Six Sigma
Armin Töpfer Herausgeber
Six Sigma Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte Null-Fehler-Qualität Vierte, aktualisierte und erweiterte Auflage
Mit 343 Abbildungen und 5 Tabellen
123
Professor Dr. Armin Töpfer TU Dresden Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung Helmholtzstraße 10 01062 Dresden
[email protected]
ISBN 978-3-540-48591-9 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 978-3-540-21899-9 3. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ¨ uber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich gesch¨ utzt. Die dadurch begr¨ undeten Rechte, insbesondere die der ¨ bersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der FunkU sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielf¨ altigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielf¨ altigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zul¨ assig. Sie ist grunds¨ atzlich verg¨ utungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003, 2004, 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w¨ aren und daher von jedermann benutzt werden d¨ urften. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & V¨ ockler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg SPIN 11903475
42/3100YL - 5 4 3 2 1 0
Gedruckt auf s¨ aurefreiem Papier
Geleitwort Der Begriff Six Sigma subsummiert im Grunde genommen eine Strategie, die alle erfolgreichen Unternehmen mit einer hohen Qualitätsorientierung seit Jahren auszeichnet: Der Kunde steht im Mittelpunkt, Gewinn ist die Folge von fehlerfreien Produkten und Prozessen – die, wenn irgendwie möglich mit mathematischstatistischen Methoden überwacht werden – und Mitarbeiter haben ein großes Interesse am Wohlergehen des Unternehmens. Dabei ist entgegen dem häufig angeführten Vorurteil „Six Sigma sei alter Wein in neuen Schläuchen“ einzuwenden: Six Sigma ist praktizierte Null-Fehler-Qualität und bietet gerade für Unternehmen in wirtschaftlich schwieriger Situation ein konkretes, umsetzungsorientiertes Projektmanagement mit hoher Ergebniswirkung. Die Six Sigma Philosophie ist sicherlich nichts Neues und der konzeptionelle Anspruch „Kunden auf profitable Art und Weise vollkommen zufrieden zu stellen“ bildet den Grundsatz jedes erfolgsorientierten unternehmerischen Denkens und Handelns. Jedoch basiert Six Sigma – gegenüber vielen anderen Qualitätsmanagementkonzepten, wie z.B. Kaizen und Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) – auf einem klar strukturierten Methodeneinsatz, der vor allem durch seine wissenschaftliche Stringenz besticht. Richtig ist es deshalb zu sagen: „Six Sigma ist besserer Wein in alten Schläuchen!“ Ergebnisorientierte Perfektion bedeutet auf der ganzen Linie perfekt beherrschte Geschäftsprozesse im gesamten Unternehmen. Diese sind mit Hilfe statistischer Prozessregelung zu überwachen, um Abweichungen frühzeitig zu erkennen und Fehler zu vermeiden. Hierzu ist Statistik notwendig, die Aussagen mit einem hohen Vertrauensbereich generiert. Für richtige Aussagen und vertrauenswürdige Prognosen werden jedoch geeignete Messwerte bzw. Daten benötigt. Denn wo die fehlen, bleibt es häufig bei mehr oder weniger vagen Vermutungen über die tatsächliche Prozessleistung. Genau hier ist der Ansatz von Six Sigma, das als „pfiffiges“ Projektmanagement dem Grundsatz folgt: „Messen geht vor Analysieren geht vor Verbessern!“ Dabei zeigen insbesondere die Erfahrungen in der Praxis, dass ein Großteil der betrieblichen Probleme mit einfachen, isolierten Methoden nicht lösbar ist. Während es i.d.R. recht einfach ist, ein eindimensionales geometrisches Problem, z.B. den berühmten Durchmesser eines Bolzens, statistisch zu erfassen und daraus die richtigen Eingriffsmaßnahmen für den Prozess abzuleiten, stellt die Ermittlung von Abweichungen, z.B. in Service- und Dienstleistungsprozessen, viele Unternehmen vor eine wesentlich größere Hürde. Investitionen in die Verbesserung von Produkten und Prozessen lohnen sich, da es wirtschaftlicher ist, Fehler zu vermeiden statt zu beseitigen. Die Wahrheit dieses Satzes begründete die TQM-Philosophie bereits lange, bevor Six Sigma „akut“ wurde. Aber Six Sigma hat dieser Feststellung allgemeine Aufmerksamkeit verschafft und konkrete Schritte in diese Richtung veranlasst. Alles in allem eine große Leistung, die für Six Sigma spricht.
VI
Geleitwort
In diesem Zusammenhang ist vor allem die betriebswirtschaftliche Sichtweise bei der Planung und Durchführung von Six Sigma Projekten hervorzuheben. Durch eine klare Projektbewertung in Form des Net Benefit werden Kosten und Nutzen systematisch erhoben und gegenübergestellt. Dabei wird ein rigides Bewertungsraster angelegt: Der Nutzen entspricht den vermiedenen Fehlerkosten in Euro in einem Jahr, während die Kosten die Höhe der Qualitätsinvestition nach Projektbeginn widerspiegeln. Wie man sieht, sind eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung von Six Sigma Projekten „sich wiederholende Abläufe“. Diese sind sowohl im Produktionsbereich als auch in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsphasen vorhanden, so dass sich schlussfolgern lässt: Six Sigma ist ein universelles Managementkonzept, das für viele Unternehmen in Frage kommt, die ihre Prozesse schnell und nachhaltig verbessern möchten. Die Entwicklung und Verbreitung von Six Sigma in der jüngsten Vergangenheit haben diese Aussage eindrucksvoll belegt. Viele Misserfolge in der betrieblichen Praxis rühren sicherlich daher, dass nicht nur die Aufgabenbearbeiter sondern auch die Entscheidungsträger elementare Fehler machen. Um sich z.B. auf dem Markt zu profilieren, muss ein Unternehmen innovative Produkte anbieten, denn das Spitzenprodukt von gestern ist das Standardprodukt von heute und wird morgen unverkäuflich sein. Neue Produkte bedingen jedoch in aller Regel neue oder zumindest stark modifizierte Prozesse. Der Entscheidungsträger steht hier vor schwierigen Entscheidungen. Mit der Einführung eines Six Sigma Projektmanagements eröffnen sich jedoch neue Handlungsspielräume, die auch bei einem Re-Design von Prozessen und Produkten positiv zum Tragen kommen können. Das vorliegende Buch enthält hierzu und zu anderen Fragestellungen eine Vielzahl von interessanten Überlegungen, die manche in der täglichen Praxis des Betriebs auftretende Erscheinungen in einem neuen Licht erscheinen lassen. So geben etwa die detaillierten Ausführungen zu den Anforderungen an die Unternehmenskultur, den Meilensteinen des Einführungsprozesses sowie der Konzeption eines Six Sigma Projektmanagements sowohl dem interessierten Neueinsteiger als auch dem anwendungserfahrenen Six Sigma Akteur wertvolle Anregungen und Hinweise für die Umsetzung im eigenen Unternehmen. Es bleibt mir nur, dem mit so viel Engagement geschriebenen und herausgegebenen Werk auf dem inzwischen schon sehr breit gewordenen Markt auch in der zweiten Auflage einen guten Erfolg zu wünschen, der die große Mühe aller Beteiligten belohnt! Erbach, im März 2004 Prof. Dr. Dr. hc. Dr. E.h. Walter Masing Ehrenvorsitzender der DGQ
Vorwort zur 4. Auflage Six Sigma ist unverändert ein Thema, das in der Unternehmenspraxis einen hohen Stellenwert besitzt. Immer mehr Unternehmen haben erkannt, dass diese Philosophie, Strategie und Konzeption nicht nur einen wirkungsvollen Hebel bietet, um Fehlerkosten zu senken. Zugleich gehen davon auch wichtige Impulse auf die Kundenzufriedenheit und -bindung aus, die sich wiederum umsatz- und ertragssteigernd niederschlagen. Nachdem die 3. Auflage noch einmal unverändert nachgedruckt worden war, legen wir jetzt die 4. Auflage vor, in der Überarbeitungen in Form von Aktualisierungen und einigen wesentlichen Ergänzungen vorgenommen wurden. Bei dieser Aufgabe haben mich wiederum Swen Günther, Aileen Pohl und Annette Etzold tatkräftig unterstützt. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle herzlich dafür danken. Dresden/Kassel, im Oktober 2006 Armin Töpfer
Vorwort zur 3. Auflage Die Nachfrage nach diesem Buch war und ist nach wie vor hoch. Bereits vier Monate nach Auslieferung der zweiten Auflage ist sie erneut vergriffen. Wir haben die dritte, jetzt vorliegende Auflage ergänzt um einen Artikel, der das Zusammenwirken von Six Sigma und KVP in der Praxis thematisiert. Außerdem hinzugekommen sind zwei Artikel, die sich mit Six Sigma in Banken und Versicherungen sowie umfassenden Trainingskonzepten auch unter Einsatz von ELearning befassen. Zusätzlich haben wir neben zwei Checklisten und einer Reihe ergänzter Inhalte einige längere Ausführungen zum Thema TRIZ als systematischen Prozess des innovativen Problemlösens aufgenommen. Dresden/Kassel, im März 2004 Armin Töpfer
Vorwort zur 2. Auflage Offensichtlich haben wir mit dem Buch eine Lücke gefüllt, obwohl es bereits eine Reihe von Anleitungen zur Umsetzung von Six Sigma mit allen statistischen An-
VIII
Vorwort
forderungen gibt. Gefehlt hat aber bisher noch eine Anthologie mit Erfahrungsberichten der Anwender. Die erste Auflage ist dadurch bereits nach sechs Monaten am Markt „out of stock“. Wir legen hiermit die durchgesehene zweite Auflage vor, bei der wir einige formale und inhaltliche Korrekturen vorgenommen haben. Dresden/Kassel, im Oktober 2003 Armin Töpfer
Vorwort Six Sigma als praktizierte Null-Fehler-Qualität setzt voraus, dass im Unternehmen mehrere Anforderungen erfüllt sind: •
Erstens das Wissen, dass eine Qualitätssteigerung um wenige Prozent in Richtung Null-Fehler-Qualität eine erhebliche Reduzierung der Fehlerkosten und Steigerung der Kundenzufriedenheit bewirkt.
•
Zweitens die Bereitschaft, die gesamte Unternehmenskultur und damit alle Bereiche auf dieses Ziel auszurichten.
•
Drittens die Fähigkeit, diese Potenziale durch eine hohe Professionalität in der Organisation, Qualifizierung und im Projektmanagement zu aktivieren.
Eine Einsicht ist dabei besonders wichtig, nämlich dass die Umsetzung einer Six Sigma Konzeption nicht bedeutet, völlig neue Tools einzusetzen. Vielmehr kommt es darauf an, bewährte Qualitätsmanagement-Instrumente gekonnt zu kombinieren und mit Nachdruck ein professionelles Projektmanagement durchzuführen. Six Sigma ist seit einigen Jahren in Deutschland ein Thema mit wachsender Bedeutung. Dies führte dazu, dass zu dieser Zeit angebotene Seminare zunächst den großen Informationsbedarf befriedigen mussten, um danach die Anforderungen an die Konzeption und Umsetzung im Detail aufzuzeigen. In dieser Phase trennte sich bereits „die Spreu vom Weizen“. Nicht wenige Unternehmen erkannten, dass Six Sigma keine „Wunderwaffe“ ist, sondern auf der Basis statistischer Instrumente des Qualitätsmanagements in vielen Einzelprojekten eine strategische Vorgabe konsequent realisiert. Dies erfordert harte Arbeit. Zugleich sind hierbei das Messinstrumentarium zu verbessern sowie das Bewusstsein für Fehlerkosten zu schärfen und die Unternehmenskultur in Richtung Null-Fehler-Qualität zu prägen. Das Ziel des vorliegenden Buches ist es nicht nur, einen Leitfaden für die Durchführung von Six Sigma Projekten vorzulegen. Vielmehr lassen wir zahlreiche Vertreter mit Six Sigma Beispielen aus unterschiedlichen Unternehmen und Branchen zu Wort kommen.
Vorwort
IX
Hierdurch wird ein breites Spektrum an konkreten Umsetzungserfahrungen geboten, das alle wesentlichen Anforderungen und Probleme abdeckt. Mein besonderer Dank gilt deshalb an erster Stelle den Autoren dieser Erfahrungsberichte, die nicht nur über glänzende Erfolgsbeispiele referieren, sondern vor allem auch aus der Sicht ihres Unternehmens und vor dem Hintergrund ihrer Branche Probleme und Stolpersteine auf dem Weg zu Business Excellence durch Null-Fehler-Qualität ansprechen. Beim Zustandekommen des vorliegenden Buches über einen Zeitraum von zwei Jahren unterstützte mich meine Dresdner Mannschaft, allen voran Swen Günther, der mit unermüdlichem Engagement und viel Fachwissen die Artikel der Fremdautoren redigierte und damit in einen einheitlichen Guss brachte. Jörn Großekatthöfer arbeitete ihm dabei intensiv zu, Annette Etzold fertigte alle Abbildungen an. Ihnen allen sei an dieser Stelle sehr herzlich für ihre wertvolle Unterstützung gedankt. Was bleibt als Ergebnis festzuhalten? Six Sigma ist nicht ohne Weiteres leicht anzuwenden, obwohl es ein einfaches Instrument ist. Allen Unternehmen, die nach der Lektüre dieses Buches in ihrer Vision bestätigt werden, Six Sigma als Philosophie und Verbesserungskonzept umzusetzen, wünsche ich viel Erfolg. Dresden/Kassel, im Januar 2003 Armin Töpfer
Inhaltsverzeichnis Kapitel A: Anforderungen und Anwendungsfelder von Six Sigma Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität als strategisches Ziel: Überblick und Einordnung der Beiträge .............................. 3 Armin Töpfer, Swen Günther Beschleunigung der Verbreitung von Six Sigma in Europa durch den European Six Sigma Club ...............................................................................41 Otto P. van Driel, Willi Kotte, Peter Rudberg Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit und bessere Unternehmensergebnisse....................................................................45 Armin Töpfer Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma...............................100 Armin Töpfer, Swen Günther Six Sigma in Service und Dienstleistung.............................................................172 Armin Töpfer Statistische Anforderungen des Six Sigma Konzepts ..........................................196 Bernhard Schipp, Armin Töpfer
Kapitel B: Bausteine und Vernetzung von Six Sigma Der Einführungsprozess von Six Sigma ..............................................................207 Armin Töpfer Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation von GE Capital ...........................................................................................................239 Rainer von Hagen Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings in einem mehrstufigen Einführungsprozess........................................................................250 Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky Das Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma bei Siemens Power Generation ..................................................................................278 Bernhard Kleemann, Nicole Seitz, Hans-Jürgen Wio
IXI
Inhaltsverzeichnis
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma......................................................................................................289 Armin Töpfer Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma – Eine interkulturelle Betrachtung .......................................................................308 Steve Crom Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP bei VA TECH ELIN, einem Unternehmen der Siemens Gruppe ..............................322 Viktor Fritsch, Martin Stössl Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000 ..........................................335 Armin Töpfer, Swen Günther Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria...................................................................................................352 Peter Bucher Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund.................................................................................................371 Armin Töpfer Six Sigma im Business Excellence Prozess – Wertorientierte Unternehmensführung mit Balanced Scorecard, EFQM und Six Sigma bei Siemens......................................................................384 Andre M. Schmutte
Kapitel C: Umsetzung und Erfolge von Six Sigma Six Sigma – The Way We Run Our Business – Umsetzungserfahrungen bei GE CompuNet.....................................................397 Günter Bulk, Norbert Faulhaber Einführung und Aufrechterhaltung von Six Sigma in der chemischen Industrie: Erfahrungen, Vergleich Amerika – Europa, Anwendungsmöglichkeiten ......................................................................................................415 Klaus Weckheuer Consumer Driven 6-Sigma bei der Ford Motor Company...................................430 Michael Schorrstedt
Inhaltsverzeichnis
IXII
Six Sigma in Banken und Versicherungen...........................................................440 Armin Töpfer Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services als Dienstleistungsunternehmen ...................................475 Dieter Wessel Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen ......................490 Bert Leyendecker Der Projektauswahlprozess – Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren-Herion ..........................................................................503 Reinhard Krauer Six Sigma in der Produktentwicklung von Motorola...........................................514 Heinrich Wallechner Positive Erfahrungen bei der Six Sigma Einführung und Projektumsetzung bei Whirlpool Europe .............................................................522 Eike Dorff, Armin Töpfer Best Practice mit Six Sigma in einem mittelständischen Unternehmen...............531 Wolfgang Kraßnitzer Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich der Siemens Power Generation............................................................................539 Erik Schwulera Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma ......................552 Engelbert Heimes, Johannes Messer
Tabellenanhang....................................................................................................567 Abkürzungsverzeichnis........................................................................................573 Autoren-Kurzbiographien ....................................................................................577 Stichwortverzeichnis............................................................................................585
Kapitel A Anforderungen und Anwendungsfelder von Six Sigma
Steigerung des Unternehmenswertes durch NullFehler-Qualität als strategisches Ziel: Überblick und Einordnung der Beiträge Armin Töpfer, Swen Günther
Inhalt 1 2 3 4
1
Differenzierung vom Wettbewerb durch Vorteile bei Qualität, Zeit, Kosten und Innovation............................................. 3 Verbreitung und Einführungsanforderungen von Six Sigma ...................................... 18 Ziele und Konzeption des Buches............................................................................... 29 Literatur ...................................................................................................................... 39
Differenzierung vom Wettbewerb durch Vorteile bei Qualität, Zeit, Kosten und Innovation
Eine grundlegende Erkenntnis bezogen auf die Six Sigma Philosophie und Umsetzung besteht darin, dass viele Bestandteile von Six Sigma als Qualitätsmanagement-Konzept nicht vollständig neu sind. Genau das ist gut so, da dies die Realisierungschancen von Six Sigma in Unternehmen mit einem fortschrittlich entwickelten Qualitätsmanagement erhöht. Neu ist dagegen das angestrebte Qualitätsniveau als praktikable Null-Fehler-Strategie, das als Zielrichtung nur 3,4 Fehler bei einer Million Fehlermöglichkeiten bzw. Merkmalsausprägungen/-werte von Produkten oder Dienstleistungen/Serviceaktivitäten zulässt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass – unter Zugrundelegung einer Gauß´schen Normalverteilung mit Spezifikationsgrenzen auf dem 6-σ-Niveau – ein Qualitätsniveau von 99,99966 % (basierend auf einer Standardnormalverteilung) bei allen Prozess- und Produktmerkmalen sicherzustellen ist. Der Durchschnitt der deutschen Industrie liegt bei 3,8 σ, also umgerechnet bei ca. 99,0 % fehlerfreie Qualität. Dies entspricht aber immer noch einer Anzahl von 10.724 fehlerhaften Produkten oder Leistungen pro einer Million Fehlermöglichkeiten (DPMO – Defects Per Million Opportunities). Diese Zahl und Relation klingt damit deutlich weniger akzeptabel als ein Prozent Fehlerniveau und vermittelt als „sensible“ Messgröße ein größeres Potenzial für Verbesserungsmöglichkeiten. Verschärft wird dieses Qualitätsproblem dann, wenn – wie im Normalfall – ein Produkt nicht nur aus einem Teil ohne Montageschritt besteht, sondern mehrere Teile in mehreren Schritten zusammengebaut werden müssen. Legt man ein einfa-
4
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
ches Produkt mit 10 Teilen und 9 Montageschritten, also 19 Komponenten, zugrunde, die jeweils auf einem Qualitätsniveau von 99 % erstellt bzw. durchgeführt werden, dann ergibt dies – wie Abbildung 1 vereinfacht veranschaulicht – lediglich eine Ausbeute von 83 % fehlerfreie Produkte. Genau dieses Problem verringert nicht nur die Qualität, sondern erhöht gleichzeitig die Kosten und verbraucht zusätzliche Zeit für die Fehlerbeseitigung. Insbesondere bei Innovationen, die i.d.R. noch keine stabilen Prozesse und Systeme am Anfang aufweisen, treten diese negativen Phänomene verstärkt auf. fast 10% Ausschuss
Output • 10 Bauteile
19 Komponenten = Bauteile in Montageschritten
1 montiertes Produkt
• 9 Montageschritte
1
• Ausbeute 83%
Input
3
6
9
Jeweils auf Q-Niveau 99%
• Ausschuss 17%
fast 10% Ausschuss
Abbildung 1: Sinkende Ausbeute bei steigender Zahl von Komponenten
Die Frage stellt sich deshalb eigentlich nicht mehr, ob dieses Qualitätsniveau von 99 % für eine einzelne Komponente ausreichend und demnach das Fehlerniveau akzeptabel ist (siehe Abbildung 2). Ein Fehler besteht immer dann, wenn die Spezifikationsgrenzen überschritten und damit verletzt werden. Die Streuung der Merkmalswerte, gemessen durch ihre Standardabweichung σ um den definierten Mittelwert als Sollwert µ, soll demzufolge möglichst gering sein. Mit anderen Worten sollen alle Merkmalswerte für gute Qualität innerhalb des Abstandes vom Mittelwert zu den Spezifikationsgrenzen von 6 σ liegen. Je höher das SigmaNiveau und damit das geforderte Qualitätsniveau, desto kleiner ist das Toleranzintervall und damit die zulässige Fehleranzahl. Die Annahme einer Normalverteilung der Merkmalswerte stellt dabei jedoch eine einschränkende Bedingung dar, die in der Unternehmenspraxis häufig nicht gegeben ist.
Armin Töpfer, Swen Günther
5
10.724 DPMO
DPMO = Defects Per Million Opportunities = Fehler pro 1 Mio. Fehlermöglichkeiten, hier auch: Fehlerhafte Einheiten pro 1 Mio. produzierte Stück/ Erbrachte Dienstleistungen (PPM)
Standard in der Industrie 3,8σ
Ziel bei Business Excellence 6σ
3,4 DPMO 3,8σ 99%
6σ 99,99966%
σ
Qualität
Sind 99% Qualität = 3,8σ genug? Abbildung 2: Qualitätsniveau für Business Excellence
Unter statistischen Gesichtspunkten basiert Six Sigma also auf Erkenntnissen, die schon ca. 200 Jahre alt sind. Der Stellenwert der Erkenntnisse des Mathematikers Carl Friedrich Gauß wird daran erkennbar, dass sein Bild und die Normalverteilung auf der ehemaligen 10 DM Banknote abgebildet ist. Dieser mathematischen Funktion kommt in der statistischen Qualitätskontrolle von jeher eine hohe Bedeutung zu. In der Six Sigma Begriffswelt ausgedrückt, war Carl Friedrich Gauß demnach der erste „Six Sigma Black Belt“ (siehe Abbildung 3).
Der erste „Black Belt“ Abbildung 3: Carl Friedrich Gauß (1777-1855)
6
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Vor einiger Zeit hat General Electric, einer der großen Promotoren des Six Sigma Konzeptes mit herausragenden Umsetzungserfolgen, in einer Werbeanzeige den Kern der Six Sigma Philosophie getroffen. Wie Abbildung 4 zeigt, geht es bei Six Sigma – versinnbildlicht an der Treffgenauigkeit eines Pfeils – nicht nur darum, den Pfeil einmal ins Schwarze zu treffen. Das Ziel ist vielmehr, diesen Standard auf Dauer zu sichern, so dass bei jedem weiteren Schuss das gleiche Qualitätsniveau erreicht wird. Die Abweichung ist demnach Null, die Treffgenauigkeit hat „Robin Hood Niveau“, wenn der neue Pfeil den alten spaltet.
Quelle: WStJ, 22.06.2000, S.28
Abbildung 4: Six Sigma Qualität
Seine Durchschlagskraft erreicht Six Sigma als statistisch untermauertes Konzept dadurch, dass es bei der Steuerung von Wertschöpfungsprozessen für Produkte und Dienstleistungen die operative Umsetzung dieser geforderten Qualität mit bewährten Qualitätsmanagement-Methoden und -Instrumenten vorantreibt. Der Kernansatzpunkt ist dabei eine klare Projektorientierung aller Six Sigma Aktivitäten (vgl. Töpfer 2006a, S. 1ff.).
Armin Töpfer, Swen Günther
7
Das Konzept lässt sich auf dieser Basis folgendermaßen definieren: Six Sigma ist darauf ausgerichtet, Abweichungen und Durchlaufzeiten bei Produkten, Prozessen und generell bei Transaktionen zu reduzieren, die besonders kritisch für die Kundenzufriedenheit sind, sowie zusätzlich das Nutzungsniveau bzw. den Wirkungsgrad aller Einsatzfaktoren nachhaltig zu erhöhen, um dadurch eine Wertsteigerung für das Unternehmen zu erreichen (vgl. Töpfer 2006b, S. 411ff.; Pande et al. 2001, S. 77). Six Sigma ist damit eine Projektmanagement-Methode, bei der bewährte Elemente des Qualitätsmanagements intelligent kombiniert und exzessiv eingesetzt sowie in ihren konkreten Wirkungen und Ergebnissen projektbezogen belegt werden. Das ursprüngliche Konzept, das durch die statistischen Kriterien und Anforderungen (6 σ) geprägt war, ist zu einer neuen Philosophie des Qualitätsmanagements (Six Sigma) geworden und bei fortschrittlichen Unternehmen inzwischen ein fester Bestandteil erfolgreicher Unternehmensführung zur Steigerung des Unternehmenswertes. In Abbildung 5 sind diese zwei Dimensionen von Six Sigma charakterisiert. Wenn man über Six Sigma spricht, ist es also immer wichtig, ob man die Philosophie und das Managementkonzept oder das statistische Messkonzept gerade vor Augen hat.
Six Sigma = Pfiffiges Projektmanagement mit fundierter statistischer Basis und wirksamen QM-Instrumenten
6σ = Statistisches Messkonzept
o Systematische Methodik (DMAIC, DMADV)
o Kennzahl zur Leistungsfähigkeit von Prozessen
o Projekt- und Prozessmanagement
o 3,4 Fehler bei 1 Million Fehlermöglichkeiten
o Toolbox (Prozessanalyse, Problemlösung, Statistik) o Philosophie, Kultur der Null-Fehler-Qualität „The way we work“
• Philosophie/ Managementkonzept und Messkonzept • Was man nicht messen kann, kann man man nicht nicht verbessern verbessern Abbildung 5: Zwei Dimensionen von Six Sigma
An den Aktienmärkten wird dieses Managementkonzept von Analysten verstanden und in seiner Wirkung – insbesondere auf rezessiven und stark kompetitiven Märkten – positiv bewertet, ohne dadurch allerdings „Wunderdinge“ zu erwarten. Der CEO von Dow Chemical, Michael Parker, die Six Sigma Projekte seit 1997 durchführen, hat die angestrebten Ziele und Ergebnisse von Six Sigma zutreffend
8
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
charakterisiert: „Six Sigma will be a vehicle to transform this Company to Premier Status: in the eyes of our competitors, in the eyes of Wall Street and, at the very foundation of our Company, in the eyes of our employees. We will use it to drive increased loyality, better bottom line results and to reduce employee frustration over rework, broken process and poor quality. We are no longer on an evolutionary transformation with Six Sigma. I expect transformation at a rapid pace.” (Six Sigma Konferenz in San Diego, USA, am 22./23. Januar 2001). Der Vorwurf, dass Six Sigma lediglich „alter Wein in neuen Schläuchen“ ist, greift deshalb zu kurz. Vielmehr ist Six Sigma – um im Bild zu bleiben – „besserer Wein in alten Schläuchen“. Genau mit diesem Anspruch wurde 1987 diese neue Qualitätsoffensive von Motorola in den USA begonnen, um damit bei den produzierten Technologieprodukten die Fehlerraten und -kosten deutlich zu senken, Kundenanforderungen besser zu erfüllen und die Unternehmensergebnisse in Umsatz, Deckungsbeitrag und Gewinn hierdurch deutlich zu steigern (vgl. Töpfer/John 1996, S. 165ff.). Die hier interessierende Frage ist also, welchen Beitrag Six Sigma für die Differenzierung eines Unternehmens vom Wettbewerb und damit für die Schaffung von konkreten Wettbewerbsvorteilen leisten kann. Die zunehmende Bedeutung von Six Sigma erschließt sich aus Abbildung 6.
Reduzierung der Fertigungstiefe
Qualität der Wertschöpfungspartner?
Produkte immer ähnlicher
Noch Differenzierungspotenziale?
Umsetzung
Immer mehr Dienstleistungsgeschäfte
Qualität der weniger standardisierbaren und beherrschbaren Prozesse? (im Vergleich zu Produktion)
von Six Sigma: Vom Konzeptzum NiveauWettbewerb
Verschärfung des Wettbewerbsdrucks
Noch Potenziale für Kosteneinsparungen und Ertragssteigerungen?
Abbildung 6: Zunehmende Bedeutung von Six Sigma
Durch die Anforderung, aus Kostengründen die Fertigungstiefe zu reduzieren, stellt sich die Frage nach einer ausreichend hohen Qualität der Wertschöpfungspartner. Für das eigene Unternehmen ist gleichzeitig von zentraler Bedeutung, ob
Armin Töpfer, Swen Günther
9
noch genügend Differenzierungspotenziale bei immer ähnlicher werdenden Produkten vorhanden sind. Dies ist häufig verbunden mit einer Ausweitung der Marktleistungen auf Service- und Dienstleistungsgeschäfte. Gerade bei diesem strategischen Konzept stellt sich dann wiederum die Frage, ob im Vergleich zur physischen Produktion von Produkten die Qualität der weniger standardisierbaren und beherrschbaren Prozesse im Service- und Dienstleistungsbereich ausreichend hoch und vor allem stabil genug ist, also wenig Niveauschwankungen aufweist. Alle diese Entwicklungen gehen i.d.R. mit einer Verschärfung des Wettbewerbsdrucks im Kerngeschäft eines Unternehmens einher, so dass allein dadurch weitere Potenziale für Kosteneinsparungen und Ertragssteigerungen überlebenswichtig sind. Dabei gilt generell und speziell für Six Sigma: Entscheidend ist nicht die Umsetzung eines Konzeptes, sondern das erreichbare Niveau zur Steigerung des Unternehmenswertes durch eine umfassende Erfüllung der Kundenanforderungen, weitgehende Null-Fehler-Qualität und überdurchschnittlich positive Unternehmensergebnisse. Hierdurch sollen die vier zentralen Anforderungen im Wettbewerb erfüllt werden, wie sie in Abbildung 7 skizziert sind, nämlich Qualität, Zeit und Kosten sowie zusätzlich Innovation. Die Six Sigma Philosophie, Konzeption und Umsetzung hat einen positiven Einfluss auf alle vier Ansatzpunkte zur Differenzierung vom Wettbewerb:
•
Die Ausgangsbasis für jedes Six Sigma Projekt stellen die zentralen Kundenanforderungen als Critical to Quality Merkmale (CTQs) dar.
•
Verbesserungen der Prozesse im Unternehmen sind die generelle Ausgangsbasis aller Six Sigma Projekte und bezwecken die Reduzierung von Durchlaufzeiten.
•
Das Beseitigen und zukünftige Vermeiden von Fehlerkosten führt zusätzlich zu Kosteneinsparungen.
Im Ergebnis kann ein Unternehmen auf diese Weise besser, schneller und schlanker werden als seine Hauptwettbewerber.
•
Wenn dieses „magische Dreieck“ beherrscht wird, dann lassen sich Innovationen mit einer höheren Treffsicherheit der kritischen Kundenanforderungen über effiziente Prozesse schneller und mit schlanken Unternehmensstrukturen kostengünstiger in den Markt einführen.
Wie diese Ausführungen nachvollziehbar machen, eignet sich Six Sigma nicht nur für technologieorientierte Unternehmen, die langlebige Gebrauchsgüter von hoher Qualität herstellen. Six Sigma ist vielmehr gerade auch für Service- und Dienstleistungsunternehmen in innovativen Bereichen geeignet.
10
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Kunde Qualität Besser
Innovation/ Wachstum
Wettbewerber
Unternehmen
Zeit
Kosten
Schneller
Schlanker
Six Six Sigma hat hat einen einen positiven positiven Einfluss auf Qualität Qualität –– Zeit Zeit –– Kosten Kosten –– Innovation Innovation
Abbildung 7: Vier zentrale Anforderungen im Wettbewerb
Dies liegt vor allem darin begründet, dass die Six Sigma Philosophie sich danach differenzieren lässt, ob eine Verbesserung bzw. ein Null-Fehler-Niveau bei bestehenden Produkten oder bei Neuprodukten angestrebt wird (siehe Abbildung 8).
Bewerten + Verbessern der Kundenzufriedenheit DMAIC-Prozess
=
Blick durch den Rückspiegel
Six Sigma
Ermitteln + Erfüllen zukünftig wichtiger Kundenanforderungen DMADV-Prozess
=
Blick durch die Frontscheibe
Design for Six Sigma
Kundenbindung durch Umsetzen zukünftig erfolgsentscheidender Anforderungen des Kunden in den eigenen Marktleistungen Abbildung 8: Unternehmenswertsteigerung durch Kundenzufriedenheit und -bindung
Armin Töpfer, Swen Günther
11
Im ersten Fall liegt der Fokus auf dem „rückwärts gerichteten“ Bewerten und Verbessern der Kundenzufriedenheit mit dem DMAIC-Prozess (Define, Measure, Analyse, Improve, Control). Im zweiten Fall, bei der Umsetzung von Six Sigma in der Entwicklung (Design for Six Sigma), steht das Ermitteln und Erfüllen zukünftig wichtiger Kundenanforderungen mit dem DMADV-Prozess (Define, Measure, Analyse, Design, Verify) im Zentrum. Was bewirken diese Verbesserungen? Legt man das einfache Modell von Treacy/Wiersema (vgl. Treacy/Wiersema 1995, S. 44ff.) mit den drei Erfolgskriterien Produktführerschaft, Operative Exzellenz und Enge Beziehung zum Kunden zugrunde (siehe Abbildung 9), dann leistet Six Sigma einen positiven Beitrag zu allen drei Wettbewerbsfaktoren. Mit anderen Worten ist dies ein Hebel, um sich vom Industriedurchschnitt in Richtung Best in Class oder sogar World Class/Best Practice zu entwickeln. Inhaltlich ist dies ein Hauptgrund für die in der Vergangenheit stark zunehmende Verbreitung von Six Sigma in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in der Triade oder sogar auf globalen Niveau. Dadurch, dass ergebnisbezogen Kosteneinsparungen, Durchlaufzeitenverkürzungen und Ertragssteigerungen durch Six Sigma Projekte zusätzlich erreichbar sind, wird der Wertsteigerungseffekt noch verstärkt.
Enge Beziehung zum Kunden
Ansatz für Six Sigma CTQ’s
Customer Relationship Management (CRM) 1
Leistungsanalyse für Benchmarking: 1 2 3 4
Weltniveau/ Best Practice Bester der Branche Industriedurchschnitt Unterdurchschnittlich
2 3
heute zukünftig
4 Ansatz für Six Sigma Prozessoptimierung
Operative Exzellence Praktizierte Null-Fehler-Qualität im Wertschöpfungsprozess
Ansatz für Six Sigma Produktqualität
Produktführerschaft FuE/ Innovation
Basis: Treacy/ Wiersema, 1995, S. 45
Abbildung 9: Leistungsversprechen und Wertsteigerungen
Abbildung 10 verdeutlicht das mit einem bestimmten Sigma-Niveau verbundene Fehlerniveau (pro einer Million Fehlermöglichkeiten) sowie vor allem die daraus resultierenden Qualitätskosten, die bei einem geringen Sigma-Niveau fast ausschließlich Fehlerkosten im Sinne von Fehlerbeseitigungs-, Fehlerfolge- und Prüf-
12
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
kosten sind sowie kaum Fehlerverhütungskosten ausmachen. Die Frage, was schlechte Qualität kostet, lässt sich also vereinfacht in der folgenden Weise beantworten. Schlechte Qualität kostet:
•
Personen, die in internen Prozessen oder an extern gerichteten Marktleistungen Fehler machen
•
Personen, die diese Fehler in Prozessen und Produkten entdecken und beseitigen
•
Kulanz gegenüber Kunden, die unter diesen Fehlern und damit verbundenen negativen Auswirkungen litten, sowie
•
Kunden, die wir aufgrund des schlechten Qualitätsimages verlieren, oder Zielkunden, die deshalb erst gar nicht kommen und unsere Produkte kaufen.
Die Erkenntnis ist klar: Dies kann sich kein Unternehmen auf Dauer leisten. In einem fortschrittlichen Ansatz sind zur Analyse und Bewertung der Qualitätskosten zwei unterschiedliche Kategorien zugrunde zu legen: zum einen die Kosten der Übereinstimmung, bei denen das geforderte Qualitätsniveau durch akzeptierte Fehlerverhütungskosten als gezielte Investitionen in das Qualitätsmanagement erreicht wird, und zum anderen die Kosten der Abweichung, bei denen qualitätsbezogen die Fehlerbeseitigungs- und Fehlerfolge- und darauf bezogene Teile der Prüfkosten ermittelt werden (vgl. Töpfer 2002, S. 27ff.). Qualitäts-
Sigma- Fehler pro einer Million Möglichkeiten Qualitätskosten
Niveau in % Niveau 69,1
2
308.770 (Nicht wettbewerbsfähige U.)
Nicht akzeptabel
93,3
3
66.810
25-40% vom Umsatz
99,4
4
6.210 (Durchschnittsunternehmen)
15-25% vom Umsatz
99,98
5
233
99,99966
6
3,4 (World class)
5-15% vom Umsatz <1% vom Umsatz
• Die Steigerung der Qualität von 99% um 1% reduziert Fehlerkosten von über 20% des Umsatzes • Jede Erhöhung des Sigma-Niveaus um 1 verbessert den Netto-Ertrag um 10% Quelle: Harry/Schroeder 2000, S. 17/ Breyfogle 1999, S. 747f.
Abbildung 10: Fehlerniveau und Qualitätskosten
Die Abbildung zeigt, dass ein geringes Sigma-Niveau mit einer hohen Anzahl an Fehlern und damit einem hohen Prozentsatz an Fehlerkosten als maßgeblichen Qualitätskosten gemessen am Umsatz einhergeht. Bei einem Durchschnittsunter-
Armin Töpfer, Swen Günther
13
nehmen mit einem Sigma-Niveau von 3,8 bis 4 machen diese Qualitätskosten noch 15 bis 25 % vom Umsatz aus. Die effektive Fehlerhöhe ist in einem Unternehmen vielleicht noch nachvollziehbar und verständlich. Die Höhe der Qualitätskosten in Prozent vom Umsatz ist aber oft kaum zu glauben. Denn wie die Realität zeigt, haben viele Unternehmen über diese Höhe und Relation der qualitätsbezogenen Kosten keine ausreichende Kenntnis. Aus der Anwendung von Six Sigma in den USA existieren zwei – nicht qualitätsgesicherte – Erfahrungswerte: Die Nachbesserung/Wiedergutmachung von Fehlern macht bei Dienstleistungsunternehmen bis zu 30 % der Gesamtkosten aus. Bei Industrieunternehmen beläuft sie sich auf bis zu 30 % des Jahresumsatzes. Erst dieses Wissen schafft ausreichend Leidens- und Handlungsdruck, da hierdurch in einem Benchmarking der Abstand zum Branchenbesten oder zu Best Practice unmittelbar nachvollziehbar wird. Weiterhin wird überprüfbar, ob bzw. dass die Kosten der Abweichung im Vergleich zu den Kosten der Übereinstimmung deutlich höher sind als die im Rahmen einer Business Excellence Investition budgetierten Kosten zum Aufbau eines leistungsfähigen Qualitätsmanagements in Richtung einer Null-Fehler-Qualität. Als Erfahrungswert gilt, dass die Erhöhung des Sigma-Niveaus um 1 den Netto-Ertrag um 10 % verbessert. Dies wird – wie oben angesprochen – dadurch bewirkt, dass die hohen eingesparten Fehlerkosten den erforderlichen Aufwand für Six Sigma Schulungen und Projekte deutlich übersteigen. Diese Relation – dass nämlich durch das 1 %, das über 99 % Qualität hinausgeht und für 100 %, also Fehlerfreiheit, erforderlich ist, Fehlerkosten von über 20 % eingespart werden können – muss in der Praxis erst einmal verstanden und an einem konkreten Einzelfall nachvollzogen werden. Traditionelle Fehlerkosten Erfassbar und einfach identifizierbar aber nur die Spitze des Eisbergs Nachbesserung Minderung Wandlung 5 - 8% Garantieleistung
Inspektion Ausschuss Technische Änderung von Aufträgen
Entgangener Umsatz/Gewinn
Lange Durchlaufzeiten
Abwanderung von Kunden
Ineffektiver Einsatz der Produktionsfaktoren
15 - 20% Verspätete Auslieferung Hohe Lagerhaltung
Höhere Kosten
Hohe Materialbestellungen und -bestände Gebundenes Kapital
Zusätzliche Fehlerkosten Weniger offensichtlich
Entgangene Möglichkeiten
Quelle: Chase, in: Quality Magazine 8/1999, in http://qualitymag.com/articles/1999/aug99/images/0899f3f2.jpg, 18.2.2000
Abbildung 11: Eisbergeffekt von Fehlerkosten
% bezogen auf Gesamtkosten
14
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Im Rahmen einer Strategie konkreter Verbesserungen stellt sich dann die erste Frage, wodurch diese hohe Summe der Fehlerkosten bewirkt wird. Abbildung 11 zeigt den typischen Eisbergeffekt der Fehlerkosten: Nur 5 bis 8 % der Gesamtkosten sind einfach identifizierbare und leicht erfassbare Fehlerkosten als „Spitze des Eisbergs“. Der größte Teil ist weniger offensichtlich und damit Verbesserungsund Einsparungsaktivitäten nicht direkt zugänglich. Dieser Teil des „Eisbergs unter der Wasseroberfläche“ macht zwischen 15 und 20 % der Gesamtkosten aus. Wie nachvollziehbar ist, erfordern hierauf bezogene Verbesserungsprojekte vertieftes Wissen über unterschiedliche Prozesse und die Wirkungen einzelner Aktivitäten. Genau dies sind typische Ansatzpunkte für Six Sigma Projekte. Die zweite Frage ist jetzt: Warum ist diese Analyse der Qualitäts- und insbesondere der Fehlerkosten heute besonders wichtig? Je mehr ein Unternehmen im Wettbewerb steht, desto eher gerät es mit seinen Marktleistungen auch unter Preisdruck. Dadurch wird es für jedes Unternehmen umso wichtiger, Kostensenkungspotenziale zu aktivieren. Denn nur hierdurch kann eine ausreichende Ertragssituation gesichert werden. Abbildung 12 gibt diesen einfachen Sachverhalt plastisch wieder: In einer Mehrperiodenbetrachtung hat das Unternehmen in der Periode 1 eine „komfortable“ Ausgangssituation. Trotz eines relativ hohen Gesamtkostenblocks wird noch eine auskömmliche Gewinnmarge erwirtschaftet.
