J.A.Garrett, H. G. Francis
Band 38
Sigam Agelons Ende Im Jahre 1992 gerät die Erde in die jahrtausendealte Auseinande...
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J.A.Garrett, H. G. Francis
Band 38
Sigam Agelons Ende Im Jahre 1992 gerät die Erde in die jahrtausendealte Auseinandersetzung zwischen Orathonen und Laktonen. Unser Planet wäre vernichtet worden, wenn nicht der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Rex Corda, eingegriffen hätte. Corda verbündet sich mit den Laktonen und vertreibt mit ihrer Hilfe die Orathonen. Eigentlich ist Terra innerhalb dieser galaktischen Auseinandersetzung nur ein unwichtiger Planet am Rande der Milchstraße. Aber Rex Corda, zum Präsidenten von Terra gewählt, ahnt bereits, daß die Erde gegen einen dieser galaktischen Riesen die endgültige Entscheidung herbeiführen muß oder untergehen wird. Da erhält Rex Corda die entscheidende Hilfe: Der geniale terranische Wissenschaftler Walter Beckett erfindet einen Kunststoff mit überragenden Eigenschaften. Rex Corda nennt diesen Stoff Becon. Der unzerstörbare Stoff saugt alle Energien wie ein Schwamm in sich auf. Beängstigend ist, daß sich mit Becon das Hirn eines Menschen ebenfalls beeinflussen läßt. Ein Mensch, in den dieser Kunststoff hineinoperiert wird, ist unverwundbar. Sehr schnell haben die Oratho-
nen und Laktonen die Bedeutung dieses Stoffes erkannt. Die Jagd auf Becon beginnt. Dem Flottenkommandeur der Orathonen, Sigam Agelon, gelingt es sogar, sich ein Stück Becon ins Hirn einsetzen zu lassen. Sigam Agelon will mit Hilfe seiner neuen Fähigkeiten die Herrschaft über die ganze Galaxis an sich reißen. Er versucht, das Reich der „Zeitlosen", der Wächter über die gesamte galaktische Ordnung, zu zerstören. Rex Corda eilt den „Zeitlosen" mit dem Raumschiff „Walter Beckett" zu Hilfe. Er bekämpft Sigam Agelon mit zäher Geduld und besiegt ihn! Der Orathone ist bewußtlos und der Gefangene der „Zeitlosen". Inzwischen müssen die Terraner immer wieder erkennen, daß die „Zeitlosen" gar nicht mehr der Rolle als mächtige Bewacher der galaktischen Gesetze gerecht werden. Obwohl sich die „Zeitlosen" in beispielloser Arroganz immer noch überlegen fühlen, sind sie in Wirklichkeit degeneriert und zu schwach, um den Zusammenbruch ihres Reiches zu verhindern. Doch noch einmal wollen die „Zeitlosen" ihre frühere Macht ausspielen. Sie verurteilen Sigam Agelon zur „Endlosen Strafe"...
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . geht in den schwersten Kampf Sigam Agelon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . für ihn gibt es keinen Ausweg mehr Dragamur . . . . . . . . . . . . . der Weise der Galaxis hat einen genialen Plan Jakto Javan . . . . . . . . . . . . . . . der laktonische Schento greift die Erde an Ierra Kretan . . . . . . . . . . die schöne Mathematikerin sorgt sich um Corda Dira Riid . . . . . . . . . . . . . . die Agentin will die Becon-Formeln vernichten Rex Corda und John Haick warteten am Hauptschott der „Walter Beckett". Ein kühler Luftzug strich den Männern über das Gesicht. Dunkel und sternenlos war die Nacht auf dem Sauerstoffmond Simlar. Der weite Platz zwischen der „Walter Beckett" und den vier Pyramidenschiffen der „Zeitlosen" war in grellsten Lichtschein getaucht. Die Strahlen rissen die Gefängnisplattform, die die „Zeitlosen" erbaut hatten, um Sigam Agelon zu bestrafen, aus der Schwärze. An der untersten Stufe des Ausstiegs wartete der „Zeitlose" Taima. Zwei Ba-3-Roboter brachten Sigam Agelon. Mit wenigen Worten klärte Corda die beiden Bedienungsroboter über ihre Aufgabe auf. Die beiden Stahlkolosse brachten Sigam Agelon nach unten. Wie eine Puppe bewegte sich der einst so mächtige Orathone, der sich schon als Herrscher des Universums gesehen hatte, zwischen den beiden Robotern auf die Gefängnisstation zu. Rex Corda und John Haick folgten stumm nach. Ralf Griffith, der schlanke Offizier, blieb im hellerleuchteten Quadrat des Schotts zurück und blickte der Gruppe nach. Der „Zeitlose" Taima ging zwei Schritt hinter den Terranern her. In einem weiten Halbkreis umstanden unzählige „Zeitlose" die Gefängnisstation. Stumm und mit ernsten, triumphierenden Gesichtern blickten sie dem Orathonen entgegen. Zwei Roboter der „Zeitlosen" über-
nahmen kurz vor der Plattform Sigam Agelon und schafften ihn zu dem klobigen Stuhl mitten zwischen den Holografenschirmen. Rex Corda und seine Begleiter blieben auf der Grenze zwischen Licht und Schatten stehen. Taima ging an ihnen vorüber. Aufmerksam achtete er darauf, daß Sigam Agelon in der richtigen Stellung auf den Stuhl gesetzt wurde. Projektoren begannen zu summen, und die ersten unsichtbaren Energieschauer strichen über den Orathonen hinweg. Sie waren für den geschwächten Körper schon stark genug, um ihn in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Die beiden Roboter der „Zeitlosen" sprangen von der Plattform zurück, ehe sich die fesselnden Energieschauer weiter verstärkten und die gefürchtete Energiekuppel sich aufbaute, aus der es kein Entrinnen mehr gab. Relais klickten, Kontrollichter blinkten in unregelmäßigem Rhythmus auf, die Holografenschirme, die den Orathonen umgaben, begannen zu flackern, ohne jedoch ein Bild zu zeigen. Schwebende Kameras, sogenannte „Augen", trugen die Geschehnisse auf die Holografenschirme der „Walter Beckett" und auch weit in den Raum hinaus, wo das Gros der „Zeitlosen"Flotte auf den Abschluß der Aktionen gegen den Verurteilten wartete. Die gewaltige Technik, die den Agelon jetzt umgab, begann zu arbeiten. Die ausgeklügelte Maschinerie versorg-
te von diesem Zeitpunkt an über das Atmungssystem den Körper des Verurteilten mit allem, was er benötigte. Starr und reglos saß der Agelon auf seinem klobigen Metallsitz, nur seine Augen schienen zu leben. Mit fester Stimme hielt Taima die Anklagerede gegen den verurteilten Orathonen, der jetzt die „Endlose Strafe" erhielt. Im einzelnen zählte der „Zeitlose" die Punkte auf, gegen die Sigam Agelon verstoßen hatte. Er nannte die gefährlichen Hyperraumsprünge in der Nähe bewohnter Welten, er wies auf das Anpflanzen der semibiotischen Kolonien hin, mit denen Sigam Agelon die Bewohner der Erde in tödliche Gefahr gebracht hatte — und als letztes und größtes Verbrechen bezeichnete der „Zeitlose" die Schuld am Untergang der Raumvakuole. In allen Einzelheiten wies Taima anschließend den Orathonen darauf hin, was die „Endlose Strafe" war. „Mindestens zehntausend Jahre wirst du zu leben haben, Orathone", stieß er hart und mit lauter Stimme zum Abschluß seiner Anklagerede hervor. „So lange wird dein Leben von der komplizierten Maschinerie erhalten werden. Deine Leiden werden unvorstellbar sein. Alles wirst du verfolgen, aber in keines der galaktischen Geschehnisse eingreifen können. Du wirst dich nicht bewegen können!" Und dann wandte sich Taima an Rex Corda. „Jetzt sind Sie an der Reihe, Sir. Nehmen Sie die Station in den Traktorstrahl und bringen Sie sie hinaus in den freien Raum. Die Station wird während der Beschleunigung das Verkleinerungsfeld passieren. Als Miniatursatellit wird sie schließlich um die Sonne ,Fatties' kreisen." Er forderte die Umstehenden auf zurückzutreten.
„Zeitlose" und Terraner wichen dreißig, vierzig Schritte zurück. Dann trat ein Fernlenkmechanismus in Aktion, und die zehn Meter große Station hob sich mit Hilfe der schwachen Treibsätze von dem Gestell ab, auf dem sie errichtet worden war. Sie stieg zwei Meter über das Gerüst, schwenkte herum und sank dann langsam wieder dem Boden Simlars zu. Nur einen Meter über der Oberfläche glitt die Gefängnisstation auf die „Walter Beckett" zu und landete schließlich in einer Entfernung von fünf Metern hinter einer der mächtigen Kugeln. „Beeilen Sie sich, Sir", sagte Taima mit harter Stimme zu Corda. „Das ,Hirn' will nicht länger warten. Sofort nach Erreichen der Umlaufbahn werden die Schiffe der ,Zeitlosen' aufbrechen." * In einer Entfernung von nur fünfhundert Metern folgte die Gefängnisstation der „Walter Beckett" im Traktorstrahl nach. Vor dem terranischen Flaggschiff verließen die vier Pyramidenschiffe der „Zeitlosen" den Sauerstoffmond Simlar. Das Gros der „Zeitlosen"-Flotte hatte sich im südlichen Raumbereich über dem Mond formiert. Sie lagen hintereinander wie eine mehrgliedrige Kette. Ein Pyramidenschiff wartete etwa 5000 Kilometer hinter der Flotte auf die „Walter Beckett". Dieses Pyramidenschiff war bereit, die Verkleinerungsstrahlen einzusetzen, sobald die Gefängnisstation in ihre Kreisbahn um die Sonne „Faules" geschleudert wurde. Ernst und verschlossen stand Rex Corda vor dem Bildschirm. Keine zwei Schritt von ihm entfernt befand sich John Haick. Über eine Holografenverbindung meldete sich jetzt aus einem der voraus-
fliegenden „Zeitlosen"-Schiffe Taima. Er verlangte von Corda, alles für den Abschuß bereitzumachen. Während die vier vorausfliegenden Schiffe seitlich ausscherten, verringerte Bekoval die Geschwindigkeit der „Walter Beckett". Der graugepanzerte Hantelraumer stand schließlich antriebslos im All. Seitlich formierte sich die Flotte der „Zeitlosen", und vor der „Walter Bekkett" hing regungslos eine der stumpfen Pyramiden. An dieser Pyramide ging jetzt eine Veränderung vor sich. Am stumpfen Ende des Schiffes öffnete sich der grünlich flimmernde Schutzschirm. Ein dunkelroter Strahl zuckte aus einer breiten Öffnung und wurde zu einem langgezogenen Oval. Keine dreitausend Kilometer von der „Walter Beckett" entfernt, formte sich ein kräftiges rotes Lichtfeld. Rex Corda hatte dieses Lichtfeld in guter Erinnerung. Unter einem solchen Feld hatte man auch ihn zweimal verkleinert, einmal, als er in das „Hirn" eindrang, um es vor den lebensgefährlichen Parasiten zu befreien, ein zweites Mal, als er in das Nervenzentrum Sigam Agelons vorstieß und die entscheidenden Nervenverbindungen zur Becon-Platte kurzschloß. Aus den „Zeitlosen"-Schiffen liefen die erforderlichen Daten ein. Die Computer arbeiteten unaufhörlich, die hellroten Synopsen wurden schmatzend ausgeworfen. Abschußwinkel, Beschleun igungskapazität und Kreisbahn wurden genau berechnet. Dann war es soweit! Aus den maßgeblichen Abteilungen der „Walter Beckett" liefen die Klarmeldungen ein. Die Gefängnisstation Sigam Agelons wurde mit dem Traktorstrahl näher an die „Walter Beckett" herangezogen. Lautlos zog die Plattform bis zum Mit-
telstück vor. Dann gab Corda den Befehl, den Traktorstrahl umzupolen. Die gewaltige Kraft, die eben noch die zehn Meter durchmessende Gefängnisstation gefesselt hielt, wurde plötzlich zur Faust eines Titanen. Die Plattform wurde mit ungeheueren Werten beschleunigt und raste wie ein Blitz auf das gewaltige rote Lichtoval zu. Stumm und ernst verfolgten die Männer in der Kommandozentrale die Vorgänge auf dem Hauptholografen. Sigam Agelons Gefängnisstation raste in das dunkelrote Lichtfeld hinein. Ein ungeheuerliches Geschehen lief ab. Während ihres Fluges durch das Lichtfeld begann die Station zu schrumpfen. Sie hatte noch nicht die Mitte des Strahlenfeldes erreicht, da war sie nur noch halb so groß. Je tiefer sie in das Oval eindrang, desto mehr schien sich die verkleinernde Kraft zu potenzieren. Die eben noch zehn Meter durchmessende Plattform hatte jetzt nur noch die Größe einer Apfelsine, wurde nun groß wie eine Traube — und schrumpfte weiter. Als Gewehrkugel mit einem Umfang von etwa l cm verließ der miniaturisierte Sigam Agelon das rote Strahlfeld. Zwei Minuten später erreichte er die genau berechnete Umlaufbahn um „Fatties" Sonne. Rex Corda und John Haick sahen sich an. Sie waren die einzigen, die wußten, daß an dieser Gefängnisstation Manipulationen vorgenommen worden waren. John Haick hatte ein Elektronenrelais so geschaltet, daß es in kurzer Zeit zu einem Defekt kommen mußte. Sigam Agelon würde nicht „endlos" zu leiden brauchen... * Sein Kopf sah aus wie der einer Eule.
Anstelle der Arme hatte er weinrote Schwingen. Das Wesen, das halb Mensch, halb Vogel war, hieß Dragamur. Zehntausend Jahre lang war Dragamur, das Genie der Galaxis, in seinem Gefängnis bewegungslos durch das All geflogen. Die „Zeitlosen" hatten ihn zur „Endlosen Strafe" verurteilt. Ungerechterweise! Dragamur hatte sich als Wissenschaftler mit dem Problem der Unsterblichkeit befaßt. Die „Zeitlosen" wollten von ihm die Lösung des Problems. Dragamur konnte sie ihnen nicht geben, weil seine Forschungen noch nicht abgeschlossen waren. Daraufhin hatten die „Zeitlosen" ihn zu der gleichen Strafe verurteilt, zu der sie jetzt Sigam Agelon verdammten. Dann war das Reich der „Zeitlosen", die Raumvakuole, zusammengebrochen. In den entfesselten Gewalten geriet Dragamurs Gefängnisstation aus ihrer Umlaufbahn. Er konnte sich wieder bewegen. Das Genie der Galaxis hatte in den 10 000 Jahren, in denen sein Körper bewegungsunfähig, sein Geist aber rege war, auf den Holografenschirmen alle Ereignisse verfolgen können. Er hatte Rex Cordas Kämpfe gegen den wahnsinnigen Orathonen Sigam Agelon genauso miterlebt wie die Aktionen der „Zeitlosen". Dragamur hatte 10 000 Jahre Zeit gehabt, in denen er hören und sehen und denken konnte. Er hatte immer gehofft, sich eines Tages wieder bewegen zu können, der Gefängnisstation zu entkommen. Seine Hoffnung war nie gestorben. Und als es dann soweit war, als die Energiebeben seine Gefängnisstation aus ihrer Umlaufbahn rissen, hatte der Vogelmensch seine bis ins Detail ausgeklügelten Pläne verwirklicht. Er landete auf Simlar und baute seine
Gefängnisstation um. Es gab für das Genie der Galaxis keine technischen Schwierigkeiten. Er entwickelte einen Apparat, der es ihm ermöglichte, auf das parapsychische Bewußtsein der Riesenspinnen Simlars einzuwirken. Mit Hilfe dieser Spinnen konnte Dragamur sich similarisieren — an einen anderen Ort versetzen lassen. Jetzt war Dragamur bereit, seinen Racheplan auszuführen. Er arbeitete ununterbrochen. Jetzt mußte es Schlag auf Schlag gehen, wenn sein Plan von Erfolg gekrönt sein sollte. Dragamur arbeitete in völliger Dunkelheit, doch seinen Augen entging nichts. Er hatte drei der roten Riesenspinnen am Dschungelrand zusammengezogen. Während der letzten zwei Stunden hatte er sein Steuergerät so weit verbessert, daß er mit einem Minimum an eigener geistiger Anstrengung eine intensive Reizung des parapsychischen Bewußtseins der Giga-Spinnen erreichte. Dragamur hatte sein Steuergerät aus der Station ausgebaut. Er rollte die Kabel achtlos zusammen. Jetzt kam es nicht auf Schönheit an, sondern auf Schnelligkeit. Ein kühler Wind strich über ihn hinweg, fächelte seine weinroten Federn. Dragamur nahm einen Energiesatz aus den Antriebsblöcken der ehemaligen Gefängnisstation heraus. Er klemmte ihn an das Steuergerät, das ihm bis zu den Knien reichte und etwa einen Meter breit war. Unzählige Relais, Kabelverbindungen und aus Plastikmaterial geformte Trichter waren in sinnverwirrender Vielfalt in das primitive Gestell eingebaut. Doch jedes Teil erfüllte einen genauen Zweck. Keine Verbindung, kein Relais, kein Transformator und kein Generator war unwichtig.
Dragamur stellte das Steuergerät auf die drei heftig atmenden Spinnen ein, die wie pulsierende Hügel an der Wildniszone lagen. Er erreichte mühelos das Bewußtsein der Spinnen, verstärkte in ihnen den Glauben, ausreichend Sauerstoff zur Verfügung zu haben. Er fühlte die Zufriedenheit der GigaSpinnen. Der Atem der drei roten Riesen wurde ruhiger. Ein geringer Impuls genügte jetzt, um sie darauf vorzubereiten, was er von ihnen wollte. Die Hypnostrahlen erreichten das parapsychische Bewußtsein. Dragamur hatte bewußt drei Spinnen eingesetzt, um das zu erreichen, was er vorhatte. Er schloß für eine Sekunde die Augen, er konzentrierte sich auf ein bestimmtes Raumschiff der „Zeitlosen" und gab dann den Spinnen den Befehl, die Similarisation einzuleiten. Er fühlte plötzlich ein Rauschen in seinem Bewußtsein, als würde ein ungeheurer Orkan auf ihn zukommen. Er atmete tief durch, und er dachte daran, daß jetzt der gefährlichste Teil seines Unternehmens vor ihm lag. Dann schlug die Luft über der Stelle zusammen, an der er noch eben gestanden hatte. Dragamur und sein Steuergerät waren verschwunden. Die atomare Struktur seines Körpers und die des Steuergerätes fügten sich in der gleichen Sekunde an einem anderen Ort wieder zusammen. Dragamur materialisierte sich mitten im Schiff der „Zeitlosen". * Dragamur hielt unwillkürlich den Atem an, als er die Kabine erreichte, hinter der er das „Hirn" fühlte. Er erinnerte sich genau an die Holografenberichte, die er während seiner
Gefangenschaft in der Station empfangen hatte. Er wußte, daß drei „Zeitlose" das „Hirn" hüteten, daß sie die lebensnotwendigen Verbindungen kontrollierten und das „Hirn" während der Zeit ihrer Wache keine Sekunde aus den Augen ließen. Es sei denn, das „Hirn" befehle es selbst... Dragamur verstärkte seine suggestiven Gedanken auf den fernen Apparat, der die verstärkten Hypnostrahlen mit Hilfe der Giga-Spinnen jetzt auf das „Hirn" abstrahlte. Die Tür öffnete sich vor ihm. Die „Zeitlosen" hasteten an ihm vorüber. Das „Hirn" mußte ihnen den Befehl dazu gegeben haben. Dann ging er in den halbdunklen Raum. In einem Spezialgestänge ruhte das „Superhirn" der „Zeitlosen". Unzählige Verbindungen führten zu dem „Hirn", versorgten es mit allem, was es zu seiner Existenz benötigte. Lautlos schloß Dragamur die Tür hinter sich. Er bewegte sich in der Gestalt eines „Zeitlosen" auf das „Hirn" zu, das fast einen Meter Durchmesser hatte. Das „Hirn" fühlte die Nähe Dragamurs, aber es konnte keine freien Entscheidungen mehr treffen und keine Botschaften mehr absetzen. Dragamur hielt es fest unter seinem hypnotischen Bann. Schweigend löste er die Verbindungen, die zum „Hirn" führten. Er achtete sorgfältig darauf, daß die dünnen, lebensnotwendigen Speicherkabel erhalten blieben. Diese fingerdicken Kabel waren ein natürlicher Schutz, der auch dann die Existenz des „Hirns" erhielt, wenn die Hauptverbindungen unterbrochen wurden. Logisch und konsequent ging Dragamur vor. Er fühlte einen leisen Protest in sich aufsteigen, doch das „Hirn" war nicht in der Lage, Macht über Dragamur
zu gewinnen. Mit der Präzision einer Maschine löste er alle Verankerungen. Er war so in seine Arbeit vertieft, daß ihm entging, wie sich rasche Schritte der Kabine näherten! * Dragamur wirbelte herum, als er die Bewegung von der Kabinentür her vernahm. Ein „Zeitloser" trat in den Raum. Offenbar war er den grundlos davoneilenden Wächtern begegnet und mißtrauisch geworden. Als er sah, daß das „Hirn" aus sämtlichen Verbindungen gelöst war und praktisch nur durch die Speicherkabel weiterexistierte, kam ein dumpfes Stöhnen über seine bleichen Lippen. Er war sekundenlang wie gelähmt, unfähig sich zu rühren, unfähig, zu begreifen, was hier vorging. Er stand einem „Zeitlosen" gegenüber, einem Verräter, einem Abtrünnigen, der einen Anschlag auf das „Hirn" vorhatte! Dragamur wußte, daß er verloren war, wenn er jetzt eine Sekunde zu lange zögerte. Er war unbewaffnet, seinem Gegner hilflos ausgeliefert. Er hatte nur seinen Geist zur Verfügung, der ihn jetzt retten konnte. Er konzentrierte sich auf seine hypnotische Kraft, die den parapsychischen Pol mit Hilfe der Spinnen und des Steuergerätes errichten konnte. Er hatte nur Sekunden Zeit! Der „Zeitlose" löste sich aus der Erstarrung. Seine Rechte zuckte zur Waffe. Er riß den stabförmigen Strahler aus dem Gürtel und legte auf Dragamur an. Ein dunkelroter Strahl raste auf den Metamorphen zu. *
Beide Ereignisse traten zur gleichen Zeit ein. Der Similarisationseffekt wurde in dem Moment wirksam, als der tödliche Strahl auf die Stelle krachte, an der Dragamur noch eben mit dem aus der Verankerung gelösten „Hirn" gestanden hatte. Die Stelle war leer! Der dunkelrote Strahl brannte ein faustgroßes Loch in die Supermetallschicht, und rotglühendes Metall tropfte wie ein zäher Brei zu Boden. Der „Zeitlose" stieß einen geilenden Schrei aus, als er erkannte, daß das „Hirn" verschwunden war! * Dragamur schloß sekundenlang zitternd die Augen. Er hatte es geschafft. Er befand sich in der Gefängnisstation. Das „Hirn" der „Zeitlosen" war wohlbehalten mit ihm angekommen. Es lag jetzt mitten auf dem klobigen Metallsessel, auf dem er, Dragamur zehntausend Jahre lang unschuldig gelitten hatte. Mit raschen, aber keineswegs übereilten Bewegungen schaffte der Vogelmensch, der seine Originalgestalt wieder angenommen hatte, die lebensnotwendigen Verbindungen. Die Plastikschläuche blähten sich auf. Dragamur schloß die Schläuche und Kabel an das lebensnotwendige Sauerstoffsystem an. Er hatte die Vorarbeiten schon in den ersten Stunden seines Aufenthaltes auf Simlar abgeschlossen, Von der ersten Sekunde seiner Freiheit bis jetzt hatte er nicht ein einziges Mal daran gezweifelt, daß seine Mission fehlschlagen könne. Alles war genau und eiskalt vorbereitet worden. Seit Jahrtausenden schon stand der Plan fest.
