoch ein »ligand passing« zum Typ-I-Rezeptor: durch »Weiterreichen« des hochaffin am Typ-II-Rezeptor gebundenen TNF-Moleküls an den Typ-I-Rezeptor soll es lokal zu einer erhöhten TNF-Konzentration kommen. Die Gene der beiden Rezeptoren liegen auf unterschiedlichen Chromosomen (p55-Rezeptor: humanes Chromosom 12, p75-Rezeptor: humanes Chromosom 1). Es besteht eine weniger als 25 %ige Sequenzhomologie zwischen den Rezeptoren, die v. a. die extrazellulären Domänen betrifft, wohingegen die zytoplasmatischen Anteile kaum Ähn-
lichkeiten aufweisen. Die Regulation der Rezeptorexpression auf induktive Signale ist unterschiedlich. Zahlreiche Signale wie Zytokine und Enzymaktivatoren modifizieren die Rezeptorexpression. Auch TNF selbst reguliert seine Rezeptoren. Die extrazellulären Domänen beider Moleküle können durch Shedding in Lösung gehen und sind im Blut auch Gesunder nachweisbar. Die löslichen Rezeptormoleküle sind in Krankheit und Gesundheit im Überschuss zum TNF-α im Blut nachweisbar. Das Heterotrimer aus 2 LT und 1 LT-β bindet ebenfalls an die beiden TNF-Rezeptoren, während das α1β2-Molekül einen eigenen Rezeptor hat, den Lymphotoxin-β-Rezeptor, der 1994 kloniert wurde. TNF-α und TNF-β sind Mitglieder der TNFLiganden-Superfamilie, die zugehörigen Rezeptoren bilden die komplementäre TNF/NGF-Rezeptor-Superfamilie (NGF: »nerve growth factor«).
TNF-Genlokus Die Gene für TNF-α, TNF-β und Lymphotoxinβ sind beim Menschen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 eng benachbart und liegen inmitten des »major histocompatibility complex«. Es sind bereits mehrere Polymorphismen des TNFGenlokus beschrieben worden, und manche Haplotypen sind überzufällig häufig gekoppelt an bestimmte HLA-Genotypen.
33 Die Tumornekrosefaktorfamilie
Eine klinische Bedeutung wurde für den NcoIPolymorphismus gezeigt, der einen Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus des Introns 1 des TNF-β-Gens darstellt. Homozygotie für das Allel TNF-β2 des TNFn-Polymorphismus (NcoI) ist bei septischen Patienten assoziiert mit einer verstärkten Freisetzung von TNF-α und einer-erhöhten Letalität [82]. In einer nachfolgenden Untersuchung an 110 Traumpatienten (ISS>17), von denen 53 eine schwere Sepsis entwickelten, war die Inzidenz der Sepsis bei Homozygotie für TNFB2 signifikant erhöht [47a], und bei denjenigen Sepsispatienten, die homozygot für TNFB2 waren, fanden sich signifikant erhöhte TNF-Serumkonzentrationen. Ei-
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ne weitere Studie stellte überraschenderweise fest, dass nur bei Männern – nicht bei Frauen – der Genotyp TNFB2/TNFB2 bei schwerer SEpsis mit einer erhöhten Letalität assoziiert ist [76b].
Signaltransduktion der TNF-Rezeptoren [65, 85, 10a] Es wurden bislang mindestens 4 verschiedende Signaltransduktionswege identifiziert, die durch den TNF-Typ-I-Rezeptor aktiviert werden (. Abb. 2-6). Über die Todesdomäne im intrazellulären Teil des Moleküls wird nach Anlagerung der Adaptermole-
. Abb. 2-6. Signaltransduktionswege des TNF-Rezeptors Typ I. Mehrere Signaltransduktionswege werden durch TNF-α aktiviert: NFκB, die neutrale (NSM) und saure Sphingomyelinase (ASM) und die zytoplasmatischen Reaktionsschritte, die Apoptose einnleiten. Weitere Erläuterungen s. Text. (Nach [10a, 85]) (TNF-R1 TNF-Rezeptor Typ I; FAN »factor-activating neutral sphingomyelinase«; TRADD »TNF-receptor-associated through death domain«; FADD »Fas-associated through death domain«; FLICE »FADD-like ICE (interleukin-1β-converting enzyme); TRAF2 »TNF-receptor-associated factor 2«; PKC-ζ Proteinkinase ζ, CAPK »ceramide-activated protein-kinase«; MEK MAPK/ERKKinase (MAPK = »mitogen-activated protein kinase«; ERK = »extracellular-signal-regulated kinase«); ERK-2 »extracellular-signal-regulated kinase 2«; MEKK MEK-Kinase; SEK »stress-activated protein kinase/ERK-Kinase«; JNK1 Jun kinase 1; PC-PLC »phosphatidylcholine-specific phospholipase C«; DAG Diacylglycerol; RIP1 »receptor-interacting protein« 1; AP-1 »activating protein« 1.
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
küle TRADD (»TNF-R1-associated death domain protein«) an die Todesdomäne und FADD (»Fasassociated death domain protein«) an TRADD die Caspase-8, bisher als FLICE (»FADD-like interleukin-lβ-converting enzyme«) bezeichnet, aktiviert und damit Apoptose ausgelöst. Über diesen Weg wird vermutlich auch eine Phosphatidylcholinspezifische Phospholipase C aktiviert mit nachgeschalteter Stimulation einer sauren Sphingomyelinase. Durch Anlagerung von TRAF2 (»TNF-receptor associated factor« 2) und RIP1 (»receptor-interacting protein« 1) an FADD werden die Transkriptionsfaktoren NF-κB (nukleärer Faktor kappa B) und AP-1 (»activating protein«-1) aktiviert, also Signaltransduktionswege, die zur akuten und chronischen Inflammation führen. Das Adaptermolekül FAN (»factor activating neutral sphingomyelinase«) bindet an einen proximal der Todesdomäne gelegenen Teil des Rezeptors und vermittelt die Aktivierung der membranständigen neutralen Sphingomyelinase. Dem TNF-Typ-II-Rezeptor fehlt eine Todesdomäne. Dagegen kann TRAF2 sich direkt an den intrazellulären Anteil des Moleküls anlagern und damit zur Aktivierung von NF-κB führen.
nulozyten und Endothelzellen kommt es zur Adhäsion der Neutrophilen und transendothelialen Migration. Auch auf eosinophile Granulozyten, TLymphozyten und NK-Zellen wirkt TNF-α aktivierend, während die Proliferation hämatopoetischer Stammzellen inhibiert ist. Am Kardiomyozyten wirkt TNF-α über mehrere Signaltransduktionswege (. Abb. 2-7) kardiodepressiv, auf die glatte Gefäßmuskulatur erschlaffend. Die Kachexie bei Tumorerkrankungen und chronischen Infektionen steht im Zusammenhang mit einer Hemmung der Lipoproteinlipase in Fettzellen durch TNF-α, synonym Cachectin. TNF-α wirkt im ZNS pyrogen. In den vergangenen Jahren wurde allerdings erkannt, dass TNF-α duale Wirkungen zeitigen kann und damit ein typisches Janus-gesichtiges Molekül ist: Neben kardiodepressiven Wirkungen wurden auch kardioprotektive Effekte beschrieben; TNF-α ist involviert in Vorgänge der Apoptase, spielt aber auch eine Rolle bei Wachstumsvorgängen; und obwohl TNF-α durch Aktivierung von Lipolyse und Proteolyse zur Kachexie führen kann, ist inzwischen klar, dass TNF-α-Wirkungen ebenso bei Adipositas und der Insulinresistenz bei metabolischem Syndrom beteiligt sind.
Zelluläre TNF-α-Wirkungen [2, 6]
Anti-TNF-Strategien ([45]; 7 Kap. 10)
Das Spektrum der zellulären TNF-α-Wirkungen ist ausgesprochen pleiotrop und abhängig vom Zelltyp und der Konzentration. Es kann sich dabei um aktivierende, proinflammatorische oder apoptotische Wirkungen handeln: Monozyten/Makrophagen sind einerseits eine wesentliche Quelle der TNF-α-Freisetzung, andererseits Zielzellen der TNF-α-Wirkung zur Aktivierung des bakteriziden Arsenals der Zelle einschließlich der Auslösung des »respiratory burst« und der Freisetzung sekundärer Zytokine. In ähnlicher Weise führt TNF-α an neutrophilen Granulozyten zur Steigerung der Phagozytose, zum respiratorischen Burst und der Bildung weiterer bakterizider Substanzen sowie zur verstärkten Adhärenz an Endothelzellen, die ebenfalls Zielzellen der TNF-α-Wirkung sind. Über eine veränderte Expression von Adhäsionsmolekülen auf Gra-
Neben monoklonalen und polyklonalen neutralisierenden Anti-TNF-α-Antikörpern wurden Fusionsproteine hergestellt, bei denen ein löslicher TNF-Rezeptor mit der Scharnierregion der schweren Ketten von Maus-IgG1, humanem IgG1 oder IgG3 verbunden wurde [98]. Effizienter als monomere Fusionsproteine sind dimere TNF-RezeptorFc-Moleküle, die kürzlich in klinischen Studien getestet wurden. Des weiteren wurde ein »singlechain antibody fragment« (SFv) gegen TNF-Rezeptor produziert. Dieses rekombinante Polypeptid besteht aus 2 kovalent verbundenen Fragmenten (VH und VL) der Antigenerkennungsstelle von Immunglobulinen, die gegen die Bindungsstelle des TNF-Rezeptors gerichtet sind. Dieses SFV bindet hochaffin an den TNF-Rezeptor. Pentoxifyllin, das u. a. die Synthese von TNF-α inhibiert, erniedrigte in einer Studie die Inzidenz
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35 Die Tumornekrosefaktorfamilie
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TNF-α
NO ↑ (?)
cGMP ↑
mitochondriale Atmung ↓ β−Adrenozeptor G-Protein Adenylatzyklase ↑↓ ?
?
Apoptose ?
IP3 ↓
Ca2+-Transient ↓
Ceramid ↑
sekundäre Zytokine ↑ (?)
(?)
Verminderte Inotropie von β−adrenergen Stimuli α−adrenergen Stimuli Ca2+ Basalkontraktilität ? . Abb. 2-7. TNF-α-Kardiodepression: experimentell belegte Konzepte. Die kontraktilitätsabschwächende Wirkung des TNF-α ist das Resultat einer Beeinträchtigung mehrerer inotroper Signaltransduktionswege. TNF-α interferiert in Kardiomyozyten mit dem β-Adrenozeptor-Adenylatzyklase-System [68] und dem Phosphoinositolstoffwechsel [70] und führt über eine Induktion der induzierbaren Stickoxidsynthase (iNOS) zur vermehrten NO-Freisetzung mit konsekutiver Aktivierung der löslichen Guanylatzyklase. Belegt sind darüber hinaus eine Hemmung der mitochondrialen Atmung und eine Abschwächung des Kalziumtransienten und Interferenz mit der Aktivität der neutralen Sphingomyelinase. Ob die Induktion sekundärer Zytokine und die Aktivierung von Apoptosepfaden zur TNF-α-Kardiodepression beitragen, ist noch offen.
des Multiorganversagens nach kardiochirurgischen Eingriffen [34]. Auf mRNA-Ebene kann TNF-α neutralisiert werden durch den Einsatz von Antisense-Oligonukleotiden.
Zytokine im Sepsisgeschehen Grundsätzlich lassen sich Zytokine aufgrund ihrer Funktion in 3 Gruppen einteilen [6, 16b, 35]: 5 Neben dem TNF-α gelten die Zytokine IL-1, IL-6, IL-8 und α- und β-Interferon als Zytokine der natürlichen Immunabwehr und der Entzündungsreaktion; diese sind unten näher dargestellt. 5 Zu den immunregulatorischen Zytokinen, die im Wesentlichen das Wachstum und die Differenzierung von Lymphozyten kontrollieren und die Immunantwort steuern, gehören IL-2, IL-4, IL-5, IL-10, IL-12, IL-13, IL-14, IL-15, γ-Interferon und TGF-β. 5 Die dritte Gruppe umfasst die Zytokine, die hauptsächlich das Wachstum und die Differenzierung von hämatopoetischen Vorläuferzellen beeinflussen (IL-3, IL-7, IL-9, IL-11, SCF (stem cell factor), GM-CSF, G-CSF, M-CSF).
Daneben existieren weitere Zytokinklassifizierungen [46a]. Mittlerweile sind 23 Interleukine bekannt. Obwohl es im septischen Schock zur Aktivierung einer Vielzahl von Zytokinen kommt, lassen sich die Symptome kausal einigen wenigen primär verursachenden Substanzen zuordnen. Als primäre Zytokine im Sepsisgeschehen gelten neben denTumornekrosefaktoren IL-1, IL-6 und IL8 (s. auch 7 Kap. 10 von Seeger et al.).
Interleukin-1-Familie [6, 35, 46a] Die Interleukin-l-Familie verdient besondere Beachtung, zum einen wegen der Funktion der beiden Zytokine Interleukin-lα (IL-lα) und Interleukin-1β (IL-1β) als Hauptmediatoren der Entzündungsreaktion bei der nichtadaptiven Immunabwehr; darüber hinaus kommt dem Interleukin-1βconverting enzyme (ICE-caspase 1), das der Prozessierung von IL-1β dient, und den ICE-homologen Enzymen zentrale Bedeutung bei der Apoptose zu. Humanes IL-1α und IL-1β werden von 2 verschiedenen Genen auf Chromosom 2 kodiert und besitzen nur eine etwa 27 %ige Homologie auf Proteinebene, aber die dreidimensionalen Proteinformen sind beinahe identisch. Beide Zytokine ent-
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stehen aus größeren Vorläufermolekülen durch proteolytische Spaltung. IL-18 ist ein von Monozyten sezerniertes Zytokin, das ebenfalls zur IL-1Familie gehört und zusammen mit IL-12 die IFNγ-Produktion stimuliert [46a]. Anders als viele andere proinflammatorische Zytokine kann eine konstitutive Expression von IL-18 in vielen Organen nachgewiesen werden [zit. in 86a]. Die systemische Entzündungsreaktion auf eine Endotoxinverabreichung ist z. T. von IL-18 abhängig [zit. in 86a]. ICE spaltet die IL-1β-Vorstufe und die IL-18Vorstufe und generiert damit biologisch aktives IL-1β bzw. IL-18 aus der inaktiven Vorform. Vaccinia- und Kuhpockenvirus bilden einen spezifischen Inhibitor dieses Enzyms. ICE spaltet nicht den bereits biologisch aktiven IL-lα-Precursor. ILlα verbleibt überwiegend an die Zellmembran assoziiert, während im Blut v. a. sezerniertes IL-1β vorkommt. IL-lα und IL-1β binden an dieselben 2 Rezeptoren und zeigen daher sehr ähnliche, wenn nicht identische biologische Aktivität. Der 80 kD große Typ-I-Rezeptor (CD 121a) besitzt eine signaltransduzierende intrazelluläre Domäne, während der 60 kD große Typ-II-Rezeptor (CD 121 b) kein Signal weitergibt. Zur Familie der IL-1 Rezeptoren zählen auch rezeptorassoziierte Moleküle (IL-1RacP oder IL-1-Rrp). Vor kurzem wurde gezeigt, dass IL-1-RrP der IL-18-Rezeptor ist. IL-1-Rezeptoren sind in unterschiedlicher Dichte auf zahlreichen Zelltypen exprimiert, was die pleiotropen Wirkungen von IL-1 erklärt. Von der Zelloberfläche kann löslicher IL-1-Rezeptor freigesetzt werden und IL-1 in Lösung binden. Zusätzlich gibt es einen natürlichen spezifischen Inhibitor mit Strukturhomologie zu den beiden IL1-Molekülen. Er wird wie die beiden IL-1-Zytokine und die beiden IL-1-Rezeptoren auf dem menschlichen Chromosom 2 kodiert. Obwohl dieser IL-1 Rezeptorantagonist (IL-1ra) an beide IL-1-Rezeptoren bindet, erfolgt keine zelluläre Aktivierung. IL-1ra wird v. a. von Monozyten/Makrophagen gebildet als Antwort auf dieselben Stimuli, die auch zur Bildung von IL-1 führen, und dient als natürliches Gegengewicht zum IL-1 der Kontrolle des Ausmaßes der Entzündungsreaktion. TNF-α und IL-1 sind sich in ihrer Wirkung sehr ähnlich und ein Beispiel für die Redundanz
im System der Zytokine. Die Gabe von IL-1 kann ebenso wie TNF-α zu den Symptomen des septischen Schocks führen. Jedoch gibt es auch Unterschiede im Wirkspektrum der beiden zentralen proinflammatorischen Zytokine: wesentliche biologische Funktionen von IL-1 sind die Stimulation von T-Helferzellen mit der Induktion von IL-2 und IL-2-Rezeptoren und die Stimulation des klonalen Wachstums und der Antikörperbildung von B-Zellen. IL-1 wird wie TNF-α von Monozyten/Makrophagen freigesetzt, aber auch von einer Vielzahl weiterer Zellen einschließlich Parenychmzellen gebildet. Endotoxinstimulierte glatte Gefäßmuskelzellen und Kardiomyozyten bilden IL-1, retinieren das Zytokin jedoch intrazellulär. Neben dem sezernierten Zytokinpool ist daher gerade beim IL-1 ein intrazellulärer Zytokinpool zu beachten, dessen biologische Bedeutung zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht klar ist. Als Behandlungsstrategie in der Sepsis sind rekombinanter IL-lra und Antikörper gegen IL-1Rezeptor zur Anwendung gekommen (7 Kap. 10 von Seeger et al.).
Interleukin 6 [6,10, 35] Blutspiegel von IL-6 korrelieren beim septischen Schock mit der Prognose der Patienten, und IL6 eignet sich als Marker der Schwere der Erkrankung. Während bereits niedrige Dosen von TNFα und IL-1 bei Säugetieren zum Schock führen, wird die Verabreichung von IL-6 besser toleriert und führt auch bei mäßig hohen Dosen nicht zum Schock. IL-6 ist ebenso wie TNF-α und IL-1 durch eine Pleiotropie biologischer Wirkungen gekennzeichnet. Anders als TNF-α und IL-1 hat IL-6 aber neben entzündlichen Effekten auch ein antiinflammatorisches Potential. Endotoxin, IL-1 und TNF-α, aber auch Katecholamine, stimulieren die Bildung von IL-6 in Monozyten und vielen anderen Zellen; das Protein unterliegt einer Heterogenität im N-terminalen Bereich und einer posttranslationalen Modifikation durch Glykosylierung und Phosphoylierung. Der Rezeptor für IL-6 besteht aus α- und βUntereinheiten. Die Bindung von IL-6 erfolgt an ein 80kD großes Molekül, die α-Kette (CD 126).
37 Die Tumornekrosefaktorfamilie
Der Komplex aus IL-6 und IL-6-Rezeptor-α-Kette assoziiert mit 2 gp-130-Molekülen (β-Kette), die selbst nicht IL-6 binden, aber die Affinität der αKette zum Liganden erhöhen. Die beiden β-Ketten bilden ein kovalent verknüpftes Dimer, das für die Signaltransduktion verantwortlich ist. Das gp 130 ist auch am Rezeptorkomplex von IL-11, Cardiotrophin, LIF (»leukemia inhibitory factor«), CNTF (»ciliary neurotrophic factor«), Oncostatin M und anderen beteiligt. Eine lösliche Form der Kette des IL-6-Rezeptors kann ebenfalls mit gp 130 interagieren. Auch gp 130 kommt in löslicher Form vor. IL-6 ist ein wesentlicher Mediator der Akutphasenreaktion. In Leberzellen führt IL-6 zur Synthese und Freisetzung von Typ-2-Akutphaseproteinen, nämlich Fibrinogen, α2-Makroglobulin und α1-Antichymotrypsin, die sich von den durch TNF und IL-1 induzierten Typ-1-Akutphaseproteinen (C-reaktives Protein, »serum amyloid A«, Komplementfaktoren B und C3) unterscheiden. Wie TNF-α ist IL-6 nach neueren Studien an der Tumor- und Entzündungskachexie kausal beteiligt. IL-6 hemmt die endotoxinstimulierte IL-1und TNF-α-Synthese in vitro und in vivo; da in vivo die Synthese von IL-6 noch vor IL-1ra und IL10 in Gang gesezt wird, könnte IL-6 daran beteiligt sein, die proinflammatorische Reaktion einzudämmen. IL-6 stimuliert darüber hinaus die Synthese von ACTH und damit die Bildung von Glukokortikoiden. Eine weitere wichtige Funktion hat IL-6 im Immunsystem als ein wichtiger Differenzierungsfaktor für myeloide Zellen.
Interleukin 8 IL-8 ist ein Vertreter der Familie der Chemokine. Es handelt sich um Moleküle mit proinflammatorischer Wirkung, die ein relativ niedriges Molekulargewicht von 8–10 kD haben und 2 interne Disulfidbrücken besitzen. Die mindestens 40 inzwischen bekannten Chemokine werden aufgrund der Lage von konservierten Cysteinpositionen in 4 Gruppen eingeteilt: bei den CXC-Chemokinen, zu denen auch IL-8 gehört, werden die ersten beiden Cysteine durch eine Aminosäure getrennt, bei den CC-Chemokinen liegen sie direkt nebenein-
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ander; daneben gibt es die Gruppe der C-Chemokine und das singuläre CX3C-Chemokin (»fraktaline«). CXC-Chemokine wirken stark chemotaktisch und aktivierend auf neutrophile Granulozyten, nicht jedoch auf Monozyten. Umgekehrt besitzen CC-Chemokine (RANTES, MCP-1, MIP1) eine chemotaktische Aktivität für Monozyten, nicht jedoch für Granulozyten; CC-Chemokine wirken auch auf eosinophile und basophile Granulozyten sowie auf eine Subpopulation von T-Lymphozyten. CXC-Chemokine werden weiter subklassifiziert in ELR- und Nicht-ELR-Subtypen – je nachdem, ob das Tripelaminosäuremotiv (Glu-Leu-Arg) vor dem ersten Cysteinrest vorhanden ist oder nicht [16a]. IL-8 ein starker Aktivator neutrophiler Granulozyten (Chemotaxis, Erhöhung des intrazellulären Kalziums, Exozytose von Granula, verstärkte Expression von Integrinen, Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen). IL-8 ist außerdem ein angiogenetischer Faktor. Da IL-8 die Adhäsion von Leukozyten an aktivierte Endothelzellen hemmt, hat es auch antiinflammatorische Eigenschaften. IL-8 wird von vielen Zelltypen gebildet, auch von solchen, auf die IL-8 nicht wirkt: aktivierte Monozyten/Makrophagen, aktivierte T-Lymphozyten, Fibroblasten, Endothel- und Epithelzellen und andere [6]. Für IL-8 wurden 3 verschiedne Rezeptoren identifiziert: 2 davon haben eine ausgeprägte Spezifität für IL-8 und gehören zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren mit 7 membranspannenden Domänen. Auf Erythrozyten wurde ein 3. Rezeptortyp gefunden, der nicht an das G-Protein gekoppelt ist und die Membran neunmal durchtritt. Dieser erythrozytenspezifische IL-8-Rezeptor bindet zusätzlich mehrere IL-8-homologe Faktoren (MGSA: »melanoma growth-stimulating activity«, MIP 2: »macrophage inflammatory protein 2«, NAP 2: »neutrophil activating peptide 2«) und ist identisch mit dem Duffy-Blutgruppenantigen, das bereits als Rezeptor für den Malariaerreger Plasmodium vivax bekannt war. Die Bindung von IL-8 an seinen Rezeptor führt zur Dissoziation der heterotrimeren GTP-bindenden Proteine und zur Aktivierung der Phosphoinositolsignaltransduktion.
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
Interferon α und Interferon β Interferon α und β [6] werden dem natürlichen Abwehrsystem zugeordnet und haben v. a. die Aufgabe, vor Virusinfektionen zu schützen. Interferon α stellt eine Gruppe sehr ähnlicher Glykoproteine dar, die v. a. von Monozyten/Makrophagen, aber auch von anderen Leukozyten gebildet werden (»Leukozyteninterferon«). Kürzlich konnte gezeigt werden, dass Präkusoren der dendritischen Zellen vom Typ 2 eine wesentliche Quelle des IFN-α sind und dass dem IFN-α durch die Interaktion mit dendritischen Zellen eine Schlüsselrolle bei der Verzahnung der angeborenen mit der erworbenen Immunität zukommt (Übersicht in [34b] und [39a]). Von Interferon β ist nur eine Form bekannt, die überwiegend von Fibroblasten gebildet wird (»Fibroblasteninterferon«). Die Interferonrezeptoren sind durch eine etwa 210 Aminosäuren lange extrazelluläre Domäne (SD200) gekennzeichnet. Der IFN-α-Rezeptor (IFN-AR-1) besitzt 2 SD200-Domänen, der IFN-γRezeptor (IFN-GR-1) lediglich eine. Diese Rezeptormoleküle dimerisieren mit weiteren Rezeptorketten (IFN-AR-2 bzw. IFN-GR-2). Im Fall des IFNα-Rezeptors ist das Dimer aus IFN-AR-1 (oder noch unbekannten Ketten) und dem IFN-AR-2 auch in der Lage, IFN-β und andere zu binden [46a].
Interleukin 10 Dem antiinflammatorischen und immunsuppressiven IL-10 kommt eine komplexe Rolle bei der Pathogenese der Sepsis zu [59a]. IL-10 wird von TH2-Lymphozyten sezerniert und ist damit antagonistisch zu TH-1-Zytokinen, wie IL-12 und IL-18. In einigen Tiermodellen des endotoxinämischen und bakteriellen septischen Schocks konnte exogen appliziertes IL-10 die inflammatorische Reaktion begrenzen und das Überleben verbessern, während bei anderen Versuchsprotokollen die Letalität duch Immunsuppression erhöht war. Auch bei gesunden Probanden und Patienten mit rheumatoider Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen und Hepatitis-C-Infektionen wurde IL-10 bereits eingesetzt, jedoch noch nicht bei Sepsispatienten.
Sekundäre/finale Mediatoren im Sepsisgeschehen Reaktive Sauerstoffverbindungen [1, 59] Reaktive Sauerstoffverbindungen stellen eine wichtige Gruppe terminaler Mediatoren in der Sepsis und im Schock dar. Im septischen Schock wurde eine erhöhte Aktivität freier Radikale mit verstärkter Lipidperoxidation bei erniedrigten Plasmaspiegeln von Antioxidanzien (Retinol, Vitamin E und β-Carotin) gemessen [24]. Reaktive Sauerstoffverbindungen umfassen sowohl freie Radikale mit einem ungepaarten Elektron als auch andere oxidierende Substanzen. Die klassischen reaktiven Sauerstoffverbindungen in der Abwehrreaktion des Organismus sind das Superoxidanion O2–, das Hydroxylradikal (OH•) und das Stickoxid (NO). Ursprungsort von freien Radikalen sind zum einen aktivierte Mediatorzellen, wie neutrophile Granulozyten, Makrophagen und Endothelzellen, zum anderen (in der Reperfusionsphase nach Ischämie) das Hypoxanthin als Abbauprodukt des ATP. Die einzelnen Reaktionsschritte, die zur Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen führen, sind in . Abb. 2-8 dargestellt. Mitochondrien bilden Superoxidanionen im Gefolge der oxidativen Phosphorylierung. Superoxidanionen entstehen auch als metabolisches Nebenprodukt des Arachidonsäuremetabolismus durch Cyclooxygenase, Lipoxygenase und Cytochrom-p450-Monooxygenase. Wichtige Enzyme, die Superoxidanionen in vielen Zelltypen bilden, sind die Xanthinoxidase und NADH/NADPH-Oxidase. Durch spontane oder enzymatische (Superoxiddismutase) Dismutation von Superoxidanionen entsteht Wasserstoffperoxid (H2O2), das in biologischen Systemen durch Katalase oder Peroxidasen abgebaut wird. Superoxidanionen und Wasserstoffperoxid können miteinander reagieren oder mit Eisen-(II)-haltigen Molekülen (Haber-Weiss- oder Fenton-Reaktion), dabei entsteht das hochreaktive Hydroxylradikal (OH•). Das Enzym Myeloperoxidase in den azurophilen Granula der neutrophilen Granulozyten und Monozyten bildet die hypochlorige Säure (HOCl) aus Wasserstoffperoxid und Chloridionen.
39 Sekundäre/finale Mediatoren im Sepsisgeschehen
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. Abb. 2-8. Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen. Enzymbesatz neutrophiler Granulozyten; O2 Superoxidanion; OH• Hydroxylradikal; H2O2 Wasserstoffperoxid; GSSG oxidiertes Glutathion; NO Stickoxid; ONOO- Peroxynitrit. Nach [91]. Weitere Erläuterungen s. Text
Durch Reaktion von Superoxidanion mit Stickoxid entsteht das hochreaktive und zytotoxische Oxidans Peroxinitrit. Treten die so entstandenen reaktiven Sauerstoffverbindungen in Kontakt mit einer Zielzelle, so können sie auf verschiedene zelluläre Strukturen einwirken: auf die Zellmembran, das Zytosol, den Zellkern oder die Mitochondrien. Durch den oxidativen Stress wird eine Reihe von Genen aktiviert (»stress response genes«), via Aktivierung von Kinasenkaskaden (Tyrosinkinasen und Serin-Threonin-Kinasen wie die MAP-Kinasenfamilie), Inaktivierung von Proteintyrosinphosphatasen oder Aktivierung von NF-κB. So kommt es u. a. zur Bildung von Zytokinen, Antioxidanzien und Sauerstoffradikal-abbauenden Enzymen.
Dies kann einerseits zur Reparatur von Zellschäden führen, oder, falls dies nicht möglich ist, zum gerichteten Zelltod, der Apoptose. Die pharmakologische Inaktivierung von reaktiven Sauerstoffverbindungen im septischen Schock des Menschen mit N-Acetylcystein zeigte in einigen Studien günstige Effekte auf physiologische Messparameter [32b, 66c, 81], jedoch war in einer Untersuchung nach Gabe von N-Acetylcystein die Herzfunktion verschlechtert [64a]. Experimentell überprüft wird derzeit das therapeutische Potenzial niedermolekularer synthetischer »SOD mimetics« (M40403, M40401) [75a], die selektiv die katalytische Wirkung der nativen Superoxiddismutase nachahmen, aber durch ihre nichtpeptidische Struktur stabil anwendbar sind.
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
Stickoxid und Kohlenmonoxid Das initial als »endothelium-derived relaxing factor« klassifizierte Stickoxid (NO) wird enzymatisch aus Arginin gebildet. Es gibt 3 verschiedene NO-Synthaseisoformen [39a]: 2 konstitutive Enzyme (cNOS), deren Aktivierung nach Anheben des intrazellulären Kalziumspiegels und Anlagerung von Calmodulin an das Enzym erfolgt, und eine induzierbare, kalziumunabhängige Form (iNOS), die permanent Calmodulin gebunden hat. Die konstitutiven Formen sind ständig exprimiert und aktivierbar; sie bilden geringe Mengen an NO, welches dann zahlreiche physiologische Funktionen erfüllt. Die cNOS-Isoformen werden unterteilt in die neuronale Form (nNOS, Typ-INOS, lokalisiert im Zytosol von zentralen und peripheren Neuronen) und in die endotheliale Form (eNOS, Typ-III-NOS, überwiegend membrangebunden). Die eNOS besitzt sowohl parakrine als auch autokrine Aktivität; sie wird überwiegend durch den Scherstress der Gefäße aktiviert, das gebildete NO (im pikomolaren Bereich) diffundiert in die glatten Gefäßmuskelzellen und führt zur Erschlaffung. Die eNOS ist nötig, um die Gefäße in einem partiell relaxierten Zustand zu halten, der durch Noradrenalin und Endothelin antagonisiert wird. Sie reguliert damit den Gefäßtonus, die Organperfusion und den Blutdruck. Weiterhin hemmt das von der eNOS produzierte NO die Adhäsion von Thrombozyten und Neutrophilen an Endothelzellen und möglicherweise auch die Proliferation von Gefäßmuskelzellen. Die iNOS (Typ-II-NOS) wurde zunächst in Makrophagen gefunden, sie kommt jedoch in vielen Zellarten vor. Ihre Induktion durch zahlreiche Triggersubstanzen dauert einige Stunden, das Enzymmolekül ist relativ langlebig (Halbwertszeit mehrere Stunden), und es kann durch die iNOS in kurzer Zeit lokal sehr viel NO (im nanomolaren Bereich) gebildet werden. Die Produktion von NO durch die iNOS kann durch die Verfügbarkeit des Substrats Arginin limitiert sein. Ein dritter, für Sepsis und Schock möglicherweise sehr wichtiger Reaktionsweg ist die nichtenzymatische Reduktion von Nitrit zu NO in minderdurchblutetem Gewebe (. Abb. 2-8): Im ischämischen, azidotischen Myokard findet sich Nitrit
in mikromolaren Konzentrationen; mittels Elektronenspinresonanzspektren ließ sich nachweisen, dass in diesem hochreduktiven Stoffwechselmilieu Nitrit in großen Mengen nichtenzymatisch zu NO reduziert wird [ 100]. NO hat eine biologische Halbwertszeit von etwa 3–5 s. NO kann entweder am Produktionsort reagieren (autokrine Wirkung) oder aufgrund seiner Lipophilie in benachbarte Zellen diffundieren (parakrine Wirkung). Es gibt Hinweise, dass sich NO an Albumin oder Glutathion in Form von stabilen Nitrothiolgruppen binden kann und sich so vor der raschen Inaktivierung schützt; damit könnte NO auch hormonähnlich, fern seines Entstehungsortes, zur Wirkung kommen [76]. Ein Großteil der NO-Wirkungen beruht auf der Interaktion von NO mit eisenhaltigen oder thiolhaltigen Gruppen in Enzymen. Auf diese Weise kommt es zur pathophysiologisch wichtigen Aktivierung der löslichen Guanylatzyklase mit Bildung des zyklischen Guanosinmonophosphats (cGMP), des Gegenspielers des zyklischen Adenosinmonophosphats (cAMP). Die Hemmung der zellulären O2Verwertungsstörung in den Organen durch NOInhibition einer Reihe mitochondrialer Enzyme (Aconitase, NADH-Ubiquinon-Reduktase, Succinat-Ubiquinon-Oxidoreduktase) könnte eine Ursache für die erhöht gefundenen skelettmuskulären O2-Partialdrücke von Sepsispatienten [16] sein. Weitere Schlüsselenzyme, die durch NO inhibitiert werden, gehören zur DNA-Synthese (Ribonucleotidreduktase), zum Zitratzyklus (Aconitathydrolase) und zur Glykolyse (Glycerinaldehyd-3phosphat-Dehydrogenase). Bildung und Wirkung des Stickoxids können auf verschiedenen Stufen blockiert werden: Die Induktion der iNOS kann durch Glukokortikoide unterdrückt werden; die NOS-Isoformen lassen sich durch Argininanaloga, wie das L-NMMA (NGMonomethyl-L-Arginin), hemmen, und die Aktivität der Guanylatzyklase kann durch Methylenblau blockiert werden. Inzwischen sind selektive Inhibitoren der iNOS erhältlich [3a, 43]. Die therapeutischen Bestrebungen gehen in Richtung einer selektiven iNOS-Blockade im septischen Schock. NO gilt als wichtiger Sepsismediator: In der Sepsis kommt es zu einem Anstieg der Plasmaspiegel von Nitrit und Nitrat, den stabilen Reak-
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tionsprodukten des NO. Die septische Gefäßschädigung mit konsekutiver Hyporeaktivität gegenüber Vasokonstriktoren wird überwiegend der NOÜberproduktion der Gefäßwand zugeschrieben. Weniger eindeutig sind die Befunde hinsichtlich einer Beteiligung von NO an der septischen Kardiomyopathie [53, 56a]. Interessanterweise wurde in letzter Zeit erkannt, dass auch Kohlenmonoxid (CO) die Signaltransduktion verändert und ebenso wie NO die lösliche Guanylatzyklase aktivieren kann, aber darüber hinaus auch MAP-Kinasen beeinflusst. Im Tierversuch fanden sich protektive Effekte des CO im septischen Schock [49a]. Obwohl die Erkenntnisse zum CO noch spärlich sind, könnte sich hier ein neues Gebiet der Sepsisforschung auftun.
Lipidmediatoren: Eicosanoide und plättchenaktivierender Faktor Eicosanoide sind Derivate der Arachidonsäure, die ihrerseits durch die Phospholipase A2 aus Phospholipiden der Zellmembran entsteht. Die Arachidonsäure ist das Substrat für die Cyclooxygenase (COX), die zyklische Endoperoxide bildet, aus denen sich die Prostaglandine ableiten; Arachidonsäure ist auch das Substrat der Lipoxygenase, aus deren Produkten die Leukotriene entstehen. Über 90 verschiedene Lipidmediatoren leiten sich aus der Arachidonsäure ab. In vaskulären Geweben kommt dem Prostacyclin (PGI2) mit den Hauptwirkungen Vasodilatation und Thrombozyteninhibition wesentliche Bedeutung zu [79]. Prostacyclin entsteht vorwiegend durch die endotheliale Prostacyclinsynthase. Als Antagonist zum Prostacyclin wirkt Thromboxan A2 vasokonstriktorisch und plättchenaggregierend. Am Herzen hat Prostacyclin eine positivinotrope Wirkung. Die Wirkungen des Prostacyclins werden über membranständige Rezeptoren vermittelt, die über G-Proteine an die Adenylatzyklase gekoppelt sind und so zur Erhöhung des intrazellulären cAMP führen. Eine Vielzahl von Eicosanoiden werden zusätzlich bei Sepsis und SIRS wirksam: PGE2 wird von Makrophagen sezerniert und hat u. a. eine immunsuppressive Wirkung auf T-Lymphozyten.
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Die Leukotriene LTC4, LTD4, LTE4 sind äußerst potente Bronchokonstriktoren; LTC4 und LTD4 erhöhen die Gefäßpermeabilität und verursachen eine Emigration von Entzündungszellen, LTB4 wirkt chemotaktisch auf Leukozyten und fördert die Adhäsion ans Endothel. Es gibt Hinweise, dass in der Sepsis sowohl Prostacyclin als auch Thromboxan A2 verstärkt gebildet werden [12] und dass erhöhte Spiegel dieser Eicosanoide mit einer erhöhten Letalität des septischen Schocks assoziiert sind. Niedrig dosiertes Endotoxin führt bei gesunden Probanden zu den gleichen charakteristischen Herz-Kreislauf-Veränderungen wie bei Sepsis sowie zur Freisetzung von TNF-α, Adrenalin und ACTH [49]; eine Prämedikation mit Ibuprofen war geeignet, die Symptome und den Adrenalin- und ACTH-Peak, nicht aber den TNF-Spiegel, zu supprimieren. Die Therapie des septischen Schocks mit Ibuprofen führte jedoch nicht zu einer Senkung der Morbidität und Letalität ([13]; s. auch 7 Kap. 10 von Seeger et al.). Die COX existiert in 2 Isoformen, der konstitutiv exprimierten COX-1 und der durch Endotoxin und inflammatorische Zytokine induzierbaren COX-2 [21b]. Tierexperimente mit selektiver COX-2-Hemmung haben bislang keinen eindeutigen prognostischen Vorteil bei Sepsis erbracht [21a]. Neben dem Arachidonsäuremetabolismus bietet die Hemmung der Wirkung des plättchenaktivierenden Faktors (PAF) als potenter Lipidmediator therapeutische Ansatzpunkte bei Sepsis [19]. PAF ist ein Phospholipid, das aus 3-Phosphocholin durch das Enzym Phospholipase A2 entsteht. Durch Alkylierung wird das Lipid wasserlöslich. Selbst eine sehr niedrige PAF-Konzentration im Blut (0,1 nmol/l) vermag eine Thrombozytenaggregation und Gefäßerweiterung auszulösen. PAF wird von zahlreichen Mediatorzellen und Endothelzellen gebildet; ebenso tragen zahlreiche Zellspezies PAF-Rezeptoren. Endotoxinstimulierte Monozyten/Makrophagen und neutrophile Granulozyten setzen PAF frei. Bei septischen Patienten wurden erhöhte PAFSpiegel und erniedrigte PAF-Rezeptorwerte auf Thrombozyten gemessen. Im Tiermodell können durch Infusion von PAF ein sepsisähnlicher Zustand und ein Multiorgandysfunktionssyndrom
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erzeugt werden. Dem PAF wird aufgrund experimenteller Befunde eine wesentliche Stellung innerhalb der immuninflammatorischen Mediatorkaskaden zugesprochen. Es gibt sowohl natürliche PAF-Antagonisten pflanzlichen und bakteriellen Ursprungs als auch synthetische Strukturanaloga mit antagonistischer Wirkung. Mehrere kontrollierte Studien mit PAF-Antagonisten hatten jedoch keine Letalitätssenkung in der Sepsis zeigen können.
Proteasen [37, 38] Im Blut sind Proteaseinhibitoren in hoher Konzentration vorhanden: ca.10 % aller Plasmaproteine sind Proteaseinhibitoren, was einen Hinweis gibt auf das große proteolytische Arsenal des Organismus. In der Sepsis kommt es einerseits zur Freisetzung von Proteasen aus Mediatorzellen, andererseits über die Aktivierung der Gerinnungsund Fibrinolysekaskaden zur Bildung proteolytisch aktiver Gerinnungs-, Komplement- und Fibrinolysefaktoren. Die wesentlichen von Mediatorzellen freigesetzten Proteasen sind die neutrophile Granulozytenelastase, eine Serinprotease, und die von Monozyten/Makrophagen freigesetzten Cathepsine B und L (Cysteinproteinasen). Die Elastase ist ein quantitativ dominantes Enzym (3–5 µg/106 neutrophile Granulozyten) und gilt als pathogenetisch bedeutsamste Protease im Sepsisgeschehen. Sie ist in den azurophilen Granula der neutrophilen Granulozyten enthalten. Im neutralen pH-Bereich hat das Enzym praktisch keine Substratspezifität und verdaut eine Vielzahl von Proteinen, einschließlich Proteinaseinhibitoren, AT, Immunglobulinen, membranständigen Rezeptoren, Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren. Die Cathepsine B und L, die überwiegend in Monozyten/Makrophagen vorkommen, liegen in deutlich geringerer Konzentration vor als die Elastase. Cathepsin B ist geringer proteolytisch aktiv als Cathepsin L, aber beide Enzyme können eine Vielzahl von Proteinen schneiden. Die Elastase- und Cathepsin-B-Serumspiegel werden schon in einem frühen Krankheitsstadi-
um in Abhängigkeit vom Schweregrad von Sepsis oder SIRS erhöht gefunden. Die in vivo proteolytische Aktivität konnte durch den Nachweis von Spaltprodukten vitaler Proteine erbracht werden.
Komplement [6] In der Sepsis kann es auch ohne spezifische Antikörper durch Bakterien und deren Produkte zur Komplementaktivierung kommen. Mehrere der so generierten Komplementpeptide zeitigen proinflammatorische Effekte, wie Stimulation, Aggregation und Degranulierung von neutrophilen Granulozyten und die Induktion der Expression von Selektinen auf Endothelzellen. Komplementprodukte wie C5a oder der Membranangriffskomplex können die Permeabilität von Endothelzellen erhöhen und Gerinnungskaskaden aktivieren. C5a gilt als das am stärksten aktivierende Komplementbruchstück; in Tiermodellen kam es bei intravenöser Administration von C5a zur Hypotension. Klinische Untersuchungen belegten einen Abfall der Plasmaspiegel nativen Komplements und einen Anstieg der aktivierenden Spaltprodukte in der Sepsis (zit. in [26]). Am niedrigsten sind die Komplementspiegel bei septischem Schock mit fatalem Verlauf. Im septischen Schock wurde eine inverse Korrelation zwischen der Plasma-C5aAktivität und dem systemischen Gefäßwiderstand und dem mittleren arteriellen Blutdruck gefunden. Eine selektive Komplementinhibition ist mit monoklonalen Antikörpern bzw. spezifischen Enzyminhibitoren möglich [13a]. Im Tierexperiment wurden günstige Effekte einer Blockade des C5a beobachtet [22a]. Der C1-Esteraseinhibitor hemmt sowohl den klassischen Pfad der Komplementaktivierung als auch die Bildung von Bradykinin und liegt physiologisch in einer Plasmakonzentration von etwa 270 mg/l vor. Als Akutphaseprotein erhöhen sich die Plasmaspiegel bei unkomplizierten Infektionen bis auf das Doppelte, während in der Sepsis normale oder sogar erniedrigte Spiegel funktionell aktiven C1-Esteraseinhibitors gefunden wurden. In der Sepsis waren die antigenen C1-Esteraseinhibitorspiegel höher als die funktionellen Werte,
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was für eine verstärkte Degradation spricht, möglicherweise durch die enzymatische Wirkung der Neutrophilenelastase. C1-Inhibitor wurde in kleineren Studien bei Sepsis eingesetzt [26]; eine abschließende Bewertung ist derzeit jedoch noch nicht möglich.
Weitere Mediatoren Neben den klassischen proinflammatorischen Mediatoren des Immunsystems sind im komplexen Mediatornetzwerk in der Sepsis auch Substanzen eingewoben, deren primär bekannte physiologische Funktion nicht die Infektabwehr betrifft. Hierzu gehören Katecholamine, Endorphine, Endothelin, ACTH, Procalcitonin, Leptin und viele andere. Leptin ist bekannt als ein Hormon, das den Appetit zügelt und den Energieverbrauch regelt. Es gehört jedoch auch zur IL-6-Familie der Zytokine und hat immunregulatorische Eigenschaften. Makrophagen reagieren auf Endotoxin mit einer stärkeren Freisetzung proinflammatorischer Zytokine, wenn sie mit Leptin vorbehandelt sind [46]. Bei (männlichen) Sepsispatienten wurden erhöhte Serumleptinspiegel gefunden; diese korrelierten mit den CRP- und TNF-α-Spiegeln, nicht aber mit dem Body-Mass-Index der Patienten [48a], was die Rolle des Leptins als Akute-PhaseMarker unterstreicht. Die Erkenntnis, dass es im septischen Schock häufig zu einer relativen Nebenniereninsuffizienz kommt, ist Grundlage für eine Substitutionstherapie mit Hydrokortison (7 Kap. 4 u. 17)
Wichtige Reaktionen der Zielzellen von Entzündungsmediatoren: Aktivierung von nukleärem Faktor κB, Expression von Adhäsionsmolekülen, Apoptose, Immunparalyse Aktivierung von nukleärem Faktor κB (NF-κB; [7, 9, 95]) NF-κB ist ein heterodimerer Transkriptionsfaktor, bestehend aus den beiden Untereinheiten p50
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(NF-κBl) und p65 (RelA), die beide der Rel-Familie von Transkriptionsfaktoren angehören. Nach Bindung an die DNA stimuliert NF-κB die Transkription von proinflammatorischen Zytokinen, Chemokinen, Immunproteinen, inflammatorischen Enzymen, Akutphaseproteinen, Adhäsionsmolekülen und viralen Proteinen (s. Übersicht 2-1). Unter physiologischen Bedingungen liegt NFΚB im Zytoplasma sequestriert vor, durch Bindung an das inhibitorische Protein I-κB-α. NF-κB wird in fast allen Zelltypen präformiert gefunden, in inaktiver Form durch die Verankerung mit dem Inhibitor. Nach Aktivierung der Zellen kommt es zur Phosphorylierung an den Threoninresiduen 32 und 36 und nachfolgender Ubiquitinierung von I-κB, was zum Abbau im Proteasom führt, sodass die freigesetzten p50/p65-Untereinheiten nun rasch in den Zellkern gelangen können und dort an ein spezifisches Motiv in der 5‘-Region von Targetgenen binden können (. Abb. 2-9). Dieses NF-κB-bindende Motiv findet sich in zahlreichen Genen, von denen bekannt ist, dass sie durch entzündliche Prozesse aktiviert werden, u. a. Zytokingene.
. Übersicht 2-1.
NF-κB-regulierte Proteine. (Nach [9, 95]) 5 Zytokine: – TNF-α, – IL-1β, – IL-2, – IL-6, – GMCSF (Granulozyten-/Makrophagen Kolonie-stimulierender Faktor), – MCSF (Makrophagen Kolonie-stimulierender Faktor), – GCSF (Granulozyten Kolonie-stimulierender Faktor). 5 Chemokine: – IL-8, – Makrophagen-inflammatorisches Protein 1α, – Makrophagen-chemotaktisches Protein 1, – Gro-α, -β, γ, 6 – Eotaxin.
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
. Abb. 2-9. Aktivierung von NF-κB. Erläuterungen s. Text. NIK »NF-κB inducing kinase«; Ub Ubiquinyl; P Phosphat. (Mod. nach [7, 9, 95])
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5 Inflammatorische Enzyme: – induzierbare Stickoxidsynthase (iNOS), – induzierbare Cyclooxygenase-2 (COX II), – 5-Lipoxygenase, – zytosolische Phospholipase A2. 5 Adhäsionsmoleküle: – interzelluläres Adhäsionsmolekül 1, – vaskuläres Zelladhäsionsmolekül 1, – E-Selektin. 5 Rezeptoren: – IL-2-Rezeptor (α-Kette), – T-Zell-Rezeptor (β-Kette). 5 Akutphaseproteine: – Angiotensinogen, – Serum-amyloid-A-precursor, – Komplementfaktor B, – Komplementfaktor C4.
Viele Stimuli führen zur Aktivierung von NF-κB: Bakterientoxine, Viren, Zytokine, Oxidanzien u. a. Die Rezeptorsignalkaskaden von TNF-R-I und IL1-R konvergieren auf NF-κB: Der erste gemeinsame Schritt in den Signaltransduktionskaskaden ist die Aktivierung der I-κB-Kinase(n) im Zytosol durch die NF-κB-induzierende Kinase (NIK). Neben der Aktivierung des NF-κB kommt es im Rahmen generalisierter entzündlicher Prozesse auch zu einer Neusynthese von Hitzeschockproteinen: beides sind fundamentale Reaktionen der Zelle auf den inflammatorischen Reiz, charakteristisch für den zellulären Phänotyp des kritisch Kranken. Mehrere Arbeitsgruppen konnten in vitro und in vivo Interaktionen zwischen den beiden Reaktionspfaden nachweisen [47b]. Therapeutische Ansatzpunkte, um die Aktivierung von NF-κB zu verhindern, sind der Einsatz von Antioxidanzien (z. B. die Vitamine C und
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E, Acetylcystein, Salicylate) und Radikalfängern (z. B. Rotenon, butyliertes Hydroxyanisol, Pyrrolidin Dithiocarbamat), Kortikoiden oder des antiinflammatorischen Zytokins IL-10 sowie die Hemmung des Abbaus von I-κB im Proteasom durch Serinproteaseinhibitoren (z. B. N-Acetyl-L-Leucinyl-L-Leucinyl-L-Norleucinyl: Calpaininhibitor I).
Expression von Adhäsionsmolekülen Die Interaktion zwischen Neutrophilen und Endothelzellen, die zur Migration und Sequestration von Neutrophilen an einen infektiösen Fokus führt, vollzieht sich über die Expression von Adhäsionsmolekülen auf beiden Zelltypen. Die Extravasation neutrophiler Granulozyten findet überwiegend an den postkapillären Venolen statt und umfasst mehrere Schritte, an denen unterschiedliche Adhäsionsmoleküle beteiligt sind (. Abb. 210). Der erste Schritt, nämlich der initiale Kontakt der Neutrophilen mit den Endothelzellen und das Rollen entlang des Endothels, hängt von der Klasse der Selektine (Glykoproteine mit einer gemeinsamen Lektindomäne) ab: L-Selectin ist konstitutiv exprimiert auf der Oberfläche der Neutrophilen und hat das Polylactosaminderivat Sialyl Lewisx gebunden; P-Selektin ist präformiert in den Endothelzellen gespeichert und wird innerhalb weniger Minuten auf aktiviertem Endothel exprimiert, die maximale E-Selektinexpression (ELAM-1) der Endothelzellen benötigt nach entzündlicher Aktivierung 4–6 h. P- und E-Selektin
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binden während des Rollens locker an Sialyl Lewisx. Die nächsten Schritte, nämlich das feste Anheften der aktivierten Neutrophilen an aktivierte Endothelzellen und die Diapedese, werden von leukozytären Integrinen (CD11/CD18) und de novo synthetisierten endothelialen Adhäsionsmolekülen der Immunglobulinklasse (ICAM-1, ICAM2, VCAM-I, PECAM-1) vermittelt. Verschiedene Marker der endothelialen Aktivierung sind bei Sepsis erhöht, und in den meisten Studien korrelieren die Blutspiegel typischer Marker – wie sICAM, VCAM und E-Selektin – mit der Schwere der systemischen Inflammation und der Prognose [67c]. In Tiermodellen der Sepsis wurden die Effekte monoklonaler Antikörper gegen CD11b/CD18 und Selektine untersucht. Die Ergebnisse waren widersprüchlich: obwohl die entzündliche Komponente der Sepsis durch Hemmung der Interaktion zwischen Endothelzellen und Neutrophilen gedämpft wird, kann es zu einer erhöhten Inzidenz und einer Verschlimmerung infektiöser Komplikationen kommen [39].
Apoptose Die Apoptose, der programmierte Zelltod, stellt einen physiologischen Vorgang dar, der von der Zelle selbst aktiv ausgelöst wird und nach einem genetisch festgeschriebenen Programm abläuft. Die Apoptose ist ein lebensnotwendiger Vorgang, um mutierte, infizierte oder gefährdete Zellen aus-
. Abb. 2-10. Interaktion von Endothelzellen und Neutrophilen: Expression von Adhäsionsmolekülen nach Aktivierung. Vereinfachte Darstellung. Erläuterungen s. Text. ICAM-1,2 »intracellular adhesion molecule 1,2«; VCAM »vascular adhesion molecule«; PECAM »platelet endothelial cell adhesion molecule-1«
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zumerzen oder Gewebe umzuformen, z. B. in der Embryogenese, bei hormonellen Umstellungen oder beim normalen Turnover der Zellen. Apoptose unterscheidet sich von der Nekrose morphologisch und biochemisch. Während es bei der Nekrose zu einer Schädigung der Zellmembran, Schwellung der Zelle, Desintegration der Lysosomen und Organellen, einem ungeregelten Verdau der DNA und schließlich einer kompletten Lyse der Zelle, mit Auslösung einer lokalen Entzündungsreaktion kommt, zeichnen sich apoptotische Zellen morphologisch aus durch Bildung von Pseudopodien mit Abschnürung von Bläschen bei intakter Zellmembran und intakten Organellen, durch eine Chromatinkondensation und durch eine Phagozytose der Zellreste durch benachbarte Zellen oder Makrophagen ohne Entzündungsreaktion. Biochemisch sind apoptotische Zellen charakterisiert durch eine systematische Fragmentierung der DNA in Bruchstücke von definierter Länge, die dem Ein- oder Vielfachen von etwa 200 Basenpaaren entsprechen. Diese systematische Zersetzung der DNA kommt folgendermaßen zustande: In der Interphase liegt die DNA um Histonproteinoktamere (je 2 Moleküle H2A, H2B, H3 und H4) »gewickelt« nach Art einer Perlenkette vor. Die Länge der um das Oktamer gewickelten DNA beträgt 146 Basenpaare, ein »Linker«-DNA-Verbindungsstück führt zum nächsten Histonoktamer. An dieses LinkerDNA-Stück ist ein weiteres Histonprotein (H 1) gebunden. Diese Einheit aus Histonen und einem etwa 200 Basenpaare langen DNA-Stück nennt sich Nukleosom. Während der Apoptose wird die DNA durch aktivierte Endonukleasen zwischen den einzelnen Nukleosomen in der Linker-DNA geschnitten. Die Schritte, die zur Aktivierung der Nukleasen führen, wurden und werden intensiv beforscht. Zahlreiche Stimuli können proapoptotisch wirksam werden [65]. 5 Eine wesentliche Signaltransduktionskaskade nimmt ihren Ausgang von membranständigen Rezeptoren, deren intrazytoplasmatische Anteile eine sogenannte Todesdomäne erhalten. Hierzu gehören der TNF-Rezeptor Typ I und der Apo1/Fas-Rezeptor. Nach Bindung des Liganden TNF bzw. des Fas-Liganden
kommt es zur Anlagerung von Adaptermolekülen an die Todesdomäne; diese Adaptermoleküle konvergieren in einem Stoffwechselweg, der zur Aktivierung einer wichtigen Protease führt. Diese der Interleukin-1β-Convertase homologe Protease (ICE-ähnliche Protease), nach neuerer Nomenklatur Caspase 8 genannt, hat eine zentrale Bedeutung in der Apoptose und leitet über zur Endonukleasenaktivierung im Nukleus. Caspasen sind Cysteinproteasen mit einer gemeinsamen Pentapeptidsequenz (QACRG) in der enzymatisch aktiven Stelle, die die Targetproteine nach Asparaginsäureresten schneiden. Solche Targetproteine sind u. a. nukleäre Enzyme, die die DNA reparieren, z. B. die Poly-ADP-RibosePolymerase (PARP). In letzter Zeit wurde die Rolle der PARP in der Pathophysiologie des septischen Schocks hervorgehoben [42a]. 5 Eine weitere wesentliche proapoptotische Kaskade geht von den Mitochondrien aus. Es wird vermutet, dass die Öffnung von großen Kanälen der Mitochondrienmembran, die sog. »permeability transition pores«, zur Freisetzung von Faktoren ins Zytosol führt, die dort Caspasen aktivieren. Einer dieser aus Mitochondrien freigesetzten Faktoren wurde als Cytochrom c identifiziert. Das antiapoptotische Protein bcl-2 in der äußeren Mitochondrienmembran ist ein negativer Regulator dieser Vorgänge [74]. Ob Apoptose bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom klinische Relevanz besitzt, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher beantwortet werden. In der Tat haben bislang nur wenige Studien über eine verbreitete zelluläre Apoptose bei Patienten mit MODS berichtet [66b]. Es sind mehrere Wege denkbar, wie eine veränderte Apoptoserate zur Pathogenese des Multiorgandysfunktionssyndroms beitragen könnte [11]: 5 Apoptose könnte in verschiedenen Organen unmittelbar zum Funktionsverlust beitragen; 5 Endothelzellapoptose könnte ein Faktor bei der mikrovaskulären Gefäßschädigung sein; 5 Apoptose könnte andererseits als Reparaturmechanismus nach »acute lung injury« wirksam werden;
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5 Thymozyten- und Makrophagenapoptose
könnte zur Thymusinvolution und Makrophagendysfunktion in der Sepsis beitragen und somit zur erhöhten Infektanfälligkeit führen; 5 eine verzögerte Apoptose von neutrophilen Granulozyten in entzündeten Geweben könnte ein Schlüsselrolle spielen für die Organschädigung; 5 in-vitro-Messung von Apoptose an Neutrophilen des peripheren Bluts von Patienten mit SIRS oder nach größeren operativen Eingriffen zeigen eine verminderte Apoptoserate [36], was ein pathogenetischer Faktor bei der Organschädigung sein könnte.
Immunparalyse Im Verlauf einer Sepsiserkrankung kann es nach der initialen proinflammatorischen Phase zu einer ausgeprägten antiinflammatorischen Gegenreaktion kommen, die sich durch eine Einschränkung der Monozytenfunktion im Sinne einer Immunparalyse manifestiert. Patienten mit einer beeinträchtigten Monozytenfunktion in fortgeschrittenen Sepsisstadien sind durch eine besonders schlechte Prognose belastet. Deaktivierte Monozyten in der Immunparalyse sind charakterisiert durch eine deutlich verminderte HLA-DRExpression, einen Verlust der antigenpräsentierenden Funktion und eine profunde Einschränkung der endotoxinaktivierten TNF-α-Produktion in vitro. Es gibt Vermutungen, IL-10 könnte an der Monozytendeaktivierung beteiligt sein. Die Monozytendeaktivierung kann in vitro und in vivo bei sorgfältig selektierten Patienten durch eine Behandlung mit Interferon γ aufgehoben werden [20]. Interferon γ wirkt vermutlich sowohl direkt als auch indirekt über eine verminderte IL10- und PGE2-Produktion. Aktuelle Bestrebungen gehen dahin, die Immunkompetenz der Patienten mit Sepsis diagnostisch zu erfassen. Sowohl die Bestimmung der monozytären HLA-DR-Expression als auch die Ex-vivo-TNF-α-Produktion nach LPS-Stimulation erlauben eine in-vivo-nahe Erfassung der Immunkompetenz [34a]. Zukünftig könnte so eine
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Differenzialtherapie des Sepsispatienten mit antiinflammatorischen bzw. immunstimulatorischen Ansätzen möglich werden. Nach den ersten Pilotstudien wären sowohl IFN-γ als auch GM-CSF oder G-CSF mögliche Therapieverfahren zur Rekonstitution des Immunsystems [34a].
Zellstoffwechsel im septischen Schock Die komplexen Störungen des Zellstoffwechsels im septischen Schock sind nur teilweise Folge von Hypoxie und Ischämie; Toxine, Zytokine und andere Mediatoren und die neurohumorale Adaptation und Dysregulation sind daran ebenfalls entscheidend beteiligt (Übersicht in [54]). Eiweiß-, Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sind im septischen Schock in charakteristischer Weise verändert: für die gesteigerte Proteolyse wird das Interleukin 1 verantwortlich gemacht, zusammen mit der Wirkung erhöhter Glukagon- und Kortisonspiegel. Dieser gesteigerte Proteinkatabolismus betrifft zwar vorwiegend den Skelettmuskel (und damit auch die Atemmuskulatur), er dürfte jedoch auch für den Herzmuskel nicht ohne Folgen sein. Die anfallenden Aminosäuren werden einerseits zur Synthese von Akutphaseproteinen in der Leber und andererseits für die Glukoneogenese genutzt. Die erhöhten Glukosespiegel könnten in ausreichender Menge das Substrat für glukoseabhängige Zellen zur Verfügung stellen. Allerdings wird die Glukoseaufnahme des wesentlichen glukoseverbrauchenden Körperkompartiments, des Skelettmuskels, in der Sepsis zunehmend gehemmt. Ein wesentlicher Grund dafür ist die verminderte Aktivität des Pyruvatdehydrogenasekomplexes (PDH) des Skelettmuskels bereits in der frühen Sepsisphase, während die Aktivität der Leber-PDH erst bei höheren Sepsisschweregraden gehemmt wird. Die Hemmung der Pyruvatoxidation im Skelettmuskel führt zur Freisetzung von Pyruvat und Laktat, das in der Leber zur Glukoneogenese verwendet wird. Die gesteigerte Lipolyse ist im septischen Schock überwiegend die Folge der erhöhten Katecholamin-, Cortisol- und Glukagonspiegel. TNF hemmt die endotheliale Lipoproteinlipase und trägt dadurch zur Erhöhung der Triglyceridspiegel bei.
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Ein Beispiel für die dramatischen Stoffwechselveränderungen im septischen Schock liefert die Substratutilisation des Herzens: während das gesunde Herz überwiegend Fettsäuren zur Energieproduktion verbrennt, schrumpft deren Anteil im septischen Schock auf 12 %. 40 % seiner Energie schöpft das Herz im septischen Schock aus einem nicht identifizierten Nährstoff, der keinem der üblichen exogenen Substrate zugeordnet werden kann, sondern aus dem Herzen selbst stammen muss, wobei die sehr geringe Glykogenreserve des Myokards als Erklärung sicherlich nicht ausreicht [18]. Diese ausgeprägten Stoffwechselveränderungen im septischen Schock lassen sich natürlich nicht allein durch O2-Mangel, Ischämie und Energieverarmung erklären. Die spezielle Induktion bestimmter Formen des Glukosecarrier (GLUT1) durch TNF-α und Interleukin 1, die beschriebene Hemmung mitochondrialer Atmungsenzyme durch NO und die Inhibition des Pyruvatdehydrogenasekomplexes durch TNF-α [97] sind einige Beispiele eines sich langsam mehrenden Verständnisses der Beeinflussung des Stoffwechsels durch Schock und Sepsismediatoren.
Wechselwirkungen zwischen Gerinnungsstörungen und Inflammation Nahezu alle Sepsispatienten weisen abnorme Parameter der Gerinnung auf. Die disseminierte intravasale Koagulation ist die schwerste Form der Gerinnungsstörung. Zwischen Gerinnung und Inflammation gibt es Wechselwirkungen [16d]: Einerseits wirken Zytokine prokoagulatorisch, andererseits bewirken aktivierte Gerinnungsfaktoren inflammatorische Reaktionen. Therapiestrategien, die auf eine Gerinnungshemmung abzielen – wie der Einsatz von aktiviertem Protein C –, können deshalb auch modulierend auf die inflammatorische Antwort einwirken (7 Kap. 18–22).
Allgemeine Pathogenese der Organschäden Die freigesetzten Mediatorsubstanzen verursachen über komplizierte und keineswegs völlig aufgeklärte Mechanismen die Schädigungen von Endothel und Organzellen, welche die funktionelle und morphologische Grundlage der klinisch zu beobachtenden Insuffizienz und des Versagens multipler Organsysteme bilden. In der Pathogenese der Organschäden sind mehrere Faktoren bedeutsam: neben einer O2Angebotsstörung (Maldistribution des Blutflusses im Sinne einer Makrozirkulationsstörung und Mikrozirkulationsstörung) und einer Permeabilitätsstörung der Endothelmembranen (»capillary leakage syndrome«) kommt es zu einer O2-Verwertungsstörung und Funktionsstörung der Zellen durch die Einwirkung zytotoxischer Mediatoren und Bakterientoxine auf Zellfunktion und Zellstrukturen. Darüber hinaus ist die durch das autonome Nervensystem vermittelte Kommunikation zwischen den Organen, die der Feinabstimmung der Funktionen (z. B. kardiorespiratorische Regulation) dient, bei Sepsis gestört. Für den Kliniker stehen die damit verbundenen Störungen des zirkulatorisch-respiratorischen Systems im Vordergrund. Sie bilden die Grundlage der Intensivüberwachung und den Hauptansatzpunkt für die Intensivtherapie des septischen Patienten. Etwa 50 % aller Sepsistodesfälle sind auf einen intraktablen Schock infolge einer nicht beherrschbaren Vasodilatation (etwa 40 %) oder einer schwersten akuten septischen Kardiomyopathie (etwa 10 %) zurückzuführen, bei 50 % ist es das irreversible Multiorganversagen [62].
Pathophysiologie der kardiozirkulatorischen Störungen Vasodilatation Die vasoaktive Wirkung der Mediatoren resultiert in der Summe in einer Vasodilatation mit Herabsetzung des peripheren Gefäßwiderstands. Dies ist das Hauptcharakteristikum der Sepsis im Bereich der Makrozirkulation. Die gleichzeitig beob-
49 Pathophysiologie der kardiozirkulatorischen Störungen
achtete Zunahme von Herzfrequenz und Herzzeitvolumen könnte als Reaktion hierauf im Sinne eines Kompensationsversuchs verstanden werden. Die hyperdyname Kreislaufumstellung bei Sepsis wurde bereits in den 60er Jahren entdeckt und beispielsweise von Wilson et al. [93] beschrieben (. Abb. 2-11a,b). Die hyperdyname Kreislaufumstellung betrifft bereits die initiale Sepsisphase, so dass sie einen hämodynamischen Marker der Sepsis darstellt. Hyperdyname Zirkulation ist keineswegs gleichzusetzen mit septischem Schock, obgleich sie im Schock am ausgeprägtesten ist. Der septische Schock ist in der Regel hyperdynam; allerdings sind die Herzindexwerte häufig nicht so hoch, wie sie für diese Definition gefordert werden (Herzindex: >5,5 l/min/m²; systemischer Ge-
2
fäßwiderstand <600 dyn × s × cm-5) [58]. Ein hypodynamer septischer Schock (Herzindex <2,5l/ min/m²; systemischer Gefäßwiderstand >1.200 dyn × s × cm-5; [58]) ist eher selten und findet sich bei nicht ausreichender Volumensubstitution und noch vorhandener Gefäßreagibilität sowie bei sehr ausgeprägter septischer Kardiomyopathie, v. a. in der Spätphase des septischen Schocks. Im Zusammenhang mit der hyperdynamen Zirkulation der Sepsis erscheinen 3 Feststellungen von praktisch-klinischer Bedeutung: 5 Auf das wahre Verhalten des peripheren Widerstands kann aus dem äußeren Hautzustand nicht mit Sicherheit geschlossen werden. Dies zeigen die Messungen von Wilson (. Tabelle 2.2), die bei Patienten mit blasser,
. Abb. 2-11. Hämodynamische Konstellation der Sepsis im Vergleich zu Hypovolämie und kardialem Pumpversagen. Bei der Sepsis ist bei normalem oder vermindertem Füllungsdruck (CVP Zentralvenendruck) der periphere Gefäßwiderstand (TPR) erniedrigt (a), der Herzindex (CI) normal oder erhöht (b). (Nach [93])
50
1
Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
. Tabelle 2-2. Verhalten von Hautzustand und Hämodynamik bei Patienten mit septischem Schock (Aus [93]) n
TPR [dynxsxcm–5]
CI [l/min/m2]
MAP [mmHg]
Haut warm, trocken
8
671±260
3,4±1,1
51±9
Haut feucht, kühl
4
2 3 4
455±150
4,0±2,1
39±6
n.s.
n.s.
n.s.
TPR peripherer Gesamtwiderstand, CI Herzindex, MAP mittlerer Arteriendruck, n.s. nicht signifikant.
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kühler und feuchter Haut eher eine noch stärkere Verminderung des totalen peripheren Gefäßwiderstands fanden als bei Patienten mit warmer und rosiger Haut. Der periphere Widerstand kann nur durch hämodynamische Messungen zuverlässig bestimmt werden. 5 Die Verminderung des peripheren Widerstands lässt sich bei überlebenden und verstorbenen Patienten in gleicher Weise nachweisen. Die Auffassung einer »frühen hyperdynamen Phase« und einer späten »hypodynamen Schockphase« ist sicher eine unzulässige Simplifizierung. 5 Für die Ausprägung der Hyperzirkulation ist eine adäquate Volumenexpansion eine wichtige Voraussetzung. Die Tatsache, dass die Volumenexpansion heute ein fester Bestandteil der Intensivtherapie bei Sepsis geworden ist, gibt die Erklärung dafür, dass unter intensiver Therapie bei den meisten versterbenden Patienten die hyperdyname Kreislaufkonstellation bis in die Finalphase fortbesteht.
Störung der Makrozirkulation Die Betrachtung der Hämodynamik im septischen Schock muss neben dem arteriellen Schenkel und der Mikrozirkulation auch den venösen Schenkel des Kreislaufsystems miteinbeziehen (. Abb. 212). Der venöse Rückstrom zum Herzen ist proportional dem Quotienten (pcm–pRA) : RV
pcm mittlerer Zirkulationsdruck (intravasaler Venendruck bei ruhendem Herzen); pRA rechtsatrialer Mitteldruck; RV venöser Gefäßwiderstand. pcm entspricht dem Quotienten aus VS/C VS Blutvolumen, das den Venendruck bestimmt; es errechnet sich aus der Differenz des gesamten Blutvolumens Vt und dem Blutvolumen Vo (Blutvolumen bei Atmosphärendruck, d. h. nach passiver Exsanguination verbleibendes Blutvolumen); C Compliance. In einem geschlossenen Kreislaufsystem ist der Herzauswurf (Herzzeitvolumen, determiniert durch Herzfrequenz, Vorlast, Nachlast und Kontraktilität) mit dem venösen Rückstrom (venöses Minutenvolumen, determiniert durch mittleren Zirkulationsdruck, rechtsatrialen Druck und venösen Gefäßwiderstand) identisch. Demzufolge lassen sich die rechtsventrikuläre Frank-StarlingKurve (X) und die venöse Rückstromkurve (XX) graphisch kombinieren (. Abb. 2-12). Der venöse Rückstrom korreliert linear mit dem rechtsatrialen Druck pRA bis p = 0 mmHg (Atmosphärendruck), bei dem die großen Venen intermittierend kollabieren und damit den venösen Rückstrom limitieren und das gezeigte Plateau produzieren. Die Steigung der venösen Rückstromkurve ist der Reziprokwert des venösen Widerstandsgefäßes. Der Schnittpunkt der venösen Rückstromkurve mit der x-Achse repräsentiert dabei den mittleren Zirkulationsdruck pcm; Veränderungen des pcm verschieben dabei die venöse Rückstromkurve nach links bzw. nach rechts ohne Änderung der Steigung; Änderungen des venösen Widerstands RV ändern die Steigung der Kurve, eine Zu-
51 Pathophysiologie der kardiozirkulatorischen Störungen
2
. Abb. 2-12. Darstellung der Interaktion von venösem Rückstrom und rechtsventrikulärer Herzfunktion bei septischem Schock. pRA Mitteldruck im rechten Vorhof, pcm mittlerer venöser Zirkulationsdruck; RV venöser Gefäßwiderstand; Vt Gesamtblutvolumen. Erläuterungen s. Text. (Mod. nach [42])
nahme von RV führt zu einer Abflachung, eine Zunahme zu einer größeren Steilheit der Kurve [42]. Der septische Schock beeinflusst das venöse System in zweierlei Hinsicht: einerseits führt die aktive Dilatation kleiner Venen und Venolen sowie der Plasmaabfluss ins Interstitium zur Steigerung der Venenkapazität bei gleichzeitiger Abnahme des Blutvolumens; eine Abnahme des pcm und damit des venösen Rückstroms und konsekutiv des Herzauswurfs ist die Folge. Andererseits finden sich im septischen Schock auch eine Dilatation der großen Venen und ein arteriovenöses Shunting, beides mit der Folge einer Verminderung des venösen Widerstands (RV) und damit einem verstärkten venösen Rückstrom zum Herzen. Vor adäquater Volumensubstitution reicht die Abnahme des RV allerdings nicht aus, um die Reduktion des Pcm auszugleichen: Der Herzauswurf bleibt vermindert (. Abb. 2-12, A–B). Durch eine adäquate Volumensubstitution lässt sich der Pcm normalisieren; aufgrund des weiterhin erniedrigten venösen Widerstands (RV) führt dies, bei Fehlen einer Myokarddepression, dann sogar zu einem supranormalen venösen Rückstrom und einem supranormalen Herzzeitvolumen (. Abb. 2-
12, B–C). Die Graphik verdeutlicht, dass die RVAbnahme bis zu einem gewissen Grad eine meist vorhandene mäßige Myokarddepression maskieren kann. Erst bei einer ausgeprägten Kontraktilitätsminderung wird diese als Einschränkung des Herzauswurfs manifest (. Abb. 2-12, C–D), was bei ca. 20 % aller Sepsispatienten zutrifft [42].
Störung der Mikrozirkulation Eine regelrechte Durchblutung auf Mikrozirkulationsebene (Gefäße bis 100–150 µm Durchmesser) ist Voraussetzung für eine adäquate Gewebeperfusion; ein normales Herzzeitvolumen und ein normaler Blutdruck sind dafür noch nicht ausreichend. Die regionale Durchblutung auf Mikrozirkulationsebene wird durch lokale intrinsische (Autoregulation) und durch extrinsische Faktoren (autonomes Nervensystem und humorale Faktoren) geregelt. Der Blutfluss zu den einzelnen Organen wird durch den Tonus der präkapillären Arteriolen und prä- und postkapillären Sphinktergefäße sowie durch lokale Veränderungen der metabolischen Aktivität gesteuert. Intrinsische Kon-
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
trollfaktoren (Autoregulation) des Blutflusses sind endotheliale Dehnungsrezeptoren: plötzliche Änderungen des Perfusionsdrucks können so mit entgegengesetzten Änderungen des Gefäßwiderstands gegenreguliert werden, um die Durchblutung aufrechtzuerhalten. Eine Durchblutungssteigerung zur Deckung erhöhter metabolischer Aktivitäten kann über die Freisetzung verschiedener Metabolite (z. B. CO2 , H+) mit vasodilatierender Wirkung erzielt werden. Die extrinische Kontrolle des Vasomotorentonus wird im wesentlichen über das autonome Nervensystem erzielt. Die Freisetzung von Acetylcholin über Parasympathikusfasern führt in Endothel- und Gefäßmuskelzellen über die Bildung von Stickoxid und zyklischem Guanosinmonophosphat zur Vasodilatation. Eine Steigerung des Sympathikustonus führt zur lokalen Noradrenalinfreisetzung und damit, über eine Besetzung vaskulärer α-Adrenozeptoren, zur Vasokonstriktion. Stress bewirkt über eine Sympathikusaktivierung die Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin aus dem Nebennierenmark. Das Renin-Angiotensin-System kontrolliert Blutdruck und -fluss unter Basalbedingungen. Die Mikrozirkulation wird durch prä- und postkapilläre Gefäßregionen kontrolliert, die beide auf intrinsische und extrinsische Kontrollmechanismen ansprechen. Änderungen des Tonus dieser Gefäßregion sind insofern bedeutungsvoll, als zwischen diesen beiden Gefäßregionen (auf der Kapillarebene) ein aktiver Stoffwechsel und die Flüssigkeitsregulation über die Kapillarwand stattfindet. Das Öffnen von mikroanatomischen oder funktionellen Shunts bedingt ein Mismatch von Stoffwechsel- und O2-Versorgung; das Nichtöffnen von Gefäßsphinktern metabolisch aktiver Regionen führt zur Ischämie und zum anaeroben Stoffwechsel mit Laktatproduktion. In der Sepsis und im septischen Schock kommt es zu massiven Veränderungen der Mikrozirkulation. Eine verminderte Kapillardurchblutung in der Sepsis resultiert aus einem verminderten Perfusionsdruck, einer verminderten Verformbarkeit weißer und roter Blutzellen, konstringierten Arteriolen, zirkulierenden obstruktiven Fragmenten (einschließlich Hämoglobin) und einem Verstopfen der mikrokapillären Strombahn durch
»Sludge«. Weitere Faktoren sind die Adhärenz von Blutzellen an die Endothelzellen von Kapillaren und Venolen, wodurch ein erhöhter Strömungswiderstand entsteht, Flüssigkeitsverlust durch abnorme Gefäßpermeabilität, differentielle Beeinflussung des Gefäßwiderstands zwischen verschiedenen Gefäßregionen (z. B. intestinal vs. skelettmuskulär) und das relative Fehlen einer neurohumoralen Kontrolle der kleinen Gefäße (Übersicht in [33]).
Myokarddepression bei akuter septischer Kardiomyopathie Die »septische akute Myokarditis« wurde bereits vor 75 Jahren von Romberg, dem damaligen Direktor der Medizinischen Klinik der Universität München, beschrieben [73]. In der vorantibiotischen Ära handelte es sich um eine purulent-abszedierende Erkrankung des Herzmuskels. Heutzutage findet der Pathologe selbst bei septisch bedingtem tödlichem Herzversagen nur selten pathomorphologische Korrelate des Herzmuskels – und dann meist wenig spezifische makroskopische, histologische und ultrastrukturelle Befunde [51]. Klinisch wird der Schädigung des Herzens im Rahmen der Sepsis häufig keine allzu große Bedeutung beigemessen, ist doch die kardiale Pumpleistung des septischen Patienten im Vergleich zu der des Gesunden scheinbar nicht wesentlich eingeschränkt oder sogar erhöht [89]. Zur Beurteilung der Herzfunktion eines septischen Patienten (. Abb. 2-13) muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Referenzwerte der üblicherweise gemessenen Herzfunktionsparameter auf einen systemischen Gefäßwiderstand von 1.100 dyn ×s ×cm-5 normiert sind, während die »Normalwerte« kardialer Leistungsparameter für einen systemischen Gefäßwiderstand von 300–400 dyn × s ×cm-5, wie in der Sepsis vorliegend, nicht verfügbar sind. Aufgrund der inversen Beziehung zwischen der Nachlast und dem Herzindex/linksventrikulären Schlagarbeitsindex wäre zu fordern, dass für eine valide Beurteilung hämodynamischer oder echokardiographischer Messwerte bei septischen Patienten Referenzwerte in Abhängigkeit vom syste-
53 Pathophysiologie der kardiozirkulatorischen Störungen
2
. Abb. 2-13. Myokarddepression in der Sepsis. Zur Aufrechterhaltung eines arteriellen Mitteldrucks von 90 mmHg (bei einem rechtsatrialen Druck von 10 mmHg) wäre bei zunehmender Vasodilatation (Abfall des systemischen Gefäßwiderstandes; Normbereich 1100 ± 200 dynxsxcm-5) der errechnete Anstieg des Herzzeitvolumens (o–o) erforderlich, der von einem gesunden Herzen auch erbracht werden kann. Die tatsächlich in der Sepsis gemessenen Herzzeitvolumina liegen jedoch in der Regel niedriger (–); mögliche Erklärungen dafür sind kardiodepressive Effekte durch hohe Katecholaminkonzentrationen, Bakterientoxine, Sepsismediatoren und den kardiodepressiven Faktor (CDF; [27, 28]). HZV Herzzeitvolumen; K Katecholamintherapie zur Blutdruckstabilisierung. (Nach [54])
mischen Gefäßwiderstand zugrundezulegen sind: Bei einem erniedrigten systemischen Gefäßwiderstand von 400 dyn ×s ×cm-5 wären in der Sepsis demzufolge Herzindizes von 6–9 l/min · m²,Schlagvolumenindizes von 70–100 ml/m2 und linksventrikuläre Schlagarbeitsindizes von 80–100 g · m/ m² charakteristisch für ein wenig geschädigtes Herz [53]. Eine so weitgehende Kompensation – d. h. ein Anstieg des Herzzeitvolumens auf das 2- bis 3-fache der Norm – wird allerdings in der Sepsis und im septischen Schock nur selten gesehen (. Abb. 11-1), v. a. nicht bei protrahierten Verläufen. Die Pumpfunktionsparameter des Herzens sind dabei zwar im Vergleich zu gesunden Probanden mit normalem systemischem Gefäßwiderstand meist nicht erniedrigt oder sogar leicht erhöht (. Abb. 2-13); berücksichtigt man jedoch die inverse Korrelation mit dem systemischen Gefäßwiderstand, so wird die eingeschränkte Pumpleistung des Herzens bei vielen Patienten in der hyperdynamen Phase des septischen Schocks [61, 66] und sogar bereits bei noch normotoner Sepsis [67] rasch evident. Für diese Pumpfunktionseinschränkung wurde 1989 von H.-P. Schuster der Begriff der
akuten septischen Kardiomyopathie geprägt [78] (. Übersicht 2-2). Die septische Kardiomyopathie findet sich in etwa vergleichbarem Maße bei verschiedenen Formen der gramnegativen, bei grampositiver sowie bei der Pilzsepsis [66]. Bei nichtinfektiösen systemischen Entzündungsreaktionssyndromen (SIRS) kann es analog zu einer SIRS-Kardiomyopathie kommen [80]. Insgesamt scheint wohl die Myokarddepression der SIRS-Kardiomyopathie geringer ausgeprägt zu sein als diejenige vergleichbar hyperzirkulatorischer Sepsispatienten (zit. in [53]).
Ursachen der Myokarddepression in der Sepsis Die experimentell zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Befunde zur Pathogenese der akuten septischen Kardiomyopathie belegen eine pleiotrope Vielzahl der Effektoren und Effekte, deren Interaktionen erst unvollständig verstanden sind.
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Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
1
. Übersicht 2-2.
2
Charakteristika der akuten septischen Kardiomyopathie. (Mod. nach [53, 54])
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5 Bezogen auf den erniedrigten systemischen Gefäßwiderstand nur inadäquat gesteigert: – Herzindex, – links- und rechtsventrikulärer Schlagarbeitsindex, – links- und rechtsventrikuläre Auswurffraktion (Linksverschiebung der DruckVolumen-Kurven); 5 sowohl regionale als auch globale Kontraktionsstörungen, 5 Herz ggf. erheblich dilatiert, 5 Zunahme der Ventrikelcompliance, 5 sowohl Kontraktions- als auch Relaxationsstörungen, 5 Koronarien dilatiert, Blutdruck-bezogen: hoher Koronarfluss. 5 ggf. rechtsventrikuläre Dysfunktion infolge pulmonaler Hypertonie bei ARDS; die rechtsventrikuläre Dilatation und die Abnahme der Auswurffraktion können die linksventrikuläre Pumpfunktion weiter einschränken (Abnahme des linksventrikulären Füllungsdruckes; mechanische Beeinträchtigung des linken Ventrikels infolge eines Kammerseptumshifts nach links); 5 superponierte hypoxische Herzschädigung bei manifestem Schock, insbesondere bei koronarer Herzkrankheit, 5 potentielle Reversibilität der Funktionsbeeinträchtigung und Herzschädigung, 5 Rhythmusstörungen 5 autonome Dysfunktion.
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Ursächlich verantwortlich gemacht für die akute septische Kardiomyopathie werden: 5 kardiodepressive Faktoren, 5 körpereigene Mediatoren mit negativ-inotroper Wirkung, 5 Bakterientoxine, 5 Katecholaminexzess.
Schon seit Jahrzehnten wird über das Auftreten kardiodepressiver Faktoren im Schock und in der Sepsis berichtet (Übersicht in [54]). Erstmals 1947 war von Wiggers [92] eine Theorie des Kreislaufversagens im hypovolämischen Schock vorgestellt worden, die die Freisetzung eines myokarddepressiven Faktors postulierte. Letzlich ist ungeklärt, von welchem Organ oder welchem Zelltyp solche kardiodepressiven Faktoren mit unbekannter Struktur freigesetzt werden; manche Autoren vermuteten einen Ursprung im Pankreas [75]. Die derzeit gültige Vorstellung der akuten septischen Kardiomyopathie und SIRS-Kardiomyopathie als sekundäre Kardiomyopathien im Rahmen der Systemerkrankungen Sepsis oder SIRS baut auf die kardiodepressive Wirkung proinflammatorischer Zytokine und Mediatoren am Herzen, geht aber über die ursprüngliche Vorstellung einer blutfaktorbedingten Herzdysfunktion weit hinaus und betont die Organopathie als Organmanifestation eines septischen oder nichtseptischen Multiorgandysfunktionssyndroms (MODS). Auch in jüngerer Zeit haben mehrere Gruppen negativ-inotrope Faktoren aus dem Blut isolieren können. Belegt ist die Hemmung des Ca2+Einwärtsstroms von humanen Herzmuskelzellen durch einen kardiodepressiven Peptidfaktor (CDF) in Konzentrationen, die sich in Hämofiltraten von Patienten mit kardiogenem und septischem Schock finden [27, 28]. »Myocardial depressant substance (MDS)«, eine weitere der zahlreichen propagierten myokarddepressiven Substanzen mit noch nicht aufgeklärter Primärstruktur, konnte kürzlich als die Kombination von Tumornekrosefaktor α (TNF-α) und Interleukin 1β (ILlβ) identifiziert werden [41, 63]. Die derzeit am meisten favorisierte negativinotrope Mediatorkaskade geht davon aus, dass es durch zirkulierendes Endotoxin gramnegativer Bakterien zur systemischen und myokardialen Freisetzung von TNF-α (. Abb. 2-7) und IL-1 kommt, die dann die Bildung einer induzierbaren Stickoxid(NO)-Synthase (iNOS) im Herzen induzieren. iNOS setzt wesentlich mehr NO frei als die konstitutiv exprimierte cNOS. NO aber stimuliert die lösliche Guanylatzyklase des Kardiomyozyten, der daraus resultierende Anstieg des zyklischen Guanosylmonophosphats (cGMP) führt anschlie-
55 Pathophysiologie der kardiozirkulatorischen Störungen
ßend zur Hemmung des Ca2+-Einstroms in die Zelle und/oder über eine Desensibilisierung der Myofilamente gegenüber Ca2+ zur Kardiodepression. Neben dieser »Endotoxin-TNF-α/IL-1-NOcGMP-Kaskade« sind aber auch NO-unabhängige Mechanismen bei der zytokinbedingten Kardiodepression wirksam [55]. Untersuchungen an isolierten neonatalen Rattenkardiomyozyten zeigten, dass wohl Endotoxin (1-10 µg/ml) und IL-lβ (100 IE/ml) nach eintägiger Inkubation zur Induktion einer iNOS führten, nicht aber niedrig dosiertes TNF-α (10 IE/ml), trotz potenter kardiodepressiver Wirkung am selben Zellmodell [56]. Gerade für das TNF-α sind mehrere Signaltransduktionswege und negativinotrope Wirkmechanismen an Kardiomyozyten aufgezeigt worden (. Abb. 2-7). Es ist davon auszugehen, dass es neben einem allen SIRS-Erkrankungen gemeinsamen Schädigungsmuster auch erreger- und toxinspezifische Schädigungskomponenten gibt. Neben dem Endotoxin gramnegativer Keime gelten Porenbildner, Superantigene und Peptidoglykane als wesentliche Virulenzfaktoren grampositiver Bakterien. Diese Toxinklassen sind hinsichtlich ihrer potentiell kardiodepressiven Wirkung wesentlich weniger gut untersucht; Tatsache ist jedoch, dass die akute septische Kardiomyopathie der grampositiven Sepsis genauso schwer verläuft wie die der gramnegativen [66]. Da Superantigene zur exzessiven TNF-Produktion führen, könnte dieses Zytokin über die beschriebenen Mechanismen die akute septische Kardiomyopathie der grampositiven Sepsis entscheidend mitprägen. Peptidoglykane, Hauptbestandteile der Wand grampositiver Bakterien, scheinen ebenso wie das Endotoxin an den Endotoxinrezeptorkomplex der Zielzellen zu binden; der weitere negativ-inotrope Mechanismus könnte dann bei beiden Toxinklassen ähnlich ablaufen. Auch bei den porenbildenden Toxinen sind wohl weniger die direkten kardiotoxischen Effekte als die zytokinvermittelten Wirkungen relevant (s. oben). Hohe endogene Noradrenalinspiegel im Plasma, wie sie bei höhergradiger Herzinsuffizienz und auch bei Sepsis auftreten, führen zur Downregulation der myokardialen β1-Adrenozeptoren und damit zur Abschwächung der positiv-inotro-
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pen Katecholaminwirkung. Diese Desensibilisierung wird auch bei akuter septischer Kardiomyopathie – im septischen Schock ausgeprägter als bei Sepsis – beobachtet; sie gilt für alle via β1-Adrenozeptorstimulation wirkenden Inotropika in gleichem Maße, und sie lässt sich zumindest partiell durch eine Steigerung der Dosierung ausgleichen [69]. Auch die Gefäße werden in der Sepsis gegenüber den vasokonstriktorischen α-Sympathomimetika zunehmend refraktär, hervorgerufen durch das übermäßig gebildete NO und aufhebbar durch Hemmer der NOS [53].
Pathophysiologie der respiratorischen Störungen Tierexperimentelle Befunde lassen zusätzlich eine Einschränkung der muskulären Leistung der Skelett- und Atemmuskulatur in der Sepsis vermuten (Zitate in [53]). Dies könnte die Weaning-off-Phase septischer Patienten verlängern und damit das bereits geschwächte Herz des Septikers weiter belasten.
Störung der O2-Extraktion Neben der Verminderung des peripheren Strömungswiderstands und der Myokarddepression ist die Störung der peripheren O2-Extraktion der dritte prominente Befund der zirkulatorisch-respiratorischen Pathophysiologie der Sepsis. Trotz Gewebehypoxie und anaerob bedingter Hyperlaktatämie sind die arteriovenöse O2-Differenz relativ klein und die gemessene O2-Aufnahme (VO2) niedrig. Die Gewebe sind also nicht in der Lage, aus einem normalen arteriellen O2-Angebot (DO2) ihren Bedarf an O2 zu extrahieren. Im Skelettmuskel septischer Patienten wurden sogar erhöhte O2-Partialdrücke gemessen [16]. Als Ursachen für die O2-Extraktionsstörung werden folgende Mechanismen diskutiert: 5 Maldistribution des Blutflusses (Fehlverteilung von O2-Zufuhr und O2-Bedarf) durch – Vasodilatation, – Dissoziation der Kapillardurchblutung, – Mikroembolien,
56
Kapitel 2 · Abriss der Pathophysiologie als Grundlage der Therapie
– Endothelzelldefekte;
1
5 Linksverschiebung der O2-Bindungskurve des
2
5 Störung des oxidativen Zellstoffwechsels.
3
Damit liegen im Prinzip zwei ganz unterschiedliche Ursachen für die verminderte O2-Aufnahme vor: 5 ein Perfusionsversagen infolge der Maldistribution des Blutflusses im Bereich der Mikrozirkulation, also ein Problem des O2-Angebots, 5 ein Zellversagen mit eingeschränkter Kapazität des zelleigenen O2-Metabolismus infolge einer Störung der oxidativen Zellenzymaktivitäten, also ein Problem der O2-Utilisation.
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Hämoglobins;
Pathologische Abhängigkeit des O2-Verbrauchs von der O2-Aufnahme Die O2-Extraktionsstörung [21] bietet eine hinreichende Erklärung für ein Phänomen, das als O2transportabhängige O2-Aufnahme bei Sepsis beschrieben wird [5, 14, 40, 94].Im gesunden Organismus nimmt der O2-Verbrauch in Abhängigkeit vom O2-Angebot bis zu einem Wert von etwa 300 ml O2/m2 zu; jenseits dieses Grenzwerts erreicht die Kurve ein Plateau, und trotz weiterer Steigerung des O2-Angebots bleibt die O2-Aufnahme konstant. Anders verhält sich der septische Patient, insofern, als eine weitere Zunahme des O2Verbrauchs bei Steigerung der O2-Transportrate gemessen werden kann. Auch steigt die Korrelationskurve aus O2-Verbrauch und O2-Angebot flacher an, d. h. bei gegebener DO2 ist VO2 niedriger als normal. Dieses Phänomen kann auch bei hohen O2-Transportraten demonstriert werden [30]; allerdings flacht die Korrelationskurve bei hohen O2-Transportraten ab. Es wurde auch erhebliche methodische Kritik an diesem Konzept geäußert, die sich darauf gründet, dass bei der Darstellung der O2-Aufnahme von der O2-Zufuhr zwei mathematisch verbundene Größen korreliert werden, denn in die Berechnung beider Größen (DO2 und VO2) geht in den meisten Studien der mittels Thermodilution gemessene Herzindex als gemeinsamer mathe-
matischer Faktor ein. In der Tat war eine O2-Angebotsabhängigkeit der O2-Aufnahme dann wesentlich weniger eindeutig, wenn die O2-Aufnahme mit der indirekten Kalorimetrie gemessen und nicht nach dem umgekehrten Fick-Prinzip aus dem Herzindex und der arteriovenösen O2-Gehaltsdifferenz berechnet wurde [29]. Letztlich ist die biologische Bedeutung des Effekts der O2-Angebotsabhängigkeit der O2-Aufnahme unklar. Auf der Annahme einer solchen pathologischen Abhängigkeit des O2-Verbrauchs von der O2-Aufnahme beruht das Konzept der supranormalen O2-Versorgung von Sepsispatienten und anderen kritisch Kranken, das seit mehr als 20 Jahren praktiziert und propagiert wird: die therapeutische Konsequenz der Schwellenverschiebung der O2-Aufnahme wäre, diesen Patienten ein supranormales O2-Angebot zu ermöglichen. Dies wird in der Praxis im Wesentlichen durch eine Steigerung des Herzzeitvolumens erreicht. Dieses Konzept stellen zwei große kontrollierte Studien [22, 31] in Frage: zwar lassen sich durch hohe Katecholamindosen das Herzzeitvolumen und damit auch das O2-Angebot erhöhen; der O2Verbrauch der so behandelten kritisch kranken Patienten wird dadurch jedoch nicht gesteigert und deren Prognose nicht gebessert (s. auch 7 Kap. 4). Die Ergebnisse dieser beiden Studien belegen nochmals eindrücklich, dass Sepsis und septischer Schock nicht nur durch ein gestörtes O2-Angebot, sondern auch durch eine O2-Verwertungsstörung auf zellulärer Ebene gekennzeichnet sind [97].
Autonome Dysfunktion Das autonome Nervensystem mit seinen beiden Gegenspielern Sympathikus und Parasympathikus reguliert beim Gesunden die adäquate Gewebeoxygenierung durch eine diffizile Abstimmung von Respirations- und Herz-Kreislauf-System. Störungen dieser sympathisch-parasympathischen Balance sind bei intensivpflichtigen Krankheitsbildern und speziell bei MODS oft zu beobachten. Die autonome Dysfunktion gilt als mitverursachend bei der Entwicklung des MODS. Als Messmethode zur Untersuchung der autonomen Funktion eignet sich bei Intensivpatien-
57 Literatur
ten insbesondere die Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität, außerdem die Messung der Baroreflex- und Chemoreflexsensitivität [76a]. Das normale Herzfrequenzvariabilitätsspektrum ist bei Patienten im septischen und im nichtseptischen MODS erheblich eingeschränkt [32a], wobei die autonome Dysfunktion beim MODS qualitativ unterschiedlich ist im Vergleich zu derjenigen, die nach akutem Myokardinfarkt beobachtet wird [76a]; die autonome Dysfunktion ist vermutlich durch eine veränderte Responsivität der Zielzellen auf den nervalen Input mitbedingt [76a].
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2
3 Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis Ursula Müller-Werdan, H.-P. Schuster
Sepsisdefinitionen qualitativer Art – 63 Sepsisdefinitionen quantitativer Art
– 63
Identifizierung von Patienten mit eskalierendem Entzündungsreaktionssyndrom nach Herzoperationen mit kardiopulmonalem Bypass (eskalierendes CPB-SIRS) – 72 Monitoring des Patienten mit Sepsis Literatur
– 73
– 75
Sepsisdefinitionen qualitativer Art
Sepsisdefinitionen quantitativer Art
Der erfahrene Kliniker ist in der Regel in der Lage, aufgrund der bereits geschilderten klinischen Befunde die Diagnose einer Sepsis zu stellen. Allerdings kann das facettenreiche klinische Bild diese Diagnose schwieriger als erwartet machen. Noch mehr ist dies der Fall, wenn man den Schweregrad abschätzen und den Erfolg der durchgeführten Therapie beurteilen will. Dies trifft in noch stärkerem Maße für das systemische Entzündungsreaktionssyndrom (SIRS) nichtinfektiöser Genese zu. Aus diesem Grunde war es zu begrüßen, dass die intensivmedizinischen Gesellschaften die in . Übersicht 1-1, aufgeführten Sepsis- und SIRSDefinitionen präzisiert haben. Für den Praktiker sind diese Definitionen qualitativer Art aufgrund der geringen Spezifität nur eine bedingte Hilfe [24], und zur Schweregradeinschätzung und Verlaufsbeurteilung sind sie überhaupt nicht geeignet.
Scoresysteme Obwohl derzeit routinemäßig noch wenig eingesetzt, können Scoresysteme bei Diagnosestellung, Schweregradklassifizierung und Verlaufsbeurteilung von Sepsis und septisch bedingtem Multiorgandysfunktionssyndrom hilfreich sein, wie in . Übersicht 3-1 dargestellt [ 19]. Die Scorehöhe korreliert dabei mit dem Schweregrad der Sepsis bzw. dem sepsisbedingten Multiorgandysfunktionssyndrom und damit mit der Prognose der Patienten: je höher der Scorewert, umso höher die Letalität. Jedoch kann kein Score eine 100 %ige prognostische Treffsicherheit im Individualfall erreichen. Die Hauptlimitation des auf die Prognoseabschätzung abzielenden Einsatzes von Scores ist die Tatsache, dass eine Aussage zum Letalitätsrisiko nur für Patientengruppen und nicht für den individuellen Patienten anwendbar ist [ 19].
64
1 2 3
Kapitel 3 · Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis
Die von einem Score erbrachte Risikoeinschätzung entspricht einer statistischen Wahrscheinlichkeit mit der Sensitivität und Spezifität der ROCKurve der Gruppe und keiner individuellen Prognose. Allerdings gilt zu bedenken, dass diese Einschränkung grundsätzlich für paraklinische Messwerte, also auch z. B. für das Serumkalium, gilt.
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Übersicht 3-1.
Diagnose, Schweregradeinschätzung und Verlaufskontrolle bei Patienten mit Sepsis bzw. SIRS 5 Diagnose: Sepsis – qualitativ: . Übersicht 1-1; – quantitativ: Sepsisscore, niedriger systemischer Gefäßwiderstand. 5 Diagnose: Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) – qualitativ: . Übersicht 1-1; – quantitativ: APACHE II Score (Schweregrad der Erkankung), zahlreiche andere Score- und Prognosesysteme (Übersicht in [28], SOFA-Score. 5 Diagnose: SIRS – qualitativ: . Übersicht 1-1. 5 Diagnose: eskalierendes Entzündungsreaktionssyndrom nach Herzoperationen mit kardiopulmonalem Bypass (CPB-SIRS) – quantitativ: APACHE II Score ≥ 24 am 1. postoperativen Tag. 5 Verlaufsbeurteilung des Schweregrades von Sepsis und MODS – quantitativ: Abfall des APACHE II Scores von Tag 0* auf Tag 4 (≥ 4: gute Prognose), Abfall des Sepsisscores nach Elebute u. Stoner, Zunahme des systemischen Gefäßwiderstandes von Tag 0 auf Tag 4 (>160 dynxsxcm-5: gute Prognose), Besserung des SOFA Scores. 5 Verlaufsbeurteilung des Schweregrades des eskalierenden CPB-SIRS nach Herzoperationen – quantitativ: Abfall des APACHE II Scores von Tag** auf Tag 5 (≥ 7: gute Prognose). * Tag 0: Tag der Diagnosestellung der Sepsis; ** Tag 1: 1. postoperativer Tag.
Scores werten verschiedene leicht fassbare Parameter. Je »pathologischer« die Ausprägung eines Befundes ist, desto mehr Punkte werden unter der Hypothese vergeben, dass eine stärkere Abweichung von der Norm mit einem höheren Schweregrad und somit einer schlechteren Prognose einhergeht [19]: Von den zahlreichen publizierten Scores (Übersicht in [28]) bieten sich aus Praktikabilitätsgründen v. a. der Sepsisscore nach Elebute u. Stoner (. Tabelle 3-1) und die Schweregradder-Erkrankung-Scores APACHE II (. Tabelle 3-2) und SAPS II an. Diese Scores bedienen sich einfacher Parameter, die täglich auf der Intensivstation erhoben werden.
Sepsisscore nach Elebute u. Stoner Dieser Score wurde an chirurgischen Patienten etabliert und teilt die Reaktionen auf Sepsis in 4 Klassen ein (. Tabelle 3-1): lokale Infektzeichen, Pyrexie, Organversagen und Laborwerte. Ein Scorewert von 12 und mehr zeigt eine Sepsis an, bei chirurgischen Patienten mit einer Spezifität von 99,6 % und einer Sensitivität von 92,6 % [13]. Je höher der Scorewert, umso ausgeprägter ist der Schweregrad der Sepsis und umso höher die Letalität. Da es jedoch nicht realistisch erscheint, fortlaufend alle – mindestens 16 – der erforderlichen Parameter über eine möglicherweise längere Periode täglich zu bestimmen, ist die Praktikabilität dieses Sepsisscores für ein kontinuierliches tägliches Monitoring eingeschränkt.
Sepsiskriterien Mit ähnlicher Sicherheit wie der Sepsisscore nach Elebute u. Stoner, aber praktikabler, liefern die empirisch zusammengestellten Sepsiskriterien [13] die Diagnose einer Sepsis, wenn mindestens 5 der in . Übersicht 3-2 aufgeführten Kriterien – einschließlich des Herzindexes oder Gefäßwiderstandindexes – erfüllt sind (Sensitivität 92 %, Spezifität 73 %, Youden-Index 0,65 [13]). Einzelparameter, wie z. B. Leukozyten oder Körpertemperatur, sind dagegen zur Sepsisdiagnose nicht geeignet (. Abb. 3-1) [16].
3
65 Sepsisdefinitionen quantitativer Art
. Tabelle 3-1. Prinzip der Berechnung des Sepsisscores nach Elebute u. Stoner, ± ja/nein. (Weitere Informationen in [13]) Normbereich bzw. unauffällig ← 0 Pkt. →
Anomal niedrig 3 Pkt.
Anomal hoch bzw. pathologischer Befund 6 Pkt.
Infektzeichen Wundinfekt
±
Peritonitis
±
Pneumonie
±
tiefer Abszess
±
Harnwegsinfekt
±
Pyrexie Temperatur (oC)
<36,0 ±
>39,0
Zusatzpunkte Organversagen + Laborwerte Beatmung
±
Metabolische Azidose
±
Neurologie
±
DIC
±
Kreatinin (mg/dl)
>3,5
Bilirubin (mg/dl)
>3,5
Blutkultur <2,5
Leukozyten (G/l) <100 <7
<25
Thrombozyten (G/l) Hämoglobin (g/l) Albumin (g/l)
± >30
66
1 2
Kapitel 3 · Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis
. Tabelle 3-2. Prinzip der APACHE II Score-Berechnung. Zusätzlich zu den aufgeführten Parametern werden berücksichtigt: Alter (max. 6 Pkt.) und Vorerkrankung (max. 5 Pkt.); paO2 arterieller O2-Partialdruck; A-aDO2 alveoloarterielle O2-Druckdifferenz. (Weitere Informationen in [13]) Anomal niedrig 4 Pkt.
Normbereich
3 4
<29,9°C
Körpertemperatur
>41°C
<49 mmHg
Mittlerer Blutdruck
>160 mmHg
<39/min
Herzfrequenz
>180/min
<5/min
Atemfrequenz
>50/min
<55 mmHg
paO2
>500 mmHg
A-aDO2
<7,15
pH-Wert arteriell
>7,70
<110 mmol/l
Serumnatrium
>180 mmol/l
<2,5 mmol/l
Serumkalium
>7,0 mmol/l
<0,6 mg/100 ml (2 Punkte)
Serumkreatinin
>3,5 mg/l00 ml
<20 %
Hämatokritwert
>60%
<1,0 G/l
Leukozyten Glasgow Coma Scala
>40 G/l
5 6 7 8 9 10
←
0 Pkt.
→
Anomal hoch 4 Pkt.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 3-1. Beurteilung von Sepsiskriterien (gesamt, sowie nur der nichtinvasive Teil), Elebute-Stoner-Score, Leukozytenzahl und Temperatur zur Unterscheidung von septischem und kardiogenem Schock. (Aus [16])
67 Sepsisdefinitionen quantitativer Art
APACHE-II-Schweregradscore der Erkrankung
. Übersicht 3-2.
Kriterien zur Sepsisdiagnose (nach [13]) 5 5 5 5 5 5
5 5 5
3
Temperatur (oC) >38,5 oder <36,0, Leukozytenzahl (G/l) >12 oder <3,5, Herzfrequenz (min–1) >100, Atemfrequenz (AF, min–1) oder FIO2: AF >28 oder FIO2>0,21, mittlerer arterieller Blutdruck (mmHg) <75, Herzindex (HI, 2 × min–1× m–1) oder systemischer Gefäßwiderstand (SGW, dyn × s × cm-5): HI >4,5 oder SGW <800, Thrombozyten (G/l) <100, Blutkultur positiv, klinischer Sepsishinweis* positiv,
* Sepsisverdacht sowie zusätzlich: chirurgische oder invasive Maßnahme innerhalb der letzten 48 h oder offensichtlicher primärer septischer Herd.
Ein einfaches, weit verbreitetes und akzeptiertes Klassifikationssystem zur quantitativen Beurteilung des Zustandes und der Prognose von Intensivpatienten ist der APACHE II Score (. Tabelle 3-2), welcher die Summe dreier Komponenten beinhaltet: einen aus 12 physiologischen Parametern gewonnenen akuten physiologischen Score (APS), einen altersbezogenen Score und einen Score zur Beurteilung des chronischen Krankheitszustandes. Je höher der APACHE II Score, umso ausgeprägter der Schweregrad der Erkrankung und umso ungünstiger ist die Prognose. Der APACHE II Score ist bezüglich der Prognosebeurteilung sowohl in nichtselektierten als auch in ausgewählten Patientenkollektiven validiert [13], wie Patienten mit akutem Myokardinfarkt, akuter Pankreatitis, akutem Nierenversagen, postoperativen Patienten, Sepsis (. Abb. 3-2b–c)
Letalität
APACHE ii Score
30
. Abb. 3-2a–c. Verlaufsbeurteilung des Sepsisschweregrades und Prognoseabschätzung bei Patienten mit Sepsis an der seriellen Messung des systemischen Gefäßwiderstands und der seriellen APACHE II Score-Bestimmung. Sepsispatienten, die auf Therapie ansprechen, zeigen einen raschen Antieg des systemischen Gefäßwiderstands (SGW); a Responder (26/57): Anstieg des SGW von 160 dyn × s × cm–5 von Tag 0 bis Tag 4; Letalität 27%. Sepsispatienten, die nicht auf die Therapie ansprechen, haben keine wesentliche Änderung des erniedrigten SGW: Nonresponder (31/51); Letalität 77%. Der Anstieg des SGW korreliert mit der Besserung des Multiorganversagens (MOV) (Abfall des APACHE II) Scores); b serielle Bestimmungen des APACHE II Scores bei 173 Patienten mit Sepsis und septischem Schock, beginnend (Tag 0) mit der Sicherung des Diagnose »Spesis« bzw. »septischer Schock«; c Letalität: Die 76 Patienten, bei denen der APACHE II Score innerhalb der nächsten 4 Tage um mindestens 4 Punkte abfiel (Responder), hatten eine signifikant niedrigere Letalität als die Patienten, bei denen der APACHE II Score um weniger als 4 Punkte abfiel, gleich blieb oder sogar anstieg (Nonresponder). (In Anlehnung an [17])
68
Kapitel 3 · Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
. Abb. 3-3a–h. Patientenparameter zur Charakterisierung der eskalierenden Entzündungsreaktion nach Herzoperation mit kardiopulmonalem Bypass (eskalierendes CPB-SIRS). Vergleich der Patientenparameter bei unkompliziertem postoperativem Verlauf (offene Kreise, n = 94) und Patienten mit dem klinischen Bild einer postoperativen Sepsis, mit einem Sepsisscore nach Elebute u. Stoner von ≥12 (n = 16; ausgefüllte Kreise), hervorgerufen durch ein eskalierendes CPB-SIRS. Angegeben sind Mittelwerte mit 95%igem Konfidenzintervall der Mittelwerte (*signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen). (Nach [17]) LVSW = linksventrikulärer Schlagarbeitsindex; SVR = systemischer Gefäßwiderstand; BSA = Körperoberfläche
12 13 14 15 16 17 18 19 20
und eskalierender Entzündungsreaktion nach Herzoperationen mit kardiopulmonalem Bypass (. Abb. 3-3b). Aufgrund der wiederholten prognostischen Validierung des APACHE II Scores bei Patienten mit Sepsis ist dieser Score ausdrücklich von einer Konsensuskonferenz zur Schweregradquantifizierung bei Sepsisstudien empfohlen worden [12]. Pilz u. Werdan [18] berichteten, dass der APACHE II Score bei guter Korrelation zum Bezugsparameter systemischer Gefäßwiderstand (. Abb. 3-4) auch als Indikator der Besserung des Krankheitsschweregrades unter Therapie geeignet ist. Mit einem auf einem Mikrocomputer installierten Programm für die Bestimmung des APACHE II Scores lässt sich der Scorewert bettseitig innerhalb von 5–10 min für den Intensivpatienten erheben [13].
SAPS II Score (Simplified Acute Physiology Score) [9] Der SAPS II gehört zu den neueren, primär statistisch erstellten Scores. Er enthält 17 Variablen: 12 physiologische Parameter, Alter, Aufnahmemodus (elektiv chirurgisch, nichtelektiv chirurgisch oder internistisch) und 3 Variablen zur Grundkrankheit. Wie eine kürzlich erschienene Studie belegt [22], besitzt der SAPS-II-Score auch für Herzpatienten auf der Intensivstation eine vergleichbar gute Aussagekraft wie für Intensivpatienten mit nichtkardialen Erkrankungen.
Sepsisbezogener Organversagensscore (SOFA Score) Zusätzlich zu den bereits bestehenden Organversagensscores wurde von der Europäischen Intensivmedizinischen Gesellschaft der SOFA Score (Sepsis-Related Organ Failure Assessment Score)
69 Sepsisdefinitionen quantitativer Art
3
. Abb. 3-4. Korrelation von Änderungen des systemischen Gefäßwiderstands ( SVR) und Änderungen des APACHE II Scores ( APACHE II) (Tag 0 nach Tag 1) während additiver Sepsistherapie mit Immunglobulinen (polyvalentes IgG: , Pseudomonas-IgG: ) oder Plasmapherese ( ); offene/geschlossene Symbole: Responder/Nonresponder. (Nach [18])
entwickelt (. Tabelle 3-3; [25]). Er erfasst die wichtigsten Organdysfunktionen mit jeweils einem einzelnen Parameter und teilt den Schweregrad der Organdysfunktion entsprechend der Abweichung dieses Parameters von der Norm ein. Im Falle der Herz-Kreislauf-Dysfunktion wird die Bewertung anhand der zur Blutdruckstabilisierung notwendigen Katecholamintherapie vorgenommen. Dieser einfach zu handhabende Score soll zur standardisierten Schweregradbeschreibung des sepsisbedingten MODS in quantifizierbarer Form beitragen. Der SOFA-Score ist, ebenso wie der MODS-Score, ein verlässlicher Parameter zur Einschätzung der Prognose von Intensivpatienten. Im direkten Vergleich der beiden Scores, die einen Summenwert der Organdysfunktionen von 6 Organen ermitteln und sich v. a. in der Berechnung des kardiovaskulären Scorewerts unterscheiden, stellte der kardiovaskuläre SOFA-Score einen besserer Prädiktor dar als der kardiovaskuläre MODS-Score.
Systemischer Gefäßwiderstand Der stark erniedrigte systemische Gefäßwiderstand ist ein sehr wesentliches Kriterium hoher Spezifität und Sensitivität der durch Sepsis verursachten Gefäßschädigung. Werte von 500–200 dyn × s × cm–5 sind – von wenigen Ausnahmen (z. B. Leberzirrhose, Therapie mit vasodilatierenden Pharmaka, z. B. Phosphodiesterasehemmer, anaphylaktischer Schock) abgesehen – ein untrügliches Zeichen für das Vorliegen von Sepsis und septischem Schock (. Abb. 3-2a). Eine dermaßen ausgeprägte Vasodilatation ist auch durch Katecholamingabe kaum mehr im Sinne einer Erhöhung des systemischen Gefäßwiderstandes zu beeinflussen.
Serumprocalcitonin als quantitativer Parameter für die Diagnose »Infektion« Von den zahlreichen getesteten Laborparametern scheint der Serumprokalzitoninwert (PCT) derzeit als Sepsismarker am erfolgsversprechendsten zu sein [21a]. Bei Patienten mit PCT-Spiegeln
70
1
. Tabelle 3-3. Klassifizierung und Schweregradeinschätzung der sepsisbedingten Organschädigung mit dem SOFA Score. (Nach [25]).
2
Sepsisbezogener Organversagensscore
3 4 5 6 7 8 9 10
12 a
14
1
2
3
4
Atmung psO2/FIO2 (mmHg)
<400
<300
<200 (mit Atemunterstützung)
<100 (mit Atemunterstützung)
Gerinnung Thrombozyten x10³/mm³
<150
<100
<50
<20
Leber Bilirubin (mg/dl) (µmol/l)
1,2–1,9 (20–32)
2,0–5,9 (33–101)
6,0–11,9 (102–204)
>12 (>204)
Herz/Kreislauf Hypotension für >1h, Dosierung (µg/kgKG/min
MAPa<70 (Volumen reagibel)
Dopamin<5b oder Dobutamin (beliebige Dosis)
Dopamin>5b oder Adrenalin >0,1b oder Noradrenalin <0,1b
Dopamin>15b oder Adrenalin >0,1b oder Noradrenalin >0,1b
Zentralnervensystem Glasgow Coma Scalec
13–14
10–12
6–9
<6
1,2–1,9 (100–170)
2,0–3,4 (171–299)
3,5–4,9 (300–440) oder <500
>5 (>440) oder (<200)
Niere Kreatinin (mg/dl) (µmol/l) oder Urinfluss (ml/Tag)
11
13
Kapitel 3 · Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis
b c
MAP mittlerer arterieller Blutdruck (mmHG) errechenbar aus: (systolischer Blutdruck + 2-mal diastolischer Blutdruck): 3. Für mindestens 1 h (Dosierung in µg/kgKG/min). Berechnung der Glasgow Coma Scale: Summe der Punkte aus: – Augen öffnen: 4 (spontan), 3 (Aufforderung), 2 (Schmerz), 1 (nicht); – beste motorische Antwort: 6 (gezielt nach Aufforderung), 5 (gezielt nach Schmerz), 4 (ungezielt nach Schmerz), 3 (Beugemechanismen), 2 (Streckmechanismen), 1 (keine); – verbale Antwort: 5 (orientiert), 4 (verwirrt), 3 (inadäquat), 2 (unverständlich), 1 (keine)
15 16 17 18 19 20
von ≤0,5 ng/ml ist die Diagnose einer Sepsis unwahrscheinlich. Auch wenn es keinen definierten »Cut-off«-Punkt gibt, so sind bei Intensivpatienten Werte von >1,0–1,5 ng/ml verdächtig auf eine Sepsis; jedoch können die PCT-Werte auch nach schweren Traumata oder größeren Operationen ansteigen [21a]. In einer Studie mit 337 SIRS-Patienten [1] wiesen Patienten mit mikrobiell gesicherter Sepsis Prokalzitoninspitzenwerte von 30 ng/ml auf, während sich bei SIRS-Patienten ohne Sepsis Prokalzitoninwerte von ≤0,1 ng/ml fanden.
5 Procalcitoninwerte von 0,1–0,5 ng/ml: schwe-
re mikrobielle Infektion ist unwahrscheinlich (Sensitivität 91 %, Spezifität 25 %; positiv prädiktiver Wert 39 %, negativer prädiktiver Wert 86 %); 5 Procalcitoninwerte >0,5 ng/ml: Infektion sehr wahrscheinlich (Sensitivität 60 %, Spezifität 79 %; positiv prädiktiver Wert 61 %, negativ prädiktiver Wert 78 %). DeWerra et al. [27] unterzogen verschiedene Laborparameter – Procalcitonin, TNF-α, lösliche TNFRezeptoren, IL-6, Nitrit/Nitrat, lösliche TNF-Re-
3
71 Sepsisdefinitionen quantitativer Art
zeptoren – einem Vergleich bei Patienten mit septischem Schock, kardiogenem Schock oder Pneumonie. Als Ergebnis ihrer Studie hielten die Autoren fest, dass erhöhte Werte für Nitrit/Nitrat und Procalcitonin am besten geeignet waren, Patienten mit septischem Schock zu definieren. Harbarth et al. [7b] fanden bei einem »Cut-off«Wert für Prokalzitonin von 1,1, ng/ml eine Sensitivität von 97 % bei einer Spezifität von 78 % zur Diskriminierung zwischen SIRS und Sepsis bei Intensivpatienten. Der Median des Prokalzitoninwertes bei Aufnahme betrug in dieser Studie 0,6 ng/ml bei SIRS, 3,5 ng/ml bei Sepsis, 6,2 ng/ ml bei schwerer Sepsis und 21,3 ng/ml beim septischen Schock. Eine weitere Studie fand jedoch einen mittleren Prokalzitoninwert von 5,45 ng/ml bei SIRS-Patienten am Aufnahmetag [7a], sodass eine Diskriminierung zur Sepsis allein mit dem Prokalzitoninwert bei diesem Patientenkollektiv nicht möglich war.
Zytokinserumspiegel als prognostische Parameter [7]
lichen TNF-Rezeptoren, IL-8 und IL-10 verlässlich bestimmt werden. Im Vergleich mit anderen Zytokinen ergibt sich für die IL-6-Serumspiegel die höchste prognostische Aussagekraft zur Beurteilung der Sepsis (. Tabelle 3-4a,b) sowie eine Korrelation mit dem Schweregrad der Organdysfunktion. Ein IL-6-Spiegel von >1000 ng/ml wurde als Einschlusskriterium für die MONARCS-Studie zur Behandlung von Sepsispatienten mit einem monoklonalen Anti-TNF-α-Antikörper verwendet, um eine Stratifizierung der Sepsispatienten vorzunehmen. Die klinische Wertigkeit von TNF-α-Serumspiegeln septischer Patienten ist eingeschränkt aufgrund der starken Streubreite der gemessenen Werte, die vermutlich durch die relativ kurze biologische Halbwertszeit des TNF-α zustande kommt. Dagegen sind die Blutspiegel der löslichen TNF-Rezeptoren (p55 und p75) aufgrund ihrer längeren biologischen Halbwertszeit besser geeignet zur Beurteilung des Letalitätsrisikos, wie bei Patienten nach herzchirugischen Operationen gezeigt werden konnte (s. unten; [14, 15]).
Im Serum septischer Patienten können IL-1 und IL-1-Rezeptorantagonist, IL-6, TNF-α und die lös-
Endotoxinspiegel
. Tabelle 3-4a. Prognostische Aussagekraft von Serumzytokinspiegeln in der Sepsis: Serumzytokinspiegel von Patienen, die eine Sepsis überlebt haben, und von Patienten, die an der Sepsis verstorben sind. (Aus [7]) Zytokin
Überlebt
Verstorben
TNF (pg/ml)
19–180
55–330
IL-I (pg/ml)
153–300
93–1630
IL-6(pg/ml)
39–434
1491–6598
Bei etwa 30 % der bakteriämischen Patienten ist eine Endotoxinämie nachweisbar; dies ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Nachweis einer gramnegativen Sepsis, da eine Endotoxinämie auch bei Patienten mit isolierter grampositiver Bakteriämie und Candidämie nachweisbar sein kann. Nach der gegenwärtigen Datenlage ist die prognostische Aussagekraft einer Endotoxinämie gering, sodass eine diesbezügliche routinemäßige Testung derzeit nicht empfohlen wird [3a].
. Tabelle 3-4b. Basale TNF- und lösliche TNF-Rezeptorspiegel bei postoperativ herzchirurgischen Patienten mit CPBSIRS in Abhängigkeit von der Prognose. (Aus [7]) Parameter
Überlebt (n=19)
Verstorben (n=8)
p
TNF (pg/ml)
21 (12–31)
44 (20–69)
<0,05
TNF-R p55(ng/ml)
7 (4–11)
14 (10–17)
<0,005
TNF-R p75 (ng/ml)
7 (5–10)
14 (10–18)
<0,005
72
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Kapitel 3 · Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis
Immunkompentenz Aktuelle Bestrebungen gehen dahin, die Immunkompetenz des Patienten mit Sepsis diagnostisch zu erfassen, um proinflammatorische Phasen gegen antiinflammatorische Gegenreaktionen abzugrenzen. Sowohl die Bestimmung der monozytären HLA-DR-Expression als auch der Ex-vivo-TNF-α-Produktion nach LPS-Stimulation sind hierfür geeignete Parameter [21b].
Ist die Höhe der Mediatorausschüttung bei Sepsis genetisch determiniert? Es sind mehrere Polymorphismen für Zytokingene beschrieben worden. Polymorphismen sind häufiger vorkommende genetische Variationen, meist ohne Einschränkung der Lebenserwartung. Eine klinische Relevanz ist v.a. für einen Polymorphismus des TNF-Genlokus gezeigt worden: Homozygotie für das Allel TNFB2 des TNF-n-Polymorphismus (NcoI-Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus) ist bei septischen Patienten assoziiert mit erhöhten TNF-α-Blutspiegeln und einer erhöhten Letalität [23, 9a]. In einer neueren Untersuchung wurde jedoch gezeigt, dass nur bei Männern – nicht bei Frauen – der Genotyp TNFB2/TNFB2 mit einer erhöhten Letalität der schweren Sepsis assoziiert ist [21c]. Weitergehende Studien auf diesem Gebiet könnten es zukünftig ermöglichen, Patienten frühzeitig zu erkennen, die aufgrund ihres Genotyps mit einer überschießenden Mediatorfreisetzung auf entzündliche Stimuli reagieren, und solche Patienten könnten ggf. prophylaktisch behandelt werden.
Identifizierung von Patienten mit eskalierendem Entzündungsreaktionssyndrom nach Herzoperationen mit kardiopulmonalem Bypass (eskalierendes CPB-SIRS) Eine eskalierende Entzündungsreaktion nach Herzoperationen mit kardiopulmonalem Bypass manifestiert sich bereits am 1. postoperativen Tag unter dem klinischen Bild einer schweren syste-
mischen Entzündungsreaktion, das von dem einer Sepsis nicht zu unterscheiden ist. Demzufolge haben diese Patienten einen Sepsisscore nach Elebute u. Stoner von mindestens 12 am 1. postoperativen Tag (. Abb. 3-3a). Das Multiorganversagen dieser Patienten mit eskalierendem CPB-SIRS spiegelt sich in einem ganz ähnlich verlaufenden APACHE II Scorespektrum dieser Patienten wider (. Abb. 3-3b): wie zwischenzeitlich prospektiv an 3 Zentren validiert (. Tabelle 3-5; [8]), identifiziert ein APACHE II Score von >24 am 1. postoperativen Tag die wenigen (<10 %) Hochrisikopatienten mit eskalierendem CPB-SIRS und ungünstiger Prognose (Letalität >30 %). Die intra- und postoperative Aktivierung der neutrophilen Granulozyten und Monozyten/Makrophagen – als Folge des CPB und des Operationstraumas – kann bei diesen Patienten anhand des Anstieges der Leukozytenelastase (. Abb. 3-3c) und des Neopterins (. Abb. 3-3d) – freigesetzt aus Monoyzten und Makrophagen – im Blut verfolgt werden: während bei einem unkomplizierten postoperativen Verlauf der Leukozyten-Elastase-Anstieg 200–300 µg/l und der Neopterinanstieg bis 40 nmol/l beträgt, liegen diese Werte bei Patienten mit eskalierendem CPB-SIRS wesentlich höher, bei 400 µg/l bzw. 70 nmol/l (. Abb. 3-3c,d). Patienten mit eskalierendem CPB-SIRS besitzen auch im Mittel doppelt so hohe Plasmaspiegel des TNFα (28 vs. 14 pg/ml) und der löslichen TNF-Rezeptoren p55 und p75 (9 vs. 4 und 9 vs. 5,5 ng/ml) als Patienten mit unkompliziertem postoperativem Verlauf [14]. Signifikant erhöhte Procalcitoninwerte bereits am 1. postoperativen Tag wurden bei herzchirurgischen Patienten mit postoperativen Infektionen beschrieben [2]. Patienten mit eskalierendem CPB-SIRS haben eine erheblich eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion (. Abb. 3-3e), im Sinne eines erniedrigten linksventrikulären Schlagarbeitsindex, während der systemische Gefäßwiderstand (. Abb. 3-3f) in den ersten beiden postoperativen Tagen nicht signifikant different ist. Körpertemperatur und Blutleukozytenwerte sind dagegen bei diesen Hochrisikopatienten nicht unterschiedlich zu den Patienten mit unkomplizierten Verläufen (. Abb. 3-3g,h). Auch die SIRS-Definition ist bei herzchirurgischen Patienten zur Identifizierung
73 Monitoring des Patienten mit Sepsis
3
. Tabelle 3-5. Identifizierung und Prognose der eskalierenden systemischen Entzündungsreaktion nach kardiopulmonalem Bypass - trizentrischer, prospektiver Vergleich der Erhebung im Zeitraum 1988-1990 und 1996. (Nach [8]) Studienzeitraum
Zahl der Patienten
Anteil (%) der Hochrisikopatienten (APACHE II Score >24 am 1. postoperativen Tag
Letalität (%) der Hochrisikopatienten (APACHE II Score >24 am 1. postoperativen Tag
Zentrum 1
1988–1990
881
2,4
76,0
Zentrum 2, 3, 4
1996
945
8,8
30,1
postoperativer Risikopatienten wenig hilfreich: mindestens 50 % aller herzoperierten Patienten erfüllen am 1. postoperativen Tag die SIRS-Kriterien (. Übersicht 1-1, S. 6; [17]). Die frühe postoperative Trennung der Patienten mit dem klinischen Bild einer imminenten Sepsis von denen mit unkompliziertem postoperativem Verlauf spricht dafür, dass die überschießende Entzündungsreaktion nach CPB für das sich entwickelnde klinische Bild der Sepsis entscheidend mitverantwortlich ist. Berücksichtigt man die gemeinsame Mediator-/Zytokinendstrecke von Sepsis und SIRS, so bieten diese Befunde in sich keine Widersprüche: sie deuten darauf hin, dass die eskalierende Entzündungsreaktion nach kardiopulmonalem Bypass unter dem Bild der Sepsis – mit oder ohne aufgepfropfte Infektion – verlaufen und wesentlichen Anteil an postoperativen Komplikationen haben kann. Die Tatsache, dass der ungünstige klinische Verlauf postoperativ – anhaltend hohe APACHE II Scores – mit hohen TNF-α- und hohen TNF-Rezeptorspiegeln einhergeht [15], spricht für die Bedeutung dieses Zytokins bei eskalierendem CPB-SIRS. Als relevante, bereits präoperativ definierbare Prognosefaktoren für die Entwicklung eines eskalierenden CPB-SIRS wurden ein hoher Herzinsuffizienzschweregrad [8,17], ein stark erhöhter Pulmonalkapillardruck [17] und eine ausgeprägte linksventrikuläre Dysfunktion identifiziert. Ob auch genotypische Faktoren, wie z. B. der TNF-Polymorphismus, dabei eine Rolle spielen könnten, bleibt zu überprüfen. Die bei etwa 10 % aller herzchirurgischen Patienten mittels Hauttestung erkennbare Anergie disponiert zu postoperativen
Infektionen; inwieweit sie auch das eskalierende CPB-SIRS begünstigt, ist derzeit noch offen (Literatur und Diskussion in [20, 26]).
Monitoring des Patienten mit Sepsis (. Übersicht 3-3)
Voraussetzung für eine wirksame Therapie des septischen Schocks ist eine möglichst frühzeitige Diagnose und Schweregradeinschätzung der septischen Herz-Kreislauf-Insuffizienz. Intraarterielle Druckregistrierung und ein Pulmonaliskatheter mit Thermodilutionsmessung erlauben die Messung und Berechnung aller zur Überwachung solcher kritisch Kranker notwendigen hämodynamischen Messdaten [29]. Nach Meinung einer Konsensuskonferenz ist dieses Vorgehen für kritisch Kranke mit Sepsis indiziert [21 ]. Das Risiko ernster Komplikationen dieses Monitorings [4, 5] sollte jedoch nicht unterschätzt und die Maßnahmen zur Vermeidung dieser Komplikationen [3] unbedingt eingehalten werden (s. auch 7 Kap. 4)! Zur Beurteilung des Blutdrucks sind der arterielle Mitteldruck und in der Regel auch der systolische Blutdruck geeignet; allerdings kann trotz eines systolischen Blutdrucks von 90 mmHg bei Vorliegen eines niedrigen diastolischen Drucks bereits eine Organminderperfusion vorliegen [11]. Auch die Messung des Magenschleimhaut-pH-Wertes wurde als Parameter zur Therapiekontrolle bei der Behandlung des Kreislaufschocks vorgeschlagen [6].
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Kapitel 3 · Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis
. Übersicht 3-3. (s. auch 7 Anhang)
Monitoring und kontrollierte Therapie der Sepsis, des septischen Schocks und der akuten septischen Kardiomyopathie 1. Bestätigung der korrekten Diagnose. – Differentialdiagnose des Schocks: Rechtsherzkatheterisierung, – intraarterielle Druckmessung: Ungenauigkeit der nichtinvasiven Druckmessung mit Manschette im Schock, – Quantifizierung von Schweregrad und funktioneller Relevanz von septischer Kardiomyopathie (z. B. Herzindex in Relation zum systemischen Gefäßwiderstand) und Gefäßfunktion (systemischer Gefäßwiderstand). 2. Gewährleistung des sofortigen Erkennens und der raschen Behandlung von Blutdruckänderungen – Blutdruckinstabilität im Schock. 3. Elimination von Ursachen, die zur Myokarddepression, Gefäßdysregulation und Stoffwechselentgleisung führen – Korrektur einer Hypoxie, – Korrektur einer Azidose <7,10-7,15, – Korrektur von Hypophosphatämie und Hypokalzämie, – Korrektur von sonstigen Elektrolytstörungen. 4. Hämodynamisches Monitoring zur Therapieoptimierung – Volumensubstitution: Optimierung der Vorlast (Pulmonalkapillardrucka: 12-15 mmHg, rechtsatrialer Druck: >10-12 mmHg, Substitution großer Volumina erforderlich. Cave: Lungenödem!), – Therapie mit inotropen und vasoaktiven Substanzen (Optimierung des Herzzeitvolumens/-indexes durch Inotropika, so weit möglich und sinnvoll; nach Erzielen des optimalen Herzzeitvolumens/-indexes: pharmakologische Blutdrucksteigerung mit Nachlasterhöhung, falls erforderlich; Gewährleistung der exakten Infusions6 geschwindigkeit),
5.
6.
7. 8.
– Optimierung der Organdurchblutung (bei Oligurie: Monitoring der Urinausscheidung, Maximierung des Herzzeitvolumens/-indexes mittels Volumensubstitution, vasoaktive und inotrope Substanzen; pulmonale Shunts, Cave: mögliche Zunahme durch Pharmaka; eingeschränkte Hirndurchblutung: Herz-Kreislauf-Stabilisierung, Karotisstenosen? Eingeschränkte Gastrointestinaldurchblutung: Monitoring mit Magenmukosa-pH-Tonometrie); – Pulsoximetrie. Cave: in der Frühphase des Schocks nur bedingt verwertbar! – Magenmukosa-pH-Tonometrie: weitere Validierung vor genereller Empfehlung erforderlich. Rhythmusmonitoring – Antiarrhythmika nur bei eindeutiger Indikation, – elektrische Kardioversion, falls erforderlich. Optimierung der Atmung/Beatmung und Reduktion der Herzarbeit – Optimierung der Oxygenierung [Kontrollparameter: paO2, SaO2, SvO2 (SaO2-SvO2)] – erhöhte Atemarbeit durch Atemunterstützung reduzieren (v.a. bei eingeschränktem Herzzeitvolumen/-index), – Belastung des Herzens durch Überdruckbeatmung (»positive endexspiratory pressure«, PEEP), kontrollierte mechanische Beatmung (CMV), intermittierende kontrollierte Beatmung (IMV) und andere Beatmungsformen bedenken, – Anxiolyse, Analgesie, Fiebersenkung; cave: myokarddepressive Medikation: Anästhetika, Barbiturate, Meperiden, Kombination von Opioiden und Benzodiazepinen, N-Azetylzystein.b Immer wieder: Fokussuche/-elimination und Effektivität der Antibiotika überprüfen! Kausale Therapie, so weit möglich. 6
75 Literatur
a
Tierexperimentelle Befunde deuten darauf hin, dass bei Endotoxinämie der Pulmonalkapillardruck höher liegt als der linksatriale und linksventrikulärenddiastolische Druck. b Die Gabe von N-Azetylzystein bei Patienten mit septischem Schock führte 48 h nach Therapiebeginn zu einer Abnahme des arteriellen Mitteldrucks um 23 %, des Herzindexes um 18 % und des linksventrikulären Schlagarbeitsindex um 43 %. paO2 arterieller O2-Partialdruck, SaO2 arterielle O2Sättigung, SvO2 venöse O2-Sättigung.
8.
9.
9a.
Die Übersicht wurde aus [10] entnommen; s. dort auch weitere Erläuterungen und Literaturangaben.
10.
11.
Literatur 12. 1. Al Nawas B, Krammer I, Shah PM (1996) Procalcitonin in diagnosis of severe infections. Eur J Med Res 1: 331–333 2. Bardeleben RS, Schneider R, Hilkert M, Weilemann LS (1997) Perioperatives Infektmonitoring kardiochirurgischer Patienten mit Procalcitonin im Vergleich konventioneller Entzündungsmarker – erste Ergebnisse der Mainzer ESACS-Studie. Wien Klin Wochenschr 109 [Suppl 1]: 50–51 3. Coalition for Critical Care Excellence (1995) Standards of evidence for the safety and effectiveness of critical care monitoring devices and related interventions. Crit Care Med 23: 1756–1763 3a. Cohen J (2000) The detection and interpretation of endotoxaemia. Intensive Care Med 26: S51–S56 4. Connors AF, Speroff T, Dawson NV et al. for the SUPPORT Investigators (1996) The effectiveness of right heart catheterization in the initial care of critically ill patients. JAMA 276: 889–897 5. Dalen JE, Bone RC (1996) Is it time to pull the pulmonary artery catheter? JAMA 276: 916-918 6. Fiddian-Green RG, Haglund U, Gutierrez G, Shoemaker WC (1993) Goals for the resuscitation of shock. Crit Care Med 21: S25 7. Fraunberger P, Walli AK, Seidel D (1996) Stellenwert von Zytokinen in der Sepsisdiagnostik. Infusionsther Transfusionsmed 23 [Suppl 4]: 109–116 7a. Giamarellos-Bourboulis E, Mega A, Grecka P et al. (2002) Procalcitonin: a marker to clearly differentiate systemic inflammatory response syndrome and sepsis in the critically ill patient? Intensive Care Med 28: 1351–1356 7b. Harbarth S, Holeckova K, Froidevaux C et al., and the Geneva Sepsis Network (2001) Diagnostic value of procalcitonin, interleukin-6, and interleukin-8 in critically ill
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19. 20.
3
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Kapitel 3 · Sepsismarker, Sepsismonitoring, Verlaufsbeurteilung der Sepsis
21. Pulmonary Artery Catheter Consensus Conference Participants (1997) Pulmonary Artery Catheter Consensus Conference: Consensus Statement. Crit Care Med 25: 910– 925 21a. Reinhart K, Meisner M, Hartog C (2001) Diagnosis of sepsis: Novel and conventional parameters. Adv Sepsis 1: 42–51 21b. Reinke P, Döcke W-D, Kox W, Zuckermann H, Volk H-D (1999) Neue Entwicklungen in der Immundiagnostik intensivmedizinischer Patienten. Dtsch Med Wochenschr 124: 1527–1529 21c. Schröder J, Kahlke V, Book M, Stüber F (2000) Gender differences in sepsis: genetically determined? Shock 14: 307–311 22. Schuster HP, Schuster FP, Ritschel P, Wilts S, Bodmann KF (1997) The ability of the Simplified Acute Physiology Score (SAPS II) to predict outcome in coronary care patients. Intensive Care Med 23: 1056–1061 23. Stüber F, Petersen M, Bokelmann F, Schade U (1996) A genomic polymorphism within the tumor necrosis factor locus influences plasma tumor necrosis factor-α concentrations and outcome of patients with severe sepsis. Crit Care Med 24: 381–384 24. Vincent JL (1997) Dear SIRS, I’m sorry to say that I don’t like you … Crit Care Med 25: 372–274 25. Vincent J-L, Moreno R, Takala J et al. on behalf of the Working Group on Sepsis-Related Problems of the European Society of Intensive Care Medicine (1996) The SOFA (Sepsis-related Organ Failure Assessment) score to describe organ dysfunction/failure. Intensive Care Med 22: 707–710 26. Werdan K, Pilz G (1996) Einsatz von Immunglobulinen bei Sepsis – eine Bestandsaufnahme. Infusionsther Transfusionsmed 23 [Suppl 4]: 117–126 27. DeWerra I, Jaccard C, Betz Corradin S, Chioléro R, Yersin B, Gallati H, Assicot M, Bohuon C, Baumgartner J-D, Glauser MP, Heumann D (1997) Cytokines, nitrite/nitrate, soluble tumor necrosis factor receptors, and procalcitonin concentrations: Comparison in patients with septic shock, cardiogenic shock, and bacterial pneumonia. Crit Care Med 25: 607–613 28. Witthaut R, Werdan K (1996) Ergebnisforschung am Beispiel der Sepsis. Internist 37: 1249–1259 29. Zwissler B, Briegel J (1998) Right ventricular catheter. Curr Opinion Crit Care 4: 189–194
4 Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) K. Werdan, M. Buerke, C. Kuhn, Ursula Müller-Werdan, H.-P. Schuster
Konzept Frühphase
– 78 – 79
Herdsanierung
– 87
Antiinfektiöse Therapie
– 89
Supportive Therapie des MODS
– 101
Adäquate Ernährung, allgemeine Intensivtherapie und Intensivpflege – 120 Adjunktive Sepsistherapie: Unterbrechung des Toxin-/Mediator-Netzwerks durch Neutralisation, Antagonisierung und Elimination sowie durch antiinflammatorische und immunmodulatorische Maßnahmen – 121 Infektionsprophylaxemaßnahmen zur Verhinderung des Auftretens einer nosokomialen Sepsis – 122 Endlich: wir haben international akzeptierte Sepsis-Leitlinien! – 128 Literatur
– 128
78
1
Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
Konzept »Eckpfeiler« der Sepsistherapie
2 3 4 5 6 7 8 9
Das Gesamtkonzept der Sepsistherapie ruht auf 5 Säulen. 5 Säulen der Sepsistherapie 5 Herdsanierung 5 Antiinfektiöse Therapie 5 Supportive Therapie des Organdysfunktionssyndroms, initial insbesondere HerzKreislauf-Therapie 5 Adäquate Ernährung, allgemeine Intensivtherapie und Intensivpflege 5 Unterbrechung des Toxin-/Mediatornetzwerks durch Neutralisation, Antagonisierung und Elimination sowie durch antiinflammatorische und immunmodulatorische Maßnahmen (adjunktive Sepsistherapie)
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Zur Verhinderung des Auftretens einer Sepsis dienen Infektionsprophylaxemaßnahmen: 5 allgemeine Prophylaxe nosokomialer Infektionen, 5 Prophylaxe katheterassoziierter Infektionen, 5 Stressulkusprophylaxe, 5 Infektionsprophylaxe mit Immunglobulinen, 5 selektive Dekontamination des Verdauungstrakts (SDD), 5 »Single-shot«-Antibiotikaprophylaxe bei perkutaner endoskopischer Gastrotomie (PEG).
und Verarbeitung von Ergebnissen möglichst großer Sepsispatientenkollektive ergeben. Die Sichtung klinischer Studien im Sinne der Ergebnisforschung (»evidence-based-medicine«, »outcome research«) erbrachte entsprechende Therapievorschläge. Die aktuellsten Stellungnahmen finden sich in: Burchardi et al. 2000; Cohen 2002; Hotchkiss u. Karl 2003; International Sepsis Forum 2001; Joffe 2001; Kompetenznetz Sepsis SEP NET 2002; Kvetan et al. 1998; Sibbald u. Vincent 1995; Task Fore of the American College of Critical Care Medicine, Society of Critical Care Medicine 1999; Vincent et al. 2002; Dellinger et al. 2004 und im Anhang.
Klassifizierungssystem der evidenzbasierten Sepsistherapie Die aktuellen Empfehlungen internationaler Sepsisgesellschaften basieren v. a. auf dem Klassifizierungssystem des »Internationalen Sepsis-Forum« (International Sepsis Forum 2001; . Tabelle 4-1) – das auch von der »Deutschen Sepsis-Gesellschaft« befürwortet wird – und der ersten Asiatisch-Pazifischen Konsensuskonferenz (Kvetan et al. 1998). Diese Klassifizierung liegt den u. a. in . Tabelle 4-2 gegebenen evidenzbasierten Therapieempfehlungen zugrunde. Eigene Einschätzungen der Autoren dieses Kapitels sind mit »*« gekennzeichnet.
»Welche Sepsis« wollen Sie behandeln? Sepsis des Erwachsenen
Evidenzbasierte Therapie vor konsensbasierter Therapie Die Sepsistherapie wird noch überwiegend als eine »auf Konsens basierende Therapie« durchgeführt, welche auf der individuellen Erfahrung und auf der Konvention des einzelnen Arztes oder Zentrums mit der Sepsisbehandlung beruht. Ein effektives Vorgehen muss jedoch auch die »auf Evidenz basierende Therapie« mit einschließen und damit Informationen berücksichtigen, welche sich aus der einheitlichen und systematischen Erfassung
Offiziele Nomenklatur. Im Jahre 1992 hat eine internationale Konsensuskonferenz die Begriffe »Sepsis«, »schwere Sepsis«, »septischer Schock«, »SIRS« u. a. definiert (Members of the American College of Chest Physicians/Society of Critical Care Medicine Consensus Conference Committee 1992; 7 Kap. 1). Die Umsetzung dieser Definitionen in die intensivmedizinische Praxis blieb jedoch nicht ohne Kritik, sodass an einer ständigen Aktualisierung der Defnitionen und v. a. auch an einer Klassifizierung der Sepsis (PIRO: Prädisponierende Faktoren, Natur und Schwere der Infektion, Art und Schwere des Patienten-Response, Aus-
79 Frühphase
. Tabelle 4-1. Klassifizierung der evidenzbasierten Sepsistherapie. (In Anlehnung an: International Sepsis Forum 2001; Kvetan et al. 1998) Empfehlungsgrad A
Mindestens 2 Klasse-I-Studien
Empfehlungsgrad B
Eine Klasse-I-Studie
Empfehlungsgrad C
Nur Klasse-II-Studien
Empfehlungsgrad D
Wenigstens eine Klasse-III-Studie
Empfehlungsgrad E
Klasse IV- oder Klasse-V-Evidenz
Die Empfehlungsgrade basieren auf folgenden Evidenzgraden Evidenzgrad I
Große, randomisierte Studien mit eindeutigen Ergebnissen; geringes Risiko falsch-positiver (α-) oder falsch-negativer (β-)Fehler
Evidenzgrad II
Kleine, randomisierte Studien mit unsicheren Ergebnissen; mäßiges bis hohes Risiko eines falsch-positiven (α−) oder falsch-negativen (β-) Fehlers
Evidenzgrad III
Nichtrandomisierte Studien mit zeitgleichem Kontrollkollektiv
Evidenzgrad IV
Nichtrandomisierte historische Kontrollkollektive und Expertenmeinungen
Evidenzgrad V
Kasuistikstudien; nichtkontrollierte Studien und Expertenmeinungen
maß der begleitenden Organdysfunktion), entsprechend z. B. der TNM-Tumorklassifizierung, weiter gearbeitet wird (Levy et al. 2003). »Sepsisverständnis« in Deutschland. Im deutschsprachigen Raum werden derzeit mit dem Begriff »Sepsis« meist die internationalen Definitionen »schwere Sepsis« – mit Organdysfunktion – und »septischer Schock« verstanden (7 Kap. 1) und mit dem klassischen, hier vorgestellten »Sepsistherapiekonzept« verbunden. Eine Übersicht über die wichtigsten Behandlungskonzepte gibt . Tabelle 4-2.
4
Es lohnt sich! Sowohl die Akut- als auch die Lang-
zeitprognose des Sepsispatienten wird entscheidend vom sepsisverursachten MODS geprägt (7 Kap. 1). Kritisch Kranke mit MODS haben aufgrund einer Komorbidität häufig bereits vor Aufnahme auf die Intensvstation eine eingeschränkte Lebensqualität. Sechs Monate nach überstandenem MODS haben 83–90 % der Patienten jedoch wieder ihre vorbestehende Lebensqualität zurückerlangt, und 94 % leben zu Hause bei ihren Familien (Wehler et al. 2003). Erfreulicherweise werden die zerebralen Leistungen durch ein erlittenes MODS meist nicht gravierend in Mitleidenschaft gezogen (Wehler et al. 2003).
Sepsis des Kindes und des Neugeborenen Die aufgeführten Definitionen und Stadieneinteilungen sind für Erwachsene validiert worden, ebenso wie die meisten Therapiekonzepte. Erwartungsgemäß hat die Sepsistherapie bei Kindern (Anderson u. Blumer 1997) und bei Neugeborenen (7 Kap. 24) ihre Besonderheiten.
Frühphase Welcher Sepsispatient muss auf der Intensivstation behandelt werden? Diese Frage dürfte den einen oder anderen Leser erstaunen, wird doch scheinbar jeder Sepsispatient auf der Intensivstation behandelt. Allerdings verstehen wir im deutschsprachigen Bereich unter »Sepsis« einen Schweregrad dieser Erkrankung, welcher in den internationalen Konsensusempfehlungen (7 Kap. 1) bereits als »schwere Sepsis« eingestuft wird (s. oben). Aufgrund dieses unterschiedlichen Sepsisschweregradverständnisses erscheinen Empfehlungen zur Verlegung eines Sepsispatienten auf die Intensivstation (. Tabelle 4-3) durchaus sinnvoll.
Nicht unterschätzen: die Aufnahmeuntersuchung! Das klassische Bild der Sepsis ist nahezu unverkennbar (7 Kap. 1)! Dennoch sind in jedem Fall
80
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
. Tabelle 4-2. Auszüge aus den evidenzbasierten Empfehlungen zur Sepsistherapie der intensivmedizinischen Gesellschaften. (Zusammenstellung nach: Burchardi et al. 2000; International Sepsis Forum 2001; Kvetan et al. 1998; Sibbald u. Vincent 1995; Task Force of the American College of Critical Care Medicine, Society of Critical Care Medicine 1999; Vincent et al. 2002). Siehe auch 7 Anhang und (Dellinger et al. 2004) Allgemeine Behandlungskonzepte 5 Höchste Priorität: Herdsanierung und antiinfektiöse Maßnahmen 5 Supportiv: ausreichende Gewebeoxygenierung mittels Flüssigkeitssubstitution und vasoaktiver Pharmaka und ggf. dem inotrop wirksamen Dobutamin 5 Adäquate Ernährung 5 Strategien zur Modifikation exzessiver Mediatorbildung Herdsanierung (s. auch 7 Abschnitt »Herdsanierung«) Antiinfektiöse Therapie (s. auch 7 Abschnitt »Antiinfektiöse Therapie« und 7 Kap. 7) 5 Keimgezielt, optimal dosiert, Berücksichtigung des geographischen Resistenzmusters 5 Adäquate Antibiotikatherapie bessert die Prognose von Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock – Empfehlungsgrad D im Fall einer gramnegativen Bakteriämie – Empfehlungsgrad E im Fall einer grampositiven Bakteriämie – Empfehlungsgrad D im Fall einer Candidämie 5 Relevanz der antibiotikainduzierten Zytokin- und Endotoxinfreisetzung nicht ausreichend untersucht (Empfehlungsgrade D–Ea) Volumentherapie bei sepsisinduzierter Hypotension (s. auch 7 Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« und 7 Kap. 11) 5 Sofortige und adäquate Volumensubstitution (bevorzugt: Kristalloide, jeweils 250–1000 ml in 5–15 min; Empfehlungsgrad Ea; Dellinger 2003) 5 Zielkriterien der Volumentherapie: – Stabilisieren Sie Blutdruck, Herzfrequenz und Diurese! – Das Monitoring der Volumentherapie können Sie sowohl mittels zentralem Venendruck (ZVD) als auch mit dem Pulmonalarterienkatheter (PAK) durchführen (Empfehlungsgrad E*; Dellinger 2003). Es ist nicht gesichert, ob eine durch PAK gesteuerte Therapie die Prognose des septischen Schocks verbessern kann (Empfehlungsgrad D). Falls ein PAK-Monitoring vorhanden ist, so sollten Sie diejenigen – meist relativ hohen – kardialen Füllungsdrücke einstellen, welche zum maximal erzielbaren Herzzeitvolumen führen! – Setzen Sie die Volumengabe solange fort, bis → diskrete Zeichen einer intravasalen Volumenüberladung (basale Lungenrasselgeräusche oder Zunahme der pulsoxymetrischen O2-Sättigung) auftreten → ein ZVD von 8–14 mmHg erreicht ist → ein Pulmonalkapillardruck (»pulmonary capillary wedge pressure«, PCWP) von 14–18 mmHg erreicht ist → ein systolischer Blutdruck (SBP) von ≥90 mmHg erreicht ist → oder ein mittlerer arterieller Blutdruck (MAP) von ≥60–65 mmHg erzielt ist Erreichen Sie die Zielkriterien – SBP von ≥90 mmHg oder MAP von ≥60–65 mmHg – so sollten Sie in regelmäßigen Abständen bis zur Überwindung der Sepsis eine hämodynamische Reevaluierung vornehmen. Erreichen Sie die Zielkriterien nicht, so sollten Sie die Gabe von aktiviertem Protein C (7 Kap. 21, 22) und von Hydrokortison (7 Kap. 17) in Betracht ziehen (Empfehlungsgrad E; Dellinger 2003) sowie eine Differenzialtherapie mit Vasopressoren und dem inotrop wirksamen Dobutamin (s. unten) in Erwägung ziehen (Empfehlungsgrad Ea; Dellinger 2003). – Bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock in der Notaufnahme sind Hämodynamikkorridore (»early goal directed therapy«, EGDT) als Zielkriterien validiert (Empfehlungsgrad Ba, b): Σ [ZVD 8–12 mmHg + MAP (≥60 mmHg und ≤90 mmHg) + ScvO2 ≥70%] (. Tabelle 4-6 und 7 Abschnitt »Adjuvante Therapie des MODS« sowie 7 Kap. 11; Rivers et al. 2001). 5 Volumenersatz mit kolloidalen oder kristalloiden Lösungen: – Es ist nicht geklärt, ob kolloidale oder kristalloide Lösungen prognostisch günstiger sind (Empfehlungsgrad C). – Vermeiden Sie ein Absinken des kolloidosmotischen Drucks (Empfehlungsgrad C)! 5 Es ist nicht geklärt, ob auf den Einsatz von Albumin bei septischem Schock verzichtet werden sollte: Empfehlungsgrad C. Bevorzugen Sie wegen der niedrigeren Kosten die im Vergleich zu Albumin äquieffektiven Plasmaersatzlösungen; ein individuelles Vorgehen ist angeraten.
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. Tabelle 4-2. (Fortsetzung) Erythrozytentransfusion (s. auch 7 Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« und 7 Kap. 11 sowie 7 Anhang) 5 Differenzieren Sie in der Notaufnahme zwischen Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock: – Lassen Sie bei Patienten mit schwerer Sepsis den Hämoglobinspiegel nicht unter 7 g/dl sinken (Empfehlungsgrad E, 7 Anhang). – Bei Patienten mit septischem Schock kann kein minimal akzeptabler Hämoglobinspiegel angegeben werden (Empfehlungsgrad E); die meisten Experten empfehlen allerdings einen Wert von 9–10 g/dl. – Geben Sie bei Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock in der Notaufnahme dann Erythrozytentransfusionen, wenn nach ZVD- und MAP-Einstellung mit Volumen und Vasopressoren (s. oben) ein ScvO2 von ≤70% persistiert (Empfehlungsgrad Ba; Rivers et al. 2001; s. auch . Tabelle 4-6 sowie Abschnitt »Adjuvante Therapie des MODS« und 7 Kap. 11). – Die Gabe von rekombinantem Erythropoetin reduziert bei kritisch Kranken die Transfusionspflichtigkeit, nicht jedoch klinisch relevante Endpunkte, wie das Überleben (Empfehlungsgrad Aa; Anonymus 2003). Den Einsatz bei Sepsis unterstützende Studiendaten liegen nicht vor. Therapie mit vasoaktiven und inotropen Pharmaka (s. auch 7 Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« und 7 Kap. 11) 5 Setzen Sie vasopressorische und inotrope Pharmaka erst ein, falls die alleinige Volumensubstitution keinen ausreichenden Perfusionsdruck erbringt (Zielkriterien der Volumentherapie: s. oben). 5 Der Einsatz adrenerg wirksamer Substanzen scheint die Prognose der Patienten mit septischem Schock zu verbessern (Empfehlungsgrad E). 5 Beim Einsatz adrenerger Substanzen sollten Sie zusätzlich inotrop wirksame Substanzen den reinen Vasopressoren vorziehen. – Zur Behandlung der Hypotension werden in den internationalen Empfehlungen Noradrenalin und Dopamin als gleichwertige Substanzen der ersten Wahl angesehen (Empfehlungsgrad E); das deutsche Expertenforum (Burchardi et al. 2000) spricht sich dagegen eindeutig für Noradrenalin aus. – Als Inotropikum der ersten Wahl gilt Dobutamin (Empfehlungsgrad D). – Ob bei der Behandlung des septischen Schocks die Kombinationstherapie mit Noradrenalin und Dobutamin der Monotherapie mit Dopamin überlegen ist, wird von den internationalen Empfehlungen als unsicher eingestuft (Empfehlungsgrad C). – Nach den internationalen Empfehlungen sollte Adrenalin nicht bevorzugt werden (Empfehlungsgrad C); das deutsche Expertenforum (Burchardi et al. 2000) sieht Adrenalin bei septischem Schock als Mittel der letzten Wahl. – Eine routinemäßige niedrigdosierte Dopamingabe (»Nierendosis«) ist nicht zu empfehlen (Empfehlungsgrad D). 5 Phosphodiesterasehemmer sind keine Pharmaka der ersten Wahl (Empfehlungsgrad C). 5 Ihre Therapie mit vasopressorischen und inotropen Pharmaka kann sich an mehreren Algorithmen orientieren (Burchardi et al. 2000; Dellinger 2003; Rivers et al. 2001; s. auch 7 Abschnitt »Adjuvante Therapie des MODS« und 7 Kap. 11) Systemisches Sauerstoffangebot (s. auch 7 Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« und 7 Kap. 11) 5 Ein hyperzirkulatorisches Hämodynamikmuster korreliert bei Intensivpatienten mit septischem Schock mit einer günstigen Prognose (Empfehlungsgrad C). Demzufolge wird den Sauerstoffindizes (Sauerstoffangebot, Sauerstoffverbrauch), dem Serumlaktatwert und der Magenmukosatonometrie prognostische Bedeutung zugeschrieben. 5 Bei Fehlen einer Gewebesauerstoffschuld scheint bei kritisch kranken Intensivpatienten ein supranormales systemisches Sauerstoffangebot (Herzindex von >4,5 l/min/m2; Sauerstoffangebot von >600 ml/min/m2; Sauerstoffverbrauch von >170 ml/min/m2) die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht zu verbessern, v. a. wenn diese Zielkriterien mit zum Teil sehr hohen Katecholamindosen erzwungen werden (Empfehlungsgrad Aa). Demzufolge sollte das »Konzept der supranormalen Sauerstoffversorgung« bei Patienten mit septischem Schock nicht routinemäßig angewendet werden. 5 Die frühe zielgerichtete Herz-Kreislauf-Therapie (»early goal directed therapy«, EGDT) in der Notaufnahme bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock führt zu einer geringeren Letalität als die Standardtherapie auf der Intensivstation (Rivers et al. 2001; Vincent et al. 2002; siehe 7 Abschnitt »Adjuvante Therapie des MODS« und 7 Kap. 11). Dieses EGDT-Konzept – mit einer Limitierung der Dobutaminkonzentration auf 20 µg/kgKG/min – fußt auf der Bereitstellung eines ausreichenden Sauerstoffangebots, welches zu einer zentralvenösen Sättigung von mindestens 70% führt (Empfehlungsgrad Ba, b).
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
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. Tabelle 4-2. (Fortsetzung)
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Einsatz von aktiviertem Protein C (Drotrecogin alfa, aktiviert) (s. auch 7 Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« und 7 Kap. 18–22)
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5 Erwägen Sie den Einsatz von aktiviertem Protein C (Drotrecogin alfa, aktiviert; Xigris; s. auch 7 Abschnitt »Adjuvante Therapie des MODS« und 7 Kap. 18–22) bei allen erwachsenen Patienten in der Frühphase einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks und einer ungünstigen Prognose (Emfehlungsgrad Ba, b; Bernard et al. 2001; Vincent et al. 2002).
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Einsatz von Kortikosteroiden in moderater Dosierung (s. auch 7 Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« und 7 Kap. 17) 5 Erwägen Sie den Einsatz von Hydrocortison (200–300 mg/Tag) in Kombination mit Fludrocortison (50 µg/Tag) bei Patienten mit refraktärem septischem Schock (s. auch 7 Abschnitt »Adjuvante Therapie des MODS« und 7 Kap. 17), insbesondere bei Patienten mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz (Empfehlungsgrad Ba, b; Annane et al. 2002; Vincent et al. 2002). 5 Führen Sie vor Therapiebeginn einen ACTH-Test durch (Vincent et al. 2002) (s. aber 7 Anhang). Ernährung bei Sepsispatienten und zur Sepsisprophylaxe (s. auch 7 Abschnitt »Adäquate Ernährung, allgemeine Intensivtherapie und Intensivpflege« und 7 Kap. 15) 5 Die Einleitung einer Ernährungsbehandlung verbessert die Prognose des Sepsispatienten (Empfehlungsgrad E). 5 Die enterale Ernährung wird generell bei katabolen kritisch Kranken und damit auch bei septischen Patienten bevorzugt (Empfehlungsgrad C). 5 Diejenigen Patienten, die für einen prolongierten Zeitraum keine enterale Ernährung tolerieren oder bei denen Kontraindikationen (Mesenterialischämie, mechanischer Ileus) gegen diese Form der Nahrungszufuhr vorliegen, sollten parenteral ernährt werden (Emfehlungsgrad E). 5 Immunstimulierende Diäten könnten bei kritisch Kranken günstiger sein als enterale Standarddiäten; allerdings ist der Wirksamkeitsnachweis hinsichtlich einer Letalitätssenkung noch nicht erbracht (Empfehlungsgrad B). 5 Besonders bei chirurgischen Intensivpatienten sollte der Blutzuckerwert auf normoglykämische Werte von 80–110 mg/dl (4,4–6,1 mmol/l) mit Insulininfusionen (maximal 50 IU/h) eingestellt werden, um das Auftreten septischer Komplikationen und die sepsisbedingte Letalität zu senken (Empfehlungsgrad Ba, b; Van den Berghe et al. 2001; Vincent et al. 2002; siehe auch 7 Abschnitt »Infektionsprophylaxemaßnahmen zur Verhinderung des Auftretens einer nosokomialen Sepsis« und 7 Kap. 15 sowie 7 Anhang). Therapien zur Modifikation exzessiver Mediatorbildung (s. auch 7 Abschnitt »Adjunktive Sepsistherapie« und 7 Kap. 10) 5 Nicht zu empfehlen ist der Einsatz von: – Antiendotoxintherapien (Empfehlungsgrad A) – hochdosierten Steroiden (Empfehlungsgrad A; siehe aber oben unter » Einsatz von Kortikosteroiden in moderater Dosierung«) – Anti-TNF-α-Antikörpern und löslichen Anti-TNF-Rezeptoren im Sepsisgesamtkollektiv (Empfehlungsgrad Aa) – Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (Empfehlungsgrad Aa) – PAF-Antagonisten (Empfehlungsgrad Aa) – Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktoren (Emfehlungsgrad C) – Ibuprofen (Empfehlungsgrad B) – Pentoxifyllin (Erwachsene: Empfehlungsgrad B; Kinder: Empfehlungsgrad C) – N-Acetylcystein (Empfehlungsgrad C) – Selen (Empfehlungsgrad C) – Vitamin C und E – Antithrombin (Empfehlungsgrad B) – Interferon (Empfehlungsgrad C) – Wachstumshormon (Empfehlungsgrad A) 5 Immunglobuline [Immunglobulin-G-Präparate (ivIgG), Immunglobulin-GMA-Präparat (ivIgGMA)]: heterogene Datenlage (ausführliche Diskussion: 7 Kap. 11) – Internationales Sepsis-Forum (2001, S93–S103): Empfehlung, i.v.-Immunglobuline bei schwerer Sepsis nicht einzusetzen, weder bei Erwachsenen (Empfehlungsgrad C) noch bei Neugeborenen (Empfehlungsgrad C)
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. Tabelle 4-2. (Fortsetzung) – Cochrane-Metaanalyse (Alejandria et al. 2001 u. 2004): i.v.-Immunglobuline (ivIg), ivIgG- und ivIgGMA-Präparate bei Sepsis und septischem Schock: → Gesamtanalyse: RR=0,64; 95%-CI: 0,51–0,80; n=492; 11 Studien → nur ivIgGMA-Präparate: RR=0,48; 95%-CI: 0,30–0,76 → nur ivIgG-Präparate: RR=0,73; 95%-CI: 0,57–0,89 → Behandlung erwachsener Sepsispatienten: RR=0,62; 95%-CI: 0,49–0,79 → Behandlung neugeborener Sepsispatienten: RR=0,70; 95%CI: 0,42–1,18 – SBITS-Studie (7 Kap. 9.): keine Letalitätssenkung durch ivIgG bei Sepsispatienten mit sepsisbedingtem MODS (Sepsisscore nach Elebute u. Stoner von 12–27 und einem APACHE-II-Score von 20–35; Empfehlungsgrad Ba, b) Prophylaxemaßnahmen bei Sepsispatienten 5 Thromboseprophylaxe verbessert die Prognose des Sepsispatienten (Emfehlungsgrad A) 5 Stressulkusprophylaxe verbessert die Prognose des Sepsispatienten – bei Patienten mit prolongierter mechanischer Beatmung, Hypotension und Koagulopathie (Empfehlungsgrad A) – bei allen anderen Sepsispatienten (Empfehlungsgrad C) a
Eigene Einschätzungen; b spezifische Sepsiseinschlusskriterien beachten (s. entsprechende Kapitelverweise und Originalzitate). ZVD zentraler Venendruck; MAP mittlerer arterieller Blutdruck; ScvO2 zentralvenöse Sauerstoffsättigung; RR relatives Risiko [die durch die Studientherapie erzielte Letalitätssenkung ergibt sich nach: (1–RR)×100 in %]; 95%-CI 95%-Konfidenzintervall (ein Effekt gilt als statistisch abgesichert, wenn das CI einen Wert von 1 nicht überschreitet).
. Tabelle 4-3. Initialbehandlung des Patienten mit Sepsis-Indikationen zur Verlegung auf die Intensivstation. (Nach Kvetan et al.1998) 5 5 5 5
Notwendigkeit zur Intubation und der maschinellen Beatmung Fehlendes Ansprechen auf die initiale Volumen- und medikamentöse Therapie Notwendigkeit der Durchführung eines großen operativen Eingriffs oder einer weiteren Untersuchung Imminentes oder manifestes akutes Nierenversagen
bei der Neuaufnahme eines Patienten mit Sepsisverdacht eine systematische Anamnese, eine Aufnahmeuntersuchung und die Einleitung technischer Untersuchungen zur Sepsisdiagnostik, -klassifizierung und -schweregradeinschätzung äußerst wichtig (. Tabelle 4-4). Obwohl im klinischen Alltag wenig (zu wenig?) praktiziert, helfen Schweregradeinschätzungen von Sepsis, septischer Herz-Kreislauf-Schädigung (s. auch 7 Kap. 11) und septischem MODS, die Gefährdung des Patienten besser zu beurteilen, reicht doch die Letalität der Sepsis von <5 % im Fall der Urosepsis bis zu 60–80 % beim septischem Schock (s. auch 7 Kap. 3)! Der Schwergrad der Sepsis lässt sich mit dem Sepsisscore nach Elebute und Stoner ermitteln (Sepsis-»Cut-off«: ≥12 Punkte). Die Messung des Herzzeitvolumens und die Berechnung des syste-
mischen Gefäßwiderstands (»systemic vascular resistance«, SVR) erlauben die Schweregradabschätzung von septischer Vaskulopathie (SVR-Normwert: 1100 ± 200 dyn × s × cm–5; septischer Schock: SVR um 400 und darunter) und septischer Kardiomyopathie (SVR-bezogene Einschränkung von Herzindex und linksventrikulärem Schlagarbeitsindex). Insgesamt 50 % aller Sepsistodesfälle sind Folge der septischen Vaskuopathie und der septsichen Kardiomyoapthie (s. auch 7 Kap. 11). Das Ausmaß des septischen MODS lässt sich mit dem APACHE-II-Score, dem SAPS-Score und dem SOFA-Score abschätzen. Obwohl kontrovers diskutiert, bewähren sich nach unserer Erfahrung diese Parameter auch als serielles Monitoring in der Beurteilung von Sepsisverlauf und Ansprechen auf die Sepsistherapie (7 Kap. 3).
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
. Tabelle 4-4. Initialbehandlung des Patienten mit Sepsis auf der Intensivstation – Aufnahmeuntersuchung. (In Anlehnung an eine Konsensuskonferenz für den septischen Schock (Kvetan et al. 1998) und *eigene Empfehlungen) 5 Klinische Einschätzung – Atemwege – Atmung – Kreislauf 5 Anamnese und körperliche Untersuchung 5 Röntgenuntersuchung des Thorax 5 EKG, *bei Verdacht auf Herzerkrankung: transthorakales/transösophageales Echokardiogramm (Endokarditis?) 5 Blutbild, einschließlich Thrombozytenzahl und Differenzialblutbild; Prothrombinzeit; Laborchemie, inklusive *Troponin, ggf. *Prokalzitonin 5 Arterielle Blutgasanalyse 5 Blutkulturen sowie Kulturen aller potenziellen Infektionsquellen; Ausstrichfärbungen potenzieller Infektionsquellen (z. B. Sputum, Urin, Liquor) werden empfohlen 5 Chirurgisches Konsil, falls eine potenzielle Infektionsquelle eine chirurgische Sanierung erforderlich machen könnte 5 Bildgebende Verfahren zur Untersuchung des Abdomens (wünschenswert) 5 *Bestimmung von Herzzeitvolumen, systemischem Gefäßwiderstand, Scores [APACHE-II-Score bzw. SAPS-Score, Sepsisscore nach Elebute u. Stoner, SOFA-Score (weitere Erläuterungen: 7 Kap. 3 und 11)]
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Behandlung frühestmöglich beginnen und Therapieerfolg kontinuierlich überwachen! Das Primärziel der Initialbehandlung muss darin bestehen, unter kontinuierlicher Überwachung des Patienten (. Tabelle 4-5) möglichst rasch Infektionsfokusse zu eliminieren (s. unten), eine testgerechte oder kalkulierte antiinfektiöse Behandlung einzuleiten (s. unten und 7 Kap. 7) und die lebensbedrohliche Hypotonie und Hypoperfusion lebenswichtiger Organe zu beseitigen (s. unten und 7 Kap. 11). Dies wurde erst kürzlich in einer Studie mit Beginn der invasiv-hämodynamisch gesteuerten Herz-Kreislauf-Therapie bereits in der Notaufnahme als Letalitätssenkung eindrucksvoll belegt (Rivers et al. 2001; s. unten und 7 Kap. 11). Symptomatische und kausale Therapiemaßnahmen müssen dabei notgedrungen parallel ablaufen und situationsangepasst modifiziert werden. Die Herz-Kreislauf-Therapie orientiert sich dabei an Zielkriterien des hämodynamischen Basis- bzw. erweiterten Monitoring (. Tabelle 4-6). Das erweiterte hämodynamische Monitoring mit dem Pulmonalarterienkatheter (PAK) ist trotz aller kontroversen Diskussionen um seine Wertigkeit (Connors et al. 1996; Pulmonary Artery Catheter Consensus Conference Participants 1997;
s. auch 7 Kap. 11) bei allen denjenigen Patienten angezeigt, bei denen durch eine initiale intensive Volumen- und niedrigdosierte Katecholaminbehandlung kein ausreichendes Ansprechen auf die Therapie erzielt werden kann (Pulmonary Artery Catheter Consensus Conference Participants 1997). Der Stellenwert alternativer Monitoringverfahren ist bisher weder ausreichend untersucht noch validiert. Zu diesen Verfahren zählen COLD und PICCO zur Bestimmung von Herzzeitvolumen, intrathorakalem Blutvolumen und extravaskulärem Lungenwasser, das Echokardiographiemonitoring zur Messung von enddiastolischen und endsystolischen Flächen und Volumina, Schlagvolumen und Auswurffraktion sowie die Magenmukosatonometrie (. Tabelle 4-6; Burchardi et al. 2000).
Der Sepsispatient in der Notaufnahme – erfordert er ein eigenständiges Behandlungskonzept? Die frühe, zielgerichtete Herz-Kreislauf-Therapie zur initialen Behandlung (die ersten 6 h) von Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock in der Notaufnahme orientiert sich am zentralen Venendruck, am mittleren arteriellen Druck, am
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. Tabelle 4-5. Initialbehandlung des Patienten mit Sepsis auf der Intensivstation – allgemeine Maßnahmen. [In Anlehnung an eine Konsensuskonferenz für den septischen Schock (Kvetan et al. 1998) und *eigene Empfehlungen] 5 Soweit möglich: Behandlung der möglichen Ursachen von Sepsis und septischem Schock durch chirurgische Drainagen, Entfernen infizierter Katheter, Beseitigung anderer Infektionsfokusse 5 Geeignete Antibiotikatherapie 5 Kontinuierliche Alarmüberwachung von EKG, Oxygenierung (Pulsoxymetrie) und Atmung/Beatmung (Empfehlungsgrad E) 5 Falls verfügbar: intravasale Druckregistrierung 5 Häufige körperliche Untersuchungen stellen einen essenziellen Teil der Betreuung dar, und zwar bis zur Stabilisierung des Patienten 5 Wenigstens stündlich: Messung und Registrierung der Vitalzeichen (eingeschlossen: Herzfrequenz, Herzrhythmus, systemischer Blutdruck) und der Diurese, und zwar bis zur Stabilisierung des Patienten 5 Wenigstens 2-stündlich: Messung und Registrierung von zentralem Venendruck und Flüssigkeitsbilanz (Zufuhr und Ausfuhr) 5 Wenigstens 4-stündlich: Messung und Registrierung der Körpertemperatur 5 Messintervall abhängig vom individuellen Krankheitsverlauf – Arterielle Blutgasanalyse – Blutglukose, Elektrolyte, Harnstoff-Stickstoff (Kreatinin), Hämoglobin, Gerinnung – Körpergewicht 5 Laktatspiegel im Plasma: guter Verlaufsparameter 5 *Verlaufskontrollen: Hämodynamik (Herzzeitvolumen, systemischer Gefäßwiderstand) und Scoring entsprechend . Tabelle 4-4, z. B. täglich 5 Prophylaxemaßnahmen – Zur Verhinderung tiefer Venenthrombosen – Zur Verhinderung von Stressulzera 5 Maßnahmen zur Infektionskontrolle (Patient → Personal, Personal → Patient, Patient → Patient) – Adäquate Händedesinfektion – Asepsis bei Insertion und Wartung von intravaskulären, Blasen- und anderen Kathetern – Aseptische Vorsichtsmaßnahmen bei Trachealabsaugung
Hämatokritwert und – als eigentlichem Zielkriterium – an der zentralvenösen Sauerstoffsättigung (ScvO2) von ≥70 % (Rivers et al. 2001). Ob dieses in der »Frühestsepsisphase in der Notaufnahme« erfolgreiche hämodynamische Monitoring- und Behandlungskonzept ohne weiteres auf die klassische Sepsisphase der Intensivstation übertragen werden kann, bleibt abzuwarten. Zumindest ist das klinische Bild der beiden Sepsispatienten unterschiedlich: Der Patient mit früher Sepsis und septischem Schock in der Notaufnahme ist hypovolämisch (niedriger Zentralve-
nendruck), die Gefäßschädigung noch nicht stark ausgeprägt (Blutdruck normal bis erhöht) und die Herzleistung niedrig (Herzindex und ScvO2 erniedrigt). Der anbehandelte Sepsispatient auf der Intensivstation ist dagegen normovolämisch, und er hat einen erhöhen Herzindex mit hoher ScvO2 (Donnino et al. 2002). Ein »mortality in emergency department sepsis (MEDS) score« (Shapiro et al. 2003) ermöglicht die Abschätzung des Gefährdungsgrades der auf die Notaufnahme mit Fieber aufgenommenen Patienten.
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
. Tabelle 4-6. Sepsistherapie – hämodynamische Zielkriterien. (Aus Burchardi et al. 2000) Therapeutische Strategie
Therapiezielkriterien »Basismonitoring«
»Erweitertes Monitoring«
Rasche Beseitigung von Hypotonie und Hypoxie durch Volumensubstitution: »Optimierung der myokardialen Vorlast«
MAP >70 mmHg1 SBP >100 mmHg ZVD >10 mmHg2 HF3 Spontandiurese >0,5 ml/kgKG/h4 ScvO25 Organmonitoring6
HI9 SVR10 PCWP11 ITBV 950±100 ml/m2KOF12 EVLW <12 ml/kgKG12 EDV, ESV, SV13 reg. CO2 (rCO2)
MAP >70 mmHg7 SBP >100 mmHg7 ScvO28
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Bei unzureichendem Erfolg der Volumentherapie: Verbesserung der myokardialen Funktion und Wiederherstellung des peripheren Gefäßtonus
»Herzschock«* HI ↓(z. B.<4,0) SVR >800 Kontraktilität ↓ ⇓ Dobutamin14
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Weitere Verbesserung des O2-Angebots
Organmonitoring16
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»Kreislaufschock«* HI>4,0 SVR ↓ <400 Kontraktilität ↔ ⇓ Noradrenalin15
MAP mittlerer arterieller Blutdruck; SBP systolischer arterieller Blutdruck; reg. CO2 (rCO2) regionale Magentonometrie zur CO2-Bestimmung; ZVD zentraler Venendruck; HF Herzfrequenz; ScvO2 zentralvenöse Sauerstoffsättigung; HI Herzindex; HZV Herzzeitvolumen; SVR »systemic vascular resistance« (systemischer Gefäßwiderstand); PCWP »pulmonary capillary wedge pressure« (Pulmonalkapillardruck); ITBV intrathorakales Blutvolumen; EVLW extravaskuläres Lungenwasser; EDV echokardiographisch bestimmtes enddiastolisches linksventrikuläres Volumen; ESV echokardiographisch bestimmtes endsystolisches linksventrikuläres Volumen; SV echokardiographisch bestimmtes Schlagvolumen des linken Ventrikels. * Einschätzung der Autoren. 1 Immer anhand von Kriterien der Organperfusion (Diurese, Laktat, reg. CO ) überprüfen, ob evtl. ein höherer Perfusionsdruck erford2 erlich ist. 2 Ein ZVD von <10 mmHg ist ein sicheres Zeichen für einen Volumenmangel (eine korrekte Kalibrierung vorausgesetzt). 3 Ein Rückgang der Tachykardie nach Volumengabe spricht für Volumenmangel als Ursache. 4 Entscheidend ist das Wiedereinsetzen der Diurese! Alternativvorschlag: 0,7 ml/kgKG/h (Tuchschmidt et al. 1992). 5 Eine S O von <60% spricht für ein niedriges HZV. Ein Anstieg der S O nach Volumengabe (vorausgesetzt, andere, den O -Verbrauch cv 2 cv 2 2 beeinflussende Faktoren – Sedierung, Temperatur usw. – sind stabil) spricht für Volumenmangel als Ursache. 6 Grundsätzlich wird die Volumentherapie an Parametern der regionalen Perfusion ausgerichtet. Ein Sinken des Serumlaktatwertes, eine Verbesserung der Diurese und/oder des rCO2 ist Ausdruck einer verbesserten Organperfusion/-funktion. 7 Bei niedrigem Blutdruck trotz adäquatem Volumenstatus: Noradrenalin bzw. Dobutamin als Katecholamine der ersten Wahl. Keinesfalls sollte »aus Angst« vor potenziellen Nebenwirkungen der Vasopressoren (Noradrenalin, nicht Dobutamin) auf einen adäquaten Organperfusionsdruck verzichtet werden. 8 Eine S O von <60% spricht für ein erniedrigtes HZV: Versuch einer Erhöhung des HZV mittels Dobutamin unter Beachtung der HF. cv 2 9 Zielkriterium der initialen Volumentherapie: Maximierung des HI. Definitive Vorgabe für anzustrebenden HI fehlt. Bei einer evtl. nachfolgenden Katecholamintherapie ist eine Maximierung des HI nicht sinnvoll. Zielkriterium ist ein Verbesserung der Organperfusion (Diurese, Laktat, reg. CO2). 10 Die Berechnung des systemischen Gefäßwiderstands (»systemic vascular resistance«, SVR [dyn×s×cm–5]: (mittlerer Blutdruck – ZVD) [mmHg] : Herzzeitvolumen [l/min]×80)] ermöglicht eine Abschätzung der sepsisbedingten Kreislaufschädigung; Normalbereich des SVR: 1100±200; SVR bei schwerer Sepsis und septischem Schock: <600. 11 Bei Patienten, die mit einer adäquaten Volumentherapie und einer niedrig dosierten Katecholamintherapie allein nicht zu stabilisieren sind, könnte der Einsatz eines Pulmonalarterienkatheters nützlich sein (Empfehlungsgrad D). Ein PCWP von <10 mmHg ist ein sicheres Zeichen für einen Volumenmangel, aber ein oberer Zielwert kann nicht angegeben werden. Insgesamt ist die Aussagekraft des PCWP zur Einschätzung der myokardialen Vorlast durch folgende Faktoren eingeschränkt: intrathorakaler Druck, intraabdomineller Druck, myokardiale Compliance, Mitralstenose. 12 Das ITBV erscheint zur Abschätzung der myokardialen Vorlast aufgrund der direkten Messung von Volumina geeigneter/*hilfreich. Des Weiteren wird durch die Messung des EVLW ein pulmonales Ödem rechtzeitig erkannt. 13 Das echokardiographisch ermittelte linksventrikuläre enddiastolische und endsystolische Volumen, das Schlagvolumen sowie die endsystolische linksventrikuläre Durchmesserverkürzung bzw. die linksventrikuläre Auswurffraktion erlauben eine quantitative Abschätzung der kardialen Vorlast, der Kontraktilität und der linksventrkulären globalen und regionalen (Zustand nach Herzinfarkt) Pumpfunktion. Darüber hinaus kann die Ventrikelaktion echokardiographisch visuell beobachtet und so eine (relative) Hypovolämie rasch erkannt und beseitigt werden. 14 Bei ausgeprägter Einschränkung der kardialen Pumpfunktion empfiehlt sich Dobutamin. 15 Bei ausgeprägter Vasodilatation empfiehlt sich Noradrenalin. 16 Bei normalisiertem HI und adäquatem MAP orientiert sich eine weitere Steigerung des HI an Parametern der Organfunktionen.
87 Herdsanierung
Herdsanierung Ziele Die Herdsanierung ist die entscheidende kausale Therapie einer Sepsis (International Sepsis Forum 2001, S. 49–62). Praxistipp
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Denken Sie auch immer an nicht unmittelbar apparente, aber sanierbare Sepsisursachen, wie nosokomiale Infektionen, akalkulöse Cholezystitis (siehe unten) und Sinusitis (s. unten)!
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Ziel ist zuerst die Elimination oder zumindest die Eingrenzung des infektiösen oder traumatisch-toxischen Herdes als Quelle der Sepsis. Hierzu dienen chirurgische Verfahren, wie Exzisionen und Drainagen, frühzeitige Laparotomie und Relaparotomien, offene Bauchbehandlung bei abdomineller Sepsis, die Spülbehandlungsverfahren bei Peritonitis sowie das Entfernen infizierter Katheter und die Nekrosektomien (International Sepsis Forum, S. 49–62). Die Wirksamkeit einer frühzeitigen Osteosynthese bei Polytraumata in Bezug auf das Auftreten von Multiorganversagen und ARDS ist durch retrospektive und prospektive Behandlungsstudien belegt (Bone et al. 1989; Burchardi et al. 2000; Goris et al. 1982; Johnson et al. 1985).
Einige evidenzbasierte Empfehlungen Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen einige wichtige Empfehlungen genannt werden (International Sepsis Forum, S. 49–62): 5 Bei nekrotisierenden Weichteilinfektionen ist die rasche Durchführung chirurgischer Maßnahmen (Débridement) unmittelbar nach hämodynamischer Stabilisierung prognostisch günstig (Empfehlungsgrad E). 5 Das Bild der akuten Pankreatitis ist sehr variabel und prognostisch nur schwer faßbar (Liu et al. 2003). Bei infizierten Pankreasnekrosen verbessern frühe chirurgische Maßnahmen nicht die Prognose (Empfehlungsgrad C). 5 Bei der Aufklärung infizierter intraabdomina-
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ler Fokusse sind Ultraschall (korrekte Diagnose zu 75–96 %) und Computertomographie (korrekte Diagnose zu 71–100 %) gleichwertige Verfahren (Empfehlungsgrad E). Bei intraabdominalen Abszessen ist die perkutane Drainage vergleichbar wirksam wie die chirurgische Intervention (Empfehlungsgrad E). Bei intraabdominalen Infektionen ist im Vergleich zum konventionellen chirurgischen Vorgehen die kontinuierliche postoperative Peritoneallavage nur fraglich überlegen (Empfehlungsgrad D) und das offene Abdomen nicht überlegen (Empfehlungsgrad D). Eine Gewebenekrose kann mittels nichtoperativer Diagnostik nicht sicher ausgeschlossen werden (Empfehlungsgrad E). Ein infizierter Gefäßkatheter kann sicher über einen Führungsdraht gewechselt werden, das Fehlen einer signifikanten lokalen Infektion an der Punktionsstelle vorausgesetzt (Emfehlungsgrad B). Das regelhafte standardisierte Wechseln von Venenkathetern reduziert nicht das Infektionsrisiko, weder bei zentralen Venenkathetern (Empfehlungsgrad C) noch bei peripheren Venenkathetern (Empfehungsgrad E). Bei Patienten mit perforierter Divertikulitis ist die Resektion des perforierten Kolonabschnitts der einfachen Drainage mit Anlegen eines proximalen Anus praeter vorzuziehen (Empfehlungsgrad D). Nach einer Kolonresektion wegen einer perforierten Divertikulits ist eine primäre Anastomose eine sichere Alterantive zum Kolostoma (Empfehlungsgrad D). Bei unklarem Infektonsfokus verbessert eine empirische oder »blinde« Laparotomie nicht die Prognose (Empfehlungsgrad E).
Unklarer Fokus In der klinischen Praxis gilt häufig auch ohne definitiven Nachweis einer Organ- oder Gewebeinfektion der klare Hinweis auf eine Infektionsquelle als ausreichend für die Annahme einer bakteriellen Sepsis. Als derartige Infektionsquellen gelten
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
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Operationen oder andere invasive, instrumentelle Eingriffe innerhalb einer bestimmten Zeitspanne vor Ausbruch der Sepsis, in der Regel während der vorausgegangenen 24 h.
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Akalkulöse Cholezystitis
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Die Stresscholezystitis ist eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation, die im Verlauf verschiedener intensivmedizinischer Krankheitsbilder, nach Polytrauma und Verbrennungen sowie postoperativ auftritt (International Sepsis Forum 2001, S. 10–32; Seige u. Werdan 1999). Sie findet sich bei 18–20 % aller Intensivpatienten, ist zu 87– 95 % akalkulös und führt zu 0,5–4,2 % zur Cholezystektomie. Bis zu 60 % der unbehandelten Formen verlaufen kompliziert. ! Bei unklarer Sepsis muss die akalkulöse Chole-
zystitis – zumindest bei einem Drittel mit steriler Galle – als Sepsisquelle in Erwägung gezogen werden.
Die Diagnostik ist schwierig: Die üblichen klinischen Cholezystitiszeichen (rechtseitiger Oberbauchschmerz, Abwehrspannung) sind beim beatmeten Intensivpatienten schwer festzustellen; die laborchemischen Parameter (Leukozytose, Cholestaseparameter) können bereits im Rahmen von Sepsis und MODS verändert sein. Einen standardisierten, validierten Diagnostikansatz gibt es nicht (Evidenzgrad E): Die akalkulöse Cholezystitis sollte bei jedem Sepsispatienten vermutet werden, insbesondere nach Operationen, wenn entweder dem rechten Oberbauch zuzuordnende Befunde oder Hinweise einer biliären Obstruktion vorhanden sind. In diesem Fall sollte dringend eine Sonographie (große Gallenblase mit verdickten Wänden und »sludge«, freie Flüssigkeit bei Verdacht auf Perforation; Sensitivität: 29–92 %; Spezifität: 96 %; vgl. Molenat et al. 1996) durchgeführt werden, falls diese nicht wegweisend ist, eine Computertomographie. Besteht keine Möglichkeit zur Computertomographie, sollte nach 24 h nochmals eine Sonographie folgen. Die Therapie umfasst zum einen die Gabe von Antibiotika, welche das in der Regel gramnegati-
ve, aber auch gelegentlich anaerobe Keimspektrum abdecken muss, zum anderen die Cholezystektomie oder – bei Inoperabilität – die Gallenblasenpunktion und/oder Drainage (primäre Erfolgsrate von >90 %, zu 50 % kurativ; vgl. Almeida et al. 1995; Yang u. Hodgson 1996). Manche Zentren führen bei Patienten mit schwerer Sepsis unklarer Ursache und ohne nachweisbare Infektionsquelle eine prophylaktische perkutane Cholezystektomie durch.
Sinusitis Die Sinusitis ist eine häufige, aber zu selten diagnostizierte Infektion bei kritisch Kranken (International Sepsis Forum 2001, S. 10–32; Seige u. Werdan 1999; Westergren et al. 1998). Bis zu 95 % aller nasotracheal und ungefähr 60 % aller orotracheal Intubierten entwickeln innerhalb von 7 Tagen sonographisch nachweisbare pathologische Veränderungen der Kieferhöhlen (Schleimhautödem, Sekretverhalt). Sedierung und analgetische Therapie verschleiern häufig den Gesichtsschmerz, umso wichtiger sind die bildgebende Diagnostik (Sonographie, Röntgen, Computertomographie) und die Punktion der Kieferhöhlen. Im Keimspektrum dominieren oft multiresistente Staphylococcusaureus- und Pseudomonas-aeruginosa-Stämme. Ein standardisiertes diagnostisches Vorgehen zum Nachweis einer beatmungsinduzierten Sinusitis gibt es derzeit nicht (Empfehlungsgrad E): Eine akute Sinusitis ist bei jedem Sepsispatienten mit nasotracealem Tubus oder einer nasogastralen Ernährungssonde in Erwägung zu ziehen, darüber hinaus auch bei Patienten mit SchädelHirn-Trauma. Bei entsprechendem Verdacht zeigt die Röntgenaunahme der Kieferhöhlen Flüssigkeit und Spiegel an; bei nicht diagnoseweisender Röntgenaufnahme sollte eine Computertomographie zum Nachweis von Flüssigkeit durchgeführt werden. Im positiven Fall ist die Punktion zur definitiven Diagnosefindung (Mikrobiologie) und therapeutischen Drainage der nächste Schritt, ehe die antbiotische Behandlung eingeleitet wird (Westergren et al. 1998). Die Therapie (Westergren et al. 1998) besteht in der Beseitigung aller nasalen Fremdkörper, der
89 Antiinfektiöse Therapie
Drainage, der Applikation von abschwellenden und mukolytischen Medikamenten sowie einer systemischen antibiotischen Therapie.
Antiinfektiöse Therapie Siehe hierzu auch 7 Kap. 7.
Blutkulturen Zur Diagnostik sollten rasch mindestens 2 getrennt abgenommene Blutkulturen (. Tabelle 4-7; Mylotte u. Tayara 2000) und ensprechende andere Keimproben abgenommen werden. Allerdings schließen bei septischem Schock negative Blutkulturen eine disseminerte Gewebebesiedlung keinesfalls aus (Tamme et al. 2000).
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. Tabelle 4-7. Vorgehen bei der Gewinnung von Blutkulturen 5 Auswahl der Punktionsstelle 5 Hygienische Händedesinfektion 5 Wisch- und Sprühdesinfektion der Haut auf einem mindestens 5×5 cm großen Areal mit alkoholischem Desinfektionsmittel, Einwirkzeit: 1 min 5 Zweite Hautdesinfektion von innen nach außen mit sterilem Tupfer 5 Anlegen von Einmalhandschuhen 5 Keine erneute Palpation der Punktionsstelle 5 Venenpunktion und Entnahme von 5–10 ml Blut pro Blutkulturflasche 5 Alkoholische Wischdesinfektion des Durchstichstopfens der Blutkulturflasche 5 Trocknung des Desinfektionsmittels abwarten 5 Blutkulturflaschen mit jeweils frischer Kanüle beimpfen 5 Keine Belüftung der aeroben Flasche vornehmen 5 Blutkulturflaschen bis zum Transport ins Labor bei 37°C lagern
! Bei weniger als der Hälfte – meist nur bei einem
Drittel – aller Sepsispatienten finden sich positive Blutkulturen (Sands et al. 1997)!
Erregerspektrum und Ausgangsfokus Als aktuelles Erregerspektrum der Sepsis sind anzusehen (Bodmann u. Vogel 2001; Holländer 2002; International Sepsis Forum 2001, S. 33–48; Sands et al. 1997): 5 Staphylococcus aureus (15–20 %), 5 koagulasenegative Staphylokokken (9–24 %), 5 Enterokokken (5–8 %), 5 Streptokokken (3–14 %), 5 Escherichia coli (11–24 %), 5 Enterobacter (3–5 %), 5 Klebsiella (4–6 %), 5 Pseudomonas aeruginosa (4–5 %), 5 Stenotrophomonas maltophilia (0,3–2 %), 5 Candida spp. (1–7 %), 5 intraabdominelle Anaerobier (2,4 %), 5 nicht klassifizierte Keime (4,5 %), 5 polymikrobielle Infektionen (11,1 %). Als Infektionsfokusse dominieren bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock die Lunge mit 36 %, das Blut mit 20 %, die Abdomi-
nalorgane mit 19 %, der Urogenitaltrakt mit 13 % sowie die Haut und das Weichteilgewebe mit 7 % (Friedmann et al. 1998; International Sepsis Forum 2001, S. 33–48). Pilze sind seltene Sepsiserreger – meist Candida spp., seltener Aspergillus spp. (Pegues et al. 2001) –, v. a. bei immunsuprimierten Patienten (Tumorpatienten unter zytostatischer Therapie, HIV-Patienten). Bei den ambulant erworbenen Bakteriämien dominieren als Keime Staphylococcus aureus, E. coli und koagulasenegative Staphylokokken; sie gehen am häufigsten vom Urogenitaltakt und von intravasalen Kathetern aus. Die Sterblichkeit liegt bei 14 %, wobei Schock (relatives Risiko: 3,7), Nierenversagen (4,0), Pneumonie (6,3), intraabdominelle Infektion (10,7) und multiple Herde (13,4), die wesentlichen prognosebestimmenden Risikofaktoren darstellen (Lark et al. 2001). Es lohnt sich, zwischen einer nosokomialen und einer ambulant erworbenen Sepsis zu differenzieren, da erfahrungsgemäß trotz gleicher Keimgruppe – z. B. Klebsiella (Tsay et al. 2002) – bei der nosokomialen Sepsis die Prognose ungünstiger ist. Viren sind äußerst seltene Sepsiserreger. Hantaviren können ein sepsisähnliches Bild hervor-
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
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rufen, mit den Leitsymptomen Schüttelfrost, therapierefraktäre Zephalgien, beidseitige Flankenschmerzen, akutes Nierenversagen und schwere Thrombozytopenie (Glover et al. 2002).
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Therapieempfehlungen
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Hier sollen v. a. die Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie zur antimikrobiellen Therapie der Sepsis (Bodmann u. Vogel 2001) und die des »Internationalen Sepsis-Forum« (International Sepsis Forum 2001; S. 33–48) vorgestellt werden (Bochud et al. 2001). Natürlich dürfen die allgemeinen Prinzipien der Antibiotikatherapie auf der Intensivstation nicht außer Acht gelassen werden (Kollef 2001, Pobloth 2000).
Pharmakokinetik und Pharmakodynamik Praxistipp Wenden Sie Antibiotika bei Sepsis und v. a. beim septischen Schock hochdosiert an und beachten Sie dabei hinsichtlich Arzneimittelverteilung, -metabolismus und -ausscheidung das Körpergewicht sowie Organdysfunktionen von Niere und Leber!
toxischer als die 3-mal tägliche Gabe zu sein; anzustrebende Spitzen- und Talplasmaspiegel sind dabei im Fall von Gentamicin 5–10 mg/l und 0,5– 2 mg/l für die tägliche Dreimalapplikation sowie 5–12 mg/l und <2 mg/l für die tägliche Einmalapplikation (Uitendaal et al. 2000). Auch ökonomische Aspekte der Antibiotikatherapie sollten berücksichtigt werden (Bodmann u. Vogel 2002).
Antibiotikagruppen zur Sepsistherapie ! Die Therapie hat aufgrund der Schwere des
Krankheitsbildes prinzipiell parenteral zu erfolgen; auch für die Sequenztherapie kann keine Empfehlung zur oralen Applikation gegeben werden.
Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie hat eine Reihe sehr sinnvoller Vorschläge zum Einsatz oraler Antibiotika bei Erwachsenen (Vogel et al. 2002) und bei Kindern (Scholz et al. 2002), zur Therapie der ambulant (Böhmer et al. 2002; Lorenz 2002) und der nosokomial (Bodmann et al. 2003) erworbenen Pneumonie (Lode et al. 2002) und eben auch zur Behandlung der Sepsis (Bodmann u. Vogel 2001; . Tabelle 4-8) erarbeitet. Praxistipp
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Sepsisspezifische Pharmakokinetik- und Pharmakodynamikdaten sind leider spärlich und nicht selten widersprüchlich (Bodmann u. Vogel 2001; Böhm 2002; Wiedermann et al. 2003). Für Gentamicin scheint ein höheres Verteilungsvolumen bei Sepsis zu bestehen (höhere Dosierung erforderlich), für andere Antibiotika gibt es dazu kaum klinisch verwertbare Daten. Dosisanpassungen renal und hepatisch ausgeschiedener Antibiotika bei Sepsis sollten sich deshalb in üblicher Weise an der Kreatininclearance im Falle einer Nierenfunktionseinschränkung orientieren (Böhm 2002, S. 172–183); für die Leberdysfunktion gibt es diesbezüglich nur weniger verlässliche Parameter (Böhm 2002, S. 165–171). Soweit validiert, können Antibiotikaplasmaspiegel eine Hilfe darstellen (Böhm 2002, S. 184– 190). Bei Aminoglykosiden scheint die Einmalapplikation zumindest ebenso effektiv und nicht
Die Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft zur antimikrobiellen Therapie der Sepsis (. Tabelle 4-8) decken das gesamte Spektrum der zu erwartenden Sepsiserreger ab. Falls Sie Antibiotika bei Sepsis einsetzen wollen, welche nicht in . Tabelle 4-8 aufgeführt sind, so sollten Sie sich vergewissern, dass mit der entsprechenden Wirksubstanz ausreichnde Erfahrung speziell bei der antibiotischen Behandlung von Sepsispatienten vorliegt. Eine Sepsis ist mehr als eine ambulant oder nosokomial erworbene Pneumonie!
Kalkulierte und gezielte Therapie Bei der Mehrzahl der Sepsispatienten müssen Sie initial infolge des Fehlens eines Erregers eine kalkulierte antiinfektiöse Therapie beginnen (. Tabelle 4-9)! Von essenzieller Bedeutung ist, dass die
91 Antiinfektiöse Therapie
4
. Tabelle 4-8. Bei Sepsis eingesetzte parenterale Antiinfektiva (ausführliche Kenndaten der einzelnen Antibiotika in 7 Kap. 7). (Mod. nach Bodmann u. Vogel 2001) Penicillin 5 Penicilline 5 2Aminopenicillin/BLIa 5 3Acylaminopenicilline 5 4Acylaminopenicillin/BLIa 5 5Isoxazolylpenicilline (Staphylokokkenpenicilline)
1Benzylpenicillin (Penicillin G)
Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentan), Ampicillin/Sulbactam (Unacid) Mezlocillin (Baypen), Piperacillin (Pipril) Piperacillin/Tazobactam (Tazobac) Flucloxacillin (Staphylex), Oxacillin (Stapenor)
6Cephalosporine:
5 5 5 5
7Gruppe 1 8Gruppe 2 9Gruppe 3a 10Gruppe 3b
11Carbapeneme
Cefazolin (Elzogram), Cefamandol (Mandokef) Cefuroxim (Zinacef), Cefotiam (Spizef) Cefotaxim (Claforan), Ceftriaxon (Rocephin), Cefodizim (Opticef) Ceftazidim (Fortum), Cefepim (Maxipime), Cefpirom (Cefrom, in Österreich) Imipenem (Zienam), Meropenem (Meronem)
Fluorchinolone: 5 5
12Gruppe 2 13Gruppe 3
Ofloxacin (Tarivid), Ciprofloxacin (Ciprobay) Levofloxacin (Tavanic), Moxifloxacin (Avalaox), Gatifloxacin
14Aminoglykoside
Amikacin (Biklin), Gentamicin (Refobacin), Netilmicin (Certomycin), Tobramycin (Gernebcin)
15Makrolide
Erythromycin-Lactobionat (Erythromycin)
16Glykopeptide
Vancomycin (Vancomycin), Teicoplanin (Targocid)
17Clindamycin
Clindamycin (Sobelin)
18Streptogramine
Quinupristin/Dalfopristin (Synercid)
19Rifampicin
Rifampicin (Eremfat)
Fosfomycin
Fosfomycin (Fosfocin)
20Metronidazol
Metronidazol (Clont)
21Linelozid 22Antimykotika a 1 2
3 4 5 6 7 8 9
BLI: β-Laktamase-Inhibitoren. Bei Monoinfektion durch empfindliche Streptokokken und Pneumokokken Mittel der Wahl; Resistenzrate der Pneumokokken in Deutschland: <2%; Häufigkeit intermediärer Stämme: 5%; Meningokokken zu 96% empfindlich. Ampicillin und Amoxicillin haben hohe Wirksamkeit bei Enterokokken und Listerien; Ampicillinresistenz bei Enterococcus faecalis von <1%, bei Enterococcus faecium von >50%! In Kombination mit einem β-Laktamase-Inhibitor (Clavulansäure, Sulbactam) sind Aminopenicilline auch gegen die Mehrzahl der β-Laktamase-produzierenden Stämme (Staphylococcus spp., Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis) sehr gut wirksam. Gute Wirkung gegen Enterokokken, Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa (nur Piperacillin). Gegen die Mehrzahl der β-Laktamase-produzierenden Stämme wirksam. Zur Verfügung stehen freie Kombinationen mit Sulbactam oder die fixe Kombination von Tazobactam mit Piperacillin; Kombination von Tazobactam mit Piperacillin von großem Vorteil. Beschränkt auf empfindliche Staphylococcus-aureus- und koagulasenegative Staphylokokkenstämme. Sehr gute Verträglichkeit; allergische Reaktionen seltener als bei Penicillinen, Kreuzallergie möglich, keine Wirksamkeit gegen Enterokokken! Gute Wirksamkeit gegenüber Streptokokken und Staphylokokken, einschließlich penicillinresistenter Stämme, aber nur schwache Wirkung gegenüber den meisten gramnegativen Mikroorganismen. Spektrum: Streptokokken, einschließlich Pneumokokken, Staphylokokken, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Klebsiellen, Proteus mirabilis, Escherichia coli. Spektrum: gramnegative Keime, exklusive Pseudomonas; Pneumokokken, Streptokokken; nur schwache Aktivität gegen Staphylokokken. 6
92
1 2
. Tabelle 4-8. (Fortsetzung) 10 11 12
3 13
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
21 22
Spektrum: gramnegative Keime, inklusive Pseudomonas; Pneumokokken, Streptokokken; nur schwache Aktivität gegen Staphylokokken. Gute Wirksamkeit gegenüber grampositiven und gramnegativen Bakterien, einschließlich Anaerobiern. Gute Wirksamkeit gegen Enterobacteriaceae und Haemophilus influenzae, schwächere Wirkung gegen Staphylokokken, Pneumokokken, Enterokokken, Chlamydien, Legionellen, Myokoplasmen; Aktivität gegen Pseudomonas: Ciprofloxacin in vitro am aktivsten. (Übersicht: Anonymus). Moxifloxacin (Blondeau u. Hansen 2001) hat im Vergleich zur Gruppe 2 höhere Aktivität gegen grampositive Erreger, wie Staphylokokken, Streptokokken, einschließlich Pneumokokken; Aktivität gegen gramnegative Keime vergleichbar. Die Aktivität des Moxifloxacins gegen grampositive Bakterienarten – einschließlich Staphylokokken, Streptokokken und Enterokokken –, gegen atypische Erreger – wie Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen – und gegen Anaerobier ist stärker als die der klassischen Chinolone. Gatifloxacin (Ewig u. Päuker 2002) wirkt antimikrobiell gegen grampositive Erreger (einschließlich β-Laktamase-bildende Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis), alle relevanten »aypischen« respiratorischen Erreger und einige anaerobe Erreger. Geringe therapeutische Breite; strenge Indikationsstellung und nur in Kombination mit anderem Antibiotikum (vorzugsweise β-Laktam-Antibiotikum zur Erzielung synergistischer Effekte). Gut wirksam gegen Enterobacteriaceae, Pseudomonas (besonders Tobramycin und Amikacin). Möglichst nur einmal täglich applizieren; regelmäßige Talspiegelbestimmungen; bei Sepsis aufgrund des veränderten Verteilungsvolumens initial oft höhere Dosierung erforderlich (s. auch 7 Abschnitt »Antiinfektiöse Therapie«). Gute Wirksamkeit gegen Mykoplasmen, Chlamydien, Legionellen; Resistenzrate bei Pneumokokken: bis zu 20%; in Österreich und der Schweiz auch Clarithromycin zur i.v.-Applikation zugelassen. (Übersicht in: Zhanel et al. 2001). Wirksam gegen Staphylokokken (einschließlich oxacillinresistenter Stämme), Streptokokken, Enterokokken, Corynebakterien, Clostridium difficile und andere grampositive Anaerobier. Bei etwa 10% der koagulasenegativen Staphylokokken ist Teicoplanin nicht wirksam, bei Enterokokken wirkt es bakterizid. Verwendung indiziert bei Infektionen mit genannten Keimen bei Allergie gegen andere mögliche Antiinfektiva, bei Vorliegen ampicillinresistenter Enterokokken, oxacillinresistenter Staphylokokken sowie bei mehrfach resistenten Corynebakterien. Wegen Selektionsgefahr glykopeptidresistenter Enterokokken und Staphylokokken sollten Glykopeptide restriktiv eingesetzt werden. Insbesondere bei niereninsuffizienten Patienten ist eine Therapieüberwachung mittels »drug monitoring« ratsam. Gute Wirksamkeit gegen Staphylokokken (Staphylococcus aureus zu 10%, koagulasenegative Staphylokokken zu 30% resistent), Streptokokken, Anaerobier (Bacteroides fragilis zu 10–20% resistent), Corynebakterien und Mycoplasma pneumoniae. Meist nicht wirksam gegen methicillinresistente Staphylokokken, doch sehr große regionale Unterschiede. Resistenzentwicklung unter Therapie möglich. Wichtige Therapieoption – nach Austestung – bei Infektionen durch multiresistente Staphylokokken oder Enterococcus faecium (Lamb et al. 1999; Sander et al. 2002). Gut wirksam gegen grampositive Bakterien, insbesondere gegen Staphylokokken, Streptokokken und Enterokokken; geeignet zur Therapie der Sepsis durch Staphylococcus aureus und koagulasenegative Staphylokokken in Kombination mit Cephalosporinen der Gruppe 1/2, Isoxazolylpenicillinen und Glykopeptiden. Ausschließlich gegen anaerobe Bakterien wirksam, darf bei septischen Patienten nur im Rahmen einer Kombinationstherapie eingesetzt werden. Linezolid (Zyvoxid) ist ein Oxazolidinon, das zur Behandlung von Infektionen durch grampositive Erreger, einschließlich solcher mit Multiresistenz, dient (Clemett u. Markham 2000). Siehe Abschnitt »Antiinfektiöse Therapie« und 7 Kap. 23. Das liposomale Amphotericin B wird günstiger eingeschätzt als der Amphotericin-B-Lipid-Komplex (Wingard et al. 2000). Das Echonocandin Caspofungin ist eine neue Therapiemöglichkeit zur Behandlung invasiver Pizinfektionen; in Deutschland ist das Präparat derzeit für die Behandlung der Aspergillose zugelassen (Anonymus 2002). Das oral und parenteral verfügbare Voriconazol (Vfend) – ein neues Antimykotikum aus der Gruppe der Triazole – ist zur Behandlung von fluconazolresistenten, schweren, invasiven Candidainfektionen sowie zur Behandlung der invasiven Aspergillose und schwerer, meist therapieresistenter Pilzinfektionen durch Scedosorium spp. und Fusarium spp. zugelassen (Denning et al. 2002; Herbrecht et al. 2002).
4
93 Antiinfektiöse Therapie
. Tabelle 4-9. Kalkulierte Antibiotikatherapie bei Sepsis: Therapieempfehlungen zur Behandlung der Sepsis bei unbekanntem Erreger (s. auch 7 Kap. 7; zur Klassifizierung der Antibiotika . Tabelle 4-8). (Zusammenstellung nach: Bodmann u. Vogel 2001; Löscher u. Eichenlaub 1999) Infektionsherd (häufigste Erreger)
Nosokomial (+ = schwere Sepsis und/oder Spektrumserweiterung)
Ambulant erworben (+ = schwere Sepsis und/oder Spektrumserweiterung
Acylaminopenicillin/BLIa ± Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Cephalosporin Gruppe 3b ± Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Fluorchinolon Gruppe 2/3 ± Cephalosporin Gruppe 3b
Cephalosporin Gruppe 2/3a ± Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Aminopenicillin/BLIa + Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Acylaminopenicillin/BLIa + Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid
Infektionsherd unbekannt Staphylococcus aureus Streptococcus spp. E. coli Koagulasenegative Staphylokokken Enterokokken Klebsiellen Pseudomonaden
Bei Risikopatienten (Beatmung, vorhergehende Antibiotikatherapie, großer chirurgischer Eingriff, langer Aufenthalt auf Intensivstation) jeweils in Kombination mit einem Glykopeptid bei hoher Rate an MRSAb Atemwege* Streptococcus pneumoniae Haemophilus influenzae Enterobacteriaceae 1Anaerobier 2Pseudomonaden 2Acinetobacter spp.
Cephalosporin Gruppe 3b ± Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Acylaminopenicillin/BLIa ± Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Fluorchinolon Gruppe 2/3 ± Cephalosporin Gruppe 3b, Carbapenem ± Aminoglykosid
Cephalosporin Gruppe 2/3 in Kombination mit Makrolid Acylaminopenicillin/BLIa in Kombination mit Makrolid Fluorchinolon Gruppe 3a/b, Carbapenem in Kombination mit Makrolid (in besonders schweren Fällen)
Fluorchinolon Gruppe 2/3 Cephalosporin Gruppe 3a/b Acylaminopenicillin/BLIa ± Carbapenem
Fluorchinolon Gruppe 2/3 Cephalosporin Gruppe 3a
Acylaminopenicillin/BLIa Cephalosporin Gruppe 3a/b + Metronidazol Fluorchinolon Gruppe 2/3 + Metronidazol Carbapenem
Acylaminopenicillin/BLIa Cephalosporin Gruppe 3a + Metronidazol Carbapenem Cephalosporin Gruppe 2/3a ± Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid
Acylaminopenicillin/BLIa Fluorchinolon Gruppe 2/3 in Kombination mit Aminopenicillin Cephalosporin Gruppe 3a in Kombination mit Aminopenicillin
Acylaminopenicillin/BLIa Fluorchinolon Gruppe 2/3, evtl. in Kombination mit Aminopenicillin Cephalosporin Gruppe 3a, evtl. in Kombination mit Aminopenicillin
Harntrakt 3E. coli 3Proteus mirabilis 4Pseudomonaden 4Enterobacteriaceae
Darm/weibliche Genitalorgane Enterobacteriaceae Anaerobier Enterokokken Pseudomonaden
5Gallenwege
Enterobacteriaceae Enterokokken Anaerobier 6Pseudomonaden
6
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
1
. Tabelle 4-9. (Fortsetzung)
2
Infektionsherd (häufigste Erreger)
3
7Haut/Weichteile
Streptococcus pyogenes Staphylococcus aureus Anaerobier Enterobacteriaceae Pseudomonaden
4 5 6
Katheterassoziiert Koagulasenegative Staphylokokken Staphylococcus aureus Gramnegative Stäbchenbakterien Candida spp. Corynebacterium jeikeium Propionibakterien
7 8 9
Staphylokokken Pseudomonas Enterobakterien
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Streptokokken Staphylokokken Anaerobier (schwerer Verlauf, postoperativ) a *
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Cephalosporin Gruppe 3b in Kombination mit Clindamycin Acylaminopenicillin/BLIa ± Clindamycin Fluorchinolon Gruppe 2/3 in Kombination mit Cephalosporin Gruppe 2 oder Clindamycin Carbapenem
Cephalosporin Gruppe 1/2 in Kombination mit Clindamycin
Glykopeptid ± Acylaminopenicillin/ BLIa oder Cephalosporin Gruppe 3a/ b oder Carbapenem
Imipenem (+ Aminoglykosid); Alternative: 9Cephalosporin + Aminoglykosid
8Dentogene/tonsillogene Sepsis
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Ambulant erworben (schwere Sepsis und/oder Spektrumserweiterung
8Verbrennung und exfoliative Dermatitis
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Nosokomial (schwere Sepsis und/oder Spektrumserweiterung)
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Penicillin G (+ Flucloxacillin); Alternative: Clindamycin 10Cephalosporin + Clindamycin; Alternative: Imipenem
BLI β-Laktamase-Inhibitor; b MRSA methicillinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme. Piperacillin/Tazobactam und Imipenem/Cilastatin (Pobloth 2000). Bei Aspirationspneumonien muss zusätzlich mit Anaerobiern gerechnet werden. Bei schwerwiegenden Risikosituationen oder bei einer Verweildauer im Krankenhaus von mehr als 5 Tagen ist mit Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp. und Stenotrophomonas maltophilia zu rechnen. Ohne vorausgegangene instrumentelle Intervention sind in erster Linie Escherichia coli und Proteus mirabilis als Sepsiserreger zu erwarten. Nach urologischen Eingriffen müssen außerdem Pseudomonas aeruginosa, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken und Staphylokokken berücksichtigt werden. Bei einer chologenen Sepsis nimmt die Erregerbesiedlung in den Gallenwegen und damit die Bakteriämie mit dem Grad der Abflussbehinderung zu. Beim Verschlussikterus werden bei >75% der Patienten Erreger im Blut nachgewiesen. Bei postoperativen Bakteriämien, cholangitischer Sepsis und subhepatischen Abszessen sowie bei interventionellen Eingriffen (ERCP oder endoskopische Papillotomie) lassen sich außer den genannten noch weitere gramnegative Problemerreger, einschließlich Pseudomonas aeruginosa, nachweisen. Befindet sich die Quelle im Bereich der Haut oder der Weichteile, sind Infektionen durch Streptococcus pyogenes, Staphylococcus aureus sowie Mischinfektionen unter zusätzlicher Beteiligung von Non-A-Streptokokken, Anaerobiern, Enterobacteriaceae sowie Pseudomonas aeruginosa möglich. Nach Löscher u. Eichenlaub 1999. Breitspektrumcephalosporin der 3. Generation (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim u. a.). Cephalosporin mit guter Staphylokokkenwirksamkeit (Cefazolin, Cefazedon, Cefamandol, Cefotiam u. a.)
4
95 Antiinfektiöse Therapie
Therapie – unter Einbeziehung anamnestischer Daten, des klinischen Befundes, der organbezogenen Ausgangsinfektion und der regionalen Antibiotikaresistenzlage – mit ausreichender Wahrscheinlichkeit den pathogenen Keim erfasst, obwohl eine klinische Unterscheidung von gramnegativer und grampositiver Sepsis nur in seltenen Fällen mit ausreichender Sicherheit möglich sein dürfte. Nach Führung des Erregernachweises und Antibiogrammerstellung kann die kalkulierte Therapie in eine testgerechte spezifische Antibiotikabehandlung (. Tabelle 4-10), möglichst MHKkontrolliert, übergeführt werden. Praxistipp Applizieren Sie bei der Indikation »Sepsis« alle Antiinfektiva parenteral und in hoher Dosierung, da weder eine Sequenzialtherapie noch eine Dosisreduktion bei dieser Indikation durch Studien belegt ist (Bodmann u. Vogel 2001)! Führen Sie die antibiotische Sepsistherapie über mindestens 2 Wochen parenteral durch und begleiten Sie die Behandlung mit einem mikrobiologischen Monitoring. Sehen Sie nach 4 Tagen keine eindeutige Besserung des Zustands Ihres Patienten, so sollten Sie die Antibiotikatherapie umstellen. Gewinnen Sie vor der Umstellung möglichst nochmalsProbenmaterial zur Keimanzüchtung, falls klinisch vertretbar 48–72 h nach Absetzen des nicht ausreichend effektiven Antibiotikaregimes (7 Kap. 7).
Die Vielfalt der in den . Tabellen 4-9 und 4-10 aufgeführten Therapieoptionen ist einerseits durch die unterschiedlichen Schweregrade des Krankheitsbildes und andererseits durch die Therapiefreiheit des behandelnden Arztes bei nahezu äquipotent wirksamen Antiinfektiva begründet. Auch bei den in den . Tabellen 4-9 und 4-10 ausgewiesenen Sepsisformen, bei denen eine Monotherapie aufgeführt ist, sollte bei lebensbedrohlich erkrankten Patienten allerdings immer eine Kombinationstherapie angewandt werden (Bodmann u. Vogel 2001). Traditionell sind Aminoglykoside die bevorzugten Kombinationspartner für β-Laktam-Antibiotika. Die neue Option, Fluorchinolone als Kom-
binationspartner für β-Laktam-Antibiotika einzusetzen, ist durch pharmakokinetische Vorteile, eine geringere Toxizität und die fehlende Notwendigkeit von regelmäßigen Spiegelbestimmungen trotz höherer direkter Therapiekosten begründet.
Einige evidenzbasierte Therapieempfehlungen (International Sepsis Forum 2001) 5 Bei der kalkulierten antibiotischen Behandlung von schwerer Sepsis und septischem Schock – ist eine Monotherapie mit einem Carbapenem vergleichbar effektiv wie eine Kombinationstherapie eines β-LaktamAntibiotikum mit einem Aminoglykosid (Empfehlungsgrad B); – ist eine Monotherapie mit einem Dritt- oder Viert-Generations-Cephalosporin vergleichbar effektiv wie eine Kombinationstherapie eines β-LaktamAntibiotikum mit einem Aminoglykosid (Empfehlungsgrad B); – ist eine Monotherapie mit einem Penizillin mit erweitertem Wirkspektrum (Carboxypenizilline, Ureidopenizilline mit β-Laktamase-Inhibitor, wie Ticarcillin-Clavulansäure oder Piperacillin-Tazobactam) nicht eindeutig vergleichbar effektiv wie eine Kombinationstherapie eines β-Laktam-Antibiotikum mit einem Aminoglykosid (Empfehlungsgrad E); – ist eine Monotherapie mit einem Monobactam, wie Aztreonam, nicht vergleichbar effektiv wie eine Kombinationstherapie eines β-Laktam-Antibiotikum mit einem Aminoglykosid (Empfehlungsgrad C); im Fall einer dokumentierten gramnegativen Sepsis gilt ein Monobactam jedoch als vergleichbar effektiv (Empfehlungsgrad C); – ist eine Therapie mit einem Dritt- oder Viert-Generations-Cephalosporin vergleichbar effektiv wie eine Therapie mit einem Carbapenem (Empfehlungsgrad C). Fortsetzung S. 98
6
96
1 2 3
Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
. Tabelle 4-10. Empfehlungen zur gezielten Sepsistherapie mit Antibiotika bei bekanntem Erreger (s. auch 7 Kap. 7). (Aus Bodmann u. Vogel 2001) Erreger
Monotherapie
5 Cephalosporin Gruppe 1/2 + Rifampicin oder/ und Aminoglykosid (5 Tage) 5 Isoxazolylpenicillin + Rifampicin oder Clindamycin oder/und Aminoglykosid (5 Tage) 5 Bei MRSAb Vancomycin oder Teicoplanin in Kombination mit Rifampicin, Fosfomycin, Fusidinsäure oder Cotrimoxazol (nach Antibiogramm)
1Staphylococcus aureus
4 5 6 7
Nach Antibiogramm in Einzelfällen Quinupristin/Dalfopristin 5 Cephalosporin Gruppe 1/2
5 Cephalosporin Gruppe 1/2 oder Isoxazolylpenicillin + Aminoglykosid und/oder Rifampicin (nach Antibiogramm)
5 Isoxazolylpenicillin 5 (nach Antibiogramm Glykopeptid bei MRSE)
5 Glykopeptid ± Rifampicin bei MRSE (Teicoplanin nur nach Antibiogramm) 5 Aminoglykosid oder Rifampicin nach Antibiogramm (Kombinationstherapie bei Endokarditis, infizierten Gefäßprothesen etc.)
A-Streptokokken
5 Benzylpenicillin 5 Cephalosporin Gruppe 1/2 (bei Penicillinallergie)
5 Benzylpenicillin + Clindamycin
Pneumokokken
5 Benzylpenicillin
5 Vancomycin + Rifampicin (bei β-Laktam-Allergie oder Resistenz gegen Penicilline und Cephalosporine)
2Koagulasenegative
Staphylokokken
8 9 10 11 12
5 Cephalosporin Gruppe 3a (bei Penicillinallergie oder resistenz)
13 14
Enterococcus faecalis
5 Aminopenicillin + Aminoglykosid 5 Acylaminopenicillin + Aminoglykosid 5 Bei Penicillinallergie: Teicoplanin + Aminoglykosid
Enterococcus faecium
5 Aminopenicillin + Aminoglykosid 5 Acylaminopenicillin + Aminoglykosid 5 Teicoplanin + Aminoglykosid
15 16 5 Quinupristin/Dalfopristin (nach Antibiogramm)
17 18 19 20
Kombinationstherapie
3Escherichia coli
Klebsiella pneumoniae Proteus mirabilis Citrobacter freundii Enterobacter spp. Serratia marcescens
5 5 5 5 5 5 5 5
Cephalosporin Gruppe 3 Acylaminopenicillin/BLIa Fluorchinolon Gruppe 2/3 Carbapenem Carbapenem Cephalosporin Gruppe 3b Fluorchinolon Gruppe 2/3 Acylaminopenicillin/BLIa
97 Antiinfektiöse Therapie
4
. Tabelle 4-10. (Fortsetzung) Erreger
Monotherapie
Kombinationstherapie 5 5 5 5 5
Pseudomonas aeruginoas
Cephalosporin Gruppe 3b + Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Acylaminopenicillin/BLIa + Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid Carbapenem + Fluorchinolon Gruppe 2/3 oder Aminoglykosid 5 Fluorchinolon Gruppe 2/3 + pseudomonaswirksames β-Laktam-Antibiotikum
Acinetobacter spp.
5 Carbapenem 5 Fluorchinolon Gruppe 2/3
Stenotrophomonas maltophilia
5 Trimethoprim/Sulfonamid 5 Cephalosporin Gruppe 3b 5 Fluorchinolon Gruppe 2/3
Haemophilus influenzae
5 Cephalosporin Gruppe 3 5 Fluorchinolon Gruppe 2/3 (bei β-Laktam-Allergie)
Bacteroides fragilis
5 Carbapenem
5 Metronidazol + Aminopenicillin/BLIa oder Cephalosporin Gruppe 3
5 Acylaminopenicillin/BLIa a 1
2
3
4
BLI β-Laktamase-Inhibitor; b MRSA methicillinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme. Antibiotikagruppen: . Tabelle 4-8. Alternativempfehlung der Staphylococcus-aureus-Sepsis nach Simon u. Stille 2004: Wegen der ungenügenden klinischen Wirksamkeit der Oxacillinderivate ist eine längere Kombinationstherapie mit Cefazolin und einem zweiten Staphylokokkenantibiotikum (Clindamycin, Fusidinsäure oder Rifampicin) zu bevorzugen. Auch die bisher übliche Therapie einer Sepsis durch Penicillin-G-empfindliche Staphylokokkken (die aber penicillintolerant sein können) mit Penicillin G sollte heute durch eine Therapie mit Cefazolin (Erwachsene: täglich 6 g i.v.) in Kombination mit Clindamycin (täglich 1,2 g i.v.) ersetzt werden. Bei Cephalosporinallergie, Oxacillinresistenz oder Verdacht auf Staphylokokkenendokarditis ist Vancomycin (Erwachsene: 2 g/Tag in 2 i.v.-Kurzinfusionen; Kinder: 40 mg/kgKG/Tag; erhebliche Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz) zu empfehlen. Die Kombination mit einem zweiten Staphylokokkenmittel ist ratsam. Die Therapiedauer sollte auf mindestens 4–6 Wochen angesetzt werden, oft sogar länger. Nach Eintritt einer Besserung kann eine Dosisreduktion erfolgen. Reservemittel bei Staphylokokkensepsis sind Clindamycin, Teicoplanin, Fusidinsäure, Rifampicin, Fosfomycin und Imipenem. Gyrasehemmer kommen nur ausnahmsweise zur Therapie von Staphylokokkeninfektionen infrage. Alternativempfehlung der Staphylococcus-epidermidis-Sepsis nach Simon u. Stille 2004: Septikämien durch koagulasenegative Staphylokokken sind in letzter Zeit häufiger geworden (Venenkatheter, Dialyseshunts). Die Diagnose erfordert den mehrfachen Nachweis eines identischen Stammes in der Blutkultur. Häufig liegen mehrfach resistente Stämme vor, die auch oxacillinresistent sind. Die Therapie muss nach dem Antibiogramm erfolgen, z. B. mit Cefazolin und Gentamicin. Infektionen durch oxacillinresistente Stämme können nicht mit Penicillinen oder Cephalosporinen behandelt werden. Meist ist die Kombination von Vancomycin plus Rifampicin wirksam. Bei Vancomycinresistenz kann Quinupristin/Dalfopristin das einzige wirksame Mittel sein. Alternativempfehlung der E.-coli-Sepsis nach Simon u. Stille 2004: Eine Therapie mit Cefotaxim erfasst nahezu alle Infektionen durch E. coli. Fällt die Wahl auf ein Penicillin, so sollte anstelle des Ampicillins mit unsicherer Wirkung Mezlo- oder Piperacillin zum Einsatz kommen, evtl. in Kombination mit Gentamicin zur Verstärkung der Bakterizidie oder mit einem β-Laktamase-Hemmer. Vollwertige Alternativen sind Imipenem und Ciprofloxazin. Eine Resistenz gegen diese Mittel ist sehr selten. Die Therapiedauer richtet sich nach dem klinischen Bild. Alternativempfehlung der Pseudomonassepsis nach Simon u. Stille 2004: Therapie der Wahl ist die Kombination eines voll wirksamen βLaktam-Antibiotikums mit einem Aminoglykosid in hoher Dosierung, z. B. von Azlocillin (15 g/Tag) mit Tobramycin (240–320 mg/Tag). Als β-Laktam-Antibiotikum kommen auch Ceftazidim, Cefepim, Cefsoludin, Piperacillin, Aztreonam, Imipenem und Meropenem, als Aminoglykosid Gentamicin, Netilmicin und Amikacin in Betracht. Als Kombinationspartner ist auch Ciprofloxacin geeignet.
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
5 Bei Patienten mit schwerer Sepsis ist unter bestimmten Umständen eine kalkulierte antigrampositive Antibiotikatherapie indiziert (Empfehlungsgrad E). – Allerdings sollte der unkritische Einsatz von Vancomycin oder Teicoplanin im Fall einer vermuteten grampositiven Infektion bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock vermieden werden. – Glykopeptide sind bei kritisch Kranken mit Katheterinfektionen indiziert, ebenso in Zentren, in denen methicillinresistente Staphylokokken vorherrschen. – Allerdings muss der mögliche klinische Nutzen einer empirischen Behandlung mit Vancomycin oder Teicoplanin gegen das Risiko der Selektion resistenter Keime abgewogen werden und ebenso gegen die erhöhte Toxizität, insbesondere wenn Vancomycin gemeinsam mit einem Aminoglykosid oder anderen nephrotoxischen Substanzen gegeben wird. – Um das Risiko der Entwicklung vancomycinresistenter Staphylokokken und Enterokokken weiter zu reduzieren, sollte eine empirisch begonnene Vancomycinbehandlung möglichst rasch abgebrochen werden, wenn sich der initiale Verdacht auf das Vorliegen einer grampositiven Infektion nicht bestätigt. 5 Bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock sind Antimykotika nicht als Bestandteil einer kalkulierten Antiinfektiosatherapie indiziert (Empfehlungsgrad E). – Obwohl viele Intensivpatienten mit Pilzen kolonisiert sind (Vincent et al. 1995; Wenzel 1995), scheinen diese jedoch nur für 5 % aller Fälle mit schwerer Sepsis und septischem Schock verantwortlich zu sein; dieser relativ niedrige Prozentsatz rechtfertigt keine generelle kalkulierte Therapie mit Antimykotika, 6
–
–
–
–
–
eine Ausnahme davon bilden neutropenische Tumorpatienten (s. unten und 7 Kap. 23). Ein Standardvorgehen zum Nachweis einer invasiven Candidiose existiert nicht (Empfehlungsgrad E); die invasive Candidiose beginnt mit der Kolonisierung des Gastrointestinaltrakts oder der Haut (Solomkin 1993), dennoch wird ein Routinescreening hospitalisierter Patienten nicht empfohlen; Sepsispatienten mit ausgeprägter Kolonisierung entwickeln allerdings häufiger eine invasive Pilzinfektion. Entwickelt ein Patient, der an mindestens 2 Stellen Candidakolonisierungen aufweist, eine Sepsis, so sollten Sie Blutkulturen und Kulturen primär steriler Bereiche abnehmen und diese klassifizieren und auf Resistenz testen lassen! Die klinischen Zeichen einer invasiven Candidainfektion sind meist unspezifisch, sie reichen von unklarem Fieber bis zur Sepsis (Pittet u. Garbino 1995); spezifische Befunde – Hautläsionen, septische Arthritis – sind selten. Eine Candidachorioretinitis tritt bei <15 % der Patienten auf (Donahue et al. 1994); sie stellt eine absolute Indikation zur antimykotischen Behandlung dar! Die invasive Candidainfektion beginnt mit der Kolonisierung (Urin, Rektum, Magensaft, Gefäßzugänge, Sputum/Rachenabstriche, Wunden und Drainagen), und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Candidasepsis korreliert mit der Zahl der Kolonisierungsareale (Pittet et al. 1994; Vincent et a 1998); der »cut-off« von 2 Besiedlungsarealen hat eine hohe Sensitivität, aber nur eine geringe Spezifität von 22 % (Pittet et al. 1994); in Kombination mit einem semiquantitativen Candidakolonisierungsindex lassen sich Sensitivität und Spezifität auf nahezu 100 % steigern 6 (Pittet et al. 1994).
99 Antiinfektiöse Therapie
– Konventionelle Blutkulturtechniken zeigen nur bei 50 % der Patienten positive Befunde; spezielle Labortechniken können die Aussagekraft erhöhen (Dean u. Burchard 1996); ein positiver Candidanachweis im Blut stellt eine klare Indikation zur Behandlung dar; eine Candidurie kann nur bei Patienten ohne Blasenkatheter als Zeichen einer invasiven Candidiose mit Nierenbeteiligung gewertet werden (Solomkin 1993), sie findet sich bei 50 % aller Patienten mit invasivem Candidabefall (Cornwell et al. 1995). 5 Bei Patienten mit Candidämie sind Azole vergleichbar effektiv wie Amphotericin B (Empfehlungsgrad A): – Fluconazol (400 mg/Tag) ist im Vergleich zu Amphotericin B (0,5–0,6 mg/ kgKG/Tag) bei der Behandlung einer Candidämie nichtneutropenischer Patienten genauso effektiv (Erfolgsraten: 57 bzw. 72 % vs. 62 bzw. 79 %) und weniger toxisch (selteneres Auftreten von Hypokaliämien, geringere Anstiege der Nierenretentionswerte); die Letalitätsraten sind vergleichbar (26 bzw. 31 % vs. 21 bzw. 27 %; Nguyen et al. 1995; Phillips et al. 1997; Rangel-Frausto et al. 1999) – die übliche Fluconazoldosis beträgt 400 mg/Tag; in einer Studie wurde mit 10 mg Fluconazol/kgKG/Tag eine höhere Erfolgsrate (83 %) als mit 5 mg Fluconazol/kgKG/Tag (60 %) erzielt (Graninger et al. 1993); bei instabilen oder sich verschlechternden Patienten würde die Hälfte eines Expertengremiums (Edwards et al. 1997) 800 mg Fluconazol/ Tag einsetzen, die andere Hälfte würde Amphotericin B applizieren. – Bei einem vor kurzem mit Fluconazol behandelten Patienten mit Candidämie sollte zunächst eine Behandlung mit Amphotericin B begonnen werden, und 6
4
zwar so lange, bis die Identifizierung der Candidaspezies und die Resistenztestung vorliegen. – Bei mit Antimykotika – Fluconazol eingeschlossen – vorbehandelten Patienten finden sich häufiger Nicht-albicans-Candida-Stämme mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Azolen; C. krusei ist resistent, und C. glabrata (Blot et al. 2001) zeigt eine relative Resistenz gegenüber Fluconazol. – Viele Experten betrachten Amphotericin B als Mittel der Wahl bei der Behandlung instabiler Patenten mit Candidämie (Edwards et al. 1997); offen ist, ob bei diesen Patienten das Amphotericin B mit 5-Fluorcytosin kombiniert werden sollte; eine Prognoseverbesserung wurde für diese Kombination bisher nicht aufgezeigt.