Gewinnmarge
Gewinnmarge Gewinnmarge
Gesamter Kostenblock zur Herstellung und Lieferung von Marktleistungen
Periode 1
Kosten schlechter Qualität
Kosten schlechter Qualität
Optimal erreichbare Kosten
Optimal erreichbare Kosten
Periode 2
Periode 3
Preisverfall + Six Sigma Auswirkungen als Projekte für Null-Fehler-Qualität
Preis
Gewinnmarge
Bei Preiskonstanz strategischer Spielraum
Kosten schlechter Qualität
Gewinnmarge
Optimal erreichbare Kosten
Optimal erreichbare Kosten
Periode 4
Periode 5
Zeit Basis: Krauer, 2001
Abbildung 12: Gründe für Six Sigma
Die Situation ändert sich schnell, wenn das Unternehmen durch einen Preisverfall unter Ertragsdruck gerät. Denn spätestens dann wäre es wünschenswert, aus den Gesamtkosten die Kosten schlechter Qualität (COPQ – Cost of Poor Quality) herausrechnen zu können. Sie entsprechen den vorstehend ausgeführten Kosten der Abweichung bezogen auf die Marktleistungen. Die Differenz zum Gesamtkos-
Armin Töpfer, Swen Günther
15
tenblock sind dann optimal erreichbare Kosten. Sie erhalten in Six Sigma Projekten den Status von Zielkosten (Target Costs). Das Unternehmen erreicht auf diesem Niveau die höchste Kosteneffizienz. Abgesehen von dem Problem, ausreichende Informationen zum Erkennen dieses Niveaus erarbeiten zu können, besteht jetzt die Anforderung darin, die Kosten schlechter Qualität systematisch und konsequent zu senken. Denn andernfalls kommt das Unternehmen – wie der Übergang von Periode 2 zu Periode 3 zeigt – von einer Ertragseinbuße schnell in die Verlustzone. Nach der Periode 3 bewirken durchgeführte Six Sigma Projekte eine deutliche Reduzierung der Kosten schlechter Qualität (Periode 4). Der weitere Preisverfall wird hierdurch zumindest zeitweise aufgefangen. Erst in Periode 5 ist das Niveau optimierter Kosten erreicht. Bei der nachvollziehbaren Preisentwicklung durch den Wettbewerb ermöglicht dies noch eine – wenn auch deutlich geringere – Gewinnmarge. Wenn die negative Preisentwicklung fortdauert, dann zeigt dies deutlich die Grenzen von Six Sigma Projekten. Eine weitere maßgebliche Kostensenkung ist nicht mehr erreichbar. Jetzt müssen mit großer Hebelwirkung aus strategischer Sicht Projekte umgesetzt werden, beispielsweise um zusätzliche Skaleneffekte zu erzielen oder durch Outsourcing bzw. Produktionsstättenverlagerung ins Ausland weitere Kostensenkungspotenziale auszuschöpfen. Ein ergänzender Ansatz können innovative Produkte sein, die dann eine umso größere kunden- und margenbezogene Wirkung erzielen, wenn sie mit Design for Six Sigma entwickelt wurden. Trifft in der Realität diese worst case Entwicklung nicht zu, dann wird zugleich deutlich, welche Chancen die Durchführung von Six Sigma Projekten im Hinblick auf eine Erhöhung der Gewinnmarge eröffnet. Der strategische Spielraum des Unternehmens wird hierdurch erheblich gesteigert. In der Praxis ist dies aus zwei Gründen aber eher selten: Zum einen ist eine Preisreduzierung durch Wettbewerbsdruck heute weitgehend Standard. Zum anderen unterbleibt die Reduzierung der Fehlerkosten als Kosten schlechter Qualität häufig, wenn der Leidensdruck für das Unternehmen noch nicht groß genug ist. Für die Bestimmung und Analyse von Fehlerkosten ist jetzt die dritte Frage entscheidend, nämlich wie ein Fehler definiert wird. Abbildung 13 macht deutlich, dass dies intern oder extern basiert erfolgen kann. Intern basiert entsteht ein Fehler dann, wenn im Rahmen der Strategie definierte Standards nicht eingehalten werden. Extern basiert kommt ein Fehler zustande, wenn die durch die Marktforschung analysierten wesentlichen Kundenanforderungen (CTQs) nicht erfüllt werden. In beiden Fällen tritt die Abweichung und damit der Fehler im Wertschöpfungsprozess auf. Hieran schließt sich unmittelbar die vierte Frage an, welche Wirkungen von Fehlern ausgehen. Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass Fehler immer mehrfache Auswirkungen haben (siehe Abbildung 14): zum Ersten direkt auf die Wertschöpfungsebene in Form von Kosten der Fehlerbeseitigung/-verhütung, zum
16
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Zweiten bezogen auf die Marktebene durch die Abwanderung unzufriedener Kunden und hierdurch bewirkt weniger Neukunden sowie zum Dritten hieraus resultierend auf der Unternehmensebene Wertvernichtung durch entgangenen Umsatz, Deckungsbeitrag und Gewinn.
Was ein Fehler ist, ist immer eine ... Frage der Definition von Qualitätsstandards
Frage der Kundenanforderungen
Frage der Leistung/ Wertschöpfung Strategie
Marktforschung Prozess
Abbildung 13: Definition von Fehlern
Fehler Wertschöpfungsebene
in Service
in Produkt bewirkt
Direkte Kosten der Fehlerbeseitigung/ -verhütung Unzufriedene Kunden
Negative Mund-zu-MundKommunikation
Abwanderung von Kunden
Weniger neue Kunden
Marktebene
Unternehmensebene
Direkte und indirekte Kosten (Opportunitätskosten) durch Entgang von Umsatz, Deckungsbeitrag, Gewinn
• Kundenlebenszyklus wird drastisch verkürzt • Unternehmenswert wird reduziert
Abbildung 14: Wirkungen von Fehlern
Armin Töpfer, Swen Günther
17
In einer umgekehrten Sichtweise lässt sich dann also auch die Frage beantworten, wie der Unternehmenswert durch Six Sigma Projekte gesteigert werden kann. Abbildung 15 gibt diese Zusammenhänge wieder. Die Fähigkeit, in einzelnen Six Sigma Projekten die kundenorientierte Qualität zu steigern und gleichzeitig Kostensenkungspotenziale auszuschöpfen, liefert den Hebel für wettbewerbsfähige Leistungen und Preise. Hierdurch sind marktbezogen Steigerungen des Absatzes und Marktanteils möglich. Ressourcenbezogen erlaubt dies gleichzeitig, Skalen-, Verbund- und Lernkurveneffekte zu realisieren. Über die Umsatz- und Erlössteigerungen sowie die parallelen Kostensenkungen wird dann in einem längerfristigen Prozess die Steigerung der Gewinne und des Unternehmenswertes bewirkt. Unternehmenswert Gewinn
Umsatz / Erlös
Kosten
Marktorientierter Ansatz
Ressourcenorientierter Ansatz
Steigerung von Absatz + Marktanteil
Skalen-/ Verbund-/ Lernkurveneffekte
Wettbewerbsfähige Leistungen + Preise Qualität steigern
Kostensenkungspotenzial ausschöpfen
Abbildung 15: Unternehmenswert steigern durch Six Sigma Projekte
Abschließend sollen unter dem Blickwinkel des Differenzierungspotenzials vom Wettbewerb noch einmal die drei wesentlichen Ansatzpunkte von Six Sigma als Qualitätsphilosophie zusammengefasst werden (siehe Abbildung 16):
•
Ausgehend von wichtigen Kundenanforderungen wird Qualität definiert, für den Kunden umfassend und für das Unternehmen wirtschaftlich umgesetzt.
•
Hierzu ist diese Qualitätsvision in der Geschäftsstrategie und in allen Geschäftsprozessen zu verankern.
18
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
•
Über Six Sigma Projekte ist der gezielte Verbesserungsprozess einzuleiten, der zu einem nachvollziehbaren und quantifizierbaren Nutzen für die Kunden und das eigene Unternehmen führt mit dem Ziel einer Steigerung des Kunden- und Unternehmenswertes.
• Der Kunde gewinnt Kundenanforderungen vollständig und wirtschaftlich umsetzen = Qualität ist Wert für Kunden
• Enger Bezug zur Geschäftsstrategie Die Qualitäts-Vision im Geschäftsmodell und in allen wichtigen Prozessen = Kundensicht verankern
• Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Aber Verbesserungen in Quantensprüngen, die sich rechnen = Quantifizierbarer Nutzen für Kunden und eigenes Unternehmen
Abbildung 16: Drei Ansatzpunkte der Six Sigma Philosophie
2
Verbreitung und Einführungsanforderungen von Six Sigma
Vor einigen Jahren äußerte sich der Vorstand eines großen Technologieunternehmens folgendermaßen über Six Sigma: „Six Sigma ist als Null-Fehler-Qualitätsniveau viel zu aufwendig und deshalb praxisfern, so dass wir es in unserem Unternehmen nicht anwenden.“ Seine Meinung und Einstellung hat er inzwischen grundlegend geändert: Das Unternehmen führt heute Six Sigma Projekte zahlreich und nachhaltig durch. Es erwirtschaftet damit inzwischen an Kosteneinsparungen oder Ertragssteigerungen Hunderte von Millionen Euro. Was hat dazu geführt, dass dieses Unternehmen – im Gleichklang mit einer steigenden Anzahl von anderen Unternehmen – in den letzten Jahren Six Sigma als Programm für Null-Fehler-Qualität praktiziert? Die Gründe hierfür sind i.d.R. mehrschichtig: 1) Im Einzelfall ist es das erkannte Niveau an Fehlerkosten und das hieraus ableitbare Potenzial an Verbesserungsmöglichkeiten, wie sie oben dargestellt wurden.
Armin Töpfer, Swen Günther
19
2) Generell führt die Differenzierungsnotwendigkeit vom Wettbewerb dazu, dass jede tragfähige Chance für Wettbewerbsvorteile genutzt und umgesetzt wird. Dies gilt insbesondere im Zuge einer Strategie der Wertsteigerung des Unternehmens, die nicht nur intern, sondern auch extern gegenüber Kapitaleignern und Analysten belegbar ist. Nach den Analysen von Harry/Schroeder lassen sich generell folgende Wirkungen durch Six Sigma Projekte erzielen (vgl. Harry/Schroeder 2005, S. 2):
•
20 %
Erhöhung der Gewinnmarge, primär durch eliminierte Fehlerkosten
•
12-18 %
Erhöhung der Kapazität durch reduzierte, oftmals manuelle Nacharbeit zur Fehlerbeseitigung und schlankere Prozesse
•
12 %
Reduzierung der Anzahl der Mitarbeiter, ebenfalls durch schlankere Prozesse und weggefallene Fehlerbeseitigung
•
10-30 %
Reduzierung des eingesetzten Kapitals, dies gilt stärker für Industrie- als für Dienstleistungsunternehmen.
Diese Zahlen machen – unabhängig davon, dass es sich um grobe und allgemeine Werte handelt – deutlich, dass Six Sigma Projekte ein Effizienzsteigerungsprogramm sind. Die Beseitigung der oben angeführten Fehlerkosten führt nicht nur zu den Ertragssteigerungen, sondern auch zu den Ressourcenoptimierungen. Wichtig ist dabei gegenüber den Mitarbeitern und dem Betriebsrat aber die Botschaft, dass es sich um kein „Arbeitsplatzvernichtungsprogramm“ handelt. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und das Herausarbeiten von Wettbewerbsvorteilen unter den Aspekten Qualität, Zeit, Kosten und Innovation erfordert gezielt Optimierungen in diese Richtung. 3) Der Anstoß kann jedoch auch von einem industriellen Abnehmerunternehmen kommen. Wenn Six Sigma Projekte im eigenen Unternehmen durchgeführt werden, dann stehen nach der Optimierung der eigenen Wertschöpfung sehr schnell auch die Vorprodukte von Lieferanten auf dem Prüfstand. Mit anderen Worten wird zur Sicherung dieses hohen Qualitätsniveaus in der gesamten Wertschöpfungskette auch – im Rahmen einer gezielten Outside-in-Analyse – bei den eigenen Zulieferern Six Sigma Niveau für qualitätskritische Bauteile gefordert. 4) Ausgangsbasis für jedes Six Sigma Projekt sind wesentliche Kundenanforderungen als CTQs. Unter diesem Blickwinkel einer Outside-in-Analyse werden aus Sicht der Kunden kritische Produktmerkmale definiert. Zusätzlich kann von Herstellerunternehmen jedoch auch an Kundenunternehmen die Initiative zu Six Sigma Projekten herangetragen werden. Eine Unterstützung in diese Richtung fördert nicht nur den Umfang und das Niveau der Zusammenarbeit, sondern eröffnet zugleich qualitative Wettbewerbsvorteile. Typisch in dieser Hinsicht ist die Bereitstellung von eigenen Six Sigma Trainern für Kundenun-
20
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
ternehmen. Zugleich wird hierdurch das Wissen über Anforderungen und Probleme in den Prozessen der Kundenunternehmen deutlich erhöht. Abbildung 17 zeigt vereinfacht diesen Interaktionsmechanismus in vernetzten Wertschöpfungsketten mit Six Sigma Niveau. Die beiden Outside-in-Analysen bei Kunden und Lieferanten werden im eigenen Unternehmen durch die Inside-OutAnalyse der gesamten eigenen Wertschöpfungskette ergänzt. Die analysierten Kundenanforderungen in Marketing/Absatz/Vertrieb werden an die Phasen Produktion, Beschaffung und F&E zurückgekoppelt. Hieraus werden dann die Anforderungen an die eigenen Lieferanten abgeleitet.
Outside-in
Lieferanten Qualitätsanforderungen/ CTQs
Inside-out/ Outside-in
FUE
Beschaffung
Produktion
Marketing/ Absatz/ Vertrieb
Service
Herstellerunternehmen
Kundenanforderungen/ CTQs
Outside-in
Kunden
Abbildung 17: Vernetzte Wertschöpfungsketten mit Six Sigma Niveau
Diese Ausgangssituation hat dazu geführt, dass nach dem „Start“ von Motorola im Jahre 1987 zunächst vorwiegend Herstellerunternehmen die Philosophie und Konzeption von Six Sigma eingeführt haben. Erst danach hat sich aufgrund der Interaktionsmechanismen in vernetzten Wertschöpfungsketten Six Sigma auch in Zulieferunternehmen und z.T. auch in Kundenunternehmen durchgesetzt. Abbildung 18 gibt beispielhaft eine Auflistung einiger dieser Unternehmen wieder. Es versteht sich von selbst, dass die Anzahl der Unternehmen, die inzwischen das Gedankengut von Six Sigma anwenden, erheblich größer ist. Manche Unternehmen machen ihre Six Sigma Aktivitäten zunächst nicht publik, höchstens als entsprechende Anforderung gegenüber ihren Lieferanten. Erst wenn sie ein relativ hohes Niveau erreicht haben, kommunizieren sie es bei ihren Kunden als Wettbewerbsvorteil. Dieser Effekt wird noch vergrößert, wenn sie das Sigma Niveau auch bei ihren Lieferanten erreicht haben. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass eine Reihe von Unternehmen Six Sigma nicht zu einem Bestandteil erfolgreicher Unternehmensführung gemacht hat, sondern nach
Armin Töpfer, Swen Günther
21
einiger Zeit aufgrund fehlender Erfolge, nicht mehr vorhandener Promotoren bzw. eines Wechsels der Unternehmensstrategie diese Anstrengungen eingestellt haben. Ein maßgeblicher Grund für das Scheitern lag nicht selten darin, dass das inhaltlich überzeugende Six Sigma Konzept eingeführt wurde, ohne bestehende gravierende Unterschiede in der nationalen Mentalität sowie der spezifischen Unternehmenskultur, und zwar insbesondere zwischen amerikanischen und europäischen Unternehmen, ausreichend zu berücksichtigen.
1991/ 1993/ 1995/ 1987 1992 1994 1996 Motorola
DEC
ABB
General Electric
Kodak Aeroquip Vickers IBM
Allied Signal
TI
1997/ 1998
2003/ 2004
2005/ 2006
Compaq
Air Products
Amazon
ThyssenKrupp
American Express
British Telecom
Weidmüller
Westpharma
Boehringer Ingelheim
TxB-Bank
Ford Motor
Caterpillar
John Deere
Honeywell
Froedtert Hospital
Lockheed Martin
DuPont
Johnson Control
ITT Industries
Johnson & Johnson
Telefonica
J.P. Morgan
Honsel
Ericsson
WEEL
Maytag
Bank of America
NEC Sony
Be
2001/ 2002
Dow Chemical
Siemens
iele isp
1999/ 2000
Toshiba Whirlpool PACCAR Seagate Tech Norgren-Herion Citibank
Am Am Anfang: Anfang: Six Six Sigma in Prozessen Prozessen Danach: Danach: Design Design For For Six Sigma Sigma
NCR
PVT
Nokia
IT Plan
Philips
3M
Raytheon
General Motors
KnorrBremse
Opel
Deutsche Post
Xerox
TNT (Europost)
Leica
ZMD
Raiffeisen International
Infra Serv Höchst
Skandia
Carl Zeiss Gruppe
Memorial Herrmann Southwest Hospital
Milacron
Biotronik
Samsung Elec.
Telstra
Decoma Magna
Solectron
Bechtel
BMW
Sumitomo
Deutsche Bahn
DaimlerChrysler
United Technologies
Celanese/ Ticona
US Postal Service
Aventis
Praxair
Crompton
LG Group
Bosch
Air France
BSH
Viterra Energy Services
Deutsche Bank
Grace
Starwood Hotels
Hilti
Abbildung 18: Einführung von Six Sigma in der Praxis
Wie diese Liste der Verbreitung zeigt, sind es oftmals insbesondere Unternehmen der gleichen Branche, die nach und nach Six Sigma einführten, um Wettbewerbsvorteile von unmittelbaren Konkurrenten so auszugleichen. Six Sigma wurde dabei i.d.R. unternehmensspezifisch ausgerichtet und angepasst, manchmal auch mit einem anderen Namen versehen. In den letzten Jahren wurde Six Sigma zunehmend auch in mittelständischen Unternehmen sowie in Dienstleistungsunternehmen umgesetzt. Begonnen wurde im Allgemeinen jeweils mit der Optimierung bestehender Prozesse und erst in einem zweiten Schritt mit der Optimierung neuentwickelter Produkte auf Six Sigma Niveau. Die Einführung erfolgte zunächst in Technologieunternehmen, bei denen technische Defekte einzelner Bauteile schnell zu erheblichen Qualitätsproblemen und Fehlerkosten führen können. Danach kamen auch Chemie- und Pharmaunternehmen hinzu, bei denen sich aufgrund starker Prozessorientierung Six Sigma als Verbesserungskonzept anbot. Die Anzahl von Unternehmen ist in den letzten zwei Zeitspalten (2003/04 und 2005/06) der Abbildung geringer, obwohl die Anzahl der „Six Sigma-Schnupper-
22
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Unternehmen“ ständig steigt. In die Abbildung wurden vornehmlich solche Unternehmen aufgenommen, die inzwischen nachweislich Six Sigma konsequent umsetzen. Viele der neuen Anwender geben allerdings – aus den oben genannten Gründen –diese Information noch nicht weiter. Zugleich zeichnet sich ab, dass die Phase der vordergründigen Begeisterung und unkritischen Übernahme dieses Gedankengutes zu Ende geht oder bereits zu Ende ist. Dies führt dazu, dass in dem jetzt beginnenden „aufgeklärten“ Stadium Six Sigma endgültig den Nimbus eines Allheilmittels respektive einer Wunderwaffe verliert und immer mehr Unternehmensleitungen klar wird, dass zum einen ein bestimmtes Ausgangsniveau an Qualitätsmanagement-Aktivitäten erforderlich ist und zum anderen die notwendigen Anstrengungen nicht unterschätzt werden dürfen. Dies leitet unmittelbar über zu den Einführungsanforderungen. Sie sind in Abbildung 19 in ihrer einfachen Grundstruktur aufgelistet und beziehen sich auf den Überbau, das eigentliche Six Sigma Umsetzungskonzept sowie auf flankierende Maßnahmen. Werden sie nicht erfüllt, dann ist hiermit bereits der Grundstein zum Scheitern gelegt.
Überbau
Six Sigma Konzept/ Umsetzung
Flankierende Maßnahmen
Commitment der Unternehmensleitung/ des Managements
Niveau des vorhandenen QM-Systems
Change Management Organisation mit hoher Veränderungsbereitschaft
Projektdefinition und -auswahl
Schulung der Green Belts/ Black Belts
Mess-System zur Steuerung und Kontrolle
Aufgaben- und Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation
Unternehmensspezifisch standardisierte Inhalte und Instrumente
Herausfordernde Ziele für Six Sigma Projekte
Anreizsystem für erreichte Ergebnisse
Management Development System/ Karriereplanung für Akteure
Wissensmanagement für Wissens- und Erfahrungsaustausch
Externe Unterstützung bei der Einführung
Abbildung 19: Einführungsanforderungen von Six Sigma
Wie oben bereits angesprochen, kommt es als genereller Rahmen auf ein klares Commitment der Unternehmensleitung und des Managements an. Sie müssen sich an die „Spitze der Bewegung“ für Six Sigma stellen. Denn auch bei einem fortschrittlichen Qualitätsmanagement-System mit Erfahrungen in bestimmten QMInitiativen bedeutet Six Sigma immer einen Veränderungsprozess im gesamten Unternehmen. Durch die Konzentration auf Prozesse und damit den Kern aller unternehmerischen Tätigkeiten verlangen aufgedeckte Fehlerkosten und Defizite ein hohes Maß an nachhaltiger Veränderungsbereitschaft.
Armin Töpfer, Swen Günther
23
Bezogen auf das eigentliche Six Sigma Konzept und seiner Umsetzung ist vor allem die Definition und Auswahl der Projekte eine zentrale Erfolgsvoraussetzung. Null-Fehler-Qualität in Richtung 6 σ ist zunächst insbesondere für erfolgskritische Prozesse anzustreben und auch kostenmäßig zu vertreten, andere Prozesse können mit einer Verbesserung auf beispielsweise 4 σ ein bereits ausreichendes Niveau erreicht haben. Um dies an einem Bild zu verdeutlichen: In einer Klinik muss einerseits eine Operation immer 100 % richtig durchgeführt werden, da diese Schlüsselleistung lebenserhaltend oder lebensbedrohlich ist. Bei dem Prozess der Aufnahme von Patienten können andererseits 80 % Qualität durchaus akzeptabel sein. Dies tut der Idee keinen Abbruch, dass mittel- oder längerfristig alle Prozesse, die kostentreibend sind, auf das von den Kunden geforderte Niveau gebracht werden müssen. Zusätzlich sind die Aufgaben- und Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation eindeutig zu regeln. Die Schulung der Six Sigma Experten, und dabei besonders der Green und Black Belts, in den unternehmensspezifisch standardisierten Inhalten und Instrumenten hat zügig und auf konkrete Projekte bezogen zu erfolgen. Parallel hierzu ist wie bei jedem Veränderungsprozess die Information und Sensibilisierung der Mitarbeiter – einschließlich des Betriebsrates – wichtig. Das Messsystem zur Steuerung und Kontrolle erreichter Ergebnisse muss sensibel genug und gut kalibriert sein. Für den hohen Qualitätsanspruch von Six Sigma gilt insbesondere, dass die projektbezogen formulierten Ziele herausfordernd sein müssen. In Ergänzung sind hierzu drei flankierende Maßnahmen wesentlich: zum Ersten ein Anreizsystem für die erreichten Ergebnisse bzw. Ziele, zum Zweiten ein Management Development System als Karriereplanung für erfolgreiche Six Sigma Akteure und – in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen – zum Dritten der Aufbau eines Wissensmanagements für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Projekten und Akteuren. Eine abschließende flankierende Maßnahme ist die externe Unterstützung bei der Einführung von Six Sigma, sei es durch ein Kunden- oder Lieferantenunternehmen oder sei es durch spezialisierte Berater. Ordnet man die Einführung von Six Sigma in einem Prozessablauf nach den Prioritäten über die Zeit, dann zeigen sich folgende Schwerpunkte: Zunächst muss die stringente projektorientierte Ausrichtung verstanden werden, danach ist die Führung des Unternehmens gefordert, sich zu dem Vorhaben offen und nachhaltig zu bekennen und es in eine geeignete Organisationsform zu „gießen“. Dies ist die notwendige und zugleich erfolgversprechende Voraussetzung, um eine schlanke Six Sigma Organisation im gesamten Unternehmen aufzubauen und die ersten Akteure zu gewinnen. Erst auf dieser Basis lassen sich geeignete Six Sigma Projekte auswählen, und zwar vor allem im Hinblick auf die erzielbaren monetären Ergebniswirkungen. Diese und die folgenden Phasen erzielen erfahrungsgemäß mit einer qualifizierten externen Unterstützung eine höhere Effizienz und Effektivität. Für die Durchfüh-
24
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
rung der Six Sigma Projekte sind geeignete Kandidaten auszuwählen, die vertieftes Wissen über die jeweiligen Prozesse haben und im Unternehmen gut vernetzt sind. Ihre Qualifizierung sollte stufenweise zum Green Belt und dann zeitlich versetzt zum Black Belt erfolgen. Der Vorteil liegt darin, dass diese ausgewählten Akteure dann bereits in der Schulung zwei Six Sigma Projekte durchführen; die Methodik wird so stärker verinnerlicht und der Nutzen für das Unternehmen zugleich erhöht. In Abbildung 20 ist verdeutlicht, dass ein konsequentes Projektcontrolling und Wissensmanagement diesen Gesamtprozess steuern muss. Abschließend wird aus den bisherigen Ausführungen folgendes deutlich: Da Six Sigma viele vorhandene Instrumente und Konzepte des Qualitäts- sowie Projektmanagements integriert, ist es eigentlich „simple“. Aufgrund der Einführungs- und Umsetzungsanforderungen ist es aber nicht „easy“. 1. Verständnis der projektorientierten Ausrichtung 6. Analyse der monetären Ergebniswirkungen
5. Qualifizierung von Six Sigma Spezialisten (GB, BB,MBB)
2. 7. Projektcontrolling + Wissensmanagement
4. Auswahl von geeigneten Six Sigma Projekten in Wertschöpfungsprozessen
Einbinden der Unternehmensleitung + Commitment der Führungskräfte
3. Aufbau der Six Sigma Organisation + Rekrutierung der Akteure
Null-Fehler-Kultur umsetzen
Abbildung 20: Sieben Schritte bei der Einführung von Six Sigma
Eine neuere Untersuchung zur Umsetzung von Six Sigma in den USA zeigt folgende Ergebnisse im Hinblick auf die Verbreitung dieses Konzepts (vgl. DynCorp 2003, S. 2ff.):
•
224 der 492 befragten Experten (46,5 %) wenden das Six Sigma Konzept in ihren insgesamt über 170 Unternehmen an
•
Fast 80 % der antwortenden Experten stammen aus den USA
Armin Töpfer, Swen Günther
25
•
50,7 % der Six Sigma Anwender kommen aus Service- und Dienstleistungsunternehmen
•
33 % wenden Six Sigma in Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten an
•
Die Mehrzahl der Unternehmen (55 %) setzt Six Sigma seit weniger als 2 Jahren ein, nur 10 % setzen es mehr als 5 Jahre ein
•
71 % nutzen Six Sigma als eines ihrer Qualitätsmanagement-Systeme, 25 % nutzen es als das wichtigste QM-System
•
62 % führen das Training mit internen Black Belts durch
•
Mehr als 60 % der Unternehmen wenden das Six Sigma Messinstrumentarium zur Beschreibung/Analyse ihres Qualitätsniveaus an, mehr als 80 % der Unternehmen wollen mit Six Sigma ihre Produktions- und DienstleistungsPerformance nachhaltig verbessern
•
Über 77 % der Experten messen Kostenersparnisse und/oder Gewinnzuwächse als Ergebnis von Six Sigma Projekten, wobei der Fokus generell stärker auf Kostenersparnissen als Gewinnzuwächsen liegt
•
Ca. 15 % der befragten Unternehmen rechnen mit Kostenersparnissen durch Six Sigma Projekte i.H.v. € 1 Mio. bis € 10 Mio.; ca. 15 % der Unternehmen rechnen mit Umsatz-/Gewinnsteigerungen von bis zu € 1 Mio.
Aus deutscher Sicht stellt sich auf der Basis einer ebenfalls neueren Studie zur Verbreitung und Umsetzung dieses Konzeptes die Situation folgendermaßen dar (vgl. Schmieder 2003, S. 698ff.):
•
Etwa 100 Unternehmen in Deutschland wendeten im Jahr 2003 Six Sigma an; die Mehrheit der Six Sigma Anwender sind Großunternehmen
•
Knapp zwei Drittel der Unternehmen kommen aus der Automobilbranche, ein Fünftel aus der Elektro- und Nachrichtentechnik
•
Bei 78 % der Unternehmen ist Six Sigma ein Bestandteil der Unternehmensstrategie; nur bei 3 % der Befragten ist Six Sigma Teil des bestehenden Qualitätsmanagement-Systems
•
Für 43 % der Unternehmen waren bei der Six Sigma Einführung das Training, die Strategie-Integration und die Unterstützung durch die Geschäftsleitung die wichtigsten Erfolgsfaktoren
•
In 95 % aller Fälle stand der Six Sigma Einführungsprozess unter direkter Planung und Kontrolle des Vorsitzenden der Geschäftsführung
•
Bei 71 % der befragten Unternehmen belaufen sich die Einsparungen/Umsatzsteigerungen auf bis zu € 200.000 pro Six Sigma Projekt
26
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
•
In 39 % der befragten Unternehmen ist der Black Belt als Projektleiter vollständig für die Six Sigma Projektarbeit freigestellt
•
Jedes sechste (deutsche) Six Sigma Unternehmen hat bereits mehr als 500 Projekte erfolgreich durchgeführt
•
Bei den meisten Unternehmen sind die Six Sigma Projekte gleichmäßig über alle betrieblichen Funktionen (Produktion, Logistik, Vertrieb etc.) verteilt
•
Ca. ein Viertel der befragten Unternehmen hat (nach eigener Auskunft) durch die Anwendung von Six Sigma eine Wertsteigerung erzielen können.
In jüngster Zeit gibt es eine Tendenz zu „Lean Six Sigma“, und zwar unter zweierlei Gesichtspunkten: Zum einen geht es darum, den Aufwand bei Six Sigma Projekten eher zu reduzieren und damit relativ gering zu halten. Dies bezieht sich auf die Zahl der mitwirkenden Akteure, die Schwierigkeit und Komplexität der statistischen Methoden sowie der dabei eingesetzten Software-Tools und auf die Anzahl der intensiv geschulten Mitarbeiter. Allerdings muss dem dabei zu investierenden Aufwand immer auch der quantifizierbare Nutzen entgegen gehalten werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht die Anzahl der geschulten Mitarbeiter reduziert wird, sondern die Länge und damit Qualität der Six Sigma Schulungen, insbesondere für Green und Black Belts. Hier wird das Ziel eines Lean Six Sigma zweifellos fehlgesteuert. In der Tendenz kann diese geringere Projektorientierung und stärkere allgemeine Methodenorientierung dazu führen, dass diese Art von Six Sigma sich immer mehr bekannten KVP-Programmen annähert. Zum anderen wird Lean Six Sigma heute aber so ausgelegt, dass alle die Instrumente und Maßnahmen im Vordergrund stehen, die das Unternehmen „lean“ und damit schlanker, schneller und kostengünstiger machen. Dieser Ansatz ist in der heutigen Zeit mit einer hohen Wettbewerbsintensität und sinkenden Marktpreisen zweifellos berechtigt und zielführend. Die Anforderungen an die Projektauswahl und eine erfolgreiche Projektsteuerung steigen hierbei nicht unerheblich. Der erfolgversprechende Ansatz von Lean Six Sigma läuft auf eine konsequente Kombination der Philosophie des Lean Managements im Sinne Toyotas mit dem Six Sigma Projektmanagement im Sinne von Motorola/ General Electric hinaus. Die Bedeutung und Tragfähigkeit des Ansatzes wird daran deutlich, dass die beiden letztgenannten Unternehmen intensiv an der Umsetzung dieses Ansatzes arbeiten. Für den Leser dieser Ausführungen aus der Unternehmenspraxis stellt sich spätestens bereits an dieser Stelle die Frage, ob für sein Unternehmen Six Sigma notwendig und geeignet ist. Um diese Analyse zu systematisieren und gegebenenfalls mit anderen Bewertungen vergleichbar zu machen, sind im Folgenden zwei Checklisten für den Selbst-Test abgedruckt. Die 5-Punkte-Checkliste in Abbildung 21 ermöglicht eine Bewertung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Einführung von Six Sigma im eigenen Unternehmen. Dies geschieht bezogen auf die Kundenanforderungen, die oftmals zur Einführung von Six Sigma „zwingen“,
Armin Töpfer, Swen Günther
27
bezogen auf die notwendige Erfüllung von Wettbewerbsstandards sowie nicht zuletzt unter der Maßgabe schrumpfender Deckungsbeiträge und Gewinne. Selbst-Test für die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Einführung von Six Sigma in Ihrem Unternehmen M+M Six Sigma Akademie® www.six-sigma-akademie.de 1
Die Anforderungen unserer Kunden sind in erheblichem Maße gestiegen
2
Null-Fehler-Qualität ist eine eindeutige Anforderung der Kunden/ des Marktes
3
Kurze Durchlaufzeiten und hohe Liefertreue sind für unser Unternehmen wichtig, um Kundenanforderungen zu erfüllen und sich im Wettbewerb gut zu behaupten
4
Die Erträge und Deckungsbeiträge haben in jüngster Vergangenheit eher abgenommen
5
Die Qualität der Wettbewerber und der Wettbewerbsdruck haben in jüngster Vergangenheit deutlich zugenommen
Trifft für unser Unternehmen überhaupt nicht
teilweise
umfassend
zu
Wenn Wenn Sie Sie mehrheitlich mehrheitlich die die 55 Punkte Punkte bejahen, bejahen, dann ist Ihr Unternehmen Unternehmen auf auf Grund Grund des des Marktdrucks Marktdrucks und der der Kundenanforderungen Kundenanforderungen reif reif für für Six Six Sigma Sigma © Prof. Dr. Armin Töpfer
Abbildung 21: 5-Punkte-Checkliste für die Bewertung der Markt- und Wettbewerbssituation
Wenn dieser Markt- und Wettbewerbs-Selbst-Test zu einem Ergebnis „pro Six Sigma“ führt, dann stellt sich immer noch die große Frage, ob das eigene Unternehmen für die Einführung und Anwendung des Six Sigma Konzepts ausreichend vorbereitet ist. In Abbildung 22 ist anhand einer 15-Punkte-Checkliste ein SelbstTest für den Six Sigma Reifegrad des eigenen Unternehmens möglich. Hieran kann nachvollzogen werden, ob die wesentlichen inhaltlichen, organisatorischen, personenbezogenen, instrumentellen und datenmäßigen Voraussetzungen für einen Six Sigma Einsatz gegeben sind. Gesondert gekennzeichnet sind dabei die K.o.-Kriterien, die eine Six Sigma Anwendung in der gegenwärtigen Situation praktisch unmöglich machen. Da eine derartige Checkliste konkrete Gegebenheiten immer nur standardisiert abfragen und erfassen kann, ist die am Ende der Checkliste geforderte persönliche Gesamtbewertung besonders wichtig. In sie sollten – mit einem möglichst realistischen Urteil – alle Spezifika des eigenen Unternehmens mit ihren Chancen und Risiken einfließen. Dabei liegt auf der Hand, dass es in einem größeren Unternehmen erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Unternehmensbereichen/ -teilen im Reifegrad, aber gegebenenfalls auch in der spezifischen Situation auf den jeweiligen Märkten geben kann. Statistisch – in der Six Sigma Sprache – gesprochen liegen dann, wie unsere Erfahrungen zei-
28
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
gen, erhebliche Abweichungen in der Streuung und Lage der Bewertungsergebnisse bei einzelnen Kriterien oder insgesamt vor. Selbst-Test für den Six Sigma Reifegrad Ihres Unternehmens
Akademie®
M+M Six Sigma www.six-sigma-akademie.de
∗
∗
∗
Ist in unserem Unternehmen überhaupt nicht
teilweise
umfassend
erfüllt
1
Existieren in Ihrem Unternehmen Prozesse/ Transaktionen mit hoher Stückzahl?
2
Sind Mission/ Vision/ Strategie auf Null-Fehler-Qualität ausgerichtet?
3
Existiert bereits eine auf Null-Fehler-Niveau veränderte Ausrichtung des praktizierten Qualitätsmanagements (QM)?
4
Existiert bereits eine prozessorientierte Qualitätssteuerung?
5
Wird bereits mit aussagefähigen Qualitätskennzahlen und Managementkennzahlen auf allen wichtigen Steuerungsebenen geführt?
6
Verfügt Ihr Unternehmen bereits über Projektmanagement Know-how?
7
Praktizieren Sie bereits eine Unternehmenskultur für Transparenz sowie konsequente Steuerung und Umsetzung?
8
Besteht bereits ein ausreichendes Commitment der Führungskräfte und Mitarbeiter für ein hohes Qualitätsniveau?
9
Haben Sie bereits praxisorientierte Personalentwicklungs-Konzepte für konsequentes Lernen umgesetzt?
10
Ist eine Top-down Einführung von Six Sigma mit Pilotprojekten gut möglich?
11
Verfügen Sie über eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Mitarbeitern mit dem Fähigkeitsprofil für Six Sigma Projektmanager?
12
Gibt es in ausreichender Anzahl Qualitätsprobleme, die mit für die Six Sigma-Methode geeigneten Projekten gelöst werden können?
13
Existiert eine ausreichende Datenbasis für die Ermittlung des Net Benefit in jedem einzelnen Projekt?
14
Können Six Sigma-Projekte und -Aktivitäten mit personenbezogenen Zielvereinbarungen und Anreizen verknüpft werden?
15
Werden andere (Qualitäts-)Managementkonzepte praktiziert, die mit einer Six Sigma-Initiative gut koordiniert und harmonisiert werden können?
∗
Wenn Sie einen oder mehrere der mit gekennzeichneten Punkte in Ihrem Unternehmen nicht ausreichend realisiert haben, dann ist die Six Sigma-Anwendung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfehlenswert Persönliche Gesamtbewertung: Insgesamt halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt unser Unternehmen für die Einführung von Six Sigma überhaupt nicht
ansatzweise
relativ gut
sehr gut
vorbereitet © Prof. Dr. Armin Töpfer
Abbildung 22: 15-Punkte-Checkliste für die Bewertung der Unternehmenssituation
Problematisch sind die Ergebnisse der beiden Checklisten-Bewertungen dann, wenn die Markt- und Wettbewerbssituation die Einführung von Six Sigma unbedingt erforderlich macht, in der Unternehmenssituation aber erhebliche Barrieren und Hemmnisse für eine erfolgreiche Anwendung gegeben sind. Da – wie bekannt – der Markt und Wettbewerb durch das Unternehmen nicht veränderbar sind, werden sich die Anstrengungen möglichst kurzfristig darauf ausrichten müssen, die gegenwärtige Unternehmenssituation und damit den Reifegrad des Unterneh-
Armin Töpfer, Swen Günther
29
mens für Six Sigma möglichst nachhaltig zu verbessern. Diese Ausgangssituation ist nach unserer Erfahrung in nicht wenigen Unternehmen gegeben.
3
Ziele und Konzeption des Buches
Mit dem vorliegenden Buch wollen wir keine Schrift zu der vorhandenen umfangreichen Literatur hinzufügen, die eine detaillierte Unterweisung in die statistischen Methoden und die Instrumente des Qualitäts- und Projektmanagements liefert. Hierzu gibt es bereits spezifische Six Sigma Publikationen (vgl. z.B. Pande et al. 2001, Breyfogle 2003, Magnusson et al. 2004, Harry/Schroeder 2005). Die Zielsetzung geht vielmehr dahin, Six Sigma als ein Konzept erfolgreicher Unternehmensführung darzustellen und dabei wesentliche Anforderungen, Inhalte, aber auch Stolpersteine aufzuzeigen. Ziel und Maßstab ist die Fähigkeit von Six Sigma, zur Wertsteigerung des Unternehmens beizutragen. Neben der operativen Umsetzung von Six Sigma Projekten steht damit also die strategische Ausrichtung und Einordnung des Gesamtkonzepts im Vordergrund. Das vorliegende Buch richtet sich deshalb neben den Verantwortlichen für das Qualitätsmanagement vornehmlich auch an die Mitglieder der Unternehmensleitung und der Bereichsleitungen. Denn alle Funktions- und Geschäftsbereiche, die zur Wertschöpfung für den Kunden beitragen, können durch dieses Denken in Kategorien des Kundennutzen und Kundenwertes auf der einen Seite und des Unternehmensnutzens und Unternehmenswertes auf der anderen Seite mit dem Gedankengut von Six Sigma aus strategischer und operativer Sicht ihr Leistungsniveau steigern. Für Unternehmen, welche die Einführung von Six Sigma vorhaben oder bereits begonnen haben, liefern die vielen Erfahrungsberichte aus der Unternehmenspraxis einen breiten Fundus, um typische Einführungsfehler zu vermeiden. Für Unternehmen, die Six Sigma bereits seit einiger Zeit praktizieren, bietet das Buch mit den unterschiedlichen Branchenbeispielen eine gute Benchmarking-Basis, um selektiv herauszufiltern, wo und wie noch Steigerungsmöglichkeiten bestehen. Dies bezieht sich beispielsweise auch auf die zweckmäßige Kombination von Six Sigma mit Konzepten wie der ISO-Zertifizierung, der Balanced Score Card (BSC), dem Management by Objectives (MbO) und dem Business Excellence Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM). In der Unternehmenspraxis hat die große Zahl unterschiedlicher Konzepte, auch wenn sie im Zeitablauf entstanden sind und eingesetzt wurden, mehr zur Verwirrung als zu einem konsistenten Einführungs- und Entwicklungsprozess der verschiedenen Konzepte und Methoden geführt. Die Kernfrage ist dabei immer, wo es sich um Dubletten und wo um zweckmäßige Ergänzungen handelt. Abbildung 23 kennzeichnet bildhaft auf der einen Seite die „Verwirrung“ und auf der anderen
30
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Seite die graduelle Kombination der Methoden und Konzepte in Richtung Business Excellence. Business Excellence
BSC MbO
EFQM
EFQM Unternehmen
ISO
Six Sigma
MbO Six Sigma BSC ISO
Kombination und Reihenfolge unternehmensspezifisch Entscheidend ist Business Business Excellence Excellence Erfolg
Abbildung 23: Effizienter Methoden-/Konzept-Mix
Auch wenn die Kombination und Reihenfolge immer unternehmensspezifisch erfolgt, gibt es zwei Grundraster für den Verbund. Zum einen die in der Abbildung dargestellte Abfolge: Basierend auf der ISO 9000:2000, die in vielen Unternehmen eine aus Kundensicht erforderliche Pflichtübung ist, wird ein effizientes Steuerungs- und Führungssystem in Form der Balanced Score Card (BSC) aufgebaut. Auf dieser Grundlage lassen sich Six Sigma Projekte wirkungsvoll umsetzen. Die Ergebnisorientierung kann durch eindeutige Zielvereinbarungen in Richtung MbO unterstützt werden. Um das ganzheitliche Niveau für Business Excellence zu erreichen, bietet sich dann als konzeptionelle „Klammer“ das EFQMModell an. Zum anderen kann die Reihenfolge in der Weise anders sein, dass unmittelbar auf der ISO-Zertifizierung das EFQM-Konzept aufgesetzt wird und Six Sigma erst die letzte und höchste Stufe ist. Im Vergleich zum ersten Grundraster kann in diesem Fall das Problem entstehen, dass zu lange konzeptionell geplant und umgesetzt wird, anstatt mit der BSC und Six Sigma bereits relativ kurzfristig Verbesserungen zu analysieren, zu steuern und zu realisieren. Aus Praxissicht und vor allem der dort dann erreichbaren Akzeptanz ist deshalb dem ersten Grundraster eindeutig der Vorzug zu geben (vgl. Messer/Töpfer 2002, S. 1269ff.). Six Sigma hat in der Lehre und Forschung bisher keinen nennenswerten Stellenwert erlangen können. Nicht nur bezogen auf statistische Methoden, Qualitätsmanagement-Instrumente und Projektmanagement-Werkzeuge besteht noch wissen-
Armin Töpfer, Swen Günther
31
schaftlicher Analyse- und Bewertungsbedarf, beispielsweise in der in Abbildung 24 skizzierten Form, wie Six Sigma unmittelbar durch einzelne QM-Methoden untermauert und zusätzlich durch Management-Instrumente unterstützt wird. Die Abbildung erinnert bildlich an ein Kugellager, bei dem Six Sigma die Achse ist, um die zunächst die in Projekten eingesetzten QM-Tools gruppiert sind und die im äußeren Ring durch wichtige Steuerungs- und Führungsinstrumente im Unternehmen ergänzt wird. Dies vergrößert – bildlich gesprochen – den Durchmesser des „Six Sigma Rades“ und erhöht so das Antriebsmoment, also die Wirksamkeit im Unternehmen.
ZV BSC VOC
DFMA SPC
Poka Yoke Target Costing Conjoint Analyse
Six Sigma
Regression
QFD
DOE
ISO/ TQM
EFQM
FMEA MbO BPM
Abbildung 24: Six Sigma im Rahmen von Management-Werkzeugen
Darüber hinaus existiert auch Forschungsbedarf insbesondere bezogen auf eine zielführende Vernetzung und Integration mit anderen Business Excellence Konzepten, wie dies oben angesprochen war. Neben stärker operativ ausgerichteten Untersuchungen bieten diese strategischen Aspekte von Six Sigma im Rahmen der marktorientierten Unternehmensführung ein breites Forschungsfeld. Im Vordergrund stehen dabei Qualifikationskonzepte, Anreiz-, Mess- und Steuerungssysteme, der Bezug zur Unternehmenskultur sowie Implementierungsstrategien und Wirkungsanalysen des Veränderungsmanagements. Unter diesem Blickwinkel ist der praxisorientierte Hochschulbereich eine weitere Zielgruppe dieses Buches. Zusätzlich vermitteln die Erfahrungsberichte für Unternehmen der Beratungsbranche unterschiedliche Ausgangssituationen, Ansatzpunkte und Vorgehensweisen bei der Einführung und Umsetzung von Six Sigma.