Die Batteriesätze ergänzten die Kraft der Ausgleichsgeneratoren, die er in sein Steuergerät eingebaut hatte. Dragamur löste den hypnotischen Bann von dem „Hirn", während er einen Batteriesatz schaltete, damit das Energiefeld sich aktivierte, das das „Hirn" nun für alle Zeiten auf den klobigen Stuhl fesselte. Ein sanftes Summen erfüllte die kleine, von Holografenschlrmen umgebene Kabine. Das Energiefeld richtete sich auf. Das „Hirn" war an das Versorgungssystem angeschlossen. Dragamur fühlte plötzlich den Einfluß. Es waren fremde Gedanken. Dragamur hatte eine halbtelepathische Verbindung zum „Hirn". „Du bist ungerecht, du schädigst mich." Das „Hirn" protestierte gegen die Behandlung, die es durch Dragamur erfuhr. Dragamur blieb ungerührt. „Ich schädige dich nicht", sagte er. „Ich strafe lediglich. Ich bestrafe dich für die Ungerechtigkeit, die ich erdulden mußte." Ein Aufruhr zorniger, abwehrender Gedanken erfüllte das Bewußtsein des Vogelmenschen. Er fuhr unbeirrt fort: „Ich räche mich für mein Volk, das in einen ungerechten Krieg gezogen wurde. Ich räche mich für meine Freunde, die die Welt der Tha-Khoms nach einem entsetzlichen Massaker verlassen mußten und irgendwo in der unbekannten Tiefe der Galaxis nach neuem Lebensraum suchten. Ich räche mich für die Qualen, die ich ungerechterweise ertragen mußte. Du bist der Denker, der Führer, das hohe, allmächtige Wesen der ,Zeitlosen'. Sie haben sich immer nach dir gerichtet. Du sollst gerechterweise das ertragen, was ich ungerechterweise 10 000 Jahre ertragen mußte."
* Ein langgezogener Schrei gellte durch die „Walter Beckett". Die „Zeitlosen" rannten durcheinander. Einer schrie mit aufgeregter Stimme in der Sprache der „Zeitlosen". Die elektronischen Übersetzer Cordas und Haicks sprachen an. „Das ,Hirn' ist verschwunden!" Eine Bombe schien in die „Walter Beckett" eingeschlagen zu sein. Schreie wurden laut, ein heilloses Durcheinander herrschte plötzlich. Einige „Zeitlose" blieben wie zu Stein erstarrt stehen. Sie schienen plötzlich nicht mehr zu wissen, was sie mit sich anfangen sollten. Panik erfaßte die „Zeitlosen". Nur Taima schien einer der wenigen zu sein, die auch jetzt noch nicht aufgaben. Er zog seine stabförmige Waffe und richtete sie auf Corda. „Ich werde von dieser Waffe Gebrauch machen, wenn Sie nicht genau das befolgen, was ich von Ihnen verlange. Aktivieren Sie sämtliche Funk- und Tasterstationen. Ich verlange von Ihnen, daß Sie sich an der Suche nach dem ,Hirn' beteiligen!" „Zeitlose" erschienen auf der Kommandobrücke, zogen sich lautlos und völlig verwirrt wieder zurück. Manche nahmen abwesend einen Befehl Taimas entgegen und verschwanden wieder. Alle „Zeitlosen"-Schiffe wurden für die Suche nach dem „Hirn" eingesetzt. John Haick hatte den gesamten Ortungsmechanismus der „Walter Beckett" auf Cordas Befehl hin auf die Suche ausgerichtet. Schließlich entdeckten sie die Gefängnisstation, die im Raum kreiste. Taima verlangte sofort die Bekanntgabe der Ortungsdaten. Auf Grund der Daten war es der Ortungsstation mög-
lich, das gleiche Holografenbild zu empfangen wie die „Zeitlosen"-Schiffe. John Haick schaltete unzählige Verstärkerstationen dazwischen, Sektorenvergrößerungen rissen das Bild greifbar nahe auf die Holografenschirme. Rex Cordas Augen verengten sich, als er erkannte, daß das „Hirn" sich in dieser Gefängnisstation befand. „Wir holen die Station sofort zurück!" befahl Taima über eine Holografenverbindung den „Zeitlosen"Schiffen. Er sah das „Hirn", das reglos unter dem Energiefeld lag, zur „Endlosen Strafe" verurteilt! Klar und verzerrungsfrei war das Bild, das auf den Holografen der „Walter Beckett" zu sehen war. Mit ernstem Gesicht verfolgte Corda, wie sich einzelne Schiffe aus dem Verband der „Zeitlosen" lösten und sich der Kreisbahn um die Sonne näherten. Da gellte ein ohrenbetäubendes „Nein!" an seine Ohren! Corda warf seinen Kopf herum, folgte dem Blick Taimas, der nach dem Aufschrei zu einer Statue geworden zu sein schien. Im gleichen Augenblick begriff Corda, daß die Schiffe der „Zeitlosen" zu spät kommen würden. Etwas Unfaßbares geschah! * Wie im Traum hob Sigam Agelon seine rechte Hand. Er konnte es nicht fassen. Er konnte sich bewegen. Die „Zeitlosen" hatten versagt! Erschreckt sah er hoch, als der rötliche Schein der Energiekuppel sich verstärkte. Sigam Agelon ahnte nicht, daß der Defekt auftrat, den der Physiker John Haick nach Rex Cordas Wunsch manipuliert hatte.
Ein Elektronenrelais fiel aus. John Haick und Rex Corda hatten Sigam Agelon vor der „Endlosen Strafe" bewahren wollen. Der Schutzschirm wurde plötzlich porös. Es blieben dem Orathonen noch ganze zwei Sekunden, um zu erkennen, was sich jetzt ereignete, ehe der Tod wie mit einem Riesenmesser den hauchdünnen Faden vom Leben zum Tod trennte. Er sah plötzlich den riesigen grauen Berg vor sich aufquellen. Sigam Agelon begriff, daß es sich um die normalgroße Gefängnisstation handelte, die Dragamur in eine Umlaufbahn um die Sonne „Fatties" gebracht hatte. Er erkannte noch das Ungeheuerliche, das sich ereignen mußte. Doch er erlebte es nicht mehr. Sein Energieschirm wurde plötzlich hauchdünn wie eine Seifenblase. Weltraumkälte trat ein. Sigam Agelon war sofort tot. Er bemerkte nicht mehr, wie seine winzige Station, die nur die Größe einer Gewehrkugel hatte, plötzlich wirklich zu einer Gewehrkugel wurde. Mit ungeheuerer Geschwindigkeit schlug die winzige Kugel durch den Schirm, der die entgegengesetzt rotierende Station umgab. Die Miniaturgefängnisstation und die normalgroße Gefängnisstation, in der das „Hirn" untergebracht war, kollidierten. Die Kugel fegte wie ein Geschoß in den riesigen, grauen pulsierenden Berg. Das „Hirn" der „Zeitlosen" starb! * In der Kommandozentrale der „Walter Beckett" hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Alles Leben schien in diesen Sekunden aus den Körpern der „Zeitlosen" zu weichen.
Taima ließ die Waffe sinken, sie entglitt seinen Händen und fiel scheppernd zu Boden. Er starrte auf den Holografen, der das grausige Geschehen widerspiegelte. Verzweiflung und Furcht las Corda in den Augen Taimas. Die „Zeitlosen" waren am Ende. Sie wußten nicht mehr, was sie tun sollten. Ein „Zeitloser" nach dem anderen löste sich jetzt aus der Kommandozentrale der „Walter Beckett". Sie verließen das Schiff, ohne daß auch nur ein einziges Wort fiel. Die Pyramidenschiffe vor der „Walter Beckett" stiegen in den dunklen Himmel Simlars. Die Flotte über dem Sauerstofimond setzte sich in Bewegung. Die „Zeitlosen" verließen das System. In panikartiger Flucht brachen sie in die Tiefen der Galaxis auf . . . * Dragamur stand Rex Corda in seiner Originalgestalt gegenüber. Der Vogelmensch hatte sich, nachdem er die Gefängnisstation mit dem „Hirn" in eine Umlaufbahn gebracht hatte, an Bord der „Walter Beckett" versetzt. Das aus der Gefängnisstation ausgebaute Steuergerät und einen komplizierten Apparat hatte er mit an Bord des terranischen Flaggschiffs similarisiert. Eine unendliche Ruhe war in den großen grasgrünen Augen des Vogelmenschen zu lesen. Dragamur überreichte Rex Corda ein Tonband, das er nach Abschluß seiner Aktionen besprochen hatte. „Ich habe mich in die Kabine des telepathisch begabten Delphins, den Sie Wabash nennen, versetzt. Ich konnte eine telepathische Verbindung mit Wabash aufnehmen. Auch Ihren Bruder
Kim habe ich schon kennengelernt, Sir", sagte Dragamur in einwandfreiem Englisch. Dann erzählte er alles, was sich ereignet hatte. Zum Schluß meinte er: „Sie haben mich befreit, Sir. Wenn Sie nicht gegen Sigam Agelon gekämpft hätten, kreiste ich heute noch, zur ,Endlosen Strafe' verdammt, durch den Raum. Ich danke Ihnen, Sir, daß Sie mich befreit haben. Auch ich möchte Ihnen einen Dienst erweisen. Ich möchte Sie warnen, Sir, warnen vor einem großen und grausamen Feind." „Warnen?" fragte Corda überrascht. „Vor welchem Feind?" „Sie müssen mit einem gefährlichen Angriff der Orathonen rechnen", fuhr Dragamur mit ernster Stimme fort. „Orathon hat entdeckt, daß die BeconFormel auf der Erde zu finden ist! Orathon wird sich diesmal nicht mit Agenteneinsätzen begnügen, sondern die Erde gnadenlos vernichten." In Cordas blauen Augen blitzte es auf. „Woher haben Sie diese Informationen?" fragte er tonlos und blickte den Vogelmenschen verwundert an. „Ich weiß es, Sir, ich habe zehntausend Jahre das Geschehen weiter Teile der Galaxis über die Holografenschirme der Gefängnisstation verfolgt." Mehr antwortete Dragamur nicht. Er wies auf das Tonband. „Auf diesemBand werden Sie alle Informationen finden, die Sie benötigen." Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann begann Dragamur abermals zu sprechen: „Ich werde mein Volk wohl niemals wiederfinden. Ich wäre glücklich, Sir, wenn Sie mich mitnehmen würden. Vielleicht kann ich einmal Terraner werden." „Ich freue mich, wenn Sie mit uns nach Terra zurückkehren", entgegnete Corda prompt. „Danke", sagte Dragamur. Er klapperte aufgeregt mit dem Schnabel.
„Sir, ich habe gleich einen Vorschlag, der beweist, daß ich mich schon beinahe als Terraner fühle: Die Erde ist arm. Jedes Raumschiff ist für Sie nach den Zuständen, die Orathonen und Laktonen hinterlassen haben, von größter Kostbarkeit. Die Erde ist im Aufbau begriffen. — Ein orathonisches Wrack wurde aus der Raumvakuole ausgestoßen. Dieses Wrack treibt langsam auf die Sonne zu. Es ist möglich, daß wir dort noch mehrere intakte Diskusraumer finden. Die könnten wir doch mit zur Erde nehmen." Corda war sofort bereit. Wenig später jagte ein Pon-Diskus in den stillen Himmel Simlars. An Bord des Viermann-Landungsbootes befanden sich Dragamur, Rex Corda und John Haick. Sie unterhielten sich angeregt während des Fluges zum Wrack. Dragamur schien in bester Stimmung zu sein. Eingehend schilderte er noch einmal die Geschichte seines Volkes und alles, was nach seiner Befreiung von der „Endlosen Strafe" passiert war. Er erklärte, wie es ihm möglich war, seine Gestalt zu verändern, und er gab sogar Proben seiner Fähigkeit. Als Corda sich einmal zufällig zur Seite drehte, sah er links John Haick neben sich sitzen. Aber John hatte doch eben noch rechts von ihm gesessen! Corda warf seinen Kopf herum. Und auch dort saß John Haick! Dragamur hatte abermals eine Metamorphose eingeleitet. Der Vogelmensch befand sich in ausgelassener Laune. Er verwandelte sich ständig. War er im Augenblick noch John Haick gewesen, so saß wenig später Fan Kar Kont hinter Corda oder Percip oder Bekoval. Als Dragamur schließlich die Gestalt Wabashs annahm, verloren die beiden Männer völlig die Fassung. Im gleichen Augenblick tönte in Cor-
das Bewußtsein die warnende Stimme des weißen Delphins auf, der in seinem Bassin auf der „Walter Beckett" schwamm und den Flug des Pon-Diskusraumers aufmerksam überwachte. „Ich habe bis zur Stunde nicht gewußt, daß meine Figur so lächerlich wirkt", schimpfte Wabash. John Haick konnte nicht Zeuge des stummen Zwiegesprächs werden, das Corda telepathisch mit dem weißen Delphin führte. Nur Dragamur empfand die telepathischen Gedanken, und er nahm schnell die Gestalt Percips an. „Ich verspreche dir, nicht mehr zu lachen", dachte Corda, und von dieser Minute an saß er angespannt hinter den Steuerkontrollen und konnte sich das Lachen kaum verkneifen. * Sie fanden in der auf die Sonne zutreibenden Wrackhälfte drei Diskusraumer. Zwei waren unbrauchbar. Ein Diskus vom Typ Pon war nur äußerlich leicht beschädigt und voll einsetzbar. Diesen Diskus flog John Haick zur „Walter Beckett." Dragamur wurde schon von Kim Corda und Wabash erwartet. Während der Vogelmensch bei den beiden blieb, gab Rex Corda den Startbefehl. Wenig später raste die „Walter Bekkett" mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum. Als sie das „Fattie"-System verlassen hatten, gab Corda den Befehl, in den Hyperraum zu gehen. Da erhielt Corda in der Zentrale eine Nachricht von John Haick aus der Ortungszentrale. Corda griff nach der Ortungsanalyse der Computer. Der Klartext lag bereits vor. Corda überflog die Zeilen. „Alles Wracks?" fragte er überrascht, nachdem auf dem Holografenschirm
John Haick erschienen war. John Haick nickte nur. Cordas Blicke wanderten wieder zu dem Spezialholografen. Gleichzeitig gab er Bekoval den Befehl, den Hyperraum zu verlassen. Tief unter ihnen heulten die hart beanspruchten Antigravitationsautomaten auf, die die enormen Verzögerungswerte auffingen und ausglichen. „Ich frage mich, welch eine Macht hier am Werke gewesen ist", murmelte Percip, der die Zentrale betreten hatte. Er hielt einige Computerauswertungen in der Hand. „So etwas wie dies habe ich noch niemals gesehen!" Die „Walter Beckett" fiel aus dem Hyperraum. Plötzlich flog das gewaltige Raumschiff nur noch mit einfacher Lichtgeschwindigkeit. Es raste auf den Raumbezirk zu, in dem offensichtlich eine Schlacht stattgefunden hatte. „Keine Energieortung! Es sind wirklich nur Wracks!" rief John Haick, dessen Ortungsstation sich eingeschaltet hatte, vom Holografen herab. Corda preßte die Lippen zusammen. Er konnte kaum begreifen, was er sah. Doch die Instrumentenanzeigen waren klar und eindeutig. Die elektronische Ortung war unbestechlich. Die „Walter Beckett" bewegte sich auf ein Schlachtfeld phantastischen Ausmaßes zu, in dem es von Hantelraumern und von den Bruchstücken von Raumschiffen gleicher Klasse wimmelte. Je näher das terranische Raumschiff dem Raumgebiet kam, desto mehr Einzelrefiexe zeigten sich auf den Ortungsschirmen. Zwischen den Wracks von mehreren tausend Hantelraumern schwebten fast ebenso viele Diskusraumer. Die „Walter Beckett" erreichte die ersten Wracks. Das Raumschiff flog jetzt nur noch mit ein zwanzigstel Lichtgeschwindigkeit. Bekoval, der auf dem Pilotensitz saß, wich großen Trümmer-
stücken aus. In den Schutzschirmen der „Walter Beckett" flammte es immer wieder auf, als kleinere Trümmer mit ihnen kollidierten. „Gehen Sie auf Warteposition!" befahl Corda. Er ging zu dem Spezialschrank auf „dem Gang, der zur Zentrale führte, und legte einen leichten Raumanzug an, den er dort aus einem Schrank entnahm. Er hatte den kugelförmigen Raumhelm jedoch noch zurückgeschlagen, als er die Kommandobrücke wieder betrat. „Sämtliche Diskusraumer werden ausgeschleust. Spezialkommandos untersuchen einige Wracks. Wir müssen wissen, weshalb es hier nur orathonische Wracks gibt!" Die ungeheure Spannung auf der Brücke schien sich schlagartig zu lösen. Bekoval und Percip sahen ihren Oberbefehlshaber an, und ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. Ierra Kretan, die seitlich vom Eingangsschott an dem Computer stand, sah ebenfalls auf. Und auch sie schien plötzlich gelöster, nachdem Corda ausgesprochen hatte, was sie alle bisher nahezu gelähmt hatte. Sie befanden sich inmitten einer ungeheuren Ansammlung von Wracks. Die Ortungsergebnisse bewiesen ganz eindeutig, daß in diesem Gebiet eine furchtbare Raumschlacht getobt hatte. Es konnte keine laktonische Flotte aufgeboten werden, die so groß war, daß sie die Orathonen allein durch ihre Übermacht besiegte und dabei nicht ein einziges Schiff verlor! Nach und nach liefen die Bereitschaftsmeldungen aus den Diskusraumern. Die Offiziere des Spezialkommandos erklärten sich in schneller Folge startbereit. Jeder von ihnen hatte eine direkte Holografenverbindung mit der Brücke der „Walter Beckett". Corda ließ sich in seinen Sessel vor dem Hauptholografen sinken. Er wußte,
daß in jedem der Diskusraumer jetzt sein vollplastisches Bild auf den Holografen erschien. „Wir befinden uns inmitten eines Schlachtfeldes", erklärte Corda. „Um uns herum sind Tausende von Hantelund von Diskusraumern. Bis zu diesem Augenblick konnten wir nicht ein einziges laktonisches Raumschiff orten! Es ist jetzt unsere Aufgabe, zu klären, warum es keine laktonischen Wracks hier gibt. Wir werden sternförmig ausschwärmen und die Hantelraumer untersuchen. In den Computern muß es Aufzeichnungen über den Verlauf der Schlacht geben. Versuchen Sie nicht, die Computer direkt zu befragen. Entnehmen Sie nur die Magnetbandspulen, die wir unseren Computern dann eingeben werden!" Corda machte eine kurze Pause, als Ga-Venga lautlos neben ihn trat. Der zwergenhafte Dolmetscher lehnte sich, ohne ein Wort zu sagen, gegen den Pilotensitz Bekovals. Ga-Venga wollte Corda nicht stören. Aber seine Augen waren düster. Eine furchtbare Ahnung lag in ihnen. Corda atmete tief. „Die Erde ist schwach", fuhr er fort. „Wir benötigen dringend wirkungsvolle und moderne Waffen. Hier finden wir noch sehr viel Material, das unbeschädigt ist. Jeder von Ihnen wird zwei oder drei Handfeuerwaffen mitnehmen, wenn das möglich ist. Achten Sie besonders auf kampfstarke Energiestrahler. Falls Sie noch unbeschädigte und voll einsatzbereite Diskusraumer entdecken sollten, bringen Sie sie zur ,Walter Beckett'." Corda erhob sich und verließ die Zentrale zusammen mit Percip und GaVenga, um sich in den letzten der Diskusraumer xu begeben. Minuten später schoß das Raumschiff in das Trümmerfeld hinaus. Alle Männer hatten ein unangeneh-
mes Gefühl. Etwas Unheimliches, Unerklärliches lag über diesem Raumschlachtfeld. Die orathonische Flotte hatte eine unvorstellbar große Macht dargestellt. Diese Flotte verfügte über eine so große Kampfkraft; daß ihr nur eine bis zum äußersten entschlossene und verzweifelte laktonische Macht begegnen konnte. Die Laktonen aber hatten in letzter Zeit immer häufiger Niederlagen einstecken müssen. Selbst wenn die Laktonen in der Übermacht gewesen wären, dann hätten auch sie Schiffe verlieren müssen. Percip, der den Diskus steuerte, flog auf einen Hantelraumer der Arca-Klasse zu. Das gewaltige Schlachtschiff befand sich in einer Entfernung von annähernd 300000 km von der „Walter Beckett". Es stand etwa ein halbes Lichtjahr vor einer kleinen blauen Sonne. Schlachtschiffe der Arca-Klasse waren gefürchtet wegen ihrer ungeheuren Kampfkraft. Die Hantelkugeln hatten den unvorstellbaren Durchmesser von 2000 Metern! Nur schwach hoben sich die tiefblauen Kugeln vom Hintergrund des Alls ab. Auf den Spezialholografen waren jedoch die gewaltigen Wunden, die das Schlachtschiff davongetragen hatte, deutlich zu sehen. In dem Verbindungsstück zwischen den beiden Kugeln der Hantel klafften zahlreiche Lücken. Beide Kugeln aber waren tief aufgerissen. Der Arca-Raumer hatte fürchterliche Wunden davongetragen, die selbst für diesen Giganten zu groß waren. Immer mächtiger wuchs der Koloß vor ihnen auf. Die Männer atmeten unwillkürlich schwerer. Corda hatte das Gefühl, der Hantelraumer müsse jeden Augenblick auf sie herabstürzen. Percip ließ den Diskus in den aufge-
rissenen Verbindungsarm des Hantelraumers gleiten. Er setzte den Diskus in einer stockdunklen Halle auf. Die starken Scheinwerfer des Raumschiffes rissen eine grauenvolle Szene aus der Dunkelheit. Rex Corda erkannte die total zerfetzten Wandungen zahlreicher Diskusraumer, zwischen denen tote Orathonen schwebten. „Kommt!" sagte er mit zusammengepreßten Lippen. * In dem Wrack gab es keine Schwerkraft mehr. Alle Aggregate waren ausgefallen. Die Männer halfen sich dadurch, daß sie die Antigravitationsautomaten in ihren Raumanzügen höher schalteten. Dadurch wurden sie nach unten gedrückt, so daß sie sich leichter fortbewegen konnten. Der Weg zur Zentrale war schlimmer als alles, was Rex Corda bisher erlebt hatte. Die Zerstörung des Hantelraumers mußte für die Orathonen und ihre zahlreichen Helfer völlig überraschend gekommen sein. Niemals sonst hätte es so viele Tote geben dürfen. Oder waren die Orathonen sich ihres Sieges so sicher gewesen, daß sie trotz des Kampfes darauf verzichtet hatten, Raumanzüge anzulegen? Percip fand die Notstrombatterie in der Zentrale. Er schaltete sie ein. Mattes Licht füllte den Raum. Ga-Venga griff einige tote Orathonen, die im Raum schwebten, und zog sie herab. Er drückte sie in die Andrucksessel und schnallte sie fest. Der Kynother war blaß und nervös. Welche ungeheure Gefahr lauerte im All? Niemand von ihnen konnte sich eine Macht vorstellen, die so stark war, daß sie eine derartig große Orathonenflotte schlagartig vernichten konnte, ohne dabei eigene Verluste zu erleiden.