Herzchirurgische Eingriffe Eine Sepsis ist eine der schwerwiegendsten Komplikationen nach Herzoperationen (Werdan et al. 1999). Das Infektionsspektrum nach Herz- und Gefäßoperationen gibt . Tabelle 4-11 wieder. Obwohl monozentrisch an einem universitären Herz-Kreislauf-Zentrum in Spanien erhoben (Rebollo et al. 1996), dürften die Befunde auch für den deutschsprachigen Raum zutreffen: Sie bestätigen Staphylococcus aureus als häufigsten Keim bei Wundinfektionen sowie Pseudomonas aeruginosa und Escherichia coli im Fall von Pneumonien und Harnwegsinfektionen. Die Bakteriämierate liegt um und unter 1 %. Pneumonien stellen ein 3-mal so hohes Letalitätsrisiko dar wie alle anderen Infektionen. Patienten mit kombinierter aortokoronarer Bypass- und Herzklappenoperation zeigen erwartungsgemäß mit 54,5 % das höchste Infektionsrisiko.
Tumorerkrankungen und Neutropenie Siehe hierzu auch 7 Kap. 23. Folgendes ist zu beachten: 5 Die verringerten Abwehrmechanismen bei Tumorpatienten mit Neutropenie begünsti-
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1 2
Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
. Tabelle 4-11. Nosokomiale Infektionen nach kardiovaskulären Operationen. (Zusammenstellung nach Rebollo et al. 1996) Kardiovaskuäre Operationen
Alle
CABG
Herzklappenoperationen
CABG + Herzklappenoperationen
Gefäßoperationen*
5 Patientenzahl
970
149
353
11
457
5 Patienten mit Infektionen (%)
9,2
10,1
12,2
45,4
5,7
5 Letalität der Patienten mit Infektionen (%)
16
–
–
–
–
5 Infektionsrate (%)
12,4
14,1
16,7
54,5
7,4
5,6 3,2 1,8 0,9 0,7
4,7 3,4 2,0 2,7 1,3
5,4 5,9 2,8 1,4 1,1
27,3 18,2 9,1 – –
5,5 0,7 1,1 – 0,2
5 Dauer der Operation [min]
230,7±98,1
270,7±49,9
261,5±82,9
312±61,4
141,1±9,6
Häufigste Erreger
Staphylococcus aureus
3 4 5 6 7
5 Infektionslokalisation (%): – Operationsgebiet – Respirationstrakt – Harntrakt – Tiefe Infektionen – Bakteriämie
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Pseudomonas aeruginosa und E. coli
Infektionslokalisation: 5 5 5 5
Operationsgebiet Respirationstrakt Harntrakt Bakteriämie
31,4% 30,8% 33,3% 66,7%
Risikofaktoren postoperativer Infektionen:
Relatives Risiko*
5 5 5 5 5 5
1,96 11,11 7,50 4,71 8,28 2,47
Alter >65 Jahre Transfusionen Thoraxdrainagen Blasenkatheter Nasogastrale Sonden Notfalloperation
Letalitätsrisiko in Abhängigkeit von der Infektionslokalisation:
Relatives Letalitätsrisiko**
5 5 5 5
4,73 14,33 5,65 4,22
Infektionen gesamt Respirationstrakt Harntrakt Operationsgebiet
CABG: aortokoronare Bypassoperationen. * Überwiegend Bypassoperationen der unteren Extremitäten. ** Im Vergleich zu Patienten ohne Infektionen im Sinne einer Fall-Kontroll-Studie.
101 Supportive Therapie des MODS
gen bei einer eintretenden Infektion eine rasche Dissemination der Erreger. Bei Granulozytenzahlen von <1 Gpt/l muss deshalb sofort nach Auftreten von Fieber mit einer antiinfektiösen Therapie begonnen werden. 5 Es ergeben sich 3 Grundsituationen: – Fieber unbekannter Herkunft (Ritschel u. Heizmann 2002): Bis zum 5. Fiebertag dominieren mit 50 % grampositive Kokken und Bazillen und mit 40 % gramnegative Kokken und Bazillen; Pilze machen 5–10 % und Anaerobierer <1 % aus. Ab dem 6. Fiebertag stehen Pilzinfektionen (Candida spp. und Aspergillus spp.) mit ca 50 % im Vordergrund, gefolgt von grampositiven und gramnegativen Kokken und Bazillen (je 25 %). – Infektion mit klinischen Äquivalenten ohne
mikrobiologischen Erregernachweis. – mikrobiologisch nachzuweisende Infektion.
5 Granulozyteninfusionen haben bei neutro-
penischen Patienten mit lebensbedrohlicher Sepsis günstige Effekte gezeigt (Hübel et al. 2001). 5 Die subkutane Gabe von Interleukin-11 – ein Interleukin mit immunmodulierender Wirkung und protektiven Effekten auf die gastrointestinale Epithelintegrität – führt bei neutropenischen Patienten mit Leukämie unter Chemotherapie zu einer Abnahme der Bakteriämierate von 65 % auf 25 % (Ellis et al. 2003).
Neugeborene Die besonderen Aspekte der früh und spät beginnenden Form der Neugeborenensepsis sind ausführlich in 7 Kap. 24 abgehandelt.
Resistenzsituation Der Vergleich der Resistenzsituation (7 Kap. 7; Bodmann u. Vogel 2001; Holländer 2002; Panknin u. Schwemmle 2001; Wenzel u. Edmond 2000) bei Stämmen von Patienten auf Allgemein- und Intensivstationen erbrachte im Großen und Ganzen den Trend zu höheren Resistenzraten auf den Intensivstationen. Beispielsweise lag die MRSA-Rate auf Allgemeinstationen bei 15 %, im Vergleich zu 20 % auf Intensivstationen. Nachdem die Resis-
4
tenz zwischen 1990 und 1995 bei vielen Bakterienspezies zum Teil erheblich angestiegen war, kam es zwischen 1995 und 1998 zu keinen weiteren wesentlichen Änderungen (ausführliche Tabellen in: Bodmann u. Vogel 2001). Aktuelle Daten zu minimalen Hemmkonzentrationen (MHK) sepsisrelevanter Antibiotika finden sich in 7 Kap. 7. Durch entsprechende Infektionskontrollmaßnahmen lässt sich die Ausbreitung resistenter Stämme eindämmen (Ostrowsky et al. 2001). In Kenntnis der zunehmenden Prävalenz multiresistenter Pneumokokken – zumindest in den USA (Whitney et al. 2000) – wird empfohlen, bei nosokomialen Pneumkokkenpneumonien den Einsatz neuerer Chinolone auf diejenigen Fälle mit Therapieversagen, Anibiotikaallergien auf Alternativpräparate und Penicillinresistenz (MIC≥4 µg/ml) zu beschränken und auf den routinemäßigen Einsatz von Vancomycin bei diesen Patienten zu verzichten (Heffelfinger et al. 2000).
Supportive Therapie des MODS Siehe hierzu auch 7 Kap. 11–22. Die sofortige und adäquate Volumensubstitution ist der entscheidende erste Schritt der supportiven Sepsis- und MODS-Therapie, ggf. – bei respiratorischer Insuffizienz – in Verbindung mit der Beatmungstherapie. Die supportive Therapie der weiteren Organdysfunktionen des septischen Patienten orientiert sich dann am Ausmaß der jeweiligen Organfunktionsstörung. Die Wertigkeit der supportiven Sepsistherapie darf dabei nicht überschätzt werden: 5 Die supportive Therapie kann manch septisch eingeschränkte Organfunktion – zeitlich »unbegrenzt« ersetzen: Niere; – zeitlich begrenzt unterstützen: Lunge, Kreislauf, Herz, Gerinnung, Magen-DarmTrakt, Stoffwechsel; – bisher nicht wirksam unterstützen: Leber, Hirn, Nervensystem, Muskulatur, insbesondere Atemmuskulatur. 5 Wesentliche Fortschritte wurden nur bei der supportiven Therapie der Lungendysfunktion und der Herz-Kreislauf-Therapie erzielt!
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
5 Die supportive Therapie führt zu keiner Er-
holung der Organschädigung! 5 Der Sepsispatient stirbt nicht am MODS, sondern im MODS!
Therapie der Organdysfunktionen von Kreislauf und Herz Voraussetzungen für eine wirksame hämodynamische Sepsistherapie sind eine möglichst frühzeitige Diagnose und Schweregradeinschätzung von Sepsis, septischem Schock und septischem MODS. Primäre Ansatzpunkte der Behandlung des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie sind (s. auch 7 Kap. 11): 5 Kreislaufdysfunktion mit Vasodilatation, 5 systolische und diastolische Funktionsstörung des linken und des rechten Ventrikels. Die Schädigung des Herzens während der Sepsis – akute septische Kardiomyopathie – wird häufig unterschätzt, sind doch Herzzeitvolumen und Herzindex aufgrund der dramatischen Nachlastsenkung infolge toxischer Vasodilatation (systemischer Gefäßwiderstand, SVR, von 200–600 dyn × sec × cm–5) scheinbar nicht wesentlich verringert oder sogar erhöht – aber nur im Vergleich zum Herzgesunden mit normalem systemischem Gefäßwiderstand von 1100±200 dyn × s × cm–5. Eine realistische Einschätzung der septischen Herzfunktionseinschränkung ist nur dann möglich, wenn man Herzzeitvolumen und Herzindex in Relation zur verringerten Nachlast – gemessen als Verringerung des SVR – setzt. Niedrigere SVR-bezogene HZV-/HI-Werte als erwartet sprechen für eine sepsisbedingte Herzfunktionseinschränkung (septische Kardiomyopathie), vorbestehende Herzerkrankungen ausgeschlossen: 5 rechtsventrikuläre Dysfunktion bei pulmonaler Hypertonie infolge ARDS, 5 kardiale Begleiterkrankungen.
Möglichst rasche Volumensubstitution Siehe hierzu auch 7 Kap. 11. Am Beginn dieser symptomatischen Behandlung steht die ausreichende Volumensubstitution zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Mindestens
60–70 % der Patienten müssen darüber hinaus auch noch mit vasoaktiven inotropen Substanzen – überwiegend Katecholamine und Katecholaminderivate – behandelt werden. Das Ziel besteht dabei in der Wiederherstellung einer suffizienten Durchblutung der Vitalorgane und Gewebe, ehe sich ein Zellschaden ausbilden kann. Die Sicherstellung einer suffizienten Durchblutung erfordert einen ausreichenden Herzindex und einen ausreichend hohen Blutdruck. Kurze Perioden einer ausgeprägten Minderperfusion werden besser toleriert als gravierende Blutdruckabfälle. Demzufolge hat initial die Aufrechterhaltung eines mittleren Blutdrucks von >60–65 mmHg Priorität vor dem Anheben des Herzindex auf Werte von >4,0–4,5 l/min/m2. Die Durchblutung sollte zumindest derart gesteigert werden, dass der arterielle Laktatspiegel bei <2,2 mEq/l verbleibt. ! Nicht die Wahl eines spezifischen Volumener-
satzmittels oder eines spezifischen Katecholamins ist das für das Überleben des Sepsispatienten Entscheidende, sondern der möglichst frühzeitige Beginn einer adäquat gesteuerten Volumen-Katecholamin-Therapie: Die beeindruckenden Ergebnisse der hämodynamisch gesteuerten Herz-Kreislauf-Therapie bei Sepsispatienten bereits auf der Notaufnahmestation sprechen eine klare Sprache (s. unten; Rivers et al. 2001)! . Tabelle 4-12
fasst einige grundsätzliche Aussagen zur Volumensubstitution bei Sepsispatienten zusammen. Eine ausführliche Besprechung findet sich in 7 Kap. 11.
Katecholamintherapie: Fokussierung auf Noradrenalin und Dobutamin Als Katecholamine der Wahl haben sich in letzter Zeit Noradenalin und Dobutamin herauskristallisiert, wohingegen Dopamin und Adrenalin aufgrund eines ungünstigeren Nebenwirkungsprofils (7 Kap. 11) eher Katecholamine der zweiten Wahl geworden sind (. Tabelle 11-3; s. dort auch Dosierungsempfehlungen).Noradrenalin wird aufgrund seiner vasopressorischen Hauptwirkung immer dann bevorzugt, wenn der »Kreislaufschock« do-
103 Supportive Therapie des MODS
4
. Tabelle 4-12. Hinweise für die Praxis: Volumentherapie bei Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock (s. auch . Tabelle 4-2 und 7 Kap. 11). [In Anlehnung an eine Konsensuskonferenz für den septischen Schock (Kvetan et al. 1998) u. das Internationale Sepsis-Forum 2001, S. S 80–S 92) sowie *eigene Empfehlungen]. Siehe auch 7 Anhang. 5 Kristalloide oder Kolloide? – Volumensubstitution – in angemessener Behandlung mit Inotropika und Vasopressoren, falls erforderlich – ist die Behandlung der ersten Wahl, die möglicherweise die Prognose verbessert (Empfehlungsgrad E). – Die Volumensubstitution sollte unverzüglich mit Kristalloiden oder Kolloiden begonnen werden: Initial 1000 ml Kristalloid oder 500 ml Kolloid in 20–30 min; *Kristalloide und Kolloide können auch gemeinsam im Verhältnis 1:1 gegeben werden. – Kolloide sollten initial bevorzugt werden, da sie eine promptere hämodynamische Wirkung zeigen (Empfehlungsgrad D). – 20–30% aller Patienten im septischen Schock reagieren ausreichend auf Flüssigkeitssubstitution; bei ihnen ist kein zentraler Venenkatheter erforderlich. – Bei allen anderen Patienten sollte bald ein zentraler Venenkatheter gelegt werden, und zwar zur adäquaten Steuerung der Gabe von Flüssigkeit und vasoaktiven Substanzen, ohne Unterbrechung oder Verzögerung der Volumenzufuhr. – Die Fortsetzung der Flüssigkeitsinfusion kann mit Kolloiden und/oder Kristalloiden erfolgen, die hinsichtlich Wirksamkeit und Lungenödemdisposition vergleichbar sind (Empfehlungsgrad C); die einzelnen Kolloide zeigen keine klinisch relevanten kardiorespiratorischen Unterschiede (Empfehlungsgrad C). – 5%ige Glukoselösungen sollten nicht verwendet werden, da sie sich rasch im Intrazellulärraum verteilen. 5 Zielkriterien der Volumentherapie? – Gesicherte wissenschaftliche Fakten zu den Zielkriterien fehlen (s. auch . Tabellen 4-2 und 4-6). – Nach den initialen 1000 ml Kristalloid oder 500 ml Kolloid in 20–30 min sollte die weitere Volumengabe einem Monitoring unterzogen werden. Als Monitoringzielkriterien können eingesetzt werden: zentraler Venendruck (ZVD), systolischer Blutdruck (SBP), mittlerer arterieller Druck (MAP), zentralvenöse Sauerstoffsättigung (ScvO2), Pulmonalkapillardruck (PCWP) u. a. (. Tabelle 4-6). Häufig werden mehrere Zielkriterien kombiniert, entsprechende Algorithmen finden sich in . Abb. 4-1 bis 4-3. Der Empfehlungsgrad der einzelnen Monitoringzielkriterien wird mit E angegeben. Für das Monitoring der frühen zielgerichteten kardiovaskulären Sepsistherapie bereits in der Notaufnahme (. Abb. 4-3; Rivers et al. 2001) lässt sich der Emfehlungsgrad B* aussprechen. – Die Flüssigkeitszufuhr sollte zu einem Anstieg des systolischen Blutdrucks auf wenigstens 90 mmHg systolisch führen und klinische Evidenz für eine Verbesserung der Organperfusionen erzielen. – Bei älteren Menschen und bei Patienten mit koronarer und/oder zerebrovaskulärer Erkrankung dürfte ein systolischer Blutdruck von >100 mmHg wünschenswert sein. – Obwohl es keine schlüssige Evidenz dafür gibt, dass das Monitoring des zentralen Venendrucks die Prognose bessert, kann es bei der Flüssigkeitszufuhr hinsichtlich Volumen und Infusionsgeschwindigkeit nützlich sein (Empfehlungsgrad E). – Bei Verfügbarkeit des Monitoring mittels zentralem Venenkatheter: → Therapie primär nach klinischem Ansprechen ausrichten! → Bei Erreichen klinischer Zielkriterien: Infusionsgeschwindigkeit auf Erhaltungsrate reduzieren, unabhängig vom zentralen Venendruck! → Bei Nichterreichen klinischer Zielkriterien: Infusion entsprechend zentralem Venendruck weiterführen → Cave: zentraler Venendruck von >12–15 mmHg (15–18 cm H2O): erhöhtes Lungenödemrisiko! Unter solchen Umständen: Legen eines Pulmonalarterienkatheters empfohlen, falls verfügbar (Empfehlungsgrad E) – *Der Einsatz des Pulmonalarterienkatheters wird von den Intensivmedizinischen Gesellschaften bei septischem Schock ohne Ansprechen auf Volumengabe und niedrig dosierte Gabe von inotropen/vasopressorischen Pharmaka empfohlen (Pulmonary Artery Consensus Conference Participants 1997). 5 Wann Erythrozytentransfusionen? – . Tabelle 4-2
miniert (Vasodilatation, Schock bei Herzindex von >4,0 l/min/m2); Dobutamin ist bei schwerer septischer Kardiomyopathie (Schock bei Herzindex von <4,0 l/min/m2; s. auch 7 Kap. 11) als domi-
nanter Schockursache zusätzlich oder primär angezeigt. Die Differenzierung des Schockzustands – primär »Kreislaufschock« oder »Herzschock« – kann anhand der Interpretation des Herzzeitvolu-
104
Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
1
mens und des systemsichen Gefäßwiderstands erfolgen (7 Kap. 11).
2
Vorgehen
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Auch wenn die evidenzbasierte Datenlage der Herz-Kreislauf-Therapie von Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock noch spärlich ist, so sollten Sie Ihre Volumen- und Katecholamintherapie an hämodynamischen Zielkorridoren orientieren. . Abbildungen 4-1 bis 4-3 sowie . Tabelle 4-13 bieten Ihnen einige Algorithmen an (s. auch 7 Anhang): 5 Die Empfehlung von Dellinger (2003; Expertenmeinung, Empfehlungsgrad E*) orientiert sich primär an invasiven hämodynamischen Zielkriterien, einschließlich des Pulmonalkapillardrucks, und er bezieht die Gabe von aktiviertem Protein C (s. Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« sowie 7 Kap. 21 und 22) und Steroiden (s. Abschnitt »Supportive Therapie des MODS« und 7 Kap. 17) bei nicht ausreichendem Erfolg der Volumen- und Katecholamingabe mit ein. Zusätzlich zu Noradrenalin kommt bei einem Herzindex von <3,0 l/min/m2 Dobutamin zum Einsatz. Persistiert der Schockzustand trotz Standardtherapie, wird zusätzlich Vasopressin verwendet. 5 Der in . Abb. 4-2 aufgeführte Algorithmus verbindet mehrere Empfehlungen (siehe Legende), einschließlich derjenigen des deutschen Expertenforums (. Tabelle 4-6; Burchardi et al. 2000). Die Differenzialtherapie mit Noradrenalin bei »Kreislaufschock« (Herzindex von >4,0 l/min/m2) bzw. mit Dobutamin bei »Herzschock« (Herzindex von <4,0 l/min/ m2) tritt hier am deutlichsten zutage. Betont wird weiterhin die Besserung des klinischen und metabolischen Zustands des Sepsispatienten als wesentlicher Indikator des Ansprechens auf die Therapie. Auch bei diesem Algorithmus handelt es sich um eine Expertenmeinung mit dem Empfehlungsgrad E. 5 Den höchsten Evidenzgrad (B*) besitzt der Algorithmus der »zielorientierten HerzKreislauf-Therapie von schwerer Sepsis und septischem Schock in der Notaufnahme innerhalb der ersten 6 h« (. Abb. 4-3). Strenggenommen gilt dieser Algorithmus allerdings
nur für Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock, welche in der Notaufnahme innerhalb der ersten 6 h behandelt werden. Die in einer kontrollierten Studie derart therapierten Sepsispatienten hatten im Vergleich zu den auf der Intensivstation konventionell behandelten Patienten eine signifikant günstigere Prognose (28-Tages-Letalität von 33,3 % vs. 49,2 %; Rivers et al. 2001; s. auch 7 Kap. 11). Wesentlich für dieses Vorgehen scheint zum einen das Zielkriterium »zentralvenöse Sauerstoffsättigung von mindestens 70 %« und zum anderen die Sicherung eines Hämatokritwertes von mindestens 30 %, ggf. durch Gabe von Erythrozytentransfusionen, zu sein. Inwieweit dieses »Erfolgsrezept« auch auf die Behandlung der Sepsispatienten auf der Intensivstation übertragbar ist, kann derzeit noch nicht entschieden werden.
Therapie der Organdysfunktion der Lunge – akutes Lungenversagen (»acute lung injury«, ALI) und akutes Atemnotsyndrom des Erwachsenen (ARDS) Siehe hierzu auch 7 Kap. 12.
ALI und ARDS ALI und ARDS sind häufige Lungendysfunktionen (International Sepsis Forum 2001, S. 63–79; Engelmann 2000a) im Rahmen der Sepsis, die sich nur im Grad der Funktionseinschränkung unterscheiden. Beiden gemeinsam ist die schwere diffuse Schädigung des Lungenparenchyms mit arterieller Hypoxämie unterschiedlichen Schweregrades (ALI: paO2/FIO2 von <300 mmHg; ARDS: paO2/ FIO2 von <200 mmHg), akutem Beginn, diffusen bilateralen röntgenologisch nachweisbaren Lungeninfiltraten, verminderter Dehnbarkeit (Compliance) der Lungen und einer verringerten funktionellen Residualkapazität.
Lungenprotektive Beatmung zur Senkung der Letalität Die Beatmungskonzepte sind ausführlich in 7 Kap. 12 beschrieben (s. auch . Tabelle 4-14; Inter-
105 Supportive Therapie des MODS
sepsisinduzierte Hypotension
rascher Beginn der Volumensubstitution (Kristalloide bevorzugt1)
Blutdruck akzeptabel
nein
ja
Monitoring in Erwägung ziehen: ZVD2 oder PAK3
Volumensubstitution fortsetzen bis Æ diskrete Zeichen einer intravasalen Volumenüberladung4 oder Æ ZVD 8–14 mmHg oder Æ PCWP5 14–18 mmHg oder Æ SBP6 ≥ 90 mmHg oder Æ MAP7 ≥ 60–65 mmHg
regelmäßige hämodynamische Reevaluierung bis zur Gesundung
SBP6 ≥ 90 mmHg oder MAP7 ≥ 60–65 mmHg
ja
nein
regelmäßige hämodynamische Reevaluierung bis zur Gesundung
– erwäge aPC8 – erwäge Steroide9
HI10 ≥ 3,0
ja oder nicht gemessen
nein
1
Bolusapplikationen 250–1000 ml kristalloider Lösungen über jeweils 5–15 min 2 zentraler Venendruck in mmHg 3 Pulmonalarterienkatheter 4 basale Lungenrasselgeräusche oder Zunahme der pulsoxymetrischen O2-Sättigung 5 Pulmonalakapillardruck (»pulmonary capillary wedge pressure«) in mmHg 6 systolischer Blutdruck in mmHg 7 mittlerer arterieller Druck in mmHg 8 aktiviertes Protein C (Drotrecogin alpha, Xigris; Kap. 21) 9 Hydrocortison ± Fludrocortison (Kap. 17) 10 Herzindex in l/min/m2KOF
ja
Vasopressoren; bevorzugt: Noradrenalin Æ SBP ≥ 90 mmHg oder Æ MAP ≥ 60–65 mmHg
Vasopressoren; bevorzugt: Noradrenalin Æ SBP ≥ 90 mmHg oder Æ MAP ≥ 60–65 mmHg und Dobutamin Æ HI ≥ 3,0
SBP ≥ 90 mmHg oder MAP7 ≥ 60–65 mmHg
• Reevaluierungsintervall festlegen • regelmäßige Versuche des Vasopressoren-Weaning unter Wahrung der Blutdruckkriterien
nein
• falls nicht schon etabliert: ZVD- oder PAK-Monitoring in Betracht ziehen • zusätzlicher Vasopressor (in Betracht ziehen: Vasopressin; 0,01–0,04 U/min)
. Abb. 4-1. Algorithmus der kardiovaskulären Therapie des septischen Schocks. (Nach Dellinger 2003)
4
106
Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
1 2 3 4
Schwere Sepsis/septischer Schock Zielkriterien (ZVD 8–10–12–14; MAP ≥60–65–70 bis 90; SBP ≥90–100: Hkt ≥30%: ScvO2 ≥70%: PCWP 14–18 Therapie: Volumen, Noradrenalin, Ery-Konzentrate, Dobutamin, (Hydrocortison?) Æ Zielkriterien erreicht: o.k. Zielkriterien nicht erreicht
HI > 4,0
5
Noradrenalin
6
nicht erfüllt:
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Anzustreben! ScvO2 ≥70% HI > 4 MAP >70–80 Diurese >0,5
HI < 4,0 Dobutamin nicht erfüllt:
Laktat + Noradrenalin
+ Dobutamin
+ Adrenalin
Klinische Besserung des MODS
+ Adrenalin
Die Herz-Kreislauf-Therapie hat die hämodynamische Stabilisierung und damit die Besserung des klinischen Zustands und des MODS des Patienten zum Ziel. Dazu dienen hämodynamische Parameter (ScvO2, MAP), aber auch klinische Paramter, welche eine Besserung des MODS und eine Stabilisierung des Patienten anzeigen. ZVD zentraler Venendruck (mmHg); MAP mittlerer arterieller Druck (mmHg); SBP systolischer Blutdruck (mmHg); Hkt Hämatokrit (%); ScvO2 zentralvenöse Sauerstoffsättigung (%); PCWP Pulmonalkapillardruck (mmHg); HI Herzindex; Diurese: Angabe in ml/kgKG/h. Bei koronarkranken Sepsispatienten sollte ein mittlerer arterieller Druck von mindestens 80 mmHg angestrebt werden, um das Risiko von Myokardischämien zu reduzieren.
. Abb. 4-2. Algorithmus der Herz-Kreislauf-Therapie der schweren Sepsis und des septischen Schocks
national Sepsis Forum 2001, S. 63–79; Engelmann 2000a und 2000b). Die Beatmung sollte effizient, aber dennoch lungenprotektiv (American Thoracic Society, European Society of Intensive Care Medicine, Societé de Reanimation Langue Francaise 1999) erfolgen und selbst nicht die bereits bestehende Proinflammation der Sepsis durch Freisetzung von Zytokinen aus der beatmeten Lunge (Ranieri et al. 1999) weiter fördern. Die lungenprotektive Beatmung »Atemzugvolumen von initial 6 ml/kgKG und inspiratorischer Plateaudruck von ≤30 mbar« ist dem eher konventionellen Konzept »Atemzugvolumen von initial 12 ml/kgKG und inspiratorischer Plateaudruck von ≤50 mbar« eindeutig überlegen (Letalität von 31,0 % vs. 39,8 %; The Acute Respiratory Distress Syndrome Network 2000, s. 7 Anhang). Sie ist durch 3 Merkmale gekennzeichnet: 5 Begrenzung des Atemzugsvolumens, z. B. auf 6 ml/kgKG (The Acute Respiratory Distress Syndrome Network 2000);
5 Begrenzung des oberen Plateaudrucks, z. B.
30 mbar (The Acute Respiratory Distress Syndrome Network 2000; Weg et al. 1998) oder unterhalb des oberen Flexionspunkts der statischen Druck-Volumen-Kurve (Lee et al. 2000); 5 Applikation eines ausreichend hohen PEEP, z. B. 9,4 ± 3,6 mbar (The Acute Respiratory Distress Syndrome Network 2000), anhand von PEEP-/FiO2-Tabellen, 7 Anhang, oder oberhalb des unteren Flexionspunkts der statischen Druck-Volumen-Kurve, z. B. 13,2– 16,4 mbar.
Weaning: standardisierte Entwöhnungsprotokolle sind besser als »Probieren« Bei Problempatienten kann die Weaning-Phase 40 % und mehr der Gesamtbeatmungszeit betragen. Das Vorgehen nach einem standardisierten Entwöhnungsprotokoll im Vergleich zum Weaning nach individuellen Entscheidungen reduziert die
107 Supportive Therapie des MODS
4
Patienten in der Notaufnahme: 2 von 4 SIRS-Kriterien und • SBP1 ≤90 mmHg nach Volumengabe2 oder Serumlaktat ≥4 mmol/l • •
O2-Unterstützung ± Intubation + maschinelle Beatmung
zentralvenöse und arterielle Katheterisierung3
Analgosedierung
ZVD4 <8 mmHg
Kristalloide4 Kolloide4
ZVD 8–12 mmHg <65 mmHg MAP5
>90 mmHg
vasoaktive Substanzen6
≥65 mmHg ≤90 mmHg Erythrozytentransfusion bis Hkt ≥30%
ScvO27 <70%
Dobutamin8
ScvO2 ≥70%
Nein
Ziel erreicht
ScvO2 ≥70% ScvO2 <70%
Ja
Verlegung auf Intensivstation
1
SBP = systolischer Blutdruck nach Volumenvorgabe = nach Gabe von 20–30 ml kristalloider Lösungen /kg KG innerhalb von 30 min 3 Wählen Sie als zentralvenösen Katheter einen mit der Möglichkeit zur kontinuierliche Messung der zentralvenösen O2-Sättigung; behalten Sie diese während des Aufenthalts des Patienten in der Notaufnahme (≥6 h) bei, nach Aufnahme des Patienten auf die Intensivstation können Sie diese beenden. 4 ZVD = zentraler Venendruck; geben Sie zur Erreichung des ZVD-Zielkriteriums »8–12 mmHg« alle 30 min einen 500-ml-Bolus einer kristalloiden Lösung 5 MAP = mittlerer arterieller Druck 6 Setzen Sie zur Erreichung des MAP-Zielkriterium »≥65 mmHg und ≤90 mmHg« bei einem MAP von <65 mmHg einen Vasopressor und bei einem MAP von >90mmHg einen Vasodilatator ein 7 ScvO2 = zentralvenöse Sauerstoffsättigung; geben Sie bei einem ScvO2-Wert von <70% Erythrozytenkonzentrate bis zur Erzielung eines Hämatokrit-(Hkt)-Wertes von ≥30% 8 Persisitiert nach Erreichen der Zielkriterien für ZVD, MAP und Hämatokrit ein ScvO2 von <70%, so sollten Sie eine Dobutamininfusion mit 2,5 µg/kgKG/min beginnen und bis zur Erzielung eines ScvO2 von ≥70% alle 30 min um 2,5 µg/kgKG/min bis zur Maximaldosis von 20 µg/kgKG/min steigern. Reduzieren Sie die Dobutamindosis oder stellen Sie die Dobutamininfusion ab , wenn der MAP auf <65 mmHg sinkt oder die Herzfrequenz auf >120/min steigt. Um den Sauerstoffverbrauch zu reduzieren, sollten Sie diejenigen Patienten, bei denen keine hämodynamische Stabilisierung erzielt werden kann, analgosedieren und maschinell beatmen. 2
. Abb. 4-3. Algorithmus der frühen zielorientierten Herz-Kreislauf-Therapie in den ersten 6 h auf der Notaufnahme bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock. (Nach Rivers et al. 2001)
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
. Tabelle 4-13. Hinweise für die Praxis: Therapie mit vasoaktiven/inotropen Substanzen bei Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock (s. auch 7 Kap. 11). [In Anlehnung an eine Konsensuskonferenz für den septischen Schock (Kvetan et al. 1998) und das Internationale Sepsis-Forum 2001, S. S 80–S 92) sowie *eigene Empfehlungen] 5 Wann Beginn? Welche Durchführung? – Erste Priorität: Volumensubstitution, bei 20–30% ausreichend – Simultan zur Volumensubstitution: Gabe von Substanzen mit vasopressorischen und inotropen Eigenschaften (erforderlich bei 70–80% der Patienten) bei ausgeprägter Hypotonie und Organdysfunktion – Generelle Praxis: Applikation durch zentrale und nicht durch periphere Venenkatheter – Möglichst bald nach Legen des zentralen Venenkatheters Röntgenkontrolle der korrekten Platzierung – Frühe Etablierung des intraarteriellen Blutdruckmonitorings: Fehlpunktionen sollten Behandlung nicht verzögern – Zentraler Venendruck: → Niedrig: weitere Volumengabe erforderlich → Im Normbereich oder hoch: kein verlässlicher Indikator für die weitere Therapie mit Volumen und vasoaktiven Substanzen → Kein guter Indikator zur Titrierung des optimalen und sicheren hydrostatischen Drucks und des Herzzeitvolumens 5 Welche vasoaktiven/inotropen Substanzen? – Initialtherapie: Substanzen mit sowohl vasopressorischen als auch inotropen Eigenschaften (Noradrenalin, Dopamin). Noradrenalin ist zur Initialtherapie akzeptiert, bei vermuteter oder gesicherter Myokarddysfunktion sollte die zusätzliche Gabe von Dobutamin in Erwägung gezogen werden (Empfehlungsgrad B). – *Ein deutsches Expertenforum (Burchardi et al. 2000) empfiehlt dagegen eindeutig Noradrenalin im Falle der Dominanz der Gefäßschädigung und Dobutamin bei Dominanz der Herzschädigung (. Abb. 4-2). – Bei Tachyarrhythmien: Noradrenalin dürfte dem Dopamin vorzuziehen sein; der Einsatz von Phenylephrin kann in Erwägung gezogen werden. – Niedrigdosiertes Dopamin zur Prävention/Behandlung des akuten Nierenversagens ist nicht indiziert (Empfehlungsgrad B). – Der Einsatz einer rein vasopressorischen Substanz, wie Phenylephrin, oder einer rein inotropen Substanz, wie Dobutamin, wird als Initialtheapie nicht empfohlen. *Siehe andererseits die Empfehlungen des deutschen Expertenforums (Burchardi et al. 2000), welches eindeutig Noradrenalin im Falle der Dominanz der Gefäßschädigung und Dobutamin bei Dominanz der Herzschädigung empfiehlt (. Tabelle 4-6 und . Abb. 4-2) – Adrenalin: als Initialtherapie nicht empfohlen wegen ungünstiger Effekte auf die Splanchnikusdurchblutung und den Stoffwechsel (erhöhte Laktatproduktion) (Empfehlungsgrad B) 5 Welche Ziekriterien? – Primäre Zielkriterien in der frühen Schockphase: Rückgängigmachen der Hypotonie und der Organdysfunktion – Nicht adäquat: Transiente Verbesserung des zerebralen und renalen Blutflusses durch Vasopressoren ohne Verbesserung der Gewebehypoxie! – Bei inadäquatem Ansprechen auf Monotherapie: empirische Kombinationstherapie erforderlich, ohne dass spezifische Empfehlungen gegeben werden können – Monitoring: → Klinische Beurteilung, arterielle Blutgase → Zusätzliche Information durch Messung von Herzzeitvolumen und gemischtvenöser Hämoglobinsättigung, falls verfügbar → Keine schlüssige Evidenz, dass Pulmonalarterienkathetermonitoring die Prognose von Patienten mit septischem Schock verbessert (Empfehlungsgrad D), aber das Monitoring kann helfen, die Patientenbehandlung und die Korrektur hämodynamischer Dysfunktionen rascher und effektiver zu führen (s. auch . Tabelle 4-6 und . Abb. 4-1). 5 Supranormale O2-Versorgung nicht sinnvoll (s. auch . Tabelle 4-2, »Systemisches Sauerstoffangebot«)! – Nach Erzielen eines adäquaten Blutdrucks mit regelrechtem mentalem Status und hinreichender Diurese hat die Optimierung des Herzzeitvolumens Priorität! – Ein höheres Herzzeitvolumen und ein höherer Sauerstofftransport als bei Gesunden können erforderlich sein, dies muss aber anhand des klinischen und metabolischen Zustands des Patienten geführt werden. – Rechts- und Linksherzinsuffizienz bei Sepsis dürfen nicht unterschätzt werden; v. a. ältere Patienten können dafür anfällig sein. Unter solchen Umständen sollte die Gabe von Medikamenten mit primär inotropen Eigenschaften in Erwägung gezogen werden, auch wenn die Myokarddepression (. Kap. 12) dadurch nicht vollständig ausgeglichen werden kann – Das Titrieren vasoaktiver, insbesondere inotroper, Medikamente auf vorgegebene, supranormale Werte kann bei septischen Intensivpatienten nicht empfohlen werden (Empfehlungsgrad A)!
109 Supportive Therapie des MODS
4
. Tabelle 4-14. Hinweise für die Praxis: Protektion und Behandlung früher Organdysfunktionen bei Sepsis. [In Anlehnung an eine Konsensuskonferenz für den septischen Schock (Kvetan et al. 1998), an das International Sepsis Forum 2000, S. S 63–S 79 und *eigene Empfehlungen] 5 Allgemeine Richtlinien – Bei den meisten Patienten liegen bei Aufnahme auf die Intensivstation bereits frühe Organdysfunktionen vor; insofern decken sich Protektion und Behandlung (Empfehlungsgrad E). – Generelle Protektion und Behandlung der Organdysfunktionen beinhalten: Vollständige und rasche Kreislaufstabilisierung und Verhinderung oder rasche Korrektur von Hypoxie, Hypovolämie, Hypotonie, niedrigem Herzzeitvolumens und ausgeprägter Anämie. – Sicherheit und Effektivität der Protektion und Behandlung von Organdysfunktionen erfordern ein Monitoring des Patientenstatus und des Ansprechens auf Therapie. *Für letzteres sprechen: Anstieg des systemischen Gefäßwiderstands, Absinken im APACHE-II-/SAPS-II-/SOFA-Score, Absinken im Sepsisscore nach Elebute u. Stoner. – Die Behandlung einer Organdysfunktion kann sich aufgrund der komplexen Interaktionen im MODS auf andere Organe auswirken. Therapieprioritäten einer spezifischen vor einer anderen Organdysfunktion werden nicht gesehen, wohl aber häufige Therapieanpassungen an das rasch wechselnde klinische Bild. 5 Organdysfunktion: Lunge (7 Kap. 12, s. auch 7 Anhang) – Versorgen Sie alle Patienten mit septischem Schock mit Sauerstoff (Empfehlungsgrad E)! – Ziehen Sie dringlich frühe Intubation und maschinelle Beatmung in Betracht (Empfehlungsgrad E); bei persistierendem septischem Schock müssen Sie mit der Beatmungspflichtigkeit meist innerhalb von 24–48 h rechnen! – Beachten Sie besonders während der Volumentherapie die Gefahr des Lungenödems (Empfehlungsgrad E)! – Vermeiden Sie hohe Beatmungsdrücke (Empfehlungsgrad B)! – *ARDS-Patienten mit lungenprotektiver, drucklimitierter Beatmung mit niedrigen Atemzugvolumina (6 ml/kgKG) haben eine geringere Letalität als diejenigen mit konventioneller Beatmung und hohen Atemzugvolumina (12 ml/ kgKG) (7 Kap. 12 und The Acute Respiratory Distress Syndrome Network 2000) (Empfehlungsgrad B). 5 Organdysfunktion: Niere (7 Kap. 13) – Ein akutes Nierenversagen unterschiedlichen Ausmaßes findet sich bei den meisten Patienten mit septischem Schock. Die Funktion der Niere wird durch die Angemessenheit der Stabilisierungsbehandlung des Zentralkreislaufs beeinflusst. – Der erste Schritt ist wiederum eine angemessene und rasche Volumensubstitution, um den Intravasalraum aufzufüllen, ein adäquates Herzzeitvolumen zu erzielen und die Hypotonie zu korrigieren. – Setzen Sie bei nicht ausreichendem renalem Perfusionsdruck bei Hypotonie trotz adäquater Volumensubstitution vasoaktive und inotrope Substanzen zur Korrektur der Hypotonie ein! – Verhindern und korrigieren Sie rasch Hypoxie und ausgeprägte Anämie! – Der Einsatz nephrotoxischer Medikamente (z. B. Aminoglykoside, Amphotericin) sollte – falls überhaupt notwendig – mit Vorsicht erfolgen. – Die Gabe nephroprotektiver Substanzen – wie niedrig dosiertes Dopamin, Schleifendiuretika, Mannitol, Kalziumantagonisten, Theophyllin, Prostaglandine u. a. – kann nicht empfohlen werden (Empfehlungsgrad E). 5 Organdysfunktion: Gehirn und *Nervensystem (7 Kap. 16) – Hypoxie und/oder Hypoglykämie können zur Hirnschädigung führen! → Geben Sie allen Patienten Sauerstoff, bis der Oxygenierungsstatus feststeht! → Blutglukosebestimmung: Vermeiden und korrigieren Sie rasch eine Hypoglykämie (Empehlungsgrad E)! → Beginnen Sie bei anderweitig inadäquater O2-Versorgung unverzüglich mit der maschinellen Beatmung (Empfehlungsgrad E)! – Hyperkapnie kann ein Hirnödem gravierend verschlimmern (*Cave: Im Tierexperiment deutliche Steigerungen des intrakraniellen Drucks durch permissive Hyperkapnie; Mende et al. 2001)! Vermeiden Sie durch eine adäquate maschinelle Beatmung das Auftreten einer Hyperkapnie! – Die Hirnperfusion ist abhängig von einem intakten Zentralkreislauf mit adäquater intravasaler Füllung, normalem Herzzeitvolumen, adäquatem Blutdruck und adäquater Hämoglobinkonzentration. Die Kreislaufbehandlung sollte dieses Ziel so rasch wie möglich erzielen (Empfehlungsgrad E). – Schließen Sie bei allen Patienten mit septischem Schock ZNS-Infektionen aus (Empfehlungsgrad E)! – Natriumdysäquilibria können Hirnschäden hervorrufen, ebenso wie deren rasche Korrektur. Messen Sie den Serumnatriumwert initial und im weiteren Verlauf und korrigieren Sie ihn ggf. vorsichtig (Empfehlungsgrad E). – *In einer retrospektiven Analyse zeigten frühzeitig mit Immunglobulin GMA (Pentaglobin) behandelte Patienten mit gramnegativer Sepsis und Multiorganversagen eine geringere Inzidenz an »critical illness neuropathie« (Mohr et al. 1997).
110
1
. Tabelle 4-14. (Fortsetzung) 5 Organdysfunktion: Splanchnikuskreislauf (7 Kap. 14) – Günstig auf den Splanchnikuskreislauf wirkt sich die rasche Wiederherstellung und Stabilisierung des Zentralkreislaufs aus, mit Volumentherapie und Erzielung eines adäquaten Herzzeitvolumens und Blutdrucks. – Eine Hypotonie beeinflusst den Splanchnikuskreislauf ungünstig; der Einsatz von vasoaktiven/inotropen Agenzien zur Blutdruckstabilisierung kann empfohlen werden, nicht jedoch ein spezielles; * aber: Noradrenalin und Dobutamin scheinen am günstigsten zu sein (7 Kap. 11; Burchardi et al. 2000; Dellinger 2003). – Die Magenmukosatonometrie kann noch nicht als Routineverfahren zur Dokumentation einer adäquaten Splanchnikusperfusion vorgeschlagen werden. – Sucralfat und Histamin-H2-Blocker können Sie zur Stressulkusprophylaxe einsetzen. – Den Beginn der enteralen Ernährung können Sie bis nach Durchführung der Initialtherapie prolongieren. 5 Organdysfunktion: *Gerinnung (7 Kap. 18–22) – *Für Heparin gibt es keine gesicherte Indikation bei Sepsis, von der generellen Thromboseprophylaxe mit niedrig dosiertem Heparin bei Bettlägerigen abgesehen. – *Die manifeste disseminierte intravasale Gerinnung können sie durch Antithrombin wirksam behandeln (Empfehlungsgrad Aa,b). – Aktiviertes Protein C (Xigris) senkt die Letalität bei früher schwerer Sepsis (s. 7 Anhang). – *Antithrombin führt im Sepsisgesamtkollektiv zu keiner Senkung der Letalität (Empfehlungsgrad Ba,b). – *Gewebethromboplastininhibitor (TFPI, »tissue factor pathway inhibitor«) führt zu keiner Senkung der Letalität im Sepsisgesamtkollektiv (Empfehlungsgrad Ba,b). 5 Organdysfunktion: *Nebennierenrinde (7 Abschnitt »Symptomatische Therapie des MODS« und 7 Kap. 17) – *Substitution mit Hydrokortison stabilisiert bei Patienten mit septischem Schock – v. a. bei denjenigen mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz – die Kreislaufsituation (Einsparung von Katecholaminen) und senkt wahrscheinlich auch die Letalität, letzteres allerdings nur bei Patienten mit refraktärem septischem Schock und relativer Nebennierenrindeninsuffzienz (s. 7 Anhang; Annane et al. 2002; Vincent et al.2002). 5 Organdysfunktion: Stoffwechsel (7 Kap. 15) – Glukosestoffwechsel → Es ist wichtig, Hypoglykämien zu vermeiden. → *In einer Studie mit 1563 chirurgischen Intensivpatienten (>5 Tage) senkte die konsequente Blutzuckereinstellung auf 80–110 mg/dl mittels intensivierter Insulintherapie die Sterblichkeit auf der Intensivstation von 8,0 auf 4,6%, das Auftreten eines Multiorganversagens mit septischem Fokus (n=33 vs. n=8) sowie die Bakteriämiehäufigkeit von 7,8 auf 4,2% (s. 7 Anhang; 7 Abschnitt »Infektionsprophylaxemaßnahmen zur Verhinderung des Auftretens einer nosokomialen Sepsis« und 7 Kap. 15; Van den Berghe 2001). – Laktatazidose → Laktatelimination bessert die Prognose nicht. → NaHCO3-Gabe zeigt keinen günstigen Effekt, wobei einige Ärzte NaHCO3 bei sehr niedrigem arteriellen pH-Wert anwenden. – Immunnutrition → Die meisten Studien zur parenteralen und enteralen Immunnutrition (Arginin, Glutamin, verzweigtkettige Aminosäuren, Nukleotide, ω-3-Fettsäuren) wurden mit heterogenen Populationen kritisch Kranker durchgeführt. Es gibt derzeit keine definitive Evidenz dafür, dass eine Immunnutrition die Prognose des Patienten mit septischem Schock bessert; möglicherweise profitieren Sepsispatienten mit niedrigem APACHE-II-Score (7 Kap. 15). → Eine kleine Studie mit kritisch Kranken lässt eine Verbesserung der 6-Monats-Prognose durch eine Glutaminsupplementation vermuten (Griffiths et al. 1997). → Innerhalb der ersten 24 h des septischen Schocks ist die Ernährungsbehandlung nicht entscheidend
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a b
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
Eigene Einschätzungen. Spezifische Sepsiseinschlusskriterien beachten (s. entsprechende Kapitelverweise und Originalzitate).
111 Supportive Therapie des MODS
Beatmungsdauer und führt zu einer höheren Erfolgsrate (Esteban u. Alia 1998; Alia u. Esteban 1999; Kuhlen u. Roissant 1999).
Weaning 5 Voraussetzungen für den Beginn der Entwöhnung: – Ursache für Beatmung: gebessert oder beseitigt – Gasaustausch: paO2/FIO2 von >200 mmHg bei PEEP von ≤5 mbar – Herz-Kreislauf-System stabil – Patient wach – Quotient f/Vt <105 (f: Atemfrequenz/ min; Vt: Atemzugvolumen = Tidalvolumen [l]) 5 Versuch der Spontanatmung, falls Voraussetzungen erfüllt: – druckunterstützte Beatmung (7 mbar) oder T-Stück für 30 min – Versuch der Spontatmung erfolgreich (gute Toleranz): Extubation – Versuch der Spontanatmung nicht erfolgreich (schlechte Toleranz): ventilatorischer Support mit erneutem graduellen Entzug wie oben dargestellt (einmal täglich Versuch der Spontanatmung mit druckunterstützter Beatmung von <8 mbar oder T-Stück für 2 h; bei guter Toleranz: Extubation, bei schlechte Toleranz weiter Entwöhnung wie oben dargestellt)
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5 extrakorporale Membranoxygenierung. 5 Ketokonazol senkt bei ALI und ARDS weder
die Letalität noch verkürzt es die Dauer der maschinellen Beatmung (The ARDS Network Authors for the ARDS Network 2000).
Der Herzkranke als beatmungspflichtiger Sepsispatient Siehe hierzu auch 7 Kap. 12 und Seige et al. 2001.
Langzeitschäden bei ARDS-Patienten Zwölf Monate nach überlebtem ARDS finden sich neben eher geringen pulmonalen Restschäden (zu 6 % arterielle O2-Sättigung unter Belastung von <88 %, Einschränkung der Diffusionskapazität) v. a. extrapulmonale Defizite – insbesondere Muskelschwund und Schwäche –, welche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität einschränken (Herridge et al. 2003). Therapiekonzepte fehlen bisher.
Therapie der Organdysfunktion der Nieren – akutes Nierenversagen Siehe hierzu auch 7 Kap. 13. Das akute Nierenversagen (ANV) ist eine wesentliche Komplikation der Sepsis und v. a. des septischen Schocks (. Tabelle 4-14); 25 % der Fälle von ANV treten im Rahmen eines MODS auf, wobei die Letalität dieser Gruppe in Abhängigkeit zusätzlich erworbenen Organversagens bei 50– 90 % liegt. ! Die wichtigste und effektivste Prophylaxe des
Alternative Beatmungsstrategien Das Konzept der nichtinvasiven Beatmung (7 Kap. 12; Hoffmann u. Welte 1999) steht bei Sepsispatienten nicht im Zentrum des Interesses. Bei komplizierter Beatmungssituation sind weitere Verfahren – teils noch in Erprobung – möglich (7 Kap. 12): 5 Lagerung, insbesondere Bauchlage, 5 »Open-lung«-Konzept (Engelmann 2000b), 5 Vermeidung der permissiven Hyperkapnie (Mende et al. 2001) durch Anpassung der Atemfrequenz, 5 Gabe von Surfactant und inhalativen Vasodilatoren, wie Stickoxid und Prostazyklin,
akuten Nierenversagens ist die ausreichende Volumenzufuhr!
Verfahren der Nierenersatztherapie Siehe hierzu auch 7 Kap. 13 und (Kierdorf 2001). Nierenersatzverfahren erlauben eine effektive Behandlung des ANV, während in der Regel der zugrunde liegende Schockzustand, die Sepsis und das MODS therapeutisch weniger erfolgreich angegangen werden können. Falls diese Patienten sterben, so nicht am, sondern im akuten Nierenversagen. Standardverfahren sind die Hämofiltration und die Hämodiafiltration. Ob bei erforderlich
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
werdender Hämodialyse bei akutem Nierenversagen Schwerkranker durch den Einsatz von Polyacrylnitril- im Vergleich zu Cuprophanmembranen eine bessere Prognose (geringere Sepsisrate) erzielbar ist, wird kontrovers diskutiert (Schlee et al. 1998).
»High-volume«-Hämofiltration als immunmodulierende Therapie bei septischem Schock? Die Standardhämofiltrationsrate liegt bei 1–2 l/h (Brady u. Singer 1995; Expertenforum Intensivmedizin 1995). Die Hoffnung, mit diesem Standardverfahren in relevanten Mengen deletäre Mediatoren zu eliminieren, hat sich nicht bestätigt. Zwar können immunmodulatorische Substanzen, wie Zytokine (Hoffmann et al. 1996) und kardiotoxische Faktoren (Hoffmann et al. 1999),Hämofiltrationsmembranen passieren – ein wesentlicher Abfall der Plasmakonzentrationen dieser Substanzen scheint jedoch dadurch nicht zustande zu kommen, obwohl eine vorübergehende Kreislaufstabilisierung – messbar als Anstieg des systemischen Gefäßwiderstands – beschrieben ist (Hoffmann et al. 1996). Die »High-volume«-Hämofiltration arbeitet mit Durchsatzraten von 6 l/h (Cole et al. 2001). In einem 8-h-Intervall ließ sich damit bei Patienten mit septischem Schock und akutem Nierenversagen im Vergleich zur Standardtherapie (1 l/h) die Vasopressorengabe (Noradrenalin) in stärkerem Maße reduzieren, ohne dass wesentliche Unterschiede bei den hämodynamischen Parametern »mittlerer Blutdruck«, »Herzindex«, »mittlerer Pulmonalisdruck« und »mittlerer rechtsatrialer Druck« gefunden wurden. Die Plasmaspiegel von Komplement C3a und C5a sowie von Interleukin-10 fielen bei beiden Verfahren vergleichbar ab, wobei das Integral des Abfalls für C3a und C5a bei der »High-volume«-Hämofiltration signifikant größer war. Die Plasmaspiegel von Interleukin-2, Interleukin-8 und Tumornekrosefaktor zeigten mit keinem der beiden Verfahren einen nennenswerten Abfall (Cole et al. 2001). Der klinische Nutzen der Katecholamineinsparung und der Komplementspiegelsenkung der »High-volume«-Hämofiltration bleibt noch zu zeigen.
Stellenwert spezieller extrakorporaler Verfahren in der Sepsistherapie 5 Nicht zur Behandlung des akuten Nierenversagens, sondern zur Mediatorelimination und Immunmodulation wurde die Plasmapherese eingesetzt. Kleinere Studien haben mehrfach über günstige Effekte berichtet; der evidenzbasierte Nachweis einer letalitätssenkenden Wirkung steht jedoch aus (Stegmayr 2001). 5 Mit der Adsorptionsapherese scheint nach ersten kasuistischen Mitteilungen (Samtleben et al. 1997 und 1998) eine Endotoxinelimination möglich; auch hier fehlen jedoch kontrollierte Studien. 5 Das Konzept der Adsorption von Endotoxin an eine Albuminsäule scheint klinisch keine ausreichende Relevanz zu besitzen (Reinhart et al. 2004).
Therapie der Organdysfunktion von Gehirn, autonomem und peripherem Nervensystem und Skelettmuskulatur Siehe hierzu auch 7 Kap. 16. Das systemische Inflammations-ReaktionsSyndrom (SIRS) und die Sepsis sind durch die Aktivierung einer Vielzahl humoraler und zellulärer Störungen der Homöostase geprägt. Sie führen auch zu verschiedenen Beeinträchtigungen des neuralen und neuromuskulären Systems, vermutlich durch Permeabilitäts- und Mikrozirkulationsstörungen sowie Toxin- und Mediatorwirkungen. Komplizierend wirken sich weiterhin die Kreislaufinstabilität sowie Störungen des SäureBasen-Haushalts und des Stoffwechsels aus; dagegen richten sich die wenigen Therapiemöglichkeiten (. Tabelle 4-14.). Die beiden Hauptmanifestationen – septische Enzephalopathie und Polyneuropathie des kritisch Kranken – treten bei bis zu 70 % der Schwerkranken auf. Eine gesicherte spezifische Therapie ist nicht bekannt; die z. T. prolongierte Ausheilung korreliert mit der Beherrschung von SIRS und Sepsis.
113 Supportive Therapie des MODS
Septische Enzephalopathie Die septische Enzephalopathie ist eine reversible Dysfunktion des Zentralnervensystems ohne erkennbare strukturelle Schäden, die bei 9–23 % der Patienten mit Sepsis und bei 50–71 % der Patienten mit schwerer Sepsis vorkommt. Ätiologie und Pathogenese sind noch unzureichend bekannt. Die septische Enzephalopathie kann sich bereits bei Blutdruckwerten manifestieren, die oberhalb der Schockschwelle liegen. Konzentrationsstörungen, Irritabilität, Agitation, Desorientiertheit, Konfusion, Somnolenz, Stupor oder Koma sind die klinischen Manifestationen. Stets müssen bei der Diagnosestellung zahlreiche andere Differenzialdiagnosen einer zerebralen Störung mit bedacht werden. Hilfreich ist das EEG, während Bildgebung und Liquoruntersuchung meist unauffällig sind. Als prognostisch aussagekräftigster Parameter gilt derzeit der »Glasgow Coma Score«, dessen Höhe invers mit der Sterblichkeit dieser Patienten korreliert. Es besteht eine Korrelation von gramnegativer als auch grampositiver Bakteriämie und Schweregrad der septischen Enzephalopathie. Bei erfolgreicher Behandlung der Sepsis kommt es zu einer raschen Besserung der septischen Enzephalopathie.
Neuropathie und Myopathie des kritisch Kranken Das klinische Bild von Polyneuropathie und Myopathie ist durch eine Schwäche der Extremitäten, Hyporeflexie, verzögerte Respiratorentwöhnung und durch eine komplikationsreiche, verlängerte motorische Rehabilitation mit erhöhter Letalität gekennzeichnet. Muskelrelaxanzien und Kortikosteroide können zusätzliche schädigende Effekte am neuromuskulären System hervorrufen, die sich als transiente neuromuskuläre Blockade, axonale motorische Neuropathie oder Myopathie der dicken Filamente zeigen. Wegen der eingeschränkten klinisch-neurologischen Beurteilung eines Intensivpatienten kommt den elektrophysiologischen Untersuchungen (Elektromyo- und Elektroneurographie), der Messung der Kreatinkinasekonzentration im Serum, der Muskel- und Nervenbiopsie, der Liquorpunktion und gelegentlich der Kernspintomographie eine große diag-
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nostische und differenzialdiagnostische Bedeutung zu. Eine gesicherte Therapie der »Critical-ilness«Neuropathie und -Myopathie ist nicht bekannt. Remissionen treten oft erst nach Wochen bis Monaten auf. Nach schwerem Krankheitsverlauf finden sich zu >90 % noch nach Jahren Muskelschwäche und neurologische Defizite (Fletcher et al. 2003). In einer retrospektiven Analyse fanden sich bei Patienten mit gramnegativer Sepsis und MODS signifikant seltener Polyneuropathien bei denjenigen Patienten, die frühzeitig mit i.v.-Immunglobulin (ivIgGMA, Pentaglobin) als supportivem Sepsistherapeutikum behandelt worden waren (Mohr et al. 1997). Muskelschwund und Schwäche stellen bei ARDS-Patienten ein Jahr nach überlebter Erkrankung die wesentlichen, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität beeinträchtigenden Symptome dar (Herridge et al. 2003; Hudson u. Lee 2003).
Autonome Dysfunktion Siehe hierzu auch 7 Kap. 11. Septisches und nichtseptisches MODS sind durch eine autonome Dysfunktion geprägt, welche sich als Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität sowie der Baro- und Chemoreflexsensitivität bemerkbar macht, im Ausmaß mit dem Schweregrad des MODS korreliert und auch bei Intensivpatienten verlässlich und praktikabel messbar ist (Schmidt et al. 2000 und 2001). Eine gezielte Therapie der autonomen Dysfunktion des MODS-Patienten existiert bisher nicht.
Therapie der Organdysfunktionen des Gastrointestinaltrakts und der Leber 5 Die Optimierung der Splanchnikusperfusi-
on (. Tabelle 4-14) steht therapeutisch im Vordergrund! Therapierefraktärer Aszites, hepatorenales Syndrom, Hyponatriämie (Gülberg u. Gerbes 2003) und hepatopulmonales Syndrom (Fallon u. Abrams 2000) können bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen den Sepsisverlauf komplizieren. 5 Die Relevanz der bakteriellen und Endotoxintranslokation bei Sepsis wird unterschied-
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
lich beurteilt. Praktische Konsequenzen im Sinne einer selektiven Darmdekontamination (SDD) sind auf wenige Risikogruppen beschränkt (s. unten): – akute Cholezystitis (7 Kap. 4 »Akalkulöse Cholezystitis«, – Stressulkus und Ulkusblutung (s. unten: »Allgemeine Prophylaxemaßnahmen« 7 Kap. 4. 5 Die septische Hepatopathie (Beno et al. 2003) imponiert klinisch durch den Ikterus, funktionell ist die eingeschränkte Syntheseleistung entscheidend. Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt.
Diagnostik der Gerinnungs- und Fbrinolysestörung bei Sepsis
Therapie der Dysfunktionen von Gerinnung und Fibrinolyse
DIC-Prophylaxe
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Siehe hierzu auch . Tabelle 4-14 und 7 Kap. 18–22, Anhang.
Laborchemisch ist die DIC folgendermaßen charakterisiert: 5 Thrombozyten ↓, 5 PTT ↑, 5 Prothrombinzeit ↑, 5 Fibrinogen ↓, 5 Thrombinzeit ↑, 5 AT ↓, 5 D-Dimere ↑, 5 Fibrinmonomere ↑, 5 Thrombin-Antithrombin-Komplex ↑, 5 Fibrinopeptid A ↑, 5 Prothrombinfragmente (F1, F2) ↑.
Kontrollierte Studien zur Prophylaxe der intravasalen Gerinnung bei Schock und Sepsis gibt es bisher nicht.
Gerinnung und Fibrinolyse bei Sepsis
Therapie der klinisch manifesten DIC (Riess 1998)
Die Sepsis verursacht eine Aktivierung des Gerinnungssystems sowie eine initiale Aktivierung und anschließende Hemmung der Fibrinolyse! Die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) ist klinisch durch die Kombination von Blutungen (Petechien, Purpura, Ekchymosen, verstärkte Blutungen nach Gefäßpunktionen) und Thrombosen (Gangrän, akrale Zyanose, Hautnekrosen, tiefe Venenthrombosen) charakterisiert, und zwar als Ausdruck von mikroangiopathischer Hämolyse, Verbrauchsthrombozytopenie, Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, Mikrothromben und fehlgesteuerter Fibrinolyse. Die DIC findet sich bei unterschiedlichen Erkrankungen, wobei Sepsis und septischer Schock im Rahmen des MODS im Vordergrund stehen (Riess 1998). Die DIC bei gramnegativem Schock (wo sie am häufigsten vorkommt) wird mit Endotoxin als Auslöser in Verbindung gebracht; die fulminant verlaufende DIC bei Meningokokkensepsis (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) liefert dafür ein gewichtiges Argument. Allerdings findet sich die DIC auch bei gram-positiverSepsis, wie z. B. der Pneumokokkensepsis.
5 Heparin: – Die Unterbrechung der intravasalen Thrombinaktivierung durch Heparin ist belegt. – In der Prä-DIC-Phase kann Heparin im Sinne einer DIC-Prophylaxe gegeben werden: bei normalem AntithrombinSpiegel in einer Dosierung von <500 IE/ h, bei manifester Blutungsneigung muss die Dosis auf 200 IE/h reduziert oder das Heparin ganz abgesetzt werden. Gesicherte Daten zur klinischen Relevanz fehlen allerdings! – In der klinisch manifesten DIC-Phase bei Sepsis ist der Nutzen einer Heparingabe bisher nicht nachgewiesen, auch nicht einer niedrigdosierten. 5 Mit der Antithrombingabe – anzustrebender Serumspiegelrichtwert: 120 % – kann die DIC wirksam behandelt und die Dauer der DIC-Phase verkürzt werden. 5 FFP-Substitution und Faktorenkonzentrate (v. a. Fibrinogen) sind indiziert bei Mangel an Hämostasekomponenten. 6
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115 Supportive Therapie des MODS
5 Bei Hyperfibrinolyse wird Aprotinin (Bolus von 200.000 IE, 100.000 IE/h) empfohlen. 5 Sepsisunabhängig lassen sich bei entsprechender Dringlichkeit profuse perioperative Blutungen – z. B. nach Prostatektomie (Friederich et al. 2003) – mit rekombinantem aktiviertem Faktor VII wirksam reduzieren. Spezifische Erfahrungen bei Sepsis liegen allerdings noch nicht vor.
DIC-unabhängige Therapie der Sepsis mit gerinnungshemmenden Substanzen Gerinnungshemmende Medikamente werden bei Sepsis nicht nur bei klinisch manifester DIC, sondern häufig auch unabhängig davon eingesetzt. Dieses Vorgehen beruht zum einen auf der Vorstellung einer »Prophylaxe« der Ingangsetzung der pathogenetisch gefährlichen Gerinnungskaskade, zum anderen wird zunehmend evident, wie eng Gerinnungsaktivierung und Proinflammation bei Sepsis verknüpft sind; darauf beruht das Konzept, mit der Bremsung der Gerinnungskaskade – v. a. der Thrombinaktivierung – auch das überschießende proinflammatorische Potenzial des Körpers zu dämpfen (7 Kap. 2; Bernard et al. 2001). Lange Zeit war Heparin ein nachdrücklich propagierter Ansatz bei Sepsis, wahrscheinlich aber ein wenig oder sogar überhaupt nicht wirksamer und dazu noch potenziell gefährlicher. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich das Interesse v. a. auf den Ersatz endogener Inhibitoren einer unerwünschten Generalisierung der Gerinnungsabläufe, welche bei Sepsis erniedrigte Serumspiegel zeigen und meist mit einer ungünstigen Prognose verknüpft sind: Antithrombin, Protein C, Protein S und Gewebsthromboplastininhibitor (»tissue factor pathway inhibitor«, TFPI). Und schließlich darf nicht vergessen werden, dass bei Sepsis Thrombozytopenie und Thrombozytendysfunktion ebenfalls Gerinnungsprobleme verursachen können. Wenig bekannt ist, dass Thrombozyten auch mikrobiozide Peptide sezernieren und über kontaktabhängige Mechanismen zur Bakterienabtötung beitragen können (Klinger u. Ulbricht 2003).
Heparin 5 Bisher fehlen Studien, welche eine günstige Wirkung des Heparins hinsichtlich Morbidität und Letalität bei Sepsis belegen. 5 Demzufolge gibt es keine gesicherte Indikation für den Einsatz von Heparin bei Sepsis, von der »Low-dose«-Heparinisierung zur Thromboembolieprophylaxe Bettlägeriger abgesehen (Empfehlungsgrad A; International Sepsis Forum 2001, S. 116–127). 5 Bei Gabe von Antithrombin sollte auf die gleichzeitige Applikation von Heparin verzichtet werden (Heparin blockiert die Bindungsstellen von Antithrombin an Glykosaminoglykane von Endothelzellen). 5 Als ungünstig bei Heparingabe sind anzusehen: – Die Wirkung von Heparin hängt vom Vorhandensein einer ausreichenden Menge an Antithrombin ab. Dieses ist jedoch mit zunehmender Sepsisschwere vermindert. – Heparin kann eine Thrombozytopenie auslösen oder verstärken. – Heparin birgt das Risiko, Blutungskomplikationen auszulösen oder zu verstärken. – Heparin blockiert die Bindungsstellen von Antithrombin an Glykosaminoglykane von Endothelzellen (s. oben).
Antithrombin 5 Antithrombin zeigt neben seiner antikoagulatorischen auch eine antiinflammatorische Wirkung. Dies bildete die Rationale für den Einsatz von Antithrombin zur Therapie der Sepsis auch ohne klinisch manifeste DIC. 5 KyberSept-Studie (Warren et al. 2001): – In dieser kürzlich abgeschlossenen Studie waren 2314 Patienten mit schwerer Sepsis randomisiert worden, mit Antithrombinplasmaspiegeln von 6
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
im Mittel 58 % (Antithrombingabe) vs. 60 % (Placebo). Die Patienten erhielten doppelblind eine hochdosierte Antithrominbehandlung (Bolus von 6000 Einheiten i.v., dann 6000 Einheiten/Tag kontinuierlich als i.v.-Infusion für insgesamt 96 h) oder Placebo. Erlaubt war eine zusätzliche Therapie mit Heparin (≤ 10.000 IE/Tag s.c. und/oder ≤2 IE/ kgKG/h i.v.). – Das primäre Studienziel – Senkung der 28-Tages-Letalität – wurde dabei nicht erreicht: Die Sterblichkeit lag in beiden Gruppen bei 39 %. – Als entscheidend für das unbefriedigende Ergebnis wurde die zusätzliche Gabe von Heparin deklariert: Die Häufigkeit von Blutungen lag in der Gesamtstudiengruppe bei 22,0 % (vs. 12,8 %), und die der schweren Blutungen bei 10,0 % (vs. 5,7 %), bei nichtheparinisierten Patienten bei 6,8 % vs. 5,1 % (schwere Blutungen; nicht signifikant) und bei heparinisierten Patienten bei 9,8 % vs. 5,3 % (schwere Blutungen). – Günstige Antithrombinwirkungen in der Untergruppe nichtheparinisierter Patienten: Mit Antithrombin behandelte Patienten dieser Subgruppe wiesen ein geringeres 28-Tages-Sterberisiko auf als die Patienten der Placebogruppe (37,8 % vs. 43,6 %), mit Signifikanz (p = 0,03) nach 90 Tagen.
Aktiviertes Protein C (7 Anhang) 5 Sepsispatienten zeigen häufig eine verminderte Plasmaaktivität von aktiviertem Protein C. Dies unterstreicht die enge Verknüpfung von Gerinnung und Inflammation bei Sepsis und legitimiert den Therapieversuch mit aktiviertem Protein C (Xigris). 5 PROWESS-Studie: (Bernard et al. 2001) – Konzept: In diese placebokontrollierte 6
Studie (»Efficacy and Safety of Recombinant Human Activated Protein C for Severe Sepsis«) wurden Patienten in der Frühphase einer schweren Sepsis eingeschlossen und entweder mit aktiviertem Protein C oder mit Placebo behandelt. – Ergebnis: Nach Einschluss von 1690 Patienten wurde die Studie wegen der Überlegenheit des Verumpräparats vorzeitig abgebrochen: Die 28-TagesLetalität der Patienten mit Standardtherapie lag bei 30,8 %, diejenige der Patienten mit aktiviertem Protein C bei 24,7 % (p=0,005). Dies entspricht einer absoluten Letalitätssenkung von 6,1 % und einer relativen Letalitätssenkung von 19,4 %. Der günstige Effekt war dabei unabhängig von der Höhe des initialen Plasma-Protein-C-Spiegels. – NNT 16: Auch mit dieser Terminologie müssen wir uns vertraut machen! Mit »NNT« (»numbers needed to treat«) wird die erforderliche Zahl der mit einem spezifischen Medikament zu behandelnden Patienten bezeichnet, welche zum zusätzlichen Überleben eines weiteren Patienten im Vergleich zur Sterberate ohne dieses Medikament führt. Für die PROWESS-Studie beträgt dieser Wert 16. Vergleicht man diesen Wert mit der NNT-Zahl für die Thrombolysebehandlung des Herzinfarkts mit Streptokinase (NNT=36) in der ISIS2-Studie, so wird die Effizienz dieses Sepsistherapeutikums evident.
Gewebsthromboplastininhibitor (»tissue factor pathway inhibitor«, TFPI) In der TFPI-Phase-III-Studie (Abraham et al. 2003), in die 2000 Patienten mit schwerer Sepsis eingeschlossen wurden, konnte durch die Gabe von TFPI im Vergleich zu Placebo keine Letalitätssenkung erzielt werden (7 Kap. 21).
117 Supportive Therapie des MODS
Therapie der Dysfunktionen des Endokriniums Siehe hierzu auch 7 Kap. 17.
Welche »Drüsen« sind sepsisanfällig? Derzeit richtet sich das »endokrinologische Augenmerk« bei Sepsis auf den Insulin-GlukoseStoffwechsel einerseits (7 Kap. 15) und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (»hypothalamo-pituitary-adrenal axis«, HPA-Achse) andererseits (Beishuizen u. Thijs 2003). Endotoxin kann die HPA-Achse auf unterschiedlichen Ebenen beeinflussen (. Tabelle 4-15). Klinische Relevanz hat v. a. die Hydrokortisonsubstitution bei Patienten mit septischem Schock und relativer Nebennierenrindeninsuffizienz.
Nebennierenrinde Dysfunktionen welcher Art? Beim prolongiert verlaufenden septischen Schock geht die negative
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Feedbackkontrolle der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse verloren, mit einem Verlust des pulsatilen Sekretionsverhaltens des Kortisols infolge einer TNF-bedingten Sekretionshemmung von Kortikotropin-ReleasingHormon und ACTH sowie einer Abschwächung der ACTH-Stimulierbarkeit der Kortisolproduktion der Nebennierenrinde (Burchardi et al. 2000). Infolge der Down-Regulation zellulärer Glukokortikoidrezeptoren mit Abnahme von Rezeptorzahl und -affinität bildet sich bei septischem Schock eine Glukokortikoidresistenz aus. Wahrscheinliche Ursache ist eine hohe lokale Konzentration proinflammatorischer Zytokine, welche über die Bildung von Transkriptionsfaktoren, wie Aktivatorprotein-1 und NF-κB, zu einer Komplexbildung mit aktivierten Glukokortikoidrezeptorelementen führt (Übersicht und Zitate in Burchardi et al. 2000). Infolge der positiven Korrelation von Glukokortikoidrezeptorzahl und mittlerem arteriellen
. Tabelle 4-15. Einfluss von Endotoxin auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse. (In Anlehnung an Beishuizen u. Thijs 2003) Hormon
Reaktion
Pathophysiologie
CRH
↑↑
ACTH-Freisetzung; koordiniert die Stressantwort im ZNS, verursacht zentrale und periphere Immunsuppression, stimuliert Sympathikus
ACTH
↑
Verursacht Immunsuppression durch Ausschüttung von Glukokortikoiden aus NNR
Kortisol
↑
Suppression spezifischer Immunität; Potenzierung der Bildung von Akute-PhaseProteine in der Leber; Hochregulation von MHC, Zytokinen und Fc-Rezeptoren
AVP
↑
Regulation der Hypophysenvorderlappenhormone; antipyretisch; direkte Immunstimulation
α-MSH
↑
Zytokinantagonist; antipyretisch, antiinflammatorisch, induziert Toleranzentwicklung
β-Endorphin
↑
Immunsuppression bei Bindung an Opiod-µ-Rezeptoren und Immunregulator
DHEA(S)
↓
Immunstimulator, Anti-Glukokortikoid-Aktivität
MIF
↑
Proinflammatorisches Zytokin, Hormon und katalytisches Enzym; Gegenregulator der immunsupprimierenden Glukokortikoidwirkung
LIF
↑
Proinflammatorischer Neuroimmodulator; stimuliert HPA-Achse
ACTH adrenokortikotropes Hormon, Kortikotropin; AVP Vasopressin; CRH »corticotropin releasing hormon«; DHEA(S) Dehydroepiandrosteron-Sulfat; Fc-Rezeptoren Immunglobulinrezeptoren; LIF leukämieinhibierender Faktor; MHC »major histocompatibility complex«; MIF makrophagenmigrationsinhibierender Faktor; α-MSH melanozytenstimulierendes Hormon; NNR Nebennierenrinde; ZNS zentrales Nervensystem.
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
Blutdruck (Zonghai et al. 2003) trägt die Rezeptor-Down-Regulation entscheidend zur hämodynamischen Instabilität bei septischem Schock bei. Die Substitutionstherapie mit Hydrokortison wirkt sich günstig auf die Dysfunktion der HPA-Achse aus! 5 Immunantwort: Die Abschwächung der anti-
inflammatorischen Wirkung endogenen Kortisols trägt zur überschießenden Entzündungsreaktion des septischen Schocks bei. Stresshydrokortisondosen von 200–300 mg/ Tag können die erworbene Glukokortikoidresistenz überwinden und die Proinflammation bei septischem Schock dämpfen (Übersicht und Zitate in Burchardi et al. 2000). 5 Hämodynamik: Hydrokortison steigert bei hyperdynamem septischen Schock in erster Linie die Ansprechbarkeit des periphervaskulären Stromgebietes auf vasopressorisch wirkende Katecholamine; pulmonalarterieller Druck und Inotropieparameter des Herzens werden nicht verändert, das überhöhte Herzzeitvolumen normalisiert sich (Briegel et al. 1999). In einer kontrollierten Studie mit 300 Patienten mit septischem Schock konnte bei 5 % der mit Hydrokortison und Fludrokortison behandelten, aber nur bei 40 % der ohne diese Medikation betreuten Patienten die vasopressorische Katecholamintherapie abgesezt werden (Annane et al. 2002). Mehrere Mechanismen tragen zu diesem Effekt bei (Burchardi et al. 2000): – Steigerung der Empfindlichkeit der α1Adrenozeptoren der Gefäße für vasopressorische Katecholamine; – Steigerung der vasopressorischen Katecholaminwirkung über gluko- und mineralokortikoidrezeptorvermittelte Effekte auf den Natriumflux via Zellmembran; – Dämpfung der NO-verursachten vaskulären Hyporeaktivität durch Hemmung der Expression der induzierbaren Stickoxidsynthase (iNOS); – Synthesehemmung des vasodilatatorisch wirkenden Prostaglandin I2 und des plättchenaktiverenden Faktors (PAF) infolge einer Hemmung der Phospholipase A2.
Am relevantesten dürfte dabei der direkte Hydrokortisoneffekt sein: Er konserviert die Katecholaminresponsitivität peripherer Vasomotoren trotz endotoxininduzierter Inflammation (Burchardi et al. 2000).
Katecholamineinsparung bei septischem Schock durch Hydrokortisongabe – praktische Durchführung (s. auch 7 Anhang) Konsens: Etwa 200–300 mg Hydrokortison/ Tag; bisher kein Konsens: Bolusapplikation oder kontinuierliche Gabe von Hydrokortison? Zusätzliche Gabe von Fludrokortison? 5 Offizielle Empfehlung (Annane et al. 2002): 50 mg Hydrokortison als i.v.-Bolus alle 6 h und 1-mal 50 µg Fludrokortison/ Tag in 30 s über die nasogastrale Sonde in 10–40 ml Wasser (Annane et al. 2002) 5 i.v. Bolusapplikation (Bollaert et al. 1998): – 100 mg Hydrokortison 8-stündlich über 5 Tage und länger – nach Beendigung der α-adrenerg wirksamen Katecholamintherapie (erlaubt sind noch Dopamin, <5 µg/kgKG/min, und Dobutamin in üblichen Dosierungen): • weitere 3 Tage Hydrokortison (50 mg 8-stündlich) und danach • für weitere 3 Tage 25 mg Hydrokortison 8-stündlich – anschließend Beendigung der Intervention mit Hydrokortison 5 Kontinuierliche Gabe via Spritzenpumpe (Briegel et al.1999): – Lösung von 100 mg Hydrokortisonsukzinat in 50 ml physiologischer Kochsalzlösung (Perfusorspritze); die Aufbewahrung in dieser infusionsfertigen Lösung ist über 24 h möglich (Burchardi et al. 2000) – Beginn mit einer Kurzinfusion von 100 mg (= 50 ml) über 30 min – anschließend Infusion mit 0,18 mg/ kgKG/h bzw. 3 µg/min 6
119 Supportive Therapie des MODS
– bei fehlenden Schockzeichen im Sinne einer Stabilisierung der Hämodynamik: Beendigung der Katecholamintherapie mit Ausnahme von Dopamin, 2–4 µg/ kgKG/min • Reduktion der Hydrokortisondosis für 6 Tage auf 0,08 mg/kgKG/h. – Nach 6 Tagen oder bei Natriumkonzentrationen von >155 mmol/l (als Zeichen eines hydrokortisoninduzierten Pseudoaldosteronismus) • Dosis täglich um 1 mg/h reduzieren und dann absetzen – bei erneuter Episode eines septischen Schocks: • Steigerung der Dosis auf oder Wiederansetzen von 0,18 mg/kgKG/h; Cave: Rebound und Pseudoaldosteronismus! 5 Bei zu schnellem Entzug besteht die Gefahr eines erneuten septischen Schocks, wenn der inflammatorische Reiz der zugrunde liegenden Infektion noch besteht. 5 Zeichen eines Pseudoaldosteronismus (Anstieg des Serumnatriumwertes auf >150 mmol/l, Kaliumbedarf von >240 mmol/Tag) sprechen für die Kontrolle des infektiösen Fokus. – Dann Hydrokortisondosis reduzieren – Merke: Der hydrokortisoninduzierte Pseudoaldosteronismus kann nicht mit Kaliumcanrenoat (selektiver Typ-I-Rezeptor-Antagonist) therapiert werden! – Mineralokortikoideffekte im Sinne eines Pseudoaldosteronismus wurden bei Kortisolkonzentrationen von <30 µg/dl bislang nicht beobachtet (Burchardi et al. 2000).
Letalitätssenkung durch Hydrokortisonsubstitutionstherapie? (7 Anhang) Hydrokortioson verkürzt bei septischem Schock unzweifelhaft die Zeit der notwendigen Therapie mit Vasopressoren. Entscheidend sind jedoch die Besserung der Organdysfunktionen und letztlich die Senkung der Sepsisletalität.
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In einer placebokontrollierten Studie mit 300 Patienten mit septischem Schock (Annane et al. 2002) ließ sich durch Hydrokortison-/Fludrokortisongabe (s. Übersicht »Katecholamineinsparung bei septischem Schock durch Hydrokortisongabe – praktische Durchführung«, »Offizielle Empfehlung«) in der Gesamtpopulation keine signifikante Letalitätssenkung erzielen. Positiv war allerdings das Ergebnis bei den mittels ACTH-Test im Nachhinein als Non-Responder klassifizierten Patienten (Durchführung des ACTH-Kurztests mit 250 µg Synacthen als i.v.-Bolus mit Blutabnahmen vor sowie 30 und 60 min nach Injektion; die Auswertung wurde nach Studienende vorgenommen; Non-Responder-Patienten: maximaler Kortisolspiegelanstieg von ≤9 µg/dl): Sie wiesen mit 53 % eine signifikant niedrigere 28-Tages-Sterblichkeit auf als die der Kontrollgrupe (63 %; p = 0,02; Annane et al. 2002). Bei den Responder-Patienten war die 28Tages-Letalität der Hydrokortisongruppe mit 61 % nicht signifikant unterschiedlich zu dem Anteil von 53 % der Kontrollgruppe (Annane et al. 2002). Günstige Ergebnisse relativ kleiner Sepsistherapiestudien mit antiinflammatorischen Substanzen (Studieneinschluss von etwa 100 Patienten) konnten bisher in großen Nachfolgestudien nicht bestätigt werden. Demzufolge fordert die höchste Stufe der evidenzbasierten Intensivmedizinforschung für den Nachweis der Letalitätssenkung eines Therapiekonzepts mindestens 2 große randomisierte Studien mit eindeutigen Ergebnissen (s. auch . Tabelle 4-1). Um diesem Anspruch für die Hydrokortisonsubstitutionstherapie gerecht zu werden, ist die europaweite CORTICUSStudie begonnen worden. Sollte auch diese Studie eine Letalitätssenkung für die Hydrokortisonsubstitutionstherapie bei septischem Schock nachweisen, dann wäre erstmals die höchste Graduierung im Sinne der evidenzbasierten Medizin für ein Sepsismedikament dokumentiert. Zu klären wird dann allerdings noch sein, ob alle Patienten oder nur die Non-Responder Hydrokortison/ Fludrokortison erhalten sollen (7 Anhang).
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
Adäquate Ernährung, allgemeine Intensivtherapie und Intensivpflege
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Bei der Betrachtung der Letalitätszahlen publizierter Sepsisstudien ist über die vergangenen Jahre ein Trend zu Abnahme der Sterblichkeit zu erkennen. Dies dürfte weniger auf die Wirksamkeit eines spezifischen Medikaments oder eines spezifischen Therapieverfahrens zurückzuführen sein, da eine letalitätssenkende Wirkung bisher nur für die lungenprotektive Beatmung (s. Abschnitt »Supportive Therapie des MODS«) und die Behandlung mit aktiviertem Protein C (s. Abschnitt »Supportive Therapie des MODS«) belegt ist; dieser günstige Trend dürfte vielmehr auf die verbesserte symptomatische Therapie der Organdysfunktionen, die allgemeine Intensivtherapie sowie die Intensivpflege zurückzuführen sein.
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Ernährung des Sepsispatienten
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Siehe hierzu auch . Tabelle 4-14. Zu diesem – sehr im Fluss befindlichen – Behandlungskonzept liegen umfassende Übersichten vor (7 Kap. 15; Eckart 2000; Kreymann et al. 1992; Seige u. Werdan 1999).
Organdysfunktion »Stoffwechsel«
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Septische und kritisch kranke Patienten haben einen gesteigerten Grundumsatz und sind hyperkatabol. Bei Krankheitsbeginn liegt der Kalorienbedarf in der Regel bei 30–35 kcal/kgKG. Die künstliche Ernährung sollte möglichst frühzeitig begonnen werden; es ist zudem auch einfacher, die fettfreie Körpermasse zu erhalten als verlorengegangene wieder aufzufüllen. Hyperkatabole Patienten benötigen – im Vergleich zu Gesunden – relativ mehr Eiweiß (1,0–2,0 g/kgKG)/Aminosäuren, weniger Zucker und mehr Fett. Die Kalorienzufuhr beträgt beim erwachsenen Sepsispatienten unter optimalen Bedingungen 25–30–35 kcal/ kgKG/Tag, die Eiweißzufuhr 1,3–2,0 g/kgKG/Tag, die Aminosäurenzufuhr 1,0–2,0 g/kgKG/Tag, die Glukosezufuhr 2,0–4,0 g/kgKG/Tag (30–70 % der Nichtproteinkalorien, um Serumglukosepsiegel von <150 mg/dl bzw. <8,3 mmol/l – 7 Anhang – zu erzielen), die Fettzufuhr 0,5–1,0 g/kgKG/Tag (15–
30 % der Nichtproteinkalorien); die Zufuhr ω-6mehrfach-ungesättigter Fettsäuren sollte soweit reduziert werden, dass eine Defizienz essenzieller Fettsäuren vermieden wird (7 % der Gesamtkalorien, üblicherweise 1 g/kgKG/Tag). Zusätzlich ist die Gabe von Vitaminen und Spurenelementen zu integrieren (International Sepsis Forum 2000, S. 116–127). Allerdings scheint das Konzept des Hyperkatabolismus bei Sepsis im Fluss zu sein (Kreymann et al. 1992): Zwar weisen Patienten mit schweren, nichtseptischen Infektionen einen Kalorienbedarf von etwa 150 % im Vergleich zu Intensivpatienten ohne Infektion auf, mit Progredienz der Infektion zur Sepsis können diese Patienten jedoch nicht mehr als etwa 125 % des Kontrollkalorienbedarfs verwerten, und dieser Wert sinkt bei septischem Schock sogar auf etwa 100 % ab. Erst in der Sepsiserholungsphase sind die Patienten wieder in der Lage, etwa 160 % des Kontrollkalorienbedarfs zu verwerten. Bei Sepsis und noch mehr bei septischem Schock scheint demzufolge eine toxin-/mediatorbedingte Stoffwechselstörung vorzuliegen, die bei der Kalorienbedarfsabschätzung dieser Patienten berücksichtigt werden sollte (s. auch 7 Kap. 15).
Effizienz enteraler und parenteraler Ernährung Die Effizienz der enteralen und parenteralen Ernährung kann anhand des metabolischen Monitoring erfasst werden: 5 Obligat, mehrmals täglich: Glukose, Elektrolyte, Blutgasanalyse 5 Obligat, täglich: Harnstoff, Kreatinin 5 Obligat, täglich oder 2- bis 3-tägig: Triglyzeride, anorganisches Phosphat, Bilirubin, Leberenzyme, Amylase/Lipase 5 Wünschenswert, täglich: Laktat 5 Wünschenswert, täglich oder 2- bis 3tägig: Ammoniak
Enterale Ernährung frühzeitig beginnen! Die frühzeitig begonnene enterale Ernährung ist sicher und effektiv. Sie kann allerdings durch die
121 Adjunktive Sepsistherapie: Unterbrechung des Toxin-/Mediator-Netzwerks …
häufig vorhandene Magenatonie erschwert werden. In solchen Fällen sind dünnlumige (8–10 F), etwa 110 cm lange Ernährungssonden hilfreich, die gesteuert im Jejunum platziert werden. Die enterale Ernährung wird in der Regel isoton (etwa 300 mosm) mit 30 ml/h begonnen und stufenweise bis zum erforderlichen Volumen gesteigert. Mit diesem Vorgehen lassen sich Unverträglichkeiten (am häufigsten Diarrhö) meist umgehen oder zumindest mildern; ggf. muss die Zufuhr auf maximal 60 ml/h beschränkt werden. Gründe, die gegen den Beginn einer enteralen Ernährung sprechen, sind fehlende Darmgeräusche, hoher gastraler Reflux, orale Kost möglich, geplante operative Eingriffe, Erbrechen, keine Sonde, bestehende Kontraindikationen.
Parenterale Ernährung
Gründe für den Abbruch einer enteralen Ernährung sind gastraler Reflux, technische Probleme (Sonde), Diarrhö, abdominelle Distension, Aspiration.
Intensivpflege
Immunonutrition: viel diskutiert! Mit Arginin, Nukleotiden, Glutamin und mehrfach ungesättigten Fettsäuren angereicherte Nährlösungen scheinen zur Senkung von Infektionsraten beizutragen und die Dauer des stationären Aufenthalts kritisch Kranker zu verkürzen; ursächlich wird dafür eine Stimulation immunkompetenter Zellen diskutiert. Aktuelle Empfehlungen finden sich in den ⊡ Tabellen 4-2 und 4-14. Eine kritische Wertung der vorliegenden Daten (Heyland et al. 2001) spricht dafür, dass Patienten mit einer leichteren Form der Sepsis – wie Patienten nach elektivem chirurgischen Eingriff – durchaus von einer Immunonutrition (meist kam »Impact« zum Einsatz) profitieren können; bei Patienten mit schwerer Sepsis spricht die Datenlage derzeit sogar dagegen ( Kap. 15).
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Trotz bedeutender Fortschritte in der enteralen Nährstoffzufuhr darf der Stellenwert der parenteralen Ernährung nicht unterschätzt werden ( Kap. 15). Diese Ernährungsform erlaubt auch in kritischen Krankheitsphasen eine sichere und gut bilanzierbare Zufuhr sofort utilisierbarer Nährsubstrate, allerdings unter weitgehender Umgehung physiologischer Regulationsmechanismen. Spezifische offizielle Empfehlungen bei Sepsis sind spärlich (⊡ Tabellen 4-2 und 4-14).
Allgemeine Intensivtherapie Unbestritten tragen eine gute allgemeine Intensivbetreuung und -therapie zur Sepsisprophylaxe bei und verbessern die Überlebenschancen der Patienten mit manifester Sepsis.
Organdysfunktionen und deren apparativen Behandlung (wie Beatmung und Nierenersatzverfahren), Schockzustand, Ödemneigung, Blutungsneigung, Analgosedierung und medikamentöse Polypragmasie stellen an die Intensivpflege septischer Patienten große Herausforderungen (s. die entsprechenden Lehrbücher sowie Panknin u. Lode 2001; http://www.forum-intensivpflege.de/fachweiter-bildung/pflegedoku/pflege/sepsis.htm). So stellt die Infektion einen der wesentlichen Risikofaktoren für das Auftreten von Dekubitalgeschwüren dar (Bours et al. 2001).
Adjunktive Sepsistherapie: Unterbrechung des Toxin-/MediatorNetzwerks durch Neutralisation, Antagonisierung und Elimination sowie durch antiinflammatorische und immunmodulatorische Maßnahmen Siehe hierzu auch Kap. 8–10. Die meisten Antitoxin- und Antimediatortherapieansätze haben bisher enttäuscht (⊡ Tabelle 4-2;
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
s. auch 7 Kap. 8 und 10). Hinsichtlich der Sepsistherapie mit Immunglobulinen sind die Ergebnisse heterogen (. Tabelle 4-2 und 7 Kap. 9).
Infektionsprophylaxemaßnahmen zur Verhinderung des Auftretens einer nosokomialen Sepsis Die häufig multimorbiden und immunsupprimierten Intensivpatienten haben ein hohes Risiko, über eine nosokomiale Infektion letztendlich an einer nosokomialen Sepsis zu erkranken. Infektionsprophylaxemaßnahmen dienen dazu, dieses Risiko auf den Intensivstationen so gering wie möglich zu halten (Frank et al. 2001). Zu unterscheiden ist zwischen allgemeinen Prophylaxemaßnahmen vor Ausbruch der Akuterkrankung – z. B. jährliche Grippeimpfungen bei gefährdeten Risikogruppen (Ada 2001), Meningokokkenimpfung Adoleszenter und Splenektomierter (Hassler et al. 2001), Pneumokokkenimpfung (obligat nach Splenektomie) – und Prophylaxemaßnahmen während der Krankenhausbehandlung der Akuterkrankung zur Vermeidung einer Sepsis. Nur auf letztere wird im Folgenden eingegangen
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Allgemeine Prophylaxemaßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen Invasive medizinische Maßnahmen stellen den dominierenden Risikofaktor für nosokomiale Infektionen dar (. Tabelle 4-16). Nosokomiale Infektionen verschlechtern nicht nur die Prognose quoad vitam, sondern verlängern auch den Intensivstations- und Krankenhausaufenthalt um ein Mehrfaches. In den vergangenen beiden Dekaden haben v. a. nosokomiale Pilzinfektionen – überwiegend durch Candida spp. – an Häufigkeit stark zugenommen (. Tabelle 4-17; International Sepsis Forum 2000, S. 10–32). Die einer katheterverursachten Candidämie vorausgehende Candidakolonisierung scheint durch lokale Antibiotikaapplikation an der Katheterpunktionsstelle begünstigt zu werden. Eine generelle Pilzprophylaxe mit Fluco-
nazol bei Hochrisikopatienten wird eher kritisch gesehen (Calandra u. Marchetti 2002). Neben den sinnvollen Hygienemaßnahmen auf der Intensivstation (. Tabelle 4-18) gibt es auch unnötige Hygienemaßnahmen (. Tabelle 4-19). Allogene bluttransfusionsassoziierte Immunmodulation (TRIM). Nach allogenen Bluttransfu-
sionen scheinen postoperative bakterielle Infektionen sowie Zytomegalievirus- und HIV-Erkrankungen – auch als »TRIM-Rekationen« bezeichnet – nicht gehäuft aufzutreten (Vamvakas u. Blajchman 2001).
Prophylaxe katheterassoziierter Infektionen Katheterassoziierte Infektionen sind die häufigste Ursache nosokomialer Bakteriämien auf der Intensivstation, mit einer Bakteriämieinzidenz von 2,1–30,2/1000 Zentralvenenkathetertage und einer Letalität von 0,2 %. Als Erreger einer katheterinduzierten Sepsis wurden nach den Erfassungen des deutschen Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS; n = 127 Intensivstationen und 141.681 Patienten; 1997–1999) und des amerikanischen »National Nosocomial Infections Surveillance System« (NNIS; 1992–1998) erfasst: 5 Staphylococcus aureus (15,4 % bzw. 11,5 %), 5 Enterokokken (12,1 % bzw. 11,3 %), 5 koagulasenegative Staphylokokken (33,9 % bzw. 38,7 %), 5 Streptokokken (2,5 % bzw. 0,4 %). Von den möglichen Kontaminationsursachen spielt die primäre Keimbesiedlung der Punktionsstelle eine wesentliche Rolle; weitere Quellen sind die hämatogene Besiedlung insbesondere der Katheterspitze bei Bakteriämien und Fungämien sowie Kontaminationen der Infusionssysteme, einschließlich Zubehör und unsterile Infusionslösungen. Mundpflege und intratracheale Absaugung bedeuten bei beatmeten Patienten – insbesondere mit Subklavia- oder Jugularisvenenkathetern – nicht zu unterschätzende Infektionsquellen. Bei Kathetern zur arteriellen Druckmessung und bei Pulmonaliskathetern stehen v. a. die häu-
123 Infektionsprophylaxemaßnahmen zur Verhinderung…
. Tabelle 4-17. Nosokomiale Candidämie – Risikofaktoren. (Nach Martin, aus Seige u. Werdan 1999) Risikofaktor
Risikosteigerung Studie 1
Studie 2
Vorausgehende Antibiotikagabe (>2)
12,5
25,1
Hickman-/zentralvenöse Katheter
7,2
26,4
Parenterale Ernährung
3,0
n.b.
Kolonisierung
10,4
4,5
Steroide
4,2
4,9
Neutropenie
2,3
n.b.
Hämodialyse/Nierenversagen
18,1
22,1
Ileus
n.b.
3,8
n.b. nicht bekannt.
. Tabelle 4-16. Nosokomiale Infektionen auf Intensivstationen – iatrogene Risikofaktoren. (Nach Martin, aus Seige u. Werdan 1999) Art der Infektion
Risikofaktor
Risikosteigerung
Nosokomiale Infektionen gesamt
Blasenkatheter (>10 Tage) Verweildauer auf der Intensivstation >3 Tage Intrakranielles Druckmonitoring Arterieller Katheter, Schock
3,2 2,5 2,5 2,5
Pneumonien, beatmungsassoziiert
Intrakranielles Druckmonitoring Stressulkusprophylaxe mit Cimetidin 24-stündlicher Tubuswechsel Herbst-Winter-Saison
4,2 2,5 2,3 2,1
Pneumonien, auf der Intensivstation erworben
Nasogastrale Sonde Thorax- oder Abdominal(oberer Gastrointestinaltrakt) chirurgie Rasch fortschreitende letale Grundkrankheit Therapeutische Bronchoskopie
6,5 4,3
Mit periphervenösen Zugängen assoziierte Infektionen
Kutane Kolonisierung der Punktionsstelle Katheterkontamination Feuchtigkeit im Punktionsbereich unter Verband Katheterliegedauer >3 Tage Systemische Antibiotikatherapie
3,9 3,8 2,5 1,8 0,5
Mit zentralvenösen Kathetern zur parenteralen Ernährung assoziierte Infektionen
Swan-Ganz-Katheter in anderer Position Hospitalisierungsdauer >50 Tage
3,8 1,8
Mit zentralvenösen Kathetern assoziierte Infektionen
Bakteriämie Kutane Kolonisierung der Punktionsstelle Katheterliegedauer >4 Tage
9,4 9,2 ?
3,9 3,0
4
124
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
. Tabelle 4-18. Die wichtigsten Hygienemaßnahmen auf der Intensivstation. (Zusammenstellung in Anlehnung an Wenzler et al. 2002)
. Tabelle 4-19. Unnötige Hygienemaßnahmen auf Intensivstationen. (Zusammenstellung in Anlehnung an Wenzler et al. 2002)
5 Händedesinfektion und Händewaschen 5 Hygienedisziplin aller Personen, auch der Ärzte und Chefärzte 5 Hygienisch einwandfreie pflegerische Techniken zur Verhütung von Blasenkatheterinfektionen, Ven enkatheterinfektionen, Pneumonien bei Beatmung und Wundinfektionen 5 Einsatz von speziellem Personal (Hygienefachschwester/-pfleger) 5 Sichere und sinnvolle Desinfektions- und Sterilisationsverfahren 5 Sichere und einfache Isolierungstechniken (z. B. Kohortisolierung, Kittelwechsel, Einwegschürze) 5 Ausreichende Pflegepersonal-Patienten-Relation (zu wenig Personal bedeutet weniger Hygiene) 5 Sorgfältige Indikation für Antibiotikatherapien und möglichst wenig Antibiotikaprophylaxe (schriftliche Richtlinien)! 5 Möglichst wenig und möglichst kurze Verweildauer von Fremdkörpern (Venenkatheter, Blasenkatheter, arterielle Katheter, Hirndrucksonden etc.)!
5 Routinemäßige Abklatschuntersuchungen 5 Routinemäßige Personaluntersuchungen (z. B. Rachenabstriche) 5 Routinemäßige Luftkeimzahlbestimmungen (nur gezielt zur Aufdeckung von Übertragungen bei Epidemien, z. B. Staphylokokken) 5 Routinemäßige Raumsprühdesinfektionen (dafür: Scheuer-Wisch-Desinfektion) 5 UV-Lampen 5 Plastiküberschuhe 5 Routinemäßige Desinfektion von Waschbecken, Siphons, Gullys, Badewannen; Sprühdesinfektion von Matratzen, Bettdecken, Kopfkissen (Sprühdesinfektion unwirksam) 5 Sprühdesinfektion von Bettgestellen, Infusionsständern 5 Routinemäßige Fußbodendesinfektion (Fußboden kein Erregerreservoir für Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, Sepsis, Pneumonien, Venenkatheterinfektionen) 5 Klebematten, Desinfektionsmatten 5 Wechsel der Vernebler und Beatmungsschläuche alle 8 h 5 Systemische Antibiotikaprophylaxe gegen Pneumonien 5 Aufwändige Personalschleusen 5 Bettschleusen 5 Materialschleusen 5 Schuhwechsel 5 Umkleiden ohne Patientenkontakt 5 Routinemäßiger Wechsel von Beatmungsgeräten (z. B. wöchentlich) 5 Routinemäßiger Wechsel von Blasenkathetern
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dem Diaphragma) bedeuten zusätzliche Kontaminationsmöglichkeiten und erfordern jedes mal ein streng aseptisches Arbeiten. Der Einsatz antibiotika-/antiseptikabeschichteter Katheter senkt die Kolonisierungsrate und die Häufigkeit von Katheterinfektionen (McGee u. Gould 2003; Schierholz et al. 2000; Saint et al. 2000). Der Einsatz von mit Chlorhexidin bzw. Silbersulfadiazin beschichteten Kathetern reduziert das Auftreten katheterinduzierter Infektionen mit Bakteriämie von 7,6/1000 Kathetertage auf 1,6/1000 Kathetertage; vergleichbare Resultate lassen sich wohl auch mit minozyklin- sowie rifampicinbeschichteten Kathetern erzielen (McGee u. Gould 2003). Antimikrobielle Salben und Pflaster zur Abdeckung der Punktionsstelle zeigen keinen gesicherten Nutzen und sollten vermieden werden (McGee u. Gould 2003). Die wichtigsten Pflegetechniken zur Verhinderung venenkatheterassoziierter Infektionen sind in . Tabelle 4-20. aufgeführt. Katheterwechsel. Der Austausch eines zentralvenö-
sen Katheters über einen Führungsdraht führt zu
einer im Trend geringfügig erhöhten Rate der Katheterkolonisierung (relatives Risiko: 1,26). Der Vorteil dieses Vorgehens besteht in der Senkung der mechanischen Komplikationen (relatives Risiko: 0,48). Vom routinemäßigen Katheterwechsel alle 3 Tage mit oder ohne Führungsdraht ist abzuraten. Demzufolge wird folgendes Vorgehen empfohlen: 5 Wechsel eines infizierten Katheters mit Platzierung des neuen Katheters an einer anderen Lokalisation; 5 Wechsel eines nicht funktionsfähigen Katheters mit dem Führungsdraht, falls sich kein Hinweis auf eine lokale Infektion ergibt;
125 Infektionsprophylaxemaßnahmen zur Verhinderung…
4
. Tabelle 4-20. Die wichtigsten Pflegetechniken zur Verhinderung von venenkatheterassoziierten Infektionen. (Mod. nach Seige u. Werdan 1999 5 Sichtkontrolle der Infusionsbehälter auf Haarrisse, Trübung oder Ausflockung 5 Zumischen von Medikamenten erst unmittelbar vor Gebrauch – die Einstichstelle im Gummistopfen ist zu desinfizieren 5 Händedesinfektion vor Legen des Venenkatheters 5 Bei peripherzentralen und zentralen Venenkatheterisierungen sowie bei Vv. sectio sind sterile Handschuhe und sterile Abdeckung erforderlich 5 Sorgfältige Desinfektion der Einstichstelle durch mehrmaliges Abreiben mit einem sterilen Tupfer (1 min Einwirkzeit bei zentralen, 30 s bei peripheren Venenkathetern) 5 Unabhängig vom gewählten Zugangsweg steigt das Infektionsrisiko mit der Dauer des Katheterisierungsvorgangs. Die Insertionen zentralvenöser und arterieller Katheter sind als chirurgische Maßnahmen aufzufassen. Alle Beteiligten sollten demzufolge Mundschutz, sterile Mäntel und Handschuhe tragen. 5 Katheter sorgfältig fixieren! 5 Händesdesinfektion vor Manipulationen an Venenkatheter, Verbindungsstellen und 3-Wege-Hähnen 5 Wechsel der Infusionssysteme: für Blut und Blutprodukte 24 h, für Lipdlösungen 12 h, für lipidhaltige Mischlösungen 24 h 5 Für Gefäßkatheter gibt es keine festen Wechselintervalle; das Risiko des Auftretens von Phlebitiden, katheterassoziierten Infektionen und Verschluss steigt zeitabhängig linear an. Blande zentrale Venenkatheter sollten nur bei Verdacht auf Venenkathetersepsis entfernt werden. 5 Infusionssysteme und Systeme zur Messung des zentralen Venendrucks sind alle 72 h auszuwechseln. 5 Zahl der Verbindungsstellen und der intravenösen Zugänge so gering wie möglich halten 5 Punktionsstelle täglich durch sanfte Palpation durch den Verband bzw. Inspektion untersuchen; bei Fieber unklarer Genese oder Schmerzen an der Punktionsstelle Verband entfernen und Einstichstelle inspizieren 5 Eine Inspektion der Einstichstelle mit Verbandwechsel ist spätestens nach 72 h vorzunehmen. Okklusive Folienverbände erhöhen die Venenkathetersepsisrate. 5 Blutentnahme aus Venenkatheter nur in Notfallsituationen oder unmittelbar vor Entfernung 5 Bei eitriger Thrombophlebitis, Entzündungen der Venenkathetereintrittsstelle und bei Venenkathetersepsis Entfernung des gesamten Infusionssystems einschließlich Verweilkanüle, ebenso – möglichst – bei Phlebitis ohne Infektionszeichen 5 Die Verwendung sog. »Sterilfilter« in Infusionssystemen kann als routinemäßige Maßnahme zur Infektionsprophylaxe nicht empfohlen werden. 5 Alle angestochenen und wiederverwendeten Infusionsflaschen sind im Kühlschrank bei 4°C aufzubewahren. Infusionen, denen andere Lösungen beigemischt wurden, sollten nicht länger als 12 h im Kühlschrank bei 4°C gelagert werden. 5 Zeitpunkt des Legens von Venenkathetern, Verbandwechsel und jede Art von Infusionen sind im Krankenblatt zu dokumentieren 5 Notfallmäßig gelegte Katheter bergen ein erhöhtes Infektionsrisiko; sie sind spätestens nach 24 h zu entfernen.
5 Katheterwechsel mit einem Führungsdraht
trotz des Verdachts auf eine Katheterinfektion bei blander Punktionsstelle (kein Erythem, kein Eiter); findet sich im Verlauf eine positive Blutkultur, so ist der platzierte Katheter zu entfernen.
Stressulkuspropyhlaxe Siehe hierzu auch International Sepsis Forum 2000, S. 116–127, Anhang sowie Seige u. Werdan 1999.
Die Pathogenese des Stressulkus bei Intensivstationspatienten ist komplex und unterscheidet sich von der durch Säure und Helicobacter pylori hervorgerufenen Verursachung: Durch eine mukosale Minderversorgung mit oxygeniertem Blut als Folge von Schock oder Hypoxie wird ein schleimhäutschädigender Circulus vitiosus in Gang gesetzt, bestehend aus venöser Stase, »sludge«, Vasospasmus, Gewebehypoxie, Mediatorfreisetzung, Radikalbildung und Autokongestion der Gefäße. Das Auftreten einer Stressulkusblutung verschlechtert die Prognose des Intensivpatienten entscheidend.
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
Die beiden wesentlichen Risikofaktoren für das Auftreten einer Stressulkusblutung treffen für viele Sepsispatienten zu: 5 maschinelle Beatmung für mehr als 4 Tage (15,6faches Risiko), 5 Koagulopathie mit <50.000 Thrombozyten/µl oder verlängerter partieller Thromboplastinzeit (4,3faches Risiko). Die Blutungsinzidenz bei Fehlen dieser Risikofaktoren liegt bei 0,1 %, bei Vorhandensein von mindestens einem Risikofaktor bei 3,7 %. Die Häufigkeit klinisch relevanter gastrointestinaler Blutungen beträgt bei kritisch Kranken auf der Intensivstation 1,5 %. Nach Auftreten einer gastrointestinalen Blutung steigt die Letalität bei Intensivpatienten von 9 % auf 48,5 %.
Welche Medikamentengruppe? Sucralfat wird derzeit aufgrund der Ergebnisse von Metaanalysen der Vorzug gegeben, und zwar wegen guter Wirksamkeit, geringer Kosten und einer niedrigeren Inzidenz an Beatmungspneumonien. In einer Studie mit 1200 beatmeten Intensivpatienten (Cook et al. 1998) erwies sich allerdings der H2-Rezeptor-Antagonist Ranitidin (Sostril, Zantic; 50 mg i.v. alle 8 h) als das effektivere Ulkusprophylaktikum im Vergleich zu Sucralfat (1 g via Magensonde alle 6 h): 5 Blutungshäufigkeit: 1,7 % vs. 3,8 % (p<0,02); 5 beatmungsassoziierte Pneumonien: 19,1 % vs. 16,2 % (nicht signifikant); 5 Letalität: 23,5 % vs. 22,8 % (nicht signifikant); 5 Verweildauer auf der Intensivstation: 9 Tage vs. 9 Tage (nicht signifikant).
Indikation Eine Stressulkusprophylaxe (Messori et al. 2000) müssen nicht alle Intensivpatienten erhalten, sondern nur »Risikopatienten«: 5 Patienten mit länger als 4 Tage dauernder Beatmung; 5 Patienten mit Koagulopathie (Thrombozytenzahl von <50.000/µl, Spontan-PTT von mehr als dem Doppelten der Norm). Weiterhin können Patienten mit arterieller Hypotonie, Schädel-Hirn-Trauma, Sepsis und MODS sowie Pfortaderhochdruck von einer Stressulkusprophylaxe profitieren. Alle Patienten mit schwerer Sepsis sollten eine Stressulkusprophylaxe erhalten, vorzugsweise mit H2-Rezeptorblockern (Empfehlungsgrad A, 7 Anhang).
Durchführung Zur Verfügung stehen Sucralfat (Ulcogant; p.o./ Magensonde, 2- bis 4- (bis 6-)mal 1 g/Tag), Antazida (30–60 ml Antazidum jede Stunde oder alle 2 h; Magen-pH-Kontrolle: Anheben auf >4; häufige Nebenwirkungen: zu 25 % Diarrhö, Alkalose, Hypermagnesiämie), H2-Rezeptor-Antagonisten und – am geringsten validiert – Protonenpumpenhemmer.
Sepsisprophylaxe mittels intensivierter Insulintherapie zur Erzielung von Normoglykämie bei Patienten einer chirurgischen Intensivstation Siehe hierzu auch 7 Kap. 15 und Anhang. In einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie hatten van den Berghe et al. (2001) untersucht, ob eine Normalisierung der Blutglukosespiegel mittels intensivierter Insulintherapie bei beatmeten Patienten einer chirurgischen Intensivstation (63 % herzchirurgische Patienten) mit einer besseren Prognose vergesellschaft ist als bei konventionellem Vorgehen mit Akzeptanz höherer Blutglukosespiegel. In die Studie (. Tabelle 4-21) waren insgesamt 1548 Patienten eingeschlossen worden, welche bei Aufnahme auf die Intensivstation randomiert entweder einer Gruppe mit konventioneller Insulintherapie (Insulingabe erst bei Blutglukosewerten von >215 mg/dl) oder einer Gruppe mit intensivierter Insulintherapie (»Blutglukosekorridor«: 80–110 mg/dl) zugeteilt wurden. Die Patientengruppe mit intensivierter Insulintherapie (Blutglukosespiegel von 103 ± 19 mg/ dl) zeigte signifikant bessere Ergebnisse als diejenige mit konventioneller Insulintherapie (Blutglukosespiegel von 153 ± 33 mg/dl): Signifikant seltener waren Bakteriämien (4,2 % vs. 7,8 %; p = 0,003),
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127 Infektionsprophylaxemaßnahmen zur Verhinderung…
. Tabelle 4-21. Sepsisprophylaxe mit intensiver Insulintherapie bei beatmeten chirurgischen Intensivpatienten. (Nach Van den Berghe et al. 2001) Konzept: Hyperglykämie und relative Insulintresistenz sind ungünstig. Vorgehen: Insulingabe → Normoglykämie (prospektiv; n=1548) Zielvorgabe:
Blutzuckerwerte [mg/dl] bzw. [mmol/l] 103±19 (5,7±1,1) 153±33 (8,5±1,8) (n=765) (n=783)
p
Letalität 5 auf Intensivstation 5 im Krankenhaus 5 Multiorganversagen mit Sepsisfokus
35 (4,6%) 55 (7,2%) 8
63 (8,9%) 85 (10,9%) 33
<0,04 0,01
32 (4,2%)
61 (7,8%)
0,003
Morbidität 5 Septikämie
septisches Multiorganversagen (1,0 % vs. 4,2 %) sowie das Auftreten einer »Critical-illness«-Neuropathie (Reduktion um 44 %) und eines dialyse-/hämofiltrationspflichtigen akuten Nierenversagens (Reduktion um 41 %), und auch die Letalität auf der Intensivstation lag mit 4,6 % vs. 8,0 % (p = 0,04) niedriger. ! Eine konsequente Blutzuckernormalisierung
mittels intensiver Insulintherapie bei postoperativen Risikopatienten reduziert die Gefahr von Bakteriämie, septischem Multiorganversagen und Letalität. Aufbauend auf diesen Ergebnissen sollte bei Patienten mit schwerer Sepsis nach initialer Stabilisierung der Blutzuckerspiegel auf Werte <150 mg/dl (<8,3 mmol/l) eingestellt werden (Empfehlungsgrad D, 7 Anhang)
Infektionsprophylaxe mit Immunglobulinen Durch prophylaktische Gabe von Immunglobulinen (Ig) kann das Auftreten von Infektionen bei verschiedenen Intensivpatientenkollektiven gesenkt werden, v. a. bei »Infektionshochrisikopatienten« und bei »Infektionshochrisikooperationen« (s. auch 7 Kap. 9; Werdan 2001): Bei anergen Patienten (etwa 8 %) nach herzchirurgischen Operationen mit der Herz-Lungen-Maschine senkte die prophylaktische Gabe von ivIgGMA die im Vergleich
zu normergen Patienten höhere Inzidenz postoperativer Infektionen auf Werte unterhalb derjeniger normerger Patienten (Kress et al. 1999). Operationen mit hohem Infektionsrisiko. Nach klassifizierten Operationen mit hohem Operationsrisiko (s. unten) senkt die prophylaktische Gabe von ivIg (jeweils 0,4 g ivIgG/kgKG, erstmals unmittelbar nach der Operation, dann wöchentlich, maximal 4-mal) die Häufigkeit von Infektionen, insbesondere von Pneumonien (um 50 %), und verkürzt die Verweildauer der Patienten auf der Intensivstation (um 2 Tage) und im Krankenhaus (um 7,5 Tage). Bei diesen Operationen handelt es sich um (The Intravenous Immunoglobulin Collaborative Study Group 1992): 5 Ösophagustumorchirurgie, 5 kontaminierte abdominelle Operationen (z. B. Abszess, Fistel, Perforation), 5 abdominelle »Second-look«-Operationen nach einem Misserfolg des vorausgegangenen chirurgischen Eingriffs, 5 operative Behandlung einer schweren, transfusionspflichtigen (>10 Einheiten) gastrointestinalen Blutung, 5 Peritoneallavage wegen schwerer Pankreatitis (mit mehr als 3 erfüllten Kriterien nach Ranson), 5 rupturiertes Bauchaortenaneurysma oder Aneurysma mit einem Transfusionsbedarf von >20 Einheiten,
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
5 schweres abdominelles oder retroperitoneales
Trauma mit Transfusionsbedarf von >10 Einheiten und Intubationspflichtigkeit von >24 h. Bei Patienten mit schwerem Trauma (»Injury Severity Score« von 16–50) senkt die prophylaktische Gabe von ivIgG (0,25 g/kgKG an den Tagen 1, 2, 3 und 6) zwar die Häufigkeit von Infektionen, insbesondere Pneumonien (um >50 %); die infektionsverursachte Morbidität und Letalität werden allerdings nicht vermindert (Douzinas et al. 2000).
»Single-shot«-Antibiotikaprophylaxe bei perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG) Die häufigsten Komplikationen nach Anlage einer enteralen Ernährungssonde mit der perkutan-endoskopischen Technik sind lokale und systemische Infektionen mit einer Häufigkeit von bis zu 30 %. Eine einmalige Antibiotikaprophylaxe (1 g Ceftriaxon i.v. bzw. 2,2 g Amoxicillin/Clavulansäure i.v.) 30 min vor PEG-Anlage kann das Auftreten dieser Infektionen wirksam reduzieren.
Selektive Dekontamination des Verdauungstrakts (SDD) Die SDD ist derzeit für das Gesamtkollektiv der »kritisch Kranken« keine Standardtherapie (Bonten et al. 2000), sondern bleibt derzeit allenfalls besonders infektgefährdeten Hochrisikogruppen – z. B. Patienten mit akuter nekrotisierender Pankreatitis oder nach Lebertransplantation – vorbehalten (Krueger u. Unertl 2002; Van Nieuwenhoven et al. 2001).
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Endlich: wir haben international akzeptierte Sepsis-Leitlinien! 2004 ist erstmals eine international breit konsentierte Leitlinienempfehlung zur Behandlung publiziert worden [Dellinger et al 2004]. Sie bietet eine gute Basis für eine Evidenz-basierte SepsisTherapie, auch wenn die meisten Empfehlungen
derzeit noch auf Expertenmeinungen beruhen. Der Anhang fasst die wesentlichen Empfehlungen in einer Kurzversion zusammen.
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
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Kapitel 4 · Systematik der Therapie bei Sepsis und Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)
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4
5 Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis O. Moerer, L. de Rossi, R. Rossaint, H. Burchardi
Es ist wichtig!
– 135
Epidemiologie der Sepsis
– 136
Epidemiologie der Erwachsenensepsis nach der Definition der Konsensuskonferenz – 137 Epidemiologie der Sepsis bei Kindern – 141 Ökonomische Aspekte
– 141
Die Bedeutung der Ökonomie steigt Literatur
– 145
– 146
Es ist wichtig! ! In Zeiten knapper werdender Budgets und vor
dem Hintergrund der Einführung des fallpauschalierten Vergütungssystems gewinnen Epidemiologie und sozioökonomische Aspekte der Sepsis für die Intensivmedizin zunehmend an Bedeutung. Vor Einführung neuer kostenintensiver Therapien wird nicht nur deren Wirksamkeit, sondern auch deren Kosteneffektivität zunehmend genauer nachgewiesen werden müssen!
Die schwere Sepsis und der septische Schock sind die Haupttodesursachen auf Intensivstationen. Die Letalität ist abhängig von Grund- und Begleiterkrankungen, der Lokalisation des Infektionsfo-
kus, dem Alter des Patienten und dem Schweregrad des septischen Krankheitsbildes. Trotz der Bemühungen, die pathophysiologischen Zusammenhänge zu verstehen sowie neue diagnostische und therapeutische Konzepte zu entwickeln, ist die Letalität mit 30–50 % inakzeptabel hoch. Bei 2–3 % der Patienten auf einer Normalstation und 10–15 % der Intensivpatienten tritt eine schwere Sepsis oder ein septischer Schock auf. In den USA erkranken jährlich schätzungsweise 750.000 Patienten an einer Sepsis, von denen bis zu 200.000 an den Folgen sterben. Für Deutschland fehlen flächendeckende Daten zur Epidemiologie der Sepsis. Der hohe therapeutische und diagnostische Aufwand und die lange Liegedauer auf der Intensivstation führen bei Patienten mit schwerer Sep-
136
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Kapitel 5 · Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis
sis zu hohen Therapiekosten von durchschnittlich etwa 23.000 Euro pro Patient. Die Krankenhauskosten und die indirekten Kosten der Sepsis, die der Gesellschaft durch den Produktivitätsverlust entstehen, belaufen sich in Deutschland auf insgesamt etwa 4–8 Mrd. Euro pro Jahr.
Eines der kostenintensivsten Krankheitsbilder der modernen Intensivmedizin Die Sepsis ist eine komplexe systemische inflammatorische Reaktion auf eine Infektion. Sie wird ausgelöst durch Mikroorganismen sowie Einschwemmung von Endo- und Exotoxinen und geht mit einer endogenen Ausschüttung von Mediatoren einher. Aus dieser generalisierten inflammatorischen Reaktion des Körpers können Mikrozirkulationsstörung bis hin zum Organversagen resultieren [5, 20]. Schwere Sepsis und septischer Schock sind weiterhin die Haupttodesursachen auf Intensivstationen [18] und gehören zu den kostenintensivsten Krankheitsbildern der modernen Intensivmedizin. Obwohl die Letalität weiterhin inakzeptabel hoch ist, scheint es bereits durch eine Verbesserung der supportiven intensivmedizinischen Therapie zu einer Verringerung der Letalität des septischen Schocks zu kommen. Vergleicht man die Letalitätsraten von Patienten mit identischen APACHE-II-Werten der Placebogruppen aus den Anti-TNF-Studien von 1995 [4] und aus dem Jahre 2001 [3], so zeigt sich in der neueren Studie eine geringere Letalität in der Placebogruppe.
Epidemiologie: Defizite in Deutschland Trotz der großen gesundheitsökonomischen Bedeutung der Sepsis fehlen in Deutschland valide epidemiologische Daten zu Inzidenz, Prävalenz und Letalität. Um einen Überblick über die Epidemiologie der Sepsis geben zu können, werden im Folgenden mehrere amerikanische und europäische Studien zusammengefasst.
Lange Krankenhausliegedauer und hohe Kosten prägen das Krankheitsbild Die Krankenhausliegedauer ist bei Patienten, die mit einer Sepsis aufgenommen werden oder im Verlauf ihres Aufenthalts eine Sepsis entwickeln, deutlich erhöht [83]. In der Regel benötigen diese Patienten eine intensivmedizinische Betreuung, die im Vergleich zu nichtseptischen Patienten ebenfalls verlängert ist. Innerhalb eines Krankenhauses stellt die Intensivmedizin heute den kostenintensivsten Bereich dar [29]. Ihr Anteil liegt zwischen 5 % und 15 % des Krankenhausbudgets, in den USA mit einer etwas anderen Krankenhausstruktur bei bis zu 20 % [51]. Allein aus der längeren Liegedauer auf der Intensivstation und im Krankenhaus [103] lässt sich abschätzen, dass das Auftreten einer Sepsis mit hohen Kosten verbunden ist. Es gibt bisher aber leider nur wenige Studien, die die direkten Kosten der Intensivtherapie oder gar die Gesamtkosten für die Gesellschaft untersucht haben. Vor dem Hintergrund limitierter Budgets im Gesundheitswesen, die eine hohe Kosteneffektivität im medizinischen und speziell im intensivmedizinischen Bereich erfordern, werden diese Daten dringend benötigt. Sie sind außerdem wichtig für die Beurteilung neuer, innovativer und evtl. teurer Therapien, deren Kosteneffektivität auf der Grundlage von Kostenstudien berechnet wird.
Epidemiologie der Sepsis Für die Abschätzung der gesundheitsökonomischen Kosten der schweren Sepsis und des septischen Schocks ist die Kenntnis der Epidemiologie dieses Krankheitsbildes unerlässlich. Trotzdem existieren für Deutschland bisher keine validen epidemiologischen Daten, und das Statistische Bundesamt gibt die Zahl der sepsisbedingten Todesfälle anhand der ICD-9-Kodierung und der Krankenhausentlassungsdiagnosen mit nur 7000 Fällen an. Diese Zahl dürfte die tatsächliche Anzahl der sepsisbedingten Todesfälle stark unterschätzen. Im Jahre 1990 wurde vom »Center for Disease Control« (CDC) in Amerika geschätzt, dass pro
137 Epidemiologie der Erwachsenensepsis nach der Definition der Konsensuskonferenz
Jahr 450.000 Patienten an einer Sepsis erkranken und mehr als 100.000 Menschen an deren Folgen sterben [43]. Weiterhin warnte das CDC, dass die Inzidenz der Sepsis durch die veränderte Altersstruktur der Gesellschaft sowie durch HIV-Infektionen weiter steigen wird. Ein Nachteil dieser retrospektiven Untersuchung besteht darin, dass nur Septikämien erfasst wurden. Patienten mit einer schweren Sepsis ohne positiven Blutkulturbefund fehlen daher in dieser Datensammlung. Eine neuere Untersuchung aus den USA zeigt, dass die Daten der CDC aus dem Jahre 1990 die Inzidenz der Sepsis deutlich unterschätzten. Angus et al. [10] konnten auf der Basis der ICD-9Kodierung einer Datenbank von 7 Bundesstaaten aus dem Jahre 1995 zeigen, dass in den USA schätzungsweise jährlich 750.000 Patienten an einer schweren Sepsis erkranken und die Letalität bei durchschnittlich 28,6 % (etwa 215.000 Todesfälle/Jahr) liegt. Mit einer Inzidenz von 3/1000 Einwohner ist die schwere Sepsis eine häufigere Erkrankung als das Mammakarzinom (Inzidenz: 1,1/1000 Einwohner) oder das Darmkarzinom (Inzidenz: 0,5/1000 Einwohner). Bei den Todesursachen hat die schwere Sepsis einen Anteil von 9 % und ist nach Einschätzung der Autoren damit in seiner Bedeutung dem Myokardinfarkt gleichzusetzen. Neben dem Schweregrad des septischen Krankheitsbildes [82, 85] wird die Letalität auch durch den verursachenden Keim [74] und die primäre Lokalisation des Infektionsherdes [91] beeinflusst. Außerdem spielen die aktuelle zugrunde liegende Erkrankung [103], vorbestehende Organschäden und Nebenerkrankungen [81], das Alter [24, 55], das Geschlecht [24], der Krankheitsschweregrad bei Aufnahme [85] und der Zeitpunkt des Beginns einer adäquaten antibiotischen Therapie [44] eine Rolle. Liegen die Patienten bei Auftreten eines septischen Schocks auf der Normalstation, dann ist die Sterblichkeit aufgrund der späteren Diagnosestellung und des späten Therapiebeginns deutlich höher als bei Intensivstationspatienten [61].
5
Epidemiologie der Erwachsenensepsis nach der Definition der Konsensuskonferenz Mit der Konsensuskonferenz von 1992 wurden die Begriffe «systemic inflammatory response syndrome» (SIRS), «Sepsis», «schwere Sepsis» und «septischer Schock» einheitlich definiert, und diese bilden seitdem die Grundlage für klinische und epidemiologische Studien zur Sepsis [20]. Die Definition der Konsensuskonferenz unterscheidet sich erheblich von den mikrobiologisch orientierten Definitionen des CDC oder des ICD-9, ermöglicht aber einen Vergleich zwischen verschiedenen epidemiologischen Studien. Die ersten großen Untersuchungen, die die ACCP-/SSCM-Definitionen zugrunde legten, wurden im Jahre 1995 publiziert [24, 82, 94]. In einigen Untersuchungen wurden die Patienten entsprechend der einzelnen Kategorien analysiert [6, 68, 82, 86–89]; andere Arbeitsgruppen haben auf diese Aufteilung verzichtet oder ausschließlich Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock untersucht [53, 95, 103, 111]. Im Folgenden werden die Ergebnisse für die verschiedenen Stadien der Sepsis dargelegt.
»Systemic inflammatory response syndrome« – SIRS Der Begriff »SIRS« bezeichnet die erste Stufe einer systemischen proinflammatorischen Reaktion des Immunsystems auf eine Läsion. Dabei wird berücksichtigt, dass die typischen Zeichen – wie Fieber, Leukozytose und Störungen der Hämodynamik – infolge der Interaktionen verschiedener pathophysiologisch relevanter Zytokine und zellulärer Mediatoren sowohl durch eine Infektion als auch infolge von nichtmikrobiologischen Entzündungsreaktionen auftreten können. Besteht der Verdacht oder der Nachweis einer Infektionsquelle, so ist das SIRS gleichzusetzen mit einer Sepsis. Mit der sehr unspezifischen Definition des SIRS sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, frühzeitig Patienten zu identifizieren, die eine Sepsis entwickeln, um eine schnellere und gezielte Therapie zu ermöglichen.
138
1 2 3
Epidemiologische Studien konnten zeigen, dass mit Hilfe der SIRS-Kriterien eine Identifikation von infektiösen/septischen Patienten nicht möglich ist. ! Die Prävalenz des SIRS ist sehr hoch. Bis zu 33 %
aller behandelten Patienten in einem Krankenhaus erfüllen zu irgendeinem Zeitpunkt während ihrer stationären Behandlung mindestens 2 SIRS-Kriterien. Auf Intensivstationen zeigen sogar über 80 % aller Patienten die Zeichen einer systemischen Inflammation. Besonders Traumapatienten weisen häufig Zeichen der systemischen Inflammation auf, obwohl nur selten eine Infektion nachgewiesen wird.
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Kapitel 5 · Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis
Rangel-Frausto et al. [88] konnten zeigen, dass im Verlauf des stationären Aufenthalts nur 32 % der Patienten mit 2 SIRS-Zeichen, 36 % mit 3 SIRSZeichen und 45 % mit 4 SIRS-Zeichen innerhalb der nächsten 2 Wochen eine Sepsis mit nachgewiesener Infektionsquelle entwickelten. Zwischen 1993 und 1994 wurden in eine italienische Multicenterstudie insgesamt 1101 Patienten einbezogen, von denen 52 % Zeichen einer systemischen Inflammation aufwiesen [94]. Bei der Hälfte dieser Patienten konnte keine Infektion nachgewiesen werden, eine Sepsis nur bei 16 %, eine schwere Sepsis bei 5,5 % und ein septischer Schock bei
6 %. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Pittet et al. [82] bei chirurgischen Intensivpatienten. In dieser Studie waren bei 93 % aller untersuchten Patienten mindestens 2 SIRS-Kriterien erfüllt, die aber nur bei 49 % als Sepsis und bei 16 % als schwere Sepsis kategorisiert wurden. Die Inzidenz des SIRS liegt bei 180/1000 Krankenhausaufnahmen bzw. bei 580–880/1000 Intensivstationsaufnahmen [68, 94, 95] (. Abb. 5-1 und 5-2). ! Zwei Drittel der Intensivstationspatienten haben
ein SIRS mit nichtmikrobiologischer Ursache, und nur bei einem Drittel dieser Patienten liegt tatsächlich eine Infektion/Sepsis vor. Das SIRS spielt demzufolge im Hinblick auf die Abschätzung der gesundheitsökonomischen Folgen der Sepsis nur eine untergeordnete Rolle.
Sepsis Über den gesamten Aufenthalt auf der Intensivstation liegt die Häufigkeit der Sepsis (ohne schwere Sepsis und septischen Schock!) in den verschiedenen Studien zwischen 10 % und 32 % [11, 82, 86, 88, 94]. Bezogen auf das gesamte Patientengut eines Krankenhauses entwickeln 10–45 von 1000 aufgenommen Patienten eine Sepsis (. Abb. 5-1; [10, 53,
15 16 17 18 19 20
Inzidenz pro 1000 Krankenhausaufnahmen
14
SIRS
Sepsis
Schwere Sepsis
Septischer Schock
. Abb. 5-1. Inzidenz der Sepsis im Krankenhaus. SIRS (»systemic inflammatory response syndrome«). (Mod. nach [23, 95])
139
Inzidenz pro 1000 Intensivstationsaufnahmen
Epidemiologie der Erwachsenensepsis nach der Definition der Konsensuskonferenz
5
600
500
400
300
200 100 0
SIRS SIRS
Sepsis Sepsis
Schwere Sepsis schwere Sepsis
Septischer Schock septischer Schock
. Abb. 5-2. Inzidenz der Sepsis auf Intensivstationen. SIRS (»systemic inflammatory response syndrome«). (Mod. nach [23, 68, 84, 94, 95])
95]). Betrachtet man nur Patienten auf Intensivstationen, so steigt die Inzidenz auf 144–163/1000 Patienten (. Abb. 5-2). Im Jahre 1997 wurde über 12 Monate eine multizentrische Studie in Europa, Kanada und Israel zur Epidemiologie von Infektionen und Sepsis auf chirurgischen und medizinischen Intensivstationen durchgeführt [6]. Insgesamt wurden die Daten von 14.364 erwachsenen Patienten erhoben, die dann in Gruppen mit einer Liegedauer von <24 h und einer Liegedauer von ≥24 h unterteilt wurden; 8353 Patienten wiesen eine Liegedauer von ≥24 h auf. In dieser Gruppe lag bei 32 % der Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme auf die Intensivstation bereits eine Infektion vor. Im Verlauf der intensivmedizinischen Behandlung entwickelten 15 % der initial nicht infizierten Patienten eine nosokomiale Infektion; 28 % der Patienten mit Infektion hatten eine Sepsis, 24 % eine schwere Sepsis und 30 % einen septischen Schock.
Infektionen ohne Sepsis – nicht weniger gefährlich Die oben genannte multizentrische Studie [6] zeigte auch, dass nur 80 % der klinisch dokumentierten Infektionen in eine der Sepsiskategorien der Konsensuskonferenz klassifiziert werden konnten. Die Krankenhausletalität dieser dokumen-
tierten Infektionsfälle ohne SIRS lag zwischen 20,6 % und 48,6 % und damit im Bereich der Patienten mit Sepsis. Sicherlich wäre es sinnvoll, in naher Zukunft die Definitionen der Konsensuskonferenz zu überarbeiten, um auch solche Patienten als septisch zu klassifizieren.
Schwere Sepsis und septischer Schock Die Häufigkeit einer schweren Sepsis auf einer Intensivstation wird mit 5,5 % und 11,3 % [9, 43, 103, 116] der behandelten Patienten angegeben. In einer nationalen französischen Untersuchung [24], die insgesamt 11.828 Patienten aus 170 Intensivstationen umfasste, wurden ausschließlich Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock aufgenommen. Der Schweregrad der zugrunde liegenden Erkrankung, die Anzahl an Organversagen, das Auftreten eines Schocks und die Anzahl der Infektionsherde beeinflusste die Letalität. Die Inzidenz der schweren Sepsis liegt bei 6/ 1000 Krankenhaus- und 24–136/1000 Intensivstationsaufnahmen [24, 68, 83, 93] (. Abb. 5-1 und 5-2). Wichmann et al. [116] fanden eine höhere Inzidenz bei männlichen als bei weiblichen Patienten, bezüglich der Letalität bestanden keine Unterschiede. Die Häufigkeit eines septischen Schocks bei Intensivstationspatienten wird mit 4–6 % angegeben [86, 94]. Die Inzidenz liegt mit 1,4/1000 Kran-
140
Kapitel 5 · Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis
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kenhausaufnahmen und 61–87/1000 Intensivstationsaufnahmen unter der Inzidenz der schweren Sepsis (. Abb. 5-1 und 5-2). Die klinische Progression des septischen Krankheitsbildes gemäß den einzelnen Sepsisdefinitionen der Konsensuskonferenz ist in einer prospektiven Studie belegt worden: 64 % der Patienten mit einer Sepsis entwickeln innerhalb von 24 h (Median) eine schwere Sepsis und 23 % der Patienten mit schwerer Sepsis innerhalb der nächsten 28 Tage (Median) einen septischen Schock [88].
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Letalität
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Die Letalität des SIRS liegt zwischen 7 % und 31 % [94]. Die SIRS-Letalität unterscheidet sich bei Auftreten des SIRS nur geringfügig von derjenigen von Patienten, die keinerlei Zeichen eines SIRS aufweisen (24 % vs. 26,5 %; [94]). In einem Kollektiv von SIRS-Patienten, die mehr als nur 2 der 4 Kriterien erfüllen, steigt die Letalität konsekutiv an (2 Kriterien: 7 %; 3 Kriterien: 10 %; 4 Kriterien: 17 %) [88]. Auch wenn die Zahlen der einzelnen epidemiologischen Studien teilweise deutlich von einander abweichen, findet sich übergreifend eine hohe Letalität der Sepsis (. Tabelle 5-1). Dabei steigt mit zunehmender Schwere der Erkrankung auch die assoziierte 28-Tages-Letalität stetig an. Das Sterberisiko ist bei Patienten, die einen septischen Schock überlebt haben, im Vergleich zur unkomplizierten Sepsis auch nach einem Jahr noch ver-
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. Tabelle 5-1. Letalität bei Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock (Angaben in %)
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Literatur
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[88]
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Sepsis
Schwere Sepsis
Septischer Schock
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20
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[82]
0
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[94]
36
52
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[68]
10
18
53
[6]
17–50
25–56,3
45,7–66,8
dreifacht. Im Vergleich dazu liegt die Letalität nichtinfektiöser Patienten zwischen 3 % und 17 %.
Liegedauer Patienten mit Sepsis haben deutlich längere Liegezeiten auf der Intensivstation [83] im Vergleich zu nichtseptischen Patienten [67, 103]. Die Liegedauer wird vom Krankheitsschweregrad beeinflusst, wobei die Überlebenden im Mittel zwar kürzer auf der Intensivstation liegen, dafür aber eine längerer Krankenhausliegedauer zeigen.
Langzeitdaten Die Langzeitfolgen der Sepsis sind bislang wenig untersucht. Mehr als 70 % der nicht überlebenden Patienten versterben bis zum 14. [24] bzw. 21. Tag [84]. In einer Langzeituntersuchung an 153 Patienten mit Sepsis fanden Sasse et al. [96] eine Krankenhausletalität von 51 %; nach 6 Monaten lag sie bei 65 % und nach einem Jahr bei 72 %. Allerdings wiesen 25 % der eingeschlossenen Patienten eine maligne Grunderkrankung oder eine HIV-Infektion auf. Perl et al. [81] fanden in einer Gruppe von 100 Patienten mit schwerer Sepsis nach einem Monat eine Letalität von 32 %, von 37 % nach 3 Monaten, von 43 % nach 6 Monaten und von 60 % nach 30 Monaten. Quartin et al. [87] konnten zeigen, dass Patienten, die eine Sepsis überlebt hatten, eine von 8 auf 4 Jahre verkürzte Lebenserwartung im Vergleich mit nichtseptischen Patienten aufwiesen. Insgesamt scheint die Sterbewahrscheinlichkeit nach primärem Überleben einer Sepsis über Jahre erhöht zu sein [81, 96]. ! Die Angaben zur 28-Tages-Letalität (z. B. 28,6 %
in [10]) unterschätzen die Gesamtletalität der Sepsis.
Lebensqualität Leider sagt die Letalität nichts über die Lebensqualität nach dem Überleben einer Erkrankung
141 Ökonomische Aspekte
aus. Patienten, die eine Sepsis überleben, können persistierende Organdysfunktionen, einen eingeschränkten funktionellen Status (physisch, emotional, sozial) und damit eine auf den Gesundheitszustand bezogene reduzierte Lebensqualität haben [46]. Im Extremfall könnte es ein Überleben geben, das für den Einzelnen als nicht lebenswert empfunden wird [78, 79]. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist die physische Leistungsfähigkeit (berufliche und private Arbeitsfähigkeit) deutlich reduziert ist [81]; 16 Monate nach einer Sepsis scheint die Lebensqualität mit derjenigen chronisch kranker Patienten vergleichbar zu sein [46]. In Zukunft sollten längerfristige Patientenbeobachtungen dazu beitragen, die tatsächliche Letalität der verschiedenen Sepsisstadien sowie deren Einfluss auf die Lebensqualität der überlebenden Patienten zu erfassen [1].
Epidemiologie der Sepsis bei Kindern Inzidenz und Letalität der schweren Sepsis unterscheiden sich bei Kindern und Erwachsenen [115]. In den USA werden jährlich >42.000 Kinder mit schwerer Sepsis behandelt (0,56/1000 Fälle/Jahr). Dabei sind Pneumonien (37 %) und primäre Bakteriämien (25 %) die häufigsten Ursachen für eine Infektion. Diese Zahl der hospitalisierten Kinder mit schwerer Sepsis entspricht annähernd der Hälfte der Kinder, die wegen einer Appendizitis stationär behandelt wurden. Im Jahre 1995 starben schätzungsweise 4400 Kinder an schwerer Sepsis, das entspricht 7 % aller kindlicher Todesfälle. Damit sterben in den USA mehr Kinder an schwerer Sepsis als an Krebsleiden (2275 Todesfälle). Die höchste Inzidenz der schweren Sepsis (5,16/1000 Fälle) konnte für Kleinkinder bis zum 1. Lebensjahr und die niedrigste in der Alterstufe zwischen 10 und 14 Jahren (Inzidenz: 0,2/1000 Fälle) ermittelt werden. Weiterhin scheint auch das Geschlecht eine wichtige Rolle für das Entstehen einer schweren Sepsis bei Kindern zu spielen: Jungen haben dabei bis zum Ende des 1. Lebensjahres ein höheres Risiko, an einer schweren Sepsis zu erkranken, als Mädchen. Ähnliche Ergebnisse las-
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sen sich auch bei einigen neonatalen Infektionen zeigen. Mit zunehmenden Alter verlieren sich diese Geschlechterunterschiede. Bis zum 10. Lebensjahr ist die Inzidenz der schweren Sepsis bei Jungen weiterhin erhöht, bezüglich der Letalität bestehen aber keine Unterschiede mehr. ! Die schwere Sepsis stellt auch bei Kindern ein
schwerwiegendes Problem dar. Frühgeborene und Kinder bis zum 1. Lebensjahr sind besonders gefährdet!
Ökonomische Aspekte Die ökonomische Relevanz der Sepsis für die Gesellschaft ist beträchtlich, wie die epidemiologischen Zahlen belegen. Leider gibt es bisher nur wenige Studien, in denen die direkten Kosten der Sepsis genau erfasst wurden [28, 39]; für die indirekten Kosten gibt es nur Schätzungen [10, 97]. Häufig wurden nur Teilaspekte der Sepsis, z. B. Analysen zu Kosten-Nutzen-Relationen und Kosten-Effektivitäts-Relationen einzelner Therapieverfahren, untersucht [31, 32, 69, 99, 110]. In anderen Studien wurden Kostendaten aus früheren historischen Veröffentlichungen verwendet, um die Kosten einer Krankheit oder der therapeutischen Intervention zu schätzen [62, 112]. Beide Vorgehensweisen sind durchaus sinnvoll, um die insgesamt lückenhafte Datenlage zu komplettieren. Eine umfassendere Untersuchung wäre jedoch wünschenswert. Im Folgenden sollen zunächst die direkten Kosten auf der Ebene der Intensivstation und des Krankenhauses und dann der indirekte ökonomische Schaden, welcher der Gesellschaft durch den krankheitsbedingten Produktivitätsverlust und das frühzeitige Versterben der Patienten entsteht, dargestellt werden (. Tabelle 5-2).
Direkte Kosten der Intensivtherapie Die Intensivmedizin repräsentiert den kostenintensivsten Bereich eines Krankenhauses [30]. Die Ermittlung individueller Patientenkosten auf einer Intensivstation durch direkte Erfassung der verbrauchten Ressourcen (»bottom-up«) ist auf-
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. Tabelle 5-2. Kosten der Sepsis pro Patient (pro Tag) für den Bereich der Intensivmedizin, das Krankenhaus und die indirekten Folgekosten, in Euro Literatur
Intensivstation
Krankenhaus
Indirekte Kosten
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11685 (1080)a
–
–
[10]
29292a
41269a
111570a
[67]
18221 (1257)
–
–
[97]
–
–
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a Kostendaten ursprünglich in US-$ publiziert und hier in Euro dargestellt
(1 US-$=1,1 Euro).(Stand 2003)
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wändig und nur an kleinen Kollektiven oder mit Hilfe von sog. computerisierten Patientendatenmanagementsystemen (PDMS) möglich [63, 90]. Im Allgemeinen werden Patientenkosten deshalb relativ ungenau «top-down» durch Aufsplitterung des Budgets einer Intensivstation oder gar durch die von den Krankenkassen vergüteten Tagessätze (»charges«) geschätzt [21, 41, 115]. Solche Berechnungen mögen als Orientierung für die Gesamtsituation genügen, da 40–70 % der Intensivstationskosten durch Personal- und Overheadkosten entstehen; eine detaillierte patientenbezogene Analyse der Therapiekosten ist damit allerdings nicht möglich [67, 100]. Neben den Personalkosten wird die Höhe der direkten Therapiekosten von der zugrunde liegenden Erkrankung (Aufnahmegrund, Diagnose, internistisch oder chirurgisch) [71, 72], dem Krankheitsschweregrad [40, 92], der Notwendigkeit invasiver Prozeduren (mechanische Beatmung, Hämofiltration) [34, 92, 107], dem Auftreten von Infektionen [38] und einigen weiteren Faktoren beeinflusst (. Tabelle 5-3). Intensivstationspatienten sind kein kostenhomogenes Patientengut; es gibt enorme Unterschiede bei den Gesamtkosten, und selbst bei jedem einzelnen Patienten schwanken die Tageskosten – abhängig vom Krankheitsverlauf – erheblich [50]. Ein relativ kleiner Anteil der Intensivpatienten (8 %) verbraucht nahezu 50 % der gesamten Ressourcen [76]. In der Gruppe der teuersten Patienten (oberste 10 %) haben über 70 % eine schwere Infektion [64]. Im Vergleich zu Patienten ohne Infektionen sind sowohl die mittleren Tageskosten
. Tabelle 5-3. Faktoren mit Einfluss auf die Intensivstations- und Krankenhauskosten bei Sepsispatienten. (Mod. nach [7, 34, 38, 40, 45, 71, 67, 72, 92, 107]) 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Aufnahmegrund Diagnose Krankheitsschweregrad Invasive Prozeduren Liegedauer Behandlungserfolg (Outcome) Personelle Versorgungsstruktur der Intensivstation Pflegerischen Aufwand Zeitpunkt des Auftretens der Sepsis Geschlecht Alter
(ohne Personalkosten) (397 Euro vs. 305 Euro) als auch die Gesamtkosten pro Patient (14.507 Euro vs. 3985 Euro) deutlich erhöht [65, 66]. Die Therapiekosten und der Behandlungserfolg bei Patienten mit schwerer Sepsis wurden in einer britischen Untersuchung bei 213 Patienten einer Intensivstation (10 Monate im Jahre 1995) analysiert [39]. Dabei wurde bei 36 Patienten eine schwere Sepsis diagnostiziert (Inzidenz: 17 %; Letalität: 53 %). Die Autoren differenzierten die Sepsispatienten in Patienten mit Sepsis bei Aufnahme sowie bei Manifestation am 2. Tag und im weiteren stationären Verlauf. Bei Patienten ohne Sepsis lagen die Kosten im Median bei 1666 US-$/Patient, die Tageskosten bei 751 US-$/Patient. Bei Sepsispatienten betrugen die direkten Patientenkosten im Median 10.623 US-$/Patient und waren, abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens, doppelt bis
143 Ökonomische Aspekte
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Krankenhauskosten
11fach erhöht (3802–17.963 US-$/Patient; Tageskosten: 931–1079 US-$/Patient; . Tabelle 5-2). Diese enormen Unterschiede waren sowohl auf einen höheren Ressourcenverbrauch als auch auf eine längere Liegedauer (Differenz der Liegedauer: etwa 11 Tage) zurückzuführen. In einer retrospektiven Studie aus Deutschland [67] mit 385 Patienten aus 3 Universitätskliniken betrugen die mittleren Kosten pro Patient mit schwerer Sepsis 23.297 Euro (mittlere Tageskosten: 1318 Euro). Die mittlere Liegedauer auf der Intensivstation betrug 16,6 Tage, die Letalität lag bei 43 %. Neben dem Ressourcenverbrauch einzelner therapeutischer Maßnahmen sind die hohen direkten Intensivstationskosten der Sepsis auch Folge des hohen personellen Aufwands (. Abb. 53). Auch waren die Kosten für Patienten, die nicht überlebten, deutlich höher als für die überlebenden Patienten (25.446 Euro vs. 21.984 Euro), obwohl die Liegedauer auf der Intensivstation bei den Überlebenden länger war. Der Versuch, das Versterben der Patienten zu verhindern, führt anscheinend zu einem deutlich höherer Ressourcenverbrauch [80, 102]. Der Aufnahmegrund hatte ebenfalls einen großen Einfluss auf die Behandlungskosten: Chirurgische Patienten mit schwerer Sepsis waren signifikant teurer als internistische oder neurologische Patienten. Der höhere Anteil an traumatologischen Patienten in der deutschen Studie erklärt möglicherweise die höheren Gesamtkosten im Vergleich zu den Ergebnissen aus Großbritannien [39].
In einer kanadischen Studie wurden im Jahre 1999 retrospektiv die Krankenhauskosten von 100 Patienten mit schwerer Sepsis/septischem Schock über einen Zeitraum von 28 Tagen ausgewertet [58]. Die mittleren Krankenhaustageskosten beliefen sich auf 1064 CND-$/Patient, die Gesamtkosten auf 11.474 CND-$/Patient (1 CND-$ = 0,71 Euro). Der Anteil der Intensivtherapie an den Gesamtkosten betrug 38 % im Vergleich zu 18 % für die Normalstation. Ärztliche Personalkosten wurden gesondert berechnet (8 % der Gesamtkosten; (. Abb. 5-4). Auf Grundlage dieser 28-Tages-Erhebung errechnen die Autoren für die Sepsis direkte jährliche Kosten von 36,4–72,9 Mio. CND-$ für das kanadische Gesundheitssystem. Ergänzt man die Kosten, die nach dem 28. Tag entstehen, dann liegen die geschätzten Gesamtkosten bei 151,4 Mio. CND-$/Jahr. Lucioni et al. [60] errechneten anhand von Daten aus 99 italienischen Intensivstationen, dass sich die Krankenhauskosten pro Patient mit Auftreten einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks nahezu verdoppeln. Bei Patienten, die im Verlauf des stationären Aufenthalts eine schwere Sepsis entwickelten, resultierten im Vergleich zu Patienten ohne Sepsis zusätzliche mittlere Kosten von 15.200 Euro/Patient. In einer epidemiologische Studie errechneten Angus et al. [10] die Kosten der schweren Sepsis in den USA über die Krankenhausvergütung (»char-
. Abb. 5-3. Prozentuale Verteilung der direkten Intensivstationskosten bei schwerere Sepsis. (Nach [67])
. Abb. 5-4. Prozentuale Verteilung der Krankenhauskosten bei Patienten mit schwerer Sepsis. (Nach [58])
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ges«) der entsprechend verschlüsselten Fälle anhand der Intensivstations- und Krankenhausliegedauer. Die mittleren Kosten pro Patient betrugen 22.100 US-$ (mittlere Liegedauer: 19,6 Tage). Bei Patienten, die nicht überlebten, lagen die Kosten mit 25.900 US-$ deutlich höher als bei den Überlebenden (20.600 US-$). Die Kosten für chirurgische Patienten mit Sepsis waren deutlich höher als die Kosten für internistische Patienten (30.800 US-$ vs. 19.700 US-$). Die direkten Kosten wurden beeinflusst durch den Krankheitsschweregrad, das Geschlecht und das Alter der Patienten. Infolge unterschiedlicher Liegedauer lagen die Krankenhauskosten bei Männern höher als bei Frauen (23.000 US-$ vs. 21.200 US-$). Bei Patienten mit nur einem Organversagen waren die Kosten deutlich niedriger verglichen mit Patienten mit ≥ 4fachem Organversagen (19.500 US-$ vs. 32.800 US-$). Der Einfluss des Alters war ausgeprägt (<1 Jahr: 54.300 US-$; 1–19 Jahre: 28.000 US-$; Erwachsene: 21.000–25.000 US-$; >85 Jahre: 14.600 US-$). Aufgrund der höheren Inzidenz war der Anteil an den Gesamtkosten durch ältere Patienten jedoch am höchsten (Patienten >75 Jahre: 30,8 % der Gesamtkosten). Anhand dieser Daten errechneten die Autoren für die USA Gesamtkosten von 16,7 Mrd. US-$.
Kosten neuer therapeutischer Verfahren Das Therapiekonzept der Sepsis besteht im Wesentlichen aus Fokussanierung, Antibiotikagabe sowie supportiven oder adjuvanten Therapien [56, 105]. Bei der medikamentösen Therapie entfällt bisher ein großer Anteil der Kosten auf die symptomatische Sepsistherapie [67]. Spezifische Therapieansätze der Sepsis zielen im Wesentlichen darauf ab, den Kreislauf der Zytokinaktivierung zu unterbrechen und die inflammatorischen Reaktionen des Körpers zu stoppen [14, 17, 42, 48, 75, 114, 117]. Anti-TNF-Konzepte. Größere Multicenterstudien
(NORASEPT, INTERSEPT, NORASEPT II) konnten keinen Nutzen nach der Gabe von murinen
monoklonalen Antikörpern aufzeigen [2, 4, 8, 35]. Die in früheren Veröffentlichungen behandelten Fragen nach der Kosteneffektivität sollen hier nur erwähnt werden [31, 32, 98]. In der kürzlich veröffentlichten MONARCS-Studie allerdings, in der das Antikörperfragment Afelimomab verabreicht wurde, zeigte sich eine Verbesserung der Prognose bei Sepsispatienten mit hohen Interleukin-6Spiegeln [77]. Pharmakoökonomische Daten liegen hier jedoch noch nicht vor. Mit rekombinantem humanem aktiviertem Protein C (rhAPC, Xigris) wurde kürzlich ein Medikament vorgestellt, das unter Studienbedingungen die Letalität der schweren Sepsis von 30,8 % auf 24,7 % (6,1 zusätzliche Überlebende/100 behandelte Patienten) reduzieren konnte [16]. Statistisch müssten 16 Patienten behandelt werden, damit 1 Patient mehr überlebt (»number needed to treet«, NNT). Dies ist vergleichbar mit anderen therapeutischen Verfahren [49, 57, 104]. So wird z. B. in der Therapie des Herzinfarkts eine NNT von 29 als klinisch relevant definiert [26]. Der Effekt von rhAPC auf die Letalität der schweren Sepsis war am ausgeprägtesten in der Gruppe mit höherem Krankheitsschweregrad (absoluter Risikopatient, definiert als APACHE-IIScore von ≥25). Patienten mit niedrigerem APACHE-II-Score scheinen hingegen weniger von der Behandlung mit rhAPC zu profitierten. Da die Therapie mit rhAPC mit hohen Kosten verbunden ist (mittlere Kosten pro behandeltem Patient: etwa 7400 Euro), stellt sich hier in besonderem Maße die Frage der Kosteneffektivität, welche in kürzlich publizierten Analysen bewertet wurde [9, 33, 37, 62, 109]. Demnach liegen die zu erwartenden Therapiekosten für einen Patienten mit schwerer Sepsis, inklusive der Gabe von rhAPC, bei etwa 26.400 Euro im Vergleich zu 18.100 Euro ohne dieses Medikament. Pro gewonnenem Lebensjahr resultieren zusätzliche Kosten von 14.100 Euro [70]. Bei Patienten mit 2 und mehr Organversagen liegen die Kosten von rhAPC bei 10.200 Euro [70]; somit ist diese Therapie mit anderen als kosteneffektiv beurteilten Therapien vergleichbar [15, 73, 113]. Auch andere neue Therapiestrategien haben in letzter Zeit zu einer Senkung der Letalität der schweren Sepsis geführt, wie die intensivierte In-
145 Die Bedeutung der Ökonomie steigt
sulintherapie [108], die frühzeitige aggressive Volumensubstitution (»early goal directed therapy«) [93] und die Gabe von niedrigdosiertem Hydrokortison [12, 13]. Bisher gibt es noch keine Studien, die die Kosteneffektivität dieser Strategien untersucht haben. Dabei kann aber angenommen werden, dass die zusätzlichen Kosten durch diese Therapiestrategien praktisch nicht zu Buche schlagen. Die zusätzlichen Medikamentenkosten sind gering. Für die intensivierte Insulintherapie wird allenfalls ein etwas erhöhter personeller Arbeitsaufwand zum Tragen kommen; die zusätzlich erforderlichen Laborkosten liegen bei <50 Euro/Tag.
Indirekte Kosten Indirekte Kosten entstehen der Gesellschaft infolge des krankheitsbedingten Arbeitsausfalls, der Frühberentung und des Versterbens [22, 52, 59]. Ausgehend von 44.000–95.000 Fällen mit schwerer Sepsis pro Jahr in Deutschland schätzten Schmid et al. [97] mittlere Kosten von 3432 Euro/Patient infolge temporärer und 10.159 Euro/Patient infolge permanenter Arbeitsunfähigkeit bei den überlebenden Patienten. Aus der hohen Letalität errechnen sich zusätzliche Kosten von 46.000 Euro/Patient. Insgesamt belaufen sich die indirekten Kosten der Sepsis in Deutschland den Schätzungen der Autoren folgend auf 2024– 4370 Mio. Euro. Im Rahmen der Studien zur Kosteneffektivität von aktiviertem Protein C (Xigris) wurden neben den direkten Krankenhauskosten teilweise auch die Folgekosten, die nach Überleben einer Sepsis für das Gesundheitssystem entstehen, sowie die indirekten Kosten durch Arbeitsausfall geschätzt [62]. Die Kosten pro überlebendem Patienten (»cost per life saved«) betragen 160.000 US-$. Verglichen mit der statistischen Lebenserwartung der US-Normalpopulation (alters- und geschlechtsadaptiert) müssen für die Überlebenden pro gewonnenem Lebensjahr 27.936 US-$ ausgegeben werden. Bei ausschließlicher Berücksichtigungvon Patienten mit höherem Krankheitsschweregrad (APACHE-II-Score von ≥ 25) zeigte sich eine deutlich bessere Kostenrelation (78.5000 US-$/Überlebendem; 19.723 US-$/gewonnenem Lebensjahr).
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Der Vergleich der verschiedenen Studien wird nicht nur durch Einschluss unterschiedlicher Patientenpopulationen erschwert. Studien verschiedener Länder legen zudem unterschiedliche Kosten für verbrauchte Ressourcen zugrunde, haben unterschiedliche Personalkosten sowie eine andere Versorgungsstruktur bezüglich der Bettenzahl auf der Intensivstation und der Personalausstattung [25, 27]. Es muss weiterhin in Erwägung gezogen werden, welche Kosten erfasst wurden, wie genau diese Erfassung war und aus welcher Perspektive diese Kosten beurteilt wurden. Auch der Zeitpunkt der Untersuchung spielt eine Rolle: Für internistische Intensivstationspatienten wurden Behandlungskosten für das Jahr 1997 von 11.489 DM/Patient errechnet [54]; anhand eines Vergleichkollektivs aus dem Jahre 1992 konnten die Autoren zeigen, dass die Kosten der Intensivtherapie innerhalb von 5 Jahren aufgrund neuer Therapieverfahren und höherer Personalkosten um 44 % gestiegen waren [54]. ! Übereinstimmend zeigen alle bisherigen Unter-
suchungen, dass sowohl die direkten Behandlungskosten als auch die Folgekosten durch die Sepsis im Vergleich mit nichtseptischen Krankheitsverläufen um ein Mehrfaches erhöht sind.
Die Bedeutung der Ökonomie steigt Einführung neuer kostenintensiver Medikamente – Ist unser Tun noch ökonomisch vertretbar? Neue innovative Therapieansätze sind erforderlich, um nicht nur die Behandlungsqualität der Sepsis zu verbessern, sondern auch die Gesamtkosten zu senken. Aufgrund limitierter Budgets im Gesundheitssystem wird zukünftig in allen Bereichen der Medizin und speziell im Bereich der Intensivmedizin vermehrt die Frage gestellt werden, ob unser Tun auch ökonomisch vertretbar ist. Hierbei entsteht ein wachsender Konflikt zwischen den Erwartungen in der Gesellschaft, der medizinischen Realität und den verfügbaren Ressourcen [19].
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Kapitel 5 · Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis
Vor diesem Hintergrund bringt die Einführung neuer und teilweise kostenintensiver Therapien für den Intensivmediziner besondere Probleme mit sich. Bewertung und Einführung neuer Medikamente werden nicht mehr allein auf der Basis ihres therapeutischen Effekts erfolgen – für sie muss auch ein ökonomischer Vorteil im Sinne einer Kostenreduktion oder Kosteneffektivität nachgewiesen werden [36, 37]. Der Einschluss eines Patienten, für den eine solche Therapie nicht indiziert ist, steigert den Ressourcenverbrauch unmittelbar. Der Vorteil neuer Behandlungskonzepte wird aber möglicherweise erst Jahre später nach Analyse einer ausreichenden Zahl von Patienten deutlich werden [106].
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Sepsis und DRG-basierte Vergütung
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Mit der Einführung einer vollständig DRG-basierten Vergütung werden die oben diskutierten Probleme möglicherweise noch verschärft und zur Unterfinanzierung der besonders schweren Fälle führen. Hier wird der Arzt in Zukunft vor einem Dilemma stehen. Der Einsatz neuer kostenintensiver Therapien, wie z. B. von aktiviertem Protein C, dessen klinische und ökonomische Effektivität nachgewiesen wurde, stellt die einzelnen Krankenhäuser vor zusätzliche ökonomische Probleme. So erscheint es wünschenswert, dass im Gesundheitssystem künftig Regeln formuliert werden, die die Einführung teurer innovativer Diagnose- und Behandlungskonzepte trotz Ressourcenbegrenzung noch ermöglichen, wobei vorher aber ihre medizinische und gesundheitsökonomische Eignung in einer begrenzten Testphase kritisch zu hinterfragen ist. In Australien und anderen Ländern wird die Intensivmedizin aus diesem Grund über Sondervergütungen und Zuschüsse finanziert. In Amerika wurde auf das Problem eines trägen DRG-Systems reagiert, indem für neue innovative Behandlungen bis zu 50 % der Therapiekosten erstattet werden, wenn die Gesamtkosten über der Fallpauschale liegen. Diese Sondererstattung erfolgt über einen Zeitraum von 2–3 Jahren. Während dieser Zeit wird geprüft, ob eine Anpassung der Fallpauschale erfolgen muss [37].
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Nur wenn die direkten Patientenkosten erfasst werden, wird es möglich sein, die Einflussfaktoren zu bestimmen [71], welche den Kosten zugrunde liegen [50]. Sinnvoll wäre daher eine umfassende Untersuchung der gesamten im Krankenhaus entstehenden Kosten und auch der indirekten ökonomischen Belastung für die Gesellschaft durch den krankheitsbedingten Produktivitätsverlust und das frühzeitige Versterben der Patienten.
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Kapitel 5 · Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis
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Kapitel 5 · Epidemiologische und ökonomische Aspekte der Sepsis
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II Antiinfektiosa und Immunmodulation – Prävention und Therapie 6
Prävention der nosokomialen Sepsis
– 153
7
Antimikrobielle Therapie – 163
8
Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
9
Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes – 207
10
Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes – 249
– 189
6 Prävention der nosokomialen Sepsis F. Ackermann, Petra Gastmeier, B. Ruf
Sepsisprävention ist besser als Sepsistherapie! Krankenhaushygiene als Sepsisprävention Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis Isolationsempfehlungen Händedesinfektion
– 154
– 154
– 155
– 156
Katheterassoziierte Sepsis
– 157
Häufig zur Sepsis führende Infektionen Antibiotikatherapie – ist weniger mehr? »We scare because we care!« Literatur
– 153
– 158 – 160
– 161
– 161
Sepsisprävention ist besser als Sepsistherapie! Die verschiedenen Formen der Sepsis stellen nicht nur eine große klinische und wissenschaftliche Herausforderung dar und tragen zur Letalität im Krankenhaus bei, sondern sie haben auch erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen (7 Kap. 5). Obwohl pathophysiologische Abläufe und Risikofaktoren zunehmend besser verstanden werden, hat sich dies bisher nur marginal in therapeutischen Fortschritten ausgewirkt. Daher kommt der Prävention eine besonders hohe Bedeutung zu.
Nach Angaben des »Institute of Medicine« in Washington sind nosokomiale Infektionen für 98.000 Todesfälle jährlich verantwortlich und verursachen in den USA Kosten in Höhe von 29 Mrd. US-$ ([1]; s. auch 7 Kap. 5). Das höchste Risiko einer nosokomialen Sepsis haben Patienten auf Intensivstationen; publiziert sind Zahlen zwischen 5% und 35% [2]. Vor dem Hintergrund der Zunahme der Zahl an Intensivstationsbetten am Gesamtanteil der Krankenhausbetten in den vergangenen 15 Jahren ist dies ein ernst zu nehmendes Problem.
154
1 2
Kapitel 6 · Prävention der nosokomialen Sepsis
Dieses Kapitel stellt die Prävention septischer Komplikationen wie katheter- und beatmungsassoziierte Sepsis in den Mittelpunkt. Die Pathophysiologie (7 Kap. 2) und Risikofaktoren (s. unten) sind gut untersucht, die Probleme erkannt.
3 4
Krankenhaushygiene als Sepsisprävention
5
Ein Drittel der nosokomialen Infektionen könnte verhindert werden!
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Aufgrund der begrenzten Zahl randomisierter kontrollierter Studien zur Prävention der Sepsis ist nur für einen Teil der Präventionsempfehlungen deren Effekt auf die Reduktion der Infektionen wissenschaftlich nachgewiesen. Viele Empfehlungen sind allein durch rationale Überlegungen und Expertenkonsens begründet; im Hinblick auf einige Empfehlungen existieren zudem unterschiedliche Ansichten verschiedener Experten. Man geht dennoch davon aus, dass allein mit krankenhaushygienischen Maßnahmen etwa ein Drittel der nosokomialen Infektionen verhindert werden könnte [2]. Genannt seien hier Isolationsmaßnahmen, Handhygiene und restriktiverer Einsatz von Antibiotika [3, 4].
Infektionsprophylaxe hat Evidenzstandard! In den USA wurde deshalb durch die »Centers for Disease Control and Prevention« (CDC) bzw. das »Hospital Infection Control Practices Advisory Committee« (HICPAC) bereits vor Jahren begonnen, die verschiedenen Empfehlungen zur Infektionsprophylaxe nach dem Prinzip der »evidencebased medicine« mit entsprechenden Kategorien zu versehen, um für den Anwender transparent zu machen, in welchem Maße der Nutzen der einzelnen Empfehlungen bewiesen ist [5]. Im Jahre 2002 wurden die endgültigen HICPAC-Guidelines publiziert [6]. Deren Kategorien werden im Folgenden bei den einzelnen Präventionsempfehlungen angegeben (. Tabelle 6-1). Inzwischen werden auch die Präventionsempfehlungen der Kommission für Infektionsprävention und Krankenhaushygiene des Robert-Koch-Instituts (RKI) mit entsprechenden Kategorien versehen.
Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis ! Allein die intensivmedizinische Betreuung von
Patienten ist der bedeutendste Risikofaktor für eine nosokomiale Infektion!
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. Tabelle 6-1. Kategorien der Präventionsempfehlungen des »Hospital Infection Control Practices Advisory Commitee« (HICPAC-Empfehlungen). (Nach [5]) Kategorie
Bedeutung
Ia
Maßnahme nachdrücklich empfohlen; stützt sich auf gut geplante experimentelle, klinische oder epidemiologische Untersuchungen
Ib
Maßnahme nachdrücklich empfohlen; stützt sich auf einige experimentelle, klinische oder epidemiologische Untersuchungen und rationale Überlegungen
Ic
Entsprechend gesetzlichen Vorschriften gefordert
II
Maßnahme wird zur Übernahme vorgeschlagen; stützt sich auf hinweisende klinische oder epidemiologische Untersuchungen oder rationale theoretische Überlegungen
Keine Empfehlung, ungelöste Frage
Vorgehensweisen, für die keine ausreichenden Hinweise oder kein Konsens bezüglich der Effektivität existieren
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155 Isolationsempfehlungen
Dieses Risiko wird auf europäischen Intensivstationen auf etwa 20% geschätzt, wobei der größte Anteil auf Pneumonien entfällt, gefolgt von Harnwegsinfekten und katheterassoziierten Infektionen. Das spezifische Risiko für eine dieser Infektionen hängt meist von der Art der Intensivstation, der durchgeführten Intervention, einer möglicherweise vorbestehenden Grunderkrankung und der Liegedauer des Patienten ab [7, 8]. Gute Scores zur Einschätzung der Prognose von Patienten mit Sepsis oder septischem Schock (s. auch 7 Kap. 3) sind bisher nicht vorhanden. Die Nutzung gängiger Scores, wie z. B. des APACHE-II-Score, hat nur einen geringen prädiktiven Wert [8]. Weitere nicht zu unterschätzende Risikofaktoren, insbesondere bei der Einhaltung von Hygienevorschriften, scheinen die personelle Unterbesetzung mit mittlerem medizinischen Personal sowie die Überbelegung auf Intensivstationen zu sein [9].
6
Isolationsempfehlungen Wir haben gute Empfehlungen! Ein großer Teil der Patienten, welche eine Intensivstation erreichen, sind zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits mit Keimen kolonisiert, die möglicherweise im weiteren klinischen Verlauf eine Rolle spielen. Gerade am Anfang kann hier durch sinnvolle Isolationsmaßnahmen die Übertragung von Erregern auf andere Patienten und medizinisches Personal verhindert werden. Die hier im Folgenden zitierten Richtlinien orientieren sich an den Maßgaben der CDC und des RKI [10]. Im Wesentlichen unterscheiden die Empfehlungen Tröpfcheninfektion und Kontaktübertragungen. Die spezifischen Empfehlungen sind in . Tabelle 6-2 zusammengefasst und sind online unter http://www.cdc.gov/ncidod/hip/isolat/isolat.htm einzusehen.
Praxistipp Das Auffinden von Infektionsketten, die regelmäßige Schulung des Personals sowie die Einbindung von Hygienefachkräften sind nachweislich einfache Möglichkeiten, um die Anzahl krankenhausassoziierter Infektionen zu senken.
Hygienevorschriften sind unpopulär! Leider hat weder die Existenz der Richtlinien noch deren nachweisliche Effizienz dazu geführt, dass sie in der klinischen Praxis umgesetzt werden (s. auch 7 Kap. 4). Hygienevorschriften sind unpopulär und werden vor dem Hintergrund eines
. Tabelle 6-2. Spezifische Isolationsmaßnahmen, orientiert an den Richtlinien des »Hospital Infection Control Practices Advisory Commitee« (HICPAC) Händedesinfektion
Nach jedem Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder kontaminierten Gegenständen, vor und nach Benutzung von Handschuhen, vor und nach jedem Patientenkontakt
Handschuhe
Immer wenn das Risiko besteht, in Kontakt mit Körperflüssigkeiten zu geraten, außerdem bei Schleimhautkontakt, Kontakt zu Wunden und bei Kontakt mit Patienten mit folgenden Erkrankungen: MRSA-Infektion, VRE-Infektion, ESBL-Infektion, Enteritis, Herpes simplex/zoster, Impetigo
Maske/Augenschutz
Immer wenn das Risiko einer durch Aerosol übertragbaren Erkrankung oder das Spritzen von Körperflüssigkeiten besteht und bei Kontakt mit Patienten mit folgenden Erkrankungen: Tuberkulose, Masern, Windpocken, Meningokokken
Kittel
Bei der Möglichkeit, durch engen Patientenkontakt mit Körperflüssigkeiten in Berührung zu kommen, und bei Kontakt mit Patienten mit folgenden Erkrankungen: MRSA-Infektion, VRE-Infektion, ESBL-Infektion, Enteritis
Auf die spezifischen Isolationsmaßnahmen bei hämorrhagischem Fieber sowie einigen Kindererkrankungen wird in dieser Tabelle nicht eingegangen. MRSA methicillinresistenter Staphylococcus aureus; VRE vancomycinresistente Enterokokken; ESBL »Extended«-Spetrum-β-Laktamase-Bildner
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Kapitel 6 · Prävention der nosokomialen Sepsis
schlechten Schulungsstandards von den Mitarbeitern eines Krankenhauses oft als Schikane empfunden. Aber gerade weil wir in zunehmendem Masse Probleme mit methicillinresistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA), »Extended«-Spektrum-β-Laktamase-Bildnern (ESBL), vancomycinresistenten Enterokokken (VRE) und Clostridium difficile haben, sollte sich etwas ändern. Den Kopf in den Sand zu stecken ist wirtschaftlich und in Zukunft wohl auch vom juristischen Standpunkt aus gesehen für ein Krankenhaus ruinös.
6
Praxistipp
7
»Schulung« und »Aufklärung« sollten die Schlüsselwörter sein, um die Compliance des medizinischen Personals zu verbessern [11].
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Tabelle 6-3. Eigene und dokumentierte Angaben zur Handreinigung. (Nach [28]) Datenquelle
Handreinigung nach Patientenkontakt
Eigene Angaben (n=123)
104 (85%)
Mitarbeiterschätzung (n=123)
63 (51%)
Dokumentation (n=173)
48 (28%)
genauso wichtig ist. Eigene und dokumentierte Angaben zur Handreinigung sind in . Tabelle 63 dargestellt.
Welches Desinfektionsmittel?
Händedesinfektion Wichtiger denn je! Praxistipp Die Bedeutung der Händedesinfektion kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es muss fast als ein makaberer Scherz anmuten, dass im Zeitalter von »gene engineering« diesbezüglich noch Aufklärungsbedarf besteht.
Bis heute stellen Krankenhausepidemien mit Keimen, die über die Hände des medizinischem Personals übertragen werden, ein großes Problem dar [12]. Dies geschieht durch die Hände als Transportmedium von Patient zu Patient oder aber durch Kolonisierung des medizinischen Personals. Hier spielt insbesondere die Besiedlung mit gramnegativen Bakterien und Pilzen eine Rolle [13]. Nur anekdotisch sei erwähnt, dass eine Besiedlung der Hände mit Keimen, die von Haustieren des Personals stammen, nicht selten ist [14]. Hier wird klar, dass neben strikter Händedesinfektion, an Stellen wo direkter Kontakt mit Körperflüssigkeiten besteht, das Tragen von Handschuhen mindestens
Ist es erheblich, welches Desinfektionsmittel verwendet wird? Vom akademischen Standpunkt: ja; vom praktischen: nein! Wichtig ist, dass desinfiziert wird. Natürlich konnten Untersuchungen mit verschiedenen antimikrobiell wirksamen Substanzen zeigen, dass sie der Desinfektion mit Alkohol oder Seife überlegen sind [15]. In der Praxis spielt dies eine untergeordnete Rolle, weil für die Compliance andere Dinge verantwortlich sind. Aus folgenden Gründen wird in der Regel nicht desinfiziert: 5 Allergie oder Unverträglichkeit gegenüber dem jeweiligen Desinfektionsmittel, 5 keine Zeit, 5 ungünstige Lage von Desinfektionsmittelspender bzw. Waschgelegenheit, 5 last but not least: der Händedesinfektion wird eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. ! Ohne größeren finanziellen Aufwand könnte
durch geeignete logistische Maßnahmen sowie die regelmäßige Schulung des Personals eine höhere Akzeptanz der Händedesinfektion erreicht werden.
157 Katheterassoziierte Sepsis
Katheterassoziierte Sepsis Bei einer Sepsis auf der Intensivstation kann es sich um primäre Infektionen – v. a. im Zusammenhang mit der Anwendung von Gefäßkathetern – oder um sekundäre Infektionen als Folge anderer Infektionen handeln. Während die Prävention der sekundären Infektionen selbstverständlich bei der Prophylaxe der ursächlichen Infektionen beginnen muss, steht bei der Prävention der primären Sepsis der Umgang mit Gefäßkathetern, insbesondere zentralen Gefäßkathetern, im Mittelpunkt ([16]; s. auch 7 Kap. 4). Beim extraluminalen Weg dringen die Erreger über die Kathetereintrittsstelle in die Blutbahn ein. Dieser Infektionsweg hat die größere Bedeutung und ist v. a. bei kürzeren Liegezeiten der zentralen Venenkatheter (ZVK) relevant (<10 Tage). Der intraluminale Weg ist v. a. bei langer Liegezeit der ZVK bedeutsam sowie bei totaler parenteraler Ernährung. Entsprechend diesen Infektionswegen sind etwa 26,6% der katheterassoziierten Sepsisfälle auf Intensivstationen durch koagulasenegative Staphylokokken bedingt, etwa 16,1% durch Staphylococcus aureus und 9,9% durch Enterokokken. Unter den gramnegativen Erregern, die v. a. intraluminal eindringen, dominieren Enterobacter spp. (5,7%), Klebsiella spp. (4,8%), Escherichia coli (4,5%) und Pseudomonas aeruginosa (3,8%). Der Anteil von Candida albicans liegt bei 3,0% [17].
Präventionsempfehlungen für das Legen zentraler Venenkatheter Unter den allgemeinen Empfehlungen sind hervorzuheben: 5 Einhaltung der Händehygiene vor und nach Palpation der Insertionsstelle, vor und nach Legen des Katheters und beim Verbandswechsel (Kategorie IA). 5 Die Verwendung von Handschuhen ersetzt nicht die Notwendigkeit der Händedesinfektion (Kategorie IA). 5 Die regelmäßige Schulung des medizinischen Personals zum Umgang mit Gefäßkathetern wird dringend empfohlen (Kategorie IA).
6
Auswahl der Insertionsstelle Die Risiken und Vorteile der verschiedenen Insertionsmöglichkeiten im Hinblick auf die infektiösen und mechanischen Komplikationen sind abzuwägen (Kategorie IA). Zur Minimierung des Infektionsrisikos ist bei nicht getunnelten ZVK die Punktion der V. subclavia zu bevorzugen (Kategorie IB)
Auswahl des Katheters Zum Vorteil der an der Außenseite antiseptisch beschichteten ZVK (Chlorhexidinsilbersulfadiazin) existieren verschiedene randomisierte, kontrollierte Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Eine kürzlich erschienene – allerdings kritisch bewertete – Metaanalyse zeigt einen Vorteil für die Anwendung dieser Katheter [18]. Außerdem wird die Strategie verfolgt, durch Imprägnierung mit verschiedenen Antibiotika zu einer Reduktion der Sepsisinzidenz zu gelangen (v. a. durch Beschichtung mit Minocyclin/Rifampicin, Innen- und Außenseite); in einer vergleichenden Untersuchung wurde die Überlegenheit der antibiotikabeschichteten Katheter gezeigt [19]. Zur Imprägnierung mit Antibiotika gibt es wegen der Möglichkeit der Resistenzentwicklung allerdings auch erhebliche Vorbehalte. Antimikrobiell oder antiseptisch imprägnierte ZVK (s. auch 7 Kap. 4) sollten verwendet werden, wenn 5 trotz Beachtung der Präventionsmaßnahmen noch immer eine hohe ZVK-assoziierte Sepsisrate vorliegt (>3,3/1000 ZVK-Tage; Kategorie IB); 5 für die Patienten ein hohes Infektionsrisiko anzunehmen ist (Patienten mit totaler parenteraler Ernährung oder Neutropenie oder Intensivpatienten mit einer prospektiven ZVKLiegezeit von >4 Tagen; Kategorie II). Keine Empfehlung wird für Patienten mit einer anzunehmenden ZVK-Liegezeit von unter 4 Tagen gegeben (ungeklärte Frage).
Technik beim Legen des ZVK Wenden Sie die sterile Technik an, d. h. sterile Handschuhe, steriler Kittel, Mund-Nasen-Schutz, Haube, steriles Abdecktuch (Kategorie IA). Steri-
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Kapitel 6 · Prävention der nosokomialen Sepsis
le Mullverbände oder sterile semipermeable Folienverbände können Sie alternativ verwenden, um die Insertionsstelle abzudecken (Kategorie IA).
Präventionsempfehlungen für das Pflegen zentraler Venenkatheter
4 Praxistipp
5
Entfernen Sie jeden Katheter, der nicht mehr notwendig ist (Kategorie IA)!
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Katheterwechsel Wechseln Sie zur Infektionsprävention nicht routinemäßig die Katheter (Kategorie IB)! Wechseln Sie ZVK auch dann nicht routinemäßig, wenn der Patient Fieber hat. Vielmehr sollten Sie eine sorgfältige Untersuchung daraufhin durchführen, ob an anderer Stelle Hinweise auf Infektionen vorliegen (Kategorie II). Wechseln Sie Katheter, die unter Notfallbedingungen gelegt wurden, innerhalb von 48 h, wenn das Einhalten der antiseptischen Technik nicht als gesichert angesehen werden kann (Kategorie II).
Pflege der Insertionsstelle
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Sie sollten regelmäßig die Insertionsstelle beobachten bzw. durch den intakten Verband palpieren (Kategorie IB). Führen Sie einen Verbandwechsel durch – mindestens einmal wöchentlich –, wenn der Verband feucht, locker oder verschmutzt ist (Kategorie IB). Antibiotikahaltige Salben sollten Sie wegen ihres Potenzials zur Förderung von Pilzinfektionen und Antibiotikaresistenzen nicht anwenden (Kategorie IA).
Injektionen, Infusionen Desinfizieren Sie Zuspritzöffnungen vor dem Zuspritzen mit Alkohol (Kategorie II) und verschließen Sie sie, wenn sie nicht benutzt werden (Kategorie IB). Verwenden Sie – wann immer möglich – Einmaldosenbehältnisse (Kategorie II). Wenn Sie Multidosenbehältnisse benutzen wollen, so sollten Sie diese nach dem Öffnen im Kühlschrank lagern, sofern es durch den Hersteller empfohlen
wird (Kategorie II). Verwenden Sie In-line-Filter nicht routinemäßig zur Infektionsprävention (Kategorie IA). Entnehmen Sie die Zeitintervalle für das Wechseln der Katheter, der Verbände, der Schlauchsysteme und der parenteralen Lösungen der . Tabelle 6-4.
Surveillance der katheterassoziierten Sepsis Unter »Surveillance« versteht man die fortlaufende, systematische Erfassung, Analyse und Interpretation der Infektionsdaten, die für das Planen, die Einführung und die Evaluation von medizinischen Maßnahmen notwendig sind. Dazu gehört die aktuelle Übermittlung der Daten an diejenigen, die diese Informationen benötigen. Praxistipp Sie können die Inzidenz von katheterassoziierten Sepsisfällen in der eigenen Abteilung nur dann beurteilen, wenn Sie die Fälle regelmäßig erfassen, Infektionsraten berechnen und dabei dieselben Definitionen und Methoden anwenden wie eine geeignete Referenzdatenbank. Mit Hilfe der Referenzdaten können Sie die eigenen Infektionsraten beurteilen und dadurch die Surveillance erfolgreich zur Prävention nosokomialer Infektionen einsetzen (Kategorie IA).
Häufig zur Sepsis führende Infektionen An dieser Stelle sollen Sepsisursachen Erwähnung finden, die als nosokomiale Infektion zwar sehr häufig sind, jedoch seltener zu einer schweren Sepsis führen: Urosepsis, beatmungsassoziierte Infektionen und nosokomiale Diarrhöen.
Urosepsis Der Urosepsis, insbesondere der blasenkatheterassoziierten – und dies sind im Krankenhaus die
159 Häufig zur Sepsis führende Infektionen
6
. Tabelle 6-4. Zusammenfassung der Präventionsmaßnahmen bei verschiedenen Katheterarten (nur für Katheter bei erwachsenen Patienten) Katheter
Wechselstrategie
Verbandswechsel
Wechsel der Schlauchsysteme
Hängezeit für parenterale Lösungen
Periphere Venenkatheter
Alle 96 h, Ersatz von unter Notfallbedingungen gelegten Kathetern
Bei Katheterwechsel und wenn der Verband feucht, gelockert oder verschmutzt wurde. Die tägliche Inspektion der Einstichstelle muss möglich sein.
Nicht häufiger als alle 96 h, sofern nicht Blut oder Blutprodukte bzw. Lipide verabreicht wurden (in diesen Fällen: alle 24 h)
Keine Empfehlung, aber maximal 24 h bei lipidhaltigen Lösungen
Periphere arterielle Katheter
Nicht häufiger als alle 4–5 Tage
Siehe oben
Wenn der Druckaufnehmer gewechselt wird (z. B. alle 96 h)
Ersatz der Spüllösung, wenn der Druckaufnehmer gewechselt wird (z. B. alle 96 h)
Zentralvenöse Katheter
Nicht routinemäßig wechseln
Wechsel von Mullkompressen alle 2 Tage, von Folienverbänden alle 7 Tage; Ersatz, wenn der Verband feucht, gelockert oder verschmutzt wurde und wenn eine Inspektion notwendig ist
Nicht häufiger als alle 96 h, sofern nicht Blut oder Blutprodukte bzw. Lipide verabreicht wurden (in diesen Fällen alle 24 h)
Keine Empfehlung, aber maximal 24 h bei lipidhaltigen Lösungen
Pulmonalarterielle Katheter
Nicht häufiger als alle 7 Tage
Siehe oben
Siehe oben
Siehe oben
meisten –, kann erfolgreich vorgebeugt werden. Empfehlungen und Richtlinien hierfür gibt es seit vielen Jahrzehnten [20]: 5 strenge Indikationsstellung zur Katheterisierung, 5 kurze Verweildauer des Katheters, 5 bei längerer Verweildauer Verwendung von suprapubischen Kathetern, 5 Verwendung von geschlossenen Systemen, 5 Verwendung von Silikonkathetern, 5 keine prophylaktische Antibiotikagabe, 5 die Instillation von Antibiotika oder desinfizierenden Substanzen ist bei Verwendung geschlossener Systeme wenig effektiv und nicht allgemein zu empfehlen.
Beatmungsassoziierte Pneumonie Zur Prävention beatmungsassoziierter infektiöser Komplikationen ist die Datenlage sehr gut, und die Empfehlungen sind relativ einheitlich (s. auch 7 Anhang). Man ist sich einig, dass die kontinuierliche Aspiration von Flüssigkeit aus den Oropharynx die Hauptursache zu sein scheint [21]. Die einfachste Art der Verbeugung ist die Hochlagerung des Oberkörpers, auch wenn diese mit einigen modernen Beatmungstechniken interferiert. Zur Stressulkusprophylaxe liegen zahlreiche Studien vor. Eine allgemeine Empfehlung zu dieser kann nicht ausgesprochen werden. Ein anderes in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiertes Konzept ist die sog. selektive Darmdekontamination. Insbesondere bei Verwendung von H2-Blockern und Protonenpumpeninhibitoren kommt die wirtseigene Flora als Erre-
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Kapitel 6 · Prävention der nosokomialen Sepsis
gerreservoir in Betracht. Als Pro dieser Methode müssen die nachweislich signifikante Senkung von beatmungsbedingten Pneumonien in bestimmten Patientenkollektiven sowie die guten Erfahrungen bei hämatologischen und onkologischen Patienten genannt werden [22]. Das große Kontra besteht darin, dass letztlich nur wenige Patientengruppen davon profitieren und Antibiotika, wie z. B. Vancomycin, zur Anwendung gekommen sind, bei denen es schon jetzt Probleme mit Resistenzen gibt. Praxistipp Sie sollten die Methode der selektiven Darmdekontamination bei der derzeitigen Datenlage nicht favorisieren.
Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass natürlich auch die Beatmungsdauer und die Wahl des Beatmungsverfahrens, z. B. falls möglich nichtinvasive Beatmung, eine wichtige Rolle bei der Prävention beatmungsbedingter Infektionen spielen.
Antibiotikatherapie – ist weniger mehr? Antibiotikaverbrauch oder -gebrauch (7 Kap. 4, 7) ist sicher kein Punkt, der direkt mit der Sepsisprävention zu tun hat, dennoch bestimmen wir mit der Auswahl der Antibiotika, in welche Richtung selektioniert wird und welche Keime mit welchem Resistenzmuster uns möglicherweise in der Zukunft begegnen. Und so sind sich derzeit alle einig, dass schon bei der jetzigen Resistenzlage (7 Kap. 4, 7) ein restriktiverer Einsatz von Antibiotika notwendig ist. Das heißt: 5 Kontrolle des Antibiotikaverbrauchs in Krankenhäusern. 5 Die Vermeidung bestimmter Antibiotika kann nachweislich die Resistenzlage bessern: Der
5
Gastrointestinale Infektionen Nosokomiale Diarrhöen stehen an fünfter Stelle der häufigsten nosokomialen Infektionen. Meistens sind sie nicht erregerbedingt. In ca. 25 % der Fälle Antibiotika-assoziierter Diarrhöe kann Clostridium difficile als kausativer Mikroorganismus identifiziert werden. Frühzeitige Erkennung und Behandlung können hier der oft letal verlaufenden pseudomembranösen Kolitis vorbeugen. Die Infektion mit Clostridium difficile verläuft in der Regel nicht systemisch. Eine Sepsis nach Translokation von Mikroorganismen der physiologischen Darmflora kann z. B. durch Trauma, Ischämie und Darmatonie hervorgerufen werden. Polymikrobielle Infektionen sind dabei häufig. Invasive Erreger von intestinalen Infektionen sind die typhösen Salmonellen, Yersinien und Enteroinvasive Escherichia coli-Stämme (EIEC). Als Erreger der nosokomialen Sepsis spielen sie jedoch keine Rolle.
5
5 5
restriktive Einsatz von Vancomycin schlägt sich in einer deutlichen Senkung des Auftretens von vancomycinresistenten Enterokokken (VRE) nieder [25]. Deeskalation: Im Rahmen der Sepsis kommen Antibiotika fast ausschließlich empirisch zur Anwendung. Um dann tatsächlich deeskalieren zu können, muss vor einer Antibiotikagabe eine vernünftige, evtl. auch invasive Diagnostik zur Erregersuche durchgeführt werden. Kürzere Behandlungsdauer: Jede empirische Therapie sollte nach spätestens 72 h oder nach Eingang mikrobiologischer Ergebnisse hinterfragt werden, da eine inadäquate Antibiotikagabe die Prognose des Patienten verschlechtert [4]. Einsatz einer Kombinationstherapie. Rotatorische Regimes: In Kliniken bzw. auf Stationen mit Resistenzproblemen sollte eine Rotation von Antibiotika – d. h. ein regelmäßiger Austausch von Substanzen oder Substanzklassen – erfolgen, um weiteren Selektionsproblemen vorzubeugen [23]. Dieser Wechsel wird sowohl für die empirische als auch für die gezielte Behandlung empfohlen. Besonders für den Wechsel von Aminoglykosiden bei multiresistenten Pseudomonas aeruginosa ist die Datenlage sehr gut [24].
161 Literatur
Praxistipp Alle genannten Empfehlungen können jedoch kein Ersatz für sorgfältig durchgeführte epidemiologische Untersuchungen im eigenen Krankenhaus sein, sondern diese nur ergänzen.
»We scare because we care!« ! Die Bedeutung der Prävention im Management
nosokomialer Infektionen auf der Intensivstation kann nicht hoch genug eingeschätzt werden!
Die große Zahl der Intensivstationsbetten, das höhere Patientenalter und der Schweregrad der heute zu behandelnden Erkrankungen machen es zwingend notwendig, sich dem Thema Hygiene zu stellen. Krankenhäuser, die diesem Problem keine ausreichende Aufmerksamkeit schenken, werden großen wirtschaftlichen und juristischen Herausforderungen gegenüberstehen. Die kommende Budgetierung von Krankenhausetats macht Einsparungen zwingend notwendig, die nur noch in wenigen Bereichen möglich sind. Gerade auf dem Gebiet der Verhinderung nosokomialer Infektionen und des rationalen Umgangs mit Antibiotika bestehen häufig ungenutzte Möglichkeiten. Denjenigen, die in strengen Hygienevorschriften nur eine größere Belastung sehen, sei gesagt: »We scare because we care« [26].
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Kapitel 6 · Prävention der nosokomialen Sepsis
23. Gerding DN (2000) Antimicrobial cycling: lessons learned from the aminoglycoside experience. Infect Control Hosp Epidemiol 21: S12–S17 24. Gerding DN, Larson TA, Hughes RA et al. (1991) Aminoglycoside resistance and aminoglycoside usage: ten years of experience in one hospital. Antimicrob Agents Chemother 35: 1284–1290 25. Quale J, Landmann D, Saurina G et al. (1996) Manipulation of a hospital antimicrobial formulary to control an outbreak of vancomycin-resistant enterococci. Clin Infect Dis 23: 1020–1025 26. Walt Disney Productions (2001) Monster Inc.
7 Antimikrobielle Therapie A. C. Rodloff
Ziel der antimikrobiellen Chemotherapie Diagnostik vor Therapie
– 163
– 164
Grundlagen der kalkulierten Therapie – 164 Strategien der kalkulierten Therapie Probleme bei Therapiebeginn
– 171
– 172
Besonderheiten der gezielten Therapie Literatur
– 173
– 187
Ziel der antimikrobiellen Chemotherapie Nach der Definition von Schottmüller aus dem Jahr 1914 ist die Sepsis ein Krankheitsbild, welches entsteht, wenn Infektionserreger aus einem lokalen Infektionsherd nach Durchbrechen der Abwehrmechanismen ständig oder intermittierend in die Blutbahn eingeschwemmt werden, zu systemischen Krankheitszeichen Anlass geben und darüber hinaus u. U. weitere Infektionsherde ausbilden. Diese Definition ist auch von der Konsensuskonferenz 1992 [2] aufgenommen worden, die für die Definition der Sepsis neben den Zeichen des SIRS einen nachgewiesenen Infektionserreger fordert. Die Sepsis ist damit auch Ausdruck eines sich für den Patienten ungünstig gestaltenden Verhältnisses aus der Virulenz des Erregers und den Möglichkeiten der körpereigenen Abwehrmecha-
nismen. Die Folge ist eine durch die zirkulierenden Erreger bzw Erregerbestandteile (z. B. Lipopolysaccharid, Peptidoglykan, Exotoxine) vermittelte Induktion von Wirtsmediatoren, die ihrerseits das SIRS auslösen. Eine erfolgreiche Therapie der Sepsis wird damit nur dann möglich sein, wenn es gelingt, die Infektionserreger zu eliminieren, um damit zumindest die erregerbedingte weitere Aktivierung der Mediatorenkaskade zu unterbinden. Diesem Ziel dient die antimikrobielle Chemotherapie. Um eine adäquate Wirkung zu erzielen, muss der Einsatz der Antibiotika nicht selten durch weitere Maßnahmen, wie etwa die chirurgische Sanierung des Infektionsherdes (z. B. Abszessspaltung, Verschluss von Perforationen), die Beseitigung von Obstruktionen (z. B. Entfernung von Konkrementen im Bereich der Harn- oder Gallenwege) oder die Entfernung von Kunststoffimplantaten ergänzt werden.
164
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
Diagnostik vor Therapie Bei der Sepsis muss die antimikrobielle Chemotherapie so früh wie möglich einsetzen. Trotzdem sollte vor ihrem Beginn Material zur mikrobiologischen Diagnostik gewonnen werden, da mit der ersten Gabe eines Antibiotikums die Sensitivität der kulturellen Untersuchungen erheblich beeinträchtigt wird. Praxistipp Insbesondere sollten 3-mal 2 Blutkulturen (jeweils eine aerobe und eine anaerobe Flasche) im Abstand von 30 min angelegt werden (7 Kap. 4, Anhang und . Tabelle 4-7; [24]). Das Blut wird durch Venenpunktion nach Desinfektion der Entnahmestelle gewonnen werden. Die sorgfältige Desinfektion der Entnahmestelle ist entscheidend für die Spezifität des Ergebnisses. Jeweils 0–10 ml Blut sind pro Kulturflasche erforderlich [21]. Bei Verdacht auf Kathetersepsis kann zusätzlich Blut über den Katheter entnommen werden.
11 12 13 14 15
Praxistipp Sofern der Ausgangspunkt der Sepsis bekannt ist oder vermutet werden kann, sollte nach Möglichkeit auch aus diesem Fokus Material gewonnen und untersucht werden: z. B. Urin bei Verdacht auf Urosepsis, Eiter bei Abszessspaltung, Spitze des entfernten Katheters. Danach ist unverzüglich mit der Antibiotikatherapie zu beginnen.
16 17 18 19 20
Grundlagen der kalkulierten Therapie (s. auch 7 Kap. 4) Bei Therapiebeginn ist der Infektionserreger in der Regel unbekannt. Das Therapieregime kann daher nicht aufgrund eines mikrobiologischen Befundes »gezielt« ausgewählt werden. Die Auswahl eines Therapeutikums muss aber auch nicht »blind« erfolgen, da Kenntnisse bezüglich Epidemiologie der Erreger, hinsichtlich der Eigenschaf-
ten von Antibiotika und über die Ergebnisse von klinischen Studien vorhanden sind. Diese sollten zu einer überlegten, »kalkulierten« Therapie Anlass geben. Im Rahmen der Erhebungen der Paul-EhrlichGesellschaft sind in Deutschland und Österreich 1983–1985 und zuletzt 1991/92 Blutkulturisolate in 11 Zentren gesammelt und analysiert worden [ 19, 20]. Die Häufigkeit verschiedener Erregerspezies ist in . Tabelle 7-1 dargestellt. Es zeigt sich, dass grampositive Bakterien und gramnegative Baktenen jeweils etwa die Hälfte der Isolate ausmachen. In den USA [13] überwiegen bei nosokomialen Infektionen eindeutig die grampositiven Bakterien. Darüber hinaus ist der Nachweis von Sprosspilzen deutlich häufiger (. Tabelle 7-1). Erfahrungsgemäß finden sich bei verschiedenen Ausgangsorten der Sepsis auch unterschiedliche Erregerprävalenzen (. Tabelle 7-2). Ähnliches gilt für besondere Patientengruppen, wie Neugeborene bzw. Patienten mit Neutropenie in Folge von Erkrankungen des Blut bildenden Systems oder von antineoplastischer Chemotherapie (. Tabelle 7-2; s. auch 7 Kap. 23). Eine kalkulierte Therapie muss so ausgewählt werden, dass gegen die beim jeweiligen Krankheitsbild häufig auftretenden Erreger eine sichere bakterizide Wirkung erwartet werden kann. (s. auch 7 Kap. 4) Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Auswahl geeigneter Chemotherapeutika werden damit die bisherigen Ergebnisse der In-vitro-Empfindlichkeitsprüfung für die entsprechenden Erreger. Diese Ergebnisse unterliegen zeitlichen, v.a. aber starken regionalen Schwankungen [3]. So wurden bei den in Deutschland zwischen 1992 und 1994 isolierten Pneumokokken nur bei 1,8 % eine mäßige Resistenz gegenüber Penicillin gefunden [17], während im gleichen Zeitraum in Spanien bei 17 % der Stämme eine mäßige und bei 25 % eine völlige Resistenz beobachtet wurde (s. auch 7 Kap. 4). Die im Rahmen der Surveillance der Resistenzlage von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft im November 1995 in Deutschland, Österreich und der Schweiz erhobenen Daten für ausgewählte Erreger und Antibiotika sind in . Abb. 7-1 bis 7-7 zusammengefasst [14]. Dargestellt sind jeweils die Häufigkeitsverteilungen der ermittelten minimalen Hemmkonzentrationen (MHK).
7
165 Grundlagen der kalkulierten Therapie
. Tabelle 7-1. Erregerspektrum bei Blutkulturisolaten. (7 Kap. 4, nach [13,19, 20]) Erreger
Deutschland 1983–1985 %
1991–1992 %
n
USA 1995–1996 %
Staphylococcus aureus
19,9
20,4
944
17,6
Koagulasenegative Staphylokokken
10,4
9,3
431
34,0
β-hämolysierende Streptokokken
2,6
2,8
129
Andere Streptokokken
4,1
4,6
215
Pneumokokken
2,5
5,0
231
Enterokokken
5,5
5,5
256
Listeria monocytogenes
0,3
0,2
9
Corynebacterium sp.
0,3
0,3
14
Lactobakerien
0,06
3
Bacillus sp.
0,06
3
3,1
12,3
Escherichia coli
22,0
23,9
1103
Citrobacter sp.
1,0
0,7
30
Klebsiella sp.
5,9
5,4
247
5,6
Enterobacter sp.
4,6
3,6
165
5,2
Serratia sp.
1,3
0,8
36
1,5
Proteus mirabilis
2,4
2,3
104
Indol-positive Proteusarten
1,0
0,9
41
Salmonella typhi/paratyphi
0,5
0,3
13
Enteritis-Salmonellen
1,1
1,8
83
Pseudomonas aeroginosa
4,8
4,2
194
Pseudonomas sp.
1,4
0,7
32
Acinetobacter sp.
1,8
2,1
110
Acinetobacter hydrophila
0,04
0,07
3
Andere Nichtfermenter
0,6
0,2
10
Yersinia enterocolitica
0,1
0,05
2
Neisseria meningitidis
0,3
0,3
12
Haemophilus influenzae
0,9
0,5
26
0,05
2
Campylobacter fetus Clostridium sp.
0,3
0,2
11
Propionibakterien
0,7
0,2
8
Peptokokken
0,2
0,1
4
6,8
5,1
6
166
1
Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
. Tabelle 7-1. Fortsetzung Deutschland 1983–1985 %
1991–1992 %
n
Peptostreptokokken
0,1
0,3
11
4
Veillonellen
0,02
0,02
1
Bacteroides sp.
1,2
1,2
56
5
Fusiforme Stäbchen
0,01
0,06
3
Sprosspilze
1,9
1,3
60
0,02
1
2 3
6
Erreger
Aspergillus fumigatus
USA 1995–1996 %
12,3
7 8
. Tabelle 7-2. Häufige Erreger bei unterschiedlichem Ausgangsort der Sepsis. (7 Kap. 4; mod. nach [22; 23]) Art der Sepsis
Häufige Erreger
Urosepsis
Escherichia coli, Enterococcus sp., Proteus sp., Klebsiella sp., Enterobacter sp., Pseudomonas aeruginosa
10
Pneumogene Sepsis
Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus
11
Kathetersepsis, Sepsis nach Fremdkörperimplantat.
Koagulasenegative Staphylokokken, Staphylococcus aureus, Propionibacterium acnes, Corynebacterium jeikeium, Candida sp
12
Postoperative Sepsis
Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Enterobacteriaceae, Enterococcus sp., Anaerobier, Pseudomonas aeruginosa
13
Cholangitische Sepsis
Enterobacteriaceae einschl. Salmonella sp., Enterococcus sp., Anaerobier, Staphylococcus aureus
14
Enterogene Sepsis
Enterobacteriaceae einschließlich Salmonella- und Campylobacter sp., Enterococcus sp., Anaerobier
Septischer Abort, Puerperalsepsis
Anaerobier, Streptococcus pyogenes, Staphylococcus aureus, Anaerobier, Enterobacteriaceae
Dermatogene Sepsis
Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes
Tonsillogene Sepsis
Streptococcus pyogenes, Staphylococcus aureus, Anaerobier
Otogene Sepsis
Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Proteus sp., Pseudomonas aeruginosa
Arthrogene Sepsis Osteogene Sepsis
Staphylococcus aureus
Sepsis bei Neugeborenen (7 Kap. 24)
Escherichia coli, Streptococcus agalactiae, Listeria monocytogenes, Staphylococcus aureus
Sepsis bei Granulocytopenie (7 Kap. 23)
Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli, Klebsiella sp., Proteus sp., Staphylococcus aureus
Waterhouse-Friderichsen- Syndrom
Neisseria meningitidis
9
15 16 17 18 19 20
167 Grundlagen der kalkulierten Therapie
7
. Abb. 7-1. MHK-Verteilungen relevanter Antibiotika für Pseudomonas aeruginosa (n = 926). (Daten der Prävalenzstudie der PEG von 1995 [14]). Quino/Dalfo = Quinopristin/Dalfopristin
. Abb. 7-2. MHK-Verteilungen relevanter Antibiotika für koagulasennegative Styphylokokken (n = 885). (Daten der Prävalenzstudie der PEG von 1995 [14]). Quino/Dalfo = Quinopristin/Dalfopristin
168
Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
. Abb. 7-3. MHK-Verteilungen relevanter Antibiotika für Enterococcus faecalis (n = 760). (Daten der Prävalenzstudie der PEG von 1995 [14]). Quino/Dalfo = Quinopristin/Dalfopristin
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 7-4. MHK-Verteilungen relevanter Antibiotika für Enterococcus faecium (n = 78). (Daten der Prävalenzstudie der PEG von 1995 [14]). Quino/Dalfo = Quinopristin/Dalfopristin
169 Grundlagen der kalkulierten Therapie
7
. Abb. 7-5. MHK-Verteilungen relevanter Antibiotika für Escherichia coli (n = 783). (Daten der Prävalenzstudie der PEG von 1995 [14]). Pip = Piperacillin
. Abb. 7-6. MHK-Verteilungen relevanter Antibiotika für Enterobacter cloacae (n = 270). (Daten der Prävalenzstudie der PEG von 1995 [14]). Pip = Piperacillin
170
Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
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. Abb. 7-7. MHK-Verteilungen relevanter Antibiotika für Pseudomonas aeruginosa (n = 926). (Daten der Prävalenzstudie der PEG von 1995 [14]). Pip = Piperacillin
Eine Therapieauswahl ausschließlich aufgrund eines Vergleiches der MHK-Wert-Verteilungen für verschiedene Antibiotika ist in der Regel nicht sinnvoll, weil weitere, u. U. erhebliche Unterschiede berücksichtigt werden müssen. Dies gilt insbesondere für die Dosierung, die Pharmakokinetik und die Pharmakodynamik. Wichtige Kenndaten der im Rahmen der Sepsistherapie zum Einsatz kommenden Substanzen sind im Anhang zusammengestellt. Praxistipp Eine Möglichkeit der Beurteilung von Antibiotika bezüglich ihres Wirkspektrums und ihrer Wirkintensität ergibt sich durch standardisierte Bewertungen von Ergebnissen der In-vitroResistenzprüfungen. Weltweit gebräuchliche Bewertungsstufen sind sensibel (s), intermediär (i) und resistent (r). Die Bedeutung dieser Beurteilungen ist allerdings weltweit keineswegs einheitlich. In Deutschland definiert die DIN 58940 Erreger als sensibel, wenn die für ein entsprechendes Chemotherapeutikum ermittelte minimale Hemmkonzentration (MHK) so gering ist (einer geeignet gewählten 6
Grenzkonzentration), dass bei einer Therapie mit der üblichen Dosierung und bei geeigneter Indikation i. Allg. ein Therapieerfolg zu erwarten ist. Ein Erreger wird als intermediär eingestuft, wenn die ermittelte MHK in einem Bereich liegt (zwischen 2 Grenzkonzentrationen), für den ohne zusätzliche Berücksichtigung weiterer Kriterien keine Beurteilung hinsichtlich des zu erwartenden Therapieerfolges möglich ist. Schließlich ist ein Erreger als resistent zu bezeichnen, wenn die MHK so hoch ist (über einer Grenzkonzentration liegt), dass auch bei Verwendung der zugelassenen Höchstdosierung ein therapeutischer Erfolg nicht zu erwarten ist [6].
Für ein ausgewähltes Antibiotikum erfolgt die Zuordnung eines Erregers zu einer Bewertungsstufe also aufgrund des ermittelten MHK-Werts unter Heranziehung von Grenzkonzentrationen (z. B. bis 2 mg/l = s, 4 und 8 mg/l = i, ab 16 mg/l = r). Die Grenzkonzentrationen ihrerseits werden unter Berücksichtigung verschiedenster Parameter, wie etwa der Indikationsgebiete des Antibiotikums, der bei den Indikationen häufig auftretenden Erreger, der natürlichen Verteilung der MHK-Werte
7
171 Strategien der kalkulierten Therapie
. Tabelle 7-3. Grenzkonzentrationen (mg/l) von Ampicillin für die Bewertungsstufen sensibel, intermediär und resistent aus 3 verschiedenen Quellen. Sensibel [mg/l]
Intermediär [mg/l]
Resistent [mg/l]
Deutsches Institut für Normung
≤2
4
≥8
British Society for Antimicrobial Chemotherapy
≤8
–
≥16
Enterobacteriaceae
≤8
16
≥32
Enterococcus spp.
≤8
–
≥16
Haemophilus spp.
≤1
2
≥4
Streptococcus pneumoniae
≤2
4
≥8
National Committee on Clinical Laboratory Standards
für diese Erreger, sowie der Eigenschaften der jeweiligen Antibiotika, nicht zuletzt deren erreichbaren Serum- und Gewebsspiegel und schließlich der im Rahmen von klinischen Studien erzielten Therapieergebnisse festgelegt. Die Festlegungen sind wiederum weltweit keineswegs einheitlich, wie am Beispiel von Ampicillin erkennbar wird: 3 anerkannte Institutionen, die Beschlüsse über Grenzkonzentrationen fassen und veröffentlichen, haben die in . Tabelle 7-3 dargestellten unterschiedlichen Festlegungen getroffen. Damit wird deutlich, dass ein Vergleich von Antibiotika nur bei Benutzung eines Bezugssystems; (z. B. entweder DIN, BSAC oder NCCLS) möglich ist. Dies erschwert den internationalen Vergleich von bewerteten In-vitro-Ergebnissen bei der Auswahl eines geeigneten Antibiotikums. Schließlich ist bisher offen, welche Grenzwerte – hier für Ampicillin beispielhaft vorgestellt – die klinischen Ergebnisse am besten voraussagen, also die richtigen sind. Alternative Bewertungskriterien sind von Ellner u. Neu [7] vorgeschlagen und in jüngster Zeit von Schentag in modifizierter Form propagiert worden. Dazu werden nach üblicher Dosis erreichbare durchschnittliche Spitzenkonzentrationen im Gewebe (z. B. im Blut bei Sepsis) durch den ermittelten MHK-Wert dividiert und der so ermittelte Quotient zur Beurteilung herangezogen.
Strategien der kalkulierten Therapie Bei der Auswahl der initialen Therapie vor Kenntnis des mikrobiologischen Befunds kann unterschiedlichen Strategien gefolgt werden (s. auch 7 Kap. 4). So können Therapieregimes mit angemessener Erfolgsaussicht zum Einsatz kommen, bei denen aber bewusst auf ausgewählte, besonders potente Antibiotika verzichtet wird, um diese gleichsam in Reserve zu halten. Bei klinischem Nichtansprechen der initialen Therapie wird dann nach 48–72 h auf entsprechende Reserveantibiotika umgestellt. Diese Strategie wird u. a. auch als Eskalationstherapie bezeichnet. Ein Ziel dieser Strategie ist es, die sog. Reserveantibiotika möglichst selten einzusetzen, um einen entsprechenden Selektionsdruck zu minimieren und eine Resistenzentwicklung möglichst zu vermeiden. Andererseits muss bei diesem Vorgehen möglicherweise mit einem häufigeren Versagen der Initialtherapie gerechnet werden, dessen Folgen u. U. auch mit Reserveantibiotika nicht mehr beeinflusst werden können. So haben Studien belegt, dass Patienten, deren Infektionserreger nicht mit der initialen, sondern erst mit der Folgetherapie erfasst wurden, eine höhere Letalität aufwiesen, als Patienten mit wirksamer Initialtherapie.
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
Unter Interventionstherapie wird eine initiale Therapie mit maximal wirksamen Antibiotika verstanden. Beispiele solcher Chemotherapeutika sind Carbapeneme, neue Chinolone wie das Moxifloxacin und Piperacillin-LaktamaseinhibitorKombinationen. Diese Substanzen weisen ein so breites Wirkspektrum und eine so hohe Wirkintensität auf, dass sie in Monotherapie eingesetzt werden können (Ausnahme: Piperacillin-Laktamaseinhibitor-Kombinationen). Der Begriff Interventionstherapie als solcher ist wenig überzeugend, da natürlich jede Therapie eine Intervention darstellt. Eine initiale Maximaltherapie mit dem Begriff Deeskalationstherapie zu belegen hat den Vorteil, dass damit auch das weitere Vorgehen vorgezeichnet ist. Der Einsatz der hochpotenten Antibiotika kann und sollte nämlich dann beendet werden, wenn nach 48–72 h ein mikrobiologischer Befund vorliegt und eine gezielte Therapie möglich wird. Diese sollte dann mit einem Antibiotikum erfolgen, für das die Invitro-Wirksamkeit belegt wurde, welches für den Erreger gezielt eingesetzt werden kann und daher nicht mehr mit breitem Wirkspektrum ausgestattet sein muss, und welches auch aus sonstigen Gründen (z. B. Toxizität) geeignet erscheint. Bei gleicher Wirksamkeit kann damit der Selektionsdruck der hochpotenten Antibiotika beendet und die Möglichkeit der Resistenzentwicklung minimiert werden. Die Strategie der Deeskalationstherapie hat den Vorteil, dass bereits zu Beginn der Infektionsbehandlung maximal wirksame Substanzen zum Einsatz kommen, die die größte Gewähr für einen schnellen Erfolg bieten und damit helfen, mögliche Komplikationen zu vermeiden. Eventuelle Nebenwirkungen und Interaktionen bleiben auf eine Substanz beschränkt. Die Deeskalationstherapie birgt die Gefahr, dass maximal wirksame Substanzen zunehmend unkritisch eingesetzt werden, dass mikrobiologische Befunde ignoriert werden oder dass auf mikrobiologische Untersuchungen gänzlich verzichtet wird. Dies würde möglicherweise eine Resistenzentwicklung gegenüber diesen Antibiotika begünstigen und sie damit langfristig für die Therapie entwerten. Bei schweren Infektionen mit erheblichem Letalitätsrisiko stellt die Deeskalationstherapie trotzdem das rationale Therapiekonzept dar.
! Für besondere Formen der Sepsis sind Modifika-
tionen des Deeskalationskonzepts sinnvoll. So sollte bei Verdacht auf Fremdkörperinfektionen (z. B. Kathetersepsis) die initiale Therapie mit einem Glykopeptidantibiotikum erwogen werden, um häufig auftretende, multiresistente koagulasenegative Staphylokokken zu erreichen. Muss mit einer Pseudomonasinfektion gerechnet werden, sollten 2 entsprechend aktive Substanzen kombiniert werden. Ist der Ausgangsort der Sepsis eine Endokarditis, so kann ebenfalls nicht auf eine Kombinationstherapie unter Einbeziehung eines Aminoglykosids verzichtet werden. Sind Hinweise auf eine Pilzätiologie vorhanden, so muss die Initialtherapie um ein Antimykotikum (z. B. Amphotericin B, Fluconazol) erweitert werden (s. auch . Tabelle 4-9).
Probleme bei Therapiebeginn Seit der Beschreibung der Jarisch-HerxheimerReaktion beim Therapiebeginn der Syphilis befürchten Ärzte eine Verschlechterung der klinischen Situation zu Beginn einer Antibiotikatherapie [9]. Diese Befürchtungen wurden durch die zunehmenden Kenntnisse über die Rolle bakterieller Zellwandbestandteile wie Endotoxin (Lipopolysaccharid, LPS) und Peptidoglycan bei der Entstehung des septischen Schocks weiter geschürt. Eine Vielzahl von Studien hat zudem gezeigt, dass Antibiotika in der Lage sind, in In-vitro-Kulturen gramnegativer Bakterien große Mengen an LPS freizusetzen [11]. Dabei wurden für unterschiedliche Antibiotika mit verschiedenen Wirkungsmechanismen quantitative Unterschiede deutlich. So beobachteten Jackson u. Kropp [12] bei einem Pseudomonas-aeruginosa-Stamm eine erheblich geringere Endotoxinfreisetzung unter Einwirkung des an das Penicillinbindeprotein (PBP) 2 bindenden Imipenems als bei dem an PBP 3 bindenden Ceftazidim. Die PBP sind Transpeptidasen, die die Mikroorganismen für die Zellwandsynthese an unterschiedlicher Stelle einsetzen. PBP 3 ist offenbar bei der Teilung der Bakterien für die Septumformation zwischen den beiden Tochterzellen zuständig. Seine Inhibition führt nicht zum Abbruch der Zellwandsynthese, son-
173 Besonderheiten der gezielten Therapie
dern zur Elongation der Zellen, die schließlich osmotisch zerplatzen. Damit werden entsprechend große Mengen an Endotoxin frei. Erhebliche Endotoxinfreisetzungen wurden auch bei anderen gramnegativen Stäbchenbakterien nach Inkubation mit Cefotaxim oder Piperacillin beobachtet, während Tobramycin nur geringe Mengen an Endotoxin freisetzte [5]. Für Ciprofloxacin wurden widersprüchliche Ergebnisse berichtet [4, 8]. In einer klinischen Studie an Patienten mit Urosepsis, die entweder mit Imipenem oder mit Ceftazidim behandelt wurden, konnten 4 h nach Therapiebeginn signifikante Unterschiede bezüglich der Plasma-TNF- und -Il-6-Spiegel festgestellt werden, die Unterschiede bezüglich der Endotoxinspiegel können jedoch aufgrund der geringen Patientenzahlen nicht überzeugen [16]. Bei chirurgischen Patienten mit nichtseptischen Infektionen fanden Holzheimer et al. 1–5 h nach Therapiebeginn weniger häufig nachweisbare Endotoxinplasmaspiegel bei Patienten unter Imipenem-, Tobramycin- oder Ciprofloxacintherapie als bei Patienten, die Cefotaxim oder Ceftriaxon erhielten [10]. Schließlich muss aber festgestellt werden, dass in klinischen Effektivitätsstudien zur Sepsistherapie Unterschiede z. B. zwischen einer Imipenem- und einer Ceftazidimtherapie nicht zu objektivieren waren [15].
Besonderheiten der gezielten Therapie Unter gezielter Therapie versteht man die Auswahl eines Antibiotikums aufgrund eines mikrobiologischen Befundes. Jeder mikrobiologische Befund muss dazu auf seine Übereinstimmung mit dem klinischen Bild des Patienten geprüft und entsprechend interpretiert werden. Der Nachweis eines Erregers im Blut des Patienten hat dabei eine andere Wertigkeit als die Anzucht eines Erregers z. B. aus Sputum. Aber auch das Blutkulturergebnis muss hinsichtlich seiner Relevanz beurteilt werden. Dies kann insbesondere dann schwierig sein, wenn Mikroorganismen angezüchtet werden, die zur physiologischen Flora der Haut gehören und als Kontaminanten auftreten können, die andererseits aber auch Erregerstatus haben kön-
7
nen (z. B. Staphylococcus epidermidis, Propionibacterium acnes). Auch der wiederholte Nachweis dieser Bakterien muss nicht Ausdruck einer Infektion sein, umgekehrt kann ein einzelner Nachweis z. B. Hinweis auf eine Endokarditis sein. Wenn der Sepsiserreger nachgewiesen werden konnte und seine In-vitro-Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Antibiotika geprüft wurde (Antibiogramm), kann unter den wirksamen Substanzen ausgewählt werden (s. auch . Tabellen 48 und 4-10). Dabei sollten Aspekte wie Häufigkeit und Schweregrad von unerwünschten Wirkungen sowie mögliche Interaktionen mit anderen Therapeutika berücksichtigt werden. Weiterhin sind Erfahrungen gesammelt worden, die auch erregerspezifisch berücksichtigt werden können. So wird z. B. für die Therapie der durch S. aureus bedingten Sepsis insbesondere der Einsatz von Basiscephalosporinen oder Flucloxacillin, bei schweren Fällen in Kombination mit Clindamycin, Fusidinsäure oder Rifampicin empfohlen. Bei Oxacillin- bzw. multiresistenten Stämmen (MRSA) sind β-Laktamantibiotika unwirksam, daher ist der Einsatz von Glykopeptiden (Vancomycin, Teicoplanin) in Kombination mit Rifampicin erforderlich. Eine Alternative dazu ist die Therapie mit Quinopristin/Dalfopristin oder Linezolid. Während die Multiresistenz bei S.-aureus-Stämmen in Deutschland insgesamt noch eine untergeordnete Rolle spielt, ist etwa die Hälfte aller Isolate an koagulasenegativen Staphylokken (meist S. epidermidis) mittlerweile gegen β-Laktamantibiotika resistent. In diesen Fällen muss – wie auch bei S. aureus – die Therapie mit Glykopeptiden ggf. in Kombination mit Rifampicin oder den oben genannten Alternativen geführt werden. Eine Elimination der Erreger gelingt jedoch oft erst, wenn der infizierte Fremdkörper (z. B. Katheter) entfernt werden kann. Septische Infektionen durch Meningokokken, Streptokokken der Gruppe A oder B können weiterhin mit Penicillin G, bei B-Streptokokken in Kombination mit Gentamicin, therapiert werden. Eine Penicillintherapie ist auch bei penicillinsensiblen Pneumokokken angezeigt, Cephalosporine sind gleichermaßen wirksam. Enterokokken kommen in den vergangenen Jahren häufiger als Infektionserreger vor und haben sich zu Problem-
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
keimen entwickelt. Die häufig auftretenden E.-faecalis-Stämme sind meist gegen Aminopenicilline (Ampicillin, Mezlocillin, Piperacillin) sensibel. Um den Eagle-Effekt (Verlust an bakterizider Wirkung bei höheren Antibiotikakonzentrationen) zu durchbrechen, sollte trotzdem eine Kombinationsbehandlung mit Aminopenicillin und Aminoglykosid erfolgen. Bei den selteneren E.-faeciumStämmen wird häufig eine Ampicillinresistenz beobachtet, so dass eine Therapie z. B. mit Teicoplanin erforderlich wird. Infektionen mit Enterobacteriaceae wie E.-coli-, Proteus- oder Klebsiella sp. können mit Cephalosporinen oder Chinolonen gut behandelt werden, bei Enterobacterinfektionen ist Imipenem indiziert. Einer Pseudomonas-aeruginosa-Infektion sollte immer mit einer Kombinationsbehandlung, z. B. mit Aminoglykosid und pseudomonaswirksamem β-Laktamantibiotikum begegnet werden, um Resistenzentwicklungen unter Therapie möglichst zu vermeiden. Sind Anaerobier, wie Bacteroides sp., ursächlich oder in Mischinfektion an der Sepsis beteiligt, so ist zu berücksichtigen, dass Carbapeneme,Aminopenicillin-Laktamaseinhibitor-Kombinationen und neue Chinolone (z. B. Moxifloxacin) eine gute Anaerobierwirkung aufweisen, während andere Antibiotikatherapien meist einer Kombination mit Metronidazol oder Clindamycin bedürfen (Empfehlungen in Anlehnung an [22]). Bei Sprosspilzsepsis bei nichtneutropenischen Patienten kann mittlerweile davon ausgegangen werden, dass eine Therapie mit dem weniger toxischen Fluconazol ähnlich effektiv ist wie eine Amphotericin-B-Therapie, vorausgesetzt es handelt sich um sensible Erreger (7 Kap. 4, [1, 18]). Zur Therapiedauer gibt es weiterhin keine gesicherten Erkenntnisse. Klar ist, dass meist die ersten Dosen eines Antibiotikums in der Lage sind, sensible Erreger zu eliminieren. Entsprechend dieser Erwartung wird allgemein die initiale Therapie nach 48–72 h hinsichtlich ihres klinischen Erfolges evaluiert und ggf. modifiziert. Mit der weiteren Therapie wird daher v. a. Rezidivprophylaxe betrieben. Die oft empfohlenen 10- bis 14tägigen Therapieregimes können sicher nicht mehr als adäquat angesehen werden. Vielmehr kann je nach klinischem Verlauf die Therapie häufig nach 5–8 Tagen beendet werden (s. auch 7 Kap. 4).
. Übersicht 7-1.
Ausgewählte Kenndaten von für die Sepsistherapie wichtigen Antibiotika 5 Freiname: Penicillin G 5 Handelsnamen: Megacillin, Penicillin Grünenthal 5 Wirkmechanismus: Störung der Zellwandsynthese duch Bindung an bakterielle Transpeptidasen (Penicillinbindeproteine) mit nachfolgender Inhibierung dieser Enzyme, Zerstörung der Bakterienzelle aufgrund von osmotischer Instabilität. 5 Erregerspektrum: viele aerobe und obligat anaerobe grampositive Bakterien, aerobe und obligat anaerobe gramnegative Kokken, Spirochaeten, Pasteurella multocida, Actinomyceten, einige obligat anaerobe gramnegative Stäbchen. 5 Wirkintensität: gegeben bei β-hämolysierenden Streptokokken, vergrünenden Streptokokken, obligat anaeroben Kokken, Clostridien, unterschiedlich bei Pneumokokken, Gonokokken 5 Resistenzmechanismen: Bildung von β-Laktamase, Veränderung der Penicillinbindeproteine. 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie bei sensiblen Erregern, insbesondere bei Neisseria meningitidis, Pneumokokken, β-hämolysierenden Streptokokken, vergrünenden Streptokokken, obligat anaeroben Kokken, Clostridien. 5 Dosierung bei Sepsis: 10–30 Mio. E i.v. pro Tag verteilt auf 3–4 Einzelgaben 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja 5 Spitzenspiegel: nach 5 Mio E 400 5 Gewebsspiegel: gut in Niere, Lunge, Pleura, Peritonealflüssigkeit, Leber, Haut, Schleimhaut, Synovialflüssigkeit; schlecht in Muskel, Knochen, Kammerwasser, ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 40 min 5 Eiweißbindung: 50 % 6
175 Besonderheiten der gezielten Therapie
5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <0,125 mg/l = s; 0,20–1mg/l = i; >2mg/l = r 5 Metabolisierung: 20–30 % 5 Ausscheidung: 85–90 % über die Niere 5 Interaktionen: Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmern, oralen Kontrazeptiva 5 Kontraindikationen: Penicillinallergie 5 Nebenwirkungen: allergische Reaktion bis hin zum anaphylaktischen Schock, neurotoxische Reaktionen 5 Selektion: gering. 5
Freiname: Ampicillin 5 Handelsnamen: Binotal 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin G 5 Erregerspektrum: wie bei Penicillin G, zusätzlich Enterokokken, Listerien, Haemophilus, einige Enterobacteriaceae 5 Wirkintensität: bei grampositiven Bakterien etwas geringer als bei Penicillin G, in der Regel ausreichend bei Listerien, Enterococcus faecalis, unterschiedlich bei Enterococcus faecium, Haemophilus, unterschiedlich bei Enterobacteriaceae 5 Resistenzmechanismen: wie bei Penicillin 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie bei sensiblen Erregern, insbesondere bei Enterokokken, Listerien 5 Dosierung bei Sepsis: 1,0–2, 0 g i.v. pro Tag verteilt auf 3-4 Einzelgaben. 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja und Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 0,5 g p.o. 2mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Galle, Synovial, Pleura-, Perikardflüssigkeit, Aszites; schlecht in ZNS, Kammerwasser; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 60 min 5 Eiweißbindung: 20 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <2mg/l = s; 4-8mg/l = i; >16mg/l = r 6
5 Metabolisierung: 10–20 % 5 Ausscheidung: 60 % über die Niere, Galle, Fäzes 5 Interaktionen: Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmern, oralen Kontrazeptiva; Resorptionssteigerung von Digoxin 5 Kontraindikationen: Penicillinallergie, infektiöse Mononukleose, chronische lymphatische Leukämie 5 Nebenwirkungen: häufig Arzneimittelexanthem, außerdem allergische Reaktion bis hin zum anaphylaktischen Schock, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, neurotoxische Reaktionen 5 Selektion: Klebsiella sp. 5 Hinweise: zur Durchbrechung des EagleEffekts bei Therapie von Enterokokken ggf. in Kombination mit Aminoglykosid 5
Freiname: Piperacillin/Tazobactam 5 Handelsnamen: Tazobac 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin: Tazobactam hemmt verschiedene plasmidübertragbare β-Laktamasen und viele Cephalosporinasen der Gruppen II-IV. 5 Erregerspektrum: Staphylokokken, Streptokokken, E. faecalis, Haemophilus, Neisserien, Moraxella, Enterobacteriaceae, Pseudomonas, Anaerobier 5 Wirkintensität: hoch bei methicillinsensiblen Staphylokokken, anderen grampositiven Bakterien einschließlich Enterokokken, bei gramnegativen Erregern einschließlich Pseudomonas sp. und Anaerobiern 5 Resistenzmechanismen: Auftreten nicht hemmbarer β-Laktamasen, Veränderung der Penicillinbindeproteine 5 Indikation bei Sepsis: kalkulierte Initialtherapie, gezielte Therapie von Pseudomonasinfektionen 5 Dosierung bei Sepsis: 3-mal/Tag 4,5 g i.v. (4 g Piperacillin + 0,5 g Tazobactam) 6
7
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. Tazobactam 71 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Galle, Lunge, Prostata, Haut; schlecht im ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 45 min 5 Eiweißbindung: 23 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4 mg/l = s; 8-32 mg/l = i; >64 mg/l = r 5 Metabolisierung: Piperacillin keine, Tazobactam 20 % 5 Ausscheidung: 70–80 % renal, 10–20 % biliär 5 Interaktionen: Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmern, oralen Kontrazeptiva, Verstärkung der neuromuskulären Blockade von Muskelrelaxanzien 5 Kontraindikationen: Penicillilnallergie, Kinder unter 12 Jahre 5 Nebenwirkungen: allergische Hautreaktionen, gastrointestinale Beschwerden, passagere Neutropenie 5 Selektion: Enterobacter spontan.? 5 Hinweise: bei Pseudomonastherapie mit weiterem Antibiotikum kombinieren
5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie bei sensiblen grampositiven und gramnegativen Erregern, insbesondere bei Staphylococcus aureus, Haemophilus spontan. 5 Dosierung bei Sepsis: 3-mal/Tag 1,5 g i.v. 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja + Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. 24,1 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Galle, Pleuraflüssigkeit, Bronchialsekret, Knochen; schlecht in ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 70 min 5 Eiweißbindung: 30–50 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4mg/l = s; 8mg/l = i; >16 mg/l = r 5 Metabolisierung: keine 5 Ausscheidung: renal 5 Interaktionen: Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggreationshemmern, verstärkte Nephrotoxizität von Aminoglykosiden, Schleifendiuretika 5 Kontraindikationen: Cephalosporinallergie 5 Häufige Nebenwirkungen: allergische Hautreaktionen, gastrointestinale Störungen 5 Selektion: Enterokokken
5
5
Freiname: Cefuroxim 5 Handelsnamen: Zinacef, Cefuroxim-Lilly 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin 5 Erregerspektrum: Staphylokokken, Streptokokken, Neisserien, Moraxella, Haemophilus, einige Enterobacteriaceae 5 Wirkintensität: hoch bei methicillinsensiblen Staphylokokken, Haemophilus, A- und B-Streptokokken, Meningokokken, wechselnd bei Enterobacteriaceae, weitgehend β-Laktamase-stabil 5 Resistenzmechanismen: Bildung von β-Laktamase, Veränderung der Penicillinbindeproteine 6
Freiname: Cefotaxim 5 Handelsnamen: Claforan 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin 5 Erregerspektrum: breites Wirkungsspektrum bei grampositiven und gramnegativen aeroben Bakterien 5 Wirkintensität: ausreichend bei methicillinsensiblen Staphylokokken, anderen grampositiven Bakterien, hoch bei Enterobacteriaceae, weitgehend β-Laktamasestabil 5 Resistenzmechanismen: Bildung von β-Laktamasen, Veränderung der Penicillinbindeproteine 6
177 Besonderheiten der gezielten Therapie
5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von gramnegativen Erregern und von penicillinresistenten Pneumokokken, u. U. kalkulierte Therapie 5 Dosierung bei Sepsis: 3-mal 2 g i.v./ Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja + Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. 12 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Knochen, Galle, Haut, Wundsekret; schlecht im ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 60 min 5 Eiweißbindung: 13–38 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <2mg/l = s; 4-8mg/l = i; >16 mg/l = r 5 Metabolisierung: 30–50 % 5 Ausscheidung: 55 % renal, 0–10 % biliär 5 Interaktionen: Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmern, verstärkte Nephrotoxizität von Aminoglykosiden, Schleifendiuretika 5 Kontraindikationen: Cephalosporinallergie 5 Häufige Nebenwirkungen: allergische Hautreaktionen, gastrointestinale Störungen 5 Selektion: Enterokokken, Enterobacter?, Citrobacter? 5 Hinweise: bei Enterobacter und Citrobacter wurde Resistenzentwicklung während der Therapie beobachtet 5
Freiname: Ceftriaxon 5 Handelsnamen: Rocephin 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin 5 Erregerspektrum: breites Wirkungsspektrum bei grampositiven und gramnegativen anaeroben Bakterien, 5 Wirkintensität: ausreichend bei methicillinsensiblen Staphylokokken, anderen grampositiven Bakterien, hoch bei Enterobacteriaceae, weitgehend β-Laktamasestabil 6
5 Resistenzmechanismen: Bildung von β-Laktamase, Veränderung der Penicillinbindeproteine 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von gramnegativen Erregern und von penicillinresistenten Pneumokokken, u. U. kalkulierte Therapie 5 Dosierung bei Sepsis: 1-mal 2 g bis 1-mal 4 g i.v./Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: nein 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. 120mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Knochen, Galle, Haut, Wundsekret; schlecht im ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 7–8 h 5 Eiweißbindung: 84–97 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4mg/l = s; 8-16mg/l = i; >32 mg/l = r 5 Metabolisierung: gering 5 Ausscheidung: 40–60 % renal, 30–40 % biliär 5 Interaktionen: Alkohol, Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmern, verstärkte Nephrotoxizität von Aminoglykosiden, Schleifendiuretika 5 Kontraindikationen: Cephalosporinallergie 5 Häufige Nebenwirkungen: allergische Hautreaktionen, gastrointestinale Störungen, Sludge-Phänomen in der Gallenblase durch Ceftriaxon-Kalksalze 5 Selektion: Enterokokken, Enterobacter? 5
Freiname: Ceftazidim 5 Handelsnamen: Fortum 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin 5 Erregerspektrum: breites Wirkungsspektrum bei grampositiven und gramnegativen aeroben Bakterien einschließlich Pseudomonas sp. 5 Wirkintensität: hoch bei Pseudomonas aeruginosa, Proteus vulgaris, Serratia 6
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
marcescens, Acinetobacterarten, Enterobacter cloacae, gering bei Staphylokokken, weitgehend β-Laktamase-stabil 5 Resistenzmechanismen: Bildung von β-Laktamase, Veränderung der Penicillinbindeproteine 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Pseudomonasinfektionen, kalkulierte Initialtherapie bei Verdacht einer Pseudomonasinfektion 5 Dosierung bei Sepsis: 3-mal 2 g i.v./Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja + Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. 40 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Galle, Knochen, Synovial-, Pleuraflüssigkeit, Aszites; schlecht in ZNS, Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 2 h 5 Eiweißbindung: 10 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4mg/l = s; 8-16mg/l = i; >32 mg/l = r 5 Metabolisierung: <5 % 5 Ausscheidung: 90 % renal 5 Interaktionen: Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggreationshemmern, verstärkte Nephrotoxizität von Aminoglykosiden, Schleifendiuretika 5 Kontraindikationen: Cephalosporinallergie 5 Häufige Nebenwirkungen: allergische Hautreaktionen, gastrointestinale Störungen 5 Selektion: Enterokokken 5 Hinweise: bei Pseudomonastherapie mit weiterem Antibiotikum kombinieren
5 Wirkintensität: hoch bei Pseudomonas aeroginosa, Enterobacteriaceae und Staphylokokken, weitgehend β-Laktamasestabil 5 Resistenzmechanismen: Bildung von β-Laktamase, Veränderung der Penicillinbindeproteine 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Pseudomonasinfektionen, kalkulierte Initialtherapie insbesondere bei Verdacht einer Pseudomonasinfektion 5 Dosierung bei Sepsis: 2-mal 2g i.v./Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja + Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. 40 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Gallenblase, Galle, Bronchialschleimhaut, Aszites, Appendix; schlecht im ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 2 h 5 Eiweißbindung: 20 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4mg/l = s; 8-16mg/l = i; >32 mg/l = r 5 Metabolisierung: 7 % 5 Ausscheidung: renal 5 Interaktionen: Probenecid, selten verminderte Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombozytenaggreationshemmern, verstärkte verstärkte Nephrotoxizität von Aminoglykosiden, Schleifendiuretika 5 Kontraindikationen: Cephalosporinallergie 5 Häufige Nebenwirkungen: allergische Hautreaktionen, gastrointestinale Stör. 5 Selektion: Enterokokken 5 Hinweise:bei Pseudomonastherapie mit weiterem Antibiotikum kombinieren
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Freiname: Cefepim 5 Handelsnamen: Maximpime 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin 5 Erregerspektrum: breites Wirkungsspektrum bei grampositiven und gramnegativen aeroben Bakterien einschließlich Pseudomonas sp. 6
Freiname: Imipenem/Cilastatin 5 Handelsnamen: Zienam 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin 5 Erregerspektrum: breites Wirkungsspektrum bei grampositiven und gramnegativen Bakterien einschl. Pseudomonas sp., Listeria und obligat anaerober Bakterien 6
179 Besonderheiten der gezielten Therapie
5 Wirkintensität: hoch im gesamten Erregerspektrum, geringer bei Proteus- und Pseudomonas sp., weitgehend β-Laktamase-stabil 5 Resistenzmechanismen: Veränderung der Penicillinbindeproteine, Metallo-βLaktamase 5 Indikation bei Sepsis: initiale kalkulierte Therapie, gezielte Therapie insbesondere bei Mischinfektionen 5 Dosierung bei Sepsis: 4-mal 0,5–1g i.v./ Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja + Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 0,5g i.v. 20–60 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Galle, Pleura-, Synovial-, Peritonealflüssigkeit, Knochen, Bronchialsekret; schlecht im ZNS; Übergang in Muttermilch 5 Halbwertszeit: 60 min 5 Eiweißbindung: 25 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <2mg/l = s; 4mg/l = i; >8 mg/l = r 5 Metabolisierung: ca. 30 % 5 Ausscheidung: 60–80 % renal 5 Interaktionen: Probenecid, Laktat, Ganciclovir 5 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen Carbapeneme oder Cilastatin 5 Häufige Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, erhöhte Krampfbereitschaft 5 Selektion: Stenothrophomonas maltophilia 5 Hinweise: Cilastatin hemmt das renale Enzym Dehydropeptidase-I, welches Imipenem inaktiviert, bei Pseudomonastherapie mit weiterem Antibiotikum kombinieren 5
Freiname: Meropenem 5 Handelsnamen: Meronem 5 Wirkmechanismus: wie bei Penicillin 5 Erregerspektrum: breites Wirkungsspektrum bei grampositiven und gramnegati6
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ven Bakterien einschließlich Pseudomonas sp., Listeria und obligat anaerober Bakterien Wirkintensität: hoch im Erregerspektrum, geringer bei grampositiven Bakterien, weitgehend β-Laktamase-stabil Resistenzmechanismen: Veränderung der Penicillinbindeproteine, Metallo-βLaktamasen Indikation bei Sepsis: initiale kalkulierte Therapie, gezielte Therapie insbesondere bei Mischinfektionen Dosierung bei Sepsis: 3-mal/Tag 1 g i.v.