32
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Das Gesamtkonzept des Buches mit den Anforderungs-, Gestaltungs- und Wirkungsfeldern von Six Sigma sowie der Erklärung des Six Sigma Konzepts und den Branchenanwendungen ist in Abbildung 25 wiedergegeben. Hieran orientiert sich die inhaltliche Einordnung und Bewertung der einzelnen Artikel. 1.
3. QMInstrumente/ Werkzeuge
Erklärung des Six Sigma Konzepts
2.
10.
Methoden/ Projektmanagement
Wirkungsverbund/ Vernetzung
6. Einführung/ Umsetzung
5. Six Sigma Organisation
7. Stolpersteine/ Umsetzungsbarrieren
8.
Anwendungsbereiche/ Wertschöpfungskette
9.
4. Qualifizierung/ -skonzepte/ Training
11.
Ergebnisse/ Wirkungen
Branchenanwendungen
Abbildung 25: Vernetzung der Anforderungs-, Wirkungs- und Gestaltungsfelder von Six Sigma
Die nachstehende Tabelle zeigt, aufgeschlüsselt nach den Kriterien der Abbildung 25, worauf die Autoren in den einzelnen Beiträgen speziell eingehen. Dabei wird danach unterschieden, ob auf einzelne Inhalte besonderes Gewicht gelegt oder ob sie nur angesprochen werden. Dem Leser ermöglicht diese Übersicht, ihn interessierende Fragestellungen in den einzelnen Beiträgen gezielt aufzufinden und nachzuvollziehen (siehe Tabelle 1). Im Folgenden werden die Schwerpunkte einzelner Beiträge kurz charakterisiert. Im Kapitel A „Anforderungen und Anwendungsfelder von Six Sigma“ wird nach diesem Beitrag über die Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-FehlerQualität als strategisches Ziel in dem Artikel von van Driel/Kotte/Rudberg auf die angestrebte Beschleunigung der Verbreitung von Six Sigma in Europa durch den European Six Sigma Club eingegangen. Das Ziel ist, dass eine Plattform für einen gezielten Erfahrungsaustausch von und für Unternehmen angeboten wird, die einen unterschiedlichen Wissens- und Einführungsstand von Six Sigma haben. In dem anschließenden Beitrag von Töpfer wird Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit und bessere Unternehmensergebnisse eingeordnet. Basierend auf Erläuterungen zur Philosophie und Konzeption von Six Sigma
Armin Töpfer, Swen Günther
33
wird ausführlich auf Messgrößen und Kennzahlen für Sigma-Niveaus eingegangen. Sie werden in dem prozessbezogenen DMAIC-Zyklus analysiert und bewertet. Hieran schließen sich Ausführungen zur Umsetzung sowie den Wirkungen und Ergebnissen von Six Sigma an. Einen zunehmend höheren Stellenwert nimmt Six Sigma im Entwicklungsprozess ein. Design for Six Sigma ermöglicht es, bei Neuprodukten die Fehlerrate von vornherein deutlich zu senken. In dem Artikel von Töpfer/Günther wird die Vorgehensweise im Entwicklungsprozess anhand des Phasenschemas DMADV dargestellt. Im Zentrum stehen dabei die Ermittlung der Kundenanforderungen (Voice of the Customer – VOC) und die anschließende Umsetzung der Kundenanforderungen durch Quality Function Deployment (QFD). Mit dem Ziel einer deutlichen Nutzensteigerung und Kostensenkung lassen sich die Methoden Conjoint Analyse und Target Costing integriert einsetzen. Robuste Produkte und eine Fehlervorbeugung werden durch FMEA als bekanntes Instrument des Qualitätsmanagements erreicht. Dies lässt sich direkt mit Analysen im Rahmen des Risikomanagements verbinden. Zeit- und Kosteneinsparungen lassen sich zusätzlich mit Hilfe von DOE realisieren. Die Frage, wie innovative Lösungen für Neuprodukte zustande kommen, wird anhand der systematischen Problemlösungsmethode TRIZ beantwortet. Eine wesentliche Grundlage ist dabei das 5-Phasen-Schema von ARIZ, mit dem die einzelnen Problemlösungsalternativen vergleichbar systematisch entwickelt und bewertet werden. Auf die Besonderheiten von Six Sigma in Service und Dienstleistung und die damit verbundenen Anforderungen wird in dem anschließenden kurzen Beitrag von Töpfer eingegangen. Beispiele für Six Sigma in Service und Dienstleistung zeigen hierbei das Anwendungsspektrum. In jüngster Zeit erfolgte unter dem gegebenen Kosten- und Leistungsdruck auch eine Anwendung der Six Sigma Methodik im Krankenhausbereich. Bisher dominieren allerdings Erfahrungsberichte aus den USA. Im letzten Beitrag von Kapitel A wird vertiefend auf ausgewählte statistische Anforderungen des Six Sigma Konzepts eingegangen. Schipp/Töpfer behandeln dabei vor allem die Modellannahme der Normalverteilung sowie Prozessfähigkeitsindizes, die auf der genannten Verteilung basieren. Im Kapitel B „Bausteine und Vernetzung von Six Sigma“ wird zunächst der Einführungsprozess von Six Sigma beschrieben. Töpfer konzentriert seine Ausführungen dabei schwerpunktmäßig auf die Einbindung der Unternehmensleitung und das Commitment der Führungskräfte, den Aufbau der Six Sigma Organisation und die Rekrutierung/Auswahl von Akteuren sowie die Rollenverteilung in einer Six Sigma Organisation. Die Qualifizierung von Six Sigma Akteuren, die Auswahl von geeigneten Six Sigma Projekten, die Projektsteuerung und der Aufbau eines Wissensmanagements sind in diesem Zusammenhang wesentliche Grundlagen für die direkten und indirekten Ergebniswirkungen. Bezogen auf die einzelnen Six Sigma Projekten zugrunde liegenden Prozesse ist eine Zurechnung der Kosten und
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Heimes/Messer: Anlagenverfügbarkeit
Schwulera: Siemens DMAIC-Projekt
Kraßnitzer: Erfahrungen in KMU
Dorff/Töpfer: Einführung bei Whirlpool
Wallechner: DFSS bei Motorola
Krauer: Der Projektauswahlprozess
Leyendecker: Projektplanung Johnson
Wessel: Einführung bei Viterra Energy
Töpfer: Banken und Versicherungen
Schorrstedt: Six Sigma bei Ford
Weckheuer: Chemische Industrie
Bulk/Faulhaber: Erfahrungen bei GE
Schmutte: Wertorientierte U-Führung
Töpfer: Six Sigma, BSC und EFQM
Bucher: Six Sigma und ISO 9000
Töpfer/Günther: ISO-Wirkungsverbund
Fritsch/Stössl: Six Sigma und KVP
Crom: Implementierungsansätze in EU
Töpfer: Six Sigma Unternehmenskultur
Kapitel C: Kleemann/Seitz/Wio: Führungskräfte
Töpfer/Günther/Garzinsky: SS Trainings
von Hagen: Six Sigma Rollenverteilung
Schipp/Töpfer: Statist. Anforderungen
Töpfer: Six Sigma in Dienstleistung
Kapitel B: Töpfer/Günther: Design for Six Sigma
Töpfer: Six Sigma Projektmanagement
Driel/Kotte/Rudberg: Six Sigma Club
Töpfer/Günther: Null-Fehler-Qualität
Kapitel A:
Töpfer: Six Sigma Einführungsprozess
34
1. Erklärung des Six Sigma Konzepts Philosophie/Verständnis Sigma-Definition/Mathematisch-statistische Grundlagen Messsystem/Kennzahlen/ Messgrößen
z z
z
z
z
z
z z
DMAIC
z
DMADV
z
z
z
z
z
z
z
z
z z
2. Methoden/Projektmanagement
3. QM-Instrumente/Werkzeuge Projekt Charter
SIPOC
z
VOC/CTQ/Kundenbefragung
z
z z z
Quality Function Deployment Conjoint Analyse/ Target Costing Prozesskostenrechnung
z
z
z
z z z
Fehler-Möglichkeits und Einfluss-Analyse (FMEA) Design of Experiments (DOE)
z
z
TRIZ/ARIZ
z
4. Qualifizierung/-skonzepte/Training Champion
z z
z z z z
z z
z z
Green/Yellow/White Belt
z z
z
Mitarbeiter/Betriebsrat
z z
Master Black Belt/Black Belt
Qualifizierungskosten
z
E-Learning
z
z
Zertifizierung
5. Six Sigma Organisation Gesamtkonzept/Grundstruktur
z
z z z
Aufgaben-/Rollenverteilung
z
z z
z
z
z
z
6. Einführung/Umsetzung Prozessphasen/Roll-Out
Projektauswahl/Teamcharter Einbindung der Führungskräfte Information der Mitarbeiter/ des Betriebsrats Zielvereinbarungssystem Projektsteuerung/Controlling/ Ergebnisdokumentation Anreiz-/Prämiensystem
z
z
z
z z z
z z
z z
z z z
z z z
z
z z
z
z
z
z
z
Legende: z ausführlich behandelt
Tabelle 1: Synopse der einzelnen Beiträge
z
z
angesprochen
z
z
z
Armin Töpfer, Swen Günther
Heimes/Messer: Anlagenverfügbarkeit
Schwulera: Siemens DMAIC-Projekt
Kraßnitzer: Erfahrungen in KMU
Dorff/Töpfer: Einführung bei Whirlpool
Wallechner: DFSS bei Motorola
Krauer: Der Projektauswahlprozess
Leyendecker: Projektplanung Johnson
Wessel: Einführung bei Viterra Energy
Töpfer: Banken und Versicherungen
Schorrstedt: Six Sigma bei Ford
Weckheuer: Chemische Industrie
Bulk/Faulhaber: Erfahrungen bei GE
Schmutte: Wertorientierte U-Führung
Töpfer: Six Sigma, BSC und EFQM
Bucher: Six Sigma und ISO 9000
Töpfer/Günther: ISO-Wirkungsverbund
Fritsch/Stössl: Six Sigma und KVP
Crom: Implementierungsansätze in EU
Töpfer: Six Sigma Unternehmenskultur
Kapitel C: Kleemann/Seitz/Wio: Führungskräfte
Töpfer/Günther/Garzinsky: SS Trainings
von Hagen: Six Sigma Rollenverteilung
Töpfer: Six Sigma Einführungsprozess
Schipp/Töpfer: Statist. Anforderungen
Töpfer: Six Sigma in Dienstleistung
Kapitel B: Töpfer/Günther: Design for Six Sigma
Töpfer: Six Sigma Projektmanagement
Driel/Kotte/Rudberg: Six Sigma Club
Töpfer/Günther: Null-Fehler-Qualität
Kapitel A:
35
7. Stolpersteine/Umsetzungsbarrieren Verständnis- und Kommunikationsprobleme Probleme bei Methoden- und Instrumenteneinsatz Veränderungsmanagement (bzgl. Organisation) Anforderungen/Auswirkungen auf Unternehmenskultur Nationale Einflüsse/ Internationalisierung
z
z
z z
z
z
z z
z
z z
z
z
z
8. Anwendungsbereiche/Wertschöpfungskette F&E (Design for Six Sigma)
Produktion
z
Verwaltung
Lieferant
Netzwerkpartner/Kunde
z
z
z
z
z
z
z
z
z
z
z z z
z
z z z
z
9. Ergebnisse/Wirkungen Monetäre Wirkung (Net Benefit) Nicht-monetäre Wirkungen (Sigma-Wert, Fehlerquote) Wertsteigerung des Unternehmens
z
z
z z
z z
z
z
z
10. Wirkungsverbund/Vernetzung Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ISO 9000ff
z
z
QS 9000/VDA 6.1/TS 16949
z z
TQM/EFQM/Business Excell.
z
Balanced Scorecard (BSC)
Wissensmanagement
z
z
z z
z z
z z
11. Branchenanwendungen Maschinen- und Anlagenbau
z
Automobilindustrie Chemie- und Pharmaindustrie
Elektronik-/Elektrotechnik
Dienstleistung/Service Telekommunikation/ Informationstechnologie
z
z z z z z
z
z z
z
z
z
z
z
Legende: z ausführlich behandelt
z
z z
z
z z
angesprochen
Tabelle 1 (Fortsetzung): Synopse der einzelnen Beiträge
z
z
z
36
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
des Nutzens respektive der Kosteneinsparungen auf der Basis einer Prozesskostenrechnung unbedingt erforderlich, um in ausreichendem Maße verursachungsgerecht vorzugehen. Die Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation wird am Beispiel von GE Capital erläutert. Von Hagen stellt im Detail die Aufgabenbereiche ausgewählter Funktionsträger und die Aufgaben-Kompetenz-Matrix von GE Capital vor. Den Quality Teams kommt dabei eine entscheidende Aufgabe zu. Ebenfalls in einem Erfahrungsbericht werden die Konzeption und die praktische Umsetzung von Six Sigma Trainingskonzepten der M+M Six Sigma Akademie® erläutert. Töpfer/Günther/Garzinsky stellen insbesondere die für unterschiedliche Qualifizierungsniveaus zweckmäßigen modularen Bausteine einzelner Trainingskonzepte vor. In diesem Zusammenhang sprechen sie die in der Praxis klar nachvollziehbaren Unterschiede in der Qualität und Tiefe der Six Sigma Trainings an und stellen die Frage nach einer freiwilligen Vereinheitlichung als Standardisierung und gegebenenfalls auch Zertifizierung. Web-basiertes Lernen eröffnet die Möglichkeit, standardisierte Inhalte, wie das Beherrschen der statistischen Methoden und Qualitätsmanagement-Techniken, entsprechend den persönlichen Anforderungen und Fähigkeiten individueller und gezielter zu vermitteln und dadurch den Six Sigma Einführungsprozess zu beschleunigen. Das Training von Führungskräften ist bei Six Sigma eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, da sie üblicherweise kein vertieftes Wissen über Six Sigma besitzen. Kleemann/Seitz/Wio zeigen am Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma bei Siemens Power Generation, wie eine derartige Konzeption erfolgreich umgesetzt und ausgewertet werden kann. Zwei Beiträge gehen auf den Bezug von Six Sigma zur Unternehmenskultur ein. In dem folgenden Artikel von Töpfer werden zunächst die Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma herausgearbeitet. Dabei lassen sich unterschiedliche Reifegrade der Unternehmenskultur für Six Sigma definieren. Crom verdeutlicht bezogen auf europäische Implementierungsansätze für Six Sigma interkulturelle Unterschiede. Fritsch/Stössl thematisieren in ihrem Beitrag vor dem Hintergrund der Erfahrungen bei VA TECH ELIN die wichtige Verbindung von Six Sigma Projekten und KVP-Prozessen. In vielen Unternehmen wird, oftmals ausgehend vom Betrieblichen Vorschlagswesen (BVW), KVP praktiziert, bevor Six Sigma eingeführt wird. Die Frage ist dann, wie beide Verbesserungsinitiativen aufeinander abgestimmt und gegebenenfalls integriert werden können. Dies ist entsprechend den Erfahrungswerten der Autoren dadurch gegeben, dass Six Sigma die strategische Ausrichtung und Optimierung festlegt, die mit KVP-Teams breitflächig im Unternehmen angegangen und erreicht wird. Die anschließenden Beiträge thematisieren den Verbund von Six Sigma mit anderen Qualitätsmanagement- und generellen Managementkonzepten. Zum Wir-
Armin Töpfer, Swen Günther
37
kungsverbund von Six Sigma mit ISO 9000:2000 zeigen Töpfer/Günther Gemeinsamkeiten und Unterschiede genereller Art auf und illustrieren sie an zwei Beispielen. Bucher vertieft in seinem Beitrag die Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria. Dabei werden Synergien exemplarisch bei ISO/CD2 9001:2000 herausgearbeitet. Den Dreiklang von Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund analysiert Töpfer im folgenden Artikel und belegt ihn am Beispiel Beschwerdemanagement. Ergänzend charakterisiert Schmutte anschließend Six Sigma im Business Excellence Prozess im Hinblick auf eine wertorientierte Unternehmensführung mit Balanced Scorecard, EFQM und Six Sigma bei Siemens. Im Kapitel C „Umsetzung und Erfolge von Six Sigma“ werden 11 Praxisbeispiele wiedergegeben. Zunächst wird von Bulk/Faulhaber im ersten Beitrag ein umfassender Überblick über die Umsetzungserfahrungen mit Six Sigma bei GE CompuNet gegeben. Nach dem Motto „The Way We Run Our Business” wird verdeutlicht, dass das Six Sigma Gedankengut die gesamte Geschäftstätigkeit des Unternehmens durchzieht. Dies betrifft insbesondere das unmittelbare Verständnis der Kundenanforderungen, die systematische Analyse von Prozessdaten und Fakten, die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse, den ständigen Anspruch auf Fehlerfreiheit in Prozessen und die umfassende Verpflichtung zu Veränderungen. Hieraus leiten sich die Anforderungen an das Management und die Mitarbeiter als „Do’s and Dont’s“ ab. Weckheuer spricht in seinem Artikel die Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie an. Die Anwendungsmöglichkeiten von Six Sigma bei chemischen Prozessen sind besonders erfolgsträchtig, z.B. bezogen auf die Reduzierung der Streuung von Batchzeiten. Er führt dabei insbesondere anhand von Anwendungsmöglichkeiten und persönlichen Erfahrungen den Vergleich zwischen Amerika und Europa durch. Ein europäischer Six Sigma Ansatz ist – stärker als Amerika – durch kulturelle Diversifikation gekennzeichnet. Die regionalen Unterschiede spiegeln sich z.B. in der Kommunikation, der Organisationsgestaltung oder im Projektmanagement wider. Das Thema „Consumer Driven 6-Sigma“ referiert Schorrstedt aus Sicht der Ford Motor Company. Das Ziel ist, die Führerschaft in Bezug auf Kundenzufriedenheit bis zum Jahr 2004 herzustellen. Hierzu erfolgt eine Top-Down-Analyse zur Bestimmung von Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit. Durch die speziell entwickelten „Mega Champion Trainings“ konnten im Unternehmen bis Jahresende 2001 ca. 95 % aller europäischen Manager trainiert werden. Banken und Versicherungen sind als Finanzdienstleister eine Branche, in die – zumindest in Deutschland – Six Sigma bisher praktisch keinen Einzug gehalten hat. Bei internationalen Großbanken, die alle eine deutlich bessere Performance und Ergebnissituation aufweisen als deutsche Banken, ist die Six Sigma Anwendung bereits relativ stark verbreitet. Töpfer zeigt auf der Basis konkreter Ergebnisse und anhand eines praktischen Beispiels die Vorgehens- und Wirkungsweise von
38
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Six Sigma in dieser wichtigen Dienstleistungsbranche. Abschließend werden die typischen Umsetzungsbarrieren angesprochen. Wessel beschreibt in seinem Beitrag sehr plastisch den Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services als Dienstleistungsunternehmen mit den Phasen Zielfindung, Projektauswahl, Regionale Ausweitung, Inhaltliche Ausweitung und Systematisierung. Kritische Faktoren sind aus seiner Sicht eine Top-Down-Einführungsstrategie, das Rollenverständnis in der Projektorganisation, die Teamcharter zur Projektdetaillierung, eine unternehmensweite Kommunikation, der Nachweis des Projektnutzens sowie die Sensibilisierung der Mitarbeiter. In Ergänzung hierzu vertieft Leyendecker die Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen. Er fokussiert dabei auf den Bezug zur Unternehmensstrategie, das Zusammenspiel der Zielplanungen verschiedener Funktionsebenen und die Durchführung von Projekt-Reviews. In entsprechender Weise zeigt Krauer den Projektauswahlprozess als Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren-Herion. Er betont in diesem Zusammenhang den Einsatz einer Vorbereitungs-Task Force sowie die Berufung zweier Senior Project Champions. In einem Projektebenenmodell wird eine Klassifizierung von Projekten vorgenommen. In diesem Unternehmen besteht eine eindeutige Managementverantwortung bei der Projektauswahl, -koordination und -überwachung. Wallechner spricht anschließend eine spezielle Anwendung von Six Sigma an, nämlich in der Produktentwicklung von Motorola. Hierdurch soll das Ziel des Klassenbesten in Bezug auf Mitarbeiter, Technologie, Fertigungsprozesse, Produkte, Marketing und Dienstleistung erreicht werden. Motorola definierte spezifische Quality Gates in der Entwicklung, die er an einem Praxisbeispiel nachvollziehbar macht. Positive Erfahrungen bei der Six Sigma Einführung und Projektumsetzung bei Whirlpool Europe stellen Dorff/Töpfer in dem folgenden Artikel dar. In den mehr als fünfjährigen Six Sigma Aktivitäten in diesem Unternehmen liegt der Schwerpunkt auf der Erhöhung der Kundenzufriedenheit vor der Frage nach der Höhe der Kostenreduzierung. Eine Analyse zu den Einsatzmöglichkeiten von Six Sigma in einem mittelständischen Unternehmen liefert Kraßnitzer in seinem Artikel. Das Unternehmen will hierdurch Best Practice als eine ganzheitliche Geschäftsphilosophie und -strategie einführen. Im Mittelpunkt stehen dabei Ausbildung, Training und Coaching einerseits und Projektarbeit andererseits. Als Projektbeispiel wird die Optimierung der Lackieranlage mit Hilfe der DMAIC-Methode referiert. Vertieft wird die erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich der Siemens Power Generation im anschließenden Beitrag von Schwulera. Der Fokus liegt dabei auf der Anwendung von Six Sigma im After Sales Service.
Armin Töpfer, Swen Günther
39
Im abschließenden Beitrag zeigen Heimes/Messer, wie die Anlagenverfügbarkeit bei Honsel, einem führenden Automobilzulieferer, durch Six Sigma deutlich erhöht werden konnte. Mit Hilfe von Verbesserungsprojekten entwickelte sich das Unternehmen vom reinen Technologiepartner zum anerkannten Qualitätslieferant der Automobilindustrie. Allerdings betrug der ermittelte „Sigma-Level“ nur rund drei Sigma, d.h. eine Fehlerrate von durchschnittlich 7 %. Im Detail wurden Rüstprozesse optimiert und Maschinenstörungen minimiert. Hierdurch konnte die Gesamtanlagennutzung deutlich erhöht werden.
4
Literatur
Breyfogle, F.W. (2003): Implementing Six Sigma, 2nd ed., New York 2003. Buggert, W./Wielpütz, A. (1995): Target costing: Grundlagen und Umsetzung des Zielkostenmanagements, München/Wien 1995. Chase (1999): Eisbergeffekt von Fehlerkosten, in: Quality Magazine 8/1999, http://qualitymag.com/articles/1999/images/0899f3f2.jpg, 18.02.2000. DynCorp (Hrsg.) (2003): Six Sigma Benchmark Survey Results (09.01.2003), http://www.dyncorp.com. Fehr, B. (1999): Das Geheimnis Six Sigma, in: Manager Magazin, 29. Jg., 11/1999, S. 276-285. Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Magnusson, K./Kroslid, D./Bergmann, B. (2004): Six Sigma umsetzen – Die neue Qualitätsstrategie für Unternehmen, 2. Aufl., München/Wien 2004. Messer J./Töpfer, A. (2002): Drei harmonische Instrumente: Exzellente Ergebnisse mit Balanced Scorecard, Six Sigma und EFQM-Modell, in: QZ, Jg. 47, 2002, S. 1268-1271. Triz-Online (Hrsg.) (2001): Zusammenfassung der Vorträge in San Diego, in: http://www.triz-online.de/innovation/six_sigma/zusammenfassung.htm, 04.02.2003. Pande, P.S./Neumann, R.P./Cavanagh, R.R. (2000): The Six Sigma Way, How GE, Motorola and Other Companies Are Honing Their Performance, McGrawHill 2000. Rehbehn, R./Yurdakul, Z.B. (2005): Mit Six Sigma zu Business Excellence. Strategien, Methoden, Praxisbeispiele, 2. Aufl., München/Erlangen 2005. Saatweber, J. (1997): Kundenorientierung durch Quality Function Deployment, München/Wien 1997.
40
Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität
Schmieder, M. (2003): Vorsichtige Annäherung – Studie: Anwendung von Six Sigma in Deutschland, in: QZ, Jg. 48, 2003, S. 698-700. Six Sigma Akademie online unter www.six-sigma.biz Töpfer, A./John, D.L. (1996): Motorolas TQM-Werkzeuge und -Weiterbildungskonzept zur Erreichung höchster Kundenzufriedenheit, in: Mehdorn, H./Töpfer, A. (Hrsg.): Besser – Schneller – Schlanker: TQM-Konzepte in der Unternehmenspraxis, 2. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 1996. Töpfer, A. (2001): Harmonisch im Dreiklang: Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund, in: QZ, Jg. 46, 2001, S. 1023-1027. Töpfer, A. (Hrsg.) (2002): Business Excellence – Wie Sie Wettbewerbsvorteile und Wertsteigerung erzielen, Frankfurt/M. 2002. Töpfer, A. (2006a): Aufbau und Einführung eines Six Sigma Projektmanagements, in: RKW-Handbuch Führungstechnik und Organisation, Lieferung 01/2006, Sonderdruck, 74 S. Töpfer, A. (2006b): Wertsteigerung durch Business Excellence und praktizierte Null-Fehler-Qualität, in: Schweickart, N./Töpfer, A. (Hrsg.): Wertorientiertes Management, Berlin/Heidelberg 2006, S. 411-420. Treacy, M./Wiersema, F. (1995): The discipline of market leaders: choose your customers, narrow your focus, dominate your market, New York 1995.
Beschleunigung der Verbreitung von Six Sigma in Europa durch den European Six Sigma Club Otto P. van Driel, Willi Kotte, Peter Rudberg
Inhalt 1 2 3
1
Six Sigma – Durchbruchsmethode in USA und Europa ............................................. 41 Aufbau, Ziele und Vorgehensweise des ESSC ........................................................... 42 ESSC als Treiber für Six Sigma in Europa ................................................................. 43
Six Sigma – Durchbruchsmethode in USA und Europa
Six Sigma ist aus Sicht des European Six Sigma Club (ESSC) eine systematische und extrem ergebnisorientierte Methodik, die vor allem auf mathematisch-statistischen Verfahren basiert. Als umfassendes Programm ist sie dazu geeignet, Produkte und Dienstleistungen sowie die im Unternehmen zugrundeliegenden Prozesse nahezu fehlerfrei zu gestalten. Die Ziele der Initiative decken sich dabei grundsätzlich mit den elementaren internen Zielsetzungen eines jeden Unternehmens: Erhöhung des Umsatzes und Verbesserung der finanziellen Ergebnisse. Six Sigma entstand ursprünglich als eine strategische Initiative des US-amerikanischen Unternehmens Motorola im Jahr 1987. Den Ausgangspunkt bildete hier die Erkenntnis, dass in Prozessketten die Gesamtausbeute (Through-Put-Yield) klein sein kann, auch wenn die Ausbeute einzelner Prozessschritte hoch, d.h. über 99 %, ist („Theorie des schwächsten Glieds“). Auf Basis dieser Erkenntnis trat Six Sigma Anfang der 1990er Jahre seinen bis heute ungebrochenen „Siegeszug“ an. Renommierte US-Firmen wie z.B. Kodak, Allied Signal, General Electric erkannten die Mächtigkeit von Six Sigma als sog. Durchbruchsmethode (Breakthrough Methodology) zur Erreichung der elementaren externen Ziele eines Unternehmens. Dazu zählte in erster Linie die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit auf die Steigerung des Kundennutzens und der Kundenzufriedenheit entsprechend dem Motto „Take care of the customer and the rest will take care of itself!“. Bestärkt durch die überzeugenden Erfolge in den USA, rollte ab Mitte der 1990er Jahre eine erste Umsetzungswelle in den europäischen Tochtergesellschaften der betreffenden US-Unternehmen. Auch deutsche Tochterunternehmen wie z.B. GE CompuNet wurden aufgefordert, mit dem Einsatz von Six Sigma Methoden zu beginnen. Eine zweite „Welle“ folgte Ende der 1990er Jahre, als die europäischen Lieferanten dieser Unternehmen angehalten wurden, ihre Prozesse mit den Six Sigma Methoden zu strukturieren und zu verbessern.
42
Beschleunigung der Verbreitung von Six Sigma in Europa durch den ESSC
Vor mehr als zehn Jahren gelang Kjell Magnusson (Six Sigma Verantwortlicher bei ABB) zusammen mit Michael Harry (Begründer von Six Sigma in den USA) der überzeugende Beweis, dass Six Sigma die Kosten in Unternehmen durch verbesserte Qualität in Prozessen und bei Produkten deutlich reduzieren kann. Mit dem Ziel des Benchmarking und des Erfahrungsaustauschs lud Kjell Magnusson die ersten europäischen „Six Sigma Anwender“ zu einem jährlichen Six Sigma Symposium ein. Dabei handelte es sich um einen kleinen Kreis von Experten, der sich einmal pro Jahr zu einem sog. Best Practice Sharing traf. Die „geschlossene Form“ der Treffen erlaubte einen sehr offenen Erfahrungs- und Ideenaustausch und hatte nicht zuletzt eine sehr stimulierende Wirkung auf alle Teilnehmer. Wie die Erfahrung zeigt, sind die mit Six Sigma einhergehenden kulturellen Veränderungen in Unternehmen i.d.R. schwierig zu meistern. Dennoch wird Six Sigma inzwischen auch in Europa von vielen Unternehmen erfolgreich ein- und umgesetzt. Die Akzeptanz und Ausbreitung der verschiedenen Methoden nehmen stark zu. Um dieser Tatsache gerecht zu werden, entschloss sich der kleine Expertenkreis um Kjell Magnusson, sich weiteren Interessenten und Teilnehmern zu öffnen. Mit dem Ziel eines regelmäßigen und umfangreichen Erfahrungsaustauschs zwischen den branchenübergreifenden Anwendern von Six Sigma formierte sich im Jahr 1999 der European Six Sigma Club (ESSC).
2
Aufbau, Ziele und Vorgehensweise des ESSC
In einem ersten Schritt des neu gegründeten ESSC wurde ein sog. Steering Comitee berufen, das sich zunächst aus den Gründungsmitgliedern, insbesondere Vertretern der Unternehmen ABB, Allied Signal, Ericsson, Philips, Siemens und Whirlpool, zusammensetzte. Die Beteiligten einigten sich darauf, die nachfolgenden Ziele operativ, d.h. in jährlichen Zwei-Tages-Workshops, umzusetzen und zu verfolgen: •
Beschleunigung der Verbreitung und Anwendung von Six Sigma Methoden in europäischen Unternehmen
•
Bereitstellung eines Forums für Unternehmen unter Einbeziehung von Black Belts, Master Black Belts, Champions und Führungskräften
•
Bereitstellung und Weiterentwicklung von Six Sigma Werkzeugen
•
Erarbeitung von einheitlichen Kriterien für die Zertifizierung von Black Belts und Master Black Belts
•
Entwicklung und Empfehlung eines einheitlichen Modells zur Selbstbewertung von Six Sigma Unternehmen
•
Herstellung des Kontakts zwischen Hochschulen und Unternehmen zur Anwendung und Weiterentwicklung von statistischen Methoden.
Otto P. van Driel, Willi Kotte, Peter Rudberg
43
Unter der Schirmherrschaft der europäischen Tochtergesellschaft von Whirlpool (Sponsor) fand im Oktober 1999 der erste große ESSC-Workshop in Varese, Italien, statt. Black Belts, Master Black Belts und Champions verschiedener Unternehmen berichteten über Ihre Erfahrungen mit Six Sigma, erläuterten Projekte und Vorgehensweisen und diskutierten Hürden bezüglich der Umsetzung und Implementierung von Six Sigma. Des Weiteren berieten sie darüber, wie das „Europäische Management“ grundsätzlich stärker auf die „Durchbruchsmethodik Six Sigma“ aufmerksam gemacht werden kann. Insgesamt war der erste Workshop von einer sehr offenen und konstruktiven Atmosphäre unter allen Beteiligten geprägt. Mit dem Sponsor Peter Rudberg (Gründungsmitglied und operativer Manager des ESSC) fand im Oktober 2000 der zweite ESSC-Workshop in Barcelona, Spanien, statt. Auf dieser Veranstaltung wurde über eine nochmalige Erweiterung des Teilnehmerkreises sowie die Aufnahmebedingungen für neue Mitglieder entschieden. Zukünftig sollten nur noch Mitglieder akzeptiert werden, die sich tatsächlich für Six Sigma einsetzen und bereit sind, ihre vielfältigen Praxiserfahrungen mit anderen zu teilen. Schließlich traf sich eine Gruppe von Teilnehmern im Oktober 2001 zu einem dritten Workshop in München, Deutschland. Unter der Schirmherrschaft von Siemens wurde auf dieser Tagung das Thema Design for Six Sigma (DFSS) schwerpunktmäßig behandelt. Die bisher stattgefundenen Workshops übertrafen bei Weitem die Erwartungen und Zielsetzungen des ESSC. Im Sinne von Best Practice Sharing brachten die Teilnehmer auf jedem Workshop ihre Erfahrungen projektbezogen ein. Diese wurden sowohl anregend konstruktiv als auch positiv kritisch diskutiert. Die Projektbeiträge der Black Belts und Master Black Belts bezogen sich insbesondere auf den praktischen Einsatz von statistischen „Standardwerkzeugen“ wie z.B. Regressionsanalyse, Design of Experiments, Design for Six Sigma und Robustes Design. Aufgrund der Vielzahl von Teilnehmern und Beiträgen kamen nicht nur die Anwendungsmöglichkeiten im direkten Produktionsbereich zur Sprache, sondern auch in den angrenzenden Bereichen wie z.B. Marketing und Controlling.
3
ESSC als Treiber für Six Sigma in Europa
Verschiedene amerikanische Unternehmen haben seit Jahren bewiesen, dass Six Sigma – bei konsequentem Einsatz – einem ganzheitlichen, kunden- und wertorientierten Projektmanagement sehr nahe kommt. Aus diesem Grund fließt Six Sigma inzwischen nicht nur an der „Wall Street“ in die Unternehmensbewertungen von Investoren und Analysten ein. Auch börsennotierte europäische Unternehmen mit einem traditionell hohen Qualitätsniveau werden sich dieser Entwicklung in Zukunft verstärkt gegenübersehen. Um am „Global Market“ langfristig erfolgreich zu bestehen, sollten deshalb die aktuellen Entwicklungen zum Thema Six Sigma ausreichend berücksichtigt und im eigenen Unternehmen konsequent umgesetzt werden. Beim Einsatz von Six Sigma in europäischen Unternehmen ist
44
Beschleunigung der Verbreitung von Six Sigma in Europa durch den ESSC
jedoch das aus Amerika bekannte Vorgehen nicht einfach zu kopieren. Vielmehr ist die leistungsfähige Six Sigma Methodik in die bestehende Unternehmenskultur und -struktur sukzessive einzupassen bzw. zu integrieren. Vor diesem Hintergrund wird sich der European Six Sigma Club auch zukünftig für die Verbreitung und Anwendung von Six Sigma Methoden in Europa einsetzen. Das ehrgeizige Ziel besteht darin, das Wissen und die Erfahrungen aller europäischen Six Sigma Unternehmen in die Arbeit des ESSC einfließen zu lassen. Zur Zeit arbeiten die Mitglieder des ESSC – wie angesprochen – intensiv an •
der Erstellung eines einheitlichen Modells zur Selbstbewertung von Six Sigma Unternehmen und deren objektivem Benchmarking und
•
der Erarbeitung und Empfehlung einheitlicher Kriterien zur Zertifizierung von Black Belts und Master Black Belts.
Das besondere Interesse des Managements liegt im Allgemeinen auf den Erfolgskriterien und den unternehmensspezifischen Hürden bei der Umsetzung von Six Sigma. Diese gilt es vor allem in „Six Sigma unerfahrenen Unternehmen“ zu kommunizieren. Strategische Aspekte sollten in diesem Zusammenhang genauso offen angesprochen werden wie menschliche, z.B. in Bezug auf die Auswahl und Betreuung von Black Belts oder Master Black Belts. Weiterhin stellt die Auswahl der „richtigen“ Projekte ein entscheidendes Erfolgskriterium von Six Sigma dar. Hier ist gerade in europäischen Unternehmen mit einer langen Historie zu Qualitätsprogrammen entsprechende Überzeugungsarbeit zu leisten. Häufig gestellte Fragen des Managements lauten infolgedessen: •
„Wie gelingt die Integration von bewährten Qualitätsmanagementmethoden und -werkzeugen in die umfassende Six Sigma Projektmethodik?“
•
„Welche Rolle spielt Six Sigma im Zusammenhang mit ISO 9000, Balanced Scorecard, EFQM und/oder Business Excellence?“
•
„Welche kurz- und langfristigen Kosteneinsparungen sind erreichbar und welcher Personaleinsatz (z.B. Black Belts) ist dazu notwendig?“.
Bei den ESSC-Workshops werden die Teilnehmer auch zukünftig wertvolle und zielführende Anregungen hinsichtlich der oben genannten Fragestellungen erhalten. Dafür stehen vor allem die vielfältigen Präsentationen von „Musterprojekten“ durch praxiserfahrene Black Belts bzw. Master Black Belts. Ein weiterer wichtiger Vorteil der Arbeit des ESSC besteht darin, dass alle Beteiligten einen umfangreichen Einblick in das Netzwerk von verantwortlichen Managern, insbesondere Champions, und Six Sigma Experten in Europa und weltweit bekommen (siehe auch: www.seissigma.com).
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit und bessere Unternehmensergebnisse Armin Töpfer
Inhalt 1 2 2.1 2.2 2.3 2.4 3 3.1 3.2 4 5 6
1
Philosophie und Konzeption von Six Sigma............................................................... 45 Messgrößen und Kennzahlen für Sigma-Niveaus....................................................... 53 Fehlerquote und Fehlerrate ......................................................................................... 53 Streuungsindex und Lage-/Niveauindex..................................................................... 58 Ermittlung der Ausbeute............................................................................................. 63 Berechnung von Messfehlern ..................................................................................... 69 Umsetzung von Six Sigma Projekten ......................................................................... 71 Projektauswahl und -steuerung................................................................................... 71 Six Sigma Organisation und Prozess .......................................................................... 78 Wirkungen und Ergebnisse von Six Sigma................................................................. 89 Sieben Missverständnisse zu Six Sigma ..................................................................... 95 Literatur ...................................................................................................................... 97
Philosophie und Konzeption von Six Sigma
Auch wenn die Six Sigma Philosophie und Konzeption noch nicht in jeder Hinsicht geklärt und abgesichert ist, sind in der Unternehmenspraxis mit Six Sigma Projekten trotzdem bereits hohe positive Wirkungen erzielbar. Entscheidend ist wie so oft nicht ein perfektionistisches Konzept, sondern eine konsequente und schnelle Umsetzung des Gedankengutes. Dabei macht die Anwendung von Six Sigma eines deutlich: Six Sigma ist nicht nur eine statistische Methode, sondern vielmehr eine Breakthrough-Strategie, die darauf ausgerichtet ist, in einer mehrstufigen Wirkungskette – vom Kundennutzen ausgehend über die internen Prozesse und Marktleistungen bis zu den Unternehmensergebnissen – Verbesserungen zu erzielen. Das Credo der Six Sigma Philosophie lautet damit: „Work smarter, not harder“. Im Kern geht es darum, •
eine systematische Projektmanagement-Methode stringent anzuwenden,
•
die Daten und statistischen Analysen konsequent nutzt,
•
um die operative Performance des Unternehmens konsequent zu messen und nachhaltig zu verbessern
•
und so praktizierte Null-Fehler-Qualität zu erreichen.
46
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Dabei ist zum richtigen Verständnis von Six Sigma wichtig, dass sowohl überzogene Erwartungen der neuen Anwender als auch damit verbundene Befürchtungen frühzeitig ausgeräumt werden. Six Sigma ist deshalb •
keine Stellschraube für Gewinnsteigerung,
•
kein reines Kostensenkungsprogramm,
•
kein Hebel zur Vernichtung von Arbeitsplätzen,
sondern eine Methode zur Steigerung der Kundenzufriedenheit, Erhöhung des Gewinns und Sicherung der Arbeitsplätze. Die Wirkungen im Hinblick auf Kundenzufriedenheit und Gewinnsteigerung leuchten unmittelbar ein. Eine Sicherung der Arbeitsplätze erfolgt indirekt in der Weise, dass das Unternehmen durch Six Sigma Projekte seine Wirtschaftlichkeit und Performance steigert. Hierdurch erhöht es seine Wettbewerbsfähigkeit. Kurzfristig realisierbare Verbesserungen mit Six Sigma führen also zu langfristig wirksamen Wertsteigerungen. Das Ziel ist, in allen wichtigen Prozessen alle wesentlichen Kundenanforderungen, also die Critical to Quality Characteristics (CTQs), vollständig aus Kundensicht und vor allem gleichzeitig wirtschaftlich aus Unternehmenssicht zu erfüllen und dabei profitabel zu sein. Der zentrale Ansatz der Six Sigma Philosophie beruht also auf den CTQs. Sie stellen am Markt die Erfolgsfaktoren für das Unternehmen dar. Dies setzt dann voraus, wichtige Werttreiber im Unternehmen zu erkennen und zu gestalten, anstatt relativ plan- und ziellos Verbesserungen durchzuführen und vermutete Erfolgsfaktoren zu optimieren. Als Philosophie strebt Six Sigma damit die wirkungsvolle Verbindung des marktorientierten Ansatzes (Outside-in) mit dem ressourcenorientierten Ansatz (Inside-out) über die prozessbezogene Vernetzung von CTQs als eindeutig definierte Erfolgsfaktoren mit den intern analysierten Werttreibern an. Genau dies kennzeichnet zugleich den Ansatz und Inhalt jedes Six Sigma Projektes. Wie Abbildung 1 nachvollziehbar macht, geht es darum, die wichtigsten Kundenanforderungen zu erkennen, hieraus Produktcharakteristika zu definieren sowie Produkt- und Prozessmerkmale abzuleiten. Ein auf der Basis dieses Pflichtenheftes entwickeltes Produkt wird prozessfähig gemacht, um im Fertigungsverfahren das geforderte hohe Qualitätsniveau zu erreichen. Dadurch wird nicht nur Kundenzufriedenheit und -bindung bewirkt, sondern zugleich auch die darauf ausgerichtete Strategie des Unternehmens umgesetzt. Als mathematisch-statistische Methode strebt 6 σ mit 3,4 Defects per Million Opportunities (DPMO) ein zweifellos nicht leicht erreichbares Niveau an, das 3000-mal besser als der heutige Standard von 3,8 σ in der deutschen Industrie ist. Auch wenn dieses statistische Niveau nicht immer erreichbar ist – respektive auch nicht immer sinnvoll und unter Kostengesichtspunkten vertretbar ist, angestrebt zu werden – gibt Six Sigma als Philosophie die eindeutige Zielrichtung an, nämlich das Ziel „Null-Fehler-Qualität“ mit Nachdruck zu verfolgen. Von daher ist der Ansatz anders als in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP), der
Armin Töpfer
47
Kundenanforderungen (CTQs)
Produktcharakteristika
Produkt- und Prozessmerkmale
Produkt auf 6σ Niveau
Prozessfähigkeit
Entwicklungsspezifikationen/Pflichtenheft
Kunde
Operationalisierte Strategie
nicht so stark und eindeutig auf den Kundennutzen, die Wertsteigerung für das Unternehmen und die Einbindung des Managements ausgerichtet ist.
Abbildung 1: Messung und Umsetzung der Kundenanforderungen
Zusätzlich fokussiert Six Sigma, wie Abbildung 2 zeigt, auf eine klare Rollenverteilung und definierte Instrumente. Six Sigma Projekte streben dadurch projektbezogene Verbesserungen in Quantensprüngen an. Sie sind aber dennoch eine Evolution im Sinne eines kontinuierlichen Besserwerdens. Genau hierin liegt die „geistige Nähe“ zu KVP-Aktivitäten.