Percip arbeitete angestrengt. Er schwebte lang ausgestreckt wenige Zentimeter über dem Boden. Sein Oberkörper war hinter dem Computer verschwunden. Als Percip sich wieder hervorschob, grinste er zufrieden. „Wir können es wagen, Sir! Die Informationen werden nicht gelöscht werden!" sagte er. Er selbst schaltete den Computer ein und kombinierte ihn mit einem Holografen, der ebenfalls von dem Notstromaggregat gespeist wurde. Langsam erhellte sich der Holograf. Zahlreiche Formeln huschten durch das Bild. Percip unterbrach immer wieder und ließ die Spulen weiterlaufen, bis plötzlich einige Hantelraumer auf dem Holografen zu sehen waren. Ein rotes Licht flammte im Zentrum der Projektion auf. „Ortung! Feindortung!" wisperte Percip gebannt. Ga-Venga stieß plötzlich einen Schrei aus! Ungläubig starrte er auf den Holografen. Ein laktonisches Raumschiff schob sich ins Bild. Das Raumschiff war mehr als zweitausend Meter lang. In aller Deutlichkeit konnten sie erkennen, daß Hunderte von Raumtorpedos auf der Außenhaut des Raumschiffes zerplatzten. Der laktonische Riese verschwand für einige Augenblicke in den Glutwolken der Detonationen. Doch als er wieder sichtbar wurde, war er völlig unverletzt. Die gewaltigen Projektoren der Energieschützer lenkten auf den Hantelraumer um. Mehrmals blitzte es bei dem Laktonen auf. Sekunden später erlosch das Bild. Sprachlos sahen sich die Männer an. „Becon!" sagte Rex Corda betroffen. „Haben Sie es gesehen? Der Laktone wrar mit Becon gepanzert!" Ga-Venga ließ sich in einen freien Sessel sinken. Corda sah, daß die Hände des Kynothers zitterten. "Mit Becon haben sie es geschafft!"
warf Percip mit nervöser Stimme ein. „Das ist die Wende! Lakton wird den Krieg gewinnen!" Corda fühlte eine unsichtbare Kraft um seine Brust, die ihn einschnürte. Für einige Augenblicke fiel ihm das Atmen schwer. Er ahnte die ungeheuerlichen Konsequenzen, die sich aus der plötzlichen Überlegenheit der Laktonen über die Orathonen ergaben! Lakton würde sich erheben. Ein Krieg, der seit fast fünftausend Jahren in der Galaxis tobte, würde zur letzten, verheerenden Wut entbrennen. Und die Orathonen mußten sich geschlagen geben! Die Orathonen wußten, woher jener Stoff kam, der die Laktonen unbesiegbar machte! ,,'raus!" brüllte Corda. „Zurück zur ,Walter Beckett'! Wir dürfen keine Sekunde mehr verlieren! Wir müssen zurück nach Terra! Wir müssen dort sein, bevor die Orathonen kommen, um sich die Becon-Formel zu holen!" Sie hasteten, wie von tausend Furien getrieben, durch die Gänge zu ihrem Diskusraumer zurück. Corda schrie seine Befehle in die Mikrofone. Fatlo Bekoval, der Kommandant "Walter Beckett", rief die Mannschaften zurück. Von überall kamen die Diskusraumer zurück. „Sir!" meldete Bekovai freudig erregt. "Jch kann Ihnen mitteilen, daß es uns gelungen ist, vierundvierzig Diskusraumer zu erbeuten. Alle Raumschiffe sind noch voll einsatzfähig. Siebenunddreißig Diskusraumer befinden sich bereits an Bord der ,Walter Beckett'!" „Danke", nickte Corda. Niemand sah ihm jetzt noch die ungeheure Spannung an, unter der er stand. „Aktion abbrechen! Es ist keine Zeit zu verlieren!" * Die Augen von Professor Dr. Will
Rimson leuchteten. „Rex! Ich freue mich!" sagte er über den Holografen — mehr nicht. Es war auch nicht notwendig. Rex Corda kannte seinen Freund Will Rimson, der während seiner Abwesenheit von der Erde als kommissarischer Präsident Terras füngierte. „Die ,Walter Beckett' landet in anderthalb Stunden auf dem Raumhafen Den Haag", fuhr Rex Corda fort. „Ich wünsche sofort eine Konferenz mit Terrakom!" „Ich werde die Kommission sofort einberufen", nickte Will Rimson. Er sah schmunzelnd zur Seite. Der Kopf eines Schäferhundes schob sich in das Bild des Holografen. Rex Corda sah Nukleon, den treuen Freund Will Rimsons. Nukleon, der Rimson als Telepath unschätzbare Dienste leistete. „Ich werde die Öffentlichkeit informieren", erklärte Will Rimson. „Du wirst eine Pressekonferenz geben müssen!" „Ich werde die Konferenz morgen einberufen", erwiderte Corda. „Die Vertreter der Presse können sich dann in Den Haag einfinden." „Welche Nachricht ist über den Erfolg der Aktion zu geben?" forschte Rimson. „Darüber werde ich mit Terrakom beraten!" Will Rimson strich sich mit der flachen Hand über den kahlen Schädel. Er sah plötzlich sehr besorgt aus. Er schien zu ahnen, daß Corda eine schlechte Nachricht für die Erde hatte. Aber er fragte nicht. Corda nickte ihm zu und schaltete die Holografenverbindung ab. Die „Walter Beckett" passierte die Marsbahn. Sieben Diskusraumer der terranischen Raumflotte schwenkten auf die Flugbahn des Hantelraumers ein. Corda empfing die Glückwünsche der Kommandanten. Der Raumflughafen
Den Haag meldete sich. Corda verließ die Kommandobrücke und ging in seine Kabine, um die letzten Vorbereitungen für die Konferenz mit den Vertretern der terranischen Regierung zu treffen. Eine außerordentlich schwierige Aufgabe stand ihm bevor. Er wußte das. Percip, Ierra Kretan und Dragamur traten ein, nachdem Corda auf ihr Zeichen geantwortet hatte. Die schöne Laktonin sah besorgt aus. Die Mandelaugen lächelten nicht. Nervös spielte das Mädchen mit dem roten Ring an ihrem Finger. „Sir", sagte Percip, der Laktone. „Wir sind gekommen, um Ihnen zu sagen, daß wir weiterhin auf Ihrer Seite kämpfen werden. Wir fühlen uns verpflichtet, für Terra einzutreten. Selbst, wenn Lakton ..." „Danke", sagte Corda, und es klang bewegt. In diesem Augenblick tauchte auch Ga-Venga auf. Bescheiden blieb der kleine Kynother neben Dragamur stehen. Rex Corda schaute sie der Reihe nach an, Percip, Ierra Kretan, die unter seinem langen Blick errötete, Ga-Venga, den zwergenhaften Dolmetscher, und Dragamur, das Vogelwesen. Die Federn an den Ansätzen des grauen Schnabels kräuselten sich. Es sah aus, als ob Dragamur lache. „Ich glaube, daß ich euch helfen kann!" sagte er einfach. Es war seltsam, die Worte in englischer Sprache aus dem Hornschnabel dieses geheimnisvollen Wesens zu hören. „Du kennst unser Problem, Dragamur?" fragte Corda. Das Genie der Galaxis nickte. „Ich glaube es wenigstens", antwortete er. „Ihr habt Becon, und Lakton hat Becon. Orathon hat keines. Deshalb wird Orathon die Erde angreifen, weil die Erde schwächer ist als Lakton.
Lakton wird das verhindern, indem es die Erde entweder zerstört oder an sich reißt." „Gibt es einen Ausweg?" fragte Corda. „Becon kann nicht wirklich unzerstörbar sein!" erwiderte Dragamur. „Es muß eine Möglichkeit geben, Becon zu zerstören!" „Daran hat noch niemand gedacht", stieß Percip hervor und blickte Dragamur zweifelnd an. „Wenn ich kann, werde ich der Erde helfen", versprach Dragamur. „Wir müssen die Lösung finden, bevor die Laktonen oder die Orathonen die Erde angreifen! Wo kann ich am besten an diesem Problem arbeiten?" „Zusammen mit Professor Rimson in der Forschungsstation", sagte Rex Corda nur. Er mußte erst die Worte Dragamurs verarbeiten. * Während der Konferenz mit den Regierungsvertretern, die im Verteidigungsministerium abgehalten wurde, schrillten die Sirenen. Alarm! Die Laktonen griffen an! Das Verteidigungsministerium glich einem Tollhaus. Rex Corda behielt die Nerven. Umsichtig organisierte er die Verteidigungsmaßnahmen der Erde. Seine Befehle waren klar und überlegt. Es gelang ihm, die aufkommende Panikstimmung schnell abzufangen. Pausenlos gingen die Befehle hinaus. Corda stellte eine Holografenverbindung mit der Forschungsstation Professor Rimsons her. Doch die Arbeit des Professors und Dragamurs hatte noch keinen Erfolg gehabt. „Ich glaube fest daran, daß wir es
schaffen", machte Rimson dem Präsidenten trotzdem Mut. Rex Corda verabschiedete sich und brach die Verbindung ab. Dann griff er zu dem kleinen Mikrofon an seiner rechten Seite. Ein Holograf flammte vor ihm auf. Er zeigte kein Bild. Ein Signal erschien auf ihm. Zuerst war nur ein winziger roter Punkt zu sehen, der dann blitzschnell aufflammte, um anschließend wieder zu einem Punkt zusammenzufallen. Diese Farbexplosion wiederholte sich blitzschnell immer wieder. „Achtung! Startbefehl für alle Raumschiffe der Erde!" befahl Rex Corda mit klarer Stimme. „Die Kampfeinheiten kesseln die Erde nach dem Plan A-Z-7 ein. Die ,Walter Beckett' ist von dem Befehl ausgenommen!" Er machte eine kleine Pause, dann fügte er hinzu: „Für die Erde gilt Planeten-Alarm. Ich wiederhole — Planeten-Alarm!" Die Farbe des explodierenden Punktes wechselte zum hellen Grün. Sekunden später wechselte der Ton der Sirenen über der Stadt. Ein jagendes, wildes Kreischen jagte auch den letzten Terraner hoch, machte auch dem letzten klar, daß ein neuer Kampf um Terra bevorstand. Bekoval, der Kommandant der „Walter Beckett", stöhnte auf, als die Nachricht einlief. Fast vierhundert laktonische Raumschiffe waren am Rande des Terra-Systems aufgetaucht. Sie flogen mit hoher Geschwindigkeit in das System ein. Kurs Terra! Zweihundert Raumschiffe der Erde hatten den Planeten eingekreist. Zweihundert kleine Raumschiffe mit geringer Kampfkraft. Die meisten waren Diskusraumer, die man den Orathonen abgenommen hatte. Laktonische Riesen waren nicht dabei. Terra hatte nur ein einziges Raum-
schiff der Trakon-Klasse erbeuten können. Doch das Raumschiff erwies sich als zu stark beschädigt. Aus dem Riesen, der über zweitausend Meter lang war, wurde ein Krüppel von vierhundert Meter Länge und beschränkter Kampfkraft. Dieses Schiff bildete im Augenblick den Kern der terranischen Abwehr. Die „Walter Beckett" stand noch immer auf dem Landefeld bei Den Haag. Der einzige Vorteil der terranischen Flotte war, daß alle Raumschiffe inzwischen mit Becon gepanzert waren. Es gab für die Laktonen keine Möglichkeit, diese Raumschiffe mit den herkömmlichen Mitteln zu zerstören. Kein Raumtorpedo würde die Panzerung durchschlagen können. Die Antigravitaüonsautomaten bildeten jedoch die schwache Stelle der kleinen Flotte! Diese Automaten sorgten ständig für gleiche Schwerkraft im Inneren der Raumschiffe. Sie dämpften auch die gefährlichen Beschleunigungseffekte, die bei Treffern auftraten. Die schweren Erschütterungen wurden von den Antigravitationsautomaten abgefangen. Doch diese Automaten waren empfindlich. Mehr als einmal waren sie mitten im Kampf ausgefallen. Dann gab es nur noch geringe Chancen auf Rettung! Das betreffende Raumschiff mußte sich sofort absetzen, um die Antigravitationsautomaten zu reparieren. Becon hielt alle Energien ab — nur die Erschütterungen nicht, wie sie bei Treffern durch Energiestrahl- und Torpedobeschuß auftraten. Wenn die Laktonen bei ihrem Angriff die richtige Taktik anwandten, dann konnten sie die schwache terranische Flotte schon beim ersten Ansturm aus dem All fegen. In diesem Moment erschien Rex Corda auf dem Holografen. Er gab John
Haick den Befehl, mit einem Diskus einen Erkundungsflug zu unternehmen. Die „Walter Beckett" sollte einsatzbereit warten. Dann wurde die Verbindung plötzlich unterbrochen. John Haick zuckte zusammen. Weitere zweihundert laktonische Raumschiffe tauchten am Rande des Sonnensystems auf. Die auf Pluto stationierten Einheiten gaben durch, daß sie sich im Einvernehmen mit dem Hauptquartier der Raumstreitkräfte auf Terra absetzten, um sich dem inneren Verteidigungsring anzuschließen. „Beeilt euch, Kinder!" murmelte John Haick. „Beeilt euch, sonst kommt ihr zu spät!" * Vor John Haick leuchteten die Holografen, die ihn ständig mit den wichtigen Einrichtungen der „Walter Beckett" verbanden. Die wachhabenden Offiziere gaben ihm laufend Meldungen über die Entwicklung der laktonischen Angriffe auf die Erde durch. „Die Flotte der Laktonen verzögert im Marsbereich", meldete der Cheffunker. „Ein großer Teil der Flotte landet auf dem Planeten.'' John Haick erreichte die Verteidigungslinien Terras. Ein dichter Ring von Raumschiffen schloß sich um die Erde. „Achtung!" rief der Funker der „Walter Beckett". „Ein einzelnes Raumschiff der Trakon-Klasse fliegt Terra mit erhöhter Beschleunigung an!" John Haick schob sich mit seinem Diskus über den äußersten Verteidigungsring hinaus. Jetzt passierte er in vierzigtausend Kilometer Entfernung den Mond. Er machte die verschiedenen Raketen- und Laserstellungen auf dem Mond aus. Sie alle befanden sich in höchster Alarmbereitschaft. John verzögerte. Jetzt zeichnete sich der Raum-
riese deutlich auf den Ortungsschirmen ab. Die Laktonen flogen offensichtlich einen Testangriff auf die Erde. In rasender Eile liefen die Meßdaten ein. Der Trakonkreuzer war bis auf fünf hunderttausend Kilometer heran! Er hatte keine Becon-Panzerung, aber starke Energiefelder, mit denen er sich schützte. „Achtung Mondbasis! Achtung Mondbasis!" rief John Haick. Die Basis meldete sich. Erst erschien ein Funker, doch das Bild wechselte in Sekundenschnelle. Ein General blickte John Haick lächelnd an. „Hallo, Doktor! Es scheint loszugehen, wie?" sagte der General polternd. John Haick lächelte unmerklich. Er kannte diesen Offizier sehr gut. In den ersten Tagen der orathonischen Invasion auf der Erde hatte er an der Seite dieses Offiziers gegen die Orathonen gekämpft. „Sir, feuern Sie eine Raketensalve auf den Trakonkreuzer ab!" sagte John Haick. „Ich gebe jetzt die letzte Warnung an ihn 'raus!" Der General nickte. Wenig später ortete John Haick das Rudel der Raketen, das mit rasender Beschleunigung auf den Laktonen zujagte. Er funkte die Laktonen an. Der Kommandant meldete sich sofort. Er schien auf den Anruf gewartet zu haben. Der Kreuzer war nur noch einhunderttausend Kilometer entfernt. Er verzögerte stark. Dennoch schmolz die Distanz rasend schnell. „Ziehen Sie sich sofort zurück!" sagte John Haick abweisend. „Sonst verlieren Sie als erster Ihr Schiff!" Der Kommandant schien mit einer Kapitulation der Terraner gerechnet zu haben. Er sah die lächerlich kleine terranische Verteidigungsflotte auf seinen Ortungsschirmen. Er wußte die gigantische Macht in seinem Rücken.