5 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja + Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. 49mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Galle, Pleura-, Synovial-, Peritonealflüssigkeit, Knochen, Bronchialsekret; schlecht in ZNS; Übergang in Muttermilch 5 Halbwertszeit: 60 min 5 Eiweißbindung: 25 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <2mg/l = s; 4-8mg/l = i; >16 mg/l = r 5 Metabolisierung: 10–25 % 5 Ausscheidung: 60–80 % renal 5 Interaktionen: Probenecid 5 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen Carbapeneme 5 Häufige Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden 5 Selektion: Stenothrophomonas? 5 Hinweise: bei Pseudomonastherapie mit weiterem Antibiotikum kombinieren
5 Freiname: Ciprofloxacin 5 Handelsnamen: Ciprobay 5 Wirkmechanismus: DNA-Synthesestörung durch Interaktion mit der bakteriellen DNA-Gyrase Typ II, Störung der Konfigurationsänderung und damit Blockade der weiteren DNA-Synthese 5 Erregerspektrum: grampositive und gramnegative aerobe Bakterien, einschließlich Pseudomonas aeruginosa 6
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
5 Wirkintensität: hoch bei gramnegativen Bakterien, geringer bei grampositiven Bakterien 5 Resistenzmechanismen: Entwicklung chromosomaler Mutationen bei Pseudomonas aeruginosa und Staphylokokken, Permeationsreduktion, Verminderung der Sensitivität der Zielenzyme (Gyrase II) nach Mutation, »Multiple-step«-Resistenz 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Infektionen mit gramnegativen Erregern, Therapie von Pseudomonasinfektionen 5 Dosierung bei Sepsis: 2–3mal/Tag 400 mg i.v. oder 2-mal 0,5–0,75 g p.o. 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja 5 Spitzenspiegel: nach 0,5 g p.o. 2,8 mg/l, nach 200 mg i.v. 4 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Bronchialsekret, Leber, Niere, Galle, Prostata, Muskel, Sputum, Lunge, Knochen; schlecht im ZNS 5 Halbwertszeit: 3-4h 5 Eiweißbindung: 20–40 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <1mg/l = s; 2 mg/l = i; >4 mg/l = r 5 Metabolisierung: 10–15 % 5 Ausscheidung: 50–70 % renal, 15 % intestinal 5 Interaktionen: Antazida, Theophyllin, Barbiturate, Metoclopramid, Glibenclamid, orale Antikoagulanzien, Multivitaminpräparate, Theophylin, Cyclosporin, Fenbufen, Glibenclamid 5 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen Chinolone, Schwangerschaft, Stillperiode, Kinder und Jugendliche in der Wachstumsperiode, Epilepsie 5 Häufige Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, passagere Sehstörungen 5 Selektion: multiresistente Staphylokokken?
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5 Hinweise: bei kritischer Indikationsstellung kurzfristige Anwendung bei Kindern möglich, bei Pseudomonastherapie mit weiteren Antibiotikum kombinieren 5 Freiname: Levofloxacin 5 Handelsnamen: Tavanic 5 Wirkmechanismus: wie bei Ciprofloxacin 5 Erregerspektrum: grampositive und gramnegative aerobe Bakterien 5 Wirkintensität: hoch bei gramnegativen und grampositiven Bakterien 5 Resistenzmechanismen: Entwicklung chromosomaler Mutationen bei Pseudomonas aeruginosa und Staphylokokken, Permeationsreduktion, Verminderung der Sensitivität der Zielenzyme (Gyrase II) nach Mutation 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Infektionen mit gramnegativen und grampositiven Erregern 5 Dosierung bei Sepsis: 2-mal/Tag 0,5 g i.v. oder p.o. 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 0,25 g p.o. 2,0–3mg/l, nach 0,25 g i.v. 3 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Bronchialsekret, Leber, Niere, Galle, Prostata, Muskel, Sputum, Lunge, Knochen; schlecht im ZNS 5 Halbwertszeit: 7–8 h 5 Eiweißbindung: 30–40 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: nicht festgelegt 5 Metabolisierung: 0–10 % 5 Ausscheidung: 80–95 % renal 5 Interaktionen: Antazida, orale Antikoagulanzien, Glibenclamid, Theophyllin, Cyclosporin, Fenbufen 5 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen Chinolone, Schwangerschaft, Stillperiode, Kinder und Jugendliche in der Wachstumsperiode, Epilepsie
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181 Besonderheiten der gezielten Therapie
5 Häufige Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, passagere Sehstörungen, allergische Erscheinungen 5 Selektion: ? 5 Freiname: Moxifloxacin 5 Handelsname: Avalox 5 Wirkmechanismus: Hemmung der bakteriellen DNA-Topoisomerasen II (DNA-Gyrase) und IV. Beide Topoisomerasen sind an Replikation, Reparatur und Transkription der bakteriellen DNA beteiligt. Die Hemmung dieser für den DNA-Stoffwechsel essenziellen Enzyme führt zum Absterben der Bakterienzelle. 5 Wirkungsspektrum: breites Wirkungsspektrum, das grampositive und gramnegative, aerobe und anaerobe Bakterien umfasst. Auch atypische Erreger – wie Chlamydien, Mykoplasmen und Legionellen – gehören zum Wirkungsspektrum von Moxifloxacin. 5 Wirkintensität: konzentrationsabhängige, schnelle bakterizide Wirkung im gesamten Wirkungsspektrum 5 Resistenzmechanismen: Resistenz durch mehrstufige Mutationen des bakteriellen Genoms, die Veränderungen der Bindungsstellen an den DNA-Topoisomerasen bewirken, sowie durch Effluxmechanismen 5 Indikation bei Sepsis: kalkulierte Therapie bei pneumogener Sepsis, gezielte Therapie bei grampositiven und gramnegativen Erregern; nicht bei Verdacht auf Pseudomonasinfektion 5 Dosierung bei Sepsis: 1-mal 400 mg/Tag i.v. oder p.o. 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: nicht erforderlich 5 Spitzenspiegel: nach 400 mg i.v. 4,1 mg/l; nach 400 mg p.o. 3,1 mg/l 5 Gewebespiegel: gut in Bronchialmukosa, epithelialem Flüssigkeitsfilm, Alveolarmakrophagen, Speichel, Haut und Weichteilen; schlecht im ZNS 6
5 Halbwertszeit: 12 h 5 Eiweißbindung: 40 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: ≤1 mg/l = s; 2 mg/l = i; ≥4 mg/l = r 5 Metabolisierung: 50–55 % (nicht über Zytochrom P450, sondern über Sulfotransferasen und Esterasen) 5 Ausscheidung: unveränderte Substanz; 19 % renal, 25 % fäkal 5 Interaktionen: Arzneimittel, die 2- oder 3-wertige Kationen enthalten, wie Antazida, Antiarrhythmika der Klassen IA und III, Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva, bestimmte antimikrobielle Wirkstoffe (z. B. Makrolide, Malariamittel), bestimmte Antihistaminika und orale Antikoagulanzien (häufigere Kontrolle der Gerinnungsparameter als Vorsichtsmaßnahme) 5 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber Chinolonen, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase, in der Anamnese Sehnenerkrankungen infolge einer Chinolontherapie, Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion (Child Pugh C) oder stark eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance von <30 min/ml/1,73 m2KOF), Patienten mit einer Prädisposition zur QTIntervall-Verlängerung im EKG wie Patienten mit angeborenen oder dokumentierten erworbenen QT-Intervall-Verlängerungen, Störungen des Elektrolythaushalts, klinisch relevante Bradykardie, klinisch relevante Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion, symptomatische Herzrhythmusstörungen in der Vorgeschichte; Arzneimittel, die das QT-Intervall verlängern, sollten nicht gegeben werden. 5 Häufige Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Diarrhö, Erbrechen; zentralnervöse Reaktionen wie Kopfschmerzen, Benommenheit, Erregtheit, Geschmacksstörungen; veränderte Leberfunktionstests 5 Selektion: ? 6
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
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Freiname: Gentamicin 5 Handelsnamen: Refobacin 5 Wirkmechanismus: Hemmung der ribosomalen Proteinsynthese in der Bakterienzelle 5 Erregerspektrum: Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Staphylokokken 5 Wirkintensität: hoch bei Erregern im Spektrum 5 Resistenzmechanismen: Inaktivierung des Antibiotikums durch bakterielle Enzyme unter Acetylierung oder Phosphorylierung von Hydroxyl- oder Aminogruppen 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Pseudomonasinfektionen, in Kombination mit einem weiteren Antibiotikum bei der kalkulierten Initialtherapie 5 Dosierung bei Sepsis: 1mal 3–5mg/ kgKG täglich 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja 5 Spitzenspiegel: nach 1,5 mg/kg 0–10 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Niere, Synovia, Bronchialsekret; mäßig in Pleura-, Perikard-, Peritonealflüssigkeit; schlecht in Knochen, Galle, ZNS, Auge, Sputum; Übergang in fetalen Kreislauf und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 2 h 5 Eiweißbindung: 0–20 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <1mg/l = s; 2-4mg/l = i; >8 mg/l = r 5 Metabolisierung: keine 5 Ausscheidung: renal 5 Interaktionen: Anästhetika, Muskelrelaxanzien, nicht mit anderen Medikamenten mischen 5 Kontraindikationen: Schwangerschaft 5 Häufige Nebenwirkungen: Ototoxizität, Nephrotoxizität, allergische Reaktionen 5 Selektion: ? 5 Hinweise: nicht in Monotherapie, sondern in Kombination mit anderen Antibiotika, insbesondere bei Pseudomo6
nasinfektionen; Spiegelbestimmungen spätestens nach 3 Tagen erforderlich! Cave bei Gabe anderer nephrotoxischer Substanzen, wie z. B. Cisplatin, rasch wirkenden Diuretika, Amphothericin B. Vorsicht bei Myasthenia gravis und M. Parkinson. Unwirksam bei saurem pH-Wert 5
Freiname: Amikacin 5 Handelsnamen: Biklin 5 Wirkmechanismus: wie bei Gentamicin 5 Erregerspektrum: Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Staphylokokken 5 Wirkintensität: hoch bei Erregern im Spektrum, wird von vielen aminoglykosidinaktivierenden Enzymen nicht angegriffen, jedoch geringere Aktivität/g als Gentamicin 5 Resistenzmechanismen: Inaktivierung des Antibiotikums durch bakterielle Enzyme unter Acetylierung oder Phosphorylierung von Hydroxyl- oder Aminogruppen 5 Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Pseudomonasinfektionen bei gentamicinresistenten Bakterien 5 Dosierung bei Sepsis: 1-mal/Tag 15 mg/ kgKG 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja 5 Spitzenspiegel: nach 7,5 mg/kg 20– 30 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Niere, Synovia; mäßig in Bronchial-, Pleura-, Perikardflüssigkeit, Aszites; schlecht in Galle, Prostata, Sputum, Knochen, ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 2–3 h 5 Eiweißbindung: 4–10 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4mg/l = s; 8-16 mg/l = i; >32 mg/l = r 5 Metabolisierung: keine 5 Ausscheidung: renal 6
183 Besonderheiten der gezielten Therapie
5 Interaktionen: Anästhetika, Muskelrelaxanzien, nicht mit anderen Medikamenten mischen 5 Kontraindikationen: Schwangerschaft 5 Häufige Nebenwirkungen: Ototoxizität, Nephrotoxizität, allergische Reaktionen 5 Selektion: ? 5 Hinweise: nicht in Monotherapie, sondern in Kombination mit anderen Antibiotika, insbesondere bei Pseudomonasinfektionen mit Stämmen mit nachgewiesener Resistenz gegen andere Aminoglykoside; Spiegelbestimmungen spätestens nach 3 Tagen erforderlich! Cave bei Gabe anderer nephrotoxischer Substanzen, wie z. B. Cisplatin, rasch wirkenden Diuretika, Amphothericin B. Vorsicht bei Myasthenia gravis und M. Parkinson. Unwirksam bei saurem pH-Wert 5
Freiname: Vancomycin 5 Handelsnamen: Vancomycin 5 Wirkmechanismus: Blockierung eines Mureinbausteins, dadurch Hemmung der Zellwandsynthese 5 Erregerspektrum: grampositive Bakterien 5 Wirkintensität: gegeben auch bei Staphylokokken mit Multiresistenz, Enterokokken, Korynebakterien einschließlich C. jeikeium, Streptokokken, Listerien 5 Resistenzmechanismen: keine Resistenzentwicklung unter Therapie; bei Enterokokken Modifikation des Peptidoglykanpräkursors: 3 bekannte Resistenzgene (Van A, Van B, Van C), Van A ist am häufigsten und verursacht gleichzeitige Resistenz gegen Vancomycin und Teicoplanin; Van B verursacht meist Vancomycinresistenz bei verbleibender Sensibilität für Teicoplanin; Van C beeinträchtigt die Vancomycinwirkung, aber nicht die von Teicoplanin 5 Indikation bei Sepsis: gezielt bei Infektionen durch β-Laktam-resistente Staphylokokken und Enterokokken, kalkuliert bei 6
Fremdkörpersepsis in Kombination mit weiterem, auf gramnegative Bakterien wirksamem Antibiotikum 5 Dosierung bei Sepsis: 2-mal 1 g oder 4-mal 0,5 g i.v./Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja + Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 1 g i.v. 30 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Pleura-, Perikard-, Synovialflüssigkeit, Aszites, Galle; schlecht in Knochen und ZNS; Übergang in Muttermilch 5 Halbwertszeit: 4–8 h 5 Eiweißbindung: 10–55 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4mg/l = s; 8mg/l = i; >16 mg/l = r 5 Metabolisierung: 5 % 5 Ausscheidung: vorwiegend renal 5 Interaktionen: synergistisch mit anderen ototoxischen und nephrotoxischen Substanzen (z.B. Cisplatin) 5 Kontraindikationen: Schwangerschaft, Stillperiode, akutes Nierenversagen, vorbestehende Schwerhörigkeit 5 Häufige Nebenwirkungen: allergische Reaktionen, ototoxisch, nephrotoxisch, bei zu rascher Gabe Histaminfreisetzung (»red-man-syndrome«) 5 Selektion: ? 5 Hinweise: Spiegelbestimmung zur Vermeidung toxischer Akkumulation, Gesamtdosis auf 25 g begrenzen 5
Freiname: Teicoplanin 5 Handelsnamen: Targocid 5 Wirkmechanismus: Blockierung eines Mureinbausteins, dadurch Hemmung der Zellwandsynthese 5 Erregerspektrum: grampositive Bakterien 5 Wirkintensität: gegeben auch bei Staphylokokken mit Multiresistenz, Korynebakterien einschließlich C. jeikeium, Streptokokken, Listerien, hoch bei Enterokokken 6
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
5 Resistenzmechanismen: keine Resistenzentwicklung unter Therapie; bei Enterokokken Modifikation des Petidoglykanpräkursors: 3 bekannte Resistenzgene (Van A, Van B, Van C), Van A ist am häufigsten und verursacht gleichzeitige Resistenz gegen Vancomycin und Teicoplanin; Van B verursacht meist Vancomycinresistenz bei verbleibender Sensibilität für Teicoplanin; Van C beeinträchtigt die Vancomycinwirkung, aber nicht die von Teicoplanin 5 Indikation bei Sepsis: gezielt bei Infektionen durch β-Lakatam-resistente Staphylokokken und Enterokokken, kalkuliert bei Fremdkörpersepsis in Kombination mit weiterem, auf gramnegative Bakterien wirksamem Antibiotikum 5 Dosierung bei Sepsis: 2-mal 400 mg i. v. am 1. Tag, weiter 1-mal 400 mg i.v./Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 400 mg i.v. 32 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Pleura-, Perikard, Synovialflüssigkeit, Aszites, Galle, Haut; schlecht in Knochen und ZVS 5 Halbwertszeit: 30–60 h 5 Eiweißbindung: 90 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: nicht festgelegt 5 Metabolisierung: 5 % 5 Ausscheidung: vorwiegend renal 5 Interaktionen: – 5 Kontraindikationen: Schwangerschaft, Stillperiode, akutes Nierenversagen, vorbestehende Schwerhörigkeit 5 Häufige Nebenwirkungen: allergische Reaktionen 5 Selektion: ? 5 Hinweise: ggf. Spiegelbestimmung 5
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Freiname: Metronidazol 5 Handelsnamen: Clont 5 Wirkmechanismus: Metabolisierung unter anaeroben Bedingungen, Anlagerung 6
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akkumulierter Metaboliten an die DNA, Hemmung der Nukleinsäuresynthese Erregerspektrum: fast alle obligat anaeroben Bakterien, Protozoen Wirkintensität: hoch bei obligat anaeroben gramnegativen Bakterien, geringere Aktivität bei grampositiven Anaerobiern Resistenzmechanismen: rar Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Anaerobierinfektionen, kalkulierte Initialtherapie in Kombination mit nicht Anaerobier-wirksamen Antibiotika Dosierung bei Sepsis: 3-mal/Tag 500 mg i.v.
5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: Intervallverlängerung 5 Spitzenspiegel: nach 500 mg i.v. 13– 15 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Leber, Galle, Lunge, Knochen, Vaginalsekret, Aszites, ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser und Muttermilch 5 Halbwertszeit: 7 h 5 Eiweißbindung: 0–20 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: <4mg/l = s, >8 = r 5 Metabolisierung: 40 % 5 Ausscheidung: 60–80 % renal 5 Interaktionen: Alkohol, Antikoagulanzien, Antikonvulsiva, Cimetidin, Lithium 5 Kontraindikationen: ZNS-Erkrankungen, Störungen der Hämatopoese, Schwangerschaft, Stillperiode 5 Häufige Nebenwirkungen: gastrointestinale Störungen, periphere Neuropathie 5 Selektion: – 5 Hinweise: Dosisreduktion bei schwerer Leberinsuffizienz 5
Freiname: Rifampicin 5 Handelsnamen: Rifa 5 Wirkmechanismus: Hemmung der DNAabhängigen RNA-Polymerase 5 Erregerspektrum: Mykobakterien, Staphylokokken, Streptokokken, Gonokok6
185 Besonderheiten der gezielten Therapie
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ken, Meningokokken, Bacteroides, Haemophilus, Legionella pneumophilia, Brucellen, Chlamydia trachomatis Wirkintensität: hoch bei Bakterien im Erregerspektrum Resistenzmechanismen: rasche Resistenzentwicklung bei Monotherapie, durch Punktmutationen entsteht rifampicinresistente Polymerase Indikation bei Sepsis: Kombinationstherapie bei Staphylokokken Dosierung bei Sepsis: 1-mal/Tag 10 mg/ kgKG i.v.
5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: nein 5 Spitzenspiegel: nach 0,3 g i.v. 4 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Lunge, Niere, Leber, Körperzellen, Bronchialsekret, schlecht in ZNS 5 Halbwertszeit: 1,4–5 h 5 Eiweißbindung: 70–90 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: nicht festgelegt 5 Metabolisierung: hoch 5 Ausscheidung: 30 % renal, 40 % biliär 5 Interaktionen: Theophyllin, β-Blocker, Antiarhythmika, Antidiabetika, Ca-Antagonisten, Kortikosteroide, Cisplatin, Antiepileptika, Digitalis, Antikoagulanzien, Kontrazeptiva, Antazida 5 Kontraindikationen: schwerer Leberschaden, Ikterus, Schwangerschaft, Stillzeit, Neugeborene (erste 2 Lebensmonate) 5 Häufige Nebenwirkungen: Hepatotoxizität, Rotfärbung von Speichel, Urin, Tränenflüssigkeit, Schweiß, Stuhl 5 Selektion: ? 5 Hinweise: Leberfunktion und Blutbild während der Therapie kontrollieren, nur in Kombination anwenden 5
Freiname: Linezolid 5 Handelsnamen: Zyvoxid 5 Wirkmechanismus: Bindung an die 50S Untereinheit der bakteriellen Ribosomen, 6
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Hemmung der Ausbildung von Initiationskomplexen, damit Sistieren der Proteinbiosynthese Erregerspektrum: gram-positive Kokken, einschließlich Methicillin-resistente Staphylokokken: Vancomycin-resisitente E. faecium, Penicillin-G-resistente Pneumokokken, Peptostreptokokken, Corynebakterien, Norcardien, Listerien, Clostridien, verschiedene Mykobakterien Wirkintensität: gegeben bei Bakterien im Erregerspektrum, überwiegend bakteriostatische Wirkung Resistenzmechanismen: Punktmutation in der 23S-rRNA. Primäre Resistenz selten, Resistenzentwicklung unter Therapie in einzelnen Fällen berichtet Indikation bei Sepsis: gezielte Therapie von Infektionen durch multiresistente Staphylokokken, Enterococcus spp., Corynebacterium jeikeium Dosierung bei Sepsis: 2mal 600 mg i.v. pro Tag
5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: nicht erforderlich 5 Spitzenspiegel: ca. 15 mg/l 5 Gewebsspiegel: Liquor bis 4,5 mg/l Knochen bis 9 mg/l 5 Halbwertszeit: 5–7 h 5 Eiweißbindung: ca. 30 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach EUCAST: s ≤2 mg/l, r >4 mg/l 5 Metabolisierung: oxidativ in der Leber 5 Ausscheidung: überwiegend renal 5 Interaktionen: u. a. Phenylpropanolamin, Pseudoephedrin, Tyramin 5 Kontraindikationen: u. a. Monoaminooxidasehemmer, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Triptanen, Sympathomimetika, Vasopressiva, Dopaminergica 5 Häufige Nebenwirkungen: Hemmung der Monoaminooxidase: Blutdrucksteigerung, Hyperthermie, ZNS-Störungen; Durchfall, Kopfschmerz, Schwindel, Myelosuppression 6 5 Selektion: ?
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Kapitel 7 · Antimikrobielle Therapie
5 Hinweise: Bei MRSA-Infektion der unteren Atemwege möglicherweise Vancomycin überlegen 5
Freiname: Amphothericin B 5 Handelsnamen: Amphothericin B 5 Wirkmechanismus: Permeabilitätsänderung der Zytosplasmamembran durch Komplexbildung mit Ergosterol 5 Erregerspektrum: Aspergillus sp., Candida sp., Histoplasma capsulatum, Blastomyces dermatitides, Cryptococcus neoformans, Rhizopus, Rhizomucor, Coccidioidomykose, Protozoen 5 Wirkintensität: z. Z. wirksamstes Therapeutikum bei systemischen Mykosen 5 Resistenzmechanismen: Verminderung von Ergosterin in der Zellmembran (selten) 5 Indikation bei Sepsis: gezielt oder kalkuliert bei Pilzsepsis 5 Dosierung bei Sepsis: 1 mg Testdosis i.v., initial 0,1 mg/kgKG, tägliche Steigerung um 0,25 mg/kgKG bis 1-mal 1 mg/ kgKG/Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: nein 5 Spitzenspiegel: nach 0,7–1 mg/kgKG i.v.: 2–3 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Pleura-, Synovialflüssigkeit, Aszites, Kammerwasser; schlecht im ZNS; Übergang in fetalen Kreislauf, Fruchtwasser 5 Halbwertszeit: 20 h–15 Tage 5 Eiweißbindung: 95 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: nicht festgelegt 5 Metabolisierung: nicht bekannt 5 Ausscheidung: 10–20 % biliär, ca. 5 % renal, Rest unbekannt 5 Interaktionen: Herzglykoside, Muskelrelaxanzien, Antiarrhythmika, Kortikosteroide, Zytostatika 5 Kontraindikationen: drohendes Nierenversagen, schwere Leberfunktionsstörung 6
5 Häufige Nebenwirkungen: nephrotoxisch, Allgemeinerscheinungen (Schüttelfrost, Fieber, Erbrechen), Thrombophlebitis 5 Selektion: keine 5 Hinweise: intralumbale, intrathekale, intrapleurale, inraperikardiale, intraperitoneale Gabe möglich. Liposomales A. u. U. besser verträglich 5
Freiname: Fluconazol 5 Handelsnamen: Diflucan 5 Wirkmechanismus: Hemmung der Ergosterolsynthese der Pilze, Hemmung des Cytochrom-P-450–Systems und der Steroidsynthese des Menschen 5 Erregerspektrum: Candida sp. (nicht C. krusei), Cryptococcus neoformans, Histoplasma, Trichosporon, Dermatophyten, Blastomyces 5 Wirkintensität: bei Candidämien nichtneutropenischer Patienten gleich gut wirksam wie Amphotericin B 5 Resistenzmechanismen: Vorkommen primärer und sekundärer Resistenzen, Entwicklung unter Therapie möglich 5 Indikation bei Sepsis: kalkuliert bei Verdacht auf Candidainfektionen, gezielt bei sensiblen Sprosspilzen 5 Dosierung bei Sepsis: 1. Tag 400 mg p.o. oder i.v. weiter 1-mal 200–400 mg p.o. oder i.v./Tag 5 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: ja 5 Spitzenspiegel: nach 100 mg i.v. 2,1 mg/l 5 Gewebsspiegel: gut in Sputum, ZNS, Peritonealflüssigkeit, Prostata, Augenkammerwasser, Haut 5 Halbwertszeit: 20–30 h 5 Eiweißbindung: 12 % 5 Beurteilung der MHK-Werte nach DIN: nicht festgelegt 5 Metabolisierung: 11 % 5 Ausscheidung: renal 5 Interaktionen: Phenytoin, Phenprocoumon, Sulfonylharnstoffe, Cyclosporin, 6 Rifampicin, Theophyllin
187 Literatur
5 Kontraindikationen: Schwangerschaft, Stillperiode, Kinder <1 Jahr 5 Häufige Nebenwirkungen: gastrointestinale Störungen, Exanthem 5 Selektion: C. glabrata, C. krusei
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8 Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper P. Zabel
Pathophysiologie der Endotoxine Struktur der Endotoxine
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– 190
Endotoxinbindende Proteine in der Zirkulation Zelluläre Aktivierung durch LPS Endotoxin-Rezeptoren
– 191
– 192
– 192
Therapieoptionen mit endotoxinbindenden Proteinen Fazit für die Praxis Anhang Literatur
– 194
– 200
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Pathophysiologie der Endotoxine Endotoxine sind integrale Bestandteile der äußeren Membran gramnegativer Bakterien, wie Enterobacteriaceae, Neisserien und Chlamydien. Sie sind bei zahlreichen physiologischen Membranfunktionen beteiligt und sind essentiell für das Wachstum von Bakterien und deren Überleben. Endotoxine repräsentieren die hitzestabilen OAntigene von Bakterien und definieren somit die Vielfalt der unterschiedlichen Serotypen. Schließlich zeigen Endotoxine ein großes Spektrum biologischer Aktivitäten nach der Injektion in Tieren und in In-vitro-Modellen [32].
Fieber, Veränderungen der Leukozytenzahlen, Blutdruckabfall und Durchfall sind Symptome einer gramnegativen bakteriellen Infektion. In schweren Fällen treten zusätzlich eine disseminierte intravasale Koagulopathie, Zirkulationsstörungen verschiedener Organe und schließlich ein irreversibler Schock auf. Diese pathophysiologischen Effekte können ebenfalls durch abgetötete Bakterien oder im Rahmen eines Schockgeschehens anderer Genese durch translozierte Bakterien hervorgerufen werden. Als induzierendes Prinzip wurden die Lipopolysaccharide (LPS) gramnegativer Bakterien identifiziert und wegen ihrer toxischen Aktivität Endotoxine genannt [33]. Die
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Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
experimentelle Endotoxinämie kann daher als valides Modell einer Septikämie angesehen werden. Zahlreiche Untersuchungen der Endotoxinämie in Tiermodellen und auch im humanen Modell haben ganz wesentlich zum Verständnis der pathophysiologischen Kaskade beim septischen Schock beigetragen.Obwohl weiterhin die biochemischen Mechanismen, die zur Endotoxizität führen, nicht vollständig verstanden werden, ist allgemein akzeptiert, dass LPS durch die endogene Induktion biologisch hochaktiver Mediatoren, wie Interleukin-(IL-) 1, IL-6, IL-8 und Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) wirkt, die überwiegend von Monozyten/Makrophagen, aber auch von anderen Zellpopulationen, wie z. B. Endothelzellen, Lymphozyten, Granulozyten und glatten Muskelzellen gebildet werden [29]. Monozyten/Makrophagen produzieren darüber hinaus nach der Aktivierung durch LPS verschiedene Zellwachstumsfaktoren, wie FGF (»fibroblast growth factor«), PDGF (»platelet derived growth factor«) und TGF-β (»transforming growth factor-β«), die insbesondere zu einer Fibroblastenaktivierung führen, hämatopoetische Wachstumsfaktoren, wie G-CSF (GranulozytenKolonie-stimulierender Faktor), GM-CSF (Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor) und IL-3, die die Freisetzung und Differenzierung von Abwehrzellen aus dem Knochenmark modulieren, Komplementfaktoren und eine Reihe von Gerinnungsfaktoren, wie Faktor V, VII, IX, X, Tissuefaktor, Plasminogenaktivator und dessen Inhibitor, die bei schweren gramnegativen Infektionen schließlich zu einer Imbalance der Koagulation bis hin zur disseminierten intravasalen Koagulation (DIC) führen können. Weiterhin induziert LPS in monozytären Zellen eine große Anzahl von Enzymen (Proteasen, Lipasen, Hydrolasen), die Synthese von Matrixproteinen, wie Fibronectin, die Freisetzung von hochaktiven Lipidmediatoren (Metabolite der Arachidonsäure) und reaktive O2-Radikale, die eine wichtige Rolle bei der bakteriellen Infektabwehr spielen, andererseits aber auch einen Gewebsschaden propagieren (Übersicht bei [38]). Neben Monozyten sind die Zellen des Gefäßendothels mit die ersten Zielzellen für LPS unter pathologischen Bedingungen. Auch LPS-akti-
vierte Endothelzellen produzieren hochaktive Mediatoren [21], wie M-CSF, IL-1, IL-6, IL-8 oder PAF (Plättchen-aktivierender Faktor) und sind bei der Regulation des Gefäßtonus, z. B. durch die LPS-induzierte Produktion von Stickoxid (NO) und PAF, beteiligt. In vivo konnte gezeigt werden, dass LPS – genauso wie IL-1 und TNF-α-die Expression von Adhäsionsmolekülen (ICAM »Intercellular adhesion molecule) auf Endothelzellen und auch auf Lymphozyten (VCAM »Vascular cellular adhesion molecule«) stimuliert. Auch glatte Muskelzellen in der Gefäßwand können durch LPS zur Produktion verschiedener proinflammatorischer Zytokine aktiviert werden [22], sodass insgesamt eine Vielzahl unterschiedlicher Zielzellen für Endotoxine existiert, die sämtlich bei den pathophysiologischen Vorgängen der Sepsis Bedeutung haben dürften.
Struktur der Endotoxine Das LPS verschiedener gramnegativer Bakterien besteht jeweils aus einem Lipidanteil (Lipid A) und einem Polysaccharidanteil, der in eine Kernregion (»core«) und eine O-spezifische Kette unterteilt wird (Übersicht bei [33, 51]). Lipid A und bis zu einem gewissen Grad auch die Kernregion sind weitgehend konserviert, während die Ospezifische Kette hochgradig variabel ist und zwischen den verschiedenen bakteriellen Serotypen differenziert. Die prinzipielle Struktur von LPS ist in . Abb. 8-1 zusammengefasst. Die O-spezifische Kette des LPS dient darüber hinaus als Rezeptor für Bakteriophagen und moduliert die Komplementaktivierung. Oligosaccharide aus I-7 Zuckern bilden ein ausgedehntes O-Kettenpolymer, das sich wiederum aus bis zu 60 sog. »oligosaccharide repeating units« zusammensetzt. Dabei unterscheiden sich die O-spezifischen Ketten einzelner Bakterienstämme außerordentlich in Komposition und Kettenlänge. Bei einigen Bakterien fehlt die O-spezifische Kette auch gänzlich (z. B. Bacteroides fragilis, Neisseria meningitidis, Bordetella pertussis oder Haemophilus influenzae). Die Kernregion besteht aus einem inneren und einem äußeren Anteil und ist im Gegensatz zur O-
191 Endotoxinbindende Proteine in der Zirkulation
8
. Abb. 8-1. Schematische Struktur eines Lipopolysaccharids (Salmonella). (Nach [37])
spezifischen Kette mehr konserviert innerhalb verschiedener Bakterienstämme. Über die biologische Funktion der Kernregion ist u. a. bekannt, dass der äußere Teil als Rezeptor für Phagen dient, während der innere Teil bei der Komplementaktivierung eine Rolle spielt und die biologische Aktivität von Lipid A modulieren kann. Die Lipid-A-Komponente des amphiphilen LPS-Moleküls repräsentiert den hydrophoben Anteil. In den letzten Jahren wurde die chemische Struktur von Lipid A verschiedener bakterieller Herkunft aufgeklärt, und es konnte gezeigt werden, dass das Lipid A verschiedener Bakteriengruppen eine sehr ähnliche Grundstruktur aufweist. Es besteht aus einem 2fach phosphorylierten Hexosamin-Disaccharid, das über Ester- oder Amidbindungen 4–6 β-Hydroxyfettsäuren trägt. Die Komposition und Kettenlänge der Fettsäuren variiert dabei innerhalb der Bakterienstämme und entscheidet über die biologische Aktivität des LPS, wobei Lipid A die endotoxische Aktivität, z. B. die Fähigkeit von LPS zur Zytokininduktion, beherbergt. Es ist verantwortlich für die Aktivierung der klassischen antikörperunabhängigen Komplementkaskade und darüber hinaus für die Stelle des LPSMoleküls, die von endotoxinbindenden Proteinen erkannt wird. Schließlich ist Lipid A für das Überleben von gramnegativen Bakterien essentiell.
Endotoxinbindende Proteine in der Zirkulation Nach dem Eindringen von Endotoxin in die Zirkulation interagiert LPS mit einer Reihe humoraler und zellulärer Komponenten des Wirtsorga-
nismus. LPS bindet zunächst an verschiedene Serumproteine,die entweder als Transporter, als Vermittler der endotoxischen Aktivität oder als neutralisierendes Potential in der Zirkulation dienen. Dabei ist die Funktion einzelner Proteine durchaus nicht eindeutig definiert und zeigt teilweise pleiotrope Eigenschaften (. Tabelle 8-1). Endotoxin wird in der Zirkulation mit hoher Affinität von einem »LPS-binding protein« (LBP) und löslichem CD14 (sCD14) gebunden. Diese Proteine sind entscheidend für die Interaktion von LPS mit den Zielzellen des Wirtes, und deren Eigenschaften werden unten eingehend diskutiert. LPS bindet ebenfalls an »high density serum lipoproteins« (HDL), Apolipoproteine und einen sog. »endotoxin inhibitor« [18], die jeweils das endotoxische Potential von LPS in der Zirkulation vermindern können und daher eine endotoxinneutralisierende Kapazität besitzen. Andere Serumproteine, wie Albumin, Transferrin und die Komplementfaktoren C1 und C3, binden ebenfalls LPS und fungieren überwiegend als Transporter. Der Transport aus der Zirkulation durch das Endothel wird durch »low density serum lipoprotein« (LDL) vermittelt. Ein anderes Protein, das mit hoher Affinität LPS bindet und endotoxische Effekte inhibiert, ist das »bactericidal/permeability increasing protein« (BPI), das in neutrophilen Granulozyten gebildet und in sehr niedriger Konzentration auch im Plasma gefunden wird [25]. BPI-Plasmaspiegel wurden aber bei septischen Patienten mehrfach um den Faktor 100 erhöht gefunden, sodass dieses endotoxinneutralisierende Potential in klinischen Situationen relevant sein dürfte. Die Bedeutung von BPI wird unten detailliert diskutiert.
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Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
. Tabelle 8-1. Endotoxinbindende Proteine in der Zirkulation Protein
Überwiegende Funktion
»LPS binding protein« (LBP) Lösliches CD14 (sCDl4)
Vermittlung endotoxischer Effekte auf Zielzellen
»Low density lipoprotein« (LDL) Albumin Transferrin Komplementfaktoren C1, C3 »High density lipoprotein« (HDL) Apolipoprotein »Endotoxin inhibitor« »Bactericidal/permeability increasing protein« (BPI)
Transport in der Zirkulation und durch Endothelien
Zelluläre Aktivierung durch LPS Um die Abschätzung therapeutischer Interventionsmöglichkeiten bei der zellulären Aktivierung durch LPS, z. B. mit Hilfe endotoxinbindender Proteine zu ermöglichen, sollen im Folgenden zunächst die derzeitigen Kenntnisse über diese Mechanismen dargestellt werden.
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LPS binding protein (LBP) LPS wird im Serum durch ein Protein, das »LPSbinding protein« (LBP) genannt wird, erkannt und gebunden [36]. Nach Bildung des LPS/LBPKomplexes sind bereits Picogrammengen von Endotoxin ausreichend, starke zelluläre Aktivierungen zu induzieren. LBP wird überwiegend von Hepatozyten in der Leber als ein 58-kDa-Glykoprotein synthetisiert und in die Zirkulation sezerniert. LBP bindet an den Lipid-A-Anteil des LPS mit einer sehr hohen Affinität (10-9 M) und verstärkt dadurch den zellulären Effekt von LPS auf CD14-positive Zellen, wie die Transkription und Translation von TNF-α, IL-1 und IL-6 [37]. Die Verstärkung des LPS-Effektes durch LBP wird höchstwahrscheinlich durch eine Dissoziation der multimeren LPS-Form [41] in eine monomere Form sowie durch den Transport des LPS zum zellulären Rezeptor CD14 vermittelt. LBPRNA und -Proteinsynthese werden im Rahmen einer Akutphasereaktion dramatisch hochregu-
Inhibition oder Neutralisation endotoxischen Potentials
liert, sodass LBP als Akutphaseprotein bezeichnet werden kann. Es konnte gezeigt werden, dass die Depletion von LBP aus dem Serum in vitro und in vivo LPS-Effekte dramatisch reduziert und im Tiermodell eines Endotoxinschocks die Überlebensrate steigert [36]. Die LPS-bindende Domäne von LBP liegt wahrscheinlich in einem Proteinabschnitt, der eine starke Homologie mit einem anderen LPS-bindenden Protein, dem aus Limulus polyphemus isolierten »endotoxin-neutralizing protein« (ENP), aufweist [17]. Kürzlich wurde postuliert, dass LBP ebenfalls am Transport von LPS zu HDL beteiligt ist, sodass ihm wohl eine duale Rolle zukommt: einerseits Verstärkung des LPS Effektes durch Vermittlung des Transportes von LPS zum zellulären Rezeptor CD14, damit der Organismus auch geringe LPS-Mengen detektieren kann, andererseits Detoxifikation großer LPSMengen durch den Transport von LPS zur neutralisierenden HDL-Fraktion [49].
Endotoxin-Rezeptoren Zellulärer LPS Rezeptor CD14 ! Obwohl eine Vielzahl zellulärer Strukturen als
LPS-bindend beschrieben wurde, scheint doch das CD14-Molekül die wesentliche Rezeptorstruktur für die LPS-Aktivierung von Zielzellen zu sein. Die Mehrzahl der anderen LPS-bindenden Komponenten ist höchstwahrscheinlich
193 Endotoxin-Rezeptoren
an der Detoxifikation des LPS und nicht an der Zellaktivierung beteiligt.
CD14 ist ein 53-kDa-Glykoprotein, das sich auf der Zelloberfläche (mCD14) aller reifen myeloischen Zellen findet und zunächst als »Differenzierungsantigen« bezeichnet wurde, bis Evidenzen dafür auftauchten, dass mCD14 der Rezeptor für den LBP/LPS-Komplex ist, da z. B. mit Hilfe monoklonaler Anti-CD14-Antikörper LBP/LPS-induzierte Effekte, wie die TNF-α-Produktion, gehemmt werden können [50]. CD14 ist kein transmembranöses Molekül, sondern mit der Zelloberfläche über einen Phosphatidyl-Inositol-Anker (GPI) verbunden, der eine gewisse Mobilität von mCD14 auf der Membranebene gewährleistet. Internalisation des Rezeptors nach der Bindung des Liganden oder die Präsentation des LBP/LPS-Komplexes an ein weiteres Membranprotein wären daher mögliche Mechanismen einer Signaltransduktion durch das GPI-verankerte CD14-Molekül. Im Plasma gesunder Erwachsener wurden 4-6 µg/ml lösliches CD14 (sCD14) gefunden, [52], und bei septischen Patienten ist sCD14 bis zu 200 µg/ml Plasma stark erhöht [19]. Die lösliche Form von CD14 bindet spezifisch an LPS und kann dadurch die Aktivierung CD14positiver Zellen durch LPS hemmen, wie die LPSinduzierte Chemilumineszenz bei Monozyten [40] und die LPS-stimulierte TNF-α-Produktion im Vollblut. Im Serum Gesunder können 2 geringgradig differente Formen des CD14-Moleküls nachgewiesen werden, wahrscheinlich bedingt durch das »Shedding« des membranständigen CD14 [2]. Darüber hinaus kann sCD14 die zelluläre Aktivierung von mCD14-negativen Zellen durch LPS vermitteln, wie es z. B. für endotheliale und epitheliale Zellen gezeigt werden konnte [31]. Dies bedeutet, dass auch sCD14 wie LBP eine duale Wirkung entfalten kann: Einerseits vermittelt es die zelluläre Aktivierung mCD14-negativer Zellen durch geringe Mengen LPS. Andererseits hat sCD14 bei Aktivierung der Organismen durch große Mengen LPS eine neutralisierende Kapazität, da eine überschießende Aktivierung mCD14-positiverZellen duch die Bindung von LPS an erhöhte Mengen von sCD14 verhindert werden kann.
8
! Obwohl sCD14 eine wichtige Rolle bei der LPS-
induzierten Aktivierung von CD14-negativen Zellen spielt, ist erst durch die kürzliche Entdeckung der »Toll-like«-Rezeptoren als wesentliche Signaltransduktoren der sCD14- und mCD14vermittelten Zellaktivierung geklärt worden, wie CD14 als GPI-verankertes Molekül ohne transmembranösen Anteil überhaupt zur Induktion von LPS-Effektormechanismen befähigt ist.
»Toll-like«-Rezeptoren als Signaltransduktor für CD14 In den vergangenen Jahren wurden die sog. »Tolllike«-Rezeptoren (TLR) und andere »Pattern-recognition«-Rezeptoren (PRR) als Schlüsselmoleküle der Interaktion zwischen mikrobiellen Fremdstrukturen wie LPS und dem angeborenen Immunsystem erkannt [26b]. Eine gestörte Expression von PRR auf antigenpräsentierenden Zellen beeinflusst die Erkennung bakterieller Pathogene und damit auch die intrazelluläre Signalverarbeitung sowie hieraus resultierende Effektormechanismen [41a]. Aus der Gruppe der bisher beim Menschen identifizierten 10 TLR erscheinen für die Pathogenese der Sepsis insbesondere TLR2, TLR4 und TLR9 interessant. Während TLR4 gemeinsam mit den extrazellulären Korezeptoren CD14 und MD2 als LPS-Rezeptor fungiert, dient TLR2 u. a. als Ligand für bakterielle Lipoproteine, Peptidoglykan und Lipoarabinomannan. TLR-9 erkennt CpGMotive in bakterieller DNA [17a]. Die intrazelluläre Signalverarbeitung nach TLR-Aktivierung wird vorwiegend über den Transkriptionsfaktor NF-κB vermittelt und führt zur Anschaltung einer Reihe inflammatorischer Zytokine, Chemokine, Adhäsionsmoleküle sowie reaktiver Sauerstoff- und Stickstoffspezies [42a]. Alternativ kann bei gleichzeitiger Hemmung von NF-κB über das Adaptermolekül FADD (»fas associated death domain«) eine Aktivierung von Caspase 8 und damit der Zellapoptose erfolgen (. Abb. 8-2). So induziert TLR2 unter entsprechenden experimentellen Bedingungen die Apoptose von Monozyten [1].
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1
Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
. Abb. 8-2. Schematische Darstellung der TLR-Signaltransduktion (Erläuterungen s. Text)
2
LTA PGN ZYMOSAN LAM
LPS/LIPID A C pG DNA
3 4 5 6
Apoptose
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Die Regulation der TLR-Antwort auf mikrobielle Stimulation hängt darüber hinaus davon ab, ob es sich um einen Erstkontakt mit dem entsprechenden Liganden oder um eine repetitive Stimulation handelt: So kommt es zu einer reduzierten Oberflächenexpression von TLR4 auf Monozyten und einer verminderten Zytokinantwort, wenn bereits eine LPS-Vorstimulation stattgefunden hat [29a]. Dieser Befund kann neben der Hochregulation antiinflammatorischer Zytokine [31a] zur Erklärung der schon länger bekannten Endotoxintoleranz beitragen. Zu den hierdurch modulierten Zytokinen gehören u. a. TNF-α, IL-1β und GM-CSF, nicht dagegen antiinflammatorische Zytokine wie IL-10 [26a]. Interessanterweise findet sich eine Hyporesponsitivität der Zielzellen gegenüber LPS auch nach Vorstimulation mit Liganden für TLR2 und umgekehrt (»Kreuztoleranz«), was für das Vorhandensein gemeinsamer Signalübertragungswege spricht [34b]. Die Beeinflussung der Expression von TLR und derer Signaltransduktionsmechanismen wird sicherlich zukünftig als Ziel für eine pharmakologische Modulation der inflammatorischen Prozesse bei Sepsis genutzt werden.
Therapieoptionen mit endotoxinbindenden Proteinen Die physiologischerweise in der Zirkulation vorkommenden Proteine, die mit hoher Affinität Endotoxine binden können (LBP, sCD14, BPI) werden sämtlich im Rahmen einer schweren gramnegativen Infektion mit großen Mengen von zirkulierendem LPS verstärkt synthetisiert oder freigesetzt. LBP wird dann als Akutphaseprotein vermehrt von Hepatozyten synthetisiert, während sCD14 durch vermehrtes »Shedding« von mCD14 und BPI durch vermehrte Sekretion aus den Granula LPS-aktivierter neutrophiler Granulozyten freigesetzt werden.
Endotoxinbindende Proteine 5 »recombinant fragment of LPS-binding protein« (rLBP25), 5 »soluble CD14« (sCD14), 5 »bactericidal/permeability increasing protein« (BPI) 5 »endotoxin-neutralizing protein« (ENP)
195 Therapieoptionen mit endotoxinbindenden Proteinen
Obwohl LBP und sCDl4, wie oben gezeigt, wichtige Aufgaben bei der Vermittlung der zellulären Aktivierung durch LPS bei CD14-positiven bzw. CD14-negativen Zellen wahrnehmen und damit einen notwendigen Teil des endotoxischen Komplexes darstellen, ist diese Eigenschaft wahrscheinlich nur für die Detektion kleinerer LPSMengen relevant. Die Tatsache, dass LPS in hoher Konzentration auch ohne das Vorhandensein von LPB oder sCD14 CD14-positive bzw.-negative Zellen aktivieren kann, lässt die Hochregulation dieser Proteine als Antwort des Organismus auf einen LPS-Kontakt eher als Teil einer autoregulativen Begrenzung einer LPS-Aktivierung erscheinen. Dafür spricht ebenfalls die Eigenschaft von LBP, durch Transport von LPS zur HDL-Fraktion LPS zu neutralisieren, und dafür spricht auch die Eigenschaft von sCD14, LPS hochaffin in der Zirkulation zu binden und damit eine LPS-Aktivierung über mCD14 bei CD14-positiven Zellen zu verhindern. Die Hochregulation des LPS-neutralisierenden BPI als Antwort auf eine LPS-Aktivierung ist dagegen als Ausdruck eines negativen Feed-back-Mechanismus zur Verhinderung einer Überaktivierung des Organismus durch LPS zu verstehen.
Rekombinantes Fragment von »LPS-binding protein« (rLBP25) Sowohl das humane LBP (456 Aminosäuren) als auch ein N-terminales Fragment mit 197 Aminosäuren (rLBP25) wurden rekombinant hergestellt [43]. Beide Formen des LBP binden LPS mit derselben Affinität und inhibieren LPS-Aktivität im Limulusamöbozytenlysat-(LAL-)Assay. Diese Befunde zeigen, dass die LPS-bindende Domäne von LBP innerhalb der N-terminalen 197 Aminosäuren des Proteins lokalisiert ist. Während rLBP die LPS-induzierte TNF-α-Produktion in humanen mononukleären Blutzellen (PBMC) vermitteln kann, ist rLBP25 dazu nicht in der Lage. Dies bedeutet, dass die Domäne von LBP, die die LPSAktivierung über mCD14 vermittelt, wahrscheinlich in der C-terminalen Region des Proteins lokalisiert ist. Die LPS-bindende Aktivität von LBP kann somit von der CD14-stimulierenden Aktivi-
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tät separiert werden. N-terminale Fragmente vcn LBP, z. B. rLBP25, könnten daher therapeutisch interessant sein, da diese Fragmente hochaffin LPS binden können, ohne zu einer zellulären Aktivierung durch LPS zu führen.
Lösliches (»soluble«) CD14 (sCD14) Die endotoxinneutralisierende Eigenschaft von sCD14 konnte vielfach in vitro in Bezug auf die LPS-induzierte Monozytenaktivierung demonstriert werden [16, 39]. So ist sCD14 dosisabhängig in der Lage, die Bindung von LPS und LPS/ LBP-Komplex an Monozyten sowie die LPS-induzierte Produktion von O2-Radikalen und Zytokinen zu inhibieren, sodass sCD14 prinzipiell als ein Kandidat für eine therapeutische Intervention einer überschießenden Monozytenaktivierung, z. B. bei der Sepsis, anzusehen ist. Andererseits ist sCD14, wie oben erläutert, ein notwendiger Faktor zur LPS-induzierten Aktivierung CD14-negativer Zellen und findet sich signifikant erhöht im Serum von Patienten mit Polytrauma oder schweren Verbrennungen [19]. Schütt et al. [40] konnten zeigen, dass LPS und TNF-α in vitro dosisabhängig bei peripheren mononukleären Blutzellen eine Freisetzung von sCD14 in den Kulturüberstand induzieren und folgern daraus, dass die erhöhten sCD14-Serumspiegel bei septischen Patienten Ausdruck einer natürlichen protektiven Regulation zur Verhinderung einer exzessiven Mediatorproduktion von Monozyten sein könnten. Da die in vitro effektiven sCD14-Konzentrationen zur Hemmung der LPS-induzierten Monozytenaktivierung mindestens um den Faktor 5 höher liegen als die bei septischen Patienten erreichten sCD14Serumkonzentrationen, könnte eine exogene Zufuhr von sCDl4 oder analogen Strukturen evtl. doch therapeutisch interessant sein. Weitere Studien, insbesondere auch zur Definition eines geeigneten Interventionszeitpunktes, sind aber sicherlich notwendig, bevor eine Abschätzung dieser Therapieoption möglich ist.
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Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
»Bactericidal/permeability increasing protein« (BPI) BPI wurde zuerst von Weiss et al. [48] als kationisches Protein in den azurophilen Granula neutrophiler Granulozyten mit antimikrobieller Aktivität gegenüber gramnegativen Bakterien in vitro beschrieben. Weitere Untersuchungen von Marra et al. [24, 25] konnten zeigen, dass BPI spezifisch LPS bindet und endotoxinneutralisierende Kapazität in einer Vielzahl biologischer Systeme zeigt. So hemmt BPI die LPS-vermittelte Hochregulation des Komplementrezeptors auf isolierten humanen neutrophilen Granulozyten, die LPS-induzierte Produktion und Freisetzung proinflammatorischer Zytokine aus isolierten humanen Monozyten und die LPS-Aktivität im LAL-Assay. BPI hat eine hochaffine Bindungsdomäne für die Lipid-ARegion von LPS [14, 25], sodass die neutralisierende Wirkung von BPI die verschiedensten LPS-Formen betrifft und darüber hinaus weder serotypspezifisch ist, noch durch die O-spezifische Seitenkette von LPS beeinflusst wird. BPI weist eine Sequenzhomologie der Aminosäuren von 44% mit LPB auf [44]. LBP und BPI haben jedoch grundsätzlich verschiedene Eigenschaften bei der Regulation der LPS-Bioaktivität: Während LBP an LPS bindet und die LPS-Aktivität stimuliert, kann BPI mit LBP um die Bindung an LPS konkurrieren, LPS binden und damit die zelluläre Aktivierung von LPS blockieren. Die Exposition von BPI auf der Oberfläche von neutrophilen Granulozyten als auch die Freisetzung in das umgebende Medium nach LPS-Stimulation in vitro legen nahe, dass BPI mit seiner LPS-neutralisierenden Potenz einen wesentlichen gegenregulatorischen Faktor bei der Begrenzung der durch Endotoxine ausgelösten Entzündungsreaktion darstellt. In jüngster Zeit wurden verschiedene Fragmente von BPI rekombinant hergestellt und in Bezug auf ihre biologische Aktivität und Bindungsaffinität zu LPS oder Lipid A untersucht. Ooi et al. [30] beschrieben ein 25-kDa-N-terminales Fragment des 55- bis 60-kDa-Gesamt-BPI, welches in vitro ähnliche LPS-neutralisierende Potenz (im nanomolaren Bereich) wie Holo-BPI aufweist. Ein ebenfalls isoliertes 30-kDa-C-terminales Frag-
ment zeigte dagegen deutlich geringere Aktivität in Bezug auf die Hemmung im LAL-Assay, die Hemmung der LPS-induzierten Aktivierung von Granulozyten und die LPS-induzierte TNF-α-Produktion im Vollblutansatz, woraus gefolgert werden kann, dass die LPS-erkennende und -neutralisierende Domäne von BPI in der N-terminalen Hälfte des Moleküls lokalisiert ist. Gazzano-Santoro et al. haben kürzlich ein weiteres rekombinantes Fragment von BPI (rBPI23) beschrieben [15], das eine 75fach höhere Bindungsaffinität zu Lipid A als rekombinantes Holo-BPI (rBPI) aufweist und auch gegenüber dem natürlicherweise konkurrierenden LBP eine signifikant höhere Bindungsaffinität zu LPS und gramnegativen Bakterien zeigt. Selbst in Gegenwart eines 100fachen Überschusses von rLBP kann das BPI-Fragment rBPI23 die proinflammatorische Antwort humaner PBMC blockieren. Mit der rekombinanten Herstellung von BPI und verschiedenen rekombinanten Fragmenten von BPI stehen also nunmehr Proteine in ausreichender und standardisierter Form für In-vivo-Therapiestudien zur Verfügung, die unabhängig von der LPS-Spezifität und auch in Gegenwart des natürlichen Stimulus der LPSAktivität, dem LBP, Endotoxineffekte blockieren können. Erste placebokontrollierte in-vivo-Therapiestudien mit BPI wurden von Fisher et al. publiziert [10]. Dabei wurde in pharmakokinetischen Studien nach i.v.-Applikation von 10 mg/kgKG BPI in der CD-1-Maus eine sehr schnelle Elimination aus dem Serum mit einer endgültigen Halbwertzeit von 42 min gefunden. Die Verträglichkeit der gewählten Dosis war bei Mäusen und Ratten exzellent, ohne dass sich Hinweise auf toxische Effekte von BPI ergaben. Bezüglich der Wirksamkeit von BPI als endotoxinneutralisierender Substanz ergab sich eine hochsignifikante Protektion im Modell der letalen Endotoxinämie bei verschiedenen Tierspezies (Maus, Ratte, Kaninchen). Umgekehrt erhöhte die simultane Gabe von BPI mit der Endotoxingabe die LD50 von Endotoxin um das 32fache. BPI war in diesen Tiermodellen jedoch nur dann protektiv, wenn die Applikation simultan oder in einem Zeitraum von –30 min bis +60 min relativ zur Endotoxingabe durchgeführt wurde. Die schnelle Elimination von BPI aus der Zirkulation
197 Therapieoptionen mit endotoxinbindenden Proteinen
erklärt sicherlich die nur kurzzeitige Effektivität und kritische zeitliche Korrelation der BPI-Gabe in diesen Modellen des Endotoxinschocks. Die Tatsache, dass BPI auch im Endotoxinmodell beim Kaninchen protektiv ist, also in einer dem Menschen vergleichbaren, sehr LPS-sensitiven Spezies, lässt eine Übertragbarkeit der Effekte von BPI auch auf den Menschen möglich erscheinen. Weitere Studien müssen diese Annahmen jedoch zunächst erhärten, insbesondere sind Untersuchungen in komplexeren Modellen des septischen Schocks vonnöten, da das »therapeutische Fenster« für BPI wegen der erwähnten raschen Kreislaufelimination nur sehr schmal sein dürfte und in komplexen klinischen Situationen mit rezidivierenden Endotoxinämien zu rechnen ist. In einer ersten klinische Studie mit rBPI bei Kindern mit schwerer Meningokokkensepsis konnte gezeigt werden, dass die rBPI-Therapie sicher ist und zumindest gegenüber einem vergleichbaren historischen Kontrollkollektiv eine reduzierte Mortalitätsrate aufweist [15a]. In einer folgenden prospektiven, placebokontrollierten klinischen Studie, ebenfalls bei Kindern mit einer schweren Meningokokkensepsis (n = 393), wurde gleichfalls ein Trend zu einer erniedrigten Mortalitätsrate in der Gruppe der mit rBPI behandelten Kinder gegenüber der Placebobehandlung festgestellt. Wegen einer Vielzahl von Todesfällen im Intervall zwischen Identifikation der Patienten und Therapiebeginn war die Mortalitätsrate in dieser Studie jedoch so gering (<10%), dass die Anzahl der Studienpatienten nicht ausreichte, um bezüglich der Mortalität signifikante Unterschiede festzustellen. Die weiteren primären Studienendpunkte, wie Zahl der notwendigen Amputationen und Krankheitsscore, zeigten in der rBPI-Gruppe aber signifikante Verbesserungen, sodass rBPI insgesamt bei der schweren Meningokokkensepsis günstige Effekte gezeigt hat [20a].
»Endotoxin-neutralizing protein« (ENP) Ein 11,8-kDa-Protein mit Anti-LPS-Aktivität wurde erstmals von Tanaka u. Iwanaga 1982 aus den Amöbozyten von Limulus polyphemus isoliert [28, 42]. Gereinigter Limulus-anti-LPS-Faktor ist
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in der Lage, in vitro hochaffin an LPS zu binden und eine Reihe von LPS-Aktivitäten dosisabhängig zu hemmen. Neben der Anti-LPS-Aktivität im LAL-Assay [27] konnte ebenfalls eine Hemmung der LPS-Aktivierung von humanen Endothelzellen [8] und murinen Milzzellen [46] durch dieses endotoxinbindende Protein gezeigt werden. Seit 1991 ist dieser Anti-LPS-Faktor aus Limulus polyphemus rekombinant verfügbar und wird »endotoxin-neutralizing protein« (ENP) genannt. Erste pharmakokinetische Studien in vivo haben eine ähnlich schnelle Elimination von ENP aus der Zirkulation von Versuchstieren (Kaninchen) wie für das BPI gezeigt, mit einer Halbwertszeit von 45 min [46]. Sowohl mit dem Anti-LPS-Faktor aus Limulus als auch mit der rekombinanten Version des Proteins, dem ENP, wurden Studien zur Überprüfung eines etwaigen protektiven Effektes von ENP im Endotoxinschock und bei bakterieller Sepsis bei verschiedenen Tierspezies durchgeführt, die, unterteilt nach Anti-LPS-Faktor aus Limulus und ENP, in . Tabelle 8-2 aufgelistet sind. Daraus ergibt sich in allen getesteten Spezies (Maus, Ratte, Kaninchen) eine protektive Wirkung von Anti-LPSFaktor in Bezug auf die Mortalität im Endotoxinschockmodell. Diese Befunde konnten für das rekombinante Protein ENP in allen Fällen bestätigt werden. Darüber hinaus ergaben sich im E.-coliSepsismodell der Ratte ein signifikanter Überlebensvorteil für die mit ENP behandelten Tiere sowie eine signifikante Reduktion der Bakteriämie und Endotoxinämie gegenüber den Kontrollgruppen [20]. Bei Untersuchungen in einer mit dem Menschen vergleichbaren sehr LPS-sensitiven Spezies, dem Kaninchen, zeigte sich im Endotoxinschockmodell [12, 34] analog zu den Befunden des BPI nur ein sehr schmales »therapeutisches Fenster« für ENP. Während die Gabe von 2,5 oder 5,0 mg/ kgKG ENP simultan zum Endotoxin oder 30 min vorher einen signifikanten Überlebensvorteil ergab, zeigte die Applikation von ENP nur 30 min nach Endotoxingabe lediglich noch eine geringgradige, d. h. nicht mehr signifikante Protektion. Bei der in diesen Experimenten gewählten ENPDosis kam es nicht zu einer kompletten Neutralisation des Endotoxins, sodass gegenüber den Kon-
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Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
. Tabelle 8-2. In-vivo-Effekte von Anti-LPS-Faktor/»endotoxin-neutralizing protein« Anti-LPS-Paktor aus Limulus polyphemus Spezies
Modell
Effekt
Quelle
Maus
Endotoxinschock
Protektion
Warren [46]
Ratte
Endotoxinschock
Protektion
Wainwright [45]
Kaninchen
Endotoxinschock
Protektion
Alpert [1a]
»Endotoxin-neutralizing protein« (ENP) Spezies
Modell
Effekt
Quelle
6
Ratte
Endotoxinschock E.-coli-Sepsis
Protektion Protektion
Fletcher [11] Kuppermann [20]
7
Ratte
Endotoxinschock
Protektion
Wainwright [45]
Kaninchen
Endotoxinschock E.-coli-Peritonitis
Protektion Endotoxin + TNF vermindert
Garcia [12] Garcia [13]
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trolltieren zwar eine signifikante Verminderung der Endotoxinämie und TNF-α-Spiegel nach 60 min, nicht jedoch eine komplette Elimination von LPS-Aktivität nachweisbar war; bei der Applikation von ENP 30 min nach Endotoxin waren die Endotoxinspiegel unbeeinflusst. Der kritische Zeitablauf bei einer therapeutischen Intervention mit ENP legt einen überwiegend prophylaktischen Einsatz auch dieses endotoxinbindenden Proteins nahe, d. h. bei Beginn einer Bakteriämie oder vor der Applikation von Antibiotika, die erfahrungsgemäß zu einer Freisetzung großer Endotoxinmengen führen kann. Studien beim Menschen liegen derzeit noch nicht vor.
Endotoxinantikörper Natürlich erworbene Antikörper können gegen Epitope aller 3 Strukturdomänen von LPS gerichtet sein. Im Allgemeinen sind Antikörper, die gegen die phylogenetisch heterogenen O-Polysaccharidketten gerichtet sind, Spezies- und Serotypspezifisch, während Antikörper, die die mehr konservierten Epitope der Coreregion oder Lipid A erkennen, mit Endotoxinen phylogenetisch unterschiedlicher Bakterien breit kreuzreagieren.
Anti-O-Ketten-Antikörper Polyklonale und monoklonale Antikörper, die gegen Determinanten der O-spezifischen Kette gerichtet sind, sind in Endotoxin- und Infektionsmodellen hoch protektiv. ImHinblick auf die große strukturelle Variabilität derjenigen pathogenen gramnegativen Bakterien, die in klinischen Situationen eine entscheidende Rolle spielen (E. coli, Klebsiella, Pseudomonas), ist der Einsatz solcher Antiseren, die ausschließlich gegen ein homologes LPS oder einzelne bakterielle Serotypen gerichtet sind, sehr begrenzt und daher auch in der Klinik unüblich. Der Einsatz von polyklonalen Antiseren mit Multispezifität, z. B. in Form gepoolter Immunglobulinpreparationen, wird eingehend in 7 Kap. 9 besprochen. Eine Ausnahme für den Einsatz solcher monospezifischer Anti-O-Ketten-Antikörper ist evtl. die zystische Fibrose zur Prävention einer rezidivierenden Pseudomonasinfektion [7].
Anti-Lipid-A-Antikörper Die Lipid-A-Domäne von LPS erscheint als das logische Ziel für die Generierung protektiver Antikörper aus 2 Gründen: 1) Das Lipid A verschiedenster pathogener gramnegativer Bakterien ist hoch konserviert [51], sodass Anti-Lipid-A-Anti-
199 Therapieoptionen mit endotoxinbindenden Proteinen
körper wahrscheinlich breit kreuzreagieren; 2) Lipid A stellt das toxische Prinzip von LPS dar [32], sodass solche Antikörper mit Wahrscheinlichkeit auch die biologische Aktivität von LPS neutralisieren können. Als monoklonale Anti-Lipid-A-Antikörper verfügbar waren, konnten ihre serologischen Eigenschaften studiert und ihre Zielepitope durch Untersuchungen an Partialstrukturen von LPS, insbesondere an synthetischem Lipid A, charakterisiert werden [3]. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studien können wie folgt zusammengefasst werden: 1. Lipid-A-Antikörper erkennen ausnahmslos die hydrophile Region (phosphorylierte Disaccharide); 2. die Fettsäuren modulieren zwar die Exposition dieser Epitope, sind selbst aber nicht Teil der erkannten Determinanten; 3. Lipid-A-Antikörper kreuzreagieren mit einer Vielzahl von freien Lipid-A-Strukturen von Bakterien, 4. sie können jedoch nicht mit LPS, d. h. mit dem gesamten Endotoxinmolekül, reagieren. Diese fehlende Kreuzreaktivität mit LPS wird in ihrem Mechanismus bisher nicht exakt verstanden, ist aber höchstwahrscheinlich der Grund für die fehlenden protektiven Eigenschaften dieser Antikörper bei der Sepsis. Dennoch wurden 2 unterschiedliche monoklonale Antikörper gegen Lipid A beschrieben, die angeblich Reaktivität mit Lipid A im LPS-Molekül zeigten [Centoxin (HA-1 A) und XMMEN-OE5 (E5)]. Beide Antikörper gehören der IgM-Klasse an und sind nach extensiven Bindungsuntersuchungen und Testungen in Tiermodellsituationen mit widersprüchlichen Ergebnissen bezüglich ihrer protektiven Effekte in klinische Studien bei septischen Patienten eingegangen. Nachdem auch die klinischen Studien keinen protektiven Effekt dieser Antikörper zeigen konnten (s. unten), muss auch aufgrund der oben dargestellten prinzipiellen Vorbehalte gegen die Entwicklung kreuzreaktiver, protektiver Lipid-A-Antikörper diese Gruppe von Antikörpern als wenig aussichtsreich für zukünftige Entwicklungen angesehen werden.
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Kreuzreagierende Anti-Core-Antikörper Wie oben beschrieben, ist die Coreregion verschiedener gramnegativer pathogener Bakterien ebenfalls hoch konserviert, sodass spezifische monoklonale Antikörper gegen diese LPS-Epitope auch eine Kreuzreaktivität erwarten lassen. Durch Immunisierung von Mäusen mit O-Ketten-depletiertem LPS gelang es, breit kreuzreagierende Antikörper gegen die Coreregion von LPS (E. coli, S. enterica und Shigella) zu generieren. Diese Antikörper zeigten auch antiendotoxische Eigenschaften und sind inzwischen auch in vivo als protektiv nachgewiesen [9], sodass bei dem beschriebenen LPSNeutralisationsspektrum auch in klinischen Situationen, wie Sepsis nach Peritonitis und Sepsis nach Translokation von intestinalem LPS und Erregern, mit benefiziellen Effekten dieser monoklonalen Anti-Core-Antikörper gerechnet werden kann.
Therapieoptionen mit Endotoxinantikörpern Die bisher für klinische Therapiestudien eingesetzten, vermeintlich kreuzreagierenden monoklonalen LPS-Antikörper (HA-1 A und E5) haben insgesamt enttäuschende Ergebnisse erbracht, die aber sicherlich nicht auf dieses therapeutische Prinzip, sondern auf die Spezifität bzw. mangelnde Affinität der verwendeten Antikörper zurückzuführen sind. So konnte gezeigt werden, dass der humane monoklonale Antikörper HA-1 A und auch der murine monoklonale Antikörper E5 im Gegensatz zu BPI in vitro weder eine auch nur annähernd vergleichbare Bindungskapazität an LPS noch eine neutralisierende Kapazität in bezug auf die LPS-induzierte TNF-α-Produktion zeigen [26]. Die Suche nach besseren kreuzreaktiven LPS-Antikörpern, die hochaffin an LPS binden und im Gegensatz zu HA-1 A auch die biologische Aktivität von LPS neutralisieren können, war parallel erfolgreich. So konnten in weiten Bereichen kreuzreagierende murine monoklonale Antikörper entwickelt werden, die die Kernregion von E.-coli- und Salmonella-LPS der unterschiedlichen Serotypen erkennen und antiendotoxische Eigenschaften besitzen. Einer dieser Antikörper (WN1-222-5, IgG2a) wurde chimerisiert zu einem humanen IgGl-Antikörper (SDZ 219-800), um die unerwünschten
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Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
Eigenschaften muriner Antikörper, wie Induktion humaner Anti-Maus Antikörper (HAMA) und kurze Halbwertszeit zu reduzieren [9]. Dieser Antikörper inhibiert in vitro den LAL-Assay und die LPS-induzierte Sekretion von Monokinen (TNFα, IL-6) auch in Gegenwart von LBP, sodass einerseits eine hohe Bindungsaffinität für LPS und andererseits eine Inhibition von LPS-Aktivität gezeigt werden konnten. In vivo hemmt SDZ 219800 effektiv die LPS-induzierte Fieberreaktion im Kaninchen und die IL-6- und TNF-α-Antwort auf LPS im Meerschweinchen. Im Endotoxinschock der Maus ist dieser Antikörper protektiv [9]. Untersuchungen am Menschen stehen noch aus.
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Weitere Therapieoptionen zur Neutralisation von Endotoxinen In diesem Kapitel wird überwiegend auf die Bedeutung der endotoxinbindenden Proteine sowie der Endotoxinantikörper bei der Blockierung der LPS-Aktivierung von Zielzellen eingegangen. Am Ende soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch andere Interventionsprinzipien zu einer Blockierung der Endotoxin-Toxizität führen können:
Monoklonale Antikörper gegen CD14 und LBP Es wurde kürzlich gezeigt, dass monoklonale Antikörper gegen CD14 (3C10 und 60b) in der Lage sind, LBP/LPS-vermittelte Effekte wie die TNF-αProduktion von Monozyten und die LPS-induzierte Protein-Tyrosin-Phosphorylierung von Makrophagen dosisabhängig zu inhibieren [47]. Blockierende Antikörper gegen sCD14 und mCD14 könnten also evtl. therapeutisch interessant werden, da auf diesem Wege sowohl die LPS-Aktivierung CD14-positiver als auch CD14-negativer Zielzellen gehemmt werden könnte. Auch monoklonale Antikörper gegen LBP, die die Bildung von LBP/ LPS-Komplexen oder die Bindung dieser Komplexe an mCD14 inhibieren können, sind in der Entwicklung.
Endotoxinantagonisten Ein synthetisches tetrazykliertes Lipid A (Precursor Ia, Präparat 406) ist hinsichtlich der Indukti-
on von Mediatoren selbst nicht aktiv, kann jedoch dosisabhängig die LPS-induzierte Freisetzung von Mediatoren hemmen [23]. Die hemmende Wirkung dieses Endotoxinantagonisten wird durch eine Blockierung der Endotoxinbindung an Monozyten/Makrophagen vermittelt, sodass z. B. das synthetische Präparat 406 therapeutische Potenz bei der Sepsis haben könnte. In ersten Tiermodellen der Sepsis konnte in der Tat auch eine protektive Wirkung mit dem Präparat 406 gezeigt werden. Untersuchungen im humanen System in vivo liegen derzeit noch nicht vor, erscheinen aber aussichtsreich, da zumindest in humanen Zellkulturen Präparat 406 keine intrinsische Aktivität zeigt, andererseits die biologischen Endotoxinwirkungen aber hemmt. Ein besonders viel versprechender Antagonist ist das sog. E 5531, ein neues synthetisches Derivat des nichttoxischen Lipid A von Rhodobacter capsulatus, das in vitro die Zellaktivierung durch verschiedene Endotoxine in unterschiedlichen Zellsystemen antagonisieren kann. In vivo in der Maus kann E 5531 die LPS-induzierte Letalität reduzieren und bei E.-coli-Infektionen in Kombination mit Antibiotika eine schützende Wirkung entfalten [6]. Bei Untersuchungen an gesunden Freiwilligen konnte E 5531 dosisabhängig die Endotoxin-induzierten Beschwerden wie Fieber,Übelkeit, Kopfschmerz und Myalgien verringern [4] sowie die endogene TNF-α und IL-6-Antwort signifikant reduzieren [5]. Inzwischen sind auch klinische Phase-I/II-Studien mit E 5531 bei Patienten mit Sepsis begonnen worden.
Fazit für die Praxis Bei der zentralen Bedeutung, die Endotoxine am Beginn der pathophysiologischen Kaskade bei Sepsis und anderen Schockformen spielen, erscheinen therapeutische Interventionen Erfolg versprechend, die zu einer Neutralisation von LPS oder einer Blockierung der LPS-Aktivierung von Zielzellen führen. Der Einsatz der oben vorgestellten endotoxinbindenden Proteine kann sicherlich Teil eines solchen Konzeptes sein.
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201 Anhang
! Mit der Verfügbarkeit von rekombinantem Ma-
terial ist eine wesentliche Vorbedingung für eine standardisierte klinische Therapie gegeben. Die bisher verfügbaren In-vitro-Daten und tierexperimentellen Befunden zeigen, dass die endotoxinbindenden Proteine einerseits wahrscheinlich Teil der autoregulativen Begrenzung einer überschießenden Entzündungsreaktion der Organismen auf große Mengen von LPS sind, andererseits die exogene Zufuhr dieser Proteine zusätzlich protektiv sein kann.
Um die Therapieoptionen mit endotoxinbindenden Proteinen in der komplexen klinischen Situation einer Sepsis abschätzen zu können, sind jedoch weitere, insbesondere auch präklinische Untersuchungen im humanen System unbedingt erforderlich. Diese müssen nicht nur die Verträglichkeit und potentiell toxische Effekte im humanen
System klären, sondern auch wegen des schmalen »therapeutischen Fensters« dieser Substanzgruppe die optimalen Interventionszeitpunkte definieren. Die Vorarbeiten für den Einsatz von BPI und ENP sind diesbezüglich bisher am weitesten fortgeschritten. Die Entwicklung kreuzreaktiver Antikörper gegen die Kernregion von LPS, die bei hoher Bindungsaffinität auch LPS-neutralisierende Kapazität aufweisen, zeigt derzeit viel versprechende Ansätze und muss weiter verfolgt werden. Die Therapieoptionen mit endotoxinbindenden Proteinen und Endotoxinantikörpern können aber sicher nur Teil von Kombinationsstrategien bei der Sepsis sein, da sich das potentielle Wirkungsspektrum nur auf die prophylaktische Gabe zur Neutralisation rezidivierender Endotoxinämien bezieht und die bereits aktivierte Mediatorkaskade naturgemäß nicht beeinflussen kann.
Anhang . Tabelle 8-3. Evidenz von Therapieverfahren Therapieverfahren
Pathophysiologisch plausibel
Therapeutischer Nutzen in tierexperimentellen Studien
Klinische Studien (Phase)
Klassifizierung
Endotoxinbindende Proteine + 5 rLBP25
+
nein
T1,2
5 sCD14
–
nein
nein
T0
5 BPI
+
+
I/II (begonnen)
T1,2
5 ENP
+
+
nein
T1,2
Endotoxin-Antikörper gegen + 5 O-Kette
+
Zystische Fibrose [7]
T1,2
5 Lipid A
+/–
+/–
III (kein Benefit)
T0–T1, [2, 3]
5 Core
+
+
nein
T1,2
Endotoxin-Antagonisten + 5 406
+
nein
T1,2
5 E5531
+
I/II
T1,2
+
Klassifizierung T0: weder tierexperimentelle noch klinische Hinweise auf günstigen therapeutischen Effekt; T1: günstiger Effekt in tierexperimentellen Studien; T2: günstiger Effekt pathophysiologisch plausibel, keine klinischen Studien; T3: günstiger Effekt in Beobachtungen an Fallstudien; T4: günstiger Effekt in unkontrollierten klinischen Beobachtungsstudien; T5: günstiger Effekt in kontrollierten klinischen Beobachtungsstudien.
202
Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
Glossar
1 Endotoxin (LPS, Lipopolysaccharid)
Integraler Bestandteil der äußeren Membran gramnegativer Bakterien; besteht aus einem Lipidanteil (Lipid A) und einem Polysaccharidanteil (Kernregion und O-spezifische Kette)
Lipid A
Hydrophober Anteil des LPS-Moleküls; besteht aus einem 2fach phosphorylierten Hexosamindisaccharid, das über Ester- und Amidbindungen 4-6 β-Hydroxyfettsäuren unterschiedlicher Länge trägt.
4
O-spezifische Kette
Äußerst variabler Polysaccharidanteil des LPS gramnegativer Bakterien; definiert die verschiedenen bakteriellen Serotypen.
5
Kernregion (Core)
Weitgehend konservierter Anteil des Polysaccharidanteils von LPS gramnegativer Bakterien.
6
CD14
Zellulärer LPS-Rezeptor (mCD14) auf CD14-positiven Zellen (z. B. Monozyten/Makrophagen), der den LPS/LBP Komplex bindet und über den »Toll-like«-Rezeptor 4 zu einer Zellaktivierung führt. Membranständiges CD14 wird durch »shedding« von der Zelloberfläche zu löslichem CD14 (sCDl4).
LBP (LPS binding protein)
LPS wird im Serum durch LBP hochaffin gebunden und als LPS/LBP-Komplex an CD14 (mCD14 oder sCD14) gebunden. LBP wird als Akutphase-Protein von Hepatozyten gebildet.
BPI (Bactericidal/permeability increasing protein)
Ein kationisches Protein aus den azurophilen Granula neutrophiler Granulozyten mit antimikrobieller Aktivität gegenüber gramnegativen Bakterien und hochaffiner Bindung von LPS. BPI kann LPS neutralisieren und weist eine hohe Sequenzhomologie mit LBP auf.
ENP (Endotoxinneutralizing protein)
ENP ist ein Protein aus den Amöbozyten von Limulus polyphemus, das hochaffin an LPS bindet und Anti-LPS-Aktivität aufweist.
LAL-Assay
Der Limulus-Polyphemus-Amöbozyt-Lysat- (LAL-)Assay dient zum sensitiven Nachweis von LPS in Flüssigkeiten und beruht auf der Eigenschaft von LPS, sehr effektiv die Amöbozyten von Limulus polyphemus zu lysieren.
Endotoxinantagonisten
Synthetisch tetraacyliertes Lipid A (Precursor Ia, Präparat 406) sowie Anologa der Lipid-A-Struktur von Rhodobacter capsulatus (E5531), die hochaffin an CD14 binden, aber keine endotoxische Aktivität entfalten, sodass sie in vitro und in vivo die Endotoxinaktivierung von Zielzellen antagonisieren können.
»Toll-like«-Rezeptoren
»Toll-like«-Rezeptoren (TLR) und andere sog. »Pattern-recognition»-Rezeptoren (PRR) sind Schlüsselmoleküle an der Zelloberfläche, die der Interaktion zwischen mikrobiellen Fremdstrukturen – wie LPS, Peptidoglykane und bakterielle Oligonukleotide (CpG-Motive) – und dem angeborenen Immunsystem dienen (weitere Erläuterungen s. Text und auch 7 Kap. 2).
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203 Literatur
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Kapitel 8 · Endotoxinbindende Proteine, Antiendotoxinantikörper
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9 Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes K. Werdan
Mögliche Gründe für den Einsatz von Immunglobulinen bei Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS – 208 Immunglobuline: mögliche Wirkmechanismen bei Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS – 208 Welches Immunglobulin?
– 212
Dosierung und Pharmakokinetik
– 214
Intravenös verabreichte lmmunglobuline: Mit welchen Nebenwirkungen muss gerechnet werden, und wie lassen sie sich minimieren? – 220 Adjunktive Immunglobulintherapie bei Sepsispatienten und Immunglobulinprophylaxe bei sepsisgefährdeten Intensivpatienten – Welche Behandlungserfolge können wir erwarten? – 223 Adjunktive Immunglobulintherapie im Sepsisgesamtkollektiv Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven
– 223 – 229
Infektions- und Sepsisprophylaxe mit Immunglobulinen bei Intensivpatienten – günstiger Einfluss auf die Morbidität von definierten Risikopatienten und Risikosituationen – 235 Ig-Prophylaxe und -Therapie bei kritisch kranken Herzpatienten
– 238
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Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
Immunglobuline bei schwerer Sepsis und septischem Schock – Fazit für die Praxis – 240
2 Literatur
– 244
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Mögliche Gründe für den Einsatz von Immunglobulinen bei Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS
(7 Kap. 4 und 10), so überzeugen die Ergebnisse mit Immunglobulin umso mehr.
In dem offiziellen Indikationskatalog zur Prophylaxe und Therapie mit Immunglobulinen fehlen Sepsis, MODS und SIRS (NIH Consensus Conference 1990; Heiken & Schmidt 2003; Lee et al. 1997). Diese Stellungnahme hat insofern ihre Berechtigung, als bisher eine Letalitätssenkung durch Immunglobulingabe für das Gesamtkollektiv »des Patienten mit Sepsis«, »des Patienten mit MODS« und »des Patienten mit eskalierendem SIRS« nicht dokumentiert oder sogar bereits weitgehend ausgeschlossen worden ist. Dieses Schicksal teilen die Immunglobuline mit allen anderen, bisher getesteten antiinflammatorischen Therapieprinzipien zur Unterdrückung des Toxin-/Mediator-Netzwerks bei diesen Erkrankungen (7 Kap. 4 und 10). Doch dies ist nur die halbe Wahrheit: Wenn wir die »Magic-bullet«-Suche (R. C. Bone) verlassen und uns bescheideneren, aber damit auch realistischeren und erfolgversprechenderen Therapiezielen zuwenden, dann können wir durchaus positive, den Kriterien der Ergebnisforschung (Werdan 2001) standhaltende Therapieeffekte der Immunglobulingabe bei bestimmten Risikogruppen und in bestimmten Risikosituationen innerhalb der komplexen Konstellationen »Sepsis«, »MODS« und »eskalierendes SIRS« feststellen. Wir sollten die erzielbaren Erfolge auch nicht gering einschätzen: die Halbierung der Pneumonierate und die Verkürzung des Intensivstationsaufenthaltes um 2 Tage und die des Krankenhausaufenthaltes um 7,5 Tage (s. unten) sind durchaus erstrebenswerte Therapieziele bei der Behandlung unserer Intensivpatienten. Legen wir dieselben strengen Maßstäbe auch an andere Sepsistherapieprinzipien an
Immunglobuline: mögliche Wirkmechanismen bei Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS Von den zahlreichen Funktionen der Immunglobulin-Familie (Reitan & Hannestad 2001, Teeling et al. 2001; Wahn 2000; Kazatchkine & Kaveri 2001; Samuelsson et al. 2001) dürften v. a. die in . Übersicht 9-1 aufgeführten IgG- und IgM-Mechanismen bei der Therapie von Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS von Bedeutung sein. Welche allerdings tatsächlich die entscheidende Rolle spielen, ist derzeit noch nicht zu entscheiden: . Übersicht 9-1.
Immunglobuline – mögliche Wirkmechanismen bei Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS 1. Neutralisierung von Endotoxinen (Schedel et al. 1991; Pollack 1983; Behre et al. 1992, 1995; Trautmann et al. 1998), Exotoninen (Collins et al. 1989, Dickgießer u. Kustermann 1986; Lissner et al. 1999; Müller et al. 1989; Norrby-Teglund et al. 2000; Pollack 1983) und weiteren Bakterienwandbestandteilen (Hellman et al. 2000). 2. beschleunigte LPS-Clearance (Koch et al. 1997) und gesteigerte LPS-Aufnahme in Leber und Milz (Nys et al. 1999b); 3. Verminderung der bakteriellen Zelladhärenz (Fluckiger et al. 1998), Zellinvasion (Fluckiger et al. 1998) und Organbesiedlung (Koch et al. 1997) 6
209 Immunglobuline: mögliche Wirkmechanismen bei Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS
4. Steigerung der Phagozytosekapazität und der Produktion reaktiver O2-Verbindungen der neutrophilen Granulozyten von Patienten mit gramnegativer Sepsis einerseits (Wenisch et al. 1999) und in tierexperimentellen Sepsismodellen andererseits (Koch et al. 1997); 5. Steigerung der Serumbakterizidie durch Steigerung der Opsonierung (Hill u. Bathras 1986; Marodi et al. 1989; Garbett et al. 1989; Christensen et al. 1991); 6. Zytokinwirkungen durch Zytokingehalte der Immunglobulinpräparate (Kekow et al. 1998; Van Schalk et al. 1998); 7. Interferenz mit der Komplementkaskade (Mollnes et al. 1997; Rieben et al. 1999); 8. synergistische Wirkung mit Acylureidpenicillinen (Dalhoff 1984, 1985); 9. Zytokinneutralisierung durch den Gehalt an Antizytokinautoantikörpern und unspezifische Carrierfunktion der Immunglobulinpräparate (Menezes et al. 1997); 10. Beeinflussung der Freisetzung von Zytokinen und Zytokinantagonisten aus endotoxin- und superantigenaktivierten mononukleären Blutzellen (Andersson et al. 1996; Kaul et al. 1999; Menezes et al. 1997): Pro-Inflammation ↓ Anti-Inflammation ↑ 11. Neutralisierung bakterieller Mitogenität (Kaul et al. 1999)
Zu 1) Nichtüberlebende Sepsispatienten haben höhere zirkulierende Endotoxinspiegel und niedrigere IgG-Lipid A- und Re-LPS (Lipopolysaccharid, Endotoxin)-Antikörper als Überlebende; ein Abfall des zirkulierenden Endotoxins korreliert mit dem Überleben (Schedel et al.1991; Behre et al. 1992,1995). Die Zufuhr von Antiendotoxinantikörpern erscheint deshalb prognostisch sinnvoll: Beide, i.v.-IgG- und i.v.-IgGMA-Präparate, enthalten Antikörper gegen Endotoxin (. Tabelle 91), sowohl IgG-Antikörper als auch IgM-Antikörper; im IgGMA-Präparat Pentaglobin liegen die
9
LPS-spezifischen Antikörper in dem IgM-Anteil in 3,9 bis 21fach höherer Konzentration vor als in dem IgG-Anteil (gemessen als µg/g IgG bzw. IgM; Trautmann et al. 1998). Die Antikörperspezifität richtet sich überwiegend gegen O-SeitenkettenEpitope. Antikörper gegen raues Mutanten-LPS fanden sich nur in der IgG-, nicht aber in der IgMFraktion (Trautmann et al. 1998). Durch Gabe von i.v.-Präparaten lassen sich transiente, mehrere Tage anhaltende Anstiege von IgG- und IgM-Antikörpern (Lipid A, Re-LPS) bei Sepsispatienten nachweisen (Schedel et al. 1991; Behre et al. 1992; Behre et al. 1995). Immunglobulinpräparate enthalten auch Antikörper gegen Exotoxine, so z. B. gegen das Pseudomasexotoxin S (Pollack 1983; Müller et al. 1989), das ToxischeSchock-Syndrom-Toxin 1 (Dickgießer u. Kustermann 1986; Dickgießer u. Düzgün 1988) sowie das Streptokokken-Pyrogenes-Exotoxin A (SpeA) (Norrby-Teglund et al. 2000). SpeA-Antikörper finden sich in höherem Maße in IgM- und IgA- als in IgG-Fraktionen (Norrby-Teglund et al. 2000). Zu 2) Tierexperimentell führt die IgG-Gabe bei
mit E. coli infizierten, endotoxämischen Kaninchen zu einer beschleunigten Endotoxinclearance und einer geringeren bakteriellen Besiedlung von Lungen und Nieren, korrelierend mit einer erhöhten oxidativen Burstaktivität der neutrophilen Granulozyten (Koch et al. 1997). In der Ratte steigern sowohl polyvalentes humanes IgG als auch Anti-LPS-IgG-Antikörper die spezifische Bindung von LPS in Leber und Milz; die Aufnahme in Nieren, Herz (sehr geringe Aufnahme) und Lungen wird dagegen nicht signifikant beeinflusst (Nys et al. 1999b). Wesentlich für die immunglobulinvermittelte Steigerung der hepatischen Clearance von Bakterien und LPS dürfte die Stimulation der Phagozytoseaktivität der Kupffer-Zellen sein, wie es für die IgG-Gabe in Ratten sowohl nach Coecumligatur als auch nach LPS-Injektion nachgewiesen worden ist (Ito et al. 2000). Zu 4) Neutrophile Granulozyten von Patienten mit gramnegativer Sepsis haben eine verminderte Exvivo-Aktivität hinsichtlich der Phagozytosekapazität (–58 %) und der Produktion reaktiver O2-Verbindungen (–68 %) (Wenisch et al. 1999). Sowohl
210
1
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
. Tabelle 9-1. Lipopolysaccharid (LPS-) spezifische IgG- und IgM-Antikörper in kommerziellen i.v.-Immunglobulinpräparaten.
2 3
Spezifischer LPS-Antikörper-Gehalt E.coli O1 (µg/ ml)
E. coli J5 (µg/ ml)
Kleb. O1 (µg/ ml)
Ps. FD 1 (µg/ ml)
Vibrio cholerae (µg/ ml)
19,8 7,8
<0,2 <1,4
9,5 8,7
2,7 6,9
<0,2 <1,4
44,2
9,9
<0,2
16,6
8,3
<0,2
14113092
48,2
17,9
<0,2
16,3
0,6
<0,2
Sandoglobin
12001
41,0
27,2
<0,2
16,6
8,3
<0,2
Sandoglobin
5201
43,0
15,5
<0,2
6,9
6,1
<0,2
Polyglobin N
1702792
51,4
26,1
<0,2
20,5
12,6
<0,2
Polyglobin N
AADU 1
50,4
32,6
0,2
23,7
12,2
<0,2
Produkt
Chargen-Nr.
Gesamt IgG (mg/ ml)
Gesamt IgM (mg/ ml)
Pentaglobin
1461102 IgG IgM
38,2
7,5
Intraglobin F
1412101
Intraglobin F
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Pentaglobin: enthält IgG, IgM und IgA; alle anderen Produkte enthalten IgG. E. coli 01, J5 Escherichia coli O1, J5; Kleb O1 Klebsiella pneumoniae O1; Ps. FD1 Pseudomonas aeruginosa Fisher-Devlin Immunotyp 1. (Auszugsweise nach Trautmann et al. 1998)
7S- (IgG, Intraglobin, Fa. Biotest) als auch 19S-i.v.Immunglobuline (IgGMA, Pentaglobin, Fa. Biotest) verbessern diese beiden wichtigen Neutrophilenfunktionen ex vivo bei Ig-Konzentrationen von 10 g/l um 56 % (IgG) und 126 % (IgGMA) für die Phagozytoseleistung sowie um 153 % (IgG) und 211 % (IGMA) hinsichtlich der Produktion reaktiver O2-Verbindungen; bei einer Ig-Konzentration von 20 g/l lagen die Werte bei 126 % und 165 % sowie bei 20 % und 282 % (Wenisch et al. 1999). Die Wirkungen sind sicherlich zur Infektabwehr primär als günstig anzusehen; eine überschießende Produktion reaktiver O2-Verbindungen könnte sich allerdings auch ungünstig auswirken. Neutrophile Granulozyten Frühgeborener (früher geboren als 32. Schwangerschaftswoche) scheinen dagegen durch Immunglobuline nicht zur erhöhten Phagozytoseaktivität stimuliert werden zu können (Bialek u. Bartmann 1998). Zu 5) Sowohl das 7S-IgG-Präparat Sandoglobu-
lin als auch das IgM-haltige Präparat Pentaglobin verbessern in panhypogammaglobulinämischem Humanserum die Opsonierungsfähigkeit; dabei
opsoniert das IgG-Präparat besser Hämophilus influenzae, während das IgM-haltige Präparat eine bessere Opsonierungswirkung auf Pseudomonas aeruginosa, E. coli und Klebsiella pneumoniae hat (Garbett et al 1989). Allerdings gibt es auch Opsonisierungsuntersuchungen mit i.v.-IgG und i.v.IgGMA im Serum von Erwachsenen und Frühgeborenen mit negativen Ergebnissen (Bialek u. Bartmann 1998). Zu 6) Immunglobulinpräparate können Zytoki-
ne enthalten, die nach Infusion beim Patienten zu einem messbaren Anstieg der entsprechenden Plasmaspiegelkonzentrationen führen können: so kann in Immunglobulinpräparaten das Zytokin »transforming growth factor« (TGF) in substantieller, aber variabler Menge vorhanden sein und daraus nach Ig-Infusion ein Anstieg der TGFPlasmakonzentration beim Patienten resultieren (Kekow et al. 1998; van Schaik et al. 1998). Ob dies tatsächlich zur therapeutischen Wirkung der Immunglobulingabe beiträgt oder zu Nebenwirkungen führen kann, ist derzeit nicht geklärt.
211 Immunglobuline: mögliche Wirkmechanismen bei Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS
Zu 7) Die in der Sepsis nachweisbare Komplementaktivierung ist zur Infektabwehr notwendig, eine überschießende, aber auch eine sich erschöpfende Komplementaktivierung birgt für den Patienten Gefahren (Fischer et al. 1997), IgG verursacht in vitro eine milde Komplementaktivierung, welche sich in vivo durch eine Verschiebung der Ablagerung von Komplementfaktoren weg von Kontaktoberflächen hin zu den Immunglobulinen in der Zirkulation eher günstig auswirken soll. Zumindest beeinträchtigen hohe Immunglobulindosen die Komplement-Bakterien-Interaktion nicht (Wagner et al. 1998). Vor allem IgM, weniger IgG und überhaupt nicht IgA, können die Komplementfaktoren C3b und C4b und in geringerem Maße auch C1q binden und damit die inflammatorische Wirkung der Komplementaktivierung abschwächen (Martin 2001; Rieben et al. 1999; Wassmuth et al. 2001). Die klinische Relevanz all dieser Komplement-Immunglobulin-Interaktionen ist derzeit für die Sepsis noch völlig unklar. Zu 8) Im Tierexperiment lässt sich eine synergistische Wirkung von IgG mit Acylureidopenicillinen nachweisen: i.v.-IgG enthalten Antilaktamaseantikörper (Dalhoff 1984) und sensibilisieren gramnegative Bakterien für die Antibiose durch Schädigung der bakteriellen Zellmembran (Dalhoff 1985). Ähnlich günstige Effekte ergeben sich für die Kombination von Immunglobulinen und Ciprofloxacin (Collins et al. 1987). Zu 9) Die biologische In-vitro-Wirkung »Zytotoxizität« von rekombinantem Tumornekrosefaktor α lässt sich durch Gabe von intaktem IgG und – noch ausgeprägter – von IgG-F(ab)′2-Fragmenten hemmen; die biologische In-vitro-Wirkung »Proliferation« von Interleukin-2 wird durch intaktes IgG in vergleichbarem Maße wie durch Humanalbumin und in verstärktem Maße durch IgGF(ab)′2-Fragmente gehemmt (Menezes et al. 1997). Die Autoren interpretieren diese Befunde als die Wirkung von – zum einen – Antizytokinautoantikörpern und – zum anderen – als unspezifische, dem Albumin vergleichbare Carrierwirkung des Immunglobulinmoleküls. Die Antizytokinautoantikörperwirkung ist dabei wahrscheinlich an die variable Region des Immunglobulinmoleküls
9
gebunden, was die stärkere Wirkung des F(ab)′2Fragmentes im Vergleich zum intakten Immunglobulinmolekül erklären könnte (Menezes et al. 1997) (. Übersicht 9-2). . Übersicht 9-2.
Wirkung von Immunglobulinen auf die Zytokinfreisetzung von Mediatorzellen 5 Hemmung der LPS-induzierten Synthese von IL-6 in humanen mononukleären Blutzellen (Andersson und Andersson 1990). 5 Bildung von IL-1-Rezeptorantagonist (IL-1ra) in humanen mononukleären Blutzellen (Poutsiaka et al. 1991) 5 Hemmung der Produktion von IL-2, IL-10, TNF-β, IFN-γ, IL-2R in humanen T-Lymphozyten (Andersson et al. 1993) 5 Hemmung der SPA-induzierten Produktion von IFN-γ und TNF-β in humanen mononukleären Zellen (Skanen-Saphir et al. 1994) 5 Posttranskriptionelle Verstärkungen der IFN-γ; LPS-induzierten TNF-Freisetzung in humanen mononukleären Phagozyten (Darville et al. 1994).
Zu 10) Die Beeinflussung der Zytokinfreisetzung
aktivierter Mediatorzellen zeigt exemplarisch das Experiment in . Abb. 9-1: Mit Lipopolysaccharid in vitro stimulierte Humanmonozyten produzieren Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor-α; der Anteil IL-6-produzierender Zellen wird konzentrationsabhängig durch klinisch relevante Konzentrationen eines polyvalenten ImmunglobulinG-Präparates gehemmt; dagegen bleibt der Anteil der Zellen, die Tumornekrosefaktor-α produzieren, unverändert. Aufbauend auf diesen experimentellen Befunden konnten in den vergangenen Jahren weitere Hinweise für die Wirkung von Immunglobulinen auf die Zytokinfreisetzung von Mediatorzellen erbracht werden. Besonders interessant erscheinen in diesem Zusammenhang Befunde von Skansén-Saphir et al. (1994) sowie Andersson et al. (1996), welche Hinweise für eine mögliche Immunglobulinwirkung auch bei durch grampositive Keime hervor-
212
1
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
80 70
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Zytokin-produzierende Monozyten [%]
3
60
LPS LPS + IVIg 0,6 mg/ml LPS + IVIg 6 mg/ml LPS + IVIg 12 mg/ml
50 40 30
IL-6
20 10 0 80 70
! Es bereitet keine Schwierigkeiten, in geeigne-
60 50 40
TNF-α
30 20 10 0 . Abb. 9-1. Hemmung der Lipopolysaccharid (LPS)-induzierten Zytokinproduktion von Humanmonozyten durch intravenös applizierbares polyvalentes Immunglobulin G. Erläuterungen s. Text. (Aus Andersson et al. 1996)
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Die in der . Übersicht 9-2 aufgeführten Ergebnisse weisen auf ein immunmodulatorisches Potential des i.v.-IgG hinsichtlich der zellulären Zytokinfreisetzung nicht nur bei gramnegativen, sondern auch bei grampositiven Infektionen hin. Berücksichtigt man weiterhin, dass Sepsis und systematisches Inflammationsreaktionssyndrom (SIRS) nichtinfektiöser Genese ein gemeinsames Mediator-/Zytokinnetzwerk haben (7 Kap. 2), so könnte dies den Einsatz von i.v.-Ig nicht nur bei Sepsis, sondern auch bei MODS und eskalierendem SIRS attraktiv erscheinen lassen (s. unten).
gerufener Sepsis aufzeigen.Diese Effekte sind hinsichtlich der Wirkung von Superantigenen (Heeg 1996) bei grampositiven Infektionen interessant. So wird das pyrogene Exotoxin A von Streptokokken der Gruppe A gebildet und besitzt bei Scharlach und beim Toxic-shock-Syndrom als pathogenes Agens Bedeutung: Pyrogenes Exotoxin A stimuliert unter Umgehung der Kontrollmechanismen Humanlymphozyten zu einer extremen Zytokinproduktion in vitro. Durch die vorherige Gabe eines i.v.-IgG-Präparats kann die Freisetzung von Interferon-γ und TNF-β dabei spezifisch gehemmt werden (Skansén-Saphir et al. 1994). Diese Wirkung ist selbst dann noch vorhanden, wenn das i.v.-IgG erst 24 h nach dem Toxin den Zellen zugesetzt wird (Skansén-Saphir et al. 1994). Intravenös verabreichtes IgG kann nicht nur die zelluläre Zytokinsekretion modifizieren, es kann auch die Freisetzung des Interleukin-l-Rezeptorantagonisten (IL-lra) stimulieren (Poutsiaka et al. 1991).
ten Infektions- bzw. Sepsistiermodellen und im Zellkulturexperiment die Wirksamkeit von polyvalenten IgG- und IgGMA-Präparaten sowie von Pseudomonas- und Staphylokokken-α-Toxin-Hyperimmunglobulin nachzuweisen (Collins et al. 1989; Hector et al. 1989; Müller-Werdan et al. 1997; Oesser et al. 1999; Pennington u. Pier 1987; Viell u. Vestweber 1984; Werdan et al. 1989; Collins et al. 1987; Nys et al. 1999a). Es muss jedoch nicht eigens betont werden, dass günstige Effekte im Tierexperiment nicht ohne weiteres auf die klinische Situation übertragbar sind.
Welches Immunglobulin? Zur Prophylaxe und Therapie schwerer Infektionen und der Sepsis stehen dem Therapeuten 5SIgG-, 7S-IgG- und ein IgM-haltiges Immunglobulinpräparat zur i.v.-Applikation zur Verfügung (Wick et al. 1996): 5 5S-IgG-Präparate (»Immunglobulinpräparation vom Menschen«) sind enzymatisch gespaltene IgG-Moleküle, die im Wesentlichen aus bivalenten F(ab)′2-Fragmenten bestehen, mit einer Sedimentationskonstante von 5 S. Durch die Entfernung des Fc-Anteils fehlen 5S-Präparaten eine Reihe unspezifischer, jedoch biologisch sehr wichtiger Funktionen (. Übersicht 9-3). Darüber hinaus haben 5S-IgG-Präparate nur eine sehr kurze Halbwertszeit von 11-18 h, während diese bei intakten IgG-Molekülen (7S-IgG) 11–22 Tage beträgt.
213 Welches Immunglobulin?
5 7S-IgG-Präparate (»Immunglobulin vom
Menschen«) besitzen infolge ihrer während der Herstellung nicht grob veränderten Molekülstruktur alle Funktionen des IgG-Moleküls und eine Halbwertszeit von 11–22 Tagen. Die Qualitätsanforderungen an intravenöse 7SImmunglobulinpräparate sind in . Übersicht 9-4 aufgeführt. 5 Das IgM-haltige Imnutnglobulinpräparat Pentaglobin enthält pro 100 ml 0,6 g IgM, 3,8 g IgG und 0,6 g IgA. . Übersicht 9-3.
Biologische-Aktivität der IgG-Fragmente. Fc-Fragment 5 Komplementbindung, 5 Plazentapassage, 5 Gewebsfixierung, 5 Verteilung im Gewebe bzw. in Gewebsflüssigkeiten, 5 Bindung von Monozyten, 5 Halbwertszeit. F(ab)2-Fragment 5 Bivalente Antikörper, 5 Präzipitation, Agglutination, 5 keine Hautfixation, 5 Komplementaktivierung auf dem alternativen Weg. Fab-Fragment 5 Antikörperspezifität: besitzt eine Antigenbindungsstelle (monovalenter Antikörper), 5 keine Präzipitation oder Agglutination, 5 blockiert Antigen-Antikörper-Reaktion
Für die unterschiedlich hergestellten polyvalenten Ig-Präparate (IgG vs. IgGMA; 7s-IgG vs. 5S-IgG) können durchaus Vor- und Nachteile beim Einsatz zur Prophylaxe und Therapie schwerer Infektionen und der Sepsis ins Spiel gebracht werden. Aufgrund der geschilderten Nachteile der 5S-IgGPräparate sind bei diesen Indikationen 7S-IgGPräparate den 5S-IgG-Präparaten eindeutig vorzuziehen. Die mit einem bestimmten IgG-Präparat erhaltenen Ergebnisse können wahrscheinlich nicht ohne weiteres auf die eines anderen übertragen werden.
. Übersicht 9-4.
Qualitätsanforderungen an intravenöse 7S-Immunglobuline. (In Anlehnung an Wahn 2000, Wick et al. 1996) Wirksamkeit 5 Optimale Antikörperkonzentration und Mannigfaltigkeit (>1000 Blutspender). Das Antikörperspektrum soll dem der Bevölkerung entsprechen und die Spenderherkunft bekannt sein; 5 Nachweis der Wirksamkeit anhand klinischer Studien; 5 so unmodifiziert wie möglich; Fc-Funktion normaler Immunglobuline erhalten; 5 definierte, plasmaähnliche IgG-Subklassenverteilung (Normbereich der Plasma-IgG-Werte des Erwachsenen (g/l: IgG1: 4,22–12,92; IgG2: 1,17–7,47; IgG3: 0,41–1,29; IgG4: 0,01–2,91); 5 Anreicherung der Antikörpertiter (mindestens 1 viraler und 1 bakterieller mit verfügbarem internationalen Standard) um den Faktor 3 gegenüber dem Ausgangspool bei 5 % IgG-Präparaten Verträglichkeit 5 Hoher Gehalt an monomeren IgG-Molekülen (>90 % des IgG-Anteils); 5 geringster Makroaggregatanteil (Polymere und Aggregate maximal 3 % des Gesamtproteins) 5 nur geringer Dimeranteil (<12 % des IgG-Anteils); IgG-Monomere und -Dimere mindestens 90 % 5 mindestens 95 % des Gesamtproteins Immunglobulin (außer bei Albuminstabilisierung); Begleitproteine unter 2 %, außer der Albuminkonzentration bei albuminstabilisierten Präparaten; kein α2-Makroglobulin; 5 keine oder nur geringe antikomplementäre Aktivität(<5 CH50/g Protein; <1CH50/ mg IgG); 5 Antikörpertiter gegen AB-Antigen <1,8; Hämagglutinintiter (Anti-A und -B) <1:64; frei von Hämolysinen; 6
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Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
5 frei von Präkallikreinaktivatoren, Kininen, Konservierungsmitteln, aktivierten Enzymen und toxischen Substanzen; 5 kein oder nur sehr wenig IgA-Gehalt bei Anwendung an Patienten mit angeborenem völligen Fehlen von IgA. Bei sekundärem Antikörpermangelsyndrom kann der Gehalt an IgA von Vorteil sein. Sicherheit 5 Ausschluss von Risikogruppen bei Auswahl der Spender; 5 Verfahrensschritte zur Inaktivierung von Viren (z. B. Non-A Non-B). 5 Prüfung auf Sicherheit bezüglich der Infektübertragung; 5 Infektionsübertragung ausgeschlossen.
Im Sepsismodell der Ratte (intraperitoneale E.coli-Injektion) lassen sich durch prophylaktische Gabe des IgM-haltigen i.v.-Immunglobulinpräparats Pentaglobin der Plasmaspiegelanstieg von Endotoxin und Interleukin 6 vermindern sowie die auftretende Hypotension und der Abfall des O2-Partialdrucks im Skelettmuskel der Tiere reduzieren (Oesser et al. 1999). Ein Vergleich mit einem i.v.-IgG-Präparat erfolgte in dieser Studie nicht. Überhaupt sind direkte Vergleichsstudien sepsisrelevanter IgG- und IgM-Effekte sehr spärlich: Bei Mäusen und Ratten erzielten sowohl Anti-LPS-spezifische IgG- als auch IgM-haltige Präparate aus gepooltem Humanserum moderate Letalitätssenkungen bei durch E. coli, nicht aber durch Serratia marcescens oder Klebsiella pneumoniae hervorgerufener Sepsis (Nys et al. 1999a). IgG- und IgGMA-Präparate verminderten in diesen tierexperimentellen Sepsismodellen Hypotension und Gefäßleakage, mit einer stärkeren Wirkung des IgG- als des IgGMA-Präparats (Nys et al. 1999a). Die Blockade der für die Sepsis pathognomonischen überschießenden Komplementaktivierung wird durch IgM wesentlich besser erreicht als durch IgG (Rieben et al. 1999). Klinische Wirksamkeitsvergleiche zwischen IgG und IgGMA-Präparaten wären äußerst wünschenswert: Einerseits wird von einigen Autoren
(Schedel et al. 1991; Behre et al. 1992; Behre et al. 1995; Kress et al.1999) eine besondere Relevanz der IgM-Komponente angenommen; andererseits ist der Kostenaufwand beim Einsatz IgGMA-haltiger Präparate wesentlich höher anzusetzen als bei IgG-Applikationen. Bisher liegt an direkten Vergleichsuntersuchungen lediglich eine kleine, kontrollierte klinische Studie an 27 herzchirurgischen Patienten mit imminenter Sepsis bzw. eskalierendem SIRS vor (Pilz et al. 1997); s. dazu auch den Abschnitt »Risikostratifizierung nach Herzoperationen«): Bei dem randomisierten Vergleich der Therapie mit dem i.v.-IgG-Präparat Polyglobin N und dem i.v.-IgGMA-Präparat Pentaglobin führten beide Regimes zu einem deutlichen Anstieg des Serum-IgG; ein IgM-Anstieg war erwartungsgemäß nur in der IgGMAGruppe zu verzeichnen . Abb. 9-2). Hinsichtlich der Besserung des Krankheitsschweregrades und der Letalität fanden sich in dieser kleinen Studie keine signifikanten Unterschiede bei den mit i.v.-IgG und i.v.-IgGMA behandelten Patientengruppen.
Dosierung und Pharmakokinetik ! Kritisch kranke Intensivpatienten mit Dispositi-
on zu schweren Infektionen, mit Sepsis, MODS oder eskalierendem SIRS, haben häufig IgG- und IgM-Serumspiegel im unteren Normbereich.
Die Suppression einer adäquaten Immunglobulinsekretion der B-Zellen durch Infektionen und Antibiotika könnte dafür verantwortlich sein (Cukrowska et al. 1999). Demzufolge scheint die bei Gesunden unter Stress gesteigerte endogene Immunglobulinsynthese (Maes et al. 1997) bei kritisch Kranken nicht auszureichen, um die Immunglobulinspiegel in den erwünschten hochnormalen Bereich zu bringen. Mit der IgG- bzw. IgGMA-Gabe soll dieses Ziel erreicht und die Ig-Spiegel über mehrere Tage in den hochnormalen bis supranormalen Bereich angehoben werden. Dies lässt sich mit den angegebenen, auf Empirie basierenden Dosierungsempfehlungen (. Tabelle 9-2 s. auch . Übersicht 95) sowohl bei prophylaktischem als auch bei the-
215 Dosierung und Pharmakokinetik
9
. Abb. 9-2. Adjunktive i.v.-Immunglobulintherapie bei Hochrisikopatienten mit eskalierendem SIRS/Sepsis nach elektiven herzchirurgischen Eingriffen mit der Herz-Lungen-Maschine am Tag 0: Erzielter Anstieg der IgGund IgM-Serum-Konzentrationen. Die 27 Hochrisikopatienten wurden anhand des APACHE-IIScores ≥24 am 1. postoperativen Tag aus einem Gesamtkollektiv von 870 herzoperierten Patienten identifiziert. Sie erhielten im Rahmen einer kontrollierten Studie zusätzlich zur Standardtherapie entweder das polyvalente i.v.IoG-Präparat Polyglobin [n = 14; 0,6 g (12 ml)/kgKG an Tag 1 und 0,3 g (6 ml)/kgKG an Tag 2] oder das polyvalente IgGMA-Präparat Pentaglobin (n =13; je 0,25 g (5 ml)/kgKG an den Tagen 1, 2 und 3].*,** Signifikanter Anstieg gegenüber den Ausgangswerten. (Nach Pilz et al.1997)
rapeutischem Einsatz erzielen (. Abb. 9-2, 9-3; Cafiero et al. 1992; Dominioni et al. 1991; IICSG 1992; Pilz et al.1994, 1997; Werdan et al. 1997). Nur in wenigen Studien wurden etwa doppelt so hohe Dosierungen eingesetzt, wie sie auch bei anderen i.v.-Ig-Indikationen – Behandlung der Immunthrombozytopenie, des Guillain-Barré-Syndroms oder des Kawasaki-Syndroms – üblich sind (. Übersicht 9-5). Dies trifft für die Behandlung des Streptokokken-»Toxic-shock«-Syndroms zu
(i.v.-IgG, 2–4 g/kgKG Gesamtdosis; Kaul et al. 1999) und auch für die Therapie der chirurgisch eradizierten, antibiotisch adäquat behandelten abdominellen Sepsis in der Frühphase (<24 h; i.v.IgGMA, Gesamtdosis: 1,75 g/kgKG; jeweils 7 m/ kgKG = 0,35 g/kgKG an 5 aufeinander folgenden Tagen; Rodriguez et al., im Druck). Der Schutz vor Infektionen scheint um so besser zu sein, je höher die Serumspiegel nach IgGGabe ansteigen:
1
2
3
4
5
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7
8
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10
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19
20
Prophylaxe (P)/ Therapie (T)
P
T
P
P
T
T
T
T
Präparat (7 S)
Endoglobulin (i.v.-IgG)
Endobolin S/D (i.v.-IgG)
Gammagard (i.v.-IgG)
Gamma-Venin HS (i.v.-IgG-5 S)
Pentaglobin (i.v.-IgGMA)
Pentaglobin (i.v.-IgGMA)
Pentaglobin (i.v.-IgGMA)
Pentaglobin (i.v.-IgGMA)
Schwere Sepsis
Gramnegative Sepsis und Multiorganversagen
a) Therapie bakterieller Infektionen b) Eskalierendes SIRS nach herzchirurgischen Operationen (APACHE-II-Score am ersten postoperativen Tag ≥24)
Septischer Schock (≤24 h) mit Endotoxinämie (>12,5 pg/ml) (. Tabelle 9-5)
Sepsisprophylaxe bei Intensivrisikopatienten
Prophylaxe schwerer Infektionen nach Risikooperationen (. Tabelle 9-7 und Übersicht 9-8)
Streptokokken-«Toxic-shock«Syndrom
Sepsisprophylaxe bei chirurgischen und Traumapatienten
Indikation
0,75
0,9
0,75
52,5**
63
5 ml bzw. 0,25 g/kgKG (Tag 0, 1, 2)
0,30 g/kgKG (Tag 3)
0,30 g/kgKG (Tag 2)
0,30 g/kgKG (Tag 1)
0,25 mg/kgKG (Tag 0) 0,25 g/kgKG (Tag 1) 0,25 g/kgKG (Tag 2)
30 g (Tag 1), je 15 g (Tage 2 und 3)
60
52,5
Je 0,15 g/kgKG/h; Tage 1, 2, 3
1-mal wöchentlich, Beginn postoperativ; maximal 4-mal
1 g/kgKG an Tag 1; je 0,5 g/ kgKG an Tagen 2 und 3
10 g (Tage 1, 3, 5, 10)
Dosierungsschema
52,5**
Maximal 112
Maximal 1,6
0,75
140
40
(g/70 kgKG)
2,0
Gesamtdosis (g/kgKG)
Tugrul et al. 2002
Mohr et al. 1997
Herstellerempfehlung Pilz et al. 1997
Schedel et al. 1991
Lehmkuhl u. Pichlmayr 1991
IICSG 1992*
Darenberg et al. 2003
Mao et al. 1989
Literatur
. Tabelle 9-2. Immunglobulinprophylaxe und Immunglobulintherapie von Sepsis, schweren Infektionen, MODS und eskalierendem SIRS – Dosierungen in klinischen Studien
216 Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
Prophylaxe (P)/ Therapie (T)
T
T
P
T
T
Präparat (7 S)
Pentaglobin (i.v.-IgGMA)
Pentaglobin (i.v.-IgGMA)
Pentaglobin (i.v.-IgGMA)
Polyglobin (i.v.-IgG)
Präparat des Kanadischen roten Kreuzes und der Fa. Cutter (i.v.-IgG)
. Tabelle 9-2. (Fortsetzung)
Streptokokken-«Toxic-shock«Syndrom (. Tabelle 9-5)
b) Patienten mit eskalierendem SIRS nach Herzoperationen mit der Herz-Lungen-Maschine: APACHE-II-Score am 1. postoperativen Tag: ≥24a bzw. ≥28b ESSICS-Studie
a) Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock (u. a. SBITS-Studie: APACHE-II-Score: 20–35; Sepsisscore nach Elebute u. Stoner: 12–27)
Infektionsprophylaxe bei anergen herzchirurgischen Patienten
Abdominelle Sepsis in der Frühphase (<24 h) mit chirurgischer Eradizierung und adäquater Antibiotikatherapie
Abdominelle Sepsis in der Frühphase (<24 h) mit chirurgischer Eradizierung und adäquater Antibiotikatherapie
Indikation
2,0 bzw. 4,0
140 bzw. 280
63**
Ab 4 h postoperativ: 5 g/3 h (1,7 g/h), danach 0,3 g/h für 50 h
20
0,9
Je 7 ml=0,35 g/kgKG an 5 aufeinander folgenden Tagen
122,5
1,75
2 g/kgKG (Tag 1), bei fortbestehender Instabilität 2 g/ kgKG (Tag 3)
0,6 g/kgKG (Tag 0) 0,3 g/kgKG (Tag 1)
Je 7 ml=0,35 g/kgKG an 5 aufeinander folgenden Tagen
122,5
1,75
Dosierungsschema (g/70 kgKG)
Gesamtdosis (g/kgKG)
Kaul et al. 1999
Pilz et al. 1994a Pilz et al. 1997a Kuhn et al. 2000b
Pilz et al. 1991 Pilz et al. 1993 Werdan et al. 1997
Kress et al. 1999
Rodriguez et al., im Druck
Rodriguez et al., im Druck
Literatur
Dosierung und Pharmakokinetik 217
9
17
18
19
20 12
13
Traumapatienten mit InjurySeverity-Score (ISS) von 16–50 (. Tabelle 9-6)
Infektionsprophylaxe bei Patienten mit Kolonkarzinomoperation und Sepsisrisiko (s. Tabelle 9-6) 1,0
0,25 g/kgKG (Tage 0, 1, 2, 5)
Tage 1 und 5: 12/15 g (≥40 kgKG)
36 bzw. 45
70**
0,4 g/kgKG (Tage 0 und 1); 0,2 g/kgKG (Tag 5)
* The Intravenous Immunoglobulin Collaborative Study Group 1992; ** aus Dosis/kgKG errechnete Gesamtdosis für 70 kg schweren Patienten.
P
16
Sandoglobulin (i.v.-IgG)
15
P
11
Sandoglobulin (i.v.-IgG)
9 70**
4
1,0
7 Dosierungsschema
Douzinas et al. 2000
Cafiero et al. 1992
Dominioni et al. 1991 und 1996
Literatur
1
Postoperative Sepsis mit Sepsisscore ≥17 (. Tabelle 9-5)
8
(g/70 kgKG)
6
T
10
Gesamtdosis (g/kgKG)
5
Sandoglobulin (i.v.-IgG)
14
Indikation
3
Prophylaxe (P)/ Therapie (T)
2
Präparat (7 S)
. Tabelle 9-2. (Fortsetzung)
218 Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
219 Dosierung und Pharmakokinetik
. Übersicht 9-5.
Hinweise für die Praxis: Dosierung von Immunglobulinen Therapie von schwerer Sepsis, MODS und eskalierendem SIRS 5 i.v.-IgG-Präparate (7 S) – Polyglobin Na (0,6 g/kgKG an Tag 1, unmittelbar nach Diagnosestellung; 0,3 g/kgKG an Tag 2, 24 h nach der ersten Gabe) – Sandoglobulinb (0,4 g/kgKG an Tag 1, unmittelbar nach Diagnosestellung; 0,4 g/kgKG an Tag 2; 0,2 g/kgKG an Tag 6) 5 i.v.-IgGMA-Präparat (7 S) – Pentaglobin (offizielle Firmenempfehlung: 0,25 g/kgKG an Tag 1, unmittelbar nach Diagnosestellung; 0,25 g/kgKG an Tag 2; 0,25 g/kgKG an Tag 3) Therapie des Streptokokken-»Toxic-shock«Syndroms 5 i.v.-IgG-Präparat (7 S)c: 2 g/kgKG an Tag 1, unmittelbar nach Diagnosestellung; 2 g/kgKG an Tag 3, 48 h nach der ersten Dosis bei fortbestehender Instabilität des Patienten Therapie der chirurgisch eradizierten, antibiotisch adäquat behandelten abdominellen Sepsis in der Frühphase (<24 h)d 5 i.v.IgGMA-Präparat (7 S) – Pentaglobin (7 ml/kgKG=0,35 g/kgKG – Gesamtdosis: 1,75 g/kgKG – an 5 aufeinander folgenden Tagen, beginnend unmittelbar nach Diagnosestellung) Prophylaxe schwerer Infektionen nach Operationen mit hohem Infektionsrisiko 5 i.v.-IgG-Präparat – Gammagard S/De (0,4 g/kgKG an Tag 1, unmittelbar nach der Operation; 0,4 g/kgKG wöchentlich, solange Gefahr schwerer Infektionen besteht, maximal 4-mal) 6
9
Infektionsprophylaxe bei Traumapatienten 5 i.v.-IgG-Präparat – Sandoglobulinf (0,25 g/kgKG an Tag 1; 0,25 g/kgKG an Tag 2; 0,25 g/kgKG an Tag 3; 0,25 g/kgKG an Tag 6) Infektionsprophylaxe bei anergen herzchirurgischen Patienten 5 i.v.-IgGMA-Präparat – Pentaglobing (5 %ige Lösung; 4 h nach Operation: 5 g/3 h=1,7 g/h; danach: 0,3 g/h für 50 h) Anmerkungen: a Pilz et al. 1993; Werdan et al. 1997; Kuhn et al. 2000 b Dominioni et al. 1991; Dominioni et al. 1996 c Kaul et al. 1999 d Rodriguez et al., im Druck e The
Intravenous Immunoglobulin Collaborative Study Group 1992
f Douzinas et al. 2000 g
Kress et al. 1999 Weitere Angaben: s. Tabelle 9-2 und folgenden Text
Sepsisrisikopatienten nach kolorektalen Operationen – nur mit Antibiotika behandelt – zeigen postoperativ einen mäßigen Abfall ihrer Serum-IgGSpiegel (. Abb. 9-3a). Dagegen führt die Behandlung dieser Patienten mit einem Immunglobulin G zu einem signifikanten Anstieg (. Abb. 9-3b). Dabei waren bei den IgG-behandelten Patienten, die postoperativ infektfrei geblieben waren, höhere Anstiege zu verzeichnen als bei denen, die trotz der Immunglobulinsubstitution Infektionen bekommen hatten. Zusammen mit der Beobachtung, dass auch die Patienten ohne IgG-Substitution, die infektfrei geblieben waren, höhere Serumimmunglobulinspiegel aufwiesen als die mit Infektionen, sprechen diese Befunde dafür, dass von einer solchen Immunglobulinsubstitution v. a. die Patienten profitieren könnten, deren Serumimmunoglobulin-G-Spiegel besonders hoch ansteigen. Die Situation wäre damit bei sepsisgefährdeten chirurgischen Patienten ähnlich wie bei Patienten mit primärer Hypogammaglobulnämie: Auch hier führt die Verdopplung der 4-wöchentlich applizierten Immunglobulindosis zur Reduktion von Häufigkeit und Dauer der Infektionen (Eijkhout et al. 2001). Bei manifester Sepsis scheint dagegen
220
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
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. Abb. 9-3.a,b. Serumimmunglobulin-G-Spiegel bei Patienten nach kolorektalen Operationen: Auswirkungen einer Immunglobulin-G-Gabe. Sepsisrisikopatienten wurde perioperativ bei kolorektalen Eingriffen placebokontrolliert Immunglobulin G (Sandoglobulin) appliziert (Dosierung . Tabelle 9-2). a »septic risk«: A Patienten behandelt mit Antibiotika, keine Immunglobulingabe; b »septic risk«: IVIG + A Patienten behandelt mit Immunglobulinen und Antibiotika. Wiedergegeben sind die Serumimmunglobulin-G-Spiegel (Ordinate) am Tag vor und an den Tagen nach der Operation (Abszisse). Durchgezogene Linie: Patienten ohne postoperative Infektionen (Gruppe A:n = 8; Gruppe IVIG+A; n = 22); gestrichelte Linie: Patienten mit postoperativen Infektionen (Gruppe A: n = 28; Gruppe IVIG + A: n = 19). (Aus Cafiero et al. 1992 s. dort auch weitere Einzelheiten).
der Zusammenhang von Überleben und Höhe des IgG-Serumspiegels nicht so stringent zu sein (Ergebnisse der SBITS-Studie, . Übersicht 9-5).
Intravenös verabreichte lmmunglobuline: Mit welchen Nebenwirkungen muss gerechnet werden, und wie lassen sie sich minimieren? Bei einer noch nicht ausreichend validierten Behandlungsstrategie – wie im Falle der Immunglobulinprophylaxe und -therapie von Sepsis, schweren Infektionen, MODS und eskalierendem SIRS – ist das Fehlen gravierender Nebenwirkungen umso entscheidender. Aufgrund der millionenfachen Anwendung der i.v.-Immunglobulinpräparate bei ganz unterschiedlichen Indikationen ist das Nebenwirkungsspektrum recht gut bekannt (Nydegger u. Sturzenegger 1999).
Virussicherheit Die deutlich höhere Sicherheit von Immunglobulinpräparaten gegenüber Bluttransfusionen be-
ruht auf der Filtration dieser Präparate und ihrer Zwischenprodukte durch Sterilfilter, die Bakterien und Protozoen zuverlässig zurückhalten (Nydegger u. Sturzenegger 1999). Übertragungen von HIV und Hepatitis-B-Viren sind bisher nicht dokumentiert. Sporadische Transmissionen von Hepatitis-C-Viren durch Applikation von nach älteren Herstellungsverfahren produzierten i.v.-Immunglobulinen sind beschrieben, nicht aber durch i.v.-Immunglobuline, die mit den aktuellen Produktionstechnologien hergestellt worden sind: Möglicherweise im Plasma trotz Spendenscreening vorhandene Viren (HCV, HIV) werden zum einen durch das Herstellungsverfahren zur Reinigung und Konzentrierung definierter Plasmaproteine entfernt; die Sequenz mehrerer Verfahren zur Virusentfernung und -inaktivierung, die zusätzlich in das Herstellungsverfahren ausschließlich für diesen Zweck integriert worden sind, gewährleistet zusammen mit den Reinigungsschritten heutzutage sehr sichere Immunglobulinpräparate mit einem minimierten Infektionsrisiko. (Nydegger u. Sturzenegger 1999).
221 Intravenös verabreichte lmmunglobuline…
Vorbereitung und Durchführung der i.v.-Immunglobulingabe Vor der Ig-Gabe sind anamnestisch Herz-, Nierenund Lebererkrankungen, Diabetes mellitus, Migräne und Nebenwirkungen bei früheren i.v.-Immunglobulingaben zu erfassen. Die in . Übersicht 9-6 aufgeführten Laborwerte sollten vor, während und nach der Ig-Applikation kontrolliert werden. Die Blutzuckerbestimmung erscheint sinnvoll, da manche Immunglobulinpräparate Glukose enthalten. Bei evtl. notwendig werdenden Bluttransfusionen sollte die Blutgruppenbestimmung vor Anhängen der Ig-Lösung durchgeführt werden, da Isoantikörper in den Ig-Präparaten mit der serologischen Testung interferieren können. Die Infusion einer 5 %igen i.v.-Lösung ist langsam zu beginnen – mit etwa 30 ml/h während der ersten 15 min – da einige der möglichen Nebenwirkungen durch eine zu rasche Infusion ausgelöst werden. Danach kann die Infusionsgeschwindigkeit auf 120–150 ml/h erhöht werden, falls die
9
Gebrauchsanleitungen der Hersteller keine davon abweichenden Empfehlungen geben. Während der i.v.-Ig-Infusion empfehlen sich regelmäßige Blutdruckmessungen; auf das Auftreten der in . Tabelle 9-3 aufgeführten Nebenwirkungen ist zu achten. . Übersicht 9-6.
Empfohlene Laboruntersuchungen vor, während und nach einer Behandlung mit i.v.-Immunglobulinen 5 5 5 5 5 5 5 a
Blutbild Serumkreatinin, Serumharnstoff-N, Serumelektrolyte, Blutglukose, Leberenzymea, Urinstatus, nicht obligat: Blutgruppe, IgA.
Im Falle eines Anstieges unter oder nach i.v.-Ig-Gabe sollten die Hepatitisserologie und die Hepatitis C-PCR durchgeführt werden. (Aus Stangel et al. 1997).
. Tabelle 9-3. Nebenwirkungen der i.v.-Immunglobulingabe Relative Häufigkeit
Schweregrad Gravierend
Relativ häufig
Relativ selten
a
Mild Kopfschmerzen (5–26–48%) Myalgie/Arthralgie Fieber/Schüttelfrost Rückenschmerzen/Thoraxschmerzen Erhöhung der Leberenzyme Aseptische Meningitis (bis 11%) Migräne
Anaphylaktische Reaktionen (besonders bei IgA-Mangel) Hämolytische Anämie Hepatitis Cb Apoplex Enzephalopathiea Aktues Nierenversagen Herzinsuffizienz Thromboembolien (<1–3%) Myokarditisa Herzinfarkta*
Tachykardie Leukopenie Transiente Neutropeniea Hyperglykämie Proteinurie Blutdruckanstieg/Blutdruckabfall Hypothermiea Pruritus/Exanthem Immunkomplex-Arthritisa Uveitisa Alopeziea
Einzelne Fallberichte, kausaler Zusammenhang unklar. Mit aktuellen Herstellungsverfahren produziertes i. v.-Immunglobulin: bisher noch keine Hepatitis C-Übertragung bekannt. (In Anlehnung an Stangel et al. 1997; Nydegger u. Sturzenegger 1999) * [Fishman u. Smilovitch 1997]. b
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Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
Bei der i.v.-Ig-Prophylaxe und i.v.-Therapie von Sepsis, schweren Infektionen, MODS und eskalierendem SIRS ist das Erkennen von Nebenwirkungen als Folge der Immunglobulingabe erschwert, zum einen durch die vorbestehende Multimorbidität, zum anderen durch die häufig vorhandene Dysfunktion nicht nur eines, sondern mehrerer Organe. Die in . Übersicht 9-6 aufgeführten Laborparameter werden häufig schon vor der Ig-Gabe höhergradig pathologisch verändert sein. Schließlich kann der schwerkranke, häufig beatmete Patient die unter Ig-Infusion auftretenden Symptome dem Arzt in der Regel nicht in der erwünschten Deutlichkeit mitteilen. Dies alles erfordert vom Therapeuten eine erhöhte Wachsamkeit bei der Ig-Applikation.
Vom Patientenkollektiv unabhängige Nebenwirkungen (Wick et al. 1996; Stangel et al. 1997, Nydegger u. Sturzenegger 1999) Intravenös verabreichte Immunglobuline können als relativ sichere Medikamente angesehen werden (. Tabelle 9-3), die Rote Liste 2003 enthält für Immunglobuline (I 5) als Gegenanzeigen »Überempfindlichkeit gegen homologe Immunglobuline« und als Nebenwirkungen »a) Passagere Temperaturerhöhung; b) Überempfindlichkeitsreaktionen (sehr selten)«. Allgemeinreaktionen wie Myalgien, Arthralgien, Rücken- und Thoraxschmerzen, Schüttelfrost, Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Pruritus, Benommenheit und Unwohlsein treten mit einer Häufigkeit von weniger als 5 % auf, meist innerhalb der ersten Stunde nach Infusionsbeginn, klingen häufig ohne Behandlung ab und können in der Regel durch eine Verlangsamung der Infusionsgeschwindigkeit oder durch vorübergehendes Abstellen sowie durch Prämedikation mit Kortikosteroiden gemildert werden. Kopfschmerzen sind die häufigste Nebenwirkung, sie können meist durch eine Verlangsamung der Infusionsgeschwindigkeit beherrscht werden und sind reversibel. Bei Vorliegen einer Migräne scheint eine aseptische Meningitis häufig aufzutreten. Zu den sehr seltenen, schwerwiegenden anaphylaktischen Reaktionen disponiert ein selektiver IgA-
Mangel (Prävalenz 1:700) des zu behandelnden
Patienten: die bereits vor der i.v.-Immunglobulingabe häufig vorhandenen Anti-IgA-Antikörper des Empfängers können nach Kontakt mit dem IgA, welches in vielen, aber nicht in allen i.v.-Immunglobulinpräparaten in relevanten Konzentrationen vorhanden ist, anaphylaktische Reaktionen auslösen .
Patientenkollektiv-spezifische Nebenwirkungen Neben den allgemeinen, sehr seltenen Nebenwirkungen (s. oben) werden auch Befürchtungen über potentielle Gefahren einer Immunglobulintherapie speziell bei der Sepsis geäußert: Beschleunigung der IgG-Abbaurate, Verschlechterung der Phagozytoseleistung, Inhibierung der T-Zellfunktion und Verzögerung der Clearance von Immunkomplexen im retikuendothelialen System. Obwohl diese Möglichkeiten theoretisch denkbar sind und einen potentiell günstigen Effekt abschwächen oder zunichte machen könnten, sprechen die Ergebnisse der vorliegenden placebokontrollierten Studien nicht dafür: In den bisher publizierten Studien ergibt sich kein ausreichender Verdacht auf eine Verschlimmerung des Sepsisschweregrades oder auf eine erhöhte Letalität bei den mit Immunglobulin behandelten Patienten. Zu beachten ist allerdings bei diesen – in der Regel schwer kranken – Patienten die Volumenbelastung, welche eine i.v.-Ig-Infusion darstellt. Mit einem engmaschigen hämodynamischen Monitoring ist diese potentielle Schwierigkeit meist zu meistern. Eine relevante Zunahme der Blutviskosität muss wohl nicht befürchtet werden: eine 15-gIgGMA-Infusion (5 g/h) führt bei Patienten mit septischem Schock nach 4 bzw. 24 h zu keiner messbaren Änderung der Plasmaviskosität, der Erythrozytenaggregation, des Hämatokritwerts und des Gerinnungsstatus (Prothrombinzeit, partielle Prothrombinzeit, Thrombinzeit, Thrombozyten); lediglich das Fibrinogen zeigt einen vorübergehenden Abfall um 10 % (Madl et al. 1993). In den letzten Jahren gab es mehrere Kasuistiken, in denen über eine – meist reversible – Nieren-
223 Adjunktive Immunglobulintherapie im Sepsisgesamtkollektiv
funktionseinschränkung nach hochdosierter Immunglobulintherapie mit den Präparaten Sandoglobulin, Immunoglobulines CTS und Gammonative berichtet wurde. Bei diesen Patienten waren die Indikationen zur Behandlung mit Immunglobulinen nephrotisches Syndrom bei Glomerulonephritis, Hypogammaglobulinämie bei Lymphom mit Kryoglobulinämie und positivem Rheumafaktor, idiopathische Thrombozytopenie und entzündliche demyeliniserende Polyneuropathie (Stangel et al. 1997, Nydegger u. Sturzenegger 1999). Für diese Nebenwirkungen werden die Bildung von Immunglobulin-G-Aggregaten, präparatespezifische Nichtimmunglobulinbestandteile wie Saccharose oder aber das Immunglobulin G-Monomer selbst verantwortlich gemacht. Nierenbiopsien zeigten Schwellung und Vakuolisierung der proximalen Tubuluszellen, die auf eine osmotische Schädigung hinweisen; Zeichen einer Antikörper-vermittelten Nierenschädigung oder Immunkomplexablagerungen fanden sich nicht (Stangel et al. 1997). Bei mit Immunglobulin G behandelten Sepsispatienten ist über diese Nebenwirkungen nicht berichtet worden, auch nicht bei den mit Sandoglobulin therapierten Patienten (s. S. 231, . Tabelle 9-5, »Postoperative, scorequantifizierte Sepsis«). In einer Fallbeobachtungsstudie mit 163 Sepsispatienten kam es innerhalb der ersten 4 Tage nach Einleitung einer Immunglobulin-G-Gabe (Polyglobin bzw. das nicht mehr im Handel befindliche Pseudomonasimmunglobulin G Psomaglobin, Tag 0 und Tag 1) zu keinem Anstieg des Serumkreatinins (Mittelwerte: Tag 0: 2,4-2,5 mg/100 ml; Tag 4: 2,2-2,3 mg/100 ml; [Pilz et al. 1991]).
Adjunktive Immunglobulintherapie bei Sepsispatienten und Immunglobulinprophylaxe bei sepsisgefährdeten Intensivpatienten – Welche Behandlungserfolge können wir erwarten? Es bereitet keine Schwierigkeiten, günstige Wirkungen der Ig-Gabe in tierexperimentellen Sepsismodellen und im Zellkulturexperiment nachzuweisen (s. oben). Für den klinischen Einsatz ist dies eine notwendige Voraussetzung, aber keine
9
hinreichende Legitimation. Eine gesicherte Wirksamkeit der i.v. Gabe bei Sepsis darf erst dann angenommen werden, wenn diese Wirksamkeit in placebokontrollierten Studien nachgewiesen worden ist, entweder für das Gesamtkollektiv der Patienten mit Sepsis oder aber für bestimmte Sepsissubkollektive. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Immunglobulintherapie und -prophylaxe bei Erwachsenen beschrieben. Resultate bei Kindern und Neugeborenen (Wahn 2000; Werdan 2001) sind speziell ausgewiesen.
Adjunktive Immunglobulintherapie im Sepsisgesamtkollektiv Senkt die i.v.-Ig-Therapie die Sterblichkeit? Die Cochrane-Analyse sagt »Ja« Die Wirksamkeit der i.v.-Ig-Sepsistherapie bei Erwachsenen wurde in mehreren kleinen kontrollierten Studien untersucht (. Tabelle 9-4 und . Abb. 94) und deren Ergebnisse zwischen 1985 und 1996 publiziert. Aufbauend auf den Resultaten ausgewählter randomisierter Studien aus dieser Zeit hat das Cochrane-Institut einen Datensatz zusammengestellt. Diese Cochrane-Analyse vergleicht die Wirkung von i.v.-Ig bei Patienten mit bakterieller Sepsis oder septischem Schock mit derjenigen von Placebo bzw. einer Standardtherapie (Alejandria et al. 2002 u. 2004). Die wichtigsten Aussagen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 5 Die mit i.v.-Ig behandelten Patienten hatten im Vergleich zu denen ohne i.v.-Ig-Behandlung eine um 36 % reduzierte Letalität (492 erwachsene und neugeborene Patienten; 11 Studien; relatives Risiko: 0,64; 95 %-Konfidenzintervall: 0,51–0,80). 5 Die mit dem i.v.-IgGMA-Präparat Pentaglobin behandelten Patienten zeigten dabei günstigere Effekte (Letalitätssenkung von 52 %) als die mit i.v.-IgG-Präparaten behandelten (Letalitätssenkung von 27 %): – i.v.-IgGMA: 194 Patienten; RR: 0,48; 95 %Konfidenzintervall: 0,30–0,76;
224
1
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
. Tabelle 9-4. Sepsis und Infektionen bei Intensivpatienten -Additive Immunglobulintherapie und -prophylaxe in placebokontrollierten Studien (Ig Immunglobulin (7 S); Proph. Prophylaxe)
2 3 4 5
Patienten
n
Immunglobulin
Letalität Kontrolle
Letalität i.v.-Ig
Signifikanz
Literatur
Polytrauma Infektionsprophylaxe
150
IgG Proph.
15/74 (20 %)
23/76 (30 %)
n.s.
Glinz et al. (1985)
Intensivpatienten mit Infektionen
104
IgGMA Therapie
22/54 (41 %)
22/50 (44 %)
n.s.
Just et al. (1986)
Purulente Peritonitis
288
IgG, IgGMA Therapie
58/143 (41 %)
66/145 (46 %)
n.s.
Jesdinsky et al. (1987)
Schwere Sepsis
24
IgG Therapie
9/12 (75 %)
7/12 (58 %)
n.s.
De Simone et al. (1988)
Schwere Sepsis
50
IgGMA Therapie
11/25 (44 %)
6/25 (24 %)
Gravierende(s) Trauma oder Operation Sepsisprophylaxe
40
IgG Proph.
4/17 (24 %)
2/15 (13 %)
n.s.
Mao et al. (1989)c
Intensivpatienten, Infektionsprophylaxe
97
IgG (5S) Proph.
5/48 (10 %)
3/49 (6 %)
n.s.
Lehmkuhl u. Pichlmayr (1991)
Frühphase septischer Schock + Endotoxinämie
55
IgGMA Therapie
9/28 (32 %)
1/27 (4 %)
p<0,01
Schedel et al. (1991), Werdan u. Pilz (1992); Wortel u. Dellinger (1993)
Schwere Sepsisf
42
Ig-GMA Therapie
7/21 (33 %)
5/21 (23,8 %)
p = 0,70
Tugrul et al. (2002)
Risikooperationen Infektionsprophylaxe
221
IgG Proph.
22/112 (20 %)
15/109 (14 %)
n.s.
IICSG (1992)
Neutropenische Leukämiepatienten mit Sepsissyndrom
52
IgGMA Therapie
10/22 (45 %)
9/30 (30 %)
p>0,05
Behre et al. (1995)d
Chirurgie-, Traumapatienten mit Sepsis (Sepsisscore >17)
117
IgG Therapie
36/56 (64 %)
19/57 (33 %)
p<0,005
Dominioni et al. (1996)e
Sepsispatienten mit Sepsisscore 12–27 und APACHE II Score 20–35
653
IgG Therapie
kein signifikanter Unterschied
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 a
19 20
SBITS-Studie [Werdan et al. (1997)]
Buchbeitrag; c 8 Patienten ausgeschlossen: Tod <48 h (Verum 5, Placebo 3); d Interimanalyse einer laufenden Studie; Interimanalyse über 62 Patienten mit Einschlusskriterium SepsisScore >20 in Dominioni et al. (1991). IICSG (1992) The Intravenous Immunoglobulin Collaborative Study Group (1992), f primäres Zielkriterium nicht 28-Tages-Letalität, sondern Entwicklung von Organversagen und septischem Schock (Tugrul et al. 2002). Abstract;
b
Spannbrucker et al. (1987)a; Vogel (1988)b
e publizierte
225 Adjunktive Immunglobulintherapie im Sepsisgesamtkollektiv
9
80
Letalität [%]
60
40
* *
20 *
0
24
50 55 62 Placebo
113 104
288 Verum
653
Studienpatienten * p≤0,05
. Abb. 9-4. Adjunktive i.v.-Ig-Therapie der Sepsis – Ergebnisse in Abhängigkeit von der Zahl der eingeschlossenen Studienpatienten. Aufgetragen sind ausgewählte Studien der . Tabelle 9-4. Ordinate: Letalität der i.v.-Ig- und der Placebogruppen; Abszisse: Gesamtzahl der in die jeweilige Studie eingeschlossenen Patienten. Studienzuordnung anhand der Patientenzahlen: n = 24 (De Simone et al. 1988); n = 50 (Spannbrucker et al. 1987; Vogel 1988); n = 55 (Schedel et al. 1991; Werdan u. Pilz 1992; Wortel u. Dellinger 1993); n = 62 (Dominioni et al. 1991); Teilmenge von n = 113 (Dominioni et al. 1996; s. dazu auch Legende zu . Tabelle 9-5); n = 104 (Just et al. 1986); n = 113 (Dominioni et al. 1996); n = 288 (Jesdinsky et al. 1987); n = 653 (Werdan et al. 1997).
– i.v.-IgG: 298 Patienten; RR: 0,73; 95 %-Konfidenzintervall: 0,57–0,89. 5 Nur erwachsene Patienten, nicht aber Neugeborene mit Sepsis profitierten von der i.v.Ig-Therapie, mit einer Letalitätssenkung von 38 % (Erwachsene: n = 251, RR: 0,62, 95 %Konfidenzintervall: 0,49–0,79; Neugeborene: n = 241, RR: 0,70, 95 %-Konfidenzintervall: 0,42–1,18) ! Die Gesamtzahl der in die 11 Studien der
Cochrane-Analyse eingeschlossenen Patienten ist geringer als die üblicherweise in eine einzelne aktuelle Sepsisstudie eingeschlossene Zahl von 500–1600 Patienten!
wird – ähnlich wie in der Cochrane-Empfehlung (s. oben) – konstatiert, dass es mehrere kleine Studien gibt, die eine Letalitätssenkung bei erwachsenen Patienten durch die Gabe von Immunglobulinen belegen (Evidenzgrad II; . Tabelle 4-1). ! Konträr zur Cochrane-Analyse kommt das
»Internationale Sepsis-Forum« allerdings zu dem Schluss, dass die vorliegenden Studiendaten nicht für, sondern generell gegen den Einsatz von Immunglobulinen bei erwachsenen Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock sprechen (Empfehlungsgrad C entsprechend . Tabelle 4-1; Carlet et al. 2001).
Kritik der Empfehlung: Die Mitglieder des »Inter-
Das »Internationale Sepsis-Forum« und die Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer sagen »Nein« Das »Internationale Sepsis-Forum« ist ein Zusammenschluss internationaler Sepsisexperten, mit der Intention, praktische Empfehlungen mit Evidenzcharakter (. Tabelle 4-1) zur Behandlung der schweren Sepsis und des septischen Schocks zu geben (7 Kap. 4). Hinsichtlich des Einsatzes von Immunglobulinen bei schwerer Sepsis und septischem Schock
nationalen Sepsis-Forums« stellen damit in ihrer wenig differenzierenden Betrachtungsweise ihre Expertenmeinung mit geringerem Evidenzgrad (Evidenzgrad IV; . Tabelle 4-1) über die evidenzbasierte Studienlage (Evidenzgrad II). Für eine Ablehnung können nicht die positiven Ergebnisse der vorhandenen Klasse-II-Studien (Evidenzgrad II; . Tabelle 4-1) als Argumente herangezogen werden, sondern lediglich die Expertenmeinung (Evidenzgrad IV). Demzufolge kann die ablehnende Haltung des internationalen Expertenfo-
226
1 2
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
rums nicht mit dem Empfehlungsgrad C, sondern allenfalls mit dem niedrigsten Empfehlungsgrad E (. Tabelle 4-1) gerechtfertigt werden. ! Für die Immunglobulintherapie bei Neugebo-
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
renensepsis wird analog der Cochrane-Analyse keine Indikation gesehen (Empfehlungsgrad C; Carlet 2001).
Für die Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer reichen die vorliegenden Studiendaten nicht aus, um eine Empfehlung für den Einsatz von Immunglobulinen bei schwerer Sepsis und septischem Schock zu geben (Leitlinie der Bundesärztekammer: Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten). Auch die derzeit aktuellste lokale Konsensuskonferenz (Heiken u. Schmidt 2003) stellt fest, dass sich aus den in der Literatur beschriebenen Studien keine eindeutigen Rückschlüsse über die Therapie mit Immunglobulinen im Rahmen der Sepsis oder des septischen Schocks treffen lassen. Sie konstatieren: »Die Gabe von Immunglobulinen bei Sepsis und septischem Schock ist keine zugelassene Therapie und im Allgemeinen nicht indiziert. Möglicherweise kann in der Frühphase einer nachgewiesenen Sepsis die Gabe von IgM-angereicherten Immunglobulinen erwogen werden. Immunglobuline sind in der Intensivmedizin nicht zur Prophylaxe von infektiösen Komplikationen indiziert« (Heiken u. Schmidt 2003).
Die SBITS-Studie: keine Letalitätssenkung durch i.v.-IgG Die aktuelle Cochrane-Analyse (s. oben; Alejandria et al. 2002 u. 2004) schließt die Ergebnisse der SBITS-Studie noch nicht ein. Die SBITS-Studie (. Übersicht 9-7) war initiiert worden, um die Wirksamkeit von IgG bei schwerer Sepsis und septischem Schock in einer Studie mit ausreichend großer Patientenzahl zu überprüfen, wie sie für eine Sepsistherapiestudie nach evidenzbasierten Kriterien zu fordern ist (Pilz et al. 1990 und 1993). Die SBITS-Studie ist eine placebokontrollierte Studie, bei der die Wirksamkeit des i.v.-IgG-Präparats Polygobin N – 12 ml (0,6 g)/kgKG an Tag 1, unmittelbar nach Diagnosestellung; 6 ml (0,3 g)/ kgKG an Tag 2 – bei 653 Patienten im Hinblick auf
eine mögliche letalitätssenkende Wirkung überprüft worden ist (. Übersicht 9-7).
. Übersicht 9-7.
Scorebasierte Immunglobulintherapiebei-Sepsis-(SBITS)-Studie Die Studie ist multizentrisch, randomisiert, prospektiv, placebokontrolliert, doppelblind. 5 Einschlusskriterien: Schweregrad-Fenster, Elebute-Stoner Score 12–27 (Sepsis) APACHE-II-Score 20–35 (Schweregrad der Erkrankung) 5 Patientenkollektive: chirurgische und internistische Patienten. 5 Studienpräparat: i.v.-IgG (Polyglobin N), additiv zur Standardtherapie. 5 Dosierung: 12 ml (0,6g)/kgKG an Tag 1 (Diagnosestellung); 6 ml (0,3 g)/kgKG an Tag 2 5 Studienziel primär: Senkung der 28-Tage-Letalität. 5 Studienziele sekundär (Auswahl): Besserung des Schweregrads der Sepsis und des Schweregrads der Erkrankung (Scores) an Tag 4. 5 Patientenzahl: 653 Patienten wurden einbezogen. 5 Studienprotokoll: vorab publiziert (Pilz et al. 1993); Diskussionsforum (Lorenz et al. 1994) 5 Ergebnisse (Werdan et al. 1997) – Primäres Studienziel: Keine Letalitätssenkung durch i.v.-IgG, – sekundäre Studienziele (Auswahl): i.v.-IgG-Gruppe vs. Placebogruppe Tag 4 nach Behandlungsbeginn moderate Besserung des Sepsisschweregrades (1 Sepsis-Score-Punkt), des Schweregrades der Erkrankung (1 APACHE-II-ScorePunkt).
Die SBITS-Studie bietet insofern eine Besonderheit, als sie keine qualitativen – wie üblich –, son-
227 Adjunktive Immunglobulintherapie im Sepsisgesamtkollektiv
dern quantitative Eingangskriterien verwendet hat: Nur diejenigen Patienten sind einbezogen worden, die sowohl einen bestimmten Schweregrad der Sepsis – ermittelt mit dem Sepsisscore nach Elebute u. Stoner (7 Kap. 3) – als auch einen bestimmten Schweregrad der Erkrankung – ermittelt mit dem APACHE-II-Score (7 Kap. 3) – aufgewiesen haben. Die Auswahl dieser Scorefenster geht auf Ergebnisse einer zuvor durchgeführten Fallbeobachtungsstudie an 163 mit i.v.:-IgG (Polyglobin N und Psomaglobin = Pseudomonasimmunglobulin, nicht mehr im Handel) behandelten Sepsispatienten zurück (Pilz et al.1991). In dieser Vorabuntersuchung ließ sich zeigen, dass der Wirksamkeitsnachweis der i.v.-IgG-Gabe am ehesten bei Patienten innerhalb dieser beiden Scorefenster zu führen sein würde: einerseits schließen die unteren Scoregrenzen Patienten mit erwartungsgemäß geringer Letalität und guter Prognose von der Teilnahme aus: hier wäre der Einschluss sehr vieler Patienten notwendig, um den Wirksamkeitsnachweis führen zu können. Andererseits verhindern die oberen Scoregrenzen die Aufnahme von Sepsispatienten mit erwartungsgemäß sehr hoher Letalität, bei denen sich i.v.Immunglobuline bereits mit Wahrscheinlichkeit als nicht wirksam erwiesen haben (Pilz et al. 1991, 1993). Alle Studienzentren wurden mit einem auf einem Mikrocomputer implementierten Scoreprogramm ausgestattet, mit dem das erforderliche Scoremonitoring in einer praktikablen, standardisierten Weise bettseitig in wenigen Minuten durchgeführt werden kann (Pilz et al. 1992). In der Fallbeobachtungsstudie, die der SBITSStudie vorausging (Pilz et al.1991), erwies sich der Scoreabfall retrospektiv als Prognoseparameter: diejenigen Sepsispatienten, bei denen der APACHE II Score innerhalb von 4 Tagen nach Beginn der i.v.-IgG-Gabe um mindestens 4 Punkte abgesunken war, zeigten eine Sterblichkeit von 24 %, während die Letalität der Patienten ohne diesen Scoreabfall doppelt so hoch, bei 55 %, lag. Aufgrund dieser Vorbefunde wurden der Abfall des APACHE II Scores und der des Sepsisscores nach Elebute u. Stoner von Tag 0 nach Tag 4 als zwei der sekundären Zielkriterien definiert (Pilz et al. 1993). Enttäuschenderweise konnte in der SBITS-Studie die 28-Tage-Sterblichkeit der Patienten durch
9
die i.v.-Immunglobulingabe nicht gesenkt werden (. Tabelle 9-4; . Übersicht 9-7); auch diese Substanzklasse ist demzufolge keine »magic bullet«! Dennoch blieb die SBITS-Studie nicht ohne einen – allerdings bescheideneren – Erfolg: sowohl der Schweregrad der Sepsis als auch der Schweregrad der Erkrankung konnte innerhalb von 4 Tagen nach Therapiebeginn moderat gebessert werden, was sich anhand eines um je einen Punkt stärkeren Abfalls des Sepsisscores als auch des APACHE II Scores in diesem Zeitraum objektivieren ließ (. Übersicht 9-7; Werdan et al. 1997). Diese Besserung ist jedoch nicht ausgeprägt genug, um sich als Letalitätssenkung auszuwirken: hier wäre ein stärkerer Scoreabfall um mindestens 4 und nicht nur um einen Punkt erforderlich (Pilz et al. 1990) ! In der bisher größten Sepsistherapiestudie
(SBITS-Studie) mit 653 Patienten konnte die Gabe von Ig G die Letalität nicht senken!
Bessert die i.v.-lg-Therapie den Schweregrad von Sepsis und Multiorgandysfunktion? Natürlich ist das Primärergebnis der SBITS-Studie enttäuschend: uneingeschränkt muss es erstes Ziel jedes Sepsistherapieansatzes sein, die hohe Letalität zu senken. Andererseits haben uns die Misserfolge der vergangenen Jahre (7 Kap. 4 und 10) gezeigt, dass wir von einem einzelnen Therapieprinzip nicht zu viel erwarten dürfen (s. oben). Es wäre aber schon viel erreicht, wenn mit einem bestimmten Medikament zumindest eine Reduzierung des Schweregrades der Sepsis oder des MODS erzielt werden könnte. Dies ist durch die i.v.-Immunglobulingabe möglich, wie in der SBITS-Studie anhand des stärkeren Abfalls des Sepsis- und APACHE-II-Scores in der IgG-Gruppe am 4. Behandlungstag placebokontrolliert belegt werden konnte (s. oben; Werdan et al. 1997). Es konnte keine Verhinderung des Auftretens eines Multiorganversagens oder eines septischen Schocks bei Patienten mit schwerer Sepsis durch die Gabe von 0,75 g i.v.-IgGMA/kgKG (je 0,25 g/ kgKG an 3 aufeinander folgenden Tagen; . Übersicht 9-5, . Tabelle 9-2) erzielt werden (Tugrul et al. 2002). In der kleinen, prospektiven, randomisierten Studie mit 42 Patienten waren primäre Studi-
228
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
enziele die Progression des Multiorganversagens und die Entwicklung eines septischen Schocks, nicht dagegen die 28-Tages-Letalität. Weder die Progression des Multiorganversagens und die Entwicklung eines septischen Schocks noch die 28Tages-Letalität konnten durch die Gabe von i.v.IgGMA vermindert werden. Lediglich der Prokalzitoninspiegel als Marker des Sepsisschweregrads fiel in der i.v.-IgGMA-Gruppe signifikant ab (von 5,5 ng/ml an Tag 1 auf 1,45 ng/ml an Tag 8) und blieb in der Placebogruppe unverändert (4,0 ng/ ml an Tag 1 und 4,0 ng/ml an Tag 8). ! Ob sich die moderate Besserung von Sepsis- und
Erkrankungsschweregrad – wie in der SBITSStudie für i.v.-IgG gezeigt – in einen klinischen Behandlungserfolg ummünzen lässt, ist unklar; die i.v.-IgGMA-Daten der zweiten Studie mit dieser Fragestellung (Tugrul et al. 2002) sprechen eher dagegen. Die Senkung des Sepsis- und Erkrankungsschweregrads ist jedenfalls derzeit keine Indikation für den Einsatz von i.v.-IgG oder i.v.-IgGMA als adjunktive Therapie bei der Behandlung des Gesamtkollektivs der Patienten mit schwerer Sepsis.
Bei der spezifischen Sepsisform »Streptokokken‘Toxic-shock’-Syndrom« konnte dagegen – im Gegensatz zum Gesamtkollektiv »schwere Sepsis« – eine überzeugende Senkung des Multiorganversagens (objektiviert anhand des SOFA-Scores) innerhalb von 3 Tagen durch die Gabe von 2 g i.v.IgG/kgKG (. Tabelle 9-2, . Übersicht 9-5) aufgezeigt werden (Darenberg et al. 2003).
»Critical-Illness«-Neuropathie und Myopathie bei gramnegativer Sepsis: erste Hinweise auf eine günstige Einwirkung einer frühzeitigen i.v.-IgGMA-Gabe Das gute Ansprechen akuter (Guillain-Barré-Syndrom) und chronischer Immunneuropathien auf Immunglobuline (Hartung et al. 1998) lässt die Frage aufkommen, ob nicht auch die septische Neuro- und Myopathie (7 Kap. 4 u. 16; Hund 2003) auf Immunglobulingabe günstig ansprechen könnte: Die Dysfunktion des Nervensystems und der Skelettmuskulatur in der Sepsis ist einer der Prädikatoren einer ungünstigen Prognose (Leijten et
al. 1995). Klinische Manifestationen dieser neuromuskulären Schädigung sind die Critical-illnessPolyneuropathie (CIP) und -Myopathie (CIM) und – damit verknüpft – die prolongierte Weaning-off-Phase (Leijten et al. 1995; Hussain 1998; Syabbalo 1998; Tobin et al. 1998). Während das Auftreten einer Polyneuropathie des kritisch Kranken bei nichtseptischem MODS eher selten sein dürfte, muss bei der Hälfte aller Überlebenden eines septischen MODS durch gramnegative Erreger mit dieser neuromuskulären Dysfunktion gerechnet werden (Brown et al. 1997; Mohr et al. 1997). Bei deren Pathogenese sind noch viele Fragen offen (7 Kap. 16); zumindest im Tierexperiment lässt sich durch Endotoxin eine reversible Funktionsstörung des peripheren Nervenssystems nachweisen (Brown et al. 1997).Als ein mögliches Korrelat der Muskelschwäche finden sich in Muskelbiopsien kritisch Kranker mit Critical-illness-Neuropathie und – Myopathie verminderte Aktivitäten verschiedener Atmungsketten- und Glykolyseenzyme (Gellerich et al. 1998). Eine spezifische Behandlung der Polyneuround Myopathie des kritisch Kranken existiert zum jetzigen Zeitpunkt nicht, so dass sich primär alle therapeutischen Ansätze auf die Beherrschung der Sepsis und des Multiorganversagens richten müssen (7 Kap. 4 und 16). Auch die Immunglobulingabe bei bereits manifester CIP erbrachte bei 3 auf diese Weise behandelten Patienten keine Besserung (Wijdicks u. Fulgham 1994). Umso bemerkenswerter erscheinen die Ergebnisse einer retrospektiven Analyse, die auf eine günstige Wirkung der frühzeitigen Immunglobulingabe vor Entwicklung einer CIP hinweisen (. Abb. 9-5; Mohr et al. 1997): von 16 überlebenden Patienten mit Multiorganversagen (MOV) und gramnegativer Sepsis hatten 7 im Verlauf ihrer Erkrankung eine CIP entwickelt; keiner dieser Patienten war mit Immunglobulinen behandelt worden. Dagegen haben 8 der 9 Patienten ohne CIP innerhalb der ersten 24 h nach Sepsisdiagnosestellung das IgGMA-Präparat Pentaglobin als Sepsistherapie erhalten (. Abb. 9-5). Wie die Autoren dieser Arbeit betonen, rechtfertigen diese Ergebnisse derzeit noch nicht den Einsatz von Immunglobulinen zur Verhinderung oder Behand-
229 Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven
9
33 überlebende Patienten mit Multiorganversagen
17 Patienten ohne Sepsis (52 %) 16 Patienten mit gramnegativer Sepsis (48 %) ∅ CIP 7 Sepsispatienten mit CIP (44 %) kein Patient mit i.v.IgGMA-Gabe
9 Sepsispatienten ohne CIP (56 %)
1 Patient ohne i.v.-IG-Gabe
8 Patienten mit i.v.-IG-Gabe
. Abb. 9-5. Retrospektive Analyse: Critical-illness-Polyneuropathie (CIP) bei Patienten mit septischem Multrorganversagen mit und ohne i.v.-IgGMA (Pentaglobin)-Behandlung innerhalb von 24 h nach Diagnosestellung der Sepsis. Die 3tägige i.v.-IgGMA (Pentaglobin)-Gabe wurde innerhalb von 24 h nach Sepsisdiagnosestellung begonnen, mit einer täglichen Dosis von 0,3 g/ kgKG; 2 Infusionen täglich, Infusionsgeschwindigkeit 2,0 g/h. (Nach Mohr et al. 1997)
lung einer CIP wohl aber die Durchführung der bereits begonnenen prospektiven Studie. Die Notwendigkeit zur maschinellen Beatmung und die protrahierte Weaning-off-Phase sind die entscheidenden Prädikatoren der Intensivpflichtigkeit. Für ein protrahiertes »Weaning off« ist jedoch nicht nur die persistierende Lungenfunktionseinschränkung von wesentlicher Relevanz, sondern – häufig unterschätzt – auch die Schwächung der Atemmechanik und insbesondere der Atemmuskulatur (Leijten et al. 1995; Tobin et al. 1998; Syabbalo 1998; Hussain 1998; Reid 1998). Es mehren sich die Hinweise, dass Sepsis (Krause et al. 1998; Hussain 1998), Endotoxin (Gutierrez et al. 1995; Supinski et al. 1996) und Entzündungsmediatoren (Gute et al. 1998) wie Zytokine (Hopkins 1996; Cannon u. St. Pierre 1998), Stickoxid (NO) (Rubinstein et al.1998) und O2-Radikale (Supinsky 1998) zu einer Schädigung und damit Funktionsbeeinträchtigung der Skelettmuskulatur und damit auch der Atemmuskulatur einschließlich des Zwerchfells führen können. Damit böte diese Form der septischen Myopathie genügend Ansatzpunkte für eine Behandlung mit Immunglobulinen (vgl. . Übersicht 9-1), wobei die Penetrationsfähigkeit für IgG in das Muskelgewebe gezeigt worden ist (Flessner et al. 1997) ! Polyneuropathie, Myopathie und die zum prot-
rahierten Weaning-off führende Schwäche der Atemmuskulatur des Patienten mit Sepsis sind
möglicherweise mit i.v.-Immunglobulingaben in der Frühphase der Sepsis günstig zu beeinflussen. Diese retrospektiv erhobenen Ergebnisse rechtfertigen derzeit noch nicht den Einsatz von Immunglobulinen zur Verhinderung oder Behandlung einer Critical-illness-Polyneuropathie bei Sepsispatienten. Eine prospektive Untersuchung wird derzeit durchgeführt.
Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven Die bisherige Suche nach adjunktiven Therapiemaßnahmen mit einer günstigen Wirkung im Sepsisgesamtkollektiv ist bisher nicht sehr erfolgreich gewesen (7 Kap. 4 und 10), auch die Immunglobulintherapie ist davon nicht ausgenommen (s. oben). Dies erklärt die Bestrebungen, in der heterogenen Gruppe des Sepsisgesamtkollektivs homogene Subgruppen zu klassifizieren, die sich entweder durch das gleiche Erregerspektrum (gramnegative/grampositive Infektionen, mit oder ohne positive Blutkultur, mit oder ohne Endotoxinämie) oder einen vergleichbaren Schweregrad von Sepsis und septisch bedingter Multiorgandysfunktion (z. B. quantifiziert mit Scoresystemen) auszeichnen. Auch für die adjunktive Immunglobulintherapie wurde dieser Weg in der SBITS-Studie (. Übersicht 9-7, s. oben) beschritten. Weitere, wesentlich
230
1 2
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
kleinere Immunglobulinstudien mit unterschiedlichen Sepsissubkollektiven sind in . Tabelle 9-5 aufgelistet:
Kinder mit fulminanter Meningokokkensepsis: Postoperative, scorequantifizierte Sepsis: Bei 113
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
grurpe 45 % – ist nicht signifikant. Die Endauswertung liegt noch nicht vor.
Patienten mit postoperativer Sepsis und einem Sepsisscore ≥ 17 führte die Gabe des polyvalenten i.v.-IgG-Präparates Sandoglobulin (0,4 g/kgKG an Tag 1; 0,4 g/kgKG an Tag 2 und 0,2 g/kgKG an Tag 6) zu einer signifikanten Senkung der Sterblichkeit von 64 % in der Kontrollgruppe auf 33 % in der i.v.-Ig-Gruppe, bedingt durch weniger Todesfälle infolge septischen Schocks. Die Letalitätssenkung war v. a. bei mittelschwerer Sepsis (Sepsisscore 20–25) am deutlichsten. Die Dauer der Intensivstationsbehandlung war in den mit i.v.-IgG behandelten Sepsispatienten mit 19 ± 17 Tagen kürzer als die der Kontrollgruppe (26 ± 16; n. s); die Verstorbenen beider Gruppen wurden gleich lang behandelt (14 ± 12 vs. 14 ± 13 Tage) (Dominioni et al. 1996). Eine Interimanalyse der ersten 62 einbezogenen Patienten – allerdings mit einem Sepsisscore ≥20 – hatte ähnliche Ergebnisse erbracht (Letalität i.v.-Gruppe: 38 %, Letalität Kontrollgruppe: 67 %, Letalitätssenkung 43 %, p <0,05; Dominioni et al. 1991). Septischer Schock mit Endotoxinämie: Bei Patien-
ten mit septischem Schock in der Frühphase (≤24 h) und Endotoxinämie (>12,5 pg/ml) ließ sich durch die i.v.-IgGMA (Pentaglobin)-Gabe an 3 aufeinander folgenden Tagen (Tag 0: 600 ml der 5 %igen Lösung, Tag 1 und Tag 2 je 300 ml) die Sterblichkeit von 32 auf 4 % senken (Schedel et al. 1991). Die außergewöhnlich niedrige Letalität in der Ig-Gruppe einerseits und die Patientenauswahl andererseits waren Gegenstand der Diskussion (Werdan u. Pilz 1991; Wortel u. Dellinger 1993). Leukopenische Leukämiepatienten mit Sepsissyndrom: Eine Interimanalyse (Behre et al. 1995) be-
richtete über den Einsatz von i.v.-IgGMA bei 52 neutropenischen Leukämiepatienten mit Sepsissyndrom (Pentaglobin; nach einer initialen Gabe von 0,2 l der 5 %igen Lösung wurden in den nächsten 72 h 6stündlich 0,1 l infundiert, Gesamtdosis: 1,3 l): der erzielte Letalitätsunterschied von 33 % – Letalität der i.v.-Ig-Gruppe 30 % und der Kontroll-
Die fulminante Meningokokkensepsis (CDC 2001; Gamper et al. 2001; Rosenstein et al. 2001) ist durch eine prognostisch ungünstige, ausgeprägte Endotoxinämie und eine ebenso prognostisch ungünstige, exzessive Komplementaktivierung über den alternativen Weg charakterisiert (Brandtzaeg et al. 1996). Beide Kaskaden könnten durch i.v.-Immunglobuline in ihrer deletären Wirkung abgeschwächt werden: die Endotoxinämie durch IgMund IgG-Antikörper (. Tabelle 9-1) und die Komplementaktivierung durch Bindung aktivierter Komplementkomponenten an IgG und in noch wesentlich stärkerem Maße an IgM (Rieben et al. 1999). Eine klinische Pilotstudie scheint diese Überlegungen zu unterstützen: 1987 wurden in Liverpool 34 Kinder mit Meningokokkensepsis behandelt (Thomson et al. 1989), von denen 13 die schwerste Verlaufsform der fulminanten Menigokokkensepsis (Glasgow-MenigokokkensepsisScore >7) hatten. 11 der 13 Kinder wurde zusätzlich zur Standardtherapie an den ersten beiden Tagen i.v.-IgGMA (Pentaglobin; 5 ml/kg täglich) gegeben. 8 der 11 mit i.v.-IgGMA therapierten Kinder überlebten. In Ermangelung eines kontrollierten Studiendesigns wurden diese Ergebnisse mit denen einer historischen Kontrollgruppe verglichen: 1977-1986 kamen 134 Kinder mit Menigokokkensepsis zur Aufnahme, 19 davon hatten eine fulminante Verlaufsform. Diese 19 nicht mit IgGMA behandelten und 2 weitere, ebenfalls nicht mit IgGMA behandelte Patienten des Jahres 1987 dienten als Kontrollgruppe: von diesen 21 Patienten ohne additive i.v.-IgGMA-Behandlung starben 15 (Thomson et al. 1989). Kasuistik: Den Verlauf einer rasch erkannten und therapierten Meningokokkensepsis bei einer 24jährigen Frau mit den typischen Hauteinblutungen (. Abb. 9-6) zeigt . Abb. 9-7: Die Patientin war 6–8 h nach Erstverdacht im Schock, mit Zeichen eines beginnenden Nierenversagens, Somnolenz, Meningismus und Verbrauchskoagulopathie auf unsere Intensivstation eingewiesen worden. Neben der Antibiotika- und Standardsepsistherapie
9
231 Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven
. Tabelle 9-5. i.v.-Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven. (MOV Multiorganversagen, IgG Sandoglobulin; IgGMA Pentaglobin Patienten
Patienten mit postoperativer Sepsis, Sepsisscore >17
n
113
i.v.-Ig
IgG
Letalität Kontrolle
i.v.-IG
∆
c
d
d vs. c
36/56 (64 %)
19/57 (33 %)
–48 %
p
<0,005
Subgruppen: Score 17–19
17
2/7 (29 %)
0/10 (0 %)
n.s.
Score 20–25
68
23/35 (66 %)
11/33 (33 %)
<0,025
Score >25
28
11/14 (79 %)
8/14 (57 %)
n.s.
16/56 (29 %)
4/57 (7 %)
>0,01
MOV
15/56 (27 %)
14/57 (25 %)
n.s.
nichtseptisch
5/56 (9 %)
1/57 (2 %)
n.s.
Letalität an: septischer Schock
Studiendesign
Literatur
Prosp.
Dominioni et al. (1996)a
Patienten mit septischem Schock (< 24 h) mit Endotoxinämie (>12,5 pg/ml)
55
IgGMa
9/28 (32 %)
1/27 (4 %)
–88 %
0,0063
Prosp.
Schedel et al. (1991)b
Neutropenische Leukämiepatienten mit Sepsissyndrom
52
IgGMA
10/22 (45 %)
9/30 (30 %)
–33 %
p>0,05
Prosp.
Behre et al. (1995)c
Kinder mit fulminanter Meningokokkensepsis
32
IgGMA
15/21 (71 %)
3/11 (27 %)
–62 %
(p=0,019)
Histor.
Thomson et al. (1989)d
Patienten mit Streptokokken»Toxic-shock«Syndrom
53
IgG
0,02
Histor.
IgG
11/32 (34 %) 1/10 (10 %)
–49 %
21
14/21 (67 %) 4/11 (36 %)
–72 %
0,3
Prosp
Kaul et al. (1999) Darenberg et al. (2003)
Abdominelle Sepsise
44
IgGMA
7/21 (33,3 %)
2/23 (8,7 %)
–74 %
0,04
Prosp.
Rodriguez et al. (im Druck)
a Publizierte Interimanalyse (n=62) mit Einschlusskriterien Sepsisscore >20 in Dominioni et al. (1991); b dazu auch die Leserbriefe (Werdan u. Pilz 1992; Wortel u. Dellinger 1993); c Interimanalyse einer laufenden Studie; d Pilotstudie mit der Ig.-Gruppe (Pentaglobin) im Jahre 1987 und einer historischen, nicht mit Immunglobulin behandelten Kontrollgruppe derJahre 1977–1986 (n=19) und 1987 (n=2) mit retrospektiver Datenanalyse; e Frühphase (24h), chirurgisch eradiziert, adäquat antibiotisch behandelt.
232
1 2
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
. Abb. 9-6. 24-jährige Patientin mit Meningokokkensepsis – disseminiert stehende, z. T. konfluierende Ekchymosen
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
. Abb. 9-7. 24-jährige Patientin mit Meningokokkensepsis – Verlauf der Scorewerte und ausgewählter Laborparameter (weitere Erläuterungen s. Text). (Aus Flieger et al. 2003)
18 19 20
wurde auch sofort eine Behandlung mit i.v.-IgGMA (Pentaglobin) und aktiviertem Protein C (Xigris) eingeleitet. Bereits innerhalb der ersten Tage kam es zu einer sehr raschen Besserung (. Abb. 97) der Sepis (Sepsisscore nach Elebute u. Stoner verringert, Prokalzitoninspiegel verringert), des
Schocks und der respiratorischen Insuffizienz ohne Beatmungspflichtigkeit, des MODS (APACHEII-Score verringert), der Inflammation (IL-6-Spiegel verringert), der Verbrauchskoagulopathie und der Leberfunktion (Thrombozytenzahlen und Quick-Wert erhöht). Am 6. Tag nach Krankheits-
233 Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven
beginn konnte die Patientin auf die Allgemeinstation verlegt und nach 3 Wochen mit Restitutio ad integrum aus der Klinik entlassen werden (Flieger et al. 2003).
Patienten mit Streptokokkenund Staphylokokken-»Toxic-shock«Syndrom Für das Streptokokken-»Toxic-shock«-Syndrom wurden beeindruckende Ergebnisse mit i.v.-IgG von der »Kanadischen Streptokokken-Studiengruppe« (. Tabelle 9-5; Kaul et al. 1999) publiziert. In einer Vergleichsstudie mit 32 Patienten ließ sich durch i.v.-IgG-Gabe (2 g/kgKG, ggf. eine weitere Dosis von 2 g/kgKG nach 48 h bei fortbestehender Kreislaufinstabilität) im Vergleich zu einem historischen Kontrollkollektiv mit 21 Patienten die Überlebenswahrscheinlichkeit auf das 8,1fache steigern (95 %-Konfidenzintervall: 1,6–45; p = 0,009; Multivarianzanalyse; Kaul et al. 1999). Das i.v.-IgG hemmte in dieser Studie das Bakterienwachstum im Patientenplasma sowie die TZell-Produktion von Interleukin 6 und Tumornekrosefaktor; verantwortlich dürfte dafür die neutralisierende i.v.-IgG-Wirkung für Exotoxine sein. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass es sich um keine prospektive randomisierte Studie handelte und die Patienten zum Vorteil der i.v.IgG-Gruppe dysbalanciert waren. Ungeachtet dieser Studienunzulänglichkeiten empfiehlt die »Kanadische Streptokokken-Studiengruppe« bei Patienten mit Streptokokken-»Toxic-shock«-Syndrom die Gabe von i.v.-IgG. Sie stellt weiter fest, dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass jemals eine randomisierte kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von i.v.-Ig bei diesem seltenen Krankheitsbild durchgeführt werden wird (Kaul et al. 1999). Die Schwierigkeiten der Durchführung einer placebokontrollierten randomisierten Therapiestudie bei einer so seltenen Sepsisform wie der des Streptokokken-»Toxic-shock«-Sydroms führte auch zum vorzeitigen Abbruch der »Europäischen StreptIg-Studie«, bei der die Wirksamkeit von i.v.-IgG bei diesem Krankheitsbild placebokontrolliert überprüft werden sollte (Darenberg et al. 2003). Anstelle der geplanten 120 Patienten
9
konnten aufgrund von Rekrutierungsproblemen nur 21 Patienten in die vorzeitig beendete Studie eingeschlossen werden. Bei verständlicherweise fehlender Signifikanz (p = 0,3) aufgrund der geringen Fallzahlen zeigte sich dennoch ein erfreulichter Trend: Während in der Placebogruppe 4 der 11 Patienten (36 %) verstarben, war dies in der i.v.IgG-Hochdosisgruppe (2 g/kgKG; . Tabelle 9-2, . Übersicht 9-5) nur einer der 10 einbezogenen Patienten (10 %; . Tabelle 9-5; Darenberg et al. 2003). Signifikant gebessert wurde weiterhin das septische Multiorganversagen – gemessen anhand des Abfalls des SOFA-Scores (7 Kap. 2) – und signifikant gesteigert die Plasmaneutralisationsaktivität gegen Superantigene (Darenberg et al. 2003). Eine günstige Wirkung von i.v.-IgG bei Streptokokken-«Toxic-shock«-Syndrom mit Fasziitis schildert auch ein Fallbericht (Cawley et al. 1999). Fazit: Die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung der kanadischen und der europäischen i.v.-IgGStudien zur Behandlung des Streptokokken-»Toxic-shock«-Syndroms lassen vermuten, dass keine weiteren kontrollierten Studien zur Wirksamkeit von i.v.-Ig bei diesem Krankheitsbild zu erwarten sind (Kaul et al. 1999; Stevens 2003). Der Intensivmediziner muss sich demzufolge anhand der vorliegenden Datenlage entscheiden. Praxistipp Die Datenlage spricht – zwar nur mit geringem Evidenzgrad – für den Einsatz von i.v.I-gG bei Streptokokken-»Toxic-shock«-Syndrom, dann allerdings mit hoher Dosis (2 g/ kgKG, bei fortbestehender Kreislaufinstabilität weitere 2 g/kgKG nach 48 h; . Übersicht 9-5, . Tabelle 9-2)!
Für das Staphylokokken-»Toxic-shock«-Syndrom zeigen niedrige Spiegel oder das Fehlen von Anti-Toxinschock-Syndrom-Toxin-1-Antikörpern eine hohen Gefährdungscharakter an (Childs et al. 1999). Unklar ist die Bedeutung einer adjunktiven Therapie mit Immunglobulinen bei diesem seltenen Sepsiskrankheitsbild.
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Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
Abdominelle Sepsis In einer prospektiven, kontrollierten brasilianischen Studie konnte mit i.v.-IgGMA bei 44 Patienten mit abdomineller Sepsis die Sterblichkeit von 33,3 % auf 8,7 % gesenkt werden (Rodriguez et al., im Druck). Die Studie musste wegen der eindeutigen Überlegenheit der i.v.-IgGMA-Behandlung im Vergleich zur Standardtherapie ohne i.v.-IgGMA vorzeitig abgebrochen werden. Zwei Besonderheiten zeichnen diese erfolgreiche Studie aus: Zum einen wurde eine sehr hohe i.v.-IgGMA-Gesamtdosis von 1,75 g/kgKG eingesetzt (. Tabelle 9-2), mehr als das Doppelte der üblichen Dosis; zum anderen wurde das Immunglobulinpräparat nur dann eingesetzt, wenn die abdominelle Sepsis in der Frühphase (<24 h) adäquat chirurgisch saniert und antibiotisch behandelt worden war. Diese Studie wirkt trotz der zwangsläufig geringen Patientenzahl sehr überzeugend!
Neugeborenensepsis Die Behandlung von schweren Infektionen bei Neugeborenen war Gegenstand einer CochraneAnalyse (Ohlsson u. Lacy 1999). Sie beschreibt bei der Auswertung von 4 randomisierten Studien mit insgesamt 208 Patienten mit vermuteter oder gesicherter Infektion eine 50 %ige Senkung der Sterblichkeit (RR: 0,52; 95 %-Konfidenzintervall: 0,28–0,98). Die Autoren einer weiteren Metaanalyse (Jenson u. Pollock 1998) berichten einen noch ausgeprägteren i.v.-Ig-Effekt zur Prophylaxe und Therapie der Neugeborenensepsis, mit einer Letalitätssenkung auf 1/6 (p = 0,007). Dieser zusätzliche Nutzen sei so überzeugend, dass die Gabe von i.v.-Ig als Bestandteil der Standardtherapie bei der Neugeborenensepsis empfohlen werden kann. In einer Multicenterstudie mit 58 Neugeborenen mit Sepsis ließ sich mit i.v.-IgG (1 g/kgKG an 3 aufeinander folgenden Tagen) keine Letalitätssenkung (OR: 1,0; 95 %-Konfidenzintervall: 0,25– 4,07; p = 0,74) erzielen (Shenoi et al. 1999). In Übereinstimmung damit zeigte eine Cochrane-Metaanalyse (Alejandria et al. 2002 u.
2004) keine Letalitätssenkung bei Neugeborenen mit Sepsis und septischem Schock (n = 241; RR: 0,70; 95 %-Konfidenzintervall: 0,42–1,18).
State of the Art Die Therapieerfolge der vorgestellten Studien sind beeindruckend, und dennoch überzeugen sie anscheinend nicht uneingeschränkt. Der Grund für diese Skepsis ist offensichtlich: Placebokontrollierte Studien mit 52–113 Patienten reichen nach derzeitiger, von Ergebnisforschung geprägter Vorstellung und realistischer Einschätzung eines möglichen Therapieerfolges einfach nicht aus, um mit ausreichender Sicherheit die letalitätssenkende Wirkung eines Sepsistherapeutikums nachzuweisen. Hierzu wären Bestätigungsstudien mit vergleichbarem Design erforderlich. Diese Studien haben es jedoch nicht verdient, nur kritisiert zu werden: sie alle haben den ersten wichtigen Schritt getan, die zu behandelnden Sepsispatienten nach wesentlich klarer definierten, quantifizierbaren Kriterien auszusuchen (neutropenische Tumorpatienten; Sepsisschweregrad; Endotoxinämie) als es üblicherweise in den großen, multizentrischen Studien mit ausschließlich qualitativen Sepsiskriterien der Fall ist. Ein weiterer Unterschied zu den großen, multizentrischen Untersuchungen ist, dass die in . Tabelle 9-5 aufgeführten Studien nur an wenigen Zentren (Dominioni et al.1996: 4 Zentren; Behre et al. 1995: 2 Zentren) bzw. sogar monozentrisch (Schedel et al. 1991; Thomson et al. 1989) durchgeführt worden sind. Damit ist eine viel größere Homogenität der Standardtherapie gewährleistet, als es in den großen, multizentrischen Studien mit 20 und mehr Zentren der Fall sein kann. Vielleicht darf die Immunglobulintherapie nicht isoliert, sondern nur im Kontext mit der jeweiligen Standardtherapie gesehen werden? Vielleicht verwischt die Heterogenität der Standardtherapien,welche in den einzelnen Zentren einer multizentrischen Studie praktiziert werden, den günstigen Effekt eines i.v.Immunglobulins, den dieses nur mit der »richtigen« Standardtherapie entfalten kann? Aber selbst diese Argumentation entbindet nicht von der Verpflichtung, zumindest diese mono- bis oligozent-
235 Infektions- und Sepsisprophylaxe mit Immunglobulinen bei Intensivpatienten…
rischen Studien (. Tabelle 9-5) zu reproduzieren; im Falle des Erfolges müssten dann potentielle Anwender nicht nur die Immunglobulintherapie, sondern auch die Standardtherapie des erfolgreichen Studienzentrums zur Behandlung der Sepsis übernehmen. Ergebnis: Trotz der eindrucksvollen, in . Tabelle 9-5 aufgeführten Ergebnisse kann die letalitätssenkende Wirkung der i.v.-Immunglobulingabe in den dargestellten Sepsisgruppen noch nicht als gesichert gelten. Hierzu müssen die in relativ kleinen Studien erzielten Ergebnisse in Folgestudien reproduziert werden.
Infektions- und Sepsisprophylaxe mit Immunglobulinen bei Intensivpatienten – günstiger Einfluss auf die Morbidität von definierten Risikopatienten und Risikosituationen Neuen Therapiekonzepten wird häufig vorgeworfen, dass sie in der manifesten Sepsisphase bereits zu spät kämen, da das überschießende und damit deletäre Mediatornetzwerk bereits irreversibel angestoßen und nicht mehr zu bremsen sei. Um diesem fatalen Prozess zuvorzukommen, böten sich Sepsis-bzw.Infektionsprophylaxemaßnahmen an. Entscheidend hierbei wäre, aus der großen Zahl der wenig gefährdeten Intensivpatienten die wenigen, höher- bis hochgradig infektions- und sepsisgefährdeten Patienten möglichst frühzeitig – vor Ausbruch der Infektion – anhand von Anamnese-, Patienten- und Laborparametern zu identifizieren. Für den Einsatz von i.v.-Immunglobulinen scheint dieser Weg durchaus gangbar:
Infektionsprophylaxe bei Risikointensivstationspatienten Mit der prophylaktischen Gabe von i.v.-Immunglobulinen kann das Auftreten von Infektionen bei Intensivpatienten gesenkt werden (. Tabelle 96). Besonders Erfolg versprechend erscheint hier einerseits der prophylaktische Einsatz nach Operationen mit bekanntermaßen hohen postopera-
9
tiven Infektionsrisiko (. Tabelle 9-6) und andererseits die bereits präoperativ mögliche Selektion von Risikopatienten, z. B. die Identifizierung von anergen Patienten vor herzchirurgischen Eingriffen (Kress et al. 1999) oder von Sepsisrisikopatienten (etwa jeder 3. Patient) vor kolorektalen Tumoroperationen (Cafiero et al. 1992). Bei Immunerkrankungen – Guillain-BarréSyndrom, Myasthenia gravis, systemischer Lupus erythematodes, Polymyositis, hämolytisch-urämisches Syndrom, thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, Immunvaskulitis, Wegener-Granulomatose und Lambert-Eaton-Syndrom – stellt die Plasmaseparation eines der praktizierten Therapieverfahren dar. Vor allem, wenn die so behandelten Patienten infolge ihrer Grunderkrankung gleichzeitig beatmet und/oder immunsuppressiv behandelt werden müssen, bedingt die Plasmaseparation aufgrund der dabei erfolgenden Immunglobulinelimination ein hohes Infektionsund Sepsisrisiko. In einer monozentrischen, erwartungsgemäß kleinen kontrollierten Studie an 28 Patienten ließ sich durch die i. v-IgGMA-Gabe Inzidenz und Dauer der unter Plasmaseparation auftretenden Sepsisepisoden reduzieren (. Tabelle 7-6; Horstkotte et al. 1992).
I.v.-Ig-Prophylaxe bei Traumapatienten Patienten mit schwerem Trauma sind Sepsisund MODS-gefährdet; sie haben häufig eine geschwächte Immunabwehr mit zu geringer Produktion von IgM- und IgG-Antikörpern gegen Lipid A (7 Kap. 8) und LPS (Pape et al. 1999). In einer placebokontrolllierten Studie mit 39 Traumapatienten eines definierten Schweregrads (Trauma Injury Severity Score 16–50) erhielten 21 Patienten eine prophylaktische i.v.-IgG-Gabe (je 0,25 g/kgKG an den Tagen 1, 2, 3 und 6; Douzinas et al. 2000; s. auch . Übersicht 9-5 und . Tabellen 9-2 und 96). Die mit i.v.-IgGMA behandelten Patienten hatten weniger Pneumonien (2/11 vs. 11/18; p = 0,003) und weniger nichtkatheterbedingte Infektionen (p = 0,04) als die Gruppe mit Standardtherapie ohne i.v.-IgG-Gabe. Die Zahl der Katheterinfektionen, die Dauer des Intensivstationsaufenthalts, die Tage mit Antibiotikagabe und die infektions-
236
1
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
. Tabelle 9-6. Einsatz von i.v.-Immunglobulin (Ig) zur Infektions- bzw. Sepsisprophylaxe bei Intensivpatienten. Prospektiv-randomisierte Studien
2
Patienten
n
i.v.-Ig
i.v.-Ig-Wirkung im Vergleich zur Kontrollgruppe
Referenzen
3
Chirurgisch
150
IgG
↓ Lokale Infektionen postop.
Duswald et al. (1980)
Chirurgisch (kolorektale Tumoroperationen), Sepsis-Risikopatienten
80
IgG1
↓ Pneumonien postoperativ
Cafiero et al. (1992)
*Chirurgisch, nach definierten Operationen mit hohem SepsisRisiko postoperativ
352
IgG
↓ Infektionen postoperativ ↓ Pneumonien postoperativ ↓ Aufenthalt auf Intensivstation ↓ Krankenhausaufenthalt
The Intravenous Immunoglobulin Collaborative Study Group (1992)
Herzchirurgisch, anerg
47
IgGMA1
↓ Infektionen postoperativ
Kress et al. (1999)
8
Polytraumatisiert
150
IgG
↓ Pneumonien
Glinz et al. (1985)
9
Plasmaseparation unter Respiratortherapie
28
IgGMA2
↓ Sepsis-Inzidenz (3/14 vs. 9/14) ↓ Sepsis-Dauer (23+11 vs. 42+28 h) ↑ Beatmungsdauer (148,1 vs. 96,3 h) ↔ Intensivbehandlung (10,7+8,7 vs. 9,2+6,3 Tage)
Horstkotte et al. (1992)
Traumapatienten
150
IgG
↓ Pneumonie-Inzidenz (28 vs. 43; p = 0,0111) ↓ Antibiotikaverbrauch
Glinz et al. (1985)
Traumapatienten (Trauma Injury Severity Score 16–50)
39
IgG
↓ Pneumonien (2/21 vs. 11/18)
Douzinas (2000)
4 5 6 7
10 11 12 13 14 15
*Ausführliche Beschreibung dieser Studie: s. Text und Tab. 9-7 und Übersicht 9-8; 1Präparat und Dosierung s. Übersicht 9-5; 2Initialdosis von 100 ml Pentaglobin (Infusionszeit 30 min) unmittelbar nach Beendigung der ersten Plasmaseparation; danach kontinuierliche Erhaltungsdosis (8 ml/h, 200 ml/25 h); vor jeder neuerlichen Plasmaseparation Unterbrechung der Dauerinfusion und nach Beendigung der Plasmaseparation Beginn mit neuerlicher Aufsättigung (Horstkotte et al. 1992); 3ISS = Injury Severity Score.
16 17 18 19 20
bedingte Letalität waren in beiden Gruppen allerdings nicht unterschiedlich. Die Serumbakterizidie – invers korreliert mit einem erhöhten Risiko für Pneumonien und nichtkatheterbedingte Infektionen – war an Tag 2 in beiden Gruppen gleich, an den Tagen 4 und 7 in der i.v.-IgG-Gruppe aber signifikant höher, wohingegen die Komplementspiegel nicht unterschiedlich waren.
! Bei Traumapatienten kann die prophylaktische
Gabe von i.v.-IgG das Risiko des Auftretens von Pneumonien und nichtkatheterbedingten Infektionen reduzieren und die Serumbakterizidie erhöhen; infektionsbedingte Letalität, Antibiotikaverbrauch und Liegedauer werden allerdings dadurch nicht positiv beeinflusst. Demzufolge wird die prophylaktische i.v.-IgG-Gabe bei Traumapatienten trotz der günstigen Effekte kritisch hinterfragt (Bianchine 2000).
9
237 Infektions- und Sepsisprophylaxe mit Immunglobulinen bei Intensivpatienten…
I.v.-Ig-Prophylaxe nach Risikooperationen Als nach Ansicht des Autors überzeugendste Untersuchung soll im Folgenden die placebo-kontrollierte Studie der Intravenous Immunglobulin Collaborative Study Group aufgeführt werden (. Tabelle 9-7): Durch die unmittelbar postoperativ begonnene prophylaktische Gabe eines polyvalenten Immunglobulin G nach a priori festgelegten Operationen mit hohem Infektionsrisiko (. Übersicht 9-8) ließ sich das Auftreten von Infektionen – insbesondere von Pneumonien – signifikant senken, und die mit Immunglobulin behandelten Patienten konnten 2 Tage früher von der Intensivstation auf die Allgemeinstation verlegt und im Mittel 7,5 Tage früher aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Sepsisinzidenz wurde allerdings durch die Immunglobulingabe nicht gesenkt. Wie in den anderen in . Tabelle 9-6 aufgeführten Studien kam es jedoch aufgrund der geringen Patienteneinschlusszahlen erwartungsgemäß zu der insgesamt niedrigen Sterblichkeit in dieser Prophylaxenstudie.
. Übersicht 9-8.
Operationen mit hohem postoperativen Infektionsrisiko, bei denen eine günstige Wirkung einer i.v.-IgG-Prophylaxe belegt ist. Eine i.v.-IgG-Prophylaxe (. Tabelle 9-7) führte zu den in Tabelle 9-7 gezeigten Ergebnissen. (Nach Intravenous Immunoglobulin Collaborative Study Group 1992) 5 Ösophagustumorchirurgie, 5 kontaminierte abdominelle Operationen (z. B. Abszess, Fistel, Perforation), 5 Second-look-abdominelle Operationen nach Misserfolg des vorangegangenen chirurgischen Eingriffs, 5 operative Behandlung einer schweren, transfusionspflichtigen (>10E) gastrointestinalen Blutung, 5 Peritoneallavage wegen schwerer Pankreatitis (mit mehr als 3 Kriterien nach Ranson, 6
. Tabelle 9-7. Prophylaktischer Einsatz von i. v-Immunglobulin G (IgG) bei chirurgischen Patienten nach Operationen mit hohem Infektionsrisiko postoperativ. 352 chirurgische Patienten wurden nach a priori definierten Operationen mit hohem Infektionsrisiko (. Übersicht 9-8) in einer placebokontrollierten, randomisierten, doppelblinden Multicenterstudie entweder mit einem i. v.-Standardimmunglobulin G (IgG, Gammagard; jeweils 400 mg/kgKG/Woche; erste Dosis unmittelbar postoperativ; maximal 4x), mit einem Lipopolysaccharidhyperimmunglobulin G (Ergebnisse in Tabelle nicht aufgeführt) oder mit Placebo (Albumin) behandelt. Im Gegensatz zur hier vorgestellten Behandlung mit i.v.-Standardimmunglobulin G (IgG) hatte die Gabe von i. v.-Lipopolysaccharidhyperimmunglobulin G keine prophylaktische Wirkung bezüglich auftretender Infektionen (Daten nicht gezeigt). (Nach IICSG 1992) IgG (n = 109)
Albumin (n = 112)
P
Postoperativ: Patienten mit Infektionen Infekionshäufigkeit/100 Patiententage Pneumonien Abdominelle Infektionen
36 2,8 15 18
53 3,8 30 25
0,03 0,08 0,04 n.s.
Letalität
14 %
20 %
n.s.
Verkürzte Verweildauer (Tage): Intensivstation Krankenhaus
–2 –7,5
0,02 0,06
238
1 2 3 4 5
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
5 rupturiertes Bauchaortenaneurysma oder Aneurysma mit einem Transfusionsbedarf von mehr als 20 Einheiten, 5 schweres abdominelles oder retroperitoneales Trauma mit Transfusionsbedarf von mehr als 10 Einheiten und Intubationspflichtigkeit länger als 24 h.
7
Bei den in der . Übersicht 9-8 aufgeführten Operationen führte eine i.v.-IgG-Prophylaxe (Dosierung . Übersicht 9-5 und Legende 9-6) zu den in . Tabelle 9-7 gezeigten Ergebnissen (Nach Intravenous Immunglobulin Collaborative Study Group 1992).
8
! Die i.v.-IgG-Gabe (Dosierung . Übersicht 9-5)
6
9 10 11
nach den in . Übersicht 9-8 aufgeführten Operationen mit hohem Infektionsrisiko postoperativ senkt die Häufigkeit von postoperativen Pneumonien und verkürzt die durchschnittliche Verweildauer der operierten Patienten auf der Intensivstation (Intravenous Immunglobulin Collaborative Study Group 1992). Dieses Vorgehen ist studienmäßig überzeugend belegt.
12 13 14 15 16 17 18 19 20
In einer zusammenfassenden Wertung kommt Hill (2000) zu der Empfehlung, bei Frühgeborenen auf den Einsatz von i.v.-Ig zur Verhinderung nosokomialer Infektionen zu verzichten.
Ig-Prophylaxe und -Therapie bei kritisch kranken Herzpatienten Herzoperationen mit der Herz-Lungen-Maschine induzieren bei den Patienten eine – z. T. eskalierende – Inflammationsreaktion, die als wesentlicher perioperativer Risikofaktor anzusehen ist. Glücklicherweise ist aber das perioperative Risiko bei Herzoperationen insgesamt relativ niedrig, sodass sich die Bemühungen, mit immunmodulierenden Maßnahmen wie der i.v.-Ig-Gabe (Sablotzki et al. 1999) die Inflammationsvorgänge zu unterdrücken, auf klar definierte Risikogruppen konzentrieren. Selbst bei primär nicht infektiösen Herzerkrankungen spielen inflammatorische Vorgänge häufiger eine Rolle, als man bisher angenommen hat. Auch diese inflammatorischen Vorgänge versucht man durch die i.v.-Ig-Gabe modulierend zu beeinflussen, wie dies beim Koronarbefall des Kawasaki-Syndroms bereits Therapiestandard ist.
I.v.-Ig-Prophylaxe bei Frühgeborenen Eine Metaanalyse (Ohlsson u. Lacy 1999) des prophylaktischen i.v.-Ig-Einsatzes in 15 randomisierten, kontrollierten Studien mit 5054 Frühgeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht zeigt eine Reduktion des Auftretens einer Sepsis von 17 % [RR: 0,83; 95 %-Konfidenzintervall: 0,72–0,97; NNT (»number needed to treat«): 36]. Die i.v.-Ig-Prophylaxe wird als sicher und ohne gravierende Nebenwirkungen eingestuft. Eine Reduktion der Sterblichkeit wird dadurch jedoch nicht erreicht (Ohlson u. Lacy 1999). Ein ganz anderes Bild zeigt dagegen eine placebokontrollierte Studie mit 81 Neugeborenen mit niedrigem Nabelschnurblut-IgG-Spiegel von ≤ 4,0 g/l: Die prophylaktische i.v.-IgG-Gabe von 1 g/kgKG an den Tagen 0, 3, 7, 14 und 21 konnte weder das Auftreten von Infektionen reduzieren noch die Letalität senken (Sandberg et al. 2000).
Anerge Patienten vor herzchirurgischem Eingriff Ungefähr 8 % aller herzchirurgischen Patienten sind anerg, wie sich anhand eines Hauttests belegen lässt (Kress et al. 1999). Diese Patienten entwickeln postoperativ in einem höheren Maße Infektionen als normerge Patienten (43 % vs. 15 %). Durch eine 4 h postoperativ begonnene kontinuierliche i.v.-IgGMA-Gabe (Pentaglobin) für 53 h (Dosierung . Übersicht 9-5) kann die Infektionshäufigkeit von 43 % auf 5 % gesenkt werden (Kress et al. 1999).
239 Ig-Prophylaxe und -Therapie bei kritisch kranken Herzpatienten
Praxistipp Bei anergen herzchirurgischen Patienten ließ sich unter Studienbedingungen das Auftreten postoperativer Infektionen durch die Gabe eines IgM-haltigen Präparats (Pentaglobin) senken.
Eskalierendes SIRS nach herzchirurgischem Eingriff Jeder 2. Todesfall nach Herzoperationen mit der Herz-Lungen-Maschine ist auf eine Sepsis oder ein eskalierendes SIRS unmittelbar postoperativ zurückzuführen (Kuhn et al. 2000). Viele dieser gefährdeten Patienten mit einem Letalitätsrisiko um 40 % können bereits am 1. postoperativen Tag anhand eines hohen APACHE-II-Score und hoher Serumwerte für TNF-α, TNF-Rezeptor p55 und TNF-Rezeptor p75 identifiziert werden (Pilz et al. 1996 und 1997). Die Wirksamkeit von i.v.-IgG bei der Behandlung dieses eskalierenden SIRS nach Herzoperationen wurde in der placebkontrollierten ESSICSStudie (»Efficacy of early supplemental immunoglobulin therapy in score-identified post-cardiac surgical patients at high risk for severe systemic inflammatory response – comparison of mortality under treatment with polyvalent i.v. immunoglobulin vs. placebo«) untersucht (Protokollauszug und Pilotprojekt: Kuhn et al. 2000). In 11 Herzzentren in Deutschland wurden aus einer Gesamtzahl von 6982 mit der Herz-Lungen-Maschine operierten Patienten diejenigen 244 randomisiert, die am 1. postoperativen Tag einen APACHE-II-Score ≥28 aufwiesen. Die Hälfte der Patienten erhielt zusätzlich zur Standardtherapie 10 %iges i.v.-IgG (Polyglobin; 0,6 g/kgKG an Tag 1; 0,3 g/kgKG an Tag 2). Mit der Immunglobulingabe ließ sich keine Letalitätssenkung erzielen (Werdan et al., Manuskript in Vorbereitung). ! Die Behandlung des Patienten mit frühem eska-
lierendem SIRS nach Herzoperation mit einem Ig-G-Präparat erscheint demnach nicht indiziert.
9
Mediastinitis nach herzchirurgischem Eingriff Mediastinitiden treten nach Herzoperationen mit der Herz-Lungen-Maschine und medianer Sternotomie in einer Häufigkeit von 1,5–2,5 % auf; die Sterblichkeit der betroffenen Patienten mit Standardtherapie liegt bei 20–40 % (Neugebauer et al. 1999). In der laufenden ATMI-Studie (»Adjuvant Treatment of Mediastinitis with Immunoglobulins – Pentaglobin – after Cardiac Surgery«) wird die Wirkung einer adjunktiven i.v.-IgGMA-Therapie in einer placebokontrollierten, doppelblinden, randomisierten, prospektiven Studie mit 100 Patienten überprüft (Neugebauer et al. 1999). Als primäres Zielkriterium gilt der therapeutisch-pflegerische 28-Tage-Aufwand, gemessen mit dem TISS-Score (Neugebauer et al. 1999). Die i.v.-IgGMA-Dosis liegt bei 5 ml = 0,25 g/kgKG/Tag an 5 aufeinander folgenden Tagen. Das Studienprotokoll bildet die Basis eines Protokolldiskussionsforums (Neugebauer et al. 1999).
Fulminante Myokarditis und akute Kardiomyopathie Eine fulminante Myokarditis und eine akute Kardiomyoathie viraler, immunogener und genetischer Genese können zum kardiogenen Schock mit konsekutivem MODS und Sepsis führen. Die Verbesserung der Herzfunktion unter diesen Bedingungen kann somit als eine Art Sepsisprophylaxe angesehen werden. Einige Gründe sprachen für eine positive Wirkung von Immunglobulinen bei diesen Erkrankungen: günstige i.v.-IgG-Effekte bei muriner viraler Myokarditis (Kishimoto et al. 2000), die gesicherte therapeutische Wirkung von i.v.-IgG bei der Kawasaki-Erkrankung (Wahn 2000) und die ermutigenden Ergebnisse zweier i.v.-IgG-Beobachtungsstudien mit pädiatrischen und adulten Patienten, welche eine akute Kardiomyopathie auf-wiesen (Literatur in McNamara et al. 2001) bzw. mit Patientinnen, bei denen es während der Schwangerschaft oder postpartal zur Kardiomyo-
240
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
pathie gekommen war (Peripartumkardiomyopathie; Bozkurt et al.1999). Die »Probe aufs Exempel« – die prospektive, randomisierte, placebokontrollierte IMAC-Studie (»Intervention in Myocarditis and Acute Cardiomyopathy Study«; McNamara et al. 2001) – brachte leider eine Enttäuschung: In die Studie waren 62 Patienten (43 ± 12,3 Jahre) mit neu aufgetretenen Symptomen (≤6 Monate) einer dilatativen Kardiomyopathie und einer erheblich eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion von ≤40 % einbezogen worden. Die Patienten erhielten entweder 2 g i.v.-IgG/kgKG oder Placebo. Bei 16 % zeigte die vor der Randomisierung durchgeführte Myokardbiopsie Zeichen einer zellulären Entzündung. Die i.v.-IgG-Gabe konnte weder die linksventrikuläre Auswurffraktion nach 6 und 12 Monaten verbessern (so das primäre Zielkriterium) noch andere sekundäre Zielkriterien. Wieder einmal konnten ermutigende Ergebnisse in Beobachtungsstudien in einer kontrollierten multizentrischen Studie nicht bestätigt werden.
Chylothorax nach Operationen angeborener Vitien Nach operativer Korrektur angeborener Vitien tritt mit einer Häufigkeit von 0,5–2 % ein Chylothorax auf (Mohan et al. 1999). Der Chylothorax ist als ernste postoperative Komplikation aufzufassen: Er kann zu Antikörperdepletion, Lymphozytopenie, Protein- und Kalorienmalnutrition, Elektrolytentgleisungen und zum erhöhten Risiko systemischer Infektionen führen. Über günstige Effekte der prophylaktischen Gabe von i.v.-IgG – mit Dosen zur Erzielung von Serum-IgG-Spiegeln von >7500 mg/l – und des therapeutischen i.v.-IgG-Einsatzes bei manifester Sepsis wurde berichtet (Mohan et al. 1999).
Immunglobuline bei schwerer Sepsis und septischem Schock – Fazit für die Praxis »Ja« oder »Nein« – So einfach ist es nicht! Auch Immunglobuline sind bei der Sepsisbehandung leider keine »magic bullets« im Sinne von R.C. Bone (. Tabelle 9-8). Dennoch gibt es zahlreiche Befunde, die überlegenswert sind: Die Cochrane-Institution und das »International Sepsis-Forum« kommen hinsichtlich der Wirksamkeit von i.v.-Ig bei Erwachsenen zu konträr unterschiedlichen Empfehlungen. Würden allerdings die negativen Ergebnisse der SBITS-Studie mit i.v.-IgG in die Cochrane-Analyse einbezogen werden – was bisher noch nicht geschehen ist –, so würde das positive Ergebnis der Metaanalyse für i.v.-IgG deutlich geringer ausfallen bzw. vollständig neutralisiert werden. Bestehen bleiben jedoch die positiven Ergebnisse kleiner Sepsissubgruppenstudien der Cochrane-Analyse für i.v.-IgGMA (. Tabelle 9-8). Unzweifelhaft finden sich für die Wirkungen von i.v.-Ig bei Sepsis positive Effekte. Entsprechend den evidenzbasierten Grundlagen lassen sich v. a. für definierte Sepsissubgruppen günstige Effekte unterschiedlicher Evidenzgrade (. Tabelle 9-8) nachweisen, besonders überzeugend wirkt die i.v.-IgGMA-Behandlung der abdominellen Sepsis nach erfolgreicher Fokuselimination und adäquater Antibiotikabehandlung (Rodriguez et al., im Druck). Dem behandelnden Arzt bleibt es überlassen zu entscheiden, welchen Evidenzgrad er als ausreichend ansieht, um i.v.-Ig-Präparate einzusetzen. Bei ungünstiger Krankheitsprognose und Fehlen alternativer erfolgreicher Therapiemaßnahmen wird man ein Behandlungskonzept bereits bei einem niedrigerem Evidenzgrad einsetzen als bei günstiger Krankheitsprognose und Vorhandensein alternativer, preiswerterer Behandlungskonzepte. Insbesondere die Meningokokkensepsis und das Streptokokken-»Toxic-shock«-Syndrom sind seltene Sepsisformen mit hoher Letalität, bei denen keine größeren Therapiestudien mit alternativen Behandlungskonzepten mehr zu erwarten sind. Bei diesen Patienten muss sich der behan-
241 Immunglobuline bei schwerer Sepsis und septischem Schock…
delnde Arzt anhand der aktuellen Datenlage entscheiden; der Autor dieses Kapitels hat sich für die Gabe von i.v.-Ig entschieden (. Abb. 9-6 u. 9-7). Sind die bisherigen Dosen von etwa 1 g/kgKG für i.v.-IgG und 0,75 g/kgKG für i.v.-IgGMA ausreichend? Für die erfolgreiche Behandlung der aku-
ten Thrombozytopenie – die erste erfolgreiche Indikation der i.v.-Immunglobuline – werden 2 g/ kgKG eingesetzt. Trifft dies auch für die Behandlung der Sepsis zu? Neuere Studiendaten sprechen dafür: Die wenigen »Hochdosisstudien« waren alle erfolgreich, wie die zur Behandlung des Streptokokken-»Toxic-shock«-Syndroms mit 2 g/ kgKG i.v.-IgG-Gesamtdosis (Kaul et al. 2000; Darenberg et al. 2003), ebenso wie die zur Therapie der chirurgisch eradizierten abdominellen Sepsis mit 1,75 g i.v.-IgGMA/kgKG (Rodriguez et al., im Druck). Dem stehen zahlreiche »Normdosisstudien« mit weit weniger guten Resultaten gegenüber. Im Gegensatz zur strittigen Sepsistherapie sind die Resultate der i.v.Ig-Infektionsprophylaxe bei Intensivpatienten überzeugend: Bei chirurgischen Patienten nach Risikooperationen (i.v.-IgG), anergischen herzchirurgischen Patienten (i.v.-IgGMA) und Traumapatienten (i.v.-IgG) (. Tabelle 9-8) können Infektionen, insbesondere Pneumonien, deutlich reduziert werden. Nicht so klar dagegen ist, welche Konsequnenzen die Verminderung von Infektionen auf die Prognose der Patienten hat. Dieser i.v.-Ig-Infektionsprophylaxe stehen viele Intensivmediziner aufgrund der zugegebenermaßen noch zu verbessernden Datenlage skeptisch gegenüber (Heiken u. Schmidt 2003); beim Einsatz neuer Antibiotika ist häufig die Akzeptanz trotz schlechterer Evidenzlage wesentlich größer. Für den Autor wirken die in . Tabelle 9-8 aufgeführten Studienergebnisse zur i.v.-Ig-Infektionsprophylaxe überzeugend. Praxistipp Vieles spricht dafür, dass die Gabe von Immunglobulinen bei schwerer Sepsis und septischem Schock günstige Wirkungen hat und der Einsatz nach Ansicht des Autors bei bestimmten Indikationen auch indiziert sein kann (. Tabelle 9-8), Letzteres allerdings derzeit noch mit geringem Evidenzgrad. Dennoch 6
9
muss nochmals betont werden, dass die Gabe von Immunglobulinen bei Sepsis und septischem Schock keine zugelassene Therapie darstellt (s. Abschnitt »Senkt die i.v.-Ig-Therapie die Sterblichkeit?«). Der Anwender musssich demzufolge auch der Problematik des »Off-label-use« von Arzneimitteln gewärtig sein, auch wenn es um die Finanzierung der Behandlung geht (Heiken u. Schmidt 2003). Denn die Leistungspflicht einer Krankenkasse für eine Arzneimitteltherapie außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete kommt nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen in Betracht. Diese Voraussetzungen sind gegeben bei einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung, bei der keine andere Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht – zur Spezifizierung s. Heiken u. Schmidt (2003) – besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen ist.
Diese therapeutische »Gratwanderung« kann nur dadurch sicherer gemacht werden, dass in den nächsten wenigen Jahren die i.v.-Ig-Sepsisforschung schwerpunktmäßig vorangetrieben wird! In Zukunft werden es Therapieoptionen, die die Evidenzgradhürde C nicht überwinden, noch schwerer haben als bisher, akzeptiert und finanziert zu werden!
242
1 2
Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
. Tabelle 9-8. Prophylaxe und Therapie der Sepsis mit i.v.-Immunglobulinen – evidenzbasierte Empfehlungen Patientenkollektiv
i.v.-Ig
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Therapieempfehlung Cochrane-Metaanalyse
»International SepsisForum«
Weitere Studiendaten
Empfehlungsgrad
E grad
Empfehlungsgrad
Inoffizielle Autoreneinschätzung
i.v.-Ig-Sepsistherapie (Erwachsene) 5 Der Patient mit schwerer Sepsis und septischem Schock (Sepsigesamtkollektiv) – Letalitätssenkung • Erwachsene i.v.-Ig Ja (RR: 0,62) Nein (C) • Neugeborene i.v.-Ig Nein (n.s.) Nein (C) Ja (RR: 0,73) • Erwachsene i.v.-IgG Ja (RR: 0,48) i.v.IgGMA – Besserung des septischen MODS • Schwere Sepsis i.v.-IgG i.v.-IgGMA 5 Spezifische Sepsissubgruppen – Letalitätssenkung • Postoperative Sepsis mit Sepsisscore ≥20–25 • Septischer Schock (≤24 h) mit Endotoxinämie (>12,5 pg/ml) • Abdminelle Sepsis (schwere Sepsis oder septischer Schock) • Meningokokkensepsis (Kinder und Erwachsene) • Streptokokken»Toxic-shock«Syndrom • Neutropenische Leukämiepatienten mit Sepsissyndrom
Neina (B) –
Nein Ja*
Ja, geringa (B) Neinb (C)
i.v.-IgG
Jac (C)
Ja
i.v.-IgGMA
Jad (C)
Ja
i.v.-IgGMA
Jae (C)
Ja
i.v.-IgGMA
Jaf (E)
Ja
i.v.-IgG
Jag (E)
Ja
i.v.-IgG
?h
– Besserung des septischen MODS • Streptokokken-»Toi.v.-IgG xic-shock«-Syndrom
Jai (C)
Ja
– Reduktion des Auftretens der »Critical-illness«-Neuropathie • Gramnegative Sepsis i.v.-IgGMA
Jaj (E)
Ja
Neink (B)
Nein
5 Der Patient mit eskalierendem SIRS – Nach Herzoperation i.v.-IgG
9
243 Immunglobuline bei schwerer Sepsis und septischem Schock…
. Tabelle 9-8. (Fortsetzung) Patientenkollektiv
i.v.-Ig
Therapieempfehlung CochraneMetaanalyse
»International SepsisForum«
Weitere Studiendaten
Empfehlungsgrad
Empfehlungsgrad
Empfehlungsgrad
Inoffizielle Autoreneinschätzung
i.v.-Ig-Prophylaxe zur Vermeidung schwerer Infektionen bei Intensivstationspatienten (Erwachsene) 5 Patienten nach großen Risikooperationen
i.v.-IgG
Postoperative Pneumonien ↓, Verweildauer auf der Intensivstation ↓ Jal (B)
5 Anerge Patienten nach herzchirurgischem Eingriff
i.v.-IgGMA
Postoperative Infektionen ↓ Jam (C)
Ja
5 Patienten mit schwerem Trauma (ISS 16–50)
i.v.-IgG
Pneumonien ↓, nichtkatheterbedingte Infektionen ↓ Jan (C)
Ja
Ja
* Dosisempfehlung (Empfehlung des Herstellers und Dosis der Cochrane-evaluierten Studien): Gesamtdosis von 0,75 g/kgKG (5 ml=0,25 g/ kgKG an 3 aufeinander folgenden Tagen). a SBITS-Studie (0,9 g/kgKG Gesamtdosis; s. Abschn. »Senkt die i.v.-Ig-Therapie die Sterblichkeit?«, Tabelle 9-2, Übersicht 9-7; Werdan et al. 1997). b 0,75 kgKG Gesamtdosis (s. Abschn. »Bessert die i.v.-Ig-Therapie den Schweregrad von Sepsis und Multiorgandysfunktion?« und Tabelle 9-2; Tugrul et al. 2002). c 1,0 g/kgKG Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und 9-5 und Abschn. »Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven«; Dominioni et al. 1996). d 60 g Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und 9-5 und Abschn. »Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven«; Schedel et al. 1991). e 1,75 g/kgKG Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und 9-5 und Abschn. »Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven«; Rodriguez et al., im Druck). f 0,5 g/kgKG Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und Abschn. »Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven«; Thomson et al. 1989). g 2,0 bzw. 4,0 g/kgKG (s. Tabelle 9-2 und Abschn. »Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven«; Kaul et al. 1999). h 65 g Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und 9-5 und Abschn. »Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven«; Behre et al. 1995). i 2,0 g/kgKG Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und Abschn. »Adjunktive Immunglobulintherapie in Sepsissubkollektiven«; Darenberg et al. 2003). j 0,9 g/kgKG Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und Abschn. »‘Critical-illness‘-Neuropathie und Myopathie bei gramnegativer Sepsis: erste Hinweise auf eine günstige Wirkung einer frühzeitigen i.v.-IgGMA-Gabe«; Mohr et al. 1997). k 0,9 g/kgKG Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und Abschn. »Ig-Prophylaxe und -Therapie bei kritisch kranken Herzpatienten«; Kuhn et al. 2000. l Maximal 1,6 g/kgKG Gesamtdosis (s. Tabelle 9-2 und 9-6 und Abschn. »I.v.-Ig-Prophylaxe nach Risikooperationen«; The Intravenous Immunoglobulin Collaborative Study Group 1992). m Gesamtdosis s. Tabellen 9-2 und 9-6 und Abschn. »Ig-Prophylaxe und -Therapie bei kritisch kranken Herzpatienten« (Kress et al. 1999). n 1,0 g/kgKG (s. Tabelle 9-2 und 9-6 und Abschn. »I.v.-Ig-Prophylaxe nach Risikooperationen«; Douzinas et al. 2000). Klassifizierung der Empfehlungen (in Anlehnung an »International Sepsis-Forum« 2001): – Empfehlungsgrad A: mindestens 2 Klasse-I-Studien; – Empfehlungsgrad B: eine Klasse-I-Studie; – Empfehlungsgrad C: nur Klasse-II-Studien; – Empfehlungsgrad D: wenigstens eine Klasse-III-Studie; – Empfehlungsgrad E: Klasse-IV- oder Klasse-V-Evidenz.
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Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
. Tabelle 9-8. (Fortsetzung) Die Empfehlungsgrade basieren auf folgenden Evidenzgraden: – Evidenzgrad I: große, randomisierte Studien mit eindeutigen Ergebnissen; geringes Risiko falsch-positiver (α-) oder falsch-negativer (β-)Fehler; – Evidenzgrad II: kleine, randomisierte Studien mit unsicheren Ergebnissen; mäßiges bis hohes Risiko eines falsch-positiven (α-) oder falsch-negativen (β-)Fehlers; – Evidenzgrad III: nichtrandomisierte Studien mit zeitgleichem Kontrollkollektiv; – Evidenzgrad IV: nichtrandomisierte historische Kontrollkollektive und Expertenmeinungen; – Evidenzgrad V: Kasuistikstudien, nichtkontrollierte Studien und Expertenmeinungen. RR relatives Risiko; n.s. nicht signifikant; ISS Iniury Severity Score.
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Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
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Kapitel 9 · Prävention und Therapie mit Immunglobulinen – Gesichertes und weniger Gesichertes
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10 Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes W. Seeger, F. Grimminger, D. Walmrath
Allgemeine Übersicht
– 249
Konzepte der Mediatorblockade: Zytokine
– 253
Konzepte der Mediatorblockade: Lipidmediatoren – 261 Konzepte der Mediatorblockade: granulozytenassoziierte Mediatoren – 263 Konzepte der Mediatorblockade: vasoaktive Mediatoren – 265 Konzepte der Mediatorblockade: verschiedene Therapieansätze – 268 Konzepte der Immunmodulation: Interferon-γ, Granulocyte (Macrophage) Colony Stimulating Factor [G(M)-CSF] – 268 Fazit für die Praxis Literatur
– 269
– 272
Allgemeine Übersicht Gemäß den grundlegenden Ausführungen zur Definition der Sepsis in 7 Kap. 1 steht die systemische Einschwemmung von Mikroben (in der Regel Bakterien oder Pilze) und/oder mikrobiellen Produkten am Anfang der pathophysiologischen Abläufe der Sepsis (. Abb. 10-1). Unter den bakteriellen Toxinen haben die Endotoxine gramnegativer
Bakterien besondere Beachtung gefunden (. Tabelle 10-1). Ihr pathogenetisches Prinzip ist die allen Endotoxinen gemeinsame Lipid-A-Struktur, durch deren isolierte Applikation sich in vielen experimentellen Modellen sowie auch in Einzelbeobachtungen am Menschen eine Vielzahl typischer Charakteristika einer Sepsis reproduzieren lassen (7 Kap. 8).
250
1
Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
Gewebeschaden, Trauma, Hypoxie, Ischämie, Toxine
Sepsis
2 Darm, Lunge
3 4
mikrobielle Invasion, Toxininvasion
5 Mediatorkaskaden, inflammatorische Zeilen
6 7 8 9
»whole body inflammation« . Abb. 10-1. Übersicht pathophysiologischer Abläufe der Sepsis, welche die Aktivierung von Mediatorkaskaden und inflammatorisch kompetenten Zellen in das Zentrum des Geschehens stellt
Zahlreiche Untersuchungen zur Wirkung von Lipid A haben jedoch gezeigt, dass die meisten (wenn nicht alle) Effekte dieses bakteriellen Agens nicht aus einer »direkt zytotoxischen« Wirkung resultieren, sondern mittels Aktivierung körpereigener Mediatorkaskaden und inflammatorisch kompetenter Zellen induziert werden [6, 47]. Entsprechendes gilt nach bisheriger Erkenntnis auch für verschiedene andere bakterielle Toxine. So zeigte sich kürzlich, dass das Hämolysin von Escherichia (E.) coli (das einzige sezernierte Exotoxin dieses Bakteriums) der stärkste bislang beschriebene Induktor der PhosphatidylinositolResponse und damit der inflammatorischen Zellaktivierung in Granulozyten ist [31]. Die Stimulation dieses zentralen Signaltransduktionswegs durch geringe Toxinkonzentrationen bewirkt eine massive Aktivierung des Sauerstoffburst (Sauerstoffradikalbildung), der Proteasensekretion (z. B. Elastase) und der Lipidmediatorproduktion
10 11 12
. Tabelle 10-1. Interaktion von mikrobiellen Produkten mit humoralen und zellulären inflammatorischen Effektoren auf verschiedenen Ebenen Bakterielle Produkte
Endotoxine (Lipid A) Exotoxine Weitere mikrobielle Produkte Zirkulierend/humoral
13
Gerinnungssystem
Lösliches Fibrin, Splitprodukte, Mikroemboli, Mikrothrombose
Komplementsystem
Anaphylatoxine, Membrankomplexe
Zirkulierend/zellulär
Granulozyten
Ortsständig/zellulär
Monozyten Makrophagen, Mastzellen, weitere organtypische Zellen
Proteasen O2-Radikale Leukotreine »Zytokine« Proteasen O2-Radikale Lipidmediatoren, (PG, Tx, LT, PAF) Zytokine/TNF »tissue factor«, PAI
Störung der Perfusionsverteilung Diffuse Inflammation Zellfunktionsstörung
Zelluntergang
14 15
Mediatoren
16 17 18 Mikrozirkulation
19 20
Vasomotion, Mikrothromben (»leakage« – Ödem)
PG Prostaglandine; Tx Thromboxan; LT Leukotrien; PAF plättchenaktivierender Faktor; TNF Tumornekrosefaktor; PAI Plasminogenaktivator-Inhibitor. Weitere Erläuterungen s. Text.
251 Allgemeine Übersicht
(Leukotriene, plättchenaktivierender Faktor) in den exponierten Granulozyten sowie eine überschießende (unkontrollierte) Lymphozytenaktivierung. Diese Überlegungen legen nahe, durch Intervention auf der Ebene der Mediatorkaskaden und der inflammatorisch kompetenten Zellen die pathophysiologischen Abläufe der Sepsis zu unterbrechen [7, 45, 48]. Für ein solches therapeutischen Konzept spricht auch der in . Abb. 10-1 skizzierte Gesamtzusammenhang von Sepsis und anders gearteter Gewebeschädigung. Auch Trauma, Gewebeischämie und Gewebehypoxie können ohne primäre Beteiligung von Bakterien systemische inflammatorische Prozesse induzieren, die den Abläufen einer Sepsis weitgehend ähneln. Offen ist gegenwärtig, ob eine solche primär nichtinfektiöse Triggerung eines SIRS (»systemic inflammatory reaction syndrome«) zu einem (wesentlichen?) Anteil über sekundäre Schrankenstörungen in Darm und Lunge mit mikrobieller oder Toxininvasion über diese Organe mit resorptiver Oberfläche vermittelt wird. In jedem Fall »münden« jedoch septische Abläufe und primär nichtinfektiöse Gewebeläsionen auf der Ebene der Mediatorkaskaden und der inflammatorisch kompetenten Zellen in eine gemeinsame Endstrecke pathophysiologischer Abläufe, welche »whole body inflammation«, Mikrozirkulationsstörungen und Sauerstoffschuld in zahlreichen Endstrombahngebieten zur Folge haben. Zelluläre Schäden und im Extremfall ein Multiorganversagen sind die klinische Konsequenz. Eine Intervention auf der Ebene der Mediatorkaskaden und der involvierten inflammatorischen Zellen, d. h. an der gemeinsamen »Mündungsstelle« der unterschiedlichen Trigger, würde somit theoretisch auch das Problem umgehen, dass im klinischen Alltag septische (mikrobielle) und primär nichtinfektiöse Auslösung einer »whole body inflammation« vielfach nicht sicher zu unterscheiden sind. Aus diesem Grund sind im vergangenen Jahrzehnt immense Forschungsanstrengungen in die Charakterisierung und Beherrschung inflammatorischer Abläufe im Rahmen der Sepsis investiert worden, und zahlreiche relevante Mediatorkaskaden wurden (und werden) erst in den vergangenen Jahren charakterisiert. Dementspre-
10
chend liegen für die meisten prinzipiell denkbaren Ansätze bislang nur experimentelle Untersuchungen vor. Andererseits gibt es auch Überlegungen, die eine zu euphorische Erwartung an das Konzept der »Mediatorblockade« zur Beherrschung der Sepsis dämpfen. Diese Überlegungen sind nachfolgend kurz zusammengefasst: 5 Mediatorunabhängige Wirkung bakterieller Toxine.
Es werden keineswegs alle Wirkungen mikrobieller Toxine über eine Aktivierung körpereigener Mediatorsysteme vermittelt. Als Beispiel sei an dieser Stelle das α-Toxin von Staphylococcus aureus genannt [5]. Durch Porenbildung in den Membranen zahlreicher Zielzellen vermag es zwar einerseits eine zellspezifische Mediatorbildung zu induzieren, wirkt jedoch andererseits über einen Verlust der Zellhomöostase direkt zytotoxisch. Ähnliche direkt zytotoxische bzw. gewebedestruktive Effekte (z. B. an Basalmembranen) besitzen auch mikrobielle Exotoxine mit Enzymcharakter (z. B. Elastase aus Pseudomonas aeruginosa, Phospholipasen aus Candida albicans). Ein therapeutisches Konzept der Blockade köpereigener Mediatoren würde somit deren Wirkung bestenfalls partiell beeinflussen. 5 Multiplizität der Mediatorkaskaden – »viele Wege nach Rom«?
In . Tabelle 10-1 sind (ohne quantitative Wertung) die wichtigsten Mediatoren aufgeführt, die nach heutigem Kenntnisstand mit der Auslösung systemischer Effekte (Zirkulation, Stoffwechsel, Organläsionen) und lokaler Effekte im Rahmen der Sepsis in einen engen Zusammenhang gebracht werden. Unter den zirkulierenden humoralen Effektoren sind dieses insbesondere die Produkte eines aktivierten Gerinnungs- und Komplementsystems, und unter den zirkulierenden zellulären Effektoren nehmen Granulozyten und in zweiter Linie Thrombozyten und Monozyten einen wichtigen Stellenwert ein. Als ortsständige Zellen, die in das diffuse inflammatorische Geschehen einbezogen werden, sind insbesondere Makrophagen sowie in zweiter Linie Mastzellen und organspezifische Zellen
252
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Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
(z. B. Pneumozyten Typ II in der Lunge) zu nennen; über die Rolle der Lymphozyten bei Sepsis ist gegenwärtig noch wenig bekannt. Über eine vermehrte Expression von »tissue factor« (alternative Gerinnungskaskade) und Plasminogenaktivator-Inhibitor sind z. B. auch Endothelzellen in verschiedenen Strombahngebieten in die Verschiebung des hämostatischen Gleichgewichts zur prothrombotischen Seite in der Mikrozirkulation unter den Bedingungen der Sepsis einbezogen. Zudem sezernieren auch Endothelzellen verschiedene Zytokine, tragen somit als »rekrutierbare inflammatorische Zellen« zu den pathophysiologischen Abläufen der Sepsis bei. Sowohl von den zirkulierenden als auch von den sessilen inflammatorisch kompetenten Zellen werden schließlich zahlreiche Lokalmediatoren abgegeben, die als »Exekutivinstrumente« bei hoher Lokalkonzentration für die Auslösung der typischen Mikrozirkulationsveränderungen und der zellulären Läsionen wesentlich verantwortlich zu sein scheinen. Diese umfassen im Wesentlichen proteolytische Enzyme, Sauerstoffradikale, Lipidmediatoren (Prostaglandine, Thromboxan, Leukotriene, weitere Lipoxygenaseprodukte, plättchenaktivierender Faktor) und – teilweise – Zytokine. Diese zellulären und humoralen Effektoren eines inflammatorischen Geschehens stehen in vielfacher Wechselwirkung untereinander. Kombinationen von Mediatoren können Wirkungsprofile induzieren, die nicht einfach aus der Addition der Wirkungsprofile der einzelnen Mediatoren erklärbar sind. Es ist keineswegs so, dass die verschiedenen inflammatorisch kompetenten Zellen bzw. die verschiedenen Mediatorkaskaden immer in geordneter Folge »nacheinander« oder »parallel« aktiviert werden, sondern je nach Erreger, Eintrittspforte, »Erfolgsorgan« und Grundkrankheit scheinen durchaus verschiedene Mediatoren im Vordergrund des Geschehens zu stehen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche antagonistische Mechanismen. So wird parallel zu Interleukin-1 (IL-1) auch ein Rezeptorantagonist
dieses Zytokins produziert (s. unten), und IL6 bewirkt eine Downregulation der Synthese von IL-1 und Tumornekrosefaktor. Unklar ist gegenwärtig auch, ob es einen »zentralen« Mediator der inflammatorischen Abläufe bei der Sepsis des Menschen gibt (z. B. Tumornekrosefaktor), dessen Inhibition in quantitativ bedeutendem Ausmaß das Gesamtgeschehen beeinflussen würde. Falls dies nicht zutrifft, sondern »viele Wege gleichzeitig nach Rom führen«, wird das Konzept der selektiven Mediatorblockade zunehmend problematisch. 5 Fehlende Diskriminierung zwischen benefizieller und nachteiliger Wirkung einer Mediatorblockade.