KVP
Six Sigma
als Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
als projektbezogene Verbesserung
o Nutzen durch Ergebnisse für Kunden und Unternehmen angestrebt o Ziel: Ständig besser werden in allen Bereichen o Aktivierung der Mitarbeiter o In der Regel nur lose Anbindung an Unternehmensleitung
o Ausgangspunkt: Kunde o Klare wirtschaftliche Ergebnisse o Immer prozessorientiert o Top-down-Ansatz = Strategie projektbezogen umsetzen o Aktive Einbeziehung der Unternehmensleitung und der Führungskräfte o Klare Rollenverteilung mit Trainingskonzepten o Definiertes methodisches Vorgehen/Tool-Set
Aber: Six Sigma ist keine Revolution, Revolution, sondern Evolution Abbildung 2: Unterschiede von Six Sigma und KVP
48
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Das Anforderungsniveau von Six Sigma als mathematisch-statistischer Ansatz soll an zwei einfachen Beispielen verdeutlicht werden. Zum einen an einem Autobeispiel: Die Anforderung im Hinblick auf das zu realisierende Qualitätsniveau wird aus Abbildung 3 ersichtlich. Die Aufgabe besteht darin, in der Mitte eines vorgegebenen Intervalls auf einer 1.000 Kilometer Distanz zu halten (vgl. Garthe 2002, S. 345).
Halten in der Mitte auf einer Strecke von 1.000 km 690.000 m
1σ 300.000 m
2σ 60.000 m
3σ 9.000 m
4σ 200 m
5σ 4m
6σ Abbildung 3: Beispiel „Auto-Stopp“
Wie leicht nachvollziehbar ist, stellt das 1-, 2-, 3- und eigentlich auch das 4-σ Niveau keine echte Herausforderung dar. Wie oben angesprochen, hat die Mehrheit der deutschen Unternehmen aber noch kein 4 σ Niveau erreicht. Erst bei 5 σ und 6 σ wird die Aufgabenstellung anspruchsvoll. Insbesondere bei 6 σ verdeutlicht dieses einfache Beispiel die geforderte hohe Treffergenauigkeit von weniger als 4 Metern. Im zweiten Beispiel geht es nicht um die Präzisierung des 6 σ Niveaus, sondern darum, wie diese Anforderung erreicht werden kann. Das plastische Bild ist die Situation beim Essen, nehmen wir an von Spaghetti mit Tomatensauce. Das zulässige Toleranzniveau wird durch die Benutzung und die Größe einer Serviette ausgedrückt, um so Krawatte, Hemd und Anzug zu schützen. Abbildung 4 verdeutlicht die drei Schritte geeigneter Vermeidungsmaßnahmen. Im ersten Schritt geht es darum, die Streuung zu reduzieren. Dies heißt mit anderen Worten, dass – wenn Flecken entstehen – diese alle auf einer Stelle „platziert“ werden, nämlich genau da, wo die Serviette ist. Zusätzlich kann die „Sicherheit
Armin Töpfer
49
vor Flecken“ dadurch erhöht werden, dass der Toleranzbereich vergrößert wird. Der zweite Schritt entspräche in unserem Beispiel einer größeren Serviette. In der Realität ist dies nicht leicht möglich, genauso wenig wie in Six Sigma Projekten. Denn die Vergrößerung der Toleranz müsste mit einer entsprechenden Akzeptanz beim Kunden einhergehen, also in Übereinstimmung mit den Kundenanforderungen erfolgen. Da eine solche Maßnahme nur schwer durchsetzbar ist, wird der Ausweg nur im dritten Schritt, nämlich wirkungsvollen Verbesserungen des Prozesses, liegen. Anzustreben ist dabei immer eine Vereinfachung der Komplexität als typischer Six Sigma Anspruch. Außer im Prozessablauf kann dies auch durch die Vereinfachung/Veränderung von eingesetzten Instrumenten erreicht werden. In unserem Beispiel sind eine bessere Gestaltung der Gabel und eine gekonntere Handhabung Voraussetzungen, um das Auftreten von Flecken weitgehend zu vermeiden. 3 Schritte zum Erreichen von 6σ
Reduzierung der Streuung
1
Vergrößerung des Toleranzbereichs in Übereinstimmung mit Kundenanforderungen
Six Sigma Philosophie: Beispiel Essen 1 Alle Flecken auf 1 Stelle 2 Größere Serviette 3 Gabel besser gestalten und halten
Vereinfachung der Komplexität
3
2
Abbildung 4: Beispiel „Essen ohne Flecken“
Das Kernelement aller Six Sigma Projekte ist also die Prozessoptimierung. Dabei geht es oft nicht nur um die Prozesse selbst, sondern vor allem auch um die Schnittstellen zu bzw. mit anderen Prozessen. Gerade hier lässt sich häufig das größte Verbesserungspotenzial analysieren. Die Six Sigma Akteure (Black Belts und Green Belts) bestimmen sich deshalb hinsichtlich ihrer Herkunft und Anzahl nach den jeweiligen Bereichen und den bereichsübergreifend durchzuführenden Prozessen. Six Sigma ist immer dann gut anwendbar, wenn es sich um standardisierte bzw. standardisierbare Prozesse handelt. Genau der zweite Ansatzpunkt kann aber auch
50
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
eine Anforderung in einem Six Sigma Projekt sein. Six Sigma ist dabei nicht nur in Produktionsprozessen, sondern genauso effizient in Verwaltungs- und Dienstleistungsprozessen einsetzbar. Um das geforderte Six Sigma Niveau im eigenen Unternehmen zu erreichen, ist zunächst in kritischen Bereichen der eigenen Wertschöpfungskette anzusetzen. Wenn die dort liegenden Einsparungs- bzw. Verbesserungspotenziale ausgeschöpft sind, dann richtet sich der Blick immer auf Verbesserungen bei wesentlichen Zulieferern. Denn in Vorprodukten auftretende Qualitätsmängel machen jedes gute Sigma-Niveau im eigenen Unternehmen zunichte. In der Konsequenz wird also von diesen Lieferanten nicht nur ein gleich hohes, sondern häufig ein noch höheres Sigma-Niveau gefordert. Abschließend lässt sich Six Sigma also, wie in Abbildung 5 vorgenommen, definieren und abgrenzen. Die Projektbezogenheit und die Prozessorientierung sowie die begrenzte Laufzeit und die Mehrfach-Zielsetzung machen – bildlich gesprochen – Six Sigma zu einem „Turbo des TQM“. Da es in einem konsequenten Projektmanagement bewährte Instrumente des Qualitätsmanagements kombiniert, erfüllt es nicht die überzogene Erwartung einer „neuen Wunderwaffe“, sondern fordert vom Management und den Six Sigma Akteuren einen hohen Einsatz und großes Engagement.
Was Six Sigma ... ... ist
... nicht ist
o Klar definierte Projekte o Völlig neues Instrument o Immer Bezug auf Prozesse o Automatismus als Erfolgsrezept o Immer Prozesseigner o Stringente Umsetzung mit präzisierter Laufzeit o Ziele: Zufriedene Kunden
+
Umsatzrendite erhöhen
+
Kosten senken
o In gezielt ausgewählten Einzelprojekten o Mit hoher Qualität gut Geld verdienen o Six Sigma = Turbo des TQM Abbildung 5: Definition und Abgrenzung von Six Sigma
Im Kern geht es darum, alle Einflussfaktoren auf die Qualität zu erfassen und zu durchleuchten, um so die Ursachen für Fehlerraten und Fehlerkosten zu erkennen und zu beseitigen. Wie Abbildung 6 darstellt, sind die drei wesentlichen Einfluss-
Armin Töpfer
51
bereiche in der Entwicklung, dem Fertigungsprozess sowie gelieferten Materialien und Teilen gegeben. Insbesondere die Überlappung und Vernetzung der drei Bereiche birgt dann ein hohes Synergiepotenzial für Six Sigma Effekte. Mit anderen Worten steigert die Six Sigma basierte Entwicklung von Produkten mit direkten Auswirkungen auf qualitätsrobustere Zulieferteile und weniger fehleranfällige Produktions- und Montageprozesse die gesamte Produktzuverlässigkeit, damit die Kundenzufriedenheit und hierdurch den Umsatz und Gewinn des Unternehmens.
Design/ Entwicklung o Kurze Durchlaufzeiten o Charakterisierung der Prozesse o Standardisierung der Prozesse o Optimierung der Prozesse o Statistische Prozesskontrolle (SPC)
Prozess/ Produktion
o Entwicklung von standardisierten Teilen/Materialien o Entwicklung mit standardisierten Prozessen o Entwicklung mit vorhandenem Know-how o Entwicklung für Baugruppen o Entwicklung für Einfachheit
Material/ Teile
o Planung der Materialanforderungen o Standardisierung der Teile o SPC für Lieferanten o Zertifizierung der Lieferanten
Bereich der Six Sigma Synergie Basis: Harry/Lawson 1992, S. 1-6
Abbildung 6: Einflussfaktoren auf die Qualität
Um diese Wirkungen durch eine klare Strategie der Null-Fehler-Qualität zu erreichen, ist es erforderlich, alle Managementebenen einzubeziehen sowie darüber hinaus auch den Betriebsrat. Nur so gelingt es, ihn davon zu überzeugen, dass Six Sigma Projekte kein verfeinertes Rationalisierungsinstrument gegen die Mitarbeiter ist. Eine positive Einstellung zu Six Sigma kann aber letztlich nur dadurch erreicht werden, dass ausgewählte Mitarbeitergruppen in die Six Sigma Qualifizierungsmaßnahmen und die anschließende Projektumsetzung einbezogen werden. Die Durchführung von Six Sigma Projekten erfolgt dabei nach den in Abbildung 7 aufgeführten Charakteristika. Neben den organisatorischen, prozessbezogenen, inhaltlichen und instrumentellen Anforderungen liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf der eindeutigen Messung nicht nur der Ausgangssituation, sondern vor allem der erreichten Ergebnisse. Erst dies erlaubt eine transparente Steuerung. Hierauf wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen. Die in diesem Zusammenhang geforderte Fähigkeit zum effizienten Einsatz von statistischen Methoden und zur Berechnung von quantifizierten Wirkungen in Six
52
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Sigma Projekten darf im Hinblick auf den Qualifizierungsbedarf der Six Sigma Akteure nicht unterschätzt werden. Die Besonderheit liegt jetzt darin, dass ein in dieser Weise ausgefeiltes Qualitätsmanagement nicht nur von den hauptamtlichen Qualitätsbeauftragten durchgeführt wird, sondern auch von Führungskräften und Mitarbeitern mit anderen Aufgabenprofilen. Dies begründet die mit Six Sigma verbundene Qualifizierungsoffensive. Wirkung Wirkungbei bei
ooKundenzufriedenheit Kundenzufriedenheit ooQualität Qualität ooKosten Kosten ooGewinn Gewinn
Ausrichtung Ausrichtungauf auf
ooStrategieumsetzung Strategieumsetzung ooProzessoptimierung Prozessoptimierung ooZeitverkürzung Zeitverkürzung(mittelfristig) (mittelfristig) ooBegrenzte BegrenzteProjekte Projekte(Ziele) (Ziele) ooAlle Unternehmensteile Alle Unternehmensteile
Einbindung Einbindungvon von
ooAllen AllenManagementebenen Managementebenen ooBetriebsrat Betriebsrat(kein (keinRationalisierungsinstrument) Rationalisierungsinstrument) ooAusgewählten AusgewähltenMitarbeiter-Gruppen Mitarbeiter-Gruppen
Umsetzung Umsetzungdurch durch
ooIntegrierte IntegrierteSix SixSigma SigmaOrganisation Organisation(kein (keinFremdkörper) Fremdkörper) ooKlare KlareRollenverteilung Rollenverteilung ooGezielte GezielteQualifizierungsmaßnahmen Qualifizierungsmaßnahmen ooEindeutig Eindeutigdefinierte definierteProjekte Projekte ooBewährte BewährteQM-Instrumente/ QM-Instrumente/Tool-Box Tool-Box ooStandardisierte Prozessschritte Standardisierte Prozessschritte ooEindeutige Messung Eindeutige Messung ooTransparente TransparenteSteuerung Steuerung
Abbildung 7: Six Sigma Charakteristika
Im Folgenden sollen insbesondere einige wichtige mathematisch-statistische „Phänomene“, die im Rahmen der Durchführung eines Six Sigma Projektes häufig auftreten und bei weiterführenden Analysen zu berücksichtigen sind, näher untersucht werden. Dabei sind für eine aussagefähige Messung und Beschreibung des zu behebenden Problems folgende drei Analyseschritte relevant: •
Sigma-Niveau zur Bestimmung der Zuverlässigkeit von einzelnen Komponenten (Bauteile und Montageschritte)
•
Sigma-Niveau zur Ermittlung der Ausbeute bei komplexen Produkten und/ oder vernetzten Prozessen
•
Maßnahmen, die Aktionen entsprechend der Theorie des schwächsten Glieds priorisieren, d.h. die Komponenten mit dem geringsten Sigma-Niveau werden zuerst analysiert und verbessert.
Armin Töpfer
2
53
Messgrößen und Kennzahlen für Sigma-Niveaus
In Six Sigma Projekten ist eine zentrale Aufgabenstellung, dass die Akteure die Messgrößen und Kennzahlen für Sigma-Niveaus zutreffend bestimmen können, um so die Prozessqualität im Detail zu ermitteln und Ansatzpunkte für Ursachen von Abweichungen zu erkennen. Diese ersten Schritte, nämlich die Problemstellung genau zu definieren und die Prozesslage genau zu messen, ist eine wesentliche Voraussetzung, um anschließend eine zutreffende Analyse durchführen sowie Verbesserungsmaßnahmen einleiten und in ihrer Wirkung bewerten zu können. Damit entscheidet diese Fähigkeit grundlegend über den Erfolg jedes Six Sigma Projektes. Deshalb wird im Folgenden relativ ausführlich auf das statistische Messkonzept eingegangen.
2.1
Fehlerquote und Fehlerrate
Die erste Anforderung bei der Messung des bestehenden bzw. erreichten SigmaNiveaus geht dahin, dass das genutzte Messsystem eine ausreichend hohe Auflösung und damit genaue Skalierung aufweist. Das Beispiel des „Auto-Stopp“ auf einer Distanz von 1.000 Kilometern in einem Intervall von wenigen Metern hat diese Herausforderung bildhaft verdeutlicht (vgl. Abbildung 3). Wie Abbildung 8 exemplarisch zeigt, verlangt die Six Sigma Präzision ein Messsystem, das so aufgebaut und kalibriert ist, dass es auch kleinste Abweichungen ausweist.
Eine Tonne = 1.000 kg
3,4 g
Die Six-Sigma-Präzision verlangt ein Messsystem, das bei einer Tonne die Abweichung von 3,4 g zeigt Abbildung 8: Skalierung/Auflösung des Messsystems
54
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Dieses Bild, ein Vergleich des Gewichtes eines Autos mit dem eines Bleistiftes, verdeutlicht die Anforderungen von Six Sigma an die Messgenauigkeit. Da die zulässige Fehlerquote nur 3,4 Fehler pro 1 Million Transaktionen beträgt, muss das Messsystem also bereits auf diesem geringen Niveau einen genauen Ausschlag anzeigen. Je weiter man sich, von einem niederen Niveau ausgehend, dem 6σ Niveau annähert, desto mehr muss sichergestellt sein, dass auch diese „feinen“ Verbesserungen noch genau angezeigt werden und damit nachvollziehbar sind. Wie an früherer Stelle bereits angesprochen wurde, haben diese zahlenmäßig geringen Verbesserungen des Sigma-Niveaus, z.B. von 4 σ auf 6 σ, erhebliche quantitative Auswirkungen auf die Reduzierung von Fehlerkosten, und zwar im Bereich von über 20 % der Gesamtkosten oder sogar des Umsatzes. Es versteht sich von selbst, dass diese geforderte Messgenauigkeit eine periodische Überprüfung der Varianz des Messsystems notwendig macht. Diese Analyse, die sog. Gage R&R, sollte – als anerkannte Six Sigma Praxis – im Ergebnis keine Abweichung der Messgenauigkeit anzeigen, die höher als 30 % der Gesamtvarianz ist. Eine derartige Messbarkeit und Genauigkeit in Produktionsprozessen sicherzustellen, ist deutlich leichter aufgrund der überwiegend quantitativen und metrischen Kriterien (z.B. Größenmaße und Durchlaufzeit) als in Service- und Dienstleistungsprozessen mit häufigen qualitativen Kriterien, die dann auch noch einer subjektiven Wahrnehmung unterliegen (z.B. Freundlichkeit und Kompetenz). Zunächst sollen die bei der Messung des Sigma-Niveaus gebräuchlichen Begriffe kurz eingeführt und im Hinblick auf ihren Fokus zugeordnet werden. Sie sind in Abbildung 9 aufgelistet.
CTQ
Critical To Quality Characteristics
Aus Kundensicht
Defects
Fehler
Aus Kundensicht Aus Unternehmenssicht
OFD
Opportunities For Defects
Aus Unternehmenssicht
DPMO
Defects Per Million Opportunities
Aus Unternehmenssicht
PPM
Parts Per Million
Aus Kundensicht Aus Unternehmenssicht
Abbildung 9: Begriffe zur Messung des Sigma-Niveaus
Armin Töpfer
55
Die beiden zentralen Begriffe DPMO (Defects Per Million Opportunities) und PPM (Parts Per Million) werden im Folgenden näher erläutert. DPMO kennzeichnet die Fehlerquote im Sinne der Fehlermöglichkeit, also die vor der Entwicklung respektive Produktion eines Produktes rechnerisch ermittelte Anzahl von möglichen Fehlern. Die Fehlermöglichkeit einer Einheit (OFD – Opportunities For Defects) beschreibt also, an wie vielen Stellen Fehler auftreten können. PPM bezeichnet hingegen die Fehlerrate, also die nach der Produktion tatsächlich aufgetretene und rechnerisch ermittelte Anzahl von Fehlern. Nur wenn ein Produkt oder ein Prozess lediglich ein Merkmal besitzt, sind Fehlerquote (DPMO) und Fehlerrate (PPM) per Definition gleich groß. Dies ist jedoch in der Realität kaum der Fall, denn normalerweise setzt sich ein Produkt aus mehreren Teilen und damit auch Montageschritten zusammen. Hierdurch ist die mögliche Anzahl von Fehlern deutlich höher als die – bei einem funktionsfähigen Qualitätsmanagement – aufgetretene und gemessene Fehlerrate. In Abbildung 10 sind die Herleitungen für die beiden zentralen Kennzahlen und ihre Messgrößen, nämlich die Fehlerrate und die Fehlerquote, gegenübergestellt. Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verdeutlichen, wird hierbei bewusst eine vereinfachte Form der Darstellung gewählt.
D N
=
Anzahl der Fehler Anzahl produzierte Einheiten
=
∅ Anzahl der Fehler pro Einheit
Performance f (Teile, Montageschritte)
D NxO
=
Fehlerquote
x 1.000.000
D NxO
=1-
=1Fehlermöglichkeiten (Opportunities For Defects)
Fehlerquote
=
=
Fehlerquote
Fehlermöglichkeiten pro Einheit O
Defects Per Million Opportunities (DPMO)
=
Anzahl der Fehler
1-
Fehlerrate
Gesamtausbeute (bezogen auf alle Fehlermöglichkeiten)
Sigma-Niveau (lt. Konversionstabelle)
Sigma-Niveau (lt. Konversionstabelle)
Performance f (Teile, Montageschritte)
Abbildung 10: Messgrößen und Kennzahlen für die Berechnung von Six Sigma
Im oberen Teil der Abbildung ist der Anteil fehlerfreier Einheiten als Quotient aus der Anzahl fehlerfreier Einheiten zur Anzahl produzierter Einheiten gebildet. Die zu eins komplementäre Menge ergibt die Fehlerrate. Wird sie durch die Anzahl von Fehlerquellen aufgrund der Critical to Quality Characteristics (CTQs) divi-
56
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
diert, die eine Funktion der Teile und Montageschritte eines Produktes ist, so resultiert hieraus die Fehlerquote als Anzahl von Fehlern pro Anzahl von Möglichkeiten, ein CTQ Merkmal zu verletzen bzw. nicht zu erfüllen. Multipliziert mit der Zahl eine Million ergeben sich die fehlerhaften Einheiten pro eine Million Fehlermöglichkeiten, also die Defects Per Million Opportunities (DPMO). Aus der Konversionstabelle lässt sich unmittelbar das entsprechende Sigma-Niveau ablesen (vgl. Tabelle im Anhang). In der Praxis liegt die Fehlerrate oft bereits als Prozentsatz vor, so dass nur noch eine Multiplikation mit 10.000 statt mit einer Million erfolgt. Das 6 σ Niveau kann auch direkt in der Weise berechnet werden, dass der Anteil fehlerfreier Einheiten, also die Gesamtausbeute, ermittelt wird. Dies ist im unteren Teil der Abbildung 10 wiedergegeben. Sie ergibt sich aus eins minus der Fehlerquote. Die Fehlerquote wird durch den Quotienten aus der Anzahl der Fehler und den Fehlermöglichkeiten (OFD – Opportunities For Defects) gebildet, die wiederum eine Funktion aus Teilen und Montageschritten sind. Wie leicht nachvollziehbar ist, hängt das errechnete Sigma-Niveau vor allem davon ab, wie die Performance als Funktion der Teile und Montageschritte zugrunde gelegt wird. Wird die Anzahl von Fehlerquellen (oberer Teil von Abbildung 10) bzw. die Anzahl der Fehlermöglichkeiten (unterer Teil von Abbildung 10) jeweils relativ groß angesetzt, dann hat dies über die geringe Höhe der Fehlerquote eine direkte Auswirkung in Richtung eines hohen Sigma-Wertes. Die Umrechnung von der Fehlerrate zur Fehlerquote soll noch einmal an einem Beispiel verdeutlicht werden, das in Abbildung 11 wiedergegeben ist. Dies entspricht in der Praxis der Situation, dass eine empirisch ermittelte Fehlerzahl nicht nur auf die Anzahl der durchgeführten Transaktionen oder produzierten Einheiten bezogen wird, sondern zusätzlich auch auf die Gesamtzahl möglicher Fehler. Wie das Beispiel aus der Versicherungsbranche, nämlich von Vertragsabschlüssen, verdeutlicht, berücksichtigt die Analyse der Fehlerquote zusätzliche Informationen: Im Zähler steht nicht nur die Anzahl fehlerhafter Versicherungsverträge, sondern die Summe aller Fehler in diesen Verträgen. Erst hierdurch wird eine Feinsteuerung ermöglicht, da ein fehlerhafter Vertrag beispielsweise drei unterschiedliche Fehler enthalten kann, die alle auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sind. Genau hieran muss dann in einem Six Sigma Projekt angesetzt werden. Der Nenner bezieht neben der Anzahl der Transaktionen bzw. Produkte auch die Fehlermöglichkeiten pro Transaktion bzw. Produkt für das Zustandekommen der unterschiedlichen Fehler (im Zähler) ein. Sowohl der Zähler als auch der Nenner sind damit größer als bei der Berechnung der Fehlerrate. Das Einbeziehen der Fehlermöglichkeiten im Nenner führt jedoch dazu, dass die Prozentzahl der Fehlerquote immer kleiner ist als die der Fehlerrate. Dementsprechend ist die Komplementärgröße der statistischen Ausbeute immer größer. Die Fehlerrate ist damit also das „schärfere“ Maß für die Kennzeichnung unzureichender Qualität. Dennoch hat
Armin Töpfer
57
sich in der Six Sigma Praxis die Verwendung des „weicheren“ Maßes der Fehlerquote durchgesetzt. Dies geschieht eigentlich nicht aus dem Grunde, um das geforderte Qualitätsniveau zu reduzieren. Vielmehr geht es darum, durch die Einbeziehung der Fehlermöglichkeiten in den DPMO-Wert die Voraussetzung zu schaffen, dass das Qualitätsniveau unterschiedlich komplexer Geschäftsprozesse objektiv beurteilt und damit direkt verglichen werden kann. Dies sichert in Unternehmen mit unterschiedlich komplexen Wertschöpfungsprozessen und erst recht in einem diversifiziertem Unternehmen mit völlig unterschiedlichen Kundenanforderungen, Produkten und Technologien die unmittelbare Vergleichbarkeit der erreichten Qualität in den einzelnen Geschäften und damit die notwendige Transparenz, um Six Sigma weltweit erfolgreich umsetzen zu können (vgl. Günther 2003, S. 1). P = 10
Fehlerhafte Versicherungsverträge
N = 1.000 Vertragsabschlüsse pro Periode D = 15
Fehlerhafte Vertrags-/Kundenangaben
O=3
Fehlermöglichkeiten pro Vertrag (z.B. Versicherungshöhe, -dauer und -prämie)
Fehlerrate =
P N
Fehlerquote =
=
10 1.000
D N O x
=
Umrechnungsfaktor =
= 0,01
= 1%
= 10.000 PPM
15 = 0,005 1.000 x 3 15 D = x 10 x 3 P O
= 0,5%
= 5.000 DPMO
= 0,5
Abbildung 11: Von der Fehlerrate zur Fehlerquote (Beispiel)
Das erste Maß für die Vergleichbarkeit völlig unterschiedlicher Wertschöpfungsprozesse, Transaktionen und Produkte ist also der DPMO-Wert. Das zweite Maß für die Sicherstellung einer derartigen Vergleichbarkeit ist der Sigma-Wert hierzu. Denn der DPMO-Wert bezieht sich ausschließlich auf diskrete Merkmale, also z.B. auf Fehler in Versicherungsverträgen oder Fehler in Produkten. Stetige Merkmale, also bspw. ein Produktionsprozess mit Fließbandfertigung, differenziert nach der Durchlaufzeit und den aufgetretenen Maßabweichungen als Fehler, werden über den Vergleich mit einer angenommenen Normalverteilung gemessen und bewertet. Hieraus wird nachvollziehbar, dass auch der Zeitraum für die Ausstellung eines Versicherungsvertrages mit der stetigen Größe „Zeit“ gemessen und in seiner Qualität bestimmt werden kann.
58
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Zusätzlich ist damit noch das Skalenniveau der zu messenden Merkmalsgrößen zu berücksichtigen. Bei diskreten und stetigen Merkmalen gilt, dass durch die Ermittlung des Sigma-Wertes die Qualitätsniveaus unterschiedlicher Mess- und Bewertungsansätze im Unternehmen direkt vergleichbar sind. Bei diskreten Merkmalen wird der Sigma-Wert über die Fehlerrate (PPM – Parts Per Million) oder die Fehlerquote (DPMO – Defects Per Million Opportunities) gemessen. Liegen hingegen stetige Merkmale vor, also z.B. Durchlaufzeiten, dann erfolgt die Messung über Prozessfähigkeitsindizes, welche den Mittelwert und die Streuung eines Prozesses berücksichtigen. Hierauf wird im Folgenden detaillierter eingegangen.
2.2
Streuungsindex und Lage-/Niveauindex
Die Qualität eines Montageschrittes für ein Bauteil lässt sich dabei durch zwei Qualitätsmaße bestimmen. Dies sind – wie Abbildung 12 veranschaulicht – der Streuungsindex Cp und der Lage-/Niveauindex Cpk. Der Streuungsindex kennzeichnet dabei die prinzipielle Eignung eines Prozesses, Werte mit kleiner Streuung im Hinblick auf die Länge des Toleranzintervalls zu liefern. Dies wird dadurch erreicht, dass die Streuung der realen Ergebniswerte um den angenommenen Mittelwert einer Normalverteilung berechnet wird. Streuung der Ergebniswerte um den angenommenen Mittelwert
Cp
Cp
Cp = Streuungsindex Obergrenze – Untergrenze = 6σ = Process Variation Index Qualität der Verteilung/ Stärke der Streuung bezogen auf Toleranzbereich
Lage des ermittelten Mittelwerts innerhalb des Toleranzbereichs
Cpk Cpk
Untergrenze
Spannbreite als Toleranzbereich
Cpk = Lage-/Niveauindex Obergrenze – Mittelwert 3σ = Min Mittelwert – Untergrenze 3σ = Process Capability Index
Obergrenze
Lage der Verteilung/ Streuung bezogen auf Toleranzbereich
Abbildung 12: Die Qualitätsmaße Cp und Cpk
Der Lage-/Niveauindex berücksichtigt darüber hinaus die Lage des tatsächlichen Mittelwertes aufgrund der Messwerte bezogen auf den definierten Toleranzbereich. Im Zentrum der Analyse steht hier also der Abstand der Unter- bzw. Ober-
Armin Töpfer
59
grenze zum Mittelwert. Im ersten Abschnitt sind diese Maße an dem plastischen Beispiel „Essen ohne Flecken“ (vgl. Abbildung 4) verdeutlicht worden. Im Folgenden wird aus statistischer Sicht noch kurz auf die beiden Qualitätsmaße Cp und Cpk anhand von Abbildung 13 eingegangen. Durch die Festlegung des Streuungsmaßes und des Lage-/Niveaumaßes für Six Sigma wird die Kurzzeitfähigkeit eines Prozesses in eine Langzeitfähigkeit des Prozesses überführt. Konkret bedeutet dies, dass bei einem Streuungsmaß von Cp = 2 die Ergebnisse eines Prozesses bezogen auf das Toleranzintervall relativ eng zusammen liegen. Ist der Prozess um den Sollwert zentriert, so nimmt auch Cpk den Wert 2 an. Findet eine Mittelwertverschiebung statt, so bleibt zwar Cp bei 2, Cpk verringert sich jedoch auf 1,5 und signalisiert damit eine Verschlechterung. Sollwert Untergrenze
Shift
Shift
-1,5σ
+1,5σ
cp= 2,0 cpk= 1,5
Obergrenze
cp= 2,0 cpk= 1,5 cp= 2,0 cpk= 2,0
−6σ −5σ −4σ −3σ −2σ −1σ 0 1σ 3,4 DPMO ±6σ
2σ
3σ
4σ
5σ
6σ 3,4 DPMO
Quelle: QZ, 5/1998, S. 563
Abbildung 13: 6 σ Konzept (auf der Basis der Standardnormalverteilung)
Falls – wie im Beispiel von Abbildung 13 – die Unter- und Obergrenze mit der 6σ bzw. +6σ-Abweichung übereinstimmen, kennzeichnet ein Cpk-Wert von 1,5 eine gerade noch tolerierbare Veränderung der Prozesslage. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die DPMO, welche auf einen Wert von jeweils 3,4 außerhalb der Unter- bzw. Obergrenze ansteigen. Da solche Verschiebungen in praktischen Anwendungen typischerweise zu erwarten sind, wurde das Anforderungsniveau an Null-Fehler-Qualität etwas abgemildert, so dass die Normalverteilung mit Verschiebung der eigentliche Maßstab für das Six Sigma Konzept ist und auf diesem Qualitätsniveau bei zweiseitiger Betrachtung jeweils 3,4 DPMO aufweist.
60
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Das 6 σ Konzept entspricht infolgedessen in der Langfristbetrachtung eher einem 4,5 σ Konzept. Bei einer nicht-verschobenen Standardnormalverteilung ergibt sich bei einem Sigma-Wert von 6,0 ein Wahrscheinlichkeitswert von 99,9999998%, was einem DPMO-Wert von 0,002 entspricht. Wenn man davon ausgeht, dass sich die Lage des Prozesses langfristig um 1,5 Sigma nach links oder rechts verschieben kann, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Fehlerfreiheit des Prozesses „nur“ noch 99,99966%, also 3,4 DPMO. Die Auswirkungen unterschiedlicher Sigma Design Spezifikationen in Produktionsprozessen belegt Abbildung 14. Mittelwert -1,5σ
cp= 1,33 cpk = 0,83
Zahlreiche Fehler (6.210 DPMO)
4 σ FÄHIGKEIT
+1,5σ
cp=cpk =1,33
cp= 1,33 cpk= 0,83
Zahlreiche Fehler (6.210 DPMO)
Teil- oder Prozessabweichung -6σ
-5σ
-4σ
-3σ
-2σ
0
-1σ
1σ
2σ
3σ
4σ
5σ
6σ
± 4 σ Design Spannbreite
6 σ FÄHIGKEIT
Mittelwert -1,5σ
Virtuelle Null-Fehler-Qualität (3,4 DPMO)
cp=2 cpk=1,5
+1,5σ
cp=cpk =2
Virtuelle Null-Fehler-Qualität (3,4 DPMO)
cp=2 cpk=1,5
Teil- oder Prozessabweichung -6σ
-5σ
-4σ
-3σ
-2σ
0
-1σ
1σ
2σ
3σ
4σ
5σ
6σ
± 6 σ Design Spannbreite Quelle: Töpfer/John 1996, S. 170
SigmaWert
DPMO ohne Shift
Ausbeute ohne Shift
DPMO mit Shift
Ausbeute mit Shift
Cp=Cpk ohne Shift
Cp mit Shift
Cpk mit Shift
1
317.311
68,26895%
697.672
30,23279%
0,33
0,33
0,00
2
45.500
95,44999%
308.770
69,12298%
0,67
0,67
0,17
3
2.700
99,73001%
66.811
93,31894%
1,00
1,00
0,50
4
63
99,99366%
6.210
99,37903%
1,33
1,33
0,83
5
0,6
99,99994%
233
99,97673%
1,67
1,67
1,17
6
0,002
100,00000%
3,4
99,99966%
2,00
2,00
1,50
Abbildung 14: Sigma Design Spezifikation
In Abhängigkeit vom vorgegebenen Sigma-Niveau ergeben sich unterschiedliche Anforderungen und damit unterschiedliche Niveaus für Cp- und Cpk-Werte. Im
Armin Töpfer
61
oberen Teil der Abbildung resultieren aus der geforderten 4 σ Fähigkeit eine höhere Fehlerquote und geringere Cp- und Cpk-Werte als im unteren Teil der Abbildung bei einem geforderten 6 σ Qualitätsniveau. Sigma-Niveau sowie Cp- und Cpk-Werte sind also positiv korreliert. Die Auswirkungen des Shifts auf das geforderte Sigma-Qualitätsniveau belegt Abbildung 15. Hieraus werden die Qualitätssteigerungen auf der Strecke vom Durchschnittsunternehmen zum Six Sigma Unternehmen mit den unterschiedlichen Faktorwirkungen an Verbesserungen erkennbar.
Fehlerquote (DPMO)
100.000
10-fache Verbesserung tts hni 30-fache Verbesserung hsc hmen c r Du terne n u 70-fache Verbesserung
66.811 DPMO
10.000 6.210 DPMO
1.000 100
s las nC st i e B
233 DPMO
10 1
3,4 DPMO
0,1 0,01
eau niv r äts erkeh zw. t i l a Qu Flugv MO b M) im 43 DP h PP (0, r auc hie
0,001 2
3
4
5
6
Qualitätsniveau (Sigma)
Durch Durch Shift Shift größere größere Toleranz Toleranz bei bei gleichem gleichem Toleranzbereich
1,5 Sigma-Shift Zentriert
Basis: Breyfogle 1999, S. 8-10
Abbildung 15: Fehlerquote (DPMO) bezogen auf Sigma-Qualitätsniveau
In Six Sigma Projekten ist die Beschreibung eines Prozesses sowie die damit einhergehende Bestimmung der Prozessart und Prozessqualität ein nicht zu unterschätzendes Problem. Wie Abbildung 14 deutlich machte, geht ein Wert bis zu 3 σ nicht nur mit einer geringen Ausbeute, sondern i.d.R. auch mit einem geringen statistischen Analyseniveau einher. Wenn über die beschreibende Statistik von Mittelwert und Standardabweichung hinaus auch eine charakterisierende Statistik bezogen auf den Cp- und Cpk-Wert, also auf die Prozessfähigkeit eines Prozesses, angewandt wird, dann ist hierzu der „Messhebel“ gegeben um den Prozess zu verbessern. Zusammen mit einer Kontrollstatistik im Sinne von SPC-Charts und mit Analyseinstrumenten, wie Varianzanalysen (ANOVA), Regressionen und Design of Experiments (DOE), lassen sich gezielt Qualitätsniveaus von 5 σ und mehr erreichen (vgl. Magnusson et al. 2001, S. 46ff.). Die entscheidende Frage ist dabei immer, ob der Prozess „fähig“ ist, also ein potenziell hohes Qualitätsniveau aufweist, und beherrscht wird. In Abbildung 16 ist
62
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
genau dieses Problem bezogen auf eine definierte obere und untere Toleranzgrenze mit Normalverteilungen, die unterschiedliche Cp- und Cpk-Werte aufweisen, dargestellt. Der Prozess ganz rechts weist die höchste Prozessfähigkeit auf und wird damit gut beherrscht. Er ist „steil“ um den Sollwert zentriert und liegt mit dem Wert Cpk = 2 über dem für 6 σ geforderten Niveau. Der Prozess ganz links ist nicht fähig und wird nicht (mehr) beherrscht. Die Cp- und Cpk-Werte sind hier am geringsten. Der effektive Mittelwert weicht deutlich vom geforderten Mittelwert ab, so dass viele Messwerte über der oberen Toleranzgrenze und damit außerhalb des tolerierten Korridors liegen. Die übrigen drei Verteilungen zeigen, dass die beiden linken Prozesse bereits nicht oder nur bedingt beherrscht werden, obwohl der Prozess noch fähig ist. Das Problem liegt nur zum Teil in einer zu großen Streuung, also einem nicht hervorragenden Streuungsindex, sondern vor allem in der Lage der Messwerte, da die tatsächlichen Mittelwerte deutlich vom Sollwert abweichen, und damit einen geringen Cpk-Wert als Niveauindex aufweisen. Im Vergleich hierzu ist der Prozess an zweiter Stelle rechts fähig und beherrscht, obwohl er keinen besseren Streuungsindex, wohl aber einen guten Niveauindex besitzt. TI obere Toleranzgrenze
3σ
TII untere Toleranzgrenze 3σ
TI
3σ 3σ
3σ Sollwert
3σ 3σ
3σ
3σ
3σ
Cp = 0,8 Cpk = 0,5 Prozess nicht fähig, nicht beherrscht
Cp = 1,33 Cpk = 0,8 Prozess fähig, nicht beherrscht
Cp = 1,33 Cpk = 1,1 Prozess fähig, bedingt beherrscht
TII Cp = 1,33 Cpk = 1,33 Prozess fähig, beherrscht
Cp = 2,0 Cpk = 2,0 Prozess fähig, beherrscht
Basis: Rinne 1995, S. 414
Abbildung 16: Toleranzbereich, Streuungs- und Niveauindex (Cp, Cpk)
Insgesamt ergeben sich daraus vier Ansatzpunkte/ Konsequenzen für die gezielte Optimierung von Prozessen in Richtung 6 σ Niveau. Zwei direkte Ansatzpunkte sind: (a) Zentrierung des Prozesses in der Weise, dass Ziel- und Ist-Mittelwert übereinstimmen
Armin Töpfer
63
(b) Reduzierung der Streuung bzw. der Standardabweichung σ des realen Prozessoutputs. Als indirekte Ansatzpunkte für das Erreichen eines 6 σ Niveaus kommen in Betracht: (c) Vergrößerung des Toleranzbereichs in Übereinstimmung mit den Kundenanforderungen, also der oberen und unteren Eingriffsgrenze (d) Verringerung der Komponentenanzahl bzw. der Komplexität bei der Leistungserstellung.
2.3
Ermittlung der Ausbeute
Alle diese Ausführungen waren für ein Bauteil bzw. einen Montageschritt mit jeweils einem Merkmal gültig, wobei Fehlerquote (DPMO) und Fehlerrate (PPM) formal übereinstimmen. Dies entspricht üblicherweise jedoch nicht der Realität in Six Sigma Projekten. Vielmehr ist die Norm, dass eine bestimmte Anzahl von Bauteilen in mehreren Montageschritten zusammengebaut wird. Es liegt auf der Hand, dass sich allein durch diese zusätzlichen Operationen die Fehlermöglichkeiten deutlich erhöhen. Dies bedeutet – wie eingangs bereits angesprochen – mit anderen Worten, dass auch dann, wenn alle einzelnen Bauteile mit einem gleich hohen Qualitätsniveau von beispielsweise 99 % (3,8 σ), also einer Fehlerquote von 1 %, hergestellt und verwendet werden, aufgrund der Montageaktivitäten in dem Prozess die Ausbeute fehlerfreier Produkte deutlich niedriger ist. Eine hohe Qualität der einzelnen Teile sichert also nicht automatisch eine hohe Qualität des fertigen Produktes. Wenn die Qualität der Bauteile zusätzlich zu wünschen übrig lässt, dann verschärft sich das Qualitätsproblem. Hierauf wird im Folgenden detaillierter eingegangen, da dies die typische Analyseanforderung in Six Sigma Projekten darstellt. Die Fehlerquote und die Ausbeute waren bereits in Abbildung 10 definiert worden. Das Beispiel in Abbildung 17 zeigt auf dieser Basis vereinfacht, dass ein Produkt wie ein Kugelschreiber, der aus vier Teilen besteht, im Montageprozess mit 24 theoretischen Möglichkeiten insgesamt 28 Komponenten als Teile und Montageschritte aufweist. Bei einem angenommenen Niveau der Komponenten von lediglich 3 σ, also 93,3 % Fehlerfreiheit, beträgt die Ausbeute ca. 15 %. Ein Qualitätsniveau der Bauteile von 3,8 σ (99 % Fehlerfreiheit) bewirkt eine Ausbeute von ca. 74 %. Erst ein Six Sigma Niveau aller Komponenten sichert ein hohes Qualitätsniveau. In der Realität versucht man dieses Problem bereits dadurch einzuschränken, dass zumindest in der Montage bestimmte Kombinationen der Bauteile von vornherein ausscheiden und damit Poka Yoke durchgeführt wurde. Die fehlerfreie Ausbeute (Yield) ist dann deutlich höher. Geht man in unserem Beispiel allerdings von nur
64
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
noch sieben Komponenten, also weiterhin vier Teilen, aber lediglich noch drei Montageschritten, aus, so wird bei einem Niveau der Komponenten von 3 σ eine Ausbeute von 62 % und bei einem Niveau von 3,8 σ eine Ausbeute von 93 % erreicht. Grundsätzlich bleibt also das aufgezeigte Problem der multiplikativen Verknüpfung von Einzelausbeuten uneingeschränkt bestehen. In Six Sigma Projekten ist genau dies ein wesentlicher Prüfstein, ob das Instrumentarium beherrscht wird und die Analyseergebnisse eine aussagefähige Basis für Verbesserungen liefert. Teile: 4 Stück
Feder
Mine
Unterteil
Oberteil
Montage: 4 x 3 x 2 x 1 = 24 Möglichkeiten z.B. Mine - Unterteil - Oberteil - Feder
Insgesamt: 4 + 24 = 28 Komponenten (Teile und Montageschritte) (Durch „Poka Yoke“ viele Möglichkeiten gar nicht realisierbar) Ausbeute: Ausbeute: bei bei 3σ-Niveau 3σ-Niveau (93,3%) (93,3%) der der Komponenten Komponenten == ca. ca. 15% 15% bei bei 4σ-Niveau 4σ-Niveau (99,4%) (99,4%) der der Komponenten Komponenten == ca. ca. 84% 84% bei bei 6σ-Niveau 6σ-Niveau (99,9997%) (99,9997%) der der Komponenten Komponenten == ca. ca. 99,9% 99,9%
Abbildung 17: Ausbeute am Beispiel Kugelschreiber
In Abbildung 18 ist dieser Analyseprozess der Ausbeute noch einmal grundsätzlich sowie an einem Beispiel wiedergegeben. Der Ansatz und die Berechnung sind nach den bisherigen Ausführungen leicht nachvollziehbar. Das Beispiel mit 50 Teilen und 49 Montageschritten zeigt die geringe Ausbeute von 37 % trotz einem relativ guten Qualitätsniveau der einzelnen Komponenten von 99 %. Überträgt man diese Ausführungen auf die Realität und die bei unterschiedlichen Produkten auftretenden Fehlermöglichkeiten, dann wird erst das Ausmaß dieser Qualitätseinbußen in vollem Umfang deutlich. Die Fehlermöglichkeiten betragen für die folgenden Produkte: •
Potenziometer beim Radio: 130 Komponenten
•
Handy: 1.500 – 2.000 Fehlermöglichkeiten
•
LightSpeedTM Matrix Detektor von GE: 14.592 einzelne Elemente
•
Computer: Mehrere Millionen Teile
•
Windows 2000: Über 30 Millionen Programmzeilen.