Jetzt riß er verblüfft die Augen auf. Dann lachte er schallend. „Ich habe viel von euch Terranern gehört!" prustete der Laktone. „Aber das ist wahrhaftig der Gipfel!" Es blitzte am Bug des raketenförmigen Raumschiffes auf. John Haick blinzelte. In der gleichen Sekunde bäumte sich sein Diskus auf. Für einige Augenblicke tobte eine weiße brüllende Flammenhölle um ihn herum. Dann sah er wieder das schwarze All vor sich — und auf dem Holografen das fassungslose Gesicht des laktonischen Kommandanten. „Das war deutlich", nickte John. "Ich werde die Laktonen aber noch deutlicher warnen müssen! Ich hoffe nur, daß sie keine Becon-Panzerung haben." Seine Finger senkten sich auf die Zielgeräte auf dem Pult. Sie drückten einige Knöpfe herunter. Auf den Meßgeräten vor John Haick flackerten Lichter und zuckten Pfeile. Eine leichte Erschütterung ging durch den Diskus. Es blitzte schwach an den Rändern des Diskusraumers auf. Winzige Staubpartikelchen, die den Diskus umgaben, verglühten. Auf dem Ortungsschirm sah John Haick, daß die Raketen vom Mond den laktonischen Kreuzer erreichten. Die ersten explodierten unter heftigen Lichterscheinungen in den Energieschirmen. Mitten in die Explosionen hinein rasten die Energiefinger aus den leistungsstarken Projektoren des Diskusraumers. Gleichzeitig mit ihnen jagten die letzten Raketen in den Explosionsherd. Es waren Raumtorpedos. Sie hatten eine Länge von sechs Meter und wogen knapp drei Tonnen, woran der nukleare Sprengkopf allerdings nur einen geringen Anteil hatte. John Haick schloß die Augen und senkte den Kopf. Er hörte den gellenden
Schrei des Kommandanten und wußte, daß die Berechnungen richtig gewesen waren. Unter dem konzentrierten Beschuß wurden die Energieschirme des Trakonkreuzers bis zur Grenze belastet. Die Torpedos, die dann noch hinzukamen, durchschlugen die Schirme und knallten in die Flanken des Riesen. Als John Haick den Kopf wieder hob, sah er die beiden Hälften des riesigen Raumschiffes, die langsam auseinandertrieben. Das Schiff war damit nicht restlos geschlagen. Beide Schiffsteile konnten sich mit Notaggregaten jetzt noch retten. Auf jeden Fall jedoch war der Riese kampfunfähig. Ein einziger Diskus hatte ausgereicht, um einen laktonischen Riesen zu fällen. Der Holograf vor John flammte auf. John sah direkt in die kalten Augen des laktonischen Kommandanten. Das Gesicht des Laktonen war zur undurchsichtigen Maske erstarrt. „Sie hätten das nicht tun sollen, Terraner!" sagte er kalt, „das werdet ihr büßen müssen!" In diesem Augenblick schrillten die Alarmglocken neben John Haick auf. Ein Funker der „Walter Beckett" erschien auf dem Nebenholografen. „Doktor! In diesem Augenblick sind die ersten orathonischen Einheiten am Rande des Systems erschienen!" rief der Funker erregt. John sah den Laktonen auf dem Hauptholografen kalt an. Der Laktone war merklich blasser geworden. Rex Corda befand sich in seinem Arbeitszimmer im Präsidium. An seiner Seite leuchteten große Holografen, die ihn mit den jetzt wichtigsten Punkten im Terra-System verbanden. John Haick meldete sich mit einem strahlenden Lächeln und meldete den Abschluß seiner Aktion. „Die Laktonen haben den Mars er-
reicht und besetzt", sagte er schließlich. „Nur die inneren Planeten sind noch in unserer Hand. Doch es sieht so aus, als hätten wir noch eine Gnadenfrist. Die Laktonen fliegen den Orathonen entgegen. In spätestens zehn Minuten werden die beiden Flotten aufeinanderprallen." „Wie ist das Verhältnis?" fragte Corda. „Tausend Lakton-Kreuzer zu zweihundert orathonischen Hantelraumern. Die Hantelraumer gehören ausschließlich der Arca-Klasse an." Dies waren die größten bisher bekannten Raumschiffe mit unübertroffener Kampfkraft. Das Kräfteverhältnis der beiden Flotten war annähernd gleich. „Wir können nur hoffen, daß unsere Freunde sich gegenseitig so schwächen, daß wir nicht mehr viel Mühe mit dem Rest haben!" sagte John Haick optimistisch. Rex Corda lächelte dünn. „Vergiß nicht, John, daß diese Flotten nur einen sehr kleinen Teil der tatsächlichen Macht der Orathonen und der Laktonen repräsentieren! Uns stehen harte Tage bevor!" John Haick schaltete ab. Rex Corda wandte sich an Bekoval und Percip, die neben ihm saßen. Ierra Kretan und GaVenga blieben im Hintergrund. „Wie beurteilen Sie unsere Chancen?" fragte Corda. „Wenn es nicht gelingt, mit der Becon-Forschung weiterzukommen, dann haben wir überhaupt keine Chance!" erklärte Bekoval. „Wir brauchen Zeit. Das ist alles. Wenn eine der beiden Parteien jetzt angreift, dann ist alles aus. Ein Drittel der laktonischen Raumschiffe ist mit Becon gepanzert. Gegen diese Raumschiffe können wir überhaupt nichts ausrichten." Corda biß sich auf die Lippen. „Zeit!" sagte er. „Ich muß sie uns verschaffen. Nur dann können Rimson
und Dragamur es schaffen!" Er zündete sich eine Zigarette an. Konnte es überhaupt noch gelingen, die Erde aus dieser Situation zu retten? Warteten sie nicht alle auf ein Wunder? Corda entschloß sich, zur Forschungsstation von Professor Rimson zu fliegen. Nur dort konnte sich jetzt das Schicksal der Erde entscheiden. * Jakto Javan ging langsam zu dem zentralen Holografen hinüber, der vom Boden der Zentrale bis zur sieben Meter höheren Decke reichte. Das Bild vor ihm war so überzeugend plastisch, daß er für einen Augenblick das Gefühl hatte, in den offenen Raum hinauszutreten. Die blaue Erde mit ihrem silbernen Begleiter stand genau im Zentrum des Holografen. Ein dichter Schwarm von blinkenden Punkten kesselte die Erde ein — die lächerlich kleine terranische Flotte, die angetreten war, sich gegen die galaktischen Giganten zu behaupten. Ein ungläubiges Lächeln strich über die messerscharfen Lippen des Schento, der zu den vier wichtigsten Männern des laktonischen Reiches gehörte. Das Wort Jakto Javans hatte Geltung in mehr als 3000 Sonnensystemen in der Galaxis. Dieser Mann verfügte über eine Macht, die sich niemand auf der Erde wirklich vorstellen konnte. Jetzt stand er einem einzelnen Planeten gegenüber, der es ablehnte, sich ihm zu unterwerfen. Jakto Javan verfügte über 999 schwere Raumkreuzer, mit denen er den Widerstand der Erde brechen wollte. Doch der laktonischen Flotte standen auch 200 orathonische Schlachtschiffe gegenüber, die den Rand des Terra-Systems erreicht hatten! Jakto Javan schüttelte den Kopf. Er trug einen kleinen fingerdicken Stab in
seiner rechten Hand. Jetzt betrachtete er ihn. Der Stab war grau. Jakto Javan wußte, daß er durch absolut nichts zu zerstören war. Er wußte es, aber er konnte es nicht glauben. Der Stab bestand aus Becon, jenem unzerstörbaren Material, das von einem Terraner erfunden worden war. Der Einsatz von laktonischen Spezialagenten hatte Erfolg gehabt. Lakton hatte zwar die Becon-Formeln nicht in die Hände bekommen. Aber es war gelangen, einen Wissenschaftler, der an der Herstellung des Becon mitarbeitete, zu entführen. Ein Teil der laktonischen Raumschiffe konnte inzwischen schon mit Becon gepanzert werden. Und diese Raumer waren nur noch unter ganz bestimmten Bedingungen auszuschalten. Das gab den Laktonen das entscheidende Übergewicht. Lakton hatte plötzlich wieder Hoffnung, den großen galaktischen Krieg zu gewinnen. Jakto Javan hob den Blick und starrte aus verengten Augen auf den Holografen. Sehr deutlich erkannte er den Pulk orathonischer Raumkreuzer. Die Orathonen hatten noch kein Becon herstellen können — aber sie wußten, daß dieses Material von der Erde kam! Sie konnten diesen Krieg nur dann noch gewinnen, wenn sie die BeconFormeln besaßen. Und das wollte Jakto Javan verhindern. Er war entschlossen, eher die Erde völlig zu vernichten, als den Orathonen die Becon-Formel zukommen zu lassen. „Noch vier Zeiteinheiten!" rief der Offizier. Zwanzig ausgesuchte laktonische Agenten flogen auf die Erde zu. Sie befanden sich in winzigen Raumkapseln. Die Aussicht, daß sie geortet wurden, war äußerst gering. Der Computer hatte vorausgesagt, daß sechzehn der zwanzig Agenten den Verteidigungsring der Erde durchstoßen würden. Sechzehn
Agenten würden die Erdoberfläche unverletzt erreichen! „Noch drei Zeiteinheiten!" „Schento!" rief eine helle Stimme. Jakto Javan drehte sich um. Dira Riid, die Agentin, stand am Kontrollpult des Hauptcomputers. „Die Wahrscheinlichkeiten ändern sich. Die Chancen stehen nur noch 50 : 50!" Sie sah erregt aus. Ihre braunen, ungewöhnlich intelligenten Augen waren in ständiger Bewegung. Eng wie eine Kappe lag das kastanienbraune Haar um ihr bleiches Gesicht. „Chancen für zehn Agenten!" antwortete Jakto Javan. Kein Muskel bewegte sich in seinem Gesicht. Zehn Agenten! Das war eine Streitmacht, die sich gegen die hundertfache Überzahl terranischer Spezialisten behaupten konnte. Diese Agenten gehörten zu der Elite des laktonischen Reiches, ausgewählt aus den Spitzengruppen von mehr als vierhundert Planetenreichen! „Was verändert die Wahrscheinlichkeiten?" fragte Jakto Javan eilig. „Noch eine Zeiteinheil!" warf der Offizier ein. „Die terranische Ortung arbeitet besser als berechnet!" „Erste Ausfälle!" sagte der Offizier. „Eine halbe Zeiteinheit!" „Die Wahrscheinlichkeiten sinken weiter!" sagte Dira Riid erregt. ,"19 : 18!" „Achtung! Kontakt!" Der Ortungsoffizier beugte sich unwillkürlich vor. Gelang es vier Agenten, den Verteidigungsring der Erde zu durchbrechen? Das Gesicht des Schento Jakto Javan war wie aus Stein gemeißelt. Der massige Kopf wuchtete herum, und ein Schatten bildete sich an der scharfen Adlernase. „Wir schaffen es!" sagte er mit Nachdruck. „Sechs — sieben Ausfälle!" antwor-
tete der Ortungsoffizier. Auf seinen Spezialschirmen leuchtete jedes der kleinen Raumschiffe der Agenten als grüner Punkt auf. Sieben Punkte waren erloschen! Die Raumschiffe waren von der terranischen Abwehr abgeschossen worden. „Zwölf Ausfälle!" Immer mehr Punkte erloschen. „Das kann doch nicht wahr sein!" stammelte Dira Riid. Ihre kleinen Fäuste ballten sich. Heißer Zorn brannte in ihren braunen Augen. „Achtzehn Ausfälle!" Die Stimme des Offiziers war leidenschaftslos geworden. Jakto Javan starrte auf den Holografen. „Neunzehn Ausfälle!" Endlos verstrichen die Sekunden. Ein einziger grüner Punkt leuchtete noch auf dem Schirm. „Zwanzig hat die Erde erreicht!" sagte der Offizier schließlich. Ein Aufatmen ging durch die Reihe der Offiziere. Jakto Javan drehte sich seltsam steif um. Er ging mit harten Schritten auf das Ausgangsschott zu. In seiner Miene spiegelte sich die ganze Enttäuschung der letzten Sekunden. Der Schento wußte, daß die Erde ihm eine vernichtende Niederlage beigebracht hatte. Ein Agent auf der Erde! Was bedeutete das schon! Jakto Javan hob den Kopf. Er sah die Offiziere nacheinander an. „Auch wir greifen die Erde an. Unser Ziel dabei wird sein, soviel Verteidigungspositionen Terras wie möglich zu zerschlagen. Gleichzeitig werden weitere hundert Agenten einen Durchbruchsversuch machen!" Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu. „Wir lassen die Orathonen bis über die Bahn des vierten Planeten hinausstoßen und kesseln sie dann ein. Stellen Sie das Agentenkommando zusammen!" Er sah Dira Riid an. Die schöne
Agentin richtete sich scharf auf und grüßte militärisch exakt. Kein Lächeln entspannte ihre Züge. „Wenn Sie gestatten, Schento, nehme ich an dem Einsatz teil!" sagte sie mit metallischer Stimme. Er sah sie kurz an und nickte dann. Ein verhaltenes Beben ging durch den mächtigen Leib des Raumschiffes. Das Flaggschiff der laktonischen Flotte beschleunigte. * Professor Will Rimson begrüßte Rex Corda mit der gewohnten Herzlichkeit. Dann wies er auf den Vogelmenschen, der auf dem Prüfstand wartete. Präsident Corda lächelte. „Dragamur!" sagte er leise. Das Genie der Galaxis fuhr herum. Der graue Schnabel öffnete sich und fuhr knackend wieder zusammen. Die grünen Augen leuchteten hell auf. „Ich bin glücklich, Sie hier zu sehen!" schnarrte der Vogelmensch. Er breitete seine gewaltigen weinroten Schwingen aus und ließ sich von der Brüstung fallen. Die Luft rauschte kühl auf, als die Flügel zusammenschlugen. Weich setzte Dragamur vor Rex Corda auf. Das weinrote Gefieder faltete sich zusammen. Rex Corda ergriff die kleine Hand, die sich aus den Flügeln hervorschob. „Wir sind schon einen Schritt weitergekommen!" verkündete Dragamur. Er hob die Reeling-Gun hoch, die er in der linken Hand hielt. Erstaunt hob Corda die Augenbrauen. Die Reeling-Gun war eine Spezialentwicklung für Stahlmantelgeschosse. Dieses Gewehr versetzte die Geschosse in eine taumelnde Bewegung. Die Geschosse sahen aus wie zwei mit den Spitzen aneinandergeklebte Kegel, wie eine winzige Sanduhr. Sie sahen wirklich harmlos aus, aber sie
hatten es in sich! Die taumelnden Geschosse gaben beim Aufschlag ihre gesamte kinetische Energie ab. Sie verursachten starke Vibrationen, die sich in dem getroffenen Objekt sehr schnell fortpflanzten. Unter dem Donnerschlag dieser Vibrationen zerfiel jede Materie zu Staub! Ein Mensch, der von einer ReelingGun nur am Finger gestreift wurde, verlor mindestens seinen Arm, doch die Vibrationen jagten meist durch den ganzen Körper und töteten augenblicklich. Aus diesem Grund war eine ReelingGun sogar noch viel gefährlicher als ein Energiestrahler, bei dem es immerhin noch eine Überlebenschance gab. Dragamur schüttelte die ReelingGun, die er jetzt in beiden Händen hielt, und öffnete das Magazin. Vorsichtig hob er eines der kleinen Doppelkegel-Geschosse heraus und gab es Corda. Corda sah es sich genauer an. „Es ist aus Becon!" sagte er erstaunt. Dragamur nickte. „Warum aus Becon?" fragte Corda. „Reeling-Geschosse geben ihre gesamte Energie beim Aufschlag ab. Größer kann der Effekt doch gar nicht mehr werden!" „Warten Sie ab!" antwortete Dragamur, der Weise aus den Tiefen der Galaxis. „Leider gibt das Becon bis jetzt noch nicht alle Energie auf einmal ab!" Corda erschrak. Er fühlte eine plötzliche Schwäche in den Beinen. Das Becon gibt noch nicht alle Energie ab! hatte Dragamur gesagt. Becon nahm alle Energie in sich auf. Jeder Versuch, Becon zu zerstören, stärkte das Becon nur noch, machte es immer noch widerstandsfähiger und erhöhte gleichzeitig den Energiegehalt. In einem Stück Becon, das nicht größer war als ein Daumen, konnte die Energie einer Wasserstoffbombe schlummern! Plötzlich begriff Rex Corda, welches
Ziel Dragamur verfolgte. Er wollte das bisher unzerstörbare Becon dadurch zerstören, daß er die in ihm schlummernde Energie schlagartig freimachte. Dragamur schloß das Magazin der Reeling-Gun mit einem energischen Handgriff. Klickend schoben sich die Raster ineinander. Dragamur trat in das Antigravfeld unter der Brüstung und ließ sich auf den Teststand herauftragen. Er sah auf Präsident Corda hinab. Professor Will Rimson reichte Corda und seinen Begleitern stark verdunkelnde Schutzbrillen. Vor Dragamur öffnete sich ein weiter Schacht. In mehr als zwanzig Meter Entfernung sah Rex Corda einen rötlichen Energieschirm flimmern. „Der Energieschirm reicht aus, um die Wirkung einer H-Bombe von fünf Megatonnen abzuhalten", erklärte Will Rimson. Direkt vor den Beobachtern erhob sich ein leichterer Energieschirm. Freude spiegelte sich in Dragamurs Augen wider. Er hob die Reeling-Gun an die Schulter und schloß ein Auge. Dann zog er durch. Ein dumpfer Laut ertönte, als das kleine Becon-Geschoß durch den Hökkerlauf raste. Dann blitzte es am Energieschirm auf. Rex Corda sah einen roten Punkt, der bis zur Größe eines Fußballs anschwoll. Der Energieschirm flackerte heftig. Jetzt konnte Corda das Becon-Geschoß deutlich ausmachen. Es glühte immer heller auf. Es schien sich in rasender Bewegung zu befinden. Und dann plötzlich brach der Energieschirm zusammen, und das Geschoß raste weiter in den Schacht hinein. Es knallte donnernd in eine Betonwand, die augenblicklich zu Staub zerfiel. Das grelle Licht erlosch. Corda hob die dunkle Brille von den
Augen. Er atmete schwer. Das Loch in der Betonmauer war mehr als zwei Meter tief! Dragamur stieß einen triumphierenden Laut aus. „Das war der erste Schritt, Sir!" schnarrte er und stürzte sich von der Brüstung herab. Er landete vor den Füßen Cordas. „Wir produzieren bereits große Mengen dieser Geschosse. In einer halben Stunde werden wir sie an alle Verteidigungsposten, die die Erde umgeben, herausgeben. Der Professor hat bereits veranlaßt, daß an allen Stationen Reeling-Guns installiert werden. Mit diesen Geschossen können wir jeden Energieschirm der laktonischen oder orathonischen Flotte brechen. Wir brauchen dann nur noch Raumtorpedos hinterherzuschießen, um die Schiffe zu vernichten!" „Was passiert, wenn das Geschoß auf eine Becon-Schicht schlägt?" fragte Corda. „Nichts! Die Schicht schluckt mehr als die Hälfte der Energie des Geschosses. Becongepanzerte Schiffe können wir damit noch nicht zerstören! Aber wir werden es bald können — dann, wenn es gelingt, alle Energie des Geschosses frei zu machen! Dann dürfen wir allerdings nicht mehr hier in der Station schießen! Es würde die Erde auseinanderreißen!" Er klapperte mit dem Schnabel. „Kommen Sie, Professor! Die Zeit drängt!" „Warten Sie, Dragamur!" rief Corda. „Wann werden Sie soweit sein?" „In einigen Stunden, hoffen wir", antwortete Professor Will Rimson. „So lange muß die Verteidigungslinie halten!" „Sie wird es!" versprach Corda. In diesem Augenblick kam ein Offizier und teilte ihm mit, daß die Laktonen erneut angriffen.
* Rex Corda blieb stehen, als das schlanke Mädchen ihm in den Weg lief. „Ierra!" sagte er überrascht. „Sie sind hier?" Sie wirbelte herum. Betroffen bemerkte er, daß sie weinte. Tränen rannen ihr über die bleichen Wangen. Er griff nach ihren Armen. Sie wischte sich ärgerlich mit dem Ärmel über die Augen. „Bitte, verzeihen Sie, Sir!" sagte sie. „Weshalb weinen Sie?" fragte er. Sie erreichten die Zentrale der Forschungsstation. Von hier aus konnten sie mit zahlreichen ausgezeichnet eingespielten Kameras das gesamte Gebiet der Salzwüsten übersehen. Gleichzeitig aber erlaubte eine Spezialkamera, die unbeweglich 200 Kilometer über der Station schwebte, eine Übersicht über das gesamte Gebiet bis weit in die Rokky Mountains hinein. „Warum?" fragte Corda nochmals. Er achtete nicht auf die Männer, die fieberhaft in der Zentrale der Station arbeiteten. „Weil Lakton Atombomben auf die Erde wirft!" sagte sie. Ihr Gesicht war wie aus Stein geschlagen. „Es ist das größte Verbrechen, das sich dieses Volk je erlaubte!" Die Trennung war endgültig. Ierra Kretan dachte und fühlte nicht mehr wie eine Laktonin! Sie war eine Terranerin! „Ierra! Ich möchte, daß Sie in dieser Station bleiben!" sagte Corda. „Wollen Sie, daß ich mich verkrieche, während die anderen kämpfen?" fuhr sie heftig auf. ,.Sie werden hier in der Station im Kampf gegen Lakton und Orathon helfen!" sagte Corda entschlossen. „Warten Sie nur ab. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten Landungstrupps durch sind. Dann wird diese
Station angegriffen werden. Dann benötigen wir hier jemanden, der mit der Kampfesweise laktonischer Agenten vertraut ist!" Ihre Haltung straffte sich. „Sie können sich auf mich verlassen. Sir!" sagte sie. ,.Es hört sich eigenartig an, wenn Sie mich Sir nennen, Ierra!" sagte Corda lächelnd. Die Agentin errötete heftig. Verwirrt wandte sie sich ab und flüchtete aus dem Raum. Die Offiziere an den Geräten schienen nur auf diesen Augenblick gewartet zu haben. „Sir, die Orathonen werden von den Laktonen angegriffen", berichtete einer der Offiziere. „Die Orathonen erleiden eine Schlappe. Sie sind der Übermacht nicht gewachsen." Corda nickte grimmig. „Geben Sie den Befehl nach Den Haag weiter: Die ,Walter Beckett' soll in den Kampf eingreifen! Wir kämpfen mit allen Mitteln!" Der Offizier salutierte. Gleich darauf kam die Klarmeldung von der „Walter Beckett." * Das terranische Flaggschiff brach wie ein Donnerkeil in die Phalanx der angreifenden laktonischen Raumkreuzer. Der mächtige Hantelraumer fing mühelos alle Geschosse, die auf ihn abgegeben wurden, ab. In seinen Energieschirmen tobten sich die Gewalten aus. Sie hielten das meiste ab. Die Geschosse, die diese Barriere dennoch überwinden konnten, verloren ihre Energie in der Becon-Schicht. Die „Walter Beckett" fand weit über hundert schwere Raumkreuzer der Trakon-Klasse in dem Raum zwischen Erde und Mond vor. Die dünnen terranischen Verteidigungslinien
führten einen tollkühnen, aber aussichtslosen Kampf gegen diese Übermacht. Die Kampfstationen, die sich auf stabilen Bahnen um die Erde bewegten, die zahlreichen Diskusraumer, die wie wütende Hornissen gegen die Giganten vorgingen, und die vielen anderen Kampfeinheiten, die von der Erde in den Kampf geschickt wrurden, hielten dem Ansturm nur deshalb stand, weil sie durch eine Becon-Hülle geschützt waren. Und dennoch zeichnete sich das Ende ab! Innerhalb der ersten zehn Minuten wehrte die „Walter Beckett" die Angriffe von fünf Trakonkreuzern ab und zerstörte selbst drei Kreuzer. Die riesigen Wrackteile taumelten explodierend auf die Erde zu und verschwanden in der Erdatmosphäre. Als brennende Bomben jagten sie auf die Erde zu. Bekoval bellte seine Befehle in die Mikrofone. Seine Stimme war in allen Kampfeinheiten vernehmbar. Er galt als der Kommandant der kämpfenden Terraner. Auf seine Kommandos hörte die gesamte Flotte Terras. Die „Walter Beckett" wiederum stand mit dem terranischen Verteidigungszentrum Norad bei Denver in Nordamerika in Verbindung. Von dieser Zentrale aus wurde der Kampf geleitet. Von hier aus erhielten die Computer der „Walter Beckett" laufend Informationen über den Stand der mörderischen Schlacht. Ga-Venga füungierte als Informationsträger zwischen den Computern und Bekoval. Pausenlos jagten die Raumraketen aus den Rohren. Die riesigen Energiegeschütze feuerten armdicke Glutstrahlen in die Schwärze des Alls hinaus. Häßliche Rauch- und Staubwolken füllten den Raum zwischen der Erde und dem Mond. Zahllose Wrackteile schwirrten als gefährliche Geschosse in
diesem Bezirk herum. Wehe dem Raumschiff, dessen Schutzschirme jetzt nicht funktionierten! „Die orathonischen Verbände ziehen sich langsam zurück!" sagte Ga-Venga hastig. Bekoval riß die „Walter Beckett" herum. Riesenhaft wuchsen die Leiber von vier Trakonkreuzern auf den Holografen an. Die Laktonen steuerten Kollisionskurs. Die Männer in der „Walter Beckett" hielten den Atem an. Sie wußten, daß das Flaggschiff Terras bei einem derartigen Angriff als Sieger aus dem Kampf hervorgehen würde. Die leistungsfähigen Antigravitationsautomaten glichen die mörderischen Beschleunigungseffekte bei einem solchen Zusammenprall aus. Die Becon-Schicht schützte das Schiff sicherer als jede andere Panzerung. Diese vier laktonischen Schiffe aber waren nicht geschützt! „Die Orathonen sind praktisch geschlagen!" schrie Ga-Venga. Er warf sich in seinen Sessel und klammerte sich fest. Im nächsten Augenblick raste der Hantelraumer gegen einen Trakonkreuzer. Die anderen wichen schwerfällig aus. Tobende Glut breitete sich auf den Holografen aus. Die Hände der Männer fuhren hoch, um die Augen zu schützen. Die Wrackteile des zerberstenden laktonischen Raumschiffes wirbelten um die „Walter Beckett" herum. „Was ist los?" brüllte Fatlo Bekoval. „Ich sagte, daß die Orathonen geschlagen sind!" schrie Ga-Venga zurück. Bekoval sah ihn beunruhigt an. „Das bedeutet, daß die anderen Laktonen jetzt ebenfalls angreifen werden!" sagte er heiser. Ga-Venga nickte. „Jetzt werden auch die mit Becon gepanzerten Trakonkreuzer angreifen!"