Es ist offensichtlich, dass die bei Sepsis getriggerten inflammatorischen Abläufe primär den Zielen der lokalen Infektabwehr und der Gewebereparatur (Remodeling) nach unterschiedlichen Läsionen dienen. Bei Sepsis kommt es zu einer »anarchischen« diffusen Ausbreitung dieser inflammatorischen Abläufe; Prozesse der Begrenzung des Geschehens (z. B. sekundäre Downregulation nach vorangehender Aktivierung) werden offenbar überspielt. Jede Mediatorblockade supprimiert jedoch auch die primär benefiziellen Wirkungen des jeweiligen Systems. Ein Ergebnis der kontrollierten Studien zur Wirkung von hochdosierten Kortikosteroiden bei Sepsis (diskutiert in 7 Kap. 4) war der Befund, dass unter dieser antiinflammatorischen Maßnahme die Rate der Sekundärinfektionen zunahm. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Ähnliches auch auf die Suppression von Zytokinen wie Tumornekrosefaktor und IL-1 zutreffen könnte, welche prinzipiell eine Rolle im Rahmen der »Host-defense«-Mechanismen spielen. Entsprechende Überlegungen gelten für die Granulozytenaktivierung und -diapedese. Ihre Suppression (z. B. durch Interferenz auf Ebene der Adhäsionsmoleküle, s. unten) reduziert granulozytenassoziierte inflammatorische Prozesse, jedoch auch den Beitrag dieser wichtigen Zellpopulation zu den antimikrobiell protektiven Mechanismen. Umgekehrt können durch »colony stimulating factors«
253 Konzepte der Mediatorblockade: Zytokine
(z. B. G-CSF, GM-CSF) Granulozytenrekrutierung und Aktivierung um den Preis einer Verstärkung ihres inflammatorischen Potenzials stimuliert werden. Gegenwärtig ist noch völlig unklar, welche Zielrichtung bei der Behandlung der Sepsis des Menschen zu favorisieren wäre, ob dies z. B. von der Präsenz eines infektiösen Agens abhängig ist oder sich z. B. nach der Höhe der zirkulierenden Granulozytenzahl richten sollte. Ein anderes Beispiel kontroverser Zielvorstellungen auf dem Gebiet der Mediatorblockade bei Sepsis stellen die vasoaktiven Mediatoren dar. Ist eine Steigerung der peripheren Vasodilatation (zur Optimierung von Perfusion und O2-Transport) erstrebenswert oder eine Antagonisierung derselben (zur Begrenzung des peripheren Widerstandsverlusts bei hyperzirkulatorischer Sepsis)? Richtet sich das Vorgehen nach der hämodynamischen Ausgangslage, und wie könnte eine »Selektivität« bei der Intervention auf der Ebene der Vasoregulation erzielt werden (s. weitere Ausführungen unten)? Insgesamt sollen diese Beispiele das Dilemma beleuchten, dass bei vielen denkbaren Ansätzen zur Mediatorblockade nicht einmal die Zielrichtung völlig klar ist, geschweige denn das optimale pharmakologische Instrument zur Umsetzung dieser Zielrichtung. Zu beachten ist, dass Kurzzeiteffekte (z. B. Dämpfung inflammatorischer Abläufe, Stabilisierung der »Makrohämodynamik«) und Effekte, die erst nach Tagen in voller Konsequenz zu beurteilen sind (z. B. »Host-defense«-Kompetenz, periphere O2-Schuld und Organläsionen), durchaus dissoziieren können.
10
ckade »früher« Mediatoren der Sepsis könnte somit experimentell sehr wirkungsvoll, klinisch jedoch nicht umsetzbar sein. Andererseits ist es denkbar, dass im Rahmen immer wieder aktivierter septischer »Schübe« auch potenzielle »frühe« Mediatoren der Sepsis wiederholt entscheidende Bedeutung erlangen und deren Blockade somit auch unter klinischen Bedingungen günstig sein könnte. Die zeitliche Sequenz der Aktivierung von Mediatorkaskaden und inflammatorisch kompetenten Zellen unter den üblichen klinischen Bedingungen einer protrahierten Bakterien-/Toxineinschwemmung ist bislang nur unzureichend bekannt.
Konzepte der Mediatorblockade: Zytokine Zytokine – Schlüsselmediatoren der Sepsis Zytokine haben eine zentrale Bedeutung in der Pathogenese der Sepsis. Sie werden von Leukozyten, Endothelzellen und anderen immunologisch kompetenten Zellen synthetisiert und sezerniert. Zytokine sind eine Gruppe von Polypeptidhormonen mit para- und autokriner Wirksamkeit. Die Zell-Zell-Kommunikation bei immunologischen/ inflammatorischen Prozessen sowie die Steuerung der Proliferation und Differenzierung von Leukozyten gehören zu ihren Funktionen. Zytokine besitzen verschiedene, z. T. sogar antagonistische Effekte auf ihre Zielzellen, sie sind Teil eines hochkomplexen Netzwerks, das bisher nur bruchstückhaft verstanden ist.
5 Problem der experimentellen »Prä-« und klinischen »Postmedikation«.
Übliche experimentelle Bakteriämie- oder Endotoxinämiestudien benutzen zur Beurteilung einzelner Mediatorwege für die pathophysiologischen Abläufe bei Sepsis eine Prämedikation blockierender Agenzien. Offenbar ist, dass unter den Bedingungen der klinischen Routine in aller Regel nur eine pharmakologische Intervention nach Beginn des septischen Geschehens möglich ist. Eine Blo-
Pro- und antiinflammatorische Zytokine Zytokine haben sowohl pro- als auch antiinflammatorische Wirkungen (. Abb. 10-2). In der Bandbreite der Wirkung stehen auf der einen Seite Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und IL-1 mit einem ausgeprägten entzündungsverstärkenden Effekt. Auf der Seite dominant immunsuppressiver Wir-
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1 2
Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
. Abb. 10-2. Immunmodulatorische Kapazität verschiedener Zytokine. TNF Tumornekrosefaktor; IL Interleukin; INF Interferon; TGF »transforming growth factor«
3
TNF-α IL-1
IL-2
IL-12 INF-γ
Immunstimmulation
IL-8
TGF-β
IL-6
IL-10
IL-4 IL-13
Immunsuppression
4 5 6 7
. Abb. 10-3. Hypothetischer Zeitverlauf der Immunreaktion bei Sepsis. TNF Tumornekrosefaktor; IL Interleukin; TGF »transforming growth factor«
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kung stehen IL-10 und IL-13. Zwischen diesen Extremen existiert eine Vielzahl anderer Zytokine mit einem hochdifferenzierten pro- oder antiinflammatorischen Wirkungsprofil. Die physiologische Reaktion auf ein Infektionsereignis besteht nach dem heutigen Wissensstand zunächst in der Freisetzung proinflammatorischer Zytokine. Im weiteren Verlauf der Abwehrreaktion erfolgt durch negative Rückkopplungsmechanismen eine Umschaltung zugunsten der antiinflammatorischen Zytokine (IL-10, TGF-β, IL-4, IL-13 etc.; . Abb. 10-3). Diese Verhaltensweise des Immunsystems hat den Sinn, das Ausmaß der Entzündungsreaktion quantitativ und zeitlich zu begrenzen, um regenerative Prozesse zu ermöglichen. Der innerhalb des Immunsystems übergeordnete zelluläre Mechanismus des »Switch« im Zytokinprofil könnte ein Übergang der T-Helferzell-Differenzierung von der TH-1- zur TH-2-Do-
minanz sein (. Abb. 10-4). Bei einer begrenzten Infektion ist also nach wenigen Tagen aus der Veränderung der Plasmazytokinspiegel der Übergang von der inflammatorischen Primärphase in die kompensatorische hypoinflammatorische Sekundärphase zu beobachten. Bei der Induktion der Sepsis wird wahrscheinlich durch die angesprochenen Mechanismen zunächst das physiologisch sinnvolle Reaktionsniveau überschritten (hyperinflammatorische Frühphase). Die anschließende kompensatorische Rückkopplungsreaktion mit Freisetzung antiinflammatorischer Zytokine ist ebenfalls übersteuert und leitet eine Sekundärphase ein, welche durch eine ausgeprägte Hyporeaktivität des Immunsystems gekennzeichnet ist (Immunparalyse; . Abb. 10-5; [22]). In der Folge werden einige ausgewählte, für die Sepsis relevante Zytokine als potenzielle Zielparameter einer immunmodula-
255 Konzepte der Mediatorblockade: Zytokine
10
. Abb. 10-4a,b. Hypothetische TH-1-Dominanz bei früher (a) und TH-2-Dominanz bei später Sepsis (b) – vereinfachtes Schema. TNF Tumornekrosefaktor; IL Interleukin; INF Interferon; LPS Lipopolysaccharid; MØ Makrophagen
. Abb. 10-5. Hypothetischer Circulus vitiosus von Hyperinflammation und Immunparalyse bei protrahiert verlaufender Sepsis. TNF Tumornekrosefaktor; IL Interleukin; TGF »transforming growth factor«
torischen Sepsistherapie kurz vorgestellt (s. auch 7 Kap. 2).
TNF-α/IL-1: Hauptmediatoren der frühen Sepsis? Als ein Hauptzytokin der Sepsis gilt TNF-α. In experimentellen Modellen ist durch die Gabe dieses Zytokins eine Sepsis auslösbar. Durch den Einsatz
von TNF in moderaten Mengen beim Menschen waren sepsisähnliche Änderungen der Hämodynamik und der Gerinnung zu beobachten. Zudem ist dieser Mediator bei septischen Patienten im Plasma messbar, und die Inhibition seiner Effekte durch TNF-Antikörper oder Rezeptorantagonisten bietet in experimentellen Modellen Schutz vor den letalen Auswirkungen von Endotoxin- und Bakterieninfusion. Eine generalisierte Wirkung von TNF beruht auf der Hemmung der Lipoproteinlipaseaktivität und führt über einen längeren Zeitraum zur Kachexie, ein Synonym für TNF ist deshalb Kachektin. TNF kann die Induktion sekundärer Zytokine – wie beispielsweise IL-1, IL-6 und IL-8 – auslösen, es steigert die Adhärenz von Granulozten (PMN) an Endothelzellen durch granulozytäre und endotheliale Reaktionen. Es erhöht die Diapedese von PMN durch die endotheliale Schranke in umliegende Gewebe durch Aktivierung und Vorbereitung (»Priming«) dieser Zellen. TNF steigert die prokoagulatorische Aktivtät des Endothels und induziert eine Vielzahl sekundärer inflammatorischer Mediatoren: Prostaglandine, Thromboxan, Leuktriene, PAF, Stickstoffmonoxid (NO) und reaktive Sauerstoffspezies. IL-1 hat ein ähnliches Wirkungsspektrum wie TNF-α, es induziert ebenfalls die Freisetzung weiterer Zytokine – wie TNF, IL-6 und IL-8 –, steigert durch granulozytäre und endotheliale Effekte die Adhärenz von PMN an das Endothel und indu-
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Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
ziert sekundäre Mediatoren. Auch für dieses Zytokin ist die Induktion einer Sepsis in experimentellen Modellen beschrieben [24], es ist zytoplasmatisch bei septischen Patienten nachweisbar, und der IL-1-Rezeptor-Antagonist (IL-1ra) wirkt protektiv in Modellen mit Sepsisinduktion durch Endotoxin und Bakterien. IL-6 nimmt in der Sepsis eine besondere Stellung ein. Es führt in den Hepatozyten zur Freisetzung von Akute-Phase-Proteinen, und manche Autoren schreiben ihm eine prognostische Wertigkeit über den Ausgang der Sepsis zu. Im Zeitverlauf einer experimentell induzierten Sepsis ist im Plasma zuerst TNF, dann IL-1 und schließlich IL-6 messbar. Dies ist möglicherweise mit der Regulation der Freisetzung der Zytokine zu erklären: Mononukleäre Zellen bilden nach Konfrontation mit LPS zuerst TNF, dieses führt zu Bildung und Freisetzung von IL-1 und IL-6 und durch autokrine Rückkopplung zur weiteren Freisetzung von TNF. IL-1 induziert die Freisetzung von TNF und IL-6 und steigert durch eine autokrine Rückkopplung die eigene Freisetzung. IL-6 führt unter diesen Bedingungen zu einer negativen Rückkopplung auf TNF und IL-1. Der Wirkung der bisher beschriebenen Zytokine diametral entgegen steht beispielsweise IL10. Es hemmt die Freisetzung der proinflammatorischen Zytokine aus Monozyten und Makrophagen, reguliert den Spiegel des löslichen IL-1ra hoch und hemmt die Bildung der induzierbaren NO-Synthase (iNOS). Diese Effekte charakterisieren IL-10 als ein potentes immunsupprimierendes Zytokin. Vergleichbares gilt für IL-13.
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. Abb. 10-6. Zeitfenster experimenteller und klinischer Beobachtungen zum Zytokinsekretionsverlauf bei Sepsis
Verlauf der Zytokinsekretion bei Sepsis – experimentelle Sepsismodelle In experimentellen Modellen wird eine Sepsis zumeist durch die einmalige Infusion von Endotoxin oder Bakterien ausgelöst, einige Modelle arbeiten auch mit der Induktion durch eine Darmverletzung. Es kommt in der Folge regelmäßig innerhalb von Stunden zu einem passageren starken Anstieg der TNF-Spiegel, gefolgt von einem vorübergehenden Anstieg der IL-1-Spiegel. Etwas später erfolgen ein prolongierter Anstieg und Abfall von IL-6. Die Spiegel aller Zytokine fallen schnell wieder auf das Ausgangsniveau ab, sobald die Sepsis in dem Modell abklingt. Die meisten dieser experimentellen Beobachtungen werden innerhalb von 24–72 h abgeschlossen. Diese Modelle bieten eine ausgezeichnete Möglichkeit, pathophysiologische Zusammenhänge während der Sepsisinduktion zu verstehen, können aber die klinische Realität aufgrund des auf die Frühphase begrenzten Zeitfensters nur teilweise abbilden (. Abb. 10-6).
Zytokinsekretionsverlauf bei septischen Patienten Klinische Studien zum Verlauf der Zytokinsekretion bei septischen Patienten spiegeln bislang nur ein mosaikartiges Bild wider. Während bei der experimentell induzierten Sepsis der Beginn der Erkrankung genau definiert ist, kommen Patienten mit Sepsis mit unterschiedlich langer Vorlaufzeit auf eine Intensivstation. Dies hatte zur Folge, dass
257 Konzepte der Mediatorblockade: Zytokine
in dem untersuchtem Zeitfenster (. Abb. 10-6) der primäre Anstieg des TNF-Spiegels meist nicht festgestellt werden konnte. Lediglich bei Studien, die sich auf den ersten Tag nach Einlieferung auf eine Intensivstation beschränkten und versuchten, ausschließlich Patienten mit Frühformen einzuschließen, konnte noch der Abfall des erhöhten TNF-Spiegels gezeigt werden. Faktoren, die nach abklingender TNF-Produktion das Verschwinden dieses Zytokins aus dem Plasma fördern, sind beispielsweise die Bindung von TNF an seinen Rezeptor, die Metabolisierung, die Neutralisation durch Inhibitoren und die zelluläre Aufnahme. Andere klinische Studien zeigen, dass es im Verlauf der Sepsis zu einem Anstieg der Spiegel von IL-1 und IL-6 kommt, ebenfalls in Konzentrationen, die weit oberhalb physiologischer Infektionsreaktionen liegen. In der weiteren Folge spielen dann antiinflammatorische Zytokine eine Rolle: so kann beispielsweise IL-10 im Plasma gemessen werden, wenn IL-1 nicht mehr nachweisbar ist. Diese Daten erlauben die Hypothese, dass die Sepsis in 2 Phasen einzuteilen ist: Es gibt eine frühe hyperinflammatorische Phase mit der übersteigerten Freisetzung proinflammatorischer Zytokine, wie TNF und IL-1. In der Folge tritt eine Immunparalyse ein, die zweite oder Spätphase der Sepsis. Sie ist gekennzeichnet durch die Dominanz der antiinflammatorischen Zytokine und die Suppression der proinflammatorischen Mediatoren. Während das septische Geschehen der Frühphase gut durch experimentelle und klinische Studien untersucht ist, gibt es für den Verlauf der späten Phase kaum experimentelle und nur unzureichende klinische Daten.
Übergang von der Hyperinflammation zur Immunparalyse bei protrahierter Sepsis – klinische Hinweise Für den Übergang von der überschießenden Hyperinflammation der Sepsis in eine Immunparalyse gibt es klinische Indizien. Im Verlauf der Sepsis kommt es zunehmend zu Pilzinfektionen, die ein immunkompetenter Organismus leicht eliminieren könnte. Es treten persistierende und rezidivierende bakterielle Infektionen auf, die den Ver-
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lauf der Erkrankung protrahieren. Eine Tuberkulinanergie bei vorbestehend positiver Tuberkulinreaktion kann festgestellt werden; auch andere kutane Testungen zeigen eine verminderte zelluläre Immunreaktion. Als Hinweis auf eine gestörte Immunkompetenz kann auch gewertet werden, dass bei Patienten, die Transplantatträger sind, trotz Unterbrechung einer medikamentösen Immunsuppression in der Regel keine Abstoßungsreaktion erfolgt. Aus klinischen Studien über protrahierte Sepsisverläufe konnte bisher die Suppression der proinflammatorischen Zytokine abgeleitet werden. In der späten Phase der Sepsis sind die Serumspiegel beispielsweise von TNF und IL-1 nicht mehr messbar. Auf der anderen Seite steigen die Spiegel der antiinflammatorischen immunsupprimierenden Zytokine, wie beispielsweise IL-10, an (Details s. Abschnitt »Konzepte der Immunmodulation: Interferon-γ, Granulocyte (Macrophage) Colony Stimulating Factor [G(M)-CSF]«).
Beeinflussung des Zytokinsekretionsverlaufs durch intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen und Organkomplikationen Der postulierte biphasische Zytokinverlauf der Sepsis wird durch pharmakologische Eingriffe im Verlauf der intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst (. Abb. 10-7). Kortikosteriode, Katecholamine und Phosphodiesterase-Inhibitoren können einen supprimierenden Einfluss auf die Freisetzung von TNF und IL-1 aus leukozytären Populationen ausüben. Auf der anderen Seite kann der Einsatz von nonsteroidalen Antiphlogistika durch Inhibition der Synthese des Prostaglandins E2 Bildung und Sekretion von TNF erhöhen. Es gibt Belege dafür, dass ein entsprechender Effekt auch durch parenterale Lipidzufuhr ausgelöst werden kann. Die systemischen Zytokinspiegel können sich grundlegend von den Konzentrationen unterscheiden, die in »abgeschlossenen« Organkompartimenten freigesetzt werden. So sind im alveolären Kompartiment in experimentellen Studien zum ARDS um Zehnerpotenzen höhere TNF- und IL-
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. Abb. 10-7. Mögliche Beeinflussung des Zytokinsekretionsverlaufs durch intensivmedizinische Maßnahmen. TNF Tumornekrosefaktor; IL Interleukin; PDE-Inhibitoren Phosphodiesterase-Inhibitoren; NSAID nonsteriodale Antiphlogistika
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8-Spiegel – verglichen mit dem intravasalen Kompartiment – nachgewiesen worden. Hieraus leitet sich die Frage nach dem Stellenwert der mechanischen Beatmung in der Auslösung bzw. Unterhaltung von SIRS und Sepsis ab. Schon lange war aus tierexperimentellen Untersuchungen klar, dass neben infektiösen Agenzien die mechanischen Kräfte, die unter künstlicher Beatmung ausgeübt werden, signifikante Effekte auf Mediatorfreisetzung und Aktivierung
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. Abb. 10-8. Abhängigkeit der systemischen Zytokinspiegel von der pulmonalen Schrankenfunktion. TNF Tumornekrosefaktor; IL Interleukin; ARDS »adult respiratory distress syndrome«
inflammatorisch kompetenter Zellen ausüben. Die Lunge kann unter diesen Bedingungen große Mengen an proinflammatorischen Zytokinen produzieren (Il-1, Il-6, IL-8, TNF-α), die bei Verlust der Kompartimentalisierung durch Störung der endoepithelialen Barrierefunktion, wie sie kennzeichnend für das ARDS ist, zu einer systemischen Einschwemmung gelangen. Auf diese Weise kann ein SIRS oder auch eine Sepsis durch Translokationen von proinflammatorischen Zytokinen bzw. von Bakterien oder bakteriellen Produkten aus dem Alveolarraum induziert oder perpetuiert werden (. Abb. 10-8). Untersuchungen an Patienten mit ARDS konnten belegen, dass der Gehalt an proinflammatorischen Zytokinen im gemischtvenösen Blut signifikant niedriger war als im arteriellen Blut, welches mit einem Swan-Ganz-Katheter in »wedge position« unmittelbar aus der Lunge gewonnen wurde [18], was die These einer alveolären Translokation unmittelbar untermauert. Weiterhin zeigte Meduri [38] in seinen Untersuchungen, dass persistierend erhöhte Zytokinspiegel (IL-1, IL-6, IL-8, TNF-α) im Alveolarraum und im Plasma mit einer schlechten Überlebensprognose beim ARDS verknüpft sind. Hieraus könnte abgeleitet werden, dass ein anhaltender »Spill-over« inflammatorischer Mediatoren in die systemische Zirkulation im Rahmen eines persistierenden pulmonalen infektiösen Prozesses und/oder durch eine anhaltende Traumati-
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sierung des Lungenparenchyms unter der mechanischen Beatmung nichtpulmonale Organfunktionen und hierüber die Letalität beeinflussen kann. ! Der Sanierung infektiöser Prozesse in der
Lunge und der Minimierung des mechanischen Traumas unter der Beatmung käme somit ein wichtiger Stellenwert im Therapiekonzept der Sepsis zu.
Einen Beleg hierfür erbrachten neuere Studien von Ranieri [43], welche die alveolären und plasmatischen Zytokinspiegel bei Patienten mit ARDS, die mit unterschiedlichen Atemzugvolumina und unterschiedlichem endexspiratorischen Druck (PEEP) beatmet wurden, verglichen: Die Zytokinspiegel (IL-1, IL-6, TNF-α) stiegen nach 36 h »traditioneller Beatmung« im Alveolarraum und im Plasma signifikant an., während in der Gruppe mit »protektiver« Beatmungsstrategie (niedriges Atemzugvolumen, hohes PEEP-Niveau) ein signifikanter Abfall beobachtet wurde. Bei einem Verlust der alveolären Schrankenfunktion im Verlauf des Organversagens kann also durch ein »Zytokinleakage« aus dem alveolären Kompartiment ein akuter Anstieg der systemischen Konzentrationen der entsprechenden Zytokine resultieren, von dem sicherlich systemische Effekte erwartet werden können (. Abb. 10-8). Als weiterer Beleg für diese Hypothese könnte die Studie der amerikanischen »ARDS Network Study Group« [53] gewertet werden. In dieser kontrollierten Studie konnten bei 861 Patienten mit akutem Lungenversagen durch eine Begrenzung des Atemzugvolumens (6 ml/kgKG vs. 12 ml/ kgKG) und des Inspirationsdrucks (30 cm H2O vs. 50 cm H2O) die Sterblichkeit um 22 %, die Beatmungsdauer, nichtpulmonale Organstörungen sowie die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine signifikant gesenkt werden.
Klinische Studien zur Zytokinneutralisation Die Attraktivität dieses Ansatzes besteht darin, dass der Zytokininduktion sowohl bei gramnegativer als auch bei grampositiver Sepsis eine zen-
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trale pathogenetische Rolle zugeschrieben wird. Bei den zu beurteilenden Studien muss allerdings immer kritisch gefragt werden, inwieweit das zu antagonisierende Zytokin in der entsprechenden Behandlungsphase überhaupt in relevanten Wirkspiegeln dokumentiert werden konnte.
Klinische Studien mit Anti-TNF-Strategien Fisher et al. [23] führten eine Phase-II-Multicenterstudie an 80 Patienten mit dem monoklonalen Mausantikörper CB0006 gegen humanes TNF durch. Sie konnten keinen Vorteil der Antikörpertherapie beim Vergleich des Gesamtstudienkollektivs mit dem Kontrollkollektiv hinsichtlich der Überlebensrate nachweisen. Bei einer retrospektiven Subgruppenanalyse stellten sie fest, dass Patienten mit stark erhöhtem TNF-Spiegel bei Studieneinschluss tendenziell am ehesten von der Antikörpergabe profitierten. Allerdings entwickelten 98 % der Patienten Antikörper gegen das Mausprotein. Um dies zu umgehen, wurde von einer anderen Gruppe ein humanisierter Anti-TNF-Antikörper, CDP571, entwickelt und in einer Multicenterstudie bei Patienten mit septischem Schock getestet [17]; 42 Patienten waren zu rekrutieren und wurden in 3 Studiengruppen mit verschiedenen Dosen und eine Kontrollgruppe randomisiert. Auch diese Studie konnte keine Senkung der Mortalität in einer der Studiengruppen nachweisen. Die Autoren beschreiben eine schnellere Senkung der TNF-, IL-1und IL-6-Serumspiegel in den Studiengruppen. Sie fanden einen höheren Serumspiegel von IL-6 zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses bei Patienten, die im Verlauf der Studie verstarben. Eine sehr große Studie an 994 Patienten mit Sepsissyndrom, stratifiziert nach Schock und Nichtschock, mit einem murinen monoklonalen IgG1-Antikörper gegen TNF wurde 1995 abgeschlossen [1]; 2 Dosierungen des Antikörpers kamen zum Einsatz. Bezogen auf die Gesamtgruppe der Patienten konnte keine Reduktion der Mortalität festgestellt werden. Bei Patienten mit septischem Schock war die frühe Letalität (3 Tage) reduziert, nicht jedoch die Letalität am Ende der Beobachtungsperiode von 28 Tagen. In einer weiteren großen Multicenterstudie mit einem monoklonalen Maus-F(ab´)2-Frag-
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ment gegen TNF, in die 122 Patienten eingeschlossen wurden, konnte keine Senkung der Mortalitätsrate gefunden werden [44]. Auch hier zeigte sich der IL-6-Spiegel im Serum als prognostischer Marker hinsichtlich der Mortalität. Die Konzentration von IL-6 nahm unter der Antikörpertherapie in den ersten 24 h ab, nicht jedoch in der Kontrollgruppe. Eine retrospektive Analyse erlaubte es, eine Subgruppe von Patienten mit IL6-Konzentrationen von >1000 pg/ml zu identifizieren, die dosisabhängig von der Immuntherapie zu profitieren scheinen. Diese Hypothese wurde in einer Studie mit Hilfe eines semiquantitativen IL-6-Serumschnelltests als Basis der Einordnung erfolgreich überprüft: Bei Patienten mit IL-6 >1000 pg/ml senkte die Gabe von Anti-TNF-Antikörpern moderat die Letalität [40a]. Ein weiterer pharmakologischer Ansatz könnte darin bestehen, die TNF-Synthese durch Pentoxifyllin zu hemmen [56]. Dieser Phosphodiesterase-Inhibitor verfügt über eine Vielzahl biologischer Wirkungen; seine »Summenwirkung« bei Sepsis kann jedoch nur durch prospektive kontrollierte Studien mit ausreichender Patientenzahl abgeschätzt werden. Zusammenfassend kann man bisher noch von keiner gesicherten Indikation für den Einsatz von Anti-TNF-Therapien bei Patienten mit Sepsis sprechen. Dies gilt auch für hier nicht aufgeführte Studien, z. B. mit einem Fusionsprotein aus löslichem TNF-Rezeptor und IgG. Nahezu alle Studien konnten IL-6 als prognostischen Marker bei Sepsis identifizieren, dies bestätigt die Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen [12, 14, 41]. Die mögliche Existenz eines anti-TNF-sensitiven Subkollektivs mit hohen IL-6-Serumkonzentrationen legt die Durchführung weiterer Studien auf Basis eines differenzierten Immunscorings (s. unten) nahe.
Klinische Studie zur Anti-IL-1-Therapie Dem Anti-IL-1-Therapieansatz liegt die Existenz eines natürlichen Interleukin-1-Antagonisten, des IL-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1ra), zugrunde. IL-1ra verhindert durch kompetitive und reversible Blockade des Rezeptors die IL-1-Wirkung [19]. Um eine ausreichende Blockade zu erreichen, muss die Konzentration des IL-1ra diejenige des IL-1 um den Faktor 100–10.000 übersteigen, da ei-
ne Rezeptorbelegung durch IL-1 von nur 5 % ausreicht, um dessen Wirkung zu vermitteln [25, 26]. Eine Phase-III-Studie, in die 893 Patienten eingeschlossen wurden, zeigte jedoch keinen signifikanten Einfluss des IL-1ra auf die Überlebenszeit septischer Patienten [26]. In einer retrospektiven Analyse fand sich eine reduzierte Mortalität bei Patienten, die zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses ein gesteigertes Mortalitätsrisiko (APACHE-III-Score) und/oder Organversagen aufwiesen. Diese Subgruppe ist jedoch bislang nicht einer erneuten Studienprüfung zugeführt worden. Vergleichbar zur Situation der Anti-TNFInterventionsstrategien gibt es somit gegenwärtig keine gesicherte Grundlage für die Anwendung von IL-1ra bei Patienten mit Sepsis.
Suppression proinflammatorischer Zytokine durch Glukokortikoide Von einer Zufuhr hochdosierter Glukokortikoide bei Sepsis erhoffte man sich eine Inhibition zahlreicher zellulärer und humoraler Mediatorsysteme (bevorzugte Dosierung: 30 mg Methylprednisolon/kgKG, mehrfach wiederholt innerhalb der ersten 48 h). Diese Erwartung basierte auf einer Vielzahl experimenteller Studien mit Endotoxinämie und Bakteriämie, die für eine prophylaktische und/oder frühzeitige Applikation von Steroiden eindeutig benefizielle Effekte belegten. Zu den durch hochdosierte Kortikosteroide supprimierten Mediatoren gehören auch die meisten proinflammatorischen Zytokine, wie TNF und IL-1. Jüngere kontrollierte klinische Studien, in denen hochdosierte Steroide möglichst frühzeitig im Verlauf der Sepsis zur Anwendung gebracht wurden, konnten jedoch sämtlich keine signifikante Reduktion der Letalität nachweisen [8, 35, 51, 54]. Zum Teil ergaben sich sogar deutliche Hinweise auf eine erhöhte Zahl an Sekundärinfektionen. Eine ausführliche Übersicht zur Datenlage bei Sepsis und hochdosierten Kortikosteroiden findet sich bei Lefering u. Neugebauer [34]. ! Somit ist keine allgemeine Indikation für die An-
wendung von hochdosiertem Methylprednisolon bei Sepsis und septischem Schock gegeben.
261 Konzepte der Mediatorblockade: Lipidmediatoren
Eine Ausnahme stellen Patienten mit einer absoluten oder (gemessen am Bedarf bei Sepsis) relativen Nebennierenrindeninsuffizienz (z. B. nach vorausgegangener Kortikoidtherapie, bei Nebennierenrindenausfall) dar, die in der Situation der Sepsis oder des septischen Schocks mehrfach erhöhte Erhaltungsdosen benötigen (z. B. 100–200 mg Hydrokortison/24 h). Neben der Hochdosis-Glukokortikoidtherapie wurden in den vergangenen Jahren einige klinische Untersuchungen zur prolongierten niedrigdosierten Hydrokortisontherapie unternommen. In 2 kleineren kontrollierten Studien [6, 9, 10] bei Patienten mit therapierefraktärem septischen Schock konnte durch eine Therapie mit 3mal 100 mg Hydrokortison/Tag über 5 Tage bzw. durch 1-mal 100 mg Hydrokortison gefolgt von einer Dauerinfusion von 0,18 mg/kgKG/h für 5– 10 Tage eine signifikante Reduktion des Multiorganversagens und der Persistenz des septischen
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Schocks erzielt werden, und es zeigte sich ein Trend zu einer reduzierten Letalität. Für diese Ergebnisse werden einerseits eine relative Nebenniereninsuffizienz im Verlauf der Sepsis und andererseits antiinflammatorische Effekte diskutiert (s. dazu 7 Kap. 4, 7 Kap. 17 und 7 Anhang). Zurzeit werden diese Beobachtungen in einer multizentrischen Phase-III-Studie überprüft.
Konzepte der Mediatorblockade: Lipidmediatoren Das Arachidonsäuresystem umfasst alle enzymatischen Reaktionen, durch welche diese 4fach ungesättigte Fettsäure in eine Vielzahl biologisch aktiver Metabolite überführt wird (in starker Vereinfachung dargestellt in . Abb. 10-9). Nach Art des Enzyms, welches die jeweilige Reaktionssequenz einleitet, unterscheidet man Zyklooxygenaseprodukte und Lipoxygenaseprodukte. Erstere umfas-
. Abb. 10-9. Vereinfachte Struktur der Arachidonsäure-(AA-)Kaskade – Aspekte der antiinflammatorischen Wirkung von Eicosapentaensäure (EPA). AA wird nach unterschiedlichen Stimuli durch verschiedene Phospholipasen aus Membranphospholipiden liberiert. Diese Reaktion kann verbunden sein mit der Bildung von plättchenaktivierendem Faktor (PAF) sowie mit der Phosphatidylinositol-(PI-)Response, welche zelluläre Signaltransduktionswege aktiviert. Wesentliche Zyklooxygenase- und Lipoxygenaseprodukte der AA, welche in zellspezifischem Muster gebildet werden, sind eingezeichnet. In Gegenwart der alternativen Präkursorfettsäure EPA kann diese anstelle der AA metabolisiert werden; hierbei laufen verschiedene Reaktionsschritte verlangsamt ab. Darüber hinaus besitzen EPA-abgeleitetes Thromboxan (TxA3) und Leukotriene (B5, C5, D5, E5) durch Konkurrenz um identische Rezeptoren und geringe »intrinsische Aktivität« eine antagonistische Wirkung zu den entsprechenden Metaboliten der AA. PG Prostaglandin; HETE Hydroxyeicosatetraensäure; PGI Prostaglandin; LT Leukotrien
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sen die Prostaglandine (PG) E2, D2, F2α und I2 sowie Thromboxan (Tx) A2. Das Wirkungsprofil dieser Prostanoide ist breit und z. T. antagonistisch; Details würden den Umfang dieses Buchbeitrags überschreiten. Im Hinblick auf Sepsis und septisch induziertes Organversagen haben insbesondere TxA2 und PGI2 Aufmerksamkeit erlangt. TxA2 gehört zu den potentesten bekannten vasokonstriktiven Agenzien, es induziert die Thrombozyten- und Granulozytenaggregation [46]. Aus diesen Gründen könnte es für die Ausbildung einer (inappropriaten, inflammatorisch getriggerten) Vasokonstriktion und Mikrothrombosierung mit Perfusionsfehlverteilung und Sauerstoffschuld eine wesentliche Rolle spielen (s. Abschnitt »Konzepte der Mediatorblockade: Vasoaktive Mediatoren«). PGI2 (und in schwächerem Umfang PGE2) haben ein gegenteiliges Wirkprofil (Vasodilatation, Hemmung von Thrombozyten- und Granulozytenaggregation); eine überschießende PGI2-/ PGE2-Bildung ist mit der Reduktion des peripheren Gesamtwiderstands bei Sepsis in Zusammenhang gebracht worden. PGE2 ist ein »Downregulator« der Zytokinbildung in vielen ortsständigen monozytären Zellen. Es kann sicher angenommen werden, dass unter den Bedingungen einer Sepsis in vielen Mikrozirkulationsgebieten sowohl Tx als auch vasodilatative Prostanoide (PGI2, PGE2) vermehrt generiert werden [3]; über die »Summenwirkung« dieser Mediatorbildung auf die Perfusionsverteilung kann jedoch nur spekuliert werden. Inhibitoren der Zyklooxygenase, wie Ibuprofen und Indomethacin, supprimieren sowohl die Tx-Bildung als auch die Synthese von PGI2 und PGE2. In experimentellen Modellen der Sepsis und des septischen Organversagens (z. B. ARDS) konnten – partielle – benefizielle Effekte dieser Inhibitoren nachgewiesen werden. Dagegen wurde in einer jüngst publizierten großen multizentrischen klinischen Studie zum Einsatz von Ibuprofen bei Patienten mit ARDS und Sepsis keine signifikante Verbesserung der Morbidität und der Letalität erzielt [4]. Große multizentrische Studien zum Einsatz von Thromboxansynthetasehemmern und Thromboxanrezeptorantagonisten bei Sepsis liegen bislang nicht vor.
Lipoxygenaseprodukte der Arachidonsäure umfassen Leukotriene (LT), Hydroxyeicosatetraensäuren (HETE) und bislang biologisch wenig charakterisierte Monooxygenaseprodukte. Wesentliche Bedeutung für die pathophysiologischen Abläufe der Sepsis kommt möglicherweise LTB4, 5HETE und den Zysteinylleukotrienen zu. LTB4 und 5-HETE sind potente Stimuli der Chemotaxis und der Mediatorbildung von Granulozyten. Zysteinylleukotriene (LTC4/D4/E4) besitzen vasomotorische Effekte (zumeist vasokonstriktiv) und induzieren eine transendotheliales Leakage von proteinreichem Ödem in zahlreichen Mikrozirkulationsgebieten. Es liegen klinische Untersuchungen vor, die eine vermehrte Bildung dieser Lipidmediatoren bei Sepsis nachweisen. Inhibitoren bzw. Rezeptorantagonisten dieser Substanzgruppe sind im Hinblick auf die Sepsis zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nur experimentell eingesetzt worden; klinische Erfahrungen mit diesen Pharmaka existieren bislang nur für das Asthma bronchiale. Der plättchenaktivierende Faktor (PAF) ist ein Ätherphospholipid, welches nach Stimulation in inflammatorischen Zellen (Granulozyten, Makrophagen), jedoch auch in Endothelzellen und organtypischen Zellen, generiert werden kann. Proinflammatorische Eigenschaften des PAF umfassen u. a. Leukozytenaktivierung, Vermittlung endothelialer Granulozytenadhäsion und Diapedese, Plättchenaggregation und vasomotorische Effekte. Ein Teil der biologischen PAF-Wirkung wird über sekundäre Induktion einer lokalen Eicosanoidbildung induziert. Darüber hinaus besitzt PAF eine bislang unvollständig charakterisierte Rolle bei Vorgängen intrazellulärer Signaltransduktion. Die Verwendung von PAF-Antagonisten bei experimentellen Sepsismodellen legte nahe, dass dieser Lipidmediator für die volle Ausprägung einer Tumornekrosefaktorwirkung von Bedeutung ist. Hämodynamische Veränderungen, Organmanifestationen und Überlebensrate konnten in experimentellen Bakteriämie- und Endotoxinämiemodellen durch PAF-Antagonisten z. T. positiv beeinflusst werden. Vereinzelte klinische Beobachtungen zur Verwendung dieser Substanzklasse bei der Sepsis des Menschen liegen vor; kontrollierte Studi-
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en zum möglichen Benefit dieses pharmakologischen Ansatzes stehen jedoch noch aus. Im Gegensatz zu den bislang aufgeführten Inhibitoren einzelner Lipidmediatoren können durch Glukokortikoide prinzipiell mehrere Lipidmediatorgruppen gleichzeitig inhibiert werden. Nach dem »Lipid-coating«-Modell induzieren Steroide die intrazelluläre Bildung von Lipokortinen, welche aufgrund einer hohen Bindungsaffinität für Membranphospholipide die phospholipolytische Abspaltung von Fettsäuren inhibieren. Durch diesen Ansatz wird die Verfügbarkeit des Präkursors Arachidonsäure für die verschiedenen metabolischen Wege reduziert [30]. Zahlreiche lipokortinähnliche Proteine konnten identifiziert werden, deren Glukokortikoidsensitivität allerdings nicht sicher etabliert ist. Offenbar wird jedoch durch eine Steroidtherapie keineswegs das ganze Spektrum der Lipidmediatoren supprimiert, sondern es finden sich stimulus-, phospholipasetypus-, phospholipidklassen- und zellabhängige Unterschiede. So supprimieren Glukokortikoide die Leukotrien-B4-Bildung in neutrophilen Granuloyzten und die Prostaglandin-I2-Synthese in Endothelzellen, nicht jedoch die Zysteinylleukotrien- und PAF-Generierung in Mastzellen. Für die meisten organtypischen Zellen ist die Steroidsensitivität ihrer Lipidmediatorbildung in vivo nicht sicher bekannt. Zum Teil werden Steroideffekte auf zelluläre Eicosanoid- und PAF-Bildung offenbar auch indirekt über den Einfluss der Glukokortikoide auf das Zytokinnetzwerk und dessen Wechselwirkungen mit Lipidmediatoren vermittelt (s. oben). Auch die in den vergangenen Jahren durchgeführten kontrollierten klinischen Studien mit hochdosierter Steroidmedikation in der Frühphase der Sepsis haben sämtlich keine signifikante Reduktion der Letalität erbracht. Ein breiter Effekt auf die Bildung und Wirkung mehrerer proinflammatorischer Lipidmediatoren kann auch durch die Zufuhr von Eicosapentaensäure erzielt werden, wie in . Abb. 10-9 skizziert. Eine solche kann enteral erfolgen, aber auch durch Verwendung von fischölabgeleiteten und somit EPA-reichen Lipidemulsionen zur parenteralen Ernährung anstelle der üblichen arachidonsäurereichen Lipidpräparationen. Experimentelle Untersuchungen und erste klinische Anwendun-
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gen belegen einen antiinflammatorischen Effekt dieses pharmakologischen Ansatzes, insbesondere im Hinblick auf granulozytenabhängige Prozesse [32]. Kontrollierte klinische Studien zur Anwendung EPA-angereicherter Lipidemulsion bei Patienten mit Sepsis stehen noch aus.
Konzepte der Mediatorblockade: granulozytenassoziierte Mediatoren Viele der oben diskutierten Ansätze zur Mediatorblockade bei Sepsis weisen einen Bezug zur Granulozytenfunktion auf. Diese Zellpopulation kann durch zahlreiche Mediatorgruppen aktiviert werden (s. aufgeführte Beispiele in . Abb. 10-10). Die Ausübung ihrer Funktion von Phagozytose und lokaler Mediatorausschüttung im infektiösen Fokus ist abhängig von einer Interaktion zwischen granulozytären Adhäsionsmolekülen und komplementären Adhäsionsmolekülen auf Zielzellen, insbesondere auf Endothelzellen (. Abb. 10-10). Granulozytär-endotheliale Interaktion scheint ein essenzieller Faktor für Leukozytensticking und -extravasation im septischen/inflammatorischen Mikrozirkulationsgebiet zu sein. Dies gilt auch für die Induktion granulozytenassoziierter endothelialer Läsionen. Die Mediatorblockade als therapeutisches Konzept kann bestrebt sein, relevante granulozytenassoziierte Mediatoren einzeln zu blockieren. Die Suppression von Lipidmediatoren wurde bereits diskutiert. Einen wichtigen Stellenwert nehmen granulozytär liberierte Sauerstoffradikale ein, welche Peroxidationsprozesse in Membranphospholipiden und anderen sensitiven Zielmolekülen induzieren und insbesondere im Mikrokompartiment der Zell-Zell-Interaktion zelltoxisch wirken können. Darüber hinaus wird z. B. der wichtigste natürliche Inhibitor der Neutrophilenelastase, das α-1Antitrypsin, durch Oxidation mittels aktivierter Sauerstoffspezies inaktiviert, mit der Konsequenz einer Abnahme der lokalen Anti-Protease-Kontrolle. Pharmakologische Agenzien wie Antioxidanzien, Sauerstoffradikalscavenger und antioxidativ wirkende Enzyme interferieren mit der gra-
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. Abb. 10-10. Interaktion von neutrophilen Granulozyten (PMN) und Endothelzellen (EC) über adhäsionsvermittelnde Glykoproteine. Die Granulozyten (rechter Teil des Bildes) können die Adhäsionsmoleküle CD11a/CD18, CD11b/CD18, CD11c/CD18 sowie L-Selectin und ICAM-3 exprimieren. Stimulation mit Phorbolmyristatacetat (PMA) induziert die Expression von CD11c/ CD18 (gezackter Pfeil) sowie die Expression von CD11b/CD18. Letztere wird ebenfalls induziert durch Anaphylatoxin C5a, durch bakterielles FMLP, durch Leukotrien B4 (LTB4), durch plättchenaktivierenden Faktor (PAF), durch Kalziumionophor 23187 (A23), durch (ATP) sowie durch Endotoxin (LPS). Diese nach Stimulation vermehrt exprimierten Adhäsionsproteine interagieren sehr wahrscheinlich mit dem endothelialen adhäsiven Glykoprotein ICAM-1. Die Zunahme der Oberflächendichte dieser endothelialen Adhäsionsmoleküle wird hervorgerufen durch Zytokine wie Interferon-γ (IFN-γ), Tumornekrosefaktor (TNF), Interleukin-1 (IL-1) sowie durch PMA, Thrombin und Lipopolysaccharide gramnegativer Bakterien (LPS). Interaktionspartner des ICAM-1 sind die granulozytären Adhäsionsproteine. Die mit E-Selectin und P-Selectin korrespondierenden Oberflächenstrukturen der Neutrophilen sind bislang nicht charakterisiert worden; sialyl Lewis X (sLeX) scheint hierbei von Bedeutung zu sein
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nulozytären Sauerstoffradikalwirkung und darüber hinaus mit solcher aus aktivierten Monozyten und Makrophagen, Endothelzellen und verschiedenen organtypischen Zellen. In experimentellen Modellen der Endotoxinämie und Bakteriämie wurde der Einfluss von Antioxidanzien (z. B. α-Tocopherol), verschiedenen synthetischen Sauerstoffradikalscavengern und antioxidativen Enzymen (bevorzugt Superoxiddismutase, z. T. verkapselt in Liposomen) untersucht. Die Verwendung von Desferrioxamin unter diesen Bedingungen zielt darauf, freies Eisen zu binden, welches als Katalysator eine wichtige Rolle für Lipidperoxidationsprozesse spielt. Einen ähnlichen pharmakologischen Ansatz stellt die Applikation von hochdosiertem Acetylcystein dar, welches intra- und extrazelluläre Glu-
tathion-(GSH-)Spiegel erhöht und somit eine supportive Therapie für das enzymatische Glutathionredoxsystem darstellt. Dieses reduziert organische Hydroperoxide und unterbricht hierdurch die Kettenreaktion der (Lipid-)Peroxidation. Zum Teil konnte durch vorausgehende Applikation dieser Substanzen ein deutlicher protektiver Effekt auf hämodynamische Veränderungen und Organmanifestationen sowie eine Verbesserung der Überlebensrate erzielt werden [11]. Klinische Applikationen bei Patienten mit manifester Sepsis sind für α-Tocopherol, Superoxiddismutase und Acetylcystein beschrieben. Eine kürzlich abgeschlossene Phase-III-Studie konnte jedoch keine Reduktion des septischen Multiorganversagens und der Letalität bei Sepsis unter Acetylcystein nachweisen.
265 Konzepte der Mediatorblockade: vasoaktive Mediatoren
Ein sehr breiter Ansatz zur Inhibition granulozytenassoziierter inflammatorischer Prozesse ist prinzipiell durch Interferenz auf der Ebene der Adhäsionsmoleküle möglich (. Abb. 10-10). Als »experimentelle Werkzeuge« stehen hierfür Antikörper gegen granulozytäre oder endotheliale Adhäsionsmoleküle zur Verfügung. Darüber hinaus können lösliche Partialstrukturen der Adhäsionsmoleküle eingesetzt werden, welche die komplementären Adhäsionsmoleküle blockieren und somit die Zell-Zell-Adhärenz inhibieren [als Beispiel in . Abb. 10-10 ist sICAM-1 (»soluble intercellular adhesion molecule-1«) aufgeführt]. Vereinzelte experimentelle Sepsisstudien liegen vor, in welchen günstige Effekte einer Suppression der Granulozytenadhärenz nachgewiesen werden konnten. Das Dilemma eines solchen therapeutischen Vorgehens bei der Sepsis des Menschen besteht in der bereits oben angesprochenen fehlenden Diskriminierung zwischen einer möglicherweise benefiziellen antiinflammatorischen Wirkung und einer Schwächung der »Host-defense«-Mechanismen, welche im Hinblick auf die Clearance von Bakterien kritisch mit der Funktion der neutrophilen Granulozyten verbunden ist.
Konzepte der Mediatorblockade: vasoaktive Mediatoren Sepsis: Dysregulation vasokonstriktorischer und vasodilatatorischer Mediatoren Intensivtherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Gewebeoxygenierung, welche die Applikation von vasoaktiven Agenzien einschließen, werden in 7 Kap. 11 diskutiert. Da die endogene Mediatorbildung einen wesentlichen Einfluss auf die (gestörte) Vasoregulation bei Sepsis nimmt, soll auf deren Genese unter dem Blickwinkel der Mediatorblockade kurz eingegangen werden. Die gegenwärtigen Vorstellungen zur Mikrozirkulationsstörung bei Sepsis besagen, dass sich anstelle der physiologischen »optimalen« Anpassung der Perfusionsverteilung an den lokalen Bedarf (Matching) ein »Mismatch« von Blutfluss und Lokalbedarf der Sauerstoffversorgung findet
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(. Abb. 10-11). Eine solche Fehlverteilung kann zustande kommen durch ein Nebeneinander von inadäquater Vasodilatation und Vasokonstriktion, getriggert durch »anarchisch wirkende« inflammatorische Mediatoren, welche die Regulation der Perfusionsverteilung durch den jeweiligen Lokalbedarf überspielen. Als klinisch messbare »Summenwirkung« kann eine Abnahme des peripheren Gesamtwiderstands resultieren, mit niedriger arteriovenöser O2-Differenz (durch scheinbaren »Shuntfluss« in den hyperperfundierten Mikrozirkulationsarealen) und gleichzeitiger Laktatbildung (durch akkumulierende Sauerstoffschuld in den hypoperfundierten Kapillararealen). Potenziell bedeutsame vasokonstriktive Mediatoren umfassen einige Lipidmediatoren (Thromboxan, Zysteinylleukotriene u. a.), O2-Radikale und vasoaktive Peptidmediatoren, wie z. B. Endothelin. Als verantwortlich für die inadäquate Vasodilatation kommen insbesondere vasodilatative Prostanoide (PGI2, PGE2), Stickoxid (NO) und wiederum Peptidmediatoren in Betracht.
NO-Blockade als Therapieprinzip Im Hinblick auf NO ist bekannt, dass Endotoxin und Zytokine wie IL-1 und TNF dessen Synthese induzieren können und dass eine vermehrte NOBildung zur verminderten Ansprechbarkeit der Gefäßmuskulatur auf α-adrenerge Stimuli beitragen kann. Unter dem Aspekt des erniedrigten peripheren Gesamtwiderstands und der Hypotension bei Sepsis könnte es somit erstrebenswert sein, eine überschießende NO-Bildung zu supprimieren und somit in der Summenwirkung den Vasotonus zu erhöhen. Durch Applikation von Substratanaloga zu LArginin, aus dem NO durch NO-Synthasen liberiert wird (L-NMMA, L-NAME; . Tabelle 10-2), konnte ein Anstieg des peripheren Vasotonus in experimentellen Modellen der Sepsis, in ersten kasuistischen Anwendungen bei Sepsispatienten [39] sowie in Phase-II-Studien erzielt werden. Der Preis eines solchen Vorgehens könnte jedoch in einer zusätzlichen Vasokonstriktion auch in den bereits minderperfundierten Gefäßbezirken bestehen, mit der Konsequenz einer weiteren Zunahme der
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»matching«
»mismatch«
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. Abb. 10-11. Schematische Vorstellung zur Perfusionsfehlverteilung bei Sepsis. Unter physiologischen Bedingungen ist die Verteilung des Perfusionsflusses (Q) auf den lokalen Perfusionsbedarf (D) abgestimmt (»matching«). Bei Sepsis scheint es dagegen zu einer – gemessen am Bedarf – unangepassten Verteilung (»mismatch«) zu kommen. Im unteren Bildteil sind die Konsequenzen einer parallel zueinander bestehenden inadäquaten Vasodilatation und Vasokonstriktion angedeutet. Ein selektives therapeutisches Vorgehen würde in diesen unterschiedlich gestörten Perfusionsgebieten unterschiedlich interferieren. Diese Vorstellungen zur Perfusionsfehlverteilung schließen nicht aus, dass auch Störungen der zellulären O2-Aufnahme und -Verwertung für die akkumulierende Sauerstoffschuld bei Sepsis mit verantwortlich sein können. DAVO2 Arteriovenöse O2-Differenz
Sauerstoffschuld in diesen Arealen; dieses konnte kürzlich experimentell beeindruckend demonstriert werden [13]. Darüber hinaus fand sich in den genannten Phase-II-Studien unter L-NMMA z. T. ein deutlicher Anstieg des pulmonalvaskulären Widerstands, wie aufgrund der Blockade des NO als endogenem Vasodilatator zu erwarten war. Obwohl die bisherigen Daten zeigen, dass unter L-NMMA in vielen Fällen eine akute Behebung des septischen Vasomotorenkollaps mit Stabilisierung der hämodynamischen Situation gelingen kann, musste eine weltweit angelegte Phase-IIIStudie aufgrund gehäufter kardialer Nebenwirkungen abgebrochen werden. Die Entwicklung selektiver Hemmer der induzierbaren NO-Synthase könnte diesen Therapieansatz möglicherweise erneut beleben.
Selektive Vasokonstriktion und Vasodilatation als Therapieoption Prinzipiell therapeutisch wünschenswert wären eine selektive Vasokonstriktion der inadäquat dilatierten Perfusionsgebiete und eine selektive Vasodilatation der inadäquat vasokonstringierten Areale, d. h. eine Wiederherstellung der Anpassung der Perfusionsverteilung an den lokalen Perfusionsbedarf. Dergestalt selektive vasomotorische Therapiekonzepte sind gegenwärtig für die systemische Zirkulation noch nicht verfügbar. Dass dieses prinzipiell möglich ist, beweisen jüngste Studien zur selektiven Vasodilatation in der pulmonalen Strombahn von ARDS-Patienten mittels inhalativer NO-Applikation: Transportiert mit der Ventilationsverteilung wirkt dieses Agens dann (nur) in den gut belüfteten Arealen, in denen eine Vasodilatation wünschenswert ist, nicht jedoch in nichtventilierten Shuntflussbezirken, in denen eine zusätzlich Gefäßweitstellung nachteilig wäre [27].
267 Konzepte der Mediatorblockade: vasoaktive Mediatoren
10
Tabelle 10-2. Übersicht zur Mediatorblockade bei Sepsis Mediatorgruppe
Agens
Benefit in experimentellen Modellen
Klinische Daten
Kontrollierte klinische Studien
Zytokine
Kortikosteroide Anti-TNF
+ +
Zahlreich Kontr. Studien
Lösliche TNF-Rezeptoren IL-1-Rezeptorantagonist IL-1ra
? +
Kontr. Studien
Kein Benefit (n=3) Benefit (IL >1000, 1 Studie); mehrere Studien: kein Benefit Kein Benefit
Kontr. Studien
Kein Benefit
Anti-IL-6? Anti-IL-8? IL-10? Kasuistiken
Interferon-γ? Lipidmediatoren
PMN-assoziierte Mediatoren
Zyklooxygenase-Inhibitoren (Ibuprofen, Indomethacin) Thromboxaninhibitoren/ -Rezeptorantagonisten Lipoxygenase-Inhibitoren/ LT-Antagonisten PAF-Antagonisten Eicosapentaensäure
+
Kasuistiken
Kein Benefit (n=1)
+
Kasuistiken
Keine
+
?
Keine
+ +
Kontr. Studien Kasuistiken
Kein Benefit Keine
Antikörper gegen Adhäsionsmoleküle Antioxidanzien/RadikalScavenger Tocopherol, SOD, Katalase, Desferioxamin SH-Donatoren: Acetylcystein
+
?
Keine
+
Kasuistiken
Keine
+
Kasuistiken
Protease-Inhibitoren
+
Kasuistiken
Stimulation der PMN-Bildung/ PMN-Aktivität (G-CSF, GM-CSF)
+
Kasuistiken
Laufende Studie(n) Laufende Studie(n) Aprotinin: kein Benefit Benefit (n=1)
Hemmung vasodilatativer Prostanoide (ZyklooxygenaseInhibitoren) NO-Synthase-Hemmer (L-NMMA, L-NAME) Zufuhr vasodilatativer Prostanoide (PGE1, PGI2)
+
Kasuistiken
Kein Benefit (n=1)
+/keiner
Kasuistiken, kontr. Studien Mehrere kleinere Studien
Kein Benefit
α-1-PI, Aprotinin, …
Vasoaktive Mediatoren
Kontr. Studien = Kontrollierte Studien. Siehe auch Tabelle 4-2
+
Kein Benefit (n=1)
268
1 2 3
Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
Konzepte der Mediatorblockade: verschiedene Therapieansätze An dieser Stellen seien kurz einige Therapieansätze zur Mediatorblockade genannt, welche sich keine der oben aufgeführten Rubriken zuordnen lassen.
4
Inhibitor (C1-Esterase-Inhibitor). Beobachtungen über die Anwendung hoher Dosen dieses Inhibitors bei Patienten mit Sepsis liegen vor; kontrollierte Studien hierzu stehen jedoch noch aus (s. auch 7 Kap. 11). Auch bei der Hemmung des Komplementsystems wird zu beachten sein, dass hieraus eine bedeutsame Schwächung der »Host-defense«-Kompetenz resultieren könnte.
Opioidantagonisten: nicht erfolgreich
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Pentoxifyllin Opioidantagonisten wie Naloxon wurden unter der Vorstellung einer Bedeutung der Endorphine für pathophysiologische Abläufe des Schockgeschehens bei Patienten mit septischem Schock therapeutisch angewandt. In einer kontrollierten Studie an Patienten, welche die Kriterien eines septischen Schocks erfüllten, ließen sich jedoch keine Verbesserungen der Hämodynamik und der Überlebensrate durch Applikation von Naloxon nachweisen [15].
Komplementblockade Eine Aktivierung des Komplementsystems ist unter den Bedingungen einer Sepsis regelmäßig nachweisbar. Diese kann induziert werden durch Zellwandkomponenten sowohl gramnegativer (wie z. B. Endotoxin) als auch grampositiver Bakterien. Zudem kann der einzige physiologische plasmatische Inhibitor der aktivierten C1-Komponente der Komplementkaskade, C1-Inhibitor, durch proteolytische Spaltung unter den Bedingungen der Sepsis in verminderter Konzentration vorliegen. Bei einer Aktivierung des Komplementsystems werden Anaphylatoxine (C3a, C5a) liberiert, welche potente Aktivatoren zirkulierender Granulozyten sind und die Zytokinbildung in verschiedenen Zielzellen induzieren. Der terminale Komplementkomplex (C5b-9; transmembranöser Porenbildner) stellt die entscheidende Struktur für die Komplementlyse von Mikroorganismen dar. Experimentelle Untersuchungen zur Hemmung einer Komplementaktivierung oder zur Antagonisierung der Wirkung der Anaphylatoxine in Modellen der Sepsis erbrachten partiell benefizielle Effekte. Klinisch verfügbar ist gereinigter C1-
Pentoxifyllin ist eine Substanz mit einem breiten Wirkungsprofil, welches sich z. T. über eine Erhöhung intrazellulärer c-AMP-Spiegel erklärt und dessen »Summenwirkung« für die Therapie der Sepsis von Interesse sein könnte [37]. Diese Substanz besitzt hämorheologische Effekte durch Erhöhung der Membranflexibilität von Erythrozyten, und sie induziert eine moderate systemische Vasodilatation. Sie wirkt supprimierend auf Granulozytenadhärenz und -aktivierung, interferiert partiell mit Mechanismen der interendothelialen Permeabilitätserhöhung und supprimiert – auch beim Menschen – die endotoxinprovozierte Bildung von Tumornekrosefaktor. In experimentellen Endotoxinämie- und Bakteriämiemodellen konnten durch vorangehende Applikation von Pentoxyfyllin Sepsismanifestationen reduziert und die Überlebensrate verbessert werden. In einer randomisierten multizentrischen Studie [52] bei septischen Patienten konnte die Oxygenierung zwar signifikant verbessert werden, doch die Zytokinspiegel und die Letalität wurden nicht signifikant beeinflusst.
Konzepte der Immunmodulation: Interferon-γ, Granulocyte (Macrophage) Colony Stimulating Factor [G(M)-CSF] Die Rationale dieser klinisch verfügbaren Substanzen zur Stimulation der »Host-defense«-Mechanismen bei der schweren Sepsis ergibt sich insbesondere für die schwere immunparalytische Phase der Erkrankung. In dieser Phase sind die Patienten durch erneute mikrobielle Invasion sowie durch nosokomiale Infektionen gefährdet.
269 Fazit für die Praxis
10
Interferon-γ als Therapieoption in der immunparalytischen Sepsisphase
G(M)-CSF als Therapieoption in der immunparalytischen Sepsisphase
Wie oben erwähnt, dominieren beim protrahierten Sepsisverlauf die antiinflammatorischen immunsupprimierenden Zytokine. Darüber hinaus erscheint in dieser Phase auch die leukozytäre Reihe supprimiert. Granulozyten reagieren auf maximale Stimuli nur mit einer stark reduzierten Freisetzung von Lipidmediatoren und Sauerstoffradikalen. Es kommt zu einer Herabregulation der HLA-DR-Expression auf Monozyten als Hinweis auf eine gestörte Antigenpräsentation. In dieser Phase reduzierter Immunkompetenz sind die Monozyten auch im Hinblick auf die Freisetzung inflammatorischer Zytokine inhibiert [42]. Sie setzten im Vergleich zu gesunden Probanden und nichtseptischen intensivpflichtigen Patienten deutlich geringere Mengen dieser Mediatoren bei ex vivo durchgeführten Stimulationsversuchen frei. Ihre Response auf Endotoxin ist vermindert. Entsprechendes scheint für ortsständige monozytäre Populationen zu gelten. An Alveolarmakrophagen, die durch bronchoalveoläre Lavage im Verlauf der Sepsis gewonnen wurden, konnten wir kürzlich einen »Switch« der Dominanz der Zytokingenexpression von TNF und IL-1 (in der frühen Sepsisphase) zu IL-10 (späte Sepsis) nachweisen (nicht veröffentlichte Daten). Die veränderte Reaktivität des monozytären Systems ist von einer Umstellung der T-Helferzell-Subpopulation von der TH-1 auf den TH-2-Subtyp begleitet (. Abb. 104). Alle diese Indizien deuten auf den postulierten Übergang von Hyperinflammation in Immunparalyse auch auf der zellulären Ebene hin. Diese Entwicklung weist somit Parallelen zur Entwicklung einer Immunsuppression nach schweren Traumata auf. Volk et al. [33] konnten dokumentieren, dass durch eine Interferontherapie in der immunparalytischen Spätphase der Sepsis nicht nur die HLA-DR-Expression auf den Monozyten, sondern auch deren proinflammatorische Zytokinbildung rekonstituierbar war. Dieser Ansatz ist einer der ersten Belege für eine effektive Immunmodulation bei Patienten mit Sepsis, wobei die Bewertung des klinischen Effekts noch aussteht.
Die granulozytäre Suppression in der immunparalytischen Phase der Sepsis führte dazu, als Therapiekonzept der Sepsis – geradezu im Gegensatz zur antiinflammatorischen Mediatorblockade – eine Verstärkung der granulozytären Funktionen zu propagieren. Dies kann durch Applikation von »colony stimulating factors« erreicht werden, z. B. GM-CSF oder G-CSF, welche als rekombinante Proteine verfügbar sind. G-CSF spielt wahrscheinlich eine wesentliche Rolle bei der Regulation der Neutrophilenproduktion. Darüber hinaus fungiert dieser Wachstumsfaktor sehr wahrscheinlich als ein regulierender Faktor für die Neutrophilenantwort, mit Aktivierung bestimmter Neutrophilenfunktionen in Gegenwart infektiöser/inflammatorischer Stimuli und mit Einflussnahme auf die Verteilung dieser Zellen innerhalb der verschiedenen Kompartimente des Körpers [16]. Hieraus könnte sich, wie in einigen experimentellen Studien bereits verifiziert, eine Indikation zum Einsatz dieses Wachstumsfaktors auch für nichtneutropenische Patienten unter den Bedingungen einer Sepsis ableiten lassen. Erste klinische Studien mit G-CSF bei nichtneutropenischen Patienten mit Pneumonie [40] reduzierten weitere Organversagen und in einem chirurgischen Patientenkollektiv die Entwicklung einer Sepsis [55]. Bei schwerer Sepsis führte die Gabe von G-CSF allerdings in einer aktuellen Studie zu keiner Letalitätssenkung. Der Preis eines solchen Vorgehens – und hier schließt sich der Kreis – könnte dann jedoch wiederum in einer »anarchischen« Aktivierung allgemeiner inflammatorischer Prozesse bestehen. Bislang gibt es jedoch keine validen therapeutischen Strategien, um eine wünschenswerte Steigerung der Abwehrfunktion von proinflammatorischen Effekten einer Granulozytenaktivierung zu trennen (s. auch 7 Kap. 4, . Tabelle 4-2).
Fazit für die Praxis Der Stellenwert einer mediatorblockierenden und immunmodulierenden Therapie bei Sepsis kann
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Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
noch nicht abschließend beantwortet werden. In keiner großen kontrollierten Studie wurde bislang eine Reduktion der Letalität erreicht, jedoch konnten in den Studien Subkollektive isoliert werden, in denen eine positive Wirkung möglicherweise sichtbar war. Eine retrospektive Identifikation dieser Kollektive ist jedoch statistisch nicht zulässig und kann nur zur Hypothesenbildung für weitere, dann gezielte Studien dienen. In den Fällen, in denen dies geschah, konnte wiederum kein Vorteil für die Überlebensrate dokumentiert werden. Angesichts der Vielzahl experimenteller Untersuchungen zur Sepsis und der Entwicklung zahlreicher neuer immunmodulierender Therapieansätze überrascht es, dass keiner dieser Ansätze bislang unter klinischen Bedingungen überzeugen konnte. Wie aus den eingangs erläuterten Ausführungen jedoch bereits deutlich wird, müssen diesbezüglich zahlreiche kritische Fragen gestellt werden: 5 Effizienz der Werkzeuge. Diese ist für die Zytokinantiköper unter klinischen Bedingungen belegt, nicht jedoch für die bislang eingesetzten Anti-Endotoxin-Antikörper (s. oben). 5 Zeitfenster. Die experimentellen Modelle arbeiten in der Regel mit prophylaktischer oder sehr frühzeitiger Anwendung einer Intervention; das Zeitfenster der klinischen Intervention in der Sepsis liegt in der Regel sehr viel später (. Abb. 10-6). Es gibt kaum experimentelle Modelle, die den chronischen Verlauf einer Sepsis abbilden. 5 Richtigkeit der Modelle. Intravenöse Zufuhr von Endotoxin, anderen bakteriellen Toxinen oder auch lebenden Mikroben, wie zumeist angewendet, bildet die Realität der klinischen Sepsis nur bedingt ab. So ist in diesen Modellen eine frühzeitige Anti-TNF-Intervention therapeutisch wirksam, nicht aber, wenn die Sepsis experimentell durch Zökumligatur mit Punktion (Entstehung von lokaler Peritonitis und Sepsis über Tage) ausgelöst wird. Für den letzteren Fall wurde gar beschrieben, dass eine Anti-TNF-Gabe die Letalität erhöht [21] und dass die Gabe von TNF protektiv ist [49]. Diese Befunde legen nahe, dass in diesem komplexen »kliniknahen« Modell TNF im Rahmen der lokalen entzündlichen Begrenzung einer Peritonitis eine wich-
tige Funktion ausübt, deren Inhibition nicht sinnvoll ist. 5 Berücksichtigung des Spontanverlaufs der Spiegel der körpereigenen Zytokinantagonisten. Seit längerem ist bekannt, dass es bei
Sepsis auch zur vermehrten Bildung von natürlichen Antagonisten proinflammatorischer Zytokine kommt. Dieses wurde in einer Studie noch einmal eindrucksvoll dokumentiert [29]. Die Autoren zeigten an 146 Patienten mit der Diagnose einer Sepsis, dass es im Verlauf dieses Krankheitsbildes nicht nur zum Anstieg der Spiegel der zirkulierenden Zytokine und des Endotoxins kommt, sondern dass gleichzeitig auch die körpereigenen Antagonisten kompensatorisch verstärkt gebildet werden. Neben IL-1ra konnten die löslichen TNF-Rezeptoren (sTNF-R) Typen I und II gefunden werden, wobei die Konzentration dieser Zytokinantagonisten die der korrespondierenden Zytokine um das 30- bis 100.000fache überstieg. Ebenso wurde die Bildung von IgM- und IgG-Antikörpern gegen Endotoxin-Core nachgewiesen. Der Verlauf der Bildung der körpereigenen Antagonisten proinflammatorischer Zytokine ist bislang bei der Planung der Interventionsstrategien zu wenig berücksichtigt worden. 5 Berücksichtigung der unterschiedlichen »Phasen« der Sepsis. Dies wurde ausführlich oben
dargestellt. So wie jede Intervention bei kritischen hämodynamischen Veränderungen deren aktuelle Messung verlangt (Drücke, Herzzeitvolumen, Widerstände, Volumenhaushalt), ist möglicherweise eine rasche (»bettseitige«) Abbildung der individuellen Immunreaktivität bei Sepsis vonnöten, um gezielt intervenieren zu können. Erste Ansätze werden gegenwärtig mit der bettseitigen Messung von IL-6 (als Vorraussetzung für eine Anti-TNF-Intervention) und der Bestimmung des HLA-DRExpressionsstatus der zirkulierenden Monozyten (als Vorraussetzung für eine Applikation von Interferon-γ [33]) realisiert. 5 Berücksichtigung der immunparalytischen Phase der protrahiert verlaufenden Sepsis. Vor
dem Hintergrund der sich jetzt abzeichnenden Datenlage zur Immunparalyse im weiteren
271 Fazit für die Praxis
Verlauf der Sepsis könnte eine differenzielle Intervention geboten sein, wie sie in . Abb. 1012 hypothetisch dargestellt ist. Eine Antagonisierung der wesentlichen proinflammatorischen Zytokine könnte demnach nur in der frühen Phase mit nachgewiesener Hyperinflammation sinnvoll sein, dagegen in der immunparalytischen Phase eher deletäre Effekte haben. Umgekehrt könnte es bei herabgesetzter Immunreaktivität geboten sein, wesentliche antiinflammatorische Zytokine, wie IL-10, zu hemmen, um deren Dominanz zu antagonisieren. Alternativ könnten durch Interferonγ die TH-1-Response verstärkt und die TH-2Response inhibiert werden, so sich die Vermutung einer TH-2-Dominanz in der immunparalytischen Phase der Sepsis bestätigt. Weitere interessante Kandidaten für eine gezielte Immunmodulation bei Sepsis sind die »colony stimulating factors« (CSF), wie z. B. G-CSF und GMCSF. Deren ausführliche Charakterisierung würde den Rahmen dieses Beitrags überschreiten, jedoch kann festgehalten werden, dass experimentelle Belege für eine Wirksamkeit der CSF bei Sepsis auch in Abwesenheit einer Neutropenie vorliegen ([2, 20, 28, 36, 50, 52]; s. auch 7 Kap. 4, . Tabelle 4-2). Bei allen zukünftigen Interventionsstrategien ist zu bedenken, dass Agenzien mit langer Halbwertszeit,
10
wie z. B. Antikörper, aufgrund ihrer langen Wirkdauer nur in bedingtem Umfang eine »Steuerung« in Anpassung an die Veränderung der Immunreaktivität erlauben; unter diesem Aspekt sind Pharmaka mit kurzer Halbwertszeit von Vorteil. Die Euphorie, die mit der Verfügbarkeit gezielter Werkzeuge (z. B. monoklonale Antikörper) zur Intervention beim hyperinflammatorischen Geschehen der Sepsis verbunden war, ist einer Ernüchterung gewichen. Es sind jedoch offenbar nicht die Werkzeuge, die per se ungeeignet sind, sondern es ist unser unzureichendes Verständnis der immunologischen und inflammatorischen Abläufe in der klinischen Sepsis, welches für die bisherigen Fehlschläge in klinischen Studien verantwortlich ist. »Back to basis«, eine bessere Abbildung der komplexen Realität im klinischen Verlauf der Sepsis, die Anwendung geeigneter experimenteller Modelle und die vorsichtige klinische Erprobung gezielter immunmodulierender Therapieformen sind die adäquaten Antworten, um neue wirksame Therapiestrategien zur Senkung der immer noch inakzeptabel hohen Letalität der Sepsis zu finden. In der täglichen Praxis hat von all diesen vorgestellten Therapieoptionen die prolongierte supraphysiologische Hydrokortisontherapie (200– 300 mg/Tag) bei Patienten im therapierefraktären septischen Schock weitgehend Fuß gefasst ([6, 9];
. Abb. 10-12. Phasenabhängige Zytokintherapie bei Sepsis? TNF Tumornekrosefaktor; IL-1 Interleukin-1; GM-CSF »granulocyte macrophage colony stimulating factor«; G-CSF »granulocyte colony stimulating factor«; IFN-γ Interferon-γ
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Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
7 Kap. 4
und 7 Kap. 17). Obgleich dieser Therapieansatz durch eine ausreichend große Phase-IIIStudie noch nicht belegt ist, wird er vor der Realität der hohen Sterblichkeit im septischen Schock vielerorts eingesetzt (s. auch 7 Anhang). Dies sollte jedoch von Patient zu Patient eine individuelle Entscheidung sein, bis die Datenlage zu diesem Therapieansatz eindeutig geklärt ist. Abschließend, für viele Leser sicherlich überraschend, muss auch die maschinelle Beatmung als neue Therapiemethode erwähnt werden. Vor dem Hintergrund, dass der überwiegende Teil von Patienten mit einer schweren Sepsis auch beatmet wird, und den engen Verknüpfungen von Sepsis und akutem Lungenversagen einerseits und der möglichen Induktion eines SIRS und eines Multiorganversagens durch die Beatmung andererseits, gewinnt die Beatmungsstrategie nicht unerhebliche Bedeutung für die Prognose dieser Patienten. So wies die kontrollierte nordamerikanische »Network Study« [53] nach, dass die Letalität bei Patienten mit ARDS (30 % dieser Patienten hatten eine Sepsis) um 22 % durch ein Atemzugvolumen von 6 ml/kgKG statt 12 ml/kgKG bei vergleichbarem PEEP gesenkt werden kann. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der invasiven Beatmung für die Prognose septischer Patienten und die Notwendigkeit ihrer kritisch durchdachten Anwendung, wie sie sonst für alle andren therapeutischen Maßnahmen selbstverständlich ist (s. auch 7 Anhang).
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Kapitel 10 · Mediatorblockade und Immunmodulation – Konzepte und Praxisreifes
50. Smith WS, Sumnicht GE, Sharpe RW, Samuelson D, Millard FE (1995) Granulocyte colony-stimulating factor vs. placebo in addition to penicillin G in a randomized blinded study of gram-negative pneumonia sepsis: analysis of survival and multisystem organ failure. Blood 86: 1301– 1309 51. Sprung CL, Caralis PV, Marcial EH et al. (1984) The effects of high-dose corticosteroids in patients with septic shock. N Engl J Med 311: 1137–1143 52. Staubach KH, Schröder J, Stüber F (1998) Effect of pentoxifylline in severe sepsis: results of a randomized, doubleblind, placebo-controlled study. Arch Surg 133: 94–100 53. The Acute Respiratory Distress Syndrome Network (2000) Ventilation with lower tidal volumes as compared with traditional tidal volumes for acute lung injury and the acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med 342: 1301–1308 54. The Veterans Administration Systemic Sepsis Cooperative Study Group (1987) Effect of high-dose glucocorticoid therapy on mortality in patients with clinical signs of systemic sepsis. N Engl J Med 317: 659–665 55. Weiss M, Moldawer LL, Schneider M (1999) Granulocyte colony-stimulating factor to prevent the progression of systemic non-responsiveness in systemic inflammatory response syndrome and sepsis. Blood 93: 425–439 56. Zabel P, Wolter DT, Schönharting MM, Schade FU (1989) Oxpentifylline in endotoxinemia. Lancet 334: 1474–1477
III Prophylaxe und Therapie der Organdysfunktionen 11
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie – 277
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Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahrnen des multiplen Organdysfunktionssyndroms – 359
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Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion – 403
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Dysfunktion des Hepatogastrointestinaltrakts
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Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
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Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem: Pathophysiologie, Klinik, Prophylaxe und Therapie der Critical-illness-Enzephalopathie, -Neuropathie und -Myopathie – 461
17
Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen
– 421
– 427
– 473
11 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie U. Müller-Werdan, K. Werdan
Der septische Kreislaufschock – die »klassische« Schockkomponente des Septikers – 277 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring – 283 Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie – 302 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie – 309 Literatur
– 347
Der septische Schock (Mackenzie 2001) ist definiert als »sepsisinduzierter Schock mit Hypotonie trotz adäquater Volumensubstitution, einhergehend mit Hypoperfusionszeichen oder Organdysfunktionszeichen«. Er zeigt nach der offiziellen Nomenklatur (Levy et al. 2003) einen systolischen Blutdruck von <90 mmHg (bei Kindern: <2 Standardabweichungen unterhalb des altersspezifischen Standardwertes), einen mittleren arteriellen Blutdruck von <60 mmHg oder eine Reduktion des systolischen Blutdrucks um >40 mmHg des Ausgangswertes trotz einer adäquaten Volumensubstitution und bei Fehlen anderer Hypotonieursachen. Beim septischen Schock im Kindes- und Neugeborenenalter ist die Hypotonie bereits ein spätes Alarmzeichen (Carcillo et al. 2002).
Praxistipp Es wird häufig nicht beachtet, dass dieser septische Schock aus 2 Komponenten besteht: dem septischen Kreislaufschock und der septischen Kardiomyopathie!
Der septische Kreislaufschock – die »klassische« Schockkomponente des Septikers Vasodilatation als Leitbefund Die gängige Vorstellung ist, dass der septische Schock ein Kreislaufschock ist. Richtig ist, dass der septische Schock häufig als Kreislaufschock dominiert, dass aber die Schocksymptomatik nicht nur aus einem Kreislaufversagen, sondern auch in un-
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
terschiedlichem Ausmaße aus einem zusätzlichen Herzversagen besteht, welches jedoch nicht derart deutlich ins Auge springt wie das Kreislaufversagen (7 Abschnitt »Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet«). Der adäquat volumensubstituierte septische Kreislaufschock des Intensivpatienten ist charakterisiert durch Hypotonie (arterieller Mitteldruck: <65–70 mmHg), eine hochgradige, therapierefraktäre systemische Vasodilatation und ein Kapillarleck (Fishel et al. 2003) mit Katecholaminrefraktärität, schwerster Mikrozirkulationsstörung und relativ hohen Herzindizes (. Abb. 11-1; Janssens 2003a; Mdrangolo et al. 1995; Vincent 1998). Ursächlich verantwortlich dafür sind v. a. die durch Endotoxin und Mediatoren (Tumornekrosefaktor-α, Interleukin-1, Interferon, plättchenaktivierender Faktor) induzierte Bildung des vasodilatierenden Stickoxids via induzierbarer Stickoxidsynthase, eine verminderte Ansprechbarkeit der α-Adrenozeptoren der Gefäßmuskelzellen auf endogene und exogene Katecholamine (Rezeptordownregulation, Störung der Signaltransduktion auf Postrezeptorebene) sowie die zunehmende Azidose (Tsuneyoshi et al. 1996).
Neben dieser »klasssischen« hyperzirkulatorischen Form des septischen Kreislaufschocks (Mackenzie 2001) mit Hypotonie, hohen Herzindizes und erniedrigten systemischen Gefäßwiderständen [»warmer Schock«; Herzindex (HI) >5,5 l/ min/m2, systemischer Gefäßwiderstand (SVR) ≤600 dyn × s/cm5] kann in der unbehandelten Frühphase (. Tabelle 11-1), bei sehr ausgeprägter septischer Kardiomyopathie (7 Abschnitt »Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet«) und in der Präfinalphase auch die hypodyname Form des septischen Kreislaufschocks beobachtet werden, charakterisiert durch Hypotonie, niedrige Herzzeitvolumina und erhöhte systemische Gefäßwiderstände (»kalter Schock«; HI<2,5 l/min/m2, SVR ≥600 dyn × s/cm5). Im Gegensatz zur systemischen Zirkulation kommt es im Lungenkreislauf zu einem Ungleichgewicht von Vasodilatatoren (Stickoxid) und starken Vasokonstriktoren (Endothelin (Avontuur et al. 1999), Thromboxan), mit resultierender pulmonaler Vasokonstriktion und pulmonaler Hypertonie im septischen Kreislaufschock. Eine systemische Blockade der Stickoxidproduktion durch Inhibierung der induzierbaren Stickoxidsynthase
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[mmHg ]
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Herzzeitvolumen ] [
systemischer Gefäßwiderstand
[SGW*] [
]
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* systemischer Gefäßwiderstand
20
. Abb. 11-1. Kasuistik: Herz-Kreislauf-Befunde bei einem 47-jährigen Patienten mit Pseudomonassepsis nach Aspirationspneumonie. Aspirationspneumonie am 19.10. Nach initialer Befundbesserung kommt es bis zum 26.10. zu einer Befundverschlechterung mit katecholaminpflichtiger Schocksymptomatik. Ab dem 27.10. tritt eine anhaltende klinische Besserung ein. (Aus Werdan et al. 1991)
279 Der septische Kreislaufschock – die »klassische« Schockkomponente des Septikers
11
. Tabelle 11-1. Herz-Kreislauf-Status von Sepsispatienten in der Notaufnahme und auf der Intensivstation im Vergleich Sepsispatienten in der Notaufnahme*: zentralisierter, »kühler« Schock
Sepsispatienten auf der Intensivstation: hyperzirkulatorischer, »warmer« Schock
Unbehandelte Sepsisfrühphase
Anbehandelte, statische Sepsisphase
Gefäße noch reagibel: RR ↔
Effektive Behandlung: Normovolämie und Normotonie/ (Hypotonie)
Hypovolämie: ZVD ↓, HI ↓, ScvO2 ↓, SVR ↔/↑
»Hyperzirkulation«: ZVD ↔, HI ↑, ScvO2 ↑, SVR ↓
* Die Prognose der Sepsispatienten in der Notaufnahme kann anhand des »Mortality in Emergency Department Sepsis (MEDS) Score« abgeschätzt werden (Shapiro et al. 2003). HI Herzindex; RR mittlerer Blutdruck; ScvO2 zentralvenöse O2-Sättigung; SVR systemischer Gefäßwiderstand (»systemic vascular resistance«); ZVD zentraler Venendruck. (Nach Donnino 2002).
mit dem Argininanalog L-NMMA verstärkt den Lungenhochdruck (Petros et al. 1994). Der Kreislaufschock ist für 40 % aller Sepsistodesfälle verantwortlich (Parrillo 1989).
Der lange Weg des Sauerstoffs Der septische Schock ist charakterisiert durch eine inadäquate Gewebeoxygenierung und eine unzureichende zelluläre O2-Utilisation, hervorgerufen durch Störungen auf verschiedenen Ebenen des langen Weges des O2-Moleküls von der Atemluft in die Atmungskette der Zelle (. Tabelle 112). Sepsisinduzierte Störungen können dabei auf allen Ebenen – der Makrozirkulation, der regionalen Durchblutung und der Mikrozirkulation – auftreten. Aber auch die O2-Utilisation auf zellulärer Ebene kann beeinträchtigt sein, hervorgerufen durch toxin- und mediatorbedingte Alterationen der Mitochondrienfunktionen, insbesondere der Atmungskette.
Therapieoptionen bei septischem Kreislaufschock Zur Verbesserung von Sauerstoffangebot und Sauerstoffutilisation ergeben sich folgende Therapieoptionen: 5 Optimierung des systemischen O2-Angebots durch Steigerung von Herzindex und O2-Trägern;
5 Verhinderung der Dysbalance von regionalem
O2-Angebot und regionalem O2-Verbrauch: Ökonomisierung der Organperfusion; 5 Verbesserung der O2-Abgabe auf Ebene der Mikrozirkulation; 5 Aufhebung der gestörten O2-Utilisation auf zellulärer Ebene. Die verschiedenen Therapieoptionen lassen sich in unterschiedlichem Ausmaß im klinischen Alltag umsetzen (s. folgende Kapitel).
Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet Die »septische akute Myokarditis wurde bereits vor 75 Jahren beschrieben (Romberg 1921). Sie kann als spezifische Kardiomyopathie – als Herzbeteiligung im Rahmen der Systemerkrankung »Sepsis« – aufgefasst werden. Für diese Herzschädigung in der Sepsis wurde 1989 von H.-P. Schuster der Begriff »akute septische Kardiomyopathie« geprägt (Schuster 1989): unterschiedliche Krankheitserreger und Virulenzfaktoren induzieren dabei eine Herzfunktionseinschränkung, charakterisiert einerseits durch ein allen Sepsisformen gemeinsames Schädigungsmuster, andererseits aber auch durch erreger- und toxinspezifische Komponenten. Nach echokardiographischen Kriterien zeigen 44 % aller Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock eine frühe systolische Funkti-
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-2. Von der Störung des O2-Angebots bis zur Hemmung der zellulären O2-Verwertung im septischen Schock O2-Transport-/ O2-Verwertungskomponenten
Determinanten
»Störfaktoren«
Konsequenzen
Monitoring
Lunge, Herz und Makrozirkulation: Systemischer O2-Transport
Lungenfunktion
Pneumonie, ARDS, vorbestehende Lungenerkrankungen
O2 ↓
AMV, paO2, HI, SVR, DO2, SvO2, ScvO2
Herzfunktion
septische Kardiomyopathie, Hypovolämie, vorbestehende Herzerkrankungen
Blut-O2-Träger (Blutvolumen, Hämoglobin)
Hypovolämie, Anämie
Regionale Blutverteilung
Perfusionsdruck, regionaler Gefäßwiderstand
veränderte Gefäßreagibilität, Shunts, vasoaktive Mediatoren
Mikrozirkulation: O2-Abgabe
Kapillarperfusion, Kapillardichte und Diffusionsstrecke
Endotheldysfunktion und Endothelschädigung, Interstitielles Ödem, DIC, Störung der O2Abgabe
Zelluläre O2Verwertung
Zahl und Funktion der Mitochondrien
Toxin- und mediatorinduzierte Störung der Atmungskette und des Energiestoffwechselsa, Zytotoxizität, Apoptose
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OPS-Technik (. Abb. 11-2) pmuscleO2 VO2 ↓
VO2, SvO2, ScvO2
a Brealey et al. 2002; Gellerich et al. 1999 AMV Atemminutenvolumen; DO2 O2-Angebot; HI Herzindex; paO2 Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut; pmuscleO2 Sauerstoffpartialdruck im Skelettmuskel; SVR systemischer Gefäßwiderstand (»systemic vascular resistance«); VO2 O2-Verbrauch; ScvO2 zentralvenöse O2-Sättigung; SvO2 gemischtvenöse O2-Sättigung; DIC disseminierte intravasale Gerinnung.
onsstörung des linken Ventrikels (Charpentier et al. 2004). Der bisher noch wesentlich weniger präzise formulierten Herzfunktionseinschränkung bei schwerem SIRS – der SIRS-Kardiomyopathie – dürften ähnliche Schädigungsmuster wie der septischen Kardiomyopathie zugrunde liegen.
Die akute septische Kardiomyopathie: mehr als nur Myokarddepression durch einen einzelnen kardiodepressiven Faktor! Lange Zeit ging man von der Vorstellung aus, dass ein einzelner, in der Sepsis gebildeter Faktor die Myokarddepression hervorrufe. Im Einklang mit diesem Konzept wurde in den vergangenen 20 Jahren auch immer wieder über kardiodepressi-
ve Faktoren im Plasma von Patienten mit Sepsis berichtet, deren Strukturen aber trotz aller Bemühungen nicht aufgeklärt werden konnten (Hallström et al. 1991 und 1993; Hoffmann et al. 1999, Pathan et al. 2002). Die so genährten Zweifel an der Existenz dieser kardiodepressiven Faktoren kulminierten schließlich in Zweifeln an der Existenz dieser septischen Myokarddepression selbst. Die Skepsis wurde weiterhin dadurch geschürt, dass es nicht gelang, durch Elimination dieser in Hämofiltraten nachgewiesenen Substanzen die Herz-Kreislauf-Situation der Sepsispatienten zu verbessern (Hoffmann et al. 1996). Heute erscheint diese Skepsis nicht mehr angebracht: Wir wissen, dass in der Sepsis zahlreiche Substanzen mit kardiodepressiven Eigenschaften
281 Der septische Kreislaufschock – die »klassische« Schockkomponente des Septikers
im Kreislauf in ausreichend hohen Konzentrationen zirkulieren; sowohl Bakterientoxine als auch Sepsismediatoren mit definierter Struktur können kardiodepressiv wirken (7 Kap. 2): Endotoxin, Pseudomonas Exotoxin A, Tumornekrosefaktor α, Interleukin 1, Stickoxid, reaktive O2-Verbindungen und andere mehr gehören dazu (7 Kap. 2; Grocott-Mason u. Shah 1998; Krishnagopalan et al. 2002; Kumar et al. 2001 a, b; Müller-Werdan et al. 1996; Müller-Werdan u. Werdan 1999). Es ist v. a. das Verdienst der Arbeitsgruppe von Parrillo in den 80er Jahren, die Brücke von der Existenz myokarddepressiver Substanzen zum klinischen Bild der in der Sepsis auftretenden Myokarddepression geschlagen und diese Form der spezifischen Herzinsuffizienz klinisch überzeugend belegt zu haben. (Freeman et al. 2001 ; Kumar et al. 2001a, b; Parillo 1989).
11
Die Herzfunktionsnormalwerte des Gesunden sind nicht die Herzfunktionsnormalwerte des Septikers! Der Schädigung des Herzens wird im Rahmen des septischen MODS häufig keine allzu große Bedeutung beigemessen, ist doch die Pumpleistung des septischen Patienten im Vergleich zu der des Gesunden scheinbar nicht wesentlich eingeschränkt oder sogar erhöht (. Abb. 11-1, 11-2). Das eigent-
. Übersicht 11-1.
Akute septische Kardiomyopathie 5 Myokarddepression (s. auch 7 Kap. 2), 5 rechtsventrikuläre Dysfunktion infolge pulmonaler Hypertonie bei ARDS, superponierte hypoxische Herzschädigung bei manifestem Schock, insbesondere bei koronarer Herzkrankheit, 5 autonome Dysfunktion, 5 Rhythmusstörungen?, 5 gestörter Herzstoffwechsel (. Abb. 11-13).
Die Pumpfunktionseinschränkung des Herzens ist nach derzeitigem Kenntnisstand die pathogenetisch bedeutsamste Komponente der akuten septischen Kardiomyopathie (. Übersicht 2-2, S. 54), aber nicht die einzige (. Übersicht 11-1): die gestörte rechtsventrikuläre Pumpfunktion, der Einfluss einer superponierten hypoxischen Herzschädigung, die autonome Dysfunktion, mögliche Rhythmusstörungen und der gestörte Herzstoffwechsel (Müller-Werdan et al. 1996, S. 139–188) sind weitere zu beachtende und hoffentlich auch baId besser zu behandelnde Komponenten der septischen Kardiomyopathie (s. unten).
. Abb. 11-2. Herzfunktionsparameter von 2 Patienten mit septischem Schock (, ) in Abhängigkeit vom systemischen Gefäßwiderstand. Bei diesen beiden Patienten wurden während der Krankheitsverläufe mit klinischer Befundbesserung in einem Zeitraum von 20 Tagen (Patient 1, ) bzw. von 8 Tagen (Patient 2, ) mehrfach Herzfunktionsparameter mittels Pulmonalarterienkatheter ermittelt: Herzindex, linksventrikulärer Schlagarbeitsindex, Schlagvolumenindex. Die Werte wurden in Abhängigkeit von dem jeweils aktuellen systemischen Gefäßwiderstand aufgetragen. Zum Vergleich sind die Normalwerte Gesunder () aufgeführt.
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
liche Ausmaß der Schädigung der Herzfunktion wird aber rasch evident, wenn das Herzzeitvolumen in Relation zur in der Sepsis und im septischen Schock stark erniedrigten Nachlast gesetzt wird (. Abb. 11-2): Eine normale Herzleistung würde sich bei einem auf 1/3 Drittel der Norm (1100 ± 200 dyn × cm–5 × s) erniedrigten systemischen Gefäßwiderstand von 400 dyn × cm-5 × s in der Sepsis durch Herzindizes von 6–9l/min/m2, Schlagvolumenindizes von 70–100 ml/m2 und linksventrikuläre Schlagarbeitsindizes von 80– 100 g × m/m2 auszeichnen (. Abb. 11-2). ! Der Septiker hat nachlastspezifische Normalwer-
te für Herzzeitvolumen und Herzindex (. Abb. 11-2), und diese müssen bei der Beurteilung der Herzfunktion des Septikers zugrundegelegt werden!
Die akute septische Kardiomyopathie ist prognosemitbestimmend Das klinische Bild der akuten septischen Kardiomyopathie ist in . Übersicht 2-2, S. 54 und . Abb. 11-1, zusammengefasst; eine erhöhte Ventrikelcompliance und die potentielle Reversibilität unterscheidet es von anderen Formen der Herzinsuffizienz. Die akute septische Kardiomyopathie kann erfreulicherweise folgenlos ausheilen, als günstig werden ein hoher linksventrikulär-enddiastolischer Volumenindex und eine dementsprechend niedrige Auswurffraktion des Herzens in der Akutphase angesehen (Parrillo 1989). Bei Progredienz der Herzinsuffizienz allerdings ist die Prognose ungünstig: Je ausgeprägter die Myokarddepression und die Vasodilatation eines Patienten mit septischem Schock sich darstellt, umso größer ist die Gefahr des Versterbens (Vincent et al. 1998, Charpentier et al. 2004). 10 % aller Sepsistodesfälle sind auf ein therapierefraktäres Herzversagen zurückzuführen, bei 40 % ist es das therapierefraktäre Kreislaufversagen und bei 50 % das irreversible Multiorganversagen (Parrillo 1989).
Die Therapie der akuten septischen Kardiomyopathie darf nicht isoliert betrachtet werden Die Behandlung der Herzschädigung in der Sepsis muss sich in ein Gesamtkonzept einordnen, das die zusätzlichen Störungen im Bereich der Makround Mikrozirkulation sowie auf Organebene mitberücksichtigt (7 Kap. 4). Sie ist derzeit noch überwiegend symptomatisch; mit zunehmendem Verständnis der Ursachen der akuten septischen Kardiomyopathie zeichnen sich jedoch bereits auch Ansätze einer kausaleren Behandlungsweise ab. Obwohl nicht nur die systolische, sondern auch die diastolische Herzfunktion in der Sepsis beeinträchtigt ist (7 Kap. 2, S. 54), konzentriert sich derzeit unser Interesse noch weitgehend auf die Besserung der systolischen Funktionsstörung des rechten und linken Ventrikels. Die Therapie der SIRS-Kardiomyopathie orientiert sich an den Behandlungskonzepten der septischen Kardiomyopathie. Die Prophylaxe der akuten septischen und SIRS- Kardiomyopathie beschränkt sich derzeit noch auf allgemeine Sepsis- und SIRS-Prophylaxemaßnahmen (7 Kap. 4).
Besonderheiten der Herzinsuffizienz bei Sepsis/septischem Schock und Multiorganversagen: akute septische Kardiomyopathie Die Kasuistik der . Abb. 11-1 verdeutlicht die typischen Herz-Kreislauf-Veränderungen, wie sie bei gramnegativem und grampositivem septischen Schock im Rahmen des Multiorganversagens gefunden werden: Der Blutdruckabfall infolge der Erniedrigung des systemischen Gefäßwiderstands bis auf etwa 30 % der Norm kann bis zu einem gewissen Grad durch einen Anstieg des Herzzeitvolumens kompensiert werden. Herzzeitvolumen/ Herzindex und Schlagvolumenindex steigen dabei um so mehr an, je stärker der systemische Gefäßwiderstand abfällt (. Abb. 11-2). Eine so weitgehende Kompensation – d. h. ein Anstieg des Herzzeitvolumens auf das Zwei- bis Dreifache der Norm – wird allerdings im septischen Schock nur selten beobachtet, v.a.nicht bei protrahierten Verläufen: die Pumpfunktionsparameter des Herzens sind dabei zwar im Vergleich zu gesunden Probanden mit »normalem« syste-
283 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
mischen Gefäßwiderstand meist nicht erniedrigt oder sogar leicht erhöht; berücksichtigt man jedoch die inverse Korrelation mit dem systemischen Gefäßwiderstand (. Abb. 2-13, 11-2), so wird die eingeschränkte Pumpleistung des Herzens bei vielen Patienten in der hyperdynamen Phase des septischen Schocks (Pilz et al. 1994; Silverman et al. 1993) und sogar bereits bei normotensiver Sepsis (Raper et al. 1989) rasch evident. Diese ausgeprägte Pumpfunktionseinschränkung findet sich sowohl bei verschiedenen Formen der gramnegativen als auch der grampositiven Sepsis, bei der Pilzsepsis (. Abb. 11-3), der Meningokokkensepsis (Pathan et al. 2002; Stange et al. 2001) und dem Streptokokken-»Toxic-shock«Syndrom (Case Records of the Massachusetts General Hospital 2002). Erfreulicherweise sind die Pumpfunktionseinschränkungen von linkem und rechtem Ventrikel potenziell in 7–10 bzw. 7–14 Tagen reversibel (Krishnagopalan et al. 2002). Welche strukturellen Störungen dieser Pumpfunktionseinschränkung zugrunde liegen, ist allerdings noch weitgehende unklar; im Obduktionsgut (Müller-Höcker u. Haerty 1993) finden sich unspezifische Veränderungen – wie häufig bei Myokardischämie und Schock – mit Herzvergrößerung und -dilatation, interstitiellem Ödem, Hyperkontraktionsbändern, Zellnekrose, Kalziumüberladung der Kardiomyozyten, Mitochondrienschwellung und Cristaschädigungen, Lipidakkumulationen und Kardiomyozytenfragmentierun-
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gen sowie außerdem mit Zeichen der Hypersensitivitätsmyokarditis mit lymphozytären und eosinophilen Infiltraten (Case Records of the Massachusetts General Hospital 2002). Beim experimentellen Endotoxinschock korreliert die Pumpfunktionseinschränkung mit einem interstitiellen Myokardödem, einer Verzehnfachung strukturell abnormer Kardiomyoyzten (7,6 vs. 0,8 %) und einer Verfünffachung der leukozytär besiedelten Myokardkapillaren (Goddard et al. 1996). Die Besonderheiten der Herzinsuffizienz beim pädiatrischen septischen Schock im Vergleich zu der hier beschriebenen septischen Kardiomyopathie des Erwachsenen finden sich in 7 Kap. 24 sowie bei Ellenby et al. 2001, Tibby u. Murdoch 2002 und Tabutt 2001. ! Die Behandlung der akuten Herzinsuffizienz bei
Sepsis erfordert eine eigenständige Betrachtungsweise, die sich nicht ausschließlich an der Behandlung der nichtseptisch bedingten, »klassischen« akuten Herzinsuffizienz orientieren kann!
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Der »klassische« septische Schock des Intensivpatienten (7 Kap. 1) nach adäquater Volumensubsti-
[
]
. Abb. 11-3. Kardiale Dysfunktion – gemessen als linksventrikulärer Schlagarbeitsindex (LVSWI) – bei verschiedenen Formen der gramnegativen (Gram –), der grampositiven (Gram +) und der Pilzsepsis. (Mod. nach Pilz et al. 1994a)
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
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a . Abb. 11-4. Patient mit septischem Schock auf der Intensivstation in der postinitialen »Steady-state«-Phase nach adäquater Volumensubstitution. Ausgeprägtes Kapillarlecksyndrom mit massiver Ödembildung an Kopf und Stamm (a) sowie an den Händen (b). An der Hand sind weiterhin Petechien im Rahmen der sepsisbedingten disseminierten intravasalen Gerinnung zu erkennen (b)
tution in der »Steady-state«-Phase – hyperzirkulatorischer, »warmer« Schock mit ausgeprägtem Kapillarlecksyndrom (. Abb. 11-4; . Tabelle 11-3) – ist unschwer zu diagnostizieren. Schwieriger ist die Erkennung allerdings bei aptyischeren Sepsisverläufen (7 Kap. 1) und v. a. in der Sepsisfrühphase vor Beginn der Volumenbehandlung, bei der häufig ein zentralisierter, »kühler« Schock vorliegt (. Tabelle 11-1). Bei unklarer Situation sind differenzialdiagnostisch Schockzustände mit Fieber unterschiedlicher Ursache zu erwägen: Lungenembolie, infarktbedingter kardiogener Schock, Schock im Rahmen einer Addison-Krise (Dellinger 2003). Der Schock im Rahmen eines schweren SIRS – »SIRS-Schock« – (7 Kap. 1) läuft häufig als mitigierte Form des septischen Schocks ab, mit einer geringer ausgeprägten Hyperzirkulation und Vasodilatation (. Tabelle 11-3). Nicht selten propft sich auf einen – meist infarktbedingten – prolongierten kardiogenen Schock eine septische Komponente auf (. Tabelle 11-3). Der infarktbedingte kardiogene Schock kann ebenfalls ausgeprägte Züge eines SIRS-Schocks aufweisen, mit vergleichbar hohen IL-6-Serumspiegeln wie ein septischer Schock (Prondzinsky u. Werdan 2003).
Zu den wenig bekannten Differenzialdiagnosen des septischen Schocks – aber mit therapeutischen Konsequenzen – zählt das Kapillarlecksyndrom mit rezidivierenden Schockepisoden in Verbindung mit einer monoklonalen Gammopathie (Müller u. Schmidt 2004) oder im Rahmen eines angeborenen oder erworbenen C1-Esterase-Mangels. Neben der massiven Volumensubstitution in der Akutphase werden im ersteren Fall zur Anfallsprophylaxe β2-Sympathomimetika (Terbutalin, Salbutamol) und Phosphodiesterasehemmer (Theophyllin) sowie – experimentell – Leukotrienrezeptorantagonisten, wie Montelukast, empfohlen (Müller u. Schmidt 2004), in letzterem Fall die Substitution mit C1-Esterase-Inhibitor. Als weitere seltene Differenzialdiagnose des septischen Schocks ist auch das reaktive Makrophagenaktivierungssyndrom zu nennen, das ein dem septischen Schock sehr ähnliches Krankheitsbild nichtinfektiöser Genese bietet. Der Verdacht sollte immer bei einer ausgeprägten Hyperferritinämie eines Patienten mit »septischem Schock« gestellt werden. Therapeutisch ist der Einsatz von Immunglobulinen indiziert (Emmenegger et al. 2001).
11
285 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
. Tabelle 11-3. Septischer, SIRS (»Fieber+MODS«) und kardiogener Schock im Vergleich Parameter
Septischer Schock (n=14+29*)
Fieber+MODS (n=11)
Kardiogener Schock (n=7+15*)
22 ± 4/19,0 ± 5,9*
13 ± 4
13 ± 3/11,0 ± 5,9*
Schweregrad der Erkrankung (MODS) APACHE-II-Score 32 ± 6/29,3 ± 6,6
26 ± 4
29 ± 3/20,3 ± 8,4*
Hämodynamik HI (l/min/m2) SVR (dyn×s/m5) LVSWI (g×m/m2)
4,8 ± 1,4/5,75 ± 1,75* 597 ± 149/389 ± 126* 37,5 ± 12,5
3,0 ± 0,5 1115 ± 178 36,6 ± 6,7
2,3 ± 0,2/1,69 ± 0,46 1295 ± 180/1573 ± 478* 21,4 ± 4,3
2,8–4,2+ 1100 ± 200+ 45–80+
648 ± 246 160 ± 52 28 ± 16 45,7 ± 12
446 ± 86 146 ± 22 34 ± 9 27,6 ± 5
332 ± 20 123 ± 36 37 ± 11 17,6 ± 3
517–690+ 103–149+
Sepsisschweregrad Sepsisscore nach Elebute u. Stonere
O2-Parameter DO2 (ml×min/m2) VO2 (ml×min/m2) O2-Extraktion (%) Lokaler mittlerer Skelettmuskel-pO2 (mmHg) Körpertemperatur (°C) Laborwerte Leukozyten (G/l) Laktat (mmol/l) Prokalzitonin
38,5 ± 1,2*
38,4 ± 1,0*
16,7 ± 8,3* 3,7 ± 5,4*
13,9 ± 6,3* 3,4 ± 2,8*
↑↑#
Normalbereich
32 ± 9#
4,3–10,8 0,6–1,7 (venös)
(↑)#
Angaben aus Werdan et al. 1991; Boekstegers et al. 1994b. * Pilz et al. 1989; + Burchardi et al. 2000, S. 626–631; # De Werra et al. 1997. Die Angaben für DO2 und VO2 wurden nach Burchardi et al. 2000, S. 626–631, aus den nichtindexierten Normalwerten durch Division mit 1,74 m–2 berechnet. Sepsisscore nach Elebute u. Stoner: siehe Elebute u. Stoner 1983; APACHE-II-Score: siehe Knaus et al. 1985. HI Herzindex; SVR systemischer Gefäßwiderstand (»systemic vascular resistance«); LVSWI linksventrikulärer Schlagarbeitsindex; DO2 Sauerstoffangebot; VO2 Sauerstoffverbrauch
EKG: in der Regel nur unspezifische Ischämiezeichen! Das EKG zeigt bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie keine spezifischen Veränderungen. Zu finden sind allenfalls Zeichen einer Myokardischämie mit ST-Strecken-Senkungen und – unspezifischen – T-Negativierungen (Hoffmann u. Welte 2002; Mair et al. 1995; Spies et al. 1998). Erleidet ein Sepsispatient einen Myokardinfarkt, so sind die EKG-Veränderungen ebenfalls häufig dafür nicht typisch.
Bei Meningokokkenmeningitis mit septischem Schock sind reversible konvexe ST-Strecken-Hebungen im Posterlolateralbereich beschrieben worden (Gach et al. 2001), verbunden mit einem Anstieg der Konzentration der herzspezifischen Isoform der Kreatinkinase (CK-MB) auf Werte bis zu 3454 IU/l (CK) bzw. 234 µg/l (CK-MB), ohne nachfolgende Ausbildung von Q-Zacken. Ursächlich wurden von den Autoren neben einer massiven Sympathikusaktivierung – wie bei zerebralen Läsionen nichtseptischer Genese mit ähnlichen EKG-Veränderungen (Bailey u. Chaitman 2003) –
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
v. a. eine reversible Myokardischämie im Rahmen der Schocksymptomatik oder aber reversible Koronarspasmen diskutiert (Gach et al. 2001). Praxistipp Schreiben Sie bei Patienten mit Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock täglich ein EKG (s. auch 7 Abschnitt »Kardinale Begleiterkrankungen«), auch wenn die zu beobachtenden EKG-Veränderungen recht unspezifisch sind. Sie schärfen mit diesem Vorgehen den Blick für das Auftreten einer septischen Kardiomyopathie!
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Labordiagnostik: Achten Sie auf das Troponin! Laktat Eine Hyperlaktatämie (>2 mEq/l) gilt als Gewebehypoxiemarker. Bei Sepsispatienten kann ein erhöhter Blutlaktatwert aber auch andere Ursachen haben, v. a. wenn die Spiegel bei hämodynamisch stabilen Sepsispatienten nicht höher als 2–4 mEq/l betragen (De Backer 2003; Jakob et al. 2001). Zu diesen Ursachen zählen bei Sepsis eine Hemmung der Pyruvatdehydrogenase mit konsekutiv vermehrter Laktatproduktion – nach Endotoxinapplikation und bei Sepsis aufgezeigt –, eine gesteigerte aerobe Glykolyse mit vermehrtem Anfall von Pyruvat und Lakat, eine vermehrte regionale Laktatproduktion (Lunge, Magen-Darm-Trakt, Blutzellen) sowie eine verminderte Laktat-Clearance durch die Leber. ! Ungeachtet der unterschiedlichen Ursachen
eines Laktatkonzentrationsanstiegs zeigt eine Laktatazidose – besonders wenn sie persistiert – eine ungünstige Prognose an, der Laktatkonzentrationsabfall eine verbesserte Überlebenschance (De Backer 2003; Vincent 2001).
Prokalzitonin und Zytokine
19 20
Prokalzitonin gilt derzeit als der entscheidende Sepsismarker (7 Kap. 4; De Werra et al. 1997). Zytokine – insbesondere Interleukin-6 (IL-6), Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die beiden löslichen TNF-Rezeptoren I und II – sind klassi-
sche Inflammationsmarker, deren Plasmaspiegel eine gewisse Korrelation mit dem Schweregrad der Sepsis – und damit auch mit dem septischen Schock – zeigen (7 Kap. 4). Eine weiterführende Hilfestellung speziell bei der quantitativen Schweregradeinschätzung des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie ist nicht erkennbar.
Natriuretische Peptide Natriuretische Peptide – wie das atriale natriuretische Peptid (ANP) und das B-Typ-natriuretischePeptid (»brain natriuretic peptide«, BNP) – sind Indikatoren der mit einer ungünstigen Prognose gekoppelten Herzfunktionseinschränkung (Charpentier et al. 2004). Darüber hinaus können Zytokine der Interleukin-6-Familie die Sekretion von ANP und BNP induzieren. Beim septischen Schock steigen Plasma-ANP(82,7 ± 9,9 vs. 14,9 ± 1,2 pg/ml) und Plasma-BNPSpiegel (12,4 ± 3,6 vs. 5,5 ± 0,7 pg/ml) an (Witthaut et al. 2003). Der ANP-Spiegel-Anstieg korreliert dabei mehr mit dem IL-6-Spiegel-Anstieg und weniger mit der kardiovaskuären Dysfunktion, während der BNP-Spiegel-Anstieg die Pumpfunktionseinschränkung des Herzens (Abnahme des Herzindex) widerspiegelt. ! Der Plasma-BNP-Spiegel-Anstieg beim septi-
schen Schock reflektiert – weitgehend inflammationsunabhängig – den Schweregrad der septischen Kardiomyopathie.
Troponin und Kreatinkinase-Aktivität Bei 30–80 % der Patienten mit Sepsis und septischem Schock findet sich ein Anstieg der herzspezifischen Marker Troponin T und Troponin I (Klein Gunnewick u. van de Leur 2003; Wu 2001). Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ist dieser Troponinspiegelanstieg Ausdruck einer irreversiblen Herzschädigung im Sinne eines Non-ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkts (NSTEMI; ohne ST-Strecken-Hebung und ohne Anstieg der Konzentration der herzspezifischen Kreatinkinase, CK-MB) oder eines ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkts (STEMI; mit ST-Strecken-Hebung und mit CK-MB-Spiegel-Anstieg). Ob der Troponinwertanstieg bei Sepsis und septischem Schock
287 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
immer einen irreversiblen Herzschaden reflektiert, ist fraglich. Zumindest findet man Troponinwerterhöhungen auch bei denjenigen Patienten, bei denen keine koronare Herzkrankheit vorliegt (Ammann et al. 2001). Unabhängig davon, ob erhöhte Troponinspiegel bei schwerer Sepsis und septischem Schock einen irreversiblen oder »nur« einen reversiblen Herzschaden anzeigen, korrelieren erhöhte Troponinspiegel mit einer ungünstigen Prognose und einem hohen Noradrenalinbedarf (. Tabelle 114); hinsichtlich der Korrelation mit der Einschränkung der kardialen Pumpfunktion sind die Literaturdaten weniger einheitlich (. Tabelle 11-4; Spies et al. 1998; Wu 2001). Die Messungen der Aktivität der Kreatininkinase (CK) und des »herzspezifischen« CK-MBIsoenzyms sind weniger aussagekräftig (. Tabelle 11-4), ausgenommen es liegt ein akuter STStrecken-Elevations-Myokardinfarkt »klassischischämischer« Genese bei einem Sepsispatienten mit schwerer koronarer Herzkrankheit vor (7 Abschnitt »Kardiale Begleiterkrankungen«). Praxistipp Denken Sie an die Serum-Troponin-I-/-TSpiegel-Bestimmung. Troponin I/T ist ein relevanter Prognosemarker und weist auf das Auftreten einer septischen Kardiomyopathie bzw. auf eine Myokardischämie bei begleitender koronarer Herzerkrankung hin!
Echokardiographie: zur Quantifizierung der septischen Kardiomyopathie nicht ausreichend! Mittels transthorakaler und – zu bevorzugen – transösophagealer Echokardiographie (Charpentier et al. 2004) einschließlich transnasaler Technik und portabler Echokardiographiegeräte (Bartel 2004; Greim et al. 1998; Jardin et al. 1994; McLean 1998; Poortmans et al. 2001; Voga u. Krivec 2000) lassen sich zwar die enddiastolischen und endsystolischen Herzvolumina bzw. -durchmesser bestimmen; der Schweregrad der Myokarddepression – gemessen als linksventrikuläre sys-
11
tolische Durchmesserverkürzung bzw. linksventrikuläre Auswurffraktion – wird dagegen bei Nichtbeachtung der erniedrigten Nachlast häufig unterschätzt (7 Abschnitt »Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet«; Heerman et al. 2001). ! Die Echokardiographiemessungen sind auf
eine »normale« Nachlast bezogen, nicht auf die drastisch verminderte Nachlast des Patienten mit septischem Schock!
Muss im Rahmen eines ARDS oder kardiopulmonaler Begleiterkrankungen eine Belastung des rechten Ventrikels infolge einer pulmonalen Hypertonie angenommen werden, so erlaubt die Echokardiographie den Nachweis einer vergrößerten, hypokontraktilen rechten Herzkammer und die nichtinvasive Abschätzung der pulmonalen Hypertonie. Die nur auf wenigen Intensivstationen verfügbare Radionuklidventrikulographie (Messung von endsystolischem und enddiastolischem Volumen und Berechnung der linksventrikulären Auswurffraktion) hat Wesentliches zur Charakterisierung der septischen Herzschädigung beigetragen (Parrillo 1989); für die Routine ist sie entbehrlich.
Invasives hämodynamisches Monitoring: HI und SVR – beides sollten Sie bestimmen! Die klinische Einschätzung des Herzzeitvolumens ist unzureichend, und auch ein normaler mittlerer Blutdruck bedeutet nicht unbedingt ein ausreichendes Herzzeitvolumen (Eisenberg et al. 1984; Staudinger et al. 1998). Insofern sind wir auf nichtinvasive und invasive hämodynamische Monitoringverfahren angewiesen, auch wenn sie alle ihre spezifischen Schwächen (Bellomo u. Uchino 2003; Pinsky 2003b; Shepherd et al. 1994) und Risiken (Janssen & Haurath 1998) haben. Zur Charakterisierung des Schweregrades des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie benötigen Sie die Bestimmung 5 der Herzfrequenz, des systolischen, diastolischen und mittleren arteriellen Blutdrucks,
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1
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-4. Kardiales Troponin T (cTn T) bei Intensivstationspatienten mit Sepsis cTn T
2 3
Letalität
≥0,2 µg/l (n=18)
cTn T <0,2 µg/l (n=8)
15/18 (83%)
3/8(37%)
p-Wert
Serumtroponinwerte
4
5 Serum-Troponin T (Ausgangswert) (µg/l) 5 Serum-Troponin T (Maximum) (µg/l)
0,15 (0,00–5,0) 3,28 (0,22–7,98)
0,04 (0,00–0,14) 0,11 (0,06–0,18)
0,007 0,000
5
Serumkreatinkinase- (CK-) und -CK-MB-Werte 5 Serum-CK-MB (Ausgangswert) (U/l) 5 Serum-CK-MB (Maximum) (U/l) 5 Serum-CK (Ausgangswert) (U/l) 5 Serum-CK (Maximum) (U/l)
8 (0–20) 7 (0–26) 109 (1–1177) 107 (10–2060)
3 (2–12) 4 (1–12) 49 (1–412) 56 (4–412)
0,024 0,065 0,232 0,420
7/18 2/18
3/8 1/8
0,947 0,920
9/18
4/8
1,00
114 (75–144) 129 (88–157) 4,2 (2,2–9,1) 5,2 (2,4–7,1)
113 (104–138) 126 (110–152) 4,8 (3,1–5,3) 5,2 (4,6–6,2)
0,393 0,610 0,461 0,673
Kein signifikanter Unterschied Kein signifikanter Unterschied ++
+
Signifikant
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
EKG 5 Ischämie wahrscheinlich 5 Vorhandensein einer Ischämie nicht zu entscheiden 5 Keine Ischämie Herz-Kreislauf-Funktion 5 Herzfrequenz (Ausgangswert) (min–1) 5 Herzfrequenz (Maximum) (min–1) 5 Herzindex (Ausgangswert) (l/min/m2) 5 Herzindex (Maximum) (l/min/m2) Katecholamintherapie 5 Dopamin 5 Dobutamin 5 Noradrenalin
O2-Parameter 5 paO2/FIO2 5 O2-Angebot (DO2) 5 O2-Verbrauch (VO2)
Kein signifikanter Unterschied Kein signifikanter Unterschied Kein signifikanter Unterschied
Troponin-, CK-, Herzfrequenz- und Herzindexwerte sind als Median mit Bereich angegeben. Daten zusammengestellt aus Spies et al. 1998. paO2 arterieller Sauerstoffpartialdruck
des zentralen Venendrucks, der zentralvenösen/gemischtvenösen Sauerstoffsättigung sowie des Herzzeitvolumens (HZV)/Herzindex (HI), möglichst in Relation zum SVR gewertet (7 Abschnitte »Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet« und »Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie«; Singer 1998);
5 des systemischen Gefäßwiderstands (»syste-
mic vascular resistance«, SVR); 5 eines kardialen Vorlastmarkers des linken
Ventrikels – Standard ist der Pulmonalkapillardruck (»pulmonary capillary wedge pressure«, PCWP); 5 des pulmonalarteriellen systolischen, diastolischen und Mitteldrucks bei Verdacht auf Rechtsherzbelastung infolge kardiopulmona-
289 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
ler Vorerkrankungen bzw. pulmonaler Hypertonie bei ARDS. Zur Steuerung der Behandlung von septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie stehen Ihnen folgende – mehr oder weniger validierte – Messparameter zur Verfügung (7 Abschnitt »Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie«): 5 zentraler Venendruck und arterieller Mitteldruck, 5 arterieller Mitteldruck, 5 Hämatokritwert, 5 zentralvenöse O2-Sättigung, 5 Herzzeitvolumen (HZV)/Herzindex (HI), möglichst in Relation zum SVR gewertet (7 Abschnitte »Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet« und »Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie«), 5 systemischer Gefäßwiderstand (SVR) und ggf. pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR), 5 extrathorakales Lungenwasser und intrathorakales Blutvolumen, 5 OPS-Monitoring der Mikrozirkulation (7 Abschnitt »Monitoring von Mikrozirkulation, Hepatosplanchnikusperfusion und Gewebeoxygenierung«), 5 Magentonometrie sowie Monitoring der Leberperfusion und des Leberstoffwechsels (7 Abschnitt »Monitoring von Mikrozirkulation, Hepatosplanchnikusperfusion und Gewebeoxygenierung«), 5 Monitoring der Gewebeoxygenierung: O2Angebot (DO2), O2-Verbrauch (VO2), O2-Extraktionsrate, O2-Flux-Test, Skelettmuskelsauerstoffpartialdruck (7 Abschnitt »Monitoring von Mikrozirkulation, Hepatosplanchnikusperfusion und Gewebeoxygenierung«). Aus klinischer Sicht wäre auch die Bestimmung des Blutvolumens beim Sepsispatienten sinnvoll. Methodische Schwierigkeiten der verfügbaren Techniken haben eine breitere klinische Anwendung bisher verhindert (Picker et al. 2001).
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Die Wertigkeit der aufgeführten Messparameter hinsichtlich der evidenzbasierten Validierung ist sehr unterschiedlich. An dieser Stelle sollen lediglich Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren beschrieben werden! Praxisrelevante Empfehlungen des Einsatzes finden sich in . Tabelle 11-5 und weiter unten. Mehrere der aufgeführten Messparameter – wie Herzzeitvolumen, Abschätzung der kardialen Vorlast, systemischer Gefäßwiderstand – können mit unterschiedlichen Monitoringverfahren bestimmt werden. Entscheidend ist nicht das Verfahren, sondern der Messparameter! Praxistipp Streiten Sie sich nicht mit Ihren Kollegen über das »beste« Monitoringverfahren zur Betreuung Ihrer Sepsispatienten! Wählen Sie die richtigen Messparameter für Ihre Patientenbetreuung aus und messen Sie mit demjenigen Monitoringverfahren, mit dem Sie am besten vertraut sind, das Sie am besten beherrschen und dessen Resultate Sie kompetent interpretieren können!
Pulmonalarterienkatheter-Monitoring – immer noch Standard der offiziellen Empfehlungen Die Pulmonalarterienkatheter-Konsensuskonferenz (Pulmonary Artery Catheter Conference Participants 1997) und auch das »Internationale Sepsis-Forum« (Vincent 2001) empfehlen den Einsatz des Pulmonalarterienkatheters (PAK) (Zink u. Graf 2001) bei allen denjenigen Patienten mit septischem Schock, bei denen mit einer initialen, intensiven und niedrigdosierten Katecholamintherapie kein ausreichendes Ansprechen auf die Behandlung erzielt werden kann. Die Konsensuskonferenz betont allerdings auch ausdrücklich, dass diese Empfehlung nur den Evidenzgrad D hat (bisherige Daten nur aus nichtrandomisierten Studien) und demzufolge in der Wertigkeit als unsicher einzustufen ist. Dabei sollten der Pulmonalkapillardruck (PCWP; pulmonalarterieller Okklusionsdruck, PAOP; Wegdedruck) zunächst durch Volumengabe auf den Wert eingestellt werden, der zu dem
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-5. Hinweise für die Praxis: Diagnostik und Monitoring des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie Funktionseinschränkung
Messparameter
Technik
Abschnitt
Volumenmangel
ZVD
ZVK
PCWP
PAK
2DE-Kammerblicke, LV-Volumen ITBV/EVLW
TTE, TEE
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
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TPID
7 RV-EDV
REF-PAK (kontinuierlich)
ScvO2
(Spezieller) ZVK (kontinuierlich)
10
SvO2
PAK (diskontinuierlich oder kontinuierlich)
11
Hb, Hk
Blutprobe
HZV/HI
PAK (diskontinuierlich/ kontinuierlich)
8 9
12
Mangel an Blut-O2-Trägern
Herzzeitvolumen/ Herzindex ↓
13
TPID (diskontinuierlich)
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PiCCOa (kontinuierlich mit Eichung)
15
Systemische Vasodilatation/Nachlastsenkung
MAP, HZV/ HI, SVR
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Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Arterielle Druckmessung + PAK oder TPID/PiCCOa → Berechnung »SVR«
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Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Pulmonale Hypertonie/ Nachlasterhöhung
PAP, HZV/HI, PVR
arterielle Druckmessung + PAK oder DopplerTTE/TEE → Berechnung »PVR«
Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie
Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie
291 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
11
. Tabelle 11-5. (Fortsetzung) Funktionseinschränkung
Messparameter
Technik
Abschnitt
Myokarddepression global, linksventrikulär
Optimal: nachlastbezogene Parameter:
Arterielle Druckmessung
Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie
HZVSVRrel., HISVRrel. SVISVRrel.
+ PAK oder TPID/PiCCOa
LVSWISVRrel.
→ Umrechnung SVRrel. PAK oder TPID/PiCCOa
Derzeit übliches Vorgehen:
→ Berechnung »SVR« Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie
HZV, HI SVI LVSWI
Doppler-TTE/TEE
Myokarddepression regional
LV-/RV-Wandbewegungsstörung
TTE/TEE
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Rechtsherzbelastung bei pulmonaler Hypertonie/ ARDS
PAP RV-Größe (qualitativ), Pumpfunktion RV-EDV, RV-EF
PAK, TTE/TEE TTE/TEE REF-PAK
Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie
Arrhythmien
Rhythmusanalyse
EKG-Monitoring
Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie
Autonome Dysfunktion
HRVb
EKG-Monitoring
Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie
BRS cCRShyperox
Arterielle Druckmessung + EKG EKG+paO2
Sauerstoffangebot ↓
DO2
PAK, TPID
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Sauerstoffverbrauch ↓
VO2
PAK, indirekte Kalorimetrie
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
O2-Partialdruck im Gewebe gestört
pmuscleO2
O2-Elektrode (kontinuierlich, diskontinuierlich)
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
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1
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-5. (Fortsetzung)
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Funktionseinschränkung
Messparameter
Technik
Abschnitt
Verhältnis von O2-Angebot zu O2-Verbrauch (DO2/VO2) gestört
SvO2c
PAK (diskontinuierlich oder kontinuierlich)
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Lebervenenenblutfluss gestört
HBF
Lebervenenkathetertechnik
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Lebervenöse O2-Sättigung gestört
SvhepO2
Lebervenenkathetertechnik
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Magenmukosaperfusion gestört
rCO2, (pHi)
Tonometrie (koninuierlich, diskontinuierlich)
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
Leberfunktion gestört
MEGX/ICG1/2
Blutentnahme
Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring
7 8 9 10 11
a b
12 13 14 15 16 17 18 19 20
c
Die HZV-Messung mittels Pulskonturanalyse (PiCCO) ist bisher überwiegend im perioperativen Bereich validiert worden, Daten für den Intensivbereich fehlen weitestgehend. Eine deutliche Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität bei kritisch Kranken geht mit einer erhöhten Letalität einher. Die praktische Relevanz dieses Parameters wird derzeit evaluiert. Relative Veränderungen des SvO2 gehen in der Regel mit entsprechenden Veränderungen der SvcO2 (zentralvenöse O2-Sättigung, gemessen in der V. cava superior) einher.
BRS Baroreflexsensitivität; cCRShyperox hyperoxische kardiale Chemoreflexsensitivität; DO2 O2-Angebot; EVLW extravaskuläres Lungenwasser; Hb Hämoglobin; HBF Lebervenenblutfluss; HI Herzindex; Hk Hämatokrit; HRV Herzfrequenzvariabilität; HZV Herzzeitvolumen; ICG1/2 Indocyaningrün-Clearance; ITBV intrathorakales Blutvolumen; LV linker Ventrikel/linksventrikulär; LV-Volumen linksventrikulär-enddiastolisches, -endsystolisches und Schlagvolumen; LVSWI linksventrikulärer Schlagarbeitsindex; MAP mittlerer arterieller Blutdruck; MEGX Monoäthylglycinxylidid-Test; PAK Pulmonalarterienkatheter; PAP pulmonalarterieller Mitteldruck; PCWP pulmonalkapillärer Verschlussdruck (»Wedgedruck«; Pulmonalarterienokklusionsdruck, PAOP); pHi Magenmukosa-pH; PiCCO HZV-Messung mittels Pulskonturanalyse; PVR pulmonaler Gefäßwiderstand; pmusclePO2 Sauerstoffpartialdruck im Skelettmuskel; rCO2 regionaler Magenmukosa-CO2; REF-PAK Rechtsventrikuläre-Auswurffraktion-Pulmonalarterienkatheter; RV rechter Ventrikel/ rechtsventrikulär; RV-EDV rechtsventrikuläres enddiastolisches Volumen; RV-EF rechtsventrikuläre Auswurffraktion; ScvO2 zentralvenöse O2-Sättigung, gemessen in der V. cava superior; SvO2 gemischtvenöse O2-Sättigung (A. pulmonalis); SvhepO2 lebervenöse O2-Sättigung; SVI Schlagvolumenindex; SVR systemischer Gefäßwiderstand; TEE transösophageale Echokardiographie; TPID transpulmonale Indikatordilution; TTE transthorakale Echokardiographie; VO2 O2-Verbrauch; ZVD zentraler Venendruck; ZVK zentraler Venenkatheter.
293 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
maximal erzielbaren Herzzeitvolumen führt. Bei den meisten Sepsispatienten sind dazu meist recht hohe PCWP-Werte nötig, so dass dabei die Gefahr des Auftretens eines Lungenödems bedacht werden muss (Vincent 2001). Praxistipp Für das Monitoring der Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock stellt das PAK-Monitoring inklusive Thermodilution mit Bestimmung des Herzzeitvolumens/Herzindex, des systemischen Gefäßwiderstands, des Pulmonalkapillardrucks, der gemischtvenösen O2-Sättigung und ggf. der pulmonalarteriellen Drücke auch weiterhin eine wertvolle Hilfe dar, wenn es darum geht, das Ausmaß des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie abzuschätzen und das Ansprechen auf die medikamentöse Behandlung zu objektivieren! Dies setzt allerdings auch eine adäquate Ausbildung des Anwenders, das korrekte Handling der Messdaten und die sorgfältige Interpretation voraus (Gnaegi et al. 1997; Squara et al. 2003).
Die Sinnhaftigkeit des PAK-Monitorings bei kritisch Kranken war nach Publikation der ungünstigen Ergebnisse – Übersterblichkeit in der PAKGruppe – einer prospektiven Kohortenstudie über den Einsatz des PAK während der ersten 24 h der Intensivstationsbehandlung (Connors et al. 1996) sehr kontrovers diskutiert worden (Janssens u. Hanrath 1998; Parker u. Peruzzi 1997; Swann 2000; Young 2001). Ein NHLBI-/FDA-Workshop kam zu dem Schluss, dass es für das PAK-Monitoring bei den meisten Indikationen nur wenig überzeugende Evidenz gibt (Bernard et al. 2000). Vier seither erschienene prospektive kontrollierte PAK-Studien in der perioperativen Phase (Bender et al. 1997; Sandham et al. 2003) bzw. bei kritisch Kranken inklusive Patienten mit septischem Schock (Rhodes et al. 2002; Richard et al. 2003) haben zwar keine Letalitätssenkung in der PAK-Gruppe gezeigt, aber zumindest auch keine Übersterblichkeit (. Tabelle 11-6). Zudem hat das PAK-Monitoring das Behandlungskonzept signifikant modifiziert: mehr Volumen (Rhodes et
11
al. 2002) bzw. mehr inotrope Substanzen, Erythrozytenkonzentrate und Kolloide (Sandham et al. 2003). Dass sich diese PAK-gesteuerten Therapiemodifikationen nicht als Letalitätssenkung widerspiegeln, liegt nicht an dem Monitoringverfahren, sondern vielleicht an den noch nicht optimal definierten Zielkriterien oder an dem überschätzten Einfluss eines einzelnen Therapiekonzepts hinsichtlich der Prognose (Flieger u. Werdan 2004). Der Pulmonalkapillardruck (»pulmonary capillary wedge pressure«, PCWP; »Wedgedruck«) – korrekter: pulmonalarterieller Okklusionsdruck (PAOP) – als kardialer Vorlastindikator (O‘Quin u. Marini 1983; Packman u. Rackow 1983) wird in seiner Wertigkeit als Zielparameter zur Volumensubstitution durch einige Faktoren eingeschränkt: durch die sich ausbildende pulmonale Hypertonie im Falle eines hochgradig dilatierten rechten Ventrikels (Thijs 1995) und durch die Tatsache, dass bei Sepsis der Pulmonalkapillardruck höher zu sein scheint als der linksatriale und der linksventrikuläre enddiastolische Druck (Fang et al. 1996). Darüber hinaus ist der PAOP nicht mit dem pulmonalkapillären Verschlussdruck identisch (Pinksy 2003a), er korreliert nur unzuverlässig mit dem rechts- oder linksventrikulären enddiastolischen Volumen (Nelson 1997), und der PAOP sagt eine Veränderung des Herzzeitvolumens nach Volumengabe nur unzureichend voraus (Diebel 1992; Reuter 2002). Der Einfluss einer PEEP-Beatmung und von Vasopressoren ist groß und individuell nicht vorhersagbar, sodass versucht werden sollte, für jeden Patienten denjenigen PAOP-Wert anzustreben, der mit dem größtmöglichen Herzzeitvoumen einhergeht (Burchardi et al. 2000, S. 601– 613; Vincent 2001). Die Abschätzung des linksventrikulären Füllungsdrucks mittels transthorakaler Dopplerechokardiographie ist zwar auch bei internistischen Intensivpatienten möglich, erfordert jedoch viel Erfahrung (Boussuges et al. 2002; Martins et al. 2001). Die Quantifizierung der Pumpfunktionseinschränkung des Herzens als Ausdruck der septischen Kardiomyopathie ist mit dem PAK-Monitoring durch Bestimmung des Herzzeitvolumens/ Herzindex sowie des linksventrikulären Schlagvolumen- und Schlagarbeitsindex in Relation zum
294
1
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-6. Komplikationen des Monitorings mit Pulmonalarterienkatheter (PAK) und Zentralvenendruckkatheter (ZVD) im Vergleich. (Aus Flieger u. Werdan 2004)
2
PAK-Gruppe [%]
ZVD-Gruppe [%]
p
Letalität Sandham-Studie (n=1954)*
7,8
7,7%
n.s.
Letalität Rhodes-Studie (n=201)**
47,9
47,6
>0,95
Lungenembolie*
0,9
0
0,004
5
Arterielle Fehlpunktion*
0,3
0,1
0,37
Pneumothorax*
0,9
0,4
0,36
6
Kathetersepsis*
1,3
1,3
0,95
Kammertachykardien*
0,2
0,2
1,00
Supraventrikuläre Tachykardien*
9,1
8,9
0,95
»Platzierungsarrhythmien«**
3/96
Abfall der Thrombozytenzahlen an Tag 5 [G/l]**
135
174
<0,05
3 4
7 8 9
* Sandham et al. 2002; ** Rhodes et al. 2002. n.s. nicht signifikant.
10 11
systemischen Gefäßwiderstand möglich (7 Abschnitte »Die akute septische Kardiomyopathie –
12
häufig unterschätzt und zu wenig beachtet« und »Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie«). Kontinuierliches Monitoring von Herzzeitvolumen/Herzindex, systemischem Gefäßwiderstand und links-/rechtsventrikulärer Pumpfunktion – evtl. in Verbindung mit dem kontinuierlichen Monitoring der zentral-/gemischtvenösen O2-Sättigung – lässt die simultane Dysfunktion von Kreislauf und Herz besonders eindrücklich zur Darstellung kommen (. Abb. 11-5). Die OnlineRegistrierung des HZV bei Sepsispatienten ist valide (Sun et al. 2002), und sie ermöglicht die Registrierung der – überraschend – ausgeprägten HZVSchwankungen bei Sepsispatienten, die bei der intermittierenden Bolusmethode dem Nachweis sehr häufig entgehen (Prien u. Wuchkow 1994). Rechtsventrikuläre Dilatation und Abnahme der rechtsventrikulären Auswurffraktion lassen sich mit einem speziellen Rechtsherzkatheter (REF-Katheter, Fa. Edwards) quantifizieren (Zwissler u. Briegel 1998).
13 14 15 16 17 18 19 20
Alternativen zum PAK-Monitoring Bei all der intensiven Suche nach weniger invasiven PAK-Alternativen (Bellomo u. Uchino 2003; Pinsky 2003b; Tibby u. Murdoch 2002) darf nicht vergessen werden, dass bisher für kein hämodynamisches Monitoringverfahren eine Prognoseverbesserung des damit überwachten Patienten nachgewiesen worden ist. Diese Verfahren dienen vielmehr zur Unterstützung des Intensivmediziners, um den Krankheitsverlauf seines Patienten besser zu verstehen und die medikamentöse Therapie anpassen und steuern zu können (Goldstein et al. 2003). Im Gegensatz zum einzelnen Monitoringverfahren ist das Gesamtkonzept der Intensivtechnologie prognostisch bedeutungsvoll: Das relative Sterberisiko korreliert invers mit der Verfügbarkeit von Intensivstationstechnologie (Bastos et al. 1995). Insofern kann es problematisch sein, ein Monitoringkonzept wie das PAK-Monitoring ohne adäquat validierten Ersatz aus dem Gesamtkonzept der Intensivtechnologie herauszunehmen.
295 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
11
. Abb. 11-5. Kontinuierliches Hämodynamikmonitoring von inotrop-vasoaktiven Pharmaka. Bei 2 Patienten ist der Einfluss des Phosphodiesterasehemmers Enoximon bzw. des Katecholamins Noradrenalin auf die Hämodynamik durch kontinuierliche Messung und Bestimmung (Intellicath-Vigilance-System, Fa. Edwads) von mittlerem arteriellem Blutdruck (MAP), linksventrikulärem Schlagarbeitsindex (LVSWI), systemischem Gefäßwiderstand (SVR) und Herzzeitvolumen (CO) dargestellt. Enoximon führt zur Perfusionssteigerung: Es kommt zu einer deutlichen Zunahme des Herzzeitvolumens v. a. durch Vasodilatation (SVR ↓) und in wesentlich geringerem Maße durch eine positiv inotrope Wirkung (minimaler Anstieg des LVSWI); der Blutdruck fällt dabei etwas ab. Noradrenalin bewirkt dagegen eine Blutdruckstabilisierung durch seine vasopressorische Wirkung (SVR ↑); die positiv inotrope Wirkung (LVSWI ↑) lässt trotz Nachlasterhöhung das Herzzeitvolumen noch gering ansteigen
! Auch PAK-Alternativmethoden müssen erlernt
und richtig angewandt werden!
Transpulmonale Indikatordilution (TPID). Für dieses diskontinuierliche Monitoringverfahren ist lediglich ein arterieller Katheter von 3 oder 4 F erforderlich (Sakka et al. 1999; v. Spiegel et al. 1996). Mit der TPID lassen sich neben HZV, SVR und DO2 auch das intrathorakale Blutvolumen (ITBV) – Volumen des kleinen Kreislaufs und des Herzens – und das extravaskuläre Lungenwasser (EVLW) bestimmen (7 Abschnitt »Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie«). Das ITBV scheint das derzeit geeignetste Maß zur Abschätzung der kardialen Vorlast zu sein (Lichtwarck-Aschoff et al. 1996; Tibby u. Murdoch 2002). Änderungen des ITBV korrelieren bei ARDS-Patienten wesentlich besser mit Änderungen des Herzindex als Änderungen des PAOP. Weist der EVLW-Wert (v. Spiegel u. Hering 1999) auf ein beginnendes Lungenödem hin, so muss bei der Volumentherapie Zurückhaltung geübt werden. Pulskonturmethode (PiCCO). Die kontinuierlich arbeitende PiCCO-Methode ist eine Kombination
aus transpulmonalem Indikatordilutionsverfahren (TPID) und arterieller Pulskonturanalyse. Sie beruht auf der Annahme, dass die arterielle Druckkurve in Beziehung zum Schlagvolumen des Herzens gesetzt werden kann und damit eine Bestimmung des Herzzeitvolumens möglich ist. Auch für dieses Verfahren werden nur ein zentralvenöser und ein arterieller Katheter benötigt, allerdings müssen die Messungen in regelmäßigen Abständen – z. B. alle 8 h (Goedje 2002) – mit der TPID rekalibriert werden. Mit der TPID-Methode lassen sich folgende Parameter erheben: kontinuierlich gemessenes Herzzeitvolmen (kHZV) mittels Pulskonturanalyse und diskontinuierlicher TPID-Eichung, intrathorakales Blutvolumen (ITBV), extravasales Lungenwasser (EVLW) und Schlagvolumenvariation (SVV). Bei internistischen Intensivstationspatienten scheint für die PiCCO-Methode noch Validierungsbedarf zu bestehen, da bisher noch keine ausreichenden Daten vorliegen (Janssens 2003b). HZV-Bestimmung mit dem transösophagealen Doppler. Bei diesem Verfahren wird mit einem
transösophageal platzierten Transducer die Blutflussgeschwindigkeit in der thorakalen Aorta de-
296
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
scendens bestimmt. Dem breiten Einsatz dieser viel versprechenden Methode steht derzeit die fehlende Validierung bei einem Großteil intensivmedizinischer und v. a. internistischer Patienten entgegen (Janssens 2003b; Rodriguez u. Berumen 2000). Weitere Verfahren. Hier sind die Bioimpedanzkardiographie, die HZV-Bestimmung mit der Lithiumdilutionsmethode (LIDCO) und das NICOMonitoring (partielle CO2-Rückatmung) zu nennen (Janssens 2003b). Diese Verfahren sind derzeit in Erprobung. Die nur auf wenigen Intensivstationen verfügbare Radionuklidventrikulographie (Messung von endsystolischem und enddiastolischem Volumen und Berechnung der linksventrikulären Auswurffraktion) hat Wesentliches zur Charakterisierung der septischen Herzschädigung beigetragen (Parrilo 1989); für die Routine ist sie entbehrlich. Weitere nichtinvasive, in ihrer Aussagekraft jedoch eingeschränkte Verfahren zur Beurteilung der Herzfunktion sind die Impedanzkadiographie (Doering et al. 1995; Van der Meer u. de Vries 1996; Spiering et al. 1998) sowie die Bestimmung der systolischen und diastolischen Zeitintervalle (Mattar et al. 1991) und der Herzfrequenzänderungen (Sasse et al. 1996).
Messung des zentralen Venendrucks
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Der zentrale Venendruck (ZVD) ist ein Parameter zur Abschätzung des zirkulierenden Blutvolumens (Hydratationszustand) und des Funktionszustands des rechten Ventrikels (rechtsventrikuläre Förderleistung; Magden 1998). Als ZVD gilt unter klinischen Bedingungen der Druck im klappenlosen oberen Hohlvenensystem (V. cava superior oder Vv. brachiocephalicae). Die Normwerte liegen zwischen 4 und 12 cm H2O. Wegen dieses weiten Normbereichs und der Abhängigkeit von der äußeren Markierung des Bezugspunkts (rechter Vorhof) sind weniger die Absolutwerte, sondern v. a. Veränderungen des ZVD aussagekräftig. Zur zentralen Venendruckmessung ist ein zentraler Venenkatheter erforderlich, der mit einem Venotonometer verbunden wird. Weiterhin besteht auf der Intensivstation die Möglichkeit der kontinuierlichen ZVD-Messung über mechanoelektrische Druckwandler.
Die zentrale Lage des Katheters zeigt sich an den respiratorischen Druckschwankungen, sie ist röntgenologisch zu kontrollieren. Als Bezugsebene (Nulllinie der Messskala) dient die Höhe des rechten Vorhofs (an der äußeren Thoraxwand mit einem Farbstift markieren). Bei flach liegenden Patienten ist dies der Übergang von den oberen 2/5 zu den unteren 3/5 des sagittalen Thoraxdurchmessers in Sternummitte. Eine weitere gebräuchliche Bezugsebene liegt 5 cm unterhalb des Angulus sterni oder 10 cm über der Auflagefläche des Patienten. Exakte, reproduzierbare Messwerte sind nur bei Horizontallage und ruhiger Atmung möglich. Eine eventuelle Beatmung muss bei der Interpretation berücksichtigt werden. Ein erniedrigter ZVD (evtl. bis auf negative Werte) zeigt eine Hypovolämie an. Ein erhöhter ZVD bedeutet Hypervolämie oder – neben anderen Ursachen – Rechtsherz- bzw. Globalinsuffizienz. Praxistipp Das leistet der ZVD: Ein ZVD-Korridor von 8–12 mm Hg ist evidenzbasierter Bestandteil der zielorientierten Herz-Kreislauf-Therapie von schwerer Sepsis und septischem Schock in den ersten 6 h auf der Notaufnahme (7 Abschnitt »Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie«; Rivers et al. 2001) und ebenso, allerdings nicht im selben Maße evidenzbasiert – mit 8–14 mm Hg –, der Standardtherapie auf der Intensivstation (7 Abschnitt »Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie«). Das leistet der ZVD nicht: Für die Beurteilung des linksventrikulären Füllungsdrucks und der linksventrikulären Funktion ist der ZVD nicht geeignet. Der ZVD korreliert nicht mit dem rechtsventrikulären enddiastolischen Volumen (Nelson 1997). Der ZVD sagt eine Veränderung des HZV nach Volumengabe nur unzureichend voraus (Diebel et al. 1992; Reuter et al. 2002).
297 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
Zentralvenöse (ScvO2) und gemischtvenöse (SvO2) Sauerstoffsättigung Mittels spezieller Venenkatheter (Fa. Edwards) lässt sich die zentralvenöse O2-Sättigung in der V. cava superior messen (Rivers et al. 2001). Eine ScvO2 von <60 % spricht für eine verstärkte Gewebesauerstoffausschöpfung infolge eines beträchtlich erniedrigten HZV. Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock in den ersten 6 h auf der Notaufnahme haben bei einem ScvO2 von ≥70 % eine im Vergleich zu den konventionell auf der Intensivstation behandelten Patenten günstigere Prognose (Letalität: 33,3 % vs. 49,2 %; Rivers et al. 2001). Praxistipp Das leistet die ScvO2: Ein ScvO2-Korridor von ≥70 % ist evidenzbasierter Bestandteil der zielorientierten Herz-Kreislauf-Therapie von schwerer Sepsis und septischem Schock in den ersten 6 h auf der Notaufnahme (7 Abschnitt »Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie«; Rivers et al. 2001) und ebenso – allerdings nicht im selben Maße evidenzbasiert – der Standardtherapie auf der Intensivstation (7 Abschnitt »Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie«).
Die gemischtvenöse O2-Sättigung (SvO2; gemessen mit dem PAK in der Pulmonalarterie; Nelson 1997) zeigt etwas höhere Werte als die ScvO2 (gemessen in der V. cava superior. Die SvO2 ist abhängig vom Herzzeitvolumen, dem O2-Verbrauch, dem Hämoglobinwert und der arteriellen O2-Sättigung. Der Normal- bzw. der anzustrebende Wert kritisch Kranker liegt bei 70–75 %; bei Sepsispatienten kann der Wert aufgrund einer Perfusionsmaldistribution auch höher liegen (Vincent 2001). Eine vergleichbare Validierung wie für die ScvO2 als Zielkriterium (s. oben) liegt für die SvO2 noch nicht vor.
11
Praxistipp Eine als normal oder erhöht gemessene SvO2 kann nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden mit einer adäquaten Organperfusion (Boldt 2002; Vincent 2001); eine erniedrigte ScvO2 sollte jedoch nach den Empfehlungen des »Internationalen Sepsis-Forums« rasch angehoben werden (Vincent 2001).
Monitoring von Mikrozirkulation, Hepatosplanchnikusperfusion und Gewebeoxygenierung Eine regelgerechte Durchblutung auf Mikrozirkulationsebene (Gefäße bis 100–150 µm im Durchmesser) ist Voraussetzung für eine adäquate Gewebeperfusion; ein normales Herzzeitvolumen und ein normaler Blutdruck sind dafür noch nicht ausreichend. Die regionale Durchblutung auf Mikrozirkulationsebene wird durch lokale intrinsische (Autoregulation) und durch extrinsische Faktoren (autonomes Nervensystem und humorale Faktoren) geregelt (Burchardi et al. 2000, S. 562–568). Der Blutfluss zu den einzelnen Organen wird durch den Tonus der präkapillären Arteriolen, der präund postkapillären Sphinktergefäße sowie durch lokale Veränderungen der metabolischen Aktivität gesteuert. Damit trägt eine intakte Mikrozirkulation entscheidend zur systemischen und regionalen Perfusion (z. B. Hepatosplanchnikusbereich) bei und sichert auf diese Weise eine adäquate Gewebeoxygenierung.
Mikrozirkulation beim Patienten sichtbar gemacht: das OPS-Konzept Die sublinguale Mikrozirkulation und deren erkrankungsbedingte Störungen können heutzutage beim Patienten mit der orthogonalen Polarisationsspektralbildgebung (»orthogonal polarization spectral imaging«, OPS; Groner et al. 1999) sichtbar gemacht werden (. Abb. 11-6). Mit dieser OPS-Methode ließ sich zeigen, dass bei schwerer Sepsis die sublinguale Mikrozirkulation in ihrer Gefäßdichte reduziert [4,5 (4,2–5,2)/ mm vs. 5,4 (5,4–6,3)/mm bei Gesunden] und der
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
gentonometrie eine gewisse Popularität erlangt (7 Abschnitt »Magentonometrie«); die invasiven Lebervenentechniken (7 Abschnitt »Messung der Leberperfusion und der Leberstoffwechselaktivität«) bleiben in der Regel speziellen Fragestellungen vorbehalten.
1 2 3
! Bei Patienten mit schwerem SIRS, Sepsis und
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. Abb. 11-6. Sublinguale Mikrozirkulation der Mundschleimhaut eines Patienten im Schock, aufgezeichnet mit der OPS-Methode (Groner et al. 1999). Mit Genehmigung von Priv.-Doz. Dr. A. Meier-Hellmann, Erfurt
Anteil der perfundierten kleinen Gefäße (<20 µm) vermindert ist [48 (33–61) % vs. 90 (89–92) % bei Gesunden]; diese Veränderungen sind bei Versterbenden ausgeprägter als bei Überlebenden. Die topische Applikation von Acetylcholin kann diese Veränderungen wieder rückgängig machen (De Backer et al. 2002; Ince 2002).
Bewertung der Hepatosplanchikusperfusion Die Splanchnikusperfusion beim kritisch Kranken variiert sehr stark in Abhängigkeit von der Grunderkrankung, kompensatorischer Mechanismen und therapeutischer Interventionen (Groeneveld et al. 2001; Jakob u. Takala 2000): Im Fall einer systemischen Hypoperfusion oder Hypoxämie wird die Splanchnikuspersion reduziert, wobei der Leberblutfluss auch unter diesen Bedingungen aufgrund intrinsischer Kontrollmechanismen relativ hoch gehalten wird (Jakob et al. 2002). Bei Sepsis findet im Splanchnikusbereich eine Perfusionsredistribution von Mukosa- zu Serosa- und Muskularisarealen statt; die resultierende Mukosahypoxie und -schädigung betreffen v. a. die Spitzen der Villi; eine Zunahme der intestinalen Permeabilität mit konsekutiver Zunahme der deletären bakteriellen Translokation ist die Folge (Vincent 2001). Zur Abschätzung der Perfusionseinschränkung im Hepatosplanchnikusbereich hat die Ma-
septischem Schock ist die Splanchnikusperfusion relativ erhöht, jedoch immer noch inadäquat im Verhältnis zum gesteigerten regionalen O2Verbrauch, sodass die O2-Extraktionsrate hoch sein muss. Eine adäquate Flüssigkeitssubstitution sowie Katecholamine mit β-Adrenozeptorstimulierender Wirkung steigern die Splanchnikusperfusion und das regionale O2-Angebot, nicht jedoch den regionalen O2-Verbrauch; Stickoxidhemmer dagegen wirken sich auf die Splanchnikusregion ungünstig aus (Jakob u. Takala 2000).
Magentonometrie Der pH-Wert der Magenmuksa (pHi) lässt sich relativ einfach über einen mit Lösung gefüllten Ballon, der in eine Magensonde inkorporiert ist, abschätzen (Magentonometrie; Lebuffe et al. 2001). In der Anfangphase der Propagierung der Magentonometrie wurde in mehreren Untersuchungen (Burchardi et al. 2000, S. 601–613) eine Korrelation des Magenmukosa-pH-Wertes (pHi) – Cutoff: 7,32 – mit der Prognose kritisch Kranker aufgezeigt: Je niedriger der pHi-Wert, umso ungünstiger die Prognose. Kreislaufstabilisierende Therapiemaßnahmen, die den Abfall des pH-Wertes verhinderten bzw. die den abgefallenen pH-Wert wieder in den Normbereich brachten, führten zu einer geringeren Letalität als Behandlungskonzepte ohne dieses pHi-Monitoring (Gutierrez et al. 1992). Zwischenzeitlich ist die Berechnung des pHiWertes aus der gemessenen regionalen pCO2-Konzentration der Magenmukosa aufgrund methodischer Kritik wieder verlassen worden (Burchardi et al. 2000, S. 601–613; Vincent 2001). Derzeit wird nur noch die gemessene regionale Magenmukosa-pCO2-Konzentration (pgCO2) oder die Differenz aus regionalem pgCO2 und systemischem paCO2-Wert (∆pgCO2–paCO2) angegeben. Der pg-
299 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
CO2 steigt mit zunehmender Magenmukosaazidose infolge Magenmukosahypoxie und -perfusionseinschränkung an. Die initiale Begeisterung für diese Methode ist eher einer Ernüchterung gewichen. Einwände betreffen die zum Äquilibrieren verwendeten Pufferlösungen, die zur Bestimmung des pgCO2 verwandten Blutgasanalysegeräte, die Bedeutung der arteriellen Bikarbonatkonzentration zur Berechnung des pHi-Wertes und die Notwendigkeit der Gabe von H2-Blockern (Burchardi et al. 2000, S. 601–613). Die Kritik wird weiterhin dadurch verstärkt, dass vasoaktive Substanzen, wie Katecholamine, den pgCO2 in schwer vorhersagbarer, variabler Weise beeinflussen können (Silva et al. 1998). Darüber hinaus konnte der prognostische Wert der Magentonometrie in einer prospektiven Untersuchung (Gomersall et al. 2000) nicht bestätigt werden. ! Die Magentonometrie als prognostisch bedeu-
tungsvoller Indikator der Splanchnikusperfusion bei kritisch Kranken wird derzeit vom »Internationalen Sepsis-Forum« (Vincent 2001) eher kritisch eingeschätzt: Die Messung zeigt eine begrenzte Sensitivität und v. a. Spezifität, sie wird durch vasoaktive Substanzen in schwer voraussagbarer Weise beeinflusst (Silva et al. 1998), und eine initiale Studie zur Therapiesteuerung mit hoher prognostischer Aussagekraft (Gutierrez et al. 1992) konnte in einer prospektiven Untersuchung (Gomersall et al. 2000) nicht bestätigt werden!
Messung der Leberperfusion und der Leberstoffwechselaktivität Lebervenenkathetertechnik. Zur Messung der lebervenösen O2-Sättigung (SvO2hep) und des »Splanchnikusblutflusses« muss ein Katheter in eine Lebervene eingelegt werden (Brinkmann et al. 1998; Burchardi et al. 2000, S. 601–613; Kainuma et al. 1992). ! In der klinischen Routine hat sich die Leberven-
enkathetertechnik bisher nicht durchsetzen können.
11
Ein klinischer Stellenwert der SvO2hep im Sinne einer prognostischen Aussagekraft konnte bislang nur bei leberchirurgischen Eingriffen demonstriert werden (Kainuma et al. 1992). Mit dieser Methode kann eigentlich auch keine exakte »Splanchnikusperfusion« oder »Leberperfusion« bestimmt werden, da dieses Monitoring nur eine globale Information über alle via Lebenervenen drainierten Organe liefert. Indocyaningrün-(ICG-)Clearance. Der Farbstoff Indocyaningrün (ICG) wird ausschließlich hepatisch eliminiert. Zur praktikablen Messung sind nach systemischer ICG-Applikation mehrere ICG-Spiegel-Bestimmungen im periphervenösen Blut erforderlich (Expertenforum 2000, S. 601–613; Sakka u. Meier-Hellmann 2001). Die Verminderung der ICG-Clearance weist frühzeitig auf eine Einschränkung der Leberfunktion hin (Caesar et al. 1961; Gottlieb et al. 1984; Kiefer et al. 2000); die Bilirubinwerte müssen zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhöht sein (Burchardi et al. 2000, S. 601–613). Mit der ICG-Technik kann auch der lebervenöse Blutfluss (LVBf) nach der Formel LVBF=ICGExtraktion/ICG-Clearance berechnet werden. Die ICG-Extraktion lässt sich beim kritisch Kranken allerdings nur mit der Lebervenenkathetertechnik ermitteln (Burchardi et al. 2000, S. 603; Uusaro et al. 1995a,b). MEGX-Test. MEGX (Monoethyglycinxylidid) ent-
steht beim oxidativen Abbau von Lidocain durch das hepatische Zytochrom-P450-System. Nach Injektion von Lidocainhydrochlorid (1 mg/kgKG) werden zu genau definierten Zeitpunkten (in der Regel nach 15 und 30 min) Blutproben entnommen, und es wird unter Anwendung eines Immunfluoreszenzpolarisationstests die MEGXKonzentration bestimmt (Burchardi et al. 2000; S. 601–613). Der MEGX-Test ist etabliert im Rahmen der Transplantationschirurgie zur Einschätzung des Lebertransplantats. Aber auch bei nichtlebertransplantierten Patienten ist der MEGXTest ein zuverlässiges Verfahren zur Einschätzung der Leberfunktion; er ist anderen Laborparametern, wie z. B. dem Serumbilirubinwert, in der Fähigkeit, eine eingeschränkte Leberfunktion zu erkennen, überlegen.
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
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! Der MEGX-Test ist kein Maß für den Leber-
2
Gewebeoxygenierung
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VO2 = HZV × (CaO2 – CvO2) × 10
blutfluss.
Die Gewebeoxygenierung (Sair et al. 1996; Vallet 1998) dient zur Sicherstellung eines ausreichenden zellulären Energiestatus. Die zur Messung des Energiestatus in intaktem Gewebe anwendbaren Verfahren der NIRS (»near infra-red spectroscopy«) und der Kernspintomographie zeigen erst drastische Energiestörungen an und können üblicherweise auch nicht beim Patienten eingesetzt werden. Die Untersuchung der Mitochondrienfunktion in Skelettmuskelbiopsien hat bei Sepsispatienten eine Störung der Atmungskettenaktivität aufgedeckt (Brealey et al. 2002); ein breiter klinischer Einsatz dieser Methode ist jedoch nicht zu erwarten. In der klinischen Praxis (Vallett et al. 2000) werden zur Abschätzung einer adäquaten Gewebeoygenierung v. a. die Werte von O2-Angebot, O2Verbrauch, O2-Extraktionsraten sowie O2-Gewebepartialdruck herangezogen.
O2-Angebot (DO2), O2-Verbrauch (VO2), O2-Flux-Test DO2, das Sauerstoffangebot (»oxygen delivery«, Sauerstofftransportkapazität), berechnet sich als DO2 = HZV × CaO2 × 10 10: Umrechnungsfaktor für ml O2/100 ml in ml O2/ l Blut; CaO2 (arterieller O2-Gehalt) = (Hb × 1,36) × SaO2+ (paO2 × 0,0031); 1,36: O2-Trägerkapazität (ml O2/g Hb); 0,0031: O2-Menge in 100 ml Blut, gelöst pro mmHg paO2. Als Normalwert werden 900–1200 ml/min bzw. 517–690 ml/min/m2KOF angesehen (Burchardi et al., S. 626–631). Typische Werte für Patienten mit septischem und kardiogenem Schock sowie mit MODS und Fieber finden sich in . Tabelle 11-3. Ein als normal berechnetes O2-Angebot ist nicht ohne weiteres mit einer adäquaten Organperfusion gleichzusetzen (Schlichtig et al. 1991). VO2, der Sauerstoffverbrauch (O2-Utilisation) berechnet sich als
10: Umrechnungsfaktor für ml O2/100 ml in ml O2/ l Blut; CaO2 (arterieller O2-Gehalt) = (Hb × 1,36) × SaO2+ (paO2 × 0,0031); 1,36: O2-Trägerkapazität (ml O2/g Hb); 0,0031: O2-Menge in 100 ml Blut, gelöst pro mmHg paO2; CvO2 (gemischtvenöser O2-Gehalt) = (Hb × 1,36) × SvO2+(pvO2 × 0,0031); 1,36: O2-Trägerkapazität (ml O2/g Hb); 0,0031: O2-Menge in 100 ml Blut, gelöst pro mmHg pvO2. Als Normalwert werden 180–260 ml/min bzw. 103–149 ml/min/m2KOF angesehen. Typische Werte für Patienten mit septischem und kardiogenem Schock sowie mit MODS und Fieber finden sich in . Tabelle 11-3. Praxistipp Rechnen Sie mit einer Abweichung des berechneten vom tatsächlichen Sauerstoffverbrauchs in der Größenordnung von etwa 7 ml/min/m2 KOF, mit einer Überschätzung geringer und einer Unterschätzung hoher Werte (Li et al. 2003)!
Mit dem Dobutamin-O2-Flux-Test (Vallet et al. 2000) lässt sich feststellen, ob ein Patient mit Sepsis nach Gabe von Katecholaminen mit seinem DO2 und VO2 ansteigen wird (günstige Prognose) oder nicht (ungünstige Prognose). Dabei gilt ein Anstieg des VO2 um >10 % als Ausdruck einer Verbesserung der Gewebeoxygenierug. Aufgrund der Nichtbestätigung des Konzepts der »supranormalen O2Versorgung« des Sepsispatienten in klinischen Studien (7 Abschnitt »Katecholamine«) und den methodischen Problemen der Messungen kommt den DO2- und VO2-Bestimmungen sowie dem O2-FluxTest derzeit keine große klinische Relevanz zu. ! Zur Therapiesteuerung sind DO2 und VO2 bei
Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock nicht oder zumindest nicht entscheidend hilfreich.
301 Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie…
Pulsoxymetrie, O2-Extraktionsrate und ∆pCO2: beim Sepsispatienten wenig aussagekräftig Pulsoxymetrie. Bei kritisch Kranken muss mit »pitfalls« gerechnet werden (Van de Louw et al. 2001): 5 Bei kritisch Kranken können pulsoxymetrische (SpO2) und invasiv-arterielle O2-Sättigungen (SaO2) große Unterschiede zeigen. 5 Außerdem sind erhebliche Defizite hinsichtlich der Reproduzierbarkeit der Pulsoxymetrie möglich. 5 Nur ein SpO2-Wert von >94 % garantiert eine arterielle O2-Sättigung (SaO2) von 90 %! ! Die Pulsoxymetrie ist weder zur Schwergradab-
schätzung des septischen Herz-KreislaufSchocks geeignet noch lässt sich ein vorgegebener SpO2-Wert als Zielkriterium für die Behandlung des septischen Herz-Kreislauf-Schocks einsetzen!
O2-Extraktionsrate. Bei schwerer Sepsis und septischem Schock ist die Fähigkeit des Gewebes, O2 aus dem Blut zu extrahieren, aufgrund der gestörten Mikrozirkulation und zellulären O2-Verwertung vermindert (Vallet al. 2000). Ein normaler oder sogar erhöhter SvO2-Wert kann deshalb beim Sepsispatienten entweder eine adäquate DO2 oder aber eine ungenügende O2-Extraktionsrate anzeigen (. Tabelle 11-3). Eine Wertung der Messungen von SvO2 und O2-Extraktionsrate ist nur in der Zusammenschau – am besten als kontinuierliches Monitoring – sinnvoll. Allerdings liefert die Bestimmung der O2-Extraktionsrate im Vergleich zum Standardmonitoring bei Sepsis kaum Zusatzinformationen und ist deshalb entbehrlich. ∆pCO2. Mit abnehmendem Sauerstoffangebot steigt der venoarterielle ∆pCO2 (∆pv-aCO2) an, wobei der steile Anstieg des ∆pv-aCO2 auf etwa 30 mm Hg die Hypoxieschwelle anzeigen soll (Vallet et al. 2000; Venkatesh u. Morgan 2001). In gleicher Weise soll ein mukosalarterieller ∆pm-aCO2 von >25–35 mm Hg auf eine Magenmukosahypoxie hinweisen (Vallet et al. 2000). Praktische Relevanz hat dieses Monitoringkonzept bisher allerdings nur wenig gefunden.
11
O2-Partialdruck Mit einer modifizierten, 460 µm dicken ClarkElektrode (Revoxode, Fa. GMS, Mielkendorf) lässt sich bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock kontinuierlich über mehrere Tage der O2-Partialdruck im Skelettmuskel (pmuscleO2) messen (Venkatesh u. Morgan 2001). Die Elektrode wird dabei – optional ultraschallgesteuert (Flieger & Werdan, persönliches Vorgehen) – über eine 18-G-Braunüle intramuskulär platziert, bevorzugt im Caput laterale des M. triceps bracchii oder im M. deltoideus. Die kontinuierliche Registrierung erfolgt mit dem Licox-pO2-Monitor der Fa. GMS (Boekstegers et al. 1994a; Flieger & Werdan, persönliches Vorgehen; Werdan et al. 1991). Alternativ kann die Skelettmuskel-pO2-Messung auch intramuskulär-diskontinuierlich mit guter Übereinstimmung erfolgen (Boekstegers et al. 1994a), während die transkutane pO2-Registrierung bei Sepsispatienten nicht aureichend validiert ist. . Abbildung 11-7 zeigt die Skelettmuskel-pO2Werte bei Gesunden, bei Patienten mit septischem und kardiogenem Schock sowie bei Intensivpatienten mit MODS und Fieber, aber ohne Sepsis (»SIRS-Schock«; s. auch . Tabelle 11-3). Der kardiogene Schock ist durch erniedrigte, der septische Schock aber durch erhöhte SkelettmuskelO2-Partialdrücke charakterisiert. Letzteres lässt sich durch die toxin- und mediatorinduzierte Störung der zellulär-mitochondrialen O2-Utilisation bei Sepsis erklären (Brealey et al. 2002). Mit Besserung der Sepsis sinkt der erhöhte Skelettmuskel-pO2-Wert in den Normwertbereich (Boekstegers et al. 1994a). Praxistipp Die Messung des Skelettmuskel-pO2-Wertes beim Sepsispatienten besitzt derzeit mehr wissenschaftliches als praktisch-klinisches Interesse.
302
1
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Abb. 11-7. Skelettmuskel (M. biceps brachii)-O2-Partialdruckmessungen bei Patienten mit Sepsis, kardialem Pumpversagen und Fieber sowie bei gesunden Probanden. (Aus Werdan et al. 1991)
MpO2 septischer Schock [mmHg]
kardiogener Schock
Fieber
gesunde Probanden
MpO2 [mmHg]
60
60
50
50
4
40
40
5
30
30
6
20
20
7
10
10
8
0
2 3
(n=14)
(n=7)
(n=11)
(n=10)
0
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie Bei jedem Patienten mit drohender oder manifester Sepsis sollten der septische Kreislaufschock und die septische Kardiomyopathie zum frühestmöglichen Zeitpunkt in folgender Weise charakterisiert werden (. Tabelle 11-5): 5 Schweregrad des Kreislaufschocks und Ausmaß des Volumenmangels; 5 Schweregrad der septischen Kardiomyopathie: – Myokarddepression, – rechtsventrikuläre Dysfunktion infolge pulmonaler Hypertonie bei ARDS, – Myokardischämie und Infarktgefährdung, – Rhythmusstörungen, – autonome Dysfunktion; 5 kardiale Vorerkrankungen.
Schweregrad des Kreislaufschocks und Ausmaß des Volumenmangels Das Ausmaß des Kreislaufschocks ist initial am Blutdruckabfall abzuschätzen. Nach Beginn der
Volumen- und Katecholamintherapie ist Normotonie jedoch keine Garantie für eine adäquate Organperfusion. Hier weisen der erniedrigte ZVD (<8 mmHg) und Pulmonalkapillarverschlussdruck (<10 mmHg) auf den relativen Volumenmangel infolge Vasodilatation und Myokardfunktionseinschränkung hin. Das Ausmaß der septisch bedingten Vasodilatation lässt sich anhand des z. T. drastisch bis auf 200–400 dyn × s/cm5 erniedrigten systemischen Gefäßwiderstands (SVR; Normalwert: 1100 ± 200 dyn × s/cm5) abschätzen (. Tabelle 11-5). Erfahrungsgemäß spricht die massive toxische Vasodilatation beim schweren septischen Schock auf eine Katecholamingabe kaum an; ein Anstieg des erniedrigten SVR ist meist erst nach Überstehen der Sepsis zu beobachten (. Abb. 11-1). Etwa 25 % der Intensivstationspatienten mit Hypotonie und niedrigem SVR haben keine Sepsis, sondern andere Erkrankungen, welche ebenfalls einen erniedrigten SVR aufweisen (Melo u. Peters 1999); dazu zählen: Leberzirrhose, Pankreatitis, Nebennierenrindeninsuffzienz, SchädelHirn-Trauma, vasoplegische Syndrome, Anaphylaxie und andere, sehr seltene Ursachen (Melo u. Peters 1999).
303 Komponenten des septischen Kreislaufschocks…
Schweregrad der septischen Kardiomyopathie: Myokarddepression Optimal und auch machbar: Berechnung der Nachlast-spezifischen Herzfunktionsparameter! Die Schweregradklassifizierung der Myokarddepression gelingt am besten durch Bestimmung der nachlastbezogenen Parameter HZVSVRrel., HISVRrel., SVISVRrel. und LVSWISVRrel. (. Tabelle 11-5): Durch die massive Vasodilatation liegt bei Sepsis eine ausgeprägte Senkung der linksventrikulären Nachlast vor, welche als Erniedrigung des systemischen Gefäßwiderstands (SVR) erkannt werden kann. Mit abnehmendem SVR steigt das HZV (. Abb. 11-8), jedoch im Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maße. Die Oberkante der Hüllkurve gibt dabei die nicht oder am wenigsten eingeschränkten HZV-Werte (Sollwert) bei dem jeweiligen SVR wieder, welche man von einem gesunden Herzen nachlastbezogen erwarten kann. Durch In-Relation-Setzen des gemessenen HZV-Ist-Wertes mit dem SVR-spezifischen HZV-Soll-Wert kann das Ausmaß der Myokarddepression abgeschätzt wer-
11
den (s. Legende zu . Abb. 11-8). In gleicher Weise wie in . Abb. 11-8 für das Herzzeitvolumen gezeigt, kann die Einschränkung der SVR-bezogenen Werte auch für den Herzindex, den Schlagvolumenindex und den linksventrikulären Schlagarbeitsindex abgeschätzt werden. Bei einer Nachlasterniedrigung mit einem SVR von 400 dyn × s/cm5 würde man demzufolge SVR-bezogene Herzindizes (HISVRrel.) von 6–9 l × min/m2, Schlagvolumenidizes (SVISVRrel.) von 70– 100 ml/m2 und linksventrikuläre Schlagarbeitsindizes (LVSWISVRrel.) von 80–100 g × m/m2 erwarten (s. auch 7 Abschnitt »Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet«). Praxistipp Wollen Sie das Ausmaß der septischen Kardiomyopathie bei Ihrem Patienten richtig einschätzen, müssen Sie die gemessenen Herzfunktionsparameter in Relation zum systemischen Gefäßwiderstand beurteilen (. Abb. 11-8)!
. Abb. 11-8. Korrelation von Herzzeitvolumen (HZV) und systemischem Gefäßwiderstand (SVR) bei 31 Patienten mit septischem Schock. Die bei den Patienten mehrfach während des Krankheitsverlaufs gemessenen Herzzeitvolumina wurden in Abhängigkeit von dem jeweils dazu bestimmten systemischen Gefäßwiderstand aufgetragen. Mit abnehmender Nachlast (Abnahme des systemischen Gefäßwiderstands) steigen die HZV-Werte an, wobei für einen bestimmten SVR-Wert jeweils beträchtliche HZV-Schwankungen zu erkennen sind. Die Oberkante der Hüllkurve entspricht dem höchsten HZV-Wert (Sollwert = 100%) für einen vorgegebenen SVR-Wert. Die HZV-Werte darunter zeigen demzufolge eine mehr oder weniger ausgeprägte Einschränkung an; diese Ist-Werte können als Prozent des SVR-bezogenen Sollwerts (Oberkante der Hüllkurve) angegeben werden: HZV-IstSVRrel. (% Soll) = HZV-Ist/HZV-SollSVRrel.×100%; HZV-EinschränkungSVRrel. (%)=(1–HZV-Ist/HZV-SollSVRrel.)×100%. (In Anlehnung an Herklotz et al. 2000)
304
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
Derzeit »leider« üblich: Berechnung der Herzfunktionsparameter ohne Berücksichtigung der massiven Nachlastsenkung im großen Kreislauf bei Sepsis
Einschränkung der linksventrikulären Auswurffraktion vorkommen.
Üblicherweise werden die Herzfunktionsparameter bei Sepsispatienten ohne Bezug zur vorliegenden Nachlastsenkung gewertet und damit in der Regel als zu günstig eingestuft (. Tabelle 11-5)! Dies trifft v. a. bei echokardiographisch ermittelten Messdaten zu, da die echokardiographischen Normalwerte für die linksventrikuläre Auswurffraktion, das linksventrikuläre Schlagvolumen und abgeleitete Größen auf die Nachlast des Gesunden (1100 ± 200 dyn × s/cm5) und nicht auf die des Septikers bezogen sind!
Schweregrad der septischen Kardiomyopathie: akute Koronarsyndrome
! Die echokardiographische Messung unter-
8
schätzt den Schweregrad der septischen Kardiomyopathie!
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Schweregrad der septischen Kardiomyopathie: rechtsventrikuläre Dysfunktion infolge pulmonaler Hypertonie bei ARDS Obwohl die Linksherzinsuffizienz klinisch mehr im Vordergrund steht, besitzt auch die Einschränkung der rechtsventrikulären Pumpfunktion eine große prognostische Bedeutung. Sie resultiert aus der dokumentierten systolischen und auch diastolischen (Linksverschiebung der Druck-Volumen-Kurven) Funktionsstörung (. Tabelle 11-5). Neben einer dominanten Myokarddepression wird v. a. die pulmonale Hypertonie bei ARDS für das primär rechtskardiale Pumpversagen verantwortlich gemacht, während koronare Perfusionsstörungen eher die Ausnahme darstellen. Rechtsventrikuläre Dilatation und Abnahme der rechsventrikulären Auswurffraktion sind der Messung mit einem speziellen Rechtsherzkatheter (REFPAK; Zwissler u. Briegel 1998) zugänglich. Die Einschränkung der rechtsventrikulären Pumpfunktion führt sekundär zu einer Abnahme des linksventrikulären Füllungsdrucks und damit auch zur linksventrikulären Pumpfunktionseinschränkung. Die rechtsventrikuläre Dysfunktion kann sowohl isoliert als auch in Kombination mit einer
Die aktuelle kardiologische Klassifikation der akuten Koronarsyndrome unterscheidet die instabile Angina pectoris (troponinnegativ, CK-MBnegativ, keine ST-Strecken-Hebungen im EKG), den Non-ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt (NSTEMI, troponinpositiv, CK-MB-negativ, keine ST-Strecken-Hebungen im EKG) und den ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt (STEMI, troponinpositiv, CK-MB-positiv, ST-Strecken-Hebungen im EKG; Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung 2004a, b). Unerkannte akute Koronarsyndrome mit Troponinwerterhöhung sind bei Sepsispatienten häufig (7 Abschnitt »Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring« sowie . Tabellen 114 und 11-5). Ein Myokardinfarkt (STEMI, NSTEMI) ist möglicherweise eine häufig übersehene Komplikation bei septischen Patienten und kann mitverantwortlich sein für die Todesursache, wie eine Fallserie berichtet (Hoffmann u. Welte 2002): Bei 21 Patienten, die infolge eines septischen Kreislaufversagens verstorben waren, war bei jedem dritten (7/21; Männer, mittleres Alter: 60,4 Jahre) eine akute Myokardischämie – die in keinem Fall vor Eintritt des Todes klinisch aufgefallen war – die Todesursache bzw. eine weitere Todesursache; bei 2 dieser Patienten waren die Koronarien unauffällig, von den übrigen 5 hatten 3 eine hochgradige Koronarsklerose. Thromben fanden sich bei den Verstorbenen sowohl in den betroffenen Koronarien als auch in extrakardialen Arterien. Bei 4 der Patienten lag am Todestag kein EKG vor; bei den verbleibenden 3 Patienten hatten 4 ischämieverdächtige EKG-Veränderungen mit TNegativierung und horizontalen ST-StreckenSenkungen, die allerdings nicht typisch für einen STEMI waren. Bei allen Patienten war bis auf eine Ausnahme am Todestag eine CK-Bestimmung durchgeführt worden; bei zweien fand sich eine
305 Komponenten des septischen Kreislaufschocks…
signifikante CK-MB-Erhöhung, davon hatte einer entsprechende EKG-Veränderungen. Die bei Sepsis zum Herzinfarkt führenden Ursachen sind noch unklar (erhöhte Thrombogenität bei Sepsis mit der Gefahr eines thrombotischen Verschlusses eines vorbestehend stenosierten oder vorbestehend nichtstenosierten Koronargefäßes? Steal-Phänomene der bei Sepsis dilatierten, nichtstenosierten Koronargefäße mit akuter Koronarischämie des nicht dilatationsfähigen, hochgradig stenosierten Infarktgefäßes? Zusätzliches Auftreten einer gestörten O2-Utilisation der Kardiomyozyten bei Sepsis im bereits ischämischen Myokardareal?). ! Zumindest ist das Vorliegen einer hochgradigen
Koronarstenose keine Vorbedingung für das Auftreten eines Herzinfarkts bei Sepsis, wie die Ausbildung von troponinpositiven Myokardischämien und nichttransmuralen Myokardinfarkten bei Kindern mit Meningokokkensepsis zeigt (Briassoulis et al. 2000; Briassoulis et al. 2001).
Praxistipp Denken Sie bei Ihren Sepsispatienten an die Möglichkeit des Auftretens eines potenziell lebensbedrohlichen akuten Koronarsyndroms! Das Schreiben eines EKG und die Troponin-T-/I-Bestimmung können die Verdachtsdiagnose erhärten. Ihr »Daran-Denken« ist allerdings der erste wichtige Schritt. Ein erhöhter Troponinwert kann auch ohne die für den »klassischen« transmuralen Infarkt (STEMI) typischen ST-Strecken-Hebungen im EKG auf einen NSTEMI-Infarkt hinweisen! Scheuen Sie sich bei unklaren Konstellationen auch nicht vor der Durchführung einer klärenden Koronarangiographie, ggf. mit Intervention in gleicher Sitzung!
Bedauerlicherweise existieren noch keine evidenzbasierten, sepsisspezifischen Behandlungskonzepte des akuten Koronarsyndroms bei Sepsispatienten. Demzufolge kann nur auf die allgemeinen Richtlinien zur Behandlung des akuten Koronarsyndroms verwiesen werden (Deutsche Gesell-
11
schaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung 2004a, b).
Schweregrad der septischen Kardiomyopathie: Rhythmusstörungen Tierexperimentell lassen sich spezifische Effekte von Sepsismediatoren auf das Leitungsgewebe nachweisen (Han et al. 1997). Klinisch liegen dagegen zum Auftreten von Rhythmusstörungen bei Sepsispatienten nur wenige Informationen vor, wie aus einer Übersicht kasuistischer Mitteilungen hervorgeht (Heinz 1999). In einer dieser Kasuistiken wird die Sepsis als eine der möglichen Ursache eines QT-Syndroms beschrieben (Varriale u. Ramaprasad 1995). Auch darf nicht vergessen werden, dass weitere »Störfaktoren«, wie das akute Nierenversagen bei Sepsispatienten (Soman et al. 2002), ebenfalls zum Auftreten von Rhythmusstörungen – idioventrikuläre Rhythmen, Kammertachykardien, Kammerflimmern, AV-Block 3. Grades – disponieren (relatives Risiko: 2,1–3,6). In einer Pilotstudie mit 25 Patienten mit septischem MODS sowie 15 Patienten mit nichtseptischem MODS fanden sich hinsichtlich supraventrikulärer und ventrikuläre Rhythmusstörungen keine signifikanten Unterschiede (Prondzinsky et al. 1997). Dessen ungeachtet ist das Vorhandensein einer Sepsis oder eines SIRS bei postoperativen Intensivstationspatienten ein sehr hohes Risiko (adjustiertes Odds Ratio: 36) für das Auftreten von Tachyarrhythmien (Knotzer et al. 2000).
Schweregrad der septischen Kardiomyopathie: autonome Dysfunktion Bei erwachsenen Patienten mit septischem und nichtseptischem MODS lässt sich eine ausgeprägte autonome Dysfunktion nachweisen, die durch eine Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität, der Baroreflexsensitivität und der kardialen Chemoreflexsensitivität charakterisiert ist (. Tabelle 11-7; Schmidt et al. 2001 u. 2003;). Auch bei Kindern wird beim septischen Schock eine autonome Dysfunktion beschrieben (Ellenby et al. 2001).
306
1 2
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-7. Autonome Dysfunktion – Normalwerte – Bereiche für Herzfrequenzvariabilität, Baro- und der Chemoreflexsensitivität. (Aus Schmidt et al. 2003) Parameter
Einheit
Normalbereich
10) – und weniger mit dem der Sepsis (Heinroth
et al. 1999) – sowie einer ungünstigen Prognose (Schmidt et al. 2001; Schmidt et al. 2003).
Mechanismen
10
HRV-TD Zeitdomäne der Herzfrequenzvariabilität; weitere Erläuterungen s. (Schmidt et al. 2003).
11
Bakterientoxine und Mediatoren scheinen bei der Entstehung dieser autonomen Dysfunktion eine wesentliche Rolle zu spielen, da Endotoxin auch bei Gesunden eine vorübergehende Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität induzieren kann (Godin et al. 1996).
Die autonome Dysfunktion des Patienten mit septischem und nichtseptischem MODS ist durch eine Abschwächung sowohl der sympathischen als auch der parasympathischen Aktivität charakterisiert (Heinroth et al. 1999; Schmidt et al. 2001) – und dies, obwohl die Katecholaminspiegel bei Sepsispatienten erhöht sind. Dies spricht dafür, dass diese Dysfunktion nicht nur ZNS und autonomes Nervensystem betrifft, sondern auch die Stufe darunter, mit einer Beeinflussung der Transmitterübertragung auf die Zielzelle und/oder die Signaltransduktion innerhalb der Zielzelle; im Fall der Herzfrequenzvariabilität wären dies die Schrittmacherzellen im Sinusknoten des Herzens (. Abb. 11-11). Auf welcher Ebene Toxine und Mediatoren diese autonome Dysfunktion bewirken – ZNS, autonomes Nervensystem, Zielzelle (. Abb. 11-11) – bleibt noch zu klären; experimentell ist bei spontan schlagenden, in Gegenwart von Endotoxin gezüchteten neonatalen Kardiomyozyten (»Schrittmacherzellen«) eine Einschränkung der Schlagfrequenzvariabilität zu erzielen, ohne dass dabei das autonome Nervensystem involviert ist (Schmidt et al. 2001).
Prognoserelevanz
Ansätze zur Sepsistherapie?
Eine eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität (HRV) als Ausdruck der autonomen Dysfunktion mit Verlust der Balance von Sympathikus- und Parasympathikusaktivität geht bei kritisch Kranken mit einer mehrfach erhöhten Letalität einher (Winchell u. Hoyt 1996). Sie korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung (Übersicht in Buchman et al. 2002; Godin u. Buchman 1996; Schmidt et al. 2001 und 2003). Eine autonome Dysfunktion findet sich auch bei Patienten mit septischem MODS. Sie manifestiert sich als eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität (HRV; . Abb. 11.9 und 11.10), Baroreflexsensitivität und kardiale hyperoxische Chemoreflexsensitivität. Die autonome Dysfunktion korreliert mit dem Schweregrad des MODS (. Abb. 11-
Wie eng die Verknüpfung von autonomem Nervensystem und Inflammation (Elenkov et al. 2000; Tracey 2002) und wie wichtig ein intaktes autonomes Nervensystem zum Überleben einer Sepsis ist (Tracey 2002; Solomon et al. 2003), wird zunehmend evident: Im Tiermodell sichert ein intakter Sympathikus bei gramnegativer Sepsis die Clearance von Bakterien, die Kontrolle der freigesetzten proinflammatorischen Mediatoren, die hämodynamische Stabilität und das Überleben (Solomon et al. 2003); und auch die protektive antiinflammatorische Wirkung einer Vagusstimulation im Rahmen des »inflammatorischen Reflexes« ist experimentell gut belegt (Tracey 2002). Besonderes Interesse verdient die autonome Dysfunktion bei kritisch Kranken mit einer Ab-
3 4
HRV-TD
5
SDNN
ms
141 ± 39
SDANN
ms
127 ± 35
pNN50
%
9±7
rMSSD
ms
27 ± 12 3466 ± 1018
TP
ms2
6
LF
ms2
1170 ± 416
HF
ms2
975 ± 203
7
VLF
ms2
1782 ± 965 1,5–2
Baroreflexsensitivität
ms/ mmHg
>6,1
Chemoreflexsensitivität
ms/ mmHg
0,9 ± 0,5
HRV-FD
8 9
12 13 14 15 16 17 18 19 20
LF/HF
307 Komponenten des septischen Kreislaufschocks…
11
. Abb. 11-9. 24-h-Langzeit-EKG eines Herzgesunden (»Normalbefund«, oben) und eines Intensivstationspatienten mit septischem MODS (»Sepsis und MODS«, unten). Deutlich sind bei der unteren Registrierung die Abschwächung der Frequenzvariabilität und die weitgehende Aufhebung der Tag-Nacht-Frequenzschwankung zu erkennen
120
N = 28
SDNN [ms]
100
(alle untersuchten Patieten)
80 60 40 20 0 0
10
20
30
40 50 APACHE-II-Score Lineare Einfachregression; r=-0,05; p=0,0061; Konfidenzintervall: 99% . Abb. 11-10. Bei Intensivstationspatienten korreliert die Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität mit dem Schweregrad der Erkrankung (gemessen als APACHE-II-Score). Als Marker der Herzfrequenzvariabilität der Zeitbereichsanalyse wurde SDNN (Mittelwert der Standardabweichung der RR-Intervalle von 5-Minuten-Segmenten) auf der Ordinate aufgetragen. Die Abszisse zeigt die Werte des APACHE-II-Score der Intensivstationspatienten mit septischem und nichtseptischem MODS. (Aus Heinroth et al. 1999)
schwächung sowohl des Sympathikus als auch des Parasympathikus deshalb, weil der progrediente Verlust der nerval-humoral vermittelten Organinteraktion (»Entkopplung biologischer Oszillatoren«, »uncoupling of biological oscillators«) ein
wesentlicher, prognosebestimmender Risikofaktor bei der Entwicklung eines MODS sein könnte (Godin u. Buchman 1996; Seely u. Christou 2000), sodass das MODS nicht nur durch die Zahl der versagenden Organe prognostisch determiniert
308
1 2 3 4
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
Kardiovaskuläree Kontrolle
Endotoxin/Mediatoren Sympathikus
Parasympathikus
Endotoxin/ Mediatoren Sinusknotenzelle
5 6
Respiratorische Kontrolle
Signalverarbeitung
Endotoxin/Mediatoren
Schock Sepsis MODS
Schrittmacherstrom
7 8 9 10 11 12 13
Herzfrequenzvariabilität . Abb. 11-11. Extrinsische und intrinsische Modulatoren der Herzfrequenzvariabilität bei Patienten mit Schock, Sepsis und MODS. Die sympathovagale Modulation der Herzfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität auf Ebene des Sinusknotens ist das Ergebnis mehrerer Reflexmechanismen. Zu den kardiovaskulären Kontrollstationen zählen die depressorische Region der Medulla oblongata, der dorsale Vaguskern, pressorische Symathikusneuronen und der arterielle Baroreflex. Zu den respiratorischen Kontrollstationen zählen die Atemzentren im Bereich der Pons und der Medulla oblongata, die pulmonalen Dehnungsrezeptoren und die peripheren/zentralen Chemorezeptoren. Bei Patienten mit Schock, Sepsis und MODS können Bakterientoxine und möglicherweise auch Mediatoren modulierend auf die Signale des autonomen Nervensystems einwirken. Diese Modulation kann sowohl auf der Ebene des Sympathikus und Parasympathikus sowie auf der Ebene des zentralen Nervensystems als auch auf der Ebene der Zielzelle (Schrittmacherzellen im Sinusknoten) erfolgen, wobei in letzterem Fall Toxine und Mediatoren die rezeptorvermittelte Sympathikus-/Parasympathikussignalübertragung bis hin zur Beeinflussung der an der Schrittmacherfunktion beteiligten Ionenkanäle modulieren. Eine Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität im Sinne eines »uncoupling of biological oscillators« (s. Text) ist die Folge
14 15 16 17
ist, sondern auch durch eine gestörte Organinteraktion. Versuche zur Wiederherstellung der autonomen Funktion bei Sepsispatienten werden zeigen, ob die Restaurierung der gestörten Organinteraktion ein wirksames Prinzip der Sepsistherapie sein kann.
18
Kardiale Begleiterkrankungen
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Kardiale Begleiterkrankungen (. Tabelle 11-8) können die Myokarddepression der akuten septischen Kardiomyopathie überlagern und aggravieren: Stenose/Insuffizienz oder Shuntvitium, dilatative oder hypertrophische Kardiomyopathie, de-
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kompensiertes Hochdruckherz, Endo-/Myo-/Perikarditis im Rahmen der akuten infektiösen Erkrankung und auch die häufige Rechtsherzschädigung mit eingeschränkter rechtsventrikulärer Auswurffraktion bei hochgradigen Lungenerkrankungen (Vizza et al. 1998). Quantitativ die größte Rolle dürfte das Zusammentreffen einer septischen Kardiomyoapthie mit einer koronaren Herzerkrankung spielen (Raper u. Sibbald 1988) – mit Überlagerung der septisch bedingten Myokarddepression durch die Myokardischämie im Rahmen der koronaren Herzkrankheit. Das bei Vasodilatation gesteigerte Herzzeitvolumen erfordert einen höheren myokardialen O2-Verbrauch, der bei fixierten Koronarstenosen
309 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
11
. Tabelle 11-8. Vorliegen kardialer Begleiterkrankungen bei Patienten mit septischer Kardiomyopathie Begleiterkrankung
Diagnostik
Zu bedenken
Koronare Herzkrankheit/akutes Koronarsyndrom (instabile Angina, NSTEMI, STEMI)
EKG, CK-MB, Troponin, TTE/TEE, Herzkatheter
Myokardischämie, Kontraktilität ↓, »steifer Ventrikel«
Mitralstenose
TTE/TEE
Cave: Lungenstauung (PCWP>LVEDP); häufig Vorhofflimmern
Aortenstenose
TTE/TEE
Fehlende HZV-Kompensation bei Nachlastsenkung
Mitral-/Aorteninsuffizienz
TTE/TEE
Septische Nachlastsenkung (SVR ↓) senkt Regurgitationsanteil
Kardiomyopathie, dekompensiertes Hochdruckherz
TTE/TEE, EKG
Kontraktilität ↓
Kardiogener Schock, z. B. nach Infarkt
TTE/TEE, Herzkatheter
Nachlasterhöhung (SVR ↑↑), HI ↓↓
Vorhofflimmern
EKG
Teils beträchtliche Abnahme des HI (v. a. bei tachykardem Vorhofflimmern)
Rechtsherzbelastung bei chronischen Lungenerkrankungen
TTE/TEE, REF-PAK
Oxygenierungsproblem; spezifische Rechtsherztherapie (s. Text)
Endokarditis
Anamnese (Vitium?, Zahnbehandlung?), klinisches Bild (Osler-Knötchen, Embolien), TTE/TEE
Sepsisursache?
Abkürzungen: s. Legende zur Tabelle 11-5.
zur Verstärkung einer regionalen Myokardischämie führen kann. Eine laufende antianginöse Therapie mit Betablockern, Nitraten und Kalziumantagonisten kann wiederum die labile Herz-Kreislauf-Situation des Septikers verschlechtern. Der »steife« linke Ventrikel des Koronarkranken zeigt eine erhöhte Volumenempfindlichkeit, und damit besteht bei der erforderlichen Volumengabe die Gefahr einer sich rasch ausbildenden Lungenstauung. Differenzialdiagnostische Probleme mit differenzialtherapeutischen Konsequenzen kann das Zusammentreffen von kardiogenem und septischem Schock bereiten, so z. B. das Auftreten einer Sepsis bei einem beatmeten Patienten mit kardiogenem Schock nach Myokardinfarkt. Hier kann nur die Summe von klinischen, hämodynamischen und Laborparametern weiterhelfen (. Tabelle 11-3).
Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie Das Behandlungskonzept des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie muss sich selbstverständlich in das Gesamtkonzept der Sepsis einordnen. Dieses ist in 7 Kap. 4 aufgeführt, wobei die evidenzbasierten Behandlungsziele und -konzepte für den septischen Kreislaufschock (Meier-Hellmann 2004) und die septische Kardiomyopathie als Entität schwerpunktmäßig in den 7 Abschnitten »Behandlung frühestmöglich beginnen«, »Der Sepsispatient in der Notaufnahme« und »Therapie der Organdysfunktionen von Kreislauf und Herz« beschrieben sind, mit der zugehörigen . Abb. 4-3 sowie den . Tabellen 4-2, 4-6, 4-12 und 4-13.
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1 2 3 4
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
Symptomatische Therapie der akuten septischen Kardiomyopathie Die symptomatische Therapie beinhaltet als erstes die Volumensubstitution (Rackow et al. 1987) und danach die Gabe von positiv inotropen und vasoaktiven Substanzen.
Volumensubstitution: entscheidender, erster Schritt zur Herzkreislauf-Stabilisierung
5
Siehe 7 Kap. 4 und . Tabelle 4-12.
6
Zielkriterien der Volumentherapie
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Die vorgeschlagenen Zielkriterien sind in den . Tabellen 4-2, 4-6 und 4-12 sowie in den . Abb. 41 bis 4-3 aufgeführt. Allen gemeinsam ist, dass sie nur einen geringen Evidenzgrad haben. Zielkriterien des Basismonitorings nach den Empfehlungen eines deutschen Expertenforums (Burchardi et al. 2000, S. 601–613) sind ein mittlerer arterieller Blutdruck von >70 mmHg, ein systolischer Blutdruck von >100 mmHg, ein zentraler Venendruck von >10 mmHg und eine Spontandiurese von >0,5 ml/kgKG/h. Steht ein erweitertes Monitoring zur Verfügung, so kann nach der Empfehlung des deutschen Expertenforums (Burchardi et al. 2000, S. 601–613) der Pulmonalkapillardruck (PCWP), das intrathorakale Blutvolumen (ITBV) mit einem Richtwert von 950 ± 10 ml/m2 oder das extravaskuläre Lungenwasser mit einem Richtwert von <12 ml/kgKG als Zielkriterien herangezogen werden. Dellinger (2003) schlägt als Zielkriterien einer Volumentherapie – initial 250–1000 ml Kristalloid, jeweils über 5–15 min – einen ZVD von 8–14 mmHg, einen PCWP von 14–18 mmHg, einen systolischen Blutdruck von ≥90 mmHg oder einen mittleren arteriellen Blutdruck von ≥60–65 mmHg vor. Die Volumentherapie sollte so lange fortgesetzt werden, bis die Zielkriterien erreicht sind, Zeichen einer Überwässerung auftreten (Rasselgeräusche über den Lungenunterfeldern) oder ein deutlicher Anstieg in der arteriellen Sauerstoffsättigung erkennbar wird (. Abb. 4-1). Hinsichtlich des anzustrebenden PCWP-Wertes sind die Meinungen unterschiedlich: Das deutsche Expertenforum (Burchardi et al. 2000, S. 601– 613) stellt fest, dass ein Wert von <10 mmHg ein
sicheres Zeichen für einen Volumenmangel darstellt, ein anzustrebender Zielwert wird jedoch nicht angegeben. Das »Internationale Sepsis-Forum« (7 Abschnitt »Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring«) schlägt vor, denjenigen PCWP-Wert anzustreben, der zum höchsten HZV-Wert führt (Vincent 2001). Die gleichzeitige Bestimmung des Herzzeitvolumens bei verschiedenen Füllungsdrücken trägt zur Optimierung dieses Vorgehens bei und lässt rechtzeitig eine volumenbedingte Drucküberlastung mit Lungenstauung und Abnahme des Herzzeitvolumens erkennen. Und schliesslich empfiehlt Dellinger (2003) einen Zielwert von 14–18 mmHg. ! Bei einem koronarkranken Septiker mit einem
»starren« ischämischen Ventrikel ist allerdings bei der Volumensubstitution Vorsicht geboten (Raper u. Sibbald 1988)!
Am besten validiert sind die Zielkriterien der Volumengabe bei der frühen zielorientierten HerzKreislauf-Therapie in den ersten 6 h auf der Notaufnahme (7 Kap. 4; Rivers et al. 2001), welche in . Abb. 4-3 skizziert sind: 5 ZVD von 8–12 mmHg, 5 mittlerer arterieller Blutdruck von 65– 90 mmHg, 5 zentralvenöse Sättigung von ≥70 %. Dieser eher großzügigen Flüssigkeitsgabe stehen manche Therapeuten – nicht jedoch die Autoren – eher zurückhaltend gegenüber, aus Sorge vor peripherer und pulmonaler Ödembildung mit Einschränkung der Gewebeoxygenierung und der Gefahr der Zunahme pulmonaler Shunts: sie substitutieren einen vorbestehenden Volumenmangel nur bis zum Erreichen normaler oder allenfalls nur gering erhöhter Füllungsdrucke und setzen anschließend vasokonstriktorische Katecholamine ein (Alsous et al. 2000) Der Wert der kardialen Füllungsdrücke als Zielkriterien der Volumensubstitution wird durch einige Faktoren eingeschränkt (7 Abschnitt »Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring; Thijs 1995): so kann eine sich ausbilden-
311 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
de pulmonale Hypertonie die Nachlast des rechten Ventrikels verändern; darüber hinaus ist die septische Kardiomyopathie durch eine Einschränkung der Myokardkontraktilität beider Ventrikel charakterisiert, mit Dilatation, verminderter Auswurffraktion und einer geänderten Druck-Volumen-Relation. Die kardialen Füllungsdrücke korrelieren demzufolge nicht zwangsläufig mit den Ventrikelvolumina, und nicht selten bleibt ein Anstieg des Schlagvolumens trotz ausreichender Flüssigkeitsgabe aus. Vor allem Patienten mit einer ausgeprägten Vergrößerung des rechten Ventrikels scheinen hämodynamisch weniger von einer Volumensubstitution zu profitieren als erwartet: bei diesen Patienten steigt zwar der Pulmonalkapillardruck deutlich an, das enddiastolische Volumen des linken Ventrikels nimmt jedoch nicht zu, während der rechte Ventrikel eine ausgeprägte Dilatation zeigt. Dies spricht dafür, dass bei diesen Patienten Vorlast, Dehnbarkeit und Funktion des linken Ventrikels maßgeblich durch den Füllungszustand des rechten Ventrikels beeinflusst werden, durch Ausbuchtung des Septums und Perikardbehinderung (s. auch S. 386 7 Abschnitt »Spezielle Aspekte bei der Behandlung der rechtsventrikulären Dysfunktion bei akuter septischer Kardiomyopathie«). Sauerstofftransportparameter (7 Kap. 11): die Prognose eines Patienten scheint günstig, wenn durch alleinige initiale Volumensubstitution ein Herzindex von >4,5 l/min/m2 mit einem Sauerstoffangebot (DO2) von >600 ml/min/m2 und damit ein VO2 von >170 ml/min/m2 erzielt werden kann (Hayes et al. 1994). In etwa 30–40 % gelingt mittels initialer Volumensubstitution eine ausreichende hämodynamische Stabilisierung (s. unten; Thijs 1995). Für die angestrebten DO2- und VO2Werte dürfte dies allerdings nur in etwa 10–20 % der Fall sein (Hayes et al. 1994), v. a. wegen der häufig nicht genügend besserbaren Sauerstoffextraktionseinschränkung und -verwertungsstörung und weniger wegen eines nicht ausreichend steigerbaren Sauerstoffangebots (s. auch S. 331, Katecholamine und supranormales O2-Angebot: mit mehr Sauerstoff allein ist es nicht getan). In der klinischen Praxis spielen Sauerstofftransportparameter als Zielkriterien der Volumentherapie derzeit eher eine untergeordnete Rolle.
11
Hämatokritwert: Zielkriterium der Volumenangabe ist nicht nur eine Zunahme des systemischen Blutflusses, sondern auch eine Steigerung des O2-Transports und der O2 Aufnahme ins Gewebe; die Sauerstoffaufnahmerate wird wiederum mitbestimmt von der Hämoglobinkonzentration und damit vom Hämatokrit und von der Blutviskosität. Derzeit wird die Einstellung eines Hämatokritwertes von 27–33 % (Sakka u. Reinhart 1996) von 30–35 % (Thijs 1995) bzw. ≥ 30% in der Erstversorgungsphase (7 Anhang) empfohlen.
Kolloidale oder kristalloide Lösungen Ob kolloidale oder kristalloide Lösungen zur Volumensubstitution bei septischen Patienten besser geeignet sind, wird seit langem kontrovers diskutiert; die Art der Lösung (. Tabelle 11-9) scheint allerdings für den Therapieerfolg nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Unterschiede bzgl. Morbidität und Letalität konnten für verschiedene Flüssigkeitsregimes bei Sepsispatienten nicht eindeutig gezeigt werden (Thijs 1995; Sakka u. Reinhart 1996; Schierhout u. Roberts 1998). Initial sollten Kolloide bevorzugt werden, da sie eine promptere hämodynamische Wirkung zeigen (. Tabelle 4-12). Eine kürzlich publizierte Metaanalyse kommt überraschenderweise allerdings zu dem Schluss, dass für das Gesamtkollektiv kritisch Kranker das absolute Letalitätsrisiko bei einer Volumentherapie mit Kolloiden im Vergleich zu Kristalloiden um 4 % erhöht ist (24 % vs. 20 %; Schierhout u. Robert 1998). Diese Metaanalyse ist wohl zu Recht kritisiert (Dieterich 2001) und in einem systematischen Review (Choi et a 1999) zumindest für alle Nicht-Traumapatienten infrage gestellt worden. Möglicherweise sind die ungünstigen Wirkungen der HES-Kolloide auf diejenigen der ersten Generation (450/07; . Tabelle 11-9), nicht aber auf die der 3. HES-Generation (130/04; . Tabelle 11-9; Boldt 2003) beschränkt (Dieterich 2001). Kristalloide Lösungen. Kristalloide Lösungen sind kostengünstig, leicht zu lagern, steigern ausreichend die Diurese und können zusätzlich extravasale Flüssigkeitsverluste bei Dehydratationszuständen ersetzen; nachteilig sind das Auftreten ausgeprägter peripherer Ödeme und die relativ kur-
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1
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-9. Charakteristika von Volumenersatzlösungen Mittleres Molekulargewicht [D]
Initialer plasmaexpandierender Effekt [%]
Wasserbindungskapazität [ml/g]
Wirkdauer [h]
Anaphylaktoide Reaktionen [%]
6% Dextran 6% HES 450/0,7a
70.000 450.000
etwa 130 etwa 100
etwa 20 14
etwa 5–6 etwa 5–6–8
0,069 0,085
10% HES 200
200.000
etwa 130–150
14
etwa 3–4
0,085
6% HES 200/0,5a
200.000
etwa 100
3–4
6% HES 200/0,62a
200.000
etwa 100
5–6
6% HES 70/0,5a
70.000
etwa 80
1–2
6% HES 130/0,4a
130.000
etwa 100
2–3
3% Gelatine
35.000
etwa 70
40–50
etwa 1–2
0,066–0,146
5% Albumin
69.000
etwa 100
14
etwa 3–4
0,011
Substanz
2 3
Kolloide
4 5 6 7 8 9 10
Kristalloide 5 0,9%ige Kochsalzlösung, Ringer-Laktat-Lösung:
11
geeignet für kurzzeitige Plasmaexpansion; ungefähr 25% des Volumens verweilen für 1 h im Intravasalraum 5 5%ige Glukoselösung:
intravasale Verweildauer deutlich kürzer als bei Kochsalz- oder Ringer-Laktat-Lösung; sollte nicht zum Zweck der Plasmaexpansion benutzt werden
12 a
13 14 15 16 17 18 19 20
Substitutionsgrad (in Anlehnung an Sakka u. Reinhart 1996; Boldt 2003).
ze hämodynamische Wirksamkeit. Am häufigsten kommen physiologische (0,9 %ige) Kochsalzlösung und Vollelektrolyte (z. B. Ringer-Laktat) zum Einsatz, die sich beide gleichermaßen im Intravasalraum und im Interstitium verteilen; nach einer Stunde findet sich aber nur noch weniger als 25 % des infundierten Volumens in der Zirkulation. Beide Lösungen senken den kolloidosmotischen Druck. Im Vergleich zu kolloidalen Lösungen muss etwa das Vier- bis Fünffache des intravasalen Flüssigkeitsdefizits an kristalloider Flüssigkeit zur Erzielung einer vorübergehenden Normovolämie infundiert werden. 5 %ige Glukoselösung findet sich eine Stunde nach Infusion nur noch zu 8 % im Intravasalraum; sie erhöht neben dem Volumen des Extrazellulärraums unerwünschterweise auch das des Intrazellulärraums, infolge
des Wassereinstroms in die Zellen zum Ausgleich des infusionsbedingten osmotischen Gradienten. Sie sollte deshalb für diese Indikation nicht verwendet werden. Bei der Gabe von Ringer-Laktatlösung ist zu beachten, dass Laktatbestimmungen nicht aus dem Infusionskatheter ohne vorherige sorgfältige Spülungen vorgenommen werden sollten, da sonst das Ergebnis erheblich verfälscht sein kann. Dagegen führt die Infusion von 1 l Ringer-Laktatlösung über 1 h zu keiner Erhöhung der venösen Laktatspiegel (Didwania et al.1997). Kolloidale Lösungen. Kolloidale Lösungen (Albu-
min, Hydroxyäthylstärke, Dextran, Gelatine; . Tabelle 11-9; Roberts u. Bratton 1998) verbleiben zunächst vorwiegend im Intravasalraum und stellen dort den plasmaonkotischen Druck wieder her.
313 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
Sie führen demzufolge in geringerem Ausmaß zu peripheren Ödemen, und es reichen kleinere Volumina zur Substitution aus als beim Einsatz von kristalloiden Lösungen. Nachteile sind neben den hohen Kosten die bekannten, substanzeigenen Nebenwirkungen (s. unten). Dass kolloidale Lösungen v. a. bei der Sepsis mit ihrer erhöhten Kapillarpermeabilität das Auftreten eines Lungenödems fördern, ist viel diskutiert, aber bisher nicht gesichert worden. Die derzeitige Datenlage spricht dafür, dass das Kolloid der Zukunft eine Stärkepräparation der 3. Generation (HES 130/04; . Tabelle 11-9) sein wird (Boldt 2003; Dieterich 2001). Albumin. Albumin findet als 5 %ige (kolloidosmotischer Druck ca. 20 mm Hg) und als 20–25 %ige Lösung (kolloidosmotischer Druck ca. 80–100 mm Hg) Verwendung, es verbleibt relativ lange im Intravasalraum (mehr als 90 % nach 2 h). Die Humanalbuminsubstitution ist in Misskredit geraten: Eine Cochrane-Analyse hatte herausgefunden, dass die Gabe von Albumin bei kritisch Kranken die Letalität erhöhen könnte (Cochrane Injuries Group Albumin Reviewers 1998). Zu einem gegensätzlichen Ergebnis kam eine nachfolgende Metaanalyse (Wilkes u. Navickis 2001), welche keine erhöhte Letalität feststellte, aber auch keine günstige Wirkung. Vielleicht war die Negativeinschätzung zu voreilig (Dubois u. Vincent 2002; Nicholson et al. 2000)? Zumindest im Sepsis-Tiermodell kann Albumin die »septische Kardiomyopathie« – möglicherweise durch eine Hemmung der Stickoxidsynthase-IIExpression – abschwächen (Walley et al. 2003). Und schließlich war in einer kürzlich publizierten klinischen Studie Albumin den Kristalloiden gleichwertig (The SAFE Study Investigators 2004). Dextrane. Dextrane sind hochmolekulare lineare
Polysaccharide mit vereinzeIten Seitenketten, gelöst in physiologischer Kochsalzlösung. Sie werden entsprechend ihrer Molekularmasse entweder direkt (MG <50 kD) oder nach Enzymdegradation bevorzugt renal eliminiert. Durch den hohen kolloidosmotischen Druck füllt die 10 %ige Dextran-40-Lösung den Intravasalraum durch einen ausgeprägten Einstrom aus dem Interstitium auf, was im Schock mit gestörter Mikrozirkulation er-
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wünscht, bei einem depletierten Extrazellulärraum jedoch eher unerwünscht ist. Dextran 40 reduziert die Geldrollenbildung der Erythrozyten, und es soll auch die Gewebeoxygenierung verbessern. Hydroxyäthylstärkepräparationen (HES). Hydroxyäthylstärkepräparationen (HES) sind ebenfalls Polysaccharide. Je höher ihre Molekularmasse und der durchschnittliche Substitutionsgrad mit Hydroxyäthylgruppen ist, um so länger sind die Verweildauer im Organismus und die Volumenwirkung. Das Ausmaß der Substitution der Glukose mit Hydroxyäthylgruppen bestimmt die Degradierbarkeit der HAES-Moleküle durch plasmatische(α-Amylase) und v. a. lysosomale Glykosidasen. Kleinere Bruchstücke werden über die Nieren ausgeschieden, größere im retikuloendothelialen System phagozytiert. Mit Ausnahme des niedermolekularen HAES 40/0,5 rekrutieren die anderen HAES-Lösungen Flüssigkeit aus dem Extrazellulärraum (Volumenfülleffekt > 1). Der Volumenzweiteffekt beruht auf einer Zunahme onkotisch wirksamer Teilchen infolge intravasaler Degradation höhermolekularer HAES-Anteile durch Glykosidasen zu kleineren Bruchstücken; er erreicht ca. 60 min nach Infusion sein Maximum. Im deutschsprachigen Raum ist HES sicherlich die am häufigsten eingesetzte Substanz zur Therapie der Hypovolämie. HES-Lösungen werden aus Kartoffel- oder Maisstärke produziert. Innerhalb der vergangenen Jahre ist es zur Entwicklung deutlich verbesserter HES-Präparationen (1. Generation: 450/07; 2. Generation: 70/05, 200/05, 200/0,62; 3. Generation: 130/04; . Tabelle 11-9) hinsichtlich intravasalem HES-Abbau und Nebenwirkungsprofil – RES-Speicherung, Nephrotoxizität, s. unten – gekommen (Boldt 2003). Sowohl Dextranen als auch HAES werden neben der Volumenwirkung zusätzlich günstige Wirkungen im Sinne der Prävention eines Multiorganversagens zugeschrieben: Dämpfung aktivierter Kaskadensysteme; Milderung der Sequestration aktivierter Leukozyten, Abschwächung immunologischer Dysbalancen (Zitate in Thijs 1995). Gelatinelösungen. Gelatinelösungen (Oxypolygelatine, modifizierte Gelatine und harnstoffver-
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
netzte Gelatine) werden aufgrund ihrer verhältnismäßig niedrigen Molmassen relativ rasch renal eliminiert und steigern die Diurese. Sie sind fast isoonkotisch zu Plasma und bewirken deswegen trotz des hohen Wasserbindungsvermögens keine Volumenexpansion. Zur Erzielung und zum Erhalt einer Normovolämie muss daher beim Einsatz von Gelatinepräparaten im Vergleich zu Dextran- und HAES-Lösungen primär höher dosiert und häufiger nachinfundiert werden.
6
Der Einsatz künstlicher Kolloide setzt die Kenntnis ihrer Nebenwirkungen voraus (Thijs 1995).
gleichsinnige inhibitorische Wirkungen auf die Hämostase verursachen aber nur Dextran und HES, erstere wesentlich ausgeprägter: Dämpfung der primären Hämostase durch Coating-Effekte auf Endothel und Thrombozyten; dosisabhängige Inhibierung der plasmatischen Gerinnung durch Interaktion mit Gerinnungsfaktoren, insbesondere mit sämtlichen Faktor-VIII-Qualitäten, sowie Erleichterung der Gerinnselauflösung durch die endogene Fibrinolyse infolge einer veränderten Fibrinpolymerisation. Demzufolge wird eine Dosislimitierung von derzeit 1,5 g/kg KG Dextran und 2 g/kg KG HES 200/0,5 bzw. 1,2 g/kg KG HES 450/0,7 pro Tag empfohlen.
7
Anaphylaktische/anaphylaktoide Unverträglichkeitsrekationen (UVR; 0,1–2 %, vermutlich bei
Nierenfunktionseinschränkung/Nephrotoxizität.
bereits bestehender sympathoadrenerger und Stressreaktion deutlich niedriger) – mit Symptomen harmloser kutaner Reaktionen über Kreislaufreaktionen und Bronchospasmus bis zu lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf- und Atemstillständen – sind für alle im Handel befindlichen künstlichen Kolloide beschrieben (. Tabelle 11-9). Die Dextran-UVR beruht auf einer Immunkomplexanaphylaxie infolge präexistenter, mit Dextran kreuzreagierender Antikörper, vornehmlich Ig G2-Antikörper in hohen Titerstufen. Nach Vorgabe von 20 ml Dextran MG 1000 (Promit; Prinzip der Haptenhemmung) treten Dextran-UVR nicht wesentlich häufiger auf als nach anderen Kolloiden. Bei Gelatine-UVR konnte eine direkte Histaminausschüttung nachgewiesen werden (zumindest mitbedingt durch einen vom Hersteller zwischenzeitlich beseitigten Überschuss an Vernetzungsmittel). Sowohl Häufigkeit als auch Schweregrad dieser UVR lässt sich durch Vorbehandlung mit Histamin-H1- und H2-Rezeptorenblockern senken. HAES-UVR sind in ihrer Ursache bisher nicht geklärt. Höhergradige Reaktionen konnten bislang nicht auf die alleinige Verabreichung, insbesondere von neueren HES-Präparationen (HES 200), zurückgeführt werden. Die im Vergleich sehr gute Verträglichkeit ist möglicherweise auf die molekulare Strukturähnlichkeit mit Glykogen zurückzuführen (Thijs et al. 1995). Gerinnungsstörungen können bei allen künstlichen Kolloiden nach hohen Dosen als Dilutionskoagulopathie auftreten. Spezifische, qualitativ
Eine ausreichende Flüssigkeitssubstitution mit Kristalloiden ist zur Vermeidung von Nierenfunktionsstörungen von besonderer Bedeutung. Nur bei Vorliegen eines Flüssigkeitsmangels kann es durch die Zufuhr von Lösungen mit hohem kolloidonkotischen Druck zu einem Hyperviskositätssyndrom kommen, mit fatalen Folgen für die Nierenfunktion (»hyperoncotic acute renal failure«). Dies fand sich bei der Gabe von HES, Dextranen – vornehmlich des hyperonkotischen Dextran 40 – und auch von hochkonzentrierten Humanalbuminlösungen (20 %). Bezüglich der Nierenfunktionsbeeinträchtigung durch HES gibt es 4 aktuelle Studien, wobei 2 eine Nierenschädigung durch HES beobachteten, die beiden anderen nicht (Diskussion in Boldt 2003). In einer der beiden Studien mit ungünstigem Ergebnis waren 129 Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock entweder mit Gelatinelösung (mediane kumulative Volumenmenge: 43 ml/kgKG) oder mit HES 200/0,62 (31 ml/ kgKG) behandelt worden. Ein akutes Nierenversagen (2facher Anstieg des Serumkreatininwertes bzw. Notwendigkeit zum Nierenersatzverfahren) trat bei 42 % der mit HES und nur bei 23 % der mit Gelatine behandelten Patienten auf; ein Letalitätsunterschied der beiden Gruppen fand sich nicht (Schortgen et al. 2001). In der Zusammenschau der Studiendaten kommt Boldt (2003) zu dem Schluss: »Entscheidend bei der Beurteilung möglicher Nierenfunktionsstörungen unter HES ist
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8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Nebenwirkungsprofil
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die Tatsache, dass ‚HES nicht gleich HES‘ ist. Die unterschiedlichen physikochemischen Eigenschaften der verschiedenen HES-Präparationen scheinen für das Auftreten von Nierenfunktionsstörungen von erheblicher Bedeutung. Von zentraler Bedeutung ist zudem, dass bei nahezu allen bisherigen Studien ausschließlich Patienten mit normaler Nierenfunktion (normalen Kreatininwerten) vor Volumengabe untersucht wurden. Somit ist eine Übertragung der Unbedenklichkeit des Einsatzes von HES bezüglich der Nierenfunktion bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht gegeben. Ab welchem Kreatininwert auf die Gabe jeglicher HES-Lösung verzichtet werden sollte, bleibt umstritten, da hierzu keine Untersuchungen vorliegen. Neue Untersuchungen mit der neuesten HES-Präparation (HES 130/04) geben Anlass zur Hoffnung, dass eine eingeschränkte Nierenfunktion nicht weiter als Kontraindikation für die Gabe von HES angesehen werden muss. Unter Berücksichtigung von Vorsichtsmaßnahmen (Ausgleich eines Flüssigkeitsmangels mit Kristalloiden) bzw. Ausschlusskriterien (vorbestehend deutlich eingeschränkte Nierenfunktion) scheint ein Volumenersatz mit nieder- (MG: 70 kD) bzw. mittelmolekularer (MG: 130 kD, 200 kD), niedrigsubstituierter (DS: 0,4; 05) HES in Bezug auf die Nierenfunktion auch bei Intensivpatienten sicher möglich. Die Drittgenerationsstärke könnte aufgrund der günstigen physikochemischen Eigenschaften auch beim Patienten mit bereits vorbestehender Nierendysfunktion in dieser Situation einsetzbar sein.« RES-Speicherung. HES und Dextran werden zusätzlich zu ihrer renalen und gastrointestinalen Ausscheidung sowie ihrem enzymatischen Abbau (Amylase, Dextranase) zu einem kleinen Prozentsatz in den Zellen des retikuloendothelialen Systems (RES) von Leber, Lunge und Milz sowie von den Lymphknoten gespeichert. Diese Speicherung ist zeitlich begrenzt, von der verwendeten Lösung und individuellen Faktoren abhängig und klinisch i. Allg. ohne Relevanz. Selten wird von einer exzessiven RES-Überladung mit potenzieller respiratorischer, Leber- und Niereninsuffizienz kasuistisch
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berichtet, v. a. beim Einsatz von hochmolekularem Dextran und HES (450/0,7; Ginz et al. 1998).
Vergleich kristalloider und kolloidaler Lösungen Beim Vergleich kristalloider und kolloidaler Lösungen sind folgende Aspekte von Interesse (ausführliche Diskussion und Literaturangaben in Thijs 1995). Hämodynamik: Zweifellos lässt sich mit beiden Lösungen eine adäquate Volumensubstitution des Sepsispatienten erzielen, allerdings werden mit kristalloiden Lösungen 2- bis 4mal größere Volumina benötigt (stärkere Gewichtszunahme und Ödemneigung der Kranken) als mit kolloidalen, und es dauert länger bis zur Erzielung der hämodynamischen Stabilität. Einige Zahlen sollen dies untermauern: bei kritisch Kranken führt die Gabe von 500 ml Albumin 5 % bzw. Dextran 70 zu einer Zunahme des Intravasalvolumens um jeweils 600-700 ml und bei Gabe von 500 ml Dextran 40 sogar um mehr als 1 l; dagegen hat die Infusion von 1 l Ringer-Laktat eine Plasmavolumenzunahme von weniger als 150 ml zur Folge. Bei postoperativen Patienten steigern je 1 I Dextran 70,6 % HES hochmolekular, 5 % Albumin bzw. Kochsalz das Plasmavolumen um 790, 710, 490 bzw. 180 ml (Zitat 37 in Thijs 1995). In einem Cross-over-Vergleich bei kritisch Kranken erzielte die Gabe von 100 ml Albumin 25 % eine Zunahme des Plasmavolumens 45 min nach Infusionsende um 465 ml, nach 1 l Ringer-Laktat waren es dagegen kurzfristig maximal 194 ml (Zitat 54 in Thijs 1995). Wesentliche Verbesserungen der Hämodynamik und des Sauerstofftransports korrelieren eindeutig mit der Plasmaexpansion, sie sind nach Gabe kristalloider Lösungen entweder gar nicht (Zitat 54 in Thijs 1995) oder wesentlich schwächer (Zitat 36 in Thijs 1995) als nach Infusion kolloidaler Lösungen nachweisbar. Die Wirksamkeit der einzelnen kolloidalen Lösungen untereinander scheint vergleichbar (. Tabelle 11-9), die Wirkdauer der HAES-Lösungen dagegen länger als die des 5 %igen Albumin (Zitate 58–61 in Thijs 1995). Lungenfunktion: Bei der Diskussion um die ideale Volumenersatzlösung spielt die potentielle Gefahr der Auslösung eines Lungenödems eine entscheidende Rolle. Verfechter des Einsatzes
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
kolloidaler Lösungen führen an, dass kristalloide Flüssigkeiten den kolloidosmotischen Druck (KOD) nachhaltig erniedrigen und damit diese Gefahr hervorrufen. Verfechter des Einsatzes kristalloider Lösungen fürchten dagegen beim Einsatz kolloidaler Lösungen einen verstärkten Abstrom kolloidosmotisch wirksamer Moleküle durch die geschädigte alveolokapilläre Membran ins Interstitium, mit einem Anstieg des extravaskulären KOD und damit der Gefahr der Ausbildung oder Verstärkung eines Lungenödems. Sowohl eine Erniedrigung des KOD als auch ein Anstieg des mikrovaskulären hydrostatischen Drucks kann das Auftreten eines Lungenödems begünstigen, wobei dem pathologischen Anstieg des hydrostatischen Drucks jedoch eine viel entscheidendere Bedeutung zukommt als dem Abfall des KOD. Um das Risiko des Auftretens eines Lungenödems besser abschätzen zu können, wurde der Terminus »kolloidosmotischer Druck – Pulmonalkapillardruck-Gradient« eingeführt (COPPAW-Gradient). Die Annahme, ein niedriger COPPAW-Gradient disponiere zum Auftreten eines Lungenödems, ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben (Diskussion in Thijs 1995). Die Bestimmung des Lungenwassers, der intrapulmonalen Shuntfraktion und des alveoloarteriellen Sauerstoffgradienten sind weitere Parameter, die neben klinischen und röntgenologischen Zeichen zur Beurteilung der Gefahr eines Lungenödems unter Volumensubstitution Verwendung finden. Bei der Wertung der insgesamt spärlichen klinischen Studien (Übersicht und Literaturangaben in Thijs 1995; Sakka u. Reinhart 1996) wird evident, dass kolloidale Lösungen zu keiner Verschlechterung des intrapulmonalen Shuntanteils, der Lungenfunktion, des extravasalen Lungenwassers und des transmikrovaskulären Flusses sowohl hochals auch niedermolekularer Substanzen zu führen scheinen. Überzeugende Vor- oder Nachteile kristalloider vs. kolloidaler Lösungen in Bezug auf die Lunge wurden bisher in kontrollierten Untersuchungen nicht aufgezeigt. Spezifische Organperfusion: In tierexperimentellen Sepsismodellen wurde die Wirksamkeit kristalloider und kolloidaler Lösungen hinsichtlich einer Steigerung der Durchblutung spezifischer Organe verglichen. Aufgrund der uneinheit-
lichen Ergebnisse und der bisher fehlenden klinischen Studien ergeben sich daraus noch keine differentialtherapeutischen Aspekte (Thijs 1995; Sakka und Reinhart 1996).
Erythrozytentransfusion und Erythropoetingabe Erythrozytentransfusion beim kritisch Kranken.
Bei kritisch Kranken ist eine mäßige Anämie infolge eines okkulten Blutverlustes und einer supprimierten Erythropoese nicht selten. Übereinstimmung besteht darüber, dass Patienten mit akuter Anämie und einem Hämoglobinwert von 60–70 g/l und darunter – entsprechend den allgemeinen Transfusionsempfehlungen (Simon et al. 1998) – mit Erythrozytentransfusionen substitutiert werden sollten. Handelt es sich dabei nicht um Gesunde (Weiskopf et al. 1998), sondern um Risikopatienten mit Myokard- oder Hirnischämie (koronare Herzkrankheit, hämodynamisch relevante Klappenvitien, manifeste Herzinsuffizienz, zerebrovaskuläre Insuffizienz) und liegen außerdem klinische Zeichen einer Sauerstoffminderversorgung trotz Normovolämie vor (Synkope, Dyspnoe, orthostatische Hypotonie, Tachykardie, Angina pectoris, transiente ischämische Attacke), so ist nach diesen Empfehlungen auch bei einem Hämoglobinwert über 60–70 g/l die Gabe von Erythrozytenkonzentraten gerechtfertigt, mit entsprechender Erfolgskontrolle nach jeder Konserve; vor der Transfusion sollte mit ausreichend Flüssigkeit das Intravasalvolumen aufgefüllt werden, um die bei Anämie notwendige Hyperzirkulation zu gewährleisten. Erythrozytentranfusion beim Sepsispatienten.
Die offiziellen Empfehlungen (. Tabelle 4-2) raten, auf der Intensivstation beim Patienten mit schwerer Sepsis den Hämoglobinspiegel nicht unter 7– 8 g/dl und beim Patienten mit septischem Schock nicht unter 9–10 g/dl sinken zu lassen (Sibbald et al 1995; s. auch 7 Anhang). In der Notaufnahme sollten diejenigen Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock – während der ersten 6 Behandlungsstunden – Erythrozytentransfusionen bekommen, bei denen trotz früher zielorientierter Herz-Kreislauf-Therapie mit Volumen und Vasopressoren eine gemischtvenöse Sättigung
317 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
(ScvO2) von <70 % persistiert (7 Kap. 4, . Abb. 4-3; Rivers et al. 2001). Die Gabe eines Erythrozytenkonzentrats erbrachte bei anämischen (Hb-Wert von <10 g/dl) Sepsispatienten keine Verbesserung der O2-Utilisation, weder global (VO2) noch regional (Magentonometrie); beobachtet wurde eine 10 %ige Zunahme des linskventrikulären Schlagarbeitsindex, aber auch eine ungünstige, 15 %ige Zunahme des pumonalvaskulären Widerstands (Fernandes et al. 2001). Erythropoietingabe bei kritisch Kranken. Die verminderte Erythropoietinbildung beim anämischen kritisch Kranken und der hohe Anteil von knapp 40 % transfundierten Intensivstationspatienten bilden die Rationale für die Erprobung einer Erythropoietin-(EPO-)Gabe bei Intensivstationspatienten: Im Rahmen einer Studie mit 1300 Intensivstationspatienten wurden wöchentlich bis zu 4-mal 40.000 Einheiten rHuEPO bzw. Placebo gegeben. Die EPO-Gabe reduzierte den Prozentsatz transfusionspflichtiger Patienten von 60,4 % auf 50,5 % und die Zahl der Transfusionen um 19 %, wobei der Hb-Wert-Anstieg mit 1,32 g/dl stärker ausfiel als in der Placebogruppe (0,94 g/ dl). Die Letalität in der EPO-Gruppe war mit 14 % nicht unterschiedlich im Vergleich zu derjenigen der Placebogruppe (Corwin et al. 2002). Der Nutzen dieser EPO-Gabe bei Intensivstationspatienten wird derzeit kritisch gesehen (Eckardt 2003). Eine Empfehlung zum Einsatz von EPO bei anämischen Sepsispatienten existiert bisher nicht (7 Anhang).
Hyperton(-hyperonkotische) Lösungen Auch Infusionen mit Glukose, Insulin und Kalium werden beim septischen Schock eingesetzt (Thijs 1995). Der Stellenwert weiterer hyperosmolarer Kochsalzlösungen (7,2 % NaCl und 6 % HES 200/05 (Hyper HAES®) oder 7,5 % NaCl mit 6 % Dextran 70 (Rescue-Flow®)) wird derzeit in experimentellen und klinischen Studien untersucht; eine Überlegenheit gegenüber anderen Formen der Flüssigkeitstherapie ist bislang nicht nachgewiesen (Meier-Hellmann & Bugard 2004). In einem Endotoxintiermodell haben hyperton-hyperonkotische Lösungen ihre Überlegen-
11
heit gegenüber isotonen kristalloiden Lösungen hinsichtlich der Verbesserung des Herzzeitvolumens und des Sauerstofftransports gezeigt (Zitat 87 in Thijs 1995); dagegen war in einer anderen tierexperimentellen Sepsisstudie der Vorteil allenfalls marginal (Zitat 88 in Thijs 1995). Um Rückverteilungsvorgänge zu vermeiden, muss sich allerdings rasch (binnen 20 min) eine konventionelle Volumentherapie anschließen, damit das erzielte Ergebnis erhalten bleibt. Kontrollierte Studien über den Einsatz hyperton-hyperonkotischer Lösungen bei Patienten mit septischem Schock wurden bisher noch nicht vorgelegt. Über ihren Einsatz in der initialen Phase des hypovolämischen septischen Schock ist bereits berichtet worden [Hannemann et al. 1993]. ! Hyperton-onkotische Lösungen sind nicht Be-
standteil offizieller Empfehlungen zur Sepsistherapie.
Katecholamine Siehe dazu 7 Kap. 4 und . Tabelle 4-13.
Grundlagen Die Therapie mit Katecholaminen und Sympathomimetika (im weiteren als Katecholamine bezeichnet) bei Patienten mit Sepsis/septischem Schock und Multiorganversagen (Burchardi et al. 2000, S. 562–568 und S. 601–613) hat zum Ziel, die Herz-Kreislauf-Schädigung zu kompensieren und damit die Durchblutung und die O2-Versorgung der Vitalorgane sicherzustellen. Es handelt sich dabei um eine symptomatische, nicht um eine kausale Therapie. Katecholamine entfalten ihre physiologischen und pharmakologischen Wirkungen (Cassidy et al. 1997) durch Besetzung und Stimulation von Rezeptoren: am Herzen vorwiegend β1-Adrenozeptoren und an den Gefäßen α- und β2-Adrenozeptoren sowie Dopamin (DA-1 und DA-2)-Rezeptoren (. Tabelle 11-10).
Adrenozeptoren und Dopaminrezeptoren des Herz-Kreislauf-Systems Herz 5 β1Adrenozeptoren:
positivi inotrop und chronotrop;
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
+++
Noradrenalin
0
0
Levosimendana
++
+++
+++
Enoximon
Isoproterenol
Orciprenalin
∅b
0
+
0
+
++
+++
0
0
∅
+
Öffnung
ATP-sensitive Kaliumkanäle
Levosimendan führt zu einer kalziumkonzentrationsabhängigen Sensibilisierung des Troponins der Myofilamente der Herzmuskelzelle gegenüber Kalzium und wirkt damit positiv inotrop; darüber hinaus wirkt es durch Öffnung vaskulärer ATP-sensitiver Kaliumkanäle vasodilatierend (Follath et al. 2002). b Bei β -selektiven Blockern ist die β-Blockade geringer als bei nichtselektiven Blockern. 1
a
+ Aktivierung; ∅ Blockade/Inaktivierung; 0 keine Direktwirkung; NO-Donatoren Stickoxiddonatoren; PDE-Hemmer Phosphodiesterasehemmer.
Kalziumantagonist
β-Blocker
++
0
++
0
+
++
+++
0
0
DA 2
Natriumnitroprussid
0
?
?
?
?
?
?
?
β3
+
∅
++
0
+++
++
+
+
0
+
++
β2
Nitroglyzerin
NO-Donatoren
+
++
++
+
++
+
0
+
++
++
++
0
++
+++
Amrinon
0
0
+++
++
+
+
+++
0
Milrinon
PDE-Hemmer
+++
++
>10 µg/kgKG/min
Dopexamin
+
3–10 µg/kgKG/min
Adrenalin
0
0–3 µg/kgKG/min
Dopamin
++
Dobutamin
β1 DA 1
α2
α1
5 Troponin-Kalzium-Sensibilisierung
4
Guanylatzyklase (GC)
3
Dopaminrezeptoren
2
Adrenozeptoren
1
Pharmakon
6
L-Typ-Kalziumkanäle
7
. Tabelle 11-10. Profile ausgewählter inotroper und vasoaktiver Pharmaka – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismen
318 Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
319 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
5 β2- und α-Adrenozeptoren:
positiv inotrop (untergeordnete Bedeutung); 5 β3-Adrenozeptoren: negativ inotrop, eNOSgekoppelt (Bedeutung?) (Moniotte u. Balligand 2001) Gefäße 5 α-Adrenozeptoren:
– Vasokonstriktion (Arterien und Venen); 5 β2-Adrenozeptoren: – Vasodilatation (Arterien); 5 β3-Adrenozeptoren (eNOS-gekoppelt): – Vasodilatation (Bedeutung?) (Moniotte u. Balligand 2001); 5 Dopamin (DA)-Rezeptoren: – DA-1 (postsynaptisch): Vasodilatation (vorwiegend Nieren- und Mesenterialgefäße) – DA-2 (präsynaptisch): »passive Vasodilatation« durch Hemmung der Noradrenalinfreisetzung. Die Differentialtherapie mit Katecholaminen wird primär nicht durch unterschiedliche pharmakokinetische Eigenschaften bestimmt, sondern durch die unterschiedlichen Affinitäten der einzelnen Substanzen zu diesen verschiedenen Rezeptorarten (. Tabellen 11-11 bis 11-13). Die Wirkungen der einzelnen Katecholamine bei Gesunden sind im folgenden beschrieben; bei Sepsispatienten sind diese Effekte durch Interferenzen mit anderen pathophysiologischen Prozessen – z. B. Induktion der induzierbaren Stickoxidsynthase – häufig modifiziert und durch Toleranzphänomene abgeschwächt. Auch für Überraschungseffekte können Katecholamine gut sein: so können sie das Wachstum von Darmbakterien bei traumainduzierter Sepsis stimulieren (Freestone et al. 2002), und auch die Katecholaminauswirkungen auf Leukozyten sind zu beachten (Burns et al. 1997). Dopamin. Dopamin in niedriger Dosierung stimuliert die Dopaminrezeptoren und wirkt dadurch v. a. auf die Nieren- und Mesenterialgefäße vasodilatierend (Steigerung der Nierenperfusion). Die gleichzeitige Stimulation der β1-Adrenozeptoren ist für die positiv-inotrope und positiv-chronotope Wirkung dieser Substanz verantwortlich. Bei hohen Dopaminkonzentrationen dominiert
11
die vasokonstringierende α-Adrenozeptorwirkung über die vasodilatierende dopaminerge Wirkung – mit dem Nettoeffekt einer Vasokonstriktion auch der Nierenarterien.