Armin Töpfer
65
Die Qualität eines Produktes hängt ab von der o Anzahl der Teile o Anzahl der fehlerfreien Teile o Anzahl der Teilschritte bei der Montage dieser Teile o Anzahl der aufgetretenen Montagefehler AusbeuteEinheit = (1 - FehlerquoteKomponenten)Anzahl Komponenten AusbeuteEinheit = [AusbeuteTeil A] x [AusbeuteTeil B] x ... x [AusbeuteSchritt Y] x ... Beispiel: Ein Produkt besteht aus 50 Teilen, die zu 99% fehlerfrei sind. Diese werden in 49 Schritten miteinander verbunden; die Montage wird zu 99% richtig durchgeführt. So wird lediglich jedes dritte Produkt absolut fehlerfrei. Die Fehlerquote der einzelnen Komponenten beträgt nur 1%. In Bezug auf das gesamte Produkt ist sie jedoch über 60%. Teile + Schritte
(1 - Fehlerquote)Anzahl (1 - 0,01)50 + 49 = 0,9999 = 0,37 Also: Ausbeute 37% fehlerfreie Produkte
Abbildung 18: Analyseprozess der Ausbeute
Diese Auflistung der Fehlermöglichkeiten belegt zugleich den Stellenwert von Six Sigma Projekten in Unternehmen von Technologiebranchen. Nicht nur bezogen auf Hardware-Produkte besitzt Six Sigma eine hohe Bedeutung, sondern gleichermaßen oder noch mehr für Software-Produkte. So ist die Präsentation eines neuen Microsoft Betriebssystems durch Bill Gates in einer Großveranstaltung mit Fernsehaufzeichnung noch erinnerlich, bei der nach einigen Programmschritten das gesamte System „zusammenbrach“ und nicht mehr aktivierbar war. Dies sind Nachrichten, die für die Medien einen hohen Wert haben und einem Unternehmen erheblichen Imageschaden zufügen können (vgl. Möcke 2001, S. 1f.). Das unterschiedliche Ausmaß der Ausbeute soll in den folgenden Abbildungen noch einmal statistisch belegt werden. Abbildung 19 lässt erkennen, dass mit zunehmender Anzahl der Komponenten ein hohes Sigma-Niveau der Bauteile und Montageschritte unerlässlich ist, um ein hohes Niveau an Zuverlässigkeit und Ausbeute sicherzustellen. Entsprechend der Boole’schen Systemtheorie garantiert erst ein durchschnittliches Niveau von 5 σ oder 6 σ bei einer großen Anzahl von Komponenten ein ausreichend hohes Niveau an Gesamtzuverlässigkeit und -ausbeute (vgl. Bertsche/Lechner 2004, S. 78ff.). Berücksichtigt man, dass mit zunehmender Anzahl von (Einzel-)Komponenten die Gesamt-Ausbeute/das Prozess-Sigma degressiv abnimmt (siehe Abbildung 19), dann beträgt bei einem durchschnittlichen Qualitätsniveau von 4 σ (99,4 %) die Gesamtausbeute bei 10 Komponenten „nur“ 94,2 % (3,1 σ), bei 100 Komponenten „nur noch“ 54,8 % (1,6 σ) usw. – Dabei ist zu bedenken, dass allein bei der Herstellung eines „einfachen“ Automotors deutlich mehr als 100 Montageschritte
66
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
erforderlich sind. Bei einem durchschnittlichen Qualitätsniveau aller Komponenten von 6 σ beträgt die Gesamtausbeute bei 100 Komponenten 99,97 % (5,0 σ) und bei 50.000 Komponenten – theoretisch – immerhin noch 84,4 % (2,4 σ). 6σ
100% 5σ
Zuverlässigkeit/ Ausbeute
90% 80%
4σ
70% 60% 50% 3σ
40% 2σ
30% 20%
1σ
10% 0% 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Anzahl Komponenten
Abbildung 19: System-Zuverlässigkeit/Prozesssausbeute
Praktizierte Null-Fehler-Qualität bei Automobilherstellern setzt also ein 6σQualitätsniveau bei allen Lieferantenleistungen uneingeschränkt voraus. Dies wird den Druck auf die Automobilzulieferer maßgeblich erhöhen (vgl. Töpfer 2004, S. 13ff.). Betrachtet man z.B. die Komplexität des Lieferantenmanagements bei der Deutschen Bahn, die aktuell mit mehr als 46.000 Einzellieferanten in Vertrag steht (vgl. DB mobil, 2004, S. 55), dann wird allein an dieser Zahl deutlich, welcher Steuerungsaufwand mit Null-Fehler-Qualität verbunden ist. Es ist davon auszugehen, dass Hersteller in Zukunft im Hinblick auf die geforderte Qualität keinerlei Kompromisse mehr eingehen. Wenn, wie in Abbildung 20 angenommen, die Komponenten einer Prozesskette – bei unterstellter Reihenschaltung – zunächst 6 σ Niveau erreichen, dann aber in einem Prozessschritt beispielsweise auf 3 σ absinken, dann reduziert sich die Gesamtausbeute „dramatisch“. Dies gilt auch dann, wenn in den Folgeschritten des Prozesses ein Niveau von 4 σ wieder gewährleistet ist. An dieser Stelle ist anzumerken, dass für die Anwendung der Boole´schen Theorie einige wesentliche Annahmen gelten: •
Das System/der Prozess ist „nicht reparierbar“, d.h. der erste Komponentenausfall führt automatisch zu einem fehlerhaften Produkt
Armin Töpfer
67
•
Die einzelnen Komponenten (Teile- und Montageschritte) können nur die beiden Zustände „funktionsfähig“ oder „nicht funktionsfähig“ annehmen
•
Die Komponenten sind unabhängig voneinander, d.h. das Ausfallverhalten eines Bauteils/Montageschritts beeinflusst nicht das eines anderen. 6σ
100%
4σ
98% 96% 3σ
94%
Ausbeute
92% 90% 88% 86% 2,5 σ
84% 82% 80% 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Prozess Gesamtausbeute
Prozessausbeute
Abbildung 20: Gesamtausbeute bei Produktionsprozessen in Reihenschaltung
Abschließend zu diesem Teil statistischer Analysen werden zwei Phänomene dreidimensional dargestellt. Abbildung 21 illustriert so die Zusammenhänge und Wirkungen bei zwei verknüpften Produktionsprozessen, wie sie vorstehend angesprochen waren. Die Form des 3D-Gebirges macht deutlich, dass nur ein hohes Sigma-Niveau von Prozess 1 und Prozess 2 gleichzeitig eine hohe Gesamtausbeute sichert. In einer anders gerichteten Analyse und Darstellung lassen sich die Fehlerkosten, basierend auf dem Konzept des progressiven Fehlerkostenanstiegs von Taguchi, in Abhängigkeit vom Prozessniveau und der Anzahl der Prozesse visualisieren. Generell gilt, dass mit abnehmendem Qualitätsniveau, ausgehend von Null-FehlerQualität der Gesamtleistung, die Kosten der Abweichung, also die Fehlerkosten, exponentiell ansteigen. Wie Abbildung 22 nachvollziehbar macht, wird mit zunehmender Anzahl von Prozessen ein hohes Sigma-Niveau unerlässlich, um überproportional ansteigende Fehlerkosten von vornherein zu vermeiden. Lediglich der vordere Bereich des 3D-Gebirges ist dadurch gekennzeichnet, dass auch bei
68
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
einem 5 σ Niveau der wenigen Prozesse ein noch akzeptables Fehlerkostenniveau auftritt.
100% 90%
Gesamtausbeute
80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
3
0
1
2
2
1
3
4
Sigma-Niveau Prozess 1
5
0
4
5
6
Sigma-Niveau Prozess 2
6
Abbildung 21: Gesamtausbeute bei zwei verknüpften Produktionsprozessen
500 450
Fehlerkostenniveau
400 350 300 250 200 150 100 50 0 0
1
2
3
Prozess-Sigma
4
5
1
10.000 8.000 6.000 4.000 Anzahl 2.000 Prozesse
6
Abbildung 22: Beispiel für Fehlerkostenniveau nach Taguchi
Armin Töpfer
69
In konkreten Six Sigma Projekten geht es auf der Basis dieser Erkenntnisse vor allem darum, das Design von Produkten „robuster“ zu gestalten. Im Detail bedeutet dies, dass ein Kernbestandteil von Design for Six Sigma Projekten für Neuprodukte, aber auch von Projekten, die sich auf bestehende Produkte beziehen, darin besteht, die Anzahl der Bauteile und die Montageschritte bzw. Prozesse deutlich zu reduzieren. Dieses robuste Design von Produkten hat, wie anhand der statistischen Ergebnisse gezeigt wurde, eine hohe Wirkung auf die Qualität und Zuverlässigkeit der Produkte und zugleich auf die Höhe der auftretenden Fehlerkosten. Eine höhere Kundenzufriedenheit und bessere Unternehmensergebnisse lassen sich so durch Six Sigma Projekte unmittelbar erreichen. 2.4
Berechnung von Messfehlern
Stolpersteine des Six Sigma Konzeptes liegen zum einen im Bereich der Strategie und organisatorischen Umsetzung, also insbesondere in der Definition und Auswahl der Projekte, in der Prognose der erreichbaren Wirkungen und Ergebnisse, in der Auswahl und Ausbildung der Black Belts sowie im Schaffen einer geeigneten Unternehmenskultur. Daneben gibt es zum anderen aber auch eine Reihe von Anforderungen und Problemen im Bereich der Statistik. Dies sind insbesondere die Datenerhebung und -übertragung, das Behandeln von Ausreißern, Messfehler und Messungenauigkeit, die Annahme der Normalverteilung sowie die Prüfung der Durchschlupfwahrscheinlichkeit, also der Anteil defekter Teile, die trotz Prüfung unbemerkt bleiben. Auf einige dieser statistischen Anforderungen wird im Folgenden näher eingegangen. Neben vermeidbaren Fehlern in der Datenerhebung und -übertragung besteht die Anforderung, statistisch repräsentativ zu sein, also die Werte der Grundgesamtheit zutreffend widerzuspiegeln. Hierfür bestehen Berechnungsformeln der Stichprobengröße (vgl. u.a. DIN ISO 2859 sowie Franzkowski 1994, S. 209ff.). Gravierender sind systematische und zufällige Fehler im Messsystem. Dabei geht es darum, inwieweit die gemessenen stochastischen/nicht-stochastischen Schwankungen der Stichprobenwerte durch Ungenauigkeiten des Messsystems begründet sind. Der Cv-Wert (Characterisation Variance Ratio) kennzeichnet dabei die Schwankungen des Messsystems, also bei jedem wievielten Produkt die gemessene Schwankung durch das Messsystem dominiert bzw. überlagert wird. Der CvWert basiert auf dem Streuungsindex Cp bzw. PCI (Process Capability Index) und dem Messfähigkeitsindex TCI (Testing Capability Index) und vergleicht die tatsächlich gemessene Varianz mit der des Messsystems (vgl. Edson/Zoyhofski 1999, S. 1-5). Hiermit ist der Bezug zu der oben bereits angesprochenen Gage R&R als Verlässlichkeit des Messsystems hergestellt. Bei der Gage R&R wird der Faktor %R&R als Messfähigkeitsindex zugrunde gelegt. Er drückt aus, wie viel Prozent der gemessenen Prozessvariation durch Messfehler verursacht wird. Unterschieden werden dabei zwei Kriterien: Zum
70
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
einen die Analyse der Wiederholbarkeit des gleichen Messvorgangs durch die gleiche Person/Maschine (Repeatability) und zum anderen die Analyse der Reproduzierbarkeit des gleichen Messvorgangs durch zwei oder mehrere Personen/Maschinen (Reproducibility). Beides kennzeichnet die Zuverlässigkeit des Messinstrumentariums. Letzteres kann als „gut“ bezeichnet werden, wenn %R&R ≤ 10 % ist; es erfordert Korrekturmaßnahmen, wenn %R&R > 30 % ist. In Six Sigma Projekten ist die Sicherstellung eines akzeptablen Messsystems Grundvoraussetzung, um mit den Phasen nach der Measure-Phase zu beginnen. Der Beurteilung des Messsystems anhand der relativen Messfehlervarianz Cv liegt folgende Beziehung zugrunde: Cv = TCI2 / PCI2 (siehe Abbildung 23). Wird bspw. als Cv-Wert 4 errechnet, dann resultieren 25 % der gemessenen Schwankungen aus der Ungenauigkeit des Messsystems. In diesem Fall ist eine Verbesserung oder geringfügige Verschlechterung des Prozesses mit den aktuellen Messgeräten nicht mehr erfassbar.
140,0 120,0 100,0 80,0 Cv 60,0 40,0 5,3
20,0 4,7 0,0 0,5
4,1 1,0
1,5
3,5
2,0
PCI
TCI
2,5
Sigma-Wert
PCI
TCI
Cv
1
0,33
4,00
144
Erklärte Varianz 1%
2
0,67
4,00
36
3%
3
1,00
4,00
16
6%
4
1,33
4,00
9
11%
5
1,67
4,00
6
17%
6
2,00
4,00
4
25%
Basis: Edson/Zoyhofski 1999, S. 1-5
Abbildung 23: Beurteilung des Messsystems anhand des Cv-Wertes
Liegt der Cv-Wert bei 9, dann werden 11 % der gemessenen Varianz – inklusive der Messgerätevarianz als additive Komponente – durch Ungenauigkeiten des
Armin Töpfer
71
Messsystems verursacht bzw. dadurch erklärt. Auch in diesem Fall ist eine Verbesserung des Messsystems dringend erforderlich, um im Rahmen eines Six Sigma Projektes real existierende Abweichungen zu erkennen und dann auch gezielt beseitigen zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Annahme einer Normalverteilung. Eine Analyse von Kaiser und Nowack, die sich auf 825 Prozesse in 11 Unternehmen bezieht, belegt, dass nur etwa 2 % dieser Prozesse dem Merkmalsverteilungsmodell der Normalverteilung folgen (vgl. Kaiser/Nowack 1999, S. 761ff.). Circa 2,5 % der Prozesse lassen sich der Betrags-, Weibull- oder Logarithmischen Normalverteilung zuordnen. Immerhin über 95 % folgen einer Mischverteilung, die durch systematische oder zufällige Mittelwertschwankungen charakterisiert ist. Diesem Problem ist bei der Beurteilung und Interpretation von prozessbezogenen Messergebnissen in Six Sigma Projekten Rechnung zu tragen. Denn in Abhängigkeit der Verteilungsfunktion können jeweils nur bestimmte Analyseinstrumente, z.B. in Bezug auf Art und Auslegung der Qualitätsregelkarte, eingesetzt werden.
3
Umsetzung von Six Sigma Projekten
Für die erfolgreiche Durchführung von Six Sigma Projekten ist eine Reihe von Anforderungen zu erfüllen. Sie beziehen sich vor allem auf die Projektauswahl, die Rollenverteilung, den standardisierten Durchführungsprozess sowie die Erfolgsbewertung der Projekte. Dabei soll eines vorab noch einmal betont werden: Alle Six Sigma Projekte beziehen sich grundsätzlich auf Prozesse, also auf bestimmte Wertschöpfungsabschnitte im Unternehmen, die materielle Leistungen in Form physischer Produkte oder Dienstleistungen als Leistungsbündel aus materiellen und immateriellen Leistungen zum Gegenstand haben. Abbildung 24 verdeutlicht diese Ursachen-Wirkungs-Beziehungen noch einmal schematisch. Der Ansatz eines Six Sigma Projektes sind Verbesserungen der Prozesse, um die Marktleistungen entsprechend den Kundenanforderungen fehlerfrei und innovativ zu gestalten. Dies führt in der Folge zu zufriedenen und treuen Kunden, verbessert die Wettbewerbsposition und steigert die finanziellen Ergebnisse des Unternehmens. Grundvoraussetzung für diese Wirkungen sind qualifizierte und engagierte Mitarbeiter in den Six Sigma Projekten.
3.1
Projektauswahl und -steuerung
In der Six Sigma Literatur gibt es unterschiedliche Meinungen hinsichtlich der Projektauswahlkriterien. Laut Harry/Schroeder sollen Projekte einerseits auf den strategischen Zielen eines Unternehmens basieren, andererseits auf der Prognose des ökonomischen Erfolgs ausgewählt werden (vgl. Harry/Schroeder 2005, S.
72
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
265f.). Eine teilweise andere Ansicht vertreten Pande/Neuman/Cavanagh, die als Kriterien „Ergebnisse oder Geschäftserfolgskriterien“, „Machbarkeitskriterien“ und „Kriterien der organisatorischen Wirkung“ anführen (vgl. Pande et al. 2001, S. 111f.). Weitere Autoren listen lediglich in einer eher unstrukturierten Weise eine Reihe von Kriterien auf, die sich teilweise sogar überschneiden. Im Folgenden werden einige wesentliche Kriterien zur Projektauswahl vorgestellt, die sich in der Praxis bewährt haben: •
Es besteht eine Erhöhung des Kundennutzens für externe und/oder interne Kunden
•
Der finanzielle Nutzen für das Unternehmen ist auf der Basis einer Net Benefit Rechnung belegbar
•
Alle relevanten Einflussvariablen/-größen sind eindeutig identifizierbar, dann auch messbar und auf dieser Basis analysierbar
•
Eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit anhand monetärer und/oder nichtmonetärer Kriterien ist gegeben
•
Eine klare und eindeutige Zielsetzung und Projektdefinition sind formulierbar
•
Eine relativ kurze Projektdauer für die Umsetzung, die als Ziel nicht mehr als 3 Monate (90 Tage) beträgt, ist realisierbar. In der Unternehmenspraxis ist zumindest in der Einführungszeit von Six Sigma Projekten die Projektdauer oft länger, nämlich eher bis zu 6 Monaten.
• Qualifiziert • Engagiert
• Entsprechend Kundenanforderungen • Fehlerfrei • Innovativ
• Kundenzufriedenheit • Kundenbindung • Image
Mitarbeiter Produkt & Service Prozesse
• Einfach • Schnell • Fehlerfrei
Kundeneinstellung & Kundenverhalten
• Wettbewerbsposition • Markenprofil
Abbildung 24: Ursachen-Wirkungs-Beziehungen
Marktpenetration & Marktanteil
Finanzielle Ergebnisse
• • • • •
Umsatz Gewinn/ DB Cash Flow (CF) EVA/ ROCE Free CF
Armin Töpfer
73
Für die Vorgehensweise zur Auswahl von Six Sigma Projekten bieten sich folgende vier Phasen als Fokusprozess an: 1) Process Mapping: Darstellung des Ablaufs und der Vernetzung verschiedener Geschäftsprozesse im Unternehmen mit Hilfe von Flussdiagrammen. (Warum gibt es bestimmte Prozesse im Unternehmen?) 2) Erheben und Sammeln von monetären/nicht-monetären Daten/Kennzahlen zur Beschreibung des Qualitätsniveaus einzelner Geschäftsprozesse (Fehlerquote/-rate vs. Fehlerkosten) 3) Benchmarking (intern/extern) von kritischen Prozessen und Herausstellen von Kernkompetenzen sowie gleichzeitig Schwach-/Problemstellen im Unternehmen 4) Portfolio-Analyse zur gezielten Auswahl erfolgversprechender und strategisch bedeutender Projekte. Eine Detailfrage im Auswahlprozess ist, ob die Auswahl von Projekten eher in Form einer zentralen oder dezentralen Priorisierung erfolgt. Im ersten Fall, bei einem Top-Down-Ansatz werden die Projekte ausgehend von der oberen Managementebene des Unternehmens priorisiert und ausgewählt. Die Vorteile liegen dabei in folgenden Punkten: •
Die Projekte sind primär auf die strategischen Ziele des Unternehmens (Kundenzufriedenheit, Kosten, Kapazitäten, Wachstum) ausgerichtet
•
Die Rahmenbedingungen (Projektziele/-definition) für einzelne sowie verbundene Projekte werden von der oberen Managementebene zentral geplant und gesteuert
•
Lokale Bedürfnisse/Anforderungen können gut auf globale Geschäftsziele ausgerichtet werden
•
Die Projektziele und -ergebnisse werden im Unternehmen zentral erfasst und kommuniziert/publiziert.
Bei der zweiten Alternative, dem Bottom-Up-Ansatz, werden die Projekte, ausgehend von der operativen Ebene im Unternehmen, priorisiert und ausgewählt. In diesem Fall sind folgende Vorteile zu verzeichnen: •
Lokale Verbesserungspotenziale werden erkannt und mit Hilfe von Six Sigma Projekten – verbunden mit eindeutig messbaren Kriterien – realisiert
•
Produktions- und Verwaltungsprobleme (Operative Ablaufprobleme) werden besser von Führungskräften vor Ort erkannt
•
Die Übereinstimmung mit unternehmensweiten Zielen ist nicht in jedem Fall gegeben, aber i.d.R. ist eine höhere Akzeptanz bei den Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten erreichbar.
74
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Der „Königsweg“ kann darin liegen, dass – entsprechend dem aus der Unternehmensplanung bekannten Gegenstromprinzip – ein Abgleich und Ausbalancieren der beiden Analyserichtungen erfolgt. Hierdurch lassen sich die oben skizzierten Vorteile zu einem erheblichen Maße gleichzeitig erreichen. Eine Portfolio-Analyse und -Darstellung zur Projektauswahl ist z.B. anhand der beiden Dimensionen Projekterfolgswahrscheinlichkeit und Strategische Bedeutung möglich. Der Nutzen dieser Bewertung liegt insbesondere darin, dass die Projekte priorisiert werden, die wichtig für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens sind und sich zugleich erfolgreich realisieren lassen. Die Ergebniswirkung, z.B. in Form des Net Benefits, kann als dritte Dimension durch den Kreisumfang der vorgesehenen Six Sigma Projekte ausgedrückt werden. Unter Einsatz der aufgeführten Instrumente lässt sich eine Klassifikation möglicher Six Sigma Projekte erreichen. Sie ist in Abbildung 25 aufgeführt. Einfache Verbesserungen, die unter Anwendung von Logik und Intuition realisierbar sind, benötigen das z.T. aufwendige Six Sigma Instrumentarium nicht. Sie „fallen einem zu“ und bekommen deshalb die bildhafte Bezeichnung „Fallobst“. Six Sigma Projekte beginnen i.d.R. auch noch nicht auf der nächsten Ebene, den „tief hängenden Früchten“. Sie kennzeichnen vielmehr eine Lücke zwischen derzeitiger und angestrebter Prozess-Performance, die sich mit Hilfe einfacher Qualitäts- und Projektmanagement-Methoden, z.B. KVP, schließen lässt.
Süße Früchte
Redesign des Prozesses 5-6 ı-Niveau
Großteil der Früchte Charakterisierung und Verbesserung des Prozesses 4-5 ı-Niveau
Tief hängende Früchte
Sieben QM-Werkzeuge/ KVP 3-4 ı-Niveau
Fallobst
Logik und Intuition
Basis: Siemens 2000
Abbildung 25: Anwendung von Six Sigma
Armin Töpfer
75
Für Six Sigma Projekte sind sie deshalb eher weniger geeignet, da das erreichbare Niveau lediglich 3 bis 4 σ beträgt. Außerdem werden mit diesem Instrumentarium die Ursachen häufig nicht ausreichend hinterfragt und dadurch nicht erkannt. Die Lösungswege sind ferner methodisch nicht so gut strukturiert und untermauert wie bei Six Sigma Projekten. Der größte Teil der Six Sigma Projekte gehört zur nächsten Ebene, er ist also der „Großteil der Früchte“, die durch eine klare Analyse und Verbesserungen von Prozessen mit einem Niveau von 4 bis 5 σ erreichbar sind. Die „süßen Früchte“ in der „Spitze des Baumes“ machen deutlich mehr Anstrengungen erforderlich, bewirken aber Qualitätssteigerungen auf dem Niveau von 5 bis 6 σ. Dies entspricht einem Redesign als Neustrukturierung eines Prozesses, die über eine bloße Verbesserung hinausgeht. Bei der Auswahl von Six Sigma Projekten ist ein weiterer Aspekt von Bedeutung, nämlich die Höhe möglicher negativer Auswirkungen, wenn bezogen auf einen Prozess oder ein Produkt kein Six Sigma Niveau erreicht wird. Mit anderen Worten bedeutet dies: Je höher der Schaden bzw. die Fehler- und Fehlerfolgekosten durch unzureichende Qualität sind, desto eher wird Null-Fehler-Qualität auf Six Sigma Niveau realisiert, um das Auftreten von Fehlern zu vermeiden. Deshalb wird Six Sigma als statistisches Maß und Ergebnis nicht überall das angestrebte Qualitätsniveau sein. Wesentlich ist vielmehr, Six Sigma mit Augenmaß, und dies bedeutet in erfolgs- und ergebnissensiblen Prozessen und Produkten, wie beispielsweise der Flugzeug- und Satellitentechnik sowie der Software für medizinische Diagnostik, anzustreben und zu erreichen. Denn dort führen Fehler bei einem niedrigeren Qualitätsniveau zur Gefährdung von Menschenleben und hohen materiellen Schäden, so dass diese hohen Anstrengungen gerechtfertigt oder sogar erforderlich sind. Bei anderen Prozessen und Produkten lassen sich bei einem Ausgangsniveau von 3 bis 4 σ – entsprechend der obigen Einteilung – auch schon erhebliche Qualitätssteigerungen und damit Kosteneinsparungen bzw. Ertragsverbesserungen erreichen, ohne das statistische Six Sigma-Niveau im Visier zu haben. Die Erkenntnis ist also klar: Das Ziel der Null-Fehler-Qualität gilt generell. Die Nachhaltigkeit der Umsetzung und Erreichung wird allerdings nach der Bedeutung des Prozesses und Produktes priorisiert. Diese Sichtweise korrespondiert in weiten Teilen damit, auf welchen Abschnitt der Wertschöpfungskette der Fokus für die Durchführung von Six Sigma Projekten zu legen ist. Zunächst wird es oft darum gehen, wie dies in Abbildung 26 dargestellt ist, als Reaktion auf Defizite bei bestimmten Ergebnissen – insbesondere Kosten und Kundenunzufriedenheit – mit Six Sigma Projekten Abhilfe zu schaffen. Nicht nur das bestehende Sigma-Niveau, sondern auch die damit verbundenen Analyse- und Umsetzungsprobleme sind dabei häufig relativ gering. Da die Marktleistung am Ende von aufeinander aufbauenden und verknüpften Wertschöpfungsprozessen steht, ist – wie oben im Beispiel gezeigt wurde (vgl.
76
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Abbildung 20) – der erreichte Sigma-Level niedrig. Verbesserungen entsprechen damit den „low hanging fruits“.
Input Lieferanten Material Maschinen Mitarbeiter
Kundenanforderungen Kundenzufriedenheit Ermöglichen frühzeitige Verbesserung
Prozess
Ergebnisse KundenKosten Wachstum Marktanteil zufriedenheit
Ermöglichen Reaktion
Abbildung 26: Six Sigma Projekt-Fokus
Je mehr die Analysen sich auf vorgelagerte Teile der Wertschöpfungskette und über detaillierte Prozessanalysen der Wertschöpfung hinaus auch die InputFaktoren und dabei neben Mitarbeitern, Maschinen und Material auch Lieferanten-Vorleistungen berücksichtigen, desto frühzeitiger lassen sich Verbesserungen einleiten. Dies führt dazu, dass sich Kundenanforderungen bereits erkennen und umsetzen lassen, die im Ergebnis später zu Kundenzufriedenheit führen. Hierbei ist leicht nachvollziehbar, dass zugleich auch das Fähigkeits- und Erfahrungsniveau für die erfolgreiche Durchführung von Six Sigma Projekten deutlich höher sein muss. Die erreichbaren Verbesserungen weisen dann aber auch ein deutlich größeres Einsparpotenzial durch Vermeidung von Fehlerkosten auf. In der Abfolge werden also in „Feuerwehraktionen“ zunächst gravierende Probleme erkannt und deren negative Auswirkungen beseitigt. In einer zweiten Stufe folgen auf diese Six Sigma Projekte zur Beseitigung von Fehlerkosten „Brandverhütungsmaßnahmen“. Diese Six Sigma Projekte konzentrieren sich auf die Analyse von tieferliegenden Fehlerursachen sowie deren Beseitigung und die dann anschließende Stabilisierung der neuen bzw. überarbeiteten Prozesse. Dies entspricht Investitionen im Sinne von Fehlervermeidungskosten. Abschließend ist in Abbildung 27 noch einmal das Vorgehen bei der Auswahl und der Steuerung eines Six Sigma Projektes zusammengefasst.
Armin Töpfer
Vision/Strategie/Ziele Prozessanalyse ! !
! !
Definieren der kritischen Erfolgsfaktoren und Werttreiber
Bewertung Strategische Bedeutung
Portfolio-Analyse
Projekterfolgswahrscheinlichkeit
Gegenüberstellung von Strategischer Bedeutung und Erfolgswahrscheinlichkeit zur Projektauswahl
Analyse Wirtschaftlichkeit/ Finanzergebnisse
¾ Zuordnen der kritischen Erfolgsfaktoren/ Werttreiber zu den Perspektiven/ Feldern der Six Sigma Score Card
Kundenzufriedenheit/ Marktausschöpfung
¾ Prüfen und Fokussieren von Ursachen-Wirkungs-Beziehungen ¾ Erarbeiten von Kennzahlen zum Messen der Umsetzung der Erfolgsfaktoren
Unternehmerische Mitarbeiter/Mitarbeiterzufriedenheit
¾ Vernetzen der Kennzahlen
Leistungsfähigkeit/ Marktleistungen
Steuerung
Kundenzufriedenheit/ Marktausschöpfung
Leistungsfähigkeit/ Marktleistungen
¾ Präzisieren der Six Sigma Score Card
Vision/ Strategie/ Ziele Verbesserung/ Innovation
¾ Ableiten der Six Sigma Projekt Charter/ Team Charter Unternehmerische Mitarbeiter/ Mitarbeiterzufriedenheit
Abbildung 27: Six Sigma Projektauswahl und -steuerung
Wirtschaftlichkeit/ Finanzergebnisse
77
78
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Die Wirksamkeit der Projekte wird deutlich erhöht, wenn sie an den strategischen Zielen des Unternehmens angebunden sind. Durch die auf einen konkreten Wertschöpfungsprozess bezogene Analyse kritischer Erfolgsfaktoren und Werttreiber lassen sich zum einen die strategische Bedeutung und zum anderen die Erfolgswahrscheinlichkeit ermitteln. Diese Bewertung ist die Grundlage für die Projektauswahl. Auf dieser Basis können die Erfolgsfaktoren und Werttreiber in vier Perspektiven einer Six Sigma Score Card herausgearbeitet werden. Wenn wichtige UrsachenWirkungs-Beziehungen analysiert sind, lassen sich hierzu Kennzahlen erarbeiten und vernetzen. Die Steuerung erfolgt dann mit einer derartigen Six Sigma Score Card. In Abbildung 28 ist sie beispielhaft für mehrere Six Sigma Projekte und begleitende Qualifizierungsmaßnahmen wiedergegeben. Hieraus lässt sich unmittelbar für jedes Six Sigma Projekt die Team Charter ableiten, in der das Projekt, das zu lösende Problem und die erforderliche Laufzeit, die notwendigen Ressourcen, der erwartete Net Benefit und die möglichen Hindernisse bei der Umsetzung präzisiert werden. Steuerungskriterium
Messgröße
Fehlerhafte Produkte
DPMO/ PPM
Beantwortung von Kundenbeschwerden
Ist
Ziel
5.620
1.000
81
99
%
Maßnahme Six Sigma Projekt in Produktion Six Sigma Projekt in Vertrieb
Steuerungskriterium
Messgröße
CSI > 80%
%
Ist 72%
+ 3% p.a.
Kundenzufriedenheit/ Marktausschöpfung
Leistungsfähigkeit/ Marktleistungen
Ziel
Maßnahme
80% +
Beschwerdemanage(10% im ment ver1. Jahr bessern + 3% per Folgejahr)
Vision/ Strategie/ Ziele Verbesserung/ Innovation Steuerungskriterium
Messgröße
Ist
Ziel
Maßnahme
3,0
5,0
Training on the job
1,5
2,0
2,0
2,0
MATraining: - Produkte - Logistik/ Versand - Call Center Beschwerdeabwicklg.
Stunden pro MA und Monat
Unternehmerische Mitarbeiter/ Mitarbeiterzufriedenheit
Wirtschaftlichkeit/ Finanzergebnisse
Steuerungskriterium
Wert pro Projekt
Messgröße
T€
Ist
Ziel
Ø 100 T€ Ø 130 T€
Maßnahme Net Benefit Analyse vor Projektstart
Abbildung 28: Six Sigma Score Card
3.2
Six Sigma Organisation und Prozess
Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von Six Sigma Projekten in einem Unternehmen ist, ob und wann die kritische Masse von geschulten Six Sigma Akteuren erreicht wird. Erfahrungswerte belegen, dass die Anzahl von in Six Sigma Methoden geschulten Mitarbeitern insgesamt ca. 10 % der Belegschaft (vgl. Q-
Armin Töpfer
79
DAS 2002, S. 1) betragen sollte und dabei die Gruppe der Black Belts als für die Durchführung von Six Sigma Projekten Verantwortliche ca. 2 % der Belegschaft ausmachen sollte. Es versteht sich von selbst, dass über einen bestimmten Zeitraum intensive Schulungen durchgeführt werden müssen, um möglichst schnell diesen Durchsatz und damit diese kritische Masse zu erreichen.
Unternehmenshierarchie
Wie Abbildung 29 zeigt, kommt es bereits in der ersten Phase darauf an, Mitglieder des Unternehmens in allen unterschiedlichen Rollen und Funktionen im Rahmen von Six Sigma Projekten zu schulen. Die Bezeichnungen zur Differenzierung unterschiedlicher Fähigkeitsprofile und -niveaus sind dabei zum großen Teil asiatischen Kampfsportarten entliehen und sollen so auf einfache Weise die damit verbundenen Kompetenzen kennzeichnen.
Anzahl der geschulten Mitarbeiter
Champion (Machtpromotor)
Master Black Belt (Systempromotor)
Black Belt (Prozesspromotor)
Green Belt (Mitarbeiter)
1. Phase
2. Phase
Zeit
Abbildung 29: Entwicklung der Six Sigma Organisation im Zeitverlauf
Die Anzahl von Mitarbeitern, die über ein grundlegendes methodisches Rüstzeug als Green Belt verfügt, um in Six Sigma Projekten erfolgreich mitarbeiten zu können, muss von vornherein groß genug sein. Sie müssen vor allem auch grundlegende Kenntnisse in mathematisch-statistischen Methoden aufweisen, damit sie die vorstehend skizzierten Analysen mit klaren Ergebnissen und Erkenntnissen durchführen können. Die Black Belts als Projektleiter und damit Prozesspromotoren sind zum einen die Anwendungsexperten von Six Sigma Werkzeugen und Instrumenten, zum anderen aber auch geschult in Projektmanagement, Kommunikationstechniken und Konfliktlösungsinstrumenten.
80
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Master Black Belts haben als Systempromotoren einerseits die Aufgabe, die Koordination von Projektauswahl und Training aufgrund ihrer langjährigen Six Sigma Erfahrung durchzuführen. Andererseits kommt ihnen in ihrer Mentorenrolle auch die inhaltliche, organisatorische und „technische“ Unterstützung der Black Belts zu. Darüber hinaus sind sie im Bedarfsfall der direkte Ansprechpartner für die Champion. Diese Gruppe hat als Machtpromotoren die operative und strategische Ergebnisverantwortung von wichtigen Wertschöpfungsbereichen des Unternehmens. Sie sind es, die über die Durchführung von Six Sigma Projekten entscheiden und dann Black Belts anfordern bzw. einsetzen. Alle Six Sigma Projekte folgen einem standardisierten Ablauf, der auf dem klassischen Deming-Zyklus PDCA (Plan, Do, Check, Act) basiert. Der hieraus abgeleitete DMAIC-Zyklus (Define, Measure, Analyse, Improve, Control) für die Durchführung von Six Sigma Projekten hat die in Abbildung 30 aufgeführten Phasen und Inhalte. Hauptanforderungen des Kunden als CTQ definieren
Define
Was ist das Problem?
Measure
Wie lassen sich die Auswirkungen messen?
Relevante Wirkungs- und Ergebnisgrößen in der Praxis messen
Analyse
Was sind die Ursachen für das Problem?
Wichtigste Ursachen mit Hilfe von Statistiken analysieren und priorisieren
Improve
Wie lässt sich das Problem beseitigen?
Verbesserung/ optimale Lösung erarbeiten und umsetzen
Control
Wie wird die Verbesserung in der Praxis verankert?
Hauptursachen für das Auftreten des Problems dauerhaft beseitigen
Basis: Harry/Schroeder 2000
Abbildung 30: DMAIC als Six Sigma Prozess im Projekt
Er unterscheidet sich in den letzten beiden Phasen vom DMADV-Zyklus (Define, Measure, Analyse, Design, Verify), wie er in Design for Six Sigma Projekten (DFSS) für Neuprodukte eingesetzt wird. In dem entsprechenden Artikel in diesem Buch wird hierzu detailliert eingegangen. Define-Phase Nachdem das Projekt in der oben beschriebenen Weise ausgewählt wurde, erfolgt die Definition des eigentlichen Problems auf der Basis analysierter wichtiger Kundenanforderungen (CTQs). Grundlage können Produkt-, Prozess- oder Schnittstellenprobleme sein. Hierdurch bestimmen sich Art und Anzahl der notwendigen Ressourcen und die Dauer der Projektdurchführung. Die Besetzung des
Armin Töpfer
81
Projektteams mit Green Belts und die Auswahl des Projektleiters als Black Belt richtet sich nach der inhaltlichen Anforderung und dem betroffenen Unternehmensbereich. Die Präzisierung der Problemformulierung erfolgt durch eine konsequente Orientierung an den definierten internen oder externen Zielkunden und ihren wesentlichen Forderungen. Hierzu werden zwei Analyseinstrumente eingesetzt, nämlich SIPOC (Supplier, Input, Process, Output, Customer) zur Identifizierung des mehrstufigen Wertschöpfungsprozesses und die kombinierte VOC-CTQ-Analyse. Auf beide wird im Folgenden kurz eingegangen. Mit der SIPOC-Analyse wird – wie Abbildung 31 verdeutlicht – ein Wertschöpfungsprozess in seinen Input-Output-Beziehungen vom Lieferanten bis zum Kunden präzisiert. Eine derartige Beschreibung ist relativ einfach, liefert jedoch zugleich die Grundlage, konkrete Anforderungen jeder einzelnen Phase und damit den einzelnen Akteuren bzw. Adressaten zuzuordnen.
Abgeleitete Anforderungen als WT
Supplier is Be
Input
CTQs als Werttreiber (WT)
Process
VOC
Output
Customer
l pie Zulieferer Biegeteile
Gereinigte Biegeteile
Konstruktion
Zeichnungen
Arbeitsvorbereitung
Stückliste, Arbeitspläne
Tischlerei
Holz, Zwischenlagen
Reinigen, Biegen und Beschichten von AluBiegeteilen
Biegeteile
Beschichtung
Rückmeldung
Arbeitsvorbereitung
Holz, Abfall
Basis: Alstom 2002
Abbildung 31: SIPOC-Analyse
In einer retrograden Betrachtung, ausgehend vom Kunden, erfasst sie die „Originaltöne“ der Kunden als „Voice of the Customer“ (VOC). Aus ihnen werden bezogen auf den Wertschöpfungsprozess die Kriterien (CTQs) abgeleitet, die für den Kunden die höchste Priorität bei der Beurteilung der Qualität der gelieferten Marktleistungen besitzen (siehe Abbildung 32). Die Kundenanforderungen richten sich an seinen Bedürfnissen aus. Nicht selten werden beide vom Kunden nur unscharf formuliert. Um so wichtiger ist es dann,
82
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
dass die CTQ-Analyse die kritischen Erfolgsfaktoren klar herausarbeitet sowie hieran den Kundennutzen der angebotenen Marktleistung definiert und misst. Mit beiden Instrumenten sind zugleich auch bereits Inhalte der folgenden Mess-Phase erarbeitet worden.
is Be
ele pi
VOC
CTQ
– Stimme des Kunden –
– Anforderungen an die Qualität –
• Die Maschinen müssen nach einer Revision eine hohe Verfügbarkeit haben
• Kein Maschinenausfall wegen einer Störung in den ersten 6 Monaten nach einer Revision als präventiver Instandhaltung
• Bei einer Inspektion sollen in den ersten 6 Monaten nach einer Revision nur Verschleißteile gewechselt werden
• Keine außerplanmäßigen Arbeiten bei den Inspektionen in den ersten 6 Monaten nach einer Revision
• An der Maschine wird zum vorher mitgeteilten Freigabezeitpunkt noch gearbeitet
• Abgestimmte Termine für die Betriebsverfügbarkeit müssen gehalten werden
Abbildung 32: VOC-CTQ-Analyse
Für eine tiefergehende Analyse der Kundenanforderungen bietet sich die Anwendung des Kano-Modells an. Dies gilt insbesondere bei der Entwicklung von Neuprodukten, um die Erwartungen der Zielkunden bestmöglich zu treffen. Ausführlicher wird das Modell deshalb in dem folgenden Artikel „Design for Six Sigma“ behandelt. Es unterscheidet drei Gruppen, nämlich Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen. Die Basisanforderungen sind für den Kunden selbstverständlich und werden oft nicht artikuliert; so wird beim Auto – in einem vereinfachten Beispiel – die Umschaltmöglichkeit zwischen Fern- und Abblendlicht als Standard erwartet. Je weniger die Basisanforderung erfüllt ist, desto unzufriedener ist der Kunde. Ein normal hoher Erfüllungsgrad baut nur Unzufriedenheit ab, bewirkt aber noch keine Zufriedenheit. Anders ist dies bei den Leistungsanforderungen, die häufig technisch und damit klar artikulierbar und messbar sind: Die Zufriedenheit steigt linear mit ihrem Erfüllungsgrad. Durch Halogenscheinwerfer wird so ein höheres Niveau erreicht als durch Normalscheinwerfer. Besonders wichtig sind Begeisterungsanforderungen, da hierbei die Kundenzufriedenheit stärker steigt als der Erfüllungsgrad dieser Anforderungen. Der Kunde kann sie oft nicht klar artikulieren und erwartet sie auch nicht von vornherein. In unserem Beispiel könnten dies bewegliche Scheinwerfer sein, die beim Fahren um die Kurve die Straße besser ausleuchten.
Armin Töpfer
83
Measure-Phase Hier gilt der Grundsatz, dass nur ein Unternehmen, das seine Prozesse analysiert hat, in der Lage ist, deren Qualität und die Qualität der dabei erbrachten Marktleistungen zu messen. Dies ist wiederum die Grundlage für konkrete Verbesserungen der Abläufe und Produkte, und zwar bezogen auf höhere Qualität und niedrigere Kosten. Als Ergebnis lässt sich in der oben dargestellten Weise ermitteln, auf welcher Qualitätsstufe und auf welchem Kostenniveau sich in der Status quo Phase die Prozesse und die Produkte befinden. Die Messung bezieht sich dabei auf alle relevanten Qualitätsmerkmale im Sinne der CTQs. Unter Anwendung von einschlägig bekannten QM-Werkzeugen und Kreativitätstechniken (z.B. Intensiv-Interviews, VOC, Brainstorming, Morphologischer Kasten, Bionik, Flussdiagramm, Ursachen-Wirkungs-Diagramm, Korrelationsdiagramm, Prüfformulare) ist i.d.R. die Basis für eine aussagefähige Messung der wichtigsten Kenngrößen geschaffen. Die exakte Problemdefinition und das Messen/Eingrenzen der eigentlichen Problemursachen fokussiert die wesentlichen Ansatzpunkte für die folgenden Prozessschritte im Rahmen des DMAIC-Zyklus. Dies verdeutlicht die Bedeutung und Anforderungen der Messphase, welche die Einflusskriterien und die Verbesserungsmöglichkeiten auf das Wesentliche beschränken soll, um so den Projektumfang für den Black Belt und die anderen Beteiligten überschaubar bzw. handhabbar zu halten. Umsetzungsbarrieren, wie z.B. ein zu hoher Kommunikationsaufwand, werden minimiert. Einheitliche Messkriterien bilden zugleich die Grundlage für eine Entscheidungstransparenz und unternehmensinterne oder -externe Benchmarking-Aktivitäten. Analyse-Phase In dieser Phase geht es um das Aufbereiten und Strukturieren der Messdaten/-ergebnisse. Hierzu ist eine detaillierte Problemanalyse unter Einsatz verschiedener mathematisch-statistischer Methoden (z.B. Varianzanalyse, Regressionsanalyse) durchzuführen. Dabei sind zwei Unterscheidungen vorzunehmen: zum einen eine eindeutige Differenzierung zwischen Ursachengrößen (Xs) und Wirkungsgrößen (Ys); zum anderen die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenproblemen, die auf der Basis der erkannten Wirkungszusammenhänge (y = f(x1, ... , xn) möglich ist. Diese Analyse, die – wie in Abbildung 33 dargestellt – auf einem IshikawaDiagramm basieren kann, liefert die Grundstruktur maßgeblicher Einfluss- und Ergebnisgrößen. Im Rahmen von Detailanalysen sind dabei vor allem die Wirkungsrichtungen der unabhängigen Variablen Xs auf die abhängigen Variablen Ys zu untersuchen. Zusätzlich ist zu prüfen, ob und ggf. wie stark die Xs von Einflussgrößen auf einer tieferen Ebene abhängen, also bereits selbst Wirkungsgrößen sind. Ergänzend kann als Einflussgröße von Bedeutung sein, im Rahmen einer Autokorrelation zwischen den Ursachengrößen und vor allem über die Zeit zu erkennen, in welchem Maß ein Fertigungsprozess durch die Dauer seiner Durchführung – z.B.