kündigte er an. „Und gegen diese können wir überhaupt nichts ausrichten!" „NORAD fällt aus!" rief plötzlich der Funkoffizier. „NORAD fällt aus!" Bekoval fuhr herum. Er schluckte. Es erschien ihm einfach unmöglich, daß die terranische Verteidigungszentrale ausfallen sollte. Im NORAD liefen alle Fäden zusammen. Sämtliche Ortungsstationen auf der Erde gaben ihre Informationen an NORAD weiter. Die Verteidigungszentrale lag mehrere hundert Meter unter dem Massiv der Cheyenne-Berge in den Rocky Mountains. Was konnte diese Zentrale überhaupt ausschalten? NORAD galt als uneinnehmbar! Wendete sich das Glück so schnell von der Erde ab? * „Und jetzt den Rest!" sagte Jakto Javan selbstsicher. Er stand mit gespreizten Beinen vor dem großen Holografen in der Zentrale seines Flaggschiffes „Varnal II" und beobachtete die Erde, die von laktonischen Raumkreuzern förmlich eingekesselt war. Im Augenblick wurde nicht mehr gekämpft. Lauernd standen sich die beiden Linien gegenüber — die dünne Verteidigungslinie Terras und die mächtige Faust Laktons. Die laktonischen Kampfverbände warteten in aller Ruhe auf die Hauptflotte, die vom Kampf mit den Orathonen zurückkehrte. Bei der Hauptflotte waren die mit Becon gepanzerten Raumschiffe. Sie bildeten die Waffen, die den restlichen Widerstand der Erde zerschlagen mußten. Ein zufriedenes Lächeln umspielte Jakto Javans harte Lippen. Terra war geschlagen! Es gab keinen Zweifel mehr. „Schicken Sie ein Ultimatum heraus!" befahl Jakto Javan dem Komman-
danten. „Fordern Sie die Erde zur Kapitulation auf." Er sah auf einen anderen Holografen, der gleichzeitig — in Ausschnitten — Mars und Venus zeigte. Diese beiden Planeten, die die stärksten Stützpunkte der Erde im Raum gebildet hatten, befanden sich fest in laktonischer Hand. Außerhalb der Mondbahn gab es kein terranisches Raumschiff mehr. Die Laktonen hatten alles zerschlagen, was sich ihnen in den Weg gestellt hatte. Es war keinem einzigen Raumschiff gelungen, den terranischen Raum zu erreichen. Die Laktonen hatten unter dem Kommando Jakto Javans gnadenlos aufgeräumt. Die Verteidigungsforts des Mondes standen kurz vor dem Zusammenbruch. „Ein Funkspruch von den äußeren Planeten!" rief der Funker. Jakto Javan gähnte. Er wandte sich vom Holografen ab und ging zu dem Funkoffizier hinüber. Er stand mit der Funkzentrale in Verbindung, die sich im Mittelteil des Raumschiffes befand. „Was gibt's denn?" fragte Javan jovial. Der Offizier schaltete wortlos um. Das Bild auf den Holografen wechselte. Ein holografisches Bild in dem typischen Grau erschien, das eine Ortungsaufnahme vom Normalkontinuum in den Hyperraum hinein darstellte. Auf dem Bild waren dichte Scharen winziger Hantelraumer zu erkennen. Dieses Bild wurde von den Ortungseinheiten auf den äußeren Planeten aufgenommen, Sie beobachteten den Raumbezirk, aus dem eine orathonische Verstärkung zu erwarten war. Sie orteten eine orathonische Flotte, die sich noch im Hyperraum befand. Jakto Javan biß sich ärgerlich auf die Lippen. Die Störung gefiel ihm nicht. „Wie lange noch?" fragte er scharf.
Seine gute Laune war wie weggeblasen. Der Offizier zeigte ihm die Zeiteinheiten an. Sie entsprachen fünfzehn Terraminuten. Jakto Javan, der mächtige Schento, fluchte. Die laktonische Flotte würde noch eine halbe Terra-Stunde benötigen, um in die Kämpfe um Terra eingreifen zu können. Das reichte nicht aus, um die Erde noch zu erobern, bevor die Orathonen heran waren. Jakto Javan überlegte. Der Sieg konnte auf seiner Seite sein, wenn sie alles auf eine Karte setzten. Entschlossen kehrte er zum Kommandostand zurück. Auf einen Wink stellte der Kommandant eine Konferenzschaltung zu sämtlichen laktonischen Raumschiffen her. „Der Schento spricht!" kündigte der Kommandant an. „Wir greifen die Erde jetzt mit allen Mitteln an. Eine orathonische Flotte wird in wenigen Minuten das Terra-System erreichen. Ich rechne damit, daß die Orathonen mit Überlichtgeschwindigkeit in das System eindringen, um die Erde schneller zu erreichen. Deshalb muß die Entscheidung in der nächsten halben Stunde fallen. Die Erde muß in unsere Hand kommen. Wir werden mit allen Mitteln kämpfen!" „Schento!" wisperte der Kommandant. Er zeigte stumm auf einen kleineren Holografen neben seinem Stand. Jakto Javans Augen verengten sich. Deutlich erkannte der Schento den kleinen terranischen Diskus, der sich aus der Atmosphäre erhob. Er raste so schnell auf einen Trakonkreuzer zu, daß die Angriffsabsicht klar zu erkennen war. Der Trakonkreuzer war der einzige mit Becon gepanzerte Kreuzer Laktons, der sich schon in der Nähe der Erde befand!
* Rex Corda, auf dem Rückflug von Professor Rimsons Forschungsstation, zuckte zusammen, als unmittelbar vor seinem Diskus eine Rakete explodierte. Das kleine Raumschiff flog direkt in die Glutwolke hinein. Jakto Javan lächelte boshaft aus dem Holografen. „Stoppen Sie Ihre Fahrt, Präsident!" sagte er triumphierend. Corda legte die Hand auf die Instrumente. „Es ist gut, daß Sie sich melden, Schento!" sagte er kühl. „Ich wollte Sie bitten, endlich mit der Bombardierung unserer Städte aufzuhören!" Jakto Javan ließ seine Augenbrauen langsam auf die Stirn hinaufwandern. „Sie wollen also kapitulieren?" „Davon kann nicht die Rede sein", antwortete Corda verärgert. „Ich verlange, daß Sie wenigstens fair kämpfen! Verwüsten Sie nicht diesen Planeten! Denken Sie daran, daß die Bewohner dieser Welt Lakton geholfen haben, als Lakton vor einer vernichtenden Niederlage stand! Beschränken Sie sich auf die militärische Auseinandersetzung, verzichten Sie darauf, Zivilisten zu ermorden!" Jakto Javan senkte den Blick für einen Augenblick. Die Muskeln seiner Wangen traten hart hervor. Als er den Kopf hob, war sein Blick starr. „Es ist nicht meine Absicht, Zivilisten zu töten, Herr Präsident", antwortete er gefaßt. „Ich strebe einen militärischen Sieg an! Aber vergessen Sie nicht, worum es hier geht! Es geht um den Bestand des laktonischen Reiches! Sie können nicht erwarten, daß wir Rücksicht auf ein Völkchen wie das der Terraner nehmen, wenn es um ein so riesiges Reich wie Lakton geht!" „Wir haben weder Lakton noch Orathon irgendwann gebeten, sich in die-
sem Raumbezirk sehen zu lassen!" erwiderte Rex Corda. Jakto Javan lächelte. „Sie haben Becon hervorgebracht! Sie haben uns eine Waffe in die Hand gegeben, mit deren Hilfe wir endlich die Orathonen zurückwerfen können! Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, daß die Orathonen diese Waffe in die Hand bekommen! Mr. Corda — unsere Haut ist uns etwas näher als Ihre! Notfalls werden wir den ganzen Planeten Erde zerstören, um die Becon-Formel zu löschen!" „Das würde Ihnen nichts helfen", sagte Corda. Er schüttelte ernst den Kopf. „Sie müßten die Tonbänder finden, auf denen die Formeln verzeichnet sind. Solange Sie diese nicht gefunden und zerstört haben, können Sie nicht sicher sein, daß die Orathonen sie nicht doch noch in die Hände bekommen!" „Wir verfügen über Waffen, mit denen wir den ganzen Planeten in eine Staubwolke verwandeln können, in der kein Teilchen größer ist als ein Staubkorn!" drohte Jakto Ja van wütend. Rote Flecke bildeten sich auf seinen Wangen. Rex Corda sah, daß der Schento die Hände zu Fäusten ballte. Corda lächelte kalt. „Sie wissen, daß ich über Ihre Wafien informiert bin! Sie haben keine solche Waffe, Schento! Lassen Sie uns in Ruhe, und ich garantiere Ihnen, daß die Orathonen die Formeln nicht erhalten!" „Sie lassen mir keine Wahl", knirschte Jakto Javan. „Ich wollte zumindest Ihr Leben retten, weil Sie mein Leben auch gerettet haben, als der Orathone Sigam Agelon mich niederschlug. Wenn Sie nicht kapitulieren, werde ich Ihr Raumschiff auseinanderblasen lassen!" Corda lächelte spöttisch. „Welch böse Worte!" sagte er herab-
lassend. Jakto Javan senkte den Kopf. Corda merkte ihm an, daß dem Schento die Entscheidung schwerfiel. Er legte seine Hände auf die Kontrollinstrumente und bereitete eine scharfe Beschleunigungsphase vor. „Feuer!" sagte Jakto Javan. Er hob den Kopf und sah Rex Corda ruhig an. In Jakto Javans Augen war echte Trauer. * Rex Corda lenkte den Diskus zur Seite. Einer der beiden Trakonkreuzer wanderte ins Zielfeld. Er drückte einen der beiden roten Knöpfe herunter. Fünf Geschosse rasten durch den Höckerlauf einer Reeling-Gun. Die Taumelgeschosse, die Miniatur-Nuklearbomben in sich bargen, knallten aufflammend in die Schutzschirme des Raumschiffes. Mehr konnte Rex Corda nicht sehen, denn das Chaos brach um ihn auf. Harte Erschütterungen fuhren durch den Diskus. Alle Holografen dunkelten ab. Corda konnte nur noch ahnen, welch ungeheurer Energiesturm sich in den Schutzschirmen und auf dem BeconPanzer austobte. Von irgendwoher tönte die Stimme Fatlo Bekovals. „Sie haben ihn erledigt, Sir!" schrie Bekoval. Corda preßte die Zähne zusammen. Er wurde im Sessel hin und her geworfen. Die Antigravitationsautomaten, die sonst die Erschütterungen ausglichen, schafften es nicht ganz. Der Trakon-Riese mußte einen wahren Feuerhagel über den Diskus ausgießen. Corda schätzte, daß Dutzende von Raketen gegen die Becon-Wände knallten. Das Licht erlosch. Trübe brannte die Notbeleuchtung. Corda beschleunigte mit aller Kraft, doch er kam aus dem
Sturm nicht heraus. Er fühlte, daß der Diskus sich überschlug. In den Ortungsschirmen war der Trakonkreuzer deutlich zu erkennen, doch immer wieder wanderte er aus. Immer wieder erschien er im Bild. Corda kämpfte verzweifelt gegen die harten Beschleunigungseffekte, die ihn tiefer und tiefer in die Polster des Sessels preßten. Vor seinen Augen wogten rote schmerzende Schleier. Corda schlug den roten Knopf, der die letzte Reeling-Gun aktivierte. Er schaffte es gerade in dem Augenblick, in dem der feuernde Trakonkreuzer in der Zielerfassung erschien. Genau zwanzig Sekunden danach war Ruhe. Der becongepanzerte Diskus flog durch die auseinanderspritzenden Teile auf die Erde zu. Bekovals Stimme brüllte in den Lautsprechern auf. „Sie haben ihm den Fangschuß gegeben, Sir!" Der Kommandant der „Walter Beckett" erschien in einem Holografen. Zum erstenmal, seit Corda den Laktonen kannte, sah er, daß Bekoval vor Aufregung rote Wangen hatte. Er kratzte sich nervös hinter dem Ohr. „Sir — die ,Walter Beckett' gleicht einem Tollhaus! Unsere Männer feiern Sie wie einen König!" Rex Corda schmunzelte. „Nun — mein Name ist Rex!" versetzte er. „Dann machen die Männer es ja genau richtig!" Das Lachen verschwand schlagartig von den Lippen Bekovals. Plötzlich wurde der Laktone blaß. „Sir — die Orathonen!" Das Bild wechselte. Rex Corda sah den großen Ortungsschirm der „Walter Beckett". Auf ihm war deutlich zu erkennen, daß eine Flotte orathonischer Hantelraumer in Höhe der Marsbahn aus dem Hyperraum auftauchte. Rex Corda schätzte auf den ersten Blick, daß die Orathonen fast tausend Hantelrau-
rner in den Kampf warfen. Ihm stockte der Atem. Die mächtigen Völker der Galaxis präsentierten ihre Macht. Welche Chancen konnte der ZwergErde jetzt noch haben? * „Verzeihung, Professor, ich muß Sie eine Sekunde stören!" sagte der General. Er war der Leiter des Sicherheitskommandos der Forschungsstation. Professor Will Rimson wandte sich unwillig von den Berechnungen ab, die er zusammen mit Dragamur und einem Dutzend laktonischer Spitzenwissenschaftler durchsah. „Was gibt es denn?" drängte er. Der General reichte ihm eine Depesche. „Major Baker von der Mutantenpolizei in Den Haag hat das geschickt, Professor!" sagte er. Will Rimson nahm die Nachricht auf und las sie durch. Major Baker von der Mutantenpolizei, einer Organisation, die dem Roten Kreuz angeschlossen war, teilte mit, daß mehrere Mutanten sich für den Einsatz gegen die Laktonen gemeldet hatten. Die Mutanten waren mit einem Militärgleiter nach Salt Lake City unterwegs. Major Baker bat um eine kurze Nachricht, in der der Professor mitteilte, ob er die Mutanten an die Raumstreitkräfte weitervermitteln wollte. Der Professor reichte Dragamur die Meldung. Der Weise las sie durch. Und plötzlich schlossen sich seine grünen Augen fast völlig. „Ich habe da eine Idee, Professor", knarrte er mit plötzlich sehr fremd klingender Stimme. „Lassen Sie die Mutanten kommen! Aber schnell! Die Zeit drängt!"
* „Herr Präsident, bitte, melden Sie sich im Sekretariat!" rief der persönliche Referent Präsident Cordas aus allen Holografen der Forschungsstation. Rex Corda eilte in die Arbeitsräume, die für ihn eingerichtet worden waren. Sein persönlicher Referent wartete auf ihn. „Herr Präsident! Das orathonische Oberkommando möchte Sie sprechen!" „Das war zu erwarten!" nickte Corda. „Stellen Sie durch!" Er eilte in den für ihn reservierten Raum und setzte sich vor den Holografen. In diesem Augenblick erfolgte die Umschaltung. Das breite beherrschte Gesicht eines Orathonen erschien im Holografen. Ein dünner Schweißfilm lag auf der grünen Haut des Galakters. Die dünnen Kopffedern lagen eng an. Sie schimmerten bläulich. In den Augenlidern des Orathonen wanderten gelbe und rote Lichter auf und ab. Sie ließen den Blick unstet wirken. „Es freut mich, daß Sie sich so schnell zu einem Gespräch bereit gefunden haben, Herr Präsident", sagte der Orathone mit ausgesuchter Höflichkeit. „Ich bin Flottenkommandant Extrun Kilt. Moga Agelon, mein Herrscher, läßt Ihnen durch mich seine besten Wünsche ausrichten!" Corda lächelte unmerklich. Der Orathone sprach englisch, und seine Worte waren höflicher als alles, was Corda bisher aus orathonischem Munde vernommen hatte. „Danke!" sagte Corda kurz. „Wie ich sehe, kämpft die Erde gegen Lakton! Ich komme, um Ihnen meine Hilfe anzubieten!" „Danke!" Der Orathone sah Corda erwartungsvoll an. Doch der Präsident der Vereinigten Staaten der Erde sagte nichts
weiter. Der Orathone schluckte unsicher. „Wir werden die laktonischen Verbände für Sie niederwerfen!" „Und dann?" fragte Corda kurz. Der Orathone atmete auf. Er lächelte. „Wir werden einen Freundschaftspakt abschließen. Wir werden den Schutz der Erde gegen die Laktonen übernehmen!" „Danke", sagte Corda. „Darauf verzichten wir. Diesen Schutz haben wir schon einmal genossen. Sollte der mächtige Moga Agelon das vergessen haben?" Das Gesicht des Orathonen versteinerte sich. „Wir benötigen Becon", sagte er offen. „Und wir werden die Formel bekommen! Wir müssen sie bekommen, wenn wir nicht im Kampf gegen Lakton unterliegen wollen!" „Das wäre mir nicht einmal unsympathisch!" sagte Corda offen. Der Flottenkommandeur blickte ihn überrascht an. „Das sagen Sie mir so offen?" „Warum nicht?" lächelte Corda. „Sie wissen doch, wie es gemeint ist! Warum sollte ich behaupten. Sie seien mir und der Erde willkommen, wenn wir gleich darauf beginnen, uns bis aufs Messer zu bekämpfen?" „Wir müssen die Becon-Formel haben, Präsident! Wir bieten Ihnen dafür hundert voll ausgerüstete Hantelraumer der Dorr-Klasse. Dazu gehören die Diskusraumer und die Kampfroboter!" „Wir verzichten!" „Ich erhöhe das Angebot auf fünfhundert Hantelraumer!" sagte der Orathone sofort. Corda lächelte bitter. „Ich weiß, daß wir nichts bekämen, Orathone!" antwortete er mit metallischer Stimme. „Ein orathonisches Wort gilt nicht mehr viel auf der Erde! Wir haben zu lange gegen die Orathonen gekämpft. Wir können sie einschätzen!"