Dobutamin Praxistipp Dobutamin ist das Katecholamin der Wahl zur Therapie der eingeschränkten Pumpfunktion bei der septischen Kardiomyopathie (Burchardi et al. 2000, S. 601–613)!
Zur Therapie der häufig vorliegenden septischen Kardiomyopathie und zur Aufrechterhaltung eines hyperdynamischen Kreislaufs ist der Einsatz einer primär β1-mimetischen Substanz sinnvoll (Burchardi et al. 2000, S. 601–613). Im Vergleich zu Dopamin führt Dobutamin zu einem höheren Herzzeitvolumen (Vincent et al. 1987). Dobutamin bewirkt eine Zunahme des hepatischen Blutflusses und des Magenmukosa-pCO2Wertes (rCO2; Gutierrez et al. 1994; Levy et al. 1997a; Neviere et al. 1996; Silverman u. Tuma 1992). Der verbesserte hepatische Blutfluss unter Dobutamingabe ist jedoch eine passive Folge des erhöhten globalen Blutflusses (Reinelt et al. 1997). Eindeutige Hinweise, dass darüber hinaus mittels Dobutamin bei septischen Patienten selektiv die Perfusion des Splanchnikusgebiets verbessert werden kann, fehlen. Im Vergleich zu niedrigdosiertem Dopamin führte Dobutamin zwar nicht zu einer Erhöhung der Diurese, es bewirkte jedoch eine Verbesserung der glomerulären Filtrationsrate (Duke et al. 1994). Das für den klinischen Einsatz verfügbare Dobutamin ist ein Razemat aus 2 Enantiomeren; das (–)-Isomer bewirkt überwiegend eine α-Adrenozeptorstimulation, das (+)-Isomer überwiegend eine β1- und auch eine β2-Adrenozeptorstimulation. Der Nettoeffekt ist eine ausgeprägte positivinotrope Wirkung – bei nur geringer Frequenzbeeinflussung – und eine geringe Senkung des Gefäßwiderstands, bei weitgehend unverändertem Blutdruck.
7
8
9
10
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12
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18
19
20 ↔ AL Sepsisf, g, i
↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑
↔/↓/↑ ↑ AL, Sepsisf–h ↔ Sepsisf, i ↓ Sepsisj
↑
↑
↑↑
↑↑
↑↑
↑↑
↑
↑ ↑ ↑
↑
↑
0/↑ ↑
↔/↓
↑ AL, Sepsisf–h
↔ Sepsisf, i
↓ Sepsisj
Noradrenalin
Dopamin 0–3 µg/kgKG/minc
3–8 µg/kgKG/min
>8 µg/kgKG/min
Adrenalin
Dopexamin
Levosimendan*
PDE-Hemmer Milrinon Amrinon Enoximon
Isoproterenol
Orciprenalin
NO-Donatoren Nitroglyzerin Natriumnitroprussid
NOS-Inhibitorend
NACe
↔
↑
↑
↑(↓)
↑
↑
↔(↓↑)
↑b
↑
↑↑↑
Dobutamin
↓
↓ Sepsisj
↔ AL Sepsisf, g, i
↑ Sepsisj
↑↑
↓ ↓ ↓
↓
↓
↑
↑
↓
↓ Sepsisj
Sepsisf, g, i
↔ AL,
↓
↔(↑)
↓
↓
↔(↑)
↓
↓ ↑↑
PVR
↑
↑
↑
↔
↔
PCWP
↔ Sepsisj
↔
↑
↑
↑
↔(↓)
↔
Qs Qt
5
SVR
ARDSf, j, k
↔ Sepsis
↑ Sepsisi
↓
↔
paO2/FIO2
4
HF
3
Kontraktilitäta
↑
↔
↔
Laktat
2
HZV
1
Pharmakon
. Tabelle 11-11. Profile ausgewählter inotroper und vasoaktiver Pharmaka – Wirkungen auf die globale Hämodynamik
320 Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
6
↔ ↓ ↓
↔/↓
↓
↓
Glukokortikoide, hochdosiert
β-Blocker
Kalziumantagonisten
↔/↑
↓
↑
↑
↔
↔
↔
↓↓
↓↓
↓
PVR
PCWP ↔/↑
QsQt
↓
↔/↓
paO2/FIO2
Laktat
b
Vergleichende Untersuchungen zur Kontraktilität bei septischen Patienten fehlen. Die Arrhythmogenität der einzelnen Substanzen wird unterschiedlich bewertet; für Dopamin wird eine etwas höhere Arrhythmogenität als für Dobutamin angegeben; Dopexamin scheint vereinzelt erhebliche arrhythmogene Effekte zu haben. c »Low-dose«-Dopamin hat deutliche Effekte auf die globale Hämodynamik (Arrhythmogenität; Meier-Hellmann et al. 1997b; Ruttimann et al. 1989. d NOS-Inhibitoren = Stickoxidsynthase-Inhibitoren [keine klinische Zulassung – Phase-II- und-III-Studien –; PVR: Anstieg nur bei vorbestehendem pulmonalen Hochdruck; regionaler Blutfluss (s. Tabelle 11-13): keine klinischen Studien bekannt). e N-Acetylcystein; zugelassen ist NAC nur zur Antidotbehandlung bei paracetamolinduziertem Leberversagen. f Spies et a 1994. g Harrison et al. 1991. h Devlin et al. 1997. i Spapen et al. 1998. j Peake et al. 1996. k Jepsen et al. 1992. l Keine klinische Zulassung für die Indikation »Sepsis«. m Bernard et al. 1997: keine Letalitätssenkung durch Ibuprofen. AL akutes Leberversagen; HZV Herzzeitvolumen; HF Herzfrequenz; SVR systemischer Gefäßwiderstand; PGI2 Prostazyklin; PVR pulmonaler Gefäßwiderstand; PCWP Pulmonalkapillardruck; Qs/Qt intrapulmonaler Rechts-links-Shunt.
a
↔
↓
↔
Ibuprofenl, m
↔/↓
↔/↑
↔
PGI2-Inhalation
Hydrokortison, niedrigdosiert
↔
↔
↔
NO-Inhalation ↔/↓
↓
↑
↑
SVR
PGI2
HF
Kontraktilitäta
HZV
Pharmakon
. Tabelle 10-11. (Fortsetzung)
Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock… 321
11
322
1
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
. Tabelle 11-12. Wirkprofile ausgewählter inotroper und vasoaktiver Substanzen
2 3
Substanz
HF
MAP
Dopamin (2–55 µg/kgKG/min)
↑ (1–23%)
↑
HI/LVSWI/SVI
PAWP
SVRI
PVR
↑ (4–44%)
↓
↓/↑ (–6–18%)
0
↓
↓ (–6–21%)
↓
↑
↓/↑ (–7–34%)
↑
↑ (13–111%)
0/↑
↓
↓
↓
↓
↓
↓ (–30%)
↓
↓
↓
↑ (5–91%) ↑ (7–32%)
4
Dobutamin (2–28 µg/kgKG/min)
↑ (9–23%)
↑
↑ (12–61%) ↑ (23–28%) ↑ (15%)
5 Adrenalin (0,06–0,47 µg/kgKGin)
6 Noradrenalin (0,03–3,3 µg/kgKG/ min)
9 10 11 12 13 14 15 16 17 a
20
↑ (24–54%) ↑ (32–95%)
0/(↓,↑) (–6–8%)
↑
↑ (–3–21%) ↑ (42–142%) ↑ (5–15%)
8
19
↑
↑[12%]
7
18
↓/↑ (–6–27%)
↑ n.b.
Amrinona (0,75–1,5 mg/kgKG als Bolus, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion von 5–10 µg/ kgKG/min; Anwendungsbeschränkung: 14 Tageb)
0/↑
Milrinona (25–50 µg/kgKG als Bolus, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion von 0,375–0,75 µg/ kgKG/min; Anwendungsbeschränkung: Kurzzeitbehandlungb)
0/↑ (1%)
Enoximona (0,25–0,5 mg/kgKG als Bolus, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion von 2,5–10 µg/ kgKG/min; Anwendungsbeschränkung: 48 hb)
0/↑
↓
Nitroprussid (0,5–2 µg/kgKG/minb)
0
↓
↑
↓
↓
↓
Nitroglyzerin (0,5–2 µg/kgKG/minb)
0
↓
0/↑
↓
↓
↓
Phentolamin
↑
↑
↑
↓
↑
0/↑
Esmolol
↓
↓
0/↓
0/↑
↓
↓
0/↑
↑
↓
↑ (49%) ↑ (56%) ↑ (47%)
In Kombination mit anderen Inotropika. Die Angaben beziehen sich auf eine Dosis von 0,5 µg/kgKG/min. Die quantitativen Angaben stammen aus Task Force of the American College of Critical Care Medicine, Society of Critical Care Medicine 1999 und b Expertenforum 2000, S. 577–584; s. auch Text und Expertenforum 2000, S. 562–S. 568. HF Herzfrequenz; MAP mittlerer arterieller Druck; CO Herzzeitvolumen; CVP zentraler Venendruck; RAP rechter Vorhofdruck; PAP Pulmonalarteriendruck; PCWP pulmonalkapillärer Verschlussdruck; SVRI Systemischer-Gefäßwiderstand-Index.
↑
↑c
–/+
↔
↑b, e
↑
↑ –/+
Dobutamin
Noradrenalind
Dopamin 0–3 µg/kgKG/min
↑
+
+
+
+
+
+
+
Gehirn
+
+
+
+
0
+
+
Herz
↑k
↑g
↑
↓
↑↓
↔
↑
HBF
↑k
↔g
↔↓
↓
↑↓
↔
↔
HBF/ HI
↑l, m
↑h
↑↓
↓
↓
↑↓
↑
↑
pHi/ CO2
↑i, j
↑
↑
Leberfunktion (MEGX/ICG)
Splanchnikusgebiet
↓
↔
Perm.
↔
↓
Met.a
↑
↓
↓
Laktat
+
+/0
–
0
0
–/0
++
Muskel
+
–
–
0
0
0
+
6
Haut
323
Kalziumantagonist
β-Blocker
PGI2
NACf
NO-Donatoren Nitroglyzerin Natriumnitroprussid
Orciprenalin
Isoproterenol
PDE-Hemmer Milrinon Amrinon Enoximon
↑
↔↑
↑
Dopexamin
Levosimendan
–/+
–/+
Adrenalin
>10µg/kgKG/min
3–10 µg/kgKG/min
GFR
Nieren
Diurese
Pharmakon
. Tabelle 11-13. Profile ausgewählter inotroper und vasoaktiver Pharmaka – Wirkungen auf den regionalen Blutfluss
Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
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19
20
Die Effekte der verschiedenen Substanzen auf die metabolische Funktion der Leber sind weitestgehend ungeklärt. Einige wenige Studien haben jedoch z. B. die Effekte auf die Glukoneogenese untersucht; Adrenalin induziert eine Hyperglykämie, und Dobutamin hemmt die Glukoseproduktion (Ensinger u. Träger 2002). b Eine Reihe von Untersuchungen hat einen Anstieg der Diurese nach Noradrenalintherapie gezeigt; wesentlicher Mechanismus war hierbei jedoch eine Wiederherstellung des renalen Perfusionsdrucks; ein direkter Effekt von Noradrenalin auf die Nierenfunktion ist eher unwahrscheinlich. c Ein Effekt von »Low-dose«-Dopamin auf die Diurese und die GFR konnte bei Patienten mit schwerer Sepsis gezeigt werden; dieser Effekt hielt jedoch keine 48 h an. Bei Patienten mit septischem Schock hatte »Low-dose«-Dopamin keinerlei Effekte auf Parameter der Nierenfunktion (Juste et al. 1998; Lherm et al. 1996). d Bei gesunden Schafen bewirkt Noradrenalin eine Zunahme der Koronarperfusion (von 24,2 auf 37,4 ml/min) und der Nierendurchblutung (Steigerung von 215,2 auf 282,0 ml/min; Steigerung in der Diurese von 91 ± 17 auf 491 ± 360 ml/h, Steigerung der Kreatinin-Clearance von 61 ± 18 auf 89 ± 12 ml/min) infolge regionaler Vasodilatation, während die Splanchnikusperfusion bei induzierter regionaler Vasokonstriktion unverändert bleibt (Di Giantomasso et al. 2002). e Eine Zusammenfassung der Wirkungen von Noradrenalin auf die Nierenfunktion bei Sepsis, Schock und SIRS findet sich in Bellomo u. Di Giantomasso 2001. f Brienza 1998. g Sepsis (Rank et al. 1998). h Sepsis (Spies et al. 1994). i Sepsis (Devlin et al. 1997). j Sepsis (Rank et al. 1998). k Sepsis (Brienza 1998). l Sepsis (Brienza 1998). m Sepsis (Silva et al. 1998). GFR Glomerulumfiltrat; HBF hepatischer Blutfluss; HI Herzindex; MEGX/ICG Monoethylglyzinxylidid/Indozyaningrün; Met. Metabolismus; Perm. Permeabiität. Zusammenstellung in Anlehnung an Burchardi et al. 2000; S. 562–568 und S. 601–613), mit Modifikationen.
1
a
17
. Tabelle 11-13. (Fortsetzung)
324 Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
325 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
Noradrenalin Praxistipp Eine adäquate Therapie mit Volumen und ggf. Dobutamin vorausgesetzt, darf bei Persistenz eines nicht adäquaten Perfusionsdrucks auf die Anwendung einer vasopressorischen Substanz nicht verzichtet werden. Noradrenalin ist hierzu Katecholamin der Wahl (Burchardi et al. 2000, S. 601–613)!
Die ausgeprägte vasopressorische Wirkung von Noradrenalin war der Grund für das häufig anzutreffende Therapiekonzept, Noradrenalin erst im Sinne einer »letzten therapeutischen Möglichkeit« einzusetzen, wenn mit anderen Substanzen eine Kreislaufstabilisierung nicht möglich war (Shoemaker et al. 1991). In mehreren Untersuchungen an septischen Patienten konnte gezeigt werden, dass die Diurese und teilweise auch die Kreatinin-Clearance unter einer Noradrenalintherapie steigen (Bellomo u. Di Giantomasso 2001; Desjars et al. 1987 und 1989; Hesselvik u. Brodin 1989; Martin et al. 1990). Allerdings hatten die Patienten in diesen Studien ohne Noradrenalin einen deutlich erniedrigten Blutdruck, sodass der grundlegende Mechanismus der verbesserten Nierenfunktion hier in der Sicherstellung eines ausreichenden Perfusiosndrucks zu sehen ist. Demzufolge sollte keinesfalls ein inadäquat niedriger Blutdruck toleriert werden, nur um potenziell negative Effekte des Vasopressors zu vermeiden (Burchardi et al. 2000, S. 601–613). Darüber hinaus darf davon ausgegangen werden, dass die potenziell nachteiligen vasopressorischen Wirkungen von Noradrenalin im Sinne einer peripheren Vasokonstriktion und einer Minderperfusion des Splanchnikusgebiets unter den Bedingungen der Sepsis nicht oder zumindest deutlich schwächer auftreten, was mit einer verminderten Ansprechbarkeit der α-Adrenozeptoren und mit einer sepsisbedingten Vasodilatation zu erklären ist (Bersten et al. 1992). Im Vergleich zu Dopamin in vasopressorischer Dosierung führt Noradrenalin bei septischen Patienten zu einer vergleichbaren Steigerung des arteriellen Mitteldrucks, bewirkt aber eine Verbes-
11
serung des pHi-Wertes, wohingegen Dopamin zu einer weiteren Verschlechterung des pHi-Wertes beiträgt (Burchardi et al. 2000, S. 601–613). ! Schließlich zeigte eine Kohortenstudie mit
97 Patienten mit septischem Schock ein besseres Überleben (62 % vs. 82 %) bei einer Behandlung mit Noradrenalin im Vergleich zu der mit anderen Vasopressoren (Dopamin und/oder Adrenalin) (Martin et al. 2000)!
Beim Noradrenalin steht neben der positiv-inotropen β1-Adrenozeptorwirkung v. a. die Vasokonstriktion durch α-Adrenozeptorstimulation im Vordergrund; sie ist verantwortlich für den ausgeprägten Blutdruckanstieg. Die Bindungsaffinität zu den β2-Adrenozeptoren ist wesentlich geringer als die zu den β1-Adrenozeptoren, sodass eine vasodilatierende Wirkung fehlt. Adrenalin. Adrenalin stimuliert in gleicher Weise
die β1-Adrenozeptoren des Herzens (ausgeprägte positiv-inotrope und -chronotrope Wirkung) wie auch die β2-Adrenozeptoren der Gefäße (Vasodilatation). In höheren Konzentrationen besetzt und aktiviert Adrenalin dann auch die α-Adrenozeptoren der Gefäße, weshalb bei niedrigen Konzentrationen eine Abnahme des Gefäßwiderstands, bei hohen eine Zunahme des Gefäßwiderstands mit Blutdruckanstieg resultiert. Adrenalin wird als besonders arrhythmogen angesehen. Praxistipp Auf den Einsatz von Adrenalin sollte im Rahmen der Therapie der Sepsis verzichtet werden (Burchardi et al. 2000, S. 601–613)!
Bei Patienten im septischen Schock, die sich auch mit hochdosiertem Dopamin oder Noradrenalin hämodynamisch nicht stabilisieren lassen, führt der Einsatz von Adrenalin aufgrund der positiv inotropen β1-Adrenozeptorwirkung in Kombination mit der vasopressorischen α-Adrenozeptorwirkung häufig zu einer Stabilisierung der Kreislaufverhältnisse durch Erzielung eines ausreichenden Perfusionsdrucks (Bollaert et al. 1990; Moran et al. 1993; Vincent 2001).
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
Dennoch ist Adrenalin sicher kein Katechlamin der ersten Wahl bei Sepsis. Der Grund dafür ist, dass Adrenalin zu einer selektiven Verringerung des hepatischen Blutflusses und des pHiWertes führt und darüber hinaus zu einer ausgeprägten Laktatazidose (Desjars et al. 1987; Levy et al. 1997b; Meier-Hellmann et al. 1997a; Vincent 2001). Zu erwähnen ist weiterhin Dopexamin, ein Dopaminabkömmling, über dessen Anwendung bisher nur begrenzte Erfahrungen vorliegen (Schilling et al. 2001). Es stimuliert – schwächer als Dopamin – Dopaminrezeptoren (überwiegend DA-1) und – wesentlich stärker als Dopamin – β2-Adrenozeptoren; darüber hinaus ist es ein schwacher β1-Adrenozeptoragonist, während α-Adrenozeptoren durch Dopexamin nicht aktiviert werden. Daraus resultieren ein gesteigerter renaler Blutfluss sowie eine Zunahme des Herzzeitvolumens aufgrund der Nachlastsenkung infolge Vasodilatation. Weiterhin wird eine zusätzliche milde positiv-inotrope Wirkung hervorgerufen: durch Stimulation myokardialer β2-Adrenozeptoren, durch Potenzierung der Wirkung endogenen Noradrenalins infolge Hemmung der Wiederaufnahme sowie durch eine Aktivierung des Barorezeptorreflexes. ! Obwohl es tierexperimentelle Hinweise darauf
gibt, dass Dopexamin einen die Mikrozirkulation aufrechterhaltenden Effekt hat, sind die klinischen Daten insgesamt noch widersprüchlich. Ungünstige Effekte, wie von Dopamin bekannt, sind auch für Dopexamin nicht auszuschließen (Burchardi et al. 2000, S. 601–613)!
Dopexamin führt bei septischen Patienten zu einer Zunahme des Herzzeitvolumens (Vincent 2001). Bezüglich der häufig postulierten Zunahme der Nieren- und Splanchnikusdurchblutung unter Dopexamin muss betont werden, dass diese Befunde an nichtseptischen Patienten erhoben wurden und dass es sich hierbei nicht um selektive Effekte auf die regionale Zirkulation, sondern um eine Zunahme des regionalen Blutflusses im Rahmen der globalen Erhöhung des Herzzeitvolumens handelt (Leier 1988; Stephan et al. 1988). In der Tat wurde bei Patienten mit noradrenalin-
pflichtigem septischem Schock sogar ein verminderter Anteil der regionalen Durchblutung am Herzzeitvolumen beobachtet (Kiefer et al. 2000). Die glomeruläre Filtrationsrate und die Natriumausscheidung sind unter Dopexamin nur unwesentlich verändert (Burchardi et al. 2000, S. 601– 613). Einige Untersuchungen rechtfertigen die Spekulation, dass Dopexamin über einen β2-Adrenozeptor-vermittelten Effekt eine Umverteilung des Blutflusses von der Muskularis zur Mukosa des Darmes bewirkt bzw. den Splanchnikusblutfluss insgesamt steigert (Cain u. Curtis 1991; Temmesfeld et al. 1998). In einer histologischen Untersuchung von Leberbiopsien zeigten mit Dopexamin behandelte Tiere eine geringere Zellschädigung und Endothelzellschwellung als mit Dobutamin behandelte Tiere (Tighe et al. 1995). Ebenfalls tierexperimentell konnte gezeigt werden, dass Dopexamin dosisabhängig den mittels Oberflächenelektroden gemessenen pO2-Wert an verschiedenen intestinalen Organen nach Induktion eines septischen Schocks anzuheben vermag (Lund et al. 1995). Eine weitere tierexperimentelle Untersuchung hat gezeigt, dass der mittels Intravitalmikroskopie gemessene intestinale Blutfluss durch 2,5 µg Dopexamin/kgKG/min nach Endotoxingabe aufrechterhalten werden kann, wohingegen in einer Placebogruppe eine deutliche intestinale Minderperfusion zu verzeichnen war (Schmidt et al. 1996). In 2 Untersuchungen an septischen Patienten bewirkte Dopexamin eine Verbesserung eines zuvor pathologisch erniedrigten pHi-Wertes (Maynard et al. 1995; Smithies et al. 1994). Andererseits konnte sowohl bei septischen als auch bei kardiochirurgischen Patienten eine Verschlechterung des pHi-Wertes unter Therapie mit Dopexamin beobachtet werden (Meier-Hellmann et al. 1999; Uusaro et al. 1995b). Ob hierfür eine Umverteilung des Blutflusses auf der Ebene der Mikrozirkulation – wie für Dopamin beschrieben – die Ursache ist, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Die Effekte von Dopexamin auf die regionale Zirkulation, insbesondere auf das Splanchnikusgebiet, sind somit noch relativ widersprüchlich. Klinische Untersuchungen, welche die Gabe von
327 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
Dopexamin zur selektiven Verbesserung der Splanchnikusperfusion rechtfertigen, liegen nicht vor (Burchardi et al. 2000, S. 601–613; Vincent 2001).
Dopamin in »Nierendosis«: keine protektive Wirkung! Das akute Nierenversagen ist in der Sepsis häufig, und es hat eine ungünstige Prognose. Der Dopaminrezeptor-vermittelten Steigerung der Nierenperfusion durch niedrigdosierte Dopamininfusionen (0,5–2–3 µg/kg · min) wurde lange Zeit eine gewisse Nephroprotektion zugeschrieben, und zwar sowohl bei alleiniger Gabe von Dopamin, als auch in Kombination mit vasokonstriktorischen Katecholaminen wie Noradrenalin. Dieses sehr häufig praktizierte Vorgehen fußte auf tierexperimentellen Befunden und kasuistischen Beobachtungen; Letztere haben v. a. eine Steigerung der Diurese und Natriurese beschrieben. In kontrollierten Studien mit kritisch kranken Patienten mit Sepsis und SIRS sowie einem beginnenden akuten Nierenversagen konnte jedoch durch Dopamin in »Nierendosis« keinerlei nephroprotektiver Effekt und auch keine Prognoseverbesserung dokumentiert werden [Australian and New Zealand Intensive Care Society (ANZCIS) Clinical Trials Group 2000; Murray 2003; Thompson u. Cockroll 1994]. Der nicht belegten protektiven Wirkung müssen potentiell ernste Nebenwirkungen dieser scheinbar harmlosen Therapie entgegengehalten werden: der Effekt der »Dopaminnierendosis« beschränkt sich nämlich nicht nur auf die erwünschte Steigerung der Nieren- und Splanchnikusdurchblutung; es können ebenso bereits bei diesen niedrigen Dosierungen vasokonstriktorische und arrhythmogene Effekte auftreten; Gewebenekrose, Fingergangrän und Darmischämie mit verminderter Sauerstoffextraktion und gesteigerter bakterieller Translokation können die Folge sein, ebenso wie eine Zunahme pulmonaler Shunts, Tachykardien und Myokardischämien sowie eine Hemmung des Hypoxie-vermittelten Atemantriebs und unerwünschte endokrine Wirkungen (Van den Berghe u. de Zegler 1996). Außerdem muss innerhalb von 2 bis 3 Tagen mit einer Toleranzentwicklung bzgl. des vasodilatierenden Effekts gerechnet werden (Literaturzusam-
11
menstellung in Thompson u. Cockrill 1994). In Abwägung von nicht gesichertem Nutzen und belegtem potentiellen Risiko kann der routinemäßige Einsatz von niedrigdosiertem Dopamin zur Nephroprotektion bei Sepsispatienten derzeit nicht empfohlen werden (. Tabelle 4-2; Burchardi et al. 2001, S. 601-613; Murray 2003; Vincent 2001). Trotz dieser negativen Therapieempfehlungen gibt es aber auch interessante neue Aspekte: Bei Gesunden führt Noradrenalin zu einer Abnahme des effektiven renalen Plasmaflusses und zu einer Zunahme des renalen Gefäßwiderstandes; beide unerwünschte Effekte können durch zusätzliches, niedrigdosiertes Dopamin unterdrückt werden (Hoogenberg et al. 1998). Bei Patienten mit septischem Schock unter einer Kombinationstherapie mit Noradrenalin >10 µg/min und Dopamin 2,5 µg/ kg/KG/min führt das Absetzen des Dopamins zu einer Abnahme von Herzindex (17 %), Schlagvolumenindex (11 %), systolischem Blutdruck (11 %), Urinvolumen (40 %) sowie zu einem Rückgang der Natriumexkretion (48 %) und der fraktionalen Natriumexkretion (27 %) (Juste et al. 1998). Möglicherweise verstärkt niedrigdosiertes Dopamin die erwünschten Wirkungen des Noradrenalin und blockiert die unerwünschten; kontrollierte Studien müssen jedoch die klinische Relevanz dieses Befundes noch belegen.
Katecholamine und supranormales O2-Angebot: Mit mehr Sauerstoff allein ist es nicht getan Das Konzept der.supranormalen O2-Versorgung von Patienten mit ARDS, Sepsis, Schock sowie anderen kritisch Kranken wird seit mehr als 20 Jahren propagiert und praktiziert. Es beruht auf der Annahme einer pathologischen Abhängigkeit des O2-Verbrauchs von der O2-Aufnahme, mit einer Verschiebung der O2-Aufnahmeschwelle zu höheren Werten. Als Ursache dieser Schwellenverschiebung wird eine Einschränkung der O2-Extraktionsfähigkeit als Folge der gestörten Mikrozirkulation angesehen. Als therapeutische Konsequenz wäre dann zu fordern, diesen Patienten ein supranormales O2Angebot – im Wesentlichen durch Steigerung des Herzzeitvolumens – zu ermöglichen. Drei große kontrollierte Studien (Alia et al. 1999; Hayes et al.
328
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
1994; Gattinoni et al. 1995) stellen dieses Konzept allerdings auch für die Behandlung des Sepsispatienten in Frage: zwar lässt sich durch hohe Katecholamindosen das Herzzeitvolumen und damit auch das O2-Angebot erhöhen, der O2-Verbrauch der kritisch kranken Patienten wird dadurch jedoch nicht gesteigert. Interessant in der gezeigten Studie von Hayes et al. (1994) ist die Tatsache, dass 9 der insgesamt 109 Patienten der Studie die vorgegebenen Zielkriterien allein durch Volumenzufuhr erreichten. Alle diese 9 Patienten überlebten. Bei ihnen – so darf spekuliert werden – bestand wohl keine ausgeprägte Störung der zellulären O2-Verwertung, so dass sie den vermehrt angelieferten und auch notwendigen Sauerstoff adäquat verarbeiten konnten. Sepsis und septischer Schock sind eben mehr als nur die Folge eines verminderten O2-Angebotes infolge einer gestörten Mikrozirkulation; auch die – lange unterschätzte – O2-Verwertungsstörung auf zellulärer Ebene kennzeichnet die Sepsis und den septischen Schock. Für das Herz als Muskel gibt es dafür schon zahlreiche Belege: die erhöhten, nicht erniedrigten O2-Partialdrücke im Skelettmuskel bei Sepsis (. Abb. 11-7); der keinesfalls erniedrigte, sondern Blutdruck-bezogen sogar erhöhte koronare Blutfluss der Patienten mit septischem Schock (. Abb. 11-12); die dramatische Einschränkung der myokardialen Substrat-
. Abb. 11-12. Koronarer Blutfluss in Abhängigkeit vom Blutdruck bei 13 Herzgesunden und bei 40 Patienten mit septischem Schock. Gestrichelte Linie Messwerte der Herzgesunden; durchgezogene Linie Messwerte der Patienten mit septischem Schock. (Modifiziert nach Dhainaut et al. 1993)
verwertung von Glukose und Fettsäuren bei Patienten mit septischem Schock (. Abb. 11-13) und schließlich die Einschränkung der Mitochondrienfunktion in Kardiomyozyten, die in Gegenwart von Tumornekrosefaktor und Interleukin-1 kultiviert worden sind (. Abb. 11-14). Alle diese Befunde sprechen dafür: mit mehr Sauerstoff in der Sepsis ist es nicht getan! Entscheidend ist die Wiederherstellung der durch Sepsistoxine und Mediatoren gestörten Zellfunktion! Allerdings hat dieses Konzept in abgewandelter Form – »Konzept der zielorientierten Sicherstellung einer ausreichenden O2-Versorgung bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock in der Notaufnahme« – einen neuen Auftrieb erfahren (Rivers et al. 2001; 7 Kap. 4, . Abb. 4-3): Mit der zentralvenösen O2-Sättigung von ≥70 % als einem wesentlichen Zielkriterium konnte durch die sehr frühzeitige Behandlung mit Vasopressoren, Erythrozytenkonzentraten (bei einem Hämatokrit von <30 %) und Dobutamin in den ersten 6 h bereits auf der Notaufnahmestation die Letalität der konventionellen Intensivstationsbehandlung von 49,2 % auf 33,3 % gesenkt werden (Rivers et al. 2001). Vor allem die sehr früh einsetzende Behandlung, aber auch die Gabe von Erythrozyten als O2Träger bei einem niedrigen Hämatokrit und der Verzicht auf exzessiv hohe Dobutaminkonzent-
329 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
11
. Abb. 11-13. Myokardiale Substratverwertung bei 13 Herzgesunden und bei 40 Patienten mit septischem Schock. Aufgetragen ist der Prozentsatz, den die einzelnen Substrate zur myokardialen Energieproduktion beigetragen haben. Bei Gesunden werden 8% der Energiequellen aus nicht erfassten Substraten gedeckt, bei Patienten mit septischem Schock 41 %. GLUC Glukose; LACT Laktat; KET Ketokörper; FFA freie Fettsäuren; SS Patienten mit septischem Schock. (Mod. Nach Dhainaut et al. 1993)
n.s.
Mittelwert ± SEM 3≤n≤5 n.s.
. Abb. 11-14. O2-Verbrauch isolierter Mitochondrien von neonatalen Rattenkardiomyozyten – Einfluss einer 24-stündigen Zellpräinkubation mit Interleukin-1α der angegebenen Konzentrationen (U/ml). Aufgetragen ist die Aktivität der mitochondrialen Atmungskomplexe I und II. (Nach Zell et al. 1997).
p<0.001
I
II
I
II
I
II
rationen zur Erzwingung eines »supranormalen« O2-Angebots, unterscheiden dieses erfolgreiche Vorgehen von den beiden »nicht erfolgreichen« Studien (Hayes et al. 1994; Gattinoni et al. 1994) auf der Intensivstation.
Katecholaminwirkung und Toleranzentwicklung Die positiv-inotrope Wirkung sowohl der endogenen als auch der pharmakologisch applizierten Katecholamine wird vorwiegend durch Stimulation des β1-Adrenozeptor-Adenylatzyklase-System
I
II
vermittelt (. Abb. 11-15). Die Besetzung der β1Adrenozeptoren in der Herzmuskelzellmembran mit einem Katecholaminmolekül führt über die Aktivierung der Adenylatzyklase zum Anstieg des intrazellulären zyklischen Adenosinmonophosphats (cAMP), über weitere Schritte zu einem Anstieg der zytoplasmatischen Kalziumionenkonzentration und damit schließlich zur positiv-inotropen Wirkung. Stimulatorische (Gs) und inhibitorische (Gi) Guaninnukleotid-bindende Proteine (G-Proteine) regulieren diese rezeptorvermittelte Adenylatzyklasestimulation. Dieses System wird
330
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
MYOKARD
1 ENDOTOXIN
2
KATECHOLAMINE
ZYTOKINE (TNF, IL-1)
β3-AR
β1-AR
3 4
+
Gαi
Gs
5
innen ?
iNOS
6
NO ↑
7
IP3 ↓
ATP
Kontraktilität ↑
cGMP ↑
PDE
12
AMP
GEFÄSSE
β3 außen
L-ARGININ iNOS ↑ ZYTOKINE (TNF, IL-1) NO ↑
16 17 18 19 20
Gefäßwand eNOS innen NO ↑
α-ADRENOZEPTORSTIMULATION
15
Gαi
VASODILATATION ↑
13 14
PDE-HEMMER
Kontraktilität ↓
ENDOTOXIN
11
Ca2+ ↑
cGMP ↑
Ca2+-Transient ↓
9 10
–
Gi AC
eNOS
8
außen
VASOKONSTRIKTION ↓
. Abb. 11-15. Abschwächung der Katecholaminwirkung an Herz und Gefäßen in der Sepsis. TNF Tumornekrosefaktor α; IL-1 Interleukin 1; IP3 Inositoltriphosphat; iNOS induzierbare Stickoxidsynthase; NO Stickoxid; α1 = α1-Adrenozeptoren; weitere Erläuterungen s. Text.
therapeutisch nicht nur beim Einsatz von Katecholaminen, sondern auch bei der Behandlung mit Phosphodiesterasehemmern genutzt. Bei übermäßiger Stimulation der Adenylatzyklase durch endogene oder exogene Katecholamine, aber auch – in attenuierter Form – durch Phosphodiesterasehemmer, kommt es zur Abschwächung der inotropen Katecholaminwirkung am Herzen, hervorgerufen im Wesentlichen durch eine Abnahme der Zahl der β1-Adrenozeptoren auf der Herzmuskelzellmembran und in geringerem Maße auch durch eine Zunahme der Gi Pro-
teine (Böhm et al. 1995). Mit diesen Desensibilisierungsmechanismen versucht die Herzmuskelzelle sich vor einer übermäßigen, deletären Katecholaminaktivierung – im Sinne einer katecholamininduzierten Herzschädigung – zu schützen, unter Inkaufnahme einer Abschwächung der positiv-inotropen Katecholaminwirkung. Durch Kultivierung von Kardiomyozyten in Medium mit hohen Katecholaminkonzentrationen können diese Desensibilisierungsmechanismen auf zellulärer Ebene untersucht werden (Überblick in Müller-Werdan et al. 1996; Reithmann et al. 1993): die Wir-
331 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
kungsabschwächung tritt innerhalb von Minuten bis Stunden ein, und sie ist nach Auswaschen des Katecholamins aus dem Züchtungsmedium innerhalb von 24 h reversibel. Eine Abnahme der myokardialen β1-Adrenozeptoren wird bei allen Formen der höhergradigen Herzinsuffizienz gefunden, hervorgerufen durch die hohen extrazellulären Katecholaminspiegel. Auch bei Patienten mit Sepsis finden sich ca. 10fach erhöhte Plasma-Noradrenalinspiegel und eine Abschwächung der positiv-inotropen Katecholamin-Wirkung (Literatur in [MüllerWerdan et al. 1996; Werdan et al.1991]. Demzufolge kann auch bei der akuten septischen Kardiomyopathie die Abnahme der myokardialen β1Adrenozeptoren und die daraus resultierende Abschwächung der positiv-inotropen Wirkung endogener Katecholamine als eine der Ursachen der eingeschränkten Herzfunktion angenommen werden (Diskussion in Müller-Werdan et al. 1996; Bensard et al. 1994; Reithmann et al. 1993; Werdan et al. 1991; Bernardin et al. 1998). Beim therapeutischen Einsatz von Katecholaminen lässt sich bei herzinsuffizienten Patienten erwartungsgemäß innerhalb weniger Tage eine Abschwächung der Wirkung bis hin zum völligen Wirkungsverlust nachweisen. Auch bei Patienten mit septischem Schock und akuter septischer Kardiomyopathie unterstützen kasuistische Beobachtungen den klinischen Eindruck, dass die durch Gabe von Katecholaminen erreichbare positiv-inotrope Wirkung durch eine zunehmende Katecholamintoleranzentwicklung abgeschwächt wird bzw. mit zunehmender Behandlungsdauer durch eine Steigerung der Katecholamindosierung kompensiert werden muss (. Tabelle 11-14): die initial durch Noradrenalin erzielbare Zunahme des linksventrikulären Schlagarbeitsindex bei 6 Patienten mit septischem Schock konnte in den folgenden Tagen nur durch eine Verdoppelung der Noradrenalindosis aufrechterhalten werden. Die verwendeten Noradrenalindosierungen mit einem Anstieg der Plasma-Noradrenalinkonzentration um das 1,4- bis 19fache (Reithmann et al.1993) können dabei durchaus zur Katecholamindesensibilisierung des Herzens führen: die entsprechenden Patientenseren rufen in Rattenherzmuskelzellkulturen innerhalb von 48 h eine β-Adrenozeptor-
11
Downregulation um ca. 35 % und eine damit verbundene Hemmung der Adenylatzyklaseaktivität um ca. 50 % hervor (. Tabelle 11-14). Das Plasma septischer Patienten enthält demzufolge keine längerlebigen Toxine oder Mediatoren, die diese Katecholaminwirkungsabschwächung beeinflussen. Da diese β1-Adrenozeptor-AdenylatzyklaseDesensibilisierung jedoch alle am myokardialen β1-Adrenozeptor angreifenden Katecholamine in gleichem Maß betrifft, resultieren daraus keine differentialtherapeutischen Konsequenzen. Bei chronischer Herzinsuffizienz wird derzeit in kontrollierten Studien versucht, durch β-Blocker in sehr niedriger Dosierung die downregulierten myokardialen β-Adrenozeptoren wieder hochzuregulieren und damit die Katecholaminansprechbarkeit wieder zu verbessern. Bei Patienten mit akuter septischer Kardiomyopathie, bei denen ebenfalls von einer Katecholamindesensibilisierung ausgegangen werden muss, liegen bisher keine entsprechenden Erfahrungen vor (Merkel u. Zwissler 2001). Noch stärker reduziert kann die Katecholaminansprechbarkeit des Herzens bei Sepsis bei mit Betablockern chronisch vorbehandelten herzinsuffizienten Patienten sein: Die Vorbehandlung mit dem nichtselektiven β- und α-Blocker Carvedilol und – in geringerem Maße – dem β1-selektiven Metoprolol kann dazu führen, dass die akute Ansprechbarkeit auf Dobutamin vermindert ist, als Folge der mit β-Bocker-Molekülen besetzten β-Rezeptoren des Herzens; die Ansprechbarkeit auf Phosphodiesterasehemmer ist bei diesen Patienten dagegen nicht oder nur wesentlich geringer eingeschränkt (Metra et al. 2002). Ein weiterer Aspekt der Katecholaminabschwächung am Herzen bei Sepsis könnte die Hochregulation von an die eNOS-gekoppelten, negativ inotropen β3-Adrenozeptoren sein (. Abb. 11-15; Moniotte u. Balligand 2001). Diese erst vor kurzem beschriebene Form des β-Adrenozeptors findet sich u. a. im Herzen und an den Gefäßen und entfaltet dort nach Besetzung und Aktivierung mit Liganden, wie Noradrenalin, durch Bildung von Stickoxid eine negativ inotrope bzw. vasodilatatorische Wirkung. Die myokardialen β3-Adrenozeptoren sind bei Patienten mit Sepsis als überexpri-
332
Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
1
. Tabelle 11-14. Katecholaminintoleranzentwicklung unter Noradrenalintherapie bei Patienten mit septischem Schocka
2
Patientenzahl
Tag 0 6
Tag 1 6
Tag 2 6
Tag 3 6
Tag 4 6
Noradrenalin
0
7,4 + 37
14,0 + 8,6
13,2 + 7,0
13,8 + 7,8
Adrenalin
3,3 + 4,7
0
5,0 + 4,2
11,0 + 12,5
4,3 + 4,4
Dopamin
533 + 499
200 + 0
200 + 0
200 + 0
200 + 0
Herzindex (l/min · m2)
3,3 + 1,0
3,7 + 0,9
3,6 + 1,0
3,9 + 1,8
3,9 + 1,2
Arterieller Mitteldruck (mm Hg)
54 + 9
70 + 8
68 + 16
65 + 5
67 + 8
Systemischer Gefäßwiderstand (dyn · s · cm-5)
540 + 198
634 + 199
634 + 254
578 + 255
566 + 188
8
Linksventrikulärer Schlagarbeitsindex (g · m/m²)
25 + 11
34 + 11
32 + 7
35 + 13
36 + 9
9
Katecholamindesensibilisierung von Rattenherzmuskelzellen durch Serum (1:1) der oben charakterisierten Patienten (48-h-Inkubation):
3
Dosierungen (µg/min):
4 5
Herz-Kreislauf-Parameter:
6 7
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
β1-Adrenozeptoren
100 %
64 + 17 %
Adenylatzyklaseaktivität
100 %
50 + 31 %
a
Bei 6 Patienten mit septischem Schock (davon 5 mit kardialen Vorerkrankungen) wurde eine Infusionsbehandlung mit Noradrenalin begonnen und die Auswirkungen auf Herz- und Kreislaufparameter gemessen. Alle Patienten erhielten zusätzlich Dopamin in der angegebenen Dosierung; Adrenalin wurde zusätzlich an Tag 0–2 Patienten –, an Tag 2–4 Patienten – und an den Tagen 3 und 4 – 3 Patienten-gegeben. Angaben als Mittelwerte ±SD a) Zur Aufrechterhaltung der hämodynamischen Besserung ist eine Verdoppelung der Noradrenalindosierung notwendig. b) Das noradrenalinhaltige Patientenserum führt in kultivierten Rattenherzmuskelzellen zur Desensibilisierung des β1-AdrenozeptorAdenylatzyklase-Systems: Spontan kontrahierende neonatale Rattenherzmuskelzellen wurden für 48 h mit noradrenalinfreiem (Tag 0) und noradrenalinhaltigem Patientenserum – 1:1 verdünnt – inkubiert. Danach wurde mit Membranpräparationen die Zahl der β1-Adrenozeptoren mittels Bindung des Radioliganden (3H) CGP 12177 (2 nM) und die Isoproterenol (100 µM)-stimulierteAdenylatzyklaseaktivität im Vergleich zu Kontrollzellen ermittelt, welche zusätzlich mit dem β-Blocker Timolol (0,1 µM) inkubiert worden waren. (Nach Reithmann et al. 1993).
miert beschrieben worden und könnten auf diese Weise bei der Downregulation der positiv inotropen β1-Adrenozeptoren die Katecholamintoleranz am Herzen verstärken (Moniotte u. Balligand 2001). Die myokardialen β2-Adrenozeptoren erfahren bei herzinsuffizienten Patienten keine Abnahme, trotzdem ist die Ansprechbarkeit auf β2Sympathomimetika reduziert. α-Adrenozeptoren stellen im menschlichen Herzen nur etwa 15 % der Gesamtpopulation aller Adrenozeptoren; ob durch ihre Stimulation ein relevanter positiv-inotroper Effekt zu erzielen ist,wird kontrovers diskutiert. Bei höhergradiger Herzinsuffizienz bleibt
die Zahl myokardialer α-Adrenozeptoren unverändert bzw. nimmt sogar zu. Dennoch ist die positiv-inotrope Wirkung von α-Adrenozeptoragonisten bei terminaler Herzinsuffizienz ebenfalls reduziert. Neben der Katecholamindesensibilisierung tragen auch noch Toxin- und Mediator-verursachte Alterationen der Inotropiesignaltransduktionswege zur Abschwächung der Katecholamintherapie bei (ausführliche Diskussion in Müller-Werdan et al. 1996). Zusammengenommen resultiert daraus ein sehr komplexes Bild der verminderten Wirksamkeit von Katecholaminen in der Sepsis: Tatsache
333 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
ist, dass bei Patienten mit septischem Schock Katecholamine – Dobutamin – eine geringere positiv-inotrope Wirkung hervorrufen als bei Patienten mit Sepsis, aber ohne Schock (Silverman et al. 1993; Bernardin et al. 1998). Diese Katecholamintoleranz ist zumindest partiell auf eine Dysregulation des β-Adrenozeptor-Adenylatzyklase-System zurückzuführen, hervorgerufen durch endogene und pharmakologiseh applizierte Katecholamine, sowie durch Zytokine und andere Sepsismediatoren (. Abb. 11-15; . Tabelle 11-14, [Müller-Werdan et al. 1996; Reithmann et al. 1993; Silverman et al. 1993]). Sie sollte eigentlich die Wirkung aller Katecholamine, die ihre positiv-inotrope Wirkung durch Besetzung und Stimulation der myokardialen β1-Adrenozeptoren entfalten, in quantitativ gleicher Weise betreffen. Dennoch gibt es klinische und experimentelle Befunde, die von diesem Konzept anscheinend abweichen: Nur bei der Infusionsbehandlung mit Noradrenalin, nicht aber bei der mit Dopamin, war bei einer kleinen Patientengruppe mit septischem Schock eine Dosiserhöhung zur anhaltenden hämodynamischen Stabilisierung notwendig (Reithmann et al. 1993). Bei Hunden mit E.-coli-Sepsis trat für das Noradrenalin eine Abschwächung seiner positiv-inotropen Wirkung ein, während die des Dopamins erhalten blieb; das Umgekehrte war jedoch in bezug auf die blutdrucksteigernde Gefäßwirkung der Fall, mit einer wesentlichen besser konservierten Wirkung des Noradrenalins als der des Dopamins in der Sepsis (Karzai et al.1995). Die günstige Wirkung der Volumensubstitution auf die Herzfunktion (Zunahme des Schlagvolumenindex, des Herzindex und der Auswurffraktion) ließ sich in diesen Untersuchungen nur in Abwesenheit von Katecholaminen nachweisen (Karzai et al. 1995). Differentialtherapeutische Konsequenzen für die Klinik sind aus diesen Ergebnissen jedoch noch nicht abzuleiten. Auch die Gefäße zeigen im septischen Schock eine Katecholamintoleranz, mit einer abgeschwächten bis fehlenden Vasokonstriktion auf αAdrenozeptoragonisten. In diesem Falle scheinen jedoch nicht die im Tierexperiment bei Sepsis und Endotoxinämie gefundene Abnahme der Zahl der Gefäß-α-Adrenozeptoren (Bucher et al. 2003) und die β3-Adrenozeptoren (s. oben und . Abb. 11-15)
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die entscheidende Rolle zu spielen, sondern vielmehr das gebildete Stickoxid: durch Hemmstoffe der Stickoxidsynthese lässt sich im Sepsis- und Endotoxintiermodell die stark abgeschwächte vasokonstriktorische Katecholaminwirkung wieder restaurieren (. Abb. 11-15, . Tabelle 11-14; Parratt et al. 1993; Müller-Werdan et al. 1996; Reithmann et al. 1993; Silvermann et al.1993). Die Zahl der Gefäß-β2-Adrenozeptoren ist im Tierexperiment bei Sepsis und Endotoninämie als nicht verändert beschrieben.
Stabilisierung von Blutdruck und Blutfluss: Differentialtherapie mit Katecholaminen bei septischem Kreislaufschock und septischer Kardiomyopathie Im Gegensatz zum kardiogenen Schock, bei dem die Einschränkung der Pumpleistung des Herzens ganz im Vordergrund steht, mit kompensatorischer Zunahme des systemischen Gefäßwiderstands, dominiert beim septischem Schock primär die toxin- und mediatorbedingte Kreislaufschädigung mit zunehmender Vasodilatation das klinische Bild; bereits in einem frühen – noch normotensiven – Stadium kann es aber auch zur ausgeprägten, behandlungspflichtigen Myokarddepression im Sinne der akuten septischen Kardiomyopathie kommen (7 Abschnitte »Die akute septische Kardiomyopathie – häufig unterschätzt und zu wenig beachtet« und »Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie«). ! Auf einen »vereinfachten« Nenner gebracht,
führt die septische Vaskulopathie zum Blutdruckabfall und die septische Kardiomyopathie zum Blutflussabfall. Beides muss durch Volumensubstitution und Katecholamine bestmöglichst ausgeglichen werden.
Für die Differentialtherapie mit Katecholaminen ist es hilfreich, sich das quantitative Ausmaß der Vasodilatation (Nachlastsenkung) anhand des systemischen Gefäßwiderstandes (SVR) und das Ausmaß der Myokarddepression anhand des nachlastbezogenen Herzzeitvolumens (. Abb. 11-1, 118) vor Augen zu führen. Dominiert die Vasodilata-
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tion (niedriger Blutdruck) bei relativ wenig eingeschränkter Pumpfunktion, so ist ein primär vasopressorisches Katecholamin angezeigt (Noradrenalin); steht die Myokarddepression im Vordergrund, so empfiehlt sich primär der Einsatz des inotropen Dobutamins (7 Kap. 4, . Tabellen 4-2, 46, 4-12 und 4-13 sowie . Abb. 4-1, 4-2, 4-3). Berücksichtigt man weiterhin die Auswirkungen der Katecholaminbehandlung auf die LeberSplanchnicus-Perfusion (Giraud u. MacCannell 1984; Marik u. Mohedin 1994; Reinelt et al. 1997) einschließlich des Magenmukosa-pH-Werts, die Nierenperfusion und die Laktatproduktion (. Tabelle 11-13), so zeigt das Dobutamin diesbezüglich die günstigsten Effekte, und Noradrenalin ist gegenüber dem Dopamin der Vorzug zu geben (Hannemann et al. 1995). Die ungünstigsten Wirkungen zeigt Adrenalin, mit einer Verminderung der Splanchnicusperfusion, einem Abfall des Magenmucosa-pH-Werts und einer vermehrten Laktatproduktion (. Tabelle 11-13). In der Gesamtwertung kann man demzufolge bei ausgeprägter Myokarddepression das Dobutamin als Katecholamin der ersten Wahl empfehlen, bei nur geringer Myokarddepression das Noradrenalin (. Abb. 4-2) Ist die Monotherapie nicht ausreichend, so können Katecholaminkombinationen den Kreislauf durchaus noch stabilisieren. In Abwägung der vorliegenden Untersuchungsergebnisse spricht einiges für die Kombination von Noradrenalin und Dobutamin. Häufig sind wesentlich höhere Katecholaminkonzentrationen zur Behandlung erforderlich als in . Tabelle 11-12 angegeben, einige Gründe dafür – Interaktion mit Sepsismediatoren. Toleranzentwicklung (. Abb. 11-15 und . Tabelle 11-14) – wurden bereits genannt. Das Vorliegen einer Azidose führt ebenfalls zu einem verminderten Ansprechen des Herzens auf Katecholamine, allerdings erst ab einem pH-Wert von <7,20. Die exzessive Gabe von Katecholaminen im Sinne einer supranormalen O2-Versorgung dürfte allerdings die Prognose der Sepsispatienten nicht verbessern (7 Abschnitt »Symptomatische Therapie der akuten septischen Kardiomyopathie«). Die gemachten Empfehlungen zur Katecholamindifferentialtherapie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass bisher nur wenige Fakten im strengen Sinne der Ergebnisforschung vorliegen:
eine placebokontrollierte Studie zum Nachweis der letalitätssenkenden Wirkung des Prinzips »Katecholamintherapie« wird es wohl auch in Zukunft nicht geben, aber bisher hat auch keine der Katecholaminsubstanzen ihre prognostisch überlegene Wirkung im Vergleich zu anderen belegt. Somit werden unsere Therapieempfehlungen auch in Zukunft primär auf pathophysiologischen und nicht auf prognostischen Konzepten beruhen müssen.
Weitere positiv-inotrope und vasoaktive Pharmaka Hydrokortison: günstig für den septischen Kreislaufschock, nicht für die septische Kardiomyoapthie! Therapieversuche mit hochdosierten Glukokortikoiden beim septischen Schock waren nicht erfolgreich, wohl aber niedrigdosiertes Hydrokortison bei denjenigen mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz (Dosierung und Vorgehen 7 Kap. 4; . Tabelle 11-15; Annane et al. 2001; Expertenforum 2000, S. 622–625; Cooper u. Stewart 2003): In für den Intensivmediziner häufig beeindruckender Weise verbessert es die Ansprechbarkeit der dilatierten Gefäße auf vasopressorische Katecholamine über adrenozeptorvermittelte oder adrenozeptorunabhängige Mechanismen (Mansart et al. 2003), stabilisiert dadurch den Blutdruck und erhöht den erniedrigten systemischen Gefäßwiderstand, nicht jedoch den häufig erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstand. Die Folge ist eine oft drastische Reduktion des Katecholaminverbrauchs (. Tabelle 11-15). Ob damit eine Senkung der Letalität verbunden ist – wie in der relativ kleinen Studie von Annane et al. (2000) gesehen – wird derzeit in der wesentlich größeren CORTICUS-Studie geprüft (7 Kap. 4). ! Im Gegensatz zur gut dokumentierten positiven
Wirkung auf den septischen Kreislaufschock hat Hydrokortison keinen günstigen Effekt auf die septische Kardiomyopathie: Intropieparameter des Herzens werden durch niedrigdosiertes Hydrokortison nicht verbessert (Briegel et al. 1999).
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335 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
. Tabelle 11-15. Niedrigdosierte Hydrokortisonbehandlung von Patienten mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz bei septischem Schock. Die »Non-Responder-Patienten« mit relativer Nebennierenrindeninsuffzienz sind durch einen inadäquat niedrigen Anstieg des Kortisolspiegels beim standardisierten ACTH-Test (<8 µg/dl) definiert. Nach (Annane et al. 2002) Konzept: Patienten mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz (»Non-Responder«, 229/299; ACTH-Test) mit septischem Schock profitieren von einer 7-tägigen Behandlung mit Hydrokortison (50 mg alle 6 h i.v.) + Fludrokortison, 50 µg/Tag p.o. für 7 Tage Standard (n =115/149)
Hydrokortison (n =114/150)
p
ACTH-Non-Responder
73/115 (63 %)
60/114 (53 %)
0,04
ACTH-Responder
18/34(53 %)
22/36(61 %)
0,96
Katecholamin-Absetzen (28 Tage) Non-Responders
46/115 (40 %)
65/114 (57 %)
0,001
28-Tages-Letalität
Praxistipp Setzen Sie das Hydrokortison nicht unkritisch bei allen Patienten mit septischem Schock ein, sondern nur bei denjenigen mit relativer Nebennierenrindeninsuffizenz! Ob Patienten ohne relative Nebennierenrindeninsuffizienz vom niedrigdosierten Hydrokortison nicht nur nicht profitieren, sondern davon sogar Schaden erleiden, ist noch nicht geklärt (. Tabelle 11-15; 7 Kap. 4, s. auch 7 Anhang).
Vasopressin: Die Meinungen sind sehr geteilt! ! Vasopressin und Terlipressin gehören nicht
zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie! Sehr geteilt sind die Expertenmeinungen darüber, ob die Substanzen bei therapierefraktärem septischem Schock eher nützen (De Keulenaer u. Stephens 2003; Dubois et al. 2003) oder potenziell sogar schaden könnten und damit vor Aussprechen einer Empfehlung kontrollierte Studien zu fordern sind (Asfar 2003; Meier-Hellmann u. Burgard 2004)! Siehe auch 7 Anhang.
Das stark vasokonstriktorische Vasopressin (Meier-Hellmann u. Burgard 2004) wird in der Initi-
alphase des septischen Schocks in erhöhter Konzentration gefunden; im weiteren Verlauf nehmen die Vasopressinplasmaspiegel ab. Bei etwa jedem 3. Patienten mit septischem Schock in der Spätphase findet sich ein relativer Vasopressinmangel (Forrest 2001; Sharshar et al. 2003), der zur persistierenden Vasodilatation dieser Patienten beitragen soll (Landry et al. 1997). Konsequenterweise bietet sich die Substitution mit Vasopressin oder dem längerlebigen Analogon Terlipressin als hämodynamisch wirksame Substitutionstherapie bei therapierefraktärem septischem Schock an. Ob dies allerdings – noch vor der Veröffentlichung kontrollierter Studien – gerechtfertig ist, wird sehr kontrovers diskutiert: Zweifellos lässt sich mit Vasopressin (1 IU als Bolusgaben oder 0,02–0,2–0,3–0,7 IU/min entsprechend 0,0002–0,004 I/kgKG/min; Meier-Hellmann u. Burgard 204; Tobias 2002)/Terlipressin (1 mg oder 2 mg als Bolusgaben oder Infusion; De Keulenaer u. Stephens 2003; Meier-Hellmann u. Burgard 2004) beim ansonsten katecholaminrefraktären septischen Schock der Blutdruck anheben (dazu vorliegende Studien s. Meier-Hellmann u. Burgard 2004). Die potenzielle Gefahr besteht jedoch darin, dass die regionalen Gefäßbereiche unterschiedlich auf Vasopressin ansprechen. Dementsprechend ist auch über Störungen der Splanchnikusperfusion berichtet worden ist (Meier-Hellmann u. Burgard 2004). Andererseits zeigte sich
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
bei Anwendung von Vasopressin bei einem Patienten mit Verteilungsschock nach Herztransplantation keine Zunahme der bereits eingeschränkten Mikrozirkulation, gemessen mit der OPS-Methode (7 Abschnitt »Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie: Diagnose, Differenzialdiagnose und Monitoring«; Dubois et al. 2003).
Phosphodiesterasehemmer Praxistipp Der Einsatz von Phosphodiestasehemmern zählt nicht zur Standardtherapie des septischen Schocks! Phosphodiesterasehemmer – Dosierung . Tabelle 11-12 – können versuchsweise eingesetzt werden, wenn Dobutamin aufgrund einer verminderten Ansprechbarkeit der myokardialen β1-Adrenozeptoren ineffektiv ist oder wenn – bei Patienten, bei denen die myokardiale Insuffizienz im Vordergrund steht – der nachlastsenkende Effekt erwünscht ist (Expertenforum 2000, S. 601– 613). Auf eine adäquate vorherige Volumensubstitution ist besonderer Wert zu legen!
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rum 2000, S. 577–584) erwartet man sich eine stärkere positiv-inotrope Wirkung als bei der jeweiligen Monotherapie. Bei vorbestehender Vasodilatation (septischer Schock) sollte dann aber eher ein vasokonstriktorisches Katecholamin zum Einsatz gelangen: So wurde über eine günstige Wirkung der Kombination eines Phosphodiesterasehemmers mit Noradrenalin berichtet, mit einer additiven positiv-inotropen Wirkung ohne Verstärkung der Vasodilatation. Auf das Splanchnikusgebiet zeigte Enoximon eine günstigere Wirkung als Dobutamin (Kern et al. 2001). Bei pädiatrischen Patienten mit septischem Schock führt Milrinon zur Verbesserung des Herzindex sowie des rechts- und linksventrikulären Schlagarbeitsindex, wohingegen die Herzfrequenz nur wenig verändert wird (Barton et al. 1996). Als klinikrelevante Nebenwirkung der Therapie mit Phosphodiesterasehemmern gilt die Thrombozytopenie, die insbesondere nach Gabe von Amrinon auftritt. Die Infusion von Enoximon und Milrinon während kardiochirurgischer Eingriffe hat keine signifikante Thrombozytopenie zur Folge (Boldt et al. 1992; Kikura et al. 1995).
Angiotensin II Von den Alternativen zu den im Wesentlichen bei Patienten mit Sepsis zum Einsatz gelangenden Katecholaminen Dobutamin, Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin ist v. a. die Gruppe des positiv-inotrop und vasodilatierend wirkenden Phosphodiesterasehemmer (Amrinon, Milrinon, Enoximon) zu nennen. Durch Hemmung des Abbaus des cAMP (. Abb. 11-15) bewirken sie über einen zusätzlichen, von der β-Adrenozeptorstimulation unabhängigen Wirkmechanismus einen weiteren Anstieg des zellulären cAMP, was im Herzen einen positiv-inotropen und in den Gefäßen einen vasodilatierenden Effekt zur Folge hat (. Abb. 115) Die schlechte Steuerbarkeit (Halbwertszeit des Enoximons bei herzinsuffizienten Patienten: 3– 20 h) und eine ausgeprägte Vasodilatation (. Abb. 11-5) müssen als mögliche Probleme beim Einsatz dieser Substanzen berücksichtigt werden und schränken ihre Anwendung gerade beim septischen Schock doch erheblich ein (Vincent 2001) Bei der Kombination eines Katecholamins mit einem Phosphodiesterasehemmer (Expertenfo-
Praxistipp Angiotensin gehört nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
Im katecholaminrefraktären septischen Schock sind günstige hämodynamische Wirkungen des Angiotensin II (5–20 µg/min) beschrieben worden (Thomas u. Nielsen 1991). Der durch Angiotensin II erzielbare Anstieg des Blutdrucks kann aber mit einer deutlichen Einschränkung des Herzindex einhergehen. Deshalb sollten vor Einleiten der Angiotensinbehandlung die Möglichkeiten der Noradrenalintherapie (vasokonstriktorische bei gleichzeitig positiv-inotrope Wirkung) ausgeschöpft werden.
337 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
Vasodilatatoren: Nitroglyzerin und Natriumnitroprussid Praxistipp Nitroglyzerin und Natriumnitroprussid gehören nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
Eine Vasodilatatorentherapie mit Nitroglyzerinoder Natriumnitroprussidinfusionen (Dosierung . Tabelle 11-12) ist auf die wenigen Patienten mit hypodynamem septischem Schock trotz adäquater Volumenzufuhr beschränkt, die einen erhöhten systemischen Gefäßwiderstand und einen hohen Pulmonalkapillardruck aufweisen. Darüber hinaus erscheint ein Behandlungsversuch bei Patienten gerechtfertigt, die – bei normalem oder erhöhtem Blutdruck – eine Funktionseinschränkung vitaler Organe infolge Minderperfusion aufweisen. Hier kann durch den Einsatz von Vasodilatatoren versucht werden, die erwünschte Umverteilung der Durchblutung zu erreichen, die sich als Besserung der Organfunktion manifestieren sollte.
Vasodilatatoren: Prostazyklin Praxistipp Prostazyklin gehört nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
Mechanismen Prostazyklin (Epoprostenol, PGI2) gehört als Eicosanoid zu den ubiquitär im menschlichen Organismus vorkommenden vasoaktiven Substanzen; es spielt als lokaler Mediator eine wichtige Rolle bei der Regulation der regionalen Makro- und Mikrozirkulation und des Stoffwechsels (Expertenforum 2000, S. 619–621). PGI2 ist neben dem Stickoxid (NO) der potenteste endogene Vasodilatator, dessen gefäßerweiternde Wirkung dosisabhängig sowohl im arteriellen als auch im venösen und im kapillären Strombett zum Tragen kommt. Die Vasodilatation zusammen mit der Hemmung der Thrombozytenaggregation und der Adhärenz der
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Leukoyzten an das Endothel werden als Hauptursachen für die Verbesserung der Mikrozirkulation betrachtet. Im Gastrointestinaltrakt kommen neben den vasodilatatorischen Effekten zytoprotektive Eigenschaften hinzu. An der Niere bewirkt PGI2 eine Erhöhung des renalen Blutflusses bzw. der glomerulären Filtrationsrate, eine Steigerung der Natrium- und Wasserdiurese sowie eine Stimulierung der Erythropoetinsekretion (. Tabelle 11-13; Literatur in Expertenforum 2000, S. 619– 621).
Therapiemöglichkeiten bei Sepsis Bei Patienten mit Sepsis, septischem Schock und/ oder ARDS führt die Infusion von PGI2 nahezu regelhaft zu einer Erhöhung des Herzzeitvolumens, und zwar aufgrund einer verbesserten rechtsventrikulären Funktion, des systemischen Sauerstofftransports sowie i. Allg. auch der Gesamtkörpersauerstoffaufnahme (. Tabelle 11-11); diese makrozirkulatorischen Effekte werden durch eine Verbesserung der Druck-Volumen-Beziehung – Compliance – des linken Ventrikels, einen deutlichen vasodilatatorischen Effekt auf Ebene der Mikrozirkulation und eine Verbesserung der Splanchnikusperfusion komplettiert (. Tabelle 11-13; ausführliche Literatur in Expertenforum 2000, S. 619–621; Backer 2001). ! Allerdings liegen bisher keine randomisierten
und placebokontrollierten Untersuchungen bezüglich der Effekte von PGI2 vor. Eine verringerte Morbidität und Letalität konnten bisher nicht dokumentiert werden (Expertenforum 2000, S. 619–621).
Schließlich dürfen die gravierenden Nebenwirkungen des PGI2 nicht außer Acht gelassen werden, die eine deutliche Limitierung des Einsatzes bedingen: arterielle Hypotension und Verschlechterung der Oxygenierung aufgrund einer Hemmung der hyoxischen pulmonalen Vasokonstriktion.
Dosierung Zur intravenösen Applikation steht natives PGI2 (Epoprostenol; in Deutschland nicht zugelassen) mit kurzer Halbwertszeit und damit guter Steuerbarkeit zur Verfügung.
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
Die mögliche Inaktivierung durch Pharmakonpräparationen mit saurem pH-Wert erfordert jedoch einen separaten (zentralvenösen) Zugang. Das Dosierungsspektrum für PGI2 reicht von 2–5 (bis 10) ng/kgKG/min zur Antikoagulation sowie von 5–35 ng/kgKG/min zum Erreichen der systemischen hämodynamischen Effekte bis zu 40– 50 ng/kgKG/min zur Behandlung einer ausgeprägten pulmonalen Hypertonie (Expertenforum 2000, S. 619–621) Alternativ steht das stabile Analogon Iloprost zur Verfügung, das im Gegensatz zu Epoprostenol in Deutschland zugelassen ist. Für Iloprost scheinen die systemischen Nebenwirkungen im Sinne eines Blutdruckabfalls geringer ausgeprägt zu sein als die von Epoprostenol. Die Dosierungsempfehlungen für Iloprost liegen um etwa die Hälfte niedriger als die für Epoprostenol (Expertenforum 2000, S. 619–621).
N-Azetylzystein
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Praxistipp
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N-Acetylcystein gehört nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
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N-Azetylzystein fungiert als Antioxidans und SHGruppendonator, es hemmt die Granulozytenaggregation und vermindert die Permeabilitätsstörung der Mikrozirkulation. Bei Patienten mit septischem Schock zeigte die additive N-AzetylzysteinInfusion günstige Wirkungen (Verbesserung der Lungenfunktion; Verkürzung des Intensivstationsaufenthaltes) (Spapa et al. 1998). Allerdings wurden in einem anderen Patientenkollektiv mit septischem Schock auch unerwünschte Wirkungen auf Herz und Kreislauf beschrieben: 48 h nach Therapiebeginn kam es zur Abnahme des arteriellen Mitteldrucks um 23 %, des Herzindexes um 18 % und des linksventrikulären Schlagarbeitsindexes um 43 % (Peake et al. 1996). Eine ausführliche Diskussion findet sich in Expertenforum 2000, S. 615–618).
Levosimendan Praxistipp Levosimendan gehört nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
Levosimendan ist ein sog. Kalziumsensitizer: Er erhöht die Affinität des Troponin C im Herzen in der Systole gegenüber Kalzium in einer von der Kalziumkonzentration abhängigen Weise. Dies verstärkt die Kontraktionskraft des Herzens in der Systole, ohne die diastolische Relaxation zu beeinträchtigen. An den Gefäßen führt Levosimendan durch Öffnung ATP-sensitiver Kaliumkanäle zur Vasodilatation. Bei akuter Herzinsuffizienz war Levosimendan dem Dobutamin überlegen: Die 180-Tages-Letalität in der LIDO-Studie lag bei 26 % in der Levosimendan- und bei 38 % in der Dobutamingruppe (Follath et al. 2002). Größere Erfahrungen mit Levosimendan zur Behandlung der septischen Kardiomyopathie liegen noch nicht vor. Günstig könnte die Umgehung der Katecholamintoleranz sein (7 Abschnitt »Symptomatische Therapie der akuten septischen Kardiomyopathie«), problematisch die Verschlimmerung der Vasodilatation des septischen Kreislaufschocks.
Glukagon Praxistipp Glukagon gehört nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
Glukagon wirkt über eine glukagonrezeptorvermittelte Stimulation der Adenylatzyklase am Herzen positiv-inotrop und -chronotrop. Sein Einsatz (1–4–6 mg i.v., danach eine Infusion mit 2– 10 mg/h) wird eigentlich nur noch empfohlen bei mit β-Blockern behandelten Patienten mit Hypotonie, bei denen die konventionelle Therapie fehlgeschlagen ist.
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Kalzium Praxistipp Kalziumgabe gehört nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
Unter Umgehung desensibilisierter bzw. geschädigter Adrenozeptoren kann über einen sehr beschränkten Zeitraum durch Kalziuminfusionen (20 mmol/h) ein septischer Schockzustand gebessert werden, unter Ausnutzung sowohl der positiv-inotropen als auch der vasokonstriktorischen Kalziumwirkung. Ein Anstieg des ionisierten Serumkalziums limitiert in der Regel dieses Vorgehen nach Stunden. Ein anhaltend günstiger Effekt bei klinischer Anwendung lässt sich nicht nachweisen (Woo et al. 1979), in tierexperimentellen Studien wurde eine Übersterblichkeit gefunden (Malcom et al. 1989; Zaloga et al. 1992). In diesem Zusammenhang erscheint es erwähnenswert, dass die negativ-inotrope und -chronotrope Wirkung eines im Schock mit erhöhter Aktivität gefundenen, als Peptid identifizierten kardiodepressiven Faktors (CDF) auf eine Blockade des Kalziumeinstroms in die Herzmuskelzelle zurückgeführt werden kann (7 Kap. 2)
Digitalis Praxistipp Digoxin gehört nicht zur Standardtherapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie!
Auch wenn über günstige Wirkungen des Digitalis bei hypodynamer Sepsis berichtet worden ist (Nasvaway et al. 1989), sind wie bei anderen Formen der akuten Herzinsuffizienz Katecholamine auch im septischen Schock die Inotropika der ersten Wahl, während die Wirkung von Digitalis als bestenfalls geringgradig zu klassifizieren ist. In Abwägung des geringen Nutzens und der erschwerten Steuerbarkeit durch Elektrolytstörungen und Nierenfunktionseinschränkungen in der Sepsis
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sollte die Indikation zur Digitalisierung bei diesen Patienten sehr streng gestellt werden; eine klare Indikation ist nur noch bei bestimmten Rhythmusstörungen (z. B. tachykardes Vorhofflimmern, Vorhofflattern) gegeben, unter sorgfältiger Überwachung und Dosisanpassung. Aufgrund des rascheren Wirkungseintritts und der besseren Steuerbarkeit ist bei Akutbehandlungen dem Digoxin der Vorzug vor Digitoxin zu geben.
Diuretika, Hämofiltration und Hämodialyse Die Behandlung des prärenalen Nierenversagens bei septischem Schock ist in 7 Kap. 13 beschrieben (Rogiers et al. 1998).
Rhythmusmonitoring und antiarrhythmische Therapie Ein spezifisches Muster an Rhythmusstörungen ist für die akute septische Kardiomyopathie nicht dokumentiert (7 Abschnitt »Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie«). Dennoch muss mit potentiell malignen Rhythmusstörungen gerechnet werden, wozu Elektrolytentgleisungen, akutes Niervenversagen, Hypo- und Hypervolämie, Katecholamintherapie, kardiale Vorerkrankungen und Fieber beitragen. Ein Patient mit Sepsis und Multiorganversagen sollte kontinuierlich EKG-monitorüberwacht werden. Bei Auftreten von Rhythmusstörungen unterscheidet sich die antiarrhythmische und Defibrillatortherapie nicht grundlegend von der bei nichtseptischen Patienten. Obwohl dem Adrenalin und Dopamin die stärksten arrhythmogenen Wirkungen unter den zum Einsatz gelangenden Katecholaminen zugeschrieben werden, können Rhythmusstörungen grundsätzlich unter jedem Katecholamin dosisabhängig auftreten und ein empirisches Umsetzen erforderlich machen.
Oxygenierung, Beatmung und Reduktion der Herzarbeit Hypoxämie und eine übermäßige Atemarbeit können zur Verschlimmerung der Herzinsuffizienz beitragen (Lehmann et al. 2003; Pinsky 2002; Seige et al. 2001). Die Ausschaltung der Hypoxämie lässt sich durch Wahl der geeigneten Atemunterstützung bzw. Beatmungsform erreichen (7 Kap. 12;
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
Engelmann 2000a, b); eine gemessene arterielle O2-Sättigung von mindestens 90 % und ein arterieller O2-Partialdruck von mindestens 60 mm Hg können als Kontrollparameter herangezogen werden. Die aktive Atemarbeit ist am gesamten O2Verbrauch mit einem hohen Anteil beteiligt; bei bestimmten Lungen-Thorax-Traumata und Multiorganversagen kann dieser bis zu 50 % betragen (Seige et al. 2001). Bereits bei den ersten Hinweisen auf eine erhöhte Atemarbeit (Tachypnoe mit vermindertem Atemzugvolumen und Hyperventilation) sollte eine entsprechende Atemunterstützung vorgenommen werden (7 Kap. 12), um bei akuter septischer Kardiomyopathie zur Entlastung des Herzens beizutragen. Dazu dienen auch Anxiolyse und Analgesie, Relaxierung zur Einsparung von Sedativa (s. unten) und die Senkung des Fiebers (Manthous et al. 1995); Hyperthermie steigert den O2-Verbrauch um 7 % pro °C. Ebenfalls beachtet werden müssen die negativen Auswirkungen der PEEP-Beatmung auf die Herzfunktion (Zunahme der rechtsventrikulären Nachlast, Zunahme des rechtsventrikulären Durchmessers und Abnahme der linksventrikulären diastolischen Dehnbarkeit, direkt myokarddepressive Wirkung), ebenso bei CMV und IMV (Lehmann et al. 2003; Seige et al. 2001). Die Myokarddepression der akuten septischen Kardiomyopathie kann weiterhin verstärkt werden durch Anästhetika und Barbiturate. Während Benzodiazepine und Opiate für sich keine relevante Myokarddepression hervorrufen – mit Ausnahme von Meperiden – können sie in Kombination einen additiven negativ-inotropen Effekt induzieren.
Kausale Therapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie Die kausale Therapie des septischen Kreislaufschocks und der septischen Kardiomyopathie multifaktorieller Genese steckt noch in den Anfängen; sie hat zum Ziel, die zur Vasodilatation und Herzfunktionseinschränkung führende Sepsisschädigungskaskade zu unterbrechen, und zwar durch Neutralisierung, Antagonisierung und Eliminierung der involvierten Bakterientoxine und Sepsis-
mediatoren. Eine Ergebnisauswahl und subjektive Wertung publizierter Daten – überwiegend Fallbeobachtungsberichte und nicht-Placebokontrollierte Studien mit geringen Patientenzahlen – findet sich in . Tabelle 11-16. Diese Behandlungsversuche zeigen zugegebenermaßen noch nicht die erhofften Ergebnisse und gehören deshalb derzeit noch nicht zum Repertoire der Standardtherapie der Sepsis, sieht man von der Kreislaufwirkung des Hydrokortisons (. Tabelle 11-15) einmal ab. Selbst die wegen des akuten Nierenversagens häufig praktizierte Hämo(dia)filtration wird nicht primär wegen der Toxinund Mediatorelimination, sondern wegen des Nierenversagens durchgeführt (7 Kap. 13).
Endotoxinantikörper Auf den therapeutischen Einsatz des Endotoxinantikörpers HA-1A (Centoxin) bei gramnegativer Sepsis waren große Hoffnungen gesetzt worden, die sich jedoch nicht erfüllten; der Antikörper ist zwischenzeitlich aus dem Handel gezogen. Auch die septische Kardiomyopathie scheint er nicht günstig zu beeinflussen: in Form kasuistischer Beobachtungen bei 6 Patienten mit vermuteter gramnegativer Sepsis (nur in einem Fall mit dokumentierter gramnegativer Bakteriämie) sahen wir nach Gabe von 100 mg Centoxin i.v. innerhalb von 4 Tagen keinen Anstieg des erniedrigten linksventrikulären Schlagarbeitsindex (. Tabelle 11-16, 11-17). Tierexperimentell verursacht dieser Endotoxinantikörper sogar eine Verschlechterung der HerzKreislauf-Funktion (Quezado et al. 1993): bei E.coli-Sepsis in Hunden führt die Applikation des HA-1A-Antikörpers (10 mg/kg KG) im Vergleich zu Placebo zu einer weiteren Abnahme des erniedrigten mittleren Blutdrucks (von 108 auf 88 mm Hg), verbunden mit einer Reduktion des Herzindex von 251 auf 146 ml/kg KG.min und des linksventrikulären Schlagarbeitsindex von 1,92 auf 0,96 g/m · kg KG. Auffallenderweise ist diese Herzfunktionseinschränkung mit einer Abnahme des linksventrikulär-enddiastolischen Volumens bei gleichbleibendem Füllungsdruck vergesellschaftet, was auf eine Compliancestörung hinweist. Diese ungünstigen Wirkungen werden auf die mangelnde Spezifität des HA-1A-IgM-Antikörpers
11
341 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
. Tabelle 11-16. Beeinflussung von akuter septischer Kardiomyopathie und Vaskulopathie – kausale Therapieansätze. Wertung von Literatur- und eigenen Daten CI
LVSWI
RVSWI
Endotoxin-AK (Centoxin)a
←
←/↓
←
TNF-α-AKb
←
←/↑
←/↑
Hämofiltrationc
←
←
Plasmapheresed
←
←
←
PAF-Antagoniste
↑
↑
↑ (MAP)
↓ (PAP)
Glukokortikoide/Hydrokortisonf
←/↓
←
↑
←
NO-Inhibitoreng
↓∗
←/↓/↑ (transient)
↑∗
↑∗
Methylenblauh
←
↑
↑
↑
Pentoxifyllini
←
←
←
←
←
Hämoperfusion mit Endotoxinadsorptionj
↓
←
←
↑
↑
↑
↑
↑
↑
←
←
←
SVR
↑
PVR
←
Zum Vergleich Noradrenalink a
s. Tabelle 11-17; Quezado et al. 1993. s. Tabelle 11-17; Vincent et al. 1992. c s. Tabelle 11-17; Hoffmann et al. 1996. d s. Tabelle 11-17. e Herbertson et al. 1997 (Untersuchung an Schafen); Horkheimer u. Schuster 2002, PAF-Azethylhydrolase (Opal et al. 2004) f Briegel et al. 1999. g Avontuur et al. 1998a, b und Watson et al. 2004* h Preiser et al. 1995; Daemen-Gubbels et al. 1996. i Zeni et al. 1996; Iwama u. Komatsu 1998. k s. Tabelle 11-14; Reithmann et al. 1993; Booke et al. 1996 (Untersuchung an Schafen). ↑ Steigerung; ↓ Senkung; ← keine Beeinflussung. CI Herzindex; LVSWI linksventrikulärer Schlagarbeitsindex; RVSWI rechtsventrikulärer Schlagarbeitsindex; SVR systemischer Gefäßwiderstand; PVR pulmonaler Gefäßwiderstand; MAP mittlerer arterieller Blutdruck; PAP mittlerer Pulmonalarteriendruck. b
zurückgeführt: er bindet nicht nur an das Endotoxinmolekül, sondern auch an zahlreiche andere strukturverwandte Verbindungen, wie z. B. Cardiolipin und HD-Lipoproteine (Quezado et al.1993). Deshalb dürfen die Negativergebnisse mit HA1A nicht als repräsentativ für das »Prinzip Endotoxinneutralisierung« angesehen werden. Allerdings liegen derzeit keine Informationen über die Wirkung weiterer Endotoxinantikörper auf die septische Herz-Kreislauf-Schädigung vor.
Tumornekrosefaktor-α-Antikörper (TNF-α-AK) TNF-α wird als einer der wesentlichen Mediatoren der Gefäßschädigung in der Sepsis angesehen, und auch bei der akuten septischen Kardiomyopathie dürfte er ursächlich eine wesentliche Rolle spielen. Placebokontrollierte Sepsistherapiestudien mit TNF-α-Antikörper konnten – bis auf eine Studie (Panacek et al. 2004) – keine Letalitätssenkung erzielen (7 Kap. 10). Nach einmaliger Gabe von TNF-α-AK sahen Vincent et al. (1992) bei 10 Patienten innerhalb von 2 h einen Anstieg des linksventrikulären Schlagarbeitsindex um 19 %
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
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(von 26,5 ± 5,6 auf 31,5 ± 10,5 g · m/m²) im Sinne einer Besserung der bestehenden akuten septischen Kardiomyopathie. Eigene kasuistische Beobachtungen an 20 Patienten mit septischem Schock, die über jeweils 5 Tage mit TNF-α-AK behandelt worden sind (TNF-α-AK MAK 195F, Fa. Knoll, Ludwigshafen), bestätigen diesen günstigen Trend, mit einem Anstieg des LVSWI um 10 g · m · m-2 (. Tabelle 11-17), zusätzlich zu der bei diesen Patienten bereits erzielten Katecholamininotropie [Boekstegers et al 1994 b, 1994 c]. Dieser eher gering anmutende LVSWI-Anstieg von 10 g · m · m-2 durch TNF-α-AK muss jedoch in Relation zu der durch Katecholamine erzielbaren LVSWI-Steigerung bei diesen Patienten gesehen werden: . Tabelle 11-14 dokumentiert einen LVSWI-Anstieg durch Noradrenalin von ebenfalls nicht mehr als 11 g · m · m-2.
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Extrakorporale Therapieverfahren: Hämofiltration und Plasmapherese
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Der Beleg einer myokarddepressiven Wirkung von Ultrafiltraten endotoxinämischer Schweine (Grootendorst et al. 1992; 1993), der Nachweis einer myokarddepressiven Fraktion in Ultrafiltraten von Patienten mit Schock und Sepsis (7 Kap. 2) sowie die hämodynamische Besserung des Sepsiszustandes im Tiermodell durch extrakorporale Therapieverfahren (. Tabelle 11-17) sind Argumente dafür, durch Hämofiltration nicht nur das akute Nierenversagen, sondern auch die Herz-Kreislauf-Schädigung septischer Patienten bessern zu können: zumindest der septische Kreislaufschock kann günstig beeinflusst werden, mit einem Anstieg des erniedrigten Blutdrucks und des verminderten systemischen Gefäßwiderstands; hinsichtlich der akuten septischen Kardiomyopathie lässt sich anscheinend keine Besserung erzielen: der eingeschränkte linksventrikuläre Schiagarbeitsindex steigt nicht an (Hoffmann et al. 1996; . Tabellen 11-16 u. 11-17). Die septische Vaskulopathie scheint demzufolge besser angehbar als die septische Kardiomyopathie. Nicht vergessen werden darf aber bei dieser Wertung die enge Kopplung von Herz- und Kreislauffunktion: sie bedeutet, dass eine Abnahme des Herzindex bei gleichzeitigem Anstieg des systemischen Gefäßwiderstandes (Nachlasterhöhung)
nicht zwangsläufig mit einer Herzschädigung gleichzusetzen ist (. Abb. 2-14 und 11-2). Durch Hämoperfusion mit einer Polymyxinsäule zur Endotoxinelimination ließ sich bei 42 Sepsispatienten die Endotoxinämie signifikant senken (von 85 pg/ml auf 28 pg/ml innerhalb eines Tages nach Therapiebeginn); die Behandlung besserte auch die Herz-Kreislauf-Funktion (Anstieg des systemischen Gefäßwiderstands und des Herzindex sowie des O2-Verbrauchs) dieser Patienten [Kodama et al. 1992]. Eine Fallbeschreibung über die Anwendung einer Hämoperfusionsbehandlung mit Endotoxin entfernenden Säulen bei einem Patienten mit grampositivem septischem Schock berichtet über einen Anstieg des systemischen und Pulmonaldrucks, einen Abfall des Herzindex und keine Veränderungen des links- und rechtsventrikulären Schlagarbeitsindex (Iwama u. Komatsu 1998). Über günstige Wirkungen einer kombinierten Plasmafiltration/-adsorption wurde berichtet (Formica et al. 2003) Die funktionelle Relevanz der Entfernung von Mediatoren mittels Plasmapherese wird unterschiedlich beurteilt (Reinke 1995; van Deuren et al. 1998; Samtleben et al. 1998; Iwai et al. 1998). Eigene kasuistische Erfahrungen mit Plasmapherese belegen bei 4 von 10 Patienten mit septischem Schock einen relevanten Anstieg des systemischen Gefäßwiderstands innerhalb von 24–48 h nach Beginn der Plasmapheresebehandlung; bezogen auf das Gesamtkollektiv von 11 Patienten findet sich jedoch keine eindeutig günstige Wirkung auf Kreislauf (systemischer Gefäßwiderstand) und Herzfunktion (Herzindex, linksventrikulärer Schlagarbeitsindex; . Tabelle 11-17).
Naloxon Die im septischen Schock erhöhten Plasmaendorphinspiegel (Zitat 9 in Rock et al. 1985) werden für die Hypotension mitverantwortlich gemacht. Eine vorübergehende Anhebung des Blutdrucks lässt sich gelegentlich durch die hochdosierte Gabe des Opiatantagonisten Naloxon erzielen (Rock et al. 1985). Bei fraglichem Therapieerfolg kann dieses Vorgehen wegen der z. T. schwer wiegenden Nebenwirkungen (Rock et al. 1985) nicht empfohlen werden.
43 ± 9
25 ± 10
3,7 ± 0,6
39 ± 7
9,1 ± 5,7
35 ± 11
3,7 ± 0,8 43 ± 7
5,3 ± 0,7 50 ± 8
5,7 ± 0,6
405 ± 59
Tag 4
Hämofiltration
17 ± 1
3,2 ± 0,4
716 ± 66
8
Tag 0
23 ± 6
4,1 ± 0,4
780 ± 122
Tag 4
Änderungen von Herz-Kreislauf-Parametern bei Patienten mit Sepsis und septischem Schock im zeitlichen Zusammenhang mit additiven Sepsistherapiemaßnahmen. Zusätzlich zur Standardsepsistherapie wurden die teils kardial vorgeschädigten Patienten behandelt mit: – Endotoxinantikörpern (-AK) (Centoxin, Fa. Centocor B.V., Leiden/Niederlande): 100 mg i.v. (Tag 0); therapiert wurden Patienten mit Verdacht auf das Vorliegen einer gramnegativen Sepsis; eine gramnegative Bakteriämie lag nur bei einem Patienten vor; – Tumornekrosefaktor-α-Antikörpern (TNF-α-AK: MAK 195 F, Fa. Knoll, Ludwigshafen): Tage 0–4; – spontaner arteriovenöser Plasmapherese: beginnend am Tag 0, Dauer von 36 ± 10 h, Gesamtaustauschvolumen von 21 ± 61 l; – kontinuierlicher arteriovenöser Hämofiltration: beginnend an Tag 0, Dauer von 4,8 ± 1,2 Tagen, Gesamtaustauschvolumen von 41,1 ± 13,4 l. Mittlere Patientenscorewerte (APACHE-II-Score bzw. Elebute-Sepsisscore) an Tag 0: 33 bzw. 18 (Endotoxin-AK); 33,3 bzw. 15,4 (TNF-α-AK); 33 bzw. 20,6 (Plasmapherese); 34,5 bzw. 16,8 (Hämofiltration). Die hämodynamischen Messungen in der TNF-α-AK-Gruppe wurden mittels eines Baxter-Swan-Ganz-R-Auswurffraktions-/TD-Katheters (93A-431H-7,5-F) durchgeführt. Berechnung des linksventrikulären Schlagarbeitsindex: bei TNF-α-AK-Therapie: Schlagvolumenindex×(mittlerer arterieller Blutdruck – Pulmonalkapillardruck)×0,0136; ansonsten: Schlagvolumenindex × mittlerer Blutdruck ×0,0136. a Angaben als Index (dyn×s/cm5/m2). Zusammenstellung aus verschiedenen Untersuchungen der Arbeitsgruppe der Autoren.
37 ± 6
42 ± 8
Linksventrikulärer Schlagarbeitsindex [g×m/m2]
4,4 ± 1,5
397 ± 48
1107 ± 158a
1552 ± 318a
11
Rechtsventrikuläre Auswurffraktion [%]
4,8 ± 1,8
Herzindex [l/min×m2]
629 ± 179
Plasmapherese Tag 0
20
TNF-α-AK (MAK 195 F) Tag 0 Tag 6
7,5 ± 4,2
435 ± 97
Systemischer Gefäßwiderstand [dyn×s/cm5]
Tag 4
Rechtsventrikulärer Schlagarbeitsindex [g×m/m2]
6
Patientenzahl
Tag 0
Endotoxin-AK (Centoxin)
. Tabelle 11-17. Einfluss einer Sepsistherapie auf die Myokarddepression (Mittelwert ± Standardabweichung)
Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock… 343
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
Zyklooxygenasehemmer Trotz viel versprechender tierexperimenteller Befunde mit Zyklooxygenasehemmern wie Indomethacin und Ibuprofen konnten keine vorteilhaften Wirkungen von Ibuprofen auf die Hämodynamik (Herzzeitvolumen, systemischer Gefäßwiderstand) bei schwerer Sepsis nachgewiesen werden (Haupt et al. 1991). In einer placebokontrollierten Studie mit 455 Patienten war Ibuprofen ohne Einfluss auf das kardiovaskuläre Organversagen und die Letalität (Bernard et al. 1997). Tierexperimentell ließ sich die Pumpfunktionseinschränkung bei Endotoxinämie durch Ibuprofen nicht unterdrücken (Herbertson et al. 1996)
7
Phosphodiesterasehemmer-4-Hemmer (Pentoxifyllin)
8
12
Der Phosphodiesterasehemmer Pentoxifyllin hemmt über einen Anstieg des intrazellulären cAMP die Transkription von TNFmRNS in Makrophagen/Monozyten. Die in Sepsistiermodellen gefundenen günstigen Effekte auf die Schädigung von Herz und Kreislauf – Abschwächung des Blutdruckabfalls und der Abnahme des Herzzeitvolumens – wurden in zwei klinischen Studien nicht bestätigt (. Tabelle 11-16; Staubach et al. 1998; Zeni et al. 1996). Pentoxifyllin war ohne jeden Einfluss auf hämodynamische Parameter.
13
Hemmung der Stickoxidproduktion
9 10 11
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Die therapierefraktäre Hypotension im Rahmen des septischen Schocks wird zumindest zum überwiegenden Teil auf eine endotoxin- und zytokininduzierte Überproduktion des vasodilatorisch wirksamen Stickoxids (NO) in Endothelund Gefäßmuskelzellen zurückgeführt, ebenso wie das verminderte Ansprechen der Gefäße auf α-Sympathomimetika (. Abb. 11-15; Expertenforum 2000, S. 585–592 und S. 614–615; Parratt et al. 1993). Auch die negativ-inotropen Wirkungen von Zytokinen (Tumornekrosefaktor-α, Interleukin1, Interleukin-2, Interleukin-6) werden teilweise durch Stimulation einer induzierbaren Stickoxidsynthase im Herzen vermittelt, mit Produktion von Stickoxid und konsekutiver Aktivierung der Guanylatzyklase (7 Kap. 2). Patienten mit Sepsis haben erhöhte Plasmaspiegel der stabilen Abbauprodukte des Stickoxids.
Hemmer der NO-Synthase – NG-monomethyl-LArginin (L-NMMA) oder NG-nitro-L-Arginin Methylester (NAME) – und der Guanylatzyklase – Methylenblau – können in der Sepsis zweifellos die Hypotonie durch eine Anhebung des erniedrigten Gefäßwiderstands günstig beeinflussen (. Tabellen 11-11 und 11-16, parteill endothelinvermittelt (Avontuur et. al. 1999). Im Hinblick auf die septische Kardiomyopathie (Avontuur et al.1998a, Avontuur et al. 1998b) imponiert bei kontinuierlicher Infusion des nichtselektiven Stickoxidsynthaseinhibitors L-NAME (NG-nitro-L-Arginin-Methylester) (1 mg/kg KG/h über 12 h) eine – wahrscheinlich nachlastbedingte (Anstieg des systemischen Gefäßwiderstandsindex von 962 auf 1563 dyn × s × cm-5 × m-2) – Senkung des Herzindex (von 4,8 auf 3,9 l/min × m2) und des Schlagvolumenindex (von 43 auf 34 ml/m2), während der linksventrikuläre Schlagarbeitsindex von 31 auf 43 g × m/m2 anstieg und der rechtsventrikuläre Schlagarbeitsindex gleich blieb; der Lungengefäßwiderstandsindex stieg von 329 auf maximal 475 dyn × s × cm-5 × m-2 an. Dieses hämodynamische Profil charakterisiert damit treffend den Nutzen dieses Therapieprinzips – Blutdruckstabilisierung durch Nachlasterhöhung, ohne ungünstige Wirkungen auf die Herzfunktion –, aber auch die Gefahren – pulmonale Hypertonie und koronare Vasokonstriktion. Eine multizentrische Sepsistherapiestudie mit einem Stickoxidsynthasehemmer wurde wegen des Auftretens schwer wiegender pulmonaler Hypertonien 1998 vorzeitig beendet (Bakker et al. 2004; Watson et al. 2004; Lopez et al. 2004; Dellinger & Parrillo 2004). Aufgrund dieser Befunde erscheint es fraglich, ob durch den Einsatz von nichtselektiven cNOS/ iNOS-Hemmern der Stickoxidsynthase und Guanylatzyklase eine günstige Wirkung auf die HerzKreislauf-Schädigung in der Sepsis ausgeübt werden kann. Die Wertigkeit selektiver iNOS-Inhibitoren befindet sich in Prüfung (Expertenforum 2000, S. 614-615).
C1-Inhibitor-Substitution – Hemmung von Komplement- und Kontaktaktivierung Komplement- (Gerard 2003) und Kontaktaktivierung sind 2 der in der Sepsis aktivierten Kaskaden und entscheidend für das kapilläre Leakage Syn-
345 Behandlungsziele und Behandlungskonzepte bei septischem Kreislaufschock…
drom dieses Krankheitsbildes verantwortlich. Unter der Vorstellung eines relativen Mangels eines Schlüsselregulatorenzyms dieser Kaskaden – des C1-Inhibitors – wurde kasuistisch über die Substitutionsbehandlung mit C1-Inhibitor bei Sepsis, eskalierendem SIRS nach Herzoperation – v. a. bei Kindern –, IL-2-induziertem vaskulärem Leakagesyndrom und Reperfusionsschäden berichtet (Hack et al. 1993; Hack 1996). Dabei wurden auch günstige Effekte auf Herz und Kreislauf in kasuistischer Form beschrieben, ebenso eine Verbesserung des Multiorganversagens (Caliezi et al. 2002).
Kausale Therapie der akuten septischen Kardiomyopathie: gegenwärtiger Stand Trotz der Aufklärung zahlreicher Toxin- und Zytokinwirkungen auf Herz und Kreislauf und der Entwicklung von Toxin- und Mediatorantikörpern müssen aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse die kausalen Therapiemöglichkeiten derzeit noch als sehr limitiert eingestuft werden (. Tabelle 11-16). Die septische Kreislaufschädigung mit Blutdruckabfall infolge der ausgeprägten Vasodilatation scheint dabei noch besser angehbar als die akute septische Kardiomyopathie. Möglicherweise werden neue pathophysiologische Erkenntnisse zur Sepsisbeteiligung von Hormonen und Mediatoren – Adrenomedullin (Zhou et al. 2002), Poly-ADP-Ribosesynthetase (Scharte et al. 2003; Stehr et al. 2003), Adenosinanaloga (Braun-Dullaeus et al. 2003) – auch neue kausale Therapieansätze ermöglichen. Es ist auch durchaus denkbar und durch experimentelle Befunde wahrscheinlich gemacht, dass der Schädigung von Herz und Kreislauf in der Sepsis nicht eine einzige gemeinsame ToxinMediator-Kaskade zugrunde liegt, sondern unterschiedliche. Je nach Sepsisstadium könnte weiterhin die Bedeutung der einzelnen Toxine und Mediatoren variieren. Die Folge davon wäre, dass auf eine bestimmte Toxin- und Mediator-neutralisierende bzw. -antagonisierende Therapieform nur jeweils ein Teil der Patienten überhaupt ansprechen könnte, und auch nur wiederum in einem bestimmten Zeitintervall. Eine bisher noch wenig praktizierte kausale Differentialtherapie von septischer Vaskulo- und Kardiomyopathie wäre die logische Antwort darauf.
11
Spezielle Aspekte bei der Behandlung der rechtsventrikulären Dysfunktion bei akuter septischer Kardiomyopathie (Siehe dazu auch 7 Abschnitt »Komponenten des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie«). Bei pulmonaler Hypertonie infolge ARDS steht kausal die Senkung des Lungenhochdrucks mit einer Nachlastsenkung für den rechten Ventrikel im Vordergrund (7 Kap. 12; Holzmann et al. 1996; Puybasset u. Rouby 1996). Die zunehmend häufiger dafür eingesetzte Stickoxidinhalation (Expertenforum 2000, S. 577–584) hat sich auch bei Rechtsherzversagen infolge Lungenhochdrucks anderer Ursache bewährt (Cuthbertson et al. 1997); die NO-Inhalation (5–40 ppm) senkt den pulmonalen Hochdruck, entlastet den rechten Ventrikel durch Nachlastsenkung und steigert dadurch das Herzzeitvolumen (Benzing et al. 1997); eine Besserung der RV-Myokardkontraktilität kann inhalatorisch appliziertes NO jedoch nicht erzielen (Cheifetz et al. 1996). Aber es kommt auch zu keiner Verschlechterung: Obwohl Stickoxid (NO) per se kardiodepressiv wirkt, ist unter einer NO-Inhalation mit 20 ppm keine Beeinträchtigung des linken Ventrikels bei Gesunden gesehen worden, wohl durch die rasche Inaktivierung des NO auf seinem Weg zum Herzen (Hayward et al. 1997). Ähnlich wie inhalatives Stickoxid kann auch Prostazyklin (PGI2) als Aerosol bei ARDS und septischem Schock verabreicht werden, und zwar in einer Dosis von 1–100 ng/kgKG/min vernebelter Substanz (Expertenforum 2000, S. 619–621; Eichelbrönner et al. 1996; Walmrat et al. 196; Zwissler et al. 1996). Aufgrund der im Vergleich zu Stickoxid deutlich längeren Halbwertszeit kann es bei der Gabe von PGI2 als Aerosol zur Resorption und damit zur systemischen Wirkung kommen. Möglicherweise ist dieses Phänomen auch ursächlich für die – im Vergleich zur NO-Inhalation – verbesserte Splanchnikusoxygenierung und – Energiebilanz bei Patienten mit septischem Schock (Brienza 198; Eichelbrönner et al. 1996). Bei der symptomatischen Behandlung der rechtsventrikulären Dysfunktion ist der erste Schritt die Volumensubstitution zum Ausgleich einer Hypovolämie, unter Messung der rechts- und
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
linksventrikulären Füllungsdrücke und ggf. auch der rechtsventrikulären Volumina und der rechtsventrikulären Auswurffraktion. Das Ausmaß der Volumensubstitution wird gerade bei im Vordergrund stehender rechtsventrikulärer Dysfunktion kontrovers diskutiert: Bei der Patientengruppe mit rechtsventrikulärer Dilatation und niedrigem Koronarperfusionsdruck lässt sich durch Volumensubstitution allein das Herzzeitvolumen nicht ausreichend steigern; bei diesen Patienten ist der frühzeitige Einsatz von vasokonstriktorischen Katecholaminen zur Anhebung des Koronarperfusionsdrucks erforderlich. Zur Identifizierung dieser Zielgruppe mit rechtsventrikulärer Dysfunktion – in einer Untersuchung 40 % aller Patienten mit septischem Schock (Redl et al. 1993) – dient die auf <45 % reduzierte rechtsventrikuläre Auswurffraktion. Diese kann mittels eines modifizierten Swan-Ganz-Katheters (Thermodilution Ejection Fraction/Volumetric Catheter, Baxter Health Care Corporation) gemessen werden. Bei Patienten mit einer rechtsventrikulären Auswurffraktion von weniger als 45 % ließ sich durch alleinige Flüssigkeitssubstitution der Blutdruck nicht stabilisieren; positiv inotrope und/oder vasoaktive Pharmaka waren obligat, um einen ausreichenden Perfusionsdruck (arterieller Mitteldruck >60 mm Hg) nach der Flüssigkeitsgabe zu erzielen und aufrechtzuerhalten (Redl et al. 1993). Persistieren nach der Volumenkorrektur Hypotonie und Schock, so kann – in Analogie zu . Abb. 4-2 – bei normaler rechtsventrikulärer Auswurffraktion Noradrenalin und bei weiterhin deutlich eingeschränkter rechtsventrikulärer Auswurffraktion Dobutamin versuchsweise verabreicht werden.
Therapie der Herzinsuffzienz bei primär abakteriellem Multiorganversagen Die Mehrzahl der Daten zur Pathophysiologie und Therapie der Herzinsuffizienz bei Sepsis und Multiorganversagen wurde bei Patienten mit bakterieller Sepsis und septischem Schock erhoben. Die gemeinsame Mediator-/Zytokinendstrecke macht
es verständlich, dass die akute septische Kardiomyopathie sich bei gramnegativer und grampositiver Infektion sehr ähnlich darstellt; demzufolge sind die in diesem Artikel beschriebenen therapeutischen Maßnahmen auch nicht unterschiedlich. Sehr viel weniger bekannt ist über die HerzKreislauf-Schädigung bei septischen Virus- und Pilzerkrankungen; die symptomatische Therapie der Herzinsuffizienz bei diesen Formen unterscheidet sich derzeit nicht von der bei bakterieller Sepsis. Auch bei MODS ohne zugrunde liegende Infektion kann sich eine hyperdyname Herz-Kreislaufreaktion mit Myokarddepression ausbilden. So ließ sich bei Patienten mit dokumentiertem schwerem Trauma (Injury Severity Score 38 ± 9) mit der Ösophagusechokardiographie am Tag 0 eine deutlich eingeschränkte Pumpfunktion des linken Ventrikels nachweisen (fraktionelle Flächenänderung 43,2 ± 2,4 %), bei einem Herzindex von 4,1 l/min/m2 und einem Schlagvolumenindex von 40,1 ± 5,1 ml/m².Innerhalb der nächsten beiden Tage erholte sich die Herzfunktion (52,5 ± 4 %; 5,2 ± 1,3 l/min/m2; 49,7± 8,5 ml/m2); dabei waren Herzfrequenz und Vorlast unverändert, während die Nachlast sukzessive zunahm (Smail et al.1996). Eine evtl. erforderliche Behandlung der Pumpfunktionseinschränkung erfolgt symptomatisch. Bei SIRS-Patienten mit hypovolämischem Schock kommt es nach Blutungen, nach Verbrennungen mit Plasmaverlust oder bei ausgeprägter Vasodilatation (anaphylaktischer Schock) zu einem starken Abfall des effektiven intravasalen Blutvolumens und damit zur Vorlastabnahme und zur Absenkung des Herzzeitvolumens (Traber et al. 1993). Neben der sicherlich dominanten Myokardhypoxie infolge des erniedrigten koronaren Perfusionsdrucks werden bei diesen Patienten auch noch weitere zur Myokarddepression führende, in ihrem Stellenwert aber noch zu bestimmende Mechanismen angenommen, wie z. B. eine Katecholamindesensibilisierung infolge erhöhter Plasmakatecholaminspiegel und das Auftreten myokarddepressiver Faktoren (Müller-Werdan et al.1996). Insgesamt scheint wohl die Myokarddepression dieser SIRS-Kardiomyopathie geringer ausgeprägt zu sein als diejenige vergleichbar hyperzirkulatorischer Sepsispatienten (Raper et al. 1989).
347 Literatur
Die Myokarddepression der eskalierenden Entzündungsreaktion nach Herzoperationen mit kardiopulmonalem Bypass (Kuhn et al. 2000; Pilz et al. 1999b) kann als relativ homogene Form der SIRS-Kardiomyopathie aufgefasst werden.
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
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Kapitel 11 · Septischer Kreislaufschock und septische Kardiomyopathie
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12 Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms H. Burchardi, M. Sydow
Ätiologie
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Häufigkeit und Letalität
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Pathophysiologie des akuten Lungenversagens
– 364
Therapeutische Maßnahmen zur Verbesserung des Gasaustauschs Nebenwirkungen der positiven Druckbeatmung Protektive Beatmungsstrategien
– 372
Maschinelle Beatmungstherapie
– 373
– 367
– 370
Zusätzliche Strategien zur Reduktion des Beatmungstraumas und Verbesserung des Gasaustausches – 378 Medikamentöse Therapie zur Verbesserung des Gasaustausches Entwöhnung von der Beatmung: Weaning Präventive Therapieansätze Anhang Literatur
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
Vor mehr als 30 Jahren wurde erstmalig auf eine akute respiratorische Insuffizienz aufmerksam gemacht [11, 109], die seitdem unter verschiedenen Bezeichnungen (Schocklunge, adult respiratory distress syndrome (ARDS), und neuerdings acute lung injury (ALI) [14] bzw. im deutschen Schrifttum akutes Lungenversagen (ALV)) in der Intensivmedizin eine erhebliche Bedeutung spielt. Diese akute respiratorische Insuffizienz beruht auf einer schweren diffusen Schädigung des Lungenparenchyms. Sie ist funktionell gekennzeichnet durch: 1. arterielle Hypoxämie unterschiedlichen Schweregrades, 2. diffuse röntgenologische Infiltration, 3. verminderte Dehnbarkeit (Compliance) der Lunge und 4. eine erniedrigte funktionelle Residualkapazität (FRC).
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Ätiologie Das akute Lungenversagen ist eine typische Reaktion der Lunge auf die Mechanismen der Entzündung (bakteriell oder nichtbakteriell), bei der freigesetzte Entzündungsmediatoren eine maßgebliche Rolle spielen. Dabei ist es unerheblich, ob die Entzündungsmechanismen primär pulmonal oder nichtpulmonal, also systemisch ausgelöst werden. Das Lungengewebe reagiert offenbar stets in recht stereotyper Weise [61]. Insbesondere Sepsis oder SIRS (systemic inflammatory response syndrome) sind als systemische Reaktionen einer Entzündung zu verstehen [23], die ein akutes Lungenversagen zur Folge hat, aber auch zu Funktionsversagen anderer Organe führen können.
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Klinisches Bild Das klinische Bild des ALV ist gekennzeichnet durch eine akute, progrediente respiratorische Insuffizienz: Rasch und zunehmend entwickeln sich Gasaustauschstörungen mit Hypoxämie und erhöhter Totraumventilation. Die Compliance der Lunge wird reduziert, und die Atemarbeit steigt
erheblich an. Um den pulmonalen Gasaustausch aufrecht zu erhalten, ist die Erhöhung des Lungenvolumens (FRC) durch PEEP oder CPAP und meistens die apparative Beatmung erforderlich.
. Übersicht 12-1.
Auslösende Ursachen für das akute Lungenversagen (ARDS) 5 Sepsis (z. B. Bakteriämie, Endotoxinämie, Fungämie), 5 Kreislaufschock, Massivtransfusion, 5 Aspiration (Säureaspiration, Ertrinkungsunfall), 5 Polytrauma, thorakal (Lungenkontusion) und/oder extrathorakal, 5 Verbrennungen, 5 akute Pankreatitis, 5 Immunsuppression (z. B. nach Transplantation, Bestrahlung), 5 Pneumonien (virale, mykoplasmale, bakterielle), 5 Intoxikationen (z. B. Paraquat), 5 Fruchtwasserembolie, disseminierte intravasale Gerinnung (DIC), 5 Eingriffe unter extrakorporaler Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine), 5 Rauchvergiftung und Inhalation toxischer Gase 5 und viele andere.
Das akute Lungenversagen ist ein zentrales Problem beim multiplen Organdysfunktionssyndrom (MODS) [23] bzw. Multiorganversagen (MOV). Dabei kann eine pulmonaI auslösende Ursache (etwa infolge Aspiration, als Pneumonie, als nosokomiale pulmonale Infektion u. ä.) schließlich zum MODS führen, oft ist jedoch die akute respiratorische Insuffizienz Folge einer extrapulmonal ausgelösten Sepsis oder eines SIRS [23] mit MOV bzw. MODS (z. B. infolge einer Peritonitis). Immerhin sind etwa 75 % aller auf der Intensivstation erworbenen Infektionen im Respirationstrakt lokalisiert, wie eine große epidemiologische Studie mit 28 europäischen Intensivstationen ergab [2]. Eine entsprechende US-amerikanische Studie an 847 Krankenhäusern zeigte, dass bei etwa 40 %
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aller Sepsispatienten der Respirationstrakt beteiligt [6] war. Nicht selten ist die frühe Diagnose eines beginnenden akuten Lungenversagens praktisch nicht möglich, da die ersten Anzeichen, wie leichte Dyspnoe und Tachypnoe mit einer milden respiratorischen Alkalose, nicht spezifisch sind. Außerdem ist der Beginn oft schleichend, protrahiert und von anderen Krankheitsgeschehen (z. B. Polytrauma, Pneumonie, Sepsis) überdeckt. ! Die Diagnose akutes Lungenversagen wird
klinisch gestellt, wenn als unmittelbare Ursache für die fortschreitenden Gasaustauschstörungen und entsprechenden Lungenveränderungen andere Erkrankungen, wie z. B. Atelektase, Pneumonie, Lungenkontusion, Aspiration, kardiales Lungenödem, Asthma bronchiale, ausgeschlossen sind. Die Definition bleibt dennoch problematisch, da viele dieser Differentialdiagnosen auch zum akuten Lungenversagen führen können (wie z. B. Aspiration, Pneumonie, Lungenkontusion).
Nach der Amerikanisch-Europäischen Konsensuskonferenz [14] wird zwischen einem akuten Lungenversagen und einem ARDS unterschieden. Allgemein anerkannte diagnostische Kriterien für ein akutes Lungenversagen bzw. ARDS sind: 5 ALV: – akuter Beginn, – eingeschränkte Oxygenation (paO2/FIO2 <300 mmHg trotz eines positiven endexspiratorischen Drucks (PEEP), – röntgenologisch: diffuse Verschattungen über beiden Lungen auf dem ap-Röntgenbild, – pulmonalkapillärer Verschlussdruck (PCWP) <18 mmHg (PCWP nur, wenn gemessen; ansonsten alternativ: fehlender klinischer Anhalt für einen erhöhten linksatrialen Druck). 5 ARDS: – stark eingeschränkte Oxygenation (paO2/ FIO2 <200 mmHg trotz PEEP), – sonst zusätzlich gleiche Kriterien wie unter ALV.
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Bei dieser nur wenig differenzierenden Definition des Syndroms werden aber nur schwere, manifeste Stadien des akuten Lungenversagens erfasst; leichtere Frühformen lassen sich nicht eindeutig klinisch definieren. Dies mindert die Aussagekraft aller Statistiken über dieses Krankheitsbild und erklärt auch im Wesentlichen dessen hohe Letalität. Mit dem Problem der unsicheren Definitionen und Kriterien des ALI/ARDS und deren Konsequenzen setzt sich Schuster in 2 lesenswerten Artikel auseinander [135, 136] Mit dem Ziel, die Funktionsstörung der Lunge zu quantifizieren, haben Murray et al. [96] ein Scoresystem geschaffen, das ohne die Ergebnisse einer invasiven Pulmonalisdruckmessung auskommt (. Tabelle 12-1). Zur umfassenderen Beschreibung des Lungenversagens muss neben dem Schweregrad der Insuffizienz noch angegeben werden, ob es eine pulmonale Ursache (z. B. Folge von Aspiration, Pneumonie, toxischer Lungenschädigung) oder begleitende Komplikation anderer systemischer Ereignisse (z. B. Sepsis, akute Pankreatitis) ist. Letzteres
ist meist beim MODS der Fall. Ferner muss zwischen einem akuten Auftreten nach vorliegenden Risikofaktoren und einer raschen Aggravation bei eher chronischer Entwicklung (z. B. beim MODS) unterschieden werden. Ein ähnliches Scoresystem für ARDS wurde von Heffner et al. [58] vorgestellt. Allen diesen Bemühungen nach einer quantifizierenden Definition des ARDS ist gemeinsam, dass sie keine auch nur annähernd sichere Prognose der Überlebenswahrscheinlichkeit liefern; das gilt sowohl für die Definitionen der Amerikanisch-Europäischen Konsensuskonferenz [14], als auch für den Murray-Score (LIS) [96] oder für den ARDS-Score [58]. Eine Outcomeprognose ist auch für diese Patienten sicherer durch Schweregradscores (etwa SAPS II oder APACHE III) abzuschätzen [33, 58, 67, 70]. Das zeigt auch, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit weniger durch das Ausmaß der Lungenveränderungen als durch weitere begleitende Funktionsstörungen (wie etwa durch Sepsis) bestimmt wird [44].
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
. Tabelle 12-1. »Lung Injury Score«: Schweregrade des akuten Lungenversagens. (Nach [96]) Kriterien
Scorewert
1. Röntgenbefund der Lunge: 5 keine alveolären Verschattungen
0
5 alveoläre Verschattungen in 1 Quadranten
1
5 alveoläre Verschattungen in 2 Quadranten
2
5 alveoläre Verschattungen in 3 Quadranten
3
5 alveoläre Verschattungen in allen Quadranten
4
2. Hypoxämiegrad 5 paO2/FIO2
>300 mmHg
0
5 paO2/FIO2
225–299 mmHg
1
5 paO2/FIO2
175–224 mmHg
2
7
5 paO2/FIO2
100–174 mmHg
3
5 paO2/FIO2
<100 mg
4
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3. PEEP-Score (sofern beatmet):
6
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5 PEEP
<5 cm H2O
0
5 PEEP
6–8 cm H2O
1
5 PEEP
9–11cm H2O
2
5 PEEP
12–14cm H2O
3
5 PEEP
> 15cm H2O
4
4. Compliance des respiratorischen Systems: >80 ml/cm H2O 5 effektive Compliance
0
5 effektive Compliance
60–79 ml/cm H2O
1
5 effektive Compliance
40–59 ml/cm H2O
2
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5 effektive Compliance
20–39 ml/cm H2O
3
5 effektive Compliance
<19 ml/cm H2O
4
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Der definitive Scorewert ist die Summe der Gruppenwerte, dividiert durch die Anzahl der berücksichtigten Gruppen: Keine Lungenschädigung: 0 Leichte bis mäßige Lungenschädigung: 0,1–2,5 Schwere Lungenschädigung (ARDS): >2,5
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Häufigkeit und Letalität
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Ohne allgemein anerkannte Definition sind Häufigkeit und Letalität einer Erkrankung schwer zu ermitteln. Sie hängen sehr stark davon ab, welche Grenzwerte zur klinischen Definition verwendet werden. Je nach Schweregrad des ARDS wird daher eine unterschiedliche Letalität angegeben. Diese schwankt zwischen 40 und 75 %, bei gleichzeitiger Sepsis sogar bis zu 90 %. In einer älteren multizentrischen europäischen Studie [10] wurden 591 Patienten mit unterschiedlich ausgeprägter akuter
respiratorischer Insuffizienz erfasst: Bei schwerem Lungenversagen (paO2 <75 mmHg bei FIO2 >0,5 + PEEP 5 cm H2O) betrug die Letalität 69 %; bei geringerer respiratorischer Insuffizienz (paO2 >75 mmHg bei FIO2 >0,5+PEEP 5 cm H2O) lag sie bei 39 % (im Mittel über beide Gruppen bei 59 %). In einer prospektiven Multicenterstudie aus dem Großraum Berlin wurde eine jährliche Häufigkeit des akuten Lungenversagens von 88,6/100.000 Einwohner gefunden; die Letalität betrug insgesamt 42,7 %, beim schweren ARDS (gemäß Murray-Score) 58,8 % [75].
363 Häufigkeit und Letalität
Heute besteht der Eindruck, dass die schweren Formen des akuten Lungenversagens mit maschineller Beatmung über Wochen und schwerer interstitieller Fibrosierung seltener geworden sind. Sofern sie vorkommen, treten sie meist im Rahmen eines Multiorganversagens auf. Nach wie vor häufig scheinen dagegen die leichteren Formen des akuten Lungenversagens vorzukommen. Diese entwickeln sich zwar rasch, können jedoch durch früh einsetzende, konsequente Atem- und Beatmungstherapie bald wieder gebessert werden. In einer retrospektiven Analyse aus Seattle von 1983 bis 1993 nahm die Gesamtletalität bei ARDS von anfänglich 53 % über die Jahre bis auf 36 % ab. Bei sepsisbedingtem ARDS lag die Verbesserung der Überlebensraten v. a. in der Gruppe der jüngeren Patienten (<60 Jahre) [93]. Auch die Gesamtschau von ARDS-Analysen über viele Jahre gibt den Eindruck, dass die Überlebensrate des ARDS sich gebessert hat [80, 135], selbst wenn berücksichtigt werden muss, dass das ARDS in diesen Untersuchungen nicht mit den gleichen Kriterien definiert worden ist. Die Gründe für eine solche mögliche Verbesserung bleiben unklar; sie sind sicherlich vielschichtig und beruhen eher auf unspezifischen Maßnahmen (Organisation, Überwachung, raschere Diagnostik und konse-
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quentere Behandlung) als auf spezifischen therapeutischen Verfahren [33, 58, 70]. Die Gesamtprognose ist nicht nur vom Schweregrad der primären Lungenschädigung abhängig. Wichtig sind auch die auslösenden Grunderkrankungen und ihr Ansprechen auf die Behandlung. So kommt es nach schweren allgemeinen Infektionen (z. B. Pneumonien, diffuser Peritonitis) oder schwerer akuter Pankreatitis zu wesentlich höherer Letalität als nach Thoraxtraumata oder lokal begrenzten Infektionen (wie Urosepsis). Entscheidend sind aber auch die im weiteren Verlauf eintretenden Komplikationen [111], insbesondere wenn eine Sepsis oder ein SIRS entsteht. Kommt es dann zu einem Schock oder zum akuten Nierenversagen, so steigt die Letalität auf über 90 %. Die Prognose hängt sowohl von der Anzahl gleichzeitig versagender Organe als auch von dem Ausmaß des jeweiligen Organversagens ab. Nach Untersuchungen von Marshall u. Sweeney [85] steigt die Letalität eindeutig mit Zunahme eines MOV-Scores, der aus der Multiplikation des jeweiligen Schweregrads (0, 1, 2) der Störung von 8 verschiedenen Organsystemen (Lungen, Nieren, Leber, MagenDarm-Trakt, ZNS, Stoffwechsel, Blutsystem, HerzKreislauf) errechnet wurde (. Abb. 12-1).
. Abb. 12-1. Abhängigkeit der Stationsletalität von Anzahl und Schweregrad gleichzeitiger Organversagen. Das Versagen 8 verschiedener Organsysteme (Lunge, Niere, Leber, Gastrointestinum, ZNS, Stoffwechsel, Blut und Herz-Kreislauf-System) wird in jeweils 3 Schweregraden von 0 (= minimal) bis 2 (= schwer) eingestuft; die Summe dieser 8 Werte ergibt den jeweiligen MOV-Score. Die jeweils höchsten Scorewerte (d. h. schwerstes Funktionsversagen während des Stationsaufenthalts) bei 271 chirurgischen Intensivpatienten (Victoria General Hospital, Halifax, Canada) korrelieren deutlich mit der Letalität. (Nach Marshall 1992 [86]
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
Entwickelt sich das akute Lungenversagen im Rahmen eines MODS, so fällt auf, dass heute die Gasaustauschstörung oft durch die Möglichkeiten einer differenzierten Respiratortherapie kompensiert werden kann und somit die Hypoxämie selbst meist nicht zum Tode führt. Vielmehr entscheidet der Schweregrad des gesamten Multiorganversagens dann über das weitere Schicksal. So ergab eine Analyse von Ferring u. Vincent, dass von 129 ARDS-Patienten 67 (= 54 %) verstarben. Bei der Hälfte der Verstorbenen waren Sepsis und Multiorganversagen die eigentliche Todesursache; nur 16 % verstarben primär am unbeherrschbaren Lungenversagen [44].
Pathophysiologie des akuten Lungenversagens Auslösende Pathomechanismen Der pathophysiologische Entstehungsweg des akuten Lungenversagens kann allgemein als eine Entzündungsreaktion des Lungengewebes und hier im besonderen der alveolokapillären Membran im Zusammenhang mit körpereigenen Entzündungszellen sowie ihren Mediatoren aufgefasst werden. Dabei kann die auslösende Noxe entweder inhalativ über die Luftwege (z. B. Inhalationstrauma oder Aspiration) oder aber systemisch über den Blutkreislauf (Sepsis, Trauma, Intoxikation usw.) an die alveolokapilläre Membran herangetragen werden. Im Rahmen eines septischen Geschehens ist der pathophysiologische Entstehungsweg des akuten Lungenversagens ein charakteristischer multifaktorieller Prozess: Bei einer Sepsis bzw. einem Multiorganversagen überschreitet die systemische Antwort auf die bakterielle oder toxische Noxe den üblichen Rahmen physiologischer Abwehrmechanismen und kann dadurch selbst schädigend wirken (7 Kap. 2). Da die Lunge als kapillärer Filter im Hauptstrom des Blutkreislaufes liegt, ist sie im besonderen Maße den systemischen Entzündungsreaktionen der humoralen und zellulären Abwehrmechanismen ausgesetzt. Daher treten in der Lunge meist früher als in anderen Organen schwerwiegende Veränderungen auf. Näheres zu den zellulären Mechanismen 7 Kap. 2.
Die Schädigung des Endothels mit Auflösung bzw. Lockerung der tight junctions und z. T. direkter Zelldestruktion führt letztendlich zu einem kapillären Leck (capillary leakage syndrome). Es kommt zu einem interstitiellen und später auch zu einem alveolären Ödem (low pressure edema bzw. nicht-kardiogenes Lungenödem) mit der Folge einer Zunahme des Rechts-Links-Shunts, der dann zu den vorher beschriebenen Gasaustauschstörungen führt.
Morphologische und funktionelle Veränderungen Unabhängig von den unterschiedlichen Ursachen des ALV folgen die pathophysiologischen Veränderungen der Lungenfunktion wenigen Grundmustern, die für die Lunge typisch sind. Das akute Lungenversagen oder das ARDS ist eine typische restriktive Ventilationsstörung, d. h. das ventilierte Lungenvolumen und insbesondere die gasaustauschende Alveolaroberfläche ist mehr oder weniger hochgradig reduziert. Die pathophysiologischen pulmonalen Funktionsstörungen lassen sich gut aus den pathomorphologischen Veränderungen im Verlauf der Organdysfunktion ableiten. Die massive Konfrontation mit verschiedensten Mediatoren löst in der Lunge die wesentlichen initialen Pathomechanismen aus: Schon relativ früh kommt es zu einer Vasokonstriktion mit Anstieg des pulmonalen Gefäßwiderstands (u. a. durch Prostaglandine und Thromboxane) und Gewebeläsion mit Zunahme der Membranpermeabilität durch toxische O2-Radikale, Leukotriene, Proteasen und Fibrinogenabbauprodukte usw. Die Schädigung spielt sich sowohl im Bereich des Kapillarendothels als auch des Alveolarepithels ab. Die Folge ist ein zunehmendes interstitielles und auch alveoläres Ödem. Letzteres führt nachfolgend zur Surfactantfunktionsstörung. Dadurch wird die Stabilität der Alveolen beeinträchtigt, sie zeigen die Tendenz zu kollabieren. Die vermehrte Flüssigkeit in der Lunge lastet aber auch infolge der Schwerkraft auf den Alveolen, so dass v. a. die unten gelegenen Alveolarbereiche kollabieren [49].
365 Pathophysiologie des akuten Lungenversagens
Verteilung der Lungenschädigung Dieses interstitielle (und später auch intraalveoläre) Ödem fällt im anterior-posterioren Röntgenbild als diffuse, mehr oder weniger homogene, beidseitige Verschattung auf (. Abb. 12- 2a,b). Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Aufnahmetechnik im Liegen leicht übersehen wird, dass v. a. die unten gelegen Alveolarbereiche atelektatisch sind. Dies wird deutlich sichtbar in der Computertomographie (CT) der Lunge. Gattinoni et al. [51] konnten im CT zeigen, dass sich Verschattungen durch Lagewechsel in die Bauchlage mobilisieren ließen: Sie traten stets überwiegend
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in den jeweils unten gelegenen Lungenabschnitten auf. Das zeigt deutlich, dass dem Alveolarkollaps in dieser exsudativen Phase durch therapeutische Maßnahmen noch entgegenwirkt werden kann (. Abb. 12-3).
Intrapulmonaler Shunt als Ursache der Oxygenierungsstörung In der frühen Phase des akuten Lungenversagens sind Kollaps und Überflutung von Alveolen die wesentliche Ursache für die Störung des Gasaustausches für O2. Die Folge ist eine vermehrte venö-
. Abb. 12-2a,b. Thoraxröntgen und Thorax-CT bei ARDS. Beim Thoraxröntgen a.-p. (a) sind die Infiltrate scheinbar in der gesamten rechten und zumindest im unteren Teil der linken Lunge; beim Thorax-CT der Lunge (b) ist im Gegensatz zu der scheinbar homogenen Verteilung der Infiltrate im p.-a.-Röntgenbild deutlich die schwerkraftabhängige Verteilung der Lungenschädigung zu erkennen (gleicher Patient wie a): Nur die ventralen Lungenareale sind beidseits belüftet, während dorsal Atelektasen vorherrschen. Der Patient war seit ca. 2 Wochen in Rückenlage kontrolliert beatmet worden (PEEP 10 cm H2O; FIO2 1,0; paO2 95 mmHg)
. Abb.12-3. Einfluss der Bauchlagerung auf die Belüftung von Lungenarealen beim ARDS, quantifiziert im Computertomogramm. Der Anteil normal belüfteter Lungenbezirke ist stets in den obenliegenden Lungenbezirken höher; die unteren Bereiche sind durch den erhöhten Flüssigkeitsgehalt kollabiert. Bei Wechsel von Rückenlage (●) zu Bauchlage (▲) eröffnen sich die nun obenliegenden (dorsalen) Bereiche; d.h. die Lungenflüssigkeit ist mobilisierbar.Mittelwerte (1 SE) von 10 Patienten mit mäßigem bis schwerem ARDS; * signifikanter Unterschied zwischen beiden Lagerungen. (Nach Gattinoni 1991 [51])
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
se Beimischung, ein intrapulmonaler Shunt. Diese venöse Beimischung entsteht dadurch, dass an den kollabierten oder flüssigkeitsgefüllten Alveolen die Perfusion bestehen bleibt. Aufgrund der fehlenden Ventilation dieser Alveolen wird das venöse Blut dort jedoch nicht aufgesättigt, sondern mischt sich mit niedriger O2-Sättigung dem arterialisierten Blut aus intakten (ventilierten) Alveolen zu. Je nach Ausmaß dieser Shuntperfusion entsteht so eine systemische arterielle Hypoxämie. Die oft vermutete Diffusionsstörung für O2 (etwa durch Verlängerung der Diffusionsstrecke) spielt hier eine untergeordnete Rolle. Das ist insofern von klinischer Bedeutung, da es das vorwiegende Ziel der therapeutischen Maßnahmen sein muss, die kollabierten Alveolen wieder zu eröffnen und offen zu halten. Bei einem hohen intrapulmonalen Shunt von z. B. 50 %, wie bei einem schweren Lungenversagen nicht selten, ist eine Erhöhung der inspiratorischen O2-Konzentration (FIO2) in Hinblick auf die Oxygenierungsverbesserung wenig effektiv. Andererseits gibt es auch beim ALV ventilatorische Verteilungsstörungen mit Lungenbereichen, die ähnlich wie bei obstruktiven Lungenerkrankungen einen niedrigen Ventilations/Perfusions-Quotienten haben. In solchen Fällen kann dann auch eine Erhöhung der FIO2 wirksam werden. Man sollte sich nur stets vor Augen halten, dass die Eröffnung der Alveolen (Recruitment) die wichtigste und wirksamste Maßnahme zur Gasaustauschverbesserung ist.
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Surfactantfunktionsstörung als wichtige Ursache des Alveolenkollapses
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Die beim akuten Lungenversagen bestehende erhöhte Kollapsneigung der Alveolen ist maßgeblich mitbedingt durch Surfactantfunktionsstörungen. Die Surfactantfunktion wird z. B. durch Eiweiße, die Bestandteil des alveolären Ödems bei ALV sind, stark beeinträchtigt. In der intakten Lunge senkt Surfactant die Oberflächenspannung der alveolären Membranen und wirkt so dem LaPlace-Gesetz entgegen. Surfactant reduziert die für eine Ausdehnung (Belüftung) der Alveole notwendigen Kräfte und verhindert den Kollaps von
Alveolen mit kleinem Durchmesser. Durch Surfactant wird die inspiratorische Erweiterung des Alveolendurchmessers in weiten Bereichen unabhängig vom Vordehnungszustand. Vereinfacht heißt das, dass mit Hilfe von Surfactant eine Alveole mit geringem exspiratorischen Durchmesser mit dem gleichen Druck ventiliert werden kann wie eine Alveole mit größerem Durchmesser. Damit sorgt Surfactant für eine gleichmäßige Verteilung der Ventilation. Bei Surfactantfunktionsstörung resultiert eine Instabilität der Alveolen, und es gilt dann das La-Place-Gesetz: d. h. Alveolen mit größerem Durchmesser haben eine kleinere Oberflächenspannung und werden daher inspiratorisch noch mehr gebläht als Alveolen mit kleinem Durchmesser. Die Folge ist eine inhomogene Ventilation mit Überblähung und konsekutiver Behinderung der Perfusion (funktioneller Totraum) und Minderbelüftung mit Zunahme des intrapulmalen Shunts. Für die Wiedereröffnung einer kollabierten Alveole muss nun auch ein wesentlich höherer Druck aufgewendet werden als für die Ventilation einer nicht-kollabierten. Für die Therapie gilt es daher, dem Alveolenkollaps möglichst entschieden vorzubeugen und die Alveolen offen zu halten (s. unten).
Veränderung der Compliance der Lunge Die Dehnbarkeit (Compliance) des Lungengewebes ist bei ALV aufgrund des interstitiellen Ödems herabgesetzt; d. h. unter maschineller Beatmung muss für das gleiche Inspirationsvolumen ein höherer Druck angewendet werden als bei einer gesunden Lunge. Allerdings sind bei der inhomogen verteilten Schädigung des Lungengewebes die Verhältnisse weit komplizierter [49]. Hier liegt ein Nebeneinander von überblähten, normalen, volumenreduzierten und total kollabierten Alveolarbereichen vor. Die global gemessene verminderte Dehnbarkeit der Lunge in der akuten Phase des ALV liegt nach neueren Erkenntnissen zu einem großen Teil an dem reduzierten Gasvolumen und nicht allein an der erhöhten Steifigkeit des Lungengewebes. Die regionale Compliance offener Alveolarbereiche kann dabei ganz normal sein. Die
367 Therapeutische Maßnahmen zur Verbesserung des Gasaustauschs
ARDS-Lunge ist also eher zu klein als zu steif. Gattinoni [53] prägte dafür den Begriff »baby lung« (d. h. die ARDS-Lunge eines Erwachsenen hat nur noch das Volumen einer Babylunge). Vermutlich kann dabei der übriggebliebene Anteil an Alveolen noch eine durchaus normale Gasaustauschfunktion erfüllen (die allerdings für den im Gesamtorganismus notwendigen Gasaustausch sehr wohl eingeschränkt sein kann), wenn sie nicht durch therapeutische Maßnahmen (z. B. hoher Beatmungsdruck, Überblähung) daran gehindert wird. Die schlechtere Dehnbarkeit ist auch eine wichtige Ursache für die ventilatorische Insuffizienz (Anstieg der elastischen Atemarbeit), die unter Spontanatmung auftritt (s. unten).
Fibrose des Lungengewebes Bei längerer Dauer des akuten Lungenversagens kommt es später zu einem morphologischen Umbau der Lunge: hyaline Membranen blockieren den Gasaustausch durch die Alveolarmembran. Im Interstitium (aber auch intraalveolär) kommt es zu einer zunehmenden Fibrosierung, so dass schließlich das Lungenparenchym überwiegend luftleer (hepatisiert) erscheint und nur vereinzelt intakte Alveolarbezirke vorhanden sind. In dieser fortgeschrittenen Phase des Lungenversagens sind die fibrotisch umgebauten Lungenbereiche selbst durch höchsten PEEP nicht zu eröffnen. Es herrscht das Alles-oder-Nichts-Gesetz: d. h. eine Alveole ist entweder noch intakt und funktionsfähig oder irreversibel zerstört. In diesem Zustand kann dann ein zu hoher Druck (als überhöhter PEEP oder als zu großes Hubvolumen) die Funktion auch der wenigen, noch intakten Alveolen beeinträchtigen, indem ihre Kapillarperfusion behindert wird. Dadurch werden diese Alveolen zu funktionellem Totraum. Bei schwerstem ARDS im Stadium der Fibrosierung wird jede weitere Steigerung von Beatmungsdruck und/oder -volumen durch eine drastische Zunahme der Totraumbelüftung beantwortet (extreme Zunahme des mismatching), so dass schließlich weder eine ausreichende alveoläre Ventilation noch eine genügende Oxygenierung zu erreichen ist; andererseits resultiert oft jede auch nur kurzfristige Reduktion des
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PEEP in einer akut bedrohlichen Rechtsherzinsuffizienz. Hier zeigen sich dann die Grenzen der apparativen Beatmung. ARDS-Patienten mit Fibrosierung der Lunge scheinen eine signifikant höhere Mortalität gegenüber denen ohne Fibrosierung zu haben, wobei kein Unterschied bei der Gasaustauschstörung bestehen muss [87]. Der frühe Beginn konsequenter Therapie, möglichst schon bevor es zu gravierenderen Funktionsstörungen gekommen ist, ist letztlich die entscheidende Voraussetzung für einen Therapieerfolg.
Restzustand und Rehabilitation Wird das ARDS überlebt, verbessert sich die Lungenfunktion vorwiegend innerhalb der ersten 3 Monate nach Extubation, danach nur noch wenig [89, 108]. Die Restitution ist nicht von der Schwere der frühen Gasaustauschstörung, sondern vielmehr von der Persistenz der Störungen im Verlauf des ARDS abhängig: bleibende Lungenfunktionsstörungen korrelierten mit der Höhe des pulmonalarteriellen Drucks und der alveoloarteriellen O2-Partialdruckdifferenz sowie einer radiologischen Verschlechterung im Thoraxröntgenbild am Ende der 1. Woche nach Krankheitsbeginn [108]. Dennoch bilden sich auch schwerste akute Lungenveränderungen erstaunlich gut zurück.
Therapeutische Maßnahmen zur Verbesserung des Gasaustauschs Positiver endexspiratorischer Druck (PEEP) und kontinuierlich positiver Atemwegsdruck (CPAP) Da zumindest in der frühen Phase des Lungenversagens der Alveolarkollaps als Ursache des intrapulmonalen Shunts für die Gasaustauschstörung verantwortlich ist, ist das Wiedereröffnen dieser Alveolen (alveoläres Recruitment) und Offenhalten das vorrangige Ziel der Beatmungstherapie. Diese kollabierten Alveolen können durch Einsatz von PEEP bzw. CPAP wiedereröffnet werden. PEEP bzw CPAP sind daher wesentliche Therapieprinzipien geworden [1, 3, 73]. Erklärend sei hier
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erwähnt, dass man von PEEP spricht, wenn unter maschineller Beatmung der Beatmungsdruck parallel angehoben wird, während CPAP die Atemwegsdruckerhöhung unter Spontanatmung beschreibt. Anhand von CT-Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass bei der feuchten und schweren ARDS-Lunge ein von ventral nach dorsal zunehmender Atemwegsdruck notwendig ist, um die Alveolen gegen die darüberliegenden Lungenstrukturen offen zu halten [49, 104, 105]. Ein solch hoher PEEP ist allerdings nicht ohne Nachteile für die Lunge. Denn jedes Volumen und jeder Druck, mit denen die Lungen gebläht und ventiliert werden, verteilen sich auf die gesamte Lunge entsprechend der regionalen Dehnbarkeit des Lungengewebes. So entsteht das Problem, dass ein einzelner, zur Eröffnung kollabierter Alveolen eingesetzter erhöhter Druck zugleich die Funktion anderer intakter und dehnbarerer Alveolen beeinträchtigt.
In den letzten Jahren wurde allerdings erkannt, dass bei schweren Gasaustauschstörungen durchaus höhere PEEP-Niveaus (d. h. >15 cm H2O) möglich und vorteilhaft sind, sofern die Tidalvolumina entsprechend reduziert werden [1]. Beim Einsatz von PEEP kommt es meist nicht nur zur Verminderung der Shuntperfusion. Gleichzeitig werden Alveolen in anderen Lungenbezirken wiederum überbläht und somit ihre Kapillarperfusion behindert. Die Folge ist dort eine Zunahme der Totraumbelüftung (. Abb. 124). Wünschenswert wäre ein in den verschiedenen Lungenarealen unterschiedlich hoher PEEP: einerseits hoch genug, um alveoläres Recruitment zu erreichen, andererseits aber niedrig genug, um Überblähung zu vermeiden. Dieses Ziel ist aber durch ein einziges PEEP-Niveau nicht zu realisieren. Entscheidend ist der frühe Einsatz einer Atem- oder Beatmungsbehandlung mit PEEP
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. Abb. 12-4. Einfluss des PEEP auf Shunt und Totraum unter maschineller Beatmung. Links: Bei ARDS-Parienten fällt mit steigendem PEEP die Perfusion nichtventilierter Alveolen, d. h. der Shunt durch Atelektasen wird vermindert. Rechts: Gleichzeitig steigt aber die Ventilation in nichtperfundierte Alveolen, d. h. die Totraumventilation nimmt deutlich zu. (Aus Dantzker 1979 [30]).
369 Therapeutische Maßnahmen zur Verbesserung des Gasaustauschs
bzw. CPAP. Bei bestehenden Gasaustauschstörungen sollte rasch gehandelt werden (CPAP über festsitzende Gesichtsmaske oder Intubation und CPAP über Endotrachealtubus). Für eine prophylaktische Wirksamkeit von PEEP bzw. CPAP vor Auftreten von Gasaustauschstörungen gibt es dagegen keinen Beweis.
Unterstützung der Ventilation Neben der Oxygenierungsstörung tritt beim akuten Lungenversagen auch eine ventilatorische Insuffizienz auf. Die verminderte Compliance des Lungengewebes erschwert die Expansion der Lunge. Die Atemmuskulatur erschöpft sich zunehmend und ist nicht mehr in der Lage, die Ventilation gegen die erhöhten elastischen Widerstände aufrecht zu erhalten. Unter Spontanatmung werden die Atemzugvolumina kleiner, und die Atemfrequenz wird schneller (rapid shallow breathing). Die Atemarbeit kann reduziert werden, indem die Atemmittellage durch CPAP in den steilen Bereich der Druck-Volumen-Kurve angehoben wird. Allerdings reicht dies meistens nicht aus, um die erhöhte Atemarbeit vollständig zu kompensieren. Da CPAP überwiegend per Trachealtubus appliziert wird, erhöht sich in diesem Fall oft sogar die Atemarbeit durch den zusätzlichen Widerstand des Tubus. Daher muss zumindest beim schweren akuten Lungenversagen früher oder später die Ventilation maschinell unterstützt und in Extremfällen sogar
vollständig übernommen werden. Dies wird bis auf wenige Sonderfälle durch phasische Expansion des Lungenvolumens mit positivem Druck realisiert (intermittierende positive Druckbeatmung). Die meisten Beatmungsformen unterscheiden sich nur in der Art der Steuerung des Gasvolumens: patientengetriggert oder maschinell kontrolliert; druck- oder volumenkonstant usw. Allen Formen ist gemeinsam, dass inspiratorisch ein zusätzlicher Druck auf einen eingestellten Basisdruck (PBEP) appliziert wird. Für die Summe von Inspirationsdruck und PEEP steht jedoch nur ein begrenzter Druckbereich zur Verfügung, der durch die elastischen Eigenschaften (=Compliance) des respiratorischen Systems determiniert ist (. Abb. 12-5). Ist ein hoher PEEP notwendig, so muss das Atemzugvolumen (VT) bzw. der intermittierende inspiratorische Druck gesenkt werden, um eine Überblähung zu vermeiden. Optimal wäre bei kritischen Patienten die Adaptation der Beatmungseinstellung anhand einer statischen Druck-Volumen-Kurve. Dadurch kann einerseits der PEEP oberhalb eines evtl. vorhandenen unteren inflection point angehoben werden und andererseits der endinspiratorische Druck durch Reduktion des VT unterhalb des oberen, abgeflachten Teils der Kurve gesenkt werden [50]. In der Praxis ist die Messung der Druck-VolumenKurve allerdings recht aufwendig. Daher ist dieses Vorgehen zur Beatmungseinstellung zwar wünschenswert, aber nur selten zu realisieren. Zumindest muss aber die Höhe des PEEP sorgfältig durch
oberer »inflection« - Bereich
unterer »inflection« - Bereich
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. Abb. 12-5. Druck-Volumen-Kurve des respiratorischen Systems (schematisch). Die Ventilation sollte im günstigsten Bereich der Druck-Volumen-Kurve liegen (fett gezeichnet). Das heißt, der PEEP muss über den sog. unteren »inflection«-Bereich angehoben werden, während der endinspiratorische Druck unterhalb des oberen »inflection«-Bereichs liegen muss. Daraus folgt, dass bei einer notwendigen Erhöhung des PEEP der Druckbereich für die Ventilation eingeschränkt wird, wenn eine Überblähung der Lunge vermieden werden soll. Weitere Erklärungen s. Text
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
schrittweise Erhöhung unter Kontrolle der Oxygenierung und der Atemwegsdrücke angepasst werden. Endinspiratorische Atemwegsdrücke >35 cm H2O über längere Zeit sollten vermieden werden.
Nebenwirkungen der positiven Druckbeatmung Wirkung positiver Atemwegsdrücke auf den Kreislauf Schon seit langem ist bekannt, dass erhöhte intrathorakale Drücke das Blutvolumen im Thorax vermindern. Es erfolgt dadurch eine Verschiebung des Blutvolumens in die Peripherie. Bei längerer positiver Druckbeatmung kann sich dann z. B. aufgrund des venösen Rückstaus auch eine Lebervergrößerung wie bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung entwickeln. Dies kann bei starker Belastung mit Funktionseinschränkungen verbunden sein, u. a. auch mit Resorptionsstörungen des Intestinums. Durch erhöhte intrathorakale Drücke wird der Druckgradient für den venösen Rückstrom zum rechten Herzen verringert. Diese Behinderung des Rückstroms führt konsekutiv zu einer Einschränkung des Herzzeitvolumens (HZV) [112]. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei relativer Hypovolämie. Klinische Hinweise auf einen intravasalen Volumenmangel sind eine atemabhängig schwankende arterielle Druckkurve [92]. Bei Anwendung höherer Beatmungsdrücke ist immer auf einen ausreichenden intravasalen Volumenstatus zu achten. Da bei zu hoher Volumenzufuhr jedoch auch eine Verstärkung des Lungenödems und Verschlechterung der Gasaustauschfunktion droht, muss das therapeutische Vorgehen sorgfältig kontrolliert werden (s. auch S. 367, 385). In der Akutphase ist bei notwendiger Beatmungsdruckerhöhung, z. B. ab einem PEEP von >10 cm H2O, ein Monitoring des HZV sinnvoll, um das periphere O2-Angebot zu optimieren, denn das HZV sinkt mit steigendem PEEP. Daher kann eine durch PEEP gewonnene Oxygenierungsverbesserung nutzlos sein, wenn das periphere O2-Angebot und die Organperfusion aufgrund eines reduzierten HZV am Ende schlechter sind.
Beatmungsassoziierte Lungenschädigung (Beatmungstrauma) Die beatmungsasssoziierte Lungenschädigung umfasst eine Reihe von Begriffen, die sich in ihrer Bedeutung nur gering voneinander trennen lassen: »ventilator induced lung injury« (VILI), »ventilator associated lung injury« (VALI), Barotrauma, Volutrauma, Biotrauma. Die neuen Erkenntnisse wurden Ausgangspunkt neuer Beatmungsstrategien (»protective lung strategy« oder »open lung approach« [1, 3]) und wurden zusammengefasst durch eine internationale Konsensuskonferenz [5].
Barotrauma Es ist seit langem bekannt. dass hohe Beatmungsdrücke die Lunge schädigen (sog. Barotrauma). Allerdings sind hiermit die intrapulmonalen endinspiratorischen Drücke gemeint, die in der Klinik am ehesten dem sog. Plateaudruck entsprechen. Der vor dem Tubus gemessene Beatmungsspitzendruck ist dagegen abhängig vom Inspirationsfluss und dem Tubusdurchmesser. Das heißt, je höher der inspiratorische Gasfluss und je enger der Tubus, desto höher ist der Spitzendruck, ohne dass der Plateaudruck gleichsam erhöht sein muss. Insbesondere bei geschädigtem Lungengewebe (z. B. durch Entzündung) führen hohe Plateaudrücke (etwa über 35 cm H2O) zu Alveolarrupturen [137, 155]. Dabei folgt die austretende Luft in der Regel dem Interstitium hiluswärts (interstitielles Emphysem), dringt dann über das Mediastinum weiter in den Halsbereich, ins Subkutangewebe (Hautemphysem) und gelegentlich ins Retroperitoneum (Pneumoperitoneum). Im Mediastinum selbst sammelt sich die Luft nur selten an. Ein massives Pneumomediastinum kann allerdings gefährlich werden, wenn es zur Behinderung des Rückstroms in den großen Venen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, ähnlich wie bei der Herzbeuteltamponade, führt. Ein Pneumothorax entsteht meist durch Austritt von Luft aus dem Mediastinum bei Ruptur der Pleura mediastinalis. Ein direktes Leck durch die Pleura visceralis in den Pleuraspalt ist beim ARDS primär gar nicht so häufig, außer bei iatrogener Verletzung der Pleura visceralis (z. B. im Rahmen einer Punktion zur Venenkatheterplatzierung).
371 Nebenwirkungen der positiven Druckbeatmung
Allerdings kommt es bei langwierigem Krankheitsverlauf durch regionale Überblähung (abhängig von der Beatmungsstrategie?) oft zu großen, bullösen Emphysemblasen, die im Röntgenbild einen abgekapselten Pneumothorax vortäuschen können (und funktionell auch gleiche Nebenwirkungen machen) und bei entsprechender Druckbelastung rupturieren. Ein so entstandenes, meist erhebliches bronchopleurales Leck besiegelt dann oft das Schicksal des Kranken, da nun die Lungen nicht mehr ausreichend ventiliert werden können. Es besteht dann das Dilemma, dass zur Verbesserung des (Spontan)verschlusses der Leckage die Beatmungsdrücke reduziert werden müssten, was aber meistens den Alveolarkollaps in anderen Lungenarealen begünstigt. Durch diese Vermehrung atelektatischer Bereiche wird aber in der Folge die Oxygenierung verschlechtert. Ein operativer Verschluss der Leckage erfordert wegen des brüchigen Lungengewebes erhebliche chirurgische Erfahrung. Hier ist gegebenenfalls eine Überbrückungsphase mit der extrakorporalen Membranoxygenierung indiziert.
Volutrauma Neuerdings wird jedoch sicher zu Recht eher dem zu hohen Beatmungsvolumen die schädigende Wirkung zugesprochen (Volutrauma) [1, 35, 47, 137, 155]. Daher ist es besonders wichtig, dass die volumenreduzierte ARDS-Lunge (»baby lung«) konsequenterweise nicht mit zu hohen Hubvolumina beatmet wird, da diese zur Schädigung (noch) gesunder Alveolen führen. Wahrscheinlich spielen dabei auch regionale Scherkräfte im Parenchym eine Rolle. Denn aufgrund unterschiedlicher regionaler Dehnbarkeiten zwischen den Alveolarbereichen können Scherphänomene auftreten [90]. Dabei kommt es zu regelrechten Zerreißungen des Epithels wie auch des Kapillarendothels [45] mit nachfolgendem Austritt des Plasmas in das Interstitium und in die Alveolen. Die früher üblichen Beatmungsvolumina (10-12 ml/kgKG) werden heutzutäge beim akuten Lungenversagen als zu hoch angesehen und haben sicherlich erheblich zu Misserfolgen und Folgeschäden durch maschinelle Beatmung beigetragen. Konsequenterweise werden diese Lungen heute ggf. mit erheblich niedrigeren Hubvolumina (6 ml/kgKG nach
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[1]) beatmet. Falls erforderlich, wird sogar die Minutenventilation deutlich reduziert (sog. permissive Hyperkapnie, s. S. 375).
Inflations- bzw Deflationstrauma Auch eine Beatmung mit zu niedrigem endexspiratorischem Druck (oder besser: bei zu niedrigem endexspiratorischem Volumen) ist schädlich für die Lunge. So konnte in Tierversuchen eindrucksvoll gezeigt werden, dass die Beatmung bei niedrigem Lungenvolumen ein dem ARDS sehr ähnliches Bild hervorruft [97, 129]. Wiederholter exspiratorischer Kollaps und nachfolgende inspiratorische Wiederaufdehnung der Alveolen belasten die alveolokapillären Membranen durch verstärkte Dehnungs- und Scherkräfte. Die Gewebeläsion verursacht (bzw. verstärkt eine bestehende) dann eine Entzündungsreaktion mit Freisetzung von Mediatoren (sog. »Biotrauma«) [116, 122, 127, 146]. Die mechanische Belastung der Membranen bei einer solchen Beatmung im unteren, abgeflachten Teil der Druck-Volumen-Kurve ist um ein Vielfaches höher als bei normaler inspiratorischer Dehnung im steilen Bereich der Compliancekurve. Daneben kommt es durch den dauernden Wechsel von alveolärem Kollaps und repetitiver Wiedereröffnung vermutlich zu einem verstärkten Surfactantauswasch in diesen Bereichen [42]. Der Erhalt eines ausreichenden endexspiratorischen Lungenvolumens lässt mehr Alveolarbereiche am Inspirationsvolumen partizipieren und verringert die Inhomogenität der Ventilation. Ein ausreichend hoher PEEP ist daher anscheinend genauso wichtig zur Verminderung des Dehnungstraumas der alveolokapillären Membran wie eine endinspiratorische Begrenzung des Atemzugvolumens, um eine Überblähung zu vermeiden. Positive Wirkungen und Komplikationen der Beatmung sind somit über die Höhe des angewendeten Atemwegsdrucks miteinander verbunden. Moderne Beatmungsverfahren und alternative supportive Therapiemaßnahmen versuchen die Invasivität der maschinellen Beatmung beim akuten Lungenversagens zu reduzieren und das Dehnungstrauma zu minimieren, das ganz wesentlich durch die periodischen Lungenvolumenänderung der Ventilation (= CO2-Elimination) verursacht wird [1].
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
Nutzen der erhaltenen Spontanatmung Eine kontrollierte Beatmung ohne eigene Atemmuskelaktivität führt selbst beim lungengesunden Patienten innerhalb kurzer Zeit zur Ausbildung von basalen Atelektasen (d. h. intrapulmonaler Shunt) und einer relativen Überblähung nicht abhängiger Lungenbereiche (d. h. funktioneller Totraum), so dass eine Verschlechterung des Ventilations-/Perfusionsverhältnisses resultiert [57]. Die Unterschiede der Ventilations-Perfusions-Verteilung unter Spontanatmung und kontrollierter Beatmung sind anschaulich in . Abb. 12-6 dargestellt. Aktive Zwerchfellkontraktion bewirkt eine bessere Entfaltung der dorsalen, beim liegenden Patienten unten liegenden Lungenpartien. Unter Spontanatmung ist der die Lunge ausdehnende transpulmonale Druck basal zwerchfellnah am größten (dort, wo auch die Kollapsneigung der Alveolen am größten ist), sodass diese Lungenbereiche besser belüftet werden [46]. Da kollabierte Alveolarbereiche hauptsächlich in den basalen, schwerkraftabhängigen Lungenabschnitten zu finden sind, sollte die Spontanatmung ein besseres Recruitment in diesen Regionen bewirken. Weiterhin erlaubt die gleichzeitige Spontanatmung die Reduktion der Beatmungsdrücke, die für die Ventilation notwendig sind. Untersuchungen mit der intermittierenden mandatorischen Beatmung (IMV) mit Spontanatmung zeigten, dass bei identischem Atemwegsmitteldruck das Herzzeitvo-
lumen (HZV) signifikant besser ist als unter einer kontrollierten Beatmung ohne Spontanatmung. Dies wird mit dem verbesserten venösen Rückfluss durch Negativierung des intrathorakalen Drucks bei aktiver Inspiration erklärt. Daher kann die Invasivität der Beatmung verringert werden. Durch die Verbesserung der Oxygenierung zusammen mit einer Erhöhung des HZV wird letztendlich das O2-Angebot an die Peripherie verbessert, was ja das eigentliche Ziel einer jeden Beatmungstherapie ist. Diese Vorteile (Shuntreduktion und besseres HZV) konnten beim Tiermodell des akuten Lungenversagens sowie bei ARDS-Patienten eindrucksvoll nachgewiesen werden [114, 117, 144].
Protektive Beatmungsstrategien Aus den Erkenntnissen der auch schädigenden Wirkungen der maschinellen Beatmung haben sich in den letzten Jahren die Konzepte der Beatmung grundlegend geändert. Die wesentlichen Prinzipien einer lungenschonenden Beatmung (»protective lung approach«) sind: 5 inspiratorische Druckbegrenzung (< 35 cm H2O); 5 niedriges Tidalvolumen (etwa 6 ml/kg KG); 5 hoher PEEP (bis zu 30 cm H2O); 5 druckkontrollierte bzw. druckbegrenzte Beatmung;
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~
. Abb. 12-6. VentilationsPerfusions-Verhältnisse unter Spontanatmung und Beatmung. Unter Spontanatmung nehmen Ventilation und Perfusion schwerkraftabhängig gleichsinnig zu, was eine homogene Ventilations-PerfusionsVerteilung ergibt. Dagegen kommt es unter kontrollierter maschineller Beatmung zu einem ausgeprägten Mismatching zwischen Ventilation und Perfusion: sowohl Totraumventilation wie auch Shunt nehmen deutlich zu. (Aus Hedenstierna et al. (1984) [57])
373 Maschinelle Beatmungstherapie
5 bei Bedarf permissive Hyperkapie; 5 (ggfs. »inverse ratio ventilation« IRV; besser:
»Airway Pressure Release Ventilation«, APRV mit erhaltener Spontanatmung). Die Richtigkeit von Teilaspekten dieses Konzepts wurde jüngst durch eine US-amerikanische multizentrische Studie belegt [1]. Hierin wurde an 861 ARDS-Patienten ein niedriges Tidalvolumen (6 ml/kg des idealen Körpergewichts) mit inspiratorischer Druckbegrenzung (<30 cm H2O) und ein hoher PEEP in einem Bereich von 5–24 cm H2O, der sich an dem Bedarf der FiO2 orientierte (im Mittel lag er bei 9,4 cm H2O), gegen eine konventionelle Respiratoreinstellung (Vt = 12 ml/ kgKG) geprüft. In der Gruppe mit niedrigem Tidalvolumen war die Mortalität niedriger (31,0 % vs. 39,8 %) und die Beatmungsdauer kürzer.
Maschinelle Beatmungstherapie Ausgehend von den vorherigen prinzipiellen Ausführungen über die pathophysiologischen Zusammenhänge von ALV und maschineller Beatmung soll nachfolgend die Beatmungsstrategie näher ausgeführt werden. Dabei ist den Autoren klar, dass die lokal zur Verfügung stehenden Respiratoren die Auswahl der Beatmungsmodi oder die Einstellungsmöglichkeiten in hohem Maße mitbestimmen. Bei vielen Respiratoren kann eine druckkontrollierte Beatmung oder BIPAP bzw. APRV (s. u.) nicht eingestellt werden. Firmen gehen zunehmend dazu über, neue Beatmungsmodi und Beatmungsbezeichnungen patentieren zu lassen. Dies erschwert das Verständnis und den Erfahrungsaustausch. Daher werden allgemeine Einstellungsempfehlungen im Vordergrund stehen. Hierzu gehört, dass der Beatmungsdruck (Plateaudruck) möglichst unter 35 cm H2O gehalten und das VT entsprechend klein gewählt werden sollte [5]. Beim ALV sollte nie ohne PEEP beatmet werden. Prinzipiell muss die Beatmungsbehandlung, d. h. die Wahl des aktuellen Beatmungsverfahrens und die spezielle Einstellung, immer wieder sorgfältig an den sich ändernden Bedarf angepasst werden [115, 123]. Die FIO2 sollte möglichst nicht längerfristig über 50 % sein, um eine Schädigung des Alveola-
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repithels durch hohe O2-Konzentrationen zu vermeiden [29]. Ursache der Hypoxämie ist ohnehin überwiegend eine venöse Beimischung infolge Alveolenkollapses, bei der eine hohe inspiratorische O2-Konzentration wenig wirksam ist. Eine O2-Sättigung von 90 % ist bei gutem HZV und Hämoglobingehalt des Blutes ausreichend, um die Oxygenierung der Peripherie sicherzustellen. Das PEEP-Niveau wird sorgfältig nach der bestehenden Hypoxämie angepasst. Nach der ARDSNetwork-Studie [1] wurde der PEEP eingestellt nach demjenigen FiO2, der erforderlich ist, um eine arterielle O2-Sättigung von 88–95 % zu erreichen, etwa bei FiO2 von 0,3–0,4 ein PEEP von 5– 8 cm H2O, bei FiO2 von 0,5–0,7 ein PEEP von 1014 cm H2O, bei FiO2 >0,7 ein PEEP von 14–24 cm H2O. Bei Besserung der Oxygenierung wird der PEEP entsprechend reduziert. Auf jeden Fall sollten folgende Regeln beachtet werden: 5 Änderung in kleinen Schritten (etwa 2 cm H2O), 5 längere Unterbrechung des PEEP (z. B. während Transportbeatmung) ist zu vermeiden, 5 bei Anwendung von PEEP-Werten >10 cm H2O ist Messung des HZV sinnvoll und ratsam. Vielfach wird empfohlen, den PEEP nach der Druck-Volumen-Kurve (PEEP über dem sog. unteren Inflektionspunkt, UIP) auszurichten [3]; dieses Vorgehen hat sich nach unseren Erfahrungen nicht bewährt, da die Messung der Druck-Volumen-Kurve umständlich und der UIP häufig nicht zu identifizieren ist.
Kontrollierte Beatmung Bei völlig unzureichender Eigenatmung (etwa infolge therapeutisch notwendiger starker Analgosedierung) oder seltenen Kontraindikationen gegen Spontanatmungsaktivität wird die Beatmung kontrolliert durchgeführt. Obwohl klinische Studien bislang keinen Unterschied im Outcome zwischen volumen- (VCV) und druckkontrollierter (PCV) Beatmung finden konnten, lassen doch physiologische Überlegungen die druckkontrollier-
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te Beatmung für die Lunge und den Gasaustausch günstiger erscheinen [18, 19]. Unter PCV tritt keine Pendelluft in der Lunge auf. Daher ist der Anteil der Totraumventilation geringer und die Ventilation homogener als unter VCV. Die effektivere CO2-Elimination unter PCV erlaubt dann, den Inspirationsdruck zu senken. Im Gegensatz zur VCV kann unter PCV der Beatmungsdruck auch bei wechselnder Atemmechanik nicht über einen eingestellten Wert ansteigen. Dagegen sind Nebenwirkungen aufgrund eines CO2-Anstiegs bei abfallendem Atemminutenvolumen unter PCV recht gering. Unter Nebenwirkungsaspekten erscheint eine PCV daher günstiger.
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Intrinsic PEEP und Beatmung mit umgekehrtem Zeitverhältnis (inverse ratio ventilation, IRV) Eine kontrollierte Beatmung erlaubt die Einstellung unphysiologischer Atemzeitmuster mit Umkehr des Inspirations- zu Exspirationsverhältnisses (I : E), das normalerweise 1 : 1,5 bis 1 : 2 beträgt. Von Inverse-ratio-Ventilation (IRV) spricht man ab einem I:E-Verhältnis von 1:1 und höher, IRV lässt sich volumenkontrolliert (VC-IRV) und druckkontrolliert (PC-IRV) einstellen [82]. Durch eine IRV kann der Gasaustausch verbessert werden [143], wobei zwischen VC-IRV und PC-IRV und verschiedenen Mechanismen der Gasaustauschverbesserung unterschieden werden muss. Ganz allgemein wird durch eine Verlängerung der Inspiration der Atemwegsmitteldruck erhöht und dadurch die Oxygenierung verbessert [83, 84]. Allerdings ist hierzu anzumerken, dass der gleiche Oxygenierungseffekt auch mit einer PEEP-Beatmung mit normalem I:E und entsprechendem Atemwegsmitteldruck erreicht werden kann. Da der Atemwegsmitteldruck auch die maßgebliche Determinante des venösen Rückflusses ist, sind auch die Kreislauf(neben)wirkungen vergleichbar. Unter IRV, besonders unter PC-IRV, wird allerdings die ventilatorische Verteilung und die CO2-Elimination verbessert [161]. Dies kann zur Reduktion des Ventilationsdrucks genutzt werden und damit die druckbedingten Nebenwirkungen der Beatmung verringern.
Ein anderer Effekt von IRV ist abhängig von der verkürzten Exspirationszeit. Ist diese entsprechend kurz genug, wird die völlige Entleerung des Lungenvolumens und hier besonders des Volumens von Lungenarealen mit langsamer Zeitkonstante verhindert. In diesen Arealen (slow compartments) kommt es zur Ausbildung eines sog. intrinsic PEEP (PEEPi), der zur Rekrutierung dieser Alveolarbezirke beiträgt. Die Abhängigkeit des PEEPi von der regionalen Zeitkonstante der Lunge erklärt dessen regionale selektive Höhe im Gegensatz zu einem externen PEEP, der in der gesamtem Lunge gleich hoch ist. Es muss aber bei wechselnden Zeitkonstanten oder aber auch bei extrem kurzen Exspirationszeiten beachtet werden, dass ein hoher PEEPi ( also ein hoher intrathorakaler Druck) die gleiche Kreislaufdepression wie ein externer PEEP verursachen kann. Auch kann ein fixes Hubvolumen bei volumenkonstanter Beatmung zu hohen Atemwegsdrücken und konsekutiv zu einem Barotrauma führen. Eine Rekrutierung größerer kollabierter Alveolarbezirke mit Hilfe des PEEPi ist allerdings oft erst nach Stunden zu erwarten. Auch hier sind daher Änderungen in Schritten mit ausreichend langer Kontrollphase notwendig. Die gebräuchliche Definition von IRV lediglich über die Angabe des Atemzeitverhältnisses allein führt immer wieder zu Missverständnissen im Hinblick auf den intrinsischen PEEP. Eine unvoIlständige Exspiration (und nur diese führt zu einer Erhöhung des Lungenvolumens mit einem PEEPi) wird determiniert durch das Verhältnis von atemmechanischer Zeitkonstante τ (= Resistance mal Compliance) und der definitiven Exspirationszeit. Um die Exspiration bei kurzem τ (wie bei ALV üblich) vorzeitig zu beenden, muss also auch die Exspirationszeit kurz genug sein. Diese wird aber neben dem I:E-Verhältnis auch durch die Atemfrequenz bestimmt. Eine Exspirationszeit von über 2 s bei ALV führt bei moderatem Atemhubvolumen nur selten zu einem PEEPi. Prinzipiell sollte der PEEPi zur Optimierung der Beatmungseinstellung gemessen und überwacht werden. Ein endexspiratorisches Okklusionsmanöver zur Bestimmung des PEEPi ist gegenwärtig allerdings nicht bei allen Respiratoren verfügbar. Beim Siemens Servo 900 C und Sie-
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mens Servo 300 ist es als sog. manueller endexspiratorischer Hold inkorporiert, für die DrägerRespiratoren ist eine optionale Software erhältlich, die nach Anwahl automatisiert ein endexspiratorisches Okklusionsmanöver ausführt und den PEEPi misst. Eine andere, allerdings nur qualitative Möglichkeit, den PEEPi zu verifizieren, ist die Kontrolle der exspiratorischen Gasflusskurve. Das Auftreten eines sog. endexspiratorischen Restflusses ist pathognomonisch für eine unvollständige Exspiration und somit für einen PEEPi. Je nach Intention, ob mit oder ohne PEEPi beatmet werden soll, kann daher unter Beobachtung der Exspirationsflusskurve die Exspirationszeit bzw. das VT variiert werden, bis die gewünschte Einstellung erreicht ist. Allerdings muss hierzu eine graphische Darstellung der Gasflusskurven auf einem Monitor möglich sein. Eine IRV-Beatmung ohne Kontrolle des PEEPi ist wegen der potentiell gefährlichen Nebenwirkungen obsolet. Um ein Barotrauma durch alveoläre Überblähung zu vermeiden, ist bei IRV-Beatmung ein druckkontrollierter (bzw. drucklimitierter) Beatmungsmodus einem volumenkonstanten unbedingt vorzuziehen. Ernüchternd muss jedoch festgestellt werden, dass trotz all der aufgeführten theoretischen Vorteile bisher der klinische Beweis fehlt, dass IRV mit oder ohne intrinsischen PEEP einer PEEP-Beatmung mit normalem I:E-Verhältnis und vergleichbarem Atemwegsmitteldruck überlegen ist [143]. Ein besonderer Nachteil von IRV ist die notwendige Unterdrückung der Spontanatmungsaktivität, um ein gefährliches und anstrengendes Gegenatmen des Patienten zu verhindern.
Beatmung bei erhaltener Spontanatmung Wenn keine zwingende Indikation für eine kontrollierte Beatmung besteht, sollte die Spontanatmung erhaIten bleiben und assistierende Beatmungsformen eingesetzt werden. Hierzu gehören z. B. pressure support ventilation (PSV), intermittent mandatory ventilation bzw. synchronised intermittent mandatory ventilation (IMV/SIMV) oder biphasic positive airway pressure (BIPAP)
12
[12]. Mit diesen augmentierenden Beatmungsformen kann der Anteil der Maschinenbeatmung abgestuft dosiert werden.
Pressure support ventilation (PSV) Bei PSV muss bedacht werden, dass allein zur Überwindung des zusätzlichen Tubuswiderstands eine inspiratorische Druckunterstützung von etwa 8 cm H2O notwendig ist. Erst darüberliegende Werte entlasten die insuffiziente Atemmuskulatur. Der inspiratorische Hilfsdruck wird so eingestellt, dass die Atemfrequenz zwischen 20–30 Atemzügen/min und das VT bei 10 ml/kgKG liegt. Ist die Druckunterstützung zu hoch eingestellt, wird der Atemzug vom Patienten nur noch getriggert. Die eigentliche Inspiration wird dann allein vom Respirator wie bei druckkontrollierter Beatmung durchgeführt. In der Praxis wird bei PSV ein PEEP von 5-10 cm H2O mit einem zusätzlichen inspiratorischen Hilfsdruck zwischen 8 und 20 cm H2O eingestellt. Sind darüber hinausgehende Drücke notwendig, wird man sich für eine andere Beatmungsform entscheiden müssen. PSV lässt sich mit CPAP, (S)IMV oder mit BIPAP kombinieren.
Intermittent mandatory ventilation (IMV/SIMV) Bei (S)IMV kann der Patient zwischen maschinell eingestellten Atemzügen spontan atmen. Diese Spontanatmung kann auch durch PSV unterstützt werden. Für eine spontane Atmung muss aber die Zeit zwischen den maschinellen Atemzügen auch ausreichend lang sein. (S)IMV-Frequenzen über 20 Atemzüge/min sind daher nicht sinnvoll, meist liegt die (S)IMV-Frequenz zwischen 5 und 15 Atemzügen/min. Des Weiteren darf die Inspirationsdauer nicht zu lang sein. Dies erfordert einen entsprechend hoch eingestellten Inspirationsfluss. Es ist unsinnig, (S)IMV mit einem inversen Zeitmuster (s. oben: IRV, S. 370f) einzustellen. Ein dezelerierendes Flussmuster oder ein druckkontrollierter maschineller Atemzug, der eine Beeinflussung des Inspirationsvolumens erlaubt, wird subjektiv besser toleriert als ein konstanter Gasfluss.
Biphasic positive airway pressure (BIPAP) Mit der druckorientierten Beatmungsform des BIPAP [12] kann fast jede Beatmungsform durch
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
Variation des CPAP-Niveaus und der jeweiligen Zeiten dieser Niveaus imitiert werden [142]. Die technische Realisierung ist als Continuous-flowSystem oder, z. B. in einen Respirator inkorporiert (z. B. EVITA, Fa. Dräger), als Demandventilsystem möglich. Im Gegensatz zur druckkontrollierten Beatmung ist BIPAP jedoch eine druckgeregelte Beatmung. Während bei PCV ein spontanes Ausatmen während der maschinellen Inspirationsphase nicht möglich ist und nur den Druck erhöhen würde, ist unter BIPAP das System offen, und eine Exspiration ist immer möglich. Das heißt, der Patient kann (muss aber nicht) auf jedem Niveau spontan zusätzlich atmen. Er kann atmen wie er will und er wird gleichzeitig beatmet, wie der Respirator soll. Die Variationsmöglichkeit dieser Beatmungsform erschwert auf den ersten Blick das Verständnis. Daher ist es wichtig, zusammen mit dem Begriff BIPAP auch immer anzugeben, wie BIPAP eingestellt ist (d. h. welcher konventionelle Modus imitiert wird). So ist eine BIPAP-Einstellung, die ähnlich einer PCV mit konventionellem I:E-Verhältnis ist, völlig anders zu beurteilen, als eine Airway-pressure-release-ventilation-Einstellung (s. unten). Man kann verschiedene BIPAP-Einstellungen voneinander abgrenzen, die sich hauptsächlich durch die Zeitmuster und den Anteil der Spontanatmung des Patienten unterscheiden (. Übersicht 12-2) [142]. Letztendlich sind aber die Übergänge fließend. Durch diese zusätzliche Spontanatmung wird einerseits der venöse Rückfluss verbessert, was im Hinblick auf die Perfusion günstig ist, andererseits lässt sich der Atemwegspitzendruck senken, was im Hinblick auf ein Barotrauma der Lunge von Vorteil ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass unter BIPAP in der Regel auch die Sedierung geringer als unter SIMV oder PCV sein kann [123]. Dieser Unterschied wird besonders bei PC-IRV deutlich. Daher können Nebenwirkungen einer tiefen Sedierung, wie z. B. Kreislaufdepression, Darmmotilitätsprobleme usw. vermieden werden.
Airway pressure release ventilation (APRV) Innerhalb eines maximal verfügbaren Druckbereichs, der sich aus der Druck-Volumen-Kurve ergibt, stehen unter konventioneller Beatmung PEEP bzw. CPAP (zur Erhöhung des Lungenvolu-
mens bzw. zur Oxygenierungsverbesserung) und die phasische inspiratorische Druckerhöhung (zur Ventilationsunterstützung bzw. CO2-Elimination) in gewisser Konkurrenz zueinander (vgl. . Abb. 12-5). Dieses Dilemma wird bei der Airway-pressure-release-Ventilation vermieden. Hier wird das Atemzugvolumen nicht auf einen CPAP hinzuaddiert, sondern durch phasische Druckentlastung von einem höheren CPAP-Niveau auf ein niedrigeres realisiert (Drucknachlassbeatmung) [32].
. Übersicht 12-2.
Unterschiedliche Einstellungen von BIPAP (aus 142) 5 CMV-BIPAP: hier liegt eine rein zeitgesteuerte, druckkontrollierte Beatmung ohne Spontanatmungsaktivität des Patienten vor. 5 IMV-BIPAP: Das obere CPAP-Niveau (Phigh) ist kürzer als das untere CPAP-Niveau (Plow). Hier atmet der Patient nur auf dem unteren Niveau spontan. Wenn allerdings Spontanatmung vorhanden ist, erfolgt in der Praxis meist auch eine mehr oder weniger synchrone spontane Inspiration, zusammen mit dem Wechsel von Plow zu Phigh (= maschinelle Inspiration). Aufgrund der kurzen Dauer von Phigh fehlt jedoch eine spontane Exspiration auf diesem oberen CPAP-Niveau. Eine typische Einstellung für IMW-BIPAP ist z. B. Thigh 1–2 s; Tlow 4–8 s (= IMV-Frequenz zwischen 6 und 12 Beatmungsschübe/min); Plow 5 cmH2O und Phigh 10-20 cmH2O über Plow, abhängig vom resultierenden VT. 5 APRV oder IRV-BIPAP: das obere CPAPNiveau (Phigh) ist länger als das untere CPAP-Niveau (Plow). In der Regel ist Plow wesentlich kürzer als 2 s (0,5–1,5 s). In diesem Fall ist Spontanatmung nur auf dem hohen CPAP-Niveau zu registrieren (plow ist zu kurz!). Aber auch hier wird der Wechsel von Plow zu Phigh meist von einer spontanen Inspiration verstärkt. Eine typische Einstellung für APRV-BIPAP ist 6
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z. B. Thigh 2–6 s; Tlow 0,5–1,5 s (= APRVFrequenz zwischen 8 und 24/min); Plow 5 cmH2O und Phigh 15–25 cmH2O über Plow, abhängigig vom resultierenden VT. Eigentlicher (genuiner) BIPAP: das obere CPAP-Niveau (Phigh) ist etwa gleich lang wie das untere CPAP-Niveau, sodass Spontanatmung auf beiden CPAP-Niveaus auftritt. Typisches Beispiel einer genuinen BIPAP-Einstellung ist z. B. Thigh 3–6 s; Tlow 3–6 s (= BIPAP-Frequenz zwischen 5 und 10 Beatmungsschüben/min); Plow 5–10 cmH2O und Phigh 10–15 cmH2O über Plow, abhängig vom resultierenden VT. CPAP: bei dieser »extremen« Einstellung von BIPAP sind Plow und Phigh identisch. Daher spielen die entsprechenden Zeiten (Tlow und Thigh) keine Rolle mehr. BIPAP mit zusätzlicher Pressure-supportVentilation auf dem unteren CPAP-Niveau (nur in EVITA 2): hier kann – wie bei klassischem SIMV – bei entsprechend langen unterem CPAP-Niveau eine Druckunterstützung als zusätzliche Ventilationshilfe eingestellt werden. IMPRV (»intermittent mandatory pressure release ventilation«) ist eine etwas später entwickelte Abwandlung des BIPAP, bei der jeder spontane Atemzug auf beidenCPAP-Niveaus mit zusätzlicher, leichter Druckunterstützung augmentiert wird. Letztendlich wird damit aber wieder der Atemwegsdruck weiter angehoben. Diese Form von BIPAP ist z. Z. nur im CESAR-Ventilator bzw. in ähnlicher Form im Bennett 840 inkorporiert (Phigh oberes Druckniveau, Thigh Zeit des oberen Druckniveaus in Sekunden; Plow unteres Druckniveau, Tlow Zeit des unteren Druckniveaus in Sekunden.
Ohne Spontanatmung gleicht APRV einer konventionellen druckkontrollierten Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis (PC-IRV). Das grundsätzlich Neue ist jedoch auch hier die Möglichkeit der unabhängigen, zusätzlich möglichen
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Spontanatmung während des gesamten maschinellen Beatmungszyklus. Erst die zusätzliche Spontanatmung erlaubt die Reduktion des zur Ventilation notwendigen Anteils des Beatmungsdrucks. Dadurch kann jetzt das obere Druckniveau auf den für das alveoläre Recruitment notwendigen Druck höher als ein PEEP unter konventioneller Beatmung ausgerichtet werden. Dieses eingestellte obere Druckniveau ist dann, abgesehen von den geringen Schwankungen aufgrund der Spontanatmungsaktivität, immer auch der maximale Beatmungsdruck. APRV sollte nicht mit BIPAP gleichgestellt oder verwechselt werden. Während BIPAP ein Oberbegriff für viele verschiedene Beatmungseinstellungen ist, ist APRV nur eine spezielle Beatmungsform, die technisch mit BIPAP realisiert werden kann. Zudem solIte nur dann von APRV gesprochen werden, wenn unter dieser Beatmungsform auch zusätzlich Spontanatmung vorhanden ist. APRV wurde anfangs für ein leichteres bis mittelschweres Lungenversagen empfohlen [138]. Nach unseren Erfahrungen ist es jedoch ebenfalls bei den hochgradig restriktiven Lungenveränderungen des schweren akuten Lungenversagens erstaunlich effektiv [114, 117, 144]. Die Einstellung des Druckniveaus ist abhängig von der Ausprägung des ALV: je nach Schwere wird es anfangs bei 25–35 cm H2O liegen und etwa 2,5–4 s andauern. Das lange obere Druckniveau hält dann die nach und nach eröffneten Alveolen weiter offen. Da nach dem La-Place-Gesetz zum Offenhalten ein geringerer Druck notwendig ist als zum Eröffnen kollabierter Alveolen, kann zudem noch nach einiger Zeit mit zunehmendem Recruitment das obere Druckniveau unter APRV gesenkt werden, ohne die Oxygenierung dadurch zu verschlechtern [144]. Die Ventilation wird mit kurzen Drucknachlasszeiten unterstützt.Anders als Downs et al. [32] arbeiten wir mit Drucknachlasszeiten von 1 s und weniger. Es konnte allerdings nachgewiesen werden, dass die alveolären Verschlusszeiten in geschädigten Lungen noch kürzer sind als bislang vermutet [101, 102].
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Praxistipp APRV hat gegenüber konventionellen Beatmungsmodi nur dann Vorteile für den Gasaustausch und die Perfusion, wenn ein ausreichender Anteil von Spontanatmung vorhanden ist [144]. Nach unseren Erfahrungen braucht das alveoIäre Recruitment durch Spontanatmung unter APRV allerdings einige Stunden Zeit [144]. Dann kann man aber meistens erstaunliche Verbesserungen der Lungenfunktion sehen. Dieser Effekt der Spontanatmung ist beispielhaft in . Abb. 12-7 bei einem Patienten mit ALV anhand von Thorax-CT-Befunden dargestellt. Zusätzlich ist durch die Spontanatmung unter APRV (negativer intrathorakaler Druck während der Inspiration und verbesserter venöser Rückfluss) das HZV höher als unter kontrollierter Beatmung mit gleichem Atemwegsdruck.
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Zusätzliche Strategien zur Reduktion des Beatmungstraumas und Verbesserung des Gasaustausches Rekrutierungsmanöver Die Eröffnung von kollabierten Alveolen durch zeitweise Erhöhung des Beatmungsdrucks wurde schon seit langem versucht. Zeitweise interponierte besonders große Tidalvolumina (sog. Seufzer) oder eine regelmäßige Anhebung des PEEPNiveaus (sog. PEEP-Welle) haben sich nicht bewährt. Jüngst wurde ein Rekrutierungsmanöver durch kurzfristige Erhöhung des endinspiratorischen Druckes auf Werte bis zeitweilig 80 cm H2O vorgeschlagen [38]. In Kombination mit den Prinzipien des »Open-lung«-Konzepts (hoher PEEP, niedriges Volumen) lässt sich damit die Oxygenierung offenbar deutlich verbessern. Ein überzeugender Nachweis durch kontrollierte Studien fehlt bislang allerdings. Ein positiver Effekt auf das Überleben ist noch völlig unbewiesen. Andererseits ist die Anwendung solch hoher Drücke häufig mit einer drastischen Reduktion des venösen Rückflusses und als Folge mit einer erheblichen Verminderung des Herzzeitvolumens verbunden. Daher dürfen solche »Rekrutierungsmanöver« nur unter adäquater Volumenzufuhr und unter kontinuierlicher Kreislaufüberwachung (invasive Blutdruckmessung obligat!) im Beisein des Arztes erfolgen. Bei hämadynamisch instabilen Patienten oder bei Patienten mit erhöhtem Hirndruck ist äußerste Vorsicht angezeigt.
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Permissive Hyperkapnie
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Wenn aufgrund der Gasaustauschstörungen ein hoher PEEP angewendet werden muss, sollte man den zur Ventilation notwendigen Druck reduzieren, um zu hohe Beatmungsdrücke (>35 cm H2O) über längere Zeit zu vermeiden. Dieses kann nur auf Kosten der alveolären Ventilation gehen. Es hat sich aber gezeigt, dass eine gewisse Hypoventilation mit Hyperkapnie (pCO2 bis 80 mmHg, u. U. auch höher = Permissive Hyperkapnie) durchaus gut toleriert wird [59] (. Übersicht bei [16]). Wird
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. Abb. 12-7. Thorax-CT bei ALV in Rückenlage nach etwa 36 h APRV-Beatmung mit erhaltener Spontanatmung nach primärer kontrollierter Beatmung. Deutlich ist die beidseitige Wiederbelüftung der basalen Lungenabschnitte im Vergleich zum Vorbefund (. Abb. 12-2b, S. 361) zu erkennen. Dieses Recruitment konnte ohne Lagetherapie in Rückenlage allein durch zusätzliche Spontanatmung unter APRV erreicht werden (FIO2 0,3; paO2 83 mmHg)
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ein Anstieg des arteriellen pCO2 von 40 auf 80 mmHg akzeptiert, so lässt sich bei gleicher CO2EIimination die Ventilation auf 50 % reduzieren [107]. Eine Pufferung der Azidose ist meist nicht erforderlich, da sie im weiteren Verlauf durch renale Bikarbonatretention kompensiert wird. Als einzige absolute Kontraindikationen für eine permissive Hyperkapnie gelten ein erhöhter intrazerebraler Druck und zerebrale Perfusionsstörungen, die durch ein erhöhtes CO2 verschlechtert werden. Relative Kontraindikationen sind eine unkorrigierte schwere metabolische Azidose und evtl. eine Kreislauftherapie mit sympathoadrenergen Substanzen. Die Grenze der Hypoventilation wird meist durch das Herz-Kreislauf-System bestimmt; daher ist hier eine lückenlose Herz-Kreislaufüberwachung besonders wichtig.
Seitengetrennte Beatmung bei unilateraler Lungenschädigung Bei ausgeprägt einseitigen Lungenveränderungen (insbesondere bei einseitigem bronchopleuralem Leck) kann die seitengetrennte Beatmung über einen Doppellumentubus notwendig werden. Sie ermöglicht eine sorgfältige Anpassung (PEEP, Hubvolumen, Atemwegsdruck) an die jeweiligen Bedingungen der beiden Lungen [157]. Bei Verwendung von 2 Beatmungsgeräten ist eine Synchronisation beider Respiratoren nicht notwendig. Auch kann auf eine Lunge nur ein CPAP ohne maschinelle Ventilation appliziert werden, während die kontralaterale Lunge regulär beatmet wird. Die nicht zu unterschätzende Gefahr einer Dislokation ist bei Verwendung einer doppellumigen Trachealkanüle über ein Tacheostoma geringer als beim endotrachealen Tubus. Die Bronchialtoilette ist über die doppellumigen Kanülen und Tuben wegen ihrer geringeren Innendurchmesser leider deutlich erschwert.
Verbesserung der Oxygenierung durch Bauchlage Schon in den 70er Jahren wurde auf eine Verbesserung der Oxygenierung bei ALV durch extreme
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Lagerungstechniken hingewiesen [110]. Durch CTUntersuchungen wurde später dann nachgewiesen, dass die in Rückenlage vorwiegend dorsalen Atelektasen durch Lageveränderung in die Bauchlage deutlich geringer wurden. Dafür traten vermehrt luftverminderte Lungenareale in den nun unten liegenden ventralen Lungenbereichen auf [51] (. Abb. 12-8). Dabei besserte sich bei etwa zwei Drittel der Patienten (sog. »responder«) die Oxygenierung [106], was durch eine Reihe von Untersuchern bestätigt werden konnte; allerdings ergab eine erste multizentrische Studie daraus keine Senkung der Letalität [53]. Als Ursachen der Oxygenierungsverbesserung werden neben Änderungen des hydrostatischen Drucks sowie FRC-Erhöhung Umverteilungen der Ventilation und Perfusion diskutiert (. Übersicht bei [17]). Über die Frage, warum nur ein Teil der Patienten mit ALV mit einem paO2-Anstieg unter Bauchlage reagiert, kann nur spekuliert werden. Bisher sind keine sicheren Prädiktoren zur Identifikation von Bauchlagerespondern bekannt. Erfahrungsgemäß ist während der frühen, exsudativen Phase des ALV eher mit einem positiven Effekt zu rechnen als in der späten Phase, wenn das Lungengewebe fibrotisch umgebaut ist. Daneben nimmt der positive Effekt auf die Oxygenierung nach mehrmaligen Bauchlagephasen auch bei sog. Respondern ab, die primär mit einer Oxygenierungsverbesserung reagiert hatten. Dies lässt sich so interpretieren, dass dann das momentane Rekrutierungsmaximum erreicht wurde und sich keine weitere Verbesserung erreichen lässt. Das bedeutet aber, dass eine Bauchlagetherapie immer individuell ausprobiert werden muss. Allerdings sollte man auch mit z. T. schweren Kreislaufproblemen durch die Lageveränderung rechnen. Diese treten aber in der Regel während oder kurz nach dem Lagewechsel auf, sodass im FaIl eines stabilen Kreislaufs während der frühen Bauchlagephase nur sehr selten noch spätere Kreislaufprobleme zu erwarten sind. Aufgrund eigener Erfahrungen wird die Gesamtcompliance des respiratorischen Systems (vermutlich die Thoraxwandcompliance) in Bauchlage oft reduziert, was bei gleicher Einstellung einer druckkontrollierten Beatmung zu einer Verminderung der Ventilation führt. Wenn eine Bauchlagetherapie in speziellen
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
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. Abb. 12-8a,b. Thorax-CT eines ARDS-Patienten in Rückenlage (a) und Bauchlage (b). Deutlich sind die atelektatischen Bereiche in den jeweils gravitationsabhängigen Lungenpartien zu erkennen. Durch Wechsel in die Bauchlage kommt es zu einer Umverteilung der Ventilation in die jetzt oben liegenden dorsalen Lungenabschnitte und zu einer Oxygenierungsverbesserung. (Die Aufnahmen wurden freundlicherweise von Herrn Priv.-Doz. Dr. D. Pappert, Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam, zur Verfügung gestellt)
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Fällen nicht durchführbar ist (z. B. wegen Extensionen oder großen Abdominalwunden), kann eine Lagerungstherapie in einem speziellen Schwenkbett eine Alternative sein. Da hier aber nur eine Halbseitenlage bis maximal 60° möglich ist, sollte, wann immer möglich, der Bauchlage der Vorzug gegeben werden.
Trachealgasinsufflation Die Trachealgasinsufflation (TGI) ist eine neue, experimentelle Form zur Verbesserung der CO2-
Elimination bei der Beatmung [98, 99]. Durch einen in der Trachea liegenden Katheter oder ein dünnes, zweites Lumen des Trachealtubus wird zusätzlich zur normalen Ventilation Gas in die Atemwege geleitet. Hierdurch wird der serielle Totraum (genauer: die oberen Atemwege) während der Exspiration mit CO2-freiem Gas ausgespült. Dieses frische Gas steht dann hier in den Atemwegen für die nächste Inspiration bereit. Somit wird der Anteil der Totraumventilation reduziert, und es kann bei gleicher CO2-Eliminationskapazität der Druckanteil für die Ventilation gesenkt werden [124]. TGI ist um so effektiver, je höher der Totraumanteil der Ventilation und je höher die alveoläre CO2-Konzentration ist. Daher kann man erwarten, dass bei ARDS mit hoher Totraumventilation und erhöhtem paCO2 (z. B. bei sog. permissiver Hyperkapnie) die CO2-Elimination durch TGI besonders gut unterstützt wird. Des Weiteren ist die Wirkung von TGI abhängig vom zusätzlichen Gasfluss und der Position des Katheters in den Atemwegen: je höher der Fluss und je tiefer der Katheter in der Trachea, desto besser der Effekt. Die somit mögliche Reduktion des periodischen Drucks für die Ventilation reduziert das Dehnungstrauma der Beatmung [98]. Gegebenenfalls kann sogar der PEEP angehoben und dadurch ein besseres alveolares Recruitment erreicht werden. Die vielversprechenden Ergebnisse experimenteller Untersuchungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass z. Z. noch kein Equipment im Handel ist, mit dem TGI durchgeführt werden könnte. Als noch nicht hinreichend gelöste Probleme von TGI zählen eine ausreichende Anfeuchtung des Zusatzgasflusses und ein sicheres Monitoring des Beatmungsdrucks, der durch den zusätzlichen intratrachealen Gasfluss unkontrolliert ansteigen könnte.
Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) Der Gedanke, die insuffiziente Lunge ruhig zu stellen und einen wesentlichen Anteil des Gasaustausches über eine extrakorporale Membranlunge zu übernehmen, ist faszinierend, allerdings metho-
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disch sehr aufwendig. Der wesentliche therapeutische Ansatz besteht darin, die iatrogenen Risiken (z. B. Beatmungstrauma durch maximale Beatmung) zu reduzieren und trotz schwerster Gasaustauschstörung die Oxygenierung sicherzustellen. Die Phase des Lungenversagens wird damit überbrückt und Zeit für die Heilung der Grundkrankheit gewonnen. Die klassische ECMO wird arteriovenös durchgeführt und hat heutzutage in dieser Form nur noch in der pädiatrischen und neonatologischen Intensivmedizin praktische Bedeutung. Dagegen wird bei Erwachsenen seit Anfang der 80er Jahre ein modifiziertes Verfahren angewendet, bei dem die Oxygenierung weiterhin vorwiegend über die Lunge durch eine druckbegrenzte Beatmung mit nur wenigen Atemzügen aufrecht erhalten wird, während CO2 extrakorporal über einen venovenösen Bypass eliminiert wird (ECCO2R, extracorporeal CO2 removal) [52]. Dieses Vorgehen erlaubt eine deutliche Reduktion des extrakorporalen Blutflusses. Neben einigen wichtigen technischen Verbesserungen (z. B. heparinisiertes Schlauchsystem) wird diese Modifizierung als eine der Hauptursachen der Reduktion der anfänglich sehr hohen Komplikationsrate und Mortalität (bis 90 % [160]) der mit ECMO bzw. ECCO2R therapierten Patienten angesehen. Heutige Überlebensraten von etwa 50 % erscheinen angesichts der Schwere der behandelten Fälle beachtlich [76, 139]. ! Es gibt allerdings bisIang keinen wissenschaft-
lichen Beweis, dass durch ECMO bzw. ECCO2R die Letalität des ARDS reduziert werden kann. Zwar konnte in der einzigen neueren prospektiven, randomisierten Studie [95] eine geringere Letalität unter ECMO (33 %) gegenüber der alten Studie [160] von 1979 festgestellt werden, aber es konnte kein Unterschied zur Kontrollgruppe ohne ECMO gefunden werden. ECMO ist eine Therapie, die nicht nur sehr spezielles Wissen und Erfahrung voraussetzt, sondern aufgrund des hohen apparativen und personellen Aufwands zudem auch noch sehr teuer ist. Daher bleibt dieses aufwendige Verfahren nur einigen wenigen Zentren vorbehalten. Jedoch ist selbst ein interhospitaler Transport unter laufender ECMO möglich [131]. Da das Verfahren lediglich eine überbrückende Maßnahme sein kann,
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muss die Grundkrankheit in der Zwischenzeit saniert werden können. Infolgedessen gibt es für das Verfahren eine Reihe von Kontraindikationen (. Übersicht 12-3), zu denen wegen der Antikoagulation auch akute schwere Blutungen gerechnet werden müssen.
Flüssigkeitsventilation mit Perfluorcarbonen Flüssigkeitsventilation ist eine neue, experimentelle Beatmungsform (Übersicht bei [118, 128]). Sie kann als totale (total liquid ventilation, TLV) oder partielle (partial liquid ventilation, PLV) Flüssigkeitsventilation durchgeführt werden. Anstelle von Gas werden bei TLV bzw. PLV Perfluorcarbone als flüssige Transportmedien für O2 und CO2 in den Alveolen und den Atemwegen für den Gasaustausch genutzt. Perfluorcarbone reduzieren wie auch Surfactant die Oberflächenspannung der alveolären Membran und erleichtern über eine Verbesserung der Compliance das alveoläre Recruitment. Eine Reduktion der Oberflächenspannung wird durch Ausschaltung der Gas-FlüssigkeitsOberfläche erreicht, indem das intraalveoläre Gas durch Perfluorcarbone ersetzt wird. Daneben haben Perfluorcarbone aber auch andere interessante physikochemische Eigenschaften: sie besitzen eine hohe Löslichkeit für O2 und CO2 und ein hohes spezifisches Gewicht, sie sind inert und wasserunlöslich und werden kaum resorbiert.
. Übersicht 12-3.
Kontraindikationen für »extracorporeal lung assistence«, ELA 5 akute, schwere Blutung, 5 hypoxischer Hirnschaden, 5 chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen im Finalstadium, 5 große Lungenparemchymfistel, 5 fortgeschrittene Lungenfibrose, 5 kardiales Lungenödem, 5 infauste Prognose des Grundleidens.
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
Bei TLV wird der gesamte O2- und CO2-Transport in den Atemwegen inklusive der zuführenden Systeme (Respirator- und Schlauchsysteme) ausschließlich mit Perfluorcarbon verwirklicht. Dies erfordert spezielle Respiratoren und ist aufgrund der hohen viskösen Widerstände bei der Flüssigkeitsverschiebung in den Atemwegen extrem schwierig zu realisieren. Dagegen wird bei PLV nur die FRC teilweise oder ganz mit Perfluorcarbonen aufgefüllt (ca. 10–30 ml/kgKG) und die Ventilation (d. h. Frischgaszufuhr und CO2-Abtransport) mit einem konventionellen Respirator durchgeführt. Dadurch werden die Probleme der TLV umgangen, ohne die Vorteile der Perfluorcarbone aufzugeben. Unter PLV verteilen sich aufgrund des hohen spezifischen Gewichtes die Perfluorcarbone vorwiegend in den schwerkraftabhängigen Lungenabschnitten, wo auch der Alveolarkollaps dominiert. In diesen basalen Arealen herrscht dann auch vorwiegend Flüssigkeitsventilation vor, während in den nichtabhängigen Lungenpartien Gasventilation überwiegt. Die geringere Oberflächenspannung an den alveolären Membranen durch Perfluorcarbone in den abhängigen Lungenpartien erleichtert hier das Recruitment. Somit wird die Perfusion in Bereiche umverteilt, die am Gasaustausch teilnehmen. Ein weiterer interessanter Ansatz ist die Verteilung der Perfluorcarbone als Aerosol [120]. ! Zurzeit sind PLV und besonders TLV experi-
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mentelle Therapien, die nur in wenigen Zentren im Rahmen von wissenschaftlichen Studien betrieben werden. Einschränkend muss gesagt werden, dass die sehr ermutigenden Ergebnisse aus Tierversuchen sich am Menschen nicht so eindeutig bestätigt haben. Ähnlich wie bei NO (s. u.) geht man inzwischen von einer Responderrate um 70 % aus. Einen ersten Rückschlag hat diese Therapieform kürzlich bekommen, da die erste multizentrische klinische Studie von PLV keine Verbesserung der Letalität in der Behandlungsgruppe aufweisen konnte.
Medikamentöse Therapie zur Verbesserung des Gasaustausches Inhalation von Stickstoffmonoxid (NO) Im akuten Lungenversagen ist die pulmonale Vasokonstriktion sehr ausgeprägt; sie beeinträchtigt den Gasaustausch der noch ventilierten Alveolareinheiten. Daneben ist die hypoxisch-pulmonale Vasokonstriktion durch die Entzündungsreaktion der Lunge beeinträchtigt, sodass die Perfusion in nicht-ventilierten Arealen nicht ausreichend reduziert werden kann (Anstieg des pulmonalen Rechts-links-Shunts). Das gut diffusible Gas NO ist in kleinsten Dosen ein wirksamer Vasodilatator, das über Inhalation direkt an die Alveolen herangebracht werden kann. Durch diesen Applikationsweg kommt es nur an den Kapillaren der ventilierten Alveolen zur Wirkung. Hier senkt es den Gefäßwiderstand durch Relaxierung der glatten Gefäßmuskulatur über eine intrazelluläre Erhöhung von zyklischem 3′,5′-Guanosinmonophosphat (s. auch [54]). Folglich wird die Perfusion in diesen gut ventilierten Lungenarealen verbessert, was letztlich eine Reduktion des Shuntanteils bewirkt. Die Wirkung von NO ist lokal begrenzt, da es bei Kontakt mit Hämoglobin sofort gebunden und inaktiviert wird. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber einer systemischen Gabe von (pulmonalen) Vasodilatatoren, wie z. B. Nitroglycerin oder intravenösem Prostacyclin, da durch diese auch der Blutfluss zu Shuntarealen gesteigert wird. Auch kommt es durch inhalatives NO zu keiner systemischen Wirkung (. Abb. 12-9) NO ist in höheren Dosen toxisch, es kann u. a. eine Methämoglobinämie entstehen und in Abhängigkeit vom Kontakt mit Sauerstoff NO2 gebildet werden. Daher muss sehr sorgfältig dosiert und ein Konzentrationsmonitoring durchgeführt werden (Übersicht bei [21]). Nachdem anfangs mit Dosierungen zwischen 40 und 80 ppm (parts per million) gearbeitet worden war, konnten Untersuchungen zur Dosis-Wirkungs-Beziehung beim Menschen zeigen, dass bereits Konzentrationen um 0,1 ppm, wie sie letztendlich auch in der Umgebungsluft gemessen werden, einen nachweisbaren Effekt auf die Oxygenierung hatten. Die günstigste Dosis-Wirkungs-Relation für die Oxygenie-
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. Abb.12-9. Wirkung von inhalativem NO im Vergleich zu systemisch wirksamen Vasodilatotoren. NO führt zu einer selektiven pulmonalen Vasodilatation in ventilierten Lungenarealen; der pulmonalarterielle Druck und der intrapulmonale Shunt fallen ab. Durch die schnelle Inaktivierung von NO in der Blutbahn über Bindung an Hämoglobin wird weder der systemische vaskuläre Widerstand noch der pulmonalvaskuläre Widerstand der nichtventilierten Lungenanteile beeinflusst. Im Gegensatz dazu dilatieren systemisch verabreichte Vasodilatotoren sowohl das systemische wie auch das gesamte pulmonale Gefäßbett, unabhängig davon, ob es in ventilierten oder Shuntbereichen der Lunge liegt [130].
rung (ohne auf den pulmonalarteriellen Druck zu wirken) liegt individuell unterschiedlich zwischen 1 und 20 ppm [54]. Durch Kombination eines systemisch in die A. pulmonalis applizierten Vasokonstriktors (z. B. Almitrin) mit gleichzeitig inhalativ gegebenem NO lässt sich die Perfusionsverteilung noch weiter optimieren [48, 63, 79, 158]: der systemische Vasokonstriktor erhöht primär überall im Lungengefäßbett den Gefäßwiderstand. Inhaliertes NO antagonisiert die Vasokonstriktion selektiv nur in den ventilierten Arealen, während die Perfusion in Shuntareale aufgrund des dort höheren Gefäßwiderstands gedrosselt wird. Almitrine ist allerdings in Deutschland nicht als Lösung zugelassen. Bei Patienten mit MODS bzw. SIRS wäre die Reduktion der akuten pulmonalen Hypertonie zur Therapie einer Rechtsherzinsuffizienz eine andere Indikation für NO. Aufgrund der extrem kurzen Wirkdauer von NO ist bei inhalativer Zufuhr eine systemische Vasodilatation praktisch ausgeschlossen. Erste Erfahrungsberichte zeigen, dass das Ausmaß der Drucksenkung durch NO mit der Höhe des Ausgangsdrucks in der A. pulmonalis vor NO-Gabe korreliert (d. h. je höher der Druck, desto besser der Effekt). Inhalatives NO scheint bei Sepsis weniger wirksam zu sein (zumindest in
den Dosen, die bei ARDS-Patienten ohne Sepsis angewendet werden) [81]. Dies mag damit zusammenhängen, dass die allgemeine massive endogene NO-Ausschüttung im Rahmen des septischen Schocks zu einer verminderten Wirkung des exogen zugeführten NO führt. Praxistipp Aufgrund der sehr kurzen Wirkdauer von NO muss im Rahmen einer inhalativen Therapie eine kontinuierliche Zufuhr erfolgen. Mittlerweile werden die ersten kommerziellen NOZumischer kombiniert mit integriertem Monitoring dem Anwender zur Verfügung gestellt [141]. Prinzipiell ist NO ein billiges Gas, das jedoch durch die neue Verwendung im medizinischen Bereich wiederum eine nicht nachvollziehbare Preissteigerung erfahren hat. Es bleibt letztendlich abzuwarten, welchen Platz die NO-Inhalation im Rahmen der Oxygenierungstherapie bei ALV in den nächsten Jahren einnehmen wird. Erste langfristige Analysen zeigen, dass durch NO die Oxygenierung bei 60 % der Patienten mit ALV verbessert werden kann, doch weder die Mortalität noch die Anzahl der beatmungsfreien Tage verbesserten 6
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sich [31]. Die anfänglich sehr euphorischen Erwartungen sind jetzt den mehr realistischen Einschätzungen gewichen, dass NO lediglich eine weitere Möglichkeit ist, die Beatmungsinvasivität zu reduzieren und Zeit für den Heilungsprozess zu gewinnen [43].
4 Prostacyclininhalation
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Systemisch verabreichtes Prostacyclin (PGI2) reduziert sowohl den pulmonalen Gefäßwiderstand in ventilierten wie auch in Shuntarealen der Lunge und erhöht somit die Shuntdurchblutung mit entsprechender Verschlechterung der VentilationsPerfusions-Verhältnisse [119]. Dies kann die Oxygenierung beeinträchtigen. Daneben wird auch oft der systemische Gefäßwiderstand reduziert, was eine Hypotension verursachen kann. Mit einem speziellen Vernebler, der sehr kleine Aerosolpartikel erzeugt, kann PGI2 auch inhalativ zugeführt werden. Ähnlich wie bei NO-Inhalation wird auch selektiv die pulmonale Perfusion der ventilierten Lungenareale verbessert und somit der Anteil der Shuntbereiche reduziert [148, 153, 154]. Die Wirkdauer des in das Gefäßsystem diffundierenden PGI2 ist allerdings länger als von NO, sodass es neben einer Senkung des pulmanalarteriellen Drucks auch zu einer systemischen Blutdrucksenkung kommen kann. Diese könnte allerdings mit Vasokonstriktoren wieder ausgeglichen werden, was theoretisch noch einen ähnlich günstigen Effekt auf die pulmonale Perfusionsverteilung hätte wie die gleichzeitige Applikation von inhalativem NO mit systemischem Almitrin (s. oben). Gegenüber dem NO ist Prostacyclin evtl. mit geringeren Toxizitätsproblemen belastet, allerdings ist die Anpassung der Dosierung offenbar erheblich schwieriger. Ein Kostenvergleich kann derzeit zwischen beiden Substanzen noch nicht durchgeführt werden. Auch hier müssen weitere Studien den Stellenwert von PGI2 als Aerosol in der ALVTherapie definieren.
Surfactantsubstitution Aufgrund gewisser Parallelen zum kindlichen Atemnotsyndrom (IRDS), bei dem es sich im Wesentlichen um ein Surfactantmangelsyndrom handelt, wurde auch schon früh beim ARDS eine Surfactantstörung bzw. ein Mangel vermutet und auch später bestätigt (Übersicht z. B. bei [77]). Die exogene Surfactantapplikation beim IRDS konnte die Letalität deutlich senken und ist hier mittlerweile eine Standardtherapie. Dagegen liegen zur Surfactantapplikation beim ARDS bisher nur wenige, meist experimentelle Studien oder Untersuchungen mit nur wenigen Patienten vor (Übersicht in [56]). ! Eine große placebo-kontrollierte multizentrische
Studie an 725 ARDS-Patienten mit aerolisiertem synthetischen Surfactant erbrachte keine Verbesserungen der Überlebensrate, der Liegedauer auf der Intensivstation, der Beatmungsdauer oder dem pulmonalem Gasaustausch [9].
Theoretisches Ziel der Surfactanttherapie beim ALV ist die Erleichterung des alveolären Recruitments durch Reduktion der Oberflächenspannung. Dadurch wird die Compliance der Lunge verbessert und der Anteil des intrapulmonalen Shunts vermindert. In der Folge können Beatmungsdruck und FIO2 reduziert werden, was letztendlich einer Verringerung der Beatmungsinvasivität (und potentiellen Barotraumatisierung) entspricht. Praxistipp Der Weg bis zu einer breiten klinischen Anwendung der Surfactantsubstitution erscheint noch weit. Die erheblichen Behandlungskosten lassen sich nur beim Nachweis eindeutiger Erfolge rechtfertigen.
Entwöhnung von der Beatmung: Weaning Während die Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz und des ARDS in der Unterstützung der insuffizienten Atemfunktionen besteht, bedeu-
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tet im Gegensatz dazu die Entwöhnung von der Beatmungstherapie (Weaning) eine schrittweise Reduktion dieser Atemhilfen (Respiratortherapie, CPAP) inclusive Reduktion der erhöhten FIO2 bis hin zur Extubation des Patienten. Die Entwöhnung hat angepasst und schrittweise zu geschehen. ! Im Gegensatz zu Patienten mit vorwiegendem
Ventilationsversagen (wie chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen) stellt bei ARDSPatienten das Weaning nicht das eigentliche Problem dar. Bei letzteren spielt das Ventilations- oder Pumpversagen eine eher untergeordnete Rolle, da meist keine ventilationserschwerenden Atemwegswiderstände vorliegen und der Wirkungsgrad der Atemmuskulatur nicht wie bei einer obstruktiven Lungenerkrankung chronisch insuffizient ist (Ausnahme: »critical illness polyneuropathy«, 7 Kap. 16).
Praxistipp Im Vordergrund der Entwöhnung bei Patienten mit akutem Lungenversagen steht daher insbesondere die schrittweise Reduktion der FIO2 und des PEEP/CPAP.
Mit dem Weaning kann erst begonnen werden, wenn die auslösenden oder unterhaltenden Ursachen des akuten Lungenversagens beseitigt sind. In der Regel kann man davon ausgehen, dass erst dann mit einer Reduktion der Beatmung begonnen werden kann, wenn die FIO2 unter 0,5 liegt. Die Reduktion der FIO2 hat Vorrang vor einer Reduktion des PEEP/CPAP, da Letzteres das wesentliche Behandlungsprinzip bei der vorliegenden Gasaustauschstörung ist. Beim schweren ARDS besteht auch noch längere Zeit nach der akuten Phase eine Kollapsneigung der Alveolen. Daher sollte der PEEP erst dann reduziert werden, wenn bei einem PEEP von etwa 10 cm H2O eine FIO2 von <0,4 erreicht ist. Der PEEP muss schrittweise in längeren Zeitintervallen reduziert werden. Grundsätzlich sollte von einem niedrigen PEEP-Niveau (etwa 5 cm H2O) extubiert werden und nicht erst, nachdem ohne PEEP über ein sog. T-Stück geatmet werden kann.
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In der letzten Phase der Entwöhnung sollte die apparative Beatmung schon größtenteils durch Spontanatmung ersetzt sein. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Kraft der Atemmuskulatur. Diese kann aber aus verschiedenen Ursachen im Rahmen eines MODS oder SIRS insuffizient sein. Zum einen kann die Muskulatur nach längerer Inaktivität aufgrund von Muskelrelaxanzien und Sedativa (besonders Benzodiazepinen mit ihrer zentral relaxierenden Wirkung) atrophieren. Zum anderen kann eine sog. »critical illness polyneuropathy« (7 Kap. 16) als Begleitsymptom eines MODS [22] Ursache der Ateminsuffizienz sein. In der Regel ist die »critical illness polyneuropathy« je nach Schwere innerhalb von Tagen bis Wochen rückläufig. Nur selten verbleiben permanente Residualzustände; allerdings erfordern schwere Verläufe ein nicht unerhebliches Maß an Geduld. Auf jeden Fall muss die Ventilation unterstützt werden, solange eine Ateminsuffizienz vorherrscht. Wenn keine Oxygenierungsprobleme mehr bestehen, ist die Wahl des Beatmungsverfahrens (z. B. PSV, SIMV, BIPAP usw) dann von untergeordneter Bedeutung. Zu der Problematik einer Spontanatmung über T-Stück vor Extubation hat die Studie von Esteban et al. [39] sehr viel Verwirrung und Missverständnisse erzeugt. Ein Ergebnis dieser Studie war, dass ein einmal oder mehrfach täglich durchgeführter Atemversuch über T-Stück ohne sonstige Atemhilfe schneller zur Extubation führt als eine schrittweise Reduktion der Ventilationshilfen (z. B. PSV). Dies ist von manchen dahingehend interpretiert worden, dass das Weaning über eine angepasste Atmungsunterstützung automatisch verlängert wird. Dabei wird aber vergessen, dass der in der Studie angewandte Algorithmus zur Reduktion der Atemhilfen allein schon eine gewisse Zeit dauert, selbst wenn schneller hätte reduziert werden können. Ein anderer Aspekt könnte aber auch sein, dass in der sog. T-Stück-Gruppe in der Studie von Esteban zwischen den reinen Spontanatmungsversuchen immer wieder suffizient maschinell unterstützt wurde, sodass die Atemmuskeln sich besser erholen konnten. Letzteres wird modifiziert auch von uns favorisiert:
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
Praxistipp Bei muskulär geschwächten Patienten werden im Rahmen des Weanings immer wieder lange Phasen (z. B. über Nacht) einer vollständigen Entlastung der Atemmuskulatur eingestellt, in denen die gesamte Atemarbeit vom Respirator übernommen wird. Kann der Patient dann mit einer Unterstützung atmen, die quasi nur zur Entlastung der zusätzlichen Tubuswiderstände notwendig ist (d. h. eine Druckunterstützung von ca. 7–8 cm H2O), so kann er auch extubiert werden und ohne Tubus die gesamte Atemarbeit übernehmen. Eine T-Stück-Atmung über Tubus ohne Atemhilfe ist nur als Belastung für den Patienten anzusehen, die bei grenzwertiger Muskelkraft sogar wieder eine Dekompensation provozieren kann.
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Auch nach Extubation kann bei labiler Atemmuskelkraft eine Ventilationsunterstützung durchgeführt werden. Ähnlich wie bei dekompensierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung kann auch beim Weaning von ARDS-Patienten die Ventilation durch eine sog. nichtinvasive Beatmung (non-invasive ventilation, NIV) [7, 26] mit Hilfe fest schließender Gesichtsmasken praktiziert werden. NIV wird entweder als druckunterstützte (PSV) oder druckkontroIlierte (PCV) Beatmung mit einem normalen Respirator angewendet. Allerdings müssen die Druck- und Volumenalarmgrenzen des Respirators mit großer ToIeranzbreite eingestellt werden, da bei nicht ganz festem Sitz der Maske häufig Leckagen auftreten. Die Methode ist dadurch limitiert, dass die Patienten ein großes Maß an Kooperativität haben müssen. Sie müssen die festsitzende Gesichtsmaske tolerieren bzw. bei Nasenmasken durch Mundverschluss eine Leckage verhindern oder bei PCV die Eigenatmung an die maschinelle Beatmung anpassen. Meistens wird NIV nur intermittierend für einige Stunden zur Entlastung der Atemmuskulatur angewendet werden können.
Präventive Therapieansätze Die akute respiratorische Insuffizienz ist die häufigste Komponente eines Multiorganversagens. Während es früher eine beinahe übliche Komplikation in direktem Anschluss an ein Polytrauma war (sog. Schocklunge), ist das schwere akute Lungenversagen heute eher eine Komplikation im weiteren Verlauf der Intensivmedizin. Die genaue Ursache dieses Wandels ist unbekannt. Vermutlich hat aber die verbesserte prä- und frühklinische Behandlung des Polytraumas mit dazu beigetragen. Eine intensive und konsequente Frühbehandlung oder besser die Vermeidung potentiell auslösender Ursachen und Verstärkerfaktoren sind wohl die wirksamsten Maßnahmen zur Prävention eines akuten Lungenversagens und eines MODS. Diese Prävention durch Frühbehandlung möglicher Auslösefaktoren beinhaltet einige wesentliche Schwerpunkte: 5 rasche und effektive präklinische Behandlung (v. a. Schocktherapie), 5 rasche Beseitigung auslösender Ursachen, 5 Infektionsprophylaxe und rationale Antibiotikatherapie. Besonders deutlich wird der Wert präventiver Maßnahmen bei Traumapatienten, da hier der plötzliche Eintritt des Unfallereignisses ein eindeutiges Startsignal zur Behandlung setzt. Leider fehlt bei anderen Ursachen (z. B. Infektion) oft dieses markante Startsignal. Hier ist die schleichende Entwicklung bis zur kritischen Situation wesentlich unauffälliger; oft werden die Behandelnden von der unerwarteten Verschlechterung überrascht. Die Konsequenz daraus kann nur sein, sich zu einer konsequenten, eher aggressiven Therapie zu entschließen. So lassen sich die nachfolgenden präventiven Maßnahmen in der Regel vorwiegend in der Traumatologie und der operativen Medizin einsetzen.
Prävention des ARDS beim Polytrauma Präklinische Behandlung Die Häufigkeit eines ARDS nach Polytrauma konnte nach Etablierung eines flächendeckenden
387 Präventive Therapieansätze
Rettungssystems deutlich gesenkt werden: In einer vergleichenden Analyse zwischen 1972 und 1991 von insgesamt 3.406 Polytraumapatienten nahm die Häufigkeit des posttraumatischen ARDS von 18 % auf 12 % ab, als Todesursache konnte es von 32 % auf 16 % reduziert werden [125]. Durch die rasche (d. h. bereits am Unfallort) einsetzende präklinische Behandlung (insbesondere ausreichende Volumentherapie, frühe Intubation und ggf. Beatmung) und die Verkürzung der Transportzeiten kann die Primärbehandlung des Patienten nach Unfall unter günstigeren Voraussetzungen durchgeführt werden. So war z. B. belegbar, dass bei präklinisch frühzeitig intubierten Patienten trotz signifikant schwererem Verletzungsgrad die Häufigkeit eines MODS nicht größer war als bei den später intubierten leichter Verletzten [74]. Diese Vorbedingungen haben neben der Versorgung der Patienten in speziellen traumatologischen bzw. intensivmedizinischen Zentren sicher erheblich dazu beigetragen, dass die Traumaletalität erheblich gesenkt werden konnte: In der oben genannten Untersuchung verbesserte sich die Letalität bei vergleichbarer Verletzungsschwere von 40 % im Jahre 1972 auf 18 % im Jahre 1991 [125]. Trotz dieser bemerkenswerten Fortschritte in der Überlebensrate hat in beiden Studien die Häufigkeit des Multiorganversagens nicht abgenommen; das posttraumatische MOV stellte mit 19 % bzw. 38 % die häufigste Todesursache dar. Es scheint also, dass eine weitere Senkung der Letalität nach Polytrauma jetzt im Wesentlichen von der Verbesserung der Behandlung des Multiorganversagens abhängt. Nach schwerem Trauma, insbesondere bei komatösen Patienten, kommt es häufig früh, d. h. innerhalb der ersten 2–4 Tage, zu einer Pneumonie (sog. early-onset pneumonia). Es wird angenommen, dass diese durch Aspiration von Rachenoder Mageninhalt verursacht wird, die unter den schwierigen, präklinischen Bedingungen der Intubation oft nicht zu vermeiden ist [8].
Schockbehandlung Im akuten und auch protrahierten hämorrhagischen Schock kommt ohne Zweifel dem Volumenersatz die größte Bedeutung zu. Da die deletären Kreislaufwirkungen abhängig vom Ausmaß und
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von der Dauer des Schocks sind, ist eine schnelle und aggressive Volumensubstitution notwendig. Hillman [60] spricht von der »golden hour« nach dem Trauma, in der die Weichen für den weiteren Verlauf des Patienten schon präklinisch in der allerersten Versorgungsphase gestellt werden [20]. In der bereits zitierten vergleichenden Untersuchung [125] zur Versorgung Polytraumatisierter zwischen 1972 und 1991 ging die Verbesserung der Behandlungsergebnisse einher mit einer deutlichen Zunahme der Flüssigkeitszufuhr in der präklinischen und frühen klinischen Phase; ein kausaler Zusammenhang ist allerdings nicht zu sichern. Dagegen stehen Untersuchungen, die eindeutig zeigen, dass es in der präklinischen Situation ohnehin unmöglich ist, einen massiven Volumenverlust in kurzer Zeit so zu ersetzen, dass nicht nur der systemische Kreislauf sondern auch die Mikrozirkulation der Organe aufrecht erhalten wird [64]. Dennoch sollte in dieser entscheidenden ersten Phase alles versucht werden, eine möglichst effektive Volumenzufuhr zu erreichen. Dieser Grundsatz mag allerdings für besondere Situationen in Frage gestellt werden: In einer prospektiven Studie [15] bei 598 Patienten mit schwerem hämorrhagischem Schock durch eine penetrierende Rumpfverletzung waren Überlebensrate und Krankenhausaufenthaltsdauer signifikant besser in der Gruppe, die bis zur operativen Versorgung keine nennenswerte Volumentherapie erhalten hatte; dabei lag die mittlere Dauer bis zur operativen Versorgung im Mittel bei etwa 2 h. Dennoch sollte von diesen speziellen Verletzungsbedingungen sicher nicht generell auf die präklinische Versorgung schwerer Polytraumata (z. B. mit stumpfem Verletzungsmuster) geschlossen werden; hier gilt immer noch das Ziel eines möglichst frühen und effektiven Volumenersatzes. Die Kontroverse zwischen onkotischer und kristalliner Volumensubstitution ist in dieser Phase von untergeordneter Bedeutung; meist wird beides benötigt. Insbesondere muss auch verlorenes Blut früh ersetzt werden; dieses ist aber natürlich erst in der Klinik möglich.
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
! Ein interessanter neuer Ansatz ist die sog. »low
volume resuscitation« mit hyperosmolaren Lösungen, einem Gemisch von 7,5 % NaCl in 250 ml 6 % Dextran 70 oder Hydroxyäthylstärke [71, 72]. Die Lösung lässt sich aufgrund ihres geringen Volumens extrem schnell infundieren und entzieht wegen der hohen Osmolarität (2.400 mOsmol/l) sowohl dem Interstitium als auch vorwiegend dem intrazellulären Raum eine große Menge an Wasser. Es kommt daher nicht nur zu einer raschen intravasalen VoIumenzunahme, sondern auch infolge Reduzierung der Endothelschwellung und des Erythrozytenvolumens (Entzug intrazellulären Wassers) zu einer Verbesserung der Rheologie und des nutritiven Blutflusses. Eine erste amerikanische Multicenterstudie des präklinischen, hyperonkotischen Volumenersatzes bei Traumapatienten im hämorrhagischen Schock ergab zwar keine Verbesserung der Letalität innerhalb der ersten 24 h, doch kam es im Vergleich zur Standardbehandlung mit Ringer-Laktatlösung zu signifikant weniger posttraumatischen Komplikationen [88]. Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma ließ sich ein positiver Effekt auf das Hirnödem (Senkung des intrakraniellen Drucks und Verbesserung der Hirnperfusion) nachweisen [113, 150]. Schwere Nebenwirkungen dieser Therapieform wurden beim Volumenmangelschock bisher noch nicht beobachtet [151]. Die z. Z. geltenden therapeutischen Empfehlungen gehen von einer Gabe von 4 ml/kgKG der hyperosmolaren Lösung aus. Bei repetitiver Zufuhr sind auf jeden Fall Elektrolytentgleisungen (Hypernatriämie und Hyperchlorämie, Hypokaliämie) zu beachten.
In den vergangenen Jahren wurde die besondere Bedeutung des Darms als Schockorgan anhaltend, aber auch kontrovers diskutiert: Der Darm enthält ein großes Reservoir an endotoxinbildenden Mikroorganismen. Bei Ischämie und Permeabilitätsstörungen versagen die Mukosabarriere und das retikuloendotheliale System der Leber, sodass Bakterien und/oder Endotoxin in die Blutbahn eingeschwemmt werden (Translokation) und ein sepsisähnliches klinisches Bild hervorru-
fen können. Insbesondere beim Kreislaufschock wird die Perfusion des Gastrointestinaltrakts zugunsten der Versorgung lebenswichtiger Organe gedrosselt. Hierbei kommt es dann frühzeitig zur Translokation von Darmkeimen (s. auch S. 389). Da Endotoxinämien Mikrozirkulationsstörungen auslösen oder die bestehenden verstärken, entwickelt sich oft ein CircuIus vitiosus, der gleichsam aus dem Gastrointestinaltrakt unterhalten wird: So könnte die schockbedingte Translokation von Bakterien und/oder Endotoxin die wesentliche Ursache der Entstehung eines Multiorganversagens sein, insbesondere eines MODS in der Frühphase nach schwerem Trauma. Dann würden nicht nur die konsequente, frühe Schockbehandlung, sondern auch die Kreislaufstabilisierung in den Behandlungsphasen der Klinikaufnahme und der Intensivtherapie ebenso wie der Versuch, den intestinalen Pool an Mikroorganismen zu reduzieren (s. SDD, S. 390) wichtige Beiträge zur Vermeidung der Beseitigung auslösender Ursachen des MODS sein. Demgegenüber steht aber die Hypothese, dass der gastrointestinale Translokationsmechanismus eher eine Folge als eine Ursache von Infektion und MODS sei, der lediglich die Kaskaden der Entzündungsreaktion unterhält [45]. So könnte die Infektion häufiger ein Begleitumstand als die eigentliche Ursache des letalen Multiorganversagens sein [149, 156]. Dieser Mechanismus könnte insbesondere dann wirksam werden, wenn es im späteren Verlauf der Intensivbehandlung zu Infektionen (etwa late-onset pneumonia) und Multiorganversagen kommt.
Klinische Primärbehandtung des Polytraumas Die eindrucksvolle Verbesserung der Letalität polytraumatisierter Patienten [125] beruht wohl einerseits auf der Effektivität unseres Notarztsystems mit konsequenter Behandlung des Schocks (Volumentherapie) und der Ateminsuffizienz (frühe Intubation, ggf. Beatmung). Weiterhin ist aber auch eine effiziente klinische Erstversorgung von ausschlaggebender Bedeutung. Hier ist maximaler diagnostischer und therapeutischer Aufwand in einem gut funktionierenden, kompetenten interdisziplinären Behandlungsteam erforderlich. Das
389 Präventive Therapieansätze
bedeutet unverzügliche Bereitschaft aller Fachund Entscheidungskompetenzen ebenso wie die ständige Verfügbarkeit aller erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. So ist es nicht zufällig, dass die großen Traumazentren an Krankenhäusern der Maximalversorgung die besten Ergebnisse bei der Behandlung von Polytraumatisierten vorweisen.
Primärdiagnostik Gegenüber den klassischen diagnostischen Verfahren (wie etwa Röntgen) hat die Bedeutung des CT (z. B. für die Initialdiagnostik des SchädelHirn-Traumas, aber auch für stumpfe Stammverletzungen) und der Sonographie deutlich zugenommen. Demgegenüber sind Angiographien primär nur in Sonderfällen indiziert. In der instabilen Primärphase bedeutet alIerdings ein längerer Transport (unter Schockbehandlung und Beatmung) zum CT einen erheblichen Aufwand an Fachpersonal und ein Risiko für den Patienten. Es ist enttäuschend, dass die dringend notwendige räumliche Nähe eines CT zur Notfallaufnahmestation so selten realisiert wird.
Operative Erstversorgung Prinzipiell ist eine primäre operative Therapie immer anzustreben: Erste Priorität hat stets die sofortige Stillung lebensbedrohlicher Massenblutungen. Beim Bauchtrauma sind häufig primäre operative Maßnahmen (z. B. Splenektomie, Blutstillung an der Leber) erforderlich. Beim Thoraxtrauma ist ein primärer Eingriff eher seltener (z. B. schwere intrathorakale Blutungen, Aortenverletzungen). Bei den Extremitätenverletzungen richtet sich die operative Behandlung nach der Lokalisation; eine primäre Stabilisation der langen Röhrenknochen (etwa mit Osteosynthesen oder fixateur externe) ist anzustreben. Ist eine operative Versorgung innerhalb von 48 h nach Trauma nicht möglich, so muss bedacht werden, dass ab dem 3.–5. posttraumatischen Tag die Mediatoraktivierung ansteigt. Eine weitere Belastung des Organismus – z. B. durch Operation in dieser kritischen Phase – könnte dann eher eine Verschlechterung des klinischen Zustands bewirken.
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Flüssigkeitshaushalt Strategie der Flüssigkeitszufuhr beim ARDS Im Gegensatz zur initialen Schockbehandlung, bei der rasch und ausreichend große Mengen an Flüssigkeit gegeben werden müssen, ist die Flüssigkeitszufuhr bei manifestem akutem Lungenversagen wegen der bestehenden pulmonalen Permeabilitätsstörung kritisch und noch immer Gegenstand kontroverser Auffassung. Selbst bei sonst unbedenklichen venösen Füllungsdrücken tritt vermehrt Flüssigkeit in den interstitiellen Raum. Diese führt sofort zur Verschlechterung des Gasaustausches. Insgesamt besteht unter Beatmung ohnehin die Tendenz zur positiven FIüssigkeitsbilanz. Die physiologische Entwässerung des Interstitiums über die Lymphdrainage wird durch die Beatmungstherapie eher noch behindert. Im Interesse des pulmonalen Gasaustausches müsste daher eine restriktive Flüssigkeitsstrategie (Übersicht bei [134]) eingehalten werden. Prospektive, kontrollierte Studien [94, 133] an 89 Intensivpatienten (davon 48 mit ARDS und/oder Sepsis) zeigten, dass sich durch eine restriktive Flüssigkeitszufuhr und/oder forcierte Diurese die Behandlungsdauer und die Liegedauer auf der Intensivstation deutlich senken Iieß. Ein Einfluss auf die Letalität ließ sich allerdings statistisch nicht sichern. Während der Phase der Flüssigkeitsrestriktion muss der Patient lückenlos überwacht und kontrolliert werden. Schuller u. Schuster [134] schlagen dafür einen Protokollalgorithmus vor (. Übersicht 12-4 und 12-5) Diese Strategie steht jedoch im Gegensatz zu den Anforderungen für die Nierenfunktion. Ein adäquates intravaskuläres und extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen ist für die Funktion der Niere von entscheidender Bedeutung. Noch häufiger als ein klinisch manifester Kreislaufschock führt ein klinisch übersehener, Iänger anhaltender Volumenmangel zur prärenaIen Behinderung der Nierenfunktion und später auch zum Tubulusschaden. Meist sind jedoch diese akuten Nierenfunktionsstörungen reversibel.
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
. Übersicht 12-4.
Algorithmus zur restriktiven Flüssigkeitszufuhr und forcierten Diurese bei ARDS (Schuller und Schuster [134]) 5 Minimiere die Einfuhr von Natrium und Flüssigkeit, 5 reduziere die orale Flüssigkeitszufuhr auf 500–750 ml/Tag, 5 maximiere die Konzentration der i.v. zugeführten Substanzen, 5 beschränke die i.v.-Flüssigkeitszufuhr auf das Minimum (10 ml/h) (»um den Zugang offen zu halten«), 5 ersetze die physiologische Kochsalzlösung durch 5 %ige Glukoselösung, 5 verabreiche eine initiale Bolusdosis (»loading dose«) von Furosemid (40–80 mg), 5 titriere die Diuretikazufuhr nach der stündlichen Urinausscheidung: – verabreiche Furosemid als kontinuierliche Infusion: 250 mg Furosemid in 250 ml 5 %ige Glukoselösung, Anfangsdosis 0,10 mg/kgKG/h, ansteigend stündlich um weitere 0,10 mg/kgKG/h, bis die stündliche Nettodiurese (Ausfuhr – Einfuhr) mindestens 1 ml/kgKG beträgt oder das therapeutische Ziel erreicht ist. Die Furosemidinfusion darf 0,75 mg/kg /h nicht überschreiten. – zusätzliche Furosemidbolusinfusion: überprüfe die Diureseantwort auf die Furosemid-»loading dose« nach folgender Dosierung: • stündliche Nettodiurese >1ml/kgKG/h und therapeutisches Ziel erreicht: keine Diuretika in den nächsten 6–12 h, dann erneute Prüfung, • stündliche Nettodiurese >1ml/kgKG/h, aber therapeutisches Ziel nicht erreicht: wiederhole die vorige Furosemid»loading dose« in den nächsten 4–6 h, erneute Prüfung • stündliche Nettodiurese <1ml/kgKG/h und therapeutisches Ziel nicht erreicht: verdoppele die vorige Furosemid-»loading dose« innerhalb der nächsten 1–2 h, erneute Prüfung.
Frühe (möglichst schon präklinische) und intensive Volumentherapie ist bei Volumenmangelschock für die Erhaltung der Nierenfunktion unerlässlich. Sie ist in der frühen Phase auch besonders wichtig, da Permeabilitätsschäden der Lunge noch nicht im Vordergrund stehen und die Gasaustauschfunktion durch diese Flüssigkeitszufuhr meist noch nicht beeinträchtigt wird. Wichtige klinische Leitparameter für eine ausreichende Zufuhr sind: 5 ausreichende Füllungsdrücke: ZVD ca. 15 cm H2O, besser: PCWP nicht <12 cm H2O, 5 ausreichende Urinausscheidung: 80– 100 ml/h, 5 Hämoglobinkonzentration um 14 g/dl. In der späteren Phase der Intensivbehandlung, insbesondere in septischen Situationen, kann die Abschätzung der erforderlichen Flüssigkeitszufuhr ganz erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Okkulte Flüssigkeitsverluste (z. B. Schwitzen) und Einlagerungen in den sog. Dritten Raum (z. B. Ödeme, im Gastrointestinaltrakt bei Ileus oder Subileus) erschweren die Flüssigkeitsbilanzierung erheblich. Hier muss das gesamte klinische Spektrum zur Bilanzabschätzung herangezogen werden. ! So müssen die kontroversen Interessen zwi-
schen der Lunge einerseits und der Mikrozirkulation und den Nieren andererseits bei der Strategie der Flüssigkeitszufuhr sorgfältig abgewogen werden. Bei hypovolämischen Patienten ist eine Strategie der restriktiven Flüssigkeitszufuhr natürlich nicht angezeigt und wegen der Gefahr der Minderperfusion lebenswichtiger Organe potentiell gefährlich.
. Übersicht 12-5.
Klinische Bewertung der Volumensituation 1. Sorgfältige, laufende Bilanz aller Ein- und Ausfuhren, 2. Blutdruckkurve; Lagerungsänderungen und Variation durch Beatmungsdrücke, 3. Hautturgor, Schleimhautfeuchtigkeit (Zunge!), Augendruck, Ödeme, 6
391 Präventive Therapieansätze
4. Urinanalyse, insbesondere Osmolarität, Na+ im Urin, fraktionelle Na+-Ausscheidung. 5. Venenfüllung und zentraler Venendruck, 6. evtl. pulmonalarterieller Verschlussdruck/ intrathorakales Blutvolumen (als »Vorlastparameter«), 7. probatorische Volumenzufuhr (z. B. 500– 1.000 ml in kurzer Zeit, mit Interpretation der resultierenden Kreislaufeffekte).