84
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
durch Erwärmung der Apparaturen im Biege- und Beschichtungsprozess in Abbildung 33 – im Qualitätsniveau einbüßt. X1 Waschen X11 MA-Qualifikation
X2 Transport X21 Vorbereitung X12 Reinigungsmittel
X13 Planung
X22 MA-Qualifikation
X23 Wegstrecke
X24 Transportmittel
Produktmerkmale
Prozess Reinigen, Biegen und Beschichten von Aluminium-Biegeteilen X33 Kriterienkatalog
X43 Vorbereitung X32 Stempelform
X31 MA-Qualifikation
X3 Biegen
Y1 Durchlaufzeit Y2 Herstellkosten
X42 Parameterwahl
X41 MA-Qualifikation
X4 Beschichten
Basis: Alstom 2002
Abbildung 33: Prozessanalyse zur Bestimmung der Xs und Ys
Das Grundmuster dieser Vorgehensweise bei der Prozessanalyse schematisiert Abbildung 34. Darin enthalten sind alle fünf Phasen des DMAIC-Prozesses. Dies verdeutlicht noch einmal deren Interdependenz. Mit anderen Worten beeinträchtigen Analysedefizite oder Messprobleme/-fehler die Qualität aller folgenden Untersuchungsschritte. Improve-Phase Eine vertiefende Analyse der Ursachen von Hauptproblemen liefert – wie vorstehend bereits beschrieben – die Grundlage, um Verbesserungsmaßnahmen zu identifizieren und zu priorisieren. An dieser Stelle erfolgt noch einmal eine Überprüfung und Konkretisierung der Wirkungsprognosen, die zu Beginn des Projektes erstellt wurden. Denn jetzt ist der unbestimmte Analyseraum deutlich eingegrenzt und die Datenbasis erheblich verbessert worden. Wenn die wahrscheinlich erreichbaren Ergebnisse das Zielniveau noch nicht treffen, dann ist erneut eine Rückkopplungsschleife in die Analyse-Phase vorzunehmen. Auf der Basis dieser ermittelten und akzeptablen Ergebnisse lässt sich ein Aktionsplan zur Umsetzung zielführender Verbesserungen erstellen. Die schnelle Realisierung derartiger Verbesserungsmaßnahmen und das Erzielen von konkreten Projekterfolgen sind ein wesentliches Kennzeichen von Six Sigma Projekten.
Armin Töpfer
85
Bestimmen von PPM, DPMO, σ-Wert des verbesserten Prozesses für die Xs und Ys
Controllen
Bestimmen der Fähigkeit, den Zielwert zum Optimum zu steuern
Innovativ verbessern
Optimieren der Prozesse durch Transformation/ Veränderung
Analysieren
Messen
Entwickeln und Beurteilen von Modellen und Transformation der Funktionen mit Hilfe von z.B. o Design of Experiments (DOE) o Regressionsanalyse o Physikalische Eigenschaften
Bestimmen der relevanten Xs = Produkt- und Prozesselemente
Werkzeuge: Minitab Excel Crystal Ball
Bestimmen von PPM, DPMO, σ-Wert des jetzigen Prozesses für die Xs und Ys
Bestimmen der relevanten Ys = Critical to Quality Characteristics (CTQs) = Produkteigenschaften mit höchster Kundenpriorität
Verteilungsnetze Transformationsfunktionen Monte Carlo Simulation
Untersuchen auf Annahme der Normalverteilung: Transformation? Andere Verteilung? Multimodale Verteilung? Welche sind die Xs?
Definieren Basis: Stanard 1999, S. 12
Abbildung 34: Vorgehensweise bei der Prozessanalyse
Control-Phase In dieser Phase geht es darum, den optimierten Prozess bzw. das fehlerfreie Produkt zu stabilisieren und das angestrebte Zielniveau zu überwachen. Anders formuliert, wird überprüft, ob die Hauptursachen für das Auftreten des Problems dauerhaft beseitigt werden konnten. Damit erfolgt zugleich eine Kontrolle der Wirksamkeit von Veränderungsmaßnahmen in Bezug auf die bessere Erfüllung von Kundenanforderungen und die nachhaltige Steigerung des Qualitätsniveaus. Zusätzlich ist hier eine „Nachkalkulation“ durchzuführen, um Abweichungen zum geplanten Projektziel feststellen und bewerten zu können. Wichtige Projektdaten sind im Rahmen einer Projekt- bzw. Wissensdatenbank auszuwerten und zu dokumentieren. Wenn die Problemstellung es zulässt, dann sollten nach Abschluss des Six Sigma Projektes weiterführende Verbesserungsaktivitäten einsetzen, um so den Übergang zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu erreichen. Richtschnur für das generell angestrebte Zielniveau ist der identifizierte Best Practice Level, den ein Unternehmen der gleichen oder einer anderen Branche erreicht hat. Dies setzt voraus, dass Erkenntnisse aus erfolgreichen Six Sigma Projekten kommuniziert werden. Erreichte Projekterfolge werden intern nach Möglichkeit auf andere
86
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
relevante Unternehmensteile übertragen mit dem Ziel, Erfolge zu teilen und gegenseitig im Unternehmen voneinander zu lernen. Abschließend soll der DMAIC-Zyklus noch einmal zusammenhängend an einem Beispiel erläutert werden. Das Problem bildet eine Leckage an einer FrontladerWaschmaschine. Sie bewirkt, dass sich beim Waschvorgang Wassertropfen an der Frontseite unter dem horizontalen Einfüllfenster bilden, welche die Funktionsfähigkeit der Maschine nicht beeinträchtigen, aber eine optisch sichtbare und ästhetisch störende Spur hinterlassen. Dies hatte zu Kundenbeschwerden geführt. In der Define-Phase des Six Sigma Projekts wurde das Problem in der Weise eingegrenzt, dass die Kundenanforderung „Dichtes Türsystem“ (Y) durch Dichtungsmaterial, den Schließmechanismus und/oder den Wasserdruck (Xs) erreicht bzw. nicht erreicht wird. In der Measure-Phase wurden die Ist-Werte der heutigen Performance sowie die Grenzwerte der Einflussfaktoren, ab denen der Fehler auftritt, ermittelt. Die Streuung der Werte war dabei relativ groß. Auf der Basis dieser Ergebnisse wurden die jetzige Fähigkeit und die zu erwartenden Defekte berechnet. In der Analyse-Phase wurden mit einem Pareto-Chart die Hauptursachen für den Defekt ermittelt. Fast 80 % des Problems wurden durch die Türdichtung verursacht, ca. 10 % durch das Türglas, 5 % durch das Scharnier und der Rest durch die Passform des Rahmens der Tür. Mit Hilfe einer Ursachen-Wirkungs-Analyse auf der Basis des Ishikawa-Diagramms konnten die Einflussfaktoren in Beziehung gesetzt und gewichtet werden, und zwar insofern, ob die Ursachen z.B. stärker im Material, dem Fertigungsprozess oder der Qualifikation der Mitarbeiter (weitere Xs) lagen. Durchgeführt wurden hierzu Versuchsplanungen mit einem teilfaktoriellen Design of Experiment, die sich darauf konzentrierten, den Druck zu messen, wenn das System leckt. Die folgende Improve-Phase konzentrierte sich darauf, aus den zu vernachlässigenden Einflüssen die wenigen maßgeblichen herauszufiltern. So war z.B. auch untersucht worden, ob die Wassertemperatur in der Waschmaschine oder die Lufttemperatur und -feuchtigkeit außerhalb (weitere potenzielle Xs) eine ursächliche Wirkung besitzen. Die besten Parametereinstellungen wurden dann erreicht, wenn das Scharnier an der Tür verändert wurde und mit der identischen Dichtung und dem bisherigen Schließmechanismus ein gleich großer Druck an allen Stellen des Bullauges sichergestellt war. Der Umstellungsaufwand in der Produktion war minimal, da es nur um eine veränderte Bohrung und damit Führung für den Türbolzen ging. Die hierdurch zu verzeichnende negative Image-Wirkung für das Produkt konnte behoben werden. Die anschließende Control-Phase belegte, dass der Prozess des defektfreien Türschließens und leckagefreien Waschbetriebs stabil war. Die Werte des Streuungsindexes bewegten sich alle im zulässigen Intervall. Zusammenfassend werden in einem 12-Phasen-Schema die wesentlichen Aktivitäten eines Six Sigma Projektes auf der Basis des DMAIC-Prozesses in Abbildung
Abbildung 35: 12-Phasen-Schema eines Six Sigma Projektes
Control
Improve
Analyse
Measure
Define
Six Sigma Prozess
Ziel der Problemlösung
hierdurch erreicht
(CTQw )? ij
12 Welche (nicht-)finanziellen Wirkungen haben wir
und seine (ihre) Phasen auf Dauer (Pci )?
11 Wie stabilisieren wir den (die) veränderten Prozess(e)
dann besser (KZ t=2 ij )?
10 In welchem Maße erfüllen wir die CTQs
CTQs auf der Basis analysierter Ursachen-Wirkungs-Beziehungen durch (CTQvij )?
9 Welche Verbesserungen führen wir bei den
Pi P1
KZ12
v
z
c
Pi
c
P1 w
t=2 KZijt=2 KZ12
v
KZ12 CTQij CTQ12
KZijz
t=1 KZijt=1 KZ12
KZij
CTQij CTQ12
12 CTQijw CTQ12
11
10
9
8
8 Welches Zielniveau legen wir für die CTQs fest (KZzij)?
6
5
7
Wie messen wir die Erfüllung der CTQs durch Kennzahlen und Messgrößen (KZij)?
Aj
A31
P3
w
CTQ23
w
CTQ21
c
P2
t=2 KZ23
t=2 KZ21
CTQ23
v
CTQ21
v
w
CTQ31
c
P3
t=2 KZ31
v
CTQ31
KZ21 KZ31 KZ23 KZt=1 t=1 21 t=1 KZ31 KZ23 z KZ21 z KZz23 KZ31
CTQ21 CTQ31 CTQ23
A23
A21
P2
Projekt Charter 3 Prozesse Z 2 A 1 i e 4 A l 2 A12 1 uk A3 n d e " -" -" (n)"
7 Wie erfüllen wir heute die CTQs (KZt=1 ij )?
6
Critical to Quality Merkmale (CTQij)?
5 Was sind dabei die Werttreiber als
durch welche Prozesse erfüllt (Aij)?
4 Welche Kundenanforderungen werden
3 Was sind unsere kundenorientierten Prozesse (Pi)?
2 Was sind seine (ihre) Anforderungen (Aj)?
1 Wer ist (sind) unser(e) Kunde(n)?
Six Sigma Basis: Problembeschreibung
Armin Töpfer 87
35 wiedergegeben. Die meisten Inhalte sind dabei durch die vorstehenden Ausführungen selbsterklärend, so dass die Interpretation kurz gehalten werden kann.
88
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Die Ausgangsbasis ist immer die Problembeschreibung, das Ziel der Problemlösung und die darauf basierende Projekt bzw. Team Charter. Wie erkennbar ist, werden die fünf Schritte des DMAIC-Zyklus nicht nur einmal, sondern in den 12 Phasen des gesamten Six Sigma Prozesses mehrfach inhaltlich durchlaufen. Die Ausgangsbasis in der Define-Phase ist die Analyse der Kunden (1) und ihrer wichtigsten Anforderungen (2). Hieran schließt sich die Präzisierung der kundenorientierten Prozesse im Unternehmen an (3). Dies ist in nicht wenigen Unternehmen bereits eine Hürde, und zwar erst recht, wenn es darum geht, welche Kundenanforderungen durch welche Prozesse erfüllt werden (4). Wenn die Prozessphasen im Detail analysiert und beschrieben sind, lassen sich hierauf bezogen die Werttreiber als Critical to Quality Merkmale (CTQs) ermitteln (5). Durch sie werden die Kundenanforderungen mit den Prozessen erfüllt. Deshalb ist es erforderlich, Kennzahlen und Messgrößen für die Erfüllung dieser CTQs festzulegen (6). Nun beginnen weitere Aktivitäten für die Mess- und Analysephase, nämlich wie gut erfüllen wir heute die Kundenanforderungen (7) und welches Zielniveau wollen wir in der Zukunft erreichen (8). Die Improve-Phase setzt auf dem vorstehend ausführlich beschriebenen Analyseprozess von Ursachen (Xs) und Wirkungen (Ys) auf und filtert die Verbesserungen mit der stärksten Wirkungskombination heraus (9). Hieran schließt sich die Messung in der Control-Phase an, um über die Kennzahlen (KZ) zu ermitteln, um wie viel besser jetzt die CTQs erfüllt werden (10). Die anschließende Aufgabe besteht darin, die veränderten Prozesse auf dem geforderten Niveau zu stabilisieren (11). Die abschließende Ermittlung der gesamten Wirkungen bildet die Grundlage für die Berechnung des Net Benefit (12). Der gesamte DMAIC-Zyklus soll an dieser Stelle zur Verdeutlichung des Zusammenhangs der einzelnen Phasen noch einmal an einem konkreten Beispiel in seinen Inhalten nachvollzogen werden (siehe Abbildung 36). Es handelt sich dabei um einen Flugzeugturbinen-Hersteller, bei dem generell bei seinem Produkt und allen wichtigen Vorprodukten 6σ-Qualität gefordert ist. Das Ziel ist bei diesem Six Sigma Projekt die Minimierung der Durchlaufzeiten bei der Wareneingangsprüfung. Als zu optimierende Ziel- und Messgrößen sind in der Define-Phase der Mittelwert und die Standardabweichung der Abteilungsdurchlaufzeiten definiert worden. Zur Minimierung des Datenbeschaffungsaufwands dient in der MeasurePhase ein vorhandener Datensatz aus dem Qualitätsmanagement-Bereich. Auf der Basis der ermittelten Messgrößen werden in der Analyse-Phase mit Hilfe einer Regressionsanalyse die kritischen Prozessschritte identifiziert. Die Analyse ergab, dass in dem Prozessabschnitt, der für die visuelle Beurteilung von Bauteilen zuständig ist, die höchste Streuung im Zeitverbrauch vorliegt. Dieser Bereich ist damit offensichtlich ein Engpassbereich. Die Begründung für die große Streuung ist eindeutig: Im Gegensatz zu einer zuverlässigen Prüfung durch eine Messmaschine – wie sie in anderen Prüfverfahren/-abteilungen üblich ist – besteht bei der visuellen Bauteil-Begutachtung ein relativ hoher Interpretationsspielraum seitens der verschiedenen Prüfer (vgl. Seufferlein 2003, S. 307).
Armin Töpfer
89
Projektziel: Minimierung der Durchlaufzeiten Nächstes Projekt: Verringerung bei der Wareneingangs-Prüfung von Fertigungstoleranzen in der Define Prototypenphase
Control Überwachen der eingeleiteten Maßnahmen mit Hilfe von SPC
Measure
DMAIC-Zyklus
Improve
Analyse
1 Entwickeln von Hypothesen zum Prozessverhalten/ z.B. „Durchlaufzeit in der Abteilung verhält sich proportional zur Mitarbeiteranzahl“ 2 Überprüfen von Prozessverbesserungen mit Simulationssoftware CrystalBall („Monte-Carlo-Simulation“) 3
Ver-/Abgleichen von realen Datensätzen mit dem simulierten Prozessverhalten, d.h. Verifizieren des Modells
4 Optimieren des Prozesses auf Basis des statistischen Modells/ Ergebnis: Reduzieren der Standardabweichung um 30% durch verbesserte Auftragseinsteuerung 5 Umsetzen von konkreten Verbesserungsmaßnahmen/ z.B. Abteilungsleiter erhält Ist-Bedarfsvorschau mindestens 10 Tage im voraus
Ermitteln von Mittelwert und Standardabweichung der Abteilungsdurchlaufzeiten
Identifizieren von kritischen Prozessschritten mit Regressionsanalyse auf Basis Minitab: „Visuelle Beurteilung von Bauteilen“ als prozessbestimmende Unterabteilung mit höchster Streuung („Flaschenhals“)
Six Six Sigma Sigma ==
wertvolles wertvolles Tool Tool für für schnelle schnelle
+
nachvollziehbare nachvollziehbare Prozessoptimierung Prozessoptimierung
Quelle: Seufferlein, R. (2003), QZ 04/03, S. 306-309
Abbildung 36: Six Sigma Projekte im Einkauf von MTU Aero Engines
Den Verbesserungsmaßnahmen in der Praxis wurden zunächst Hypothesen zum Prozessverhalten und Simulationen für Verbesserungen zugrunde gelegt. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich die Standardabweichungen der Input-, Prozess- und Outputmessgrößen weitestgehend linear zueinander verhalten. Bezogen auf die Prozess-Durchlaufzeit bedeutet dies: Verringert man die Standardabweichung des Teilprozesses „Einsteuerung von Prüfaufträgen“ um 20 %, dann verringert sich die Standardabweichung des Hauptprozesses „Wareneingangsprüfung“ ebenfalls um 20 %. Die konkret umgesetzten Ergebnisse in der Improve-Phase erbrachten eine verbesserte Auftragseinsteuerung mit einer um 30 % geringeren Zeitabweichung in der Wareneingangsprüfung. Zugleich wurde hierdurch eine deutlich bessere Planungsgrundlage für den Einkauf mit einer 10-Tages-Vorausschau erreicht. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurden mit dem nächsten Six Sigma Projekt die Fertigungstoleranzen bei der Prototypenerstellung reduziert.
4
Wirkungen und Ergebnisse von Six Sigma
Auf diese Wirkungen und Ergebnisse von Six Sigma Projekten und einer gesamten Six Sigma Initiative wird zum Abschluss dieses Artikels detaillierter eingegangen. Die Kernfragen sind dabei, welche Wirkungen sich durch die Verbesserungen in einem Six Sigma Projekt nachweisen lassen und welche Ergebnisse
90
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
dann diesem einzelnen Projekt zugerechnet werden respektive zugerechnet werden können. Zwei Kriterien besitzen hierbei eine zentrale Bedeutung, nämlich die Zeitdauer der Zurechnung und die Art der Wirkungen. Bezogen auf die Zeitdauer gibt es in der Weise eine weitgehend einheitliche Regelung, dass in den Net Benefit nur die Wirkungen und Ergebnisse der ersten zwölf Monate seit dem Projektabschluss eingerechnet werden. Dies ist eine „puristische“ Nutzenermittlung, da für diese Zeitspanne unmittelbare Wirkungsbeziehungen unterstellt bzw. erwartet werden können. Bezogen auf die Art der Wirkungen ist nach dem „Härtegrad“ der durch die Verbesserungen erreichten Ergebnisse zu fragen. Dies impliziert, welche Kosteneinsparungspotenziale und welche Nutzensteigerungspotenziale in die Ergebnisberechnung einbezogen werden. Auch bei dieser Kosten-Nutzen-Analyse empfiehlt sich eine konservative Berechnung, zum einen um sich keine Scheinwirkungen zuzurechnen und zum anderen um dann berechtigte Kritik von vornherein zu vermeiden (vgl. Bruhn/Georgi 1999, S. 33ff.). Unterschieden wird zwischen harten, d.h. direkten, und weichen, d.h. indirekten, Wirkungen sowie darauf basierend zwischen vier Arten von Einsparungen und Mittelzuflüssen (Savings): •
Direkte Einsparungen auf der Kostenseite (Savings 1) sind vor allem vermiedene operative Fehlerkosten. Durch den dann nicht erzeugten Ausschuss, die nicht erforderliche Nacharbeit und/oder vermiedene zusätzliche Prüfvorgänge lassen sich unmittelbare ausgabenwirksame Effekte vermeiden, die das Betriebsergebnis schmälern.
•
Direkte Wirkungen auf der Erlösseite (Savings 2) sind vor allem durch vermiedene operative Fehlerkosten – im Sinne von Kosten von Blindleistungen – bewirkte Einnahmen- und dadurch Umsatzsteigerungen. Wenn gegenüber dem Kunden keine Kulanz in Form von Preisreduzierung oder Wandlung notwendig ist, dann führt dies aufgrund der vermiedenen Margenschmälerung zu einem operativen Geldzufluss durch erbrachte fehlerfreie Marktleistungen.
•
Indirekte Einsparungen auf der Kostenseite (Savings 3) entstehen dadurch, dass durch vermiedene operative Fehlerkosten der Aufwand an Lagerhaltung, Logistik, Disposition, Verwaltung und Technischem Service deutlich geringer gehalten werden kann. Dies entspricht vermiedenen operativen Fehlerfolgekosten, die zugleich die Kapitalbindung reduzieren. Aufgrund des Gemeinkostencharakters besteht hier allerdings das Problem, die Kosteneinsparungen bezogen auf das einzelne Six Sigma Projekt konkret zu beziffern.
•
Indirekte Wirkungen auf der Erlösseite (Savings 4) entsprechen den vermiedenen strategischen Fehlerfolgekosten. Sie sind bekanntlich dadurch gekennzeichnet, dass unzufriedene Kunden nicht mehr kaufen und abwandern sowie ihre negativen Erfahrungen anderen mitteilen, die dann ebenfalls nicht beim
Armin Töpfer
91
Unternehmen kaufen. Im gegenteiligen Fall – bei hoch zufriedenen Kunden – wäre nicht nur die „Null-Linie“ erreicht, sondern zusätzlich positive Empfehlungseffekte. Dies gipfelt in der Berechnung des direkten und potenziellen Kundenwertes im Sinne der Customer Equity, also des Kapitalwertes eines Kunden (vgl. Töpfer 1999, S. 346ff.). Der Kundenzufriedenheitsindex (CSI) und der Kundenbindungsindex (KBI) sind hierfür eine verwertbare Berechnungsbasis. Diese Ausführungen machen deutlich, dass die ersten beiden direkten Wirkungen (Savings 1 und 2) unmittelbare Liquiditätswirkungen besitzen, also direkt den Cash Flow erhöhen. Die beiden folgenden indirekten Wirkungen (Savings 3 und 4) haben demgegenüber nur auf Opportunitätskosten und -erlöse bezogene Wirkungen. Sie mehren also rechnerisch den Unternehmenserfolg, ohne bereits kurzfristig zu einem nachweisbaren Liquiditätszufluss und dadurch zu einer Ergebnissteigerung zu führen. Abbildung 37 stellt diese Zusammenhänge bildlich dar.
Qualität
Savings 1-4 Innovation
Zeit
Kosten
ng irku sw rlö ig) e / ist nste erfr sko äng Savings 4 ität kt + l n u e t por (indir Op
ng irku tig) s sw Savings 2+3 ität urzfri d i u k L iq e k t + Prozess/ r i (d
Savings 1
Unternehmenserfolg/ Unternehmensergebnisse erhöhen
Kundenzufriedenheit/ Kundennachfrage steigern
Prozessergebnis verbessern = Erträge steigern
Fehler/ Fehlerkosten reduzieren CTQ aus Unternehmenssicht CTQ aus Kundensicht
CTQ = Critical to Quality Merkmale
Abbildung 37: Six Sigma Projektwirkungen
Damit ist bereits klar, dass in die Net Benefit Analyse von Six Sigma Projekten nur die beiden ersten direkten Wirkungen (Savings 1 und 2) eingerechnet werden können. Savings 3 können innerhalb von 12 Monaten bereits anfallen, sind aber in ihrer Größenordnung nur schwer isoliert zu bestimmen. Savings 4 entwickeln ihre Wirkung i.d.R. erst längerfristig und sind dann auch nur in einem potenziellen Ausmaß berechenbar. Von den berücksichtigten Savings sind jeweils die direkten Kosten durch die Ressourcenbindung von Personal und Sachmitteln in einem Six Sigma Projekt in Abzug zu bringen. Dies ergibt den Net Benefit. Er ist also die
92
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Summe der direkten Einsparungen und direkten Erlöse durch ein Six Sigma Projekt abzüglich der direkten Kosten bei der Projektdurchführung. Die sich hieran anschließende Frage ist die nach der Höhe der durchschnittlichen operativen Netto-Einsparungen respektive -Einnahmen durch ein einzelnes Six Sigma Projekt. In der Unternehmenspraxis ist hierüber eine deutlich größere Auskunftsbereitschaft zu verzeichnen als zum Weg und den Methoden, wie diese positiven Effekte erzielt wurden. Die Zahlen und Angaben hierzu schwanken beträchtlich, da dies – wie eingangs ausgeführt – von der Art und dem Ansatzpunkt des Projektes sowie von der Anzahl der durchgeführten Projekte und dem Six Sigma Fähigkeitsniveau im Unternehmen abhängt. Der Standardwert in größeren Unternehmen mit einem entsprechenden Durchsatz in den Prozessen und Volumen an Produkten liegt bei ca. € 125.000 pro 3-6 Monatsprojekt. Die Untergrenze reicht bei Trainingsprojekten in der Black Belt Ausbildung bis € 25.000. Eine Obergrenze lässt sich kaum ausmachen, da sie von den oben genannten Faktoren abhängt. Die unmittelbare Folgefrage ist, ob sich durch Six Sigma Projekte weitere übergeordnete Kosteneinsparungen respektive Erlössteigerungen realisieren lassen. Generell ist davon auszugehen, dass mit steigender Anzahl von durchgeführten Six Sigma Projekten hohe Erfahrungskurveneffekte (Economies of Experience) im Unternehmen zu verzeichnen sind, auch wenn der isolierte Lerneffekt aus Six Sigma Projekten am Anfang deutlich höher ist. Eine hohe kundenorientierte Qualität, dadurch dass die CTQs gut erfüllt werden, führt aufgrund der Savings 2 und vor allem der Savings 4 zu nachvollziehbaren Umsatzsteigerungen und damit zu Skaleneffekten (Economies of Scale). Economies of Scope lassen sich als Verbundeffekte durch Six Sigma Projekte in dem Maße erzielen, in dem gemeinsame Fertigungsanlagen für mehrere Produktgruppen genutzt werden. Zusätzlich entstehen sie vor allem dadurch, wenn von den Lieferanten eines Unternehmens ebenfalls gefordert wird, dass sie das gleiche Sigma-Niveau wie ihr Abnehmer in der Wertschöpfungskette erreichen. Erfahrungswerte belegen, dass Einsparungen in produzierenden Unternehmen aufgrund des höheren betriebsnotwendigen Kapitals in größeren Ausmaß in Form von Kosteneinsparungen anfallen. In umgekehrter Sicht tritt in Dienstleistungsunternehmen eine Ergebnisverbesserung durch Six Sigma Projekte überwiegend durch Umsatzsteigerungen und weniger durch Kosteneinsparungen auf. Nachdem General Electric Mitte der 1990er Jahre mit Six Sigma Aktivitäten begonnen hatte, wurden die Zahlen der erreichten Net Benefit Summen von diesem Unternehmen pro Jahr veröffentlicht. Dies verdeutlichte zum ersten Mal in harten Zahlen, welche Ergebniswirkungen mit Six Sigma Projekten erreichbar waren. Nicht zuletzt hierdurch kam es in führenden Unternehmen von Branchen mit intensivem Wettbewerb zu der an früherer Stelle beschriebenen „Six Sigma Bewegung“. Abbildung 38 zeigt die Kosten und die Einsparungen sowie damit auch die Netto-Effekte der realisierten Six Sigma Projekte. Insgesamt waren unter
Armin Töpfer
93
Jack Welch als ehemaligem CEO über 100.000 Six Sigma Projekte in allen unterschiedlichen Sparten des Unternehmens durchgeführt worden. 1996 war der Aufwand größer als die erzielten Einsparungen. Diese stiegen in den Folgejahren überproportional an, so dass für das Jahr 1999 ein Net Benefit von ca. $ 2,0 Mrd. und für das Jahr 2000 ein Net Benefit von $ 2,9 Mrd. erreicht wurde. Wie nachvollziehbar ist, stieg ab 1997 das Verhältnis von Einsparungen zu Kosten kontinuierlich um mindestens einen Faktor, also zunächst eine Verdoppelung (1997/ 1998), im Jahre 1999 ist die Relation bereits 5 zu 1, im Jahre 2000 fast 6 zu 1. • Verbesserung der internen Prozesse interessiert den Kunden nicht
3.500
• Jedes neue Produkt ist „DFSS“ – Designed For Six Sigma
3.000
• In wenigen Jahren wird die Kultur und das Management unumkehrbar von Six Sigma geprägt sein
2.000
• Six Sigma wird dabei auf den Erfolg des Kunden fokussiert sein
3.500
In Mio. $
2.500
2.500
1.200
1.500
700
1.000 500
170 200
380
450
500
600
1997
1998
1999
2000
0
1996
Kosten
Einsparungen
„Abweichung ist der Teufel in allen Kundenkontakten“ Kundenkontakten“ Quelle: General Electric 1999/2001
Abbildung 38: Six Sigma bei General Electric
Unter Jeffrey Immelt, dem neuen CEO seit 2001 und ausgebildeten Black Belt, wird diese Initiative mit der gleichen Priorität und entsprechendem Nachdruck weitergeführt (vgl. Effinger/Layne 2002, S. 2f.). Das Unternehmen GE arbeitet intensiv daran, das Six Sigma Konzept in der gesamten mehrstufigen Wertschöpfungskette, also auch bei den Kunden- und Lieferanten-Unternehmen, zu etablieren (vgl. Brady 2003, S. 60ff.). Gemäß dem Motto „The more successful our customers are, the more successful we will be!“ besteht das Ziel bei GE darin, die Produktivität und Wirtschaftlichkeit des gesamten Leistungserstellungsprozesses zu optimieren. Trotz der vielfältigen Bedenken hinsichtlich eines möglichen Know-how-Abflusses in den Kunden-Unternehmen haben im Jahr 2003 bereits 40 % aller GE-Partner Interesse an der Einführung eines Six Sigma Projektmanagements bekundet. Neben der Bereitstellung von Black Belts für Projekttätigkeiten bietet GE seinen Kunden intensive Six Sigma Trainingsmaßnahmen, umfangreiche Marktforschungsstudien über gemeinsame Märkte sowie teilweisen Zugang zu wichtigen Forschungsaktivitäten und -ergebnissen an.
94
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
Nun wieder zurück zum generellen Thema der mit Six Sigma erreichbaren Verbesserungen: Externe Kunden interessiert die Verbesserung der internen Prozesse beim Lieferanten nicht unmittelbar, sondern nur indirekt in dem Maße, wie die Qualität der Marktleistungen aus Kundensicht deutlich gesteigert wird. Entsprechendes gilt für Shareholder und dabei speziell für institutionelle Anleger und Analysten. Sie sind nicht unmittelbar an einer Erhöhung des Sigma-Niveaus in führenden Unternehmen interessiert, sondern an einer Erhöhung der Rentabilität und damit der Dividende und der Marktkapitalisierung. Allerdings verstehen immer mehr Kapitalmarkt-Experten den Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang zwischen einer Steigerung des Sigma-Niveaus und einer zumindest mittelfristig dadurch erzielbaren Steigerung des Unternehmenswertes. Jedoch muss davor gewarnt werden, einen Automatismus zwischen dem Beginn und der Durchführung einer Six Sigma Initiative in einem Unternehmen sowie einer sich dann ergebenden Steigerung des Unternehmenswertes zu unterstellen. Die Entwicklung und das erreichte Niveau von General Electric sind sicherlich nicht verallgemeinerbar. Dies ist vor allem darin begründet, dass General Electric bereits vor der Six Sigma Initiative – insbesondere durch das vorherige mehrjährige Workout-Programm – bereits ein hohes Niveau der Unternehmensqualität erreicht hatte und damit gut vorbereitet war für die „Six Sigma Reise“. Dies trifft auf viele andere Unternehmen nicht zu, da sie weder ein vergleichbares Ausgangsniveau noch einen entsprechenden Reifegrad des Managements besitzen. Diese Erkenntnis sollte Unternehmen, die Six Sigma einführen wollen, eher dazu bewegen, die Messlatte der Anforderungen für eine erfolgreiche Umsetzung höher zu definieren, um so Misserfolge und Frustrationen zu vermeiden. Vergleicht man die erwirtschafteten Net Benefits unterschiedlicher Unternehmen, soweit sie veröffentlicht und damit verfügbar sind, dann zeigen sich erhebliche Unterschiede in der Höhe der im Zeitablauf erwirtschafteten Einsparungen durch Six Sigma. Ein Effekt ist dabei nachvollziehbar, nämlich das die Zuwächse in späteren Jahren deutlich höher sind als zu Beginn. Dies unterstützt die oben formulierten Thesen, dass eine Six Sigma Initiative mehrere Jahre benötigt, um im Unternehmen nach dem Roll-Out eine breite Flächenwirkung als Erfahrungskurveneffekte zu entfalten, und dass sich über die Wirkungen am Markt erst nach mehreren Jahren nachhaltige Skalen- und Verbundeffekte einstellen. Abbildung 39 gibt diese Zahlen der Unternehmen Motorola, General Electric und Allied Signal wieder. Diese Ergebnisse sprechen für sich. Die Frage ist dann generell, wie die erwirtschafteten liquiditätswirksamen Einsparungen, also effektiven Geldzuflüsse, verwendet werden. Hierzu gibt es zumindest eine plausible „Daumenregel“, die für Normalsituationen in der Unternehmenspraxis gilt: •
Ein Drittel soll den Kunden zugute kommen, und zwar direkt über Preise bzw. Rabatte oder indirekt über Investitionen in einen höheren Kundennutzen.
Armin Töpfer
95
•
Ein Drittel verbleibt als Gewinn im Unternehmen und kommt damit unmittelbar den Shareholdern durch Ausschüttung zugute oder steigert den Unternehmenswert.
•
Das letzte Drittel wird aufgeteilt, und zwar zum einen in der Weise, dass die Prämien der Six Sigma Akteure und dabei insbesondere der Black Belts hieraus finanziert werden. Circa 10 % der erwirtschafteten Einsparungen sollten in Six Sigma Projekte (re-)investiert werden, um so einen ausreichenden finanziellen Rahmen für das Heben von weiteren Kostensenkungspotenzialen durch Six Sigma Projekte zu haben. Dies fördert auf Dauer Motivation und Engagement und sichert den erforderlichen Budgetrahmen in Anschubphasen. 3σ
Motorola
1,4 Mrd. $ in 8 Jahren
1987 1987
1995 3σ 1995
Allied Signal
1992
1999
16 Mrd. $ in 17 Jahren
1987
General Electric
1994
14 Mrd. $ in 13 Jahren
1,2 Mrd. $ in 4 Jahren
2003
3,5 σ 1998
6 Mrd. $ in 6 Jahren
1,5 Mrd. $ in 5 Jahren
Ziel: 6 σ
Be isp
iel
e
2000
1996
Six Sigma = Cash-Generator zur Steigerung des Unternehmenswertes Quelle: Air Academy Associates 1999; Conlin in: Forbes 26.01.98; General Electric/ Motorola University: What is Six Sigma?; 24.04.2003
Abbildung 39: Ersparnis durch Six Sigma
5
Sieben Missverständnisse zu Six Sigma
Abschließend und zusammenfassend wird auf sieben Missverständnisse über die Anwendbarkeit von Six Sigma aus Sicht der Unternehmenspraxis und aus Sicht der Statistik eingegangen. Sie sind in Abbildung 40 aufgeführt und werden im Folgenden kurz erläutert. Die Argumentation richtet sich dabei weniger an Qualitätsmanagementexperten, sondern vielmehr an das Management, um die Philoso-
96
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
phie, statistische Umsetzung und praktische Anwendung des Six Sigma Konzeptes besser zu verstehen.
1
Nur bei Prozessen mit hoher Fallzahl möglich
2
Nur absolute Fehlerzahl/Fehlerrate (PPM) berücksichtigt
3
Prozesse und Qualitätsniveaus aufgrund unterschiedlicher Komplexität nicht vergleichbar
4
Immer absolute Fehlerfreiheit gefordert
5
Ziel, Ergebnisse sind immer innerhalb definierter Toleranzen, betrachtet werden aber Abweichungen außerhalb der Toleranzgrenzen
6
Steigerung der Qualität von 99% auf Six Sigma Niveau bringt nur geringe Kosteneinsparungen
7
Wirkungen von Six Sigma Projekten „schöngerechnet“, da auch indirekter Nutzen durch z.B. Kundenbindung und Weiterempfehlung berücksichtigt
Abbildung 40: 7 Missverständnisse über die Anwendbarkeit von Six Sigma
Das erste Missverständnis geht dahin, dass die Vorstellung besteht, Six Sigma sei nur bei Prozessen mit einer hohen Fallzahl möglich. Wie ausgeführt wurde, ist die Basis von 1 Million zweckmäßig, um die Fehlerhöhe bei 6 σ nicht ausschließlich in Dezimalstellen auszudrücken. Sie sagt aber in keiner Weise etwas über die notwendige Höhe der Fallzahlen. Das zweite Missverständnis besteht darin, dass bei Six Sigma nur die absolute Fehlerzahl, also die Fehlerrate (PPM), von Produkten und Transaktionen berücksichtigt wird. Da auch die Fehlermöglichkeiten, also die Fehlerquote (DPMO), einbezogen werden, wird – bei komplexen Prozessen – eine praxisgerechtere Relation erreicht. Die unterschiedliche Komplexität wird im dritten Missverständnis als Beleg dafür genommen, dass Prozesse und deren Qualitätsniveaus nicht direkt vergleichbar sind. Durch die Berücksichtigung der Fehlermöglichkeiten (OFD) beim DPMOWert und die Berechnung des Sigma-Wertes auf der Basis einer Standardnormalverteilung ist diese Vergleichbarkeit unmittelbar gegeben. Es ist also ein Vergleich von Prozessen völlig unterschiedlicher Art und Inhalte möglich. Bei der Verwendung der Fehlerrate (PPM) als Qualitätsmaßzahl ist dies nicht möglich, da hierbei die Unterschiede in der Prozesskomplexität aufgrund der vorhandenen Bauteile und Montageschritte nicht berücksichtigt werden. Das vierte Missverständnis bezieht sich darauf, dass bei Six Sigma angeblich immer eine absolute Fehlerfreiheit gefordert ist. Dies trifft nicht zu, angestrebt wird vielmehr eine relative Fehlerfreiheit. Sie besagt, dass Fehlerfreiheit dann
Armin Töpfer
97
gegeben ist, wenn alle Werte der untersuchten Transaktion bzw. des analysierten Produktes/Bauteils innerhalb der vom Kunden definierten Toleranzgrenzen liegen und damit die CTQs erfüllt sind. Dies kann offensichtlich auch der Fall sein, wenn Fehler/Mängel vorliegen, die vom Kunden toleriert werden. Das fünfte Missverständnis hat eine statistische Fragestellung zum Gegenstand: Das Ziel ist bei einer Six Sigma Initiative, dass die Ergebniswerte immer innerhalb vom Kunden definierter Toleranzgrenzen und damit möglichst nah am definierten Mittelwert liegen. Betrachtet werden aber bei der Standardnormalverteilung die Abweichungen außerhalb der statistischen Toleranzgrenzen. Die Antwort und Auflösung ist einfach: Basis ist der Sachverhalt, dass Fehler bzw. genauer die Fehlerquote die Komplementärmenge zur Ausbeute sind. Je kleiner also die statistischen Abweichungen im Randbereich der Verteilung sind, desto eher liegen die Werte bei stabiler Streuung und Lage/Niveau innerhalb der vom Kunden definierten Toleranzgrenzen. Das sechste Missverständnis ist zugleich ein massives Vorurteil, dass nämlich die Steigerung der Qualität von 99 % auf Six Sigma Niveau nur geringe Kosteneinsparungen bringt. Wie anhand von Beispielen aufgezeigt wurde, bewirkt praktizierte Null-Fehler-Qualität im Vergleich zum Durchschnitt der Unternehmen mit 3,8 σ Kosteneinsparungen von mindestens 20 % der Gesamtkosten bzw. des Jahresumsatzes, vor allem weil die gesamte Infrastruktur für die Fehlerbeseitigung nicht mehr vorgehalten wird. Das siebte und letzte Missverständnis hat die Nutzenermittlung von Six Sigma Projekten zum Gegenstand, und zwar in der Weise, dass Wirkungen von Six Sigma Projekten „schöngerechnet“ werden, da auch der indirekte Nutzen durch z.B. Kundenbindung und Weiterempfehlung berücksichtigt werden. Hier sind die „Spielregeln“ von Six Sigma völlig klar: Nur liquiditätswirksame Kosteneinsparungen und/oder Umsatzsteigerungen innerhalb von 12 Monaten nach Beendigung eines Six Sigma Projektes fließen in die Berechnung des Net Benefit ein.
6
Literatur
Bertsche, B./Lechner, G. (2004): Zuverlässigkeit im Fahrzeug- und Maschinenbau: Ermittlung von Bauteil- und System-Zuverlässigkeiten, 3. Aufl., Heidelberg 2004. Brady, D. (2003): Will Jeff Immelt´s New Push Pay Off for GE?, in: BusinessWeek, European Ed., 13.10.2003, S. 60-63. Bruhn, M./Georgi, D. (1999): Kosten und Nutzen des Qualitätsmanagements, München/Wien 1999.
98
Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit
DB mobil (Hrsg.) (2004): business. Focus. Hochgeschraubte Perfektion, in: DB mobil, 02/04, 2004, S. 54-55. Edson/ J./Zoyhofski, A. (1999): Testing needs change for Six Sigma Processes, in: http://www.qualitymag.com/Common/print_article.asp, 01.11.1999. Effinger, A./Layne, R. (2002): Immelt´s Way, in: http://www.bloomberg.com/marketsmagazine/cv_0208.pdf, August 2002. Franzkowski, R. (1994): Annahmestichprobenprüfung, in: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement, 3. Aufl., München/Wien 1994. Garthe, E. (2002): Das Six Sigma Dogma bei General Electric, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Business Excellence – Wie Sie Wettbewerbsvorteile und Wertsteigerung erzielen, Frankfurt/M. 2002. Günther, S. (2003): Von der Statistik zur Qualität, in: http://www.sixsigma.biz/presse.htm (Stand: 09.02.04). Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Kaiser, B./Nowack, M.W. (1999): Nur scheinbar stabil: Neue Gesichtpunkte zur Prozessbeurteilung und Qualitätsregelkartentechnik, in: QZ, Jg. 44, 1999, S. 761765. Magnusson, K./Kroslid, D./Bergmann, B. (2001): Six Sigma umsetzen – Die neue Qualitätsstrategie für Unternehmen, München/Wien 2001. Möcke, F. (2001): Zum Erfolg verdammt, in: http://www.heise.de/ct/98/14/016/, 20.01.2003. Pande, P.S./Neumann, R.P./Cavanagh, R.R. (2001): Six Sigma erfolgreich einsetzen: Marktanteile gewinnen, Produktivität steigern, Kosten reduzieren, McGrawHill Book Company, 2001. Pande, P.S./Neumann, R.P./Cavanagh, R.R. (2000): The Six Sigma Way, How GE, Motorola and Other Companies Are Honing Their Performance, McGrawHill 2000. Q-DAS (Hrsg.) (2002): Informationen zu Six Sigma, in: http://www.q-das.de/6sigma_ausbildung.htm, 26.11.2002. Rinne, H./Mittag, H.-J. (1995): Statistische Methoden der Qualitätssicherung, 3. Aufl., Wien 1995. Seufferlein, R. (2003): Durchstarten im Einkauf – Mit Six Sigma und Softwareeinsatz die Beschaffung optimieren, in: QZ, Jg. 48, 2003, S. 306-309. Six Sigma Akademie online unter www.six-sigma.biz
Armin Töpfer
99
Stanard, C. (1999): Six Sigma Special Topics: Z-Shifts, Statistics, Non-Standard Data Analysis, in: http://web.utk.edu/~asaqp/qpr/QRPC1999/papers/, 17.02.2003. Taguchi, G. (1990): Introduction to quality engineering, 7th ed., Hong Kong 1990. Töpfer, A./John, D.L. (1996): Motorolas TQM-Werkzeuge und -Weiterbildungskonzept zur Erreichung höchster Kundenzufriedenheit, in: Mehdorn, H./Töpfer, A. (Hrsg.): Besser – Schneller – Schlanker: TQM-Konzepte in der Unternehmenspraxis, 2. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 1996. Töpfer, A. (Hrsg.) (1999): Kundenzufriedenheit messen und steigern, 2. erw. u. überarb. Aufl., Neuwied/Kriftel 1999. Töpfer, A. (2001): Harmonisch im Dreiklang: Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund, in: QZ, Jg. 46, 2001, S. 1023-1027. Töpfer, A. (Hrsg.) (2002): Business Excellence – Wie Sie Wettbewerbsvorteile und Wertsteigerung erzielen, Frankfurt/M. 2002. Töpfer, A. (2004): Six Sigma – Projektmanagement für Null-Fehler-Qualität in der Automobilindustrie, in: ZfAW, 7. Jg. (2004), H. 2, S. 13-24.