„Sie haben gegen Sigam Agelon, den abtrünnigen Sohn des Moga Agelon, gekämpft! Sigam Agelon war wahnsinnig! Er ist kein Maßstab für Orathon!" „Für mich gilt das Wort eines Orathonen nichts!" versetzte Corda ruhig. „Es ist mir gleich, ob er wahnsinnig ist oder nicht! Wir haben die Orathonen nicht von der Erde vertrieben, um sie durch die Hintertür wieder hereinzulassen! Kein Außerirdischer wird jemals wieder ungestraft die Erde betreten dürfen! Die Erde gehört uns, und so wird es immer bleiben!" „Sie müssen den Verstand verloren haben!" sagte der Orathone fassungslos. „Wissen Sie denn nicht, gegen welche Übermacht Sie sich behaupten müssen?" Corda antwortete nicht. Er schaltete den Holografen ab. Er lehnte sich zurück und preßte die Hände vor das Gesicht. Der Orathone mußte ihn nicht darauf hinweisen, welcher Übermacht die Erde gegenüberstand. Corda wußte es selbst nur zu gut. Wäre es jetzt nicht wirklich sinnvoller gewesen aufzugeben? Wäre es nicht besser, eine laktonische Besetzung in Kauf zu nehmen als eine orathonische? Wäre es nicht besser für die Erde, laktonische Kolonie zu werden, als unter den Bomben der Orathonen und der Laktonen zum Wüstenplaneten zu werden? Corda stand auf. Er zündete sich eine Zigarette an. Aus dem Getränkeautomaten zapfte er sich ein Erfrischungsgetränk ab. Und dann dachte er an die Tage der orathonischen Besetzung zurück, an die Tage, als sich die Hölle für die Erde auftat. Nein — es konnte keine freundschaftliche Verbindung zu Orathon geben. Und Lakton? Rex Corda dachte an Kalta, den Pla-
neten, der zur laktonischen Kolonie geworden war. Kalta lieferte Perke an Lakton. Perke war eine kleine Nascherei für eine Handvoll Feinschmecker auf Lakton. Um diese Perke möglichst billig zu bekommen, wiegelte Lakton die Völker Kaltas gegeneinander auf, hetzte sie gegeneinander, drängte sie in einen erbitterten Konkurrenzkampf um die beste Perke-Quote. Es kümmerte Lakton wenig, daß die Kaltaner über diesem Kampf vergaßen, daß ihre Welt dem Untergang geweiht war. Der Boden zerbröckelte den Kaltanern förmlich unter den Füßen und versank im Meer. Jeden Tag verloren die Kaltaner kostbaren und unersetzlichen Boden an das gefräßige Meer. Doch das kümmerte Lakton nicht. Lakton wollte nur Perke. Lakton scheute vor einem Völkermord nicht zurück, um eine Nascherei zu bekommen. Die laktonischen Wissenschaftler, die Rex Corda von Teckan befreit hatte, waren Zeuge dieser Ausbeutung gewesen. In tiefer Abscheu hatten sie sich endgültig von Lakton abgewandt und sich den Terranern angeschlossen. Sollte Terra jetzt in die Hände des Volkes fallen, das einen Planeten wie Kalta so erbarmungslos ausbeuten konnte? Sollte Terra ein Opfer der Laktonen werden? Corda wußte, was mit Terra geschehen würde, wenn es laktonische Kolonie werden würde. Er wußte, wohin der Weg zwangsläufig führen mußte: in die Sklaverei und Ausbeutung! Corda warf seine Zigarette in den Müllschlucker. Entschlossen verließ er den Raum. Terra mußte kämpfen! Es gab keinen anderen Ausweg! * Ein wütender Schrei sprang über die Lippen des Schentonen Jakto Javan. Er
verfolgte den Vorstoß der orathonischen Flotte mit größtem Unbehagen. „Lakton, Schento!" rief der Funk Verbindungsoffizier. Jakto Javan eilte zu dem Holografen. Das Flottenoberkommando wartete auf ihn. Zwei der höchsten Militärs standen am Holografen. „Wann kommt endlich Verstärkung?" fauchte Jakto Javan zornig. „Zwei Verbände von je 1400 Trakonkreuzern haben Lakton verlassen, Schento! Sie werden in spätestens zwei Lakton-Stunden im Terra-System eintreffen!" „Hoffentlich ist das nicht schon zu spät!" rief Jakto Javan wütend. „Meine Herren, Sie werden sich dafür zu verantworten haben, daß die Verbände so spät aufgebrochen sind! Die Orathonen sind in der Übermacht!" Die beiden Offiziere lächelten wie auf ein gemeinsames Kommando. Es war das typische Lächeln, das Militärs politischen Persönlichkeiten und deren militärischen Argumenten schenken. „Schento — Sie haben zwanzig Trakonkreuzer, die eine Becon-Panzerung haben!" Das klang wie ein Vorwurf. Jakto Javan antwortete nicht. Er schaltete den Holografen kurzerhand auf die Außenbeobachtung um. Die orathonische Flotte erschien im Bild. „Sehen Sie sich selbst an, wie die Orathonen sich durch die Linien kämpfen! Sie stürmen ohne Rücksicht auf Verluste auf die Erde zu!" Der Holograf zeigte, wie ein orathonischer Hantelraumer nach dem anderen in heller Glut aufging. Der enge Pulk der Hantelraumer wurde immer dünner. Gleichzeitig aber füllten sich die Zwischenräume mit kämpfenden Diskusraumern. Die laktonischen und die terranischen Kampfverbände schossen mit allen Mitteln auf diesen Pulk. Aber die Orathonen schienen sich
nicht daran zu stören, daß sie Schiff auf Schiff verloren. Und ihre grausige Rechnung ging auf! Die Verteidiger der Erde — zu denen unfreiwillig auch die Laktonen in diesem Augenblick gehörten — zerstörten mehr als hundert orathonische Hantelraumer. Doch mindestens fünfzig Hantelraumer drangen in die Atmosphäre der Erde ein und verschwanden in den Wolken! Die anderen Hantelraumer kehrten sich jetzt mit wütendem Abwehrfeuer gegen die Laktonen und Terraner! „Das ist die Entscheidung!" ächzte Jakto Javan. „Begreifen Sie denn nicht? Wir haben getan, was wir nur tun konnten, um die Orathonen von der Erde fernzuhalten. Dennoch ist es ihnen gelungen, auf Terra zu landen!" Er nahm abermals einige Schaltungen vor und setzte zusätzliche Infraortung ein. Deutlich waren die Hantelraumer auszumachen, die trotz heftigen Abwehrfeuers in der Nähe der kreisförmigen Forschungsstation südlich von Salt Lake City landeten. „Ich hoffe, das ist überzeugend genug!" fuhr Jakto Javan fort, und seine Stimme zitterte vor Zorn. „Wenn es den Orathonen jetzt noch gelingt, die Forschungsstation zu erstürmen, dann hat Orathon ebenso Becon wie wir auch. Was das bedeutet, wissen Sie!" „Woher wußten die Orathonen, daß die Forschungsstation das Angriffsziel war?" fragte einer der beiden hohen Offiziere. „Das mag der Teufel wissen", fluchte Jakto Javan. „Wahrscheinlich haben die Terraner und wir gerade diesen Bezirk allzu deutlich verteidigt. Außerdem ist das der einzige Gebäudekomplex auf der Erde, der durch einen energetischen Schutzschirm gesichert wird!" Jakto Javan schaltete ab. Er legte die Hände vor das Gesicht und massierte
sich die Schläfen, um die stechenden Kopfschmerzen, die ihn quälten, abzudämmen. „Jetzt wird mit allen Mitteln gekämpft!" befahl er. „Und wenn die Erde dabei tatsächlich zur Wüste wird!" * Dira Riid hatte es geschafft! Die laktonische Agentin war auf Terra gelandet. Im genau berechneten Zielgebiet war sie angekommen. Es war ihr sogar gelungen, sich unauffällig unter die hektisch arbeitenden Wissenschaftler in der Forschungsstation zu mischen. Sie war bis in den Raum gelangt, in dem die Becon-Formeln aufbewahrt wurden. Sie hatte sich in allen Abteilungen als Kollegin ausgegeben, zum Schein sogar mitgearbeitet, so daß man ihr nicht im geringsten mißtraute. Dira Riid hörte die heulenden Alarmsirenen und zögerte. Für einige Augenblicke glaubte sie, daß sich dieser Alarm auf sie bezöge, aber dann erschien niemand im Computerraum. Sie eilte zu dem Hauptcomputer hinüber. Jetzt genügten einige kleine Schaltungen! Ihre Hand streckte sich nach den entscheidenden Hebeln aus. Sie waren verplombt. „Oh — woran arbeiten Sie?" fragte da jemand hinter ihr. Sie fuhr erbleichend herum. Professor Will Rimson stand harmlos lächelnd vor ihr. Er hielt einige Papiere in der Hand. „Ich wollte einige Berechnungen anstellen!" sagte sie. Ihre Stimme klang ein wenig schrill. „Das ist doch erlaubt," Will Rimson lächelte gutmütig. „Natürlich, Miß. Wie ist Ihr Name?" fragte er. „Womit beschäftigen Sie sich denn?"
„Ich heiße Dira Riid, ich habe mit Professor Eugen Sigmund in Pretoria zusammengearbeitet!" Die Agentin wußte, daß es diesen Professor gab. „So? Das ist doch ein Parapsychologe, nicht wahr?" Sie nickte nervös. Sie fühlte, daß ihre Hände feucht wurden. Die Nackenmuskeln spannten sich. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren. Notfalls mußte sie den Professor niederschlagen, um die Formeln löschen zu können. „Und womit beschäftigen Sie sich jetzt?" fragte Will Rimson freundlich. „Professor Sigmund hat eine gewisse Verwandtschaft zwischen parapsychologischen Problemen und Becon entdeckt", behauptete sie aufs Geratewohl. Professor Rimson zuckte zusammen. Seine Unterlippe sackte herab. Der Wissenschaftler bot ein so komisches Bild grenzenloser Verblüffung, daß Dira Riid unwillkürlich lächelte. Es war doch gut, daß sie so gründlich geschult worden war und sogar Einzelheiten wußte, dachte sie. Der Professor fuhr herum und hastete auf die Tür zu. Die Agentin atmete auf. Ihre Finger krallten sich um die Plastikkarten. Doch da blieb Rimson in der Tür stehen und sah zurück. „Kommen Sie, Miß Dira! Kommen Sie sofort!" „Ich muß hier noch ..." Er richtete sich scharf auf. Sein Gesicht wandelte sich verblüffend. Wirkte Professor Will Rimson eben noch wie ein gutmütiger, etwas versonnener alter Herr, so sprühte er jetzt vor Energie und Willenskraft. Seine Haltung straffte sich, und sein Blick wurde so zwingend, daß die Agentin nicht ablehnen konnte. Sie zuckte die Achseln und faßte einen blitzschnellen Entschluß.
Als sie an dem Müllschlucker vorbeiging, warf sie die Karten, die den Schlüssel zur Becon-Formel bildeten, hinein. Sie verbrannten auf der Stelle. Will Rimson reagierte nicht darauf. Er wartete, bis Dira Riid bei ihm war, dann ergriff er ihren Arm mit harter Hand und zog sie förmlich zu Dragamur, der an einem elektronischen Mikroskop arbeitete. „Dragamur!" rief Rimson. Der Weise winkte erregt ab. „Lassen Sie mich! Einen Augenblick!" bat er nervös. Will Rimson zog ihn einfach hoch. Ärgerlich verzog Dragamur das Gesicht. „Ich verstehe nicht, Professor, was Sie derart..." „Warten Sie, Dragamur!" rief Rimson heftig. „Ein Kollege aus Pretoria hat eine Verwandtschaft zwischen Becon und parapsychischen Problemen festgestellt!" Dira Riid fühlte, wie ihre Knie schwach wurden. Erst jetzt begriff sie, welche Aufregung sie mit ihrer Lüge erregen mußte. Dragamur zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. „Wir haben es!" schrie er. Er umarmte Professor Will Rimson und schlug ihm die roten Flügel um die Schultern. „Professor! Wir haben es!" Er packte die Hand Rimsons und zog ihn mit sich fort. Dira Riid blieb allein zwischen den anderen Wissenschaftlern, die sie verblüfft und befremdet ansahen. Latak Decimo, der Synoptiker, kam auf sie zu. „Nun erklären Sie uns bitte einmal, was überhaupt vorgefallen ist!" bat er. Der Boden erzitterte plötzlich unter ihren Füßen. Irgendwo zerbrachen Panzerglasscheiben mit einem donnernden Krachen. Der Boden schwankte stärker. Draußen auf dem Vorgelände
der Forschungsstation fielen Schüsse aus Energiekanonen. Der Kampf um die Station hatte begonnen. * Dragamur riß die Tür zu dem Raum auf, in dem Major Baker mit den sechs Mutanten wartete. Die Männer sprangen auf. „Wird die Station angegriffen?" fragte der Major durch das Heulen der Sirenen hindurch. Seine Stimme war kaum zu vernehmen. Dragamur schlug die Tür hinter sich zu. „Hören Sie!" rief er mit scharfer Stimme: „Ich weiß, daß mindestens einer unter Ihnen ist, der bewußt oder unbewußt gegen irgend etwas ankämpft, das einen offensichtlich unangenehmen Einfluß auf ihn ausübt." „Etwas komisch ausgedrückt", antwortete ein blonder, sehr großer Mann. „Hier in dieser Station ist irgend etwas, das sich gegen uns wehrt!" Dragamur grinste. Sein Schnabel klapperte mehrmals. „Unternehmen Sie jetzt nichts dagegen!" bat er. "Kommen Sie mit!" Major Baker schloß zu Dragamur auf. Auch der Professor Rimson ging neben dem Weisen der Galaxis. „Was, zum Teufel, geht hier eigentlich vor", fragte Major Baker respektlos. Sie kamen an einer Panzerglasfront vorbei. Dahinter sahen sie es unaufhörlich aufblitzen. Irgendwo schien es zu brennen. Professor Rimson nahm den Arm des Majors. „Passen Sie auf, Baker", erklärte er. Sie blieben einen Augenblick stehen, weil der Boden unter ihren Füßen erbebte. „Becon wurde einigen Männern eingepflanzt. Laktonische und terranische Wissenschaftler — auch ich gehörte zu dem Forschungsteam — pflanzten diesen Männern eine kleine Becon-Schale
in den Kopf. Das Becon wurde direkt an das Hirn dieser Männer angeschlossen. Auf eine noch nicht erforschte Weise machte es diese Männer zu unbesiegbaren Kämpfern. Von dem mit dem Becon verbundenen Hirn ging eine unglaubliche Kraft aus." Er sah Major Baker prüfend an. Er sprach erst weiter, als er den Eindruck hatte, daß der Major alles verstanden hatte. „Jetzt kam uns ein Gedanke. Wenn das Becon einen solchen Einfluß auf das Hirn nimmt, dann müßte doch auch das Hirn einen Einfluß auf das Becon nehmen können." „Das ist eigentlich verständlich", sagte der blonde Mutant, ein Telekinet. „Kurz nachdem Sie hier in dieser Station erschienen, zerbröckelte ein winziges Becon-Stückchen. Bis jetzt konnten wir überhaupt nicht verstehen, wie das möglich war. Dies war ein Phänomen, wie wir es noch nie zuvor beobachten konnten. Erst jetzt haben wir bemerkt, daß diese Erscheinung zeitlich mit Ihrem Eintreffen hier zusammenfiel. Welche Vermutung liegt also näher als die, daß es Ihr geistiger Einfluß auf das Becon war, der es zerstörte?" Major Baker blieb stehen. Nervös xuckte es in seinem Gesicht. Ein unheimliches Grollen lief durch den Boden. Draußen fielen unaufhörlich Schüsse. „Dann ist Becon doch zerstörbar?" Dragamur nickte. „Wir sind jetzt davon überzeugt! Kommen Sie!" Er führte die Mutanten in die Laboratorien, wo die anderen Wissenschaftler in fieberhafter Erregung auf sie warteten. Auch Dira Riid, die Agentin, war bei ihnen. Sie stand mitten unter den anderen Wissenschaftlern. In diesem Augenblick konnte sie sich nicht unauffäl-
lig von ihnen entfernen. Dragamur führte die Mutanten zu dem Arbeitstisch, auf dem das elektronische Mikroskop stand. Er zeigte den Mutanten ein Stückchen Becon. „Ganz eindeutig", nickte der Blonde. „Von diesem Ding hier geht etwas Unheimliches aus. Ich fühle es deutlich! Und verdammt — ich kann es nicht vertragen!" Lächelnd bemerkte Dragamur, daß sich rötliche Staubpunkte auf dem Becon zeigten! * Rex Corda eilte beim ersten Alarm zu den Beobachtungsholografen. Da sah er die orathonischen Hantelraumer und Diskusraumschiffe, die auf der Salzwüste in der Nähe der Forschungsstation landeten. Die Verteidigungsverbände der Station brachten ihre Geschütze in Feuerbereitschaft. Ein ständiger Nieselregen ging auf den energetischen Schutzschirm herab. Er verdampfte mit dem Aufschlag. In der Folge hüllte sich die Station in zunehmendem Maße in Dampfwolken. Die Hantelraumer waren schwer auszumachen. Rex Corda verließ seinen Beobachtungsposten und eilte durch die Gänge. Überall traf er Offiziere des Raumdienstes, die mit ihm die Station verließen. Scharfe Kommandos hallten durch die Gänge. Jetzt zeigte sich, daß die Geschütze hervorragend mit dem Zentralcomputer gekoppelt waren. Die mit Becon gepanzerten Geschosse rasten durch die winzigen Öffnungen, die der Computer bei den Abschüssen schuf, während die Geschosse der Orathonen an dem Schirm zerplatzten. Rex Corda konnte deutlich sehen, wie es bei den orathonischen Raumschiffen aufflammte. In den ersten drei, vier Sekunden sah er sechs Explosio-
nen. Wieder einmal erwies sich Becon als entscheidende Waffe, obwohl die Möglichkeiten des Becons noch nicht einmal zu zehn Prozent ausgeschöpft waren. Corda rannte zu dem Oberbefehlshaber der Bodentruppen, der an einer Raketenrampe stand und seine Befehle über ein Kehlkopfmikrofon weitergab. Die Becon-Geschosse fraßen sich förmlich in den energetischen Schutzschirmen der orathonischen Hantelraumer fest. Sie sogen die Energie in sich auf, bis die Schirme für einen Augenblick zusammenbrachen. Dann reichte die Antriebsenergie meist noch für den kurzen Flug zu den Panzerplastwänden aus, wo die nuklearen Sprengsätze eine verheerende Wirkung erzielten. Corda grüßte kurz, als er den Bodenkommandanten erreichte. „Wie sieht es aus? Halten Sie durch?" schrie er durch den Lärm. Der General grinste verzerrt. „Lange nicht, Sir!" antwortete er. Er schrie Befehle ins Mikrofon. Corda sah, daß einige Raketen von den Abschußrampen fauchten. Eine Glutwelle fegte über den Platz. Über ihnen lohten die Schutzschirme auf. „Zum Glück gehen die Orathonen vorsichtig an uns heran, Sir! Sie wissen genau, daß sie keinen allzu großen Schaden anrichten dürfen, wenn sie die Formeln nicht vernichten wollen. Das ist unsere Chance!" „Halten Sie durch!" rief Corda. „Sie müssen es schaffen! Es dauert nicht mehr lange, bis Sie Entlastung bekommen!" Der Offizier salutierte. Seine Augen leuchteten auf. Es war offensichtlich, daß er die Worte Cordas als Versprechen nahm. Corda kehrte um. Ihm fielen die Mutanten ein. Er eilte in die Station zurück. Verblüfft bemerkte er, daß die Mutan-
ten nicht mehr in dem Raum waren, in dem er sie vor kurzem noch gesehen hatte. Er eilte in die Laboratorien weiter und stieß hier mitten in die Aufregung. Professor Will Rimson berichtete ihm von den Erfolgen, die sie bisher erzielt hatten. Corda zögerte einen Augenblick, dann ging er in die Funk- und Ortungsstation der Anlage, um sich selbst ein Bild zu machen. Sekunden später kam er zurück. „Dragamur!" rief er. Der Weise wandte sich ihm zu. Erwartungsvoll sahen ihn die grünen Augen an. „Wiederholen wir eben", bat Corda. „Sie behaupten also, daß die Mutanten durch ihre Ausstrahlung Becon zerstören können!'' „Wenn sie sich darauf konzentrieren", nickte Dragamur. „Schön! Dann werden wir jetzt keine Zeit verlieren. Wir machen ein Experiment!" „Ist es so eilig?" fragte Dragamur erschrocken. Corda deutete stumm auf den Boden. Er schwankte und zitterte. Direkt unter ihren Füßen hatte sich ein Spalt gebildet, der jetzt nur haarfein war, sich aber ständig verbreiterte. „Also gut — Was sollen wir tun?" fragte Rimson. Die fünf Mutanten, die geholt worden waren, hörten aufmerksam zu, „Alle Mutanten werden mir jetzt in den Funkraum folgen! Die ,Walter Bekkett' wird eine Becon-Rakete auf einen mit Becon gepanzerten Laktonkreuzer abfeuern! Und die Mutanten werden sich alle auf dieses Geschoß konzentrieren, das wir auf dem Radarschirm verfolgen können!" führte Corda aus. „Und was erwarten Sie, Corda?" erkundigte sich Dragamur. „Daß das Becon zerstört wird!" „Sie meinen, die Energie aus dem Becon soll spontan frei werden, nicht
wahr?" fragte Dragamur. „Genau das! Wenn wir das nicht erreichen, dann haben wir nichts erreicht!" Corda sah die betroffenen Gesichter der Wissenschaftler. Er wußte, daß sie vor einem faszinierenden Problem standen, aber jetzt durfte nur die Waffenwirkung des Becons interessieren. Er ging in die Funkstation. Die Mutanten und die Wissenschaftler folgten ihm. Auf den großen Ortungsschirmen konnten sie die heftigen Kämpfe im Weltraum verfolgen. „Schalten Sie zur ,Walter Beckett' durch!" befahl Corda. Sekunden später erschien Bekoval im Bild. Der Laktone sah abgekämpft und müde aus. Doch als er Corda sah, blitzten seine Augen auf, und das Gesicht straffte sich. „Bekoval — ich kann Ihnen keine Versprechungen machen", begann Corda. „Aber wir alle glauben, daß wir unmittelbar vor der Lösung unserer Probleme stehen. Bitte — greifen Sie jetzt einen Trakonkreuzer an, der eine Becon-Panzerung hat. Feuern Sie eine oder mehrere Becon-Raketen auf dieses Raumschiff ab, bleiben Sie aber auf Distanz! Die Verbindung bleibt bestehen!" Irgendwo im Hintergrund in der „Walter Beckett" stand Ga-Venga, der zwergenhafte Kynother. „Wir haben ein herrliches Feuerwerk hier oben, Sir!" grinste er, als sie sein Gesicht für einen Augenblick auf dem Holografen sehen konnten. Im nächsten Moment verschwand Ga-Venga aus dem Bild. Schwere Erschütterungen liefen durch die „Walter Beckett". GaVenga stürzte zu Boden. „Unsere Antigravitationsautomaten sind nicht ganz in Ordnung, Sir", entschuldigte sich Bekoval, der sich krampfhaft am Instrumentenpult fest-
hielt. „Feuern Sie!" befahl Corda. Das Bild wechselte. Ralf Griffith, der Waffenleitoffizier, erschien im Holografen. „Hallo, Sir!" rief er. "Jetzt machen wir ein Feuerwerk!" Er schaltete das Bild um. Sie sahen auf Griffiths Ortungsschirme. Jetzt hatten die Mutanten ein hervorragendes Medium zu ihrer Orientierung. „Konzentrieren Sie sich nur auf diese Raketen!" mahnte Dragamur ernst. „Nicht auf andere!" Die Raketen schossen aus den Rohren. Die Mutanten drängten sich um den Schirm. Absolute Ruhe lastete auf ihnen. Deutlich konnten sie die Reflexbahnen der Raketen verfolgen. Rex Corda, der das Ziel als erster erkannte, zeigte auf einen größeren Fleck. „Das ist das Ziel!" flüsterte er. Die Sekunden verstrichen. Jetzt schienen die Raketen ihrem Ziel nur unendlich langsam näher zu kommen. Die Agentin Dira Riid vergaß ihren Auftrag für einen Augenblick. Hier hatte sie die Chance, die Formeln im Computer zu löschen. Niemand hätte auf sie geachtet. Aber sie hatte etwas entdeckt, das viel wichtiger war. Und sie mußte jetzt Zeuge dieser Aktion werden. Rex Corda wollte die Energie aus dem Becon frei machen! Er wollte Kräfte entfesseln, die bisher selbst mit nuklearen Waffen nie in diesem Umfang frei geworden waren. „Jetzt!" sagte Dragamur. „Greift es an!" Die Raketenreflexe berührten das mit Becon gepanzerte Raumschiff. Im nächsten Augenblick gleißte der Ortungsschirm in weißem Licht. Mehrere Sicherungen flogen krachend heraus. Beißender Gestank stieg von den Instrumenten auf. Gleichzeitig schien sich
der Boden unter ihren Füßen aufzubäumen. „Sir! Sir!" schrie die Stimme Bekovals aus dem dunklen Holografen. „Sir — Sie haben es geschafft! Sir — hören Sie mich?" Corda klammerte sich an das schwankende Instrumentenpult. Er griff nach dem Holografen und stellte ihn neu ein. Allmählich tauchte das Bild Fatlo Bekovals aus dem flirrenden Nebel. Fatlo Bekoval strahlte. Er lachte wie von Sinnen. „Sie haben es geschafft, Sir! Der mit Becon gepanzerte Trakonkreuzer flog wie eine Seifenblase auseinander. Vier weitere Trakonkreuzer und ein Hantelraumer gingen dabei mit drauf! Orathonen und Laktonen ziehen sich bereits von der Erde zurück! Sir — hören Sie mich überhaupt?" Corda beugte sich vor. „Können Sie noch einen weiteren mit Becon gepanzerten Kreuzer in Ihrer Nähe ausmachen, Bekoval?" schrie er. „Natürlich! Ein Trakonkreuzer hat sich bisher noch nicht zurückgezogen!" „Gebt ihm eine Becon-Salve!" befahl Corda. Er drehte sich um und wandte sich an die Mutanten. Fünf bleiche Gesichter sahen ihn an. „Diesen Kreuzer müssen wir noch schaffen!" befahl Corda mit harter, unbeugsamer Stimme. „Konzentrieren Sie sich!" * Corda zerrte die beiden Mutanten mit sich. „Und wenn Sie tausendmal erschöpft sind", sagte er hart. „Das gibt Ihnen noch kein Recht, sich in dieser Situation zurückzuziehen. Erst müssen wir die Lage bereinigen!" Die beiden Mutanten, beide Telekine-
ten, taumelten erschöpft hinter ihm her. „Sir — es war, als ob tausend glühende Nadeln auf mich eingestochen hätten!" stöhnte der Blonde. „Ich dachte, ich müßte verrückt werden!" Sie liefen an den Raketenlafetten vorbei. Die Männer der terranischen Raumstreitkräfte legten eine kleine Kampfpause ein. Von seiten der Orathonen wurde auch nicht mehr geschossen. Rex Corda hielt bei dem Kommandanten der Bodenstreitkräfte kurz an. „Ich habe versucht, Verbindung mit den Orathonen aufzunehmen", sagte er. „Es ist nicht gelungen!" Er sah zu den Hantelraumern hinüber, die als graue Schemen hinter dem dunstverhangenen Schutzschirm zu erkennen waren. Es regnete noch immer. Der Regen verdampfte in den Energiefeldern. „Sir — was ist passiert? Der ganze Himmel leuchtete eben blutrot! Als wenn die Sonne aufgegangen wäre, dabei geht sie gerade unter!" sagte der General. Corda lächelte flüchtig. „Wir haben es fast geschafft", sagte er. „Es ist uns gelungen, zwei mit Becon gepanzerte Trakonkreuzer zu zerstören!" Der General trat überrascht einen Schritt auf den Präsidenten zu. „Sir — ohne die Becon-Haut zu beschädigen?" Corda schüttelte den Kopf. „Nein, General! Das Becon selbst hat sich in Energie aufgelöst! Es blieb noch nicht einmal ein Staubkörnchen übrig!" Der General taumelte ein wenig. Er griff sich an den Kopf. „Herr Präsident, das — das ist grauenvoll!" stammelte er. Corda nickte ernst. „Glauben Sie, mir macht es Freude, solche Waffen anzuwenden?" fragte er. „Aber es bleibt uns keine andere Wahl.