Als praktischer Kompromiss aus diesem Dilemma kann empfohlen werden, nicht die Flüssigkeitszufuhr übermäßig zu beschränken, sondern für eine ausreichende Nierenausscheidung, z. B. mit Furosemid zu sorgen und damit die Flüssigkeitsbilanz sorgfältig zu kontrollieren. Jede unkontrollierte Überwässerung ist unbedingt zu vermeiden.
Vermeidung nierenschädigender Risikofaktoren In der Intensivmedizin sind viele Maßnahmen erforderlich, die potentiell die Nierenfunktion beeinträchtigen können [65]. Ebenso konkurrieren oft die therapeutischen Strategien für die Lungenfunktion mit denen für die Nieren (z. B. Flüssigkeitszufuhr, s. oben). Daher ist es wichtig, diejenigen Patienten zu identifizieren, bei denen die Nierenfunktion besonders gefährdet ist, so z. B. bei: 5 vorbestehender Einschränkung der Nierenfunktion, 5 extra- und/oder intrazellulärem Volumendefizit, 5 höherem Alter, 5 vorbestehender erheblicher chronischer Hypertension, 5 akuter oder chronischer Herzinsuffizienz, 5 akuter oder chronischer Leberinsuffizienz, 5 akuter Pankreatitis, 5 Diabetes mellitus, multiplem Myelom, Verschlussikterus in Kombination mit den beiden ersten Risikofaktoren. Bei diesen Patienten muss besonders aufmerksam auf die Erhaltung der Nierenfunktion geachtet, und alle möglichen Schädigungsmechanismen müs-
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sen vermieden werden. Insbesondere sind potentiell nephrotoxische Substanzen und Medikamente (z. B. Aminoglykoside, nichtsteroidale Analgetika, Röntgenkontrastmittel u. a.) tunlichst zu vermeiden. Bei der Vielzahl solcher, z. T. unersetzbarer Substanzen ist dies nicht möglich. Hier müssen dann Nutzen und Risiko sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Praxistipp Es darf nicht übersehen werden, dass die Menge der Urinausscheidung nicht unbedingt etwas über die Funktionsfähigkeit des Nierenparenchyms aussagt. Auch ein polyurisches Nierenversagen ist eine Niereninsuffizienz! Das polyurische Versagen hat aber möglicherweise gegenüber dem oligurischen Versagen eine bessere Prognose; außerdem lassen sich viele intensivmedizinische Maßnahmen (z. B. parenterale Ernährung) unter erhaltener Flüssigkeitsausscheidung besser durchführen. Mit hohen Dosen von Furosemid (bis 2–3 g/24 h) lässt sich nicht selten eine Diurese erzwingen; damit wird ein oligurisches Nierenversagen in ein polyurisches Versagen umgewandelt. Es muss jedoch dringend davor gewarnt werden, Furosemid anzuwenden, solange noch ein intravaskulärer Volumenmangel besteht. Trotz zahlloser Untersuchungen ist bislang nicht sicher erwiesen, dass der Einsatz von Diuretika (weder Mannit noch Furosemid) die Nierenfunktion schützt oder verbessert, allenfalls vielleicht als Prophylaxe bei Verschlussikterus und vor Kontrastmittelgabe.
Gegen den routinemäßigen Einsatz von Dopamin gibt es heute gewichtige Argumente. Letztlich fehlt der Beweis, dass Dopamin in Nierendosierung ein Nierenversagen verhindern oder gar die Überlebensrate verbessern kann [13, 66]. Lässt sich eine ausreichende Diurese medikamentös nicht aufrecht erhalten, so kann die Flüssigkeitsbilanz durch kontinuierliche Hämofiltration (CAVH oder besser CVVH) gut kontrolliert werden. Ob diese Verfahren darüber hinaus noch eine wirksame Elimination von schädigenden Me-
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
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diatoren ermöglichen, bIeibt vorerst ungesichert (s. auch 7 Kap. 13).
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Beseitigung möglicher Infektionsursachen und effektive Infektionsbehandlung
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Nosokomiale Infektionen sind für Intensivpatienten folgenreich [4]. In einer europäischen multizentrischen Untersuchung wurde bei nahezu 1.000 Intensivpatienten eine Pneumoniehäufigkeit von 8,9 % gefunden [28]; allerdings variierte die Häufigkeit erheblich zwischen operativen und internistischen Patienten. Die Pneumonierate war am höchsten in Intensivstationen mit einem Patientenspektrum von hohem Krankheitsschweregrad und hoher Letalität [152]. In einer jüngst publizierten Analyse von 14.364 Intensivpatienten aus 8 europäischen Ländern lag die Infektionshäufigkeit bei Patienten, die länger als 24 h auf der Intensivstation lagen, im Durchschnitt bei 19 %: 45 % davon kamen bereits mit Infektionen auf die Station. Die Häufigkeit der auf der Intensivstation erworbenen Infektionen variierte zwischen 2 % und 49 %; von diesen waren 76 % Pneumonien und 24 % eine schwere Sepsis. Die Krankenhausmortalität lag bei nichtinfizierten Intensivstationspatienten im Durchschnitt bei 17 %, bei nosokomialen Infektionen dagegen bei 54 % [2]. Mittlerweile wird durch zahlreiche Studien belegt (Übersicht bei [55]), dass zumindest systemische nosokomiale Infekionen und nosokomiale Pneumonien die Liegedauer verlängern (im Mittel um 2 Wochen) und die Kosten erheblich steigern. Ebenso steigt die Letalität um den Faktor 2 oder mehr [41]). Besteht der Verdacht auf eine Sepsis, so muss unter allen Umständen versucht werden, eine InfektionsquelIe zu finden und zu sanieren [27]. In einer prospektiven multizentrischen Studie [147] wurde als häufigste Ursache der bakteriellen Septikämie eine Infektion bzw. Kolonisation von intravenösen Kathetern gefunden. Chirurgisch behandelbare septische Herde (Wundinfektionen) sind in jedem Fall schnellstens operativ zu entfernen. Daher gehören die Sonographie und Computertomographie heutzutage zum unabdingbaren Repertoire der intensivmedizinischen Diagnostik und müssen 24 h am Tag zur Verfügung stehen. Falls eine CT-Untersuchung, z. B. zur Diagnostik eines vermuteten intraabdominellen Herdes, we-
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gen Transportunfähigkeit des Patienten nicht zu realisieren ist, kann ggf. auch auf der Intensivstation eine diagnostische Laparoskopie durchgeführt werden. Bei unbekannter Lokalisation kann der nuklearmedizinische Nachweis eines Infektionsherdes mit indiummarkierten Leukozyten versucht werden. Allerdings setzt auch diese Methode voraus, dass der Patient transportfähig ist. Im Fall eines Verdachts auf Kathetersepsis muss bedacht werden, dass Blutkulturen unter Antibiotikatherapie oft falsch negativ sind. Im Zweifelsfall ist der Katheter zu entfernen (distalen Katheteranteil immer mikrobiologisch auf Vegetationen kontrollieren!) und ggf. ein neuer zu legen. Es ist selbstverständlich, dass der Katheter stets unter aseptischen Bedingungen gelegt werden muss. Auch muss großer Wert auf engmaschige Pflege und Kontrolle der Kathetereinstichstelle gelegt werden, da Keime häufig, von der Haut ausgehend, am Katheter außen entlang abszendierend, den distalen Katheteranteil in der Blutbahn besiedeln. Präventiv sollte ein Katheter immer gewechselt werden, wenn die Einstichstelle entzündet ist, selbst wenn noch keine allgemeinen Infektionszeichen vorliegen. Für einen routinemäßigen, prophylaktischen Katheterwechsel ohne Infektionsverdacht gibt es heute keine überzeugenden Argumente [36, 37] (. Übersicht 12-6).
. Übersicht 12-6.
Katheterinfektion, katheterbedingte Sepsis. Klinische Zeichen und Verdachtssymptome (nach [36]) 5 Lokale Infektion an der Eintrittsstelle, einschließlich Erythem, Ödem oder purulentem Exsudat (ein positiver Abstrich bekräftigt den Verdacht, insbesondere sofern ein einziger verdächtiger Keim, z. B. Staphylococcus aureus, nachgewiesen wird); 5 katheterbedingte Septikämie bei einem oder mehreren der folgenden Symptome: – mäßiges Fieber unklarer Genese, – Fieberschub nach Spülung des Katheters, 6
393 Präventive Therapieansätze
– Nachweis desselben Keims von der Spitze des entfernten Katheters wie in der Blutkultur, selbst wenn an der Katheterspitze zusätzlich noch weitere Keime nachgewiesen werden.
Zur möglichst effektiven Infektionsbehandlung und zur Reduktion nosokomialer Infektionen ist auf eine rationale Antibiotikatherapie unbedingt größten Wert zu legen, deren Grundprinzipien in 7 Kap. 4 und 6 beschrieben sind.
Nosokomiale Pneumonien Es wird heute zwischen früh (d. h. innerhalb der ersten 2–4 Tage) einsetzender Pneumonie (sog. early-onset pneumonia) und verzögert innerhalb der weiteren Intensivmedizin entstehender Pneumonie (sog. late-onset pneumonia) unterschieden [40, 91]. »Early-onset«-Pneumonien sind überwiegend durch grampositive Keime oder durch eine Mischflora verursacht. Meist wechselt die Flora dann innerhalb der nächsten Tage in ein gramnegatives Spektrum. Besonders häufig sind sekundäre Infektionen (sog. late-onset pneumonia) für das Entstehen und die Letalität des Multiorganversagens verantwortlich [4, 85]. Daher sind nosokomiale Infektionen mit großer Aufmerksamkeit zu bekämpfen. Leider sind Fieber und Leukozytose als klassische Infektionszeichen bei Intensivpatienten nur eingeschränkt zu verwerten. Insbesondere erhöht sich die Letalität bei beatmeten Patienten, wenn eine Pneumonie durch hochpathogene Keime (wie Acinetobacter oder Pseudomonasspezies) als Spätkomplikation (sog. late-onset pneumonia) auftritt. Dagegen beeinflussen Pneumonien, die früh einsetzen (sog. »earlyonset pneumonia«) oder durch weniger pathogene Keime verursacht werden, die Letalität offenbar kaum [69]. Es wird angenommen, dass die early-onset pneumonia durch Mikro- oder Makroaspiration von Rachen- oder Mageninhalt [1] verursacht wird. Der normalerweise saure pH-Wert des Magens bietet einen guten Schutz gegen eine Kolonisation durch Keime. Wird allerdings der Magen-
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pH-Wert alkalisch, z. B. infolge einer Ulkusprophylaxe oder durch kontinuierliche Infusion ungesäuerter Sondennahrung, so bricht diese wichtige Keimbarriere zusammen; die Keime können aus dem Gastrointestinaltrakt über den Pharynx in das Trachealsystem dringen. Es ist nachgewiesen, dass es trotz Iiegendem Endotrachealtubus zu Mikroaspirationen kommen kann, wodurch Keime aus dem Pharyngogastrointestinaltrakt in das respiratorische System gelangen können [145]. Durch diesen Mechanismus kommt es zu typischen Risikofaktoren, denen aber durch besondere Vorsorgemaßnahmen begegnet werden kann (. Tabelle 12-2). Der Darm ist aufgrund seiner mikrobiellen Besiedlung ein nahezu unerschöpfliches Keim- und Endotoxinreservoir. Abhängig von der Krankheitsschwere (Immunstatus), der Antibiotikatherapie und auch der Liegedauer auf der ICU nimmt der Anteil gramnegativer endotoxinbildender Bakterien (GNB) innerhalb weniger Tage auf Kosten der physiologischen Darmflora stark zu [40]. Diese GNB, zumeist nosokomiale Keime, die gegen viele einfache Antibiotika resistent sind, kolonisieren den Oropharynx, den Gastrointestinaltrakt und bei eingeschränkter bronchialer Clearance den Respirationstrakt. So können sie eine nosokomiale Pneumonie auslösen [103]. Möglicherweise
. Tabelle 12-2. Risikofaktoren und Präventionsstrategien für Infektionen des Respirationstrakts Risikofaktor
Präventionsstrategie
Rückenlage [34]
Oberkörperhochlage und Lagerungstherapie
Magensonde [126]
Perkutane Jejunostomie
Kontaminierte Sondennahrung
Sterile (vorgefertigte) Sondennahrung
Kontinuierliche Sondenernährung [62]
Diskontinuierliche Sondenernährung
Alkalische Sondennahrung
Angesäuerte Sondennahrung
Kontamination des Magens mit gramnegativen Bakterien
Antacida, H2-Blocker u. ä. vermeiden
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wirkt der Magen bei herabgesetzter Azidität auch nur verstärkend als Reservoir verschluckter Keime aus dem Orophalynx. Diese »gastropulmonale« Hypothese wird allerdings von einigen Autoren angezweifelt, die in ihren Studien keinen Anhalt dafür fanden [25]. Auf jeden Fall können solche nosokomialen Pneumonien Ausgangspunkt weiterer Infektionen werden, bis hin zur Septikämie.
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Selektive Dekontamination des Digestivtraktes (SDD)
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Mit der selektiven Dekontamination des Digestivtraktes (SDD) wird versucht, das gastrointestinale Keim- und Endotoxinreservoir und damit diesen wichtigen Entstehungsmechanismus für nosokomiale Infektionen auszuschalten [140]. Das ursprüngliche SDD-Regime beinhaltet die Dekontamination des gesamten oropharyngealen und gastrointestinalen Traktes mit nichtresorbierbaren Antibiotika (PoIymyxin, Tobramyxin und Amphotericin B), die selektiv gegen die GNB bei Erhaltung der physiologischen Flora wirken. Diese topische Antibiose wird ergänzt durch eine systemische i.v.-Gabe von Cefotaxim über 4 Tage. Von diesem ursprünglichen Konzept wurde später in zahlreichen Variationen abgewichen, wodurch die klinischen Studien zur Wirksamkeit der SDD schwierig zu vergleichen sind. Obwohl bislang fast 30 kontrollierte, randomisierte Studien und 6 Meta-Studien vorliegen, werden die Wirksamkeit der SDD und ihr Stellenwert immer noch kontrovers beurteiIt [24, 68, 78, 121, 132, 159]. Bei internistischen Intensivstationspatienten Iieß sich die Mortalität offenbar nicht beeinflussen; allenfalls für chirurgisch-traumatologische Intensivpatienten konnte eine Verbesserung nachgewiesen werden [100]. Andererseits besteht das konkrete Risiko der Resistenzentwicklung von Problemkeimen. Daher wird von einer allgemeinen Anwendung der SDD bei beatmeten Intensivpatienten heute abgeraten; allenfalls könnte sie bei Patienten eingesetzt werden, bei denen sich wegen ihres besonderen Risikos nosokomiale Infektionen lebensgefährdend auswirken können
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395 Anhang
12
Anhang Wichtige weiterführende Literatur zu Einzelaspekten der respiratorischen Insuffizienz Thema
Literaturquelle
Bemerkung
Beatmungsassoziierte Lungenschädigung
Internationale Konsensuskonferenz [5]
Darstellung der Gesamtproblematik
Grundlagen der Beatmungseinstellung
Marini JJ et al. [83, 84]
State-of-the-Art-Review über den mittleren Atemwegsdruck als wichtige Determinante der Beatmungswirkungen
Beatmungseinstellung
ARDS-Network [1]
Überzeugende kontrollierte Studie zum Konzept des niedrigen Tidalvolumens
Druckkontrollierte Beatmung (PCV)
Blanch PP et al. [18, 19]
Übersicht über prinzipielle atemmechanische und physiologische Wirkmechanismen und Anwendung in der Praxis der PCV
Airway Pressure Release Ventilation (APRV)
Sydow M. et al. [142]
Review über Grundlagen und klinische Anwendung von BIPAP und APRV
BIPAP
Putensen C et al. [114, 117]
Nutzen der partiellen Spontanatmung mit BIPAP
Inverse-Ratio-Ventilation
Marcy TW et al. [82]
Review über Wirkungen der IRV
Sydow M et al. [144]
Übersicht über Wirkungen und klinische Erfahrungen mit der APRV im Gegensatz zu dem auf den ersten Blick ähnlichen Beatmungsmodus IRV
Inhalatives Stickstoffmonoxid (NO)
Gerlach et al. [54], Body S et al. [21]
Review über Wirkungen und potenziellen Nutzen von inhalativem NO
Permissive Hyperkapnie
Bigatello LM et al. [16]
State-of-the-Art-Review über klinische Anwendung, Erfahrungen und Gefahren der Hyperkapnie unter Beatmung
Bauchlagerung
Blanch L et al. [17]
Review über Wirkung und Nutzen der Bauchlagerung bei ARDS
Flüssigkeitsventilation (TLV, PLV, PAGE)
Quintel M. et al. [118], Ricard JD et al. [128]
Umfassende Übersichtsartikel über Grundlagen und Stand der Flüssigkeitsventilation
ARDS: Epidemiologie
Milberg JA et al. [93]
Nachweis besserer Behandlungsergebnisse beim ARDS über den Zeitraum von 10 Jahren
ARDS: Definitionen, Pathomechanismen
Bernard GR et al. [14]
Ergebnisse einer Konsensuskonferenz: umfassende Übersicht und kritische Stellungnahme
Sepsis und Multiorganversagen: Definitionen, Pathomechanismen
Bone RC et al. [23]
Ergebnisse einer Konsensuskonferenz : umfassende Übersicht und kritische Stellungnahme
396
1 2
Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
Thema
Literaturquelle
Bemerkung
Nosokomiale Infektionen
American Thoracic Society [4]
Konsensuskonferenz über nosokomiale Pneumonien Häufigkeit und Risikofaktoren der nosokomialen Pneumonie, Ergebnisse einer europäischen Multicenterstudie Große europäische Multicenterstudie zur Prävalenz der nosokomialen Infektionen Umfassender Übersichtsartikel über nosokomiale Infektionen Umfassender Übersichtsartikel zur Pathogenese der beatmungsassoziierten Pneumonie Umfassender Übersichtsartikel über katheterassoziierte Infektionen
Chevret S et al. [28]
3 Vincent JL et al. [152]
4
Girou E et al. [55]
5
Estes RJ et al. [40]
6
Elliot TSJ [37]
7
Selektive Dekontamination des Digestivtraktes (SDD)
Bonten MJ et al. [24] Kollef MH [68] Ramsay G et al. [121] Nathens AB et al. [100] Sanchez GM et al. [132]
8 9
Nationale Empfehlung zum Verzicht auf SDD Übersichten über die bisherigen Erkenntnisse zur SDD Große kontrollierte Studie mit der Empfehlung der SDD für Hochrisikogruppen
10
Strategie der Flüssigkeitstherapie
Mitchell JP et al. [94]
Verbesserung der Behandlungsergebnisse durch restriktive Flüssigkeitszufuhr
11
Hyperonkotischer Volumenersatz
Kreimeier U et al. [71, 72]
Umfassender Übersichtsartikel über den hyperonkotischen Volumenersatz kontrollierte multizentrische Studie
Vassar MJ et al. [150]
12
Polytrauma
13
Lehmann U et al. [74] Regel G et al. [125]
Retrospektive Untersuchung zur Initialversorgung beim Polytrauma Retrospektive Analyse der Behandlungsergebnisse
14 15 Literatur
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
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Kapitel 12 · Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms
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13 Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion D. Barckow
Sepsismediatoren
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Extrakorporale Eliminationsverfahren Fazit für die Praxis Anhang Literatur
– 404
– 416
– 416 – 417
Sepsismediatoren Unabhängig davon, ob bakterielle Toxine oder andere primär nichtbakterielle Aggressionen Auslöser für eine schließlich generalisierte Entzündungsreaktion des Organismus sind, immer werden die gleichen klassischen Kaskadensysteme angeregt: 5 Komplementsystem, 5 Gerinnungs-Fibrinolyse-System, 5 Kallikrein-Kinin-System. Nach heutigem Verständnis pathophysiologisch von besonderer Bedeutung ist die Interaktion zellulärer Systeme. Dies geschieht durch Vermittlung aktivierter Makrophagen und neutrophiler Granulozyten, die eine Fülle hochwirksamer humoraler Entzündungsmediatoren freisetzen [44]. Bei übergroßer oder lang anhaltender Stimulation dieser Zellen kann es zu einer Mediatorenexplosion mit Durchbrechung aller physiologischen Inaktivierungssysteme kommen und damit zur Generalisierung der Entzündungsreaktion. Hieraus ergibt sich die nicht selten tödliche Bedrohung für den betroffenen Patienten. Es liegt daher nahe zu
versuchen, den Krankheitsverlauf durch Elimination der als Trigger oder Vermittler dieser Zytokinsystemaktivierung identifizierten Substanzen zu beeinflussen. Bei der Erörterung der dazu vorhandenen Möglichkeiten werden die Definitionen verwendet, die als Ergebnis einer Konsensuskonferenz zum Thema »Sepsis« veröffentlicht worden sind (7 Kap. 1; [13]). Danach ist die Sepsis eine systemische Entzündungsreaktion als Folge einer mikrobiellen Infektion. Ist die Auslösung primär nichtbakteriell, wird nur von »generalisierter Entzündungsreaktion« gesprochen (»systemic inflammatory response syndrome«, SIRS).
Bakterielle Toxine (Siehe auch 7 Kap. 2.) Bei den als Sepsisauslöser nachgewiesenen bakteriellen Toxinen handelt es sich um eine chemisch nicht einheitliche Stoffgruppe. Vor allem grampositive Keime (z. B. Staphylokokken) und Anaerobier (z. B. Clostridien), aber auch gram-
404
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Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
negative Keime (Pseudomonas, Salmonellen etc.) können Exotoxine freisetzen [28]. In größeren Mengen führen sie u. a. durch massive Endothelschädigung zu schweren, oft akut tödlichen Krankheitsverläufen. Das »toxische Schocksyndrom«, ausgelöst durch ein bestimmtes Staphylokokkentoxin [31], ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Soweit bekannt ist, sind Exotoxine unterschiedlich große Proteine. Erheblich größere klinische Bedeutung haben bestimmte Zellwandbestandteile gramnegativer Bakterien (z. B. E. coli). Sie werden beim Zerfall dieser Bakterien freigesetzt, sind für den menschlichen Organismus hoch toxisch und werden Endotoxine genannt. Im Gegensatz zu den Exotoxinen sind sie thermostabil, und man schätzt, dass sie allein für mehr als 50 % aller schweren septischen Krankheitsbilder verantwortlich sind [17]. Die Identifizierung der Struktur und Wirkungsweise des Endotoxins ist deshalb in den vergangenen Jahren mit besonderem Nachdruck betrieben worden [68]. Alle Endotoxine sind Lipopolysaccharide (LPS), die sich nach Eintritt in die Blutbahn an ein dort vorhandenes Protein, das lipopolysaccharidbindende Protein (LBP), anheften und in dieser gebundenen Form an Makrophagen andocken. Für die Aktivierung der Makrophagen und Granulozyten entscheidend ist der Lipidanteil des Endotoxins, das sog. Lipid A. Dieses Lipid A ist offenbar bei den meisten klinisch relevanten gramnegativen Keimen relativ strukturidentisch [54, 68, 69] (7 Kap. 8); dies ist entscheidend für die Nachweisreaktion, mit der Endotoxin bestimmt wird, den Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL). Dieser Test wird nicht nur durch intaktes Endotoxin, sondern auch isoliert vorhandenes Lipid A positiv [54, 62].
17 18 19 20
Nichtbakterielle Entzündungsauslöser Massive Gewalteinwirkung (Polytrauma, Verbrennung) oder schwere, lang anhaltende Schockzustände führen zur Zerstörung von Gewebezellen und Kapillarendothel. Als Reaktion auf diese primär nichtbakterielle Aggression kann es in Abhängigkeit vom Ausmaß des Schadensereignisses
in ganz ähnlicher Weise zur Aktivierung der genannten Kaskaden mit schließlich systemischer Reaktion kommen. Die Beteiligung von potenziell pathogenen Mikroorganismen ist dazu nach derzeitigem Kenntnisstand nicht unbedingt erforderlich. Die pathophysiologischen Folgen sind wie bei der Sepsis bestimmt von der Überschwemmung des Organismus mit hochwirksamen Entzündungsmediatoren. Auf Details wird in 7 Kap. 2 ausführlich eingegangen.
Mediatoren der Entzündung
Am Sepsisablauf beteiligten Substanzen 5 Auslöser der Entzündung – Endotoxin – Exotoxin – bisher unbekannte Substanzen (Gewebetrümmer etc.) 5 Eigentliche Mediatoren – Tumornekrosefaktor (TNF) – Interleukine (Il-1 bis IL-25) – aktivierte Komplementkomponenten (C3a bis C5a) – Prostanoide (Prostaglandine I2 und E2, Thromboxan A2) – Elastase – Sauerstoffradikale (O2–, HO–, H2O2)
Molekulargewichte der Entzündungsträger und Mediatoren Wichtige Voraussetzungen für die mögliche Elimination dieser Sepsismediatoren ist die Kenntnis ihrer Struktur und Größe (. Tabelle 13-1) [11, 28, 34, 36, 52, 54, 56.86].
Extrakorporale Eliminationsverfahren Intensive Überlegungen zu Blutreinigungsverfahren gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Zielgruppe dieser Überlegungen waren zunächst Pa-
405 Extrakorporale Eliminationsverfahren
. Tabelle 13-1. Molekulargewicht verschiedener Sepsismediatoren Substanz
Molekulargewicht [D]
Endotoxine
100.000
Lipid A
2.000
Exotoxine
10.000–900.000
Interleukine
14.000–21.000
Komplementfaktoren C3a, C5a
11.500
Tumornekrosefaktor
17.000
Prostanoide
600
Leukotriene
600
Kinine
200
Elastase
800.000
Zum Vergleich: Heparin
12.000
Immunglobuline
150.000–950.000
tienten mit Nierenversagen. Bei diesen Patienten mussten v. a. Wasser und wasserlösliche, relativ kleine Teilchen – wie Harnstoff, Kreatinin und Elektrolyte – eliminiert werden. Trotzdem gelang erst in den 1950er Jahren die erfolgreiche Dialysebehandlung dieser Patienten. Als besonders schwierig erwiesen sich die Schaffung dauerhafter Gefäßzugänge und die Entwicklung blutverträglicher Dialysemembranen. Dies letztere Problem ist heute zwar weitgehend, aber nicht endgültig gelöst. Weitere wichtige Entwicklungsschritte waren die Einführung der Hämofiltration [24, 60, 63, 69] und schließlich – zur Elimination auch größerer nichtwasserlöslicher Moleküle – die Plasmapherese und die Hämoperfusion. So verfügt die Medizin heute über eine ganze Reihe unterschiedlicher extrakorporaler Blutreinigungsverfahren: 5 Hämodialyse (HD), 5 Peritonealdialyse (PD), 5 Hämofiltration (HF), 5 Hämodiafiltration (HDF),
13
5 Plasmapherese (PS), 5 Membranplasmaseparation (MPS), 5 Hämoperfusion (HP). ! Besondere Bedeutung für die Intensivmedizin
haben Hämofiltration, Plasmapherese und Hämoperfusion.
Hämofiltration Funktionsprinzip Wie bei der Dialyse findet bei der Hämofiltration der Stoffaustausch über hochpermeable Membranen z. B. aus Polysulfon oder Polyamid (auch Polyacrylnitril, Zelluloseazetat) statt [101]. Durch höheren Druck im Blutkompartiment wird Plasmawasser abfiltriert, in dem alle Teilchen enthalten sind, die die Membran ungehindert passieren können (. Abb. 13-1). Dies gilt bei den meisten derzeit verwendeten Dialysemembranen für alle Moleküle mit einer Größe bis zu 5000 Dalton (D). Der sog. Siebkoeffizient der Membran ist hier 1. Alle größeren Moleküle haben einen Koeffizienten von <1, was bedeutet, dass die Substratkonzentration im Filtrat unter derjenigen des Plasmas liegt [26, 63] (. Abb. 13-2). Inzwischen gibt es »High-Flux«-Membranen, deren Siebkoeffizient deutlich darüber liegt. Effektiv werden hier Teilchen bis zu einer Größe von 30–40 kD eliminiert (. Abb. 13-3) [40]. Bei diesem konvektiven Stofftransport der Teilchen zusammen mit dem Filtrat wird die Effektivität durch die Größe der Filtrationsrate bestimmt. Das entfernte Plasmawasser muss durch eine entsprechende Substitutionslösung, meist eine modifizierte Ringerlösung, ersetzt werden. In der Intensivmedizin hat die kontinuierliche Hämofiltration die Dialyse zur Behandlung des akuten Nierenversagens weitgehend ersetzt, weil sie neben der effektiven Elimination harnpflichtiger Substanzen eine ständige, sehr kreislaufverträgliche Kontrolle des Wasserhaushalts ermöglicht. Notwendige Infusionen von Medikamenten und künstliche Ernährung sind dadurch ohne zusätzliche Volumenbelastung möglich [49, 51, 63, 96] (s. auch 7 Anhang).
406
1
Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
. Abb. 13-1. Kontinuierliche spontane arteriovenöse Hämofiltration (CAVH)
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. Abb. 13-2. Siebkoeffizienten bei Hämofiltration mit Polyamidfiltern [63]
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. Abb. 13-3. Siebkoeffizienten von »High-Flux«-Membranen. HD Hämodialyse; HF Hämofiltration; PPh Plasmapherese
407 Extrakorporale Eliminationsverfahren
Technische Voraussetzung und Durchführung Die kontinuierliche spontane arteriovenöse Hämofiltration (CAVH) ist denkbar einfach (. Abb. 13-1). Neben einem entsprechenden Schlauchsystem werden nur eine Filtrationskartusche, ein Filtratauffangbehälter und eine Injektionspumpe für Heparin benötigt. Bis zu arteriellen Mitteldrücken von etwa 80 mmHg [51] ist mit einer effektiven Filtration zu rechnen. Um unabhängig vom Blutdruck filtrieren zu können und zur Vermeidung des notwendigen großlumigen arteriellen Zugangs (Blutungsgefahr) hat sich heute die pumpengetriebene venovenöse Hämofiltration (CVVH; . Abb. 13-4) durchgesetzt. Sie erlaubt jederzeit variable Filtrationsmengen und erfordert bei Verwendung eines doppellumigen Katheters nur einen venösen Gefäßzugang (V. femoralis, V. jugularis interna). Filtrationsmengen von bis zu 24 l/Tag sind leicht erreichbar [93]. Das System für die spontane Hämofiltration (CAVH) muss dazu im einfachsten Fall nur durch eine Blutpumpe ergänzt werden.
. Abb. 13-4. Pumpengetriebene veno-venöse Hämofiltration (CVVH)
13
Elimination von Mediatoren Die einfache Handhabung dieses sehr effektiven Blutreinigungsverfahrens regte dazu an, damit auch Einfluss auf ein septisches Krankheitsbild zu nehmen. In der Literatur findet sich eine große Zahl von Einzelfallbeschreibungen derartiger Versuche. Oft wenig bedacht wurden dabei die Struktur und v. a. die Größe der Substanzen, die man entfernen wollte. Große methodische Schwierigkeiten beim zuverlässigen Nachweis der bisher bekannten Auslöser und Vermittler einer Sepsis erschweren die Beurteilung dieser Berichte zusätzlich. Deshalb gibt es nur wenige überzeugende tierexperimentelle Untersuchungen zur Frage der Eliminierbarkeit von Mediatoren mit der Hämofiltration. Intaktes Endotoxin mit einem durchschnittlichen Molekulargewicht um 100.000 D kann danach mit Sicherheit Hämofilter nicht passieren [24, 59, 75]. Selbst wenn auch kleinere, biologisch aktive LPS-Moleküle existieren, ist v. a. entscheidend, dass LPS im Blut innerhalb von Sekunden an Trägerstoffe gebunden wird [71, 72]. Dies sind das schon genannte LPS-bindende Protein, Lipoproteine (LDL, HDL) sowie zelluläre Blutbestand-
408
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Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
teile (Granulozyten, Makrophagen und Erythrozyten). Dazu im Widerspruch stehende Befunde finden ihre Erklärung vielleicht dadurch, dass Endotoxinfragmente, wie das für die Makrophagenaktivierung entscheidende Lipid A mit einem Molekulargewicht von nur 2000 D, Membranen von Hämofiltern wahrscheinlich passieren können und deshalb zu positiven Nachweisergebnissen mit den LAL-Test führten [52]. Die Deutung auch dieser Befunde wird wiederum kompliziert durch die Tatsache, dass solche thermostabilen Endotoxinfragmente (»Pyrogene«) auch in sterilen Gefäßen vorkommen und den LAL-Test falsch-positiv werden lassen können [37]. Die primäre Pyrogenfreiheit aller zum Versuch benutzter Materialien ist deshalb eine unabdingbare Voraussetzung zur exakten Beurteilung von Untersuchungen, bei denen der LAL-Test zum Wirksamkeitsnachweis benutzt wird. Diese Schwierigkeit ist ein wesentlicher Kritikpunkt an diesem Test. Auch TNF, das in der Zirkulation als Trimer [87] oder sogar Pentamer vorliegt [32, 40], kann in dieser Form herkömmliche Filtrationsmembranen kaum passieren. Wie andere Zytokine auch, wird TNF nach seiner Freisetzung sofort an entsprechende Rezeptoren auf der Oberfläche von Leukozyten und Endothelzellen, seine löslichen Rezeptoren und unspezifisch an α2-Makroglobuline gebunden. Die Halbwertszeit im Plasma freigesetzter Zytokine – nur diese sind der Elimina-
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. Abb. 13-5. Extinktionskurven von Schock [25]
tion durch extrakorporale Verfahren zugänglich – ist daher extrem kurz und beträgt nur wenige Minuten. Daher können vielleicht Zytokine im Ultrafiltrat/Dialysat im Einzelfall nachgewiesen werden, nie gelang es dadurch aber, einen Abfall der Plasmazytokinspiegel zu erzielen [8, 9, 14, 41, 42, 47, 74, 76, 89]. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Tatsache, dass Entzündungsmediatoren über eine Aktivierung von Makrophagen und Granulozyten durch den Kontakt von Blut mit der Fremdoberfläche von Hämofiltern in klinisch relevantem Umfang freigesetzt werden können [3, 7, 18, 20, 32, 42, 45, 48, 79, 80, 81, 89, 96]. Diese Frage der sog. Biokompatibilität von Dialysemembranen ist Gegenstand einiger prospektiver klinischer Studien gewesen. Danach kommt diesem Effekt offenbar keine klinische Bedeutung zu [37, 45, 78]. Dies führt einige Autoren zu der Vermutung, dass ihre positiven klinischen Therapieerfolge mit Hämofiltration bei Sepsis durch die Entfernung nicht näher identifizierter sog. Mittelmoleküle erreicht wurden [25, 34]. Es werden zur Stützung dieser These chromatographische Untersuchungen des Filtrats septischer Patienten vorgelegt, in denen Adsorptionsbanden in dem Bereich der vermuteten Größe dieser Moleküle vorhanden sind (. Abb. 13-5). Dafür würde sprechen, dass Hämofiltrat septischer Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Herzfunktion im Gefolge einer Sepsis kardiotoxische Effekte auf isolierte Ratten-
409 Extrakorporale Eliminationsverfahren
myozyten ausübt [43]. Die Hypothese vom »myokarddepressiven Faktor, MDF« wird hier neu belebt (7 Kap. 2 und 11). Eine aktuelle Übersicht zeigt aber nicht überraschend die extrem schlechte Eliminierbarkeit von Zytokinen über zurzeit verfügbare Membranen [40].
Hämofiltration und Sepsis Tierexperimente, in denen eine Sepsis durch Endotoxininfusionen induziert wurden, sind vielfach durchgeführt worden, um den positiven Effekt einer Hämofiltrationsbehandlung zu zeigen [10, 33, 88, 90]. Die Ergebnisse sind eher ernüchternd. Kreislauf- und Lungenfunktion konnten zwar vorübergehend gebessert werden, der Ausgang der Erkrankung ließ sich dagegen selten beeinflussen. Durch Studiendesign und oft fehlende Vergleichbarkeit mit der klinischen Situation ist ihre Bedeutung für die Klinik begrenzt [30, 91]. . Tabelle 13-2 zeigt eine aktuelle Zusammenstellung dieser tierexperimentellen Daten. Neben einer Fülle von Einzelfallbeobachtungen gibt es die Berichte einer Arbeitsgruppe, die an einer größeren Patientengruppe – jedoch unkontrolliert – positive Effekte der Hämofiltration bei Sepsispatienten beschrieben hat [25, 34, 64]. Inzwischen liegen eine Reihe klinischer Studien vor, in denen prospektiv und kontrolliert der Wert der kontinuierlichen Hämofiltration bei septi-
13
schen Patienten unterschiedlicher Schweregrade untersucht worden ist: In einer ersten Studie wird nachgewiesen, dass TNF-α und IL-1β bei septischen Patienten mit Nierenversagen bei mehr als der Hälfte der untersuchten Patienten im Dialysat nachweisbar gewesen ist [8]. Aber trotz der messbaren Elimination dieser Zytokine bleibt dies ohne Einfluss auf die Plasmaspiegel der behandelten Patienten [50, 98, 99, 100] (. Abb. 13-6). Oft ist bei septischen Patienten aus den schon oben genannten Gründen zum Zeitpunkt der Probengewinnung im zirkulierenden Blut überhaupt kein TNF-α nachweisbar [60, 62]. Trotz dieser ernüchternden Befunde finden sich belegbare positive Effekte der Hämofiltration bei septischen Patienten (. Abb. 13-7): Blutdruck und peripherer Widerstand steigen an, und der Katecholaminbedarf nimmt ab [41, 42, 64, 97]. Dieser Effekt beruht vielleicht weniger auf der Beeinflussung von Zytokinplasmaspiegeln als vielmehr auf der Entfernung aktivierter Komplementfaktoren mit einem Molekulargewicht zwischen 600 und 1000 D, deren Abfall in einer sehr guten klinischen Studie [42] der Verbesserung der Hämodynamik folgte (. Abb. 13-8). Dieser Effekt lässt sich durch eine Erhöhung der Filtratmenge noch steigen [23] (. Abb. 13-10).
. Tabelle 13-2. Tierexperimentelle Untersuchungen zur Zytokinelimination [16] Studie
Modell
Zytokin/Mediator
Therapie
Effekt
[16]
Schafe
cGMP
CDHF
Hämodynamik +
[18]
Schweine
n.u.
HV, CVVH
Überleben +
[30]
Hunde
n.u.
HF
Herzfunktion +
[22]
Ratten
TxB2 ↓, PG1α, TNF-α
CAVH
Überleben +
[90]
Schweine
n.u.
CAVH
Hämodynamik +
[53]
Schweine
n.u.
CAVH
Überleben +
[23]
Schweine
Prostazyklin, TNF, PGE2
CVVH
Keine Elimination
n.u. nicht untersucht; cGMP zyklisches Guanosinmonophosphat; TxB2 Thromboxon B2; PG1α Prostaglandin 1α; TNF Tumornekrosefaktor; PGE2 Prostaglandin E2; CDHF kontinuierliche Diahämofiltration; CVVH kontinuierliche venovenöse Hämofiltration; HF Hämofiltration; CAVH kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration
410
1 2
Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
. Abb. 13-6. TNF-α-Serumspiegel unter Hämofiltration [8]. CVVHD pumpengetriebene venovenöse Hämodialyse
3 4 5 6 7 8 9
. Abb. 13-7. Hämofiltration und Sepsis: arterieller Mitteldruck (MAP) und systemischer Gefäßwiderstand (SVR) [42]
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 13-8. C3a und C5a: Plasmaspiegel unter Hämofiltration [42]
411 Extrakorporale Eliminationsverfahren
Die Überlebensrate septischer Patienten hat sich aber auch in einer jüngst veröffentlichten Studie mit prospektivem, randomisiertem Studiendesign nicht signifikant verändern lassen [32].
Hämofiltration und akutes Nierenversagen (ANV) Nicht nur wegen der Schwierigkeit des Nachweises von Entzündungsmediatoren ist bei Patienten mit Sepsis oder einer systemischen Entzündungsreaktion die Beurteilung einzelner therapeutischer Maßnahmen außerordentlich problematisch. Denn bei jedem schweren septischen Krankheitsbild kommt es sehr schnell zur Funktionsminderung anderer Organe, wie der Lunge und der Niere. Hier muss die frühzeitig installierte Hämofiltrationsbehandlung günstige Effekte auch ohne Elimination von Mediatoren haben. Wasser- und Elektrolythaushalt sind optimal zu regulieren, und auch eine großvolumige Therapie, wie die Zufuhr von »fresh frozen plasma« oder Gerinnungsfaktoren, ist ohne zusätzliche Volumenbelastung möglich [49, 63]. Es gibt Beschreibungen, in denen über die unterschiedliche Letalität von Patienten mit Sepsis und ANV nach konsequenter Einführung der Hämofiltrationsbehandlung berichtet wird [55, 93]: Bei insgesamt 58 Patienten mit Sepsis und Nierenversagen sank die Letalität unter Hämofiltration von 90 % auf 70 %. Eine andere Arbeitsgruppe zeigt die Abhängigkeit des Erfolgs von der erreichten Filtratmenge. Zu diskutieren ist natürlich, inwieweit die Gruppe mit der höchsten Letalität einfach schlechter dialysiert worden ist. Belegbar ist der Effekt der Dialysedosis auf die Überlebensrate von Intensivstationspatienten mit ANV: Hämofiltration mit mehr als 2 l Filtratvolumen/h oder tägliche Dialysen verbessern das Überleben dieser Patienten signifikant.[70, 77]. Ob die kontinuierliche Behandlung der intermittierenden überlegen ist, muss aber durch geeignete Studien noch belegt werden.
Hämofiltration und ARDS Besonders kontrovers wird der Wert der Hämofiltrationsbehandlung beim akuten Lungenversagen diskutiert. Kein Zweifel besteht inzwischen daran, dass der vorsichtige Wasserentzug beim ARDS so
13
gut wie immer zu einer bemerkenswerten Besserung der Lungenfunktion führt [4, 25, 34, 49]. Die gute Korrelation zwischen Ausmaß des Wasserentzugs und Besserung der Lungenfunktion lässt hierfür eine zudem nur schwer belegbare Mediatorenelimination eher zweitrangig erscheinen. Bei allen schweren Zuständen von ARDS ist der Wasserentzug über eine Diuresesteigerung oder eine Hämofiltration fester Bestandteil der meisten Therapieprotokolle.
Hämofiltration und Herzinsuffizienz Heute gilt als gesichert, dass eine messbare kardiale Funktionseinschränkung zu den typischen Folgen einer Sepsis oder einer generalisierten Entzündungsreaktion gehört (7 Kap. 2 und 11). Es gibt aber so gut wie keine systematischen Untersuchungen zur Beeinflussbarkeit dieser Veränderungen durch Hämofiltration. Einige wenige tierexperimentelle Arbeiten mit durch E.-coli-Infusion ausgelöster Sepsis zeigen die Besserung der deutlich eingeschränkten linksventrikulären Funktion durch Hämofiltrationsbehandlung [33]. Auch diese Ergebnisse sind nicht leicht zu deuten, da jede Veränderung des intravasalen Volumens, der bei einer Filtrationsbehandlung kaum vermeidbar ist, immer zu einer Modifikation der Vor- und Nachlast des Herzens führt. Jede registrierbare Funktionsänderung des Herzens ist unabhängig von diesem Faktor nicht zu werten. Trotzdem führt der Autor der zitierten Untersuchung den positiven Effekt der Hämofiltration in seinen Untersuchungen vorwiegend auf die Entfernung eines myokarddepressiven Faktors mit einer Molekülgröße von <30 kD zurück. Er nimmt an, dass dieser Faktor wegen seiner Größe zwar langsam, aber dennoch wirksam durch die verwendeten Hämofiltrationsmembranen eliminiert worden sei. Unabhängig davon ist in der aktuellen klinischen Situation die Hämofiltration längst ein sicheres Verfahren zur Beeinflussung einer therapieresistenten Linksherzinsuffizienz, die auch bei Sepsis möglich ist [15, 46, 51, 60, 63, 94]. Weitere Studien sind hierzu erforderlich.
412
1
Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
Plasmapherese Funktionsprinzip
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Bei der Plasmapherese (PS) wird aus dem Vollblut mit Hilfe der Schwerkraft oder Filtration durch mikroporöse Membranen Blutplasma von den zellulären Blutbestandteilen getrennt und durch 5 % Humanalbumin bzw. andere Ersatzlösungen ersetzt. Dazu gibt es folgende Möglichkeiten: 5 Beuteltechnik, 5 diskontinuierliche Zellzentrifugation, 5 Membranplasmaseparation (Porendurchmesser von 0,2 µm, freie Passage für Moleküle bis zu einer Größe von 3.000.000 D; [75, 84, 85]). Dadurch ist die Elimination aller im Blutplasma vorhandenen pathogenen Faktoren möglich. Mit Erfolg wurden Cholesterin, Autoantikörper oder freies Hämoglobin entfernt [75, 84, 103]. Theoretisch ist damit die Plasmapherese das bisher einzige wirklich geeignete Verfahren zur Elimination von Sepsismediatoren. ! Ein Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass
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zur Entfernung eines pathogenen Faktors alle
. Abb. 13-9. Membranplasmaseparation. FFP »fresh frozen plasma«
physiologischen Protein- und Plasmabestandteile mit entfernt und verworfen werden müssen [87].
Technische Voraussetzung und Durchführung Im einfachsten Fall wird eine gewissen Blutmenge entnommen, nach Sedimentation das Plasma entfernt und die zellulären Blutbestandteile nach Auffüllung mit einem Plasmaersatz reinfundiert. Pathogene Moleküle, deren Molekulargewicht bekannt ist, können mit der Zentrifugationstechnik separiert und gezielt entfernt werden [73, 84, 85]. Am einfachsten ist die Membranplasmaseparation (. Abb. 13-9), die sich von der Hämofiltration in der Durchführung kaum unterscheidet. Benutzt wird ein anderer Hämofilter, und das entfernte Plasma muss mit 5 % Albumin bzw. Frischplasma ersetzt werden. Sinnvollerweise sollten pro Sitzung nicht mehr als 3–4 l Plasma ausgetauscht werden [85], da sonst die Gefahr besteht, bereits ausgetauschtes Plasma ein zweites Mal zu separieren. Schwierig zu bestimmen ist die notwendige Frequenz von Plasmaseparationen, da bisher keine Daten dazu vorliegen, mit welcher Geschwin-
413 Extrakorporale Eliminationsverfahren
digkeit Sepsismediatoren nachgebildet bzw. erneut im Plasma freigesetzt werden.
Elimination von Mediatoren Zuerst wurde in Tierversuchen die Möglichkeit untersucht, Entzündungsmediatoren durch einen totalen Blutaustausch zu eliminieren [59]. Die Überlebensrate der Tiere galt als Beleg der Wirksamkeit. Immerhin überlebten in einigen dieser Untersuchungen nach einem Plasmaaustausch 4/5 der Tiere eine sonst tödliche E.-coli-Sepsis [1].
Plasmapherese und Sepsis
Hämofiltration und Plasmapherese gelang es bei einer größeren Patientengruppe mit Multiorganversagen nach Sepsis, die Letalität dieser Patienten zu senken [5]. Eine neue Studie kommt bei chirurgischen Intensivstationspatienten zu sehr ähnlichen Ergebnissen [82].
Hämoperfusion Funktionsprinzip Das Prinzip der Hämoperfusion (HP) besteht in der Elimination von toxischen Substanzen aus dem Blut über die Adsorption an Aktivkohle oder synthetische Adsorberharze. Die hohe Adsorptionsleistung von Aktivkohle für eine Vielzahl gasförmiger oder gelöster Substanzen ist lange bekannt. Sie beruht auf ihrer außerordentlich großen Oberfläche (1000 m2/g). Auch lipophile oder eiweißgebundene toxische Substanzen werden adsorbiert. Ein Problem ist die schlechte Biokompatibilität von Aktivkohle. Deshalb war ihre therapeutische Anwendung zur Bindung toxischer Substanzen lange auf die enterale Applikation begrenzt. Erst zu Beginn der 1960er Jahre gelang es durch Beschichtung der Aktivkohle, die Blutverträglichkeit zu verbessern. Erkauft wurde dies mit einer erheblichen Einschränkung der Adsorptionsleistung. Hiervon
Norepinephrin [µg/min]
Die gesicherte Möglichkeit, mit der Plasmapherese Substanzen mit größerem Molekulargewicht zu eliminieren, hat zahlreiche Untersucher veranlasst, dieses Verfahren auch bei der Sepsis einzusetzen. Die Ergebnisse sind unterschiedlich. In einer Veröffentlichung [61] wird von 12 septischen Patienten berichtet, bei denen kein Nutzen der Behandlung erkennbar war. Hingewiesen wird auf die Schwierigkeiten bei der Indikationsstellung, der möglichen Infektionsübertragung durch den Plasmaersatz mit »fresh frozen plasma« und schließlich auf die Kosten. Nur in Einzelfalldarstellungen [12, 29, 57, 65] wird über positive Therapieeffekte durch Plasmapherese auch bei sehr fortgeschrittenen Krankheitsbildern berichtet. In kombinierter Anwendung von kontinuierlicher
13
[h] . Abb. 13-10. »High-volume«-Hämofiltration beim septischen Schock [23]. LVH low-volume haemofiltration; MVH middle-volume haemofiltration; HVH high-volume haemofiltration
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Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
betroffen sind v. a. Substanzen mit hohen Molekulargewichten, die nur begrenzt die Beschichtung der Kohle passieren können [35, 60]. Praxistipp Daher ist das blutverträglichere Adsorberharz Amberlite XAD-4 mit einer ähnlich großen Oberfläche (750 m2/g) der Aktivkohle in vielen Fällen überlegen, da es für die meisten der in der Humantoxikologie bedeutsamen Substanzen eine höhere Eliminationsleistung aufweist.
Elimination von Mediatoren
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Technische Voraussetzungen und Durchführung Die Hämoperfusion ist ebenfalls einfach. Benutzt wird die gleiche Technik wie bei der Hämofiltration oder der Membranplasmaseparation. An die Stelle des Hämofilters bzw. des Plasmaseparators tritt die Adsorberkartusche. Sie enthält in der Regel 10–300 g des gewählten Adsorbens als Granulat [60]. Um störfrei einen notwendigen Blutfluss von 150–200 ml/min durch die Adsorberkapsel zu gewährleisten, muss allerdings effektiv antikoaguliert werden. Notwendig ist eine Vervierfachung der normalen PTT. Da oft trotz Beschichtung der Aktivkohle oder Verwendung von Adsorberharzen die Thrombozytenzahlen unter Umständen
. Abb. 13-11. Tierexperimentelle Studie: Therapie der E.-coliSepsis [38, 39]. GM Gentamycin i.v.; PMX Polymyxinplasmaperfusion; MDP Vorbehandlung mit Immunstimulation; HP Hämoperfusion
drastisch abfallen können, ist bei blutungsgefährdeten Patienten die Indikation mit Einschränkung zu stellen. Klinisch unerheblich ist die unerwünschte Elimination körpereigener Substanzen (Hormone, Immunglobuline etc.).
Experimentelle Daten zur guten Elimination von Endotoxin aus wässriger Lösung und Plasma durch Perfusion über unverkapselte Aktivkohle gibt es in großer Zahl [19, 27, 66, 67]. Sehr viel schlechter ist die Elimination von Endotoxin über verkapselte Aktivkohle untersucht. Im Tierversuch konnte auch der Nachweis über die Elimination von intaktem Endotoxin durch Perfusion über Aktivkohle erbracht werden [6]. Als sehr viel effektiver hat sich die Perfusion von endotoxinhaltigem Plasma oder Blut über mit Polymyxin B beschichtete Kunststofffasern erwiesen [92]. Im Tierexperiment überlebten fast alle Versuchstiere eine sonst mit Sicherheit tödliche Endotoxininfusion [22, 38, 39] (. Abb. 13-11).
Hämoperfusion und Sepsis Japanische Arbeitsgruppen [1, 2, 38, 39, 92] haben die Hämoperfusion über mit Polymyxin beschichtete Adsorber bei Sepsis im Tierexperiment eingehender untersucht. Eine E.-coli-induzierte Sepsis
Überlebensrate [%]
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–1 h
0
1h
6h
Tag 1 Tag 2 Tag 3 Tag 4 Tag 5 Tag 6 Tag 7 Tag 8
415 Extrakorporale Eliminationsverfahren
war in vielen dieser Experimente wirksam zu behandeln. Der Anwendung am Menschen steht die hohe Nephrotoxizität des Polymyxins entgegen. Daher ist bisher nur eine Fallbeschreibung veröffentlicht, in der eine solche Therapie beim Menschen vorgenommen wurde. Die 77-jährige Patientin überlebte einen schwersten septischen Zustand nach Hämoperfusion über mit Polymyxin B beschichtete Polystyrolfasern [95]. Systematische Untersuchungen beim Menschen zur Therapie der Sepsis gibt es weder für die Hämoperfusion über Aktivkohle noch für die Perfusion über Kunstharze oder mit Polymyxin B beschichtete Kunstfasern.
Kombinierte Eliminationsverfahren Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren zur Elimination toxischer Substanzen aus dem Blut legen es nahe, sie zu kombinieren. Durch eine solche Kombination müsste die Effektivität des einzelnen Verfahrens zu steigern sein, mit gleichzeitiger Reduzierung unerwünschter Effekte. Im Hinblick auf die Elimination der bei der Sepsis verantwortlichen Mediatoren ist aufgrund ihrer Funktionscharakteristik die Kombination der Plasmapherese mit der Plasmaperfusion besonders interessant. Viele
. Abb. 13-12. Kombinierte Plasmaseparation und Plasmaperfusion
13
der die Sepsis bestimmenden Mediatoren sind zu groß für die Passage durch die Dialysemembran. Sie können demnach nur durch Plasmaseparation aus dem Blut entfernt werden. Deren wiederholtem Einsatz steht aber der unkontrollierbare Verlust physiologischer Blutplasmabestandteile (z. B. Gerinnungsfaktoren) und der Bedarf an aufwändiger Plasmasubstitution entgegen. Andererseits gibt es bei der Hämoperfusion noch immer Probleme mit der Biokompatibilität für die zellulären Blutbestandteile. Einen interessanten Ausweg bietet die Kombination beider Verfahren (. Abb. 13-12). Dabei wird das Plasma zunächst über einen entsprechenden Separator von den zellulären Bestandteilen getrennt und dann isoliert über eine Adsorberkartusche geleitet, detoxikiert und anschließend mit den zellulären Blutbestandteilen reinfundiert. Dabei könnten hochspezielle Adsorberkartuschen zum Einsatz kommen, mit denen ganz bestimmte Substanzen aus dem Plasma eliminierbar würden [102]. Denkbar sind antikörperbeschichtete Adsorber für Endotoxin – zum Konzept der Adsorption von Endotoxin an eine Albuminsäule (Matisse, Fa. Fresenius) 7 Kap. 4 – oder jedes einzelne der Zytokine [58]. Dass diese Vorstellung nicht utopisch ist, beweist die bereits realisierte Entwicklung dieser Technik zur Elimination bestimmter Blutfette [66].
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Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
Fazit für die Praxis Hämofiltration, Plasmapherese und Hämoperfusion sind für die Intensivmedizin besonders wichtige Blutreinigungsverfahren. Zur Elimination bedeutender Auslöser und Mediatoren der Sepsis und der systemischen Entzündungsreaktion ist aufgrund ihrer Funktionsprinzipien die Hämofiltration nur bedingt geeignet. Entfernt werden können unter Umständen Endotoxinfragmente und Mitglieder des »immunologischen Orchesters« [48, 62] von nur untergeordneter Bedeutung, wie Kinine oder andere vasoaktive Substanzen [16]. Der derzeitige Kenntnisstand rechtfertigt keinen Einsatz von Nierenersatzverfahren zur Zytokinelimination bei Patienten mit normaler Nierenfunktion. Die Hämofiltration bietet dessen ungeachtet für die rein symptomatische Therapie pathophysiologischer Folgen der Sepsis eine Reihe nützlicher Effekte. Schnell und kreislaufschonend kann der Volumenstatus des betroffenen Patienten unabhängig von seiner Diureseleistung beeinflusst werden. Damit werden die auch großvolumige Medikamentenzufuhr und die künstliche Ernährung unproblematisch [83]. Einschränkungen der Nieren-, Lungen- und Herzfunktion lassen sich immer günstig beeinflussen.
Die Plasmapherese ist das bisher wirksamste Instrument zur Elimination von Substanzen in der Größe der meisten Mediatoren der Sepsis und der systemischen Entzündungsreaktion. Die dabei stattfindende Entfernung aller Plasmabestandteile ist aber gerade bei diesen Krankheitsbildern problematisch. Günstige Therapieerfahrungen bei der Sepsisbehandlung sind deshalb bisher nur in Einzelfällen berichtet worden. Die Elimination von Sepsismediatoren durch Hämoperfusion ist theoretisch möglich, ihr Wert aber bei der Sepsis bisher wenig belegt. Biokompatibilitätsprobleme schränken zudem ihre Anwendung deutlich ein. Die Kombination von Membranplasmaseparation und Plasmaperfusion verspricht wesentlich bessere therapeutische Ergebnisse. Die Entwicklung noch effektiverer Adsorbermaterialien ist dazu notwendig. Zusätzlich müssen als wichtige Voraussetzung für die Indikationsstellung zur Behandlung der Sepsis mit extrakorporalen Eliminationsverfahren schnellere und einfachere Nachweismöglichkeiten der Trigger der Sepsis und der anschließend freigesetzter Mediatoren entwickelt werden.
Anhang
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A. Evidenz von Therapieverfahren
16
Therapieverfahren
Pathophysiolog plausibel
Benutzt im Tierexperiment
Klinische Studien
17
Hämodialyse
∅
∅
∅
Hämofiltration
+
+ [10, 33, 88, 90]
+ [5, 42]
Hämoperfusion
+
+ [6, 21, 38, 39, 92]
∅ Einzelfallbeschreibung [95]
Plasmaseparation
+
+ [1, 59]
∅ Einzelfallbeschreibung [53, 82]
18 19 20
417 Literatur
13
B. »How to do«: pumpengetriebene veno-venöse Hämofiltration (CVVH) Indikation
Sepsis mit beginnendem, akut manifestem Nierenversagen
Gefäßzugang
Doppellumiger Shaldon-Katheter in V. jugularis, V. femoralis oder V. subclavia
Antikoagulation
PTT von 60--80 s (Heparinperfusor)
Filtratmenge
2--6 l/h
Bilanz
Nach aktueller Hämodynamik
Dauer
Bis zur Wiederherstellung einer normalen Nierenfunktion
Alle anderen Eliminationsverfahren sind bei der Sepsis im Experimentierstadium.
C. Glossar Hämodialyse (HD)
Entfernung löslicher niedermolekularer Stoffwechselprodukte oder aufgenommener Gifte aus dem Blut durch Diffusion durch eine semipermeable Membran in ein giftfreies Dialysat
Hämofiltration (HF)
Blutentgiftung durch aktives Abpressen von Plasmawasser mit darin enthaltenen harnpflichtigen und anderen kleinmolekularen Stoffen durch kleinporige Filter unter automatisch gesteuertem Ersatz der filtrierten Flüssigkeitsmenge
Hämoperfusion (HP)
Entfernung auch lipophiler und proteingebundener Substanzen aus dem Blut durch deren Absorption an Adsorbenzien in einer Filterkartusche (Adsorberharze, Aktivkohle), durch die das Blut gepumpt wird
Plasmapherese/ Plasmaseparation
Trennung von Plasma und korpuskulären Blutbestandteilen sowie Ersatz des Plasmas durch Fremdplasma und Elektrolytlösungen; geeignet zur Elimination von proteingebundenen Toxinen, Autoantikörpern oder Paraproteinen
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Kapitel 13 · Mediatorenelimination: Hämofiltration, Plasmapherese, Hämoperfusion
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14 Dysfunktion des Hepatogastrointestinaltrakts M. Winkler
Leber
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Schockleber Cholestase
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Akalkulöse Cholezystitis Magen
– 423
Stressulkus Pankreas Darm Ileus
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– 423 – 423
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Fazit für die Praxis Literatur
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– 425
Der Splanchnikusbereich weist gegenüber den anderen Kreislaufsystemen einige Besonderheiten auf. Die 3 möglichen arteriellen Zuflüsse (Tr. coeliacus, A. mesenterica superior und A. mesenterica inferior) fließen nach den jeweiligen Organkapillargebieten gemeinsam in die Pfortader und durch die Leber. Dies hat zur Folge, dass die Sauerstoffextraktion schon unter normalen Verhältnissen größer ist als im übrigen Körper [1]. Unter den Bedingungen der Sepsis nimmt diese deutlich
zu. Unter Ischämiebedingungen ist die Kompensationsmöglichkeit des Splanchnikusgebiets früher erschöpft, was dann zu Organinsuffizienzen führt. Der prozentuale Anteil des Splanchnikusgebiets am Herzzeitvolumen des Gesamtorganismus nimmt unter den Bedingungen der Sepsis von etwa 25% auf etwa 35% zu [2]. Bei der erfolgreichen Therapie der Sepsis wird in Zukunft daher auf das Splanchnikusgebiet besonderes Augenmerk gerichtet werden müssen.
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Kapitel 14 · Dysfunktion des Hepatogastrointestinaltrakts
Alle therapeutischen Interventionen müssen unter dem Gesichtspunkt der Splanchnikusdurchblutung und des Splanchnikusstoffwechsels neu bewertet werden. Dies trifft besonders auf die Katecholamintherapie [3] zu (7 Kap. 11).
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Leber Wegen der besonderen anatomischen Gegebenheiten reagiert die Leber bei SIRS und septischem Schock besonders kritisch. Da das gesamte Blut des Splanchnikusgebiets über die Leber drainiert wird, schädigen die im Darm aufgenommenen Toxine auch zuerst die Leber. Die hohe Endotoxin- und Bakterienbelastung der Leber durch die Schädigung der Darmschleimhaut führt zu einer Aktivierung der Kupffer- und Endothelzellen. Dadurch kommt es zur Produktion und Freisetzung von Mediatoren in der Leber und damit zur Verstärkung der systemischen Entzündungsreaktion. Aber auch eine direkte Schädigung der Hepatozyten und Endothelzellen resultiert aus der Überschwemmung dieses Kapillarsystems mit Endotoxin. Es kommt zu einer pathologischen Leukozytenadhäsion am Endothel. Schließlich wird eine gestörte Antigenpräsentation der Makrophagen (T-Zell-Abwehr) induziert, mit einem gesteigerten Infektionsrisiko als Konsequenz [4]. ! Zur Überwachung der Leberfunktion stehen in
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der Klinik nur 2 Verfahren zur Verfügung. Dies ist zum einen die Messung der IndocyaningrünClearance-Rate [5] und zum anderen der MEGXTest (Messung der Konzentration des Lidocainmetaboliten Monoethylglycinxylidid nach i.v. Lidocainbolusgabe) [6]. Beide Verfahren sind im Rahmen des septischen Multiorganversagens noch nicht ausreichend validiert, stellen aber zurzeit die einzigen in der Klinik einsetzbaren Untersuchungsverfahren dar (s. auch 7 Kap. 11).
adäquate Volumengabe, evtl. ergänzt durch eine gut gesteuerte Katecholamintherapie, den wesentlichen Schritt dar (7 Kap. 11).
Darüber hinaus existiert jedoch bereits analog zur etablierten Therapie bei Leberversagen eine erste klinische Studie über die hochdosierte Gabe von N-Acetylcystein (NAC) bei 60 Patienten mit septischem Schock, die diese Therapie nach Kreislaufstabilisierung mit Volumenersatz und Katecholaminen innerhalb von 24 h nach Beginn des Schocks erhalten hatten. Ohne einen signifikanten Einfluss auf die Letalität konnten immerhin ein Anstieg des Herzindex, ein Abfall des pCO2-Gap in der Tonometrie sowie eine verbesserte Leberfunktion im MEGX-Test erzielt werden [7]. Für eine generelle Empfehlung dieser Therapie im Sinne der evidenzbasierten Medizin fehlen jedoch große Studien, die eine Verbesserung der Letalität bei dieser Patientengruppe zeigen. Angesichts der fehlenden Nebenwirkungen dieser Substanz kann der Einsatz im Einzelfall durchaus erwogen werden.
Schockleber Unter diesem Begriff versteht man die Mitreaktion der Leber bei einem protrahierten Schock jeglicher Genese. Dabei kommt es immer zu einem Leberzellzerfall mit teilweise exzessivem Anstieg der Transaminasenwerte. Ein charakteristisches Flussprofil in der Dopplerflusskurve der Lebervenen entsteht durch die Flussbehinderung beim septischen Schock im Rahmen des Anschwellens der Ito-Zellen [4]. Wird der Schock beseitigt, so normalisieren sich die Transaminasen und die Leberfunktion ohne spezifische Therapie. Gelingt dies nicht, so haben diese Patienten eine schlechte Prognose.
Cholestase Praxistipp Therapeutisch ist die Leberfunktion im Wesentlichen durch die Therapie der Sepsis und deren Ursache zu bessern. Daher stellt die 6
Im Zuge der Sepsis tritt ziemlich häufig eine erhebliche Cholestase auf. Sie ist selten durch posthepatische Abflusshindernisse bedingt. Meist handelt es sich um eine auf zellulärer Ebene ablaufen-
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de Cholestase. Dabei ist die am meisten energieverbrauchende Galleexkretion aus dem Hepatozyten der die Bilirubinausscheidung limitierende Schritt. Die Glukuronidierung ist typischerweise noch unbeeinträchtigt. Daher ist das Verhältnis von Gesamtbilirubin zu direktem Bilirubin unverändert. Als Ursache kommen nicht nur die septische Kreislauflage, sondern v. a. die häufig lebertoxischen Medikamente infrage. An erster Stelle sind hier Antibiotika, wie Refobacin und Carbapenem, und auch das neuere Antimykotikum Caspofungin zu nennen. Praxistipp Therapeutische Optionen über die Beseitigung der Sepsis und das Absetzen der toxischen Pharmaka hinaus sind nicht belegt.
In Analogie zu Untersuchungen beim akuten Leberversagen wird häufig eine Infusion mit N-Acetylcystein (150 mg/kgKG/Tag) begonnen, ohne dass es gesicherte Studien dazu gäbe. Ob der Einsatz der Albumindialyse mehr als nur eine temporäre Verminderung der Bilirubinkonzentration bewirkt, wurde bisher nicht untersucht.
Akalkulöse Cholezystitis Im Zuge einer über lange Zeit anhaltenden Sepsis kann es zu einer Entzündung der Gallenblase kommen. Bei einem beatmeten und analgosedierten Patienten kann die Schmerzsymptomatik (Murphy-Zeichen: Schmerzen bei Druck auf die Gallenblase) nicht richtungweisend sein. Vielmehr muss die Fokussuche bei trotz Antibiotikatherapie anhaltend hohen Entzündungsparametern eine Ultraschalluntersuchung der Gallenblase mit einschließen. Hier zeigen sich dann die typische, aber nicht immer auftretende Dreischichtung der Gallenblasenwand, ein bei Schwerkranken nicht seltener Gallenblasenhydrops und evtl. eine als »Sludge« bezeichnete Verdichtung der Galle. Die Letalität dieser schwerkranken Patienten wird in der Literatur mit bis zu 75 % angegeben [8]. In dieser Situation (s. auch 7 Kap. 4) kann sich der Chirurg auch bei schlechtem Allgemeinzu-
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stand dieser Patienten zu einer Cholezystektomie entschließen. Nur so gelingt es, den Teufelskreis von Sepsisquelle und septischer Kreislauflage zu durchbrechen.
Magen Die häufigste Reaktion des Magens auf eine Sepsis ist die Gastroparese. Es gelingt nur unzureichend, diese medikamentös zu bessern. Als Therapie der Wahl ist heute die Jejunalsonde anzusehen, da es auf diese Weise möglich ist, die enterale Ernährung während solcher kritischer Krankheitsphasen aufrechtzuerhalten (7 Kap. 15).
Stressulkus Durch Verbesserungen der Intensivtherapie, insbesondere der Beatmungstechnik und der Ernährung, ist die Inzidenz der gefürchteten Stressulkusblutung in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen. Die Prophylaxe dieser Komplikation (s. auch 7 Kap. 4 u. 7 Anhang) besteht bei Patienten mit schwerer Sepsis in der Gabe von H2-Rezeptorblockern. Sie sind wirksamer als Sucralfat (7 Anhang).
Pankreas Eine Mitreaktion des Pankreas in der Situation der Sepsis und v. a. des septischen Schocks ist nicht selten klinisch insbesondere am Anstieg der Pankreasenzymwerte zu beobachten. Ob dieses Geschehen eine Bedeutung für die Prognose der Patienten hat, ist bisher nicht bekannt und vom klinischen Eindruck her eher unwahrscheinlich. Immerhin konnte in einer prospektiven Studie [9] an 300 Patienten, die sich einer kardiopulmonalen Bypass-Operation mit der bekannten Aktivierung der Entzündungsmediatoren unterziehen mussten, ein Anstieg der Letalität mit zunehmender Beeinträchtigung des Pankreas gesehen werden. So stieg die Letalität von 6% im Gesamtkollektiv auf 26% an, wenn nicht nur die Amylasekonzentration erhöht war, sondern auch die Symptoma-
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Kapitel 14 · Dysfunktion des Hepatogastrointestinaltrakts
tik einer Pankreatitis auftrat. Kam es zu einer klinisch schweren Pankreatitis, so wurde eine Letalität von 67% errechnet. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die Pankreatitis zwar nicht Ursache der Letalität dieser Patienten ist, jedoch besonders bei schweren Verläufen auftritt und die Prognose des Multiorganschadens verschlechtert. Vor allem tierexperimentelle Daten zeigen, dass nicht die Reduktion des Herzzeitvolumens (HZV) allein eine Pankreatitis erzeugt. Bei selektiver Reduktion des HZV tritt eine überproportionale Steigerung des Pankreasgefäßwiderstands ein, was den Blutfluss zum Pankreas um bis zu 70% reduziert. Dieses Phänomen ist angiotensinvermittelt [10]. Diese Reaktion führt im Tierexperiment zum Pankreasödem. Darüber hinaus scheint ein zusätzlicher Schaden nötig zu sein, der im Pankreas zum Zelluntergang führt. Dabei spielen offensichtlich Bradykinin und NO eine wichtige Rolle bei der Verhinderung der Pankreasnekrose. Werden diese Substanzen antagonisiert, so entstehen ausgeprägte Nekrosen.
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Darm
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Eine weitere anatomische Besonderheit führt bei Sepsis und septischem Schock zu einer besonderen Verwundbarkeit des Darmes: Da die Arteriolen und Venolen der Darmzotten unmittelbar nebeneinander liegen, kommt es zu einer O2-Diffusion von der Arteriole in die Vene. Das führt zu einer Abnahme der Oxygenierung des Blutes zur Zottenspitze hin. Kompensatorisch nimmt daher die Sauerstoffextraktion zur Spitze hin zu. Eine Reduktion des Blutflusses bei Sepsis muss daher zunächst zu Nekrosen an der Zottenspitze führen. Über diesen Mechanismus wird die reduzierte Barrierefunktion des Darmepithels erklärt, was letztlich zur bakteriellen Translokation in das Pfortadersystem mit verstärkter Sepsisreaktion führt. Das klinische Korrelat dieses Pathomechanismus sind die bei schwerer, lang andauernder septischer Kreislauflage zu beobachtenden ischämischen Ulzera in Kolon und Ileum mit Blutungen ex ano. Eine gefürchtete Komplikation, besonders beim schweren septischen Schock, der zu einer
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hochdosierten Katecholamintherapie zwingt, ist die Darmischämie, weil sie regelhaft zu einer infausten Prognose führt [11]. Dabei wird ein »occlusive disease« von dem bei Sepsis typischen »non-occlusive disease« unterschieden; es tritt besonders beim septischen Schock und bei exzessiver Katecholamintherapie auf. Der diagnostische »golden standard« ist bisher immer noch die Angiographie der Mesenterialgefäße [12]. Dabei lässt sich der Befund der schmalkalibrigen, in der Peripherie verdämmernden Gefäße erheben, bei gleichzeitig aber offenen großen Intestinalgefäßen inklusive deren Abgängen aus der Aorta. Praxistipp Therapeutisch ist eine aggressive Volumentherapie die wirksamste Maßname, um eine Darmischämie zu verhindern. Die zur Aufrechterhaltung des Blutdrucks nötige Katecholaminmenge kann dadurch drastisch vermindert werden.
Die Wahl der Katecholamine ist wegen deren Vasokonstriktion im Splanchnikusgebiet von großer Bedeutung. Dabei sollte die Gabe von Dopamin und Adrenalin in höheren Dosen vermieden werden. Vor allem die Kombination aus Dobutamin und Noradrenalien beim septischen Schock hat sich bei diesen Patienten bewährt [13, 14] (7 Kap. 4, 11, . Tabelle 4-13). Die Überwachung und das Monitoring dieser Therapiemaßnahmen können zurzeit mit der Tonometrie [15] erfolgen, obgleich es keine überzeugenden Studien gibt, die den Nutzen der Tonometrie in dieser Situation beweisen [16, 17, 18, 19].
Ileus Ein paralytischer Ileus ist häufig mit einer schweren Sepsisreaktion vergesellschaftet. Die meist nötige Analgosedierung führt zusätzlich zur Verminderung der Darmmotilität und muss mit Prokinetika therapiert werden. Eine zwar nicht häufige, aber für septische Intensivstationspatienten typische Form des Ileus ist die Erweiterung des proximalen Kolons, was auch
425 Literatur
als »Ogilvy-Syndrom« oder »Pseudoobstruktion des Kolons« bezeichnet wird. Führen die normalen Prokinetika nicht zum Erfolg, so müssen unter Überwachungsbedingungen innerhalb von 3 min 2 mg Prostigmin (4 Amp.) i.v. verabreicht werden [20]. Dabei kann es zu Bradykardie und Kreislaufinsuffizienz kommen, was den Einsatz von Katecholaminen erfordert. Die Darmkontraktion kommt unmittelbar danach in Gang und führt im Durchschnitt nach 4 min zum Absetzen erheblicher Mengen an Stuhl. Mit dieser Intervention ist praktisch immer ein chirurgischer Eingriff (Anus praeter) bei diesen kritisch kranken Patienten zu verhindern. Im Rahmen der entzündlichen Darmerkrankungen ist ein toxisches Megakolon mit nachfolgendem Multiorganversagen abzugrenzen.
Fazit für die Praxis Bei Sepsis zeigen die Organe des Splanchnikusgebiets typische Reaktionen. Die Leber verstärkt die Sepsisreaktion durch Produktion der Zytokine. Typische Dysfunktionen bei Sepsis erscheinen mit dem Bild der Schockleber, der Cholestase und der akalkulösen Cholezystitis. Für den Gastrointestinaltrakt sind einige Pathomechanismen bei Sepsis typisch. Dazu gehört die Translokation von Bakterien aus dem Darmlumen in die Venen und Lymphknoten durch eine verminderte Schrankenfunktion des Epithels. Gastroparese und Stressulkus sind mögliche Auswirkungen der Sepsis auf den Magen. Ileus und Pseudoobstuktion des Kolons sind mögliche Auswirkungen schwerer Sepsisformen auf den Darm. Klinisch relevante Monitoringverfahren zur Überwachung der Splanchnikusorgane sind die Indocyaningrün-Clearance und der MEGX-Test für die Leberfunktion sowie die Tonometrie für die Schleimhaut des Gastrointestinaltrakts. Kontrollierte Studien zum Nutzen dieser Überwachungsverfahren gibt es jedoch nicht.
14
Hinweise für die Praxis: Therapiemaßnahmen Adäquate Volumentherapie ( Kap. 4 und 11) Katecholamintherapie, bevorzugt mit Dobutamin und Noradrenalin ( Kap. 4 und 11) Frühestmöglicher Beginn der enteralen Ernährung ( Kap. 15) Bei Begleitpankreatitis oder Gastroparese enterale Ernährung über jejunale Sonde Bei Pseudoobstruktion des Kolons Gabe von 2 mg Prostigmin (4 Amp.) i.v. über 3 min; Cave: Bradykardie (Monitoring erforderlich) Monitoring der Funktion von Leber und Intestinum: Tonometrie, MEGX-Test (Messung der Konzentration des Lidocainmetaboliten Monoethylglycinxylidid nach i.v.-Lidocainbolusgabe) und Indocyaningrün-Clearance
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Kapitel 14 · Dysfunktion des Hepatogastrointestinaltrakts
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15 Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis K.G. Kreymann
Vor der Praxis kommt die Theorie: sepsisinduzierte Stoffwechselveränderungen – 428 Ernährung bei Sepsis Fazit für die Praxis Literatur
– 438
– 455
– 455
Die durch ein akzidentelles oder chirurgisches Trauma induzierten metabolischen Veränderungen wurden bereits in den 1950er Jahren ausgiebig untersucht, da offenkundig war, dass der durch den »Postaggressionsstoffwechsel« bedingte Verlust an Muskelmasse die Remobilisation des Patienten erheblich beeinträchtigen und damit den Erfolg der gesamten Operation infrage stellen kann. Im Gegensatz hierzu standen bei der Sepsis über lange Zeit die zirkulatorischen Veränderungen im Vordergrund, da die durch Toxine und Mediatoren induzierte Vasodilatation und Hypotonie sowie die Störung der Mikrozirkulation das unmittelbare klinische Bild eines septischen Patienten bestimmen. Die auf der Erforschung der Hämodynamik basierenden Fortschritte der Intensivmedizin brachten dann mit sich, dass viele Patienten nun die Akutphase eines septischen Schocks überlebten, schließlich aber doch nach einem längeren Verlauf an den Folgen des Multiorganversagens verstarben. Gerade bei diesen Patienten wurde evident, dass – ähnlich wie nach einem Trauma – der durch die Sepsis bedingte Verlust an Proteinen den Ausgang der Erkrankung entscheidend mitbestimmt. Diese Entwicklung hat neben den hämodynamischen auch die metabolischen Folgen der Sepsis in den Vordergrund des Interesses gerückt [93].
! Heute herrscht Einigkeit darüber, dass eine ad-
äquate Ernährungstherapie, die die krankheitsbedingte Katabolie kompensieren soll, zu einem Basispfeiler der Sepsistherapie gehört.
Da die Katabolie bei vielen Patienten mit einer deutlichen Steigerung des Energieumsatzes verbunden ist, war eine der ersten Ernährungsstrategien die Hyperalimentation – unter der Vorstellung, durch die Zufuhr einer übergroßen Menge an Energieträgern und Aminosäuren könne der Energiebedarf gedeckt und die Katabolie verhindert werden. Die enttäuschenden Ergebnisse vieler Studien gerade zur parenteralen Ernährung schwerkranker Patienten [51] sowie tierexperimentelle Studien haben aber gezeigt, dass das Konzept einer übermäßigen Energiezufuhr nicht nur dem Patienten nichts nützt – viele Patienten verlieren im Laufe einer Intensivtherapie trotzdem bis zu 30 % ihres Körpergewichts [97, 108] –, sondern dem Verlauf sogar negativ beeinflussen kann. Aus diesen Erfahrungen kann geschlossen werden, dass ein solches hyperalimentäres Ernährungskonzept keine adäquate Antwort auf diese Stoffwechselsituation ist. Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, für Patienten mit einer Sepsis ein Ernährungskonzept zu beschreiben, das die jetzt als solche erkannten
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
Fehler früherer Ansätze vermeidet und eine an die besonderen Stoffwechselbedingungen adaptierte Ernährung ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein differenziertes Verständnis der pathophysiologischen Veränderungen des Metabolismus unter diesen Bedingungen, die deshalb als erstes beschrieben werden sollen.
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Vor der Praxis kommt die Theorie: sepsisinduzierte Stoffwechselveränderungen Ähnlich wie bei Trauma- oder Verbrennungspatienten sind die Stoffwechselveränderungen der Patienten mit Sepsis gekennzeichnet durch die Trias Hypermetabolismus, Hyperglykämie und vermehrter Abbau von Muskelproteinen [73]. Quantitativ sind diese Veränderungen jedoch – zumindest bei einer schweren Sepsis –eher noch ausgeprägter als bei Verletzungen oder Verbrennungen. Da weder die Hyperglykämie durch exogene Insulingaben noch die Eiweißkatabolie durch ein vermehrtes Angebot von Aminosäuren therapiert werden können, wurde diese metabolische Konstellation immer wieder als schwere Stoffwechselentgleisung interpretiert und als »Autokannibalismus des Intensivpatienten« bezeichnet [70]. Im Gegensatz hierzu soll im Folgenden gezeigt werden, dass es sich bei diesen Stoffwechselveränderungen nicht um eine chaotische Entgleisung, sondern vielmehr um sinnvolle, durch die Evolution selektierte Anpassungsmechanismen handelt, die ein Überleben einer solcher schweren Erkrankung erst möglich machen. Erst die Erkenntnis des teleologischen Sinns dieser Stoffwechselveränderungen macht ein adäquates therapeutisches Eingreifen möglich. Notwendig wurden diese Stoffwechselveränderungen, weil während der langen Zeit der Evolution eine schwere Erkrankung immer auch mit einem Sistieren oder zumindest einer deutlichen Minderung der Nahrungsaufnahme verbunden war. Während beim Gesunden ein solcher länger andauernder Hungerzustand mit einer Reduktion des Energieumsatzes und des Ressourcenverbrauchs verbunden ist, geht eine schwere Erkrankung – und insbesondere die Sepsis – jedoch mit
einer Steigerung des Energieumsatzes und einem vermehrten Ressourcenverbrauch einher. Die Mobilisation der Infektabwehr, der Abbau von geschädigtem oder nekrotischem Gewebe und der Aufbau von Granulationsgewebe bewirken eine Steigerung der Proteinsynthese und eine Zunahme des Energieumsatzes. Nicht zuletzt wird auch der Glukoseverbrauch erhöht, da neben den üblicherweise glukoseabhängigen Geweben auch das Granulationsgewebe auf die Oxidation von Glukose angewiesen ist. Da vor der Entwicklung der parenteralen oder enteralen Ernährung bei einem Schwerstkranken eine exogene Nahrungszufuhr nicht möglich war, ist das vorrangige Ziel der im nachfolgenden beschriebenen Stoffwechselveränderungen, die für diese Anforderungen nötigen Substrate endogen, d. h. aus körpereigenen Ressourcen, zur Verfügung zu stellen. Die Folge und der Preis dieser dem Hungerzustand eines Gesunden diametral entgegengesetzten Stoffwechselanpassung – vermehrter Substratverbrauch statt -einsparung – ist bei längerem Sistieren der Nahrungszufuhr eine signifikant verkürzte Überlebenszeit. Während Gesunde mehrere Wochen ohne exogene Substratzufuhr überleben können, wären Schwerstkranke ohne entsprechende Ernährung bereits nach kurzer Zeit »verhungert«. Von daher ist evident, dass gerade bei Intensivstationspatienten mit langwierigen Verläufen der Ernährungstherapie eine besondere Bedeutung zukommt, da nur mit Hilfe einer solchen das Überleben überhaupt möglich ist.
Energieumsatz und Schweregrad der Sepsis Die vermehrte Synthese von Abwehrproteinen, das Abräumen der Nekrosen und der Wiederaufbau von zerstörtem Gewebe sind energiefordernde Prozesse und haben eine deutliche Steigerung des Energieumsatzes zur Folge. Irrtümlicherweise ging man lange Zeit davon aus, dass der Hypermetabolismus eine Folge des die Infektion begleitenden Fiebers sei. So wird häufig immer noch die Faustregel von DuBois angeführt, nach der der Energieumsatz pro Grad Celsius Temperaturerhö-
429 Vor der Praxis kommt die Theorie: sepsisinduzierte Stoffwechselveränderungen
hung um 13 % zunimmt. Die Erhöhung des Energieumsatzes ist aber nicht eine Folge des Fiebers, sondern ebenso wie dieses eine Folge der durch die bakteriellen Toxine und die nachfolgend ausgeschütteten Mediatoren induzierten Prozesse. Patienten mit Sepsis haben einen gesteigerten Energieumsatz auch in den Phasen, in denen sie fieberfrei sind. Der Hypermetabolismus ist damit eines der wesentlichen Kennzeichen der Stoffwechselveränderungen bei Sepsis und korreliert unmittelbar mit der Intensität der Erkrankung. Studien, in denen entweder der Energieumsatz septischer Patienten mit Hilfe der indirekten Kalorimetrie oder die Sauerstoffaufnahme nach dem inversen Fick‘schen Prinzip bestimmt wurde, haben so auch übereinstimmend ergeben, dass sowohl bei chirurgischen Patienten als auch bei internistischen Patienten der Energieumsatz im Verlauf einer Sepsis zwischen 30 % und 60 % über dem normalen Grundumsatz liegt [34, 41, 62, 69, 75, 83, 91, 102]. Eine Ausnahme bildet die Untersuchung von Frankenfield et al. [32]. Die Autoren fanden bei Patienten mit Sepsis sogar eine Steigerung des Energieumsatzes um 91 % im Vergleich zu dem nach Harris und Benedict berechneten Grundumsatz. Der Absolutwert des Energieumsatzes betrug 3395 kcal/Tag (methodisch weicht diese Untersuchung von anderen darin ab, dass für die Berechnung des Normgrundumsatzes bei Patienten, deren Gewicht mehr als 20 % über dem Standardgewicht lag, nicht das absolute Körpergewicht, sondern eine Formel eingesetzt wurde, der das Standardgewicht zugrunde lag, was die hohe Abweichung vom berechneten Grundumsatz zum Teil erklären mag). Entscheidend für die Ernährungstherapie ist aber – und dies wird häufig übersehen –, dass es bei einer Sepsis nicht zu einer konstanten Steigerung des Energieumsatzes kommt, sondern dass dieser sich mit dem Verlauf verändert: Mit dem Beginn der Infektion kommt es zu einem allmählichen Anstieg des Energieumsatzes, bis dieser auf dem Höhepunkt der Erkrankung ein Maximum erreicht und sich mit Abklingen der Infektion langsam wieder normalisiert. Die oben zitierten Werte entsprechen jeweils den in den einzelnen Untersuchungen gemessenen Maximalwerten.
15
Praxistipp Ein Patient mit einer Sepsis hat somit keinen konstanten Energieumsatz und bedarf infolgedessen auch einer unterschiedlichen Energiezufuhr.
Die Phasen der metabolischen Antwort auf ein Trauma wurden bereits von Cuthbertson in den 1940er Jahren beschrieben [25]. Unmittelbar nach dem Trauma kommt es zu einer initialen Ebbphase, die gekennzeichnet ist durch eine niedrige Sauerstoffaufnahme und einen niedrigen Energieumsatz, verbunden mit einer Hyperglykämie. Es ist eine Phase der hohen Substratbereitstellung bei niedrigem Verbrauch, mit dem Ziel, dem Körper ein Maximum an Energie für eine »Fightor-flight«-Reaktion zur Verfügung zu stellen und die unmittelbaren hämodynamischen Folgen des Traumas zu überwinden. Die nachfolgende »Flowphase«, die im Allgemeinen nach 12–48 h beginnt, ist gekennzeichnet durch eine Zunahme der Sauerstoffaufnahme und des Energieumsatzes. Gleichzeitig kommt es jetzt auch zu einer Zunahme der Stickstoffausscheidung, die sowohl durch den Abbau von beschädigten oder nekrotischen Geweben als auch durch den jetzt einsetzenden Abbau von Muskelproteinen bedingt ist. Moore[74] unterteilte später die Flowphase zusätzlich in eine initiale katabole Flowphase und eine nachfolgende anabole Flowphase, die dann in die – über Wochen ablaufende– Rekonstitutionsphase übergeht, in der der Patient die verlorenen Ressourcen langsam wieder durch exogene Zufuhr ausgleicht (. Abb. 15-1). Die prognostische Bedeutung der Flowphase wurde von Cuthbertson [25] schon frühzeitig erkannt. Er schrieb: »It is necessary to note, that unless this initial response to injury is followed by a period of enhanced cellular metabolism, the patient will die.« Dieser Aussage war die visionäre Vorwegnahme der späteren empirischen Erkenntnis, dass bei schwerstkranken Intensivstationspatienten eine höhere Sauerstoffaufnahme und damit auch ein höherer Energieumsatz mit einer besseren Prognose verbunden sind. Dies bedeutet, dass die Flowphase und der damit verbundene Hypermetabolismus trotz des Verlusts von Prote-
1 2 3
Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
. Abb. 15-1. Verlauf des Energieumsatzes und Einteilung der metabolischen Phasen bei einer unkomplizierten Sepsis in Anlehnung an das Konzept von Cuthbertson [25] und Moore [74]. Im Gegensatz zum Trauma gibt es keine initiale Ebbphase (der Energieumsatz ist dargestellt im Verhältnis zum Grundumsatz)
4
180 Katabole Flowphase
Energieumsatz[%]
430
160 Anabole Flowphase
140
Rekonvaleszenz 120 100 80 60
5
40 2
4
6
8
10
12
6 7 8 9 10 11 12 13
. Abb. 15-2. Verlauf des Ruheenergieumsatzes und der Stickstoffbilanz bei unterschiedlichen chirurgischen Erkrankungen. Der Ruheenergieumsatz ist dargestellt in Prozent des berechneten normalen Grundumsatzes. (Mod. nach [67])
Ruhenergieumsatz [%]
16
18
20
22
24
26
28
Verbrennung
180 Peritonitis 160 Multiple Frakturen
140 120 100
Elektive Operation Infektion
-12 -16
Schwere Sepsis
-20
Skeletttrauma
-24 -28
14
14
Tage
Verbrennung 0
10
Stickstoffbilanz [g/24 h]
20
30 Tage
40
50
60
70
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inen eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Überwindung des Traumas und – wie wir heute wissen – auch einer Sepsis ist. Dieses von Cuthbertson und Moore entwickelte Konzept wurde empirisch erstmals bestätigt durch eine Untersuchung von Long et al.[67], die einen solchen phasenhaften Verlauf des Energieumsatzes nicht nur nach einem Trauma, sondern auch bei einer Sepsis beschrieben (. Abb. 15-2). Spätere Untersuchungen an kritisch kranken Patienten, in denen ebenfalls sequenzielle Messungen des Energieumsatzes durchgeführt wurden, haben dies bestätigt [56, 83, 102].
Ein Anstieg des Energieumsatzes in dem beschriebenen Ausmaß ist allerdings nur typisch für den klinischen Verlauf einer unkomplizierten Sepsis. Differenziert man die Patienten nach dem Schweregrad der Sepsis, zeigt sich vielmehr, dass bei Patienten mit einer schweren Sepsis entsprechend der Definition der amerikanischen Konsensuskonferenz – d. h. mit den klinischen Zeichen einer zusätzlich gestörte Organfunktion wie Nierenoder Lungenversagen – die Steigerung des Energieumsatzes signifikant geringer ausfällt und bei solchen Patienten nur noch 20 % über dem normalen Grundumsatz liegt. Kommt es zur Ausbil-
431 Vor der Praxis kommt die Theorie: sepsisinduzierte Stoffwechselveränderungen
Über die Ursachen dieses (relativen) Abfalls des Energieumsatzes bei schwerer Sepsis und septischem Schock ist viel spekuliert worden. Dabei muss aber betont werden, dass es sich nicht um einen Abfall handelt – die Werte liegen ja nur selten unter dem normalen Grundumsatz –, sondern eher um einen weniger ausgeprägten Anstieg desselben. Sicher ist heute, dass dieser nicht durch eine verminderte Sauerstoffzufuhr zu den Geweben
Ruheenergieumsatz über Norm [%]
Sauerstoffaufnahme [ml/min/m2]
dung eines septischen Schocks, liegt der aktuelle Energieumsatz sogar nur noch im Bereich des normalen Grundumsatzes (. Abb. 15-3; [62]). Der septische Schock entspricht somit metabolisch am ehesten der oben beschriebenen posttraumatischen Ebbpase, da der Metabolismus in diesem Zustand ebenfalls gekennzeichnet ist durch eine hohe Energie- und Substratbereitstellung bei (relativ) geringem Verbrauch.
15
Sepsis
Schwere Sepsis
Septischer Schock
Erholungsphase
. Abb. 15-3. Sauerstoffaufnahme und Abweichung des Energieumsatzes vom Grundumsatz in den klinischen Stadien »Sepsis«, »schwere Sepsis« und »septischer Schock«. Im Stadium der schweren Sepsis ist der Energieumsatz signifikant niedriger als bei einer unkomplizierten Sepsis, beim septischen Schock liegen die Werte im Bereich des Grundumsatzes. In der Erholungsphase nach einer schweren Sepsis bzw. nach septischem Schock kommt es zu einem Wiederanstieg des Energieumsatzes. (Nach [62])
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
4
bedingt ist. Eine Untersuchung, bei der der Sauerstoffpartialdruck im Muskelgewebe mit Hilfe von Nadelelektroden gemessen wurde, ergab, dass dieser bei Patienten mit einer schweren Sepsis nicht vermindert, im septischen Schock sogar erhöht war [12]. Viele Daten sprechen dafür, dass die verminderte Sauerstoffaufnahme eher Folge einer zytokininduzierten Störung der Mitochondrienfunktion ist [54, 61, 120].
5
! Überleben die Patienten das Stadium der
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schweren Sepsis oder des septischen Schocks, kommt es zeitgleich mit der klinischen Besserung zu einer Zunahme des Energieumsatzes, der dann wieder bis zu 50 % und mehr über dem normalen Grundumsatz liegen kann. Das heißt nach der Ebbphase des septischen Schocks geht der Stoffwechsel jetzt wieder in eine Flow- und Rekonstitutionsphase über.
Bettseitig ist es nicht immer einfach, den individuellen Patienten einer bestimmten Phase zuzuordnen. Diese können bei den einzelnen Patienten und Erkrankungen von unterschiedlicher Dauer und Intensität sein; sie sind auch nicht an ein festes zeitliches Muster gebunden. Die Entwicklung einer zusätzlichen (nosokomialen Infektion) kann einen Patienten, der sich bereits in einer Rekonstitutionsphase befindet, wieder in einen Schock und damit eine Ebbphase bringen. Das Monitoring des Energieumsatzes bzw. der Sauerstoffaufnahme mit Hilfe der indirekten Kalorimetrie oder der Anwendung des inversen Fick‘schen Prinzips ist deshalb nach wie vor ein wertvolles klinisches Werkzeug, um den metabolischen Verlauf des Patienten zu beurteilen [92].
Proteinstoffwechsel Praxistipp
18 19 20
Unter Normalbedingungen werden bei Kindern rund 6 g, bei Erwachsenen rund 3 g Protein pro kg Körpergewicht und Tag erneuert [106]. Etwa 1/3 der im Rahmen dieses Turnovers freigesetzten Aminosäuren, also etwa 1 g/kgKG/Tag, sind nicht wieder für die 6
Neusynthese von Proteinen zu verwenden und werden hauptsächlich als Harnstoff mit dem Urin ausgeschieden. Diese müssen durch eine exogene Zufuhr ersetzt werden.
Dieser Proteinturnover wird unter Hungerbedingungen bei Gesunden drastisch reduziert, um den Stickstoffverlust so gering wie möglich zu halten. Durch die Reduktion der Proteinerneuerung kann bei Nahrungskarenz der Stickstoffverlust von anfänglich 13 g/Tag auf nur noch 4 g/Tag beschränkt werden, was auch für längere Zeit ein Überleben ohne Proteinzufuhr ermöglicht. Die dadurch bedingte Überalterung und mangelnde Resynthese der Funktionsproteine sind allerdings mit einer erheblichen funktionellen Einschränkung – und damit z. B. einer erhöhten Infektionsanfälligkeit – verbunden. ! Im Gegensatz zu dieser Drosselung des Protein-
turnovers bei gesunden Hungernden erfordern schwere Erkrankungen wie die Sepsis eine deutliche Steigerung des Proteinumsatzes.
Mit dem Beginn der Erkrankung kommt es – wie nach einem Trauma – zur vermehrten Sekretion von Akute-Phase-Proteinen und spezifischer Antikörper sowie zur Proliferation von immunkompetenten Blutzellen. Neben dieser Synthese von Abwehrproteinen müssen später im Verlauf nekrotische Gewebe abgebaut und durch neue ersetzt werden Zentraler Ort der Produktion der sog. AkutePhase-Proteine – wie CRP, Fibrinogen, Glykoprotein, α2-Makroglobulin, Coeruloplasmin und α2Haptoglobin – ist die Leber [36]. So wurde bei Ratten nach einem experimentellen Trauma eine Steigerung der Proteinsynthese der Leber von mindestens 40 % beobachtet [81, 82]. Bei Sepsis ist die Steigerung noch ausgeprägter als nach einem Trauma: Während ein Trauma allein bei den untersuchten Ratten zu einer Steigerung der Proteinsynthese in der Leber von 42 % führte, verursachte die Kombination aus Trauma und Sepsis eine Steigerung um 164 % [48]. Neben der Synthese von Abwehrproteinen und der Reparatur beschädigter Gewebe gibt es
433 Vor der Praxis kommt die Theorie: sepsisinduzierte Stoffwechselveränderungen
einen zweiten wichtigen Faktor, der ebenfalls zu einem erhöhten Bedarf an Aminosäuren führt: Da die für die glukoseabhängigen Organe lebenswichtige Glukose nicht aus Fett synthetisiert werden kann, müssen auch die für die Glukoneogenese notwendigen glukoplastischen Aminosäuren endogen bereitgestellt werden (s. unten). Beide Stoffwechselvorgänge, die Steigerung der Proteinsynthese wie auch die Glukoneogenese, sind jedoch nur möglich, wenn die hierfür nötigen Aminosäuren in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Da der Körper – im Gegensatz zum Fett – über keinen Aminosäurenspeicher verfügt, muss hierfür auf funktionell bedeutendes Gewebe, z. B. Muskelzellen, zurückgegriffen werden. Dass es überwiegend die Muskelzellen sind, die die Aminosäuren für die Proteinsynthese in den anderen Geweben zur Verfügung stellen [9, 23, 38], ist teleologisch ebenfalls sinnvoll: Da der Schwerkranke keinen Ortswechsel mehr vornehmen kann, wird die unter diesen Bedingungen weniger nützliche Skelettmuskulatur, die rund 45 % des Gesamtproteinpools ausmacht, zugunsten der notwendigeren viszeralen Proteine geopfert. Zusätzlich löst die Immobilisation einen starken Impuls für die Katabolie der Muskelzellen aus [27, 40]. Um vermehrt Aminosäuren abgeben zu können, wird zum einen die Proteinsynthese in der Muskelzelle reduziert. Zum anderen werden aber auch sowohl der gemischt intrazelluläre Proteinpool als auch die kontraktilen Elemente vermehrt abgebaut [46]. Hierbei werden die der kurzzeitigen und schnellen Kontraktion dienenden weißen Muskelfasern in höherem Maße »geopfert« als die den langfristigen Tonus aufrechterhaltenden roten Muskelfasern [24, 28, 39]. Insgesamt kann die Abgabe der Aminosäuren bis zum 5fachen des Normalen gesteigert werden, wobei schon früh in klinischen Untersuchungen beobachtet wurde, dass eine direkte Korrelation zwischen dem Schweregrad der Erkrankung und der Proteolyse der Muskelzellen besteht [5]. Die Abgabe der Aminosäuren aus der Muskelzelle in die Blutbahn erfolgt jedoch nicht proportional dem intrazellulär freigesetzten Aminosäurenmuster, sondern einige Aminosäuren – vorrangig Glutamin und Alanin – werden überproportio-
15
nal abgegeben, d. h. sie werden speziell für die Abgabe in die Blutbahn synthetisiert. Fasst man die Veränderungen des Proteinstoffwechsels zusammen, so findet ein zielgerichteter Transfer von Aminosäuren – vor allen Dingen von Glutamin und Alanin – von den Muskelzellen zu den proteinsynthetisierenden Organen statt. Hierbei besteht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen der Aminosäurenabgabe aus der Muskelzelle, der Konzentration der Aminosäuren in der Extrazellulärflüssigkeit und deren Aufnahme im Splanchnikusgebiet. Zur Bewertung der Gesamtsituation muss deshalb unbedingt der Aminosäurenfluss und nicht deren Plasmaspiegel analysiert werden. Die Beurteilung des Plasmaspiegels allein kann leicht zu einer Fehleinschätzung führen: Ein verminderter Aminosäurenplasmaspiegel kann durchaus Folge einer vermehrten Aufnahme im Splanchnikusgebiet und damit Ausdruck einer vermehrten Proteinsynthese sein. Zur Beurteilung dieses Aminosäurentransfers von der Muskelzelle zu den viszeralen Organen wurde der Begriff der zentralen Plasma-Clearance-Rate von Aminosäuren eingeführt (. Abb. 154; [21]). Klinisch ist von Bedeutung, dass in mehreren Studien gezeigt wurde, dass das Ausmaß der Aminosäurenabgabe und der Aufnahme im Splanchnikusgebiet positiv mit der Prognose korreliert [77, 86]. In einer Studie von Rosenblatt et al. [86] war sowohl die Aminosäurenfreisetzung als auch die Aufnahme im Splanchnikusgebiet bei überlebenden Patienten nahezu doppelt so hoch wie bei den verstorbenen Patienten. Diese Daten belegen, dass die so häufig negativ bewertete »Katabolie« schwerkranker Patienten – zumindest bei fehlender exogener Substratzufuhr – eine sinnvolle Stoffwechseladaptation darstellt. ! Limitierend für die Ernährungstherapie ist aber,
dass selbst unter heutigen intensivmedizinischen Bedingen, die eine exogene Aminosäurenzufuhr problemlos möglich machen, die endogenen Bereitstellung der Aminosäuren auch durch eine maximale exogene Zufuhr nicht vollständig verhindert werden kann. Die Ursache für diese anscheinend sinnlose Stoffwechselreaktion liegt darin, dass – wie weiter unter
434
1
Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
Normal, Hungernd
Trauma früh keine Sepsis 1–5 Tage
2 n=5
3
Trauma spät Sepsis
n=15
keine Sepsis 5 Tage oder mehr
n=27
n=32
Arterielle Aminosäurenkonzentration
4
µmol
5 6 7
Periphere Aminosäurenabgabe µmol/m2/min
Zentrale PlasmaClearance-Rate der Aminosäuren
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Normal, hungernd
Trauma, Überlebende
Trauma, Verstorben
p<0,5
. Abb. 15-4. Aminosäurenabgabe aus der Muskulatur und -aufnahme im Splanchnikusgebiet bei Traumapatienten mit und ohne Sepsis. Die überlebenden Patienten haben eine signifikant höhere Abgabe und Aufnahme als die nicht überlebenden. (Nach [77])
gezeigt werden wird – die Stoffwechselregulation durch die Zytokine in hohem Maß von der Nahrungszufuhr abgekoppelt ist.
Kohlenhydratstoffwechsel Die Veränderungen des Kohlenhydratstoffwechsels sind klinisch am augenfälligsten, da es beinahe bei allen Patienten mit einer schweren Sepsis zu einer deutlichen Erhöhung des Blutzuckerspiegels kommt, der häufig auch durch höhere Insulingaben nicht gesenkt werden kann. Aber auch dieser als »Insulinresistenz« beschriebene Zustand entspricht einer sinnvollen Stoffwechseladaptation. Das zentrale Problem des Kohlenhydratstoffwechsels besteht darin, dass aus den in großem Maße gespeicherten Triglyzeriden keine Glukose gebildet werden kann (abgesehen von der geringen Menge, die aus dem Glyzerinmolekül nach Abspalten der Fettsäuren gewonnen werden kann).
Der Mensch – wie die meisten höheren Lebewesen auch – besitzt keine Enzyme, die eine Glukoneogenese aus Fett ermöglichen. Da die Glykogenvorräte in der Regel nach etwa 24 h verbraucht sind, muss für die Versorgung der glukoseabhängigen Organe – wie Gehirn, Nierenmark und Blutzellen – auf die Glukoneogenese aus glukoplastischen Aminosäuren zurückgegriffen werden. Da deren Bereitstellung ebenfalls den Abbau funktionstüchtiger Proteine erforderlich macht, wird Glukose bei fehlender exogener Zufuhr zu einer äußerst wertvollen Substanz. Bei gesunden Hungernden wird deshalb der übliche Glukoseminimalbedarf von 140–180 g/Tag soweit wie möglich reduziert, um den Proteinverlust so gering wie möglich zu halten. Zum Beispiel wird Glukose als Energiequelle für das Gehirn nahezu vollständig durch Ketonkörper ersetzt. Bei Sepsis kommt es jedoch im Gegensatz zum Hungerzustand bei Gesunden nicht zu einer Drosselung des Glukoseverbrauchs, sondern eher zu
435 Vor der Praxis kommt die Theorie: sepsisinduzierte Stoffwechselveränderungen
einem Mehrverbrauch – sowohl die immunkompetenten Zellen als auch die an der Wundheilung beteiligten Zellen haben einen hohen Glukoseverbrauch. Die Glukoseproduktion der Leber wird deshalb nahezu verdoppelt. Bei Meerschweinchen, bei denen mit einer Infusion von 1010 lebenden E.-coli-Bakterien eine experimentelle Sepsis induziert wurde, steigerte sich die Glukoseerscheinungsrate von 23,8 ± 2,25 µmol/ kgKG/min auf 45,8 ± 32,7 µmol/kgKG/min [111]. Ähnliche Steigerungsraten wurden bei Patienten mit einer schweren Verbrennung im Vergleich zu gesunden, freiwillig Hungernden gemessen: Während die Glukoseerscheinungsrate bei den letzteren 12,4 ± 1,14 µmol/kgKG/min betrug, wurde bei den Verbrennungspatienten eine Steigerung auf 28,8 ± 4,83 µmol/kgKG/min beobachtet [112]. Jeevanandam [58] beschrieb bei Traumapatienten eine Steigerung der Glukoseproduktion um 44 %. Eine der für die Glukoneogenese wesentlichsten Aminosäuren ist Alanin. Es wird in der Muskelzelle durch die Aminierung von Pyruvat gebildet und in die Zirkulation abgegeben. In der Leber werden die Karbonskelette für die Glukoneogenese bereitgestellt und der freiwerdende Stickstoff in Harnstoff eingebaut, der dann mit dem Urin ausgeschieden wird und damit unwiederbringlich verloren ist. Der mit dem Urin ausgeschiedene Stickstoff ist somit ein guter klinischer Parameter, um das Ausmaß der Proteolyse zu bestimmen [59, 63]. Um den durch die Glukoneogenese bedingten Proteinverlust so gering wie möglich zu halten, wird der Glukoseverbrauch aller Zellen, die nicht auf die Oxidation von Glukose angewiesen sind, soweit wie möglich supprimiert. Die Voraussetzung hierfür sind die unterschiedlichen Glukosetransporter (GLUT1 bis GLUT4), die die Glukoseaufnahme in die Zelle regeln [72].Während die glukoseabhängigen Organe auch unabhängig vom Insulin Glukose aufnehmen können, ist beim Fettgewebe und bei der Muskulatur Insulin erforderlich, damit Glukose die Zellmembran passieren kann. Die kontrainsulinären Hormone Glukagon, Adrenalin und Kortisol, die bei Sepsis vermehrt sezerniert werden, bewirken eine Insulinresistenz; die Folge ist, dass weder das Fettgewebe noch die Muskulatur trotz der hohen Insulinspiegel Glukose aufnehmen können [15, 55, 116].
15
! Diese funktionelle Insulinresistenz, die ebenfalls
häufig als »Stoffwechselentgleisung« interpretiert wird, stellt somit einen höchst effizienten Mechanismus zur Einsparung von Glukose dar.
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass auch eine exogene Insulingabe selbst in höheren Dosen diesen Zustand nicht wesentlich beeinflussen kann. In einem isolierten Perfusionsmodell wurde die Glukoseaufnahme des M. gracilis von Hunden untersucht, die 21 Tage einer experimentellen Peritonitis ausgesetzt waren. Während bei den Kontrolltieren durch die gleichzeitige Perfusion mit Insulin eine Steigerung der Glukoseaufnahme von 100 % erreicht wurde, stieg die Glukoseaufnahme bei den septischen Tieren nur um 25 % (. Abb. 15-5; [84]). Eine wesentliche Rolle bei der Induktion der Insulinresistenz kommt dem Glukagon zu. Wird die Glukagonsekretion durch Gabe von Somatostatin unterbunden, kann durch die Gabe von Insulin wieder eine signifikante Steigerung der Glukoseutilisation erzielt werden [4]. Heute wird angenommen, dass es sich bei der Insulinresistenz um einen Postrezeptormechanismus handelt, der mit einem veränderten intrazellulären Glukosestoffwechsel verbunden ist. Neuere Daten haben gezeigt, dass weniger die Glukoseoxidation als vielmehr die Glukosespeicherung in der Peripherie eingeschränkt wird [44, 87, 116]. Häufig wird die Glukose – trotz ausreichendem Sauerstoffangebot – nicht vollständig oxidativ abgebaut, sondern nur bis zu Glukose-6-Phosphat oder Laktat. Aus diesem wird wiederum mit Hilfe des Cori-Zyklus Glukose gebildet. Dieses »Recycling« von Glukose, das bei Verbrennungspatienten um 250 % gesteigert sein kann [113], ist unter energetischen Gesichtspunkten eine Verschwendung, da die Resynthese der Glukose mit einem erheblichen ATP-Verbrauch verbunden ist. Es garantiert aber ebenfalls die permanente Verfügbarkeit von Glukose und entspricht damit einer erhöhten Substratbereitstellung für die glukoseabhängigen Organe. ! Die hierbei anfallende vermehrte Produktion
von Pyruvat und parallel dazu von Laktat ist auch die Ursache für die häufig bei septischen
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Prozentuale Veränderung
1
3 4 5 6 7 8 9
1,50
Kontrolle
Glukoseaufnahme des M. gracilis [mg/min/100g]
2
Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
1,25
1,00
Sepsis 0,75
0,50
0,25
0 Saline
10 11
0,2
2 20 Insulin [µU/ml/10’]
200
2000
. Abb. 15-5. Periphere Glukoseaufnahme im M. gracilis bei Hunden mit experimenteller Sepsis. Während bei den Kontrolltieren die Glukoseutilisation mit steigenden Insulindosen zunimmt, zeigen die Tiere mit experimenteller Sepsis keine signifikante Steigerung der Glukoseaufnahme unter Insulin. (Nach [84])
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Patienten erhöhten Laktatspiegel, die somit nicht unbedingt Ausdruck einer Sauerstoffunterversorgung des Gewebes sein müssen [43].
Praxistipp Bei nahezu allen Patienten mit Sepsis besteht infolge der beschriebenen Vorgänge eine je nach Schweregrad der Erkrankung mehr oder weniger ausgeprägte Hyperglykämie, unabhängig davon, ob Glukose infundiert wird oder nicht [10]. Sie ist keineswegs Ausdruck einer generellen Glukoseoxidationsstörung, sondern das Ergebnis eines Missverhältnisses der vermehrten Glukoseproduktion in der Leber und des Glukoseverbrauchs in der Peripherie.
Wie bei den Aminosäuren auch, ist der für die Ernährungstherapie entscheidende Punkt aber, dass
die vermehrte Glukoseproduktion der Leber weitgehend von der Substratzufuhr abgekoppelt ist: Während bei Gesunden die endogene Glukoseproduktion durch eine exogene Glukosezufuhr vollständig supprimiert werden kann, ist dies unter den Bedingungen einer Sepsis nicht möglich; die Glukoneogenese persistiert trotz der exogenen Zufuhr von Glukose. Die Glukoneogenese – und damit auch der Proteinabbau – kann somit auch durch eine noch so hohe Glukosezufuhr mit und ohne Insulin nicht vollständig unterdrückt werden.
Fettstoffwechsel Der erhöhte Energiebedarf der nichtglukoseabhängigen Gewebe wird unter diesen Bedingungen sinnvollerweise soweit wie möglich durch die in großer Menge im Fettgewebe gespeicherten Tri-
437 Vor der Praxis kommt die Theorie: sepsisinduzierte Stoffwechselveränderungen
glyzeride gedeckt. Stimuliert durch die vermehrt sezernierten Katecholamine bewirkt die hormonsensitive Lipoproteinlipase eine Steigerung der Lipolyse und die Freisetzung von freien Fettsäuren in die Zirkulation. So fand sich bei septischen Patienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eine Steigerung der Abgaberate von freien Fettsäuren von 6,5 µmol/ kgKG/min auf 13,1 µmol/kgKG/min, verbunden mit einer Zunahme der Serumkonzentration derselben von 970 µmol/l auf 6450 µmol/l. Parallel hierzu stieg der Plasmaglyzerolspiegel von 70 µmol/l auf 130 µmol/l an [88]. Während allerdings die Fettsäuren in den Muskelzellen zum überwiegenden Teil zur Energiegewinnung β-oxidiert werden, wird in der Leber nur ein geringer Teil oxidiert – der größere Anteil wird wieder zu Triglyzeriden verestert und mit VLDLLipoproteinen in die Blutbahn abgegeben. In der Summe werden deutlich mehr Fettsäuren aus dem Fettgewebe freigesetzt als oxidativ verwertet, so dass – ähnlich wie bei der Glukose – ein erhebliches, ebenfalls energieverbrauchendes Recycling stattfindet. Bei Verbrennungspatienten z. B. fand Wolfe eine Steigerung dieses Fettsäurenrecyclings um 450 % [112]. Auch dieser Vorgang dient letztendlich einer erhöhten Substratbereitstellung und der Stoffwechselflexibilität. ! Ähnlich wie bei der Glukose sind somit Hyper-
trigylzeridämien bei septischen Patienten – die allerdings deutlich seltener beobachtet werden als Hyperglykämien – nicht Ausdruck einer Oxidationsstörung von Fettsäuren, sondern ebenfalls ein Missverhältnis zwischen der Triglyzeridsyntheserate der Leber und dem peripheren Verbrauch derselben.
Regulationsmechanismen der metabolischen Antwort Das zentrale therapeutische Problem ist: Warum persistieren die hohe Glukoseproduktion der Leber sowie die Freisetzung von Aminosäuren aus der Muskulatur – bei fehlender exogener Zufuhr durchaus sinnvolle Stoffwechseladaptationen – trotz der Substitution von Glukose wie auch Ami-
15
nosäuren, welche heutzutage problemlos in der erforderlichen Menge zugeführt werden können? Die Antwort auf diese Frage führt zu den auslösenden Faktoren, die für diese Adaptation verantwortlich sind. Geht man davon aus, dass in früheren Zeiten eine schwere Erkrankung gleichzeitig mit einer reduzierten Substratzufuhr verbunden war, dann konkurrieren in diesem Moment zwei entgegengesetzte Stoffwechselanforderungen: auf der einen Seite der Hungerzustand, der eine Reduktion des Energie- und Substratumsatzes auslösen müsste, auf der anderen Seite die Erkrankung, die genau gegenteilig einen erhöhten Energie- und Substratumsatz erfordert. Damit letzteres geschieht, müssen die durch die Erkrankung freigesetzten Mediatoren die Signale des Nahrungsmangels »überfahren« und damit die Stoffwechselregulation von der Substratzufuhr abkoppeln. Während die Regulation des Hungerstoffwechsels über metabolische und wahrscheinlich auch gastrointestinale, bis heute nur in geringem Maße aufgeklärte Signale erfolgt, sind die Mediatoren des Stressstoffwechsels weitestgehend bekannt. Bei der Aufklärung derselben standen in den 1970er und 1980er Jahren die endrokrinen Komponenten der neurohumoralen Stressantwort im Vordergrund [85]. Mit der Entdeckung einer Vielzahl von Zytokinen und Mediatoren in den vergangenen 20 Jahren wurden weitere wichtige Aspekte der Stoffwechselregulation aufgeklärt [94]. Die sympathikoadrenale Achse wie auch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse bilden mit der vermehrten Sekretion von Adrenalin und Kortisol die Hauptsäulen der endokrinen Stressantwort, unterstützt durch die vermehrte Sekretion von Glukagon und Wachstumshormon. Das Ausmaß der Sekretionssteigerung dieser Hormone korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung, ist aber unabhängig von der Art des auslösenden Stresses. Die Sekretion dieser Hormone bewirkt viele der klinischen Symptome der Sepsis – wie Tachykardie, Tachypnoe, Leukozytose – und z. T. auch den Hypermetabolismus. Entscheidend ist der synergistische Effekt dieser endokrinen Antwort: Bessey [8] konnte an gesunden Probanden zeigen, dass die kombinierte Infusion von Hydrokortison, Glukagon und Adrenalin zu
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
einem Hypermetabolismus, einem erhöhten Proteinturnover mit negativer Stickstoffbilanz sowie einer vermehrten Glukoneogenese und Insulinresistenz führt. Im Gegensatz hierzu konnten diese metabolischen Effekte durch die Infusion einzelner Hormone allein nicht induziert werden. Glukokortikoide führen bei Gesunden zu einem vermehrten Muskelproteinabbau, sowohl durch eine Inhibierung der Synthese als auch durch eine Stimulation der Proteolyse [100]. Mit Hilfe von Glukokortikoidrezeptorantagonisten kann die durch eine Sepsis bedingte Proteolyse zumindest z. T. verhindert werden [119]. Wachstumshormon, das bei SIRS ebenfalls vermehrt sezerniert wird, führt unter normalen Bedingungen zu einer positiven Stickstoffbilanz und Proteinsynthese. Viele der anabolen Wirkungen des Wachstumshormons sind aber vermittelt über die Freisetzung von IGF-1, das in der Leber und z. T. in extrahepatischem Gewebe gebildet wird [35]. Trotz der hohen Wachstumshormonspiegel wurden bei septischen Patienten aber niedrige IGF-1-Spiegel gefunden [26], sodass in diesem Zusammenhang auch von einer Wachstumshormonresistenz gesprochen wird. Diese hormonellen Veränderungen können zwar viele der metabolischen Einzelphänomene bei Sepsis, nicht aber das Gesamtbild der Antwort auf die generalisierte Entzündungsreaktion erklären. So konnte Pedersen in einem Experiment an Ratten zeigen, dass die Infusion einer Kombination aus Adrenalin, Kortisol und Glukagon zwar zu einer Steigerung der Erneuerung des hepatischen Proteinpools von 39 % auf 48 % führt, dass aber die Synthese sekretorischer Proteine nicht gefördert wurde [80]. Im Jahre 1983 inkubierte Clowes den Muskel einer Ratte mit dem Serum septischer Patienten und fand eine Steigerung der Proteolyse auf 190 % des Ausgangswertes. Im Gegensatz hierzu führte das Plasma elektiv operierter Patienten lediglich zu einer Steigerung auf 142 % und das von Kontrollpersonen auf 124 % [20]. Das dafür verantwortliche Peptid wurde später als Interleukin-1β identifiziert. Der ausgeprägte Einfluss des IL-1 auf den Proteinstoffwechsel der Muskulatur, sowohl im Sinne einer Steigerung der Proteolyse als auch einer Hemmung der Proteinsysnthese, wurde in der
Folgezeit durch viele In-vivo- und In-vitro-Experimente bestätigt. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die Proteinsyntheserate in der Leber durch die alleinige Applikation von IL-1 signifikant gesteigert wird [6, 65]. Interleukin-1 ist damit einer der wichtigsten derjenigen Mediatoren, durch die die Umstellung des Proteinstoffwechsels vom Hungerzustand – Proteolyse der viszeralen Organe und Schonung der Muskulatur – auf die Entzündungsantwort – gesteigerte Proteolyse der Muskulatur und gesteigerte Proteinsynthese in der Leber – erfolgt [31]. Durch die Gabe eines IL-1-Antagonisten kann eine Vielzahl der metabolischen Veränderungen verhindert werden [22, 105, 118]. Ähnlich wie IL-1, führt auch Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), der ebenfalls überwiegend in durch Endotoxin oder einen anderen entzündlichen Stimulus aktivierten Makrophagen gebildet wird, zu einer ausgeprägten Steigerung der Proteolyse in der Muskelzelle bei gleichzeitiger Hemmung der Proteinsynthese[18, 39, 53, 71]. Auch diese metabolischen Wirkungen können durch die Gabe eines TNF-α-Antagonisten blockiert werden [117]. Neuere Arbeiten konnten weiterhin zeigen, dass sowohl die Wirkung des TNF-α als auch diejenige des IL-1 z. T. wiederum auf einer Beeinflussung der Wachstumshormon-IGF-1-Achse beruhen, indem z. B. die wachstumshormonstimulierte IGF-1-Synthese in den Zielorganen durch IL-1 und TNF-α supprimiert wird [109]. ! Wie bei den Hormonen auch, ist es aber erst
das komplette Netzwerk der Zytokine und Mediatoren, das das Vollbild der metabolischen Veränderungen induziert.
Ernährung bei Sepsis Kritik früherer Ernährungsstrategien In derselben, bereits oben zitierten Arbeit, in der Long et al. [67] zum ersten Mal den phasischen Verlauf des Energieumsatzes bei schweren Traumata und Infektionen beschrieben haben, findet sich eine weitere, äußerst wichtige Beobachtung: Parallel mit dem Anstieg des Energieumsatzes kommt
439 Ernährung bei Sepsis
67] wurde bei septischen Patienten eine Steigerung des Energieumsatzes beschrieben, die in der Größenordnung von 40–60 % über dem normalen Grundumsatz lag, was Absolutwerten zwischen 1600 und 2800 kcal/Tag entsprach. Das Konzept der Hyperalimentation basierte somit nicht auf empirischen Befunden, sondern vielmehr auf der intentionellen Idee, durch eine hohe Energiezufuhr die Katabolie schwerstkranker Patienten aufheben zu können. Als wichtigster Erfolgsparameter einer solchen Ernährungstherapie galt die Stickstoffbilanz, d. h. das Verhältnis von zugeführten Aminosäuren und den katabol verwerteten Aminosäuren, deren Stickstoff überwiegend als Harnstoff ausgeschieden wird. So wurden in dieser Zeit auch einige Interventionsstudien durchgeführt, die in der Tat zeigen konnten, dass es unter der Zufuhr von 4000–6000 kcal/Tag zu einer solchen positiven Stickstoffbilanz kam (. Abb. 15-6; [3, 29]). Kritisch anzumerken ist hierzu, dass weniger das globale Verhältnis von Stickstoffzufuhr und verlust als vielmehr die Menge und Qualität der in den einzelnen Organen synthetisierten bzw. abgebauten Proteine über die Prognose entscheiden.
Stickstoffbilanz [mg N/kgKG]
Stickstoffbilanz [mg N/kgKG]
es zu einer Zunahme des Stickstoffverlusts. Dieser korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung und kann bei schwersten Krankheitsbildern bis zu 24 g/Tag betragen. Dieser zeitliche und quantitative Zusammenhang zwischen Hypermetabolismus und Katabolie wurde vielfach bestätigt. Die Interpretation dieser Daten war jedoch über lange Zeit mit einem für die Ernährungstherapie folgenreichen Irrtum verbunden: Die zeitliche und quantitative Korrelation zwischen Hypermetabolismus und Stickstoffverlust wurde als kausale Beziehung gesehen. Man ging davon aus, ein Mangel an Energie sei der wichtigste Grund für den hohen Verbrauch körpereigener Ressourcen. Aus diesem Irrtum entstand letztendlich in den 1980er Jahren die Ernährungsstrategie der Hyperalimentation, d. h. die Zufuhr einer großen Energiemenge – 4000–6000 kcal/Tag – mit Hilfe der parenteralen Ernährung. Es muss betont werden, dass die Zufuhr einer so großen Energiemenge erfolgte, ohne dass jemals bei einem Patienten mit Sepsis – oder einer anderen schweren Erkrankung – ein derart hoher Energieumsatz gemessen worden wäre. Bereits in den ersten Arbeiten von Kinney oder Long [60,
15
Energiezufuhr [kcal/kgKG]
Energiegesamtbilanz [kcal/kgKG]
. Abb. 15-6. Zusammenhang zwischen Energiezufuhr und Stickstoffbilanz. Die in der rechten Abbildung abgebildete Energiebilanz ist gleich der zugeführten Energie minus der umgesetzten Energie. Patienten mit einer positiven Stickstoffbilanz hatten somit eine Energiezufuhr, die 10–20 kcal/kgKG über der umgesetzten Energie lag. (Nach [29])
440
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
So belegen einige tierexperimentelle Arbeiten, die ebenfalls bereits Ende der 1980erJahre veröffentlicht wurden, eindeutig, dass es sich bei der Stickstoffbilanz um einen Surrogatparameter der Ernährungstherapie handelt, der wider Erwarten nicht immer mit einem positiven Ausgang korreliert. In einer Untersuchung der Arbeitsgruppe von Alexander [78] wurden Meerschweinchen mit Hilfe einer kontinuierlichen Infusion von E. coli und Staphylococcus aureus in das Peritoneum über mehrere Tage einer experimentellen Sepsis ausgesetzt. Ihre Behandlung unterschied sich lediglich darin, dass die Tiere enteral mit einer unterschiedlichen Proteinmenge ernährt wurden. Der Proteinanteil betrug in den einzelnen Gruppen jeweils 5 %, 10 %, 15 % und 20 % der Gesamtkalorien.
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. Abb. 15-7. Stickstoffbilanz und Überlebensrate bei Meerschweinchen, die während einer experimentellen Sepsis mit einem unterschiedlichen Proteinanteil ernährt wurden. Die Tiere mit der besseren Stickstoffbilanz wiesen schlechtere Überlebensraten auf. (Nach [78])
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18 19 20
[ ]
17
Nach 2-wöchiger Beobachtungszeit bestand bei den Tieren, die mit einem niedrigeren Proteinanteil ernährt worden waren, ein ausgeprägter Stickstoffverlust mit einer deutlich negativen Stickstoffbilanz. Lediglich die Tiere, die mit einem Proteinanteil von 20 % ernährt wurden, erzielten eine positive Stickstoffbilanz. Diese positive Stickstoffbilanz korrelierte jedoch nicht mit einer verbesserten Überlebensrate. Im Gegenteil: Die Überlebensrate korrelierte signifikant negativ mit dem Proteinanteil und betrug in Abhängigkeit von diesem 46 %, 23 %, 12 % und 15 % (. Abb. 15-7). Ähnliche Ergebnisse fanden sich in einer weiteren Studie derselben Gruppe [2], in denen die Tiere mit einer unterschiedlichen Gesamtmenge an Kalorien ernährt wurden. Diese variierte zwischen 100, 125, 150 und 175 kcal/kgKG/Tag. Auch in
441 Ernährung bei Sepsis
dieser Studie korrelierte die gesteigerte Energiezufuhr negativ mit dem Überleben: Während von den Tieren, die mit 100 bzw. 125 kcal/kgKG/Tag ernährt wurden, nur 42 % bzw. 62 % verstarben, überlebte keines der Tiere mit der höheren Energiezufuhr von 150 bzw. 175 kcal/kgKG/Tag. ! Diese experimentellen Daten belegen, dass in
der Akutphase einer Sepsis eine gesteigerte Protein- oder Energiezufuhr trotz einer verbesserten Stickstoffbilanz mit einer Verschlechterung der Prognose verbunden ist. Das negative Ergebnis vieler klinischer Studien zur parenteralen Ernährung, die unter einem solchen hyperalimentären Konzept durchgeführt wurden, kann somit zumindest zum Teil dadurch erklärt werden.
Grundlegende Konzepte ! Das generelle Ziel einer Ernährungstherapie
besteht darin, durch die exogene Zufuhr von Substraten den Abbau und den Verlust endogener Ressourcen zu verhindern. Wie oben bereits beschrieben, ist bei einer Sepsis aber die Stoffwechselregulation von der exogenen Substratzufuhr abgekoppelt: Weder die Glukoseproduktion der Leber noch die Katabolie körpereigener Proteine kann durch eine exogene Substratzufuhr vollständig blockiert werden.
Dies bedeutet, dass eine qualitative Umstellung der durch die Sepsis induzierten katabolen Stoffwechselvorgänge durch eine Ernährungstherapie allein definitiv nicht möglich ist. Lediglich durch eine Antagonisierung der freigesetzten Zytokine, z. B. durch TNF-α- oder IL-1-Antagonisten, wäre eine wirkliche »metabolische« Therapie möglich. Während die metabolische Effektivität der Zytokinantagonisten in tierexperimentellen Studien durchaus bewiesen ist, stößt der klinische Einsatz einer solchen »immunologischen Ernährungstherapie« auf die gleichen Schwierigkeiten wie die immunologische adjuvante Sepsistherapie überhaupt und dürfte ohne differenzierte Diagnostik des Immunstatus nicht zu realisieren sein.
15
! Dennoch ist aber die Ernährung des Patien-
ten mit Sepsis nicht sinnlos. Das Vollbild der »Ernährungsresistenz«, d. h. das unverminderte Persistieren der endogenen Substratbereitstellung trotz exogener Zufuhr, wird nur bei den schwerstkranken Patienten angetroffen und bei diesen auch nur in der Initialphase der Erkrankung. Im zeitlichen Verlauf wechseln solche Patienten in einem fließenden Übergang von einem Extremzustand mit hoher und nicht supprimierbarer endogener Substratbereitstellung zu einem Normalzustand, in dem durch die exogene Zufuhr die endogenen Ressourcen vollständig geschont werden können.
Die meisten Patienten befinden sich in einem Zwischenstadium zwischen diesen Extremem: in einem Zustand, in dem die Muskelkatabolie zwar nicht aufgehoben, aber doch zumindest reduziert werden kann. Die Ernährungstherapie schwerstkranker Patienten ist damit ein permanentes »Trial-and-error«-Manöver, bei dem immer wieder überprüft werden muss, wie viel exogene Substratzufuhr unter den jeweiligen Bedingungen möglich ist. Einige grundlegende Konzepte, die hierbei beachtet werden müssen und die sowohl die parenterale als auch die enterale Ernährung betreffen, sollen im Folgenden dargelegt werden. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die meisten davon (noch) nicht durch klinische Studien, die den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechen, validiert sind. Die bisher vorliegenden Studien zur klinischen Ernährung haben in den meisten Fällen nur den geringen Erfolg der Hyperalimentation bewiesen. Es kommt nun darauf an, neue, auf pathophysiologischen Erkenntnissen basierende Strategien zu entwickeln, die dann in entsprechenden Studien überprüft werden müssen.
Anpassung an den zeitlichen Verlauf und den Schweregrad der Sepsis Der Anpassung an den zeitlichen Verlauf und den Schweregrad der Erkrankung kommt somit eine entscheidende Bedeutung zu (. Abb. 15-3). Dies hat zur Konsequenz, dass es eine einzige Ernährungsform für Patienten mit Sepsis nicht geben kann, sondern dass diese mit dem Verlauf der Er-
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
1
krankung variieren und auch unterschiedliche Ziele verfolgen muss.
2
! In der initialen katabolen Flowphase lässt sich
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durch eine exogene Substratzufuhr – wenn überhaupt – nur eine geringe Reduktion der Glukoneogenese und des Proteinabbaus erreichen. Aus den oben beschriebenen tierexperimentellen Arbeiten lässt sich darüber hinaus schließen, dass Ernährung in dieser Phase mit immunologischen Konsequenzen verknüpft ist, die für die Prognose entscheidender sind als der Ernährungszustand des Patienten. Eine Hyperalimentation sollte in dieser Phase auf jeden Fall vermieden werden; die zugeführte Energiemenge sollte im Gegenteil eher unter dem aktuellen Energieumsatz liegen.
Der Energieumsatz steigt in der katabolen Flowphase kontinuierlich an, von Werten, die im Bereich des Grundumsatzes liegen, in einen Bereich, der 30–50 % über diesem liegt. Wird keine Kalorimetrie durchgeführt, muss der Grundumsatz nach einer entsprechenden Formel geschätzt werden. Die Formel nach Harris und Benedict (. Tabelle 15-1) ist zwar nicht die beste aber die bekannteste und hat nach wie vor eine für praktische Belange ausreichende Genauigkeit. Wichtig ist, dass in dieser Formel auch das Alter berücksichtig wird, da ältere Menschen einen deutliche niedrigeren Grundumsatz haben als jüngere. Praxistipp Geht man von einem mittleren Grundumsatz von 1500 kcal/Tag aus (derjenige von älteren Patienten liegt häufig deutlich darunter), entspricht eine Steigerung von 50 % einem Energieumsatz von 2250 kcal/Tag. Bei einem solchen Patienten sollte die initiale Energiezufuhr zwischen 800 und 1200 kcal/Tag liegen und über 5–6 Tage auf Werte zwischen 1800 und 2250 kcal/Tag gesteigert werden.
Entwickelt der Patient eine schwere Sepsis oder einen septischen Schock, kommt es nach dem initialen Anstieg wieder zu einem relativen Abfall des Energieumsatzes (. Abb. 15-8).
. Tabelle 15-1. Normwerte des Grundumsatzes nach Harris und Benedict Männer
BEE = 66,473 + 13,752 kg + 5,003 cm – 6,755 Jahre
Frauen
BEE = 655,096 + 9,563 kg + 1,850 cm – 4,676 Jahre
BEE »basal energy expenditure« (Grundumsatz).
Da der aktuelle Energieumsatz unter diesen Bedingungen im Bereich des Grundumsatzes oder nur gering darüber liegt, sollte die Zufuhr noch niedriger liegen und auf 800–1200 kcal/Tag beschränkt werden. Ob in dieser Phase eine von der Substratauswahl her hochwertige Ernährung mit nur geringer Energiezufuhr einer völligen Nahrungskarenz überhaupt überlegen ist, muss noch durch entsprechende klinische Studien geklärt werden. Mit zunehmender klinischer Besserung erreicht der Patient die anabole Flow- und nachfolgende Rekonstitutionsphase. Die Substratzufuhr sollte gesteigert bleiben, da jetzt durch ein höheres Substratangebot mit großer Wahrscheinlichkeit – Studien liegen hierzu ebenfalls noch nicht vor – die vorhandene anabole Tendenz verstärkt wird und die metabolische Rekompensation beschleunigt werden kann. Häufig wird jedoch in der Klinik missachtet, dass sich diese Rekonstitutionsphase über Wochen erstrecken kann und die Patienten sich in der Regel dann nicht mehr auf der Intensivstation befinden. Daraus ergibt sich das Paradoxon, dass ausgerechnet in der Phase, in der die Patienten von einem vermehrten Substratangebot profitieren könnten, sie häufig eher mangelernährt werden, da zu diesem Zeitpunkt einer entsprechenden Ernährungstherapie nicht mehr genügend Beachtung geschenkt wird. Die genannten Werte können aber nur grobe Anhaltspunkte sein. Im Einzelfall kann der Maximalwert der Steigerung mehr oder weniger ausgeprägt ausfallen oder sich zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt ereignen. Auch eine schwere Sepsis oder ein septischer Schock kann sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt entwickeln. Im individuellen Fall sind die einzelnen Phasen am Kran-
443 Ernährung bei Sepsis
. Abb. 15-8. Mögliche Verläufe des Energieumsatzes bei unkomplizierter Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock (Energieumsatz in Prozent des normalen Grundumsatzes)
180
unkomplizierte Sepsis
schwere Sepsis
160
Energieumsatz [%]
15
140 120 100 80
septischer Schock 60 40 2
4
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18
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24
26
28
Tage
kenbett deshalb nicht einfach zu unterscheiden. Die sequenzielle, zumindest einmal pro Tag durchgeführte Messung des Energieumsatzes ist deswegen für diese Fragestellung ein entscheidendes Monitoringverfahren. Mit Hilfe der als indirekte Kalorimetrie bekannten Methode lässt sich heute der Energieumsatz sowohl bei beatmeten als auch bei spontanatmenden Patienten mit Hilfe der gasanalytischen Bestimmung der Sauerstoffaufnahme und der Kohlendioxidabgabe aus den Atemgasen ohne großen Aufwand bestimmen. Es bleibt zu wünschen, dass dieses nichtinvasive Verfahren, das durchaus eine Routinemaßnahme sein könnte, in Zukunft breitere Anwendung findet. Praxistipp Steht eine indirekte Kalorimetrie nicht zur Verfügung, sollte auf die einfache Regel zurückgegriffen werden: Je kränker der Patienten nach klinischen Gesichtspunkten erscheint, desto mehr sollte die Energiezufuhr reduziert werden.
Glukose und Insulin Der Glukosespiegel im Serum ist bei der Ernährung septischer Patienten von herausragender Bedeutung, weil er als einfach zu bestimmender Laborparameter direkt das Ausmaß der endogenen Substratbereitstellung wiedergibt. Wie bereits ausgeführt, zeigen erhöhte Blutzuckerspiegel an, dass die endogene Glukoseproduktion den Glukoseverbrauch überwiegt. Die einfache, aber häufig
missachtete Konsequenz dieses Befundes ist, dass es sinnlos ist, unter diesen Bedingungen noch weiter Glukose zuzuführen und damit den Blutzuckerspiegel noch weiter zu erhöhen. Ebenso dient der Glukosespiegel bei stattfindender Glukosezufuhr als negativer Rückkopplungsparameter: Steigt unter der Glukoseinfusion oder enteraler Zufuhr (trotz Insulingabe, s. unten) der Glukosespiegel an, muss die Zufuhr reduziert oder eingestellt werden. Die entscheidende therapeutische Frage ist, ob und wie weit sich diese Situation durch die exogene Zufuhr von Insulin verbessern lässt. In einer kürzlich veröffentlichten belgischen Studie [103] wurden 1563 überwiegend chirurgische Patienten neben einer enteralen oder parenteralen Ernährung nach 2 unterschiedlichen Strategien zusätzlich mit Insulin therapiert: Die eine Gruppe der Patienten erhielt eine intensivierte Insulintherapie, mit dem Ziel, den Blutzucker auf Werte zwischen 80 und 110 mg/dl einzustellen, bei der anderen Gruppe wurde ein Blutzuckerspiegel zwischen 180 und 200 mg/dl akzeptiert. Die Mortalität der Patienten, die länger als 5 Tage auf einer Intensivstation behandelt worden waren, betrug in der Gruppe mit der intensivierten Insulintherapie 16,8 %, während sie bei den Patienten mit konventioneller Insulintherapie 26,3 % betrug (s. auch 7 Kap. 4). Die Ergebnisse dieser Studie können allerdings nicht ohne Einschränkungen auf Patienten mit Sepsis übertragen werden. In der Studie handelte es sich überwiegend um elektiv operierte
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
Patienten, deren Mortalitätsraten belegen, dass es keine schwerstkranken Patienten waren. Der Median der Insulindosis betrug in der Studiengruppe 71 IU/Tag, in der Gruppe mit der konventionellen Therapie 33 IU/Tag. Diese relativ niedrigen Insulindosen belegen, dass auch die metabolischen Veränderungen dieser Patienten nicht dem Vollbild des Stressstoffwechsels entsprechen, da bei einem solchen häufig selbst unter Höchstdosen von Insulin der Blutzucker nicht ausreichend gesenkt werden kann. Dennoch ergeben sich aus den Ergebnissen dieser Studie wichtige Konsequenzen für die Ernährung bei Sepsis. Es wurde zum ersten Mal gezeigt, dass die Hyperglykämie kritisch kranker Patienten einen signifikanten Einfluss auf den Ausgang der Erkrankung hat. Als wesentlicher ursächlicher Faktor hierfür wird die durch die Hyperglykämie induzierte Immunsuppression angesehen. Dies bedeutet, dass unabhängig von metabolischen Gesichtspunkten die Senkung des Blutzuckers auf Zielwerte von 80–110 mg/dl ein wichtiges therapeutisches Ziel darstellt. Wie bereits ausgeführt, kann bei Patienten mit schwerer Sepsis durch Gabe von Insulin die Glukoseoxidationsrate nicht wesentlich gesteigert werden [15, 84]. Da unter Insulintherapie aber gleichzeitig die Glukosespeicherung sowie die Liponeogenese gesteigert wird, gelingt es dennoch in vielen Fällen, den Blutzuckerspiegeln durch die Insulingabe zu senken. Zudem mag auch die Auswirkung der intensivierten Insulintherapie auf den Proteinstoffwechsel zu den positiven Ergebnissen beigetragen haben. Neben der blutzuckersenkenden Wirkung hemmt Insulin unter normalen Bedingungen den Proteinabbau in der Muskulatur und fördert die Proteinsynthese in der Muskelzelle. Dieser Effekt des Insulins ist zwar bei einer schweren Erkrankung abgeschwächt [47, 49, 104], dennoch konnte auch bei Traumapatienten gezeigt werden, dass es unter der Gabe von Insulin zu einer Reduktion der Freisetzung von Aminosäuren aus der Muskulatur kommt [16, 57, 114]. Neben der Vermeidung der Hyperglykämie könnte dieser die Katabolie reduzierende Effekt ein entscheidender Punkt der Insulintherapie sein.
Praxistipp Für die Praxis ergeben sich somit in 2 Konstellationen: 5 Bei Sepsispatienten, bei denen auch ohne die exogene Zufuhr von Glukose allein durch die vermehrte Glukoneogenese erhöhte Blutzuckerspiegel bestehen, sollte keine Glukose zugeführt und mit der kontinuierlichen i.v.-Gabe von Insulin begonnen werden. Offen ist derzeit die Frage, bis zu welcher Dosis die Insulingabe erhöht werden sollte. Allgemein akzeptiert werden bis zu 4 IE/h. Dies ist allerdings nicht durch Studien gesichert, und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass auch höhere Dosen noch sinnvoll sein können. Erst wenn der Blutzuckerspiegel unter der Insulintherapie auf die angestrebten 80–110 mg/dl gesenkt werden konnte, sollte unter der Insulingabe mit der Glukoseinfusion begonnen werden. 5 Bei Sepsispatienten, bei denen es erst unter einer laufenden Glukoseinfusion zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel gekommen ist, sollte ebenfalls mit der kontinuierlichen Insulinapplikation begonnen werden. Sollte darunter der Blutzuckerspiegel nicht auf die Zielwerte gesenkt werden können, muss die Glukosezufuhr reduziert oder ganz beendet werden. Kommt es nach dem Rückgang der Entzündungsreaktion zu einer Zunahme der Glukoseoxidation – erkennbar an fallenden Blutzuckerwerten –, kann die Glukosezufuhr wieder entsprechend gesteigert werden.
Glukose vs. Fett Die Frage, ob schwerkranke Patienten überwiegend mit Glukose oder mit Fett ernährt werden sollten, wurde in der Literatur lange Zeit kontrovers diskutiert [11, 33, 66]. Während viele Autoren für den vermehrten Einsatz von Fetten plädierten, da diese für alle nichtkglukoseabhängigen Organe die bevorzugten Energieträger darstellen, führten andere aus, die Glukoseoxidation nähme bei
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Fettoxidation [g/m2/h]
Glukoseoxidation [g/m2/h]
Schwerkranken nicht ab, sondern zu, und unter der Zufuhr von Glukose und Insulin könnte der Verlauf positiv beeinflusst werden. Aber auch diese Auseinandersetzung ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Schweregrad der Erkrankung nicht ausreichend berücksichtigt wurde. In einer britischen Untersuchung, in der bei septischen Patienten mit Hilfe eines GlukoseClamping konstante Blutzuckerspiegel aufrechterhalten wurden, konnte gezeigt werden, dass in Abhängigkeit vom Schweregrad der Sepsis – gemessen mit Hilfe des Sepsisscores nach Elebute und Stoner – die Glukoseoxidation ab- und die Lipidoxidation zunahm (. Abb. 15-9; [96, 107]). Auch andere Autoren konnten einen solchen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Sepsis und der Abnahme der Glukoseoxidationsraten zeigen [42, 76]. Ob Patienten von einer vermehrten Glukosezufuhr profitieren können [110], hängt wesentlich
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vom Schweregrad der Erkrankung ab. In einer Studie von Shangraw et al. [91] zeigten z. B. Patienten nach einer Verbrennung unter der Gabe von Insulin eine Zunahme der peripheren Glukoseaufnahme. Bei Patienten, die zusätzlich eine Sepsis erlitten hatten, fand sich dieser Effekt nicht. Einen entscheidenden Zugewinn an Erkenntnis liefert hierzu eine Studie, in der eine Gruppe von kritisch Kranken mit 75 % der Gesamtenergie in Form von Glukose, eine andere nur mit 15 % der Gesamtenergie als Glukose ernährt wurde. Obwohl die glukosereiche Ernährung zu einer signifikanten Erhöhung der Glukose- und Insulinspiegel führte, blieb die endogene Glukoseproduktion bei beiden Regimes gleich hoch (. Abb. 15-10; [99]). Dies bedeutet, dass bei Schwerstkranken auch unter einer maximalen Glukosezufuhr die Glukoneogenese und der damit verbundene Abbau von Proteinen nicht wesentlich beeinflusst werden können. Die durch eine solch hohe Glukosezu-
. Abb. 15-9. Abhängigkeit der Glukose- und Fettoxidation vom Sepsisscore nach Elebute und Stoner. Mit zunehmendem Schweregrad der Sepsis nimmt die Glukoseoxidation ab und die Fettoxidation zu. (Nach [96])
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C-Glukoseoxidation [mg/kgKG/min]
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Glukoseerscheinungsrate [mg/kgKG/min]
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Nicht oxidative Glukoseverwertung [mg/kgKG/min]
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Endogene Glukoseproduktion [mg/kgKG/min]
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. Abb. 15-10. Glukoseproduktion und -oxidation sowie endogene Glukoseproduktion und nichtoxidative Glukoseverwertung bei Patienten, die überwiegend mit Glukose (TPN-G) oder überwiegend mit Fett (TPN-L) parenteral ernährt wurden. Erkennbar ist, dass die endogene Glukoseproduktion auch unter der glukosereichen Ernährung nicht supprimiert wurde. (Nach [99])
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fuhr induzierte Hyperglykämie muss aber in Anbetracht der oben angeführten Studienergebnisse[103] besonders kritisch gesehen werden, sodass zurzeit wenig Zweifel daran besteht, dass bei schwerkranken Patienten ein wesentlicher Teil der Energie in Form von Fett zugeführt werden sollte und dass das Verhältnis von Glukose zu Fett durchaus Werte von 1:1 erreichen kann.
Praxistipp Analog zu den Serumglukosespiegeln sollte die Fettzufuhr unter Rückkopplung mit den Triglyzeridspiegeln erfolgen. Liegt der Triglyzeridspiegel auch ohne Fettzufuhr bei Werten von >300 mg/dl, ist die endogene Triglyzeridproduktion der Leber so hoch, dass eine weitere Triglyzeridzufuhr sinnlos ist. Wird Fett zugeführt, sollte dies kontinuierlich über 24 h geschehen und die Triglyzeridspiegel unter der laufenden Infusion kontrolliert werden. Steigen diese auf >300 mg/dl an, sollte die Lipidzufuhr reduziert oder notfalls abgebrochen werden.
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Die pathophysiologischen Überlegungen, die eindeutig für einen hohen Anteil an Lipiden in der Ernährung septischer Patienten sprechen, konnten allerdings bisher noch nicht durch klinische Studien bestätigt werden. Im Gegenteil: In der Metaanalyse von Heyland, in der 26 Studien zur parenteralen Ernährung ausgewertet wurden, fand sich bei Patienten, die zusätzlich mit Fett ernährt wurden, kein Unterschied in den Mortalitätsraten, aber eine Tendenz zu mehr infektiösen Komplikationen. Besonders deutlich wird diese Tendenz in der Studie von Battistella et al. [7], in der 57 Traumapatienten mit oder ohne zusätzliche Fettinfusionen (und damit aber auch 25 % der Gesamtkalorienmenge weniger) ernährt wurden. Bei den zusätzlich mit Fett ernährten Patienten fanden sich eine höhere Infektionsrate sowie eine längere Beatmungs-, Intensivstations- und Gesamtbehandlungsdauer (alle Ergebnisse signifikant). Darüber hinaus zeigte diese Gruppe eine verschlechterte T-Zell-Funktion, gemessen anhand der lymphokinaktivierten und der Natürliche-Killerzellen-Aktivität. Diese Daten sollten aber nicht als prinzipielles Argument gegen eine Fettzufuhr gewertet werden. Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl der klinischen Studien zur Ernährung mit Fett mit den »klassischen« LCT(»Long-chain-triglycerides«-)Lösungen durchgeführt wurden, die auf Sojabohnenöl basieren. Diese wiederum enthalten zum überwiegenden Teil Linolsäure, eine mehrfach ungesättigte ω-6-Fettsäure. Es steht heute außer Zweifel, dass Fettlösungen sowohl über ihre physikalischen als auch ihre biologischen Eigenschaften das Immunsystem beeinflussen. Sie sind integraler Bestandteil der Zellmembranen und als solche gleichzeitig Vorstufen der Synthese von Prostaglandinen und Leukotrienen [1, 50, 98, 115]. Bei entsprechender Stimulation der Zelle werden sie durch die Phospholipase A2 aus der Zellmembran herausgelöst und in die Synthese der Eicosanoide eingeschleust. In Abhängigkeit von der Position der ersten Doppelbindung kommt es dabei zur Bildung unterschiedlicher Varianten der Prostaglandine und Leukotriene: Während ω-6Fettsäuren über die Arachidonsäure zur Bildung von Prostaglandinen der 2er-Serie führen (TXA2,
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PGE2, PGF2a und PGI2), werden aus ω-3-Fettsäuren die entsprechenden Prostaglandine der 3erSerie gebildet (TXA3, PGE3 und PGI3). Viele Daten sprechen dafür, dass in größerer Menge zugeführte ω-6-Lösungen eine relevante immunsuppressive Wirkung entfalten, sodass die oben zitierten Daten weniger als das Ergebnis einer Infusion von Fetten an sich als vielmehr dieser speziellen Fettlösung zu sehen sind. In der Praxis stehen heute 3 Alternativen zur Infusion von überwiegend ω-6-haltigen Lösungen zur Verfügung: zum einen eine Mischung aus langkettigen Triglyzeriden und mittelkettigen Triglyzeriden im Verhältnis 1 : 1. Mittelkettige Triglyzeride werden schnell oxidiert und haben keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Immunfunktion. Da in solchen Mischlösungen die Gesamtmenge an ω-6-Fettsäuren auf die Hälfte reduziert ist, wird auch deren immunsuppressiver Effekt gemindert. Die zweite Alternative ist eine Mischung aus ω-6- und ω-3-(Fischöl-)Fettsäuren. Während ω-3Fette allein ebenfalls eine eher immunsuppressive Wirkung haben, ergibt eine Mischung aus ω-3 und ω-6 eine immunneutrale Lösung [45, 79]. Sowohl die LCT-/MCT-Mischung als auch eine Mischung aus ω-6-LCT, MCT und Fischöl stehen als sog. strukturierte Lipide zur Verfügung, in denen die einzelnen Fettarten nicht physikalisch gemischt, sondern zu aus unterschiedlichen Fettsäuren bestehenden Triglyzeriden verestert werden. Eine weitere Alternative sind Fettlösungen, die aus Olivenöl hergestellt werden. Olivenöl enthält überwiegend Ölsäure, eine einfach ungesättigte Fettsäure, die ebenfalls nur geringe Auswirkungen auf das Immunsystem hat. Praxistipp Bisher existieren keine klinischen Studien, in denen Unterschiede zwischen diesen alternativen Fettlösungen in Bezug auf relevante Outcome-Daten untersucht worden wären. Von daher kann für keine von ihnen eine definitive Empfehlung abgegeben werden. Übereinstimmende Expertenmeinung ist aber, dass der Einsatz von überwiegend ω-6-Fettsäuren enthaltenden Lösungen bei kritisch Kranken nicht mehr empfohlen werden sollte.
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Aminosäuren Die Zufuhr von Aminosäuren muss ebenfalls im Zusammenhang mit dem klinischen Verlauf gesehen werden. Auch hier besteht ein fließender Übergang zwischen einem initialen Extrem, bei dem die endogene Freisetzung von Aminosäuren aus abgebauten Proteinen in keiner Weise durch eine exogene Zufuhr beeinflusst werden kann, und dem anderen Extrem der Regenerationsphase, in der Aminosäuren absolut notwendige Bausteine für die jetzt ablaufenden anabolen Prozesse sind. Auch hier befinden sich viele Patienten in einem Zwischenstadium, in dem die durch die Katabolie verlorenen Ressourcen zumindest z. T. durch eine exogene Zufuhr ausgeglichen werden können. Anders als bei der Glukose ist die Bestimmung von Aminosäurespiegeln im Serum aufwändig und teuer und deshalb keine bettseitige Routine. Ein Schema zur Zufuhr von Aminosäuren in Abhängigkeit von den jeweiligen Serumspiegeln gibt es von daher nicht und wäre auch wenig sinnvoll, da – wie bereits ausgeführt – nicht die Serumspiegel, sondern die Flussraten der Aminosäuren von Bedeutung sind. Die Zufuhr von Aminosäuren kann deshalb nur nach relativ groben Regeln erfolgen. In einer Untersuchung, in der der Gesamtkörperproteinbestand von 18 Trauma- und 5 septischen Patienten mit Hilfe der In-vivo-Neutronenaktivierungsanalyse über 5 Tage untersucht wurde, konnte durch eine Steigerung der Proteinzufuhr von 1,1 auf 1,5 g/kg Körpermagermasse/Tag der Proteinverlust halbiert werden [56]. Eine höhere Zufuhr führte eher wieder zu einer Verschlechterung. Praxistipp
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1,5 g Proteinzufuhr/kg Körpermagermasse entsprechen bei Männern etwa 1,2 g/kgKG und bei Frauen etwa 1,05 g/kgKG. Diese Werte werden heute in der Akutphase allgemein empfohlen, können und sollten aber in der Regenerationsphase bis auf 1,5 g/kgKG gesteigert werden.
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Die Zusammensetzung der Aminosäurelösungen wurde ebenfalls über lange Zeit kontrovers diskutiert. Lösungen mit einem höheren Anteil an ver-
zweigtkettigen Aminosäuren wurden zeitweilig auch für Patienten mit Sepsis empfohlen. Ihr Vorteil gegenüber konventionellen Lösungen konnte aber durch klinische Studien nie eindeutig gesichert werden. Eine besondere Bedeutung kommt den Aminosäuren Glutamin und Alanin zu; beide werden von den Muskelzellen überproportional zur intrazellulären Konzentration abgeben, d. h. sie werden von der Muskelzelle speziell für die Freisetzung synthetisiert. Funktionen von Glutamin. Während Alanin haupt-
sächlich als Vorstufe für die Glukoneogenese in der Leber dient, erfüllt Glutamin 2 wichtige Funktionen: Es ist zum einen der wesentlichste Stickstofftransporteur; rund 1/3 des gesamten Stickstoffs wird über Glutamin transportiert. Zum anderen dient es als Energielieferant für die Zellen der Darmmukosa und anderer sich schnell teilender Zellen, wie Knochenmark, gewebeständige immunkompetente Zellen und Narbengewebe im Wund- oder Infektionsbereich [17, 121]. Glutamin macht unter normalen Bedingungen 60 % des intrazellulären Aminosäurepools der Muskelzellen aus. Durch die vermehrte Abgabe des Glutamins kommt es während einer Sepsis zu einer signifikanten Abnahme des intrazellulären Glutaminspiegels. Vor diesem Hintergrund erscheint der Einsatz von glutaminhaltigen Aminosäurelösungen bei kritisch Kranken pathophysiologisch absolut sinnvoll. So gab es auch für die Tatsache, dass die über lange Zeit eingesetzten konventionellen Aminosäurelösungen kein Glutamin enthielten, keinen medizinischen Grund, sondern lediglich einen produktionstechnischen: Glutaminhaltige Lösungen können nicht sterilisiert werden. Eine Lösung dieses Problems erbrachte die Einführung von Glutamindipeptiden (L-Analyl-L-Glutamin bzw. N-Glycyl-L-Glutamin), die entweder einer konventionellen Aminosäurelösung hinzugefügt werden oder bereits in einer fertigen Mischlösung enthalten sind. Tierexperimentelle Untersuchungen zur Glutaminsubstitution. Mittlerweile liegt eine Vielzahl von
tierexperimentellen Untersuchungen vor, welche gezeigt haben, dass der Einsatz von Glutamin ei-
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nen positiven Einfluss auf Struktur und Funktion der Darmmukosa hat und zu einer Reduktion der pathologisch gesteigerten Darmpermeabilität und der damit verbunden Translokation führt [19, 30, 64, 101]. Bei der Bewertung dieser Befunde muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Strukturschäden der Darmmukosa unter konventioneller parenteraler Ernährung beim Menschen deutlich weniger ausgeprägt sind als bei Nagetieren. Der positive Einfluss von Glutamin auf die TZell-Proliferation und -Funktion konnte in vitro und ex vivo sowohl tierexperimentell als auch in humanen Untersuchungen gezeigt werden. Klinische Studien zur Glutaminsubstitution. Zwei kontrollierte Studien, die den Einsatz von mit Glutamin angereicherten Aminosäurelösungen bei Patienten nach Knochmarktransplantation untersucht haben, fanden unter dieser Ernährungsform eine signifikante Verkürzung der Krankenhausaufenthaltsdauer [89, 122]. Diese Ergebnisse konnten jedoch in einer anderen Studie an einem Kollektiv gemischter Intensivstationspatienten nur für die chirurgischen Patienten bestätigt werden. In einer Studie, die ebenfalls an 84 gemischten Intensivstationspatienten durchgeführt wurde, fanden sich unter der Glutaminsupplementierung eine Reduktion der Intensivstationsbehandlungskosten pro Überlebendem um 50 % und bei den Patienten, die länger als 10 Tage parenteral ernährt werden mussten, signifikant weniger Todesfälle. Die Mortalität des Gesamtkollektivs war erst über einen Beobachtungszeitraum von 6 Monaten signifikant unterschiedlich, was von vielen Kommentatoren eher kritisch gewertet wurde. Langsam setzt sich aber die gegenteilige Meinung durch, dass die Effektivität vieler intensivmedizinischer Maßnahmen eher über einen längeren als über einen kürzeren Zeitraum beurteilt werden kann, und wir sind der Meinung, dass gerade ernährungstherapeutische Maßnahmen eher den Langzeitverlauf als den Akutverlauf beeinflussen. Fazit zur Glutaminsubstitution. Zusammengefasst
liegen bisher sicherlich zu wenige Studien vor, um eine eindeutige Empfehlung der parenteralen Glutaminsupplementierung im Sinne der evidenzbasierten Medizin zu rechtfertigen. Methodisch
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muss hierbei jedoch bedacht werden, dass die konventionellen Lösungen nie nach entsprechenden Kriterien validiert worden sind, glutaminhaltige Lösungen jetzt aber immer im Vergleich zu diesen untersucht werden. Da die konventionellen Lösungen natürlich auch einen – wenn vielleicht auch nur geringen – ernährungstherapeutischen Effekt ausüben, ist der Nachweis der relativen Verbesserung natürlich schwieriger. Würden glutaminhaltige Lösungen gegen Placebo getestet, fiele der Wirksamkeitsnachweis mit großer Wahrscheinlichkeit eindeutiger aus. Vor dem Hintergrund der bisher vorliegenden Ergebnisse sollten unserer Meinung nach zumindest schwerkranke Intensivstationspatienten mit einer glutaminangereicherten Aminosäurelösung ernährt werden.
Enteral vs. parenteral In Tierexperimenten konnte reproduzierbar gezeigt werden, dass ein Aussetzen oder eine unzureichende Form der enteralen Ernährung bereits nach kurzer Zeit zu strukturellen und funktionellen Veränderungen des Darmepithels führt. Die fehlende intraluminale Stimulation und Ernährung der Darmzotten sowie die verminderte Sekretion gastrointestinaler Hormone führen bei Ratten innerhalb weniger Tage zu einer verminderten Zellproliferation und damit zur Mukosaatrophie, begleitet von einer Störung der Interzellularverbindungen. Die Folgen sind eine erhöhte Permeabilität des Darmes für Toxine und eine Translokation lebensfähiger Bakterien, die wiederum eine mögliche Infektionsquelle darstellen und darüber hinaus zu einer klinisch relevanten Zytokinfreisetzung aus den gewebeständigen Makrophagen der Darmwand führen. Eine ununterbrochene enterale Ernährung stellt von daher eine wesentliche Grundbedingung zur Aufrechterhaltung einer normalen Barrierefunktion des Darmes dar. ! Beim Menschen sind die Zusammenhänge zwi-
schen Nahrungskarenz und gestörter Mukosafunktion bei weitem nicht so eindeutig nachgewiesen wie im Tierversuch, und den vorliegenden Ergebnissen nach sind sie anscheinend auch nicht so ausgeprägt wie z. B. bei Ratten. Dennoch haben mehrere Studien übereinstimmend
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belegt, dass auch beim Menschen eine frühzeitige enterale Ernährung nach einem Trauma oder einem chirurgischen Eingriff zu einer deutlichen Senkung der Infektionsmorbidität führt.
Studienlage. Dies wurde bestätigt durch eine kürzlich publizierte Metaanalyse, in der 27 Studien zusammengefasst wurden, die den Effekt der parenteralen Ernährung im Vergleich zu enteraler Ernährung oder der alleinigen Zufuhr einer Glukoselösung an insgesamt 1828 Patienten untersucht hatten [14]. In der Gesamtauswertung betrug das relative Risiko, eine Infektion zu erleiden, bei enteraler im Vergleich zu parenteraler Ernährung nur 0,64 (95 %-Konfidenzintervall: 0,54–0,76) und unter »standard care« 0,77 (95 %-Konfidenzintervall: 0,65–0,91). Betont werden muss jedoch, dass dieselbe Metaanalyse auch eindeutig gezeigt hat, dass bei Patienten mit einer Protein-Energie-Malnutrition eine parenterale Ernährung im Vergleich zum »standard care« zu einer signifikanten Verbesserung der Mortalität führt und im Vergleich mit enteraler Ernährung ebenfalls ein fast signifikanter Trend zu einer verbesserten Überlebenswahrscheinlichkeit bestand. Nicht wenige Patienten mit Sepsis zeigen die Zeichen einer Protein-Energie-Malnutrition, da diese gleichzeitig einen Risikofaktor für eine Sepsis darstellt. Bei diesen Patienten sollte den obigen Ergebnissen folgend unmittelbar mit Beginn der Behandlung der Sepsis mit einer parenteralen Ernährung begonnen werden. Bei allen anderen Patienten ist möglichst früh mit einer enteralen Ernährung zu beginnen.. Gerade bei Sepsis kommt es aber häufig zu einer ausgeprägten Störung der Darmmotilität und -funktion, sodass die enterale Zufuhr von Nahrungsträgern allein durch den fehlenden Transport unmöglich ist. Allerdings sollte auch bei solchen Patienten neben der dann notwendigen parenteralen Ernährung versucht werden, wenigstens eine geringe Menge von Sondenkost (10–20 ml/h) zu applizieren, um eine basale Stimulation des Darmepithels aufrechtzuerhalten. Bei Besserung der Motilität können die Dosis dann kontinuierlich gesteigert und die parenterale Ernährung zeitgleich reduziert werden.
Immunonutrition bei Sepsis Was ist Immunnutrition? Wie bereits beschrieben, können unterschiedliche Fette in der Ernährung durchaus einen immunmodulatorischen Effekt ausüben. Ebenso hat Glutamin über die Beeinflussung der Proliferation immunkompetenter Zellen einen direkten Einfluss auf das Immunsystem. Der Einsatz dieser Substrate in der parenteralen Ernährung kann deshalb durchaus als »Immunonutrition« bezeichnet werden. Im Allgemeinen wird unter diesem Begriff aber die Anwendung enteral zu applizierender Präparationen verstanden, die neben der normalen Sondennahrung mit mehreren Substraten angereichert sind, die das Immunsystem beeinflussen können. Neben ω-3Fettsäuren und Glutamin gehören hierzu Arginin, Nukleotide und Antioxidanzien Was kann mit Immunonutrition erreicht werden?
Insgesamt sind die mit dem Begriff »Immunonutrition« assoziierten Ziele nur schlecht definiert. Im Vordergrund steht in der Regel eine Verbesserung der Abwehrfunktion, d. h. Stimulation des Immunsystems bei immunkompromittierten Patienten (z. B. nach Trauma oder elektivem chirurgischem Eingriff). Die von manchen Autoren postulierte Verbesserung der Abwehrlage bei gleichzeitiger Eindämmung einer überschießenden Immunreaktion dürfte wohl durch ein und denselben Ernährungsansatz kaum zu verwirklichen sein. Schon von daher ergibt sich, dass dieselbe Form der Immunonutrition nicht für alle Patienten von Nutzen sein kann. Studienlage. Bei der Auswertung der vorliegenden klinischen Studien ist problematisch, dass die von den unterschiedlichen Herstellern angebotenen Mischpräparate z. T. völlig unterschiedlich zusammengesetzt sind: Einige enthalten z. B. kein Glutamin, während andere wiederum kein Arginin enthalten. Von daher müssen die erzielten Resultate für jedes Präparat getrennt evaluiert und sollten nicht unter dem allgemeinen Terminus »Immunonutrition« in einer Metaanalyse zusammengefasst werden. Abgeschwächt wird dieser methodische Einwand lediglich dadurch, dass der überwiegende Teil der bisherigen Studien mit einem einzigen Präparat (Impact) durchgeführt wurde, sodass die
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vorliegenden Metaanalysen hauptsächlich die damit erzielten Resultate widerspiegeln. Die Metaanalyse von Heyland [52] hat im Gegensatz zu früheren Analysen Ergebnisse, die bei der Behandlung elektiv operierter Patienten gewonnen wurden, in einer Subgruppenanalyse getrennt untersucht von Studien, die bei eigentlichen Intensivstationspatienten erhoben wurden. Die aggregierten Ergebnisse zeigen, dass bei den elektiv operierten Patienten der Einsatz von (überwiegend) Impact zu einer signifikanten Reduktion infektiöser Komplikationen (relatives Risiko: 0,53; 95 %-Konfidenzintervall: 0,42–0,68) und zu einer signifikanten Verringerung der Liegezeit (–3,39 Tage; 95 %-Konfidenzintervall: –4,55 bis –2,23 Tage) führt. Die Ergebnisse bei den Intensivstationspatienten dagegen zeigen keine signifikante Reduktion der Rate infektiöser Komplikationen, wohl aber eine signifikant verringerte Liegedauer (–3,34 Tage; 95 %-Konfidenzintervall: –8,27 bis –1,45 Tage). In Studien mit einem höheren methodologischen Score fand sich allerdings bei den Intensivstationspatienten eine signifikant erhöhte Mortalität (relatives Risiko: 1,46; 95 %-Konfidenzintervall: 1,01–2,11). Schließt man weiterhin die Studien aus, in denen ausschließlich Verbrennungs- oder Traumapatienten behandelt wurden, verbleiben lediglich 3 Untersuchungen, die den Einsatz von Impact bei
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gemischten Intensivstationspatienten untersucht haben. Eine davon hat explizit Patienten mit einer Sepsis untersucht [37]. In dieser spanischen Multicenterstudie wurden 181 gemischte Intensivstationspatienten mit Sepsis entweder mit der angereicherten oder mit einer konventionellen Sondennahrung ernährt. Bei den 176 auswertbaren Patienten fanden sich eine signifikante Reduktion der Mortalität (19,1 % vs. 32,2 %), eine Verminderung der Bakteriämie (7,9 % vs. 21,8 %) und weniger nosokomiale Infektionen (5,6 % vs. 19,5 %). Die Reduktion der Mortalität (. Abb. 15-11) war aber am ausgeprägtesten bei den Patienten mit einem APACHE-II-Score von 10–15; bei diesen betrug das relative Risiko 0,1 %, und auch nur bei diesen Patienten war die Risikoreduktion signifikant. In den Gruppen mit einem APACHE-II-Score von 16–20 und von 21–25 betrug die Risikoreduktion rund 50 %, bei Patienten mit einem Score >25 starben in der Behandlungsgruppe mehr Patienten als in der Kontrollgruppe. Eine signifikant höhere Mortalität bei den kritisch kranken Patienten fand sich v. a. in der von Bower [13] veröffentlichten amerikanischen Multicenterstudie. Während bei den nichtseptischen Patienten die Mortalität in der Behandlungsgruppe 11,7 % vs. 6,9 % in der Kontrollgruppe betrug (nicht signifikant), starben von den Patienten mit
verstorben (%)
. Abb. 15-11. Abhängigkeit des Effekts der Immunonutrition mit Impact auf die Sterblichkeit bei Patienten mit Sepsis: Während Patienten mit einem niedrigen Apache-II-Score von der Therapie profitieren, ist bei den schwerstkranken Patienten dieser Effekt nicht mehr nachweisbar [37].
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16–20
21–25
APACHE II Score
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Sepsis unter der Immunonutrition 25 % im Vergleich zu 8,8 % in der Kontrollgruppe. Während den vorliegenden Ergebnissen nach Patienten mit einer leichteren Sepsis – wie Patienten nach elektivem chirurgischem Eingriff – durchaus von einer Ernährung mit Impact (oder anderen enteralen Kombinationen, die gleich zusammengesetzt sind) profitieren können, kann der Einsatz einer solchen Kombination bei kritisch Kranken oder bei Patienten mit schwerer Sepsis nicht empfohlen werden. »Immunonutrition« kann – wie jede andere Immuntherapie der Sepsis auch – einerseits eine hohe Wirksamkeit haben, bedarf aber andererseits auch einer differenzierten Indikation!
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Praktische Durchführung
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Enterale Ernährung Praxistipp
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Auch wenn sich die Vorteile der enteralen Ernährung in den kontrollierten Studien nicht eindeutig erwiesen haben (s. oben), gilt weiterhin die einfache empirische Regel, dass Patienten, die enteral ernährt werden können, auch enteral ernährt werden sollten. Hierbei ist zu beachten, dass fehlende Darmgeräusche oder (noch) fehlender Stuhlgang keine Kontraindikation gegen eine enterale Ernährung darstellen.
Welcher Ernährungszugang? Noch offen ist die
Frage nach dem bestmöglichen Ernährungszugang. Bei chirurgischen Patienten oder bei Patienten mit Pankreatitis findet sich häufig eine isolierte Gastroparese bei erhaltener Motilität des restlichen Darmtrakts. Solche Patienten profitieren eindeutig von einem postpylorischen Zugang (duodenal oder jejunal), da damit eine enterale Ernährung trotz der Gastroparese problemlos durchgeführt werden kann. Im Gegensatz hierzu haben Patienten mit einer Sepsis häufig keine isolierte Atonie des Magens, sondern eine Funktions- und Motilitätsstörung des gesamten Magen-DarmTrakts, die häufig auch von einer Minderperfusi-
on des Splanchnikusgebietes begleitet wird. Bei diesen Patienten kann eine jejunale Ernährung zu ernsthaften Komplikationen bis hin zur ischämischen Darmnekrose führen [68, 90, 95]. Die Parese des Magens hat in dieser Situation somit auch eine gewisse protektive Wirkung, da sie den restlichen Darm vor einer übermäßigen Zufuhr schützt. Es bedarf daher weiterer Studien, um abzuklären, ob bei Patienten mit einer schweren Sepsis die postpylorische Ernährung der gastralen Ernährung wirklich überlegen ist. Bis dahin sollte sie – wenn überhaupt – mit entsprechender Vorsicht angewandt werden. Wievel? Die enterale Ernährung erfüllt per se
schon mehrere Bedingungen, die der geforderten Anpassung an die Stoffwechselveränderungen bei Sepsis entsprechen. In der Regel werden zu Beginn nur geringere Dosen enteraler Ernährung toleriert. Dies ist keine Nachteil, sondern entspricht sogar der Forderung, dass in der initialen katabolen Flowphase die zugeführte Energiemenge auf keinen Fall den aktuellen Energieumsatz überschreiten sollte. Können in dieser Phase über 24 h 30 ml/h oder über 16 h 50 ml/h zugeführt werden, entspricht dies einer Kalorienzufuhr von 800 kcal, die als völlig ausreichend angesehen werden kann. Ob eine Unterbrechung der enteralen Ernährung von Vorteil ist, lässt sich anhand der vorliegenden Studien ebenfalls noch nicht eindeutig beurteilen. Praxistipp 800 kcal initial (30 ml/h über 24 h oder 50 ml/ h über 16 h) sind initial genug! Die langsame Steigerung der Dosis über die nächsten Tage entspricht dann dem zunehmenden Energieumsatz. Als Ziel sollten nach 6–8 Tagen 30–35 kcal/kgKG angestrebt werden, bei einem 70 kg schweren Patienten entsprechend einer Dosierung von 85–100 ml/h über 24 h bzw. von 120–150 ml/h über 16 h. Andererseits muss aber bei einer erneuten Zustandsverschlechterung des Patienten, z. B. durch eine Zweitinfektion, das Substratangebot wieder reduziert werden, auch wenn der Patient zu diesem Zeitpunkt bereits eine höhere Dosis verträgt.
453 Ernährung bei Sepsis
Die enterale Ernährung sollte nicht zu früh zugunsten einer oralen Ernährung aufgegeben werden, sondern der Patient sollte langsam neben der enteralen Zufuhr an die orale Aufnahme gewöhnt werden. Der Beginn der oralen Aufnahme beginnt in der Regel, wenn es dem Patienten bereits wieder klinisch besser geht und fällt somit in die anabole Flowphase. Da der Patient gerade in dieser Phase wahrscheinlich von einer höheren Substratzufuhr profitiert, sollte vermieden werden, dass ausgerechnet dann nur eine geringe exogene Zufuhr erfolgt. Substratzusammensetzung der enteralen Sondennahrung. Die Substratzusammensetzung der üb-
lichen enteralen Sondennahrung ist adäquat. Sie enthält in der Regel einen Fettanteil von 30–45 % der Gesamtkalorien, was der reduzierten Glukoseoxidation und der vermehrten Fettoxidation entspricht. Auch bei der enteralen Ernährung sollte darauf geachtet werden, dass keine Sondenkost zum Einsatz kommt, die überwiegend ω-6-Fettsäuren enthält Alternativ bieten sich Präparationen an, die eine Mischung aus ω-6-LCT und MCT oder eine Mischung aus ω-6- oder ω-3-Fettsäuren enthalten. Diese stehen allerdings nur in den sog. Immunonutritionspräparaten zur Verfügung. Wie ausgeführt, können diese bei Patienten mit einer leichteren Sepsis durchaus von Vorteil sein, sollten aber bei kritisch Kranken nicht eingesetzt werden. Hier kommt das methodische Problem zum Tragen, dass es sich bei der »Immunonutrition« um Mischpräparate handelt, sodass von den Studien her nicht beantwortet werden kann, ob der negative Effekt bei Schwerkranken auf die ω-3-Fette oder andere Substanzen (Arginin?) zurückzuführen ist. Wie lässt sich Normoglykämie unter enteraler Ernährung erzielen? Ein zurzeit noch ungelöstes
Problem ergibt sich aus der jetzt geforderten strafferen Einstellung des Blutzuckers mit Zielwerten zwischen 80 und 110 mg/dl (s. auch 7 Anhang). Können diese unter der Ernährung auch mit einer höheren Insulindosis nicht erreicht werden, muss die Kohlenhydratzufuhr reduziert werden. Dies bedeutet aber bei enteraler Ernährung eine Reduktion der gesamten Nahrungszufuhr. Möglich
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wäre in einer solchen Situation der Einsatz einer kohlenhydratreduzierten Sondennahrung oder einer parenteralen Supplementierung.
Parenterale Ernährung Wann indiziert? Patienten, die Zeichen einer deutlichen Malnutrition aufweisen, oder Patienten, die voraussichtlich eine längere Zeit (>6 Tage) nicht ausreichend enteral ernährt werden können, sollten von Beginn der Intensivtherapie an parenteral ernährt werden. Patienten, die innerhalb weniger Tage wieder vollständig oral ernährt werden können, tolerieren für diese Zeit – neben der Infusion einer Basismenge von 200 g Glukose und Elektrolyten – auch eine vollständige Nahrungskarenz. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass alle Patienten – auch die, die nach 6 Tagen immer noch nicht vollständig ernährt werden können – prinzipiell die ersten Tage ihrer Intensivstationsbehandlung nicht ernährt werden müssen. Praxistipp Aus den oben genannten Anforderungen an eine stoffwechseladaptierte Ernährung bei Sepsis ergeben sich für die parenterale Ernährung 2 praktische Konsequenzen: 5 Die intensivierte Insulintherapie mit einem angestrebten Blutzuckerspiegel von 80–110 mg/dl macht eine permanente Feinregulation der Glukosezufuhr mit Hilfe einer Infusionspumpe erforderlich. Dies bedeutet, dass die Glukoselösung nicht Bestanteil eines Mischbeutels sein sollte, der zusätzlich Aminosäuren und/ oder Fette enthält, da dann die gesamte Substratzufuhr in Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel geregelt würde. Da eine intensivierte Insulintherapie mit einer erheblichen Mehrarbeit für das Pflegepersonal verbunden ist, sind eine entsprechende Aufklärung und Motivation für den Erfolg von großer Wichtigkeit. 5 Da auch die Zufuhr von Aminosäuren und Fett an den Verlauf der Erkrankung und das Gewicht des Patienten angepasst werden muss, sollte die leider immer noch häufig geübte Praxis der Verord6
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
nung von »1 Flasche der Lösung X« obsolet sein. Aminosäuren- und Fettlösungen sollten, ebenso wie Glukose, über geregelte Infusionspumpen infundiert und die Dosierung individuell angepasst werden. Möglich ist, um die Durchführung zu vereinfachen, die Verwendung einer Mischlösung aus Aminosäuren und Fett, da diese bei den meisten Patienten in der gleichen Dosierung zwischen 1 und 1,5 g/kgKG infundiert werden können. . Tabelle 15-2 gibt eine Übersicht über den Zusammenhang zwischen Infusionsgeschwindigkeit und Dosierung in g/24 h und kcal/24 h für die üblichen Ernährungslösungen.
Da bei dem Verzicht auf vorgefertigte Mischinfusionen die Substratzusammensetzung der paren-
g/h
kcal/h
g/24 h
kcal/24 h
Glukose 40%
1 10 20 30 40
0,4 4 8 12 16
1,6 16 32 48 64
9,6 96 192 288 384
38 384 768 1152 1536
Aminosäuren 10%
1 10 20 30 40 50 60
0,1 1 2 3 4 5 6
0,4 4 8 12 16 20 24
2,4 24 48 72 96 120 144
10 96 192 288 384 480 576
Lipide 10%
1 10 20 30
0,1 1 2 3
0,9 9 18 27
2,4 24 48 72
22 216 432 648
40
4
36
96
864
1 10 20 30 40
0,2 2 4 6 8
1,8 18 36 54 72
4,8 48 96 144 192
43 432 864 1296 1728
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Ist eine parenterale Ernährung erforderlich, sollte dennoch zur Stabilisierung der Funktion des Gastrointestinaltrakts permanent versucht werden, wenigstens eine Minimalmenge an enteraler Ernährung (20 ml/h) zuzuführen. Wird diese erfolgreich transportiert, kann die Dosierung langsam gesteigert werden. Parenterale und enterale Ernährung sollten deshalb nicht als gegensätzliche, sondern vielmehr als sich ergänzende Ernährungsformen verstanden werden. In dem Maße, in dem die enterale Ernährung bei Normalisierung der gastrointestinalen Funktion gesteigert wer-
ml/h
13 14
Kombination
. Tabelle 15-2. Infusionsgeschwindigkeit und Dosierung in g/24 h und kcal/24 h
11 12
teralen Ernährung frei gewählt werden kann, gelten folgende Richtlinien: 5 50–70 % der angestrebten Energiezufuhr als Kohlenhydrate, 5 1–1,5 g Aminosäuren/kgKG, 5 der Restbetrag in Form von Lipidlösungen.
Lipide 20%
455 Literatur
den kann, sollte die parenterale Ernährung reduziert werden.
Fazit für die Praxis Die metabolischen Veränderungen während einer Sepsis sind gekennzeichnet durch die Trias »Hypermetabolismus«, »Hyperglykämie« und »vermehrter Abbau von Muskelproteinen«. Sowohl die Infektabwehr als auch die notwendige Neusynthese zerstörter Gewebe induzieren eine allgemeine Stoffwechselsteigerung. Die Hyperglykämie und der Abbau von Muskelproteinen sind Ausdruck der endogenen Bereitstellung der hierfür notwendigen Substrate. Dies entspricht – bei fehlender exogener Substratzufuhr – einer sinnvollen Adaptation an die spezifischen Erfordernisse dieser Situation. Die Regulation der Stoffwechselveränderungen durch Zytokine bewirkt gleichzeitig eine Entkopplung derselben von der exogenen Substratzufuhr. Demzufolge kann weder die der Hyperglykämie zugrunde liegende vermehrte Glukoneogenese noch der Proteinabbau durch eine exogene Substratzufuhr vollständig supprimiert werden. Eine grundlegende qualitative Veränderung der Stoffwechselsituation durch eine Ernährungstherapie ist nicht möglich. Die Ernährung bei Sepsis ist in der Akutphase somit eine supportive Maßnahme, die mit Vorsicht anzuwenden ist und deren Ziel es sein muss auszuloten, wie viel exogene Substratzufuhr unter diesen Bedingungen überhaupt möglich ist. Eine Hyperalimentation in dieser Phase führt zu einer negativen Beeinflussung des Immunsystems und sollte auf jeden Fall vermieden werden. Nach erfolgreicher Überwindung der Infektion wechselt der Metabolismus in eine anabole Phase. In dieser ist eine adäquate exogene Substratzufuhr eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Rekonstitution des Gesamtorganismus und die Remobilisation des Patienten. Die Ernährungstherapie bei und nach einer schweren Sepsis sollte sich auch auf diese Phase erstrecken.
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Kapitel 15 · Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis
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16 Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem: Pathophysiologie, Klinik, Prophylaxe und Therapie der Critical-illness-Enzephalopathie, -Neuropathie und -Myopathie A. Lindner, S. Zierz
Septische Enzephalopathie
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Critical-illness-Polyneuropathie Critical-illness-Myopathie Anhang Literatur
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– 469 – 470
Eine Beteiligung des Nervensystems bei septischen Patienten findet sich mit einer Häufigkeit von bis zu 70 % [7, 18, 55, 61]. Die septische Enzephalopathie kann den internistischen Leitsymptomen der Sepsis häufig vorausgehen und nimmt daher als mögliches Frühzeichen einen besonderen diagnostischen Stellenwert ein [25]. Eine Beteiligung des peripheren Nervensystems wird als Critical-illness-Neuropathie (CIP) bzw. Criticalillness-Myopathie (CIM) bezeichnet. Diese treten meist mit einer Latenz von Tagen bis Wochen auf und führen neben unterschiedlich stark ausgeprägten Paresen v. a. zu einer verzögerten Entwöhnung vom Respirator, einem längeren Aufenthalt auf der Intensivstation, somit erhöhter Komplikationsrate und schließlich verzögerter neurologischer Rehabilitation.
Die Prophylaxe und Therapie der septischen Enzephalopathie, der CIP und CIM beschränkt sich derzeit vorwiegend noch auf allgemeine Sepsisprophylaxemaßnahmen und eine frühzeitige Therapie der Sepsis. Ob z. B. frühzeitig i.v. verabreichte Immunglobuline die neuromuskulären Komplikationen verhindern oder zumindest zu mildern vermögen, muss anhand von prospektiven, placebokontrollierten Studien geklärt werden.
Septische Enzephalopathie Definition und Epidemiologie Unter septischer Enzephalopathie versteht man eine multifokale oder diffuse, reversible zerebrale Funktionsstörung, die im Rahmen einer systemi-
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Kapitel 16 · Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem…
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schen Infektion auftritt, ohne dass eine Infektion bzw. eine medikamentös oder metabolisch verursachte Affektion des Gehirns vorliegt. Sie tritt bei 9–71 % der septischen Patienten auf [46, 55, 60]. Die Mortalität von septischen Patienten mit Enzephalopathie ist höher als die von septischen Patienten ohne Zeichen der Enzephalopathie, wobei unklar ist, ob die erhöhte Mortalität in einem direkten Zusammenllang mit der Enzephalopathie zu sehen ist oder einfach als Ausdruck einer schwerer verlaufenden Sepsis [3, 55, 60–61].
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Klinisches Bild
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Die neurologische Symptomatik kann von einer leichten Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma variieren. Milde Formen sind durch Teilnahmslosigkeit, inadäquate Reaktionen, mnestische Störungen, Konzentrations- und Orientierungsstörungen oder psychomotorische Unruhe gekennzeichnet, während sich schwere Formen als Delirium, Sopor oder Koma manifestieren können. Gegenhalten findet sich in etwa 30 % der Fälle. Tremor, Myoklonien, generalisierte zerebrale Krampfanfälle, Rigor, Asterixis oder Halluzinationen kommen selten vor [60, 61]. Die Enzephalopathie kann sich im Rahmen der Sepsis als vollständiger Bewusstseinsverlust manifestieren, bevor andere Organsysteme betroffen sind [25, 51]. Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind Meningitis und Enzephalitis, die durch die Liquoruntersuchung ausgeschlossen werden müssen. Metabolische, hypoxische, toxische (Medikamentenüberdosierung, zu tiefe Analgosedierung), Elektrolytstörungen, hepatische und renale Ursachen müssen ebenfalls ausgeschlossen werden, wobei die Grenzen zur hepatischen und urämischen Enzephalopathie, die auch im Rahmen einer Sepsis auftreten können, fließend sind. Die bei milden Formen zu Anfang auftretenden Persönlichkeitsveränderungen und Orientierungsstörungen können als Psychose verkannt werden.
Diagnostik Computer- und Kernspintomographie des Gehirns zeigen in der Regel einen Normalbefund. Bei schweren Formen kann als Ausdruck einer gestörten Blut-Hirn-Schranke eine leichte Liquoreiweißerhöhung (600-900 mg/l) vorliegen [61]. Das Elektroenzephalogramm (EEG) ist eine hochsensitive Untersuchungsmethode. In Abhängigkeit vom Schweregrad der septischen Enzephalopathie fndet man ausgeprägte Theta-, Deltaaktivität und triphasische Wellen bis hin zum Muster der »burst-suppression« (. Abb. 16-1), wobei das Ausmaß der EEG-Veränderungen mit der Schwere der Enzephalopathie korreliert. Young et al. fanden ein normales EEG nur bei Patienten ohne Enzephalopathie, triphasische Wellen und »burst suppression« nur bei schweren septischen Enzephalopathien [61]. In Einzelfällen findet sich im EEG multifokale epilepsietypische Aktivität, die dann mit strukturellen Gehirnveränderungen, insbesondere zerebralen Mikroabszessen, vergesellschaftet sein kann [30].
Ursachen und Pathophysiologie Die Pathogenese ist letztendlich nicht geklärt. Es werden unterschiedliche Faktoren diskutiert.Während der Sepsis kommt es zu einer gesteigerten Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke [17, 32], sodass bei einigen Patienten erhöhte Liquoreiweißwerte gefunden werden. Als Mediatoren hierfür sind Endotoxine, d. h. Lipopolysaccharide aus der Zellwand gramnegativer Bakterien, die bei der Hälfte aller Sepsispatienten im Serum nachweisbar sind [16], und andere mikrobielle Produkte anzusehen. Weitere Mediatoren sind Zytokine wie Tumornekrosefaktor (TNF-α), lnterleukine und Interferone, die eine erhöhte Kapillarpermeabilität, Ödembildung, Störungen der Mikrozirkulation und eine direkte hypoxische Gewebeschädigung sowie eine Aktivierung der Blutgerinnung bedingen, was sich klinisch in Form von Bewusstseinsstörungen, EEG-Veränderungen und Fieber manifestieren kann (1, 7, 14). Im Tierexperiment führten Injektionen hoher Dosen von Interleukin 1 und 2 in das Gehirn bzw. Ventrikelsystem zu Ver-
463 Septische Enzephalopathie
16
. Abb. 16-1. EEG eines Patienten mit septischer Enzephalopathie und linksbetonten mittelschweren Allgemeinveränderungen in Form langsamer Aktivität
haltensänderungen und EEG-Veränderungen [33, 47]. Injektionen von Interleukin 2 im Bereich des Locus coeruleus bedingen wahrscheinlich über Aktivierung von Opiatrezeptoren Sopor und EEGVerlangsamung [42]. Interleukin 1 induziert im EEG ein Schlafstadium IV und über den Hypothalamus Fieber [15]. Unterschiedliche Aussagen bestehen zur Frage, ob die Bakteriämie mit der Enzephalopathie korreliert. Während Sprung et al. [55] keine Korrelation mit gramnegativen Bakterien im Blut feststellten, fanden Eidelmann et al. eine Assoziation
der Bakteriämie mit der Enzephalopathie (13 % septische Patienten ohne Enzephalopathie gegenüber 59 % (p<0,001) mit Enzephalopathie). So könne eine Bakteriämie nicht nur zu einer häufigeren direkten Infektion des Gehirns führen, sondern auch Ursache eines veränderten Zytokinprofils sein [18]. Im Rahmen einer Sepsis kann es bereits in der Frühphase zu einer Leberfunktionsstörung kommen [11], sodass, ähnlich wie bei der hepatischen Enzephalopathie, in der Pathogenese der septischen Enzephalopathie ein verändertes Neuro-
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transmitterprofil im Gehirn als Folge eines Missverhältnisses von verzweigtkettigen und aromatischen Aminosäuren diskutiert wird [26–29, 55]. Bei einer gestörten Leberfunktion fällt die Synthese von verzweigtkettigen Aminosäuren stark ab, wohingegen die aromatischen Aminosäuren kumulieren. Tierexperimentell konnte nachgewiesen werden, dass die aromatischen Aminosäuren bei durch die Sepsis ohnehin gestörter Blut-HirnSchranke vermehrt im Gehirn aufgenommen werden und deren Stoffwechselprodukte dann als »falsche Neurotransmitter« an GABA-, Dopaminund adrenergen Synapsen wirken [26-28]. Andere, zusätzlich mögliche Pathomechanismen umfassen ein vasogenes Hirnödem und zerebrale Hypoperfusion [55], eine direkte lnfektion durch Mikroabszesse [30], sowie Ausbildung kleinster Infarkte auf dem Boden von Gerinnungsstörungen [7]. Zusätzlich kann das Gehirn im Multiorganversagen z. B. durch Urämie, Flüssigkeitsund Elektrolytentgleisungen, eine katabole Stoffwechsellage oder generalisierte Zirkulationsstörung geschädigt werden [10].
Die Therapie und Prophylaxe richtet sich in erster Linie auf die zugrunde liegende Sepsis und das Multiorganversagen.
Critical-illness-Polyneuropathie Definition und Epidemiologie Die Critical-illness-Polyneuropathie (CIP) ist eine reversible, akute, vorwiegend axonale Polyneuropathie, die im Rahmen schwerer intensivbehandlungspflichtiger Erkrankungen auftritt. Als prädisponierende Faktoren sind Sepsis, Multiorganversagen, extrakorporaler Kreislauf und langdauernde Beatmung anzusehen. Sie tritt bei 70 % der Patienten mit Sepsis und Multiorganversagen auf [58]. Die besondere klinische Bedeutung der CIP liegt darin, dass der Befall der Atemmuskulatur eine verlängerte Beatmungsdauer und verzögerte Mobilisation zur Folge hat und sich dadurch die Sekundärkomplikationsrate erhöht.
Klinisches Bild Prognose und Therapie Die septische Enzephalopathie ist eine reversible zerebrale Dysfunktion [7,18]. Die Prognose für den Verlauf der Sepsis hängt vom Vorhandensein und der Schwere der Enzephalopathie ab. Die Mortalität bei Patienten mit schwer ausgeprägten Formen beträgt etwa 50 %, die bei Patienten ohne Enzephalopathie 0–26 % [55, 60], wobei der Schweregrad der systemischen Infektion eher als die Enzephalopathie für die hohe Mortalität verantwortlich zu sein scheint. Eidelmann et al. fanden im Rahmen einer prospektiven Untersuchung an 50 Patienten eine Zunahme der Mortalität in Abhängigkeit von der Glasgow-Koma-Skala. Je niedriger der Punktewert war, desto höher war die Mortalität (16 % bei einem Punktewert von 15 gegenüber 63 % bei einem Wert zwischen 3 und 8). Außerdem wiesen die Patienten mit septischer Enzephalopathie erhöhte Serumwerte für Harnstoff und Bilirubin, erhöhte APACHE-lI-Score-Werte sowie eine höhere Inzidenz von Nierenversagen auf [18].
Als Ausdruck des Befalls der Atemmuskulatur fallen die Patienten meist durch eine verzögerte Entwöhnung vom Respirator auf. Alle in der Literatur bisher beschriebenen Patienten wurden künstlich beatmet, wobei die Beatmungsdauer bei den überlebenden Patienten von 4 bis maximal 180 Tagen vaiierte [13, 44]. Bei der neurologischen Untersuchung findet man symmetrisch angeordnete, distal betonte Paresen mit abgeschwächten oder fehlenden Reflexen, in der Regel zuerst der Beine und dann der Arme bis hin zur Tetraplegie [4, 5, 37, 53, 62]. In bis zu 40 % der Fälle ist die mimische Muskulatur mitbetroffen [54]. Selten findet sich eine Beteiligung der Okulomotorik [22]. Sensibililätsstörungen, die in den allermeisten Fällen nur schwer zu überprüfen sind, spielen eine eher untergeordnete Rolle. Die neurologischen Differentialdiagnosen der CIP sind entsprechend vielfältig (Übersicht 16.1). Insbesondere ist ein Guillain-Barré-Syndrom auszuschließen, für das eine albuminozytologische Dissoziation im Liquor, die sich in manchen Fäl-
465 Critical-illness-Polyneuropathie
len allerdings erst nach 14 Tagen einstellen kann, charakteristisch ist.
Diagnostik Elektrophysiologische Befunde Frühestes elektrophysiologisches Zeichen einer CIP als Ausdruck einer axonalen Schädigung ist eine Amplitudenminderung der motorischen und sensiblen Nervenpotentiale, die bereits in der ersten Woche nach Symptombeginn abgeleitet werden können. Die Nervenleitgeschwindigkeiten sind normal oder nur gering verzögert. Gelegentlich findet man eine Verlangsamung der distalen motorischen Latenz [5, 6, 37]. In vereinzelten Fällen wurde als möglicher Hinweis auf eine Demyelinisation proximaler Anteile des peripheren Nervs über eine verlängerte F-Wellen-Latenz berichtet [4, 58]. Da Amplitudenreduktionen im EMG auch bei einer primär sepsisbedingten muskulären Affektion auftreten können, ist für die Diagnose einer primär sepsisbedingten Polyneuropathie der Nachweis einer Amplitudenminderung der sensiblen Nervenaktionspotentiale besonders wichtig. Fibrillationspotentiale oder positive scharfe Wellen hingegen treten in der Regel erst nach 14 Tagen auf. In fortgeschrittenen Stadien finden sich elektromyographisch Zeichen des chronisch neurogenen Umbaus in Form hochamplitudiger Potentiale. Vor dem Hintergrund einer verzögerten Entwöhnung vom Respirator sind Leitungsstudien des N. phrenicus und elektromyographische Untersuchungen der Interkostalmuskulatur und des Zwerchfells von besonderer diagnostischer Bedeutung. Bei elektromyographischer Untersuchung des Zwerchfells von 31 Patienten mit CIP fand sich pathologische Spontanaktivität in 18 Fällen (58 %), z. T. schon 5 Tage nach Beginn der Beatmungspflichtigkeit [44]. Die repetitive Serienstimulation eines Nervs, die u. a. zum Ausschluss einer neuromuskulären Überleitungsstörung erfolgen sollte, zeigt regelrechte Befunde, sofern keine Muskelrelaxantien verabreicht wurden [52].
16
. Übersicht 16.1.
Differentialdiagnose der CIP 1. 5 5 5
Neuropathien: Guillain-Barré-Syndrom, Vitamin B1-, B6-Mangel, Vorderhornerkrankungen, – amyotrophe Lateralsklerose, – spinale Muskelatrophie, 5 paraneoplastische Polyneuropathie, 5 toxische Polyneuropathie, – Aminoglykoside, – Penicilline, 5 medikamentinduzierte Porphyrie. 2. Neuromuskuläre Erkrankungen: 5 Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom, 5 Muskelrelaxantien, 5 Aminoglykoside, 5 Botulismus. 3. 5 5 5 5
Myopathien: Steroidmyopathie, Polymyositis, Einschlusskörpermyositis, Saure-Maltase-Mangel, Myopathie bei Hyperthyreose/Hypothyreose.
Morphologische Befunde Die morphologischen Besonderheiten der CIP gehen sowohl auf Nerven- und Muskelbiopsien als auch auf Obduktionsbefunde zurück. Charakteristisch ist eine primäre axonale Degeneration sowohl motorischer als auch sensibler Anteile der peripheren Nerven, die im Gegensatz zum Guillain-Barré-Syndrom keine Zeichen der Entzündung aufweisen (. Abb. 16-2). Im Muskelgewebe kann man im Stadium der akuten Denervation vereinzelt atrophische Fasern, im Stadium der chronischen Denervation gruppenförmig angeordnete atrophische Fasern als Zeichen des axonalen Untergangs finden. Gelegentlich zeigen sich als Ausdruck einer primär vergesellschafteten Myopathie nekrotische Muskelfasern. Als Folge einer zentripetal laufenden Reaktion kann eine Chromatolyse in den Vorderhornzellen und Spinalganglien gesehen werden [62].
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Kapitel 16 · Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem…
. Abb. 16-2. Querschnitt des N. suralis eines Patienten mit ausgeprägter CIP (ToluidinblauFärbung, 50fache Vergrößerung): Ausgeprägte Neuropathie vom neuronalen Typ mit mäßiggradiger subperineuraler Ödembildung.
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Ursachen und Pathophysiologie Die eigentliche Ursache der CIP ist ungeklärt. Nachdem bei der Mehrzahl der bisher berichteten Fälle die CIP im Zusammenhang mit einer Sepsis aufgetreten ist, wird eine solche insbesondere von der Arbeitsgruppe um Bolton als notwendige Voraussetzung gefordert [8]. So würde eine Störung der Mikrozirkulation, hervorgerufen durch die gleichen Mediatoren, die einer Sepsis zugrunde liegen, zur Entwicklung einer CIP führen. Nach Bolton ist die CIP ein Bestandteil des septischen Syndroms und als septisch-toxische Polyneuropathie bzw. als Sepsispolyneuropathie zu klassifizieren. Dennoch finden sich zahlreiche Fallberichte, insbesondere nach Schädel-Hirn-Traumata, bei denen keine Sepsis vorlag [22, 37, 45], sodass das Auftreten einer CIP in diesen Fällen durch die Aktivierung von proinflammatorischen Mediatoren erklärt werden könnte. In den meisten Fällen wurde ein Multiorganversagen beobachtet, wobei die Lunge an erster Stelle steht, gefolgt von Gehirn, Herz, Leber und Nieren [19, 37]. Für das Vorliegen eines im Rahmen der Sepsis auftretenden Autotoxins, das vornehmlich die Axone schädigen soll, gibt es letztendlich keine Beweise [37]. Eine besondere Rolle hingegen scheint TNF-α zu spielen, der über Aktivierung von Makrophagen, Neutrophilen und anderen Entzün-
dungsmediatoren zu Mikroinfarkten, Ödem, direkter Myelin- oder Axonschädigung führen kann sowie myolytische Eigenschaften besitzt [37, 45]. Die bei der Sepsis auftretenden Endotoxine und Zytokine können über eine Zunahme der Gefäßpermeabilität zum Austritt von Albumin führen und somit ein endoneurales Ödem nach sich ziehen [58]. Der Anstieg von freien Radikalen während der Sepsis kann über eine Membranschädigung und Proteinsynthesestörung einen axonalen Untergang hervorrufen [50] und histaminähnliche Substanzen können zu einer Schädigung der peripheren Blut-Nerven-Schranke führen [62]. In der bis jetzt einzigen prospektiven Untersuchung von 23 Patienten mit CIP fanden Witt et al., dass Hyperglykämie, Hypalbuminämie sowie Verweildauer auf der lntensivstation mit der Schwere der CIP korrelierten. So führe eine Hyperglykämie zu einem erhöhten Gefäßwiderstand, der über einen herabgesetzten Blutfluss in den Vasa nervorum eine endoneurale Hypoxie nach sich ziehe. Die dadurch induzierte Hypoxie wiederum führe zu einer Mitochondrienschädigung und einer Störung des axonalen Strukturproteintransportes. Die Hypalbuminämie sei durch den Verlust von Albumin in das interstitielle Gewebe Ausdruck einer gestörten Blut-Nerven-Schranke, wofür insbesondere die bei der Sepsis frei werdenden histaminähnlichen Substanzen verantwortlich seien. Da es
467 Critical-illness-Myopathie
während der Sepsis zu einer Verschiebung des Blutes in zentrale Organe wie Gehirn, Herz, Leber und Nieren komme, werde die Durchblutung im peripheren Nervengewebe dadurch herabgesetzt [58]. Als weitere mögliche Pathomechanismen werden die Anwendung von Aminoglykosiden [43, 59], metabolische Störungen [43], Ernährungsstörungen, Hypoxie [2] und Blutdruckabfall [49] diskutiert, wobei die Hypothese, dass die CIP durch Aminoglykoside oder Muskelrelaxantien bedingt sei, schon deshalb fragwürdig ist, da nicht alle Patienten mit diesen Substanzen behandelt wurden.
Prognose und Therapie Die Prognose von Patienten mit CIP hängt im Wesentlichen von der Schwere der Grunderkrankung ab. Patienten mit einer CIP hatten eine höhere Mortalifät, häufiger eine Sepsis mit gramnegativen Keimen, häufiger ein multiples Organversagen und eine längere Rehabilitationsphase als Patienten ohne CIP [37, 39). Somit steigt das Risilco für Sekundärkomplikationen, wie Pneumonie, tiefe Beinvenenthrombose und Lungenembolie. Die Angaben zur Mortalität schwanken je nach Studie zwischen 0 [13, 22J und 73 % [12). In etwa der Hälfte der Fälle erholen sich die Überlebenden komplett [22, 36, 38, 58, 63). Überleben die Patienten, bilden sich die Paresen relativ rasch und in etwa 50 % der Fälle auch vollständig zurück, bei schweren Formen jedoch nur unvollständig [22, 36, 38, 45, 58, 62J. Eine spezifische Therapie existiert zum jetzigen Zeitpunkt nicht, sodass sich primär alle therapeutischen Ansätze auf die Beherrschung der Sepsis und des Multiorganversagens richten müssen. Verfrühte Entwöhnungsversuche vom Respirator sind ebenso wie zu frühe Mobilisation zu vermeiden, wenn sich elektrophysiologisch immer noch Zeichen der floriden Denervation finden. Möglichst frühzeitig sollte jedoch mit physiotherapeutischen Maßnahmen begonnen werden. Pathophysiologisch plausible Therapieansätze, die jedoch nicht durch klinische Studien belegt sind, bestehen aus Fiebersenkung unter 40° C [57]. Obwohl Wijdicks u. Fulgham 1994 [56] in einer offenen Pilotstudie an 3 Patienten mit CIP keinen
16
positiven Effekt durch i.v. verabreichte Immunglobuline G (IVIgG) berichteten, erscheinen die Ergebnisse einer retrospektiven Untersuchung von Mohr et al. [41] zum Stellenwert der IVIgGMA-Therapie bei Patienten mit einer CIP nach Multiorganversagen und Sepsis durch gramnegative Erreger viel versprechend: von 33 Überlebenden nach Multiorganversagen entwickelten 16 (48 %) eine Sepsis durch gramnegative Erreger. Von diesen 16 Patienten wurden 8 im Rahmen der Sepsis mit IVIgGMA (0,3 g/kg/KG über 3 Tage) behandelt. Keiner dieser Patienten entwickelte eine CIP, während von den 8 Patienten der Kontrollgruppe (keine IVIgGMATherapie) 7 eine CIP entwickelten. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass ein Großteil der CIPFälle nicht nur als Folge eines Multiorganversagens vorkommt, sondern auch mit einer gramnegativen Sepsis vergesellschaftet ist und dass die frühzeitige Gabe von IVIgGMA die Entwicklung einer CIP verhindern bzw. die Ausprägung der Symptome zu lindern vermag. Zur endgültigen Beurteilung des Stellenwertes der IVIG in der Therapie der CIP müssen jedoch die Ergebnisse derzeit laufender, prospektiver, placebokontrollierter Studien abgewartet werden.
Critical-illness-Myopathie Definition und Epidemiologie Die besondere Bedeutung der CIM liegt u. a. darin, dass eine muskuläre Beteiligung bei 50–80 % der kritisch Kranken auftritt [36]. Eine klare Abgrenzung gegen die durch hochdosierte Glukokortikoide oder Muskelrelaxantien [21] induzierte Myopathie des kritisch Kranken erscheint bislang schwierig.Insbesondere bei der Steroidmyopathie, die sich nach längerer Gabe von v. a. fluorierten Steroiden bei Patienten mit chronischen Erkrankungen entwickeln kann, werden z. T. ähnliche myohistologische Veränderungen beschrieben [31]. Daneben fnden sich in der Literatur rein deskriptive Beschreibungen wie »thick filament myopathy«, »myosin-deficient myopathy« oder »akute nekrotisierende Myopathie« [40].
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Kapitel 16 · Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem…
Klinisches Bild und Diagnostik Klinisch zeigen Patienten mit CIM ebenso wie bei der CIP generalisierte Muskelschwächen und abgeschwächte oder fehlende Muskeleigenreflexe. Lediglich durch das Fehlen von Sensibilitätsstörungen kann eine CIP klinisch abgegrenzt werden, wobei dies jedoch in den seltensten Fällen praktisch durchführbar ist. Eine CIM findet sich häufig bei Patienten, bei denen klinisch und elektrophysiologisch lediglich eine CIP vermutet wurde [36, 43, 62]. Dies beruht u. a. darauf, dass sich nur selten und meist nur bei Muskelfasernekrosen myopathietypische elektrophysiologische Veränderungen wie niedrigamplitudige Muskelaktionspotentiale nachweisen lassen. Auch der Nachweis von Spontanaktivität ist differentialdiagnostisch wenig hilfreich, da sich diese auch bei der CIP findet. Erschwert wird die elektrophysiologische Diagnostik weiterhin dadurch, dass dieselben elektromyographischen Veränderungen auch im Stadium der Denervation bei der CIP bzw. der frühen Reinnervation gefunden werden können [7]. Mit der Bestimmung der Muskelfaserleitung durch direkte Stimulation des Muskels lässt sich die CIM relativ sicher von der CIP abgrenzen. Als Ausdruck einer durch eine Membranschädigung bedingten herabgesetzten
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. Abb. 16-3. Querschnitt des M. biceps brachii eines Patienten mit CIP und CIM (NADH-Reaktion, Vergr. 200:1): Typ-II-Atrophie (hell Typ-I-Fasern, dunkel Typ-II-Fasern)
Erregungsleitung der Muskelmembran findet sich eine verlangsamte Muskelfaserleitung nur bei der CIM. Diese wird wahrscheinlich durch eine Störung der Natrium- und Chloridkanäle hervorgerufen [48]. Die Kreatinkinasewerte im Serum sind in der Regel normal oder nur leichtgradig erhöht [36]. Nur bei ausgeprägten Muskelfasernekrosen können deutlich erhöhte Kreatinkinasewerte vorliegen [63], sodass letztendlich der Muskelbiopsie die entscheidende diagnostische Rolle zukommt.
Morphologische Befunde Lichtmikroskopisch zeigt sich neben einer TypI-Faseratrophie v. a. eine Typ-II-Faseratrophie (. Abb. 16-3). In Einzelfällen kann man multiple Muskelfasernekrosen finden [6, 23, 36]. Entzündliche Veränderungen des Muskels kommen nicht vor. Ausgeprägte Muskelfasernekrosen scheinen insbesondere Ausdruck einer medikamenteninduzierten Myopathie zu sein [63]. Elektronenmikroskopisch wurde ein diffuser Verlust der Myosinfilamente beschrieben, der aber auch durch die intravenöse Gabe von Kortikosteroiden oder Muskelrelaxantien induziert worden sein kann [34]. Dieser Verlust der dicken Myosinfilamente ist jedoch unspezifisch und wird bei ei-
469 Anhang
ner Reihe anderer Myopathien wie Dermatomyostis, HIV-Myopathie oder kongenitalen Myopathien gefunden [9, 20].
Anhang
Ursachen und Pathophysiologie
Critical-illness-Enzephalopathie
Möglicherweise wird im Rahmen der Sepsis durch Interleukin 1 und Tumornekrosefaktor eine katabole Myopathie mit Typ-II-Faseratrophie induziert [7]. Andere Erklärungsmöglichkeiten umfassen eine Irritation von Kalium- und Chloridkanälen durch während einer Sepsis auftretende freie Radikale [48]. Eine besondere Bedeutung scheinen Kortikosteroide zu haben, die über eine direkte Proteinsyntheseschädigung eine Typ-II-Faseratrophie oder die Bildung von fehlerhaften Kalium- und Chloridkanälen induzieren können [23]. Pathophysiologisch eindeutig abzugrenzen ist die im Rahmen einer schweren Bakteriämie auftretende septisch-metastatische Pyomyositis mit Muskelabszessen (35]. Insgesamt scheint der Entstehungsmechanismus – ähnlich wie bei der CIP – multifaktoriell zu sein.
Prognose end Therapie Nachdem Muskelrelaxantien, Kortikosteroiden und anderen Substanzen, die die neuromuskuläre Überleitung beeinflussen, eine besondere Rolle in der Pathogenese zukommt, sollten diese Substanzen beim septischen bzw. kritisch kranken Patienten möglichst gemieden oder nur in niedriger Dosierung eingesetzt werden. Werden Substanzen, die die neuromuskuläre Überleitung beeinflussen, in Kombination mit Kortikosteroiden verabreicht, so ist durch regelmäßige Kontrolle der Kreatinkinase darauf zu achten, dass sich keine Muskelnekrose entwickelt [24]. Wie bei der CIP ist es nahe liegend, dass die frühzeitige Gabe von IVIgGMA möglicherweise auch die Ausbildung einer CIM verhindern kann. Dies kann jedoch letztendlich nur im Zuge prospektiver, placebokontrollierter Studien geklärt werden.
16
Hinweise für die Praxis: Verdacht auf Critical-illness-Enzephalopathie
5 Typische Anamnese 5 Neurologische Untersuchung, Prüfung der
Hirnstammreflexe 5 Tiefe der Bewusstseinsstörung (Somnolenz,
Sopor, Koma) 5 Glasgow-Koma-Skala 5 Kraniales CT bzw. MRT zum Ausschluss
struktureller Läsionen: – primär infratentorielle Läsionen – Thalamusschädigungen – supratentorielle raumfordernde Läsionen (ausgedehnte Hemisphäreninfarkte, bihemispherielle Läsionen) 5 Liquoranalyse zum Ausschluss einer Meningitis bzw. Enzephalitis 5 Ausschluss anderer Ursachen, die eine Bewusstseinsstörung bedingen können: a metabolisch (Leber-, Nierenfunktion) b toxisch c postparoxysmale Bewusstseinsstörung d hypoxisch 5 EEG (τ-, δ-Aktivität, triphasische Wellen, »Burst-suppression«-Muster) Bei pathologischen Befunden – Therapie: 5 derzeit keine gesicherte Therapie 5 Bekämpfung der Sepsis, allgemeine intensiv-
medizinische Maßnahmnen
Hinweise für die Praxis: Verdacht auf Critical-illness-Polyneuropathie bzw. Myopathie Typische Ananmese 5 Neurologische Untersuchung 5 Elektrophysiologie (EMG, Leitungsuntersu-
chungen) 5 Ggf. Ausschluss eines Guillain-Barré-Synd-
roms (Liquoruntersuchung) und weitere differentialdiagnostische Überlegungen (. Tabelle 16-1) 5 Ggf. Muskel- bzw. Nervenbiopsie (N. suralis)
470
Kapitel 16 · Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem…
1
. Tabelle 16-1. Evidenz von Therapieverfahren
2
Tierexperimentelle Studien
Fehlen
3
Pathophysiologisch plausibel, keine klinischen Studien
Bekämpfung von Sepsis und MOF, Fiebersenkung < 40°C [57]
Kasuistische Beobachtungen
IVIgG bei 3 Patienten ohne Erfolg [56]
Unkontrollierte klinische Beobachtungsstudien
Frühzeitige IVIgGMA-Gabe im Rahmen einer Sepsis kann möglicherweise Entwicklung einer CIP verhindern [41]
Placebokontrollierte, randomisierte klinische Studien
Fehlen
4 5 6 7 8 9
Bei pathologischen Befunden – Therapie: 5 Derzeit keine gesicherte Therapie; frühzeitige
10 11
5 5
12
5 5
13 14 15 16 17 18 19 20
IVIgGMA-Gabe im Rahmen einer Sepsis kann möglicherweise Entwicklung einer CIP verhindern [41] Bekämpfung der Sepsis allgemeine intensivmedizinische Maßnahmen frühzeitige spezifische Physiotherapie Kontrolle der elektrophysiologischen Befunde mit der Frage der beginnenden Reinnervation (Einschätzung der Prognose)
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Kapitel 16 · Auswirkungen der Sepsis auf das Nervensystem…
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17 Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen M.W.A. Angstwurm, R. Gärtner
Endokrine Störungen Spurenelemente Literatur
– 473
– 478
– 482
Endokrine Störungen Stresshormonaktivierung beim kritisch Kranken Jede schwere Allgemeinerkrankung führt zu charakteristischen Veränderungen der normalen Hormonhomöostase. Dabei wird sowohl die Hypothalamus-Hypophysen-Achse als auch der periphere Hormonstoffwechsel beeinflusst [23]. Diese bei Schwerstkranken physiologisch auftretenden Veränderungen muss man daher kennen, um sie differenzialdiagnostisch von primären Hormonstörungen abgrenzen zu können. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit diese Veränderungen mit am Krankheitsgeschehen beteiligt sind und therapeutisch angegangen werden können. Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen den Veränderungen einer akuten Phase und Veränderungen, die man bei schweren chronischen Erkrankungen findet. In der Akutsituation stehen die allgemeine »Stresshormonaktivierung« und die Interaktion der Zytokine mit den Hormonsystemen im Vordergrund, in der chronischen Phase hingegen der Katabolismus und dessen Einfluss auf den Hormonmetabolismus [15, 23]. In der Akutphase einer schweren Erkrankung, wie Sepsis, oder bei ausgedehnter Operation stehen Glukoneogenese, Proteolyse und Lipolyse ganz im Vordergrund. Diese metabolischen Ver-
änderungen werden durch die enge Kommunikation zwischen dem Immunsystem, dem autonomen Nervensystem und dem klassischen endokrinen System verursacht [23]. Alle immunkompetenten Zellen sezernieren Zytokine, die lokal parakrin, aber auch entsprechend den klassischen Hormonen endokrin wirken. Die endokrinen Organe exprimieren Rezeptoren für Zytokine, und umgekehrt haben die immunkompetenten Zellen Rezeptoren für Hormone, wie Glukokortikoide, Insulin, Prolaktin, Wachstumshormon, Östrogen, Testosteron, Adrenalin, Noradrenalin, Acetylcholin, Endorphine, Somatostatin und Vasopressin. Immunzellen können jedoch auch klassische Hormone – wie ACTH, βEndorphin, Prolaktin, Substanz P und Vasopressin – synthetisieren und sezernieren. Umgekehrt finden sich Rezeptoren z. B. für Interleukin-1 (IL1) und -6 sowie TNF in Hypothalamus, Hypophyse, Nebenniere, Schilddrüse und Gonaden [23]. Hieraus ergibt sich ein sehr feines Netzwerk der Kommunikation zwischen dem Immunsystem und den klassischen endokrinen Organen. Grundsätzlich reagiert während einer schweren Erkrankung wie der Sepsis die hypothalamisch-hypophysäre Achse biphasisch, ähnlich dem Immunsystem: Nach einer Phase der Aktivierung findet sich in der chronischen Phase eine verminderte Sekretion. Noch vor der klinisch manifesten Erholungsphase erholt sich die hypotha-
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Kapitel 17 · Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen
lamische Funktion, gefolgt von einem Anstieg der Spiegel der hypophysären und dann der peripheren Hormone.
3
«Non-Thyroidal-Illness«-Syndrom (NTIS)
4
Viele Namen – ein Syndrom
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Mit am längsten bekannt sind die typischen Veränderungen der Schilddrüsenparameter unter akuten und chronischen Erkrankungen [7, 24]. Im deutschen Sprachraum benutzt man oft die Bezeichnung »Nieder-T3-Syndrom«, was impliziert, dass nur die Trijodthyroxin-(T3-)Spiegel abfallen. Synonym werden auch »Euthyroid-sick«-Syndrom (ESS) oder »Non-thyroidal-illness«-Syndrom (NTIS) verwendet. Bei diesen Konstellationen ist jedoch auch der Abfall der Spiegel von Thyroxin (T4) und thyreotropinstimulierendem Hormon (TSH) mit gemeint. Die T3-Spiegel reagieren zwar bei jeder Allgemeinerkrankung am schnellsten mit einem Abfall, aber je nach Dauer und Schwere sind auch immer die T4- und TSH-Spiegel mit betroffen (. Tabelle 17-1). Praxistipp Im Bereich der Intensivmedizin mit Sepsis und Multiorganversagen ist daher immer der Begriff NTIS zu bevorzugen [7].
Ätiologie und Pathogenese Die Ätiologie der physiologischen Beeinflussung der Schilddrüsenfunktionsparameter im katabolen Zustand und bei schwerer Allgemeinerkrankung ist bisher nicht eindeutig aufgeklärt. T4 wird ausschließlich in der Schilddrüse gebildet und freigesetzt, während T3 zu über 80 % in peripheren Organen aus T4 entsteht, v. a. findet dies in Leber und Niere über die 5’Dejodinase Typ I statt. Man nimmt heute an, dass der Abfall des Spiegels von T3 durch periphere Mechanismen und die Erniedrigung des Spiegels von TSH bzw. T4 durch davon verschiedene Faktoren hervorgerufen werden. Abfall des T3-Spiegels
Jede schwere akute und chronische Erkrankung, wie ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus, jeder operative Eingriff, eine systemische Entzündung oder eine Sepsis, aber auch nur Fasten führt innerhalb weniger Stunden, spätestens nach 3 Tagen, zunächst nur zu einer Erniedrigung der T3Serumspiegel. Ab diesem Zeitpunkt wird T4 zum stoffwechselinaktiven reversen T3 (rT3) abgebaut, woraus ein rascher Abfall des T3-Spiegels, begleitet von einem Anstieg des rT3-Spiegels, resultiert. Der Anstieg der Konzentration von freien Fettsäuren, ebenso wie der Anstieg der Spiegel von Glukokortikoiden oder Zytokinen (TNF, IL-6) in dieser Phase, wird als Ursache für diese Veränderungen diskutiert. Die inverse Beziehung in vivo zwischen Kortisolspiegelanstieg und T3-Spiegel-Ab-
14 15
. Tabelle 17-1. Schematische Darstellung der Veränderungen der Schilddrüsenhormonwerte bei verschiedenen Erkrankungen
16
Erkrankung/Zustand
T4
fT4
T3
fT3
rT3
TSH
17
Zustand nach Operation
↓
↓
↓
↓
↑
↓
Myokardinfarkt
±
±
↓
±
↑
±
Niereninsuffizienz
±↓
±↓
↓
↓
±
±
Diabetes mellitus
↓
±
↓
±
↑
±
Fasten
±
±
↓
↓
↑
↓
Sepsis
↓
↓
↓
↓
↑
↓
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rT3 »reverse« T3; TSH thyreotropinstimulierendes Hormon
475 Endokrine Störungen
fall konnte aufgezeigt werden. Ein weiterer Mechanismus, der zu dem Abfall des T3-Spiegels beim Schwerkranken beiträgt, ist eine verminderte Aktivität der Typ-I-Dejodinase, bedingt durch Substratmangel. Die häufig erhöhten Konzentrationen an freien Fettsäuren und Bilirubin hemmen die T4-Aufnahme in Leberzellen [8, 24].
Abfall des TSH- und T4-Spiegels In Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung wird frühzeitig zentral die TSH-Freisetzung aus der Hypophyse vermindert. Zytokine (TNF, IL-6), ebenso wie Kortisol und Somatostatin, aber auch Katecholamine, wie Dopamin, werden hierfür ursächlich verantwortlich gemacht. In vivo führt die Applikation der Zytokine zu den typischen Veränderungen des NTI-Syndroms [24]. Allerdings rufen die Zytokininfusionen selbst schwere Allgemeinreaktionen des Organismus mit Fieber und Katabolismus hervor. Damit ist die Kausalität der Zytokine an der verminderten TSH-Freisetzung schwer zu beweisen. Unter Gabe von Endotoxin konnte die Blockade des Interleukin-1 mit dem IL1-Rezeptor-Antagonisten nicht die typischen Veränderungen des NTI-Syndroms verhindern [24]. Im weiteren Verlauf fällt dann auch der SerumT4-Spiegel ab. Inhibitoren der Schilddrüsenhormonbindung an die Transportproteine im Serum, wie z. B. freie Fettsäuren oder Medikamente, wie
/ Low-T3-/NTI-Syndrom
Normalbereich
Mortalität
17
Furosemid, können zu einer Verdrängung von T4 aus den Bindungsproteinen führen und somit zu der T4-Spiegel-Erniedrigung beitragen. Der Abfall der Konzentration von T4 ist ebenso wie der Abfall der Konzentration von TSH invers mit der Mortalität korreliert, nicht aber der alleinige Abfall des Spiegels von T3. Stirbt der Patient an seiner Erkrankung, so sind alle Parameter der Schilddrüsenfunktion niedrig bis nicht mehr messbar. Bei schwerkranken, an der Schilddrüse jedoch gesunden Patienten ergibt sich somit im Verlauf die Konstellation einer sekundären Hypothyreose, die Patienten sind aber nach klinischen Kriterien euthyreot. In dieser Phase ist die Mortälität am höchsten. Erholt sich der Patient, so steigt der TSH-Spiegel als erstes wieder bis in den supranormalen Bereich an. In der Folge normalisieren sich sowohl die peripheren Schilddrüsenhormonwerte als auch der TSH-Spiegel (. Abb. 17-1). ! Das Ausmaß der Veränderungen eines NTI-Synd-
roms ist mit der Schwere der akuten Erkrankung und dem damit verbundenen Katabolismus korreliert. Die Einflüsse auf den peripheren Metabolismus der Schilddrüsenhormone müssen getrennt von den Einflüssen von Zytokinen und Stresshormonen auf die Hypophyse gesehen werden.
. Abb. 17-1. Charakteristischer Verlauf der Schilddrüsenparameter bei schwerkranken Patienten. NTI »Non-thyroidal-illness«-Syndrom; TSH thyreotropinstimulierendes Hormon
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Kapitel 17 · Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen
Diagnose Die Bestimmung des basalen TSH-Wertes gilt üblicherweise als der zentrale Parameter zum Ausschluss einer Funktionsstörung. Da alle Intensivstationspatienten einen je nach Schweregrad der Erkrankung erniedrigten bis supprimierten TSHSpiegel haben, ist dieser Parameter hier allein nicht hilfreich zur Differenzierung zwischen einem NTIS und einer begleitenden Schilddrüsenfunktionsstörung. Zur Diagnostik müssen bei Intensivstationspatienten immer auch die peripheren Schilddrüsenhormone mit bestimmt und insbesondere die klinische Symptomatik in die differenzialdiagnostischen Überlegungen mit einbezogen werden. In unklaren Fällen kann der TRH-Test durchgeführt werden: Bei supprimiertem TSH-Spiegel infolge eines NTIS ist TSH gering stimulierbar, bei einer gleichzeitig bestehenden Hyperthyreose ist TSH nicht stimulierbar [18]. Praxistipp Periphere Schilddrüsenhormone, deren Spiegel für die Schwere der Erkrankung inadäquat hoch oder aber sogar im Normalbereich liegen, deuten bei supprimiertem TSH eher auf eine Hyperthyreose hin, ein zur Schwere der Erkrankung inadäquat hoher, aber noch normaler TSH-Spiegel bei peripher erniedrigten Schilddrüsenhormonwerten auf eine Hypothyreose. Die Bestimmung des rT3 ist nicht weiter hilfreich, da es nicht sicher eine primäre Schilddrüsenfunktionsstörung abgrenzen lässt und auch nur in Speziallabors bestimmt werden kann. Das klinische Bild und die typischen Symptomenkomplexe einer Hypo- bzw. Hyperthyreose sind somit führend in der Diagnostik einer zusätzlich zu einer anderen Erkrankung bestehenden Schilddrüsenfunktionsstörung.
Therapie Es konnte bisher in keiner Studie gezeigt werden, dass eine Thyroxinsubstitution bei Vorliegen eines ausgeprägten NTIS die Morbidität oder Mortalität günstig beeinflussen kann. Eine Substituti-
on mit L-Thyroxin bei septischen Patienten mit akutem Nierenversagen führte sogar zu einer unerwartet hohen Mortalität [1]. Eine Ausnahme stellen Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen dar, bei denen eine frühzeitige T3-Substitution in den ersten 6 h nach dem Eingriff zu einer Verbesserung der hämodynamischen Parameter, wie peripherer Gefäßwiederstand und Herzzeitvolumen, führte [11]. Diese Patienten waren aber anderweitig gesund und hatten keine infektiösen Komplikationen oder ein Multiorganversagen. Nur bei gleichzeitig bestehenden primären Schilddrüsenfunktionsstörungen ist natürlich eine entsprechende Therapie einzuleiten.
Nebennierenrindenfunktion Ätiologie und Pathophysiologie Bei Patienten mit Sepsis und Multiorganversagen ist die Achse Hypothalamus – Hypophyse – Nebenniere aktiviert, sowohl auf systemischem als auch auf neuronalem Wege. Zirkulierende Zytokine (TNF, IL-1, IL-6) wirken einzeln, aber auch synergistisch auf diese Achse. IL-6 wirkt sowohl humoral als auch neuronal durch Aktivierung der vagalen Efferenzen stimulierend auf die ACTH- wie auch die Kortisolfreisetzung [4]. Somit sind zu Beginn der Erkrankung die Spiegel von ACTH und Glukokortikoiden entsprechend dem Ausmaß der Erkrankung erhöht; sie stimulieren die Glukoneogenese und erhöhen die Empfindlichkeit gegenüber Katecholaminen. Der normale Tagesrhythmus und die pulsatile Freisetzung von ACTH sind jedoch aufgehoben. Dies wird möglicherweise mitbedingt durch Medikamente, insbesondere Opioide und Sedativa, da die ACTH-Spiegel mit der Aktivität im EEG korrelieren. Im weiteren Verlauf einer schweren Erkrankung fallen die Spiegel von CRH und ACTH ab, während die Konzentration von Kortisol erhöht bleibt. Bei Schwerkranken sind die Kortisolspiegel nicht durch Dexamethason supprimierbar, da die Nebenniere ACTH-unabhängig neuronal und immunogen stimuliert wird [16]. Beim septischen Schock ist die Empfindlichkeit der Monozyten und der glatten Muskulatur gegen-
477 Endokrine Störungen
über Kortisol erhöht. Der Kortisolspiegel korreliert jedoch mit dem Überleben. Es gibt viele Fallberichte über eine Verbesserung des klinischen Verlaufs unter der Substitution mit Hydrokortison [5]. Bei Sepsispatienten ist die Nebenniere möglicherweise nicht mehr imstande, ausreichend Kortisol zu bilden. Hieraus ergibt sich die Frage nach der sog. »relativen Nebenniereninsuffizienz«. Die Inzidenz einer relativen Nebenniereninsuffizienz soll unter der Verwendung des kurzen ACTH-Tests (30 min) mit einem Anstieg des Kortisolspiegels um weniger als 9 µg/dl bis zu 50 % der septischen Patienten betragen. Es existiert jedoch keine international anerkannte Definition der relativen Nebennierenrindeninsuffizienz [19]. Bei Gesunden mit basalen Kortisolspiegeln am Morgen von <3 µg/ml kann eine Nebenniereninsuffizienz vermutet werden, bei Schwerkranken sind Kortisolwerte von <18µg/dl wahrscheinlich als pathologisch anzusehen [5]. Ausreichende Studien hierzu existieren jedoch nicht. Es ist zudem nicht bekannt, welche Menge an Kortisol erforderlich ist, um der längerfristigen Stresssituation gerecht zu werden. Der bei Gesunden zur Diagnose einer Nebenniereninsuffizienz erforderliche ACTH-Test kann nicht ausreichend sicher eine Nebenniereninsuffizienz beweisen, da Kortisolsekretion und -synthese z. B. durch Medikamente, Zytokine und eine schlechte Kreislaufsituation beeinflusst werden. Zudem führt eine kontinuierliche Hydrokortisonsubstitution überraschenderweise nicht zu einem konstanten, sondern einem über Tage sinkenden Serumspiegel. Somit ist offensichtlich auch der periphere Metabolismus von Kortisol im Verlauf einer schweren Sepsis mit Multiorganversagen verändert [4].
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Reduktion der Morbidität ([5]; s. auch 7 Kap. 4 u. 7 Anhang). Die Gabe von Hydrokortison muss schließlich nach Stabilisierung der Patienten langsam schrittweise reduziert werden. Eine multizentrische Studie hierzu wird zurzeit in Europa durchgeführt, um die Studienergebnisse weiter abzusichern (s. auch 7 Kap. 4 u. 7 Anhang, . Tabelle 4-14).
Sexualhormone Bei Intensivstationspatienten sind in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung sowohl die pulsatile Freisetzung als auch die Serumspiegel der Gonadotropine vermindert und damit auch die Sexualhormonspiegel [23]. Es ergibt sich die Konstellation eines hypogonadotropen Hypogonadismus. Die Gonadotropine sind durch GnRH vermindert stimulierbar. Die Schwere der Erkrankung, gemessen am APACHE-II-Score, korreliert invers mit den Gonadotropin- und Testosteronspiegeln. Interessanterweise sind die Östrogenspiegel aber bei einigen Patienten v. a. bei Sepsis sowohl bei Männern als auch bei postmenopausalen Frauen deutlich erhöht. Die Genese und die Ursache hierfür sind unbekannt. Wie bei den anderen endokrinen Systemen auch, kommt es in der Erholungsphase zu einem überschießenden Anstieg der Spiegel der hypophysären Hormone LH und FSH. Inwieweit eine Substitution der Sexualhormone den Katabolismus der Sepsispatienten und den klinischen Verlauf positiv beeinflussen kann, ist bisher nicht untersucht, könnte aber möglicherweise sinnvoll sein, da gerade die Östrogene einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben.
Therapie In mehreren Studien, die zwischen 1960 und 1980 durchgeführt wurden, konnte für eine immunsuppressive, pharmakologiche Therapie mit hohen Kortisondosen kein positiver Effekt bei schwerer Sepsis und Schock gezeigt werden. Im Gegensatz dazu führt eine Substitution mit Hydrokortison in Dosen, wie sie unter Stress physiologischerweise notwendig sind (100–200 mg Hydrokortison/ 24 h), bei Patienten mit septischem Schock zu einer signifikant verkürzten Schockdauer und zur
Parathormon (PTH) und Kalzium Ein erniedrigter Spiegel an ionisiertem Kalzium wird bei Schwerkranken – insbesondere mit Sepsis – sehr häufig gefunden und ist mit der Schwere der Erkrankung und der Mortalität invers korreliert. Die PTH-Spiegel, gemessen mit modernen Methoden, sind bei diesen Patienten erhöht und ebenso mit der Mortalität korreliert. Man nimmt
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Kapitel 17 · Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen
an, dass der erniedrigte Kalziumwert durch eine verminderte Bindung von aktivem Vitamin D am Rezeptor und zusätzlich durch Zytokine verursacht wird. Möglicherweise sinkt der Spiegel des ionisierten Kalziums aber auch durch einen Verlust über die Niere und durch eine verminderte Aufnahme aus dem Darm [25]. Bei chronisch Schwerkranken können die Kalziumspiegel aber auch erhöht sein, bedingt durch Immobilität und die Zytokinwirkungen am Knochen. Letztere führen zu einer erhöhten Resorption durch Osteoklastenstimulation bei gehemmter Osteoblastenaktivität. Bei diesen Patienten sind die PTH-Spiegel dann erniedrigt. ! Eine Substitution mit aktivem Vitamin D könnte
in Anbetracht der immunstimulierenden Wirkung sinnvoll sein, aber auch hierzu gibt es bisher leider keine kontrollierten Studien.
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Wachstumshormon (HGH) Während der Akutphase einer schweren Erkrankung sind bei vermehrter pulsatiler Sekretion die HGH-Plasmaspiegel erhöht [10]. Es ist bisher nicht geklärt, welche Faktoren für diese gesteigerte Pulsatilität verantwortlich sind. Die IGF-1-Plasmaspiegel sind aber – im Gegensatz zum Gesunden mit ähnlichen HGH-Plasmaspiegeln und -Sekretionsmustern – inadäquat niedrig [21]. Daher wurde eine HGH-Rezeptor-Resistenz bzw. eine verminderte Rezeptorexpression vermutet. Die Konzentration des IGF-Bindungsproteins (IGFBP-3) ist ebenfalls erniedrigt. Im weiteren Verlauf einer schweren Erkrankung nimmt die Pulsatilität der HGH-Sekretion ab, die mittleren HGH-Spiegel sind niedrignormal, und auch die IGF-1-Spiegel liegen zusammen mit den IGFBP-3-Spiegeln im unteren Normbereich. Diese Veränderungen sind unabhängig von der Art der Erkrankung und scheinen mit dem allgemeinen Katabolismus chronisch Kranker korreliert zu sein. ! Eine HGH-Substitution insbesondere bei
schweren Verlaufsformen einer Sepsis erschien daher theoretisch sinnvoll zu sein. Eine große multizentrische Studie hierzu mit rekombinan-
tem HGH musste wegen einer unerwartet hohen Mortalität in der Verumgruppe jedoch vorzeitig abgebrochen werden [20].