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma Armin Töpfer, Swen Günther
Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
1
Gründe und Ziele von Design for Six Sigma (DFSS)................................................100 Vorgehensweise im Entwicklungsprozess – DMADV ..............................................105 Ermittlung der Kundenanforderungen – VOC...........................................................112 Umsetzung der Kundenanforderungen durch QFD ...................................................117 Integrierter Methodeneinsatz mit Conjoint Analyse und Target Costing...................123 Robuste Produkte und Fehlervorbeugung durch FMEA............................................129 Risikomanagement zur Risikobegrenzung.................................................................133 Zeit- und Kosteneinsparungen mit Hilfe von DOE....................................................138 Erfinderisches Problemlösen mit TRIZ .....................................................................149 Erzielbare Wirkungen durch Design for Six Sigma...................................................165 Literatur .....................................................................................................................169
Gründe und Ziele von Design for Six Sigma (DFSS)
In der Unternehmenspraxis hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Fehler und Versäumnisse in der Produktentwicklung ein Unternehmen in den anschließenden Wertschöpfungsphasen der Produktion und der Vermarktung einschließlich der Aktivitäten im technischen Service und in der Garantie/Kulanz teuer zu stehen kommen können. Die Beschaffung kann zusätzlich in der Weise tangiert sein, dass ein geringerer Anteil an standardisierten Vorprodukten und an Gleichteilen Fehlerkosten und insgesamt Herstellkosten erhöht. In der Produktion können durch eine „intelligente“ Entwicklung des Produktes Kosten dadurch gespart werden, dass Bauteile im Sinne von Design for Manufacturing and Assembly (DFMA) eingespart, vereinfacht und montagefreundlich gemacht werden. In der Servicephase können Defizite der Entwicklung sich dann in erhöhten Servicekosten auswirken, wenn das Produkt wenig servicefreundlich gestaltet ist, also die notwendigen Wartungs- bzw. Reparaturarbeiten aufgrund einer schlechten Konfiguration des Produktes einen zu hohen Demontage- und Montageaufwand erfordert. Dies entspricht der bekannten „Zehnerregel“ des Qualitätsmanagements, dass sich also Defizite und Versäumnisse einer vorgeschalteten Wertschöpfungsphase mit dem Faktor 10 in Fehlerkosten auf jeder nachfolgenden Wertschöpfungsphase auswirken (vgl. Pfeifer 1996, S. 11). In Abbildung 1 sind diese Zusammenhänge vereinfacht dargestellt.
Armin Töpfer, Swen Günther
101
Die Erkenntnis dieser Sachverhalte besagt, dass – entsprechend den Kosten der Übereinstimmung – in einer frühen Phase des Produktlebenszyklus alle Qualitätskosten eine Investition sind mit dem Ziel, Fehlerprävention zu betreiben und damit zukünftige Fehlerkosten zu vermeiden bzw. gering zu halten. Die umgekehrte Sichtweise führt zu dem Ergebnis, dass hohe Kosten der Abweichung dann entstehen, wenn nicht frühzeitig in die Qualität von Produkten und Prozessen investiert wurde und deshalb in späteren Wertschöpfungsphasen kumulierte Fehlerkosten in Kauf genommen werden müssen.
Möglichkeit, um Qualität zu beeinflussen
Kosten, um Qualität zu beeinflussen
Spektrum der Qualitätsbeeinflussung
Spektrum der Qualitätskosten
Idee
Planung Entwicklung Produktion Wartung - Produktentstehung und -verwendung -
Reparatur
Frühe Qualitätsorientierung senkt Kosten
Abbildung 1: Spektrum der Qualitäts- und Fehlerkosten
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, wie hoch die Kosten der einzelnen Wertschöpfungsphasen sind und wie groß ihr Einfluss auf die Kosten im gesamten Lebenszyklus des Produktes ist. Wenn hierbei, wie Abbildung 2 erkennen lässt, ein Missverhältnis vorliegt, dann ist dies ein gezielter Ansatzpunkt für konkrete Verbesserungen. In der Entwicklungsphase besteht demnach das größte Missverhältnis, da 5 % der effektiven, also tatsächlichen Kosten bis zu 70 % der Gesamtkosten beeinflussen respektive festschreiben können. Ein schlechtes technisches Design des Produktes und ein unzureichender Design- bzw. Entwicklungsprozess können diese hohen Auswirkungen auf die Gesamtkosten verursachen. Genau hier besteht der Ansatzpunkt für Design for Six Sigma (DFSS). Aus diesem Grund gilt es gerade bei komplexen Produkten, wie z.B. Automobilen, Computern und Handys, Qualität von Beginn an „hineinzuentwickeln“ und Maßnahmen zur Fehlervermeidung so früh wie möglich zu ergreifen. Entsprechendes gilt auch für Dienstleistungsprodukte: Wenn z.B. eine Telefongesellschaft auf der Basis unterschiedlicher Nutzungszeiten und Kundengruppen eine Vielzahl
102
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
von Tarifen anbietet, dann führt die Komplexität unweigerlich zu Problemen und Fehlern in der Erfassung und Abrechnung. Die Folge sind unzufriedene Kunden. Werden hingegen nur ein oder zwei Tarife angeboten, dann sind die Gebührenerfassung und -abrechnung deutlich einfacher zu handhaben. Einfachere Hard- und Software sowie weniger Fehlermöglichkeiten gehen einher mit einer höheren Transparenz, was insgesamt die Kundenzufriedenheit steigert. Anteil an Gesamtkosten Effektive Kosten der Phasen
30%
15%
Verwaltung
5% 5% 20%
Personal
Material
Einfluss auf die Kosten im Lebenszyklus
70%
50%
5%
Design/ Entwicklung
Bei Bei Design/ Design/ Entwicklung: Entwicklung: Geringer Geringer Kostenanteil Kostenanteil versus versus hohe hohe Kostenauswirkung Kostenauswirkung Quelle: Harry/Schroeder 2000, S. 153
Abbildung 2: Einfluss von Design/Entwicklung auf die Gesamtkosten
Analysen in der Unternehmenspraxis haben ergeben, dass die Produktzuverlässigkeit über die Lebenszeit in einer „Badewannenkurve“ verläuft. Abbildung 3 verdeutlicht diesen Sachverhalt. Am Anfang existiert eine erhöhte Fehlerrate aufgrund der „Kinderkrankheiten“ eines Produktes, also nach der Markteinführung auftretenden Problemen und Fehlerkosten, die sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion begründet sein können. Der „Boden der Badewanne“ wird unmittelbar durch Defizite in Form von Design- und Entwicklungsschwächen gebildet. Am Schluss des Produktlebenszyklus erhöhen sich die Produktmängel durch Abnutzungserscheinungen. Die hierbei entstehenden Kosten können nur durch die Auslegung des Produktes für eine definierte Lebenszeit bzw. durch entsprechende Wartungs- und Instandsetzungsaktivitäten beeinflusst werden. Durch die Qualität der Entwicklung werden also die Kosten und die Kundenzufriedenheit im gesamten Lebenszyklus des Produktes geprägt. Es liegt auf der Hand, dass hierdurch unmittelbar eine Förderung oder Beeinträchtigung des Unternehmens im Wettbewerb verursacht wird. Das Ziel besteht darin, die Kosten in
Armin Töpfer, Swen Günther
103
den drei Phasen so zu reduzieren, dass – bildlich gesprochen – aus der „Badewanne“ ein „flacher Teich“ wird. Konkret bedeutet dies, dass sowohl die Fehlerrate nach der Einführung und vor dem Absterben des Produktes reduziert wird. Der wichtige Block von Kosten aufgrund der Design- und Entwicklungsschwächen in der Mitte soll ebenfalls verringert werden, und zwar oftmals mit dem Ziel, zugleich den Lebenszyklus des Produktes insgesamt zu verlängern.
Fehlerrate
I Anfangsausfall (Kinderkrankheiten)
II Weitgehend störungsfreie Nutzung (Arbeitsleben)
III Abnutzung (Alterungsprozess)
Lebenszyklus
0
Fehlerrate
Qualitätsschwächen
Ausfall durch Abnutzung Probleme durch Design-/ Entwicklungsschwächen
0
Zeit Quelle: Harry/Lawson 1992, S. 1-4
Abbildung 3: Die „Badewannenkurve“ der Produktzuverlässigkeit
Im Ergebnis laufen diese Erkenntnisse darauf hinaus, dass die Funktionsfähigkeit eines Produktes nicht automatisch die Prozessfähigkeit der Produktherstellung bedeutet und umgekehrt. Der entscheidende Ansatzpunkt für Verbesserungen in der Produktentwicklung ist ein robustes Design, das die Grundlage für robuste Produkte und gleichzeitig für robuste Prozesse bildet. „Robust“ steht dabei für eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit von Produkten im Produktlebenszyklus und eine hohe Zuverlässigkeit (Fehlerfreiheit) der zugrundeliegenden Unternehmensprozesse. Die Robustheit von Produkten und Prozessen lässt sich im Unternehmen indirekt, z.B. mit Hilfe von internen/externen Fehlerraten bzw. -quoten, messen. Sie spiegelt sich außerdem im Sigma-Niveau des Outputs von Geschäftsprozessen wider, das – in Abhängigkeit von Unternehmen, Branche und Six Sigma Erfahrung – zwischen 3 und 6 Sigma liegt (vgl. hierzu den Artikel von Töpfer: „Six Sigma als Projektmanagement“). Aus Abbildung 4 ist ersichtlich, dass zum Erreichen eines hohen Sigma-Niveaus der Einsatz traditioneller QM-Methoden auch in Verbindung mit Six Sigma Projekten im Allgemeinen nicht ausreicht. In Höhe eines „5-Sigma-Niveaus“ existiert die sogenannte „5-Sigma-Wand“. Six Sigma Projekte in verschiedenen Unter-
104
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
nehmen haben gezeigt, dass ein Sigma-Niveau zwischen 4 und 5 in einem relativ kurzen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren erreichbar ist. Im Vergleich hierzu ist es deutlich schwieriger, die „5-Sigma-Wand“ nach oben hin zu durchbrechen. Wenn die Verbesserungen in anderen Wertschöpfungsphasen bereits umgesetzt wurden, dann ist das Qualitätsniveau in Höhe von Six Sigma i.d.R. nur über Six Sigma konforme F&E-Prozesse zu realisieren und dies heißt mit DFSS. 6
Sigma-Niveau
Mit Design For Six Sigma Die 5-Sigma-Wand
5
Mit traditionellen Six-Sigma-Methoden
4
3
1
2
Zeit
3
4
Jahre
Quelle: Six Sigma Exchange Newsletter, 12/2000, S. 6
Abbildung 4: Überwindung der 5-Sigma-Wand mit Hilfe von DFSS
Ziel von Design for Six Sigma ist es, Neuprodukte so zu entwickeln bzw. zu konstruieren, dass möglichst wenige Abweichungen in Form von Fehlern und Fehlerkosten auftreten. Wie oben angesprochen, zählt zu den Fehlerkosten sowohl das Auftreten und Beseitigen von Fehlern im Unternehmen (intern) als auch das Beheben von Fehlern beim Kunden in der Nutzungsphase (extern). Design for Six Sigma steht damit für ein proaktives Qualitätsmanagement, das die Qualitätssicherungsaktivitäten in Produktion und Absatz auf ein Mindestmaß reduziert. Durch den Charakter eines längerfristigen Hebels wird gleichzeitig die Notwendigkeit und Anzahl von Six Sigma Projekten in den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen minimiert. Während in der Entwicklung mit der Design for Six Sigma Philosophie Fehler mit relativ geringem Aufwand vermieden bzw. beseitigt werden können, stellen Six Sigma Projekte in den folgenden Wertschöpfungsphasen eine i.d.R. kostenintensivere Variante der Fehlerbeseitigung dar. In Form eines reaktiven Qualitätsmanagements unterstützen sie die kurzfristige „Reparatur“ und Verbesserung von Prozessen und Abläufen im Unternehmen. Die wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Design for Six Sigma und Six Sigma (Projekten) sind in Abbildung 5 wiedergegeben.
Armin Töpfer, Swen Günther
105
Design for Six Sigma (DFSS) • • • •
Konzentriert auf Entwicklung und Material/Teile Optimales Design = Robustes Design als Innovation Erfüllen aller wesentlichen Kundenanforderungen Vermeiden von ungewollten Folgekosten vor allem in der Produktion
Six Sigma • • • •
Konzentriert auf Prozesse/Abläufe Optimierung von Produktion/Wertschöpfung Erfüllen der internen Unternehmensanforderungen und externen Kundenanforderungen Vermeiden von Abweichungen/Fehlerkosten
Abbildung 5: Gegenüberstellung von Design for Six Sigma und Six Sigma
2
Vorgehensweise im Entwicklungsprozess – DMADV
Für jedes Unternehmen sind Innovationen wichtig, um die zukünftige Marktposition und den Erfolg des Unternehmens durch beispielsweise technologisch und/oder in der Umsetzung der Kundenanforderungen bessere Produkte sicherzustellen. Strategisch ist diese Tatsache jeweils zutreffend, bezogen auf das Qualitätsmanagement birgt sie jedoch zugleich ein Risiko. Denn jede Innovation, die ein besseres Produkt hervorbringen will, bringt die Gefahr mit sich, dass der neue oder veränderte Wertschöpfungsprozess nicht bzw. noch nicht auf einem fehlerfreien Niveau beherrscht wird. Diese Ausgangssituation ist in Abbildung 6 unter der Ziffer (1) dargestellt. Im magischen Dreieck von Qualität – Zeit – Kosten führt dann der nicht ausreichend beherrschte Prozess dazu, dass das innovative Produkt eine hohe Fehlerund oftmals Ausschussrate aufweist (2). Durch die notwendigen Nachbesserungen werden zusätzliche Zeit verbraucht und die Kosten nach oben getrieben (3). Design for Six Sigma ist dann der Hebel, um die Innovation so zu planen und umzusetzen (4), dass die Prozessqualität von Anfang an hoch und im Weiteren auch die Produktqualität gesichert ist (5). Beides hat eine positive Auswirkung auf den Verbrauch an Zeit und die Höhe von Kosten (6). Die Frage ist jetzt, wie dieser Six Sigma Steuerungsprozess bei Neuprodukten in der Entwicklung aussieht. Im Folgenden wird auf die fünf Phasen des DMADVProzesses (Define, Measure, Analyse, Design, Verify) näher eingegangen (vgl. Abbildung 7). Wie auch der DMAIC-Prozess geht sein Ursprung auf den bekannten PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) nach Deming zurück.
106
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Qualität
Prozess
Qualität
Produkt +
Prozess
Innovation
Produkt
2
3
1
3
Innovation
Zeit
Kosten
Zeit
Kosten
5
Qualität
6 +
Zeit
Prozess +
4
Produkt
Innovation
+
6 +
Kosten
Gefahr: o Innovation = Veränderung Abweichung o Abweichung Zeit- und Kostentreiber o Vermeidung durch DFSS
Abbildung 6: Auswirkungen einer Innovation im Produkt/Prozess
Der traditionelle Six Sigma Prozess DMAIC (Define, Measure, Analyse, Improve, Control) für die Verbesserung von bereits vorhandenen Prozessen und Produkten wird jetzt in seinem Phasenablauf insofern abgewandelt, als die Kundenanforderungen intern wie extern ermittelt werden und die Qualität der Marktleistung daran ausgerichtet wird. Design for Six Sigma zielt also auf die Neuentwicklung oder das grundlegende Re-Design von Produkten und Prozessen ab, um bereits von Anfang an Six Sigma Qualität zu ermöglichen respektive zu erreichen. In Theorie und Praxis existieren hierzu eine Reihe phasenorientierter Vorgehensmodelle (z.B. DMADV, DMEDI oder DCCDI), anhand derer sich F&E-Projekte ergebnisorientiert steuern und durchführen lassen. DMEDI wird z.B. von der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers vertreten und steht für Define, Measure, Explore, Develop and Implement (vgl. Simon 2002, S. 1f.). DCCDI ist die Abkürzung für Define, Customer, Concept, Design und Implementation. Der Einsatz und die Verbreitung verschiedener Methoden im Rahmen des Design for Six Sigma mit z.T. geringem Standardisierungsgrad lassen sich insbesondere auf die branchenund unternehmensspezifischen Anforderungen im Entwicklungsprozess zurückführen. In den folgenden Ausführungen werden die fünf Phasen der DMADV-Methodik in der Weise erläutet, wie sie u.a. bei DFSS-Projekten im „Six Sigma Vorreiterunternehmen“ General Electric Anwendung finden, um bestehende Produkt- und Prozessdesigns komplett zu überarbeiten und neu zu gestalten. Das Fünf-PhasenModell wird zudem in der einschlägigen Literatur ausführlich behandelt (vgl. u.a. Cavanagh et al. 2005; Gitlow et al. 2006) und in vielen Six Sigma Unternehmen
Armin Töpfer, Swen Günther
107
als Standard zugrunde gelegt. Sie sind auch in anderen Beiträgen dieses Buches ausgeführt. Deshalb werden die in Abbildung 7 dargestellten Schritte und Inhalte der DMADV-Methodik nur im Überblick angesprochen. • Projektteam/ Projekt Charter festlegen • Ziele und Umfang des Projektes bestimmen • Schnittstellen zu anderen Prozessen/ Bereichen definieren/ Ressourcen bereitstellen
Definieren Define
Überwachen/ Steuern
Verify
Measure
Messen
• Kunden identifizieren, seg• Pilotierung: Leistungsfähigmentieren und priorisieren keit des neuen Produktes/ • Kundenbedürfnisse sammeln Prozesses überprüfen Design Analyse und analysieren/ Kundenan• Implementierung: Überfühforderungen mit Hilfe von ren in Arbeitsvorbereitung Entwickeln Analysieren QFD in CTQs überführen und Produktion/ Übergabe • Messen und Vergleichen bean Prozesseigner • Detailliertes Design • Designkonzepte auf der stehender Produkte mit in• Ergebnisse des neuen erarbeiten mit QFD Basis der Kundenanfor- ternem/ externem BenchProzesses kontinuier• Robustes Design mit derungen bestimmen marking lich überwachen optimalem CTQ-Ziel- • High Level Design entwert/ Kosten-Nutzenwickeln unter AnwenVerhältnis entwickeln dung von QFD und TRIZ unter Einsatz von DOE • High Level Design evalu• Implementierung vorieren unter Anwendung bereiten von FMEA/ Target Costing
Abbildung 7: Die fünf Phasen des DMADV-Prozesses
Define-Phase – Definieren des Projektes und Aufstellen der Projekt Charter •
Festlegen von Verantwortlichkeiten, Zusammenstellen des Projektteams, Beschreiben des Business Case und Aufstellen der Projekt Charter
•
Bestimmen der Projektziele unter Berücksichtigung der aktuellen Marktsituation sowie Eingrenzung des Projekts, ggf. Definition von Teilprojekten
•
Definieren von Schnittstellen zu benachbarten Prozessen und angrenzenden Bereichen, Bereitstellen von benötigten Ressourcen
Measure-Phase – Ermitteln der Kundenwünsche und Messen der Prozessleistung •
Identifizieren und segmentieren von Zielgruppen bzw. potenziellen Käufergruppen durch Befragung und Marktforschung
•
Ermitteln der Kundenanforderungen und Messen der momentanen Prozessleistung/-ergebnisse (Benchmarking intern, wenn ein Vorprodukt vorhanden ist, und extern, wenn bereits eine konkurrierende Marktleistung existiert)
•
Anwenden von Quality Function Deployment (QFD) zur Transformation der durch Kundenbefragung gewonnen Anforderungen in Critical to Quality Cha-
108
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
racteristics (CTQs) – also die Übertragung der „Stimme des Kunden“ in die technische Produkt- und Prozessgestaltung Analyse-Phase – Analysieren des Designs von Produkt- und Prozessalternativen •
Bestimmen von Designkonzepten, d.h. Entwickeln und Gegenüberstellen mehrerer alternativer Konzepte, Analysieren der Designvorschläge im Hinblick auf die Erfüllung von CTQs und die wirtschaftliche Umsetzbarkeit
•
Entwickeln eines sog. High Level Designs unter Anwendung von Kreativitätstechniken und widerspruchsorientierten Problemlösungsverfahren (TRIZ)/ Bestimmen von Komplexität und Ausbeute für das neue Designs
•
Evaluieren des High Level Designs (Design-Review) durch Einholen von Kundenfeedback sowie Anwenden der Fehler-Möglichkeits und EinflussAnalyse (FMEA)-Methode zur Aufdeckung und Bewertung potenzieller System-, Konstruktions- und Prozessrisiken
Design-Phase – Festlegen und Präzisieren des Designs •
Detaillieren des Produkt- bzw. Prozessdesigns auf Basis des favorisierten Konzepts aus der Analyse-Phase mit QFD
•
Entwickeln eines robusten Designs, das als Ziel die Kundenanforderungen bestmöglich erfüllt und sich gleichzeitig wirtschaftlich erstellen lässt (Philosophie von Taguchi, vgl. Taguchi 1990). Robustes Design ist erreicht, wenn Produkt- und Prozessergebnisse einen geringen Toleranzbereich haben und relativ unempfindlich gegenüber Schwankungen der Einsatzfaktoren sind
•
Einsatz von Statistischer Versuchsplanung/Design of Experiments (DOE), um die Kombination von Einsatzfaktoren und damit die Einhaltung der CTQs zu optimieren (Statistische Tolerierung)
Verify – Implementieren und Überwachen des Designs in der Produktionsphase •
Pilotierung: Überprüfen der Leistungsfähigkeit des neuentwickelten Produkts bzw. neugestalteten Prozesses in der Vorserie
•
Implementierung: Überführen der Lösung in die Arbeitsvorbereitungs- und Produktionsphase (Tagesgeschäft)/Übergabe von Dokumentation und Reaktionsplan an den Prozesseigner
•
Kontinuierliches statistisches Überwachen der Prozessfähigkeit und -leistung bezogen auf die Erfüllung der CTQ-Faktoren durch Statistische Prozesskontrolle (SPC)
Armin Töpfer, Swen Günther
109
Das Ziel eines robusten Designs wird in der Entwicklungsphase insbesondere dadurch erreicht, dass von vornherein bei allen Entwürfen und der Gestaltung auf zwei Erfolgskriterien besonders Wert gelegt wird: Zum einen ist dies eine geringe Anzahl von Bauteilen, die benötigt werden, um den gewünschten Kundennutzen zu erreichen respektive die CTQs zu realisieren. Zum anderen ist es eine hierdurch ermöglichte geringe Anzahl von Montageschritten. Wie im Artikel „Six Sigma als Projektmanagement“ gezeigt wurde, gehen hiervon erhebliche positive Wirkungen aus. Beides zusammen reduziert die Fehlermöglichkeiten beträchtlich und vergrößert die Ausbeute an fehlerfreien Produkten im Wertschöpfungsprozess überproportional. Insbesondere in der Design-Phase ist die Philosophie von Taguchi umzusetzen. Sie besagt, dass ein robustes Design nur dann erreicht wird, wenn Abweichungen von den Kundenanforderungen vermieden werden. Denn jede Abweichung von einem vorgegebenen – aus Kundensicht optimalen – Zielwert führt zu einem progressiven Anstieg der Fehlerkosten im Unternehmen, d.h. es entstehen hohe primäre und sekundäre Verluste dadurch, dass der vorgegebene Zielwert mit engem Toleranzbereich nicht eingehalten wird respektive aufgrund der Designauslegung nicht eingehalten werden kann. In Abbildung 8 ist dieser Sachverhalt skizziert. Taguchi´s GesamtVerlustfunktion
Verlusthöhe o Primär Verlust für Kunden (Nutzungsausfall)
o Primär Verlust für Unternehmen (Kosten und Nachfrage)
o Sekundär Verlust für Unternehmen (Nachbesserung/ Kundenabwanderung)
Untere Toleranzgrenze
o Sekundär Verlust für Kunden (Preis)
Zielwert
Obere Toleranzgrenze
Produktqualität
Basis: Department of Computer Engeneering, Curtin University of Technology (Hrsg.): The total Loss Function, in: http://kernow.curtin.edu.au/www/taquchi/sect5.html, 31.08.1999
Abbildung 8: Verlustfunktion von Taguchi
In dieser Verlustfunktion sind die Abweichungen vom optimalen Zielwert eingetragen, der durch die Realisierung aller wesentlichen Kundenanforderungen (CTQs) festgeschrieben wird. Unterschieden werden dabei hohe Verluste respektive Kosten beim Unterschreiten der unteren Toleranzgrenze und beim Überschreiten der oberen Toleranzgrenze. Die Toleranzgrenzen können unternehmens-
110
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
individuell festgelegt werden, üblicherweise liegen sie jedoch bei +/- 10 % Abweichung vom Zielwert. Beim Unterschreiten der unteren Toleranzgrenze ist die Qualität für den Kunden nicht mehr gesichert. Neben einer eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit kommt es dann beispielsweise direkt zu einem Ausfall des Produkts in der Nutzungsphase. Indirekt entstehen auch für das Unternehmen Verluste durch Nachbesserungen und Kundenabwanderungen. Beim Überschreiten der oberen Toleranzgrenze ist die Reihenfolge der Auswirkungen umgekehrt. Zunächst erfährt das Unternehmen Verluste durch zu hohe Kosten der Produkterstellung, i.d.R. durch OverEngineering und durch eine reduzierte Nachfrage aufgrund des hohen Preises. Für den Kunden, der das Produkt trotzdem kauft, entsteht indirekt ein Verlust im Sinne von Taguchi durch den hohen Preis, den er für den gewünschten Nutzen bzw. die geforderten CTQs bezahlen muss. Es liegt auf der Hand, dass hier der unmittelbare Ansatz für Target Costing als kundenorientiertes Zielkostenmanagement gegeben ist. Die Bedeutung einer wirkungsvollen Kombination ausgewählter Methoden wird daraus ersichtlich, wenn die Sicht der externen Kundenorientierung mit der internen Qualitätsorientierung kombiniert wird, wie dies in Abbildung 9 erfolgt. Ein Produkt, das alle wesentlichen Kundenanforderungen erfüllt und ein hohes Qualitätsniveau aufweist, ist insbesondere durch die kombinierte Anwendung der Instrumente QFD und FMEA erreichbar. Wie das vereinfachte Beispiel zeigt, führt der isolierte Methodeneinsatz leicht zu suboptimalen Produkten.
Qualitätsorientierung Hoch Nur FMEA
Das Produkt falsch entwickelt und gut produziert
QFD
Das Produkt richtig entwickelt und gut produziert
+ FMEA
Gering
Das Produkt falsch entwickelt und schlecht produziert
Gering
Das Produkt richtig entwickelt, aber schlecht produziert
Nur QFD
Hoch Kundenorientierung
Abbildung 9: Optimale Produkte durch kombinierten Methodeneinsatz
Armin Töpfer, Swen Günther
111
Die abschließende Frage ist also, wann und wie die hier angesprochenen Methoden und Instrumente in den Wertschöpfungsprozess der Neuproduktentwicklung einzubeziehen sind. In Abbildung 10 zeigt die Prozessübersicht ihren Einsatz in den einzelnen Phasen. Die bisher noch nicht angesprochenen Instrumente werden im Folgenden erläutert.
Kundenanforderungen VOC
Produktdesign
Prozessplanung/ -umsetzung
Produkteinsatz
Wertstoffrückgewinnung
Conjoint Analyse QFD/ Target Costing DFMA/AEM FMEA DOE Poka Yoke SPC
Abbildung 10: QM-Methoden im Wertschöpfungsprozess Produktentwicklung/ -einsatz
Bei der Produktentwicklung und damit auch bei einem Design for Six Sigma Prozess wird die Qualität des erarbeiteten Ergebnisses immer häufiger auch daran gemessen, wie mit dem Produkt nach der Markteinführung und dem Einsatz am Ende seines Lebenszyklus umgegangen werden kann. Dies entspricht der Anforderung an ein Reverse Engineering, allerdings mit der Erweiterung, dass nicht nur die Phase der Vermarktung und Nutzung in den Produktentwicklungsprozess einzubeziehen ist, sondern zusätzlich auch die Phase der Verwertung eines Produktes und seiner Bestandteile am Ende des Lebenszyklus. Oftmals zählt der umweltverträgliche Umgang mit dem Produkt am Ende seiner Nutzungszeit bereits zu den wichtigen Kundenanforderungen/CTQs bei Produkteinführung. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass eine einfache Entsorgung des Produktes ausscheidet und zumindest eine ökologische Wertstoffrückgewinnung anzustreben ist, wenn keine Weiter- oder Wiederverwendung möglich ist. Beispiele lassen sich in vielen Branchen finden, so auch in der PC-Industrie bezogen auf Computerschrott mit leicht trennbaren Bauteilen. In der Automobilindustrie ist die Sachlage dadurch verschärft und anspruchsvoller, weil ab 2006 gesetzliche Recyclingquoten vorgeschrieben sind, im Rahmen derer mind. 10 Gewichtsprozent der Einsatzstoffe als Wertstoffe rückzugewinnen sind (vgl. Bundesgesetzblatt 28.06.2002, Altfahrzeuggesetz).
112
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Um diese Anforderungen zu realisieren, sind demnach bereits in der Konstruktions- und Entwicklungsphase entsprechende Überlegungen anzustellen. Hierzu bietet es sich an, geeignete ökologisch-orientierte Instrumente einzeln oder kombiniert einzusetzen. In Abbildung 11 sind sie beispielhaft aufgelistet (in Anlehnung an Töpfer 1996, S. 129). Hieraus wird ersichtlich, dass „klassische“ Instrumente des Qualitätsmanagements auf die Frage und Anforderung der Wertstoffrückgewinnung ausgerichtet und modifiziert werden. Wenn entsprechende Methodenkenntnisse bestehen, erschließt sich ihr Inhalt leicht von selbst. Deshalb wird hier auf Details nicht näher eingegangen. Design of Benefit
DtB Recycling-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse
RMEA
Design of Experiments
DoE
BeschafBeschaffung und Entwick- fung BereitKonstruk- lung von Vorstellung tion und Proto- produkvon typenbau ten, RHBBetriebsStoffen mitteln
Gestaltung des Fertigungsprozesses
Produktion
Vermarktung
Verwendung
HoE
RFD/EFD Recycling Function Deployment/ Ecology Function Deployment
Houses of Ecology
DfD
Wertstoffrückgewinnung
RWA Recyclingwertanalyse
Design for Disassembly
Abbildung 11: Einsatz und Kombination ökologie-orientierter Instrumente
3
Ermittlung der Kundenanforderungen – VOC
Um ein Neuprodukt mit einer hohen Trefferquote an den wesentlichen Anforderungen der Zielkunden ausrichten zu können, ist es wichtig, den anvisierten Kreis der Adressaten genau zu umreißen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Pflichtenheft für das neue Produkt zu viele unterschiedliche Anforderungen berücksichtigen muss und dadurch „unscharf“ wird. Deshalb ist es zweckmäßig, von vornherein eine Segmentierung unterschiedlicher Zielgruppen vorzunehmen, um so – fokussiert auf die A-Zielkunden – ein präzises Anforderungsprofil für das Neuprodukt aufstellen zu können. Von der Logik her ist dieses Vorgehen unbestritten. Die Frage ist nur, ob im Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits eine klare Vorstellung über die anvisierte Zielgruppe besteht. Auch bzw. gerade in
Armin Töpfer, Swen Günther
113
diesem Fall ist jedoch eine Beschränkung auf einige Zielgruppen vorzunehmen, welche die Kriterien Bedürfnis, Anforderungen, Kundennutzen und Kaufkraft/Preisbereitschaft erfüllen. Parallel hierzu bzw. im Anschluss hieran ist ein Abgleich dieser Anforderungen mit den spezifischen Unternehmenszielen durchzuführen. Dies dient dazu, den Fit des Neuproduktes mit der Unternehmensstrategie sicherzustellen, der sich insbesondere auf innovative Produktbestandteile, Imagewirkungen und Deckungsbeiträge/Renditegrößen erstreckt. Ziel dieser Voice of the Customer (VOC) Analyse ist es, die generellen Wünsche, Erwartungen und Anforderungen der Zielkunden bezogen auf eine beschriebene Situation und die angebotene Problemlösung zu erfahren. Dabei geht es i.d.R. noch nicht um ein konkretes Produkt, wohl aber um den spezifischen Nutzen eines neuen Konzeptes, aus dem sich dann in einem Konkretisierungsprozess Kundenanforderungen ableiten lassen. Auf dieser Basis lässt sich dann ein Produkt entwerfen, das einen möglichst großen Vorteil für den Kunden generiert und so dem Unternehmen die Chance zur Differenzierung vom Wettbewerb eröffnet. In Abbildung 12 ist ein einfaches, teilstrukturiertes Fragenschema abgebildet, mit dem eine Fokussierung auf die Erwartung, die Zufriedenheit, den Nutzen und den zukünftigen Vorteil für den Kunden erreicht wird, ohne jedoch sein Gedankenspektrum als Möglichkeitsraum zu stark einzuschränken. Dies stellt sicher, dass zum einen das Problem und seine Lösung nicht zu früh durch die „Brille des Unternehmens“ betrachtet wird und zum anderen auf dieser Basis kreative Lösungssichtweisen erhalten bleiben. 1 Woran denken Sie, wenn Sie sich die Lösung dieses Problems
durch ein Produkt oder eine Dienstleistung vorstellen?
Welche Erfahrungen, insbesondere im Hinblick auf Probleme
2 oder Schwächen, haben Sie bisher bei der Lösung dieses
Problems gemacht? An welche Eigenschaften und Kriterien denken Sie vor allem,
3 wenn Sie sich die Lösung des Problems durch ein Produkt
oder eine Dienstleistung vorstellen? Über welche neuen Eigenschaften und Funktionen muss die
4 Problemlösung bzw. das neue Produkt/ die neue Dienstleistung
verfügen, um Ihre zukünftigen Anforderungen/ Bedürfnisse zu erfüllen?
Kundenerwartung
Kundenzufriedenheit
Kundennutzen
Zukünftiger Kundenvorteil
Abbildung 12: Vier Fragen zur Spezifizierung der Kundenanforderungen an ein Neuprodukt
114
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
In dieser Hinsicht ergibt sich bei Design for Six Sigma folgender grundlegender Unterschied zu einem Six Sigma Projekt: Bei Six Sigma Projekten bezieht sich die erreichte Kundenzufriedenheit auf einen – bildlich gesprochen – generellen „Blick durch den Rückspiegel“, wie das Problem bisher gelöst wurde. Dies entspricht im Rahmen von Six Sigma Projekten dem konkreten Erfahrungswert mit einem vorhandenen Produkt. Bei Design for Six Sigma besteht jedoch der wesentliche Ansatzpunkt darin, den Kundennutzen einer neuen Problemlösung herauszuarbeiten und so den zukünftigen Kundenvorteil bestimmen zu können. Dieses Ermitteln zukünftiger wichtiger Kundenanforderungen entspricht einem „Blick durch die Frontscheibe“. Es kommt also darauf an, dass das Entwicklungsteam aus der Stimme des Kunden (Voice of the Customer) eindeutige Kundenbedürfnisse ableiten kann. In der folgenden Abbildung 13 ist in detaillierterer Form eine Beispielübersicht mit der Ableitung von Kundenanforderungen auf der Basis einer 6-W-Analyse gegeben. Hierbei wird die „konkrete“ Voice of the Customer durch die Beantwortung der Fragen Wer?, Was?, Wo?, Wann?, Warum? und Wie viel? differenziert analysiert und in entsprechende Kundenanforderungen sowie in einem weiteren Schritt in die Critical to Quality (CTQ) Merkmale übersetzt. Im Beispiel sind dies – vereinfacht dargestellt – einzelne Aussagen zu der Tür eines Küchenherds, die dann in drei Kundenanforderungen übersetzt werden. Customer Voice Table (6W) Lfd. Nr.
Kundenstimme
Wer?
Was?
Wo?
1
Leicht zu bedienende Herdtür
Käufer, Herdbenutzer
Leichtgängige Herdtür
Herdtür außen
Wann?
Warum? Wie viel?
Beim Kochen und Backen
Meist nur eine Hand frei, Angst vor Verbrennungen
Kundenanforderungen 1. Leicht von außen zu öffnende Herdtür 2. Leicht von außen zu schließende Herdtür
Max. 30ºC Wärme am Griff
3.
Geringe Temperatur am Griff
Abbildung 13: Die 6-W-Analyse zur Ableitung von eindeutigen Kundenanforderungen
Dabei sind – wie bereits oben erwähnt – alle wesentlichen Kundenanforderungen zu erkennen, zu gewichten und anschließend in Qualitätsmerkmale bzw. technische Spezifikationen umzusetzen (siehe auch den folgenden Abschnitt zu QFD). Neben der Ermittlung/Ableitung erweist sich insbesondere die richtige Gewichtung der Kundenanforderungen als wesentliche Voraussetzung für eine kundenori-
Armin Töpfer, Swen Günther
115
entierte Produktentwicklung. Diese Aufgabe wird in der Praxis häufig unterschätzt, obwohl gerade im Rahmen eines Quality Function Deployment Prozesses die Qualität der Ausgangsgrößen maßgeblich von der Qualität der Eingangsgrößen abhängt. Das heißt, fehlerhafte Eingangsgrößen können sich im Verlauf der Erstellung mehrerer Beziehungsmatrizen zu „hochgradig“ fehlerhaften Ausgangsgrößen potenzieren und damit u.U. zu schlechteren Ergebnissen führen als ohne die explizite Bestimmung/Ableitung der VOC im F&E-Prozess. Wichtige und gut geeignete Instrumente zur Differenzierung und zur Gewichtung der Kundenanforderungen sind die Modelle von Kano und Maslow. Das KanoModell teilt die Kundenanforderungen zur Analyse der Kundenzufriedenheit in die drei Gruppen Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen ein (vgl. Mazur 1993, S. 489ff.). Wie Abbildung 14 nachvollziehbar macht, sind nicht erfüllte Basisanforderungen ein K.o.-Kriterium für das eigene Produkt. Eine Erhöhung der Leistungsanforderungen erfüllt die artikulierten Kundenbedürfnisse besser und steigert zugleich die Kundenzufriedenheit. Die eigentliche Chance liegt jedoch im Erkennen und Umsetzen der Begeisterungsanforderungen, da hierdurch die vom Kunden formulierten Anforderungen noch deutlich positiv übertroffen werden können und damit eine Differenzierung vom Wettbewerb ermöglichen. Nicht selten sind diese Kriterien auch keine Kostentreiber, so dass ihr Beitrag zu den finanziellen Unternehmenszielen besonders hoch ist, da der Kunde im Begeisterungsfall eine höhere Preisschwelle akzeptiert. Kunde zufrieden
Leistungsanforderungen - artikuliert - spezifisch - messbar Immer - technisch mehr
Begeisterungsanforderungen - nicht artikuliert - tailor-made Versteckte - begeisternd Chancen Anforderung nicht erfüllt
Anforderung erfüllt
Basisanforderungen - implizit - selbstverständlich - nicht artikuliert - offensichtlich
Kunde unzufrieden Quelle: Berger et al. 1993
Abbildung 14: Kano-Modell der Kundenzufriedenheit
K.o.Kriterien
116
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Klassifikation
Selbstverwirklichung
•
Wertschätzung/ Ich-Bedürfnis
•
Soziale Bedürfnisse
•
Sicherheitsbedürfnis
•
Grundbedürfnisse
Begeisterung
•
Beispiel
Reklamationen
Defizitmotive
Wachstumsmotive
Eine genauere Klassifikation der drei Gruppen von Anforderungen ermöglicht das Modell von Maslow. Es wurde ursprünglich für die Bildung von Motivklassen in der Mitarbeiterführung entwickelt, lässt sich aber auch gut auf die Einteilung von Kundenbedürfnissen übertragen. In Abbildung 15 wird die KundenbedürfnisDifferenzierung auf der Basis einer VOC-Analyse am Beispiel der Anforderungen an einen Kochherd gezeigt. Die beiden untersten Motive entsprechen hierbei zum einen der notwendigen Vorrichtung zum Kochen und zum anderen dem Anspruch eines sicheren Kochablaufs. Das dritte Motiv kennzeichnet die Anforderungen an die Kommunikation zwischen dem Benutzer und dem Backofen, die sich – produktbezogen – in einer entsprechend guten Bedienungsqualität, also dem leicht verständlichen und dennoch umfassenden Bedienungskomfort, als kritisches Qualitätsmerkmal (CTQ) niederschlägt. Es entspricht damit nicht mehr nur den Basisanforderungen, sondern ist ein eindeutiges Leistungskriterium des Produktes. Wenn die folgenden Motivgruppen erfüllt werden, dann verlieren diese drei Stufen allerdings an Differenzierungsstärke und damit an kaufinduzierender Kraft. Sie sind deshalb sogenannte Defizitmotive.
•
Vom Benutzer definierbarer Kochablauf
•
Markenprestige
•
Kommunikation zwischen Benutzer und Backofen
•
Bedürfnis nach sicherem Kochablauf
•
Notwendigkeit zu Kochen
Abbildung 15: Maslow-Pyramide der Kundenbedürfnis-Differenzierung
Die zwei höherwertigen Motivklassen bergen die Chance in sich, als Begeisterungsanforderungen gestaltet werden zu können. Die vierte Gruppe, die Ich-Bedürfnisse, wird unternehmensbezogen durch das Markenprestige des Produktes aktiviert. Im Vergleich hierzu fassen die Bedürfnisse der Selbstverwirklichung die letzten drei Motivklassen zusammen und fokussieren sie in diesem Wachstumsmotiv. Dies ist dann auch in der Produktgestaltung und -positionierung entsprechend zu berücksichtigen. Konkret gesprochen bedeutet dies, dass ein benutzdefinierbarer Kochablauf zur optimalen Zubereitung des Kochguts einerseits so einfach zu
Armin Töpfer, Swen Günther
117
handhaben ist, dass auch ein Laie gute Kochergebnisse erzielen kann. Andererseits muss das Einstellungs- und Differenzierungsspektrum des Kochherdes so vielschichtig sein, dass genau diese optimale Zubereitung einer Mahlzeit sichergestellt ist. Das dahinter liegende Motiv lässt sich durch das Gefühl einer hohen Professionalität des Akteurs kennzeichnen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse ist leicht nachvollziehbar, dass Reklamationen und Beschwerden sich in verstärktem Maße auf die unteren drei Bedürfniskategorien beziehen. Begeisterung wird – wie ausgeführt – durch die oberen Motivklassen ausgelöst. Die Klassifikation macht insgesamt deutlich, dass eine Analyse der Kundenanforderungen (VOC) am besten im Rahmen eines Simultaneous Engineering, also in der Zusammenarbeit von Ingenieuren und Kaufleuten, erfolgt. Hierdurch wird die Stimme des Kunden unverfälscht sowohl aus Sicht des Marketing als auch aus Sicht der Entwicklung gehört und verstanden. Dies kommt erfahrungsgemäß einer umfassenden Produktqualität unter gleichzeitiger Verfolgung der Unternehmensziele zugute. Entsprechend dem ursprünglichen Modell von Maslow gilt bei Kundenbedürfnissen, dass die unteren Kategorien erfüllt sein müssen, bevor höherwertige Motive durch ein Produkt erfüllt werden können. Diese Klassifizierung von Kundenbedürfnissen steht damit zugleich in direktem Bezug zu Kaufmotiven der Adressaten. Diese haben entsprechend ihrem Niveau wiederum eine Beziehung zur Preisbereitschaft der Zielkunden. Dabei gilt: Je höher die Motivklasse, desto größer ist generell die Preisbereitschaft. In der neueren Marketingforschung entspricht diese Differenzierung der Means-End-Theorie (vgl. Herrmann 1996, S. 154f.). Sie leitet aus dem physischen und funktionalen Nutzen eines Produktes dahinter liegende psychologische Beweggründe des Adressaten als Motive und Triebfedern für sein Handeln ab. Auch hier gilt, dass die Fähigkeit, diese psychologischen Motive zu erfüllen, dem Unternehmen einen Preisspielraum eröffnet. Alle diese Erkenntnisse gehen in die ersten Analyseschritte des Quality Function Deployment (QFD) ein, das im Folgenden erläutert wird.