Jakto Javan hat den Befehl gegeben, die Erde völlig zu vernichten. Wir konnten den Funkspruch an die Flotte abhören. Die Laktonen sind entschlossen, sämtliches Leben auf der Erde auszulöschen, um ihre eigene Haut zu retten! Es ist unser Recht, unser Leben zu verteidigen, so gut wir können. Niemand zwingt die Laktonen, gegen uns zu kämpfen. Die Laktonen brauchen sich nur aus unserem System zurückzuziehen. Dann sind die Kämpfe beendet. Auch die Orathonen brauchen sich nur zurückzuziehen. Wir kämpfen nicht freiwillig, vergessen Sie das nicht!" „Natürlich, Sir!" sagte der General, der sich starr aufrichtete. „Bitte, verzeihen Sie meine Bemerkung!" „Wir haben alle nur Nerven!" lächelte Corda. „Darf ich fragen, was Sie jetzt vorhaben?" „Ich werde mit diesen beiden Männern bis dicht an den Schutzschirm herangehen. Dann werde ich auf die Hantelraumer feuern!" „Womit, Sir?" Corda hielt seine Reeling-Gun hoch. „Mit einer Reeling-Gun?" fragte der General verblüfft. Corda öffnete das Magazin. „Ich schieße mit Becon-Geschossen. Wir werden die Energie aus diesen Geschossen frei machen! Ein Geschoß reicht aus, um einen Hantelraumer zu vernichten. Vielleicht starten die anderen dann und geben den Kampf auf!" Er wendete sich ab. „Sobald ich Ihnen den Befehl gebe, heben Sie den Schutzschirm an meiner Seite kurz auf. Schalten Sie auf meine Frequenz!" Er eilte weiter. Überall schwieg das Feuer. Nur im Raum wurde noch vereinzelt gekämpft. Die Erde hatte eine Waffe, die als die ultimative Waffe gelten konnte. Becon
galt bisher als absolut unzerstörbar. Terra hatte einen Weg gefunden, die Energie des Becons frei zu machen. Corda warf sich am Rande des Schutzschirms auf den Boden. Die beiden Mutanten legten sich neben ihn. „Achtung Funkzentrale!" sagte Corda leise. Die Zentrale meldete sich sofort. „Geben Sie mir das orathonische Oberkommando!" „Das Oberkommando meldet sich nicht!" „Dann geben Sie eine Warnung heraus! Senden Sie ein Ultimatum! Fordern Sie, daß die orathonische Flotte das Terra-System sofort verläßt. Fordern Sie, daß alle orathonischen Raumschiffe sofort starten. Wenn der Start nicht in mindestens fünf Minuten erfolgt, werden wir einen Hantelraumer zerstören!" Corda wartete. Er schaltete sein Mikrofon ab. „Hören Sie!" sagte er zu den Mutanten. „Die Orathonen sollen begreifen, daß ein einziger Terraner mit einer Reeling-Gun ausreicht, um einen ganzen Hantelraumer zu zerstören! Sie können sicher sein, daß die Orathonen uns jetzt auf den Bildschirmen haben! Sie müssen sich hart konzentrieren. Wir haben nur eine Chance! Der Schutzschirm kann nur einmal kurz geöffnet werden. Beim zweiten Versuch schießen die Orathonen uns ab. Ich habe vier Kegelgeschosse in der Gun! Die ersten beiden bestehen nur aus Becon. Die sollen den Schutzschirm des Hantelraumers aufreißen. Mit diesen Geschossen können wir sonst nichts anfangen. Die beiden anderen Geschosse enthalten je eine Miniatur-Nuklearbombe. Auf diese kommt es an! Konzentrieren Sie sich auf die letzten beiden Geschosse. Sie werden in den Hantelraumer eindringen!" Corda unterbrach seinen Befehl, als
die Stimme des Funkleitoffiziers in seinem Kopfhörer aufklang. „Sir — die Orathonen antworten nicht! Sie beachten uns einfach nicht!" „Wie sieht es im Raum aus?" „Die Orathonen und die Laktonen stehen sich in scharf getrennter Front gegenüber. Die Orathonen stehen westlich des Mondes, die Laktonen östlich. Gekämpft wird augenblicklich von keiner Seite!" "Wie sieht es in unseren Mondbasen aus?" „Alle Mondbasen sind ausgefallen. Alle Waffensysteme wurden vom Feind zerschlagen. Die Stationen haben jedoch nur einen geringen Ausfall an Menschenleben gehabt. Die meisten Männer und Frauen leben noch. Sie können nicht kämpfen, weil sie keine Waffen mehr haben!" „Gut — ich greife an!" Corda gab den Befehl an den General. Er riß die Reeling-Gun an die Schulter. Die beiden Mutanten preßten das Gesicht an die Erde. Er sah ihre Hände, die sich in den Boden krallten. Der Schutzschirm öffnete sich. Der Regen sprühte Corda ins Gesicht. Corda riß den Abzugshebel der Reeling-Gun viermal hintereinander durch. Fauchend rasten die Geschosse aus dem Höckerlauf der Reeling-Gun. Drüben bei dem Hantelraumer leuchtete es blitzartig auf. Der Schutzschirm schloß sich sofort wieder. Corda legte sich nach vorn und schützte den Kopf mit den Armen. Im gleichen Augenblick warf sich der Boden auf. Corda bekam einen harten Schlag. Er wurde herumgeschleudert. Die Mutanten neben ihm schrien. Er öffnete die Augen um einen winzigen Spalt. Doch als er das blutige Licht sah, schloß er sie sofort wieder. Die Erde unter ihm wellte sich, schlug und bockte. Sie schleuderte ihn
herum, als wolle sie sich an ihm für die Gewalten rächen, die er frei gemacht hatte. Rex Corda fühlte vorsichtige Hände, die ihn hochhoben. Er schlug die Augen auf. Er sah die blassen Gesichter der Offiziere wie durch rote Schleier. Langsam wich die Benommenheit. Er wehrte die Hände ab und stellte sich aufrecht. Er taumelte ein wenig. Hinter ihnen halfen die Männer der Raumstreikräfte den beiden Mutanten auf die Füße. „Der Hantelraumer flog in die Luft", berichtete der General aufgeregt. „Er zerstörte einen weiteren Hantelraumer, der zu dicht bei ihm gelandet war. Es ist kein einziger Diskus entkommen!" Corda nickte. „Hoffentlich hat das etwas genützt!" sagte er. Er drehte sich zu den erschöpften Mutanten um. „Kommen Sie, meine Herren!" Er wankte zur Forschungsstation hinüber, in der die Wissenschaftler mit Feuereifer an der Weiterentwicklung der Waffen arbeiteten. Der General begleitete ihn bis zum Eingang. Allmählich wurde es dunkel. Die fremden Raumschiffe waren kaum noch zu erkennen. Der Regen hatte nachgelassen. Doch der Himmel war dicht mit Wolken und Rauch verhangen. Percip, der Laktone, kam Corda entgegen, als dieser die Station betrat. Er grüßte kurz. „Sir — die Orathonen haben um eine Verhandlungspause gebeten!" berichtete er. „Jakto Javan hat dagegen die völlige Verwüstung der Erde angekündigt. Ich nehme an, daß der Schento mit einer beträchtlichen Verstärkung rechnet!" „Es wird also doch noch zu einem weiteren Kampf kommen", sann Corda. Er nickte. „Wenn die Laktonen es nicht anders wollen, sollen sie es so haben! Aber sie sollten wissen, daß es für sie ein teurer Spaß wird!"
Er ging mit Percip zur Funkzentrale und setzte sich vor den großen Holografen. Einer der Offiziere reichte ihm Erfrischungstücher, ein anderer eine Tasse heißen Kaffee. Corda gönnte sich die kurze Pause. Dann nickte er dem Funkleitoffizier zu. Die Holografen flammten auf. Ein laktonischer Offizier erschien auf dem Schirm. „Ich höre, daß Sie den Schento Jakto Javan sprechen möchten", begann er mit nasaler hochmütiger Stimme. „Der ,Ehrenwerte Schento' ist etwas befremdet über die Form Ihres Wunsches. Wir müssen Sie bitten, die allgemeinen Höflichkeitsformen etwas mehr zu beachten!" Rex Corda war für einen Augenblick so verblüfft, daß er keine Antwort fand. Dann winkte er halb ärgerlich, halb amüsiert ab. „Schalten Sie um! Ich habe weder Lust noch Zeit, mit Ihnen über derlei Fragen zu diskutieren!" „Sir, wir müssen ..." „Umschalten!" forderte Corda mit gefährlich leiser Stimme. Seine blauen Augen starrten den Laktonen eiskalt an. Der Laktone wurde unsicher. Er versuchte eine weitere Äußerung, doch dann schlug er die Blicke nieder und schaltete um. Jakto Javan war erstaunlicherweise sofort im Holografen. Das war für Corda ein Zeichen dafür, daß der „Ehrenwerte Schento" auf den Anruf gewartet hatte. Er wollte sofort mit einer Redeflut beginnen, doch Corda unterbrach ihn mit einer energischen Gebärde. „Jakto Javan — es ist bedauerlich, daß wir Feinde geworden sind", sagte Corda leise und sehr ernst. „Ich wäre sehr erfreut gewesen, wenn ich einen Mann wie Sie Freund hätte nennen dürfen! Aber derartige Ehrbegriffe gibt es offensichtlich im laktonischen Be-
reich nicht!" „Wollen Sie mich beleidigen?" fauchte Jakto Javan. Er sprach laktonisch, aber die zwischengeschaltete Elektronik nahm auch seinen Tonfall auf, so daß die Übersetzung kaum auffiel. „Ich möchte nur feststellen, mehr nicht!" erwiderte Corda. „Die Erde ist unangreifbar geworden! Ich hoffe, Sie haben das begriffen, Schento!" Jakto Javan lachte dunkel. Aber ein Funke der Unsicherheit glomm in seinen Augen. „Wir können Becon zerstören! Sie haben es erlebt! Ihre mit Becon gepanzerten Trakonkreuzer wurden zu Staub zerblasen", fuhr Corda fort. „Währenddessen wachsen die Schäden, die Sie auf der Erde anrichten, immer mehr!" Rex Corda machte eine Pause, um einen Schluck Kaffee zu trinken. Er zündete sich eine Zigarette an. Er bot Percip, der neben ihm stand, auch eine Zigarette an. Doch der Laktone winkte lächelnd ab. „Ich möchte nicht das erleben, was Bekoval erlebte", flüsterte er. „Laktonen vertragen kein Nikotin!" Corda nickte. Er hatte es vergessen. Nikotingenuß versetzte die Laktonen in einen gefährlichen, rauschähnlichen Zustand. Jakto Javan sprach kein Wort während der Pause. „Es ist ganz selbstverständlich, daß Lakton für diese Schäden Tribut zahlen muß", fuhr Corda jetzt fort. „Wir werden den Tribut in Form von voll einsatzfähigen Raumschiffen nehmen!" „Herr Präsident, ich glaube, wir werden nicht einig werden!" sagte Jakto Javan vorsichtig. „Wir werden den Kampf erst abbrechen, wenn wir ganz sicher sind, daß die Orathonen die Becon-Formel nicht bekommen werden!" „Eine Möglichkeit bleibt uns noch!"
antwortete Corda. „Und die wäre?" „Wir könnten die Becon-Formel an die Orathonen übergeben! Uns schaden wir dadurch nicht! Wir können Becon zerstören! Lakton kann es nicht! Lakton stünde plötzlich einer gleichwertigen Macht gegenüber! Wie der Kampf dann weiterginge, das wissen Sie besser als wir!" Jakto Javan sagte etwas, aber Corda verstand die Worte nicht, weil Fatlo Bekoval, der Kommandant des terranischen Flaggschiffes „Walter Beckett", dazwischenschrie. „Sir!" brüllte der bullige Laktone. „Die Laktonen haben Tausende von Raumraketen auf die Erde abgeschossen! Riesige Raketenpulks rasen auf Terra zu!" Cordas Blicke ruckten zu Jakto Javan. Der Schento zog den Kopf ein wenig zwischen die Schultern. Seine Augen leuchteten grausam auf. „So verfahren wir mit Völkern, die sich unseren gerechten Wünschen nicht beugen!'' sagte Jakto Javan heiser. Corda senkte den Kopf. Er wandte sich von dem Schento ab. „Schalten Sie aus!" sagte er zu einem Offizier. „Corda!" brüllte der Schento. Seine Stimme zitterte. Corda ahnte, wie dem Laktonen zumute war. Er konnte nicht anders. Seine persönlichen Gefühle für den Terraner Rex Corda spielten keine Rolle. Hier ging es um das laktonische Reich. Jakto Javan konnte nicht anders handeln, und wenn er dabei seelisch zugrunde ging. Die Stimme des Schento erlosch. „Was sollen wir tun, Sir?" ächzte Bekoval. „Die ersten Raketen werden die Atmosphäre in etwa fünfzehn Minuten erreichen!" „Es gibt nur noch eine Möglichkeit, Bekoval! Schicken Sie einige mit Becon gepanzerte Diskusraumer 'raus! Jagen
Sie sie mitten in die Pulks hinein und beschießen Sie sie dann mit becongepanzerten Raketen. Wir werden versuchen, das Becon zu entzünden! Setzen Sie auch Tsati Mutara und Olaf Harrison darauf an!" „Wie, Sir?" fragte Bekoval, nachdem er die entsprechenden Kommandos gegeben hatte. „Holen Sie die beiden Mutanten an den Holografen! Wir werden sie einweisen!" Bekoval nickte. Einige Sekunden vergingen. Dann meldete sich der Neger Tsati Mutara, der schon so viele heldenhafte Einsätze für die Erde hinter sich hatte, und Olaf Harrison, der kurzsichtige Mikroingenieur. Die Mutanten, die neben Corda standen, teilten den beiden Mutanten auf der „Walter Beckett" mit, wie sie sich verhalten sollten. „Die Diskusraumer gehen 'raus!!' rief der Funkleitoffizier dazwischen! Cordas Blicke richteten sich auf die Ortungsschirme. Er erschrak. Tausende von winzigen Pünktchen füllten die Schirme. Sie entsprachen Tausenden von nuklearen Raumraketen, mit denen der Schento Jakto Javan die Erde verwüsten wollte. „Achtung! Computersteuerung! Wir feuern!" brüllte Bekoval. Die Mutanten stöhnten auf. Sie bekamen starre Augen. Sekunden später glühte das All auf. Schockwellen liefen durch die Erde. Ungeheure Exlosionswellen zerrten an dem Raum-Zeit-Kontinuum. Seltsame physikalische Erscheinungen wurden auf der Erde beobachtet. Einige laktonische Raumschiffe, die zu nahe am Explosionsherd waren, verschwanden spurlos und ohne Explosion. Experten äußerten später die Vermutung, diese Raumschiffe seien durch den ungeheuren Ausbruch der Energie in ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum geschleudert worden, in ein anderes
Universum. Einige Minuten lang geisterten Raumschiffe mit seltsamen und völlig fremden Formen zwischen Erde und Mond. Sie sahen transparent aus und wurden auf den Ortungsschirmen kaum sichtbar. Bekovals Stimme stöhnte aus den Lautsprechern. „Wir haben die meisten Raketen erfaßt", sagte er. „Den Rest können wir vermutlich noch abfangen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß noch einige Raketen bis zur Erde durchkommen!" „Die Laktonen werden das bezahlen müssen!" sagte Corda. „Sie werden noch nie eine so teure Schlacht geschlagen haben!" „Warum nicht auch die Orathonen?" fragte Percip. Corda erhob sich. Er gab Percip einen Wink. Seite an Seite verließen sie den Funkraum. „Wie wollen Sie die Orathonen zwingen?" fragte er. „Ich bin davon überzeugt, daß sie keine Raumschiffe herausrücken werden. Schließlich können wir es nicht auf einen Krieg mit ihnen ankommen lassen." „Glauben Sie denn wirklich, daß die Laktonen zahlen werden?" „Die Laktonen werden ein Garantieversprechen haben wollen! Sie müssen sich dagegen absichern, daß Orathon Becon bekommt. Dafür werden sie zahlen! Die Orathonen können absolut nichts von uns bekommen. Deshalb werden sie auch nicht zahlen!" Percip blieb stehen, als Corda das Laboratorium betreten wollte. Er hielt Corda am Ärmel fest. „Sir — ich muß Ihnen noch etwas sagen!" „Bitte?" „Sir, ich habe Ierra Kretan vor dem offenen Safe von Professor Rimson in dessen Arbeitsraum überrascht. Das Spielmaterial mit den falschen Becon-
Formeln, das wir für solche Zwecke in dem Safe gelegt hatten, war verschwunden!" Corda lächelte. Er schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht glauben, Percip!" „Es ist leider so!" „Und dennoch! Ich glaube es nicht! Ierra Kretan ist keine Verräterin!" „Zweifeln Sie an mir, Sir?" „Nicht gleich beleidigt sein, Percip!" Corda legte dem Freund die Hand auf die Schulter. „Es kann alles ganz anders gewesen sein. Ierra kann zum Beispiel einen anderen überrascht haben, der ihr entwich! Als Sie dann kamen, sah alles so aus, als wolle sie uns verraten! Nein, nein, Percip! Ierra verrät uns nicht!" Percip errötete. Er sah Corda lange an. Dann nickte er. „Ich glaube, ich habe mich geirrt, Sir!" „Gehen Sie und holen Sie Ierra!" sagte Corda. „Wo ist sie überhaupt?" „Noch immer im Privattrakt des Professors!" * Corda betrat die Laboratorien. Erfand die zahlreichen Wissenschaftler in gelockertem Gespräch vor. Die große Spannung war gewichen. Man wußte, daß man es geschafft hatte. Dragamur war der Mann, der im Mittelpunkt aller Diskussionen und Gespräche stand. Als Corda kam, tauchte Dragamur am hinteren Ende des Raumes auf. Er trug zwei Helme in den Händen. „Was bringen Sie, Dragamur?" fragte Corda. Der Vogelmensch hielt die Helme hoch. „Es sind Verstärker für unsere Mutanten!" sagte er. „Die parapsychischen Impulse werden verstärkt. Die Anstrengung für die Mutanten ist nicht so groß, und sie können schneller und präziser
arbeiten." „Und das machen Sie nur mal so eben?" fragte Corda überrascht. Dragamur spreizte die weinroten Schwingen. „Sir, ich hatte zehntausend Jahre lang Zeit, über viele Probleme nachzudenken. Zehntausend Jahre! Das ist eine Zeitspanne, die so unvorstellbar groß ist, wenn man nichts weiter tun kann als denken, daß sich fast alle Probleme lösen lassen. Dieses Problem gehört zu den Elementarproblemen. Professor Rimson und die anderen Wissenschaftler haben mir sehr geholfen, die Idee rasch zu realisieren." Corda entspannte sich. Er fühlte den Hauch der Ewigkeit, als Dragamur von der Zeit seiner Qual sprach. Zehntausend Jahre hatte Dragamur in einem engen Gefängnis zugebracht, das ständig um den Riesenplaneten „Fattie" kreiste. Dragamur hatte sich in wissenschaftliche Überlegungen gerettet. Andere Wesen, die diese Strafe von den „Zeitlosen" erhalten hatten, mochten schon nach wenigen Jahren wahnsinnig geworden sein. Und Dragamur war unschuldig gewesen. Er hatte sich an den „Zeitlosen" gerächt, aber das hatte ihm die verlorene Zeit nicht mehr wiedergegeben und hatte sein Volk, das schon vor zehntausend Jahren in Not geriet, nicht mehr retten können. „Bitte, geben Sie mir die Helme", sagte Corda. „Wie sind sie zu benutzen?" Dragamur gab dem Präsidenten der Erde die Helme. „Die Mutanten sollen sie nur aufsetzen. Ihre Impulse werden verstärkt. Es wird ihnen müheloser gelingen, Becon zu zerstören." „Und ihre anderen Funktionen? Wird der Hypno zu einer Macht, die die ganze Erde beherrschen könnte?" fragte Corda.