Zukünftige Therapieoptionen Ein völlig neuer und interessanter Ansatz gegenüber der Substitution von peripheren Hormonen mit erniedrigten Spiegeln ist die Gabe von Releasing-Hormonen bei chronisch Schwerkranken. Die Infusion von TRH zusammen mit GHRP2 führte in einer »Cross-over«-Studie mit Placebo zu einem Anstieg der Spiegel von Wachstumshormon, IGF-1 und Schilddrüsenhormonen und verbesserte die zelluläre Sauerstoffsättigung und auch die Immunantwort, gemessen an den Entzündungsparametern. Inwieweit dieser neuen Ansatz auch einen Effekt auf Mortalität und Morbidität dieser Patienten hat, muss in weiteren Studien untersucht werden [22].
Fazit für die Praxis Bis heute liegen keine ausreichenden Studien vor, die eine therapeutische Intervention bei hormonellen Veränderungen bei Schwerkranken rechtfertigen. Die Hydrokortisonsubstitution scheint in Fällen mit Sepsis und niedrigem Plasmakortisolspiegel eine Ausnahme darzustellen. Erfolgversprechend könnte auch der Ansatz sein, bei chronisch schweren Verläufen durch pulsatile Gabe von hypothalamischen Releasing-Hormonen die Hypophysenfunktion wieder zu normalisieren. Hierzu sind aber noch weitere Studien erforderlich.
Spurenelemente Spurenelemente sind definiert als metallische Elemente, die in geringer Konzentration im Körper vorkommen und weniger als 0,01 % des Körpergewichts ausmachen. Spurenelemente können lebensnotwendig sein, da sie als Kofaktoren für Enzyme oder Katalysatoren in mehr als einem Stoffwechselweg vorkommen. Spurenelemente in der
479 Spurenelemente
Nahrung sind u. a. Zink und Selen sowie Jod, Kupfer, Chrom, Mangan, Fluor und Molybdän. Bei Patienten mit schweren Infektionen sind ein Mangel an Selen und ein Mangel an Zink mehrfach in der Literatur dokumentiert. Auf diese beiden Spurenelemente soll daher im Folgenden eingegangen werden.
Selen Einleitung Selen wurde im Jahre 1817 von Berzelius erstmals beschrieben, aber erst seit 1957 ist bekannt, dass Selen ein essenzielles Spurenelement und ein absoluter Mangel an Selen nicht mit dem Leben vereinbar ist. Im gesamten Körper befinden sich 10– 20 mg Selen. Von der »Deutschen Gesellschaft für Ernährung« werden 70 µg Selen als minimale Tagesmenge in jeder Ernährung empfohlen. Die maximal empfohlene Menge an Selen liegt bei 800 µg/Tag; ab einer Dosis von 3 mg/Tag über 14 Tage ist mit Nebenwirkungen zu rechnen. Als Bestandteil von Proteinen wurde Selen erst vor 25 Jahren entdeckt. Die meisten dieser Proteine sind wesentlich an Redoxreaktionen, Hormonsystemen und der Reproduktionsfunktion beteiligt [12]. Zu den wichtigsten selenabhängigen Enzymen, die bisher beim Menschen nachgewiesen wurden, gehören 4 Glutathionperoxidasen (GPx; zytosolische GPx, gastrointestinale GPx, Plasma-GPx, Phopholipidhydroxyperoxid-GPx), 3 Thioredoxinreduktasen (TrxR), 3 Dejodasen (Typen I, II und III) und Selenoprotein P. Im katalytischen Zentrum dieser Selenoproteine liegt Selen in Form von Selenocystein vor [12]. GPx-Enzyme konnten inzwischen in allen Geweben von Säugetieren nachgewiesen werden, in denen oxidative Prozesse ablaufen. Durch den Abbau von H2O2 zu H2O und von Lipid- oder Cholesterolhydroperoxiden zu entsprechenden Alkoholen wirken diese Enzyme protektiv gegen Folgeprodukte reaktiver Sauerstoffverbindungen und sind somit am Schutz der Lipide und Biomembranen des Organismus vor Oxidation beteiligt. GPx-Enzyme beeinflussen außerdem günstig den Stoffwechsel von Leukotrienen, Thromboxan und Prostaglan-
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din und haben damit entscheidende modulierende Wirkungen bei Entzündungsvorgängen [13]. Die vor kurzem in höheren Säugetieren als Selenoprotein identifizierte Thioredoxinreduktase (TrxR) benötigt einen Selenocysteinrest als vorletzte Aminosäure zur enzymatischen Funktion. Durch die breite Substratspezifität der TrxR können verschiedene natürliche und synthetische Verbindungen sowie oxidierte Peptide und Proteine reduziert werden. Thioredoxin (Trx) und Glutathion sind natürliche Substrate der TrxR. Sie sind nicht nur Regulatoren des zellulären Redoxstatus, sondern auch der redoxregulierten Funktion von Transkriptionsfaktoren sowie hormonell regulierter Kernrezeptoren. Thioredoxin beeinflusst die DNA-Bindung einzelner Transkriptionsfaktoren, wie AP-1 oder NF-κB. Zudem ist eine Form der TrxR in den Mitochondrien lokalisiert und beeinflusst über den Gehalt an reaktiven Sauerstoffradikalen deren Funktion [12].
Selen bei Erkrankungen ! Bei akuten und chronischen Erkrankungen ist
belegt, dass Selen im Serum bereits zu Beginn der Erkrankung vermindert nachweisbar ist. Diskutiert wird, dass eine Selenmangelernährung möglicherweise einen Prädispositionsfaktor für schwere Erkrankungen darstellen könnte. Unter einer längeren parenteralen Ernährung und Fortbestehen der Erkrankung sinkt der Selenspiegel weiter ab. Dabei findet sich keine vermehrte Ausscheidung von Selen im Urin, sodass eine Umverteilung im Körper anzunehmen ist [6].
Etwa 60–70 % des Plasmaselens sind beim Menschen im Selenoprotein P gebunden, das in der Leber gebildet wird. Beim gesunden Menschen korreliert der Spiegel an Selenoprotein P mit der Versorgung des Körpers an Selen. Bei akuten Entzündungsreaktionen ist in der Leber der Selengehalt vermindert, und es wird – invers zu Akute-PhaseProteinen – auch Selenoprotein P vermindert gebildet. Die Funktion von Selenoprotein P ist noch nicht eindeutig geklärt. Derzeit wird vermutet, dass es ein extrazelluläres antioxidatives Protein mit einer Transportfunktion ist. Es ist aber auch
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Kapitel 17 · Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen
am Abbau von Peroxinitrit beteiligt und bindet Schwermetalle. Selenoprotein P bindet mit hoher Affinität an Endothelzellen, und es wird angenommen, dass es dort lokal antioxidativ wirkt und z. B. die oxidative Schädigung von Membranlipiden verhindern kann [12]. Bei Selenmangel und damit einem Mangel an Selenoprotein P ist eine vermehrte Aktivierung der Endothelzellen beschrieben, die als Auslöser und Verstärker eines Multiorganversagens derzeit im Zentrum der wissenschaftlichen Forschung bei Sepsis steht. Eine Selensubstitution induziert u. a. in den Endothelzellen die Aktivität der TrxR und der GPx.
Immunmodulation mittels Selen Die Gabe von Selen erhöht die Resistenz gegenüber Infektionen durch eine Modulation der Interleukinbildung und nachfolgend der TH1-/TH2Antwort der Lymphozyten. Selen beeinflusst die Aktivierung von NF-κB, eines zentralen Regulationsproteins für Adhäsionsmoleküle oder Zytokine: Unter dem Einfluss von Selen wird die Bildung von Zytokinen, wie Interferon-γ oder IL-2, positiv beeinflusst [13]. Die Aktivierung von Makrophagen oder neutrophilen Granulozyten zur Phagozytose beinhaltet die Bildung von reaktiven Sauerstoffradikalen, den sog. »respiratory burst«, der zur Abtötung von Mikroorganismen erforderlich ist. Eine Reihe von antioxidativ wirkenden Enzymen muss innerhalb der Zellen aktiv sein, um einen Schutz der Zellen vor den Sauerstoffradikalen zu gewährleisten, insbesondere sind dies die selenabhängigen Enzyme TrxR und GPx. Die Substitution von Natriumselenit bei Sepsis erhöht die Proliferation von T-Zellen sowie die Funktion der Monozyten und der Granulozyten. Ein Mangel an Selen kann mannigfaltige Störungen der zellulären Immunantwort hervorrufen.
Klinische Studien Aus den genannten Erkenntnissen der Grundlagenforschung erklärt sich die breite klinische Bedeutung von Selen. Da bei vielen Erkrankungen – insbesondere entzündlicher und autoimmuner Genese – vermehrt reaktive Sauerstoffradikale (Superoxidanionen, Hydroperoxyd und Hydroxyl-
radikale) freigesetzt werden, benötigt der Organismus einen erhöhten antioxidativen Schutz [9]. Das antioxidativ wirkende System ist jedoch bei schwer erkrankten Patienten weniger aktiv, entsprechend sind auch messbare Parameter einer oxidativen Reaktion, wie z. B. Malondialdehyd, deutlich erhöht messbar. Ein Selenmangel bedeutet auch eine verminderte GPx-Aktivität. Bei schwerkranken Intensivstationspatienten findet man bereits am Aufnahmetag erniedrigte Serumselenspiegel sowie eine verminderte Plasma-GPx-Aktivität, die invers mit der Mortalität korreliert sind [6]. Auch Patienten mit einer chronischen oder akuten Niereninsuffizenz haben verminderte Selenspiegel und eine verminderte GPx-Aktivität. Die Gabe von Natriumselenit führt bei allen Erkrankungen sowohl zu einer Normalisierung des Spiegels von Selen im Plasma als auch zu einer normalisierten GPx-Aktivität; das zugeführte Selen wird somit auch tatsächlich metabolisiert. Erste unkontrollierte Studien zeigten einen positiven Einfluss von Selen auf den Krankheitsverlauf bei hämorrhagisch-nekrotisierender Pankreatitis, schwerer Verbrennung und SIRS/Sepsis ([12]; . Tabelle 17-2). ! Die erste prospektive placebokontrollierte Studie
bei 42 Patienten mit schwerer Sepsis/SIRS (APACHE-II-Score ≥15) konnte belegen, dass unter einer höheren Selensubstitution sowohl die Plasmaspiegel als auch die GPx normalisiert werden können. Das akute Nierenversagen konnte signifikant auf 1/3 gesenkt werden. Bedeutsamer war die signifikante Senkung der Mortalität bei der Gruppe der Schwerstkranken (APACHE-IIScore>20). In einer weiteren, davon unabhängig durchgeführten Studie an chirurgischen Sepsispatienten konnte ein vergleichbares Ergebnis erzielt werden ([2]; . Tabelle 17-2). Daher wird derzeit eine multizentrische Studie durchgeführt, um diese Ergebnisse weiter zu belegen.
Auch bei Patienten mit schwerem Polytrauma [14] oder Verbrennungen [3] wurde in prospektiven kontrollierten Studien ein positiver Effekt auf die infektiösen Komplikationen und das Multiorganversagen nachgewiesen. Es handelt sich dabei lei-
17
481 Spurenelemente
. Tabelle 17-2. Prospektive kontrollierte Studien zur Gabe von Selen Einschlusskriterium
Substitution
Ergebnis
Literatur
SIRS/Sepsis, APACHE-IIScore >15
Natriumselenit: 500 µg für 3 Tage, 250 µg für 3 Tage, 125 µg für 3 Tage
3fach weniger akutes Nierenversagen; 2,4fach verminderte Mortalität bei APACHE-II-Score >20
[2]
SIRS/Sepsis, APACHE-IIScore >14
Natriumselenit: 2000 µg an Tag 1, 1000 µg für 13 Tage
2,6fach verminderte Mortalität
[26]
Trauma
200 µg Natriumselenit, 1200 IE Vitamin E, 32 g ACC für 7 Tage
Reduktion des Multiorganversagens und von Infektionen
[14]
Schwere Verbrennung von >48% der Körperoberfläche
230 µg Natriumselenit + 40,4 µmol Kupfer + 406 µmol Zink für 8 Tage
Reduktion der Infektionen von 3,1 auf 1,9/Patient
[3]
ACC Acetylcystein
der um Studien mit kleinen Fallzahlen. Folgestudien sind also dringend notwendig.
Fazit für die Praxis Selen und die von Selen abhängigen Enzyme haben infolge der bisherigen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in den vergangenen Jahren an klinischer Bedeutung zugenommen, woraus sich ein weites Feld von möglichen klinischen Anwendungen ergibt. Solange die Ergebnisse der derzeit durchgeführten multizentrischen Studie zur Gabe von Selen bei Patienten mit schweren Infektionen noch nicht vorliegen, ist jedoch ein positiver Einfluss einer hochdosierten Selensubstitution auf den Verlauf einer Sepsis nicht ausreichend belegt. In den bisherigen Studien mit kleinen Fallzahlen wurden jedoch keine negativen, sondern nur positive Effekte erzielt. Praxistipp Aufgrund der derzeitigen Studienlage kann aus unserer Sicht die Substitution von 500– 1000 µg Natriumselenit bei allen Erkrankungen, die mit einer schweren systemischen Entzündungsreaktion einhergehen, empfohlen werden.
Zink Etwa seit 1900 ist Zink als essenzielles Spurenelement bekannt. Es ist aktiv als Katalysator und Kofaktor bei vielen Enzymen, stabilisiert die Zellmembran und ist bei der Abwehr von Radikalen und der Aktivierung von Transkriptionsfaktoren beteiligt. Ein ausreichender Zinkspiegel ist wichtig für die Wirksamkeit von Insulin und die Förderung einer positiven Stickstoffbilanz. Die Symptome des Zinkmangelsyndroms beinhalten ekzematöse Dermatitis, Alopezie, Diarrhö, verzögerte Wundheilung und Abschwächung der Immunantwort. Zink ist erforderlich für die normale Entwicklung und Funktion von Immunzellen in vitro und im Tiermodell: Es beeinflusst die Lymphozytenantwort über die Stimulation von IFN-γ, IL-2 und TNF-α als Produkte der TH1-Zellen, während die Bildung von IL-4, IL-6 oder IL-10 durch die TH2Zellen nicht durch Zink beeinflusst wird. Bei BZellen wird durch Zink die Immunglobulinsynthese und in Makrophagen die Phagozytose, die Zytokinsynthese und das Abtöten von Bakterien verstärkt [17]. Zink vermindert im Tiermodell die Infektionsrate mit Candida albicans und kann die Schockreaktion auf Endotoxin reduzieren. Ein Mangel an Zink führt zu einer erhöhten Mortalität bei einer Pneumokokkeninfektion.
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Kapitel 17 · Endokrine Störungen und Spurenelementdefizienzen
Somit sollte eine chronische Unter- oder Mangelernährung mit Zink vermieden werden. Ein Zinkmangel ist insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus oder chronischer Niereninsuffizienz sowie bei chronischem Alkoholmissbrauch beschrieben. Eine prophylaktische Zinkgabe bei Kindern in Endemiegebieten konnte die Aufnahme in ein Krankenhaus wegen Plasmodium-falciparum-Infektionen um etwa 40 % vermindern. Bei Erwachsenen scheint die Gabe von Zink die Akut-Phase-Reaktion zu verstärken, insbesondere die Entwicklung von Fieber. Die Substitution von Zink (15 mg/Tag) hat bei Kindern eine Gastroenteritis und den Immunstatus günstig beeinflusst. Zehn klinische Studien, die doppelblind und randomisiert angelegt waren, haben den Effekt von Zink auf die Entzündungsreaktion bzw. den klinischen Verlauf einer Entzündung untersucht. Leider wurden in allen Studien unterschiedliche Dosierungen verabreicht. In einer Metaanalyse ergab sich daraus kein signifikanter Einfluss einer Zinksubstitution auf den Krankheitsverlauf. Bei Patienten auf Intensivstation ist ein Mangel an Zink im peripheren Blut dokumentiert. Die klinische Wertigkeit dieses Befundes ist jedoch noch nicht belegt. Klinische kontrollierte Studien zur Sepsis gibt es bisher nicht. ! Es gibt keinen Beleg für die Notwendigkeit einer
therapeutischen Gabe von Zink für Patienten mit Sepsis und Multiorganversagen. Bei einer parenteralen Ernährung der Patienten sollte aber Zink enthalten sein.
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17
IV Sepsis und Gerinnung 18
Der Einfluss von Zytokinen auf die Endothelzellfunktion: das Endothel als Motor der Sepsis? – 487
19
Veränderungen der Hämostase bei Sepsis: disseminierte intravasale Gerinnung, Verbrauchskoagulopathie und sepsisassoziierte Purpura fulminans – 495
20
Labordiagnostik der mit Sepsis assoziierten Hämostasestörung – 503
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Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C: Stellenwert für die Therapie der schweren Sepsis? – 511
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Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen
– 525
18 Der Einfluss von Zytokinen auf die Endothelzellfunktion: das Endothel als Motor der Sepsis? Martina Brückmann, M. Riewald, G. Huhle
Physiologische Funktionen des Endothels Endotheliale Dysfunktion bei Sepsis Fazit für die Praxis Literatur
– 487
– 490
– 492
– 492
Physiologische Funktionen des Endothels Unter physiologischen Bedingungen üben Endothelzellen eine Reihe von Funktionen aus, die zum Erhalt der Homöostase von Bedeutung sind: Hierzu gehören: 5 Hemmung der Blutgerinnung, 5 Koordination der Migration von Zellen aus dem Blut in das Gewebe, 5 Expression endothelialer Adhäsionsmoleküle, 5 Synthese chemotaktisch wirksamer Zytokine und Chemokine, 5 Regulation der Mikrozirkulation und der Vasopermeabilität.
VIIIa des Gerinnungssystems inaktiviert. Außerdem besitzen Endothelzellen Proteoglykane auf ihrer Oberfläche, die die Gerinnungsinhibitoren und »tissue factor pathway inhibitor« binden und in ihrer Wirkung verstärken können [10]. Weiterhin setzen Endothelzellen geringe Mengen an »tissue-type plasminogen activator« (tPA) frei, das für die Aktivierung von Plasminogen verantwortlich ist und die fibrinolytische Gesamtaktivität bestimmt. Und schließlich inhibieren Endothelzellen die Thrombozytenaggregation durch Synthese von Prostazyklin und Stickstoffmonoxid (NO). Diese vasoaktiven Sustanzen bestimmen weiterhin den Gefäßtonus der Arteriolen und tragen zur Regulation der Mikrozirkulation bei.
Antikoagulative Eigenschaften
Aktivierung
Zu den wichtigsten antikoagulativen Eigenschaften gehört die spezifische Bindung von Thrombin an Thrombomodulin, das in der Zellmembran des Endothels eingelagert ist. Dadurch erfolgt eine Aktivierung von Protein C ([5]; . Abb. 18-1), welches seinerseits wiederum die Faktoren Va und
Nach Stimulation durch Zytokine – wie z. B. Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Interleukin-1β (IL-1β) und IL-1α – sowie nach Interaktion mit aktiviertem Komplement kann sich die Funktion des Endothels grundlegend ändern, was unter dem Begriff »Aktivierung« zusammengefasst werden kann.
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Kapitel 18 · Der Einfluss von Zytokinen auf die Endothelzellfunktion: das Endothel als Motor der Sepsis?
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. Abb. 18-1. Sepsisinduzierte Entzündung, Aktivierung der Gerinnung und Inhibition der Fibrinolyse. PAI »plasminogen activator inhibitor«; TAFI »thrombin activatable fibrinolysis inhibitor«; APC aktiviertes Protein C; IL Interleukin; TNF Tumornekrosefaktor
10 ! Gekennzeichnet ist die endotheliale Aktivierung
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durch: 5 Verlust antikoagulatorischer Eigenschaften zugunsten der Expression prokoagulatorischer Faktoren auf der Endothelzelloberfläche, 5 Hochregulation von Adhäsionsmolekülen, 5 Produktion chemoaktiver Substanzen, 5 Bildung vasoaktiver Faktoren.
All diese Veränderungen müssen nicht gleichzeitig vorkommen, sondern sind abhängig vom Zeitpunkt der Stimulation, der Art des Stimulus, seiner Konzentration und der Lokalisation des Geschehens innerhalb des Körpers.
lust der antikoagulativ wirksamen Oberflächenstrukturen ([11]; . Abb. 18-1). Der extrinsische Weg der Gerinnungskaskade wird durch die Interaktion des Gewebethromboplastins mit Faktor VII eingeleitet und führt zur Generierung der aktiven Proteasen Faktor VIIa, Faktor Xa und Thrombin. Thrombin aktiviert die Endothelzelle durch sog. proteaseaktivierbare Rezeptoren (PAR), von denen 4 verschiedene Subtypen identifiziert wurden [17]. Nach Stimulation der proteaseaktivierbaren Rezeptoren durch Thrombin beginnt die Endothelzelle, Adhäsionsmoleküle zu exprimieren [8] und eine Vielzahl proinflammatorischer Mediatoren, wie IL-8 und »monocyte chemoattractant protein-1« (MCP-1), zu synthetisieren [18, 21].
Inflammation und Gerinnungsaktivierung Im Rahmen der Aktvierung verändert sich die Oberflächenstruktur der Endothelzelle zugunsten prokoagulatorischer Mechanismen, mit dem Ziel, den Infektionserreger lokal einzudämmen. IL-1, TNF-α oder Endotoxin sind Trigger für die Synthese des prokoagulatorisch wirksamen »tissue factor« (TF)/Gewebethromboplastins auf der Endothelzelloberfläche [1], verbunden mit dem Ver-
! Thrombin trägt über proteaseaktivierbare
Rezeptoren zur Verstärkung der inflammatorischen Reaktion im Rahmen der Gerinnungsaktivierung bei.
Inflammation und Fibrinolyse Das Endothel bestimmt im Wesentlichen das Ungleichgewicht zwischen Koagulation und Fibri-
489 Physiologische Funktionen des Endothels
nolyse im Rahmen eines entzündlichen Geschehens: Nach niedrigdosierter Endotoxininfusion beobachtet man eine transiente Aktivierung der Fibrinolyse, die später in einen Zustand der Hemmung des fibrinolytischen Systems mit Überwiegen prokoagulatorischer Mechanismen und Bildung von Mikrothromben übergeht (. Abb. 18-1). TNF- α als zentrales Zytokin des Entzündungsgeschehens induziert die endotheliale Freisetzung von »tissue-plasminogen activator« (t-PA) [20], das für die Aktivierung von Plasminogen zuständig ist. Einige Stunden nach der TNF-α-Stimulation produziert das Endothel einen wichtigen Inhibitor der Fibrinolyse, den »plasminogen activator inhibitor-1« (PAI-1), der t-PA neutralisiert. Die Synthese von PAI-1 durch das Endothel scheint ein bedeutsamer Mechanismus im Sepsisgeschehen zu sein (. Abb. 18-1). Dies wird verdeutlicht durch die Tatsache, dass hohe PAI-1-Spiegel mit einer schlechten Prognose einhergehen [16].
Expression von Adhäsionsmolekülen Das Endothel nimmt eine koordinierende Funktion ein, was die Interaktion von Blutzellen mit dem Gewebe angeht. Hierbei spielen endotheliale Adhäsionsmoleküle eine wesentliche Rolle, die unter physiologischen Bedingungen nur in geringen Mengen exprimiert werden. Die Aktivierung des Endothels durch proinflammatorische Stimuli – wie TNF-α, IL-1, IL-6, IL-8 und Interferon-γ – führt zur Steigerung der Expressionsrate von Adhäsionsmolekülen, die hierdurch erst ihre pathophysiologische Bedeutung erlangen. Nach der zeitlichen Reihenfolge beobachtet man etwa 15 min nach Zytokinexposition eine vermehrte endotheliale Synthese von P-Selectin, nach 6 h die Expression von E-Selectin und nach etwa 24 h von ICAM-1 und VCAM-1 [22]. Infolgedessen kommt es zum Rollen von Leukozyten über das Endothel, dann zur Adhärenz und schließlich zur Transmigration in das Gewebe. Unterstützt wird dieser Vorgang durch die Freisetzung leukozytenaktivierender Mediatoren aus dem Endothel, wie z. B. von »monocyte chemoattractant protein-1« (MCP-1). Die löslichen Formen der Adhäsionsmoleküle, die durch Abspaltung der zellständigen Moleküle entstehen, sind Marker der Endothelzell-
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aktivierung und bei septischen Patienten in ihrer Konzentration erhöht [9].
Vasoaktive Substanzen Das Endothel produziert vasoaktive Substanzen, die den Tonus der Arteriolen regulieren und den Blutdruck wesentlich beeinflussen. Hierzu gehören das vasodilatatorisch wirksame Stickstoffmonoxid (NO) [6] und Prostazyklin. Die Produktion von NO kann durch 2 unterschiedliche Mechanismen erfolgen, je nachdem, welche NO-Synthase involviert ist: Unter Normalbedingungen exprimieren Endothelzellen die konstitutive NO-Synthase (cNOS), die kalziumabhängig ist und kontinuierlich geringe Mengen an NO produziert. Nach Stimulation der Endothelzelle mit proinflammatorischen Zytokinen, wie TNF-α oder IL-1, wird eine zweite NO-Synthase exprimiert, die sog. induzierbare NO-Synthase (iNOS), die kalziumunabhängig über einen längeren Zeitraum große Mengen an NO produziert. Die Expression der induzierbaren NO-Synthase erklärt die Hypotension bei Sepsis, die bereits in einigen Studien durch Einsatz von NO-Inhibitoren erfolgreich antagonisiert werden konnte ([15]; 7 Kap. 2). Mediatoren wie Bradykinin, Histamin und Thrombin können nach Bindung an ihren spezifischen endothelialen Rezeptor einen Einstrom von Kalziumionen in die Zelle induzieren, wodurch kurzfristig die Synthese von NO gesteigert wird. Dieser Mechanismus ist sehr wahrscheinlich verantwortlich für die im Rahmen einer anaphylaktischen Reaktion beobachtete Hypotension. Neben vasodilatatorischen Substanzen produziert das Endothel auch den potenten Vasokonstriktor Endothelin, dessen Plasmaspiegel bei septischen Patienten mit der Sepsismortalität korreliert. Die Rolle des Endothelins bei Sepsis ist noch nicht genau bekannt, jedoch wird vermutet, dass die Synthese von Endothelin einen Kompensationsversuch darstellt, um die gesteigerte Rate an Vasodilatatoren zu antagonisieren.
Synthese proinflammatorischer Zytokine Das aktivierte Endothel ist nicht nur Zielorgan für Zytokine, sondern produziert auch selbst eine Reihe proinflammatorischer Mediatoren, wie z. B. IL-6 [7] und IL-8, die Chemokine MCP-1 bis- 4,
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Kapitel 18 · Der Einfluss von Zytokinen auf die Endothelzellfunktion: das Endothel als Motor der Sepsis?
RANTES (»regulated on activation, normal T cell expressed and secreted«), Interferon-γ-induzierbares Protein (IP-10) sowie Komplementfaktoren. Insbesondere IL-6 ist ein wichtiger Marker der Endothelzellfunktion und korreliert wie kein anderer Mediator mit der Prognose des Sepsispatienten [3, 14]. Obwohl IL-6 nach diversen Stimuli – wie z. B. grampositive und gramnegative Bakterien, Viren, Endotoxin, TNF-α, IL-1β, Interferonγ und Thrombin – von verschiedenen Zellen des Körpers gebildet werden kann, ist die dauerhafte Erhöhung der IL-6-Spiegel bei Sepsis auf seine Synthese durch das Endothel zurückzuführen: Der Zeitverlauf des IL-6-Spiegels ist ein wichtiger Indikator für den Zustand des Endothels, wobei IL-6 gewissermaßen als »Alarmhormon« für die Endothelzellverletzung fungiert. Diese Alarmsituation kann je nach Art, Intensität und Einwirkungsdauer des proinflammatorischen Stimulus in eine endotheliale Dysfuntion übergehen, die ih-
. Abb. 18-2. Endotheliale Entzündungsreaktion, Aktivierung der Blutgerinnung und Inhibition der Fibrinolyse als Vorstufe der endothelialen Dysfunktion und des multiplen Organversagens bei Sepsis. PAI »plasminogen activator inhibitor«; TAFI »thrombin activatable fibrinolysis inhibitor«
rerseits die Organdysfunktion bei Sepsis triggert (. Abb. 18-2).
Endotheliale Dysfunktion bei Sepsis Trigger zur Entstehung der endothelialen Dysfunktion Die Trigger für den Übergang von Aktivierung in Dysfunktion sind vielfältig. Ein wichtiger Mechanismus, der einen Endothelzellschaden hervorruft, ist die Ischämie, gefolgt von der Reperfusion. Die Abnahme des Energieträgers Adenosintriphosphat (ATP) bei Ischämie resultiert in Membranveränderungen oder der Apoptose der Zelle. Eine Veränderung der Phospholipidschicht der endothelialen Zellmembran kann das Anheften von Akute-Phase-Proteinen, wie C-reaktives Protein (CRP), begünstigen. Das an das Endothel ge-
Infektion Entzündungsmediatoren Auslösung einer Entzündungsreaktion Endothelläsion Zunahme von PAI
Expression von Gewebethromboplastin Aktivierung der Blutgerinnung
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Thrombinbildung TAFI-Aktivierung Supprimierte Fibrinolyse
Protein-C-Verbrauch Protein-C-Mangel Koagulopathie
Mikrovaskuläre Endotheldysfunktion Hypoperfusion/Ischämie
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Gewebeläsion Organversagen/Schock Tod
Antiinflammatorische Mediatoren
491 Endotheliale Dysfunktion bei Sepsis
bundene CRP aktiviert das Komplementsystem, das wiederum Granulozyten und andere Phagozyten stimuliert. Dieser Mechanismus erklärt die Korrelation der Aktivierung des Komplementsystems mit Schwere und Mortalität der Sepsis. Neben der Ischämiereperfusionsschädigung kann ein Anstieg der Konzentration von Sauerstoffradikalen nach Stimulation mit TNF-α, IL-1, LPS und IFN-γ ebenso für eine Endothelzellverletzung verantwortlich gemacht werden [12]. Invitro-Experimente konnten zeigen, dass aktivierte, an das Endothel adhärierende neutrophile Granulozyten Sauerstoffradikale produzieren und so die Endothelzelle schädigen [19]. TNF-α kann allein bereits die Apoptose von Endothelzellen indizieren, wobei Neutrophile die Wirkung von TNFα noch verstärken.
Marker der endothelialen Dysfunktion? ! Die Unterscheidung von endothelialer Aktivie-
rung und Dysfunktion ist in der Praxis schwierig, jedoch zum Verständnis der Pathogenese und zur Identifikation neuer Therapieansätze für die Behandlung der Sepsis wichtig.
Im Falle der Aktivierung sind viele Endothelfunktionen noch intakt, wie z. B. die Permeabilität, während sie bei der Endothelzelldysfunktion bereits geschädigt sind. Ein guter biochemischer Marker zur Unterscheidung von Aktivierung und Dysfunktion existiert noch nicht. Viele Marker, wie z. B. das bereits angesprochene IL-6 ebenso wie lösliches Thrombomodulin [2], sind sowohl in der Phase der Aktivierung als auch in der Phase der Dysfunktion in ihrer Konzentration erhöht. Nur aufgrund des zeitlichen Verlaufs oder der Höhe des Plasmaspiegels können Rückschlüsse auf die Endothelzellfunktion gezogen werden. Die endotheliale Dysfunktion mündet letztendlich in die Apoptose der Zelle. Daher sind Apoptosemarker, wie z. B. lösliches Fas oder der FasLigand, möglicherweise am besten geeignet, die endotheliale Verletzung anzuzeigen [4]. Auch zirkulierende Endothelzellen sind ein eindeutiges Zeichen der Zerstörung der Endothelzellschicht.
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Bei Patienten mit Sepsis und septischem Schock findet man eine erhöhte Anzahl im Blut zirkulierender Endothelzellen, die mit dem Ausmaß der Organdysfunktion und der Mortalität von Patienten mit septischem Schock korreliert [13].
Intrazelluläre Signaltransduktion Eine Vielzahl von Genen, die im Rahmen der endothelialen Aktivierung und Dysfunktion exprimiert werden, sind durch die Transkriptionsfaktoren »nuclear factor-kappa B« (NF-κB) und Aktivatorprotein-1 (AP-1) reguliert. Sauerstoffradikale, Zytokine und Endotoxin induzieren die Abspaltung des Inhibitorproteins I-κB, wodurch NFκB-aktiviert wird und nach Translokation in den Zellkern und Bindung an die Promoterregion die Expression proinflammatorischer Gene steuert. Insbesondere die Hemmung von NF-κB hat weitreichendes Interesse gefunden, und zwar als möglicher therapeutischer Angriffspunkt bei entzündlichen Erkrankungen. ! Möglicherweise ist die NF-κB-Hemmung durch
aktiviertes Protein C (APC) bei Sepsis ein zentraler Mechanismus, der zum Erhalt der Endothelzellfunktion beiträgt und der daher für die Wirksamkeit von APC bei der schweren Sepsis verantwortlich gemacht wird.
Neben der Hemmung der proinflammatorischen Immunantwort wird dem APC auch eine antiapoptotische Funktion auf Endothelzellen zugeschrieben. Der klassische Thrombinrezeptor, proteaseaktivierbarer Rezeptor-1 (PAR1), ist der einzige bisher identifizierte Rezeptor, der eine APCabhängige intrazelluläre Signaltransduktion in Endothelzellen vermitteln kann. Falls sich bestätigt, dass die PAR1-Aktivierung für antiinflammatorische und antiapoptotische Effekte von APC erforderlich ist, deuten diese Daten an, dass die »Aktivierung« von Endothelzellen möglicherweise unter bestimmten Bedingungen auch protektive Funktionen bei Sepsis haben kann.
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Kapitel 18 · Der Einfluss von Zytokinen auf die Endothelzellfunktion: das Endothel als Motor der Sepsis?
Fazit für die Praxis Sepsis und systemisches Inflammationsreaktionssyndrom (SIRS) induzieren rasche und bedeutsame Veränderungen der Endothelzellfunktion. Die pathoyphysiologische Grundlage der akuten Sepsis stellt ein komplexes Wechselspiel der Endothelzell(dys)funktion mit der Gerinnung, der Fibrinolyse und der Inflammation dar. Das Endothel übt eine wichtige Rolle in der Kontrolle der Zell- und Organfunktion aus und kann seine eigene Funktion dynamisch anpassen, in Abhängigkeit von der Art und der Konzentration eines proinflammatorischen Stimulus. Das aktivierte Endothel ist nicht nur das Zielorgan für Zytokine, sondern produziert auch selbst inflammatorische Mediatoren. Der Übergang von endothelialer Aktivierung zur endothelialen Dysfunktion ist im Rahmen des klinischen Erscheinungsbildes der Sepsis fließend und wird durch eine Reihe unterschiedlicher Stimuli getriggert. Endothelzellen verstärken unter inflammatorischen Bedingungen die Immunantwort und aktivieren das Gerinnungssystem. Da sie die Oberfläche der Blutgefäße bedecken, sind sie in engem Kontakt mit den Organen, und infolgedessen sind endotheliale Aktivierung und Dysfunktion eng verbunden mit der septisch bedingten Organdysfunktion (. Abb. 18-2). Endothelzellen repräsentieren bei Sepsis das zentrale Organ zur Aufrechterhaltung des empfindlichen Gleichgewichts aus Inhibition und Aktivierung der Gerinnungskaskade, Adhärenz und Nichtadhärenz von Blutzellen sowie Vasokonstriktion und Vasodilatation. Die lokale Aktivierung des Endothels ist in der Abwehr der Infektion unersetzlich, während die systemische endotheliale Dysfunktion zur Permeabilitätssteigerung, zur mikrovaskulären Thrombenbildung mit Gewebehypoxie und letztendlich zur Organdysfunktion führen kann. Die endotheliale Dysfunktion mündet in die Apoptose der Zelle, sodass Apoptosemarker möglicherweise am besten geeignet sind, die Schädigung des Endothels anzuzeigen. Die Identifizierung der molekularen Mechanismen, die zur Endotheldysfunktion führen, trägt möglicherweise
dazu bei, neue Therapieansätze für die Behandlung der Sepsis zu finden.
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19 Veränderungen der Hämostase bei Sepsis: disseminierte intravasale Gerinnung, Verbrauchskoagulopathie und sepsisassoziierte Purpura fulminans C.-E. Dempfle
Gerinnungsaktivierung bei Sepsis: »latente Gerinnung« – 495 Formen der Gerinnungsstörung bei Sepsis – 496 Verbrauchskoagulopathie Purpura fulminans
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Fazit für die Praxis
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Literatur
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Gerinnungsaktivierung bei Sepsis: »latente Gerinnung« Mechanismen der »latenten Gerinnung« Typisch für Patienten mit Sepsis (. Abb. 19-1) ist ein Aktivierungszustand des Gerinnungssystems [1, 2], der anhand von Aktivierungsparametern – wie beispielsweise D-Dimer-Antigen – erfasst werden kann [3] (7 Kap. 20). Die Gerinnungsaktivierung kann im fließenden Blut, auf der Endotheloberfläche, an Endothelläsionen, im perivaskulären Gewebe und in Bereichen ohne direkten Kontakt mit Blutgefäßen erfolgen. Diese »latente Gerinnung« [4] kann als Teil der Abwehrmechanismen des Gefäßsystems und damit des Gesamtorganismus angesehen werden, gemeinsam mit der Aku-
te-Phase-Reaktion und anderen Mechanismen zur Fixierung und Elimination von Bakterien, Viren und anderen schädigenden Einflüssen [5].
Sepsis mit Purpura fulminans
Sepsis
Sepsis mit »overt DIC« Sepsis mit Verbrauchskoagulopathie
. Abb. 19-1. Sepsissubpopulationen mit distinkten Formen der Gerinnungsaktivierung/-störung. DIC disseminierte intravasale Gerinnung
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Kapitel 19 · Veränderungen der Hämostase bei Sepsis…
! Es ist unklar, ob die systemische Gerinnungsak-
tivierung bei Sepsis eine pathophysiologische Bedeutung für die Organdysfunktion besitzt. Es gibt ebenfalls keinen Beweis dafür, dass es sich dabei um einen unkontrollierten Prozess handelt oder einen Hinweis auf eine Dekompensation des Gerinnungssystems darstellt.
Eine systemische Gerinnungsaktivierung mit Generierung von zirkulierenden Fibrinkomplexen unterstützt die systemische Wirkung des ständig vom Endothel freigesetzten »tissue-type plasminogen activator« (tPA), da Fibrin als Kofaktor bei der tPA-induzierten Plasminogenaktivierung wirkt [6–8]. Präformierte Fibrinkomplexe sind außerdem effektiver bei der Gerinnselbildung als Fibrinogen und helfen dadurch, die Integrität des Gefäßsystems zu schützen.
Klinische Studien zur Hemmung der »latenten Gerinnung« Klinische Studien zur Verminderung der »latenten Gerinnung« bei Sepsis durch Gabe von Antithrombin-Konzentraten [9–13], Heparin [14, 15], Gabexat-Mesilat [16, 17], oder »tissue pathway factor inhibitor« (TFPI, Tifacogin) [18] haben bisher keine statistisch signifikante Verringerung der Sterblichkeit gezeigt, trotz des unbestreitbaren Effekts auf Laborparameter der Gerinnungsaktivierung und auf Scoresysteme, die auf diesen Parametern aufgebaut sind. Eine Ausnahme scheint die Therapie mit rekombinantem humanem aktiviertem Protein C (rhuaPC) zu sein [3]. Bei dieser Substanz wird allerdings davon ausgegangen, dass neben der gerinnungshemmenden zusätzliche profibrinolytische und antiinflammatorische Effekte für die Wirksamkeit verantwortlich sind [19, 20]. Der klinische Effekt von rhuaPC scheint insbesondere bei Sepsispatienten höherer klinischer Schweregrade, beispielsweise mit einem APACHE-II-Score von 25, nachweisbar zu sein [21]. Andererseits zeigen die bisher vorgelegten Studien, dass der Effekt offenbar unabhängig vom Vorliegen einer disseminierten intravasalen Gerinnung ist.
Verminderung des plasmatischen Hämostasepotenzials Neben der Erhöhung der Aktivierungsprodukte findet sich bei Patienten mit Sepsis häufig eine Verminderung des plasmatischen Hämostasepotenzials und hier insbesondere der hepatischen Gerinnungsfaktoren, der Inhibitoren sowie der Thrombozyten. Im Konzept der »Verbrauchskoagulopathie« wird diese Verminderung einem Verbrauch durch den intravasalen Gerinnungsprozess zugeschrieben. Weitere Ursachen können jedoch auch eine verminderte hepatische Synthese, ein Plasmaverlust durch kapilläres Leck, Blutungen oder im Fall der Thrombozyten eine Knochenmarkhemmung oder eine Hämophagozytose sein. Die Inhibitoren Antithrombin und Protein C reagieren als negative Akute-Phase-Proteine und werden im Rahmen der Sepsis herunterreguliert [22]. Zusätzlich finden sich bei Patienten mit Sepsis nicht selten Autoantikörper [23, 24], die zu einer Funktionsstörung und einem vermehrten Abbau von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren führen können. Die Kombination von erhöhten Aktivierungsprodukten mit vermindertem Hämostase- und Inhibitorpotenzial ist daher nicht unbedingt ein Beweis eines intravasalen Verbrauchs.
Formen der Gerinnungsstörung bei Sepsis Definition: Manifeste disseminierte intravasale Gerinnung (»overt DIC«) ! Die manifeste disseminierte intravasale
Gerinnung (»overt DIC«) ist definiert als eine Kombination aus massiver intravasaler Gerinnungsaktivierung und einer Verminderung von prokoagulatorischen Faktoren [25].
Die Laborkonstellation der »overt DIC« hat einen klinisch-prädiktiven Wert bei Sepsis und anderen Diagnosen [26, 27]. Spezifische Symptome sind mit dieser Labordiagnose nicht verbunden. Aufgrund der Vielzahl von Ätiologien und Formen können jedoch auf der Basis der Labordiagnose
497 Verbrauchskoagulopathie
einer »overt DIC« keine therapeutischen Empfehlungen gegeben werden.
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Die klinische Manifestation umfasst insbesondere mikrovaskuläre Thromben in den Gefäßen der Haut und in inneren Organen [28] (. Abb. 19-2).
! Zwei Diagnosen werden häufig synonym zur
disseminierten intravasalen Gerinnung benutzt: Verbrauchskoagulopathie und Purpura fulminans.
Verbrauchskoagulopathie Klinisches Bild
Definition: Verbrauchskoagulopathie Die Verbrauchskoagulopathie ist eine erworbene Blutungsneigung, als deren Ursache ein Verbrauch von prokoagulatorischen Faktoren und Thrombozyten im Rahmen einer massiven Gerinnungsaktivierung angesehen wird. Die Definition der Verbrauchskoagulopathie (. Abb. 19-2) beinhaltet keine Angabe zur Lokalisation der Gerinnungsaktivierung, sodass neben der disseminierten intravasalen Gerinnung auch lokalisierte Aktivierungsprozesse, beispielsweise im Rahmen einer Gefäßmissbildung oder eines Tumorleidens, die Verbrauchskoagulopathie auslösen können.
Definition: Purpura fulminans Purpura fulminans ist ein Syndrom, das typischerweise bei schweren Meningokokken- und Pneumokokkeninfektionen, aber auch bei ausgeprägtem Protein-C-Mangel beobachtet wird.
Die Diagnose der Verbrauchskoagulopathie (. Abb. 19-2) basiert auf der Kombination von Blutungen mit gleichzeitigem Nachweis von massiven Aktivierungszeichen der Gerinnung und einer Verminderung von Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren sowie Thrombozyten. Die Gerinnungsaktivierung kann lokalisiert oder disseminiert stattfinden. Eine disseminierte Gerinnungsaktivierung findet sich bei Sepsis und bei disseminierten malignen Erkrankungen. Die Verminderung von Gerinnungsfaktoren ist bei Patienten mit Sepsis nicht allein durch einen Verbrauch im Rahmen der Gerinnungsaktivierung, sondern zu einem großen Teil auch durch verminderte Synthese und durch Verlust bedingt. Die Patienten bluten meist aus Punktionsstellen von Gefäßen, posttraumatischen oder postoperativen Läsionen, Schleimhäuten, oder aus dem Gastrointestinaltrakt. Ausgedehnte Blutungen im Bereich der intakten Haut sind im Gegensatz zur Purpura fulminans selten.
Sepsis Gerinnungsaktivierung (»latente Gerinnung«) Verlust
verminderte Synthese
Verbrauch
vermindertes Hämostasepotential Blutung Verbrauchskoagulopathie
spezifische Erreger
spezifische Veranlagung
Endothelschädigung
Hypofibrinolyse
Mikrovaskuläre Thrombose Nekrosen Sekundäre Blutungen Sepsisassoziierte Purpura fulminans
. Abb. 19-2. Formen der Gerinnungsstörung bei Sepsis
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Kapitel 19 · Veränderungen der Hämostase bei Sepsis…
Therapiekonzepte Umfassende klinische Studien zur Therapie der Verbrauchskoagulopathie liegen nicht vor. Therapieempfehlungen basieren auf Einzelfallberichten, auf der Analogie zu anderen angeborenen oder erworbenen Gerinnungsstörungen und auf pathophysiologischen Überlegungen. Am logischsten erscheint zur Therapie einer Blutungsneigung, deren Ursache eine globale Verminderung von plasmatischen Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten ist, die Substitution eben dieser fehlenden Komponenten. ! Die Ansicht, dass eine Substitution von Gerin-
nungsfaktoren »Öl ins Feuer gießt«, ist durch keine klinischen Studien bewiesen.
Auch die Empfehlung zu einer parallelen Gabe von Antithrombin-III-Konzentrat bei der Substitution von Gerinnungsfaktoren beruht nicht auf klinischen Studien. Eine Substitution von Thrombozyten erfolgt bei der Verbrauchskoagulopathie bei Unterschreiten einer Thrombozytenzahl von 20.000/µl, sofern noch keine schweren Blutungen bestehen. Bei schweren Blutungen oder vor invasiven Diagnostik- und Therapiemaßnahmen oder chirurgischen Eingriffen sollte die Thrombozytenzahl auf 50.000/µl angehoben werden (s. auch 7 Anhang). Plasmakonserven (FFP) werden in einer Dosierung von 10–15 ml/kgKG eingesetzt. Der maximale Effekt tolerierbarer Mengen von FFP liegt bei einer Anhebung von Quick-Wert und Konzentration der hepatischen Gerinnungsfaktoren um etwa 20 %. Bei ausgeprägtem Mangel an hepatischen Gerinnungsfaktoren ist die zusätzliche Gabe von Prothrombinkomplexpräparaten (PPSB) indiziert. Die Dosierung liegt bei 20–30 E/kgKG. Eine alleinige Gabe von PPSB korrigiert bei globalem plasmatischem Hämostasepotenzial nicht den QuickWert, da PPSB u. a. keinen Faktor V enthält. Daher empfiehlt sich die Kombination mit FFP als Quelle von Faktor V. Bei Antithrombinspiegeln von <40 % der Norm sollte parallel zur Gabe von PPSB auch Antithrombin substitutiert werden, da PPSB nur die Vita-
min-K-abhängigen Inhibitoren Protein C und Protein S enthält. Bei schweren Blutungen steht rekombinanter Faktor VIIa als Notfallmedikament zur Verfügung. Es ist allerdings zu bedenken dass es sich um eine nicht zugelassene und bisher nicht durch klinische Studien belegte Therapie handelt. Die Dosierung liegt nach bisherigen Einzelfallberichten bei 60–120 µg/kgKG als Bolus. Die Bolusgabe kann bei unzureichendem Erfolgt evtl. nach 2–6 h wiederholt werden. Praxistipp Patienten mit Schädeltrauma, koronarer Herzerkrankung, zerebralem ischämischem Insult oder thromboembolischen Ereignissen sollten nicht mit rekombinantem Faktor VIIa behandelt werden. Bei Thrombozytopenie von <20.000/µl ist eine Thrombozytensubstitution parallel zur Therapie mit rekombinantem Faktor VIIa sinnvoll. Bei Patienten mit kontinuierlicher Hämofiltration oder anderen extrakorporalen Zirkulationsverfahren sollte bei Antithrombinspiegeln von <60 % der Norm eine Antithrombinsubstitution durchgeführt werden, sofern Heparin oder Heparinderivate als Antikoagulans eingesetzt werden. Die Dosierung liegt bei 10–50 E Antithrombinkonzentrat/kgKG24 h.
Die Behandlung mit rhuaPC wirkt bei Patienten unabhängig vom Vorhandensein einer disseminierten intravasalen Gerinnung oder einer Verbrauchskoagulopathie. Die Indikation ergibt sich aus dem Befund der schweren Sepsis mit Zeichen der Organdysfunktion. Patienten mit Verbrauchskoagulopathie, ausgelöst durch die Sepsis, erfüllen in den meisten Fällen die Kriterien für die Behandlung mit rhuaPC. Die Dosierung liegt bei 24 µg/kgKG/24 h mit einer Therapiedauer von 96 h (s. auch 7 Kap. 21 und 22).
499 Fazit für die Praxis
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Purpura fulminans
Therapiekonzepte
Klinisches Bild
Beschriebene Therapieoptionen sind die Substitution von Protein C sowie die Behandlung mit rhuaPC. Vergleichende Studien wurden bisher nicht durchgeführt. Protein-C-Konzentrat wird in einer Dosierung von 100–600 IU/kgKG alle 6 h gegeben [41, 44–51]. Ein Plasmaaustausch wurde als Alternative zur Protein-C-Substitution vorgeschlagen [42, 43, 52]. Da bei Sepsis die Protein-C-Aktivierung beeinträchtigt ist [53, 54], könnte die Behandlung mit rhuaPC in ihrem Effekt zuverlässiger sein als die reine Substitution des Proenzyms Protein C [55, 56]. Die Dosierung von rhuaPC liegt bei 24 µg/ kgKG/24 h.
Im Gegensatz zur Verbrauchskoagulopathie ist die Purpura fulminans eindeutig ein thrombotisches Krankheitsbild (. Abb. 19-2); sie entsteht typischerweise bei einigen Patienten mit schweren Meningokokken- [29] oder Pneumokokkeninfektionen [30], aber auch bei Infektionen mit anderen Erregern [31–33]. Nach Waterhouse [34] und Friderichsen [35] gehören zum Krankheitsbild: 5 plötzlicher Beginn, 5 hohes Fieber, 5 Zyanose ohne Dyspnoe, 5 Purpura, 5 Kreislaufversagen. Der Begriff der Purpura beschreibt eine Extravasation von zellulären Blutbestandteilen in die Haut aufgrund von Thrombosierungen der kapillären Gefäße der Haut und hämorrhagischer Nekrose der versorgten Gewebeabschnitte [36]. In den Mikrothromben, der Gefäßwand und dem perivaskulären Gewebe werden häufig Bakterien nachgewiesen. Ähnliche Veränderungen werden in anderen Organen, speziell den Nebennieren und den Nieren, gefunden [28]. Periphere symmetrische Gangräne der Extremitäten sind eine spezielle Subgruppe, insbesondere bei Patienten mit Pneumokokken-, Streptokokken- und Staphylokokkeninfekten [37, 38]. Typischerweise sind die peripheren Arterienpulse erhalten. Die histologische Untersuchung zeigt Thrombosen der kleinen Gefäße unter Aussparung der größeren Gefäße. Die Gewebenekrosen bei Purpura fulminans sind häufig ausgedehnt und erfordern rekonstruktive Maßnahmen, in vielen Fällen auch die Amputation von Extremitäten [39, 40]. Der Fibrinogenspiegel ist bei Patienten mit Purpura fulminans in der Mehrheit der Fälle normal [39, 41–43], was auf eine verminderte fibrinolytische Kompensation der stattfindenden intravasalen Fibrinbildung hinweist.
Fazit für die Praxis Während die disseminierte Gerinnungsaktivierung oder »latente Gerinnung« bei Patienten mit Sepsis eher der physiologische Zustand zu sein scheint, treten bei einigen Patienten hamöstaseologische Komplikationen auf. Die Verbrauchskoagulopathie ist klinisch primär mit Blutungen assoziiert, während der Purpura fulminans eine mikrovaskuläre Thrombosierung zugrunde liegt. Ein positiver klinischer Effekt einer gerinnungshemmenden Behandlung der »latenten Gerinnung« bei Sepsis ist bisher in klinischen Studien nicht bewiesen. Ausnahme ist hier das rekombinante aktivierte Protein C, obwohl für die klinische Wirkung auch andere (antiinflammatorische und profibrinolytische) Effekte neben der gerinnungshemmenden Wirkung verantwortlich gemacht werden. Für die Therapie der Verbrauchskoagulopathie liegen ebenfalls keine hinreichenden Studiendaten vor, die den Einsatz einer gerinnungshemmenden Behandlung unterstützen. Die Wirkung von rhuaPC erscheint nach den vorliegenden Studienergebnissen bei Patienten mit schwerer Sepsis unabhängig von klinischen und Laborkriterien der Verbrauchskoagulopathie zu sein. Die Therapie richtet sich daher primär nach den Erfordernissen zur Behandlung der Blutung durch Sub-
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Kapitel 19 · Veränderungen der Hämostase bei Sepsis…
stitution von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten. Bei Purpura fulminans als thrombotischem Syndrom erscheint hingegen eine Behandlung mit gerinnungshemmenden Präparaten, insbesondere Protein C oder aktiviertem Protein C, gerechtfertigt, auch wenn noch keine randomisierten klinischen Studien hierzu vorliegen.
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20 Labordiagnostik der mit Sepsis assoziierten Hämostasestörung M. Cobas-Meyer, M. von Depka
Das Problem
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Gerinnungsdiagnostische Basisbestimmungen – 504 Erweiterte spezielle Gerinnungsdiagnostik Klinische Konsequenzen Fazit für die Praxis Literatur
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Das Problem Im Mittelpunkt der heute gültigen Definition der Sepsis steht das klinische Syndrom der systemischen Entzündungsreaktion (»systemic inflammatory response syndrome«, SIRS; [1]). Im Rahmen der Entzündungsreaktion kommt es jedoch untrennbar zu einer sepsisbedingten Koagulopathie (s. auch 7 Kap. 18 und 19; [3, 20]). Sie wird am häufigsten durch die Interaktion zwischen Gewebefaktor (»tissue factor«, TF) und dem Hämostasesystem getriggert, beispielsweise durch intravaskuläre Generation und Expression von TF auf Monozyten, Neutrophilen oder Endothelzellen. Einen weiteren Weg der Gerinnungsaktivierung stellt die Interaktion zwischen Hämostasesystem und exprimiertem TF auf Geweben dar, die physiologischerweise nicht mit Blut in Kontakt kommen (z. B. traumatisiertes Gewebe, Plazenta- oder Hirngewebe, maligne Zellen). Die Gerinnungsaktivierung führt zu einer Ablagerung von Fibrin. Bei gleichzeitiger Hemmung der Fib-
rinolyse – physiologische Inhibitoren der Fibrinolyse sind Plasminogenaktivatorinhibitor 1 und α2Antiplasmin – kommt es zu einer thrombotisch bedingten Perfusionsstörung in der Mikrozirkulation mit konsekutiver Organdysfunktion. Diese ist für die Prognose des Patienten entscheidend. Auch die Thrombozytenaktivierung mit vermehrter Endotheladhäsion kann zu der Gefäßobstruktion beitragen [9]. Die Gerinnungsaktivierung geht mit einem Abfall der Konzentration natürlicher Inhibitoren, wie dem Protein-C-/Protein-SSystem und Antithrombin, einher [7, 14]. Der Kontrollverlust kann letztlich zur disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) führen. Das Endothel ist in wesentlichem Maße an der Aufrechterhaltung einer bedarfsgerechten Mikrozirkulation und Organperfusion beteiligt und hat im Normalzustand antikoagulatorische Eigenschaften [10]. Der durch die Sepsis hervorgerufene Endothelschaden führt zu einem Verlust dieses antithrombotischen Schutzes und stimuliert darüber hinaus die Freisetzung einer Reihe
504
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Kapitel 20 · Labordiagnostik der mit Sepsis assoziierten Hämostasestörung
von gerinnungsfördernden Substanzen (s. auch 7 Kap. 18). Aus dem Endothel sezernierte bzw. an der Endotheloberfläche lokalisierte gerinnungshemmende Substanzen 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Thrombomodulin »Endothelial cell protein C receptor« »Tissue factor pathway inhibitor« Heparansulfat »Tissue plasminogen activator« »Urokinase plasminogen activator« Prostazyklin Ektoenzyme (Ecto-ADPase) Phosphatidylethanolamin Annexin II und V
Die Sepsis geht laboranalytisch – parallel zur komplexen Entzündungsreaktion – mit einer Koagulopathie einher. Während Laborparameter zur Erfassung der Entzündungsreaktion in der Klinik weit verbreitet sind, wird die Gerinnung zumeist nur basisdiagnostisch überwacht. Dieser Artikel beschreibt laboranalytische Parameter, die den Kliniker in der Diagnose der Sepsis und der DIC sowie ihrer Verlaufskontrolle unterstützen (Übersicht in [1a]).
Gerinnungsdiagnostische Basisbestimmungen Das Wissen um potenzielle Grunderkrankungen, die mit einer DIC vergesellschaftet sind, ist Voraussetzung für ein frühzeitiges Erkennen einer DIC, da derart betroffene Patienten engmaschig kontrolliert werden sollten. Praxistipp Die intensivmedizinischen gerinnungsdiagnostischen Basisbestimmungen umfassen die globalen Gerinnungstests (Quicktest = Thromboplastinzeit; aPTT = aktivierte partielle Thromboplastinzeit), Fibrinogen und die Thrombozytenzahl. Mit diesen »Routinesuchtests« lassen sich viele klinisch relevante plasmatitische Ge6
rinnungsstörungen ausschließen und eine Antikoagulation durch Heparin oder Cumarine überwachen. Der schnellen Kinetik der Sepsis wird nur die regelmäßige Analytik der Laborparameter innerhalb kurzer Intervalle gerecht! Berücksichtigen muss der Klinker dabei die niedrige Spezifität dieser basisdiagnostischen Laborparameter hinsichtlich des Nachweises der sepsisinduzierten Koagulopathie.
Die niedrige Spezifität der basisdiagnostischen Laborparameter kann am Beispiel des Fibrinogens exemplarisch dargestellt werden: So kann z. B. einerseits ein Fibrinogenkonzentrationsabfall durch eine Verbrauchskoagulopathie bedingt sein. Aber auch hohe Blutverluste, große Wundflächen und Synthesestörung bei Lebererkrankungen gehen mit einem Konzentrationsabfall einher. Andererseits kann der Konzentrationsabfall im Rahmen der Sepsis durch einen akutphasereaktionsbedingten Fibrinogenkonzentrationsanstieg maskiert sein, da die Konzentrationsabnahme erst zum Tragen kommt, wenn sie gegenüber der Neusynthese überwiegt. ! Eine unerwartete Verminderung des Fibrino-
gens (<1,0 g/l) ist immer ein ernstzunehmendes Warnzeichen.
Bei erhöhten Fibrinogenspiegeln müssen ggf. verschiedene Krankheitszustände einschließlich der Sepsis ausgeschlossen bzw. abgeklärt werden. Auch der Abfall der Thrombozytenzahl gilt zwar als sensitiver, aber nichtspezifischer Marker. So zeigen über 40% kritisch kranker Patienten eine Thrombozytopenie [19]. Die Ursachen sind vielfältig und schließen Medikamentenreaktionen ein. Allgemein müssen bei den sepsisassoziierten Gerinnungsveränderungen v. a. durch Verlust oder durch Verdünnung bedingte Hämostasestörungen, eine Proteolyse durch z. B. Leukozytenelastase, ausgeprägte Synthesestörungen bei schweren Leberzellschäden oder traumaassoziierte Hämostasestörungen differenzialdiagnostisch bedacht werden. Diese Hämostasestörungen sind z. T. nur anhand des Verlaufs und des fehlenden typischen Grundleidens zu differenzieren.
505 Erweiterte spezielle Gerinnungsdiagnostik
Letztlich kann die Diagnose der DIC – insbesondere bei milderen, klinisch symptomarmen Verläufen – nur mittels histologischer Untersuchung gestellt werden. Die DIC sollte vor der klinischen Manifestation erkannt und behandelt werden. Dieses frühe Stadium der DIC geht häufig mit normalen oder hochnormalen globalen Gerinnungstests, Fibrinogenspiegeln und Thrombozytenzahlen einher (. Tabelle 20-1; [6]). ! Der Nachweis einer klinisch inapparenten DIC
gelingt in diesem frühen Stadium nicht über gerinnungsdiagnostische Basisbestimmungen (. Tabelle 20-1; [6])
Erweiterte spezielle Gerinnungsdiagnostik Die erweiterte spezielle Gerinnungsdiagnostik ist erforderlich, wenn der klinische Befund oder die Laborergebnisse an die Möglichkeit einer Gerin-
20
nungsstörung denken lassen. Sie umfasst Aktivierungsparameter der Gerinnung bzw. Fibrinolyse und deren Reaktionsprodukte (. Tabelle 20-1). Leichte bis mäßige Erhöhungen der Werte deuten i. Allg. auf eine unspezifische Aktivierung von Gerinnung bzw. Fibrinolyse hin, stärker erhöhte auf eine manifeste DIC – in Abhängigkeit vom DICStadium – oder eine Hyperfibrinolyse.
Hämostaseveränderungen bei Sepsis als Basis der erweiterten Gerinnungsdiagnostik Stadium der kompensierten Aktivierung des Hämostasesystems. Initial kommt es im Rahmen der
Sepsis zu einer kompensierten Aktivierung des hämostatischen Systems. Diese zeigt sich in Form normaler, oft sogar verkürzter Gerinnungszeiten der Globaltests. Auch Fibrinogen und Einzelfaktoren, wie Faktor V, sind normal oder können erhöht sein. Allerdings lassen sich Fibrinmonomere nachweisen (s. unten). Die Inhibitoren Prote-
. Tabelle 20-1. Labordiagnostik entsprechend der Phaseneinteilung der disseminierten intravasalen Gerinnung Phase Klinisches Bild
I Hyperkoagulabilität
II Fibrinbildung
III Mikro-/Makrothrombosierung, Blutung
IV Organversagen, Blutung
Quickwert
↔
↔
↓
↓↓
PTT
↔
↔
↑
↑↑
Fibrinogenwert
↑
↔
↓
↓↓
Thrombozytenzahl
↔↓
↓
↓↓
↓↓↓
Thrombin-AntithrombinKomplex
↑
↑↑↑
↑↑↑
F1+F2
↑
↑↑↑
↑↑↑
Fibrinmonomere
↑
↑↑
↑↑↑
D-Dimere
↔↑
↑
↑↑
↑↑↑
FgDP
↔
↑
↑↑
↑↑↑
Protein C
↓
↓
↓↓
↓↓↓
Antithrombin
↔↓
↓
↓↓
↓↓↓
F1, F2 Prothrombinfragmente 1 und 2; FgFP Fibrinogenspaltprodukte.
506
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Kapitel 20 · Labordiagnostik der mit Sepsis assoziierten Hämostasestörung
in C und Antithrombin (AT) werden verbraucht, ohne dass sie pathologisch niedrige Spiegel erreichen müssen. Augenfällig ist der Thrombozytenabfall, wobei jedoch das Ausmaß des Abfalls, nicht die absolute Zahl entscheidend ist. ! Das Stadium der kompensierten Aktivierung
verläuft klinisch inapparent und wird daher selten erfasst.
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Stadium der Dekompensation mit defizitärem Gerinnungspotenzial. Dem Stadium der kompen-
6
sierten Aktivierung folgt das Stadium der Dekompensation mit einem defizitären Gerinnungspotenzial. Die Gerinnungszeiten der Globaltests sind verlängert, allenfalls mit Ausnahme der Thrombinzeit. Die Fibrinogenkonzentration fällt ab, und auch die Spiegel der Inhibitoren AT und PC nehmen weiter ab, während eine zunehmende Erhöhung der Aktivierungsmarker (s. unten) obligat ist. Mikrozirkulationsstörungen werden klinisch offensichtlich.
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Stadium der Verbrauchskoagulopathie. Das Stadium der Dekompensation kann in das Endstadium der sog. Verbrauchskoagulopathie übergehen, das durch zunehmende, selbst schwerste Blutungen charakterisiert ist. Dann kann ein Defibrinierungssyndrom vorliegen, bei dem Fibrinogen nicht mehr nachweisbar ist. Auch andere Gerinnungsfaktoren, -inhibitoren und Thrombozyten sind stark erniedrigt. Dagegen sind Fibrin(ogen) spaltprodukte (s. unten) in ihrer Konzentration exzessiv erhöht. Eine massive Hyperfibrinolyse ist von der Verbrauchskoagulopathie in diesem Stadium mit Routinemethoden nicht zu unterscheiden. Da es keine festen Grenzwerte gibt, müssen auch diese Tests im Zusammenhang mit dem klinischen Bild, dem gesamten Laborbefund sowie dem Verlauf der verschiedenen Parameter beurteilt werden.
Aktivierungsparameter der Gerinnung und Fibrinolyse Gerinnungsparameter. Die durch TF initiierte Gerinnung geht mit einer Thrombinaktivierung aus
Prothrombin einher [8]. Entsprechend lassen sich TF und Thrombinmarker früh in der Sepsis, aber auch nach Trauma nachweisen. Prothrombinfragmente 1 und 2 (F1 + 2), Fibrinopeptide A und B und Fibrinmonomere (FM) sind Reaktionsprodukte der Thrombin- bzw. Fibrinbildung und somit Marker für das Ausmaß der Thrombin- bzw. Fibrinbildung. Thrombin selbst lässt sich aufgrund eines hohen Aktivitätsüberschusses von Antithrombin und wegen seiner raschen Komplexierung mit Antithrombin im freien Zustand nicht nachweisen. Die entstehenden ThrombinAntithrombin-Komplexe (TAT) gelten allerdings als sehr empfindliche Parameter für die Thrombinbildung bzw. Thrombinämie und damit für die Dynamik der Gerinnungsaktivierung. ! TAT-Komplexe sind schon vor dem Auftreten kli-
nischer Zeichen einer DIC nachweisbar, und die TAT-Spiegel fallen innerhalb weniger Stunden nach Beendigung der intravasalen Thrombinaktivierung ab [22]. Auch im Verlauf der Sepsis sind die TAT-Spiegel früh erhöht [18].
Fibrinolyseparameter. Zur Beurteilung der Fibrinolyseaktivität können die Plasminogenspiegel bestimmt werden, da diese in Abhängigkeit vom Ausmaß der Fibrinolyse, der Syntheserate sowie einem Verlust bei Fibrinolyse abfallen können. Eine Abnahme wird während der schweren Sepsis häufig gesehen, bei weniger ausgeprägten Fällen kann der Plasminogenwert aber durchaus normal sein [5]. In der Klinik hat sich die Bestimmung der DDimere als Reaktionsprodukte der Fibrinolyse durchgesetzt. Berücksichtigt werden muss allerdings, dass ältere Tests unspezifisch sowohl auf Fibrinogen- als auch auf Fibrinspaltprodukte (Fibrinogen und »fibrin degradation products«, FgDP und FDP) reagieren. Erst moderne Verfahren ermöglichen die selektive Erfassung der Abbauprodukte quervernetzten Fibrins (FDP), meist in Form der D-Dimere, sodass heute mit der D-Dimer-Bestimmung ein Maß für die intravaskuläre Fibrinbildung (bzw. für den Fibrinabbau) besteht.
507 Erweiterte spezielle Gerinnungsdiagnostik
20
Praxistipp
Thrombozytenfunktion
Erhöhte D-Dimere sind sehr sensitiv für die Diagnose einer sepsisbedingten DIC, und normale Spiegel schließen eine DIC nahezu aus [11]. Allerdings sind sie wenig spezifisch (s. oben), da sie in allen Situationen mit Fibrinbildung und Fibrinolyse auftreten (z. B. paraneoplastisch, frische thrombembolische Ereignisse, postoperativ, posttraumatisch). Dessen ungeachtet, sind sie – nicht zuletzt wegen ihrer einfachen und raschen Bestimmbarkeit – ein wertvoller Verlaufsparameter und auch Kontrollparameter therapeutischer Interventionen.
Als ein Maß der Thrombozytenfunktion gilt deren Aktivierung und Aggregationsfähigkeit [21]. Letztere ist bei Sepsis eingeschränkt (»exhausted platelets«). Da die Thrombozytenaggregationsanalysen bei thrombozytopenen Patienten (Plättchenzahlen von <80.000/µl) nicht oder nur noch eingeschränkt beurteilbar sind, besteht die Möglichkeit einer durchflusszytometrischen Thrombozytenfunktionsanalyse, z. B. über die Bestimmung von p-Selektin. Die Thrombozytenaktivierung im Rahmen der Sepsis kann weiter mittels Mikropartikelformation nachgewiesen werden. Praxistipp
Der wichtigste endogene physiologische Aktivator der Fibrinolyse ist der Gewebeplasminogenaktivator (tPA). Da eine Fibrinolyseaktivierung zu lebensbedrohlichen Blutungen führen kann, liegt sein physiologischer Inhibitor Plasminogenaktivatorinhibitor 1 (PAI-1) im Überschuss vor [12]. Im Rahmen der schweren Sepsis kommt es zu einem Anstieg der Konzentration von tPA, der sehr schnell von extrem steigenden PAI-1 Spiegeln abgefangen wird, sodass es fast zu einer kompletten Inhibierung der Fibrinolyse kommt. In Analogie zu Thrombin und Antithrombin wird auch Plasmin sofort mit α2-Antiplasmin (dem wichtigsten Inhibitor der Fibrinolyse) komplexiert. Es entstehen inaktive Plasmin-Antiplasmin-Komplexe (PAP), die zur Beurteilung der Fibrinolyseaktivität herangezogen werden können [13]. Bei Patienten mit schwerer Sepsis mit Multiorganversagen oder DIC fanden sich allerdings keine erhöhten PAP-Spiegel, trotz einer massiven Gerinnungsaktivierung, was als eingeschränkte Fibrinolysefähigkeit interpretiert wird. Dieses Missverhältnis fällt laboranalytisch durch ein erhöhtes TAT-PAP-Verhältnis auf und kann zeitlich der Entwicklung einer Organdysfunktion vorausgehen. Die Überlebensrate ist bei Patienten mit einem niedrigen TAT-PAP-Verhältnis höher als bei Patienten mit erhöhten Werten.
Da sämtliche Methoden entweder unzuverlässig oder aufwändig sind, haben sich Thrombozytenfunktionstests für die routinemäßige Diagnostik oder Kontrolle der DIC nicht durchsetzen können.
Hämostaseologisches Inhibitorpotenzial Die klinisch bekanntesten Inhibitoren der Gerinnung sind Antithrombin (AT) und Protein C (PC). ! Bei einem Großteil von Patienten mit Sepsis
liegen ein erworbener AT- und PC-Mangel vor [7, 14]. Der Mangel dieser Inhibitoren gilt als Maß für den Aktivierungsgrad der Gerinnung, und ihre Plasmaspiegel gelten als Verlaufsparameter und prognostische Marker für die Sepsis.
Verminderte Inhibitorspiegel bei Sepsis sind nicht nur auf den Verbrauch zurückzuführen, sondern müssen in Relation zum allgemeinen Proteinverlust im Rahmen des Kapillarlecks, eines Verlusts, z. B. nach außen oder in Aszites, sowie zu einer verminderten Synthese interpretiert werden. Bei Leukämiepatienten mit chemotherapieinduzierter Neutropenie, die einen septischen Schock entwickeln, fallen die AT-Spiegel deutlicher ab als bei Patienten, die eine schwere Sepsis entwickeln [15]. Der Abfall tritt Stunden nach Eintreten von Fieber auf. Bei den gleichen Patienten
508
1 2
Kapitel 20 · Labordiagnostik der mit Sepsis assoziierten Hämostasestörung
fallen die Protein-C-Plasmaspiegel deutlich früher ab, vor ersten klinischen Symptomen einer Sepsis oder einer DIC [16]. ! Bei der Beurteilung dieser Parameter muss
3 4 5
bedacht werden, dass Protein C Vitamin-K-abhängig in der Leber synthetisiert wird, sodass auch ein Vitamin-K-Mangel (z. B. durch Maladsorption) zu einem Protein-C-Mangel führen kann, was auch für den Kofaktor von Protein C, nämlich Protein S, gilt, während AT Vitamin-Kunabhängig synthetisiert wird.
6 7
Endothelaktivierung und -schaden
12
Endothelzellaktivierungsmarker. Endothelaktivierung und -schaden erfolgen sehr früh im Verlauf der Sepsis [17]. Verschiedene Aktivierungsmarker des Endothels sind während der Sepsis erhöht und eignen sich als Verlaufsparameter. So findet sich eine vermehrte Exprimierung von Adhäsionsproteinen, wie »vascular cell adhesion molecule 1« (VCAM-1), »intercellular adhesion molecule 1« (ICAM-1) und E-Selektin. Sie geben einen Hinweis auf den Grad der Interaktionen zwischen dem Endothel und zirkulierenden Zellen, wie Leukozyten und Thrombozyten.
13
Quantifizierung. Das Ausmaß der endothelialen
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Schädigung kann durch eine erhöhte Plasmakonzentration von Thrombomodulin (TM) und »endothelial cell protein C receptor« (EPCR) abgeschätzt werden, die normalerweise zellgebunden sind und erst durch eine Endothelschädigung im Plasma nachweisbar sind [4]. Die Spiegel sind früh im Verlauf der Sepsis erhöht und korrelieren mit dem Ausmaß der Organdysfunktion und dem Überlebensstatus. Während TM im Plasma bei Sepsis ansteigt, nimmt seine Expression auf dem Endothel ab. Da TM ein Thrombinrezeptor ist, der dem Thrombin seine starke prokoagulatorische Wirkung nimmt und durch Komplexierung mit Thrombin Protein C aktiviert und somit antikoagulatorisch wirkt, führt seine abnehmende Expression auf dem Endothel zu einer Verringerung des antikoagulatorischen Potenzials. Aggravierend kommt folglich zu dem ohnehin zu beo-
bachtenden Mangel an Protein C auch noch eine verminderte Aktivierbarkeit des PC und somit eine schwere Beeinträchtigung des Protein-C-Systems hinzu. Die Veränderungen des EPCR können in ihrer Wertigkeit noch nicht vollständig eingeschätzt werden. Routinetests sind derzeit nicht verfügbar.
Klinische Konsequenzen Sowohl die Grundlagen- als auch die klinische Forschung haben in den vergangenen Jahren erheblich zum Kenntnisgewinn von Hämostasestörungen bei Sepsis beigetragen. Für die Beschreibung der sepsisinduzierten Entzündungsreaktion haben neue Parameter, wie Prokalzitonin und Interleukin-6, neben dem C-reaktiven Protein in die Klinik Einzug gefunden [17]. Dagegen leidet die Diagnostik der sepsisassoziierten Hämostasestörungen weiterhin unter der mangelnden Spezifität praktisch aller für die Routine tauglichen Parameter, sodass diese am sichersten aus dem Verlauf und der Zusammenschau verschiedener Routineanalysen gelingt. Die therapeutische Modulation der Gerinnung hat mit dem rekombinanten humanen aktivierten Protein C bei der schweren Sepsis erstmalig medikamentös zu einer Letalitätssenkung geführt (7 Kap. 21 und 22; [2]). Aber selbst für diese »Hämostasetherapie« waren die Patienten ausschließlich nach einfachen klinischen Kriterien und ohne zusätzliche gerinnungsspezifische Laborparameter identifiziert worden. Und nicht nur Patienten mit erniedrigten, sondern ebenso diejenigen mit normalen Protein-C-Spiegeln profitierten von der Therapie.
Fazit für die Praxis Für den Kliniker bleibt festzuhalten: 5 Im Rahmen der Sepsis kommt es durch Infektionserreger, Endotoxin und Zytokine zu einer Endothelschädigung mit Mikrozirkulationsstörungen. Neben einer komplexen Entzündungsreaktion kommt es u. a. zu einer Aktivierung der plasmatischen Gerinnung und
509 Literatur
einer Hemmung der Fibrinolyse. Paradoxerweise wird dieses prokoagulatorische Milieu durch ein vermindertes Inhibitorenpotenzial bzw. eine fehlende endotheliale Aktivierung desselben unterstützt. Diese fehlende Kompensationsmöglichkeit kann zur Entwicklung einer disseminierten intravasalen Koagulopathie einschließlich ihrer Endphase, der Verbrauchskoagulopathie, führen. Es resultiert eine thrombotisch bedingte Perfusionsstörung der Mikrozirkulation mit Organischämie. 5 Nur das Gesamtbild vieler Einzelfaktoren erlaubt dem Kliniker heute die bestmögliche Behandlung seiner Patienten, dies gilt insbesondere auch für die Sepsis. Bei klinischem Verdacht auf eine Sepsis sollten gerinnungsdiagnostische Laborparameter ebenso wie
5
5
5
5 . Tabelle 20-2. Gerinnungsphysiologische Veränderungen bei Sepsis Gerinnungsdiagnostische Laborparameter Anstieg
Abfall
Gewebethromboplastin
Thrombozyten
Fibrinogen
Antithrombin
Thrombin-AntithrombinKomplex
Protein-C-Antigen
Fibrinopeptid A
Protein-C-Inhibitor
Prothrombinfragmente 1 und 2
Protein S
Plasmin-α2-AntiplasminKomplex
Faktor VII
D-Dimere Thrombomodulin tPA-Aktivität tPA-Antigen Plasminogenaktivatorinhibitor 1 v.-Willebrand-Faktor v.-Willebrand-Faktor-Propeptid Plättchenthrombospondin
Faktor XII
tPA Gewebeplasminogenaktivator.
20
Entzündungsparameter mehrfach täglich auf der Intensivstation erhoben werden. Bei Vorliegen einer häufig mit der disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) assoziierten Grunderkrankung wie der Sepsis muss an die Möglichkeit einer DIC gedacht werden. Gerinnungsdiagnostische Laborparameter (. Tabelle 20-2) können dazu beitragen, Patienten mit einer Sepsis bzw. DIC frühzeitig vor Beginn klinischer Manifestationen zu erkennen. Verlaufskontrollen sind obligat. Gerinnungsdiagnostische Laborparameter zeigen keine Spezifität hinsichtlich der Sepsis. Auch andere Erkrankungen, wie Tumorerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und andere, gehen mit einer Gerinnungsneigung einher. Für den Routineeinsatz geeignet sind insbesondere die Globalparameter Quickwert und aPTT, Fibrinogenbestimmungen (Methode nach Clauss), D-Dimere, Antithrombinaktivität sowie die Thrombozytenzahl. Sie sind stadienabhängig unterschiedlich verändert. Andere Parameter – wie TAT-Komplex, PAP, Prothrombinfragmente 1+2, TF oder TM – sind wegen ihrer aufwändigen Bestimmungsmethoden derzeit für die Schnell- oder Routinediagnostik weniger geeignet.
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510
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Kapitel 20 · Labordiagnostik der mit Sepsis assoziierten Hämostasestörung
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21 Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C: Stellenwert für die Therapie der schweren Sepsis? C. Putensen, P. Kujath, R. Bouchard, I. Heinze, C. Thees
Das Problem
– 511
Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem – 512 Fazit für die Praxis Literatur
– 522
– 522
Das Problem Interaktion von Inflammation und Hämostase bei Sepsis Komplexe Interaktionen bestehen bei der Sepsis zwischen den inflammatorischen Prozessen und dem Gerinnungssystem [41]. Proinflammatorische Zytokine sind in der Lage, die Gerinnungskaskade zu aktivieren, indem sie Gewebefaktor (»tissue factor«, TF) aus Monozyten und Endothelzellen freisetzen (. Abb. 21-1). TF leitet über die Aktivierung von Faktor VII die extrinsische Gerinnungskaskade mit Thrombinbildung ein. Thrombin wiederum kann neben Thrombozyten auch Endothelzellen, subendotheliale Gefäßstrukturen, Leukozyten und damit die Entzündungsreaktion stimulieren. Diese Initiierung der Gerinnung wird über die intrinsische Gerinnungskaskade amplifiziert. Es resultiert eine überschießende Thrombinbildung mit konsekutiver Fibringerinnselbildung, und es kommt zum
Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Gerinnungsinhibitoren [15]. Sowohl die inflammatorischen Zytokine als auch Thrombin beeinträchtigen zudem die endogene fibrinolytische Aktivität durch Stimulation der Freisetzung von Plasminogenaktivatorinhibitor 1 (PAI-1) aus Thrombozyten und Endothelzellen (. Abb. 21-1; [44]). PAI-1 ist ein hochwirksamer Inhibitor des Gewebeplasminogenaktivators (t-PA) und damit der endogenen Fibrinolyse von Gerinnseln. Weiterhin aktiviert Thrombin den thrombinaktivierbaren Fibrinolyse-Inhibitor (»thrombin activatable fibrinolysis inhibitor«, TAFI) [6].
Endothelzellaktivierung und Endothelzelldysfunktion Zur Aufrechterhaltung der Mikrozirkulation haben die Endothelzellen eine wesentliche Funktion [31]: Sie bilden verschiedene, auf die Gerin-
512
Kapitel 21 · Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C…
21 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
. Abb. 21-1. Aktivierung des gesamten Gerinnungssystems durch proinflammatorische Zytokine. Die physiologischen Inhibitoren (Antithrombin, TFPI und aPC) sind dunkel unterlegt. TFPI »tissue factor pathway inhibitor«; aPC aktiviertes Protein C; TNF Tumornekrosefaktor; IL Interleukin; AT Antithrombin; TAFI »thrombin activatable fibrinolysis inhibitor«; PAI Plasminogen-Aktivator-Inhibitor. (Aus [38a])
nung inhibitorisch wirkende Substanzen, wie z. B. Thrombomodulin, Glukosaminoglykane, Prostaglandin I2, »tissue factor pathway inhibitor« (TFPI) und Gewebeplasminogenaktivator (t-PA). Auch die Aktivierung des Zymogens Protein C findet auf der Endotheloberfläche statt, sobald Thrombin an Thrombomodulin bindet [23]. Dabei verliert Thrombin seine prokoagulatorische und proinflammatorische Potenz. Bei der schweren Sepsis kommt es zu einer Endotheldysfunktion mit Verlust verschiedener Schutzmechanismen; die Aufrechterhaltung der Mikrozirkulation ist gefährdet [34, 50].
rinnungsneigung und Entzündungsreaktion miteinander und perpetuieren sich gegenseitig. Dem Endothel und seinem Funktionsverlust kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Es resultiert eine Mikrozirkulationsstörung in den verschiedenen Organsystemen. Diese kann ihrerseits wieder Auslöser proinflammatorischer Prozesse sein. Letztlich droht ein ischämiebedingtes Organversagen, das die Prognose der schweren Sepsis maßgeblich verschlechtert. Vor diesem Hintergrund scheint es zielführend, im Rahmen der Sepsis Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem einzusetzen.
Verschiebung des hämostaseologischen Gleichgewichts zur Prokoagulation
Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem ! Vorraussetzungen dafür, dass eine Therapie-
19 20
Zusammenfassend lässt sich die Organdysfunktion bei der schweren Sepsis pathophysiologisch v. a. durch eine ausgeprägte Verschiebung des hämostaseologischen Gleichgewichts zur prokoagulatorischen Seite hin erklären. Dabei interagieren Ge-
strategie, die in das Gerinnungssystem eingreift, bei Sepsis klinisch erfolgreich eingesetzt werden kann, sind die frühzeitige Diagnose der Sepsis und die Durchführung einer adäquaten Standardtherapie des septischen Patienten.
513 Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem
Die Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem dürfen nicht isoliert betrachtet werden! Sie müssen sich einordnen in das Gesamtkonzept einer konsentuierten, standardisierten Sepsistherapie. Die einzelnen Komponenten dieser Behandlung sind nach derzeitigem Kenntnisstand (s. auch 7 Kap. 4 u. 7 Anhang): 5 Fokusidentifikation und -sanierung, einschließlich adäquater antimikrobieller Therapie als Conditio sine qua non [37]; 5 frühe zielgerichtete Stabilisierung der Vitalfunktionen mit differenzierter Katecholamintherapie [53]; 5 niedrigdosierte Gabe von Kortison bei Patienten im septischen Schock mit relativer Nebenniereninsuffizienz [5, 10]; 5 protektive Beatmung und frühzeitige Entwöhnung von dieser [3, 22]; 5 supportive Unterstützung weiterer Organdysfunktionen (z. B. Einsatz der Hämofiltration) [9]; 5 frühe enterale Ernährung und intensivierte Insulintherapie [42, 57].
Therapie mit Heparin Wirkungsspektrum Die Heparine gehören zu den langkettigen Glykosaminoglykanen mit gerinnungshemmender Wirkung auf Faktor X und Faktor IIa. Heparin ist Kofaktor des Antithrombin. Weiterhin ist es ein leichter Thrombozytenaggregationshemmer und fördert die Freisetzung von TFPI. Beim Menschen lässt sich Heparin in den basophilen Granula von Mastzellen, dem Gefäßendothel, der Darmmukosa und der Leber nachweisen. ! Die Aktivierung der Gerinnungskaskade bei
Sepsis und die inhibitorische Wirkung von Heparin auf Thrombin sind die Begründung für den Einsatz bei Verbrauchskoagulopathie.
Veränderungen bei Sepsis Bereits vor 30 Jahren waren hämostaseologische Veränderungen bei Sepsis als Verbrauchskoagulopathie und später als disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) beschrieben worden [18, 39].
21
Therapiestudien Die aufgezeigte DIC bei Sepsis gab Anlass, eine Gerinnungshemmung durch Heparin in das Therapiekonzept der Sepsis einzubeziehen. Die kontinuierliche Zufuhr niedrigdosierten Heparins (Dosisbereich: 5.000–15.000 IE/24 h) gehört seitdem auf den meisten Intensivstationen zum Basistherapiekonzept septischer Patienten (Thromboseprophylaxe, Verhinderung von Mikrozirkulationsstörungen) [46]. Eine multizentrische Studie zur Wirksamkeit dieses Ansatzes bei Sepsis fehlt bisher. Auch für die therapeutische Heparingabe liegen keine Daten für die Sepsis vor. Praxistipp Bei Auftreten einer DIC sollte Heparin in Abhängigkeit vom Stadium eingesetzt werden: 5 Solange die Werte der Gerinnungsfaktoren noch nicht weit unter die Norm abgesunken sind und die Thrombozytopenie noch nicht ausgeprägt ist, ist die niedrigdosierte Heparingabe zu befürworten. 5 Im Vollbild der DIG kann allerdings durch Heparingabe die Blutungsneigung verstärkt werden. Für den Einsatz von Heparin in therapeutischer Dosierung bei DIC (15 IE/kgKG/h) gibt es keine gesicherte Datenlage [14].
Therapie mit Antithrombin Wirkungsspektrum Antithrombin (AT; früher Antithrombin III) ist ein Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von 59 kD, das in der Leber synthetisiert wird. Die physiologische Plasmakonzentration liegt zwischen 112 und 140 mg/l. Antithrombin hemmt mehrere Faktoren des Gerinnungssystems, vornehmlich Faktor Xa, Faktor XIa und Faktor XIIa, Kallikrein und Thrombin [54]. Die Wirkung von Antithrombin auf diese aktivierten Gerinnungsfaktoren wird durch Heparin etwa um das 1000fache gesteigert. Anteile des Heparins vermögen an der Endotheloberfläche und im subendothelialen Raum mit
514
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Kapitel 21 · Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C…
. Abb. 21-2. Veränderungen der Endothelfunktion bei Sepsis. Die Plasmaproteine des Protein-C-Systems und Antithrombin wirken hemmend über die Rezeptoren EPCR (endothelialer Protein-C-Rezeptor) und PAR1 (proteaseaktivierter Rezeptor 1) sowie TR (Thrombinrezeptor) auf die durch NF-κB (nukleärer Faktor κB) gesteuerte proinflammatorische Kaskade. T Thrombin; TM Thrombomodulin; PAI Plasminogenaktivatorinhibitor. (Aus [38a])
T
T
T
TR
Protein C
TM
NF-KB
17 18 19 20
Gewebethromboplastin ↑ PAI-1 ↑ TM ↑ Adhäsionsmoleküle ↑ TR ↑ Endothelin ↑ Permeabilität ↑
Antithrombotische Veränderung
Prothrombotische Veränderung
Endothelzelle
Antithrombin zu interagieren und Prostazyklin freizusetzen [29]. Die antiinflammatorischen Eigenschaften des Antithrombins können durch eine antithrombinbedingte Reduktion der Freisetzung lysosomaler Proteasen, Zytokine (Interleukin-6) und Adhäsionsmoleküle erklärt werden [48]. Weiterhin gibt es Hinweise, dass Antithrombin die Funktion des Thrombinrezeptors (TR) unabhängig von Heparin modulieren kann und damit einen antiinflammatorischen und gerinnungshemmenden Effekt ausüben könnte [34, 35]. So führt die Bindung von Thrombin an den TR über eine Aktivierung des nuklearen Transkriptionsfaktors κB (»nuclear factor« kappa B, NF-κB) zur Freisetzung von PAI-1, TF, Endothelin und Adhäsionsmolekülen, während gleichzeitig die Konzentration des Thrombomodulins auf der Endothelzelle abnimmt (. Abb. 21-2).
Veränderungen bei Sepsis
16
aktiviertes Protein C
Niedrige Antithrombinspiegel bei Patienten mit schwerer Sepsis sind mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet [49]. Neben den möglicherweise günstigen Auswirkungen von Antithrombin auf eine disseminierte intravasale Gerinnung könnten auch antiinflammatorische Effekte von Antithrombin bei Patienten mit Sepsis günstig sein. Die Ausprägung des bei Sepsis zu beobachtenden Antithrombinabfalls korreliert mit der Intensität der inflammatorischen Reaktion [43]. In einer Studie mit einer geringen Patientenzahl war die tägliche Gabe von Antithrombin im Vergleich
zur Placebogruppe mit einer signifikanten Senkung der Körpertemperatur, der Konzentration des C-reaktiven Proteins und des Interleukin-6Spiegels assoziiert [36].
Kleinere klinische Therapiestudien Der Einsatz von Antithrombin bei Sepsis wurde in mehreren klinischen Studien mit geringer Patientenzahl erprobt (. Tabelle 21-1; [20]): 5 Die erste randomisierte Studie (n = 51) zur Substitution von Antithrombin untersuchte 3 Patientengruppen [16]. Die Patienten der Gruppe 1 erhielten Heparin (3000 IE initial, gefolgt von 250 IE/h). Bei Patienten der Gruppe 2 wurde der Antithrombinspiegel auf 100 % angehoben, und bei den Patienten der Gruppe 3 wurde zusätzlich zur Anhebung des Antithrombinspiegels auf 100 % Heparin (100 IE/h) verabreicht. In diesen 3 Gruppen war die Letalität annährend gleich hoch. Jedoch ergab sich eine deutlich frühere Normalisierung der Gerinnungswerte bei denjenigen Patienten, die nur mit Antithrombin behandelt worden waren. 5 Fourrier [26] untersuchte in einer Doppelblindstudie 35 Patienten mit septischem Schock und disseminierter intravasaler Gerinnung. Er konnte bei Patienten mit Antithrombinsubstitution eine statistisch nicht signifikante Reduktion der Letalität von 44 % zeigen. 5 Die Ergebnisse der Fourrier-Studie [26] bildeten die Grundlage für eine weitere, dop-
515 Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem
21
. Tabelle 21-1. Klinische Studien zur Antithrombinsubstitution bei Sepsis. (Aus [38a]) Literatur (Population)
Studiendesign
Anzahl Patienten (n)
Antithrombindosierung, Antithrombinaktivität [%]; Behandlungstage
Ergebnisse
Blauhut et al. 1985 [16] (Sepsis und Trauma)
Offen; Antithrombin vs. Heparin
51
Adjustierte Dosis; 100; 2
DIC gebessert, Mortalität unverändert
Albert et al. 1992 (Intensivstationspatienten)
Offen randomisiert; Antithrombin vs. Standardbehandlung
32
Adjustierte Dosis; 100; 2–7
DIC gebessert, Mortalität unverändert
Fourrier et al. 1993 [26] (septischer Schock und disseminierte intravasale Gerinnung)
Randomisiert doppelblind; Antithrombin vs. Placebo
35
Fixe Hochdosis (100 IU/kgKG/Tag); >150; 4
DIC gebessert, Mortalität um 22% erniedrigt (nicht signifikant)
Diaz-Cremades et al. 1994 (Sepsis und Trauma)
Offen randomisiert; Antithrombin vs. Standardbehandlung
36
Fixe Dosis (40 IU/ kgKG/Tag); 100; 5
Kein Effekt auf Mortalität
Balk et al. 1995 (Sepsis)
Randomisiert doppelblind; Antithrombin vs. Placebo
34
Fixe Dosis; 100; 5
Kein Effekt auf Mortalität
Schuster 1995, unpubliziert
Randomisiert doppelblind; Antithrombin vs. Placebo
45
Fixe Dosis; 100; 7
Mortalität um 14% erniedrigt (nicht signifikant)
Eisele et al. 1998 [21] (Sepsis)
Randomisiert doppelblind; Antithrombin vs. Placebo
42
Fixe Dosis; 100; 5
Mortalität um 39% erniedrigt (nicht signifikant)
Baudo et al. 1998 (Sepsis/postoperativ)
Randomisiert doppelblind; Antithrombin vs. Placebo
120
Fixe Dosis; 100; 5
Mortalität bei septischem Schock um 30% erniedrigt (p= 0,04)
Inthorn et al. 1997 (Sepsis und Trauma)
Offen randomisiert; Antithrombin vs. Standardbehandlung
40
Adjustierte Dosis; 120; 14
Kein Effekt auf Mortalität; DIC und Organdysfunktion gebessert
Die nicht im Literaturverzeichnis aufgeführten Studienzitate finden sich in [27]. DIC disseminierte intravasale Gerinnung.
pelblinde, placebokontrollierte Studie bei 120 Intensivstationspatienten mit Sepsis und postoperativen Komplikationen [21]. Im septischen Schock befanden sich 56 (47 %) dieser Patienten. Die Patienten erhielten 4000 IE An-
tithrombin oder Placebo. Die Ergebnisse dokumentierten eine nichtsignifikante Reduktion der Letalität (50 % in der Antithrombingruppe vs. 54 % in der Placebogruppe). Nur bei den Patienten im septischen Schock zeigte
516
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Kapitel 21 · Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C…
sich bei der 30-Tages-Letalität eine statistisch signifikante Reduktion (70 % Antithrombin vs.87 % Placebo; p<0,04). Studienwertung. Auf der Basis dieser kleinen Studien (. Tabelle 21-1) wird in der Klinik bis heute die Antithrombinsubstitution bei septischen Patienten durchgeführt. Die Studien an kleinen Patientengruppen zeigten zwar eine Besserung der Gerinnungswerte, mitunter auch der Organfunktionen, jedoch keine signifikante Verbesserung des Überlebens der Patienten. Lediglich eine Metaanalyse von gut kontrollierten Studien deutete auf eine bessere Überlebensrate unter Antithrombinsubstitution hin [27]. Betrachtet man alle Studien, bei denen Antithrombin bei Patienten mit Sepsis eingesetzt worden ist, zeigt sich, dass diejenigen Patienten, bei denen der Antithrombinspiegel unter das Faktorenniveau abgesunken ist, von einer physiologischen Anhebung profitieren könnten. Dies entspricht auch noch den Empfehlungen der Bundesärztekammer aus dem Jahre 1995.
Phase-III-Studie: Kybersept
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Um der Frage der Wirksamkeit von Antithrombin bei Patienten mit schwerer Sepsis nach EBMKriterien nachzugehen, wurde multizentrisch die doppelblinde, placebokontrollierte Kyberseptstudie durchgeführt [58]: 2314 Patienten wurden in 2 Gruppen zu je 1157 Patienten aufgeteilt. Die eine Gruppe erhielt Antithrombin (30.000 IE über 4 Tage), die andere Gruppe Placebo (1 %iges Humanalbumin). Die Gabe erfolgte innerhalb von 6 h nach Beginn des Sepsissyndroms. Die 28-Tages-Letalität lag in der Antithrombingruppe bei 38,9 % gegenüber 38,7 % in der Placebogruppe. Auch in der 56- und 90-Tages-Letalitätsrate zeigte sich kein Unterschied. Antithrombin ohne Heparin erhielten 698 Patienten; in dieser Subgruppe lag die Letalität bei 37,8 %, in der Placebogruppe bei 43,6 %, der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Auffallend war, dass die Patienten, die Antithrombin und Heparin erhielten, eine signifikant höhere Blutungsneigung aufwiesen (23,8 % in der Antithrombingruppe gegenüber 13,5 % in der Placebogruppe).
Praxistipp Nach momentaner Datenlage kann eine Antithrombintherapie mit dem Zielkriterium »Letalitätssenkung« bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock nicht empfohlen werden (s. auch 7 Anhang)!
Therapie mit GewebethromboplastinInhibitor (»tissue factor pathway inhibitor«, TFPI) Wirkungsspektrum Die extrinsische Aktivierung der Gerinnung wird durch Gewebefaktor (»tissue factor«, TF) getriggert. Wichtigster Inhibitor dieses Pfades ist der Gewebethromboplastin-Inhibitor (»tissue factor pathway inhibitor«, TFPI) [19]. TFPI ist ein trivalenter Inhibitor mit einem Molekulargewicht von 43 kD. Dieser inhibiert sowohl Faktor Xa als auch den Komplex aus TF und Faktor VIIa. TFPI ist überwiegend zellgebunden, nur 10–20 % finden sich im zirkulierenden Blut. Bei schweren Verletzungen mit Aktivierung des extrinsischen Systems steigt der TFPI-Plasmaspiegel an. Zudem bindet TFPI Endotoxin und hemmt im Tierversuch die endotoxininduzierte Produktion von Tumornekrosefaktor und NO. Endogener TFPI existiert in 3 Pools: 5 gebunden an der endothelialen Zelloberfläche, 5 gebunden an Lipoprotein, 5 gespeichert in Thrombozyten. In vitro verursacht die Exposition von Endothelzellen mit Thrombin, TNF oder Endotoxin die gesteigerte Synthese von TFPI, dessen Transport an die Zelloberfläche und die Freisetzung in das Blut.
Veränderungen bei Sepsis Der an die Endothelzellen gebundene TFPI-Pool scheint bei der schweren Sepsis verringert zu sein, während der im Blut zirkulierende TFPI Pool zunimmt [28].
517 Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem
Experimentelle Sepsistherapiestudien In Kenntnis der TFPI-Veränderungen bei Sepsis (s. oben) wurde die Hypothese aufgestellt, dass die exogene Zufuhr von rekombinant hergestelltem TFPI (rTFPI) die verminderten TFPI-Pools an den mikrovaskulären Endothelzellen normalisieren kann und damit eine Protektion der TF-bedingten Endothelzellschädigung bei der schweren Sepsis bewirken könnte. Zahlreiche tierexperimentelle Studien bestätigten, dass die Gabe von rTFPI das Überleben in meist tödlich verlaufenden Sepsismodellen verbessert. Rekombinanter TFPI war im Tiermodell allerdings nur dann effektiv, wenn rTFPI vor oder innerhalb von 4 h nach Sepsisinduktion gegeben worden war. Positive Effekte konnten auch auf Laborparameter der Inflammation und der Gerinnung gezeigt werden. So fanden sich reduzierte Zytokinspiegel (Interleukin–6 und -8, Tumornekrosefaktor). Mit rTFPI behandelte, überlebende Tiere hatten niedrigere Serumspiegel von Fas als Ausdruck einer verminderten Apoptose. Nachteilig waren die unter rTFPI beobachtete Verstärkung des sepsisinduzierten Blutdruckabfalls und ein Anstieg des schon erhöhten Herzindex.
Klinische Phase-II- und -III-Studien Eine randomisierte, placebokontrollierte PhaseII-Studie bei 210 Patienten mit schwerer Sepsis, bei denen rTFPI kontinuierlich mit 0,025–0,050 mg/ kgKG/h infundiert wurde, zeigte in der rTFPIGruppe eine tendenzielle, 20 %ige Reduktion der 28-Tages-Letalität [1]. Die Gabe von 0,025– 0,050 mg rTFPI/kgKG/h bei Patienten mit schwerer Sepsis war sicher. Sie führte zu einer Reduktion der Plasmaspiegel von Interleukin-6 und Thrombin-Antithrombin-Komplexen (TAT). In der folgenden Phase-III-Studie mit rTFPI zur Behandlung der schweren Sepsis konnte jedoch keine Verbesserung der 28-Tages-Überlebensrate der Patienten nachgewiesen werden [2, 17]. Praxistipp Bei Patienten mit schwerer Sepsis führt die Gabe von rTFPI zu keiner Senkung der 28-Tages-Letalität. rTFPI kann deshalb zur Behandlung nicht empfohlen werden.
21
Therapie mit aktiviertem Protein C Wirkungsspektrum Aktiviertes Protein C (aPC) hat ein sehr breites Wirkspektrum: 5 Aufgrund der Inaktivierung der Faktoren Va und VIIIa der intrinsischen Gerinnungskaskade verhindert aPC die Amplifizierung der Gerinnungskaskade und insbesondere die Neubildung von Thrombin. Neben der direkten antikoagulatorischen Wirkung inhibiert aPC also auch indirekt die proinflammatorischen Effekte von Thrombin. Da Thrombin den Fibrinolyse-Inhibitor TAFI aktiviert, zeigt aPC indirekt eine profibrinolytische Aktivität. Diese ist deutlich ausgeprägt, da aPC insbesondere auch direkt den stärksten Inhibitor der Fibrinolyse – PAI-1 – hemmt. 5 Auch auf der Ebene der Entzündungsreaktion nimmt aPC auf verschiedenen Ebenen Einfluss: APC vermindert die Expression von E-Selektin, was zu einer verminderten Adhäsion von neutrophilen Granulozyten am Endothel führt [30]. Weiterhin hemmt aPC die endotoxinvermittelte TNF-Freisetzung aktivierter Monozyten [32]. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass aPC auf vielfältige Weise intrazelluläre Zellsignale moduliert: So wird aPC über den endothelialen Protein-C-Rezeptor (EPCR) in die Zelle aufgenommen, wo es die NF-κB-vermittelten Signale unterbricht [8, 23]. Tierexperimentell führt die Blockade von EPCR bei subletaler Gabe von E. coli zum Kapillarlecksyndrom, zu erhöhten Interleukin6-Spiegeln und zu frühzeitigem Tod [56]. Kürzlich konnte ein Einfluss von aPC auch auf die Apoptose aufgezeigt werden [30, 38, 51]. In diesem Zusammenhang ist der proteaseaktivierbare Rezeptor 1 (»protease activated receptor 1«, PAR 1) der Endothelzelle zu nennen. PAR 1 wird durch Thrombin blockiert und durch aPC aktiviert. Hohe Konzentrationen und längere Stimulation von PAR 1 durch aPC vermögen die proinflammatorische Immunantwort und auch die Apoptose zu hemmen.
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Veränderungen bei Sepsis Bei Sepsis ist das Protein-C-System im Ungleichgewicht [33]. Einerseits finden sich niedrige Protein-C-Spiegel, anderseits ist die Aktivierung dieses Zymogens zum biologisch aktivierten Protein C eingeschränkt. Die niedrigen Spiegel lassen sich auf einen Verbrauch bei der Gerinnungsaktivierung zurückführen [60]. Die eingeschränkte Aktivierbarkeit ist auf eine verminderte Expression von Thrombomodulin auf der Endotheloberfläche bzw. eine vermehrte Abspaltung durch die Elastase polymorphkerniger Neutrophiler zurückzuführen [25, 55, 59]. Thrombomodulin bindet normalerweise Thrombin, das seine biologische Aktivität dadurch verliert. Der Thrombomodulin-Thrombin-Komplex aktiviert Protein C. Beide Mechanismen sind bei Sepsis eingeschränkt.
Fallberichte und Studien zum Einsatz von Protein C Aus Plasma gewonnenes inaktives Protein C wird zur Substitution bei Patienten mit einem angeborenen Mangel an Protein C (Purpura fulminans) eingesetzt. Für diese Indikation liegen verschiedene Falldarstellungen und Studien mit kleiner Fallzahl vor [24, 47, 52]. Ob diese bereits auf dem Markt befindliche Substanz auch bei Patienten mit Sepsis eingesetzt werden kann, muss als unbewiesen gelten, da entsprechende Studien derzeit nicht zur Verfügung stehen. Das Wissen, dass bei Sepsis eine Endotheldysfunktion mit verminderter Expression von Thrombomodulin vorherrscht und damit die Aktivierung von Protein C bei Sepsis beeinträchtigt ist, führte zu der Überlegung, Protein C in aktivierter Form zu substituieren [59]. Aktiviertes Protein C liegt heute als humanes rekombinantes Protein [Drotrecogin-α (aktiviert)] vor.
Phase-II-Studie zum Einsatz von aktiviertem Protein C Eine prospektive randomisierte Phase-II-Studie untersuchte die Auswirkung unterschiedlicher Dosen von Drotrecogin-α (aktiviert) auf D-Dimer- und Interleukin-6-Spiegel als Marker der Gerinnungsaktivierung und der inflammatorischen Prozesse bei Patienten mit schwerer Sepsis [11]. Insgesamt 131 Patienten erhielten 0, 12, 18, 24 oder
30 µg Drotrecogin-α (aktiviert)/kgKG/h kontinuierlich über 48 oder 96 h. Diese Phase-II-Studie zeigte, dass die Gabe von 24 µg Drotrecogin-α (aktiviert)/kgKG/h bei Patienten mit schwerer Sepsis über 96 h sicher war und zu einer deutlichen Reduktion von D-Dimer- und Interleukin-6-Spiegeln führte. Weiter wurde eine relative, nicht signifikante Reduktion der 28-Tages-Letalität um 15 % gezeigt.
Phase-III-Studie zum Einsatz von aktiviertem Protein C: PROWESS Studiendesign. Auf der dargestellten Phase-II-Stu-
die aufbauend wurde eine prospektive, randomisierte, placebokontrollierte, multizentrische Phase-III-Studie (PROWESS) durchgeführt, die die Wirksamkeit von Drotrecogin-α (aktiviert) auf das 28-Tages-Überleben von Patienten mit schwerer Sepsis als primäres Studienendziel untersuchte [13]. Eingeschlossen wurden diejenigen Patienten, bei denen die Kriterien einer schweren Sepsis bestanden und deren erstes sepsisinduziertes Organversagen vor nicht länger als 24 h aufgetreten war. In die PROWESS-Studie wurden 1690 dieser Patienten eingeschlossen, ehe die Studie nach einer Zwischenanalyse aufgrund des eindeutigen Überlebensvorteils der Studien- gegenüber der Placebogruppe abgebrochen wurde; 840 Patienten erhielten Placebo, 850 Patienten erhielten 24 µg Drotrecogin-α (aktiviert)/kgKG/h kontinuierlich über 96 h. Eine Dosisanpassung nach Alter, Nieren- oder Leberfunktion erschien nicht notwendig und wurde demzufolge auch nicht durchgeführt. Der APACHE-II-Score der Patienten betrug in beiden Gruppen durchschnittlich 25. Das mittlere Alter lag bei 60 Jahren. Die Infusion wurde im Durchschnitt 17 h nach Eintreten des sepsisinduzierten Organversagens begonnen. Pulmonale (53 %) und abdominelle Infektionen (29 %) waren die häufigsten Infektionsquellen. Mehr als 70 % der Patienten waren beatmet, mehr als 70 % im septischen Schock; 24 % der Patienten hatten ein Monoorganversagen, 30 % ein Versagen von 2 Organen und 25 % ein Versagen von 3 Organen (. Tabelle 21-2).
519 Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem
21
. Tabelle 21-2. Demographische Daten der PROWESS-Studie (n =1690) mit Ausgangsort der Sepsis, Verteilung der Erreger (grampositiv/-negativ) und Anteil der Organdysfunktionen. (Aus [13]) Placebo (n=840)
Drotrecogin-α (aktiviert; n=850)
Alter (Jahre)
60,6 ± 16,5
60,5 ± 17,2
APACHE-II-Score
25,0 ± 7,8
24,6 ± 7,6
Infektionsort: (%) Lunge Intraabdominell Harnwege Andere
53,6 19,9 10,2 16,3
53,6 20,0 10,0 16,4
Grampositiv/-negativ (%)
25,1/23,3
25,8/21,8
Grampositiv/-negativ Mischinfektion
13,9
15,6
Unklar (%)
37,7
36,8
Operation (elektiv/Notfall) (%)
6,2/21,2
5,8/20,7
1 Organdysfunktion (%)
24,2
25,3
2 Organdysfunktionen (%)
32,5
31,8
>2 Organdysfunktionen (%)
43,4
42,8
. Abb. 21-3. PROWESS-Studie [13]: Kaplan-Meier-Überlebenskurven von 850 Patienten mit schwerer Sepsis, welche Standardtherapie und Drotrecogin-α erhalten hatten (Verumgruppe; rhaPC), im Vergleich zu 840 Patienten mit schwerer Sepsis, welche Standardtherapie und kein Drotrecogin-α erhalten hatten (Placebogruppe; Placebo).
[%]
n
Studienergebnis. Das entscheidende Ergebnis war
die signifikante Senkung der 28-Tages-Sterblichkeit in der mit Drotrecogin-α (aktiviert) behandelten Gruppe um 6,1 % gegenüber der Placebogruppe (24,7 % vs. 30,8 %; p = 0,004). Die Kaplan-
Meier Überlebenskurve zeigt . Abb. 21-3. Das relative Risiko zu versterben konnte um 19,4 % gesenkt werden, d. h. dass durch die Behandlung mit Drotrecogin-α (aktiviert) in PROWESS einer von 5 Patienten, die sonst verstorben wären, überleb-
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Kapitel 21 · Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C…
te. Der Überlebensvorteil dieser Substanz lässt sich klinisch insbesondere durch die raschere Stabilisierung der Herz-Kreislauf-Situation innerhalb der ersten Tage und die schnellere Entwöhnung von der Beatmung über 28 Tage gegenüber der Kontrollgruppe erklären [45]. Subgruppenanalyse und daraus resultierende Zulassungsindikationen. Eine Subgruppenanalyse
zeigte, dass der Überlebensvorteil in PROWESS am ausgeprägtesten bei schwerkranken Sepsispatienten mit einem APACHE-II-Score von >25 bzw. bei Auftreten von mindestens 2 sepsisinduzierten Organversagen war. Aufgrund dieser Datenlage wurde Drotrecogin-α (aktiviert) in den USA zur Behandlung von Patienten mit schwerer Sepsis und hohem Risiko zu versterben (z. B. bestimmt durch den APACHE-II-Score) zugelassen. In Europa wurde Drotrecogin-α (aktiviert) zur intensivmedizinischen Behandlung erwachsener Patienten mit schwerer Sepsis und multiplem Organversagen (mindestens 2 Organdysfunktionen) zugelassen. Sicherheitsprofil. Das Sicherheitsprofil von Dro-
trecogin-α (aktiviert) wird durch seine antikoagulatorische Potenz bestimmt. Die einzigen beobachteten Nebenwirkungen waren Blutungen. So war die Inzidenz schwerer Blutungen über die gesamte Studiendauer zwar nicht erhöht (3,5 % vs. 2 %; p = 0,06); allerdings weist die höhere Anzahl schwerer Blutungen mit 2,4 % gegenüber 1,0 %
(p = 0,024) während der Drotrecogin-α-(aktiviert) Infusion auf ein erhöhtes Blutungsrisiko während der Gabe hin (. Tabelle 21-3). Die Beobachtungen erklären sich einerseits durch die sehr kurze Halbwertszeit der Substanz im Bereich von 13 min, andererseits durch die sepsisbedingte Koagulopathie mit Blutungen auch in der Placebogruppe. Patienten mit Begleiterkrankungen, die per se ein erhöhtes nichtsepsisbedingtes Blutungsrisiko aufwiesen, wurden nicht in PROWESS eingeschlossen, sodass Kontraindikationen und Warnhinweise besonders beachtet werden sollten (s. nachfolgende Übersicht). Die gleichzeitige Applikation von Heparin zur Thromboseprophylaxe führt zu keiner gesteigerten Blutungsneigung oder -komplikation. Eine aktuelle Analyse des Einsatzes von Drotrecogin-α- (aktiviert) bis April 2002 bestätigt seine Sicherheit [45]. Im Rahmen klinischer Studien liegt die Rate schwerwiegender Blutungsereignisse zwischen 2 % und 3,7 %, die von fatalen Blutungen während der Infusion bei 0,4 %. Schwerwiegende Blutungen waren zu 42 % mit intensivmedizinischen Prozeduren assoziiert. Die Inzidenz intrakranieller Blutungen lag bei 0,5 % während des Infusionszeitraums und bei 1,1 % während der folgenden 28 Tage. Sie waren insbesondere mit Thrombozytopenie und Meningitis assoziiert.
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. Tabelle 21-3. PROWESS-Studie [13]: Abhängigkeit der Letalität vom APACHE-II-Score, unterteilt in 4 Schweregradgruppen Relatives Risiko (95%-Konfidenzintervall)
Schwere Blutungen [%] rhaPC
Placebo
12
1,25 (0,78–2,02)
4
0
18,3 (2,7–*); p=0,003
23
26
0,88 (0,63–1,22)
1
2
0,5 (0,004–6,1); p=1,0
25–29
24
36
0,66 (0,48–0,91)
3
0
10,3 (1,4–*); p=0,02
30–53
38
49
0,78 (0,65–0,96)
1
1
1,1 (0,04–32,2); p=1,0
17
Apache-IIScore
28-Tages-Mortalität [%] rhaPC
Placebo
18
3–19
15
19
20–24
20
* Die Obergrenze des 95%-Konfidenzintervalls ist eine sehr große Zahl. rhaPC Drotrecogin-α.
Relatives Risiko
521 Therapiestrategien mit Eingriff in das Gerinnungssystem
Kontraindikationen und Warnhinweise zum Einsatz von Drotrecogin-α (aktiviert) 5 Akute Blutung oder erhöhtes Risiko für eine schwere oder lebensbedrohliche Blutung 5 Bekannte oder angeborene Blutungsneigung, außer sepsisinduziert 5 Intrakranielle oder rückenmarksnahe Operation vor weniger als 2 Monaten 5 Hirninfarkt mit hämorrhagischer Infarzierung vor weniger als 3 Monaten 5 Intrakranielle Blutung/Schädigung/Verletzung/Neoplasie 5 Zeichen einer zerebralen Herniation 5 Epiduralkatheter, geplante Anlage oder Entfernung (<12 h) eines Epiduralkatheters 5 Bekannte Allergie oder Überempfindlichkeit gegen rhaPC oder einen anderen Inhaltsstoff der Präparation 5 Heparintherapie mit >15 IE Heparin/ kgKG/h 5 Thrombozytenzahl von <30/nl 5 Chronische Lebererkrankung (INR >3,0) 5 Gastrointestinale Blutung vor <6 Wochen 5 Einnahme oder Gabe von Warfarin, Glykoprotein-IIb-/-IIIa-Antagonisten, Acetylsalicylsäure oder anderer Thrombozytenaggregationshemmer (vor <7 Tagen) 5 Thrombolysetherapie (vor <3 Tagen) 5 Ischämischer Hirninfarkt (vor <3 Monaten) 5 Intrakranielle arteriovenöse Malformation oder Aneurysma 5 Erhöhtes, signifikantes Blutungsrisiko oder potenziell schwer zu stillende Blutung 5 Schwangerschaft und Stillzeit
Auch chirurgische Patienten profitieren! 25 % der Patienten in der PROWESS-Studie erlitten die Sepsis im Rahmen einer Operation, und die Gesamtbetrachtung dieses Subkollektivs ergibt keinen Hinweis darauf, dass diese Gruppe nicht von Drotrecogin-α (aktiviert) profitiert. Nun liegen auch für dieses Patientengut weitere Analysen vor [7]. Insbesondere die Subgruppe der Patienten mit abdominalchirurgischen Eingriffen (n = 315) pro-
21
fitierte signifikant von der Behandlung mit Drotrecogin-α (aktiviert) (Verum: 21,5 % vs. 30,6 %). Da bei Patienten mit schwerer Sepsis chirurgische oder interventionelle Herdsanierungen bzw. Revisionseingriffe – wie programmierte Peritoneallavage, geplantes Débridement bei Weichteilinfektionen oder Tracheotomien – erforderlich sind, ist hierzu eine Anpassung der Infusion von Drotrecogin-α (aktiviert) zwingend. Praxistipp 2 h vor Prozeduren mit möglichem Blutungsrisiko bis 12 h nach großen invasiven Eingriffen sollte die Infusion von Drotrecogin-α (aktiviert) gestoppt werden. Nach unkomplizierten Eingriffen ist ein unmittelbarer Beginn der Infusion bei adäquater Hämostase möglich.
Die offene Behandlungsstudie ENHANCE. Nachdem die PROWESS-Studie aufgrund der nachgewiesenen Effektivität vorzeitig abgebrochen worden war, um den Placebopatienten nicht ein wirksames Medikament vorzuenthalten, wurde die offene Behandlungsstudie ENHANCE mit gleichen Ein- und Ausschlusskriterien weltweit begonnen. Auch die notfallmäßige Behandlung von Patienten mit Drotrecogin-α (aktiviert) durch kurzfristigen Studieneinschluss wurde über ein sog. »Compassionate-use«-Programm ermöglicht. Mittlerweile liegen die Wirksamkeitsergebnisse vor, die den günstigen Einfluss von Drotrecogin-α (aktiviert) durch Konsistenz der Ergebnisse bestätigen [12]. Die 28-Tages-Letalität mit Drotrecogin-α (aktiviert) lag in der ENHANCE-Studie bei 25,3 % und in der »Compassionate-use«Studie bei 26,1 %. Damit sind im Rahmen klinischer Studien weltweit insgesamt 2786 Patienten mit schwerer Sepsis mit Drotrecogin-α (aktiviert) behandelt worden. Langzeitüberleben. Auch der Frage nach dem
Langzeitüberleben der PROWESS-Patienten wurde nachgegangen [4, 40]. Der Überlebensvorteil mit Drotrecogin-α (aktiviert) gegenüber der Placebogruppe war bezüglich der 28-, 30-, 60- und 90-Tages-Letalität sowie der Krankenhausletalität signifikant. Danach ist der Überlebensvorteil
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Kapitel 21 · Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C…
nicht mehr signifikant, da nun nichtseptisch bedingte Faktoren, wie Alter und Begleiterkrankungen, das Überleben bzw. Sterben des Patienten bedingen. Positiv fiel weiter auf, dass 75 % der durch Drotrecogin-α (aktiviert) zusätzlich überlebenden Patienten nach Hause entlassen werden konnten. Praxistipp In Europa wurde die rekombinante Form des endogenen aktivierten Protein C [Drotrecogin-α (aktiviert); Xigris] zur intensivmedizinischen Behandlung »erwachsener Patienten mit schwerer Sepsis und multiplem Organversagen (mindestens 2 Organdysfunktionen)« zugelassen. Für diese Patientengruppe ist die letalitätssenkende Wirkung des Drotrecoginα (aktiviert) mit hohem Evidenzgrad belegt.
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Fazit für die Praxis Bei der Behandlung des Patienten mit schwerer Sepsis und Organversagen stehen die Fokusidentifikation und -sanierung, einschließlich adäquater antimikrobieller Therapie, und die zielgerichtete Kreislaufstabilisierung im Vordergrund (s. auch 7 Kap. 4). Diese schaffen die Voraussetzung dafür, dass in das Gerinnungssystem eingreifende Therapien eingesetzt werden können. Die kontinuierliche Zufuhr von niedrigdosiertem Heparin gehört auf vielen Intensivstationen zur Standardtherapie septischer Patienten, obgleich Daten zur Wirksamkeit bei dieser Patientengruppe derzeit nicht vorliegen. Bei disseminierter intravasaler Gerinnung kann Heparin in Abhängigkeit vom Stadium niedrigdosiert eingesetzt werden. Eine therapeutische Heparinisierung von Patienten mit Sepsis kann nicht empfohlen werden. Ebenso wenig lässt sich aufgrund der aktuellen Datenlage eine Therapie mit Antithrombin, rTFPI oder inaktivem Protein C bei Patienten mit Sepsis begründen. Mit Drotrecogin-α (aktiviert), einer rekombinanten Form des endogenen aktivierten Protein C, steht erstmalig ein Medikament zur Verfügung, für das ein Überlebensvorteil für Patienten
mit schwerer Sepsis nachgewiesen werden konnte. Die Substanz ist für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit schwerer Sepsis mit multiplem Organversagen zusätzlich zur Standardtherapie zugelassen und steht unter dem Handelsnamen Xigris zur Verfügung. Die Dynamik der schweren Sepsis macht schnelle Entscheidungen notwendig. Gelingt es unter optimaler Standardtherapie nicht, den septischen Patienten zu stabilisieren, und besteht das Organversagen nicht deutlich länger als 48 h, sollte eine Therapie mit Drotrecogin-α (aktiviert) begonnen werden (s. auch 7 Anhang).
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21 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 21 · Heparin, Antithrombin, Gewebethromboplastin-Inhibitor und aktiviertes Protein C…
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22 Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen C. Pechlaner, C.J. Wiedermann
Einleitung
– 525
Aktiviertes Protein C – PROWESS Antithrombin III – KyberSept
– 527
Gewebefaktorweginhibitor (TFPI)
– 528
PROWESS – Ist Protein C wirksam?
– 529
Fazit für die Praxis Literatur
– 535
– 536
Abkürzungen 5 95 %-KI 95 %-Konfidenzintervall 5 anti-Pg Prostaglandininhibitoren 5 Anti-TNF Inhibitoren von Tumornekrose5 APACHE 5 a-rhPC 5 5 5 5
– 526
ARR AT3 FDA IL-1-RA
5 NNT
faktor »Acute Physiology And Chronic Health Evaluation« aktiviertes rekombinantes humanes Protein C absolute Risikoreduktion Antithrombin III »Food and Drug Administration« Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten »number needed to treat« = Zahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um einen Todesfall zu verhindern
5 PAF-RA
Antagonisten gegen den Rezeptor von plättchenaktivierendem Faktor 5 RRR relative Risikoreduktion 5 rTFPI »recombinant tissue factor pathway inhibitor« 5 sol TNF-R löslicher Tumornekrosefaktorrezeptor
Einleitung Die Sepsis ist mit intravasaler Gerinnungsaktivierung assoziiert. Die disseminierte intravasale Gerinnung spielt eine Rolle in der Pathogenese der septischen Multiorgandysfunktion. Die disseminierte Gerinnung ist einerseits Folge systemischer Inflammation, Dysfunktion und Schädigung, v. a. des Endothels. Andererseits kann sie Obstrukti-
526
22 3
on der Mikrozirkulation, Ischämie und Organdysfunktion verursachen. Die Ergebnisse der ersten großen klinischen Studien mit antikoagulanten Proteinen zur Therapie der schweren Sepsis wurden im Jahre 2001 publiziert.
Aktiviertes Protein C – PROWESS
5
Publizierte Ergebnisse
6
Die Behandlung der schweren Sepsis mit Drotrecogin-α (aktiviert), einem aktivierten rekombinanten humanen Protein C (a-rhPC), war in der PROWESS-Studie [4] nach 28 Tagen mit einer niedrigeren Mortalität (24,7 %), verglichen mit Placebo (30,8 %), assoziiert (. Abb. 22-1). Etwas mehr als die Hälfte der Todesfälle trat innerhalb der ersten Woche auf. Die Publikation vermerkte einen konsistenten, mortalitätsreduzierenden Effekt von Drotrecogin-α (aktiviert) in allen prospektiv definierten Subgruppen, die Daten wurden aber nicht explizit dargestellt. Schwere Blutungen traten bei 3,5 % der mit a-rhPC Behandelten auf, in der Placebogruppe bei 2,0 % (p = 0,06). Die zusätzliche Heparingabe be-
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
. Abb. 22-1. Die primären Studienergebnisse von PROWESS. Grau unterlegt ist der Zeitraum der Studienmedikationsinfusion. a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C; ARR absolute Risikoreduktion; RRR relative Risikoreduktion; NNT »number needed to treat« = Zahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um einen Todesfall zu verhindern; 95 %-KI 95 %-Konfidenzintervall. (Nach [4])
. Abb. 22-2. Während Infusion von aktivierem Protein C (a-rhPC) sinkt die Konzentration von D-Dimer im Vergleich zu Placebo. Grau unterlegt ist der Zeitraum der Studienmedikationsinfusion. (Nach [4])
100 a–rhPC 80 75,3 % Überlebende [%]
7
l]
4
einflusste nicht die Blutungsrate bei a-rhPC-Behandelten. Thrombotische Ereignisse traten bei 2,0 % der a-rhPC-Gruppe und 3,0 % der Placebogruppe auf. Unter Behandlung mit a-rhPC waren die Plasmakonzentrationen von D-Dimer (. Abb. 22-2) signifikant niedriger als mit Placebo. Keiner der Behandelten entwickelte messbare neutralisierende Antikörper gegen Drotrecogin-α (aktiviert).
[
21
Kapitel 22 · Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen
69,2 %
Placebo 60
40
n Tod % Blutung
a–rhPC 850 210 24,7 3,5
ARR RRR NNT p
6,1% 19,4% 16,4 0,006
18 19 20
20
7 14 21 Tage nach Infusionsbeginn
28
Placebo 840 259 30,8 2,0% 96%–Kl 2–10 6–30
527 Antithrombin III – KyberSept
Publizierte Methodik
Primärer Endpunkt war die Mortalität bis zum 28. Tag nach Infusionsbeginn. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, gemäß dem vor Studienbeginn definierten Mortalitätsunterschied zwischen beiden Gruppen. Die Firma Eli-Lilly sponsorte die Studie und stellte 3 der 11 Autoren.
Antithrombin III – KyberSept Publizierte Ergebnisse Die Behandlung der schweren Sepsis mit hochdosiertem humanem Antithrombin III (AT3) war in der KyberSept-Studie [10] bis zum Tag 28 mit einer Mortalität von 38,9 % assoziiert. Die Mortalität im Placeboarm war gleich (38,7 %; . Abb. 22-3). Weder in den sekundären Endpunkten (z. B. Mortalität nach 90 Tagen, Zeitdauer auf der Intensivstation, Inzidenz neuer Organdysfunktionen) noch in einer der analysierten Subgruppen (z. B. Sepsisschweregrad, Alter, Geschlecht, Schock) fand sich ein überlegener Effekt von Antithrombin III verglichen mit Placebo. Nur der Vergleich von Patienten, die während der Tage mit Studienmedikation kein zusätzliches Heparin erhalten hatten, ergab eine statistisch signifikant niedrigere (p = 0,03)
AT III
kein Heparin
37,8 44,9
AT III
alle
38,9
[
]
PROWESS (»Recombinant Human Activated Protein C Worldwide Evaluation in Severe Sepsis«) rekrutierte Patienten mit schwerer Sepsis, definiert als (vermutlich) infektbedingte systemische Inflammation gemäß einer umfangreichen Liste mit Ein- und Ausschlusskriterien. Von 1998 bis 2000 rekrutierten 164 Zentren in 11 Ländern 1728 Patienten. Bei 38 Patienten wurde kein Studienmedikament verabreicht. Diese 38 Patienten verteilten sich gleichmäßig zwischen beiden Studienarmen. Analysen per Protokoll (n = 1690) zeigten dasselbe Ergebnis wie Analysen nach »intention to treat« (n = 1728). Die rekrutierten Patienten wurden zentral und blockweise randomisiert. Die beiden Vergleichsgruppen waren zu Studienbeginn gut vergleichbar, gemessen v. a. an Alter, Geschlechterverteilung, primär infiziertem Organ (zu etwa 50 % die Lunge), Schweregrad und Verteilung der Organdysfunktionen sowie der Plasmakonzentrationen von Protein C, Interleukin-6 und D-Dimer. Die Behandlung erfolgte doppelblind, entweder mit NaCl oder mit Drotrecogin-α (aktiviert) (Xigris), 24 µg/kgKG/h. Die Infusion begann innerhalb von 24 h nach Erfüllen der Einschlusskriterien und dauerte jeweils 96 h (kontinuierlich i. v.).
Tage nach Infusionsbeginn
22
. Abb. 22-3. Die primären Studienergebnisse von KyberSept. Grau unterlegt ist der Zeitraum der Studienmedikationsinfusion. (Nach [10])
528
21 22 3 4 5 6 7
Kapitel 22 · Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen
Mortalität an Tag 90 bei den mit AT3-Behandelten (44,9 %) verglichen mit Placebo (52,2 %; . Abb. 223). Die Hälfte der Todesfälle trat innerhalb der ersten Woche auf. Schwere Blutungen traten bei 10 % der mit AT3 Behandelten auf, in der Placebogruppe bei 5,7 % (p = 0,06). Die zusätzliche Heparingabe war mit einer höheren Inzidenz schwerer Blutungen assoziiert (AT3: 10,9 %; Placebo: 6,2 %), verglichen mit Patienten ohne zusätzliches Heparin (AT3: 7,9 %; Placebo: 4,6 %). Die Inzidenzen anderer Komplikationen unterschieden sich nicht zwischen Verum- und Placebogruppe; diese Daten wurden nicht im Detail präsentiert.
8
Publizierte Methodik
9
KyberSept rekrutierte Patienten mit schwerer Sepsis, definiert als (vermutlich) infektbedingte systemische Inflammation gemäß einer Liste von Einschlusskriterien mit Grenzwerten physiologischer Parameter (Temperatur, Leukozytenzahlen, Herz- und Atemfrequenz, Blutdruck, Thrombopenie, Laktatwert) und expliziten Indikatoren für Schock und Organdysfunktion (Respiratorbeatmung, Oligurie, Vasopressoreinsatz, Azidose). Insgesamt 211 Zentren in 19 Ländern rekrutierten 2314 Patienten für die Analyse der primären Effektivität (»intention to treat«). Bei 548 Patienten (23,7 %) wurde das Protokoll nicht eingehalten, z. B. erhaltene Dosis <90 %, nicht erlaubte Zusatzmedikation, nicht korrekte Ein- oder Ausschlusskriterien. Fälle mit Protokollverletzung verteilten sich gleichmäßig auf beide Studienarme. Somit verblieben von den 2314 primären Patienten 1776 (76,7 %) für die Per-Protokoll-Analyse. Die Ergebnisse der Per-Protokoll-Analyse unterschieden sich nur marginal von den Ergebnissen der »Intention-to-treat«-Analyse. Die rekrutierten Patienten wurden zentral und blockweise randomisiert. Die beiden Vergleichsgruppen waren zu Studienbeginn gut vergleichbar, gemessen an Alter, Geschlechtsverteilung, Komorbiditäten, primär infiziertem Organ, Schweregrad und Verteilung der Organdysfunktionen sowie der Plasmakonzentration von Antithrombin III.
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Die Behandlung erfolgte doppelblind, entweder mit NaCl oder mit hochdosiertem Antithrombin III. Das verwendete Antithrombinkonzentrat wurde in der Publikation nicht spezifiziert. Verwendet wurde das Antithrombin-III-Konzentrat Kybernin P des Sponsors Aventis, hergestellt aus gepoolten Normalplasmaspenden, zur Virusinaktivierung pasteurisiert und mit Ammoniumsulfat präzipitiert. Mit dem Ziel supraphysiologischer AT3-Plasmakonzentrationen wurden nach einem initialen Bolus von 6000 Einheiten täglich weitere 6000 Einheiten kontinuierlich i.v. infundiert, insgesamt 96 h lang. Primärer Endpunkt war die Mortalität bis zum 28. Tag nach Infusionsbeginn in der »Intentionto-treat«-Analyse. Prospektiv definiert wurden sekundäre Endpunkte (Überlebensdauer, auf der Intensivstation verbrachte Zeit, Auftreten neuer Organdysfunktionen) und Subgruppenanalysen (Klassen von Sepsisschweregraden, Antithrombin-III-Spiegel und Begleitmedikation mit Heparin). Die Firma Aventis sponsorte die Studie und stellte 5 der 17 Autoren. Die Rolle des Sponsors bei Randomisierung, Datensammlung, Auswertung und Publikation wurde klar beschrieben. Die Datenerhebung wurde überwacht von einem Auftragsforschungsinstitut, vom Sponsor und vom »Steering Committee«. Der Vorsitzende dieses Komitees und Seniorautor der Publikation, S.M. Opal, überprüfte alle Primärdaten und alle statistischen Analysen.
Gewebefaktorweginhibitor (TFPI) Kein Einfluss auf Sepsismortalität in Phase III Das Unternehmen Chiron teilte im November 2001 mit, dass die Phase-III-Studie mit Tifacogin, rekombinantem TFPI (rTFPI; »tissue factor pathway inhibitor«) nicht das erhoffte Ergebnis geliefert hatte. Die Tifacoginbehandlung war ohne nachweisbaren Einfluss auf die 28-Tages-Mortalität bei 1754 Patienten mit schwerer Sepsis und iNR >1,2 (OPTIMIST [9]). Von 880 Tifacogin-Behandelten starben 34,2 %, mit Placebo 33,9 % von 874. Schwe-
529 PROWESS – Ist Protein C wirksam?
22
[%]
! Drotrecogin-α (aktiviert) wäre das erste innova-
. Abb. 22-4. Überlebensrate mit rekombinantem Gewebefaktorweginhibitor (rTFPI) und Placebo in der Phase-II-Studie. (Nach [2])
re Blutungen traten bei 4,8 % in der Placebo-Gruppe auf, in der Tifacogin-Gruppe bei 6,5 %.
Phase-II-Ergebnisse waren vielversprechend Experimentelle Daten und eine klinische PhaseII-Studie hatten eine Mortalitätssenkung bei Sepsis durch Behandlung mit rTFPI erwarten lassen [2]. In einer prospektiven Dosiseskalationsstudie war rTFPI randomisiert gegen Placebo bei 210 Patienten mit schwerer Sepsis verabreicht worden. Die 28-Tages-Mortalität betrug mit rTFPI 30 %, mit Placebo 38 % (p = 0,3). Schwere Blutungen traten mit rTFPI bei 9 % auf, mit Placebo bei 6 % (p = 0,4; . Abb. 22-4).
PROWESS – Ist Protein C wirksam? PROWESS im Kontext Die Schlussfolgerung der PROWESS-Publikation lautete: »Behandlung mit Drotrecogin-α senkt die Mortalität von Patienten mit schwerer Sepsis signifikant«, von 31 % auf 25 %.
tive Arzneimittel, das die Überlebenschancen von Patienten mit schwerer Sepsis in klinisch relevantem Maß erhöht.
Seit 20 Jahren haben multizentrische, randomisierte, placebokontrollierte Studien zu neuen Behandlungsstrategien der schweren Sepsis enttäuschende Ergebnisse geliefert. Die untersuchten Interventionen haben die Überlebensrate bestenfalls marginal verbessert, manche haben unerwartete Schäden verursacht, keine der Substanzen wurde in die klinische Praxis übernommen [6, 7, 8]. Zahlreiche entzündungsmodulierende Therapiestrategien haben enttäuscht. Sowohl die Sepsis selbst als auch die zugrunde liegende Pathophysiologie haben sich bisher bemerkenswert resistent gegen eine einfache, allgemein akzeptierte und zugleich praxisrelevante Definition erwiesen. Entzündliche Mechanismen spielen eine wesentliche Rolle, wobei eine Vielzahl von Mediatoren und Modulatoren mitwirken. Neben systemischer Entzündung prägen weitere Faktoren Verlauf und Überlebenswahrscheinlichkeit, z. B. disseminierte Gerinnung oder Dysfunktion von Endothel und anderen Organen/Organsystemen. Dies alles legt nahe, dass von der isolierten Manipulation (»Zauberkugel«) eines einzigen Mediatormechanismus auch in Zukunft kein wesentlicher Effekt zu erwarten ist. Es ist unwahrscheinlich, dass entzündliche Prozesse durch die antiinflammatorischen Nebenwirkungen von Gerinnungshemmern stärker gehemmt werden als durch die bisher untersuchten, direkt entzündungshemmenden Therapiestrategien. Von den 3 untersuchten Gerinnungshemmern haben 2 die Sepsismortalität in zumindest einer großen Studie nicht senken können (Antithrombin III, TFPI). Ineffektiv waren auch bisherige Studien mit Substanzen, die sowohl Entzündung als auch Thrombozytenaktivierung hemmen (Hemmung von plättchenaktivierendem Faktor, Prostaglandinhemmer; [6, 7]). Die potenziell enormen Behandlungskosten erfordern schon für sich allein eine gründliche Abwägung gegen den zu erwartenden Nutzen. Der Preis einer Behandlung mit aktiviertem Protein C
530
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Kapitel 22 · Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen
liegt zwischen 5000 und 10.000 Euro. Der Hersteller eines innovativen Medikaments steht unter beträchtlichem ökonomischem Druck. Die Aktionäre reagierten bemerkenswert rasch auf die Ergebnisse der 3 hier besprochenen Studien. Wenn derartig große ökonomische Interessen im Spiel sind, müssen Daten zur Effektivität, Sicherheit und Studienqualität besonders gründlich überprüft werden.
Schwächen der PROWESS-Publikation In der PROWESS-Publikation wurde die Rolle des Sponsors bei Datenerhebung, Analyse und Formulierung nicht explizit beschrieben. Nicht explizit beschrieben wurden auch Maßnahmen zur Sicherung der Verblindung oder wer die Rohdaten einsah und kontrollierte. Die Feststellung, dass in allen Subgruppenanalysen »ein konsistenter Effekt von Drotrecogin zu beobachten« war, wurde nicht durch exakte Zahlen belegt. Von den aufgelisteten Vorerkrankungen war nur die arterielle Hypertonie in der Drotrecogingruppe häufiger festzustellen (38,2 % verglichen mit 35,0 % in der Placebogruppe). Alle anderen 8 Vorerkrankungen waren in der Placebogruppe häufiger vertreten, z. B. Myokardinfarkt (14,4 % vs. 12,1 %), COPD (26,1 % vs. 22,2 %) und Diabetes mellitus (22,4 % vs. 20,7 %). Mehr Placebo- als Verumpatienten waren zu Studienbeginn maschinell beatmet (77,6 % vs. 73,3 %), und mehr Placebopatienten erhielten Vasopressoren (75,5 % vs. 71,8 %).
Einzelne dieser Unterschiede waren statistisch signifikant [11]. Die Originalpublikation hat diese Unterschiede nicht diskutiert und nicht angegeben, in welchem Ausmaß eine entsprechende statistische Korrektur (Adjustierung) das Studienergebnis geändert hätte. Die Studie führt keine Daten an, die eine Abschätzung erlauben, wie rasch und wie adäquat die antibiotische Therapie durchgeführt wurde und ob Placebo- und Verumgruppe diesbezüglich vergleichbar waren. Die Mortalität war in der PROWESS-Studie bemerkenswert niedrig. Eine derart niedrige Mortalität wurde in kaum einer anderen Sepsisstudie angegeben (. Abb. 22-5). Eine Mortalitätsreduktion bis zum 28. Tag ist ein fragwürdiger Gradmesser für den Behandlungsnutzen. Bemühungen um Lebensverlängerung können zu Verlängerung von Sterben und Leiden führen. Dieses Dilemma gehört zum Alltag der Intensivstation. Die PROWESS-Publikation enthält keine Daten zur Lebensqualität der Überlebenden bis zum 28. Tag. Überlebensrate und Lebensqualität nach z. B. 3 Monaten wurden nicht mitgeteilt.
PROWESS-Evaluierung vor der FDA Die Arzneimittelzulassungsbehörde der USA (FDA) hat Drotrecogin-α (aktiviert) (Xigris) im November 2001, vorerst mit Auflagen, zugelassen. Die Sitzungsunterlagen und -protokolle der Anhörungen sind über das Internet öffentlich zugäng-
Antithrombin III
a-rhPC
Anti-Pg
sol TNF-R
20
Anti-TNF
19
PAF-RA
18
Antibradykinin
17
. Abb. 22-5. Mortalität in Placebogruppen diverser großer klinischer Sepsisstudien. IL-1-RA Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten; Antibradykinin Bradykininantagonisten; PAF-RA Antagonisten gegen den Rezeptor von plättchenaktivierendem Faktor; Anti-TNF Inhibitoren von Tumornekrosefaktor; sol TNF-R löslicher Tumornekrosefaktorrezeptor; Anti-Pg Prostaglandininhibitoren; a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C (PROWESS). (Nach [4, 7, 10])
IL-1RA
16
[ ]
15
531 PROWESS – Ist Protein C wirksam?
lich [1, 3]. Sie enthalten bemerkenswerte Informationen.
Änderung des Studienprotokolls
[
. Abb. 22-6. Überlebensraten vor und nach Änderung des Studienprotokolles in PROWESS. Grau unterlegt ist der Zeitraum der Studienmedikationsinfusion. a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C. (Nach [3])
]
Das Studienprotokoll wurde nach etwa der Hälfte der Studienlaufzeit geändert, die Liste umfasste 18 Punkte, darunter: 5 Die Definition primärer und sekundärer Endpunkte wurde geändert. 5 Ein- und Ausschlusskriterien wurden geändert, mit Schwerpunkt auf Ausschluss von nichtseptisch bedingten Erkrankungen oder Organkomplikationen, z. B. Ausschluss von Transplantierten, Moribunden und von Patienten, deren Angehörige keine aggressiven Therapiemaßnahmen mehr wünschten; weiterhin Pankreatitis ohne nachgewiesene Infektionsquelle und jegliches Organversagen, das bei Erfüllung der Einschlusskriterien schon länger als 24 h vorbestand. Die geänderten Selektionskriterien änderten die Studienpopulation, z. B. stieg der Anteil der Patienten ohne Komorbiditäten von 55 % mit dem ursprünglichen Protokoll auf 73 % mit dem geänderten Protokoll. Insgesamt 81 Patienten (11 %) im ursprünglichen Protokoll wären nach den Kriterien des geänderten Protokolls nicht eingeschlossen worden. 5 Teilnehmende Zentren wurden geändert: 20 Zentren, die unter dem ursprünglichen
22
Protokoll teilnahmen, wurden von der weiteren Studienteilnahme ausgeschlossen. Diese Zentren hatten 52 Patienten rekrutiert. Diese Patienten hatten einen schwereren klinischen Sepsisgrad (Organdysfunktionsscores). Mit der Protokolländerung wurden 45 neue Behandlungszentren aufgenommen, die dann 175 Patienten rekrutierten. 5 Placebo wurde geändert, von NaCl 0,9 % auf Humanalbumin 0,1 %.
Änderung der Studienmedikation Wenige Monate nach Änderung des Studienprotokolls änderte der Sponsor den Herstellungsprozess von a-rhPC. In zahlreichen Analysen wurde kein Unterschied zwischen »bulk drug substance 2« (»BDS2«) und der neu hergestellten Substanz »BDS2+« gefunden.
Sepsismortalität vor und nach Methodenänderung Die 28-Tages-Mortalität vor und nach diesen Änderungen unterschied sich auffällig (. Abb. 22-6, . Tabelle 22-1). Vor Protokolländerung unterschied sich die Mortalität zwischen a-rhPC und Placebo kaum, danach sank die Mortalität im a-rhPC-Studienarm auffällig (. Abb. 22-7).
532
21 22 3
Kapitel 22 · Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen
. Tabelle 22-1. Mortalität vor und nach Änderung des Studienprotokolls in PROWESS. (Nach [3]) Protokoll
Arm
Patientenzahl (n)
Patienten (n) verstorben (Tag 28)
Ursprünglich
Placebo a-rhPC
360 360
109 102
30% 28%
p=0,6
Geändert
Placebo a-rhPC
480 490
150 108
31% 22%
p=0,001
4
6
a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C.
[%]
5
7 8 9 10 11 12 13
/98
/01
08
/99
/98
/01
11
/01
02
/99
/99
/01
05
/01
08
/00
/99
/01
11
/01
02
/00
/01
05
/00
/01
07
. Abb. 22-7. Kumulative Mortalität im zeitlichen Verlauf in PROWESS. Die Linie A markiert den Zeitpunkt der Protokolländerungen. Die Linie B kennzeichnet den Zeitpunkt des geänderten Produktionsprozessen von a-rhPC. a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C. (Nach [3])
14 15 16 17 18 19 20
Inhomogene Mortalitätssenkung in Subgruppen Der Mortalitätsunterschied war nur in der Patientengruppe mit einem APACHE-II-Score von >25 nachzuweisen (. Abb. 22-8). Die Xigrisproduktinformation (http://www.aboutxigris.com) enthält diese Information in Tabellenform (. Tabelle 22-2). Dementsprechend nahm auch die absolute Mortalitätsdifferenz zwischen beiden Studiengruppen mit zunehmender Zahl dysfunktionaler Organe kontinuierlich zu. Bei Patienten mit Schock war a-rhPC mit einer Mortalitätsreduktion assoziiert, aber nicht bei Patienten ohne Schock (. Tabelle 22-3).
Bei Patienten, die während der Studienmedikation zusätzlich (nichtrandomisiert) Heparin erhalten hatten, unterschied sich die Mortalität zwischen a-rhPC und Placebo nur um 3 %. Bei den Patienten ohne zusätzliche Heparingabe war die Mortalität mit a-rhPC um 15 % niedriger als mit Placebo (. Tabelle 22-4). Auffällig hoch war die Mortalität in der Subgruppe ohne Antikoagulation (weder a-rhPC noch Heparin).
22
533 PROWESS – Ist Protein C wirksam?
[ ]
. Abb. 22-8. Mortalität in PROWESS, nach APACHE-II-Klassifikation, in 5-Punkt-Intervallen. a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C. (Nach [3])
APACHE–II–Score . Tabelle 22-2. Mortalität in PROWESS, nach APACHE-II-Klassifikation: Patienten mit Scores ≥25 vs. Patienten mit niedrigeren Scores. (Nach [3] und Xigris-Produktinformation) APACHE-II-Score
Arm
Patientenzahl (n)
Patienten (n) verstorben (Tag 28)
3–24
Placebo a-rhPC
437 436
83 82
19% 19%
=
25–53
Placebo a-rhPC
403 414
176 128
44% 31%
–13%
a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C
. Tabelle 22-3. Mortalität in PROWESS: Patienten mit Schock vs. Patienten ohne Schock. (Nach [3]) Schock
Arm
Patientenanzahl
Patienten verstorben (Tag 28)
Nein
Placebo a-rhPC
238 252
53 53
22% 21%
–1%
Ja
Placebo a-rhPC
602 598
206 157
34% 26%
–8%
a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C.
. Tabelle 22-4. Mortalität in PROWESS: Patientensubgruppen, die Heparin als Zusatzmedikation während der Infusion der Studienmedikation erhielten, vs. Subgruppen ohne Heparin während der Gabe der Studienmedikation. (Nach [3]) Heparin
Arm
Patientenzahl (n)
Patienten (n) verstorben (Tag 28)
Ja
Placebo a-rhPC
637 634
179 158
28% 25%
–3%
Nein
Placebo
203
80
39%
–15%
a-rhPC
216
52
24%
a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C.
534
21 22 3 4
Kapitel 22 · Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen
Mortalitätssenkung – Gewinn an Lebensqualität?
Subgruppen. Die Publikation gibt explizit an, dass
Die Annäherungsdaten von PROWESS zu Lebensqualität und funktionellem Status bei den Überlebenden legen einen der Mortalitätssenkung proportionalen Gewinn an Lebensqualität nicht nahe (. Tabelle 22-5).
der Behandlungserfolg in allen Subgruppenanalysen konsistent war. In den FDA-Anhörungen wurden Subgruppenunterschiede ausführlich diskutiert, v. a. die Beschränkung der Mortalitätsreduktion mit a-rhPC auf die Patientenuntergruppe mit einem APACHE-II-Score von >25.
PROWESS – Zusammenfassung
5
Herstellung von aktiviertem Protein C
6
Die PROWESS-Publikation definiert das Studienmedikament »Drotrecogin-α (aktiviert)« nicht präzise. Es bleibt offen, ob die angegebene Zelllinie die Vorstufe Protein C bildet, das in einem zweiten Arbeitsschritt durch limitierte Proteolyse aktiviert wird, oder ob die Zelllinie direkt die aktivierte, zweikettige Form (aktiviertes Protein C) bildet. Die Durchsicht der US-Patente des Drotrecoginherstellers legt nahe, dass die Aktivierung in vitro durch bovines Thrombin erfolgt. Tatsächlich enthält das Präparat Spuren von Rinder-Thrombin [12].
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Diskrepanzen zwischen Publikation und FDA-Anhörung Methodenänderung. Die Änderungen von Studienprotokoll und Studienmedikationsherstellungsprozess während der laufenden Studie wurden vor der FDA ausführlich diskutiert, aber in der Publikation nicht einmal erwähnt.
Die Aussagekraft der PROWESS-Studie wird durch methodische Schwächen und Intransparenz eingeschränkt [13–15]. Es bleibt eine nicht unerhebliche Unsicherheit, ob die Mortalitätsreduktion nur die randomisierte Intervention (a-rhPC oder Placebo) widerspiegelt oder unausgewogene Randomisierung oder andere nichtrandomisierte Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe. Methodenänderungen und Subgruppenanalysen hätten klar beschrieben und diskutiert werden müssen. Die Überlegungen, die hinter den Änderungen des Protokolls standen, könnten dazu beitragen, zukünftige Sepsisstudien methodisch effektiver und aussagekräftiger zu planen. Der bemerkenswerte Mortalitätsrückgang in der a-rhPC-Gruppe in der zweiten Hälfte der Studie könnte z. B. gerade darauf beruhen, dass die Protokolländerungen eine optimale Selektion von Patienten ergaben. Eine optimale Patientenselektion schließt treffsicher Patienten mit ungünstiger Nutzen-Risiko-Relation aus – einerseits Todgeweihte, bei denen jegliche Intervention zu spät wäre, und andererseits Patienten mit derart aus-
. Tabelle 22-5. Aufenthaltsort der Überlebenden an Tag 28 in der PROWESS-Studie. (Nach [3])
17
a-rhPC n
%
Placebo n
%
18
Zuhause, selbstständig
158
25
144
25
Zuhause, hilfebedürftig
117
18
113
19
19
Krankenhaus
304
47
258
44
Pflegeheim
61
10
66
11
Alle Überlebenden
640
100
581
100
20
a-rhPC aktiviertes rekombinantes humanes Protein C.
535 Fazit für die Praxis
potenzieller Nutzen
Selektion
22
. Abb. 22-9. Die Selektion von Patienten beeinflusst das Ergebnis von Therapiestudien: Patienten an beiden Enden des Schweregradspektrums (Leichtestkranke und z. B. Moribunde) profitieren weniger von der Intervention als mittlere Schweregrade
Schweregrad–Mortalitätsrisiko
gezeichneten Heilungschancen, dass die Intervention ebenfalls keinen Nutzen erbringt (. Abb. 229; [5]). ! Die besprochenen Schwächen der PROWESS-
Studie haben dazu geführt, dass die FDA a-rhPC bisher nur mit Einschränkungen und Auflagen zugelassen hat (s. auch 7 Anhang).
Ein Teil der methodischen Bedenken kann wahrscheinlich durch Zusatzinformationen aus dem PROWESS-Datenmaterial reduziert werden, z. B. die Randomisierungsqualität der Patienten unter dem geänderten Protokoll sowie Überleben und Lebensqualität nach 90 Tagen. Eine zuverlässige Einschätzung des Behandlungserfolgs bei Patienten mit niedrigerem APACHE-Score erfordert eine neue klinische Studie.
Fazit für die Praxis Drei antikoagulante Proteine wurden in jeweils einer internationalen, multizentrischen, placebokontrollierten Phase-III-Studie bei Patienten mit schwerer Sepsis geprüft. Für Antithrombin III und TFPI war kein mortalitätssenkender Effekt nachweisbar. Die berichtete Mortalitätssenkung mit a-rhPC in der PROWESS-Studie kann zumindest wegen der besprochenen methodischen Schwä-
chen noch nicht als hinreichend gesichert gelten. Offene Fragen können wahrscheinlich durch Zusatzinformationen aus dem PROWESS-Datenmaterial und zusätzlichen klinischen Studien zumindest teilweise beantwortet werden. Eine überwältigende Vielzahl experimenteller und klinischer Beobachtungen belegt, dass die systemische Gerinnungsaktivierung bei Sepsis eine klinisch relevante pathophysiologische Rolle spielt. Die Senkung der Konzentration von Markern aktivierter Gerinnung und Entzündung wurde gerade für die 3 geprüften Substanzen und teilweise auch in den großen Studien bestätigt. Alle 3 Substanzen sind mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert, der Kehrseite jeglicher Gerinnungshemmung. Die besprochenen 3 großen Studien verfehlten den eindeutigen Nachweis, dass antikoagulante Proteine die Sepsismortalität senken. Dies beweist aber keineswegs, dass Gerinnungshemmung bei schwerer Sepsis eine Therapiestrategie ohne klinischen Nutzen ist. Dafür sprechen, zumindest indirekt, auch die hier besprochenen Studien (PROWESS, KyberSept, OPTIMIST). In allen Studien war die Mortalität bei derselben Patientensubgruppe am höchsten, nämlich der Gruppe ohne Antikoagulation (weder Studienmedikament noch Heparin; . Abb. 22-3, . Tabellen 22-4, 22-6). Die Hypothese, dass niedrigdosierte Heparine die Mortalität der schweren Sepsis
536
21 22
Kapitel 22 · Therapie der Sepsis mit antikoagulanten Proteinen
. Tabelle 22-6. Mortalität an Tag 28 und an Tag 90 in der KyberSept-Studie, je nachdem ob die Patienten Antithrombin III (Studie war randomisiert) oder Heparin (Studie war nicht randomisiert) erhalten hatten. (Nach [10])
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Mortalität [%]
Tag 90
AT3
Heparin
28
–
+
36,6
+
–
37,8
+
+
39,4
–
–
43,6
44,9
52,2
AT3 Antithrombin III.
senken, wurde bisher noch nicht in einer großen Studie untersucht [16].
Literatur 1. [Anonym] (2002) Meeting transcript – Food and Drug Administration Center for Drug Evaluation and Research, Anti-infective Drugs Advisory Committee October 16, 2001. http://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/01/ transcripts/3797t1.doc 2. Abraham E, Reinhart K, Svoboda P et al. (2001) Assessment of the safety of recombinant tissue factor pathway inhibitor in patients with severe sepsis: a multicenter, randomized, placebo-controlled, single-blind, dose escalation study. Crit Care Med 29: 2081–2089 3. Anti-infective Drugs Advisory Committee (2002) Drotrecogin alfa (activated) [recombinant human activated protein c (rhAPC)], XiGRIS™, BLA #125029/0, Briefing Information. October 16, 2001. http://www.fda.gov/ohrms/ dockets/ac/01/briefing/3797b1.htm 4. Bernard GR, Vincent JL, Laterre PF et al. (2001) Efficacy and safety of recombinant human activated protein C for severe sepsis. N Engl J Med 344: 699–709 5. Cohen J, Guyatt G, Bernard GR et al. (2001) New strategies for clinical trials in patients with sepsis and septic shock. Crit Care Med 29: 880–886 6. Marshall JC (2000) Clinical trials of mediator-directed therapy in sepsis: what have we learned? Intensive Care Med 26 (Suppl 1): S75-S83 7. Natanson C, Esposito CJ, Banks SM (1998) The sirens‘ songs of confirmatory sepsis trials: selection bias and sampling error. Crit Care Med 26: 1927–1931 8. Opal SM, Cross AS (1999) Clinical trials for severe sepsis.
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V Sepsis bei speziellen Patientengruppen 23
Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie – 539
24
Neugeborenensepsis
25
Die Frau als Sepsispatientin
26
Der ältere Sepsispatient
– 557 – 573
– 579
23 Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie H.-J. Fricke, K. Blumenstengel, K. Höffken
Tumorerkrankungen und Neutropenie – neutropenisches Fieber
– 540
Epidemiologische Merkmale von Infektionen in Neutropenie/ bei neutropenischer Sepsis – 543 Diagnostik bei neutropenischem Fieber/neutropenischer Sepsis
– 545
Antimikrobielle Therapie bei neutropenischem Fieber/ neutropenischer Sepsis – 547 Ergänzende Therapiemaßnahmen bei Neutropenie/Infektionen in Neutropenie – 550 Erfolgskriterien der antimikrobiellen Therapie bei Infektionen in Neutropenie – 551 Antimikrobielle Prophylaxe bei Neutropenie
– 551
Allgemeinhygienische Maßnahmen zur Prävention von Infektionen in Neutropenie – 552 Fazit für die Praxis Literatur
– 553
– 553
540
21 22
Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
Tumorerkrankungen und Neutropenie – neutropenisches Fieber
15
Das Ziel in der Therapie maligner Erkrankungen ist es, in einem möglichst hohen Prozentsatz der Patienten langfristig Krankheitsfreiheit oder eine Heilung zu erreichen. Die dabei in der zurückliegenden Zeit erzielten Erfolge beruhen in erster Linie auf einer Steigerung der antineoplastischen Therapieintensität. Damit verbunden ist die Verstärkung der therapieassoziierten Nebenwirkungen auf den Gesamtorganismus, die im Bereich des hämatopoetischen Systems v. a. zu einer ausgeprägten Neutropenie führen. Sowohl nach Chemotherapieprotokollen in Standarddosierung als auch in viel ausgeprägterem Maße nach Protokollen der Hochdosischemotherapie kommt es zu einer Verringerung der Neutrophilenzahl. Nach Protokollen der Standarddosierung beginnt die Verringerung der Neutrophilen etwa ab Tag 6. Der Tiefpunkt liegt zwischen den Tagen 10 und 14, woran sich eine Erholung der Neutrophilenzahl anschließt. Die Schwankungsbreite der Zeitdauer bis zum Wiederanstieg der peripheren Granulozyten ist individuell unterschiedlich. Faktoren, die darauf Einfluss haben, sind eine vorbestehende Knochenmarkschädigung, die Intensität der Behandlung, die Zahl vorausgehender Behandlungen oder Bestrahlungen sowie der Allgemeinzustand des Patienten. Hochdosistherapien im Rahmen onkologischer Erkrankungen tragen myeloablativen Charakter, sodass zur Behebung der damit einhergehenden Neutropenie eine Stammzelltransplantation notwendig ist.
16
! Im Gefolge der therapieassoziierten Neutro-
23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
17 18 19 20
penien kommt es bei den meisten Patienten zu Infektionen, deren Häufigkeit und Schwere abhängen von Ausmaß und Dauer der Granulozytopenie. Sind die Granulozyten unter 0,5 Gpt/l verringert, so stellt die Granulozytopenie den bedeutendsten Einzelfaktor für das Angehen einer Infektion dar [74]. Bei Granulozytopenien von <0,1 Gpt/l über eine Dauer von 8–10 Tagen kommt es bei über 85 % der Patienten zu einer infektiösen Komplikation. Dagegen sind Infektionen bei Granulozytenzahlen von >1 Gpt/l auch
bei längerer Dauer selten [15, 21] Die maßgebliche Bedeutung der Neutropeniedauer hat zur Unterteilung in ein Standardrisiko (Neutropenie <10 Tage) und ein Hochrisiko (Neutropenie > 10 Tage) geführt [59a]. Infektionen im Gefolge einer therapiebedingten Neutropenie stellen eine ernste Komplikation dar. Bei hämatoonkologischen Erkrankungen beträgt ihr Anteil an tödlichen Verlaufskomplikationen bis 75 % [7, 21, 35, 71].
Das klinische Bild von Infektionen in der Neutropenie ist nicht einheitlich. In 70 % der Fälle treten sie auf als Fieber unbekannten Ursprungs (»fever of unknown origin«, FUO) [63]. In diesen Fällen ist die Infektion weder durch ein klinisches Äquivalent (z. B. Lungeninfiltrate) noch durch einen mikrobiellen Erregernachweis zu belegen 15–20 % aller Patienten mit Infektionen in der Neutropenie entwickeln dagegen klinisch fassbare Zeichen einer Infektion (z. B. pulmonale Infiltrate, Entzündungen von Eintrittsstellen venöser Zugänge), ohne dass damit ein spezifischer Keimnachweis verbunden ist. Bei der verbleibenden 3. Gruppe handelt es sich um Fälle, in denen ein Infektionserreger isoliert werden kann, z. T. auch in Verbindung mit klinisch fassbaren Infektionszeichen [48]. ! Die maligne Grunderkrankung und die antine-
oplastische Therapie führen darüber hinaus zu einer Störung der physiologischen Infektabwehr als Ganzes. Dies betrifft sowohl Mechanismen der zellulären und humoralen Immunität als auch die gewebliche Schrankenfunktion, was Eindringen und Dissemination von Krankheitserregern begünstigt [16, 48, 60, 93].
Sepsis in Neutropenie Jedes Eindringen eines infektiösen Agens kann bei neutropenischen Patienten potentiell eine systemische Entzündungsreaktion auslösen. So wie bei nichtneutropenischen Patienten kommt es dabei initial zu hohen Serumkonzentrationen von proinflammatorischen Zytokinen (TNF-α, IL-1, IL-6, IL-8) und antiinflammatorischen Zytokinen (IL-10, IL- 1ra; [4, 25, 32, 33, 41, 44, 72, 79, 86, 96]).
541 Tumorerkrankungen und Neutropenie – neutropenisches Fieber
Die Art des damit verbundenen klinischen Bildes hängt sowohl vom Ausmaß der Aktivierung als auch vom Gleichgewichtszustand von Agonisten und Antagonisten ab: Ein Überwiegen der proinflammatorischen Zytokine führt zu Schock, Transsudation in die Organe und Gerinnungsstörungen, ein Überwiegen der antiinflammatorischen Zytokine zu Anergie und Immunsuppression [19]. Bei neutropenischen Patienten mit Fieber kommt es darüber hinaus zu erhöhten Spiegeln von G-CSF und M-CSF, wohingegen für GM-CSF eine Erhöhung nicht nachweisbar ist [25]. Ebenso wie bei nichtneutropenischen Patienten sind die Zytokinprofile nach Infektion auch bei neutropenischen Patienten von prädiktiver Bedeutung. Bei neutropenischen Patienten mit manifester Sepsis wurde gezeigt, dass die Serumkonzentration von IL-6, IL-8 und TNF-α 48 h nach Fieberbeginn ihren Spitzenwert haben und auch im Verlauf signifikant höher sind als die Werte bei unkomplizierten fieberhaften Episoden in Neutropenie [72]. In anderen Fällen war eine Persistenz der initial hohen IL-6-Werte bei Patienten mit Sepsis in Neutropenie nur bei denjenigen Krankheitsverläufen zu finden, die einen tödlichen Ausgang nahmen [4]. Darüber hinaus ergaben sich Abstufungen in den Konzentrationen proinflammatorischer Zytokine zwischen unkomplizierten bakteriellen Infektionen und septischem Schock [30]. Die initiale Zytokinreaktion bei neutropenischem Fieber war unabhängig davon, ob eine zeitgleiche Dokumentation einer bakteriellen Infektion gelang [79]. Neben der Zytokinfreisetzung im Gefolge der zellulären Aktivierungen ist bei neutropenischen Patienten auch die Aktivierung humoraler Kaskaden erkennbar. So kommt es mit Beginn des neutropenischen Fiebers zu multifaktoriellen Veränderungen im Gerinnungssystem, die in ihrer Gesamtheit eine Hyperkoagulabilität repräsentieren und sich besonders bei den Patienten signifikant stärker ausprägen, die einen septischen Schock ausbilden [68]. Analog zur Situation bei nichtneutropenischen Patienten [38, 46, 77] konnte auch bei neutropenischer Sepsis die prognostische Bedeutung von AT-III-Spiegelerniedrigung und Erhöhung des PAI-1-Spiegels bestätigt werden [67, 68]. Die pathophysiologischen Gemeinsamkeiten von Sepsis in Neutropenie und Sepsis bei nichtneu-
23
tropenischen Patienten sind die rationale Grundlage dafür, die klinische Diagnosestellung einer Sepsis in Neutropenie ebenfalls anhand der für nichtneutropenische Patienten formulierten Kriterien des American College of Chest Physicians und der Society of Critical Care Medicine (ACCP/ SCCM) [2] vorzunehmen (s. auch . Übersicht 1-1). Allerdings engt sich die Basis für die klinische Diagnose bei neutropenischen Patienten dadurch ein, dass das Kriterium der Leukozytose bzw. Leukozytopenie oder Linksverschiebung entfällt und nur noch die Kriterien Temperatur >38°C oder <36°C sowie Herzfrequenz >90 Schläge/min und Atemfrequenz >20 Atemzüge/min bzw. paCO2 >32 mmHg zur Verfügung stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch bei der Herzfrequenz und der Atemfrequenz ätiologisch Interferenzen mit der bei diesen Patienten häufig bestehenden Anämie möglich sind. Die Diagnose der Sepsis in Neutropenie verliert dadurch an klinischer Kontur. Insgesamt kann man aber davon ausgehen, dass ein großer Teil der Fälle von neutropenischem Fieber die Eingangskriterien für die Diagnose der Sepsis formal erfüllt, obwohl nicht jede febrile Episode in Neutropenie unkritisch als Sepsis angesehen werden darf. Praxistipp Nach gegenwärtigen Vorstellungen [5] ist bei >90 % der Patienten mit neutropenischem Fieber mit diesen Kriterien die Diagnose einer Sepsis zu stellen.
Bei Patienten mit Fieber nach allogener KMT sind es praktisch 100 %. ! Allerdings fehlt bisher eine prospektive Validie-
rung der ACCP/SCCM-Kriterien für die Sepsisdiagnose bei neutropenischem Krankengut.
Praxistipp Schwere Sepsis und septischer Schock gemäß Definition der ACCP/SCCM [2] sind bei neutropenischen Patienten vergleichsweise seltener. 6
542
21 22
Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
Sowohl schwere Sepsis als auch septischer Schock wurden nur in jeweils 10–20 % der beobachteten Sepsisfälle in der Neutropenie registriert [68, 72].
23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Belege einer infektiösen Genese Gerade durch die genannte Sondersituation für die Diagnosestellung einer Sepsis bei neutropenischen Patienten erlangt die Suche nach zusätzlichen Parametern zum Beleg einer infektiösen Genese der generalisierten Entzündungsreaktion besondere praktische Bedeutung. Der Endotoxinnachweis ist bei Patienten mit FUO für die Sepsisdiagnose nicht ausschlaggebend. Mit dem Endotoxinnachweis ist es auch nicht möglich, generell zwischen einer bakteriämischen und einer nichtbakteriämischen Infektion zu unterscheiden [34, 41]. Ebenso sind daraus keine Schlüsse auf den verursachenden Erreger zu ziehen. Sowohl Infektionen mit grampositiven Erregern als auch Infektionen mit gramnegativen Erregern können mit einem Endotoxinnachweis einhergehen [34, 65]. Des Weiteren kann es gerade bei Patienten unter Chemotherapie zu einer geringgradigen Endotoxinämie durch endogene Bakterien kommen. Dies ist Ausdruck einer therapieassoziierten Störung der Mukosabarriere [41, 89]. Mit diesen Befunden in Einklang steht, dass das Auftreten von Fieber bei neutropenischen Patienten nicht mit dem Nachweis von Endotoxinen korreliert [41, 79, 89]. Als Beispiel sei eine Untersuchung genannt, bei der bei 22 Patienten mit FUO der Endotoxinnachweis nur in 6 Fällen zu führen war [42]. Allerdings ergeben sich bei neutropenischen Patienten mit manifester Sepsis Anhaltspunkte dafür, dass diejenigen mit hohen Endotoxinspiegeln eine schlechtere Prognose haben [10]. In jüngerer Zeit erhält die Bestimmung des Procalcitonins Gewicht. Das Procalcitonin gilt als früher Marker einer generalisierten Entzündungsreaktion und korreliert mit dem Schweregrad der bakteriellen Invasion [6,13, 28, 56]. Dabei ist seine zu messende Konzentration bei grampositiven und gramnegativen Infektionen gleich und auch
unabhängig davon, ob die mikrobielle Invasion in der Kultur zu belegen ist oder nicht [1]. Allerdings ist bei neutropenischen Patienten mit septischen Infektionen die Dauer des Nachweises erhöhter Procalcitoninspiegel im Serum gegenüber nichtneutropenischen Patienten möglicherweise verkürzt [1]. Nach Fiebereintritt ist bei neutropenischen Patienten schon nach kurzer Zeit ein Anstieg des Procalcitoninspiegels messbar [31a]. Dieser ist bei klinisch oder mikrobiell dokumentierter Infektion signifikant größer als bei nicht dokumentierten Infektionen. Ebenso bestehen signifikante Unterschiede zwischen den Werten bei nachgewiesener Bakteriämie und nichtbakteriämischen Infektionen [31a, 39a]. Dabei tritt bei grampositiven Infektionen der Procalcitoninspiegelanstieg möglicherweise verzögert auf [83a]. Für die Diagnose einer Sepsis bei Neutropenie ist die Tatsache nutzbar, dass bei einer Sepsis schon mit Fieberbeginn höhere Procalcitoninwerte auftreten als beim FUO [39a]. Praxistipp Als »Cut-off«-Wert zwischen FUO und febrilen Reaktionen mit höherem Risiko (Bakteriämie, Sepsis) kann ein Procalcitoninwert von 0,5 µg/l gelten [36a].
Eine erfolgreiche antimikrobielle Therapie der Sepsis in Neutropenie ist nicht nur an den klinischen Sepsisparametern ablesbar, sondern geht auch einher mit der Abnahme der Konzentration des Procalcitonins, proinflammatorischer Zytokine und der Akute-Phase-Proteine [41, 80]. Umgekehrt hat sich gezeigt, dass inadäquate Unterbrechungen der antimikrobiellen Therapie beim FUO zu tödlichen septischen Infektionen führen können [54, 59]. Vor dem Hintergrund der Häufigkeit der Sepsis in Neutropenie und ihrer prognostischen Bedeutung ist neben der interventionellen antimikrobiellen Therapie die orale antimikrobielle Prophylaxe bei neutropenischen Patienten ein zusätzlicher Aspekt der Sepsistherapie. Diese gegenwärtig als Standard etablierte Maßnahme hat ihrerseits zu einer signifikanten Verringerung des
23
543 Epidemiologische Merkmale von Infektionen…
Infektionsrisikos in der neutropenischen Phase beigetragen [48].
Epidemiologische Merkmale von Infektionen in Neutropenie/ bei neutropenischer Sepsis Wandel des bakteriellen Erregerspektrums Praxistipp Infektionen im Rahmen einer chemotherapieinduzierten Neutropenie Iassen sich nur in 30 % der Fälle mikrobiologisch belegen, wohingegen dies in 70 % der Fälle nicht gelingt. Für wiederum 30 % der Fälle gelingt es darüber hinaus, aus klinischen Befunden oder bildgebenden Verfahren Anhaltspunkte über deren verursachenden Erreger zu finden [63]. Als initiale Infektion in der Neutropenie sind bakterielle Infektionen am häufigsten. Dabei ist es in den vergangenen 20 Jahren zu einer deutlichen Verschiebung hinsichtlich des verursachenden Bakterientyps gekommen.
Waren anfangs gramnegative Bakterien die Hauptverursacher von Infektionen (insbesondere Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella pneumoniae und Escherichia coli [14, 87]), sind es jetzt in erster Linie grampositive Bakterien (v. a. Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus, Streptococcus viridans und Streptococcus pneumoniae ([40, 75, 76, 95 ]). Dieser Wandel hat seine Gründe in der Einführung von Antibiotika mit hoher Effektivität gegenüber gramnegativen aeroben Bakterien, wie z. B. Acylaminopenicillinen, Cephalosporinen der 3. Generation, Carbapenemen und Fluorochinolonen. Zum anderen hat auch die breite Anwendung der oralen antimikrobiellen Prophylaxe mit Fluorochinolonen oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol zu einer Reduktion gramnegativer Infektionen beigetragen. Demgegenüber bedingen die in jüngerer Zeit zu verzeichnende Zunahme der Anwendung von
zentralen Venenkathetern und die Zunahme von Mukositiden nach dosisintensivierter Chemotherapie eine Zunahme der grampositiven Primärinfektionen [63].
Erregerspektrum nach Fieberbeginn Die für die Infektion verantwortlichen Erreger verändern sich in ihren Häufigkeiten unabhängig vom allgemeinen Trend auch mit dem Zeitpunkt ihrer Isolierung nach Fieberbeginn (. Tabelle 231). Bei den frühen Infektionen stehen die grampositiven Erreger im Vordergrund (50 %), gefolgt von gramnegativen Erregern (40 %), während Pilze (v. a. Candida und Aspergillus) eher selten sind. Bei positivem Erregernachweis mehr als 5 Tage nach Fieberbeginn sind dagegen in erster Linie Pilze nachzuweisen (50 %). Der Anteil gramposi-
. Tabelle 23-1. Neutropenisches Fieber – hauptsächliches Erregerspektrum der Erstinfektion und Häufigkeit des Vorkommens nach Isolierungszeitpunkt)
Erreger
Häufigkeit [%] bis 5. ab 5. Fiebertag Fiebertag
Grampositive Kokken und Bazillen 5 Staphylococcus aureus 5 Koagulasenegative Staphylokokken 5 Streptokokken 5 Enterokokken 5 Corynebakterien
ca. 50
ca. 25
Gramnegative Kokken und Bazillen 5 Pseudomonas aeruginosa 5 Escherichia coli 5 Klebsiellen 5 Proteus spp. 5 Enterobacteriaceae
ca. 40
42
Pilze 5 Candida spp. 5 Aspergillus spp.
ca. 5–10
ca. 50
Anaerobier
<1
–
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21 22 23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
tiver und gramnegativer Bakterien ist zu diesem späten Zeitpunkt auf je 25 % verringert [63].
Pilzinfektionen sind häufig Bei den Pilzinfektionen sind Candidainfektionen und Aspergillusinfektionen am häufigsten. Autopsieanalysen beziffern diese Anteile mit 66 % bzw. 34 % [17]. Aber auch Infektionen mit Mukormycosis, Trichosporon, Fusarium, Cryptococcus und Histoplasmose kommen vor [17, 97, 98] ! Die Zahl der autoptisch gesicherten Pilzinfek-
tionen variiert dabei in Abhängigkeit von der Grunderkrankung. Sie ist besonders hoch bei Patienten mit akuter Leukämie (bis 45 %) und liegt bei Patienten mit Lymphomen und soliden Tumoren zwischen 2 und 18 % [17].
Praxistipp Eine diagnostische Schwierigkeit erwächst bei den Pilzinfektionen aus der Tatsache, dass sie intra vitam oft nicht erkennbar sind. So war bei disseminierten Candidainfektionen in der Blutkultur ein Candidabefall nur in weniger als 50 % der Fälle nachweisbar, in gleicher Weise erbrachten Kulturen aus dem Bronchialtrakt von Patienten mit Aspergillusinfektionen nur zu einem geringen Teil den diagnostischen Beweis [14, 43, 69, 70].
15 16 17 18 19 20
Candidainfektionen verursachen in erster Linie oberflächliche Infektionen im Bereich der Mundhöhle, des Gastrointestinaltraktes und im Genitalbereich. Darüber hinaus treten disseminierte Infektionen auf. Besonders bei Patienten mit wiederholter Hochdosistherapie kommt es in der Neutropenie zu einem disseminierten Candidabefall von Leber, Milz, Lungen und Nieren, der zu Candidaabszessen führt, wenn die hämatopoetische Rekonstitution eintritt [51]. Vorherrschend bei den Candidainfektionen ist Candida albicans, der sich im Vergleich zu anderen Candidaspezies dadurch unterscheidet, dass – bezogen auf die Infektions-
häufigkeit – prozentual ein geringerer Anteil disseminierter Infektionen vorliegt [9, 51]. Humanpathogene Aspergillusspezies sind in erster Linie Aspergillus fumigatus und Aspergillus flavus. Die vorherrschende Lokalisation der Infektionen ist der Respirationstrakt (70–80 %). In 15 % der Fälle ist die primäre Infektionslokalisation im Bereich der Nasennebenhöhlen gelegen. Prinzipiell möglich sind auch Primärinfektionen im Bereich des Gastrointestinaltrakts und an der Haut. Eine disseminierte Aspergillose kommt in 20– 40 % der Fälle vor. Davon wird das ZNS am meisten betroffen [17].
Virale und Protozoninfektionen Virale Infektionen in der Neutropenie sind typischerweise der Herpesgruppe zuzuschreiben (Herpes-simplex-Virus; Zytomegalievirus; Varizellazoster-Virus; Epstein-Barr-Virus) [26, 90]. Herpes-simplex-Virusinfektionen kommen in einem hohen Anteil bei Patienten mit intensiver Chemotherapie vor. Charakteristisch bei seropositiven Patienten ist, dass die Erkrankung in 2/3 der Fälle unter der Chemotherapie reaktiviert wird [23, 85]. Das betrifft sowohl Patienten mit hämatologischen Systemerkrankungen als auch Patienten mit soliden Tumoren. Das klinische Erscheinungsbild kann dabei überlagert sein von einer zeitgleich bestehenden Mukositis. Dabei verlaufen diejenigen Mukositiden schwerer, bei denen gleichzeitig eine Reaktivierung der Herpes-simplex-Infektion besteht. Darüber hinaus können Herpes-simplexInfektionen sowohl zu einer Ösophagitis als auch (seltener) zu einer Pneumonie oder disseminierten Infektion führen [51, 84, 86]. Zytomegalievirusinfektionen verursachen bei immunkompromittierten Patienten den Hauptteil an Morbidität und Letalität. Auch Zytomegalievirusinfektionen kommen bei seropositiven Patienten unter der Chemotherapie durch eine Reaktivierung zustande.
545 Diagnostik bei neutropenischem Fieber/neutropenischer Sepsis
23
Praxistipp
Praxistipp
Bei CMV-seronegativen Patienten ist eine Infektion durch die Gabe seronegativer Blutbestandteilprodukte praktisch vermeidbar. Während des Behandlungsverlaufs ist es oft schwierig, eine bloße, durch Freisetzung von Viren bedingte Virämie von einer Infektion mit Befall des Gewebes (Lunge, Ösophagus, Dünndarm, Colon, Augen) zu unterscheiden [45].
Sowohl grampositive als auch gramnegative Erreger und Pilze kommen als superinfizierendes Agens in Frage. Klinisch sollte an eine Superinfektion gedacht werden bei 5 fehlendem Ansprechen auf die empirische Therapie mit oder ohne klinische Verschlechterung des Bildes, 5 einer neu auftretenden Infektionslokalisation, 5 einem erneuten Auftreten von Fieber nach anfänglichem Ansprechen auf die Initialtherapie, 5 einer manifesten Sepsis [51].
Bei der Varizella-zoster-Virusinfektion im Erwachsenenalter ist die häufigste Manifestation der Herpes zoster. Auch hier kommt es ursächlich zu einer Reaktivierung der Erkrankung, die in der Mehrzahl der Fälle dermatombezogene kutane Läsionen verursacht (Zoster segmentalis). Insbesondere bei neutropenischen Patienten kann es als Komplikation zu einer generalisierten kutanen Dissemination (Zoster generalisatus) und zu viszeraler Beteiligung kommen [26, 44]. Bei neuropenischen Patienten ist auch die Möglichkeit von opportunistischen Infektionen durch Protozoen zu berücksichtigen. Insbesondere spielt bei diesen Patienten die Infektion durch den mit Protozoen- und Pilzeigenschaften ausgestatteten Pneumocystis carinii eine Rolle, mit der als sehr ernst zu bewertenden Pneumocystis-carinii-Pneumonie [52].
Diagnostik bei neutropenischem Fieber/neutropenischer Sepsis Die Diagnostik bei Fiebereintritt in Neutropenie verknüpft klinische und mikrobiologische Untersuchungen einerseits mit endoskopischen und bildgebenden Verfahren andererseits (7 Übersicht 23-1). Vorrangiges Ziel ist die Erregerisolierung. Die erforderlichen diagnostischen Maßnahmen müssen ohne Ausnahme zeitlich parallel zur sofortigen Therapieeinleitung durchgeführt werden und dürfen diese keinesfalls verzögern (. Übersicht 23-1).
Superinfektionen .
Ein besonderes Problem der Infektionen in Neutropenie stellt das Auftreten von Superinfektionen dar, d. h. von Infektionen mit Erregern, die gegenüber der therapeutisch und prophylaktisch verabreichten Antibiotikatherapie resistent sind oder davon nicht erfasst werden. Besonders betroffen sind davon Patienten mit einer mehr als 14 Tage dauernden Granulozytopenie von <1 Gpt/l [51].
Übersicht 23-1: Diagnostik bei neutropenischem Fieber/ neutropenischer Sepsis 1. 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.1.7
Klinische Untersuchung Initiale Untersuchung Haut/Schleimhäute Punktionsstellen (Venen, Knochenmark) Eintrittsstellen venöse Zugänge (zentral und peripher) Kathetertunnel Nasennebenhöhlen und Atemwege (obere und tiefe) Abdomen, Perianalregion Urogenitalsystem 6
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Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
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2. 2.1 2.1.1
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2.2 2.2.1 2.2.2
2.2.3
9 10 11 12 13 14 15
3. 3.1 3.1.1
3.2 3.2.1
16 3.2.2
17 18 19 3.2.3
20
Ergänzende Untersuchungen, Wiederholung täglich bis zum Abklingen von Fieber und Infektionszeichen Mikrobiologische Untersuchungen Initiale Untersuchugen (sofort im Fieberanstieg oder innerhalb 30–60 min) Blutentnahmen für kulturelle Untersuchungen: je 2 separate Entnahmen (anaerobe und aerobe Erreger) aus Vene und – so vorhanden – Venenkatheter (bei mehrlumigem Katheter pro Kanal 1 Entnahmepaar) Ergänzende Untersuchungen Urinkultur Serologische Untersuchungen (Serumantikörper gegen Pilze und Viren, Pilzantigene) Untersuchungen bei entsprechender Symptomatik: Stuhlkultur einschließlich Nachweis von Clostridium-difficile-Enterotoxin, Abstriche (Nasopharynx, Analregion, Wunden), Liquorkultur auf Bakterien und Pilze, Punktate (Kultur auf Bakterien und Pilze) Bildgebende und endoskopische Untersuchungen Initiale Untersuchungen Röntgenuntersuchungen: Thoraxübersichtsaufnahme a.-p. und seitlich, Nasennebenhöhlen (ggf. Sonographie) Ergänzende Untersuchungen Röntgenuntersuchungen: Thoraxübersichtsaufnahme a.-p. und seitlich: wenn Entfieberung ausbleibt, dann Wiederholung nach 72–96 h Computertomographie (Spiraltechnik oder HRCT) Thorax: wenn Befunde der Röntgenuntersuchungen unauffällig, dann entweder direkt nach 3.1.1 oder im Anschluss an 3.2.1. Schädel: wenn Verdacht auf zerebrale Infektion (ggf. MRT) Sonographie: Abdomen: wenn Verdacht auf abdominelle Infektion (ggf. 6 MRT der Leber)
3.2.4 Bronchoskopie/Bronchoalveoläre Lavage: wenn Nachweis pulmonaler Infiltrate in der Übersichtsaufnahme
Klinische Untersuchungen Praxistipp Im Rahmen der Befunderhebung ist neben der allgemeinen Untersuchung aller Organsysteme insbesondere auch auf Läsionen im Bereich der Haut (nekrotisierende und septisch-embolische Veränderungen) und der Schleimhaut (Geschwürsbildung) zu achten. Einzubeziehen ist die Inspektion der Perianalregion. Die klinische Befunderhebung ist bis zum Abklingen des Fiebers täglich zu wiederholen.
Mikrobiologische Untersuchung Neben Blutkulturen sind ergänzend auch Urinund Stuhlkulturen einschließlich der Untersuchung auf Endotoxin von Clostridium difficile erforderlich. Blut für BIutkulturen sollte bei Patienten mit zentralem Zugang sowohl aus diesem als auch aus einer peripheren Vene gewonnen werden. Die Entnahme von Blutkulturen muss im Fieberanstieg erfolgen. Bei Wechsel des zentralen Katheters ist dessen Spitze mikrobiologisch zu untersuchen. Finden sich lokale Manifestationen einer Infektion an Haut und Schleimhaut (z. B. Oropharynx, Kathetereintrittsstelle, Perianalregion), sind auch von diesen Bereichen mikrobielle Kulturen erforderlich. Serologische Untersuchungen auf Pilz- und Virusinfektionen ergänzen das Untersuchungsprogramm. ! Bei Verdacht auf eine zerebrale Infektion muss
eine mikrobiologische Liquoruntersuchung durchgeführt werden.
547 Antimikrobielle Therapie bei neutropenischem Fieber/neutropenischer Sepsis
Bildgebende und endoskopische Untersuchungen Zu Beginn steht die Anfertigung einer Thoraxübersichtsaufnahme a.-p. und seitlich, die bei unauffälligem Befund durch ein Computertomogramm (CT) ergänzt werden muss. Die beim CT für diese Fälle anzuwendende Untersuchungstechnik wird uneinheitlich gehandhabt [8, 47, 53, 57]. In der klinischen Praxis ist die primäre Anwendung der Spiraltechnik verbreitet, die hochauflösende Technik (HRCT) ist aber aussagekräftiger [8, 47]. Der unmittelbare Anschluss des CT hat den Vorteil, Frühveränderungen infiltrativer Prozesse zu erfassen (Pilzinfektionen!). Wird das CT nicht unmittelbar angeschlossen, muss es bei Fieberpersistenz über 72–96 h der in dieser Situation erforderlichen Thoraxkontrollaufnahme immer dann folgen, wenn diese wiederum unauffällig ist. Finden sich bei einer Thoraxübersichtsaufnahme pulmonale Infiltrate, ist die Durchführung einer bronchoalveolären Lavage in der entsprechenden Infiltratlokalisation indiziert. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer zerebralen Infektion sind zerebrales CT bzw. zerebrales Magnetresonanztomogramm (MRT) erforderlich. Zu ergänzen ist das Untersuchungsprogramm um eine abdominale Sonographie (ggf. ein MRT der Leber), wenn der Verdacht auf Infektionen im Bereich von Abdomen und Leber besteht.
Antimikrobielle Therapie bei neutropenischem Fieber/ neutropenischer Sepsis Die verringerten Abwehrmechanismen bei Tumorpatienten in Neutropenie begünstigen bei einer eintretenden Infektion eine rasche Dissemination der Erreger. Praxistipp Bei Granulozytenzahlen von <0,5 Gpt/l oder <1,0 Gpt/l mit zu erwartendem Abfall unter 0,5 Gpt/l innerhalb der nächsten 2 Tage muss deshalb nach Auftreten des Fiebers sofort mit einer interventionellen antimikrobiellen Therapie begonnen werden.
23
Als Kriterium dafür gilt entweder das einmalige Auftreten einer Temperatur oral von >38,3°C oder oral ≥ 38,0°C über mindestens eine Stunde bzw. zweimalig innerhalb von 12 h. Ohne den Therapiebeginn aufzuschieben, sind nichtinfektiöse Ursachen des Fiebers, wie Reaktionen auf Transfusion von Blutbestandteilen, auf Arzneimittel, insbesondere Zytokine, bzw. grundkrankheitsassoziierte Temperatursteigerungen auszuschließen [59a, 63]. ! Die interventionelle Therapie des neutropeni-
schen Fiebers trifft dabei auf die 3 genannten Grundsituationen: das Bestehen eines Fiebers unbekannter Herkunft (FUO), das Vorliegen einer Infektion mit klinischen Äquivalenten ohne mikrobiologischen Erregernachweis und das Vorliegen einer mikrobiologisch nachgewiesenen Infektion.
Therapie des Fiebers unbekannter Herkunft (FUO)
! Bei Patienten mit FUO muss die antimikrobielle
Initialtherapie empirisch diejenigen Erreger erfassen, deren Infektionen potentiell einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen können. Dazu gehören in der Reihenfolge der Gefährlichkeit (Letalität): gramnegative Nonfermenter (v. a. Pseudomonas aeruginosa), gramnegative Enterobacteriaceae (z. B. Escherichia coli und Klebsiella spp.), Streptokokken und Staphylococcus aureus (. Übersicht 23-2).
Wie wichtig dabei ein umgehender Beginn der Therapie ist, belegt die Tatsache, dass nach Einsetzen einer Pseudomonas-Bakteriämie die Verzögerung des Therapiebeginns um 24 h zu einer kumulativen Letalität von 57 % führt [50]. Als Standard für die empirische Initialtherapie (1. Therapiestufe) des FUO gilt heute die Verabreichung folgender Kombinationen: 5 Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Ceftazidim) + Aminoglykosid oder 5 Azylaminopenicillin (z. B. Piperacillin) + Aminoglykosid (. Übersicht 23-2).
548
Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
21
. Übersicht 23-2:
22
Antimikrobielle Therapie bei Fieber unbekannter Herkunft (FUO) in Neutropenie
23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
1. Stufe 5 Cephalosporin der 3. Generation + Aminoglykosid oder 5 Acylaminopenicillin + Aminoglykosid Keine Entfieberung nach 72–96 h: 2. Stufe 5 Cephalosporin der 3. Generation + Aminoglykosid + Glykopeptid oder 5 Acylaminopenicillin + Aminoglykosid + Glykopeptid Keine Entfieberung nach 72–96 h: 3. Stufe Carbapenem + Glykopeptid + Antimykotikum Abänderungen bei: 5 Niereninsuffizienz: 1. Stufe: Cephalosporin der 3. Generation + Acylaminopenicillin (Doppel-β-Laktamtherapie; bei nachfolgenden Stufen Dosisanpassungen an Nierenfunktion beachten; bei Amphotericin-B-Einsatz liposomales Amphotericin-B anwenden); 5 Allergie gegen β-Laktame: 1. Stufe: Ciprofloxacin+Aminoglykosid, 2. Stufe: Ciprofloxazin+Glykopeptid
Die Wahl des Aminoglykosids sollte sich nach der lokalen Resistenzlage richten. Um eine wirksame Aminoglykosidtherapie zu gewährleisten, ist bei der grundsätzlich empfehlenswerten Einmaldosierung eine Kontrolle der Serumspiegel mit entsprechender Dosisanpassung erforderlich. Die Kombination von Piperacillin und Tazobactam ist im Falle einer Resistenz von Kolibakterien gegenüber Piperacillin sinnvoll. Die Resistenz von Pseudomonas aeruginosa gegenüber Piperacillin wird durch die Kombination mit Tazobactam nicht beeinflusst [64]. Dieses Standardvorgehen kann bei Sondersituationen variiert werden: Bei Patienten mit Niereninsuffizienz empfiehlt sich in der ersten Therapiestufe die Dop-
pel-β-Laktamtherapie (Azylaminopenicillin+Cep halosporin der 3. Generation) und bei Allergien gegenüber β-Laktam-Antibiotika die initiale Kombination aus Ciprofloxazin + Aminoglykosid [64]. Kommt es mit dieser 1. Therapiestufe nicht innerhalb von 72–96 h zur Entfieberung, ist eine Modifikation der Therapie indiziert. Als 2. Therapiestufe sollte dann zusätzlich ein GlykopeptidAntibiotikum (Vancomycin oder Teicoplanin) zum Einsatz kommen. Bei Patienten, die wegen Allergie gegen β-Laktam-Antibiotika primär die Kombination Ciprofloxazin + Aminoglykosid erhalten hatten, ist für die Sekundärtherapie das Aminoglykosid durch ein Glykopeptidantibiotikum zu ersetzen, während die i.v.-Chinolongabe beibehalten werden sollte [64]. Führt die 2. Therapiestufe innerhalb von 72– 96 h nicht zur Entfieberung, muss eine 3. Stufe angeschlossen werden. Diese umfasst die Gabe eines Carbapenems (Imipenem/Cilastatin oder Meropenem) in Kombination mit einem Glykopeptid (Vancomycin oder Teicoplanin) und einem Antimykotikum (Amphotericin B). Antimykotika bei Patienten mit FUO bereits in der 2. Stufe der antimikrobiellen Intervention einzubeziehen, ist nach den Ergebnissen der PEG-II-Studie überlegenswert. Die Studie zeigte, dass nach Versagen der Primärkombination die Einbeziehung eines 3. Antibiotikums (Doppel-β-Laktamtherapie + Aminoglykosid bzw. Vancomycin) eine Responserate von lediglich 54,2 % erbrachte, wohingegen die bei den verbleibenden Nonrespondern nachfolgend angewandte Kombinationen aus β-Laktam + Aminoglykosid + Antimykotikum bzw. Carbapenem + Antimykotikum zu einem neuerlichen Ansprechen in 72,7 % führte. Insgesamt erreichte diese Studie damit ein kumulatives Ansprechen von 91,3 % [59]. Die Frage, ob ein Glykopeptidantibiotikum als Bestandteil der 1. Therapiestufe sinnvoll ist, kann verneint werden [36, 39, 82]. Die neben der Kombinationstherapie des FUO auch mögliche Monotherapie mit Ceftazidim oder Imipenem wird aufgrund der derzeitigen Datenlage uneinheitlich bewertet [29, 39, 81].
549 Antimikrobielle Therapie bei neutropenischem Fieber/neutropenischer Sepsis
Praxistipp Ergänzungen der empirischen Therapie des FUO erfolgen darüber hinaus beim Vorliegen bestimmter klinischer Befunde. So wird die Therapie bei bestehender Mukositis oder abdominellen Beschwerden durch die Gabe von antianaerob wirksamen Substanzen (z. B. Metronidazol) ergänzt und bei Verdacht auf eine Herpessimplex-Infektion durch die Gabe von Acyclovir [74].
Antimikrobielle Therapie bei ausschließlich klinisch fassbaren Infektionen Lungeninfiltrate Die empirische Therapie bei neutropenischen Patienten mit Lungeninfiltraten entspricht vom Grundsatz her der Vorgehensweise beim FUO. Da in diesen Fällen aber die kausale Beteiligung von Pilzen (Candida und Aspergillus) in hohem Maße wahrscheinlich ist, muss bei Versagen der 1. Therapiestufe Amphotericin B bereits in die 2. Therapiestufe einbezogen werden. Beispielhaft sei dazu eine Studie genannt, bei der bei febriler Neutropenie und pulmonalen Infiltrationen durch Einbeziehung eines Antimykotikums die Ansprechrate auf 61,3 % erhöht werden konnte [62]. Bei Fällen mit Lungeninfiltraten in der Neutropenie ist der Einsatz von Amphotericin B dem FIuconazol überlegen [22]. Der Einsatz von Fluconazol bei Patienten mit Lungeninfiltraten ist darüber hinaus auch wegen der potentiell fehlenden Aspergilluswirksamkeit nicht a priori zu empfehlen. Während Amphotericin B bei Candidainfektionen mit 1 mg/kgKG/Tag ausreichend dosiert ist, muss die Dosis bei Verdacht auf Aspergillusinfektion auf 1,5 mg/kgKG/Tag erhöht werden [55, 83]. Die Nephrotoxizität des Amphotericin B kann für die Therapie zum limitierenden Faktor werden. In solchen Fällen ermöglicht die Anwendung der unilamellaren Amphotericin B-Liposomenzubereitung – AmBisome – eine Therapiefortführung. Deren Nephrotoxizität ist geringer und manifestiert sich erst signifikant später [78]. Dabei ist die Wirksamkeit von liposomalem und konventionel-
23
lem Amphotericin B identisch, sodass Dosisveränderungen nicht erforderlich sind [78]. Die mikrobiologische Diagnose einer Pilzinfektion ist allerdings schwierig. Selbst die Untersuchung von Material der bronchoalveolären Lavage führt meist nicht zum Ziel. Lungenbiopsien zur Diagnosestellung sind bei diesen Patienten wegen der gleichzeitig bestehenden Thrombopenie nicht durchführbar. Neben Pilzen kommen bei Lungeninfiltraten auch andere Erreger als Verursacher in Betracht. Das sind sowohl gramnegative aerobe Stäbchen als auch Streptokokken und Staphylococcus aureus sowie – je nach Krankenhaus in unterschiedlicher Häufigkeit – Pneumocystis carinii und Legionellen [62]. Eine spezifisch ausgerichtete Therapie ist im Falle des Nachweises von Pneumocystis oder Legionellen im Bronchialsekret bzw. Material der Lavage erforderlich (hochdosierte Gaben von Trimethoprim-Sulfamethoxazol bzw. Gabe eines Makrolidantibiotikums) [64].
Abdominelle und perianale Infektionen Bei der Therapie dieser Infektionen ist die mögliche Verursachung durch anaerobe Mikroorganismen zu berücksichtigen. In diesen Fällen muss die Initialtherapie eine gegen Anaerobier wirksame Substanz enthalten. Piperacillin +/– Tazobactam oder Carbapeneme erfassen mit ihrer Wirkung auch anaerobe Erreger. Dagegen bedürfen Cephalosporine der 3. Generation der Ergänzung durch Metronidazol. Oral sollte Metronidazol primär bei Zeichen einer durch Clostridium difficile verursachten Enteritis verabreicht werden. Die orale Gabe von Vancomycin sollte in diesen Fällen auf Therapieversager oder besonders schwere Verläufe beschränkt bleiben, womit das Ziel verfolgt werden soll, der Selektion resistenter grampositiver Erreger, wie Enterokokken und Staphylokokken, entgegenzuwirken [64].
Hautinfektionen und Venenkatheterinfektionen Infektionen, die primär von der Haut oder von Eintrittsstellen zentraler Venenkatheter ausgehen, sind vorwiegend durch koagulasenegative Staphylokokken verursacht. Daneben kommen Staphylococcus aureus und gelegentlich gramnegati-
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Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
ve Aerobier und Sprosspilze in Betracht. Die initiale empirische Therapie besteht aus der Kombination eines β-Laktam-Antibiotikums (Cephalosporin der 3. Generation bzw Acylaminopenicillin) mit einem Glykopeptidantibiotikum. Bei sicherer Beziehbarkeit des infektiösen Geschehens auf die Haut- bzw. Venenkatheterinfektion kann auf die primäre Zugabe eines Aminoglykosides verzichtet werden [64]. Gleichzeitig sollten die Entfernung oder der Wechsel des Venenkatheters erfolgen und die lokale Sanierung der Eintrittsstelle. Auch bei Infektionen mit hämatogener Streuung können septische Hautläsionen auftreten, Erreger sind hier v. a. Staphylokokken, Enterokokken oder Sprosspilze.
5 die Bewertung einer durch Antibiotikatherapie selektierten Restflora (z. B. Enterokokken unter Cephalosporintherapie) als ätiologisch relevante Erreger; 5 die Bewertung von Verunreinigungen in der Blutkultur als Bakteriämieerreger (z. B. Corynebakterien oder koagulasenegative Staphylokokken), insbesondere bei Abnahme solcher Blutkulturen aus liegenden Venenkathetern; 5 die Herstellung falscher Kausalzusammenhänge zwischen Keimnachweis und manifester Infektion (z. B. Nachweis koagulasenegativer Staphylokokken in der Blutkultur bei gleichzeitig bestehenden Lungeninfiltraten).
Antimikrobielle Therapie bei Keimnachweis Bei Patienten mit neutropenischem Fieber ist es grundsätzliches Ziel, den Infektionserreger nachzuweisen. Auch in Fällen, in denen das gelingt, ist dies aber für die 1. Therapiestufe nicht richtungweisend, da die Ergebnisse zum Zeitpunkt des Therapiebeginns noch nicht vorliegen. Bei Eingang dieser Ergebnisse ist die Wirkung der empirischen Therapie aber oft schon abzusehen, sodass gezielte Modifikationen sich meist erübrigen. Ob jedoch ein mikrobieller Keimnachweis eine Deeskalation der antimikrobiellen Therapie rechtfertigen kann, ist nur von Fall zu Fall zu entscheiden, da nicht sicher ist, ob nicht auch andere, nicht nachgewiesene Keime von ätiologischer Bedeutung sind. Darüber hinaus ist die Wertung der ätiologischen Dignität der nachgewiesenen Keime nicht einfach. Praxistipp Als häufige Fehler bei der mikrobiologischen Interpretation werden benannt [64]: 5 die Wertung des Nachweises vergrünender Streptokokken und koagulasenegativer Staphylokokken aus Mundhöhle und Oropharynx als Erreger pulmonaler Infiltrate; 6
Ergänzende Therapiemaßnahmen bei Neutropenie/Infektionen in Neutropenie Als Ergänzung zur antibiotischen Therapie bei Neutropenie bzw. Infektionen in Neutropenie kommt v. a. der Einsatz hämatopoetischer Wachstumsfaktoren (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor G-CSF; Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor GM-CSF in Frage [3, 20]. Werden die Wachstumsfaktoren nach einer Chemotherapie in Standarddosierung erst ab dem Zeitpunkt des Fieberbeginns eingesetzt, verkürzt sich die Neutropeniedauer um ca. 1 Tag. Unbeeinflusst bleiben die Dauer des Fiebers und der Hospitalisierung [3, 61]. Eine generelle Einbeziehung der Wachstumsfaktoren als additive/ interventionelle Therapie des neutropenischen Fiebers ist nicht gerechtfertigt, dennoch kann sie nach heutiger Vorstellung in Ergänzung zur antibiotischen Therapie dann erfolgen, wenn folgende Bedingungen gegeben sind: Neutrophilenzahl <0,1 Gpt/l, nicht beherrschte Grunderkrankung, Pneumonie, Hypotonie, Multiorgandysfunktion (Sepsis), invasive Pilzinfektion [3].
551 Antimikrobielle Prophylaxe bei Neutropenie
Praxistipp Als Dosierung werden für Erwachsene empfohlen: 5 µg/kgKG/Tag CSF (Filgrastim) oder 5 µg/kgKG/Tag GM-CSF (Molgramostim) [3]. Für das für Filgrastim alternativ anwendbare G-CSF-Präparat Lenograstim beträgt die Tagesdosis 150 µg/m2.
Eine prophylaktische Gabe von Wachstumsfaktoren bei Tumorpatienten im Anschluss an eine Chemotherapie in Standarddosierung führt zu einer signifikanten Verringerung febriler Episoden [27, 73, 92]. Sie gilt heute als indiziert bei Behandlungen bzw. Patientengruppen, bei denen eine febrile Neutropenie in >40 % der Fälle oder eine Neutropenie von <0,5 Gpt/I über mehr als 6 Tage zu erwarten sind. Für diese Patienten ist die Gabe von Wachstumsfaktoren bereits nach dem 1. Chemotherapiekurs zu empfehlen [3, 58]. Die prophylaktische Therapie sollte bis zum 3. Tag nach Ende der Chemotherapie begonnen werden und bis zum Wiederanstieg der Granulozytenzahl auf >1 bis 1,5 Gpt/l andauern. Klar zu trennen von der Anwendung der hämatopoetischen Wachstumsfaktoren im Verlauf einer Chemotherapie mit Standarddosierung ist ihr Einsatz in der Hochdosistherapie (z. B. zur Mobilisierung peripherer Blutstammzellen oder zur Beschleunigung der hämatopoetischen Rekonstitution nach allogener und autologer Knochenmarktransplantation bzw. peripherer Blutstammzelltransplantation). Eine neuerdings wieder praktisches Interesse erlangende Therapiekomponente bei Infektionen in schwerer Neutropenie (<0,2 Gpt/l) ist die Gabe von Granulozytentransfusionen. Eine signifikante Beziehung zwischen transfundierter Granulozytenzahl und therapeutischem Erfolg ist feststellbar [37, 49, 91, 94, 99]. Um von den Spendern ausreichende Granulozytenzahlen gewinnen zu können, ist die Stimulierung mit G-CSF ein gangbarer Weg [12, 24]. Allerdings bereitet die Anwendung der Granulozytentransfusion in der klinischen Praxis erhebliche logistische Schwierigkeiten, die sich zum einen aus der Notwendigkeit täglicher Granulozytentransfusionen ergeben und zum anderen aus
23
der nicht vorhandenen Lagerungsfähigkeit der Granulozytenpräparationen (Funktionsverlust [66]). Darüber hinaus hat auch die hohe Rate von Unverträglichkeitserscheinungen, insbesondere bei alloimmunisierten Patienten und die Gefahr z. T. respiratorpflichtiger pulmonaler Reaktionen dazu geführt, dass diese Therapieform gegenwärtig nicht als etabliertes Routineverfahren gelten kann. Ein experimenteller Ansatz bei Sepsis oder refraktärer Infektion ist die Reaktivierung deaktivierter Monozyten durch Interferon. Seine Gangbarkeit hat sich bei schwerer Infektion in Neutropenie bestätigt [19a, 30a].
Erfolgskriterien der antimikrobiellen Therapie bei Infektionen in Neutropenie Als primäres Kriterium des Therapieerfolges gelten die Entfieberung und die Rückbildung aller weiteren infektionsassoziierten Befunde. Nach Eintritt der Erfolgskriterien soll die antimikrobielle Therapie bei Patienten mit fortbestehender Granulozytopenie von <1,0 Gpt/l über weitere 5– 7 Tage durchgeführt werden. Bei Granulozytenanstieg auf Werte >1,0 Gpt/l zu diesem Zeitpunkt ist die Fortführung über 2 Tage ausreichend. Die Ausdehnung der antimikrobiellen Therapie bis zum Ende der Aplasie sollte wegen der Gefahr der Resistenzentwicklungen vermieden werden [48].
Antimikrobielle Prophylaxe bei Neutropenie Zur Verringerung des Infektionsrisikos hat die prophylaktische antimikrobielle Therapie bei Tumorpatienten in Neutropenie große praktische Bedeutung erlangt. Allerdings ist sie nicht unumstritten. Sie wird durchgeführt in Form der sogen. selektiven Dekontamination oder selektiven oralen antimikrobiellen Prophylaxe. Diese umfasst die kombinierte Gabe von antibakteriellen und antimykotischen Substanzen und sollte immer dann erfolgen, wenn eine Neutropenie <0,5 Gpt/l über einen Zeitraum von >14 Tagen zu erwarten
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Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
ist [88]. Während Trimethoprim-Sulfamethoxazol im Allgemeinen mit einem der nicht resorbierbaren Polymyxine Colistin oder Polymyxin B kombiniert wird, werden die Fluorochinolone als antimikrobielle Substanz allein verabreicht (. Übersicht 23-3).
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Allgemeinhygienische Maßnahmen zur Prävention von Infektionen in Neutropenie
. Übersicht 23-3.
Antimikrobielle Prophylaxe bei Neutropenie Trimethoprim-Sulfa- Amphotericin B + (aIs Suspension 4-mal methoxazol (3-mal 960 mg/Tag) 600 mg/Tag, als Tabletten 4-mal 200 mg/Tag)
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Ciprofloxacin (2mal 500 mg/Tag) oder Ofloxazin (2mal 200 mg/Tag)
Fluconazol (2-mal 200 mg/Tag) oder Itroconazol (2-mal 200 mg/Tag)
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eindeutigen Vorteile gegenüber der oralen Verabreichung ergeben haben [11, 18].
Vergleichende Untersuchungen belegen die sehr gute Wirksamkeit der Fluorochinolone im gramnegativen Bereich [31], ohne dabei ihre Überlegenheit dokumentieren zu können. Deshalb gilt gegenwärtig außerhalb von Studien für die orale antibakterielle Therapie im Rahmen der selektiven Dekontamination als Standard die Gabe von Trimethoprim-Sulfamethoxazol 3-mal 960 mg/ Tag in Verbindung mit Colistin 3-mal 200 mg/Tag [48]. Alternativ können statt dieser beiden Medikamente die Fluorochinolone Ciprofloxacin (2mal 500 mg) oder Ofloxacin (2-mal 200 mg) verabreicht werden. Bei den als Kombinationspartner für die selektive Dekontamination oral anzuwendenden Antimykotika stehen die resorbierbaren Azolderivate (Fluconazol 2-mal 200 mg; Itroconazol 2-mal 200 mg) und das nicht resorbierbare Amphotericin B (als Suspension 4-mal 600 mg/Tag; als Tabletten 4-mal 200 mg/Tag) zur Verfügung. Zu erwähnen ist, dass es hinsichtlich der antimykotischen Prophylaxe mit Amphotericin B auch Bestrebungen gibt, sowohl die inhalative Applikation als auch die intravenöse Verabreichung anzuwenden, wobei sich allerdings bisher keine
Ein wichtiger Aspekt bei der Betreuung von Patienten in Neutropenie bzw. von Patienten mit Infektionen in Neutropenie ist die strikte Einhaltung von Maßnahmen zur Prävention von Infektionen. Dazu gehören letztlich alle Maßnahmen zur Wahrung einer optimalen Asepsis. Wesentliche Punkte dazu sind in . Übersicht 23-4 zusammengefasst: . Übersicht 23-4.
Allgemeinhygienische Maßnahmen zur Prävention von Infektionen in Neutropenie Unterbringung 5 Ein- bis Dreibettzimmer 5 Keine unkontrollierten Klimaanlagen 5 Keine Topfpflanzen und Blumen 5 Keine unkontrollierten Bauarbeiten Ernährung 5 Keine ungeschälten und ungekochten Nahrungsmittel Arzt-Patient-Kontakt 5 Konsequente Händedesinfektion (auch zwischen Patientenkontakten innerhalb des Zimmers) 5 Saubere (nicht sterile) Kittel 5 Mundschutz Pflegerische Maßnahmen 5 Sorgfältigster Umgang mit Haut- und Schleimhautläsionen und zentralen Venenkathetern 5 Vermeidung von Verneblern und Urinkathetern 5 Keine Blutentnahme aus Fingerbeeren und Ohrläppchen
553 Literatur
Fazit für die Praxis Die neutropenische Sepsis ist vom Wesen her nicht von der Sepsis ohne Neutropenie zu unterscheiden. Sie hat ihre Besonderheit darin, dass ihr Vorkommen sich auf Patienten mit hämatoonkologischen Erkrankungen konzentriert. Nach Standarddosierungen der Chemotherapie kommt es bei diesen Patienten zu einer in der Regel selbstlimitierenden Neutropenie. Im Zeitraum ihres Bestehens tritt diese als spezifischer pathogenetischer Ausgangspunkt der Sepsis in den Vordergrund. Infektionen in Neutropenie lösen bei der Mehrzahl der Patienten ein Fieber unbekannten Ursprungs (»fever of unknown origin«, FUO) aus. Dieses ist klinisch meist mit Allgemeinveränderungen verbunden, die nach derzeit geltenden Kriterien die Manifestation einer generalisierten Entzündungsreaktion belegen. Zeitgleich zu erhebende laborchemische Veränderungen bestätigen das. Bei der Therapie der Infektionen in Neutropenie trägt die antimikrobielle Therapie durch ihren frühen interventionellen Charakter wesentlich dazu bei, fortgeschrittene septische Zustandsbilder zu vermeiden. Die Einhaltung ihrer klar definierten Vorgehensweise ist für den Behandlungserfolg wesentlich. Innerhalb der konservativen Therapie der Sepsis in Neutropenie ist die interventionelle antimikrobielle Therapie spezifischer Bestandteil des therapeutischen Gesamtkonzepts.
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Kapitel 23 · Sepsis bei Tumorerkrankungen und Neutropenie
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24 Neugeborenensepsis H. Stopfkuchen
Definition – 557 Epidemiologie Ätiologie
– 558
– 558
Pathogenese
– 559
Klinisches Bild Diagnostik
– 561
Behandlung Prognose
– 564
– 569
Prävention Literatur
– 559
– 569
– 570
Definition Von einer Neugeborenensepsis spricht man dann, wenn in den ersten 4 Lebenswochen bei klinisch kranken Neugeborenen systemische Infektzeichen (z. B. Tachykardie, Tachypnoe, Apnoe, Temperaturinstabilität) auftreten, die mit einer Bakteriämie einhergehen [4, 12, 20, 29, 31, 38] Klinisch unterscheidet man dabei 2 Formen: eine früh beginnende (»early onset«) und eine spät beginnende (»late onset«) Form (. Tabelle 24-1).
Bei der früh beginnenden Neugeborenensepsis handelt es sich um ein häufig Frühgeborene betreffendes, fulminantes, multisystemisches Krankheitsbild während der ersten Lebenstage. Meist Iiegen geburtshilfliche Risiken vor, wie vorzeitiger Blasensprung, vorzeitiger Wehenbeginn, Chorioamnionitis oder peripartales Fieber bei der Mutter. Die Erreger stammen aus dem Geburtskanal und werden vor oder während des Geburtsvorgangs erworben (vertikale Übertragung). Die spät beginnende Form tritt frühestens am 4. Lebenstag, meist aber später (nach 2–4 Wochen) auf. Die dafür verantwortlichen Erreger können
558
21
Kapitel 24 · Neugeborenensepsis
. Tabelle 24-1. Charakteristische Merkmale der früh und der spät beginnenden Neugeborenensepsis Merkmale
Früher Beginn
Später Beginn
Zeitpunkt des Beginns (Tage)
≤3
≥4
Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen
Ja
Ja/Nein
Erregerquelle
Geburtskanal
Geburtskanal/Umwelt
5
Klinisches Bild
Fulminanter Verlauf, Multiorganbefall, häufiger mit Pneumonie
Langsam fortschreitender Verlauf, fokal, häufig mit Meningitis
6
Letalität
8–16%
2–10%
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7 8
noch aus dem Geburtskanal stammen oder wurden postpartal durch menschliche Kontakte oder Kontakt mit kontaminiertem Material erworben.
9
Epidemiologie
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Die Häufigkeit einer Neugeborenensepsis unter allen Lebendgeborenen wird mit 0,1–0,3 % [42] (»Early-onset«-Form bei Frühgeborenen unter 1500 g Körpergewicht: 1,9 % [35]), für Australien mit 0,22 % für die »Early-onset«-Form bzw. mit 0,44 % für die »Late-onset«-Form [18] angegeben. Seit der Propagierung geeigneter Präventionsstrategien ist allerdings die Inzidenz der »Earlyonset«-Sepsis durch B-Streptokokken zumindest in einigen Regionen der USA auf unter 6 Fälle pro 10.000 Lebendgeborene gesunken [32]. In 10–20 % der Fälle liegt eine begleitende Meningitis vor. Zu den kindlichen und mütterlichen Risikofaktoren für das Auftreten einer Neugeborenensepsis gehören 5 niedriges Geburtsgewicht/Frühgeburtlichkeit (insbesondere unter 30 Schwangerschaftswochen), (Sepsisrisiko 0,8 %), 5 beeinträchtigte respiratorische Funktion des Neugeborenen bei der Geburt, 5 mütterliche peripartale Infektion (Chorioamnionitis: Fieber >38°C, empfindlicher Uterus, purulentes Fruchtwasser, anhaltende fetale Tachykardie; Sepsisrisiko bei vorzeitigem Fruchtblasensprung und Chorioamnionitis: 8,7 %),
5 vorzeitiger Fruchtblasensprung (>18 bzw.
>24 h; Sepsisrate bei reifen Neugeborenen: 1,3 %), 5 vaginale Kolonisation mit pathogenen Keimen (β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B; Sepsisrisiko: 1–2 %). Ein besonderes Problem stellen heute mit einer Bakteriämie einhergehende systemische Infektionen bei Hochrisikofrüh- und -termingeborenen auf neonatologischen Intensivstationen dar (nosokomiaIe Infektionen). Bis zu 14 % (bzw. bis zu 25 % bei Frühgeborenen unter 1500 g Körpergewicht) [16, 36] aller aufgenommenen Kinder können davon betroffen sein. Eine wesentliche ursächliche Rolle spielen dabei zentrale Venenkatheter [28] und endotracheale Tuben.
Ätiologie ! Das Erregerspektrum der Neugeborenensepsis
variiert z. T. erheblich von Abteilung zu Abteilung. Generell kommt aber den β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B, Escherichia coli, Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus, Listeria monozytogenes, Enterobacter species, Klebsiella pneumoniae, Hämophilus influenzae und Enterokokken die größte Bedeutung zu.
β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B, Escherichia coli, Hämophilus influenzae, Listeria
559 Klinisches Bild
. Tabelle 24-2. Häufigkeit von Erregern der Neugeborenensepsis Erreger
»Frühe Form« [%]
»Späte Form« [%]
β−hämolysierende Streptokokken der Gruppe B
66
11
Gramnegative Erreger
16
15
Koagulasenegative Staphylokokken
3
34
Andere
15
40
monozytogenes sowie Staphylococcus epidermidis, d. h. Bakterien, die die Genitoanalregion der Schwangeren besiedeln, kommen dabei sowohl als Verursacher der frühen als auch der späten Form der Neugeborenensepsis in Betracht, während Staphylococcus aureus, Enterobacter species, Klebsiella pneumoniae, Enterokokken und Pseudomonas aeruginosa meist mit der spät auftretenden Form assoziiert sind (. Tabelle 24-2).
Pathogenese Die Keimbesiedlung eines Neugeborenen erfolgt in der Regel nach dem Fruchtblasensprung. In den meisten Fällen werden im Gegensatz zu den mittels Kaiserschnitt entbundenen Neugeborenen Haut- und Schleimhäute (einschließlich Nasopharynx, Oropharynx und Nabelschnur eines per vias naturales geborenen Kindes mit den in den Geburtswegen der Mutter vorhandenen Keimen besiedelt. Dazu gehören insbesondere β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B [bei 10 %– (20 % in den USA) sind Gastrointestinal- und Genitaltrakt damit besiedelt], Escherichia coli und Staphylococcus epidermidis. Verletzungen der Haut und der Schleimhäute (z. B. Abschürfungen; Punktionsstellen; Verletzungen durch Absaugvorgänge) können dann zur Eintrittspforte für diese Keime und damit zu Ausgangspunkten von lokalen und/oder systemischen Infektionen werden.
24
Aber auch durch die direkte Ausbreitung von einer massiven Besiedlung aus (z. B. im oberen Respirationstrakt oder am Nabelschnurstumpf) kann es zu einer Bakteriämie kommen. Ist die Geburt jedoch verzögert, können Keime aus der Vagina aszendieren und zu Entzündungen im Bereich der Eihäute, der Nabelschnur und der Plazenta führen (Chorioamnionitis). Über den Weg der Aspiration infizierten Fruchtwassers (intrauterine Pneumonie) kann es dann schließlich zur Entwicklung einer fetalen Infektion kommen. ! Besiedlungen und Infektionen bei der Mutter,
insbesondere solchen im Bereich der Geburtswege, kommt also hinsichtlich des Entstehens einer neonatalen Infektion eine besonder Bedeutung zu.
Der transplazentare hämatogene Infektionsweg kurz vor oder während der Geburt ist dabei zwar möglich, aber wohl sehr viel seltener als der Infektionsweg per continuitatem während des Geburtsvorgangs. Der transplazentare hämatogene Infektionsweg ist dagegen häufiger die Ursache für eine virale Erkrankung des Fetus. Warum sich nun bei einem Neugeborenen beim Vorliegen prädisponierender Faktoren, wie niedriges Geburtsgewicht, vorzeitiger Fruchtblasensprung, Infektion (vorwiegend Harnwegsinfektion) bei der Mutter oder peripartale Asphyxie, ein septisches Krankheitsbild entwickelt oder nicht, ist im Einzelfall nicht zu klären. Grundsätzlich spielen aber eine Reihe von Faktoren eine Rolle. Dazu zählen u. a. 5 Menge und Virulenz der Keime, 5 Unreife der Phagozyten und des immunologischen Abwehrsystems, 5 metabolische Störungen, wie Hypoxie und Azidose, 5 Mehrlingschwangerschaft.
Klinisches Bild Viele Neugeborene mit früh beginnender Sepsis bieten bereits zum Zeitpunkt der Geburt auffällige, auf das Vorliegen einer Sepsis hinweisende klinische Symptome und Befunde oder entwickeln
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Kapitel 24 · Neugeborenensepsis
diese kurze Zeit später. Fetale Beeinträchtigung, anhaltende Tachykardie in der Austreibungsphase (>180 Schläge/min), stinkende Plazenta, stinkendes Kind sowie niedrige Apgar-Werte können Hinweise auf das Vorliegen einer bereits intrauterin erworbenen Infektion sein. Die initialen Zeichen einer Neugeborenensepsis können dabei aber sowohl bei Frühgeborenen und Reifgeborenen als auch bei früh wie spät beginnender Sepsisform außerordentlich diskret sein und oft nicht von den klinischen Zeichen nichtinfektiöser Krankheitsprozesse unterschieden werden (. Übersicht 24-1). Kurze Zeit (evtl. einige Stunden) später (bei foudroyant verlaufender Sepsis, aber auch initial) treten dann schon etwas markantere Symptome auf (. Übersicht 24-2). Hyperthermie (>37,8 °C axillar) muss in den ersten 3 Lebenstagen beim reifen Neugeborenen als Hinweis auf eine Sepsis gewertet werden (in 66 % aller Fälle), wenn diese länger als 1 h andauert und mit anderen potentiellen Infektionszeichen einhergeht. Respiratorische Störungen sind besonders häufige (in über 50 % der Fälle) und wichtige Hinweiszeichen für das Vorliegen einer Sepsis. Ein spezifisches, aber oft auch schon spätes Zeichen ist das Auftreten von Apnoen. Gastrointestinale Symptome wie Trinkschwäche, Spucken, Erbrechen, Durchfall oder aufgetriebenes Abdomen sind meist recht frühe Sepsiszeichen. Klinische Hinweise auf Störungen des kardiovaskulären Systems, wie Tachykardie, Arrhythmie und schlechte periphere Perfusion sind ebenfalls sehr sensitive Sepsiszeichen. Je weiter die Sepsis fortschreitet, desto deutlicher und charakteristischer werden natürlich auch die auftretenden Symptome (. Übersicht 24-3).
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. Übersicht 24-1.
Erste klinische Hinweise auf eine Neugeborenensepsis: 5 5 5 5
Geringere Aktivität, blasses Hautkolorit, schlechtes Trinkverhalten, Spucken von Nahrung.
. Übersicht 24-2.
Dringliche Hinweise auf eine Neugeborenensepsis 5 Temperaturinstabilität bei Reifgeborenen (Hyperthermie öfter als Hypothermie), 5 Beeinträchtigung der Atmung (Apnoe/Zyanose/Tachypnoe), 5 Bradykardie/Tachykardie, 5 Apathie, 5 aufgetriebenes Abdomen, 5 Erbrechen, 5 Hepatomegalie, 5 schlechte Hautdurchblutung, 5 Hyperthermie (s. Text).
. Übersicht 24-3.
Hinweise auf eine manifeste Neugeborenensepsis 5 Temperaturinstabilität; 5 Haut: – Petechien, Pusteln; 5 ZNS: – Hypotonie, – Apathie, – Zittrigkeit, – Krämpfe; 5 Gastointestinaltrakt/Abdomen: – Erbrechen, – Diarrhö, – aufgetriebenes und druckempfindliches Abdomen; 5 Atmung: – Apnoe/Tachypnoe, – Zyanose, – interkostale Einziehungen, Nasenflügeln, Stöhnen; 5 Kardiovaskuläres System: – blasse, marmorierte Haut, – kalte, feuchte Haut, – Tachykardie/Bradykardie, – Hypotonie, – verlängerte kapilläre Füllungszeit (>3 s).
561 Diagnostik
Diagnostik Anlass zur diagnostischen Abklärung einer vermuteten Neugeborenensepsis sind 2 grundsätzlich unterschiedliche klinische Situationen. Zum einen kann eine Faktorenkonstellation vorliegen, die bekanntlich das Risiko des Auftretens einer Neugeborenensepsis erhöht. Zum anderen können aber bereits klinische Zeichen einer Sepsis vorliegen. Demnach stützt sich die Diagnose »Neugeborenensepsis« üblicherweise zunächst auf die Anamnese mit peripartalen oder klinischen Risikofaktoren und/oder auf klinische Symptome, was dann zusätzlich durch die Ergebnisse von geeigneten Laboruntersuchungen erhärtet bzw. sogar bewiesen wird. Praxistipp Abgesehen vom Ergebnis kultureller Untersuchungen gibt es keinen Test, der für sich alIein genommen eine klare Unterscheidung zwischen einem infizierten und einem nichtinfizierten Neugeborenen erlauben würde. Deshalb sollte beim ersten Auftreten von auf eine Sepsis hinweisenden klinischen Zeichen Material für das Anlegen bakteriologischer Kulturen und für die Durchführung von Laboruntersuchungen gewonnen werden, deren Ergebnis dem Kliniker möglichst sofort zur Verfügung steht.
Mikrobiologische Untersuchungen: Voraussetzungen für eine sichere Diagnose Die Voraussetzung für die sichere Diagnose einer bakteriellen Sepsis ist der Nachweis eines Erregers in einer normalerweise sterilen Körperflüssigkeit, wie Blut, Liquor und ggf. Urin. Der Erregernachweis im Bereich der Nasen- und Rachenschleimhaut, der Haut, des Nabels oder des Stuhls weist per se zunächst lediglich auf eine Keimbesiedlung hin. In vielen Fällen gelingt trotz des Vorliegens einer typischen systemischen Entzündungsreaktion ein Erregernachweis jedoch auch nicht und
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die Diagnose muss sich dann allein auf anamnestische Daten und auf den klinischen Befund stützen.
Blutkultur, »gold standard« Als »gold standard« für die Diagnosestellung »bakterielle Sepsis« gilt der Erregernachweis im Blut. Der positive Nachweis gelingt meist innerhalb von 24–48 h. Nach 72 h werden mindestens 98 % aller positiven Kulturen erfasst. Die Zahl der notwendigen Blutkulturen und die notwendige Blutmenge pro Kultur sind umstritten. Die übliche Blutmenge liegt bei etwa 0,5–1,0 ml [19]. Die Abnahme der Kultur, die unter streng antiseptischen Bedingungen erfolgen muss, sollte über eine periphere Vene und – zumindest jenseits der 1. Lebensstunde – möglichst nicht über die Nabelschnurgefäße erfolgen. Blutabnahmen über liegende Katheter gehen mit einer hohen Kontaminationsrate einher. Um die Diagnose einer katheterassoziierten Sepsis stellen zu können, empfiehlt sich die gleichzeitige Blutabnahme über den Iiegenden Katheter und aus einer peripheren Vene.
Liquorkultur: bei Sepsisverdacht und negativer Blutkultur dringend empfohlen! Da eine Neugeborenensepsis häufig mit einer Meningitis einhergeht (in 15 % bei »Early-onset«Sepsis; in bis zu 30 % bei »Late-onset«-Sepsis [40]), sollte bei dringendem Verdacht auf das Vorliegen einer Sepsis immer auch eine Lumbalpunktion und die Untersuchung des Liquor cerebrospinalis erfolgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Mutter unter der Geburt ein Antibiotikum erhalten hat, da dann häufig die Blutkultur negativ ausfällt. Allerdings muss bei dieser Entscheidung auch der Allgemeinzustand des Neugeborenen mit berücksichtigt werden. Besteht der Eindruck, dass die Lumbalpunktion zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Vitalfunktionen des Neugeborenen (insbesondere Frühgeborenen) führen könnte, oder besteht eine erhebliche Blutungsbereitschaft, kann deren Durchführung auch verschoben werden: Bei 85 % von Neugeborenen mit einer Meningitis findet sich auch eine positive Blutkultur.
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Kapitel 24 · Neugeborenensepsis
Urinkultur bei Verdacht auf Late-onset-Sepsis
22
Praxistipp
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Eine Urinkultur muss beim Verdacht auf das Vorliegen einer Late-onset-Sepsis angelegt werden. Der Urin sollte dazu mittels suprapubischer Blasenpunktion gewonnen werden.
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Zusätzliche Kulturen Bakterielle Kulturen aus Magensaft und Gehörkanalflüssigkeit geben die Keimbesiedlung der Geburtswege wieder. Im negativen Fall spricht dies gegen eine während der Geburt erworbene Infektion.
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Zusätzliche Laboruntersuchungen Alle zusätzlichen Laboruntersuchungen zum Nachweis bzw. Ausschluss einer systemischen Infektion sollten sich grundsätzlich durch eine 100 %ige Sensitivität und eine 100 %ige negative Voraussagegenauigkeit auszeichnen, d. h. alle Neugeborenen mit einer Sepsis sollten erkannt werden, und bei allen nichtinfizierten Neugeborenen sollte die Diagnose Sepsis ausgeschlossen werden können.
Antigennachweis Eine sensitive und rasche Methode zum Nachweis β-hämolysierender Streptokokken der Gruppe B – auch nach bereits begonnener antimikrobieller Therapie (Mutter oder Neugeborenes) – stellt der Latexagglutinationsschnelltest zum qualitativen Nachweis von gruppenspezifischen Zellwandantigenen im Liquor dar [2, 26]. Serum und konzentrierter Urin sind dafür wohl weniger gut geeignet. Sensitivität, Spezifität sowie positive und negative Voraussagegenauigkeit werden u. a. mit 88 %, 98 %, 79 % und 99 % angegeben [26]. Wegen der hohen Rate an falsch-positiven Ergebnissen sollte dieser Test aber bei asymptomatischen Neugeborenen nicht als Screeningtest zum Nachweis einer Sepsis verwendet werden.
Leukozytenzahl Blutbild mit Differentialblutbild [23] werden üblicherweise als Zusatzuntersuchungen zum Nachweis einer Neugeborenensepsis verwendet. Zu den Indikatoren einer Infektion zählen: 5 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten [12] (Neutropenie bzw. Neutrophilie in Abhängigkeit vom Lebensalter: <1.800/mm3 bzw. >5.400/mm3 bei Geburt; <8.100/mm3 bzw >14.400/mm3 nach 12 h; <7.000/mm3 bzw. >12.600/mm3 nach 24 h; <1.800/mm3 bzw. >5.400/mm3 nach 72 h). Dabei ist die Neutropenie der bessere Indikator für das Vorliegen einer Infektion als die Neutrophilie. 5 Gesamtzahl der unreifen Granulozyten (pathologisch in Abhängigkeit vom Lebensalter: >1.100/mm3 bei Geburt; >1.500/mm3 nach 12 h; >600/mm3 nach 60 h). 5 Neutrophilenquotient = unreife (Stabkernige + Promyelozyten + Myelozyten)/Gesamtneutrophile: normal <0,16 in den ersten 24 Lebensstunden, <0,13 nach 60 Lebensstunden, <0,2 in den ersten 5 Tagen bei Frühgeborenen ≤ 32 Schwangerschaftswochen. Von diesen »Neutrophilenindizes« ist der Neutrophilenquotient (z. B. >0,2 bei Verwendung der Neutrophilenkriterien von Manroe [25] der sensitivste und spezifischste Indikator für das Vorliegen einer bakteriellen Sepsis beim reifen Neugeborenen [5]. Dennoch hat auch dieser Index nur eine begrenzte Aussagekraft. Obwohl die negative Voraussagegenauigkeit des Neutrophilenquotienten plus Nachweis eines erhöhten C-reaktiven Proteins im Rahmen eines Screeningtests bei 90–98 % lag, waren diese Prozentzahlen bei Neugeborenen mit klinischen Zeichen einer Sepsis mit 65–76 % deutlich niedriger [21]. Bei Frühgeborenen ist die Aussagekraft der Leukozytenindizes noch geringer.
Nachweis Akuter-Phase-Proteine Akute-Phase-Proteine sind unspezifische, primitive Eiweiße, die unter dem Einfluss von Interleukin-1 von Leberzellen als Antwort auf Zelluntergang, Infektion oder Trauma gebildet werden. Anstiege der Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP; Normalwert: <10 mg/l) finden sich beim Neugeborenen außer bei bakteriell-entzünd-
563 Diagnostik
lichen Prozessen auch in Situationen mit anderen Gewebeläsionen oder Erkrankungen wie Asphyxie, Atemnotsyndrom und Mekoniumaspiration, was eine niedrige Spezifität der Methode bedingt. Damit ist die Bedeutung von CRP insbesondere als früher Indikator für das Vorliegen einer Neugeborenensepsis erheblich beeinträchtigt. Dies gilt auch dann, wenn eine Sepsis innerhalb der ersten 12–24 Lebensstunden auftritt; zu diesem Zeitpunkt findet sich nämlich in der Regel noch kein Anstieg des CRP-Spiegels. Auch dem CRP allein kommt also beim Neugeborenen hinsichtlich des frühen Nachweises einer bakteriellen Infektion nur eine eingeschränkte Bedeutung zu (etwa 10 % der systemischen Infektionen werden initial auf diese Weise nicht erkannt). Der – wenn auch etwas verzögerte – Anstieg des Maximalwerts sowie der Abfall des CRPSpiegels, d. h. also die Dynamik des Wertes, sind aber dennoch gute und praktisch relevante Hinweise auf das Vorliegen, die Intensität und das Ansprechen auf die Therapie einer systemischen bakteriellen Infektion beim Neugeborenen. So stützt ein ausbleibender CRP-Konzentrationsanstieg massiv die Entscheidung zur Beendigung einer aufgrund eines klinischen Verdachts begonnenen Therapie. Weder die Bestimmung des Fibrinogens noch des Haptoglobins oder der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) konnten grundsätzlich zu einer zeitlichen Vorverlegung einer Sepsisdiagnose beitragen. Deshalb wird immer wieder nach anderen Indikatoren gesucht. Dazu gehören α-1-Antitrypsin, Laktoferrin, Elastase, Elastase-α-1-Proteinase-Inhibitor, Transferrin, Präalbumin und das Komplement. Bisher haben sich aber alle diese Indikatoren hinsichtlich der Diagnosestellung einer Neugeborenensepsis als nicht hilfreich erwiesen. Günstiger sieht es dagegen aus, was die Interleukine IL-6 und IL-8, den Zytokinantagonisten IL-1ra, den löslichen IL-2-Rezeptor und das Procalcitonin [8, 9, 10, 27, 33] betrifft. Erste Studien mit Interleukinen waren viel versprechend und lassen es möglich erscheinen, dass sich in Zukunft Zytokinbestimmungen – z. B. Bestimmung des IL-6Spiegels – zum frühen Nachweis infizierter Neugeborener etablieren könnten [9].