Dragamur schüttelte den Kopf. „Ich bin vorsichtig gewesen", antwortete er. „Die Mutanten können nur diese Impulse verstärken, die sich gegen Becon richten. Sonst nichts!" „Danke", sagte Corda. Jetzt wußte er, daß er die Helme an die Mutanten weitergeben konnte. Hätte er das Wort Dragamurs nicht gehabt, hätte er die Entscheidung so nicht fällen können. Corda hätte es niemals zulassen können, daß ein Gigant entstand, der in der Lage war, die gesamte Menschheit innerhalb von Minuten zu versklaven, wenn er es wollte. Corda verließ die Laboratorien und suchte die Mutanten auf, die jetzt wieder in dem Gästeraum waren, in dem sie zuerst gewartet hatten. Corda legte die Helme auf den Tisch. „Meine Herren!" sagte er. „Wir werden einen kleinen Ausflug in den Weltraum unternehmen! Waren Sie schon einmal im Raum? Haben Sie die Erde schon einmal als Kugel gesehen?" Die Mutanten sprangen auf. Ihre Augen leuchteten begeistert. * Als Percip die Tür zu dem privaten Arbeitsraum Professor Will Rimsons aufstieß, kauerte Ierra Kretan am Boden. Vor ihr lag Nukleon. Der telepathisch begabte Hund atmete röchelnd. Sie massierte ihm vorsichtig den Hals und den Kopf. „Es tut mir leid, Ierra!" sagte Percip. Sie versuchte, sich aufzurichten, doch ihre Beine gehorchten noch nicht wieder. Percip hatte mit dem Schockstrahler auf sie geschossen, als er sie vor dem offenen Safe stehen sah. Percip beugte sich über sie, polte den Schockstrahler um und bestrich ihre Beine mit den erlösenden Strahlen. Das Gefühl kehrte in die Beine zurück. Ierra
Kretan richtete sich auf. „Der Hund muß sofort in ärztliche Behandlung!" sagte sie. „Die laktonische Agentin hat ihn niedergeschlagen und in den Schrank gesperrt!" „Ist er schwer verletzt?" „Nur ein Schock, vermute ich!" Sie sah Percip voll an. „Wieso kommen Sie, um sich zu entschuldigen!" „Mr. Corda hat mir den Kopf gewaschen!" gestand Percip. Ierra Kretan lächelte erlöst. „Dann sind Sie bereit, mir zu glauben?" fragte sie. Percip nickte. „Was ist vorgefallen?" „Ich kam hierher, um Nukleon zu holen. Ich wollte den Hund auf Dira Riid ansetzen, weil ich ihr von Anfang an mißtraute. Sie machte sofort, als sie in der Station hier auftauchte, den Eindruck einer Agentin auf mich. Ihre Bewegungen, ihre Art. Das alles deutete auf die gleiche Schule hin, die ich selbst durchgemacht habe. Dira Riid war hier in den Raum eingedrungen. Sie hatte den Safe geöffnet. Es gelang ihr, mich zu überrumpeln. Als ich mich aus den Fesseln befreit hatte, warf ich diese dummerweise in den Müllschlucker. Dann kamen Sie, Percip!" „Okay", nickte er. „Ich glaube Ihnen. Aber ich war wirklich im Zweifel!" „Was macht Dira Riid? Kann sie sich frei bewegen?" Percip nickte. Dann zuckte er zusammen. „Zum Teufel!" fluchte er. „Sie muß sofort gefaßt werden!" "Wo ist der Präsident?" „Er wird in wenigen Augenblicken mit einem Diskus zu einem Einsatz gegen die Laktonen starten!" Ierra Kretan eilte an Percip vorbei und verließ die Räume Rirnsons. Sie lief zum Gravoschacht und ließ sich nach oben tragen.
Als sie den Ausgang der Station erreichte, sah sie Rex Corda, der gerade in einen Diskus stieg. Ierra zögerte keinen Augenblick. Sie lief auf den Diskus zu. Corda verharrte mitten in der Bewegung. Heftig atmend blieb die schöne laktonische Mathematikerin vor ihm stehen. „Ich möchte mitfliegen!" sagte sie. Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Viel zu gefährlich!" antwortete er. „Was soll ich tun?" fragte sie verwirrt. Ihre Blicke trafen sich. „Ich kann nicht hierbleiben und nichts tun, während du ... während Sie ..." Rex Corda schmunzelte. „Du bist unvorsichtig, Ierra! Hast du vergessen, daß ich ein Empath bin?" Sie errötete. "Sir — Sie sind taktlos!" sagte sie mit einem kleinen Lächeln. „Meine Gefühle gehören mir allein!" „Wirklich? Das wäre schade!" lachte er. Sie wurde ernst. „Ich kann nicht hier allein bleiben!" „Doch! Du mußt hierbleiben! Du kannst ja Percip zur Seite stehen. Ich kann dich wirklich nicht mitnehmen." Sie sahen sich lange in die Augen. Schließlich nickte sie. Dann drehte sie sich um und ging zur Station zurück. Corda lächelte und stieg in den Diskus. Der blonde Mutant wartete schon auf ihn. Die drei anderen Mutanten kauerten in den gepolsterten Sitzen und versuchten, sich auf die kommende Aufgabe zu konzentrieren. Der Diskus startete, als Ierra Kvetan die Station wieder betrat. * Ierra Kretan ging in die Kantine. Sie blieb erstaunt stehen, als sie die Wissenschaftler sah, die sich in diesem Raum versammelt hatten. Alle starrten sie an. In ihrer Mitte stand die Agentin
Dira Riid. Percip wandte sich Ierra zögernd zu. "Es tut mir leid, Ierra! Niemand hier will glauben, daß Dira Riid eine Verräterin ist! Sie hat bisher bei einem Professor in Pretoria gearbeitet. Wir wollten uns dort vergewissern, ob das stimmt, aber Pretoria ist von laktonischen Bomben zerstört worden. Wir bekamen keine Verbindung. Wenn Miß Riid eine Verräterin ist, hätte sie uns doch sicher nicht den wertvollen Hinweis gegeben." Ierra Kretan lächelte ungezwungen. „Das glaube ich ohne weiteres, Percip", sagte sie. „Es interessiert mich auch nicht mehr, ob sie eine Verräterin ist oder nicht. Der Kampf um die Erde ist entschieden. Lakton hat verloren. Dira Riids Rolle ist so oder so zu Ende. Ganz gleich, welche Rolle es war." Dira Riid trat einen Schritt vor. Aufmerksam beobachteten die anderen das Verhalten der beiden Frauen. „Riid — ich habe Sie überrascht, als Sie den Arbeitsraum von Professor Rimson durchwühlt haben", sagte Ierra Kretan. „Aber ich glaube schon, daß Sie so raffiniert waren, keine Spuren zu hinterlassen." „Ich bin überhaupt nicht dort gewesen!" entgegnete die Agentin schnippisch. „Sie sind unvorsichtig!" mahnte Ierra Kretan mit einem charmanten und sehr selbstsicheren Lächeln. Sie setzte sich an einen Tisch. Gelassen sah sie die Wissenschaftler in der Kantine nacheinander an. Bei keinem entdeckte sie Feindseligkeit. Bei fast allen sah sie ein Lächeln, das Sympathie verriet. Hier war niemand, der sie nicht mochte. Aber hier waren nur wenige — oder vielleicht gar keiner — der an die Schuld Dira Riids glaubte. Wie sollte sie beweisen, daß Dira Riid log? „Sie vergessen, daß der telepathisch
begabte Hund Nukleon nicht tot ist", erklärte Ierra. „Er ist noch immer in ärztlicher Behandlung. Er wird bald zeigen können, wer von uns beiden lügt." Wurde Dira Riid nicht ein wenig blaß? Die Laktonin sprang auf. „Ich bin diese Anschuldigungen satt!" sagte sie heftig. „Sie sind einfadi lächerlich! Vergessen Sie nicht, daß ich die ganze Zeit unter Ihnen war. Es wäre mir ein leichtes gewesen, einen Atomsprengsatz zu zünden, um die ganze Station zu vernichten!" „Das stimmt!" nickte Dragamur. Ierra sah ihn überrascht an. Nahm Dragamur Partei für die Agentin? Sie wandte sich an Professor Will Rimson. „Bitte, Herr Professor, setzen Sie sich zu mir. Und Sie, Dira Riid, bitte auch!" Dira Riid zuckte mit den Achseln und kam zu ihr. Sie setzte sich ihr gegenüber hin. „Sie sind schon lange auf der Erde?" fragte Ierra Kretan freundlich. „Schon zwei Jahre! Das sagte ich schon!" antwortete die Agentin spitz. Als der Professor sich gesetzt hatte, sagte Ierra: „Haben Sie bitte eine Zigarette für mich?" Will Rimson stutzte unmerklich. Dann schlich ein leises Lächeln über seine Lippen. Er klopfte seine Taschen ab und schüttelte dann den Kopf. Percip ging zu einem Zigarettenautomaten, zog eine Schachtel, kehrte zurück und bot erst dem Professor und dann Dira Riid eine an. Will Rimson nahm eine Zigarette. Er holte sein Feuerzeug und schnippte es an. Auch Ierra Kretan nahm eine Zigarette. Aufmerksam beobachtete sie, wie Dira Riid unsicher wurde. Die Agentin
steckte die Zigarette zwischen die Lippen. Der Professor gab ihr Feuer. Sie sog an der Zigarette und unterdrückte mühsam einen Hustenanfall. „Ich rauche furchtbar wenig!" sagte sie unsicher. Ierra Kretan war geschickter. Sie behielt den Rauch im Mund und blies ihn gleich wieder aus. Dira Riid achtete mehr auf den Professor, der behaglich Lungenzüge machte. Um nicht aufzufallen, versuchte Dira Riid es ihm gleichzutun. „Zwei Jahre sind Sie auf der Erde?' fragte Ierra. „Natürlich!" murmelte Dira Riid benommen. „Warum fragen Sie?" Sie taumelte ein bißchen. Die Zigarette entfiel ihren Fingern. Sie kicherte. „Zwei Jahre ist sie auf der Erde und sollte immer noch nicht wissen, daß Laktonen Nikotin nicht vertragen?" fragte Ierra kalt. Sie stand auf und drückte die Zigarette aus. „Ich dachte nicht, daß sie auf diesen einfachen Trick 'reinfallen würde!" sagte Percip erstaunt. „Sie fiel darauf herein, weil sie sich viel zu sehr auf einen raffinierten Trick konzentrierte", lächelte Ierra. Percip zog Dira Riid, die wie betrunken wirkte, vom Stuhl und legte ihr Handschellen an. „Was wird aus ihr?" fragte der Professor. „Schicken wir sie doch zu den Laktonen zurück", schlug Ierra Kretan vor. „Das geht nicht!" sagte Dragarnur. „Sie weiß, wie wir Becon zerstören können!" „Dann löschen wir eben einen Teil ihrer Erinnerungen!" warf Percip ein. „Das ist nicht weiter schwierig und tut auch nicht weh!" * Vier Diskusraumer verließen die
„Walter Beckett". Das Flaggschiff der Erde war bis weit über die Mondbahn hinausgeschossen. Es war das einzige terranische Raumschiff, das sich in diesem Bereich aufhielt. Am Rande des Terra-Systems tauchten riesige Flottenverbände laktonischer Raumschiffe auf. Weder die Orathonen noch die Laktonen versuchten, Gespräche mit den Terranern aufzunehmen. Sie warteten alle ab. Erst jetzt, als die „Walter Beckett" gegen die Flotten vorstieß, griffen die Laktonen zögernd an. Darauf hatten die Männer um Rex Corda gewartet. Die vier Diskusraumer rasten auf die Laktonen zu. Jeder dieser Diskusraumer war nur mit einem Piloten und einem Mutanten besetzt. Rex Corda befand sich in einem dieser Diskusraumer. Fatlo Bekoval und Ga-Venga flogen in einem zweiten. Im dritten Diskus saß Ralf Griffith, der durch Becon Veränderte, hinter dem Pilotenpult. Den vierten Diskus steuerte Tsati Muta-ra, der selbst Mutant war. Alle vier Diskusraumer waren mit Reeling-Guns ausgerüstet. Sie konnten Miniaturbomben verschießen, die mit Becon umhüllt waren. Rex Corda eröffnete das Feuer, als die erste der laktonischen Raumraketen in seinem Schutzschirm explodierte. Er schaltete die Holografen ein, die ihn mit den anderen Raumschiffen verbanden. „Feuer eröffnet!" sagte Corda. „Wir nehmen zunächst nur die Raumschiffe aufs Korn, die eine Becon-Panzerung haben!" Seine Worte wurden von den Laktonen und den Orathonen aufgefangen. Beide Parteien begriffen in diesen Sekunden, daß ihr gemeinsamer Feind Terra war. Rex Corda erfuhr nie, ob sie sich abgesprochen hatten oder nicht.
Plötzlich griffen orathonische Hantelraumer und laktonische Trakonkreuzer gemeinsam an. Ein unvorstellbarer Hagel von Raumtorpedos und Energieschüssen prallte den vier Diskusrau-, mern entgegen. Für die acht Männer in den kleinen Raumschiffen brach die Hölle auf. Die Diskusraumer waren diesem Ansturm nicht gewachsen. Ihre Schutzschirme brachen schon beim ersten Angriff zusammen. Die Feuerflut brandete gegen die Becon-Panzerung — und hier wurde sie gestoppt. Nur die schweren Erschütterungen kamen durch. Die Männer flogen in den Sicherheitsgurten hin und her. Doch dann feuerten sie mit geballter Kraft zurück. Aus vier Diskusraumern raste ein Feuerhagel großer Dichte. Insgesamt sechzehn Reeling-Guns verschossen die Doppel-Kegel-Geschosse, deren Miniatur-Atombomben in Becon eingebettet waren. Die Mutanten, die die Verstärkerhelme trugen, verfolgten diese Taumelgeschosse mit ihren Impulsen. Die Geschosse durchschlugen die Schutzschirme des Feindes. Und sobald sie die Außenhaut der feindlichen Raumschiffe erreichten, explodierten sie. Der Kampf dauerte nur genau vier Minuten. Danach waren die vier terranischen Diskusraumer kaum mehr als Wracks. Die „Walter Beckett" verfolgte sie und zog sie mit Hilfe mächtiger Traktorstrahlen an Bord zurück. Die Front der Orathonen und Laktonen aber war völlig aufgerissen worden. In diesen vier Minuten hatten die Orathonen und die Laktonen mehr Verluste erlitten als in dem ganzen Kampf um Terra zuvor. Der Weltraum schien eine einzige Gluthölle zu sein, in der dutzendweise orathonische und laktonische Raum-
schiffe vergingen. * Rex Corda erreichte die Kommandobrücke der „Walter Beckett". Er fühlte sich so zerschlagen, als wäre er von einer Horde wütender Boxer verprügelt worden. Nur die Gewißheit seines Sieges hielt ihn aufrecht. „Sir! Die Orathonen ziehen sich aus dem System zurück!" meldete der Offizier, der Bekoval während dessen Abwesenheit vertreten hatte. Rex Corda ließ sich in den Sessel des Kommandanten fallen. Er schaltete den Holografen ein. Sein Freund John Haick, der die Funkzentrale leitete, erschien im Bild. Er grinste. „Das war's, oder?" Corda nickte. Der Holograf vor ihm leuchtete auf. Jakto Javan schien ihm direkt gegenüber zu sitzen. „Was jetzt, Corda?" fragte der Schento. „Jetzt wird die Erde sich sehr intensiv um ihre internen Dinge kümmern", sagte Corda ruhig. „Wir werden die Schäden beseitigen. Wir werden dieses System absichern. Wir werden einer neuen wirtschaftlichen Blüte entgegengehen. Und wir werden vielleicht in einigen Jahren erst wieder in der Galaxis auftauchen! Bis dahin wird Lakton nicht mehr viel von uns hören!" Jakto Javan schluckte hart. „Der Kampf ist vorbei!" nickte er. „Es wäre sinnlos, jetzt noch weiterzukämpfen. Sie haben fast ein Drittel meiner Flotte vernichtet. Geben Sie uns Ihre Waffe für unseren Kampf gegen die Orathonen!" Corda lehnte sich zurück. Er schüttelte den Kopf. „Wir verkaufen Ihnen eine Garantie, Jakto Javan!" sagte er entschlossen. „Sie werden diese Garantie allerdings
teuer erkaufen müssen!" „Welche Garantie?" „Wir garantieren Lakton, daß Orathon die Becon-Formel von uns nicht erhält! Dafür wird Lakton uns Reparationen zahlen müssen!" Jakto Javan lächelte spöttisch. „Sie haben keine Angst, daß wir abermals versuchen könnten, Sie zu betrügen?" „Ich habe keine Angst!" sagte Corda mit bissiger Ironie. „Sie haben vergessen, daß wir laktonische Spitzenwissenschaftler in unseren Reihen haben, die genau beurteilen können, was Ihre Lieferungen wert sind!" „Verräter wie Fan Kar Kont und Latak Decimo!" fauchte Jakto Javan wütend. Sein Gesicht rötete sich, und seine Hände schienen zu zittern. „Verräter, Schento? Warum? Weil sie aus der Sklaverei in die Freiheit geflohen sind? Sie sind Terraner geworden! Sie sprechen von Terranern, Jakto Javan! Und Terranern werden Sie hoffentlich in Zukunft mehr Respekt zeigen als bisher!" Jakto Javan biß sich auf die Lippen. „Wir werden zehn Kreuzer in diesem System zurücklassen! Sie werden darauf achten, daß keine orathonischen Raumschiffe in diesem System erscheinen! Sie werden die Garantie überwachen!" „Dagegen habe ich nichts einzuwenden", lächelte Corda gelassen. „Nur — noch haben Sie die Garantie nicht! Die geben wir Ihnen schriftlich, sobald Lakton die unermeßlichen Schäden ersetzt hat, die Ihre Bomben auf unserem Planeten angerichtet haben!" „Sie fordern uns derart heraus?" fragte Jakto Javan. Rex Corda schüttelte den Kopf. „Es ist keine Herausforderung! Haben Sie denn noch immer nicht begriffen, daß die Erde unangreifbar geworden ist? Wir können Becon
zerstören! Das gibt uns eine so große Macht, daß keine Macht der Galaxis uns besiegen könnte." Corda hielt ein winziges Geschoß aus einer Reeling-Gun hoch. „Sehen Sie. Jakto Javan! Dieses Geschoß genügt, um ein Raumschiff der Trakon-Klasse zu vernichten! Glauben Sie mir, daß wir innerhalb weniger Tage Millionen dieser Geschosse anfertigen können. Wenn Sie in der gleichen Zeit ebenso viele Raumschiffe der TrakonKlasse bauen können, dann. Jakto Javan, dann soll die Erde Ihnen gehören!" Fatlo Bekoval und Ga-Venga, die
hinter Rex Corda standen, lachten schallend auf. Ga-Venga beugte sich vor und tippte Corda mit seinem Finger auf die Schulter, als der Holograf erlosch und das Bild Jakto Javans verschwand. „Sir! Ein Gespräch für Sie!" „Schon wieder?" fragte Corda. Ga-Venga zeigte lächelnd auf einen kleineren Holografen, auf dem Ierra Kretan zu erkennen war. „Das ist privat!" schmunzelte Corda. ..Schalten Sie das Gespräch zu meinen Räumen durch!" Ga-Venga stieß einen schrillen Pfiff aus.
ENDE