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Die Unzulänglichkeit eines einzelnen Labortests hinsichtlich eines frühen, schnellen und verlässlichen Nachweises einer bakteriellen Sepsis beim Neugeborenen hat dazu geführt, die Ergebnisse von mehreren Tests zusammenzufassen, um so die Voraussagegenauigkeit zu verbessern. So werden u. a. verschiedene Leukozytenindizes, der CRP-Wert, die BSG – und in jüngster Zeit auch verschiedene Zytokine, wie IL-6 (auch IL-6 spielt eine entscheidende Rolle bei der Induktion der CRP-Synthese) und IL-8 – bestimmt und ein für das Vorliegen einer Sepsis sprechendes positives Ergebnis nur dann angenommen, wenn davon wenigstens 2 Parameter von der Norm abweichende Werte aufweisen. Dieses Vorgehen hat nicht zur Etablierung eines absolut sicheren Testverfahrens geführt, aber insgesamt doch sowohl die positive aIs v. a. die negative Voraussagegenauigkeit der akuten Phasenproteine verbessert. Dies kann dann aber mit dazu beitragen, dass die Zahl der Neugeborenen, die Ietztlich unnötigerweise antibiotisch behandelt werden, reduziert wird bzw. dass die Dauer der Antibiotikatherapie verkürzt werden kann. Allerdings ändert dies grundsätzlich nichts daran, dass die Anamnese und die klinische Beurteilung des Neugeborenen hinsichtlich der Möglichkeit des Vorliegens einer systemischen Infektion weiterhin höchste Priorität genießen. Labortests dienen zur Unterstützung und Erweiterung der anamnestischen Daten und des klinischen Eindrucks. Im Zweifelsfall muss weiterhin immer mit einer Antibiotikatherapie zumindest begonnen werden.
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Kapitel 24 · Neugeborenensepsis
Behandlung* Antimikrobielle Therapie: Beginn bei geringstem Verdacht auf Neugeborenensepsis!
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Praxistipp Wenn Anamnese und klinische Symptome den geringsten Verdacht auf das Vorliegen einer Neugeborenensepsis aufkommen lassen, sollten Blut-, Urin- (nach dem 3. Lebenstag) und ggf. Liquorkulturen angelegt, das Anfertigen einer Röntgenaufnahme des Thorax in Betracht gezogen und mit einer antibiotischen Therapie begonnen werden.
Dieses Vorgehen ist deshalb dringend erforderlich und wird auch von den meisten Neonatologen so gehandhabt, weil die ersten klinischen Zeichen einer Neugeborenensepsis sehr diskret sein können, die Krankheit aber ggf. foudroyant innerhalb weniger Stunden fortschreiten kann und immer noch mit einer recht hohen Mortalität belastet ist. ! Dementsprechend muss auch weiterhin akzep-
tiert werden, dass relativ viele Neugeborene wegen des Verdachts auf eine Sepsis behandelt werden, obwohl eine Sepsis (positive Blut-, Urin- oder Liquorkultur) nur bei wenigen sicher nachgewiesen wird (z. B. 1:15 bzw. 1:28 in den ersten Lebenstagen). Das heißt, derzeit müssen noch relativ viele Neugeborene behandelt werden, um die wenigen mit einer definitiven Sepsis sicher zu erfassen. Gut geplante Studien werden in Zukunft zeigen müssen, ob der viel versprechende Einsatz der Zytokine als früher Entzündungsmarker an dieser Situation grundlegend etwas ändern wird.
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* Die Sepsis-Leitlinien der Survival Sepsis Campaign enthalten auch Empfehlungen zur Behandlung der Sepsis bei Kindern und Neugeborenen ([Dellinger et al. 2004], Zitat in Kap. 4)
Initiale antibiotische Therapie Die Wahl des Antibiotikums für die Initialbehandlung einer zunächst nur vermuteten Neugeborenensepsis hängt ab von dem antizipierten Erregerspektrum einer Neugeborenensepsis und der antimikrobiellen Empfindlichkeit dieser Erreger (. Tabelle 24-3; [4, 12, 20, 34]). So ist derzeit bei einer früh auftretenden Neugeborenensepsis (»Early-onset«-Sepsis) in erster Linie vom Vorliegen einer Infektion mit grampositiven Kokken, insbesondere β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B, (seltener) mit Escherichia coli, Haemophilus influenzae oder mit Listeria monocytogenes auszugehen. Die Behandlung einer 4–5 Tage nach der Geburt oder später auftretenden Sepsis (»late onset disease«) hingegen muss zusätzlich zu den Erregern einer »Early-onset«-Sepsis das Vorliegen von Erregern wie koagulasenegative Staphylokokken, Staphylococcus aureus, gramnegative Enterobakterien (z. B. Enterobacter species, Klebsiella pneumoniae) sowie Pseudomonas aeruginosa mit in Betracht ziehen. Praxistipp β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B sind empfindlich gegenüber Penicillin G. Ampicillin und Cephalosporine der 3. Generation sind ebenfalls hochwirksam.
Die meisten Staphylococcus-aureus-Stämme – wie auch die meisten koagulasenegativen Staphylokokken – produzieren β-Laktamase und sind prinzipiell empfindlich gegenüber penicillinaseresistenten Penicillinen und selektiven Cephalosporinen. Allerdings sind mittlerweile viele Staphylokokkenstämme methicillinresistent (MRSA) und nur noch auf Vancomycin sensibel. Streptokokken der Gruppe D (Enterokokken) sind unterschiedlich empfindlich gegenüber Penicillin. Die günstigste Therapie besteht aus einer Kombination von Ampicillin (zellwandaktiv) oder Vancomycin und einem Aminoglykosid. Allerdings ist derzeit weltweit eine zunehmende Resistenzentwicklung bei den Enterokokken gegenüber Penicillin, Aminoglykosiden und auch Vancomycin zu beobachten.
565 Behandlung
. Tabelle 24-3. Antibiotikadosierung beim Vorliegen einer Sepsis und/oder einer Meningitis Antibiotikum
Sepsis
Meningitis
Ampicillin
Postnatales Alter <7 Tage: <2000 g: 50 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen >2000 g: 75 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen
100 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen 200 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen
Postnatales Alter >7Tage: <1.200 g: 50 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen 1.200–2.000 g: 75 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen >2000 g: 100 mg/kgKG/Tag in 4 Dosen i.v. in 3–5 min bzw. Infusionsdauer: 15–30 min Gentamicin
In den ersten 4 Wochen <1000 g: 3,5 mg/kgKG/Dosis, alle 24 h; 1000–1200 g: 2,5 mg/kgKG/Dosis, alle 18–24 h <7 Tage: 1.200-2.000 g: 2,5 mg/kgKG/Dosis, alle 12–18 h >2.000 g: 2,5 mg/kgKG/Dosis, alle 12 h >7 Tage: 1200–2000g: 2,5 mg/kgKG/Dosis, alle 8–12 h >2.000 g: 2,5 mg/kgKG/Dosis, alle 8 h Infusionsdauer: 0,5 h Spitzenspiegel: 4–10 µg/ml Talspiegel: <2µg/ml
Netilimicin
Intialdosis: 5 mg/kgKG, danach 3,5 mg/kgKG/Dosis Dosierungsintervall: <30. SSW: 24 h; 30.–37. SSW: 18 h; >37. SSW: 12 h; Infusionsdauer: 30 min Talspiegel: <1,5 µg/ml Spitzenspiegel: 5–9 µg/ml
Vancomycin
1. Woche: <1200 g: 15 mg/kgKG/Dosis, alle 24 h 1.200-2.000 g: 15 mg/kgKG/Dosis, alle 12–18 h >2.000 g: 15 mg/kgKG/Dosis, alle 8–12 h Nach einer Woche: <1.200 g: 15 mg/kgKG/Dosis, alle 24 h 1.200–2.000 g: 15 mg/kgKG/Dosis, alle 8–12 h; 6
100 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen 150 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen 200 mg/kgKG/Tag in 4 Dosen
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Kapitel 24 · Neugeborenensepsis
. Tabelle 24-3. (Fortsetzung) Antibiotikum
Sepsis
Vancomycin
>2.000 g: 15 mg/kgKG/Dosis, alle 8 h; Infusionsdauer: 1 h Spitzenspiegel: 25–40 µg/ml Talspiegel: 5–10 µg/ml
Cefotaxim
In 1. Woche <1200 g: 100 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen 1200–2000 g: 100 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen >2000 g: 100–150 mg/kgKG/Tag in 2–3 Dosen danach: <1.200 g: 100 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen >1.200 g: 150 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen
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Ceftazidim
Meningitis
In den ersten 4 Wochen <1.200 g: 100 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen In 1. Woche: 1.200–2.000 g: 100 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen >2.000 g: 150 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen 2.-4. Woche: 1.200–2.000 g: 150 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen, >2.000 g: 150 mg/kgKG/Tag in 3 Dosen
Listeria monocytogenes ist empfindlich gegenüber Penicillin G und Ampicillin. Die Wahl des Antibiotikums zur Initialbehandlung einer Neugeborenensepsis mit gramnegativen Erregern hängt vom aktuellen Resistenzverhalten der infrage kommenden Erreger ab. Dieses kann von Institution zu Institution unterschiedlich sein oder auch an einem Ort wechseln. Routinemäßige Kontrolluntersuchungen sollten darüber laufend Aufschluss geben. Gegen die meisten praktisch wichtigen gramnegativen Erreger – Escherichia coli, Enterobacterspecies, Klebsiella pneumoniae, Proteus und Pseudomonas aeruginosa – sind die Aminoglykoside Gentamicin, Netilmicin, Amikacin und Tobramycin bzw. ein Cephalosporin der 3. Generation, gegen Haemophilus influenzae Ampicillin wirksam. Beim Vorliegen von Pseudomonas aeruginosa, Enterobacter, Citrobacter oder Serratia wird ein Cephalosporin der 3. Generation in Kombination mit einem Aminoglykosid eingesetzt. Im Fall von Pseudomonas sollte das Cephalosporin Ceftazidim eingesetzt werden. Alternativen zu
Wie bei Sepsis
Wie bei Sepsis
den Aminoglykosiden bzw. Cephalosporinen sind in speziellen Situationen die Carbapeneme Meropenem und Imipenem (auch gegen grampositive Keime) sowie das Monobactam Aztreonam (nur gegen gramnegative Erreger). Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass sich im Regelfall für die Initialbehandlung einer früh auftretenden Neugeborenensepsis (wichtigste zu berücksichtigende Erreger: β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B, Escherichia coli, Enterokokken, Haemophilus influenzae, Listeria monocytogenes) eine Kombination aus Ampicillin und einem Aminoglykosid (z. B. Gentamicin oder Netilmicin) empfiehlt. Dies gilt auch im Fall des Vorliegens einer begleitenden Meningitis. Allerdings wird dann üblicherweise die alternative Kombination Cefotaxim plus Ampicillin gewählt. Bei der Initialbehandlung einer nach dem 3. Lebenstag auftretenden Sepsis (»late onset«) mit der dann auch immer gegebenen Möglichkeit, dass es sich nicht mehr um eine vertikale Infektion von der Mutter auf das Kind handelt, müssen die jeweiligen »Hauskeime« der Station mit be-
567 Behandlung
rücksichtigt werden. Weil dabei heute neben den gramnegativen Bakterien immer Staphylokokken als Erreger mit in Betracht gezogen werden müssen, sollte ein penicillinaseresistentes Penicillin oder Vancomycin (wenn bereits eine Resistenz dieser Staphylokokken gegenüber penicillinaseresistenten Penicillinen beobachtet wurde) eingesetzt werden. Im Hinblick auf die dabei immer mit zu berücksichtigenden gramnegativen Bakterien kommen in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation ein Aminoglykosid oder ein Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Cefotaxim, Ceftazidim) in Betracht. In der Regel wird also eine Kombination aus Vancomycin und einem Aminoglykosid bzw. einem Cephalosporin der 3. Generation ausreichen, um die späte Form einer Neugeborenensepsis erfolgreich zu behandeln. Falls eine begleitende bzw. isolierte Meningitis vorhanden ist, besteht die Initialbehandlung der »Late-onset«-Form im Einsatz eines Cephalosporins der 3. Generation (Cefotaxim) in Kombination mit einem Aminoglykosid und Vancomycin. Grundsätzlich muss aber auch bei der Zusammenstellung der initialen Antibiotikatherapie zur Behandlung einer Neugeborenensepsis (bzw. bei Verdacht auf eine Sepsis) immer auch die Möglichkeit eines Wechsels in der Antibiotikaempfindlichkeit »vor Ort« der in Frage kommenden Erreger berücksichtigt werden. Derartige Veränderungen sollten durch routinemäßige mikrobiologische Untersuchungen aufgedeckt werden und ggf. zur Anpassung der ortsüblichen Antibiotikatherapie führen. Der kritiklose Einsatz wechselnder, z. T. sehr breit wirksamer Antibiotika sollte unter allen Umständen vermieden werden, da dadurch einem Wechsel der mikrobiologischen Flora Vorschub geleistet wird. Dies gilt prinzipiell letztlich auch für den Einsatz von Cephalosporinen der 3. Generation (z. B. Cefotaxim; Ceftazidim) im Rahmen der Initialtherapie bei der Neugeborenensepsis. Diese Antibiotika haben eine exzellente Wirksamkeit gegen β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B, Escherichia coli und andere gramnegative Bakterien (nicht gegen Listerien und Enterokokken), sind gut Iiquorgängig und entbehren einer dosis-
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abhängigen Toxizität. Wegen der begründeten Befürchtung des raschen Auftretens antibiotikaresistenter Bakterienstämme sollte diese Antibiotikaklasse jedoch nicht routinemäßig, sondern möglichst nur gezielt bei schweren Verläufen, z. B. mit Meningitis, eingesetzt werden. So kann es durchaus auch im Fall des Verdachts auf das Vorliegen einer Sepsis sinnvoll sein, bei genauer Kenntnis des Erregerspektrums auf der neonatologischen Intensivstation bzw. auch bei einem speziellen Patienten als Initialtherapie eine Monotherapie (z. B. Vancomycin beim Vorliegen von koagulasenegativen Staphylokokken) einzusetzen.
Definitive antibiotische Therapie Sobald die Ergebnisse der kulturellen Untersuchungen und der Resistenzprüfungen bekannt sind, wird die Initialtherapie ggf. dem neuen Kenntnisstand angepasst. Die Therapiedauer sollte bei fehlender fokaler Infektion 7–10 (bis 14) Tage betragen. Systemische Infektionen mit Staphylococcus aureus sollten über 3 Wochen behandelt werden. Beim Vorliegen einer durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B oder Listeria monocytogenes verursachten Meningitis muss die antibiotische Behandlung auf mindestens 14 Tage, beim Vorliegen einer Meningitis mit gramnegativen Erregern auf mindestens 21 Tage nach Sterilisation des Liquors ausgedehnt werden [B-Streptokokken: Ampicillin + Aminoglykosid (Ietzteres über 4–5 Tage); gramnegative Keime: Cefotaxim (über 21 Tage) + Aminoglykosid (über 10 Tage); Listerien und Enterokokken: Ampicillin + Aminoglykosid; Pseudomonas aeruginosa: Ceftazidim + Aminoglykosid]. Bleiben die angelegten bakteriellen Kulturen negativ; muss das weitere therapeutische Vorgehen von der klinischen Gesamtsituation abhängig gemacht werden. Diese Entscheidung sollte 2–3 Tage nach Anlegen der Kulturen erfolgen. Hat sich der Allgemeinzustand des Neugeborenen zwischenzeitlich wieder völlig normalisiert und sind auch die zusätzlichen Laboruntersuchungen unauffällig geblieben bzw. haben die initialen klinischen Verdachtszeichen für das Vorliegen einer Sepsis eine andere Erklärung gefunden, so kann und sollte die antibiotische Behandlung beendet
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Kapitel 24 · Neugeborenensepsis
werden. Dies ist deshalb so wichtig, weil derzeit zahlenmäßig noch bei sehr vielen Neugeborenen mit einer antibiotischen Therapie begonnen wird. Ist das Neugeborene jedoch weiterhin beeinträchtigt und kann eine Sepsis weiterhin nicht ausgeschlossen werden, so sollte die Antibiotikatherapie trotz negativer Kulturen fortgesetzt werden. Praxistipp Im Verlaufe einer Behandlung mit Aminoglykosiden und/oder Vancomycin müssen unbedingt geeignete Blutspiegelkontrollen vorgenommen werden.
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Behandlung einer Sepsis bei Auftreten nach Entlassung aus dem Krankenhaus
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Treten die Infektionszeichen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus/der Entbindungsklinik auf, empfiehlt sich folgende antibiotische Therapie [4, 12, 20]: 5 Reife Neugeborene, die jünger als 2 Wochen sind, erhalten Ampicillin und ein Aminoglykosid; 5 Frühgeborene werden in den ersten 2 Lebensmonaten mit Ampicillin und einem Aminoglykosid bzw. Cefotaxim behandelt; 5 reife Neugeborene, die nach der 2. Lebenswoche erkranken, haben selten eine systemische Infektion mit gramnegativen Erregern (wenn eine Harnwegsinfektion ausgeschlossen ist). Hier dominieren B-Streptokokken und Listeria monozytogenes, wogegen sich Ampicillin empfiehlt, und Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis und Streptococcus pneumoniae, was den Einsatz eines Cephalosporins der 3. Generation nahe legt. 5 Kommt aufgrund der Anamnese zusätzlich eine Staphylokokkeninfektion in Betracht, müssen ein penicillinaseresistentes Penicillin oder Vancomycin eingesetzt werden.
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Supportive Maßnahmen
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Im Hinblick auf eine erfolgreiche Behandlung einer manifesten Neugeborenensepsis kommt zusätzlich zu einer rationalen antimikrobiellen The-
rapie dem frühzeitigen, wohl überlegten Einsatz von Maßnahmen zur Stabilisierung des kardiopulmonalen Systems eine entscheidende Bedeutung zu. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn bereits Zeichen eines septischen Schocks vorliegen [37]. Unstrittig ist in dieser Situation die Notwendigkeit des AufrechterhaItens optimaler Kreislaufverhältnisse. Dabei ist jedoch noch längst nicht geklärt, welche Kreislaufverhältnisse beim Vorliegen eines septischen Schocks als optimal anzusehen sind. Da es sich beim Vorliegen eines Schockgeschehens immer um ein Missverhältnis zwischen O2Bedarf und O2-Verbrauch in den Körperzellen handelt, müssen die Ziele der Schocktherapie grundsätzlich in einer Reduktion des O2-Bedarfs, in einer Erhöhung des O2-Angebots (Steigerung des Herzzeitvolumens; Erhöhung des arteriellen O2Gehalts) sowie in einer Erhöhung der peripheren O2-Ausschöfung bestehen. Diesen Zielen wird folgendes Vorgehen am ehesten gerecht: 5 frühzeitiger Einsatz einer Beatmungstherapie, 5 ausreichende Volumenzufuhr (einschließlich der Gabe von Blut), 5 frühzeitiger, situationsgerechter Einsatz von Katecholaminen. Diese Behandlung erfordert auch immer eine besonders aufwendige klinische und apparative Überwachung des Neugeborenen.
Zusätzliche therapeutische Maßnahmen Über die antimikrobielle Therapie und die supportiven Maßnahmen hinaus bestehen zusätzliche therapeutische Maßnahmen in der 5 Förderung von körpereigenen Abwehrmechanismen, 5 Beeinflussung spezifischer Entzündungsmediatoren, 5 Neutralisierung bzw. Beseitigung von Endotoxinen. Die Förderung der Abwehrmechanismen kann sich sowohl unspezifischer Maßnahmen, wie dem
569 Prävention
Einsatz von Granulozytentransfusionen bzw. von rekombinantem granulozytenkoloniestimulierendem Faktor [7, 15, 30], als auch spezifischer Maßnahmen, wie der Zufuhr von Fresh-frozenPlasma ([22] und 7 Kap. 9), von Immunglobulinen [17] oder von monoklonalen Antikörpern bedienen. Der therapeutische Nutzen derartiger Maßnahmen ist jedoch noch längst nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Am Erfolg versprechendsten ist wohl derzeit noch der Einsatz von i.v. zu verabreichenden Immunglobulinen (s. auch 7 Kap. 9), insbesondere bei den mit – vom Gestationsalter abhängig – niedrigen Immunglobulinspiegeln geborenen Frühgeborenen [41], und der Einsatz von rekombinantem granulozytenkoloniestimulierendem Faktor, insbesondere bei Frühgeborenen bzw. neutropenischen Neugeborenen [8]. Die Beeinflussung humoraler Mediatoren wie Tumornekrosefaktor (TNF-α) und IL-1, die im Ablauf eines septischen Schocks eine wichtige proinflammatorische Rolle spielen, findet zunehmend therapeutisches Interesse. Gesicherte therapeutische Prinzipien können aber auch daraus für den Menschen noch nicht abgeleitet werden [1]. Dies gilt auch für den Einsatz von Kortikosteroiden. Zur Neutralisierung bzw. Beseitigung von Endotoxin kommt der Einsatz von Fresh-frozen-Plasma oder von gegen Kernantigen des Endotoxins gerichteten monoklonalen, vom Menschen abgeleiteten Antikörpern in Frage [39]. Aber auch hier steht der klinische Effektivitätsnachweis noch aus. Für aktiviertes Protein C [6] fehlen Studiendaten zum Einsatz bei Neugeborenensepsis.
Prognose Die Letalitätsrate bei Neugeborenen mit einer Sepsis ist in den vergangenen 50 Jahren von ursprünglich nahezu 100 % auf etwa 25 % im Jahre 1980 zurückgegangen und dürfte heute zumindest bei den reifen Neugeborenen mit einer »early-onset«-B-Streptokokkensepsis bei etwa 2–5 % [13, 32] Iiegen. Höher liegen die Prozentzahlen noch bei der fulminanten Sepsis in den ersten 24 Lebensstunden sowie beim Mitauftreten einer Meningitis. Frühgeborene sind deutlich gefährdeter als
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Reifgeborene [42]. Die früh beginnende Sepsis hat eine vom Erregerspektrum unabhängige deutlich höhere Letalität als die »Late-onset«-Sepsis. Letztere hat insbesondere infolge einer Staphylokokkeninfektion eine deutlich bessere Prognose. Über Folgeschäden nach Sepsis ohne begleitende Meningitis ist wenig bekannt. Neugeborenenmeningitiden, verursacht durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B oder gramnegative Bakterien, gehen allerdings mit einer hohen Rate (20-60 %) an bleibenden neurologischen Defekten einher.
Prävention Da v. a. Frühgeborene gefährdet und β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B die häufigste Ursache zumindest der frühen Form der bakteriellen Neugeborenensepsis sind, ist davon auszugehen, dass sowohl Maßnahmen, die die Vermeidung von Frühgeburtlichkeit zum Ziel haben, als auch gegen B-Streptokokken gerichtete Präventionsmaßnahmen zu einer Abnahme der Neugeborenensepsisrate führen. Versuche zur Elimination von β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B während der Schwangerschaft durch den Einsatz von Penicillin erwiesen sich insgesamt als wenig effektiv und nicht praktikabel. Als erfolgreich erwies sich hingegen die – insbesondere in den USA praktizierte – Durchführung einer differenzierten intrapartalen Chemoprophylaxe bei Beginn der Wehen bzw. nach erfolgtem Fruchtblasensprung. Dabei wird es in den zuletzt 1996 revidierten entsprechenden Guidelines [11, 32] zur Vermeidung von B-StreptokokkenInfektionen vom »Early-onset«-Typ dem Geburtshelfer überlassen, ob er sich dabei eines Screeningverfahrens bedienen oder ob er seine Entscheidung zur Durchführung einer Chemoprophylaxe vom Vorliegen entsprechender Risikofaktoren abhängig machen will. Das Screeningverfahren sieht vor, dass Schwangere nach einer vorangegangenen Geburt eines Kindes mit einer systemischen B-StreptokokkenInfektion oder mit einer B-Streptokokken-Bakteriurie in der aktuellen Schwangerschaft oder bei
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Kapitel 24 · Neugeborenensepsis
drohender Frühgeburt vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche intrapartal eine i.v.-Chemoprophylaxe mit Penicillin G oder Ampicillin (bei Penicillinüberempfindlichkeit Clindamycin oder Erythromycin) erhalten. Bei allen anderen Schwangeren sollte in der 35.–37. Schwangerschaftswoche ein Screening auf B-Streptokokken mittels anorektaler und vaginaler Abstriche erfolgen. Bei positivem Befund können sich die Schwangeren dann für eine Chemoprophylaxe entscheiden, beim Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren (Fieber ≥38°C und/oder Blasensprung ≥18 h) sollte mit Penicillin bzw. Ampicillin behandelt werden. Orientiert sich hingegen das Vorgehen – prophylaktisches Verabreichen von Antibiotika – allein am Vorliegen von Risikofaktoren, wird auf die Durchführung von Screeninguntersuchungen auf B-Streptokokken verzichtet. Zu den relevanten Risikofaktoren gehören: ein vorzeitiger Blasensprung ≥18 h, Fieber ≥38°C bei der Schwangeren unter der Geburt, eine Frühgeburt, Zustand nach Geburt eines Kindes mit einer systemischen B-Streptokokken-Infektion oder eine B-Streptokokken-Bakteriurie in der aktuellen Schwangerschaft. Die Befolgung dieser Präventionsstrategien hat in einigen Regionen der USA nachweislich zu einem Rückgang der durch B-Streptokokken verursachten Neugeborenensepsis vom »Early-onset«-Typ um bis zu 65 % auf 6/10.000 Lebendgeborene geführt. Davon unbeeinflusst blieb allerdings die Rate der spät auftretenden Neugeborenensepsis. Eine Chemoprophylaxe mit Penicillin beim Neugeborenen zur Verhinderung einer früh beginnenden Streptokokkensepsis ist wiederum nicht sinnvoll, da man davon ausgehen muss, dass diese Infektion in den meisten Fällen bereits intrauterin eingesetzt hat. Eine als Prophylaxe gedachte Einzeldosis Penicillin entspräche in dieser Situation aber lediglich einer unzureichenden Therapie! Um die Rate nosokomialer Infektionen bei unreifen Frühgeborenen mit ihren niedrigen Immunglobulinspiegeln zu reduzieren, wurde die prophylaktische Gabe von i.v. zu verabreichenden Immunglobulinen vorgeschlagen. Die vorliegenden Ergebnisse entsprechender Studien sind aller-
dings widersprüchlich und erlauben keine generelle Empfehlung ([3, 14, 24, 41]; s. auch 7 Kap. 9). Da bei Früh- und Termingeborenen zwischen dem Auftreten nosokomilaer Infektionen und der Präsenz zentraler Venenkatheter, über die insbesondere auch Fettlösungen infundiert werden, eine enge kausale Beziehung besteht, sollten derartige Katheter nur nach strenger Indikationsstellung gelegt und sobald wie irgend möglich wieder entfernt werden. Von erheblicher präventiver Bedeutung ist mit Sicherheit die Beachtung allgemeiner hygienischer Grundregeln beim Umgang mit Neugeborenen. Dies betrifft sowohl die Verwendung von sterilen Materialien (häufig Einwegartikel) als auch die persönliche Hygiene (Händewaschen!) des ärztlichen und pflegerischen Personals.
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25 Die Frau als Sepsispatientin Ursula Müller-Werdan
Sexueller Dimorphismus der Immunantwort – 573 Sind es die Östrogene?
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Geschlechtsunterschiede bei Sepsisverläufen – Beobachtungsstudien – 574 Genotyp und Sepsis – Gibt es Geschlechtsunterschiede? – 575 Ist bei Beatmung und Analgosedierung das Geschlecht von Relevanz? – 576 Ein Ausblick, mehr (noch) nicht! Literatur
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– 576
Sexueller Dimorphismus der Immunantwort
en und generell bei weiblichen Säugetierspezies verstärkt.
Wir wissen seit langem, dass Frauen bis zur Menopause seltener eine arteriosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickeln als Männer. Dagegen treten bei Frauen Autoimmunerkrankungen – z. B. systemischer Lupus erythematodes, HashimotoThyreoiditis, rheumatoide Arthritis – deutlich häufiger auf als bei Männern. Zumindest einige dieser geschlechterspezifischen Unterschiede in der Inzidenz und im Verlauf bestimmter Erkrankungen scheinen durch den experimentell und klinisch belegten sexuellen Dimorphismus der humoralen und zellulären Immunantwort geprägt zu sein [1]: So haben Frauen im Mittel höhere Plasmaantikörpertiter als Männer, und die zelluläre Immunantwort ist bei Frau-
! Rezeptoren für Sexualhormone lassen sich auf
Zellen des Immunsystems nachweisen. Sie bilden die Grundlage für den sexuellen Dimorphismus der Immunantwort.
Der Krankheitsverlauf bei Sepsis, Schock und Trauma wird wesentlich von der akut eskalierenden Entzündungsreaktion des Organismus determiniert, zu der sowohl die angeborene (»innate«) als auch die erworbene Immunität beitragen. Diese Immunantwort scheint bei den Geschlechtern unterschiedlich auszufallen, mit einem klaren Überlebensvorteil für das weibliche Geschlecht: Im Tiermodell wird sowohl eine bakterielle Sepsis als auch ein hämorrhagisches Trauma von »Mäu-
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Kapitel 25 · Die Frau als Sepsispatientin
sinnen« deutlich besser toleriert als von »Mäusen«. »Mäusemänner« zeigen nach einem hämorrhagischen Trauma eine stärker eingeschränkte Herzfunktion als »Mäusefrauen«; durch Kastration oder Testosteronantagonisten kann bei den männlichen Tieren die Herzfunktion verbessert werden. Dieser Geschlechterunterschied zeichnet sich bereits im Kindesalter ab: Nach schweren Brandverletzungen ist bei Jungen (mittleres Alter: 5,8 Jahre) im Vergleich zu Mädchen (mittleres Alter: 5,1 Jahre) die Sterblichkeit mit 15 von 118 vs. 3 von 67 trotz vergleichbarem Krankheitsschweregrad signifikant höher [2]. Diese Beobachtung wirft die Frage auf, inwieweit bereits bei Kindern vor der Pubertät Unterschiede im Immunsystem bestehen.
Besser belegt ist dagegen, dass Östrogene für die geringere Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen bei Frauen in der Prämenopause zumindest mitverantwortlich sind. Bislang wurde dies überwiegend dem günstigen Einfluss der Östrogene auf die Serumkonzentrationen von Lipoproteinen zugeschrieben. Mittlerweile ist jedoch erkannt, dass zahlreiche Organe direkte Effektoren der Östrogene sind, z. B. auch Gefäße, Herz, Knochen und Gehirn. Schätzungsweise ist nur etwa ein Drittel der klinisch beobachteten protektiven Östrogenwirkungen unmittelbar der günstigen Beeinflussung der Serumlipdiprofile zuzuschreiben [9]; direkte Wirkungen am Gefäßsystem tragen offenbar wesentlich zur geringeren kardiovaskulären Morbidität bei Frauen bei. Ob dies auch bei der Sepsisprotektion von Bedeutung sein könnte, ist offen.
Sind es die Östrogene?
Geschlechtsunterschiede bei Sepsisverläufen – Beobachtungsstudien
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Östrogene entfalten an zahlreichen Zellarten genomische Effekte durch Aktivierung der beiden bekannten Östrogenrezeptoren (α- und β-Rezeptoren), die beide zur Superfamilie der Steroidrezeptoren gehören [9] und als ligandaktivierte Transkriptionsfaktoren die Expression öströgenresponsiver Elemente des Genoms induzieren [10]. Daneben zeitigen Östrogene noch wenig verstandene, rasche nichtgenomische Effekte, etwa eine NO-abhängige Vasodilatation 5–20 min nach Gabe von Östrogen. Diese Effekte kommen nicht durch eine Beeinflussung der Genexpression zustande, sondern durch eine direkte Einflussnahme auf zytosolische Signalkaskaden. Die beiden Östrogenrezeptoren können sowohl als Homoals auch als Heterodimere biologische Wirkungen entfalten, die darüber hinaus durch Koaktivatoren und Korepressoren moduliert werden. Die Erforschung der Komplexität und Pleiotropie von Östrogenwirkungen ist ein »evolving field«, mit einem hohen Wissenszuwachs seit der Klonierung des Östrogen-β-Rezeptors vor erst wenigen Jahren. ! Ob Östrogene für die günstigere Prognose der
Frauen bei Sepsis mitverantwortlich sind, ist eine derzeit noch nicht geklärte Frage.
Über günstigere Sepsisverläufe bei Frauen wurde mehrfach berichtet: Schröder et al. [14] zeigten erstmals und prospektiv bei Patienten einer chirurgischen Intensivstation, dass die Sepsisletalität von Patientinnen (26 %) ganz erheblich niedriger lag als die von Patienten (70 %). Dabei unterschieden sich die 19 Frauen und die 33 Männer zum Zeitpunkt der Diagnose der Sepsis nicht im Schweregrad des Multiorgandysfunktionssyndroms, wie anhand des APACHE-II-Scores und des MOD-Scores belegt wurde; auch die Sepsisursachen waren vergleichbar. Im zeitlichen Verlauf entwickelten sich jedoch die Zytokinprofile bei Männern und Frauen unterschiedlich: Im männlichen Patientenkollektiv stieg der mittlere TNF-α-Spiegel progredient an und war an Tag 10 signifikant erhöht im Vergleich zur weiblichen Patientengruppe. Dagegen waren bei den Frauen die IL-10-Werte deutlicher angestiegen (signifikant an den Tagen 3 und 5); hinsichtlich der IL-6-Spiegel ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Die Autoren vermuteten, dass die bessere Prognose der Frauen durch die erhöhten Spiegel des antiinflammatorischen IL-10 mitbedingt sein könnte.
575 Genotyp und Sepsis – Gibt es Geschlechtsunterschiede?
Offner et al. [12] fanden im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie in einem Traumazentrum, dass das männliche Geschlecht ein unabhängiger Risikofaktor für schwere Infektionen nach Trauma ist. In die Studie waren 545 mehr als 48 h überlebende Patienten eingeschlossen, 410 Männer und 135 Frauen, mit einem ISS (»injury severity score«) von >15. In der multiplen logistischen Regressionsanalyse erwiesen sich Patientenalter, ISS und männliches Geschlecht als unabhängige Risikofaktoren für eine schwere Infektion. Männer hatten unter Berücksichtigung von Alter und ISS ein um 58 % höheres Risiko, eine schwere Infektion zu entwickeln. Nach schwerem Trauma (ISS ≥25) fanden Oberholzer et al. [11] bei Männern eine erhöhte Inzidenz von posttraumatischer Sepsis (30,7 %) und Multiorgandysfunktionssyndrom (29,6 %) im Vergleich zu Frauen (17,0 % und 16,0 %). Darüber hinaus waren die Plasmaspiegel von Procalcitonin und Interleukin-6 bei Männern höher. Die Autoren schlussfolgerten aus dieser Untersuchung von 911 Männern und 365 Frauen, dass Frauen immunologisch gegen ein septisches Geschehen besser gewappnet seien als Männer. Wichmann et al. [17] werteten prospektiv über 7 Jahre Daten einer chirurgischen Intensivstation aus (2709 Männer und 1509 Frauen). Sie fanden bei Männern zwar eine erhöhte Inzidenz schwerer septischer Komplikationen (10,4 % vs. 7,6 %), aber keinen Unterschied in der sepsisbezogenen Letalität (64,9 % vs. 65,5 %). Auch in einer retrospektiven Analyse prospektiv gesammelter Daten einer chirurgischen Intensivstation [5] ließ sich kein signifikanter Unterschied in der Sepsissterblichkeit zwischen männlichen und weiblichen Patienten erkennen. Im Subkollektiv der Altersgruppe der 80- bis 89-Jährigen war die Sterblichkeit der Frauen sogar signifikant höher. Die multivariate Varianzanalyse ergab, dass das weibliche Geschlecht ein unabhängiger Prädiktor einer erhöhten Sterblichkeit bei kritisch kranken chirurgischen Patienten mit Infektionen sei.
25
Genotyp und Sepsis – Gibt es Geschlechtsunterschiede? Der TNF-Genlocus TNF-α ist ein zentraler Mediator der natürlichen Immunabwehr und gilt als wesentlicher Trigger der eskalierenden Entzündungsreaktion bei Sepsis (7 Kap. 2). Der TNF-Genlocus (Gene für TNF-α und TNF-β) des Menschen ist innerhalb des »major histocompatibility complex« (MHC) auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 angesiedelt. Es sind mehrere Polymorphismen des TNF-Locus identifiziert worden. Die Homozygotie für das Allel TNFB des TNFn-Polymorphismus (NcoI), welcher innerhalb des ersten Introns des TNF-β-Gens liegt, ist bei septischen Patienten mit einer verstärkten Freisetzung von TNF-α und einer erhöhten Letalität assoziiert [15]. In einer nachfolgenden Untersuchung mit 110 Traumapatienten (ISS ≥17), von denen 53 eine schwere Sepsis entwickelten, war die Inzidenz der Sepsis bei Homozygotie für TNFB2 signifikant erhöht [8], und bei denjenigen Sepsispatienten, die homozygot für TNFB2 waren, fanden sich signifikant erhöhte TNF-Serumkonzentrationen. Eine weitere Studie fand dann überraschenderweise, dass nur bei Männern – nicht aber bei Frauen – der Genotyp TNFB2/TNFB2 mit einer erhöhten Letalität der schweren Sepsis assoziiert ist [13].
Der LBP-Genlocus Eine analoge Konstellation fand sich für einen Polymorphismus des LBP (lipopolysaccharidbindendes Protein) bei Sepsis [6]: Nur bei Männern war der LBP-Polymorphismus, der an Position 98 zum Austausch von Cystein gegen Glycin führt, mit einer Prädisposition zur Sepsis assoziiert. Homozygote Patienten für diesen und/oder einen weiteren LBP-Polymorphismus (Pro436 → Leu) waren ausschließlich Nichtüberlebende der Sepsis.
576
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Kapitel 25 · Die Frau als Sepsispatientin
Ist bei Beatmung und Analgosedierung das Geschlecht von Relevanz? Bisher noch wenig untersucht ist die Relevanz von weiblichem und männlichem Geschlecht bei Anästhesie, Ventilation und Gasaustausch. Bei Frauen nach aortokoronaren Bypassoperationen war in 2 Studien die Dauer der Intubation und des Intensivstationsaufenthalts länger als bei Männern [3, 4]. Weitere Hinweise liefert die experimentelle Intensivmedizin am Rattenmodell [16]: Die Tiere wurden mit Pentobarbital narkotisiert und intubiert, um bei Spontanatmung die ventilatorische Reaktion auf O2 und CO2 untersuchen zu können. Weibliche Ratten benötigten 30 % weniger Anästhetikum. Sie hatten bei Hyperoxie und Hyperkapnie sowie milder Hypoxie einen geringeren Atemantrieb.
10
Ein Ausblick, mehr (noch) nicht!
11
Frauen sind anscheinend weniger sepsisgefährdet als Männer: Aufgrund der aktuellen experimentellen und klinischen Datenlage kann davon ausgegangen werden, dass für Männer – im Vergleich zu Frauen – eine stärkere Gefährdung besteht, auf infektiöse und nichtinfektiöse Stimuli mit einer schweren Sepsis zu reagieren. Und auch die Überlebenschancen bei manifester Sepsis sind bei Patientinnen höher als bei Patienten. Können wir das erhöhte Sepsisrisiko bei Männern vermindern? Tierexperimentell ist dies durchaus möglich [1, 7]: Bei männlichen Tieren mit hämorrhagischem Schock können die Organdysfunktionen durch Kastration, Testosteronrezeptorantagonisten oder Östrogenbehandlung gebessert werden. Zur Anwendung am Menschen wird Dehydroepiandrosteron (DHEA) diskutiert [7], ein Steroidhormon der Nebenniere, das an Östrogenrezeptoren bindet. Klinische Studien mit Sepsispatienten liegen dazu allerdings noch nicht vor.
12 13 14 15 16 17 18 19 20
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25
26 Der ältere Sepsispatient U. Müller-Werdan, K. Werdan
Epidemiologie der Sepsis im Alter – Demographie der Intensivmedizin – 579 Immunseneszenz als Ursache der erhöhten Infektanfälligkeit im Alter – 580 Relevanz der reduzierten Organfunktionen im höheren Lebensalter – 580 Klinische Manifestation der Sepsis im höheren Alter – 581 Soll der ältere Sepsispatient anders behandelt werden als der jüngere? – 581 Literatur
– 581
Epidemiologie der Sepsis im Alter – Demographie der Intensivmedizin Schwere Sepsis und Multiorganversagen sind die häufigste Todesursache auf den Intensivstationen. Es wird geschätzt, dass in den USA jährlich etwa 750.000 Patienten eine schwere Sepsis entwickeln; von diesen Patienten sind fast 60 % über 65 Jahre alt [5]. Das mittlere Alter der Intensivstationspatienten hat über die Jahre zugenommen: fast zwei Drittel der Intensivstationsbetten werden in den USA derzeit mit Patienten über 65 Jahren belegt [5], und etwa ein Viertel bis die Hälfte der auf die Intensivstationen aufgenommenen Patienten ist älter als 65 Jahre. Selbst diese Angaben unterschät-
zen vermutlich die Zahl der älteren, alten und sehr alten Patienten, für die eine intensivmedizinische Behandlung indiziert wäre [9]. Die epidemiologische Studie von Angus [1] belegte, dass nicht nur die Inzidenz, sondern auch die Letalität der Sepsis im höheren Alter zunimmt. ! Risikofaktoren des Intensivpatienten im Alter [9]
sind neben der geänderten Immunfunktion ein reduzierter Allgemeinzustand durch Inaktivitätsatrophie sowie Sarkopenie der Muskulatur und Anorexie, reduzierte Organfunktionen, Komorbiditäten und Polypharmakotherapie.
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Kapitel 26 · Der ältere Sepsispatient
Immunseneszenz als Ursache der erhöhten Infektanfälligkeit im Alter Ältere Patienten sind stärker gefährdet als jüngere, an einer Infektion zu erkranken, bedingt durch die Alterung des Immunsystems (Immunseneszenz) und Komorbiditäten. ! Der Alterungsprozess nimmt unterschiedlichen
Einfluss auf die natürliche Immunabwehr (»innate immunity«) und das spezifische Immunsystem (»acquired immunity«) [7]: Während das archaische System der natürlichen Immunabwehr im Alter erhalten bleibt oder sogar verstärkt basal aktiviert ist, verschlechtert sich die Funktion des evolutionär neueren, komplexeren Systems der erworbenen Immunität altersabhängig ganz erheblich.
Komponenten der natürlichen Immunabwehr sind die Makrophagen und deren sezernierte Mediatoren, natürliche Killerzellen und Komplement. Der gesteigerte basale Inflammationszustand im Alter zeigt sich etwa durch eine Erhöhung der Blutspiegel für TNF-α, die löslichen TNF-Rezeptoren und IL-6. Untersuchungen an 100-Jährigen [2] zeigten, dass die Höhe der TNF-α-Spiegel mit dem Auftreten typischer Alterserkrankungen, wie der Demenz, korreliert, sodass die basale Immunaktivierung als eher nachteilig für den Organismus angesehen werden muss. Auch zeigen ältere Patienten trotz basal erhöhter TNF-α-Spiegel im Fall einer bakteriellen Infektion eine weniger effiziente Immunreaktion mit trägerem Anstieg der TNF-α-Blutspiegel und einem verzögerten Abfall im Krankheitsverlauf [3, 4]. Evolutionstheoretisch betrachtet handelt es sich bei der altersabhängig erhöhten basalen Aktivierung der natürlichen Immunantwort um eine Reaktion auf den lebenslangen Antigenstress des Organismus [6]. Die spezifische Immunität (Informationen zusammengefasst aus [6, 7, 8]) mit der Fähigkeit zur klonalen Expansion und Gedächtnisbildung wird dagegen getragen durch CD4+- und CD8+-T-Lymphozyten sowie B-Zellen. Die progrediente Verschlechterung der spezifischen Immunantwort zeigt sich neben der Infektgefährdung in der
schlechteren Wirksamkeit von Impfungen bei älteren Menschen. Makroanatomisch fallen eine Rückbildung der Thymusdrüse und eine Schrumpfung von Knochenmark und Lymphgewebe auf. Der lebenslange, kontinuierliche Antigenstress führt dazu, dass im Alter die Zahl nativer T-Zellen erheblich abnimmt, während »memory cells« und zytotoxische Effektor-T-Zellen expandieren. Die T-Zell-Immunseneszenz ist gekennzeichnet durch eine Expansion von T-Zell-Klonen zulasten des T-Zell-Repertoires bei einer insgesamt relativ hohen Zahl peripherer T-Zellen. Die alterstypischen T-Zell-Veränderungen treten bei den CD8+-Zellen deutlich früher und akzentuierter auf als bei den CD4+-Zellen. Im Gegensatz zu den T-Zellen nimmt die Zahl peripherer B-Zellen altersabhängig stark ab. Unspezifische Antikörper sind im Blut zulasten spezifischer Antikörper in erhöhter Konzentration nachweisbar. Insgesamt kommt es also im Alter zu einer Abnutzung der spezifischen Immunantwort. Zusätzlich fallen die Spiegel der CD34+ hämatopoetischen Stammzellen im peripheren Blut altersabhängig ab.
Relevanz der reduzierten Organfunktionen im höheren Lebensalter Praxistipp Reduzierte Organfunktionen sind Risikofaktoren für den Verlauf und die Prognose der Sepsis! Beachten Sie bei der Behandlung Ihrer Sepsispatienten mit höherem Lebensalter die geänderte Pharmakokinetik infolge reduzierter Organfunktionen!
Die Distribution von Pharmaka ist im Alter geprägt durch den höheren Körperfettanteil zulasten des Körperwasseranteils [9], weswegen die Plasmaspiegel lipophiler Medikamente eher niedriger, die Plasmaspiegel hydrophiler Substanzen eher höher sind als bei jüngeren Patienten. Medikamentenmetabolismus und -exkretion sind verändert, denn sowohl die hepatische als auch die renale Funktion sind im Alter interindividuell variabel vermindert. So nimmt die glomeruläre Fil-
581 Literatur
trationsrate ab dem 30. Lebensjahr im Mittel um etwa 1 % pro Jahr ab, auch die Urinkonzentrationsfähigkeit sinkt. Trotz der verminderten glomerulären Funktion kann aufgrund der im Alter häufig bestehenden Sarkopenie der Serumkreatininwert normal sein [9]. Praxistipp Es wird empfohlen, bei geriatrischen Patienten die Kreatininclearance abzuschätzen (z. B. mittels der Formal nach Cockroft und Gault) und die Medikamentendosierung entsprechend anzupassen!
Die Herzfunktion ist beim physiologischen Alterungsprozess gekennzeichnet durch eine erhöhte Ruheherzfrequenz bei jedoch verminderter belastungsbezogener Herzfrequenz [9]. In Ruhe ist das Herzzeitvolumen des Altersherzens unverändert, bei Belastung jedoch – ebenso wie die maximale Sauerstoffaufnahme – vermindert. Die Reaktion des Altersherzens ist charakterisiert durch eine autonome Dysfunktion [11] mit abgeschwächtem Vagotonus und damit verminderter Baroreflexsensitivität. Dadurch ist die kardiale Wirkung von Atropin abgeschwächt, nicht jedoch die Empfindlichkeit für anticholinerge Nebenwirkungen.
Klinische Manifestation der Sepsis im höheren Alter ! Die Diagnose der Sepsis kann im höheren Alter
erschwert sein.
Die typischen klinischen Zeichen (Fieber oder Hypothermie, Tachykardie, Tachypnoe) können nur gering ausgeprägt sein oder ganz fehlen. Stattdessen kann sich die Sepsis als Schwäche, Krankheitsgefühl, Delir, Appetitverlust, Sturz oder Harninkontinenz manifestieren [5]! Die üblichen Infektionsfokusse sind bei älteren dieselben wie bei jüngeren Patienten [5]. Obwohl das Alter ein wesentlicher Prädiktor der Länge des Intensivstationsaufenthalts ist, scheint die erhöhte Sepsissterblichkeit überwiegend durch Komorbiditäten bedingt zu sein [5], wie Neopla-
26
sien, chronische Lebererkrankungen oder Niereninsuffizienz und chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen.
Soll der ältere Sepsispatient anders behandelt werden als der jüngere? Ältere (>65 Jahre), alte (>75 Jahre) und sehr alte (>85 Jahre) Patienten mit schwerer Sepsis werden auf den Intensivstationen oft weniger aggressiv behandelt als jüngere [5] – zumal Diagnosestellung und Monitoring aufgrund der atypischen Symptomatik oft erschwert sind –, ohne dass jedoch dieses Vorgehen durch kontrollierte klinische Studien belegt wäre. Leider liegen zur Behandlung älterer, alter und sehr alter Sepsispatienten derzeit keine vergleichenden kontrollierten Therapiestudien vor. Es gibt allerdings allgemeine Empfehlungen zur Pharmakotherapie bei geriatrischen Patienten [10]. In Anbetracht des hohen Anteils betagter Menschen am Kollektiv der Sepsispatienten sollten Untersuchungen angestrengt werden, um die Sepsistherapie bei älteren Patienten zu optimieren.
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21 8.
22 23
9. 10.
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11.
Kapitel 26 · Der ältere Sepsispatient
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VI Statt eines Ausblicks 27
Der Sepsispatient in der Postintensivstationsphase
– 585
27 Der Sepsispatient in der Postintensivstationsphase K. Werdan, S. Reith, R.R. Flieger, Ursula Müller-Werdan
Das Problem
– 585
Ein glückhafter Postintensivstationsverlauf
– 585
Mit diesen Sepsisfolgen müssen Sie rechnen! – 586 Die Postintensivstationsambulanz: Bewusstsein schaffen für die Probleme der Postintensivstationsphase – 590 Literatur
– 590
Das Problem Mit dem Überleben der Intensivstationsphase ist es für den Sepsispatienten nicht getan! Im ersten Jahr nach überlebter Sepsis bleibt die Sterblichkeit hoch, und das erhöhte sepsisassoziierte Sterberisiko persistiert über die nächsten 5 Jahre (Massanari u. Arking 1993; Quartin et al. 1997; Sasse et al. 1995). Weiterhin können Restdefekte des septischen Multiorgandysfunktionssyndroms (MODS) noch Monate und Jahre persistieren, und sie können Ursache anhaltender Symptome wie Dyspnoe, Schwäche und Depression sein. Die Konsequenz daraus ist eine Einschränkung des funktionellen, sozialen und emotionalen Status, und dies kann wiederum die Lebensqualität des Patienten erheblich über eine lange Zeit nach der Krankenhausentlassung beeinträchtigen (Herridge et al. 2003; Hudson u. Lee 2003; Wehler et al. 2004).
Ein glückhafter Postintensivstationsverlauf Kommen wir auf unsere 24 Jahre junge Meningokokkensepsispatientin in 7 Kap. 9 zurück: . Abb. 9-6 und 9-7. Diese Patientin mit einem sehr erfolgreichen Ansprechen auf die Therapie konnte nach 6 Tagen von der Intensivstation auf die Allgemeinstation verlegt und nach insgesamt 3 Wochen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Betreuung der Patientin in der Ambulanz unserer Postintensivstation an Tag 40 nach Krankheitsbeginn zeigte eine organisch wieder vollständig gesunde Patientin ohne Einschränkung der subjektiven gesundheitlichen Lebensqualität. Alle während der akuten Krankheitsphase pathologischen Organbefunde hatten sich normalisiert (. Tabelle 27-1), ebenso die Zeichen der Sepsis und der Inflammation, und auch die ausgeprägte autonome Dysfunktion – gemessen als deutlich verminderte Herzfrequenzvariabilität und Baroreflexsensitivität – war abgeklungen.
586
21 22
Kapitel 27 · Der Sepsispatient in der Postintensivstationsphase
. Tabelle 27-1. 24-jährige Patientin mit Meningokokkensepsis (vgl. 7 Kap. 9, . Abb. 9-6 und 9-7). Verlauf von klinischen und Laborparametern in der Intensivstations- (Tage 1 und 4; Verlegung auf die Allgemeinstation an Tag 6, Entlassung aus dem Krankenhaus nach 3 Wochen) und in der Postintensivstationsphase (Tag 40) Tag 1
Tag 4
Tag 30
Normalbereich
C-reaktives Protein [mg/l]
79,8
41,2
7,1
<5
Procalcitonin [ng/ml]
66,7
7,2
<0,1
<0,5
Leukozyten [Gpt/l]
12,2
31,4
8,5
3,8–9,8
Thrombozyten [Gpt/l]
146
88
316
140–440
Kalium [mmol/l]
2,6
3,8
3,6
3,5–5,5
Kreatinin [µmol/l]
183
75
49
<88
Myoglobin [µg/l]
451
50
nicht bestimmt
<76
8
Prothrombinzeit [%]
41
82
99
>70
D-Dimere [mg/l]
1,52
0,4
0,22
<0,19
9
Interleukin-6 [pg/ml]
>1000
9,6
15,6
<5,4
APACHE-II-Score
25
8
–
normal*
Sepsisscore nach Elebute u. Stoner
18
8
–
normal*
23 24 25 26 27
10 11
* Nur für die Intensivstation validiert, deshalb anlässlich der Untersuchung in der Postintensivstationsambulanz nicht bestimmt; die klinische Untersuchung spricht jedoch dafür, dass die Scorewerte nicht pathologisch erhöht waren.
12 13
! Nicht immer ist der Postintensivstationsverlauf
unserer Patienten aber so glückhaft!
14 15
Mit diesen Sepsisfolgen müssen Sie rechnen!
16
Spätletalität
17
Entsprechend einer finnischen Studie an 12.180 erwachsenen Intensivstationspatienten ist die 5-Jahres-Letalität der aus der Intensivstation entlassenen Patienten 3,3fach höher als die der Normalbevölkerung (Niskanen et al. 1996). Vor allem in den ersten beiden Jahren muss mit einer erhöhten Sterblichkeit gerechnet werden; nach 2 Jahren laufen die Letalitätskurven von Normalbevölkerung und überlebenden Intensivstationspatienten dann weitgehend parallel (. Abb. 27-1). Ein-
18 19 20
zelne Patientengruppen verhalten sich dabei ganz unterschiedlich (. Abb. 27-2), mit der günstigsten Langzeitprognose bei intoxikierten Patienten sowie bei Traumapatienten (Grotz et al. 2001) und der ungünstigsten nach kardiopulmonaler Reanimation. Eine spezifische Sepsisgruppe war in dieser Untersuchung nicht gebildet worden. Dennoch liefert diese Studie auch für den Sepsispatienten wichtige Informationen, zeigt sie doch, dass die Langzeitprognose umso ungünstiger ist, je ausgeprägter der Schweregrad der Erkrankung – gemessen als APACHE-II-Score – im Sinne des MODS ist (. Abb. 27-3). Bei Patienten mit prolongierter maschineller Beatmung liegt die 1-Jahres-Sterblichkeit bei 56 % (Chelluri et al. 2004). Die Überlebenden hatten dabei ein medianes Alter von 53 Jahren, die Verstorbenen eines von 71 Jahren.
587 Mit diesen Sepsisfolgen müssen Sie rechnen!
27
. Abb. 27-1. 5-Jahres-Überlebensrate von 12.180 Intensivstationspatienten im Vergleich mit der 5-Jahres-Überlebensrate der alters- und geschlechtsadjustierten Allgemeinbevölkerung. Relatives Überleben: tatsächliche/erwartete Überlebensrate der Intensivstationspatienten. (Aus Niskanen et al. 1996)
. Abb. 27-2. Relative 5-JahresÜberlebensrate von 12.180 Intensivstationspatienten in Abhängigkeit von der Grunderkrankung. (Aus Niskanen et al. 1996)
Zwei wegweisende Sepsisstudien. Wenige Daten existieren bisher für die Langzeitprognose von Sepsispatienten. Zwei Studien sollen hier angesprochen werden: 5 Die Nachbeobachtung von 1505 Patienten mit überlebter Sepsis über 8 Jahre (Quartin et al. 1997) zeigte, dass deren mittlere Lebensspanne durch die Sepsis von 8 auf 4 Jahre verkürzt wird; das Sterberisiko im 2. Halbjahr nach überlebter Sepsis steigt im Vergleich zum Sterberisiko nichtseptischer Kontrollpersonen mit zunehmendem Sepsisschweregrad: Bei durchgemachter unkomplizierter Sepsis
liegt es bei 1,6, bei durchgemachter schwerer Sepsis bei 3,4 und bei durchgemachtem septischem Schock bei 5,2 (Quartin et al. 1997). 5 Eine monozentrische Untersuchung aus den USA mit Sepsisintensivstationspatienten, charakterisiert durch eine positive Blutkultur und ein systemisches Inflammationsreaktionsyndrom (SIRS), erbrachte folgende Ergebnisse (Sasse et al. 1995): Von den 153 Patienten mit einem mittleren APACHE-II-Score von 24,5 waren 58,2 % Männer, die mittlere Liegedauer betrug etwa 31 Tage, die mediane Überlebenszeit etwa 298 Tage; 25 % dieser
588
Kapitel 27 · Der Sepsispatient in der Postintensivstationsphase
. Abb. 27-3. 5-Jahres-Überlebensrate von 12.180 Intensivstationspatienten in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung. Der Schweregrad der Erkrankung wurde mit dem APACHE-II-Score bei Aufnahme der Patienten auf die Intensivstation ermittelt. (Aus Niskanen et al. 1996)
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Patienten hatten eine maligne Erkrankung, und ebenfalls 25 % waren HIV-positiv; 37,3 % der Patienten verstarben auf der Intensivstation, die Gesamtsterblichkeit im Krankenhaus lag bei 51,0 %. Einen Monat nach der Entlassung waren insgesamt 56,2 %, 6 und 12 Monate nach Entlassung 68,0 % und 71,9 % verstorben. Die ungünstigsten Krankheitsverläufe fanden sich bei Patienten mit Pilz- (Candida, Cryptococcus), grampositiven und HIV-Infektionen sowie bei Tumorpatienten. Bei den Patienten mit gramnegativen Infektionen hatten diejenigen mit Pseudomonasbakteriämien die geringsten Überlebensraten. Der APACHE-II-Score war für die Krankenhausphase prognostisch hilfreich, für die anschließende Posthospitalphase jedoch weniger. ! Besonders die ersten 6 Monate nach Entlassung
scheinen für Patienten mit durchgemachter Sepsis weiterhin kritisch zu sein!
19
Spätmorbidität
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Muskelschwund und Schwäche stellen bei ARDSPatienten ein Jahr nach überlebter Erkrankung die wesentlichen, Leistungsfähigkeit und Lebens-
qualität beeinträchtigenden Symptome dar (Herridge et al. 2003; Hudson u. Lee 2003). Weiterführende Angaben zum Ausmaß persistierender Organdysfunktionen bei Sepsispatienten in der Postintensivstationsphase und zum Zeitverlauf der Reversibilität sind spärlich. Systematische Untersuchungen dazu fehlen.
Beeinträchtigung der Lebensqualität Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Postintensivstationspatienten (Frick et al. 2002; Niskanen et al. 1999) und speziell der Patienten mit durchgemachter Sepsis lässt sich mit spezifischen Fragebögen – z. B. dem SF-36 – eruieren (Heyland et al. 2000; McLauchlan et al. 1995; Perl et al. 1995). Wie . Abb. 27-4 zeigt, sind einzelne Lebensqualitätskomponenten – wie körperliche Fitness, Schmerz, Vitalität, soziale Kontakte, Emotionalität und mentale Fitness – bei Sepsispatienten im Mittel 1,5 Jahre nach der Krankenhausentlassung im Vergleich zur Bevölkerung zwar reduziert; im Vergleich zur Lebensqualität von Patienten mit anderen chronischen Erkrankungen – z. B. Zustand nach ARDS (Chelluri et al. 2004; Davidson et al. 1995; Weinert et al. 1997), Herzinsuffizienz und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung/
589 Mit diesen Sepsisfolgen müssen Sie rechnen!
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. Abb. 27-4. Lebensqualität von Patienten mit überlebter Sepsis in der Postintensivstationsphase im Vergleich zur amerikanischen Normalbevölkerung und im Vergleich zu weiteren Patientengruppen mit chronischen Erkrankungen. Die Lebensqualität wurde anhand des SF-36-Fragebogens ermittelt. Bei den 30 interviewten Sepsispatienten erfolgte die Befragung im Mittel 17 Monate nach der Krankenhausentlassung. Die Einteilung der einzelnen Lebensqualitätskomponenten wurde anhand einer Punkteskala von 0 bis 100 (Maximum: 100) vorgenommen. Phys körperliche Fitness (»physical health summary scale«); Schm Schmerzen (»bodily pain«); Vit Vitalität (»vitality«); Soz soziale Kontakte (»social functioning«); Emot Emotionalität (»role emotional«); Ment mentale Fitness. (Zusammenstellung nach und weitere Erläuterungen in Heyland et al. 2000)
. Abb. 27-5. Subjektiv empfundene Lebensqualität von Patienten mit überlebter Sepsis in der Postintensivstationsphase. Die subjektiv empfundene Lebensqualität wurde bei den 30 interviewten Patienten im Mittel 17 Monate nach der Krankenhausentlassung mit der »Patrick‘s Perceived Quality of Life Scale« ermittelt. Die Einteilung erfolgte anhand einer Punkteskala von 0 bis 10 (Maximum: 10). Glück empfundene Freude und Zufriedenheit (»happiness«); Lebenssinn Empfindung über Bedeutung und Zweck des Lebens (»meaning/purpose of life«); Respekt Respektiertheit durch die Mitmenschen (»respect from others«); Einkomm Einkommen (»income«); Muße Muße-, Freizeitempfinden (»leisure«); Pens/Arb Pension/Arbeit (»retirement/job«); Gesellsch soziale Kontakte (»contribution to community«); Unterstütz Hilfe durch Familie und Freunde (»help from family/friends«); Kommun Kontakte mit Familie und Freunden (»see/talk to family/friends«); Reflektion Lebenseinschätzung (»think/remember«); Gesundh Gesundheitsempfinden (»physical health«). (Zusammenstellung nach und weitere Erläuterungen in Heyland et al. 2000)
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Kapitel 27 · Der Sepsispatient in der Postintensivstationsphase
Hypertonie – sind die Einschränkungen allerdings eher geringer als stärker ausgeprägt. Körperliche Fitness und soziale Kompetenz scheinen nach überlebter Sepsis stärker reduziert zu sein als emotionale und mentale Komponenten der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Heyland et al. 2000). Auch die subjektiv empfundene Lebensqualität 1,5 Jahre nach überlebter Sepsis ist zwar erheblich eingeschränkt, aber durchaus akzeptabel (. Abb. 27-5).
Die Postintensivstationsambulanz: Bewusstsein schaffen für die Probleme der Postintensivstationsphase Was können wir für unsere Patienten mit überlebter Sepsis in der Postintensivstationsphase tun? Evidenzbasierte Leitlinienempfehlungen dafür gibt es nicht. Deshalb müssen wir pragmatisch vorgehen: Betreuen Sie als Intensivmediziner Ihren Sepsispatienten nicht nur bis zur Verlegung auf die Allgemeinstation, sondern kümmern Sie sich um ihn bis zur Entlassung aus dem Kranken-haus! Praxistipp Machen Sie sich vor Entlassung aus der Klink ein Bild über den aktuellen Gesundheitszustand: 5 Welche Organdysfunktionen bestehen in welchem Ausmaß fort? Hier liefern der APACHE-II-/SAPS-II-Score und der SOFAScore (7 Kap. 3) globale Einschätzungen. 5 Denken Sie auch an die prognostisch bedeutsame autonome Dysfunktion des Intensivstationspatienten, die Sie mit der Messung der Herzfrequenzvariabilität mittels 24-h-Langzeit-EKG bestimmen können! Solange die Herzfrequenzvariabilität weiter eingeschränkt ist, rechnen wir – in Analogie zu unseren Herzpatienten – mit einer anhaltenden Gefährdung durch potenziell lebensbedrohliche Rhythmusstörungen (7 Kap. 11). Diese Informationen sollten im ärztlichen Entlassungsbe6 fund enthalten sein!
5 Teilen Sie dem weiterbetreuenden Arzt die anhaltende Gefährdung des Patienten mit und empfehlen Sie ihm die enge Zusammenarbeit mit Ihrer Postintensivstationsambulanz!
Was können Sie in der Postintensivstationsphase tun? ! Die ersten 6 Monate nach Entlassung sind
für den Patienten mit überlebter Sepsis die gefährlichsten! Das Risiko ist für den Patienten mit überlebtem septischem Schock noch größer als für den Patienten nach schwerer Sepsis und nach unkomplizierter Sepsis!
Wichtig ist, dass Sie bei Ihrem Patienten neuerliche Komplikationen und Verschlechterungen des Gesundheitszustands frühzeitig erkennen! Wählen Sie die Untersuchungsintervalle je nach Schweregrad der durchgemachten Sepsis sowie dem Ausmaß des persistierenden MODS und der autonomen Dysfunktion! Im Fall neuerlicher Krankheitsprogression sollten Sie Ihren Patienten engmaschig weiterbetreuen und ggf. wieder stationär aufnehmen. Nach 6-monatigem unkompliziertem Postintensivstationsverlauf können Sie davon ausgehen, dass die Gefahr für Ihren Patienten mit durchgemachter Sepsis weitgehend gebannt ist.
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Anhang
Behandlung der schweren Sepsis und des septischen Schocks – Kurzfassung der Evidenz-basierten Therapie-Empfehlungen der »Surviving Sepsis Campaign«
Diagnose 5
Erstversorgung/»Resuscitation«Behandlung Beginnen Sie bei Patienten mit Hypotonie oder erhöhten Laktatspiegeln unmittelbar die Behandlung und verzögern Sie den Therapiebeginn nicht bis zur Aufnahme des Patienten auf die Intensivstation! Alle der folgenden Behandlungsziele sollten innerhalb der ersten sechs Stunden erreicht werden: → Zentraler Venendruck 8–12 mm Hg → Mittlerer arterieller Blutdruck ≥65 mm Hg → Diurese ≥0,5 ml × kg–1 × hr–1 → Zentralvenöse oder gemischtvenöse 02-Sättigung ≥70 % (Empfehlungsgrad B). Falls Sie innerhalb der ersten sechs Stunden das Ziel »zentralvenöse oder gemischtvenöse O2-Sättigung ≥70 %« nicht mit der Einstellung des zentralvenösen Venendrucks auf 8–12 mmHg durch Flüssigkeitsgabe erreichen, sollten Sie Erythrozytenkonzentrate transfundieren und damit einen Hämatokrit von ≥30 % erzielen und/oder Dobutamin infundieren bis zu einem Maximum von 20µg × kg-1 × min-1 (Empfehlungsgrad B).
Nehmen Sie zwei oder mehr Butkulturen ab, ehe Sie mit der Antibiotikabehandlung beginnen. Wenigstens eine Blutkultur sollten Sie perkutan entnehmen und jeweils eine aus jedem länger als 48 h liegenden Gefäßkatheter. Entnehmen Sie auch Kulturen aus anderen Körperregionen: Liquor, Atemwegssekrete, Urin, Wunden und andere Körperflüssigkeiten (Empfehlungsgrad D).
Antibiotika-Therapie 5
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Beginnen Sie die intravenöse Antibiotikagabe innerhalb der ersten Stunde nach Feststellung der schweren Sepsis (Empfehlungsgrad E)! Applizieren Sie eine oder mehrere Antiinfektiva, welche gegen wahrscheinliche bakterielle oder Pilz-Erreger aktiv sind. Ziehen Sie die bakteriologischen Resistenzmuster Ihrer Region und Ihres Krankenhauses in Betracht (Empfehlungsgrad D). Überprüfen Sie Ihr Antibiotikaregime 48–72 h nach Beginn im Hinblick darauf, ob Sie auf ein Antibiotikum mit einem engen Wirkspektrum umsetzen können (Empfehlungsgrad E). – Ziehen Sie bei neutropenischen Patienten und bei Pseudomonas-Infektionen ein Kombinationsregime in Betracht (Empfehlungsgrad E). – Beenden Sie die Antibiotikabehandlung umgehend, sobald sich eine nicht-infektiö-
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se Ursache des Krankheitszustands herausstellt (Empfehlungsgrad E).
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Focus-Kontrolle 5
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Natürliche oder künstliche Kolloide oder Kristalloide sind als gleichwertig anzusehen (Empfehlungsgrad C). Geben Sie Ihren Patienten mit V.a. eine inadäquate Gewebedurchblutung Kristalloide bzw. Kolloide mit einer Infusionsgeschwindigkeit von 500-1000 ml bzw. 300–500 ml in 30 min. Wiederholen Sie diese Maßnahme, falls Blutdruck und Diurese nicht ansteigen und es keinen Hinweis auf eine intravasale Volumenüberladung gibt (Evidenzgrad E).
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Beginnen Sie mit der Vasopressorentherapie, falls die Flüssigkeitsgabe keinen adäquaten Blutdruck und keine adäquate Organperfusion wiederherstellen kann oder setzen Sie Vasopressoren vorübergehend solange ein, bis die Flüssigkeitsgabe eine adäquate Perfusion wiederhergestellt hat (Empfehlungsgrad E). Initiale Vasopressoren der Wahl sind sowohl Noradrenalin als auch Dopamin, appliziert über einen zentralen Venenkatheter (Empfehlungsgrad D).
Nicht indiziert ist, niedrig dosiertes Dopamin zur Nierenprotektion einzusetzen (Empfehlungsgrad B). Bei Vasopressoren-pflichtigen Patienten sollten Sie, sobald es die Zeit erlaubt, einen arteriellen Katheter zur invasiven Blutdruckmessung legen (Empfehlungsgrad E). Ziehen Sie die Gabe von Vasopressin in Erwägung bei Patienten mit refraktärem Schock trotz adäquater Flüssigkeitssubstitution und Hochdosis-Gabe eines konventionellen Vasopressors. Vasopressin ist nicht zu empfehlen als Medikament der ersten Wahl anstelle des Noradrenalins oder des Dopamins. Infundieren Sie Vasopressin bei Erwachsenen mit 0,01–0,04 Einheiten/min (Empfehlungsgrad E).
Inotrope Therapie
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Ziehen Sie Dobutamin bei Patienten in Erwägung, die trotz adäquater Flüssigkeitssubstitution einen niedrigen Herzindex haben. Dabei sollten Sie die Vasopressorentherapie mit einer Dosierung fortsetzen, welche einen mittleren arteriellen Blutdruck von ≥65 mm Hg aufrechterhält (Empfehlungsgrad E). Nicht indiziert ist die Anhebung des Herzindex zur Steigerung des Sauerstoffangebotes (DO2) auf einen aufgrund von Studien/Erfahrungswerten definierten, vorgegebenen Wert (Empfehlungsgrad A).
Steroide 5
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Vasopressoren
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Untersuchen Sie den Patienten auf fokale Infektionen, um ggf. Maßnahmen einer FocusKontrolle incl. Abszessdrainage oder GewebeDebridement einleiten zu können (Empfehlungsgrad E). Wählen Sie diejenige Focus-Sanierungsmethode, welche die geringste physiologische Dysbalance hervorruft (Empfehlungsgrad E). Leiten Sie die Focus-Sanierung nach FocusIdentifzierung baldmöglichst ein (Empfehlungsgrad E). Entfernen Sie intravasale Katheter – falls sie potentielle Infektionsquellen sind – unmittelbar nach Legen eines neuen Katheters (Empfehlungsgrad E).
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Flüssigkeitstherapie (s. »Erstversorgung/ »Resuscitation«-Behandlung«)
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Anhang
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Behandeln Sie Patienten, die trotz adäquater Volumensubstitution Vasopressoren benötigen, mit 200-300 mg Hydrocortison pro Tag. Die Gabe sollte in drei oder vier Dosen oder mittels kontinuierlicher Infusion für 7 Tage erfolgen (Empfehlungsgrad C). Optional ist – die Durchführung eines ACTH-Stimulationstests (250 µg), um Responder-Patienten (Cortisol-Anstieg > 9 µg/dL innerhalb von 30 min nach ACTH-Stimulation; etwa ein Drittel aller Patienten) zu identifizieren und bei diesen Responder-Patienten die Hydrocortison-Behandlung zu beenden. Warten Sie jedoch nicht auf das Ergeb-
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nis des ACTH-Tests, um mit der Hydrocortison-Behandlung zu beginnen (Empfehlungsgrad E). – die Reduktion der Hydrocortison-Dosierung, sobald die septische Schocksymptomatik abgeklungen ist (Empfehlungsgrad E). – die ausschleichende Beendigung der Hydrocortison-Behandlung (Empfehlungsgrad E). – die zusätzliche Gabe von Fludrocortison (50 µg täglich) additiv zur Hydrocortisongabe (Empfehlungsgrad E). Nicht indiziert zur Behandlung des septischen Schocks ist die Gabe von mehr als 300 mg Hydrocortison täglich (Empfehlungsgrad A)! Nicht indiziert ist Kortikosteroid-Behandlung einer Sepsis ohne Schockzustand, es sei denn, eine Steroidmedikation im Rahmen einer Grunderkrankung muss fortgeführt werden oder die Gabe von Steroid-Stressdosen ist aus endokrinen Gründen indiziert (Empfehlungsgrad E).
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Rekombinantes humanes aktiviertes Protein C (rhAPC; Drotrecogin alfa aktivert, Xigris®) 5
Geben Sie rhAPC denjenigen Ihrer Sepsispatienten, die ein hohes Sterblichkeitsrisiko und keine absoluten Blutungs-Kontraindikationen oder relative Kontraindikationen haben, welche den potentiellen Nutzen der rhAPC-Gabe zunichte machen würden. Zu diesen Hochrisikopatienten gehören diejenigen mit einem APACHE II Score ≥25, einem Sepsis-induzierten Multiorganversagen, einem septischem Schock oder einem Sepsis-induzierten ARDS (Empfehlungsgrad B). Sobald ein Patient als Hochrisikopatient identifiziert ist, sollte mit der Gabe unverzüglich begonnen werden.
Gabe von Blutprodukten 5
Nach Beseitigung der Gewebe-Minderperfusion und bei Fehlen einer signifikanten koronaren Herzkrankheit oder einer akuten Blutung sollten Sie bei einem Hb-Abfall auf <7,0 g/dL/(<70 g/L) Erythrozytenkonzentra-
te transfundieren, um einen Anstieg des HbWertes auf 7,0–9,0 g/dL (70–90 g/L) zu erzielen (Empfehlungsgrad E). Nicht indiziert ist der Einsatz von Erythropoietin zur Behandlung einer Anämie im Rahmen einer Sepsis. Erythropoietin kann aber auch bei Sepsis-Patienten bei sonstigen akzeptierten Indikationen eingesetzt werden (Empfehlungsgrad B). Nicht indiziert ist die Gabe von frisch gefrorenem Plasma (FFP) zur Korrektur von labormäßig erfassbaren Gerinnungsstörungen, solange keine Blutung vorliegt und keine invasive Prozedure geplant ist (Empfehlungsgrad E). Nicht indiziert ist die Gabe von Antithrombin (Empfehlungsgrad B). Transfundieren Sie Thrombozytenkonzentrate bei einem Thrombozytenabfall auf <5.000/ mm3 (5 × 109/L), unabhängig vom Vorliegen einer Blutung, weiterhin bei Thrombozytenzahlen von 5.000-30.000/mm3 (5–30 × 109/L) und vorhandenem signifikanten Blutungsrisiko. Höhere Thrombozytenzahlen (≥ 50.000/ mm3 [50 × 109/L]) sind für chirurgische und invasive Prozeduren erforderlich. (Empfehlungsgrad E).
Maschinelle Beatmung bei Sepsisinduziertem Lungenschaden (»Acute Lung Injury«, ALI)/ARDS 5
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Vermeiden Sie hohe Tidalvolumina (Atemzugvolumina) in Verbindung mit hohen Plateaudrücken. Reduzieren Sie die Tidalvolumina über einen Zeitraum von 1–2 Stunden auf einen niedrigen Zielwert (6 ml/kg fettfreie Körpermasse) in Verbindung mit dem Ziel, den endinspiratorischen Plateaudruck unter 30 cm H2O zu halten (Empfehlungsgrad B). Falls zur Minimierung des Plateaudrucks und des Tidalvolumens erforderlich, können Sie supranormale PaCO2-Drücke tolerieren (Empfehlungsgrad C). Bei Patienten mit vorbestehender metabolischer Azidose ist dieses Vorgehen limitiert, bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellen Druck kontraindiziert. Bei ausgewählten Patienten können Sie die Infusion von Natriumbikarbonat in Betracht
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ziehen, um das Konzept der permissiven Hyperkapnie zu erleichtern. Setzen Sie zur Verhinderung eines endexpiratorischen Lungenkollapses ein Minimum an positiv endexpiratorischem Druck (PEEP) ein, abhängig vom Ausmaß des Sauerstoffdefizits und vom zur Aufrechterhaltung einer adäquaten Oxygenierung notwendigen FiO2 (FiO2 0,3 → PEEP 5; 0,4 → 5–8; 0,5 → 8–10; 0,6 → 10; 0,7 → 10–14; 0,8 → 14; 0,9 → 14–18; 1,0 → 20–24). Einige Experten titrieren den PEEP bettseitig anhand der thorakopulmonalen Compliance (Erzielung der höchsten Compliance, die Lungenrekrutierung reflektierend) (Empfehlungsgrad E). In Zentren mit entsprechender Erfahrung kann bei ARDS-Patienten, bei denen potentiell schädliche FiO2-Werte oder Plateau-Drücke notwendig sind, die Bauchlagerung in Betracht gezogen werden, vorausgesetzt der Lagewechsel birgt kein hohes Risiko für den Patienten (Empfehlungsgrad E). Zur Vermeidung beatmungsinduzierter Pneumonien sollten Sie Ihre Patienten mit dem Kopfteil des Bettes um 45° angehoben lagern, falls diesbezüglich keine Kontraindikationen bestehen (Empfehlungsgrad C). Im Rahmen eines Weaning-Protokolls (ausführlich in [Dellinger et al 2004; Appendix D] beschrieben) sollten Sie bei Ihrem beatmeten Patienten die Spontanatmung wenigstens einmal täglich dann versuchen, wenn der Patient folgende Kriterien erfüllt: a) erweckbar, b) ohne Vasopressorengabe hämodynamisch stabil, c) keine neue potentiell bedrohliche Änderung des Zustandes, d) geringe Atemunterstützung und niedriger PEEP ausreichend, e) ein FiO2, der sicher auch mit einer Gesichtsmaske oder einer Nasensonde erzielbar ist. Falls der Spontanatmungsversuch erfolgreich ist, können Sie eine Extubation erwägen. Unterstützen Sie die initiale Spontanatmungsphase mit geringer Druckunterstützung, mit einem kontinuierlichen positiven Atemwegsdruck von 5 cm H2O oder einem TStück (Empfehlungsgrad A).
Sedierung, Analgesie und Neurmuskuäre Blockade 5
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Verwenden Sie bei Ihren kritisch kranken beatmeten Patienten Sedierungsprotokolle. Messen Sie den Sedierungserfolg mit einer standardisierten subjektiven SedierungsSkala (Empfehlungsgrad B). Titrieren Sie die Sedierung nach vorgegebenen Endpunkten (Sedierungs-Skala). Verwenden Sie entweder eine intermittierende BolusSedierung oder ein kontinuierliches Sedierungs-Infusionsregime. Unterbrechen oder reduzieren Sie täglich das Sedierungsregime, um den Patienten wach werden zu lassen. Readjustieren Sie das Sedierungs-Regime, falls erforderlich (Empfehlungsgrad B). Vermeiden Sie, falls möglich, den Einsatz von Muskelrelaxantien! Falls diese dennoch länger als die ersten 2–3 Stunden der Beatmungsphase erforderlich sind, sollten Sie die Muskelrelaxantien entweder als intermittierende Boli nach Bedarf oder als kontinuierliche Infusion mit dem »train-of-four«-Monitoring der Relaxationstiefe einsetzen (Empfehlungsgrad E).
Glukosekontrolle 5
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Halten Sie bei Ihrem Patienten mit schwerer Sepsis nach initialer Stabilisierung den Blutzuckerspiegel <150 mg/dl ( 8,3 mmol/L). Als Applikationsweise sollten Sie die kontinuierliche Infusion von Insulin und Glukose wählen. Kontrollieren Sie den Blutzucker initial häufig (alle 30–60 min) und nach Stabilisierung des Blutzuckers regelhaft (Empfehlungsgrad D). Beziehen Sie bei Ihrem Patienten mit schwerer Sepsis in die Strategie der Blutzuckerkontrolle ein Ernährungsprotokoll mit ein, bevorzugt im Sinne der enteralen Ernährung (Empfehlungsgrad E). Falls Ihr Patient nicht bereits ausgeprägt hyperglykämisch ist, können Sie dieses Regime mit einer Infusion von 5 %iger oder 10 %iger Glukose beginnen; anschließend können Sie mit dem Ernährungsprotokoll – bevorzugt enteral –fortfahren.
597 Weiterführende Literatur
Nierenersatzverfahren 5
Bei akutem Nierenversagen ohne hämodynamische Instabilität werden die intermittierende Hämodialyse und die kontinuierliche venovenöse Hämofiltration (CVVH) als äquivalent angesehen. Bei hämodynamisch instabilen Patienten ist die CVVH einfacher zu handhaben (Empfehlungsgrad B).
Bikarbonat-Therapie 5
Setzen Sie kein Bikarbonat zur Behandlung der Hypoperfusions-induzierten Laktatazidose mit einem pH ≥7,15 in der Absicht ein, die Herz-Kreislauf-Situation zu stabilisieren oder Vasopressoren einzusparen. Für niedrigere pH-Werte gibt es zum Einsatz von Bikarbonat keine Studiendaten, ebensowenig für den gesamten pH-Bereich wie für den Einfluß der Bikarbonatgabe auf die Prognose (Empfehlungsgrad C).
zeit keine Aussage getroffen werden; hinsichtlich der Anhebung des Magen-pH sind sie jedoch äquipotent (Empfehlungsgrad A).
Betrachtungen zur Therapiebegrenzung 5
Diskutieren Sie das geplante weitere Vorgehen mit Ihrem Patienten und seiner Familie, einschließlich einer realistischen Einschätzung von Prognose und erreichbaren Therapiezielen. Eine Entscheidung zu einer weniger aggressiven Therapie oder der Entzug von Behandlungsmaßnahmen kann im Einzelfall im besten Interesse des Patienten sein (Empfehlungsgrad E).
Die Empfehlungsgrade der Leitlinien der »Surviving Sepsis Campaign« sind mit den in . Tabelle 4-1 aufgeführten identisch. Zusammenstellung nach [Dellinger et al 2004] (7 Kap. 4).
Prophylaxe der tiefen Venenthrombose 5
Geben Sie Ihrem Patienten mit schwerer Sepsis als Thromboseprophylaxe entweder Lowdose-nichtfraktioniertes Heparin oder niedermolekulares Heparin. Verwenden Sie bei Heparin-Kontraindikationen (Thrombozytopenie, schwere Koagulopathie, frische Blutung, kurz zurückliegende intrazerebrale Blutung) angepasste Kompressionsstrümpfe oder intermittierende Kompressionsgeräte, soweit keine Kontraindikationen wie eine periphere arterielle Verschlusskrankheit vorliegen. Bei Patienten mit sehr hohem Thromboserisiko – z.B. bei jenen mit schwerer Sepsis und einer tiefen Venenthrombose in der Vorgeschichte – wird die Kombination von pharmakologischer und physikalischer Thromboseprophylaxe empfohlen (Empfehlungsgrad A).
Stressulkus-Prophylaxe 5
Geben Sie allen Patienten mit schwerer Sepsis eine Stressulkus-Prophylaxe! H2-Rezeptorblocker als bevorzugte Substanzklasse sind wirksamer als Sucralfat. Ein direkter Vergleich von Protonenpumpen-Hemmern mit H2-Rezeptorblockern fehlt bisher, und deshalb kann über deren relative Effizienz der-
Weiterführende Literatur The surviving sepsis campaign guidelines for the management of severe sepsis and septic shock: Background, recommendations, and discussion forum from an evidencebased review, Crit Care Med. Supplement to November 2004, 32/11: S 445–S 597 National Initiative in Sepsis Education (Balk RA, Ely EW, Groyette RE, eds) Sepsis Handbook, 2nd edition, Society of Critical Care Medicine, Thomson Advances Therapeutic Communication™ and Vanderbilt University School of Medicine, 2004
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A
Sachverzeichnis A abdominelle Infektionen, Neutropenie 549 abdominelle Operationen, Infektionsrisiko 127 Abort, septischer, Erreger 166 Abszesse, intraabdominale 87 Abwehrreaktion, SIRS 7 Abwehrspannung 88 N-Acetylcystein 45, 338 – hochdosiertes, Glutathion-Spiegel 264 – Kardiomyopathie, septische 338 – Sauerstoffverbindungen, reaktive, Inaktivierung 39 – Schock, septischer 338 – Sepsis, manifeste 264 N-Acetyl-L-Leucinyl-L-Norleucinyl 45 Acinetobacter spp. 93 – Antibiotikatherapie 97 – Blutkulturisolate 165 Aconitase 40 Aconitathydrolase 40 ACTH 41, 43, 117, 473 – Nebennierenrindeninsuffizienz 476 ACTH-Responder/-Non-Responder 335 ACTH-Stimulierbarkeit, Kortisol 117 ACTH-Test 119 – Nebennierenrindeninsuffizienz, relative 476 acute lung injury s. ALI acute respiratory distress syndrome s. ARDS Acylaminopenicillin(e) 91, 93, 96–97 – + Aminoglykoside 96 – FUO 547–548 – Haut-/Venenkatheterinfektionen 550 Addison-Krise, Schock 284 Adenylatzyklase, Stimulation – glukagonrezeptorvermittelte 338 – Katecholamine 330 Adhäsionsmoleküle – Expression 28, 45 – Endothel 489 – Zell-Zell-Adhärenz, Blockade 265 ADP-ribosylierende Toxine 29–30 Adrenalin 41, 81 – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik, globale 320
– Herz-Kreislauf-Therapie 106 – Kardiomyopathie, septische 325– 327 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Schock, septischer 325–327 – Splanchnikusdurchblutung 108, 334 – Splanchnikusobstruktion 424 – Wirkprofile 322 β1-Adrenozeptor-AdenylatzyklaseSystem – Desensibilisierung 331 – Dysregulation 333 Adrenozeptoren – α1-Adrenozeptoren 118 – α2-Adrenozeptoren 319 – α-Adrenozeptoren 52 – Schock, septischer 278 – β1-Adrenozeptoren 317 – Herzinsuffizienz 331 – β2-Adrenozeptoren, Herzinsuffizienz 332 – β3-Adrenozeptoren, negativ inotrope, eNOS-gekoppelte 331 – β-Adrenozeptoren, Neusynthese 30 – Herz-Kreislauf-System 317–319 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 adult respiratory distress syndrome s. ARDS airway pressure release ventilation s. APRV Akute-Phase-Proteine 44, 432 – Neugeborenensepsis 562–563 – Neutropenie 542 Alanin, Abgabe, vermehrte 433 Albumin – Endotoxinbindung 191 – Kardiomyopathie, septische 313 ALI (acute lung injury) 104–111, 359– 396 – Ketokonazol 111 – MODS 8 Alter – Nierenfunktionsstörungen 391 – Sepsis 579 Alveolenkollaps, Lungenversagen, akutes 366 AmBisome, Lungeninfiltrate 549 Amikacin 91, 167, 169, 182–183 Aminoglykoside 91, 93, 95
– FUO 547 – Neugeborenensepsis 566–567 Aminopenicillin 91 – + Aminoglykosid 96 Aminosäuren – Dosierung 454 – Ernährungstherapie 448–450 – glukoplastische 433 – Infusionsgeschwindigkeit 454 – Plasmaspiegel 433 – Transfer 433 Amoxicillin 91 Amphotericin B 99, 186 – Candidämie 99 – FUO 548 – Lungeninfiltrate 549 Ampicillin 91, 168–169, 175 – Listeria monocytogenes 566 – Meningitis, septische 565 – Neugeborenensepsis 565 Amrinon – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik, globale 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Wirkprofile 322 Anaerobier 93–94 – intraabdominelle 15, 89 Analgesie 596 Analgosedierung, Geschlechtsunterschiede 576 anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen – Immunglobuline, intravenöse 222 – Lösungen, kolloidale 314 – MODS 8 Angina pectoris – Erythrozytenkonzentration 316 – instabile 309 Angiotensin II 336–337 – Schock, septischer, katecholaminrefraktärer 336 Angiotensinogen 44 Annexin II bzw. V 504 ANP (atriales natriuretisches Peptid), Schock, septischer 286 antiarrhythmische Therapie 339 Antibiogramm 173 Antibiotika(therapie) 80, 89, 163–187, 593–594 – Behandlungsdauer, kürzere 160 – Deeskalation 160
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Sachverzeichnis
– definitive, Neugeborenensepsis 567–568 – Diagnostik vor Therapie 164 – Diarrhö, nosokomiale 160 – Enterobacter cloacae 169 – Enterobacterspecies 566 – Enterococcus faecalis/faecium 168 – Escherichia coli 169, 566 – Fieber, neutropenisches 547 – gezielte 90–99 – Besonderheiten 173–187 – Infektionen, klinisch fassbare 549 – In-vitro-Empfindlichkeit 173 – kalkulierte 90–99, 171–172 – antigrampositive 98 – Grundlagen 164–171 – Keimnachweis 550 – Klebsiella pneumoniae 566 – Kreatininclearance 90 – MHK-Wert 168–171 – Neugeborenensepsis 564–568 – Neutropenie 542, 547, 551–552 – Pharmakodynamik 90 – Pharmakokinetik 90 – Plasmaspiegel 90 – Prävention 160 – Proteus 566 – Pseudomonas aeruginosa 170, 566 – Regimes, rotatorische 160 – Sepsis, neutropenische 547 – Sepsistherapie 90 – Staphylokokken, koagulasenegative 167 – Ziele 163 Antibradykinin, Mortalität 530 α1-Antichymotrypsin 37 Anti-Core-Antikörper, kreuzreagierende 199 Antigennachweis, Neugeborenensepsis 562 Anti-IL-1-Therapie 260 antiinfektiöse Therapie s. Antibiotika(therapie) antiinflammatorische Maßnahmen 121–125 antikoagulative Eigenschaften, Endothel 487 Antikörper – monoklonale gegen CD14 und LBP 200 – murine 199 – neutralisierende, Drotrecogin-α 526 – Pseudomonasexotoxin S 209 Anti-Lipid-A-Antikörper 198–199 Anti-LPS-Aktivität, LAL-Assay 197 Anti-LPS-Faktor 197 – In-vivo-Effekte 198
Anti-LPS-IgG-Antikörper 209 – Präparate 214 Anti-Maus-Antikörper 200 antimikrobielle Therapie s. Antibiotika(therapie) Antimykotika 91, 98–99 – FUO 548 Anti-O-Ketten-Antikörper 198 Antioxidanzien – Bakteriämie 264 – Endotoxin 264 Anti-Pg 525 – Mortalität 530 α2-Antiplasmin 507 Antithrombin III 82, 115–116, 525 – DIC 505 – Erniedrigung 14 – Gerinnungshemmung 496 – Gerinnungsstörungen 512–516 – humanes 527 – KyberSept-Studie 516, 527–528 – Mangel 507 – Mortalität 530 – Neutropenie, chemotherapieinduzierte 507 – Sepsis 514 – Spiegel 498 – Studien, klinische 515 – Wirksamkeit 516 Anti-TNF(-Antikörper) 259, 525 – Kosten 144 – Mortalität 530 – Sepsis 12 Anti-TNFα-Antikörper 82 – monoklonale, IL-6 71 Anti-TNF-Rezeptoren, lösliche 82 Anti-TNF-Strategien 34–35 – klinische Studien 259–260 α1-Antitrypsin – Neugeborenensepsis 563 – Neutrophilenelastase 263 Antizytokinautoantikörperwirkung 211 Anus praeter 87 Aorteninsuffizienz 309 Aortenstenose 309 AP-1 (activating protein 1) 33–34 APACHE 525 APACHE-II-Score 19–20, 66, 67–68, 83, 109, 144–145, 227, 307, 361, 480, 518 – CPB-SIRS 72 – Enzephalopathie, septische 464 – Intensivpatienten 588 – Letalität, PROWESS-Studie 520 – Mortalität, PROWESS-Studie 533 – Mortalitätsunterschiede 532
– Postintensivstationsverlauf 586 aPC s. Protein C, aktiviertes Apnoe, Neugeborenensepsis 557 Apo1/Fas-Rezeptor 46 Apolipoproteine, Endotoxinbindung 191 Apoptose 45–47 – endotheliale Dysfunktion 491 – Lymphotoxin 32 – TNF 32 – verzögerte 47 APRV (airway pressure release ventilation) 373, 376–378 – Beatmung 373 – Lungenversagen, mittelschweres 377 Arachidonsäuresystem 41, 261 – Lipoxygenaseprodukte 261 – Zyklooxygenaseprodukte 261 ARDS (acute/adult respiratory distress syndrome) 104–111, 359–396 – Ätiologie 360 – Alveolenkollaps 366 – APRV 377 – CPAP 367, 369 – Diagnose 361 – diagnostische Kriterien 361 – Diurese, forcierte, Flüssigkeitszufuhr, restriktive 390 – ECCO2R 381 – ECMO 381 – Flüssigkeitszufuhr 389 – Gasaustausch, Verbesserung 367 – Gesamtprognose 363 – Hämofiltration 411 – Häufigkeit 362–364 – hyaline Membranen 367 – Hypertonie 345 – pulmonale 287 – Intensivpatienten 588 – Kardiomyopathie, septische 304 – Ketokonazol 111 – klinisches Bild 360–362 – Letalität 19, 362–364 – Lung Injury Score 362 – Lungencompliance 366–367 – Lungenfibrose 367 – Lungenschädigung, Verteilung 365 – MODS/MOV 8, 16, 360 – Murray-Score 362 – NO-Applikation, inhalative 266 – Oxygenierungsstörung 365 – Pathomechanismen, auslösende 364 – Pathophysiologie 364 – PEEP 367, 369 – Polytrauma, Prävention 386–394
601 Sachverzeichnis
– – – – – – – –
posttraumatisches 387 rapid shallow breathing 369 rechtsventrikuläre Dysfunktion 102 Rehabilitation 367 Restzustand 367 Sepsis 272, 360 Shunt, intrapulmonaler 365 SIRS (systemic inflammatory response syndrome) 360 – Surfactantfunktionsstörung 366 – Thorax-CI 365 – Thoraxröntgen 365 – Ursache, pulmonale 361 – Ursachen, auslösende 360 – Ventilationsunterstützung 369–370 – Veränderungen, morphologische und funktionelle 364 – Weaning 385 – Zytokine, proinflammatorische 258 ARDS-Lunge, Volutrauma 371 ARDS-Score 361 L-Arginin 110 – Applikation 265–266 a-rhPC (aktiviertes rekombinantes humanes Protein C) 525–526 – Mortalität 530, 533 Arrhythmien – Kardiomyopathie, septische 291 – MODS 8 – Schock, septischer 291 Arteria mesenterica inferior/superior 421 arterieller Mitteldruck s. MAP Arthritis, septische 98 – Erreger 166 Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer, Immunglobulintherapie, adjunktive 225 Aspergillus – flavus 544 – fumigatus 544 – Blutkulturisolate 166 Aspergillusinfektionen 89 – Neutropenie 544 Aspiration, Ernährung, enterale 121 A-Streptokokken, Antibiotikatherapie 96 Ateminsuffizienz – critical illness polyneuropathy 385 – Polytrauma 388 Atemnotsyndrom des Erwachsenen s. ARDS Atemwegsdruck – kontinuierlich positiver s. CPAP – positiver, PEEP 370 Atemwegsinfektionen – Antibiotikatherapie 93
– Erreger 93 Atemzugvolumen, Beatmung, lungenprotektive 106 ATP – Abnahme, endotheliale Dysfunktion 490 – Verbrauch 435 atriales natriuretisches Peptid (ANP), Schock, septischer 286 Aufnahmeuntersuchung, Sepsis 79–84 Augenschutz 155 Ausgangsfokus 89–90 Auswurffraktion, rechtsventrikuläre 346 – Endotoxin-/TNFα-AK 343 – Plasmapherese 343 autonome Dysfunktion 56–57, 113 – Kardiomyopathie, septische 291, 305 – Mechanismen 306 – MODS 9 – Schock, septischer 291 Autoregulation 52 axonale Degeneration, Critical-illnessPolyneuropathie 465–466 Azidose, matabolische 13 Azolderivate, Neutropenie 552 Azole, Candidämie 99 Aztreonam 95 – Neugeborenensepsis 566
B Bacillus spp., Blutkulturisolate 165 bactericidal permeability increasing protein s. BPI Bacteroides fragilis – Antibiotikatherapie 97 – Blutkulturisolate 166 Bakteriämie – ambulant erworbene 89 – Antioxidanzien 264 – Definition 5 – Enzephalopathie, septische 463 Bakterien – grampositive, Infektionen, neutropenische 543 – Porenbildner 31 – Toxizität, CD14-abhängige/TLRabhängige 29 Bakterieninvasion – Sepsis 7 – Translokation 26 Bakterientoxine 403–404 – Kardiodepression 281
A–B
– Myokarddepression 54 BAL s. bronchoalveoläre Lavage Baroreflexsensitivität 57 Barotrauma – Beatmung 370–371 – Emphysenblasen, bullöse 371 – Pneumomediastinum 370 – Überblähung 371 Bauchaortenaneurysma, ruptiertes, Infektionsrisiko 127 Bauchlage, Oxygenierung, Verbesserung 379–380 Bauchtrauma 389 Beatmung 339–340 – 373 375 – APRV 373, 376–378 – Barotrauma 370–371 – Biotrauma 371 – BIPAP 373, 375–376 – Deflationstrauma 371 – Druckbegrenzung, inspiratorische 372 – Entwöhnung 384–386 – Geschlechtsunterschiede 576 – Herzzeitvolumen (HZV) 372 – IL-1/IL-6 259 – Inflationstrauma 371 – IRV 374–375 – kontrollierte 373 – lungenprotektive 104–106 – Atemzugvolumen 106 – maschinelle 373 – Lungenschaden, Sepsis-induzierter 595–596 – nichtinvasive 386 – Nierenversagen, akutes 111–112 – Open-lung-Konzept 111 – PCV 373 – PEEP 373 – hoher 372 – PLV 381–382 – PSV 375 – respiratorische Insuffizienz 101 – seitengetrennte, Lungenschädigung, unilaterale 379 – Shuntreduktion 372 – Spontanatmung, erhaltene 375 – Nutzen 372 – Strategien, alternative 111 – protektive 372–373 – Tidalvolumen, niedriges 372 – TNF-α 259 – mit umgekehrtem Zeitverhältnis 374–375 – VCV 373 – Volutrauma 371 – Weaning 106, 111, 384–386
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Sachverzeichnis
Beatmungsdrücke, Lungenschädigung 370–371 Beatmungstrauma 370–371 – Reduktion 378–384 Behandlungsdauer, kürzere, Antibiotikatherapie 160 Beinvenenthrombose, Critical-illnessPolyneuropathie 467 Benzylpenicillin 91, 96 – + Clindamycin 96 Bikarbonat-Therapie 597 Bilirubin, Enzephalopathie, septische 464 Biokompatibilität, Hämoperfusion 415 Biotrauma, Beatmung 371 BIPAP (biphasic positive airway pressure) 375–376 – Beatmung 373 – eigentlicher 377 – Einstellungen, unterschiedliche 376 – Pressure-support-Ventilation 377 Blasenkatheter, Urosepsis 158–159 Blasensprung, vorzeitiger, Neugeborenensepsis 558 β-Blocker – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik, globale 321 – Herzinsuffizienz, chronische 331 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Blutdruck – Abfall, Vaskulopathie, septische 333 – Stabilisierung 333 Blutfluss – Kardiomyopathie, septische 333 – Maldistribution 55 – regionaler, inotrope/vasoaktive Pharmaka 323 – Stabilisierung 333 Blutgasanalyse, arterielle 85 Blut-Hirn-Schranke, Enzephalopathie, septische 462 Blutkulturen 89 – Kathetersepsis 392 – Neugeborenensepsis 561 – Neutropenie 546 – positive 14 Blutkulturisolate, Erregerspektrum 165 Blutleukozytenwerte, CPB-SIRS 72 Blut-O2-Träger-Mangel – Kardiomyopathie, septische 290 – Schock, septischer 290 Blutproduktion 595 Blutungen – Faktor VIIa, rekombinanter 498 – gastrointestinale, Infektionsrisiko 127
Blutungskomplikation, Heparin 115 Blutviskosität, Zunahme, Immunglobuline, intravenöse 222 Blutvolumen, intrathorakales, TPIDMethode 295 Blutzuckernormalisierung, konsequente 127 Blutzuckerspiegel – Erhöhung 434 – Ernährungstherapie 443 BNP (brain natriuretic peptide), Schock, septischer 286 Bone-Stadien, Sepsis 9–10 BPI (bactericidal permeability increasing protein) 27, 27, 196– 197, 201–202 – Endotoxinbindung 191 Bradykinin 42 – Kalziumioneneinstrom 489 brain natriuretic peptide s. BNP bronchoalveoläre Lavage – IL-1 269 – IL-10 269 – Lungeninfiltrate 549 – TNF 269 bronchopleurales Leck 379
C C1, Endotoxinbindung 191 C1-(Esterase-)Inhibitor 42 – Substitution 344–345 C1-Esterase-Mangel, Kapillarlecksyndrom 284 C3, Endotoxinbindung 191 C3a – Hämofiltration 410 – Molekulargewicht 405 C5a – Hämofiltration 410 – Molekulargewicht 405 Cachectin, TNF-α-Wirkung 34 Calmodulin 40–41 cAMP 40 Camphylobacter fetus, Blutkulturisolate 165 Candida albicans/Candida spp. 89, 94, 544 – Chorioretinitis 98 – Kathetersepsis 157 Candidämie – Amphotericin B/Azole 99 – nosokomiale, Risikofaktoren 123 Candidose – invasive 98 – Neutropenie 544
– Nierenbeteiligung 99 capillary leakage syndrome s. Kapillarlecksyndrom CAPK (ceramide-activated proteinkinase) 33 Carbapenem(e) 91, 96–97, 172 – FUO 548 – Neugeborenensepsis 566 Carboxypenizilline 95 Cardiotrophin 37 β-Carotin 38 CARS (compensatory anti-inflammatory response syndrome) 6, 10 – Definition 6 Caspasen 46 Cathepsin B/L 42 CAVH 391 CC-Chemokine 37 CD4+-/CD8+-T-Lymphozyten, älterer Patient 580 CD11 45 CD11a, b, c 264 CD14 192–193, 202 – LBP-Bindung 27 – lösliches (soluble) 195 – Endotoxinbindung 191 – LBP-Bindung 27 – Phosphatidyl-Inositol-Anker (GPI) 193 – Signaltransduktion 28 – Toll-like-Rezeptoren, Signaltransduktion 193–194 CD14-abhängige Toxizität, Bakterien 29 CD18 45, 264 CD120a, b 31 CD121a, b 36 CDF (kardiodepressiver Peptidfaktor) 54 CDP571 259 Cefamandol 91 Cefazolin 91 Cefepim 91, 169, 178 Cefodizim 91 Cefotaxim 91, 169, 176–177 – Endotoxinfreisetzung 173 – Meningitis, septische 566 – Neugeborenensepsis 566–567 Cefotiam 91 Cefpirom 91 Ceftazidim 91, 169, 172, 177–178 – Meningitis, septische 566 – Neugeborenensepsis 566–567 Ceftriaxon 91, 169, 177 Cefuroxim 91, 169, 176 Centers for Disease Control and Prevention (CDC) 154
603 Sachverzeichnis
Cephalosporine 91, 93, 96–97 – FUO 547 – Haut-/Venenkatheterinfektionen 550 – Neugeborenensepsis 566–567 cGMP 40 – Myokarddepression 54 Chemoprophylaxe, Neugeborenensepsis 570 Chemoreflexsensitivität 57 Chemotherapie, Neutropenie 164 Chinolone 172 Chirurgiepatienten, Immunglobulintherapie, additive 224 cholangitische Sepsis, Erreger 166 Choleratoxin 30 Cholestase 422–423 – MODS 8 Cholezystitis 114 – akalkulöse 88, 114, 423 – MODS 8, 16 – akute 114 Chorioamnionitis, Neugeborenensepsis 558–559 Chylothorax nach Vitienoperationen, Immunglobulintherapie, intravenöse 240 Cilastatin 178–179 – FUO 548 Ciprofloxacin 91, 167–169, 179–180 Citrobacter freundii – Antibiotikatherapie 96 – Blutkulturisolate 165 CK-MB 288 – Schock, septischer 285 Clavulansäure 91 Clindamycin 91 Clostridium spp., Blutkulturisolate 165 CMV/BIPAP 376 CMV-seronegativ 545 cNOS 40–41 – Myokarddepression 54 cNOS-Hemmer 344 CNTF (ciliary neurotrophic factor) 37 CO2-Elimination 374 Cochrane-Analyse 83 – Immunglobulintherapie, adjunktive 223 Coeruloplasmin 432 Colistin, Neutropenie 552 colony stimulating factor s. CSF compensatory anti-inflammatory response syndrome s. CARS Cori-Zyklus 435 CORTICUS-Studie 334 Corynebacterium jeikeium bzw. spp. 94
– Blutkulturisolate 165 COX-1/-2 41 CPAP (continuous positive airway pressure) 377 – Lungenversagen, akutes 367, 369 – oberes (Phigh) 377 – Weaning 385 CPB-SIRS 72–73 – APACHE-II-Score 72 – Blutleukozytenwerte 72 – Leukozytenelastase 72 – Neopterin 72 – TNF-Rezeptoren 72 C-reaktives Protein (CRP) 37, 432 – endotheliale Dysfunktion 490 – Neugeborenensepsis 563 CRH (corticotropin releasing hormone) 117 Critical-illness-Myopathie 113, 467– 469 – Befunde, morphologische 468–469 – Definition 467 – Diagnostik 468 – Epidemiologie 467 – i.v.-IgGMA-Gabe 228–229, 469 – klinisches Bild 468 – Kreatinkinasewerte 468 – Pathophysiologie 469 – Prognose 469 – Therapie 469 – Ursachen 469 – Verdachtshinweise 469 Critical-illness-Polyneuropathie 113, 464–467 – Ateminsuffizienz 385 – axonale Degeneration 465 – Befunde, elektrophysiologische 465 – morphologische 465–466 – Definition 464 – Diagnostik 465 – EMG 465 – Epidemiologie 464 – i.v.-IgGMA-Gabe 228–229 – klinisches Bild 464–465 – Pathophysiologie 466–467 – Prognose 467 – Therapie 467 – Ursachen 466–467 – Verdachtshinweise 469–470 – Weaning 385 CRP s. C-reaktives Protein Cryptococcus 544 CSF (colony stimulating factor), Granulozytenrekrutierung 252 CVVH 391 CXC-Chemokine 37 – ELR- und Nicht-ELR-Subtypen 37
B–D
Cyclooxygenase (COX) 41, 44 Cysteinproteasen 46 Cytochrom c 46 Cytochrom-p450-Monooxygenase 38
D DAG (Diacylglycerol) 33 Dalfopristin 91, 96 Darmblutung, submuköse, MODS 8 Darmdekontamination, selektive (SDD) 114, 128, 394 Darminfektionen – Antibiotikatherapie 93 – Erreger 93 Darmischämie 424 Darmveränderungen 424 D-Dimere 506 – DIC 505 – Gerinnungsstörungen 509 Débridement, Weichteilinfektionen, nekrotisierende 87 Deeskalation, Antibiotikatherapie 160 Deflationstrauma, Beatmung 371 Dehnungsrezeptoren, endotheliale 52 Dekompensation – Gerinnungsstörungen 506 – Verbrauchskoagulopathie 506 Dermatitis, exfoliative, Antibiotikatherapie/Erreger 94 dermatogene Sepsis, Erreger 166 Desinfektionsmittel 156 Dextran – Immunkomplexanaphylaxie 314 – Kardiomyopathie, septische 313 – RES-Speicherung 315 DHEA-S (Dehydroepiandrosteron-Sulfat) 117 Diabetes mellitus, Nierenfunktionsstörungen 391 Dialysemembranen, Biokompatibilität, Hämofiltration 408 Diarrhö – Ernährung, enterale 121 – nosokomiale, Antibiotika 160 DIC (disseminierte intravasale Gerinnung) – Heparin 513 – Labordiagnostik 505 – LPS-induzierte Produktion 190 – manifeste 496–497 – MODS 9 – Prophylaxe 114 DIC-unabhängige Therapie 115–116 Differentialtherapie, Katecholamine 333
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Digitalis, Sepsis, hypodyname 339 Dilatation, rechtsventrikuläre 294 Diphtherietoxin 30 disseminierte intravasale Gerinnung s. DIC Diurese, forcierte, ARDS 390 Diuretika 339 Divertikulitis, perforierte 87 DNA, immunstimulatorische 29 Dobutamin/Dopamin 81, 109 – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik, globale 320 – Herz-Kreislauf-Dysfunktion 102– 104, 106 – Kardiomyopathie, septische 319 – Nierendosis 81, 327 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Schock, septischer 288, 319 – Splanchnikusobstruktion 424 – Tachyarrhythmien 108 – Wirkprofile 322 Dopaminrezeptoren 319 – Herz-Kreislauf-System 317–319 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Dopexamin – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik, globale 320 – Kardiomyopathie, septische 326 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Schock, septischer 326 Dopplerechokardiographie, transthorakale 293 Dopplersonographie, transösophageale, Herzzeitvolumen 295 DRG-basierte Vergütung, Sepsis 146 Drotrecogin-α 518–522, 595 – 28-Tages-Sterblichkeit 519 – Antikörper, neutralisierende 526 – ENHANCE-Studie 521 – Kontraindikationen 521 – Langzeitüberlebensrate 521 – Sicherheitsprofil 520 – Warnhinweise 521 – Wirksamkeit 518 – Zulassung 530 Druck, rechtsatrialer 50 Druckbegrenzung, inspiratorische, Beatmung 372 Druckregistrierung, intravasale 85 Dyspnoe, Erythrozytenkonzentration 316
E E5 199 E5531 200, 202 early goal directed therapy (EGDT) 81 early-onset pneumonia 393–394 ECCO2R, ARDS 381 Echokardiographie, Kardiomyopathie, septische 287 ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) 111, 380–381 – ARDS 381 Ecto-ADPase 504 EDV (echokardiographisch bestimmtes enddiastolisches linksventrikuläres Volumen) 86 EGDT (early goal directed therapy) 81 Eicosanoide 41–42, 447 Eicosapentaensäure (EPA) 261 Eiweißstoffwechsel s. Proteinstoffwechsel Ekchymosen, Meningokokkensepsis 232 EKG – Meningokokkenmeningitis 285 – Schock, septischer 285–286 Ektoenzyme (Ecto-ADPase) 504 ELAM-1 24, 45 Elastase 42, 404 – Molekulargewicht 405 – Neugeborenensepsis 563 Elastase-α-1-Proteinase-Inhibitor, Neugeborenensepsis 563 Elastasenfreisetzung 28 Eliminationsverfahren, kombinierte 415 Elongationsfaktor 2, ribosomaler 30 Emphysenblasen, Barotrauma 371 endexspiratorischer Druck, positiver s. PEEP Endobolin S/D, Streptokokken-ToxicShock-Syndrom 216 Endoglobulin, Sepsisprophylaxe 216 Endokarditis 308–309 endokrine Organe, Zytokine, Rezeptoren 473 endokrine Störungen 117–119, 473– 478 Endorgandysfunktion, anhaltende 13 β-Endorphin/Endorphine 43, 117, 473 Endothel – Adhäsionsmoleküle 489 – antikoagulative Eigenschaften 487 – Funktionen, physiologische 487– 490 – gerinnungshemmende Substanzen 504
– vasoaktive Substanzen 489 – Zytokine, proinflammatorische, Synthese 489–490 endothelial cell protein C receptor (EPCR) 504, 508 – proinflammatorische Kaskade 514 endotheliale Aktivierung 488 endotheliale Dysfunktion 514 – ATP, Abnahme 490 – Marker 491 – Sepsis 490–492 – Signaltransduktion, intrazelluläre 491 Endothelin 43 Endothelmembranen, Permeabilitätsstörung 48 Endothelzellaktivierung – Marker 508 – Mikrozirkulation 511–512 Endothelzelldefekte/-dysfunktion 56 – Mikrozirkulation 511–512 Endothelzellen – Prostaglandin-I2-Synthese 263 – TNF-α-Wirkung 34 endotoxin neutralizing protein s. ENP Endotoxinämie 190 – Mikrozirkulationsstörungen 388 – systemische 28 Endotoxinantagonisten 200–202 Endotoxinantikörper 198–200, 340– 341 – Auswurffraktion, rechtsventrikuläre 343 – gegen Core, Lipid A bzw. O-Kette 201 – Gefäßwiderstand, systemischer 343 – Herzindex 343 – Kardiomyopathie, septische 341 – Schlagarbeitsindex, links-/rechtsventrikulärer 343 – Therapieoptionen 199–200 – Vaskulopathie, septische 341 endotoxinbindende Proteine 191, 201 – Therapieoptionen 194–195 Endotoxine 23, 404 – Antioxidanzien 264 – Freisetzung 172 – FUO 542 – Hämofiltration 408 – Kardiodepression 281 – Kardiomyopathie, septische 341 – Lipopolysaccharide (LPS) 27, 189 – Molekulargewicht 405 – Neutralisation, Therapieoptionen 200 – Pathophysiologie 189–190 – Plasmaspiegel 71
605 Sachverzeichnis
– Pseudomonas aeruginosa 172 – Scharlach 212 – Schock, septischer 26 – Struktur 27, 190–191 – und Superantigene 30 – Toxic-Shock-Syndrom 212 – Vaskulopathie, septische 341 – Wirkungen 26–29 endotoxin-inhibitor, Endotoxinbindung 191 endotoxin-neutralizing protein s. ENP Endotoxin-Rezeptoren 192–193 Endotoxin-TNF-α/IL1-NO-cGMP-Kaskade, Myokarddepression 55 Endotoxintranslokation – MODS 8 – Sepsis 113 Energieumsatz 439 – Abfall 442 – aktueller 442 – Erhöhung, Toxine, bakterielle 429 – Ernährungstherapie 442 – Flowphase, anabole/katabole 429– 430 – posttraumatische Ebbphase 429– 430 – Sepsis 428–432 – Verlauf 442–443 ENHANCE-Studie, Drotrecogin-α 521 eNOS 40–41 Enoximon – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik, globale 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Wirkprofile 322 ENP (endotoxin-neutralizing protein) 192, 197–198, 201–202 Enteritis-Salmonellen, Blutkulturisolate 165 Enterobacter cloacae, Antibiotikatherapie, MHK-Verteilungen 169 Enterobacter spp./Enterobacteriaceae 89, 93–94 – Antibiotikatherapie 96, 566 – Blutkulturisolate 165 – Kathetersepsis 157 – Neugeborenensepsis 564 Enterobakterien, gramnegative, Neugeborenensepsis 564 Enterococcus faecalis/faecium – Antibiotikatherapie 96 – MHK-Verteilungen 168 enterogene Sepsis, Erreger 166 Enterokokken 89, 93 – Blutkulturisolate 165 – Gruppe D, Penicillin 564
– Katheterinfektionen 122 – Neugeborenensepsis 566 Enterokolitis, akute, MODS 16 Entwöhnung, Beatmung 384–386 Entzündung – Auslöser, nichtbakterielle 404 – Fibrinolyse 488–489 – Gerinnungsaktivierung 488 – und Gerinnungsstörungen, Wechselwirkungen 48 – Mechanismen 404 – mikrobielle Produkte 250 – Sepsis-induzierte 488 Entzündungmediatoren, Molekulargewicht 404 Entzündungsreaktionssyndrom, eskalierendes – Bypass, kardiopulmonaler 72–73 – Definition 5 Entzündungsträger, Molekulargewicht 404 Enzephalopathie, septische 7, 11, 113, 461–464 – Bakteriämie 463 – burst-suppression 462 – Definition 461–462 – Diagnostik 462 – EEG 462–463 – Epidemiologie 461–462 – klinisches Bild 462 – Leberfunktionsstörung 463 – MODS 8 – Neurotransmitter, falsche 464 – Pathophysiologie/Ursachen 462– 463, 646 Enzyme, proteolytische, Mikrozirkulationsstörungen 252 EPCR (endothelial cell protein C receptor) 504, 508 – proinflammatorische Kaskade 514 Epidemiologie, Sepsis 136–138 Epoprostenol, Dosierung 337 ERK (extracellular-signal-regulatedkinase) 33 Ernährungsresistenz 441 Ernährungstherapie 120–121, 438– 455 – Aminosäuren 448–450 – Anpassung 441–443 – Blutzuckerspiegel 443 – Energieumsatz 442 – enterale 120, 452–453 – vs. parenterale 449 Ernährung(stherapie), enterale vs. parenterale 450 Ernährungstherapie – Fettzufuhr 444–447
D–E
– Glukosespiegel 443–444 – Glukosezufuhr 443 – Kombination 454–455 – Konzepte, grundlegende 441–452 – parenterale 120–121, 453–454 – Proteinzufuhr 448–450 – Sepsis 82 – Stickstoffbilanz 439–440 Erregerspektrum 89–90 – Blutkulturisolate 165 – Neutropenie 543–544 Erstversorgung 593 Erwachsenensepsis, Epidemiologie 137 Erythromycin-Lactobionat 91 Erythropoietingabe, kritisch Kranke 317 Erythrozytentransfusion 81 – Kardiomyopathie, septische 316 – kritisch Kranke 316 – Sepsispatienten 316–317 Escherichia coli 89, 93 – Antibiotikatherapie 96, 566 – MHK-Verteilungen 169 – Blutkulturisolate 165 – enteroinvasive (EIEC), Infektionen, intestinale 160 – Hämolysin 250 – Infektionen, neutropenische 543 – kardiovaskuläre Operationen 100 – Kathetersepsis 157 – Neugeborenensepsis 558–559, 564, 566 E-Selektin – Endothelaktivierung 508 – Expressionshemmung, Protein C, aktiviertes 517 Eskalationstherapie 171–172 Esmolol, Wirkprofile 322 ESV (echokardiographisch bestimmtes endsystolisches linksventrikuläres Volumen) 86 Euthyroid-sick-Syndrom (ESS) 474 evidence-based medicine 78 evidenzbasierte Empfehlungen 87 EVLW (extravaskuläres Lungenwasser) 86 Exotoxin A 30 – Kardiodepression 281 Exotoxine 404 – Molekulargewicht 405 extracorporeal lung assistance (ELA), Kontraindikationen 381 extrakorporale Eliminationsverfahren 342, 404–417 Extremitätenverletzungen 389
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F F(ab)‘2-Fragmente – IgG 213 – monoklonale 259 Fab-Fragmente, IgG 213 FADD (fas-associated through death domaine) 33–34, 193 Faktor VII, Endothel, Aktivierung 488 Faktor VIIa – Endothel, Aktivierung 488 – rekombinanter, Blutungen 498 Faktor Xa, Endothel, Aktivierung 488 FAN (factor-activating neutral sphingomyelinase) 33–34 Fc-Fragment, IgG 213 Fc-Rezeptoren 117 FDA 525 – PROWESS-Evaluierung 530 Fehlpunktion, arterielle, Pulmonalarterienkatheter 294 Fenton-Reaktion 38 ω-3-Fettsäuren 110, 447 Fettsäuren, Oxidationsstörung 437 Fettstoffwechsel 47, 436–437 – s. a. Lipide Fettzellen, TNF-α-Wirkung 34 Fettzufuhr, Ernährungstherapie 444– 447 fever of unknown origin s. FUO FFP (fresh frozen plasma), Verbrauchskoagulopathie 498 FgDP (fibrinogen degradation products) 506 – DIC 505 FGF (fibroblast growth factor), LPSinduzierte Produktion 190 fibrin degradation products s. FgDP Fibrinmonomere, DIC 505 Fibrinogen 506 – DIC 505 – Gerinnungsstörungen 509 – Plasmaspiegel, erhöhter 504 – Purpura fulminans 499 – Verminderung, unerwartete 504 Fibrinolyse 114–116 – Aktivierungsparameter 506–507 – Entzündung 488–489 – Gewebeplasminogenaktivator (tPA) 507 – Inhibitoren, physiologische 503 – Parameter 506 – Störungen, Diagnostik 114 Fibrinopeptid A, Gerinnungsstörungen 509 Fibroblastenaktivierung, LPS-induzierte 190
Fibronectin, Induktion durch LPS 190 Fieber 13 – unbekannter Herkunft s. FUO – MODS 285 – neutropenisches 540, 545–547 – Sepsis 11 Flankenschmerzen, Hantaviren 90 FLICE (FADD-like ICE [interleukin-1βconverting enzyme]) 33–34 Flowphase, Energieumsatz 429 Flucloxacillin 91 Fluconazol 99, 186–187 – Lungeninfiltrate 549 Fludrokortison, Non-Responder 119 Flüssigkeitshaushalt, Schock, septischer 389 Flüssigkeitsrestriktion, Überwachung 389 Flüssigkeitsventilation, Perfluorcarbone 381–382 Flüssigkeitszufuhr 594 – ARDS 389 – Hypovolämie 390 Fluorchinolone 91, 93, 96–97 – Neutropenie 552 Fokus – Kontrolle 594 – unklarer 87–88 Fosfomycin 91 Frank-Starling-Kurve, rechtsventrikuläre 50 Fremdkörperimplantatsepsis, Erreger 166 Fruchtwasseraspiration, Neugeborenensepsis 559 Frühgeborene – Immunglobulintherapie, intravenöse 238 – Neugeborenensepsis 558 FSH (follikelstimulierendes Hormon) 477 Füllungsdruck, linksventrikulärer 293 FUO (fever of unknown origin) – antimikrobielle Initialtherapie 547– 549 – Endotoxinnachweis 542 – Neutropenie 540, 548 – Pseudomonas-Bakteriämie 547 – Therapie 547–549 Fusarium 544 fusiforme Stäbchen, Blutkulturisolate 166
G Gabexat-Mesilat, Gerinnungshemmung, latente 496 Gallenperforation, MODS 16 Gallenwegsinfektionen – Antibiotikatherapie 93 – Erreger 93 Gammagard 216, 219 Gamma-Venin, Sepsisprophylaxe, Intensivrisikopatienten 216 Gammopathie, monoklonale, Kapillarlecksyndrom 284 Gasaustausch, Verbesserung 378–384 – ARDS 367 – NO-Inhalation 382–384 – Prostacyclininhalation 384 – Surfactantsubstitution 384 Gastritis, erosive, MODS 8 Gastrointestinalblutungen, Infektionsrisiko 127 gastrointestinale Infektionen/Läsionen 160 – MODS 16 gastrointestinaler Translokationsmechanismus, MODS 388 Gastrointestinaltrakt, Perfusion, Kreislaufschock 388 Gastrostomie, perkutane, endoskopische (PEG), single-shot-Antibiotikaprophylaxe 128 Gatifloxacin 91 G-CSF 35, 82 – Granulozytenrekrutierung 253 – Immunmodulation 268 – LPS-induzierte Produktion 190 – Neutropenie 271, 541, 550 – Sepsisphase, immunparalytische 269 – Sepsisverläufe, protrahierte 257 Geburtsgewicht, niedriges, Neugeborenensepsis 558 Gefäßkatheter, infizierte 87 Gefäßmuskulatur, TNF-α-Wirkung 34 Gefäßreagibilität 49 Gefäßwiderstand, systemischer 69, 295 – Endotoxin-AK 343 – Plasmapherese 343 – TNFα-AK 343 Gelatinelösungen, Kardiomyopathie, septische 313–314 Gene – Lymphotoxin B 32–33 – TNF-α/-β 32–33 – TNF-Rezeptoren 32
607 Sachverzeichnis
Genitalinfektionen, weibliche – Antibiotikatherapie 93 – Erreger 93 Gentamicin 91, 167, 169, 182 – Meningitis, septische 565 – Neugeborenensepsis 565 Gerinnung, latente, Hemmung 496 Gerinnungsaktivierung 28 – Entzündung 488 – Inflammation 488 – Parameter 506–507 – Sepsis 7, 495–496 – Zytokine, proinflammatorische 512 Gerinnungsdiagnostik – Basisbestimmungen 504–505 – erweiterte, Hämostasestörungen 505–506 Gerinnungs-Fibrinolyse-System 403 gerinnungshemmende Substanzen 115–116 – Endothel 504 Gerinnungskaskade, alternative 252 Gerinnungsstörungen 13, 110, 114– 116 – Antithrombin 513–516 – Dekompensation 506 – Diagnostik 114 – Formen 496–499 – Gewebethromboplastin-Inhibitor 516–517 – und Inflammation, Wechselwirkungen 48 – Laborparameter 509 – Lösungen, kolloidale 314 – Protein C, aktiviertes 517–522 – TFPI (tissue factor pathway inhibitor) 516–517 – Therapiestrategien 512–522 Gesamtkörperproteinbestand 448 Geschlechtsunterschiede, Analgosedierung/Beatmung 576 Gesichtsschmerz, Sinusitis 88 Gewebefaktorweginhibitor (TFPI) – Gerinnungsstörungen 516–517 – Sepsismortalität 528 Gewebehypoxie 55 Gewebeoxygenierung 300 – Monitoring 297–302 – Schock, septischer 279 Gewebeplasminogenaktivator (t-PA) – Fibrinolyse 507 – Gerinnungaktivierung 512 Gewebethromboplastin, Gerinnungsstörungen 509 Gewebethromboplastininhibitor 110, 116 – Gerinnungsstörungen 516–517
GHRP2, Infusion 478 Globalinsuffizienz, ZVD 296 Glomerulonephritis, Immunglobuline 223 Glukagon 338 – Adenylatzyklase, Stimulation, glukagonrezeptorvermittelte 338 – Insulinresistenz 435 – Plasmaspiegel 47 Glukokortikoide – Hämodynamik, globale 321 – Kardiomyopathie, septische 341 – Lipidmediatorgruppen, Inhibition 263 – Nebennierenrindeninsuffizienz 476 – Resistenz 117 – T3-Spiegel, Abfall 474 – Vaskulopathie, septische 341 – Zytokine, proinflammatorische, Suppression 260–261 Glukokortikoidrezeptorantagonisten 438 Glukokortikoidrezeptoren, Abnahme 117 Glukoneogenese 433, 435, 438 – Nebennierenrindeninsuffizienz 476 Glukosaminoglykane, Gerinnungssystem, Aktivierung 512 Glukose – Minimalbedarf 434 – Verbrauch 428, 434–435 Glukoseclamping 445 Glukoselösung 312 – Dosierung/Infusionsgeschwindigkeit 454 – Ernährungstherapie 443 – Hyperglykämie 446 Glukoseoxidationsrate, Insulin 444 Glukosespiegel – erhöhter 47 – Ernährungstherapie 443–444 – Kontrolle 596 GLUT 1 435 – Stoffwechselveränderungen 48 GLUT 4 435 Glutamin 110 – Abgabe, vermehrte 433 – Funktionen/Substitution 448–449 Glutathion – Acetylcystein, hochdosiertes 264 – Thioredoxinreduktase 479 Glutathionperoxidasen, Selen 479 Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase 40 Glykolyse 40 Glykopeptide 91, 96, 98 – FUO 548
F–H
– Haut-/Venenkatheterinfektionen 550 Glykosaminoglykane 115 GM-CSF 28, 35, 194 – Granulozytenrekrutierung 253 – Immunmodulation 268 – LPS-induzierte Produktion 190 – Neutropenie 271, 550 – Sepsisphase, immunparalytische 269 – Sepsisverläufe, protrahierte 257 Gonadotropine 477 Goris-Score, MOF 17 G-Protein-gekoppelte Rezeptoren 37 Granulozyten, neutrophile 24 – Aggregationshemmung, PGI2 262 – Aktivierung 252 – Diapedese 252 – Neugeborenensepsis 562 – Sepsis, gramnegative 209 – TNF-α 34 Granulozyteninfusionen, Neutropenie 101 Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktoren s. G-CSF Granulozytenrekrutierung – G-CSF 253 – GM-CSF 253 Granulozytentransfusion, Neutropenie 551 Granulozytopenie 540 – Sepsis, Erreger 166 GSH-Spiegel s. Glutathion-Spiegel Guanylatzyklase (GC), Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Guillain-Barré-Syndrom – Ausschlussdiagnose 469 – Differentialdiagnose 464 – i.v.-Ig-Indikationen 215
H HA-1A (Centoxin) 199, 340 – Herz-Kreislauf-Funktion, Verschlechterung 340 Haber-Weiss-Reaktion 38 Hämatokritwert 85 – Kardiomyopathie, septische 311 Hämodialyse 339 – Evidenz 416 – klinische Studien 416 – Siebkoeffizienten 406 Hämodynamik – globale, inotrope/vasoaktive Pharmaka 320–321 – Hydrokortison 118
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Sachverzeichnis
– Lösungen, kolloidale/kristalloide 315 – Monitoring 287–289 – Sepsis 49 Hämofiltration 339, 342, 405–411 – ARDS 411 – C3a/C5a 410 – Dialysemembranen, Biokompatibilität 408 – Endotoxinfragmente 408 – Evidenz 416 – Funktionsprinzip 405 – Herzinsuffizienz 411 – High-Flux-Membranen 405 – Kardiomyopathie, septische 341 – klinische Studien 416 – kontinuierliche, arteriovenöse (CAVH) 406–407 – venovenöse (CVVH) 391, 407, 417 – LAL-Test 408 – MAP 410 – Mediatoren, Elimination 407 – Nierenversagen, akutes 411 – Sepsis 409–411 – Siebkoeffizienten 406 – systemischer Widerstand (SVR) 410 – TNF-α 408–410 – Vaskulopathie, septische 341 – Zytokinelimination 409 Hämolysin 31 – Escherichia coli 250 Hämoperfusion 413–415 – Biokompatibilität 415 – Evidenz 416 – Kardiomyopathie, septische 341 – klinische Studien 416 – Mediatoren, Elimination 414 – Sepsis 414–415 – technische Voraussetzung 414 – Vaskulopathie, septische 341 Haemophilus influenzae 93 – Antibiotikatherapie 97 – Blutkulturisolate 165 – Neugeborenensepsis 558, 564, 566 Hämostase, Inhibitorpotenzial 507– 508 Hämostasestörungen 495–500, 503– 510, 512 – Gerinnungsdiagnostik, erweiterte 505–506 – plasmatische 496 Händedesinfektion 3, 155, 156 Handschuhe 155 Hantaviren 89 α2-Haptoglobulin 432 Harnstoff, Enzephalopathie, septische 464
Hautinfektionen – Antibiotikatherapie/Erreger 94 – Neutropenie 549–550 HDL – Endotoxinbindung 191 – Hämofiltration 407 Hemmung, Gerinnung, latente 496 Heparansulfat 504 Heparin 115 – DIC/Verbrauchskoagulopathie 513 – Gerinnungshemmung, latente 496 – Molekulargewicht 405 Hepatitis, ischämische, MODS 8 Hepatitis-B-Viren, Übertragung, Immunglobulinpräparate 220 Hepatosplanchnikusperfusion s. Splanchnikusperfusion Hepatozyten 27 Herdsanierung 80, 87 Herpes-simplex-Infektionen, Neutropenie, Ösophagitis bzw. Pneumonie 544 Herz, Katecholaminansprechbarkeit 331 Herzarbeit, Reduktion 339–340 herzchirurgische Eingriffe/Patienten 99 – i.v.-IgGMA-Präparate 219 – Immunglobulintherapie, intravenöse 238–239 Herzfrequenz 86 – extrinsische und intrinsische Modulatoren 308 – Schock, septischer 288 – Variabilitätsspektrum 57, 59, 306 Herzfunktionsparameter – Nachlast-spezifische 303 – Sepsis 281–282, 304 Herzindex 49, 52, 85–86 – Endotoxin-AK 343 – Kardiomyopathie, septische 103, 290 – Kreislaufschock 104 – Plasmapherese 343 – Schock, septischer 49, 103, 278, 288, 290 – Sepsis 282 – TNFα-AK 343 Herzinsuffizienz 308 – β1-/β2-Adrenozeptoren 331–332 – β-Blocker 331 – Hämofiltration 411 – Katecholamine 331 – Multiorganversagen, primär abakterielles 346–347 – Nierenfunktionsstörungen 391 – Schock, septischer 282–283
– Sepsis 7, 282–283 Herz-Kreislauf-Dysfunktion 83 – Dobutamin 102–104 – HA-1A-Antikörper 340 – Katecholamintherapie 102 – Noradrenalin 102–104 – Protein C, aktiviertes 104 – Sepsis 279 – Volumensubstitution 102 Herz-Kreislauf-Schock s. Schock, septischer Herz-Kreislauf-Stabilisierung, Kardiomyopathie, septische 310–345 Herz-Kreislauf-System – Adrenozeptoren 317–319 – Dopaminrezeptoren 317–319 Herz-Kreislauf-Therapie 81, 84 – Adrenalin 106 – Algorithmus 105 – Dobutamin 106 – Noradrenalin 106 – Schock, septischer 105 – zielorientierte 104 – Algorithmus 107 Herzpatienten, kritisch Kranke, Immunglobulintherapie, intravenöse 238 Herzrhythmus, Monitoring 339 Herzrhythmusstörungen, Kardiomyopathie, septische 305 Herzschock 103 Herzzeitvolumen 53, 86 – Beatmung 372 – Dopplersonographie, transösophageale 295 – Kardiomyopathie, septische 290 – Schock, septischer 290 – Sepsis 282 – supranormales 51 – TPID-Methode 295 HES (Hydroxyäthylstärke) – Kardiomyopathie, septische 313 – RES-Speicherung 315 HETE (Hydroxyeicosatetraensäure) 262 – Arachidonsäure-Kaskade 261 HGH-Sekretion 478 HI s. Herzindex HICPAC-Guidelines 154 high density serum lipoproteins s. HDL High-Flux-Membranen – Hämofiltration 405 – Siebkoeffizienten 406 High-volume-Hämofiltration 112 Hirnischämie, Erythrozytenkonzentration 316 Hirnödem, Schädel-Hirn-Trauma 388 Hirnperfusion 109
609 Sachverzeichnis
Hirnschädigung, Hypoglykämie/Hypoxie 109 Histamin, Kalziumioneneinstrom 489 Histoplasmose 544 HIV-Infektion, Übertragungen, Immunglobulinpräparate 220 HLA-DR-Expression 47, 72 – Monozyten 269 Hochdosis-Glukokortikoidtherapie 261 Hochdruckherz, (de)kompensiertes 309 Hochrisikopatienten, i.v.-Immunglobulintherapie, adjunktive 215 Hospital Infection Control Practices Advisory Committee (HICPAC) 154 HPA-Achsen-Dysfunktion 117 – Hydrokortison 118 H2-Rezeptor-Antagonisten, Stressulkusprophylase 126 hyaline Membranen, Lungenversagen, akutes 367 Hydrokortison 594 – Bolusapplikation, intravenöse 118 – Hämodynamik 118, 321 – HPA-Achse, Dysfunktion 118 – Kardiomyopathie, septische 341 – Letalitätssenkung 119 – Nebennierenrindeninsuffizienz 476 – Neutropenie 271 – niedrigdosiertes, Non-ResponderPatienten 335 – Non-Responder 119 – Pseudoaldosteronismus 119 – Rebound 119 – Schock, septischer 261, 334 – Spritzenpumpe 118 – Vaskulopathie, septische 341 Hydrolasen, Induktion durch LPS 190 Hydroxyäthylstärke s. HES Hydroxyanisol, butyliertes 45 Hydroxyeicosatetraensäure (HETE) 261–262 Hygienemaßnahmen, Intensivstation 124 Hygienevorschriften 155–156 Hypalbuminämie, Critical-illness-Polyneuropathie 466 Hyperalimentation 439 hyperdyname Kreislaufumstellung 49 Hyperglykämie 428 – Critical-illness-Polyneuropathie 466 – Glukosezufuhr 446 – MODS 9 – Sepsis 11 Hyperinflammation, Sepsis 257 Hyperkapnie 373
– permissive 378–379 Hyperkatabolismus 120 Hyperlaktatämie 55 – Schock, septischer 286 Hypermetabolismus 428, 437, 439 Hyperthermie, Neugeborenensepsis 560 hyperton-hyperonkotische Lösungen 317 Hypertonie – Nierenfunktionsstörungen 391 – pulmonale, L-NMMA 279 Hypertonie, pulmonale – ARDS 287, 345 – Kardiomyopathie, septische 290, 304 – NO-Inhalation 383 – Schock, septischer 290 Hypertriglyzeridämie 437 Hypervolämie, ZVD 296 Hyperzirkulation 50 hypochlorige Säure (HOCl) 38 Hypogammaglobulinämie, Immunglobuline 223 Hypoglykämie 110 – Hirnschädigung 109 – Oxygenierungsstatus 109 Hyporeaktivität, vaskuläre, NO-verursachte 118 Hypothalamus-Hypophysen-(Nebennieren-)Achse 117, 437, 473 Hypothermie 13 – Sepsis 11 Hypotonie – anhaltende 13 – Neutropenie 550 – orthostatische, Erythrozytenkonzentration 316 – Schock, septischer, volumensubstituierter 278 – sepsisinduzierte, Definition 6 – Volumentherapie 80 Hypovolämie, Flüssigkeitszufuhr 390 Hypoxämie, arterielle 13 Hypoxie – Critical-illness-Polyneuropathie 466 – Hirnschädigung 109 – Oxygenierungsstatus 109 HZV s. Herzzeitvolumen
I Ibuprofen 82 – Hämodynamik 321 – Zyklooxygenase, Inhibitoren 262 ICAM-1 44–45
H–I
– Endothelaktivierung 508 ICAM-2 45 ICAM (intercellular adhesion molecule) 44–45 – LPS-induzierte Produktion 190 ICE-ähnliche Protease 46 IFN… s. a. Interferone IFN-α 35, 38 – Sepsis, immunparalytische 269 IFN-α-Rezeptor 38 IFN-β 35, 38 IFN-γ 24, 28, 35, 490 – Produktionshemmung durch Immunglobuline 211 – SPA-induzierte Produktion, Hemmung 211 IFN-γ-induzierbares Protein (IP-10) 490 IFN-AR/-GR 38 IgA, Komplementfaktoren, Bindung 211 IgA-Fraktionen, SpeA-Antikörper 209 IgA-Mangel 222 IGF-1 438 IGF-Bindungsprotein (IGFBP-3) 478 IgG 210 – Fab-/Fc-Fragment 213 – Indikationen 216 – Interleukin-1-Rezeptorantagonisten 212 – kolorektale Operationen 219 – Komplementaktivierung, Blockade 214 – Komplementfaktoren, Bindung 211 – Lipopolysaccharid-spezifische 210 – Wirkung, synergistische 211 IgG2a 199 IgG-Fragmente 211 – Aktivität, biologische 213 – SpeA-Antikörper 209 IgGMA-Präparate, intravenöse 82, 109, 113, 209–210, 213–214 – Critical-illness-Myopathie 469 – Critical-illness-Myopathie/-Neuropathie 228–229 – Critical-illness-Polyneuropathie 467 – Indikationen 216, 219 – Letalitätssenkung 223 – Sepsissubkollektive 231 IgG-Präparate, intravenöse 82, 209, 214 – Indikationen 219 IgM – Immunglobulinpräparate 213, 214 – Komplementaktivierung, Blockade 214 – Komplementfaktoren, Bindung 211 – Lipopolysaccharid-spezifische 210
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Sachverzeichnis
IgM-Fraktionen, SpeA-Antikörper 209 IL… s. a. Interleukine IL-1 24, 28, 35, 252, 473 – Alveolarraum 258 – Aussagekraft, prognostische 71 – Beatmung 259 – bronchoalveoläre Lavage 269 – hyperinflammatorische Phase, frühe 257 – Induktion durch TNF 255 – Kardiodepression 281 – Katecholaminwirkung 330 – Lipopolysaccharide (LPS) 190 – LPS-induzierte Produktion 190 – Nebennierenrindeninsuffizienz 476 – Neugeborenensepsis 569 – Neutropenie 540 – Produktion in der Lunge 258 – Schock, septischer 278 – Sepsis, frühe, Hauptmediatoren 255–256 – Stoffwechselveränderungen 48 – Wirkungsspektrum 255 IL-1α 35–36 IL-1β 35–36, 194, 438, 490 – Aktivierung 487 IL-1β-Convertase 46 IL-1ra s. IL-1-Rezeptor-Antagonist IL-1-Rezeptor-Antagonist 28, 36, 82, 211, 256, 441, 525 – Anti-IL-1-Therapieansatz 260 – Behandlungsstudie 12–13 – IgG 212 – Mortalität 530 – Neugeborenensepsis 563 – Neutropenie 540 IL-2, Produktionshemmung durch Immunglobuline 211 IL-2-Rezeptor 44 – löslicher, Neugeborenensepsis 563 – Produktionshemmung durch Immunglobuline 211 IL-3 35 – LPS-induzierte Produktion 190 IL-4 28, 35 – Infektionen 254 – Zink 481 IL-5 35 IL-6 24, 28, 35, 36–37, 252, 284, 473, 490 – älterer Patient 580 – Alveolarraum 258 – Anti-TNFα-Antikörper, monoklonale 71 – Aussagekraft, prognostische 71 – Beatmung 259 – endotheliale Dysfunktion 491
– Geschlechtsunterschiede 574 – hyperinflammatorische Phase, frühe 257 – Induktion durch TNF 255 – LPS-induzierte Produktion 190 – Nebennierenrindeninsuffizienz 476 – Neugeborenensepsis 563 – Neutropenie 540–541 – Produktion in der Lunge 258 – Schock, septischer 286 – Sepsis 256 – Synthese, endotheliale 489 – T3-Spiegel, Abfall 474 – Zink 481 IL-7 35 IL-8 35, 37, 71 – Alveolarraum 258 – Induktion durch TNF 255 – LPS-induzierte Produktion 190 – Neugeborenensepsis 563 – Neutropenie 540–541 – Produktion in der Lunge 258 – Synthese, endotheliale 488–489 IL-9 35 IL-10 28, 35, 38, 71, 254 – bronchoalveoläre Lavage 269 – Geschlechtsunterschiede 574 – hyperinflammatorische Phase, frühe 257 – Infektionen 254 – Neutropenie 540 – Produktionshemmung durch Immunglobuline 211 – Sepsisverläufe, protrahierte 257 – Zink 481 – Zytokinfreisetzung, Hemmung 256 IL-11 35 – Neutropenie 101 IL-12 28, 35 IL-13 28, 35, 254 – Infektionen 254 IL-14 35 IL-15 35 IL-18 28, 36 IL-18-Rezeptor 36 Ileus 424 – MODS 8 – paralytischer 424–425 Imipenem 91, 167–169, 172, 178–179 – FUO 548 – Neugeborenensepsis 566 Immunantwort – Hydrokortison 118 – sexueller Dimorphismus 573–574 – Störung, MODS 9 Immunglobulin, adjunktive Therapie 224–233
Immunglobuline – additive Therapie 224 – adjunktive Therapie 223 – Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer 225 – Chylothorax 240 – Cochrane-Analyse 223 – Dosierung 214–220 – Einsatz 208 – Hochrisikopatienten 215 – Infektionsprophylaxe 127–128 – Intensivpatienten, Infektionsprophylaxe 235 – intravenöse, Allgemeinreaktionen 222 – evidenzbasierte Empfehlungen 242–244 – Frühgeborene 238 – herzchirurgische Eingriffe 238– 239 – Herzpatienten, kritisch Kranke 238 – Indikationen 215 – Infektionsprophylaxe 235–237 – Intensivpatienten 235 – Kardiomyopathie, akute 239–240 – Laboruntersuchungen, empfohlene 221 – Leukämiepatienten, leukopenische 230–231 – Mediastinitis 231 – Meningitis 222 – Meningokokkensepsis, Kindesalter 230–231 – Multiorganversagen 227–228 – Myokarditis, fulminante 239–240 – Nebenwirkungen 220–222 – Pentaglobin 231–232 – Risikooperationen 237–238 – Schock, septischer 230–231, 240–241 – Sepsis 227–228 – abdominelle 231–232 – postoperative 230–231 – schwere 240–241 – Sepsisprophylaxe 235–237 – SIRS 239 – Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom 231–232 – Traumapatienten 235–237 – Meningitis 222 – Molekulargewicht 405 – Neugeborenensepsis 226, 234, 569 – Pharmakokinetik 214–220 – polyvalente 12, 213 – Prophylaxe 216 – SBITS-Studie 226
611 Sachverzeichnis
– Schock, septischer 226 – Sepsis 226 – abdominelle 234 – schwere 228 – Staphylokokken-Toxic-Shock-Syndrom 233 – Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom 217, 228 – Therapiewahl 212–214 – Virussicherheit 220 – Wirkungsmechanismen 208–212 – Zytokine 210 – Zytokinfreisetzung von Mediatorzellen 211 Immunglobulinprophylaxe, Intensivpatienten, sepsisgefährdete 223 Immunglobulintherapie 216 – SBITS-Studie 227 Immunkompetenz 72 Immunkomplexanaphylaxie, Dextran 314 Immunmodulation 268–269 – G-CSF/GM-CSF 268 – Maßnahmen 121–125 – Schock, septischer 112 – Selen 480 Immunonutrition 110, 121, 450–452 Immunparalyse 47 – Sepsis 254, 257 Immunseneszenz, Sepsispatient, älterer 580 Immunthrombozytopenie, i.v.-Ig-Indikationen 215 IMPRV (intermittent mandatory pressure release ventilation) 377 IMV (intermittent mandatory ventilation) 375–376 Indikatordilution, transpulmonale (TPID) 295 Indocyaningrün-Clearance (ICG-Clearance) 299 Indomethacin, Zyklooxygenase, Inhibitoren 262 Infektanfälligkeit, Sepsispatient, älterer 580 Infektionen – bakterielle, Pentaglobin 216 – Behandlung, effektive 392 – Definition 5 – Fokus 13 – unklarer 87–88 – grampositive, Superantigene 212 – intestinale, EIEC, Salmonellen, typhöse bzw. Yersinien 160 – intraabdominale 87 – katheterassoziierte s. katheterassoziierte Infektionen
– klinisch fassbare, antimikrobielle Therapie 549 – Neutropenie, therapieassoziierte 540 – nosokomiale s. Nosokomialinfektionen – polymikrobielle 15, 89 – postoperative 127 – Gammagard/i.v.-IgG-Präparate 219 – Quellennachweis 14 – schwere 216 – ohne Sepsis 139 – Sepsis 158–161 – Ursachenbeseitigung 392 Infektionsprophylaxe – Evidenzstandard 154 – Immunglobuline 127, 128 – additive 224 – Intensivpatienten 235 – intravenöse 235–237 – Sepsis, nosokomiale 122 Inflammation s. Entzündung Inflammationsreaktionssyndrom, systemisches s. SIRS Inflationstrauma, Beatmung 371 Inflektionspunkt, unterer (UIP) 373 Infusionen, Venenkatheter 158 Infusionsgeschwindigkeit, Aminosäuren, Glukose bzw. Lipide 454 Inhibitoren – Hämostase 507–508 – Vitamin-K-abhängige, Protein C/S 498 Initialbehandlung 85 – Sepsis 84 Injury Severity Score 346 iNOS (induzierbare Stickoxidsynthase) 40–41, 44, 118, 489 – Hemmung 256 – Induktion 55 – Katecholaminwirkung 330 – Myokarddepression 54 – Schock, septischer 278 iNOS-Hemmer 344 – Schock, septischer 40 inotrope Pharmaka 81, 108, 594 – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320–321 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Wirkprofile 322 Insertionsstelle – Katheter, Auswahl 157 – Pflege, Venenkatheter 158 Insulin, Glukoseoxidationsrate 444 Insulinresistenz 434
I
– Glukagon 435 Insulinspiegel 435 Insulintherapie, intensivierte 443–444 – Sepsisprophylaxe 126–129 Intellicath-Vigilance-System 295 Intensivkosten – Faktoren, beeinflussende 142 – Verteilung, prozentuale 143 Intensivpatienten – APACHE-II-Score 588 – ARDS 588 – Immunglobulinprophylaxe 223 – Immunglobulintherapie, additive 224 – intravenöse 235 – 5-Jahres-Überlebensrate 587 – Lebensqualität 588–590 – Lungenerkrankung, chronischobstruktive 588 – Pneumonie 392 – Spätmorbidität 588 – Zytokinsekretionsverlauf 257–259 Intensivpflege 121 Intensivstation – chirurgische 15 – Gesamtaufenthalt, Sepsis 138–139 – Hygienemaßnahmen 124 Intensivtherapie – allgemeine 121 – Kosten, direkte 141–145 – pro Patient 142 intercellular adhesion molecule 1 s. ICAM-1 Interferone 82 – s. a. IFN… – Schock, septischer 278 Interleukine 404 – s. a. IL… – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 – Molekulargewicht 405 Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten s. IL-1-Rezeptor-Antagonist intermittent mandatory pressure release ventilation s. IMPRV intermittent mandatory ventilation s. IMV Interventionstherapie 172 Intraglobin F 210 intrinsic PEEP (PEEPi) 374–375 Invasion pathogener Keime 4, 25–26 inverse ratio ventilation s. IRV in-vitro-Empfindlichkeit, Antibiotika 173 IP3 (Inositoltriphosphat), Katecholaminwirkung 330 IRV (inverse ratio ventilation) 373, 374–375
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Sachverzeichnis
– druckkontrollierte (PC-IRV) 374– 375 – volumenkontrollierte (VC-IRV) 374– 375 IRV/BIPAP 376 Ischämiereperfusionsschädigung 491 Isolationsempfehlungen 155–156 Isoproterenol – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Isoxazolylpenicilline 91, 96 ITBV (intrathorakales Blutvolumen) 86
J Jarisch-Herxheimer-Reaktion 172 JNK1 (Jun kinase 1) 33
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K Kaliumkanäle, ATP-sensitive, Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Kallikrein-Kinin-System 28, 403 Kalzium 339, 477–478 – kardiodepressiver Faktor (CDF) 339 Kalziumantagonisten 109 – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik, globale 321 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Kalziumsentisizer 338 Kammertachykardie, Pulmonalarterienkatheter 294 Kapillardurchblutung, verminderte 52 Kapillarlecksyndrom – C1-Esterase-Mangel 284 – Gammopathie, monoklonale 284 – Schock, septischer, volumensubstituierter 278 – warmer 284 Kaplan-Meier-Überlebenskurven, PROWESS-Studie 519 kardiale Begleiterkrankungen 308–309 kardiodepressiver Peptidfaktor (CDF) 54 – Kalzium 339 Kardiomyopathie, septische 49, 83, 278–280, 308 – Adrenalin 325–327 – akute 6, 52–55, 282–283 – Albumin 313 – ARDS 304
– – – – – – – – – – – – – – – –
autonome Dysfunktion 305 N-Azetylzystein 338 Behandlungskonzepte/-ziele 309 Blutdurchflussabfall 333 Dextrane 313 Diagnostik 283–285, 290 Differentialdiagnose 284–285 Differenzialdiagnose 283 dilatative 308 Dobutamin/Dopamin 319 Dopexamin 326 Echokardiographie 287 Erythrozytentransfusion 316 Gelatinelösungen 313–314 Hämatokritwert 311 hämodynamisches Monitoring, invasives 287–289 – Hämofiltration/Plasmapherese 342 – Herzindex 103 – HES 313 – Hypertonie, pulmonale 304 – hypertrophische 308 – Immunglobulintherapie, intravenöse 239–240 – kardiale Begleiterkrankungen 309 – Katecholamine 317–334 – Komponenten 302–309 – Koronarsyndrome 304–305 – Lösungen, kolloidale 312–314 – kristalloide 311–312 – Messparameter 289 – MODS 8 – Monitoring 283–285, 290 – Myokarddepression 280–281, 303 – Noradrenalin 325 – Prognose 282 – Prostazyklin 337–338 – rechtsventrikuläre Dysfunktion 304, 345–346 – Rhythmusstörungen 305 – Sauerstofftransportparameter 311 – Therapie 282 – kausale 340–345 – symptomatische 310 – Vasodilatatoren 337–338 Kardiomyozyten, TNF-α-Wirkung 34, 55 kardiovaskuläre Operationen, Infektionen, nosokomiale 100 kardiozirkulatorische Störungen – MODS 16 – Pathophysiologie 48–50 Katabolie 427, 433, 439 – Schilddrüsenfunktionsparameter 474 – Sexualhormone 477 Katecholamine 43
– – – – – – – –
Absetzen, Non-Responder 335 Adenylatzyklase, Stimulation 330 Ansprechbarkeit des Herzens 331 Desensibilisierung 332 Differentialtherapie 333 Herzinsuffizienz 331 Herz-Kreislauf-Dysfunktion 102 Kardiomyopathie, septische 317– 334 – Kreislaufschock, septischer 333–334 – Leber-Splanchnicus-Perfusion 334 – Myokarddepression 54 – Nachlastsenkung 333 – O2-Angebot, supranormales 327 – Refraktärität, Schock, septischer, volumensubstituierter 278 – Splanchnikusobstruktion 424 – Toleranzentwicklung 329–333 – Noradrenalintherapie 332 – Wirkungsabschwächung 330 Katheter – Auswahl 157 – beschichtete 124 – infizierte, Entfernen 87 – Insertionsstelle, Auswahl 157 – Präventionsmaßnahmen 159 katheterassoziierte Infektionen 25 – Antibiotikatherapie 94 – Blutkulturen 392 – Erreger 94, 166 – klinische Zeichen 392 – Prophylaxe 122–125 – Pulmonalarterienkatheter 294 katheterassoziierte Sepsis – Prävention 157 – Surveillance 158 – Verdachtssymptome 392 Katheterwechsel 124 – Venenkatheter 158 Kawasaki-Syndrom, i.v.-Ig 215 55-kd-Rezeptor 31 Keime – gramnegative/-positive 15 – nicht klassifizierte 89 Keimnachweis, antimikrobielle Therapie 550 Kernregion (Core), Lipopolysaccharide (LPS) 190, 202 Ketokonazol, ALI/ARDS 111 Kindbettsterblichkeit 3 Kindesalter, Sepsis 79, 141 Kinine, Molekulargewicht 405 Kittel 155 Klebsiella pneumoniae 89, 93 – Antibiotikatherapie 96, 566 – Blutkulturisolate 165 – Kathetersepsis 157
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– Neugeborenensepsis 564 – neutropenische Infektionen 543 Kochsalzlösung 312 Körpertemperatur, Messung 85 Kohlenhydratstoffwechsel 47, 434– 436 Kolloide 103 – Nebenwirkungen 314 Kolonresektion, Divertikulitis, perforierte 87 kolorektale Operationen – IgG 219 – Infektionsprophylaxe, Sandoglobulin 218 – Sepsisrisikopatienten 219 Koma, Enzephalopathie, septische 113 Komplement 42–43 Komplementaktivierung 404 – Blockade, IgG/IgM 214 – Hemmung 344–345 – Mediatorblockade 268 – Sepsis 211 Komplementfaktoren, Molekulargewicht 405 Komplementsystem 403 Kontaktaktivierung, Hemmung 344– 345 kontinuierlich positiver Atemwegsdruck s. CPAP Kopfschmerzen, Immunglobuline, intravenöse 222 koronare Herzkrankheit 309 – Erythrozytenkonzentration 316 Koronarsyndrom, akutes 309 – Kardiomyopathie, septische 304– 305 Kortikosteroide 82 Kortisol 117 – ACTH-Stimulierbarkeit 117 – Plasmaspiegel 47, 477 Kosten – Anti-TNF-Konzepte 144 – indirekte 145 – Protein C, aktiviertes, humanes, rekombinantes 144 – therapeutische Verfahren, neue 144 Krankenhaushygiene – nosokomiale Infektionen 154 – Sepsisprävention 154 Krankenhauskosten 142–144 Krankenhausliegedauer, lange, Sepsis 136 Krankheitsbilder, kostenintensive, Sepsis 136 Kreatininclearance, Antibiotika 90 Kreatinkinasewerte – Critical-illness-Myopathie 468
– Schock, septischer 286 Kreislaufinsuffizienz, Sepsis 7 Kreislaufschock s. Schock Kreislaufumstellung, hyperdyname 49 Kreislaufversagen, Schock, septischer 277–279 Kristalloide 103 kritisch Kranke – Erythropoietingabe 317 – Erythrozytentransfusion 316 Kryoglobulinämie, Immunglobuline 223 KyberSept-Studie 115 – Antithrombin III 527–528 – Antithrombinsubstitution 516
L Lactobakterien, Blutkulturisolate 165 β-Laktamantibiotika 91, 95 – Allergie 97 – MRSA 173 – Pseudomonas aeruginosa 548 β-Laktamase, Staphylococcus aureus 564 Laktatazidose 110 Laktatspiegel 85 – erhöhte 435 – Schock, septischer 286 Laktoferrin, Neugeborenensepsis 563 LAL(Limulus-Polyphemus-AmöbozytLysat)-Assay 202 – Anti-LPS-Aktivität 197 – Hämofiltration 408 – positiver 14 Langzeitdaten, Sepsis 140 late-onset pneumonia 393–394 late-onset sepsis, Urinkultur 562 LBP (LPS binding protein) 27, 192, 202 – Endotoxinbindung 191 – Hämofiltration 407 – rekombinantes Fragment (rLBP25) 195 LBP-Genlocus, Geschlechtsunterschiede 575 LCT-Lösungen 447 LCT/MCT-Mischung 447 LDL (low density lipoprotein), Hämofiltration 407 Lebensqualität – Intensivstationspatienten 588–590 – Postintensivstationsphase 589 – Sepsis 140–141 Leberfunktionsstörungen/-insuffizienz – Enzephalopathie, septische 463
I–L
– Kardiomyopathie, septische 292 – MODS 16 – Nierenfunktionsstörungen 391 – Schock, septischer 292 Leberperfusion, Messung 299 Leber-Splanchnicus-Perfusion, Katecholamine 334 Leberstoffwechselaktivität, Messung 299 Lebervenenblutfluss – Kardiomyopathie, septische 292 – Schock, septischer 292 Lebervenenkathetertechnik 299 Leberversagen, MODS 16 Leberzellschäden, Synthesestörungen 504 Leptin 43 Leukämiepatienten, leukopenische, Immunglobulintherapie 224, 230– 231 Leukotriene (LT) 28, 41, 262 – Arachidonsäure-Kaskade 261 – GPx-Enzyme 479 – Induktion durch TNF 255 – Mikrozirkulationsstörungen 252 – Molekulargewicht 405 Leukozytenelastase – CPB-SIRS 72 – Proteolyse 504 Leukozyteninterferon 38 Leukozytenzahl, Neugeborenensepsis 562 Leukozytopenie, Neutropenie 541 Leukozytose 13, 437 – Neutropenie 541 – Sepsis 11 Levofloxacin 91, 180–181 Levosimendan 338 – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 LH 477 Liegedauer, Sepsis 140 LIF (leukemia inhibitory factor) 37, 117 Limulus-Polyphemus-Amöbozyt-LysatAssay s. LAL-Assay Linezolid 91, 185–186 Linksverschiebung – Neutropenie 541 – O2-Bindungskurve 56 Lipasen, Induktion durch LPS 190 Lipid A 26, 202, 209 – Mediatorkaskade, Aktivierung 250 – Molekulargewicht 405 – tetraacyliertes 202 Lipid-A-Antikörper 198–199
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Lipid-A-Komponente, Lipopolysaccharide 191 Lipide – s. a. Fettstoffwechsel – Dosierung 454 – EPA-reiche Emulsionen 263 – Infusionsgeschwindigkeit 454 Lipidmediatoren 41–42, 265 – Blockade 267 – Glukokortikoide, Inhibition 263 – Induktion durch LPS 190 – Mediatorblockade 261–263 – Mikrozirkulationsstörungen 252 – Sekretion 28 – Zellaktivierung, inflammatorische 250 Lipidoxidation 445 Lipidperoxidation 38 Lipolyse 47 – MODS 9 Liponeogenese 444 Lipooxygenaseprodukte, Mikrozirkulationsstörungen 252 Lipopolysaccharide (LPS) 172, 202 – Aktivierung, zelluläre 192 – Endotoxine 27, 189 – Kernregion (Core) 190, 202 – Lipid-A-Komponente 191 – O-Kettenpolymer 190 – O-spezifische Kette 202 – Zytokininduktion 191 lipopolysaccharide-binding protein s. LBP Lipoproteine, Hämofiltration 407 Lipoproteinlipase – Hemmung, TNF 47 – hormonsensitive 437 5-Lipoxygenase 44 Lipoxygenaseprodukte, Arachidonsäuresystem 261 Liquorkultur, Neugeborenensepsis 561 Liquoruntersuchung, Enzephalopathie, septische 113 Listeria monocytogenes – Ampicillin 566 – Blutkulturisolate 165 – Neugeborenensepsis 558–559, 564, 566 – Penicillin G 566 Lithiumdilutionsmethode (LIDCO) 296 L-NMMA (NG-Monomethyl-L-Arginin) 40 Lösungen – hyperosmolare, low volume resuscitation 388 – hyperton-hyperonkotische 317
– kolloidale, anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen 314 – Gerinnungsstörungen 314 – Hämodynamik 315 – Kardiomyopathie, septische 312– 314 – Lungenfunktion 315–316 – Nebenwirkungen 314 – Nephrotoxizität 314–315 – Nierenfunktionseinschränkung 314–315 – Organperfusion 316 – RES-Speicherung 315 – Volumensubstitution 311–316 – kristalloide, Hämodynamik 315 – Kardiomyopathie, septische 311–312 – Lungenfunktion 315–316 – Organperfusion 316 – Volumensubstitution 311–316 low density serum lipoproteins (LDL), Endotoxinbindung 191 low volume resuscitation – Lösungen, hyperosmolare 388 – Polytrauma 388 – Schädel-Hirn-Trauma 388 Low-T3/NTI-Syndrom 475 LPS s. Lipopolysaccharide LPS binding protein s. LBP LPS-Antikörper, monoklonale 199 LPS-Rezeptor, zellulärer 192–193 LTB4 262 LTC4 41 LTD4 41, 262 LTE4 41, 262 Lung Injury Score, Lungenversagen, akutes 362 Lungencompliance, Lungenversagen, akutes 366–367 Lungenembolie 284 – Critical-illness-Polyneuropathie 467 – Pulmonalarterienkatheter 294 Lungenerkrankungen – chronische, Rechtsherzbelastung 309 – chronisch-obstruktive, Intensivstationspatienten 588 Lungenfibrose, Lungenversagen, akutes 367 Lungenfunktion, Lösungen, kolloidale/ kristalloide 315–316 Lungenhochdruck s. Hypertonie, pulmonale Lungeninfiltrate – bronchoalveoläre Lavage 549 – Neutropenie 549 Lungenödem
– MODS 8 – Risiko 103 Lungenschädigung – beatmungsassoziierte 370–371, 595–596 – Beatmungsdrücke 370–371 – unilaterale, Beatmung, seitengetrennte 379 – Verteilung, Lungenversagen, akutes 365 Lungenversagen, akutes s. ARDS Lungenwasser, extravasales, TPIDMethode 295 Lymphdrainage 389 Lymphom, Immunglobuline 223 Lymphotoxin B (LTB), Gene 32–33 Lymphotoxin (LT) 31 – Apoptose 32 Lymphozyten – Selen 480 – TNF-α-Wirkung 34
M Magenmukosa – Hypoxie 299 – pCO2-Konzentration 298 – Perfusion 292 – pH-Wert 298 Magentonometrie 298 α2-Makroglobulin 37, 432 Makrolide 91 Makrophagen – Apoptose 47 – TNF-α-Freisetzung 34 Makrozirkulationsstörungen 50–51 Mannitol 109 MAP (mittlerer arterieller Blutdruck) 86, 107 – Hämofiltration 410 MAPK (mitogen-activated protein-kinase) 33, 39 MARS (mixed antagonistic response syndrome) 10 – Definition 6 Maske 155 Massenblutungen 389 Matrixproteine, Induktion durch LPS 190 mCD14, Shedding 194 MCP-1 (monocyte chemoattractant protein-1) 37 – Synthese, endotheliale 488–489 M-CSF 35 – LPS-induzierte Produktion 190 – Neutropenie 541
615 Sachverzeichnis
MD2 193 MDF (myokarddepressiver Faktor) 409 MDS (myocardial depressant substance) 54 Mediastinitis, Immunglobulintherapie, intravenöse 239 Mediatorausschüttung/-bildung – determinierte 72 – exzessive, Modifikation 82 Mediatorblockade 249–268 – Komplementblockade 268 – Lipidmediatoren 261–263 – Mediatoren, granulozytenassoziierte 263–265 – vasoaktive 265 – Opioidantagonisten 268 – Pentoxifyllin 268 – Sepsis 267 – Wirkung 252 – Zytokine 253 Mediatoren – Elimination, Hämofiltration 407 – Hämoperfusion 414 – Plasmapherese 413 – frühe, Sepsis 28 – granulozytenassoziierte, Blockade 263–265 – PMN-assoziierte, Blockade 267 – sekundäre, Sepsis 28 – vasoaktive, Blockade 265, 267 – vasodilatatorische 265 – vasokonstriktorische 265 Mediatorexplosion, Sepsis 4 mediatorinduziertes Dysfunktionssyndrom 5 Mediatorkaskaden/-netzwerke – Multiplizität 251–253 – Sepsis/SIRS 24 mediatorunabhängige Wirkung, Toxine, bakterielle 251 Mediatorzellen, aktivierte, Zytokinfreisetzung 211 Medikamente, neue, kostenintensive, Einführung 145–146 MEDS (mortal in emergency department sepsis) 85 MEGX-Test 299 MEK (MAPK/ERK-Kinase) 33 MEKK (MEK-Kinase) 33 Membranoxygenierung, extrakorporale s. ECMO Meningitis – aseptische, Immunglobuline, intravenöse 222 – Erreger, gramnegative 567 – Neugeborenensepsis 561 – septische, Antibiotika 565–566
Meningokokken(infektion) 499 – Antibiotika 173 – rBPI 197 Meningokokkenmeningitis, EKG 285 Meningokokkensepsis – Ekchymosen 232 – fulminante, Kindesalter, Immunglobulintherapie, intravenöse 230–231 – Laborparameter 232, 586 – Postintensivstationsphase 586 – Pumpfunktionseinschränkung 283 – Scorewerte 232 Meropenem 91, 167, 169, 179 – FUO 548 – Neugeborenensepsis 566 metabolische Störungen – Regulationsmechanismen 437–438 – Sepsis 7, 11 Methylenblau, Kardiomyopathie/Vaskulopathie, septische 341 Methylprednisolon 260 Metronidazol 91, 184 – + Aminopenicillin 97 Mezlocillin 91 MGSA (melanoma growth-stimulating activity) 37 MHC (major histocompatibility complex) 117 MHK-Wert, Antibiotika 167, 170–171 MIF (makrophagenmigrationsinhibierender Faktor) 117 mikrobielle Produkte, Entzündung 250 Mikroembolien 55 Mikroinfarkt, Critical-illness-Polyneuropathie 466 Mikrothrombosierung, Thromboxan A2 262 Mikrozirkulation(sstörungen) 51–52, 252, 297 – Endothelzellaktivierung 511–512 – Endothelzelldysfunktion 511–512 – Endotoxinämie 388 – Monitoring 297–302 – Polytrauma 387 – Schock, septischer, volumensubstituierter 278 – sublinguale, OPS 297–298 Milrinon – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Wirkprofile 322 MIP-1/2 (macrophage inflammatory protein 1/2) 37 Mitochondrien – O2-Verbrauch 329
L–M
– Superoxidanionen 38 Mitralinsuffizienz 309 Mitralstenose 309 mixed antagonistic response syndrome (MARS), Definition 6 MODS (multiple organ failure bzw. dysfunction syndrome) – ARDS 360 – Definition 6, 16–17 – Diagnose 8, 17, 64 – Fieber 285 – Formen 8 – gastrointestinaler Translokationsmechanismus 388 – Hämodynamik 285 – i.v.-IgGMA-Präparate 219 – i.v.-IgG-Präparate 219 – Immunglobuline 208–212 – Immunglobulintherapie, intravenöse 227–228 – Klinik 8, 17 – Körpertemperatur 285 – Kurzzeitprognose 18–19 – Langzeitprognose 19–20 – Lebensqualität 79 – mediatorinduziertes 5 – Myokarddepression 346 – Neutropenie 550 – NO-Inhalation 383 – O2-Parameter 285 – Pentaglobin 216 – primär abakterielles, Herzinsuffizienz 346–347 – Sepsis 4, 83 – supportive Therapie 101–102 MODS-Score 69 – nach Goris 17 MONARCS-Studie 71 Monitoring – hämodynamisches 84 – Sepsis 73–75 monocyte chemoattractant protein1 s. MCP-1 monocyte chemoattractant protein-1 (MCP-1), Synthese, endotheliale 488 Monozyten – HLA-DR-Expression 269 – TNF-α-Freisetzung 34 Moxifloxacin 91, 172, 181 MRSA (methicillinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme) 93–94, 97 – Antibiotika/β-Laktamantibiotika 173 α-MSH (melanozytenstimulierendes Hormon) 117 Mukormycosis 544
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Sachverzeichnis
Multiorgandysfunktions-Syndrom s. MODS multiple organ failure (MOF) s. MODS multiples Myelom, Nierenfunktionsstörungen 391 Murray-Score 361 – ARDS 362 Muskelkatabolie 441 Muskelzelle, Proteinsynthese 433 Myelom, multiples, Nierenfunktionsstörungen 391 Myeloperoxidase 38 myocardial depressant substance (MDS) 54 Myokarddepression 51, 52–55, 308 – Endotoxin-TNF-α/IL1-NO-cGMP-Kaskade 55 – Kardiomyopathie, septische 280– 281, 291, 303 – MODS 8, 346 – nachlastbezogene Parameter 303 – Noradrenalinspiegel, endogener, hoher 55 – Schock, septischer 291 – Sepsistherapie 343 myokarddepressiver Faktor (MDF) 409 Myokardinfarkt, NSTEMI/STEMI 304– 305 Myokardischämie – Erythrozytenkonzentration 316 – MODS 8 Myokarditis 308 – fulminante, Immunglobulintherapie, intravenöse 239–240 – septische 279–280 Myopathie 113 – akute nekrotisierende 467 – MODS 8 – Sepsis 7 myosin-deficient myopathy 467
15 16 17 18 19 20
N NACe, Hämodynamik, globale 320 N-Acetylcystein 82 NACf, Blutfluss, regionaler 323 Nachlast 50, 52 – Myokarddepression 303 Nachlasterhöhung – Kardiomyopathie, septische 290 – Schock, septischer 290 Nachlastsenkung – Kardiomyopathie, septische 290 – Katecholamine 333 – Schock, septischer 290 – Sepsis 304
NADH/NADPH-Oxidase 38 NADH-Ubiquinon-Reduktase 40 Naloxon 342 – Schock, septischer 342 NAME (NG-nitro-L-Arginin-Methylester) 265–266, 344 NAP 2 (neutrophil activating peptide 2) 37 National Nosocomial Infections Surveillance System (NNIS) 122 Natriumnitroprussid – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Schock, septischer 337 – Wirkprofile 322 Natriumselenit 481 NcoI-Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus 33, 72 Nebennierenrindeninsuffizienz 110, 117–119, 476–477 – ACTH-Test 476 – Hydrokortison 476 – relative 476 Neisseria meningitidis, Blutkulturisolate 165 Nekrosektomie 87 Neopterin, CPB-SIRS 72 nephroprotektive Substanzen 109 nephrotisches Syndrom, Immunglobuline 223 Nephrotoxizität, Lösungen, kolloidale 314–315 nerve growth factor (NGF) 32 Nervensystem, autonomes, Dysfunktion 56–57 Netilmicin 91 – Meningitis, septische 565 – Neugeborenensepsis 565 Neugeborenensepsis 79, 101, 557– 571 – Ätiologie 558–559 – Akute-Phase-Proteine 562–563 – Ampicillin 565 – antibiotische Therapie, definitive 567–568 – initiale 564–567 – Antigennachweis 562 – antimikrobielle Therapie 564–568 – α1-Antitrypsin 563 – Auftreten nach Entlassung aus dem Krankenhaus 568 – Blasensprung, vorzeitiger 558 – Blutkultur 561 – Cefotaxim/Ceftazidim 566 – Chemoprophylaxe 570
– – – – – – –
Chorioamnionitis 558 C-reaktives Protein 563 Definition 557 Diagnostik 561 early-onset-Form 557 Elastase 563 Elastase-α-1-Proteinase-Inhibitor 563 – Epidemiologie 558 – Erreger 166 – früh beginnende 557 – Frühgeburtlichkeit 558 – Geburtsgewicht, niedriges 558 – Gentamicin 565 – Granulozyten, neutrophile 562 – Hinweise, dringliche 560 – Hyperthermie 560 – IL-1 569 – IL-1ra 563 – IL-2-Rezeptor, löslicher 563 – IL-6/8 563 – Immunglobuline 569 – Immunglobulintherapie 226, 234 – klinisches Bild 559–560 – Laboruntersuchungen 562–563 – Laktoferrin 563 – late-onset-Form 557 – Leukozytenzahl 562 – Liquorkultur 561 – Meningitis 561 – Merkmale, charakteristische 558 – Netilmicin 565 – Pathogenese 559 – Penicillin 570 – Präalbumin 563 – Prävention 569–570 – Procalcitonin 563 – Prognose 569 – Protein C, aktiviertes 569 – respiratorische Störungen 560 – spät beginnende 557 – spezifische Maßnahmen 569 – supportive Maßnahmen 568 – therapeutische Maßnahmen, zusätzliche 568–569 – TNF-α 569 – Transferrin 563 – Trinkschwäche 560 – Untersuchungen, mikrobiologische 561–562 – Urinkultur 562 – vaginale Kolonisation 558 – Vancomycin 565–566 neuromuskuläre Blockade 596 Neuropathie 113 Neurotransmitter, falsche, Enzephalopathie, septische 464
617 Sachverzeichnis
Neutropenie 99–101 – abdominelle Infektionen 549 – ACCP/SCCM-Kriterien 541 – antimikrobielle Prophylaxe/Therapie 542, 547, 551–552 – Aspergillusinfektionen 544 – Azolderivate 552 – Blutkulturen 546 – Candidainfektionen 544 – Chemotherapie 164 – chemotherapieinduzierte, AT-Spiegel 507 – Colistin 552 – Epidemiologie 543 – Erregerspektrum, bakterielles, Wandel 543 – nach Fieberbeginn 543–544 – Fluorochinolone 552 – FUO 548 – G-CSF/GM-CSF 271, 550 – Granulozytentransfusion 101, 551 – Hautinfektionen 549–550 – Herpes-simplex-Infektion 544 – Hydrokortisontherapie 271 – Hypotonie 550 – Infektionen, Prävention, allgemeinhygienische Maßnahmen 552 – Interleukin-11 101 – Lungeninfiltrate 549 – Multiorgandysfunktion 550 – perianale Infektionen 549 – Pilzinfektionen 544, 550 – Pneumonie 550 – Polymyxin B 552 – Protozoeninfektionen 544–545 – Sepsis 540–543 – Stuhlkulturen 546 – Superinfektionen 545 – therapieassoziierte 540 – Therapiemaßnahmen, ergänzende 550 – Trimethoprim-Sulfamethoxazol 552 – Tumorerkrankungen 540 – Untersuchung, mikrobiologische/klinische 546 – Venenkatheterinfektionen 549–550 – Virusinfektionen 544–545 – Wachstumsfaktoren 551 – Zytomegalievirusinfektionen 544 Neutrophilenelastase, α1-Antitrypsin 263 NF-κB (nukleärer Faktor kappa B) 34 – Aktivierung 39, 43–45 – Selen 480 – Hemmung 193 – Protein C, aktiviertes (APC) 491 – proinflammatorische Kaskade 514
NF-κB-regulierte Proteine 43 NGF (nerve growth factor) 32 NG-L-monomethyl-Arginin (LNMMA) 344 NG-nitro-L-Arginin-Methylester (NAME) 344 Nichtfermenter, Blutkulturisolate 165 NICO-Monitoring 296 Nierenbeteiligung, Candidose 99 Nierendosis, Dopamin 81 Nierenersatztherpie 111–112, 597 Niereninsuffizienz – Lösungen, kolloidale 314–315 – MODS 16 – Sepsis 7, 11 nierenschädigende Risikofaktoren, Vermeidung 391 Nierenversagen, akutes – Beatmung 111–112 – Hämofiltration 411 – Hantaviren 90 – MODS 8, 16 – Volumensubstitution 109 NIRS (near infra-red spectroscopy) 300 Nitroglyzerin – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Schock, septischer 337 – Wirkprofile 322 NIV (non-invasive ventilation) 386 NK-Zellen – Aktivität, Fettzufuhr 447 – TNF-α-Wirkung 34 L-NMMA 265–266 – Lungenhochdruck 279 NNT (number needed to treat) 525 – Protein C, aktiviertes 116 NO (Stickoid) – Induktion durch TNF 255 – Synthese, endotheliale 489 NO (Stickoxid) 24, 40–41 – Hemmung 344 – Kardiodepression 281 – Katecholaminwirkung 330 – LPS-induzierte Produktion 190 – rechtsventrikuläre Dysfunktion 345 NO-Blockade 265–266 NO-Donatoren – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 NO-Inhalation 382–384 – ARDS 266 – Hämodynamik 321
M–N
– rechtsventrikuläre Dysfunktion 345 – Wirkung 383 NO-Inhibitoren 489 – Kardiomyopathie, septische 341 – Vaskulopathie, septische 341 non-invasive ventilation (NIV) 386 non-occlusive disease 424 Non-Responder – Fludrokortison 119 – Hydrokortison 119 – niedrigdosiertes 335 – Katecholamin-Absetzen 335 Non-ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt (NSTEMI) 286, 304–305, 309 Non-Thyroidal-illness-Syndrom (NTIS) 474–476 – Diagnose 476 – T3-Spiegel 474 – T4-Spiegel, Abfall 475 – TSH-Spiegel, Abfall 475 Noradrenalin 81 – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Herz-Kreislauf-Dysfunktion 102– 104, 106 – Kardiomyopathie, septische 325, 341 – Katecholamintoleranzentwicklung 332 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Schock 104 – septischer 288, 325 – Spiegel, hoher, Myokarddepression 55 – Splanchnikusobstruktion 424 – Tachyarrhythmien 108 – Vaskulopathie, septische 341 – Wirkprofile 322 NOS-Inhibitoren, Hämodynamik, globale 320 Nosokomialinfektionen 15, 392 – kardiovaskuläre Operationen 100 – Krankenhaushygiene 154 – Prophylaxe 122 – Risikofaktoren 123 NO-Synthase – Hemmer 344 – induzierte s. iNOS Notaufnahme, Sepsispatient 84–86 Nottingham Health Profile (NHP) 18 NSTEMI s. Non-ST-Strecken-ElevationsMyokardinfarkt NTIS s. Non-Thyroidal-illness-Syndrom nukleärer Faktor kappa B s. NF-κB Nukleasen, Aktivierung 46 Nukleotide 110
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O O2… s. Sauerstoff Oberbauchschmerz, rechtsseitiger 88 Ödem, endoneurales, Critical-illnessPolyneuropathie 466 Ökonomie, Bedeutung 145–146 ökonomische Aspekte, Sepsis 141 Ösophagitis, Herpes-simplex-Infektionen 544 Ösophagustumorchirurgie, Infektionsrisiko 127 Östrogene – Sepsispatientin 574 – Vasodilatation, NO-abhängige 574 Östrogenrezeptoren 574 Ofloxacin 91 Ogilvy-Syndrom 424 O-Kettenpolymer, Lipopolysaccharide (LPS) 190 Okulomotorik, Critical-illness-Polyneuropathie 464 oligosaccharide repeating units 190 Oligurie, anhaltende 13 Oncostatin M 37 open-lung-Konzept 370 – Beatmung 111 Opioidantagonisten, Mediatorblockade 268 OPS (orthogonal polarization spectral imaging), Mikrozirkulation 297–298 Orciprenalin – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Organdysfunktion/-komplikationen – Pathogenese 48 – PGI2 262 – Protektion und Behandlung 109 – Sepsispatient, älterer 580–581 – Splanchnikuskreislauf 110 – Thromboxan A2 262 – Zytokinsekretionsverlauf 257–259 Organperfusion, Lösungen, kolloidale/ kristalloide 316 orthogonal polarization spectral imaging s. OPS O-spezifische Kette, Lipopolysaccharide (LPS) 202 Osteoblastenaktivität, Parathormon 478 osteogene Sepsis, Erreger 166 Osteoklastenstimulation, Parathormon 478 otogene Sepsis, Erreger 166 outcome research 78
overt DIC 496–497 Oxacillin 91, 167 Oxygenierung(sstörungen) 339–340 – Hypoglykämie 109 – Hypoxie 109 – Lungenversagen, akutes 365 – Verbesserung durch Bauchlage 379–380
P PAF (plättchenaktivierender Faktor) 24, 28, 41–42, 118 – Arachidonsäure-Kaskade 261 – Induktion durch TNF 255 – LPS-induzierte Produktion 190 – Mikrozirkulationsstörungen 252 – proinflammatorische Eigenschaften 262 PAF-Antagonisten 82, 525 – Kardiomyopathie, septische 341 – Mortalität 530 – Sepsis 262–263 – Vaskulopathie, septische 341 PAI (plasminogen activator inhibitor) 489–490, 507 – Gerinnungsstörungen 509 – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 – proinflammatorische Kaskade 514 Pankreatitis 423–424 – akute 16, 87 – Lungenversagen, akutes 363 – MODS 8, 16 – Nierenfunktionsstörungen 391 PAR1 (proteaseaktivierter Rezeptor 1) – Aktivierung 491 – proinflammatorische Kaskade 514 Parasympathikus 307 Parathormon (PTH) 477–478 PARP (Poly-ADP-Ribose-Polymerase) 46 partial liquid ventilation (PLV) 381–382 Pathophysiologie, Sepsis 23–61 pattern-recognition-Rezeptoren (PRR) 193, 202 pCO2(-Konzentration) 301 – Magenmukosa 298 PC-PLC (phosphatidylcholine-specific phospholipase) 33 PCV, Beatmung 373 PCWP (pulmonary capillary wedge pressure) 86, 293 – Schock, septischer 288 PDE-Hemmer – Blutfluss, regionaler 323 – Hämodynamik 320
– Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 PDGF (platelet derived growth factor), LPS-induzierte Produktion 190 PECAM (platelet endothelial cell adhesion molecule) 45 PEEP 106 – Beatmung 373 – Druckbeatmung, positive 370 – hoher, Beatmung 372 – Lungenversagen, akutes 367, 369 – PEEP-Welle 378 – Weaning 385 Penicillin 91, 167 – Enterokokken, Gruppe D 564 – Neugeborenensepsis 570 – Streptokokken 564 Penicillin G 174–175 – Listeria monocytogenes 566 Penicillinbindeprotein (PBP) 172 Pentaglobin 109, 210, 213–214 – Immunglobulintherapie, intravenöse 231–232 – Indikationen 217 – Infektionen, bakterielle 216 – Letalitätssenkung 223 – Multiorganversagen 216 – Opsonierungsfähigkeit 210 – Sepsis, abdominelle 217, 219 – gramnegative 216 – schwere 216 – Subkollektive 231 Pentoxifyllin 82, 344 – Kardiomyopathie, septische 341 – Mediatorblockade 268 – TNF-α, Syntheseinhibition 34 – Vaskulopathie, septische 341 Peptostreptokokken, Blutkulturisolate 165–166 Perfluorcarbone, Flüssigkeitsventilation 381–382 Perfusionsdruck 52 Perfusionsfehlverteilung, Thromboxan A2 262 perianale Infektionen, Neutropenie 549 Perikarditis 308 Peripartumkardiomyopathie 240 Peritoneallavage 87 – Infektionsrisiko 127 Peritonitis – diffuse, Lungenversagen, akutes 363 – purulente, Immunglobulintherapie, additive 224 permissive Hyperkapnie 378–379 Personalkosten 142
619 Sachverzeichnis
Pertussistoxin 30 PGE2 41, 265, 447 PGF2a 447 PGI2 41, 118, 265, 447, 504 – Blutfluss, regionaler 323 – Dosierung 337 – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 – Hämodynamik, globale 321 – Kardiomyopathie, septische 337– 338 – Organversagen 262 – rechtsventrikuläre Dysfunktion 345 – Schock, septischer 337–338 – Synthese, endotheliale 489 PGI2-Inhalation – Gasaustausch, Verbesserung 384 – Hämodynamik, globale 321 Pharmakodynamik, Antibiotika 90 Pharmakokinetik, Antibiotika 90 Phentolamin, Wirkprofile 322 Phenylephrin 108 Phorbolmyristatacetat (PMA) 264 Phosphatidylethanolamin 504 Phosphatidylinositol-Anker (GPI), CD14 193 Phosphatidylinositol-Response (PRResponse) 250 – Arachidonsäure-Kaskade 261 Phosphodiesterasehemmer 336, 344 – Schock, septischer 284, 336 Phospholipase A2 118, 447 Phospholipase C 34 pH-Wert, Magenmukosa 298 Physiology Score s. SAPS-II-Score Pilzinfektionen 15, 89 – invasive 98 – Neutropenie 544, 550 Pilzsepsis, Pumpfunktionseinschränkung 283 Piperacillin 91, 169–170, 175–176 – Endotoxinfreisetzung 173 – FUO 547 Piperacillin-Laktamaseinhibitor-Kombinationen 172 Piperacillinresistenz, Pseudomonas aeruginosa 548 Piperacillin-Tazobactam 95 plättchenaktivierender Faktor s. PAF Plasma, Laktatspiegel 85 Plasma-C5a-Aktivität 42 Plasmaglyzerolspiegel 437 Plasma-GPx-Aktivität 480 Plasmakonserven, Verbrauchskoagulopathie 498 Plasmaperfusion 415 – und Plasmaseparation, Kombination 415
Plasmapherese 342, 412–413, 415 – Auswurffraktion, rechtsventrikuläre 343 – Durchführung 412–413 – Gefäßwiderstand, systemischer 343 – Herzindex 343 – Kardiomyopathie, septische 341 – Mediatoren, Elimination 413 – Schlagarbeitsindex, links-/rechtsventrikulärer 343 – Sepsis 413 – Siebkoeffizienten 406 – technische Voraussetzung 412–413 – Vaskulopathie, septische 341 Plasmaselen 479 Plasmaseparation 415 – Evidenz 416 – klinische Studien 416 – und Plasmaperfusion, Kombination 415 Plasmin-Antiplasmin-Komplexe (PAP) 507 – Gerinnungsstörungen 509 Plasmingenaktivierung, LPS-induzierte 190 Plasminogenaktivierung, tPA-induzierte 496 Plasmodium-falciparum-Infektionen, Zink 482 Plazierungsarrhythmien, Pulmonalarterienkatheter 294 PLV (partial liquid ventilation) 381–382 PMA (Phorbolmyristatacetat) 264 PMN-assoziierte Mediatoren, Blockade 267 Pneumokokkeninfektionen 499 – Antibiotikatherapie 96 – Blutkulturisolate 165 Pneumomediastinum, Barotrauma 370 Pneumonie – beatmungsassoziierte 123 – Prävention 159–160 – Stressulkusprophylaxe 159 – Critical-illness-Polyneuropathie 467 – erworbene 123 – Herpes-simplex-Infektionen 544 – Intensivpatienten 392 – Lungenversagen, akutes 363 – Neutropenie 550 – nosokomiale 392, 393–394 Pneumothorax, Pulmonalarterienkatheter 294 Pneumozyten Typ II 252 Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) 46 Polyglobin
O–P
– Schock, septischer 217 – Sepsis, schwere 217 Polyglobin N 210, 214 Polymyxin B, Neutropenie 552 Polyneuropathie – demyelinisierende, Immunglobuline 223 – MODS 8 – Sepsis 7 – septisch-toxische 466 Polytrauma – ARDS 386–394 – Ateminsuffizienz 388 – Erstversorgung, operative 389 – Immunglobulintherapie, additive 224 – low volume resuscitation 388 – Mikrozirkulation 387 – Primärbehandlung, klinische 388– 389 – Primärdiagnostik 389 – Schockbehandlung 387 – Volumentherapie 388 Porenbildner, Bakterien 31 positiver endexspiratorischer Druck s. PEEP positiv-inotrope Pharmaka 334–335 Postintensivstationsambulanz 590 Postintensivstationsphase – APACHE-II-Score 586 – glückhafte 585 – Komplikationen und Verschlechterungen, Früherkennung 590 – Lebensqualität 589 – Meningokokkensepsis 586 – Probleme 590 – Sepsispatient 585–591 – Sepsisstudien 587 – SIRS 587–588 – Spätletalität 586–588 Präalbumin, Neugeborenensepsis 563 Präparat 406 200, 202 Precursor Ia 200 pressure support ventilation (PSV) 375 – BIPAP 377 p55-Rezeptor 32 Procalcitonin 43 – Neugeborenensepsis 563 – Neutropenie, Therapie 542 – Schock, septischer 286 – Sepsis 11 Prokoagulation 512 – Endothel, TNF 255 Prolaktin 473 Propionibakterien 94 – Blutkulturisolate 165 Prostacyclin s. PGI2
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Prostaglandin I2 s. PGI2 Prostaglandine 24, 109 – Arachidonsäure-Kaskade 261 – GPx-Enzyme 479 – Induktion durch TNF 255 – Mikrozirkulationsstörungen 252 – Synthese, Endothelzellen 263 Prostanoide 28, 404 – Molekulargewicht 405 – vasodilatatorische 265 proteaseaktivierbarer Rezeptor-1 (PAR1) 491, 517 Proteasen 42 – Induktion durch LPS 190 – Zellaktivierung, inflammatorische 250 Proteaseninhibitoren 42 protective lung approach 372–373 protective lung strategy 370 Protein C – aktiviertes (APC), rekombinantes, humanes (rhAPC) 525–526, 533 – aktiviertes (APC) 82, 110, 116 – Einsatz 518 – E-Selektin, Expressionshemmung 517 – Gerinnungsstörungen 517–520, 521–522 – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 – Herstellung 534 – Herz-Kreislauf-Dysfunktion 104 – Mortalität 530, 533 – Neugeborenensepsis 569 – NF-κB-Hemmung 491 – NNT (numbers needed to treat) 116 – PROWESS-Studie 518–522, 526– 527, 529–530 – rekombinantes, humanes (rhAPC) 144, 595 – DIC 505 – Einsatz, Fallberichte und Studien 518 – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 – Inhibitoren, Vitamin-K-abhängige 498 – Lebersynthese, Vitamin-K-abhängige 508 – Purpura fulminans 499 – Sepsis 518 – Wirksamkeit 529 Protein-C-Mangel 507, 517 Protein C Worldwide Evaluation in Severe Sepsis s. PROWESS-Studie Protein S, Inhibitoren, Vitamin-Kabhängige 498
Proteine – antikoagulante 525–536 – endotoxinbindende 191 – Ernährungstherapie 448–450 – lipokortinähnliche 263 Proteinstoffwechsel 47, 432–434 Proteinsynthese 438 – Muskelzelle 433 Protein-Tyrosin-Phosphatasen 39 Protein-Tyrosin-Phosphorylierung, LPSinduzierte 200 Proteolyse 438 – Leukozytenelastase 504 – MODS 9 Proteus mirabilis – Antibiotikatherapie 96, 566 – Blutkulturisolate 165 Proteusarten, Indol-positive, Blutkulturisolate 165 Prothrombinfragmente 1/2, Gerinnungsstörungen 509 Protozoeninfektionen, Neutropenie 544–545 PROWESS-Evaluierung, FDA 530 PROWESS-Studie 116 – APACHE-II-Score, Letalität 520 – Mortalität 533 – Aufenthaltsort der Überlebenden 534 – Aussagekraft 534–535 – demographische Daten 519 – Kaplan-Meier-Überlebenskurven 519 – Mortalität 530, 533 – Protein C 529–530 – aktiviertes 518–522, 526–527 – Schwächen 530, 535 – Subgruppenanalyse, Zulassungsindikationen 520 PRR (pattern-recognition-Rezeptoren) 193, 202 Pseudoaldosteronismus, Hydrokortison 119 Pseudomonas aeruginosa 30, 89, 93– 94 – Antibiotikatherapie 97, 566 – MHK-Verteilungen 167, 170 – Blutkulturisolate 165 – Endotoxinfreisetzung 172 – FUO 547 – Infektionen, neutropenische 543 – Kardiodepression 281 – kardiovaskuläre Operationen 100 – Kathetersepsis 157 – Kombinationsbehandlung 174 – β-Laktam-Antibiotika 548 – Neugeborenensepsis 564
– Piperacillinresistenz 548 Pseudomonasexotoxin S, Antikörper 209 PSV (pressure support ventilation) 375 PTT, DIC 505 Puerperalsepsis, Erreger 166 pulmonalarterieller Okklusionsdruck (PAOP) 289, 293 Pulmonalarterienkatheter (PAK) 84, 103 – Monitoring 289 – Komplikationen 294 Pulmonalkapillardruck (PCWP) 289 pulmonary capillary wedge pressure s. PCWP Pulskonturanalyse 295 – TPID-Methode 295 Pulsoxymetrie 301 Pumpfunktionseinschränkung – Meningokokkensepsis 283 – Pilzsepsis 283 – Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom 283 Purpura fulminans 497 – Fibrinogenspiegel 499 – Protein C 499 Pyomyositis, septisch-metastatische 469 Pyrrolidin-Dithiocarbamat 45 Pyruvatdehydrogenase (PDH) – Aktivität, verminderte 47 – Hemmung, Schock, septischer 286 Pyruvatoxidation, Skelettmuskel 47
Q Quickwert, DIC 505 Quino 167–168 Quinupristin 91, 96
R Radikalfänger 45 Radionuklidventrikulographie 287 RAF2 (TNF-receptor associated factor) 34 Ranitidin, Stressulkusprophylaxe 126 RANTES 37, 490 rapid shallow breathing, Lungenversagen, akutes 369 Rebound, Hydrokortison 119 Rechtsherzinsuffizienz – Kardiomyopathie, septische 291 – Lungenerkrankungen, chronische 309
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– NO-Inhalation 383 – Schock, septischer 291 – ZVD 296 rechtsventrikuläre Dysfunktion – ARDS 102 – Kardiomyopathie, septische 304, 345–346 Reflex, inflammatorischer 306 Reflux, gastraler, Ernährung, enterale 121 Rehabilitation – ARDS 367 – Lungenversagen, akutes 367 Rekrutierungsmanöver 378 Re-LPS 209 Resistenzsituation 101 respiratorische Infektionen, Präventionsstrategien 393 respiratorische Insuffizienz – akute 359–396 – Beatmungstherapie 101 – Literatur, weiterführende 395 – MODS 16 – Neugeborenensepsis 560 – Pathophysiologie 55–56 – Sepsis 7, 11 – Therapieansätze, präventive 386 respiratory burst, Selen 480 RES-Speicherung, Dextran, HES bzw. kolloidale Lösungen 315 Resuscitation 593 Retinol 38 Rezeptoren, membranständige, Signaltransduktionskaskade 46 Rheumafaktor, positiver, Immunglobuline 223 Rhodes-Studie, Pulmonalarterienkatheter 294 Rhythmusstörungen s. Herzrhythmusstörungen Rifampicin 91, 96, 167, 184–185 Rindennekrose, MODS 8 Ringer-Laktat-Lösung 312 RIP1 (receptor-interacting protein 1) 33–34 Risikooperationen – Immunglobulintherapie, additive 224 – intravenöse 237–238 Risikopatienten, Immunglobulintherapie, intravenöse 235 rLBP2r 201 rLBP25 195 Rotenon 45 rTFPI (tissue factor pathway inhibitor) 525, 528 Rückstromkurve, venöse 50
S Säure-Basen-Haushalt, Störungen 112 Salbutamol, Schock, septischer 284 Salicylate 45 Salmonella paratyphi/typhi – Blutkulturisolate 165 – Infektionen, intestinale 160 Sandham-Studie, Pulmonalarterienkatheter 294 Sandoglobulin 210 – Indikationen 218 – Kolonkarzinomoperationen, Infektionsprophylaxe 218 – Opsonierungsfähigkeit 210 – Sepsis, postoperative 218 – Sepsissubkollektive 231 – Traumapatienten, Immunprophylaxe 219 – mit Injury-Severity-Score 218 SAPS-II-Score 68, 83, 109, 361 Sauerstoff, Schock, septischer 279 Sauerstoffangebot 300 – Kardiomyopathie, septische 291 – Schock, septischer 280, 291 – supranormales, Katecholamine 327–329 – systemisches 81 – vermindertes 328 Sauerstoffaufnahme, Sepsis 431 Sauerstoffbindungskurve, Linksverschiebung 56 Sauerstoffburst, Aktivierung 250 Sauerstoffdifferenz, arteriovenöse 55 Sauerstoffextraktion 301 – Störung 55 Sauerstoff-Flux-Test 300 Sauerstoffpartialdruck 301 – Kardiomyopathie, septische 291 – Schock, septischer 291 Sauerstoffradikale, reaktive 38, 39, 404, 491 – Bildung 39, 250 – Inaktivierung, N-Acetylcystein 39 – Induktion durch TNF 255 – LPS-induzierte Produktion 190 – Mikrozirkulationsstörungen 252 – Selen 480 Sauerstoffsättigung – gemischtvenöse 297 – lebervenöse, Kardiomyopathie, septische 292 – Schock, septischer 292 – zentralvenöse 86, 107, 297 Sauerstoffschuld, Thromboxan A2 262 Sauerstofftransportparameter, Kardiomyopathie, septische 311
P–S
Sauerstoffutilisation, Schock, septischer 279 Sauerstoffverbindungen – Kardiodepression 281 – reaktive s. Sauerstoffradikale, reaktive Sauerstoffverbrauch 300 – Abhängigkeit, pathologische von der O2-Aufnahme 56 – Kardiomyopathie, septische 291 – Mitochondrien 329 – Schock, septischer 291 Sauerstoffversorgung – Sicherstellung, zielorientierte 328 – supranormale 108 Sauerstoffverwertungsstörung 328 SBITS-Studie 83 – Einschlusskriterien 12 – Immunglobulintherapie, adjunktive 226–227 SBP (systolischer arterieller Blutdruck) 86, 107 sCD14 195, 201 – Endotoxinbindung 191 SCF (stem cell factor) 35 Schädel-Hirn-Trauma – Hirnödem 388 – low volume resuscitation 388 – Sinusitis 88 Scharlach, Endotoxin 212 Schilddrüsenfunktionsparameter, Katabolie 474 Schlagarbeitsindex – linksventrikulärer (LVSWI) 52, 283, 295 – Endotoxin-AK 343 – Plasmapherese 343 – TNFα-AK 343 – rechtsventrikulärer (RVSWI), Endotoxin-AK 343 – Plasmapherese 343 – TNFα-AK 343 Schlagvolumenvariation, TPID-Methode 295 Schleifendiuretika 109 Schock 103 – Addison-Krise 284 – Gastrointestinaltrakt, Perfusion 388 – Herzindex 103–104 – hypovolämischer, SIRS-Patienten 346 – kalter 278 – kardiogener 284, 309 – Hämodynamik 285 – Körpertemperatur 285 – O2-Parameter 285 – Noradrenalin 104
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– septischer 78, 277 – abdominelle Infektionen 217 – Adrenalin 325–327 – ANP 286 – N-Azetylzystein 338 – Behandlungskonzepte 309 – Behandlungsziele 309 – BNP 286 – CK-MB 285–286 – Definition 6 – Diagnostik 290 – Dobutamin/Dopamin 288, 319 – Dopexamin 326 – EKG 285 – mit Endotoxinämie, Immunglobulintherapie, intravenöse 230– 231 – Endotoxinplasmaspiegel 26 – Flüssigkeitshaushalt 389 – Gewebeoxygenierung 279 – Hämodynamik 285 – hämodynamisches Monitoring, invasives 287–289 – Häufigkeit 139–140 – Herzfrequenz 288 – Herzindex 49, 288 – Herzinsuffizienz 282–283 – Herz-Kreislauf-Therapie 105 – Hydrokortison 261, 334 – Hyperlaktatämie 286 – hyperzirkulatorischer 278 – IL-6 286 – Immunglobuline 226 – Immunglobulintherapie, intravenöse 240–241 – immunmodulierende Therapie 112 – iNOS-Blockade 40 – Katecholamine 333–334 – katecholaminrefraktärer, Angiotensin II 336 – Katecholamintoleranz 332 – Körpertemperatur 285 – Komponenten 302–309 – Kreatinkinase-Aktivität 286 – Kreislaufversagen 277–279 – Laktat 286 – Messparameter 289 – Methylprednisolon 260 – MODS 16 – Monitoring 290 – Naloxon 342 – Natriumnitroprussid 337 – Nitroglyzerin 337 – Noradrenalin 288, 325, 332 – O2-Angebot/-Utilisation 279–280 – O2-Parameter 285
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PCWP 288 PGI2 337–338 Phosphodiesterasehemmer 336 Prognose 16 Prokalzitonin 286 Pyruvatdehydrogenase, Hemmung 286 – refraktärer, Definition 6 – Sauerstoff 279 – systemic vascular resistance (SVR) 288 – Terlipressin 335 – Therapie, kausale 340–345 – Therapie-Empfehlungen, Surviving Sepsis Campaign 593–597 – Therapieoptionen 279 – TNF-α 286 – Tropinin 286 – Vasodilatatoren 337–338 – Vasopressin 335–336 – venöses System 51 – Volumenmangel 302 – volumensubstituierter 278 – Kapillarleck/Katecholaminrefraktärität 278 – Volumentherapie 103, 387–388 – Zellstoffwechsel 47–48 – Zytokine 286 – Therapie, Polytrauma 387 – Verlauf, letaler, TNF-α 30 – warmer 278 – Kapillarschocksyndrom 284 Schockleber 422 – MODS 8 Schocklunge 359–396 Schockpankreas, MODS 8 Schüttelfrost, Sepsis 11 Schweregradeinschätzung, Sepsis/ SIRS 64 Score – APACHE-II-Score 19–20, 66, 68, 83, 109, 144–145, 227, 307, 361, 518 – ARDS-Score 361 – Injury Severity Score 346 – Lung Injury Score 362 – MODS-Score 69 – MOF-Score nach Goris 17 – Murray-Score 361–362 – Nottingham Health Profile (NHP) 18 – SAPS-II-Score 68, 83, 109, 361 – Sepsisscore nach Elebute und Stoner 64–65, 83, 109, 227, 361 – Sickness Impact Profile (SIP) 18 – SOFA-Score 17, 68–69, 70, 83, 109 – Systeme 63–72 – Youden-Index 64 Score , APACHE-II-Score 67
SDD s. Darmdekontamination, selektive SDZ219-800 199 second-look-Operationen, Infektionsrisiko 127 Sedierung 596 SEK (stress-activated protein-kinase/ ERK-Kinase) 33 L-Selectin 45 Selen 82, 479–481 – Erkrankungen 479 – Glutathionperoxidasen 479 – Immunmodulation 480 – respiratory burst 480 – Sauerstoffradikale, reaktive 480 Selenoprotein P 479–480 – Thioredoxinreduktase (TrxR) 479 Sensibilitätsstörungen, Critical-illnessPolyneuropathie 464 Sepsis – abdominelle 217 – IgGMA-Präparate, intravenöse 219 – Immunglobulintherapie, adjunktive 234 – intravenöse 231–232 – Pentaglobin 217, 219 – Ablauf, klinischer 7 – ältere Patienten 579–581 – Ätiopathogenese 5 – ambulant erworbene, Antibiotikatherapie/Erreger 93 – Antithrombinspiegel 514 – Anti-TNF-Antikörperfragment, monoklonales 12 – ARDS 272 – Aufnahmeuntersuchung 79–84 – Definition 4–10 – aktuelle 7–9 – qualitative 63 – quantitative 63–72 – im Wandel 4–7 – dentogene/tonsillogene, Antibiotikatherapie/Erreger 94 – Diagnose 67 – ACCP/SCCM-Kriterien, Neutropenie 541 – fakultative 14 – klinische 10–11 – Wertigkeit 13–14 – DRG-basierte Vergütung 146 – endotheliale Dysfunktion 490–492 – Endotoxintranslokation 113 – Energieumsatz 428–432 – Epidemiologie 15, 136–138 – Erkrankungen, Definition 7–9 – Erreger 166
623 Sachverzeichnis
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des Erwachsenen 78–79 Erythrozytentransfusion 316–317 evidenzbasierte Medizin 95 Fokus 4 frühe 79 – IL-1/TNF-α 255–256 Gerinnungsaktivierung 495–496 gramnegative, Granulozyten, neutrophile 209 – i.v.-IgGMA-Gabe 228–229 – Pentaglobin 216 Granulozytopenie, Erreger 166 Hämodynamik 49 Hämofiltration 409–411 Hämoperfusion 414–415 Herzfunktionsparameter 281–282, 304 Herzindex 282 Herzinsuffizienz 282–283 Herz-Kreislauf-Status 279 Herzzeitvolumen 282 Historie 3–4 Hyperinflammation 254, 257 hypodyname, Digitalis 339 IgGMA-Präparate, intravenöse 219 IgG-Präparate, intravenöse 219 IL-6 256 Immunglobuline 208–212, 226 – intravenöse 227–228 Immunglobulintherapie, adjunktive 223 Immunmodulation 268–269 Immunparalyse 254, 257, 270 – G-CSF/GM-CSF 269 – IFN-α 269 Infektionen 158–161 Initialbehandlung 84 Intensivstation, Gesamtaufenthalt 138–139 Inzidenz 14–16 katheterassoziierte s. katheterassoziierte Sepsis Keimspektrum 15 Kindesalter 79, 141 Kohlenhydratstoffwechsel 434–436 Komplementaktivierung 211 Krankenhausliegedauer, lange 136 Krankheitsbilder, kostenintensive 136 Kriterien 64 Langzeitdaten 140 Lebensqualität 140–141 Liegedauer 140 Lungenversagen, akutes 360 Mediatorblockade 267 Mediatoren 24, 28, 403 – Kardiodepression 281
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Methylprednisolon 260 mikrobielle 4 Monitoring 73–75 Mortalität, Gewebefaktorweginhibitor (TFPI) 528 – Methodenänderung 531 Nachlastsenkung 304 Neugeborene 79, 101 neutropenische 540–543 – antimikrobielle Therapie 547 – Diagnostik 545–546 – Epidemiologie 543 – Untersuchung, bildgebende/ endoskopische 547 – mikrobiologische 546 nosokomiale, Antibiotikatherapie 93 – Erreger 93 – Infektionsprophylaxemaßnahmen 122 – Risikofaktoren 154–155 Notaufnahme 84–86 ökonomische Aspekte 141 Östrogene 574 PAF-Antagonisten 262–263 Pathophysiologie 23 Phasen 270 PIRO (prädisponierende Faktoren) 16, 78 Plasmapherese 413 pneumogene, Erreger 166 Polyneuropathie 466 Postintensivstationsphase 585–591 Postintensivstationsverlauf 587 postoperative, Erreger 166 – Immunglobulintherapie, intravenöse 230–231 – Sandoglobulin 218 posttraumatische, Geschlechtsunterschiede 575 prädisponierende Erkrankungen 16 Prävention 153–161 – Krankenhaushygiene 154 Prognose 16 Protein C 518 Proteine, antikoagulante 525–536 Proteinstoffwechsel 432–434 protrahiert verlaufende 270 Pumpfunktionseinschränkung 283 Risikopatienten, kolorektale Operationen 219 Sauerstoffaufnahme 431 schwere 78 – Definition 6 – Häufigkeit 139–140 – Immunglobulintherapie 228 – additive 224
S
– intravenöse 240–241 – Pentaglobin 216 – Therapie-Empfehlungen, Surviving Sepsis Campaign 593–597 – Volumentherapie 103 – Schweregrade 64, 83 – Verlaufsbeurteilung 67 – Stadien nach Bone 9–10 – Stoffwechselveränderungen 427– 455 – superantigenvermittelte 30–31 – Symptome und Zeichen, klinische 11 – TFPI-Pool 516 – TNF-Genlocus 575 – Toxine 24 – Verlauf, Geschlechtsunterschiede 574–575 – Verlaufskontrolle 64 – Verlegung auf die Intensivstation 83 – Volumentherapie 103 – Zytokine 253, 256–257 sepsisbezogener Organversagensscore s. SOFA-Score Sepsisherd 25 – klinisch offenkundiger 13 Sepsis-Leitlinien, international akzeptierte 128 Sepsisprophylaxe 82 – Endoglobulin 216 – Immunglobulintherapie, additive 224 – Intensivpatienten 235 – intravenöse 235–237 – Insulintherapie, intensivierte 126– 129 – Intensivrisikopatienten, GammaVenin 216 Sepsis-Related Organ Failure Assessment Score s. SOFA-Score Sepsisscore nach Elebute und Stoner 64–65, 83, 109, 227 Sepsissubkollektive – IgGMA 231 – Immunglobulintherapie, adjunktive 229–233 – Pentaglobin/Sandoglobulin 231 Sepsistherapie – adjunktive 121–125 – Ansätze 306–308 – Antibiotikagruppen 90 – evidenzbasierte, Empfehlungen 80– 83 – Klassifizierung 78–79 – frühestmögliche 84 – hämodynamische 86 – initiale 85
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Sachverzeichnis
– Mediatorbildung, exzessive, Modifikation 82 – Myokarddepression 343 – supportive 101–102 Sepsisverständnis 79 Septikämie 190 Septiker, Schockkomponente, klassische 277 Septin 27 septischer Schock s. unter Schock Serinprotease 42 – Inhibitoren 45 Serin-Threonin-Kinasen 39 Serratia marcescens – Antibiotikatherapie 96 – Blutkulturisolate 165 serum-amyloid A 37 – precursor 44 Serumglukosespiegel 446 Serumleptinspiegel, erhöhter 43 Serumprocalcitonin 69–71 Serumzytokinspiegel, Aussagekraft, prognostische 71 Sexualhormone, Katabolie 477 sexueller Dimorphismus, Immunantwort 573–574 Shedding, mCD14 194 Shunt, intrapulmonaler, Lungenversagen, akutes 365 Shuntreduktion, Beatmung 372 Sialyl Lewis 45 sICAM-1 (soluble intercellular adhesion molecule-1) 265 Sickness Impact Profile (SIP) 18 Siebkoeffizienten – Hämodialyse 406 – Hämofiltration 406 – High-Flux-Membranen 406 – Plasmapherese 406 S-IgG-Präparate/-Immunglobuline – 5-S-IgG-Präparate/-Immunglobuline 212 – Indikationen 213 – 7-S-IgG-Präparate/-Immunglobuline 210, 213 – Qualitätsanforderungen 213 – Verträglichkeit 213–214 – 19-S-i.v.-Immunglobuline 210 Signaltransduktion – CD14 28 – intrazelluläre, endotheliale Dysfunktion 491 – Rezeptoren, membranständige 46 single-shot-Antibiotikaprophylaxe, PEG 128 Sinusitis 88–89 – beatmungsinduzierte 88
SIRS (systemic inflammatory response syndrome) 78, 112 – Abwehrreaktion 7 – Ätiopathogenese 5 – Definition 5 – aktuelle 7–9 – Diagnose 64 – Epidemiologie 137–138 – herzchirurgische Eingriffe, Immunglobulintherapie, intravenöse 239 – IgGMA-Präparate, intravenöse 219 – IgG-Präparate, intravenöse 219 – Immunglobuline 208–212 – Kardiomyopathie 53, 282 – Letalität 140 – Lungenversagen, akutes 360 – Mediatornetzwerke 24 – NO-Inhalation 383 – Postintensivstationsverlauf 587– 588 – Prävalenz 138 – Prognose 16 – Schock 284 – hypovolämischer 346 – Schweregradeinschätzung 64 – Toxine 24 – Verlaufskontrolle 64 Skelettmuskel – pO2-Werte 301 – Pyruvatoxidation 47 slow compartments 374 Sludge 52 SOD mimetics 39 SOFA-Score 17, 68–69, 70, 83, 109 sol TNF-R 525 – Mortalität 530 Somnolenz, Sepsis 11 Spätletalität, Postintensivstationsverlauf 586–588 Spätmorbidität, Intensivstationspatienten 588 SpeA-Antikörper 209 Sphingomyelinase, neutrale 34 Splanchikusperfusion 421, 424 – Adrenalin 108, 334 – Optimierung 113 – Organdysfunktion 110 Splanchnikusperfusion, Monitoring 297–302 Spontanatmung, erhaltene, Beatmung 372, 375 Sprosspilze, Blutkulturisolate 166 Spurenelemente 478–482 Stäbchenbakterien, gramnegative 94 Stammzellen, hämatopoetische, TNFα-Wirkung 34 Staphylococcus aureus 89, 93–94
– β-Laktamase 564 – Antibiotikatherapie 96, 173 – Blutkulturisolate 165 – Infektionen, neutropenische 543 – kardiovaskuläre Operationen 100 – Katheterinfektionen 122 – Kathetersepsis 157 – Neugeborenensepsis 564 Staphylococcus epidermidis – Infektionen, neutropenische 543 – Neugeborenensepsis 559 Staphylokokken – Kathetersepsis 157 – koagulasenegative 89, 93–94, 157 – Antibiotika 168 – Antibiotikatherapie 96, 173 – Blutkulturisolate 165 – Katheterinfektionen 122 – MHK-Verteilungen 167 – Neugeborenensepsis 564 – Superantigene 30 Staphylokokkenpenicilline 91 Staphylokokken-Toxic-Shock-Syndrom, Immunglobulintherapie, adjunktive 233 STEMI s. ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt Stenotrophomonas maltophila 89 – Antibiotikatherapie 97 Steroide 594–595 Stickoxid s. NO Stickoxid-Synthase s. NOS Stickoxidsynthase, induzierbare s. iNOS Stickstoff, Ausscheidung im Urin 435 Stickstoffbilanz – Ernährungstherapie 439–440 – negative 438, 440 Stickstoffmonoxid s. NO Stickstoffverlust 439 Stoffwechselstörungen 110, 120–121, 427–455 Streptococcus pneumoniae 93 – Infektionen, neutropenische 543 Streptococcus pyogenes 94 – Exotoxin A (SpeA) 209 Streptococcus viridans, Infektionen, neutropenische 543 Streptogramine 91 Streptokokken 89, 93 – Blutkulturisolate 165 – der Gruppe A, Antibiotika 173 – der Gruppe B 558–559, 564, 566 – Antibiotika 173 – β-hämolysierende, Antibiotika 173 – Blutkulturisolate 165 – Neugeborenensepsis 558–559, 564, 566
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– Katheterinfektionen 122 – Penicillin 564 – Superantigene 30 Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom – Endobolin S/D 216 – IgG-Präparate, intravenöse 219 – Immunglobulintherapie 217, 228 – adjunktive 233 – intravenöse 231–232 – Pumpfunktionseinschränkung 283 Streptolysin-O 31 stress response genes 39 Stressblutungen, MODS 16 Stresshormonaktivierung 473–474 Stressulkus 114, 423 – Prophylaxe 83, 85, 125–126, 597 – Pneumonie, beatmungsassoziierte 159 ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt (STEMI) 286–287, 304–305, 309 Stuhlkulturen, Neutropenie 546 Stupor, Enzephalopathie, septische 113 Substanz P 473 Substratverwertung, myokardiale 329 Succinat-Ubiquinon-Oxidoreduktase 40 Sucralfat, Stressulkusprophylaxe 126 Sulbactam 91 Sulfonamid 97 Superantigene 23, 30–31 – und Endotoxine 30 – Infektionen, grampositive 212 Superinfektionen, Neutropenie 545 Superoxidanionen, Mitochondrien 38 Superoxiddismutase 38 – Sepsis, manifeste 264 Surfactantfunktionsstörung, Lungenversagen, akutes 366 Surfactantsubstitution, Gasaustausch, Verbesserung 384 Surveillance, Sepsis, katheterassoziierte 158 SV (echokardiographisch bestimmtes Schlagvolumen) 86 SVR (systemic vascular resistance) 83, 86 – Hämofiltration 410 – Schock, septischer 288 Swan-Ganz-Katheter, modifizierter 346 Sympathikus 307 – Aktivierung 52 β2-Sympathomimetika, Schock, septischer 284 Synkope, Erythrozytenkonzentration 316
systemic inflammatory response syndrome s. SIRS systemic vascular resistance (SVR) 83 – Hämofiltration 410 – Schock, septischer 288
T T3-Spiegel, Abfall 474–475 T4-Spiegel, Anstieg 475 Tachyarrhythmien – Dopamin 108 – Noradrenalin 108 Tachykardie 13, 437 – Erythrozytenkonzentration 316 – Neugeborenensepsis 557 – supraventrikuläre, Pulmonalarterienkatheter 294 Tachypnoe 13, 437 – Neugeborenensepsis 557 TAFI (thrombin activatable fibrinolysis inhibitor) 488, 490 – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 Targetproteine 46 TAT s. Thrombin-Antithrombin-Komplexe Tazobactam 91, 169, 175–176 Teicoplanin 91, 98, 167–168, 183–184 – + Aminoglykosid 96 – FUO 548 Temperaturinstabilität, Neugeborenensepsis 557 Terbutalin, Schock, septischer 284 Terlipressin, Schock, septischer 335 Tetraplegie, Critical-illness-Polyneuropathie 464 TFPI (tissue factor pathway inhibitor) 110, 116, 504 – Gerinnungshemmung, latente 496 – Gerinnungsstörungen 516–517 – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 – rekombinant hergestellter (rTFPI) 517, 528 – Sepsis 516 TGF-β 28, 35 – Infektionen 254 – LPS-induzierte Produktion 190 TGF (transforming growth factor) 254 – Immunglobulinpräparate 210 TGI (Trachealgasinsufflation) 380 Theophyllin 109 – Schock, septischer 284 therapeutische Verfahren, neue, Kosten 144 Therapiebegrenzung 597 Therapie-Empfehlungen, Surviving
S–T
Sepsis Campaign 593–597 Therapiekosten 142 thick filament myopathy 467 Thioredoxin (Trx) 479 Thioredoxinreduktase (TrxR), Selenoprotein 479 Thorax-CT, ARDS 365 Thoraxröntgen, ARDS 365 Thrombin 490 – Endothel, Aktivierung 488 – Kalziumioneneinstrom 489 Thrombin-Antithrombin-Komplexe (TAT) 506 – DIC 505 – Gerinnungsstörungen 509 Thrombinrezeptor 491 – proinflammatorische Kaskade 514 Thrombomodulin 504 – endotheliale Dysfunktion 491 – Expression, verminderte 518 – Gerinnungsstörungen 509 – Gerinnungssystem, Aktivierung 512 – Plasmakonzentration, erhöhte 508 – proinflammatorische Kaskade 514 Thrombopenie 14 Thromboseprophylaxe 83 Thromboxan A2 265, 404, 447 – Arachidonsäure-Kaskade 261 – GPx-Enzyme 479 – Induktion durch TNF 255 – Inhibition, Ibuprofen/Indomethacin 262 – Mikrozirkulationsstörungen 252 – Organversagen 262 Thrombozyten, Substitution, Verbrauchskoagulopathie 498 Thrombozytenaggregation, Hemmung, PGI2 262 Thrombozytenfunktion 507 Thrombozytenzahl – DIC 505 – Pulmonalarterienkatheter 294 Thrombozytopenie 13 – Heparin 115 – schwere, Hantaviren 90 Thymozytenapoptose 47 TH1-Zytokine 38 Ticarcillin-Clavulansäure 95 Tidalvolumen 378 – niedriges, Beatmung 372 Tifacogin 528 – Gerinnungshemmung, latente 496 tissue factor 252 tissue factor pathway inhibitor s. TFPI tissue-type plasminogen activator s. tPA TLR s. Toll-like-Rezeptoren
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TLV (total liquid ventilation) 381–382 TNF 473 TNF-α 24, 28, 31, 71, 438, 441, 490 – älterer Patient 580 – Aktivierung 487 – Alveolarraum 258 – Beatmung 259 – Critical-illness-Polyneuropathie 466 – Enzephalopathie, septische 462 – Gene 32–33 – Geschlechtsunterschiede 574–575 – hämodynamische Veränderungen 23 – Hämofiltration 409–410 – Homotrimere 31 – Kardiodepression 281 – Kardiomyozyten 55 – Katecholaminwirkung 330 – Lipopolysaccharide (LPS) 190 – LPS-induzierte Produktion 190 – Myokarddepression 54 – Neugeborenensepsis 569 – Neutropenie 540–541 – Produktion in der Lunge 258 – LPS-stimulierte 193 – Schock, septischer 278, 286 – Schockverlauf, letaler 30 – Sepsis, frühe 255–256 – Stimulation 489 – Stoffwechselveränderungen 48 – Wirkungen, zelluläre 34 – Wirkungsspektrum 255 – Zink 481 TNF-α-AK 341–342 – Auswurffraktion, rechtsventrikuläre 343 – Gefäßwiderstand, systemischer 343 – Herzindex 343 – Kardiomyopathie, septische 341 – Schlagarbeitsindex, linksventrikulärer 343 – rechtsventrikulärer 343 – Vaskulopathie, septische 341 TNF-β – Gene 32–33 – Geschlechtsunterschiede 575 – Homotrimere 31 – Produktionshemmung durch Immunglobuline 211 – SPA-induzierte Produktion, Hemmung 211 TNF-β2 33 TNF-γ 194 TNF (Tumornekrosefaktor) 254, 404, 488 – Apoptose 32 – Aussagekraft, prognostische 71
– – – – – – – – – –
bronchoalveoläre Lavage 269 Entdeckung 31 Familie 31 Gerinnungssystem, Aktivierung 512 Hämofiltration 408 humaner 31 Lipoproteinlipase, Hemmung 47 Molekulargewicht 405 Nebennierenrindeninsuffizienz 476 prokoagulatorische Aktivität, Endothel 255 – rekombinanter, Zytotoxizität 211 – T3-Spiegel, Abfall 474 TNFB2 72 – Genotyp 33, 72 – Geschlechtsunterschiede 575 TNF-Genlokus 32–33 – Geschlechtsunterschiede 575 – Sepsis 575 TNF/NGF-Rezeptor-Superfamilie 32 TNFn-Polymorphismus (NcoI) 33, 72 TNF-Rezeptoren 28, 31–32, 71 – älterer Patient 580 – CPB-SIRS 72 – Gene 32 – Typ I 31, 33 – Typ II 31 Tobramycin 91 – Endotoxinfreisetzung 173 α-Tocopherol, Sepsis, manifeste 264 Toleranzentwicklung, Katecholaminwirkung 329–333 Toll-like-Rezeptoren (TLR) 28, 193, 202 – abhängige Toxizität, Bakterien 29 – CD14, Signaltransduktor 193–194 tonsillogene Sepsis, Erreger 166 total liquid ventilation (TLV) 381–382 Toxic-Shock-Syndrom – Endotoxin 212 – i.v.-Ig-Indikationen 215 α-Toxin 31 Toxine – ADP-ribosylierende 29–30 – bakterielle 403–404 – mediatorunabhängige Wirkung 251 – Targets und Wirkungsmechanismen 29–31 – Sepsis/SIRS 7, 24 Toxin-/Mediator-Netzwerk, Unterbrechung 121–125 toxisches Schock-Syndrom-Toxin 1 209 Toxixninvasion, Sepsis 7 tPA (tissue-type plasminogen activator) 496, 504 – Gerinnungsstörungen 509
– LPS-induzierte Produktion 190 TPID (transpulmonale Indikatordilution) 295 Trachealgasinsufflation (TGI) 380 TRADD (TNF-receptor-associated through death domaine) 33–34 TRAF2 (TNF-receptor-associated factor) 33 Transferrin – Endotoxinbindung 191 – Neugeborenensepsis 563 transforming growth factor s. TGF transiente ischämische Attacke (TIA), Erythrozytenkonzentration 316 Translokation – Bakterieninvasion 26 – gastrointestinale, MODS 388 Traumapatienten – Immunglobulintherapie, additive 224 – intravenöse 235–237 – Immunprophylaxe, i.v.-IgG-Präparate 219 – Sandoglobulin 218–219 TRH (Thyreoida-stimulierendes Hormon), Infusion 478 Trichosporon 544 Triggersubstanzen 28 Triglyzeridspiegel 446 Trimethoprim-Sulfamethoxazol 97 – Neutropenie 552 Trinkschwäche, Neugeborenensepsis 560 Troponin 288 – Schock, septischer 286 Truncus coeliacus 421 TSH-Spiegel, Abfall 475 Tubulusnekrose, MODS 8 Tumorerkrankungen 99–101 – Neutropenie 540 Tumornekrosefaktor 252 – s. TNF Tumornekrosefaktorrezeptor, löslicher 525 Tumorpatienten, Wachstumsfaktoren 551 Typ-2-Akutphaseproteine 37 Typ-III-NOS 40–41 L-Typ-Kalziumkanäle, Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 Tyrosinkinasen 39 T-Zell-Funktion, Fettzufuhr 447 T-Zell-Rezeptor 44
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U Überblähung, Barotrauma 371 Ulkusblutung 114 uncoupling of biological oscillators 307 Ureidopenizilline 95 Urinkultur – Late-onset-Sepsis 562 – Neugeborenensepsis 562 urokinase plasminogen activator 504 Urosepsis 158–159 – blasenkatheterassoziierte 158–159 – Erreger 166
V vaginale Kolonisation, Neugeborenensepsis 558 VALI (ventilator associated lung injury) 370 Vancomycin 98, 167–168, 183 – FUO 548 – Meningitis, septische 565–566 – Neugeborenensepsis 565–567 – + Rifampicin 96 vascular cell adhesion molecule 1 s. VCAM-1 Vaskulopathie, septische 83 – Blutdruckabfall 333 – Hämofiltration/Plasmapherese 342 – Therapieansätze, kausale 341 vasoaktive Mediatoren, Blockade 267 vasoaktive Pharmaka 108, 334–335 – Blutfluss, regionaler 323 – Endothel 489 – Hämodynamik 320–321 – Rezeptorwirkungen/Primärmechanismus 318 – Wirkprofile 322 Vasodilatation 48–50, 266–267 – Kardiomyopathie, septische 290 – NO-abhängige, Östrogen 574 – PGI2 262 – Schock, septischer 290 – volumensubstituierter 278 Vasodilatatoren – Kardiomyopathie, septische 337– 338 – Schock, septischer 337–338 Vasokonstriktion – selektive 266–267 – Thromboxan A2 262 Vasomotorentonus, Kontrolle 52 Vasomycin 91
Vasopressin 117, 473 – Schock, septischer 335–336 Vasopressoren 81, 594 – Volumensubstitution 594 VCAM-1 44–45 – Endothelaktivierung 508 VCAM (vascular cellular adhesion molecule) 45 – LPS-induzierte Produktion 190 VCV (volume controlled ventilation), Beatmung 373 Veillonellen, Blutkulturisolate 166 Venendruck, zentraler s. ZVD Venenkatheter – periphere, Präventionsmaßnahmen 159 – zentraler s. ZVK Venenkatheterinfektionen – Neutropenie 549–550 – Pflegetechniken 125 – Prävention beim Legen 157 Venenthrombose – Prophylaxe 85, 597 – tiefe 597 venöses System, Schock, septischer 51 Ventilationsunterstützung, Lungenversagen, akutes 369–370 ventilator associated lung injury (VALI) 370 ventilator induced lung injury (VILI) 370 Verbrauchskoagulopathie 497–498 – Definition 497 – Dekompensation 506 – Heparin 513 Verbrennung – Antibiotikatherapie 94 – Erreger 94 Verdünnungthrombozytopenie, MODS 9 Verschlussikterus, Nierenfunktionsstörungen 391 Viert-Generations-Cephalosporine 95 VILI (ventilator induced lung injury) 370 Virusinfektionen 89 – Neutropenie 544–545 Virussicherheit, Immunglobulinpräparate 220 Vitamin C 82 Vitamin E 38, 82 VLDL-Lipoprotein 437 Vollelektrolyte 312 Volumenmangel – Kardiomyopathie, septische 290 – Nierenfunktionsstörungen 391 – Schock, septischer 290, 302
T–X
Volumensituation, Bewertung, klinische 390 Volumensubstitution 51 – Herz-Kreislauf-Dysfunktion 102 – Hypotension, sepsisinduzierte 80 – Kardiomyopathie, septische 310– 345 – Lösungen 312 – kolloide/kristalloide 311–316 – Nierenversagen, akutes 109 – Polytrauma 388 – Schock, septischer 103 – Schockbehandlung 387–388 – Sepsis 103 – Vasopressoren 594 – Zielkriterien 103 Volutrauma – ARDS-Lunge 371 – Beatmung 371 Vorhofflimmern 309 Vorlast 50 Vorlastindikator, kardialer 293
W Wachstumsfaktoren – hämatopoetische, LPS-induzierte Produktion 190 – Neutropenie 551 – Tumorpatienten 551 Wachstumshormon (HGH) 82, 478 – Resistenz 438 Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, Erreger 166 Weaning – ARDS 385 – Beatmung 106, 111, 384–386 – CPAP 385 – critical illness polyneuropathy 385 – PEEP 385 Weichteilinfektionen – Antibiotikatherapie/Erreger 94 – nekrotisierende, Débridement 87 Widerstand, peripherer, Verminderung 50 v.-Willebrand-Faktor, Gerinnungsstörungen 509 WNN1-222 199 Wundinfektionen, nosokomiale 392
X Xanthinoxidase 38
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Y Yersinia enterocolitica – Blutkulturisolate 165 – Infektionen, intestinale 160 Youden-Index 64
Z Zellschädigung, Sepsis 4 Zellstoffwechsel, Schock, septischer 47–48 Zell-Zell-Adhärenz, Adhäsionsmoleküle, Blockade 265 Zephalgien, therapierefraktäre, Hantaviren 90 Zink 481–482 – Plasmodium-falciparum-Infektionen 482 Zitratzyklus 40 ZNS (Zentralnervensystem), TNF-α-Wirkung 34 ZNS-Infektionen 109 ZVD (zentraler Venendruck) 86, 107– 108 – Messung 296 ZVK (zentraler Venenkatheter) 103 – Legen 157–158 – Präventionsempfehlungen 157– 158 Zyklooxygenase-Inhibitoren 344 – Ibuprofen/Indomethacin 262 Zyklooxygenaseprodukte, Arachidonsäuresystem 261 Zysteinylleukotriene 262, 265 Zytokinantagonisten, körpereigene 270 Zytokine 35, 441, 473 – Aktivierung 487 – antiinflammatorische 28, 253–255 – Neutropenie 540 – Blockade 267 – Elimination, Hämofiltration 409 – Enzephalopathie, septische 462 – Geschlechtsunterschiede 574 – Immunglobulinpräparate 210 – Mediatorblockade 253 – Mikrozirkulationsstörungen 252 – Nebennierenrindeninsuffizienz 476 – proinflammatorische 28, 253–255 – ARDS 258 – Gerinnung, Aktivierung 512 – Neutropenie 540 – Therapie 542 – Suppression durch Glukokortikoide 260–261
– Synthese, Endothel 489–490 – Rezeptoren, endokrine Organe 473 – Schock, septischer 286 – Sekretionsverlauf, intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen 257–259 – Organkomplikationen 257–259 – Sepsis 256 – Schlüsselmediatoren 253 – septische Patienten 256–257 – Serumspiegel 71 – Synthese, Zink 481 – T3-Spiegel, Abfall 474 Zytokinfreisetzung – Hemmung, IL-10 256 – LPS-induzierte 191 – Mediatorzellen, aktivierte 211 – Immunglobuline 211 Zytokinneutralisation, klinische Studien 259–260 Zytomegalievirusinfektionen, Neutropenie 544 Zytotoxizität, Tumornekrosefaktor, rekombinanter 211