4
Umsetzung der Kundenanforderungen durch QFD
Zunächst ist hier die Frage zu beantworten, was Quality Function Deployment (QFD) beinhaltet und welche Ziele damit verbunden sind. Nach Yoji Akao, dem „Ur-Vater“ des QFD, wird darunter die gezielte Planung und Entwicklung der Qualitätsfunktionen eines Produktes/einer Dienstleistung entsprechend der vom Kunden geforderten Qualitätsmerkmale verstanden (vgl. Akao 1992, S. 15). Das heißt mit anderen Worten, in möglichst kurzer Zeit soll eine integrierte Produktentwicklung für kundengerechte, qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen durchgeführt werden. Dabei darf für ungeübte Teams der Zeitaufwand einer vollständigen Anwendung jedoch nicht unterschätzt werden. Hierauf wird später noch näher eingegangen.
118
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Das Ziel der Anwendung von QFD besteht darin, ein bereichsübergreifendes Instrumentarium zur Priorisierung von Kundenanforderungen und zur anschließenden Umsetzung in innovative, zuverlässige, also robuste, und kostengünstige Lösungen einzusetzen. Mit dieser Methode soll also sowohl die Qualität der externen Marktleistung als Wertschöpfungsergebnis verbessert als auch die Qualität und Ausrichtung der internen Wertschöpfungsphasen gesteuert werden. Quality Function Deployment wird dadurch zu einem System, um Kundenanforderungen für jede Phase von der Forschung über die Produktentwicklung und Fertigung bis hin zum Marketing und Verkauf in entsprechende unternehmensspezifische Erfordernisse zu übersetzen (vgl. American Supplier Institute 1989). Mit einer derartigen Produkt- oder auch Dienstleistung, die nicht nur die technisch möglichen, sondern auch die vom Kunden gewünschten Merkmale aufweist, können folgende Ziele erreicht werden: •
Kundenbezogene Entwicklung zur Erreichung von Kundenzufriedenheit und sogar Kundenbegeisterung
•
Bündelung des Wissens und Können aller Mitarbeiter durch Motivation zum Mitdenken und Handeln
•
Verkürzung der Time to Market
•
Steigerung der Wirksamkeit und Effizienz
•
Denken in Prozessen
•
QFD als unternehmensinternes Kommunikations- und Informationsinstrument
•
Überwinden des nur abteilungsbezogenen Denkens
•
Intensivierung der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit
•
Klare, messbare Ziele, Verlustreduzierung in der gesamten Prozesskette durch präventive Planung der Produkte und Dienstleistungen
•
Verständliche Dokumentation durch die erarbeitete „QFD-Landkarte“.
Wie bereits angesprochen, liegt der Haupteinsatz von QFD bei der Neuentwicklung oder Verbesserung von Produkten respektive Dienstleistungen. Die Anwendung wird umso effizienter je schwieriger handhabbar und in technische Spezifikationen umsetzbar die Kundenanforderungen für das Unternehmen zunächst sind. Im Detail geht es darum, •
aus den erkannten Kundenbedürfnissen Qualitätsanforderungen an die Problemlösung abzuleiten,
•
hieraus ein Anforderungsprofil und Pflichtenheft zu erstellen,
•
die Produktkonzeption zu entwickeln,
•
anhand von Kriterien in die Produktentwicklung umzusetzen und
•
daraus die erforderlichen Produktionsverfahren zu spezifizieren.
Armin Töpfer, Swen Günther
119
Dies wird in die in Abbildung 16 wiedergegebene Abfolge und grafische Form des sogenannten „House of Quality“ gebracht. Ausgehend von den ermittelten Kundenanforderungen wird die eigene Wettbewerbsposition mit der von maßgeblichen Konkurrenten verglichen. Hieraus wird das technische Konzept abgeleitet, und zwar über die Frage, wie das Unternehmen die Forderungen der Kunden zukünftig erfüllt bzw. wie es sie konkret ausgestaltet. Dies ist die Basis für die Festlegung des Zielniveaus und die konkrete Umsetzung einzelner Kriterien.
Korrelationen der Wie‘s
Wie
Unterstützung Stimme der Kunden
Was
der Wie's zu
wollen die Kunden?
den Was's
Produkt
erfüllen wir die Forderungen?
Kunde
Benchmarking
Warum wir verbessern wollen? Vergleich mit dem Wettbewerb
Wieviel
wollen wir zu den Wie's erreichen?
Systematische Systematische Analyse des Erfüllens Erfüllens von von KundenanfordeKundenanforderungen rungen durch durch Wettbewerber Wettbewerber und das das eigene eigene Unternehmen Quelle: Saatweber 1997, S.35
Abbildung 16: Schematische Darstellung des House of Quality
Wie leicht nachvollziehbar ist, wird in diesem Haus die Sprache der Kunden bzw. des Marktes als Horizontale in die Sprache der Techniker bzw. des Produktes als Vertikale übersetzt. Genau dies ist der Fokus von QFD. Entscheidend ist dabei die Philosophie bei der Anwendung. Qualitätsmerkmale sind unter diesem Blickwinkel Eigenschaften von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen, die von dem jeweiligen Prozessverantwortlichen beeinflussbar sind und für den Kunden eine direkte Beziehung zu seinem Qualitätsempfinden haben, also über den Verkaufserfolg entscheiden. In seiner detaillierten Form, die in Abbildung 17 dargestellt ist, verläuft das House of Quality (HoQ) synchron zu den Planungsstufen der Entwicklung eines Produktes oder einer Dienstleistung. Die Reihenfolge der Ziffern kennzeichnet die Abfolge der einzelnen inhaltlichen Analyseschritte, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Die Bedeutung im Rahmen des Design for Six Sigma wird hierdurch aber offensichtlich: Die Phase 1 entspricht der Aktivität Define im
120
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Rahmen des DMADV-Zyklus. Die Phasen 2 und 3 korrespondieren mit der Aktivität Measure, da hier die CTQs in ihrer Ausprägung beim eigenen und bei Konkurrenzprodukten bewertet werden. Die Phasen 4, 5 und 6 beinhalten die Aktivität Analyse. Die Phasen 7, 8 und 9 sind die gedanklichen Vorarbeiten für die Aktivität Design. Sie werden durch die abschließende Aktivität Verify nach einer konkreten Umsetzung in ihren angestrebten Wirkungen überprüft.
Abhängigkeitsanalyse (Wie beeinflussen sich die einzelnen Konstruktionsmerkmale?) Technische Anforderungen/Konstruktionsmerkmale (Wie setzen wir die Kundenanforderungen technisch um?)
6
2 Gewichtung (Wie wichtig ist es?)
4 5
Wirtsch. Gewichtung
Techn. Gewichtung
Objektive Maßstäbe
1 Kundenanforderungen (Was verlangt der Kunde?)
Ausprägung/Beziehungsmatrix (In welchem Ausmaß können die Kundenanforderungen realisiert werden?) Maßeinheiten Eigenes Produkt/ Konkurrenzprodukt
Techn. Schwierigkeiten Technische und wirtschaftliche Bewertung Beigemessene (Wie werden die VerbesWichtigkeit serungsmöglichkeiten bewertet?) Geschätzte Kosten Zielvorgaben
Ziel/ Ziel/ Wirkung: Wirkung: •• •• •• ••
Technischer Vergleich (Wie schneiden wir technisch im Detail gegenüber Wettbewerbern ab?)
Maßnahmenpriorität (Welche Verbesserungen wollen wir zuerst realisieren?)
3
Kundenwahrnehmung/ Konkurrenzvergleich (Benchmarking) (Wie gut sind wir im Vergleich zu den Wettbewerbern?)
7 8 9
Mehr Mehr Klarheit Klarheit Erkennen Erkennen von von Informationsdefiziten Informationsdefiziten Bessere Bessere Kommunikation, Kommunikation, auch auch mit mit internen/externen internen/externen Kunden Kunden Zielgerichtetes Zielgerichtetes Handeln Handeln
Abbildung 17: Vorgehensweise beim Erstellen des 1. HoQ
Der komplexe Analyse- und Planungsprozess wird im Folgenden an einem Beispiel vereinfacht durchlaufen. Hierfür wird wiederum der Küchenherd, und zwar speziell die Herdtür, ausgewählt (vgl. Abbildung 18). Die Analyse macht deutlich, dass sich die Anwendung dieses Instrumentes bezogen auf die Komplexität der Kundenanforderungen und die Schwierigkeit der Umsetzung in technische Spezifikationen auf in dieser Hinsicht „lohnende“ Objekte beschränken muss. Andernfalls stehen Aufwand und Ertrag in einem Missverhältnis. Bei der erforderlichen differenzierten Analyse der Kundenanforderungen ist es wichtig, produktbezogen die von der Zielgruppe präferierten Kombinationen zu erkennen und vor allem mit der jeweiligen Preisbereitschaft zu verbinden. Dies läuft auf die Anwendung des Conjoint Measurement zur Bestimmung von Nutzenbündeln mit präzisen Wert bzw. Preisvorstellungen hinaus. Sie sind dann intern mit den aus der Analyse sich ergebenden Ist-Kosten für dieses Produkt zu vergleichen. Üblicherweise sind die Ist-Kosten höher als die Preisbereitschaft der Adressaten. Damit ist unmittelbar der Ansatz für Target Costing Aktivitäten gegeben. Häufig werden sie, um Fehler in der Produktauslegung und dadurch nicht erkannte
Armin Töpfer, Swen Günther
121
Risiken zu vermeiden, mit der Konstruktions-Fehler-Möglichkeits und EinflussAnalyse (FMEA) im Verbund eingesetzt. Auf die Kombination dieser Instrumente mit der QFD wird in den folgenden Abschnitten noch einmal eingegangen. Erkennbar wird hier jedoch bereits die zweckmäßige Vernetzung dieser Methoden im Rahmen von Design for Six Sigma, um sowohl die Anforderungen der Kunden als auch die Ziele des Unternehmens zu erreichen. Zusammenhang der Dimensionen:
6
Objektive Maßstäbe
Isolie- Bedienung rung
3 3
Kein Geruch in der Küche
3
Keine Wärmeabgabe Maßeinheiten (engl.)
2
7
Herdtür von B
Technische Schwierigkeiten Beigemessene Wichtigkeit (%) (;100%) Geschätzte Kosten (%) (gesamt 100%) Zielvorgaben
9
Herdtür
Türdichtung
+ Dämmung der
+ Widerstand der
zum Öffnen
...
3 Kundenwahrnehmung/ Konkurrenzvergleich (Benchmarking) SchlechBester tester 1 2 3 4 5
7 5
Leicht von außen zu öffnen ...
Unsere Herdtür Herdtür von A
stand
Kundenanforderungen Leicht von außen zu schließen Schlägt nicht zu
- Energieaufwand
1
2
beim Schließen
9
+ Türhaltewider-
1
Legende: 1 = geringste/schlechteste 10 = höchste/beste
Dichtung/ Dämmung
Öffnungs- und Schließaufwand
- Energieaufwand
Lesereihenfolge
Gewichtung
stark entgegengesetzt
Konstruktionsmerkmale
4
leicht entgegengesetzt
...
schwach positiv
...
stark positiv
8
5 ft-lb
lb
ft-lb
lb/ft
10 9
11 12
9 9
3 2
9 5
9.5
10
11
2
6
4 10
5 6
1 9
1 6
3 2
5 7.5
2 9
9 7.5
6 3
9 9
Unser Modell Modell von A Modell von B
Abbildung 18: 1. HoQ am Beispiel Herdtür
Vorab wird der Ableitungszusammenhang, der in dem Wort Deployment bei QFD angesprochen ist, präzisiert und in seiner Bedeutung für Null-Fehler-Qualität auf allen Ebenen des Wertschöpfungsprozesses mit einem Retro-EngineeringBlickwinkel bewertet. Das oben angesprochene erste House of Quality (1. HoQ) ist jetzt – ausgehend von den Kundenanforderungen – nicht nur in Produktmerkmale, sondern auch in Komponenten-, Fertigungsprozess- und Produktionsmittelmerkmale abzuleiten. Diese nahtlose Kaskadierung der Wertschöpfung, wie sie in Abbildung 19 mit vier Houses of Quality nachzuvollziehen ist, soll sicherstellen, dass keine Friktionen gegeben sind und dadurch eine hohe Fehlerfreiheit erreicht wird. Dies entspricht unmittelbar der Philosophie von DFSS. Die Anzahl der HoQs kann aufgrund der jeweiligen Aufgabenstellung und des gewünschten Detaillierungsgrad der Ergebnisse variieren. In DFSS-Projekten kommt i.d.R. dem Black Belt die Rolle des Moderators bei der QFD-Anwendung zu. Sie wird umso effizienter, je mehr sie auf der Basis eines IT-gestützten Tools durchgeführt wird. Denn hierdurch können unterschiedliche
122
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Spezifikationen in den einzelnen Analyseschritten durchgespielt werden und so relativ schnell aus Kunden- und Unternehmenssicht optimale Kombinationen herausgefiltert werden. Die oben bereits angedeuteten Vorbehalte gegen eine QFD-Anwendung lassen sich exemplarisch in folgenden Stolpersteinen und Schwierigkeiten bei der Anwendung zusammenfassen: •
Bezogen auf die Problemlösung hätten wir dies auch ohne QFD geschafft.
•
Für das erreichte Ergebnis ist dies viel zu viel Aufwand.
•
Die Einbeziehung von Marketing in Fragestellungen für Techniker ist nicht sinnvoll.
•
Wir haben viel zu wenig Kenntnisse über spezielle Kundenbedürfnisse und -anforderungen.
•
Die erforderlichen Informationen über Wettbewerbsprodukte sind uns nicht zugänglich.
•
Für einfache Projekte ist die Methode zu aufwendig. Für komplexe Problemstellungen ist sie nur schwer handhabbar.
House of Quality
Entwicklung der Einzelteile
III.
Arbeitsvorbereitung
Produktionserfordernisse
Grundlegende Betriebsabläufe
II.
Grundlegende Betriebsabläufe
Teilemerkmale
I.
Teilemerkmale Konstruktionsmerkmale
Kundenanforderungen
Konstruktionsmerkmale
IV.
Fertigungsplanung
Über einen iterativen iterativen Prozess Prozess werden werden die die Kundenanforderungen Kundenanforderungen auf Konstruktion, Prozess- und Produktionsplanung übertragen Quelle: Hauser/Clausing 1988, S. 73
Abbildung 19: Kaskadierung der Houses of Quality im QFD-Prozess
Alle diese Einwände sind grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Sie machen vielmehr noch einmal deutlich, dass der Einsatz von QFD im Rahmen von DFSS bezogen auf die Vor- und Nachteile genau abzuwägen ist. Unternehmensspezifisch sind dann die in Abbildung 20 aufgeführten Punkte zu bewerten.
Armin Töpfer, Swen Günther
123
Das häufigste Argument, der hohe Zeitaufwand, ist nicht absolut zu werten. Vielmehr muss die Relation zwischen dem Zeitaufwand für QFD auf der einen Seite sowie auf der anderen Seite der Komplexität und der Zeitdauer des gesamten Entwicklungsprozesses und den aufgedeckten oder verborgenen Risiken bei der Entwicklung, Produktion und dem Einsatz eines Produktes gebildet werden. Wenn man sich die Erfahrungswerte bezogen auf Anlaufprobleme bei der Produktion von Neuprodukten (Job No. 1) (vgl. Hauser/Clausing 1988, S. 63ff.) und bezogen auf Fehlerkosten nach der Einführung von Produkten (vgl. Töpfer 1997, S. 3f.) vor Augen hält, dann kehren sich die Wertungen schnell um. Dennoch praktizieren die meisten Unternehmen, die dieses Instrument anwenden, ein „Lean QFD“ in der Weise, dass lediglich das erste House of Quality durchgeführt wird.
-
+ • Bereichsübergreifende Kundenorientierung • Ganzheitliche Wettbewerbsorientierung • Verbesserung der Kommunikation • Reduzierung von Fehlerkosten • Kopplung mit Target Costing und FMEA • Transparenz komplexer Entwicklungsprozesse
• Hoher Zeitaufwand vor allem geeignet für technisch anspruchsvolle Produkte • Ungeeignet für Innovationen, bei denen nicht genau bestimmbare Bedürfnisse von Zielkunden erfasst werden sollen
Abbildung 20: Bewertung des QFD-Einsatzes
5
Integrierter Methodeneinsatz mit Conjoint Analyse und Target Costing
Bereits bei den vorstehenden Ausführungen wurden die einzelnen Methoden und Instrumente angesprochen. In diesem Abschnitt wird ausgeführt, in welcher Weise sie in der zeitlichen Reihenfolge zweckmäßigerweise durchzuführen sind und wie sie auf dieser Basis inhaltlich verbunden werden können. Abbildung 21 zeigt diese Abfolge exemplarisch auf. Hieraus wird ersichtlich, dass nach der Anwendung von QFD zur Übersetzung der Stimme des Kunden in die Sprache des Ingenieurs im Bedarfsfalle eine Conjoint Analyse Klarheit über Nutzenbündel und die damit verbundene Preisbereitschaft bringt. Die anschließende Anwendung von Target Costing definiert für den oben bereits angesprochenen Zusammenhang zwischen
124
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
dem erzielbaren Marktpreis und dem internen Kostenniveau mehrere Meilensteine zur Reduzierung der Kosten in Richtung Zielkosten (Allowable Costs). Der abschließende Einsatz einer FMEA liefert hierzu einen direkten Beitrag, wenn Ursachen für Fehlerkosten erkannt und beseitigt werden können. Gleichzeitig ist die Analyse von Risikopotenzialen und deren Reduzierung als ein wichtiger indirekter Beitrag zur Sicherung des Target Costing Niveaus zu werten.
Stimme des Kunden/ Sprache des Ingenieurs
Quality Function Deployment
Wie lassen sich Kundenanforderungen in technische Kriterien und Lösungen umsetzen?
Nutzenbündel/ Preisschwellen
Conjoint Analyse
Was ist der Kunde bereit, für welche Funktion zu bezahlen?
Kundenanforderungen/ Zielkosten der Systemkomponenten
Target Costing
Wie lassen sich definierte Kosten für realisierte Kundenanforderungen erreichen?
Produktqualität/ Qualitätskosten
FMEA
Was für Fehler sind zu vermeiden, um die Lebenszykluskosten gering zu halten?
Abbildung 21: Kundenanforderungen und Unternehmensziele im Einklang
Im Folgenden wird kurz auf den konzeptionellen Ansatz und die Vorgehensweise einer Conjoint Analyse, wie sie in Abbildung 22 skizziert ist, eingegangen. Der Wert dieser Methode liegt darin, dass das in Eigenschaften und hierauf basierenden Ausprägungen zerlegte Produkt „neu“ zu Nutzenbündeln zusammengesetzt wird, die von den Befragten im Hinblick auf Präferenz, ausgedrückt durch eine Rangfolge, und Preisbereitschaft bewertet werden. Für jeden Befragten werden die Teilnutzenwerte der Merkmalsausprägungen individuell so festgelegt, dass die Summe der Werte wieder die gleiche Reihenfolge wie die ursprüngliche Rangordnung der Angebote durch den Befragten ergibt. Dabei werden die metrischen Teilnutzenwerte für die einzelnen Eigenschaftsausprägungen aus den von den Befragten geäußerten ordinalen Gesamtnutzenurteilen abgeleitet (vgl. hierzu und im Folgenden Backhaus et al. 2006, S. 559). Bezogen auf das bisher bereits referierte Beispiel Kochherd bedeutet dies, dass die Merkmale Anschaffungspreis, Nutzungszeit, Reinigungsaufwand, Energieeffizienz und Leistungsfähigkeit jeweils zwei unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Sie sind mit ihren jeweiligen Ausprägungen in Abbildung 23 wiedergegeben.
Armin Töpfer, Swen Günther Ermittlung der Teilnutzenwerte pro Ausprägung
Bewertung durch die Konsumenten
Eigenschaften Produkt
Aggregation der höchsten Teilnutzenwerte kombinierbarer Ausprägungen
Nutzenbündel
Ausprägungen
3000 W
Beispiel:
Leistungsfähigkeit
Kochherd
125
Nutzenbündel 1
4000 W
... 250 – 500 €
Nutzenbündel 2
Anschaffungspreis 500 – 750 €
Conjoint Measurement zur Optimierung von Nutzenbündeln aus Kundensicht
Abbildung 22: Vorgehensweise bei Conjoint Measurement
Normierter Teilnutzenwert
Anschaffungspreis
450 €
Nutzungszeit
12 Jahre
Reinigungsaufwand
gering
Energieeffizienz
Klasse A
Leistungsfähigkeit
Leistungsmerkmal
0
4000 W
650 €
7 Jahre
mittel
Klasse B
3000 W
20
40
60
80
100
68 0 29 0 58 0 9 0 29 0
Der maximale Zusatznutzen beträgt 68 + 29 + 58 + 9 + 29 = 193
Abbildung 23: Berechnung des Zusatznutzens definierter Angebotsalternativen mit Hilfe der Teilnutzenwerte
126
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Das Untersuchungsdesign zeigt, dass jede Ausprägungskombination als potenzielles Leistungsangebot betrachtet werden kann. Das vollständige Design umfasst demnach 25 = 32 unterschiedliche Preis-Leistungs-Kombinationen. In der Praxis ist es zweckmäßig, sich im Sinne von Design of Experiments (DOE) auf ein reduziertes Design zu beschränken, also nur wenige Preis-Leistungs-Kombinationen, z.B. 8, als für den Adressaten klar unterscheidbare und für das Unternehmen generell realisierbare Produktvarianten. Die Leistungsmerkmale werden auf der Basis der zugeordneten Teilnutzenwerte gewichtet. Die Wichtigkeit der Leistungsmerkmale aus Käufersicht entspricht damit der Spannbreite der normierten Teilnutzenwerte. Letzteres stellt sicher, dass die ermittelten Nutzenwerte der Befragten auf dem gleichen „Nullpunkt“ sowie der gleichen „Skaleneinheit“ basieren. Wie sich hieraus errechnen lässt, hat der Anschaffungspreis eine relative Wichtigkeit von 35 %, der Reinigungsaufwand von 30 %, die Nutzungszeit von 15 %, die Leistungsfähigkeit ebenfalls von 15 % und die Energieeffizienz von 5 %. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass diese Wichtigkeitswerte – auf einfachere Weise – auch über eine VOC-Analyse unter Einsatz des Maslow- oder Kano-Modells ermittelt werden können. Bei einer doppelgleisigen Analyse sollten die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Instrumenten übereinstimmen.
Bauteile/ Komponenten Backröhre
15
35
30
5
15
Nutzungszeit
15%
15
40
30
5
10
Reinigungsaufwand
30%
15
35
30
20
5%
20
45
45
15%
60
60
40
Nutzenanteile in %
12
40
32
9
7
Drifting Costs in €
100 180
90
30
50
450
Allowable Costs in €
48
128
36
28
400
ew ht ic un g
Energieeffizienz Leistungsfähigkeit
160
Elektronik
Kochfeld
35%
Herdtür
Gehäuse
Anschaffungspreis
G
Kritische Qualitätsmerkmale (CTQs)
Vergleich zum Wettbewerb Unternehmen Wettbewerber A Wettbewerber B 1
2
3
4
5
Wettbewerbsanalyse
Be 10 isp iel
Abbildung 24: Bestimmung der Allowable Costs mit QFD
Vergleicht man nicht nur aus Kundensicht das Profil der kritischen Qualitätsmerkmale (CTQs) des eigenen Produktes mit denen der maßgeblichen Wettbe-
Armin Töpfer, Swen Günther
127
werber, sondern bewertet zusätzlich aus Unternehmenssicht die Bedeutung der einzelnen Bauteile für das jeweilige Merkmal, dann lassen sich auf der Basis dieser Gewichtung hieraus in einer QFD-Analyse die gewichteten Nutzenanteile in % für jedes Bauteil ermitteln. Ihnen sind, wie Abbildung 24 nachvollziehbar macht, die derzeit prognostizierte Kosten (Drifting Costs als Ist-Kosten) und die aus heutiger Sicht zulässigen Kosten (Allowable Costs als Zielkosten) – basiert auf den jeweiligen Nutzenanteilen – für jedes Bauteil gegenüber zu stellen. Hieraus ist dann unmittelbar der notwendige Handlungsbedarf abzulesen. Die in der Praxis entscheidende Frage ist nun, wie im Rahmen eines Six Sigma Projektes bei einem geplanten Umsatz und Zielgewinn die Schere zwischen Allowable Costs und Drifting Costs – im Beispiel € 5 Mio. (siehe Abbildung 25) – geschlossen werden kann. Eine Target Costing Analyse wird dann typischerweise in den folgenden acht Stufen durchgeführt (vgl. Buggert/Wielpütz 1995, S. 41ff.):
Geplanter Umsatz
(Preis * Menge)
-
Zielgewinn
440 € * 100.000 Stück
44 Mio. €
Allowable Costs
Drifting Costs
Zulässige Kosten
Derzeit mögliche Kosten
400 € * 100.000 Stück
450 € * 100.000 Stück
=
10 %
40 Mio. €
45 Mio. €
Kostenspaltung nach
Produktprofil (Gewichtung von Leistungsmerkmalen durch Kunden)
Leistungsmerkmalen
Produktkomponenten
Bauteile
Eventuelle Kostenlücke 5 Mio. € Solange bis Zielkosten erreicht sind
Maßnahmen zur Reduktion der Drifting Costs
Abbildung 25: Vorgehensweise bei Target Costing
1) Leistungsmerkmale des neuen Produktes (Abstimmung mit Strategie) festlegen und gewichten (Conjoint Measurement) 2) Potenziellen Marktpreis und Produktzielkosten (Allowable Costs) ermitteln (Rohentwurf des Produktes) 3) Leistungsmerkmale mit Produktkomponenten verknüpfen (Funktions-/Komponenten-Matrix) und Nutzenanteil der Produktkomponenten ermitteln 4) Zerlegung der Allowable Costs nach Produktkomponenten und evtl. Leistungsmerkmalen (Kostenspaltung – Kostenanteil der Produktkomponente als Target Costs bestimmen)
128
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
5) Vergleich mit Kosten bei momentan verfügbaren Leistungstechnologien (Drifting Costs) für jede Produktkomponente (Nutzenanteil als Allowable Costs pro Bauteil dividiert durch die Summe der Allowable Costs geteilt durch den Kostenanteil als Drifting Costs pro Bauteil dividiert durch die Summe der Drifting Costs) 6) Anpassung der Zielkosten der Produktkomponente an Nutzenbeitrag (Zielkosten-Kontrolldiagramm in Abbildung 26) 7) Kostensenkungsprogramme, z.B. Make or Buy Programme, Prozessgestaltung, Wertgestaltung, Wertzuwachskurve 8) Festlegung von Standardkosten für Kalkulation. Zielkostenindex (ZI) =
Nutzenanteil i
Kostenanteil %
Kostenanteil i
ZI = 1
„Ideallinie“; d.h. Kostenanteil = Nutzenanteil
ZI < 1
„zu aufwendig“; d.h. Kostenanteil > Nutzenanteil
ZI > 1
„zu einfach“; d.h. Kostenanteil < Nutzenanteil
Kochfeld
40
„zu aufwendig“ 30 Gehäuse Backröhre
20
Y1
Fokussierung auf Komponenten 10 Elektronik außerhalb des Zielkostenkorridors Parameter (q) Herdtür Y1 = (x2 – q2)1/2 ; Y2 = (x2 + q2)1/2 0 0 10
„zu einfach“
Y2 20
30
Basis: Deisenhofer (1993), S.104
40 Nutzenbeitrag %
Abbildung 26: Zielkosten-Kontrolldiagramm als Deployment-Ergebnis
Die vorstehend angesprochene Abbildung 26 liefert auf der Basis dieser Berechnungen eine einfache Darstellung über den Zielkosten-Korridor um die Diagonale der beiden Dimensionen Nutzenanteil und Kostenanteil. Hierdurch ist als Deployment-Ergebnis gut nachvollziehbar, ob die Kosten für ein Bauteil bereits dessen Nutzenbeitrag entsprechen und damit Zielkostenniveau erreicht haben. Der Optimierungsprozess ist damit klar bestimmt. In unserem Beispiel Kochherd ist demnach das Gehäuse in der Relation Kostenanteil zu Nutzenanteil „zu aufwendig“ (ZI < 1) und die Backröhre bei dieser Bewertungsgrundlage „zu einfach“ (ZI > 1). Insbesondere das Kochfeld trifft genau das Zielkostenniveau mit ZI = 1. Die Auswertung des Zielkostenkontroll-Diagramms und die Einleitung von Kostensenkungsprogrammen sollte jeweils bauteilspezifisch erfolgen. Das heißt, um
Armin Töpfer, Swen Günther
129
Fehlinterpretationen und -entscheidungen zu vermeiden, sind die Produktkomponenten mit hohen Abweichungen von der „Ideallinie“ im Projektteam einzeln zu analysieren. Zum Beispiel lässt sich nur so feststellen, ob die Einordnung des Gehäuses als „zu aufwendig“ bereits in der Erfüllung von Begeisterungsanforderungen entsprechend des Kano-Modells begründet liegt. Zusammenfassend ist in Abbildung 27 ebenfalls eine Bewertung von Target Costing aufgeführt. Wie die vorstehenden Ausführungen deutlich machten, ist für fundierte Aussagen zum Ist- und Zielkostenniveau auf Komponentenebene vorab mit anderen Instrumenten eine aussagefähige Gewichtung von kritischen Qualitätsmerkmalen durchzuführen. Die Vorteile von Target Costing in Kombination mit anderen Instrumenten ist trotz einiger Schwächen nicht zu unterschätzen. Gerade bei der Neuproduktentwicklung mit dem Anspruch einer Null-FehlerQualität ist ein integrierter Einsatz dieser Instrumente für ein Design for Six Sigma deshalb lohnenswert.
-
+ • Bereichsübergreifende Kundenorientierung • Ganzheitliche Wettbewerbsorientierung • Kopplung mit House of Quality • Reduzierung von Fehlerkosten • Kostendruck fördert neue Ideen im Unternehmen • Durchsetzung von Kostensenkungsprogrammen
• Hoher Zeitaufwand vor allem geeignet für technisch anspruchsvolle Produkte • Keine Trennung von fixen und variablen Kosten • Bedingte Anwendung für Gemeinkosten-/ Dienstleistungsbereiche • Bestimmung der Nutzenanteile subjektiv • Kosten-/ Umsatzbewertung zeitlich instabil
Abbildung 27: Bewertung von Target Costing
6
Robuste Produkte und Fehlervorbeugung durch FMEA
FMEA als Fehler-Möglichkeits und Einfluss-Analyse ist eine präventive Qualitätsmanagement-Methode mit dem Ziel, mögliche Fehler und deren Folgen in Form von Risiken frühzeitig zu erkennen (vgl. hierzu und im Folgenden DGQ 2001, S. 9ff.). Die Methode eignet sich insbesondere im Vorfeld der Einführung neuer Produkte und Prozesse. Innerhalb weniger Jahre hat sie sich als fester Bestandteil bei der Qualitätssicherung in Technologieunternehmen etabliert. Heute können nach dem Zeitpunkt der Anwendung und dem Objekt der Untersuchung
130
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
drei Arten von FMEA’s unterschieden werden. So begleitet die System-FMEA die Gesamtkonzeptphase, die Konstruktions-FMEA die Produktentwurfsphase und die Prozess-FMEA die Fertigungsplanungsphase. Grundsätzlich werden – entsprechend Abbildung 28 – vier Ablaufschritte im Rahmen einer Fehler-Möglichkeitsund Einfluss-Analyse durchlaufen: •
Beschreibung potenzieller Fehler in Funktionen von Produkten, Prozessen und Bauteilen
•
Ermittlung möglicher Fehlerfolgen (Risikoanalyse)
•
Bewertung potenzieller Fehler (Risikobewertung) und
•
Beurteilung von Maßnahmenvorschlägen (Risikoverringerung/-vermeidung).
Rückkopplung zur Erfolgskontrolle
Identifizieren von Produkten/ Prozessen/ Service Festlegung der Komplexität
Funktionsbeschreibung
Beschreiben der Funktionsweise bzw. des Prozessablaufes
Fehleranalyse
Fehlerbewertung
Fehlerfolge Fehlerart Fehlerursache Analyse von Abhängigkeiten
FMEA-Vorbereitung
Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verringerung von Fehlern
Bedeutung Umsetzung X Auftreten Dokumentation X Entdeckung = Risikoprioritätszahl
FMEA-Durchführung
Basis: Pande, P. et al., 2000, S. 371f., Magnusson, K. et al. 2001, S. 131ff.
Abbildung 28: FMEA – Überblick über Vorgehen/Ablauf
Nachdem mögliche Produkt- und Prozessfehler ermittelt wurden und deren Auswirkungen bekannt sind, lässt sich das Risiko durch die Berechnung einer Risikoprioritätszahl (RPZ) abschätzen. Dazu wird mit Hilfe von Punktzahlen zwischen 1 und 10 jeder Fehler nach Auftritts- und Entdeckungswahrscheinlichkeit sowie Bedeutung seiner Folgen bewertet. Mit der Zielsetzung, subjektive Fehlerbewertungen zu objektivieren, ergibt sich bei Multiplikation der Punktzahlen die RPZ. Die ermittelten Risikoprioritätszahlen werden anschließend der Höhe nach geordnet, um Fehlerschwerpunkte entsprechend ihrer Wichtigkeit gezielt zu beseitigen. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich zur Sicherstellung einer gewissen Systematik und Übersichtlichkeit die Benutzung eines Formblattes (siehe Abb. 29).
Armin Töpfer, Swen Günther
131
Gerade bei einer funktionsorientierten Betrachtungsweise ist eine ganzheitliche Sicht bezogen auf Produkt-, Bauteil- und Prozessebene besonders wichtig. Sie wird ebenfalls unter Leitung eines Black Belt im Rahmen eines DFSS-Projektes durch eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe sichergestellt. Erfahrungsgemäß fördert die mögliche Teamarbeit die Kreativität und Qualität der Ideen beim Aufdecken von Risikopotenzialen und entsprechenden Gegenmaßnahmen.
Risikoanalyse
VerantRisiko wortung Aktionen
Risikobewertung
Entdeckung
Fehler- Prüfmaßursache nahmen
Auftreten
Fehlerfolge
Neuer Zustand Bedeutung
(Teil/Funktion) Fehlerart
Entdeckung
KonstruktionsFMEA
Auftreten
Aktueller Zustand Bedeutung
Potenzielle
Risiko
Risikominimierung
Objektivierte Fehlerbewertung Fehlerbewertung im Entwicklungsprozess Entwicklungsprozess
Abbildung 29: Standardisiertes Vorgehen auf Basis eines Formblattes
An unserem Herdbeispiel soll im Folgenden kurz die Vernetzung der drei FMEAArten aufgezeigt werden. In Abbildung 30 ist dies wiedergegeben: Die SystemFMEA untersucht das funktionsgerechte Zusammenwirken der Systemkomponenten und ihrer Verbindungen. Ziel ist die Vermeidung von Fehlern bei Systemkonzept und Systemauslegung sowie die Vermeidung von Feldrisiken. Grundlage für die Untersuchung sind die System- bzw. Produktanforderungen. Die Konstruktions-FMEA untersucht die pflichtenheftgerechte Gestaltung und Auslegung der Erzeugnisse/Komponenten zur Vermeidung von Entwicklungsfehlern und konstruktiv beeinflussbaren Prozessfehlern. Die Prozess-FMEA analysiert die zeichnungsgerechte Prozessplanung und -ausführung der Erzeugnisse/Komponenten zur Vermeidung von Planungs- und Fertigungsfehlern. Auch allgemeine Prozesse wie z.B. Dienstleistungen können mit einer Prozess-FMEA analysiert werden. Die Verbindung der FMEA mit der QFD ist dann sichergestellt, wenn die aus den Kundenanforderungen abgeleiteten Funktionen des Produktes im Rahmen einer QFD sich unmittelbar in den mit einer FMEA untersuchten Funktionen des Produktes wiederfinden.
132
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Funktionen des Teils
Systemfunktionen SystemFMEA
Merkmale
Fehlerfolge
Fehlerart
Fehlerursache
Herdplatte ist nicht mehr betriebsfähig
Stromzufuhr unterbrochen
Elektronik/ Kabelanschluss beschädigt
Fehlerfolge
Fehlerart
Fehlerursache
Stromzufuhr unterbrochen
Elektronik/ Kabelanschluss beschädigt
Herdplattenanschluss nicht hitzebeständig
Fehlerfolge
Fehlerart
Fehlerursache
Elektronik beschädigt
Herdplattenanschluss nicht hitzebeständig
Materialauswahl/ Montage
KonstruktionsFMEA
Prozess-FMEA
Basis: DGQ, FMEA, S.26, 2001
Abbildung 30: Zusammenhang/Überlappung der FMEA-Arten
Vor diesem Hintergrund wird eine FMEA ihrem Zweck nur gerecht, wenn die Forderungen nach Vollständigkeit und Richtigkeit weitgehend erfüllt werden. Die Richtigkeit der Analyse wird z.B. durch die systematische Vorgehensweise, eindeutige Bewertungskriterien, kritische Bewertungen (worst case) und einen umfassenden Informationsaustausch innerhalb der Arbeitsgruppe sichergestellt. Die Vollständigkeit wird durch die Untersuchung aller Komponenten oder Prozesse erreicht, um damit alle möglichen Fehlerarten zu erkennen. Zur Straffung der FMEA können einzelne Komponenten begründet ausgeschlossen werden, sofern sie trotz worst-case-Betrachtung als unkritisch, d.h. aus Kundensicht unbedeutend, anzusehen sind. Die gesetzlichen Regelungen der Produkthaftung haben sich insofern verschärft, dass sich z.T. die Beweislast für den Hersteller umgekehrt hat. Er muss bei einem Produkt, durch das Personen- oder Sachschäden entstanden sind, sein NichtVerschulden nachweisen. Die Anwendung einer FMEA im Rahmen der Entwicklung und Konstruktion entspricht heute dem geforderten Stand der Wissenschaft und Technik (siehe Produktsicherheitsgesetz und Produkthaftungsgesetz). Dadurch kann sich das Unternehmen zumindest von einem Versäumnisvorwurf entlasten. In der Automobilindustrie fordert beispielsweise das Regelwerk der QS 9000 die Anwendung der FMEA in der Produktentwicklung. Der Aufwand zur Erstellung einer FMEA wird oft als Argument gegen ihren Einsatz angeführt. Während sich der Aufwand bei guter „Buchführung“ leicht ermitteln lässt, sind die Einsparungen nicht exakt darstellbar, da nicht gemachte Fehler und vermiedene Änderungen als Opportunitätskosten nur schwer berechnet wer-
Armin Töpfer, Swen Günther
133
den können. In einem DFSS-Projekt wird der Aufwand beim Durchlaufen des DMADV-Zyklus durch den Wechsel der Aktivitäten in der Entwicklungsabteilung und im interdisziplinären Team bestimmt. In Abbildung 31 ist die Aufgabenteilung skizziert. Das Ergebnis ist in der Regel deutlich besser als bei einer ausschließlich abteilungs- oder bereichsbezogenen Analyse. Zunächst in Entwicklungsabteilung: Weiter im interdisziplinären Team: Dann wieder in Entwicklungsabteilung: Entwicklung Designalternativen entwickeln Define
Define Measure Analyse Design Verify
D M A D V
FMEA Designalternativen bzgl. Risikopotenzial analysieren und bewerten
Entwicklung Designalternative auswählen/ Detailliertes Design erstellen
Measure Analyse
Design Verify
Abbildung 31: FMEA-Anwendung bei Design for Six Sigma
Die Bewertung der FMEA nach den bisher angewandten Plus-Minus-Muster macht deutlich, dass gerade diese Analysen die Funktionalität des Produktes in Richtung der CTQs und die Robustheit des Designs fördern. Das Überwiegen der positiven Aspekte begründet die relativ starke Verbreitung der Methode (siehe Abbildung 32).
7
Risikomanagement zur Risikobegrenzung
Vor allem bei Design for Six Sigma kommt es darauf an, durch Fehler im Entwicklungsprozess entstehende Risiken möglichst schnell zu erkennen und bei einem Ausmaß über dem definierten kritischen Wert zu eliminieren, also ein fundiertes Risikomanagement durchzuführen (vgl. Töpfer/Mehdorn 2003). Es versteht sich von selbst, dass dieses Ziel auch bei Prozessoptimierungen im Rahmen des DMAIC-Zyklus von Six Sigma Projekten zu verfolgen ist. Der Hebel und damit die Einflussmöglichkeit zur Vermeidung von Risiken sind jedoch im DMADVZyklus bei der Neuproduktentwicklung ungleich größer.
134
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
+ • Fehlervermeidung • Dokumentierter Stand der Technik bezogen auf Produkthaftung • Kostenersparnis • Zusätzlich: Bewertung der Qualitätskontrollen • Höhere Funktionalität und Robustheit des Produktes • Reduzierung der Produktionsprobleme
• Zeitaufwand/ Kosten • Statistik-/ Dokumentationsaufwand • Subjektivität bei RPZErmittlung
Abbildung 32: Bewertung von FMEA
Generell lassen vier Stufen der Risikobehandlung mit absteigender Priorisierung unterscheiden (vgl. Töpfer 2002, S. 255f.): •
Eliminieren/vermeiden
•
Vermindern
•
Abwälzen
•
Händeln.
Neben den bestehenden Gesetzen für die Herstellerhaftung bei Produkten kommen als weitere gesetzliche Grundlage und europäische Richtlinie das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) sowie die Regelungen von Basel II hinzu. Das KonTraG gilt in Bezug auf die Implementierung eines Risikomanagement-Systems zwar nur für börsennotierte Kapitalgesellschaften (vgl. Kern 2003, S. 33ff.). Dennoch werden inzwischen bereits viele der Anforderungen zur Qualität der Risikoanalyse generell für praktisch alle Unternehmen, insbesondere von den Banken, eingefordert. Dies gilt um so mehr, da zugleich die Regelungen von Basel II bis Ende 2006 umfassend zu erfüllen sind. Sie fordern durch die neuen Kreditregeln für die Banken und durch die Überwachung durch die Bankenaufsicht eine deutlich größere Transparenz der Risiken bei den Banken in Form von mehr und aussagefähigeren Informationen, die zu veröffentlichen sind. Das Ziel besteht darin, dass das Kreditrisiko besser gemessen und erfasst wird und eine stärkere Prüfung durch die Bankenaufsicht vor Ort erfolgt.
Armin Töpfer, Swen Günther
135
Dies gelingt nur, wenn auch die Kunden der Banken im Rahmen der Kreditvergabe an sie ihre Geschäftsrisiken analysieren, bewerten und der Bank gegenüber offen legen. Da hiervon die Höhe der Kreditzinsen abhängt, steht es außer Frage, dass die Qualität des Risikomanagements hoch und vor allem auch sehr transparent sein muss. In einem mehrstufigen Prozess werden also die Risiken bzw. das Risikomanagement – ausgehend von den Banken – über alle Stufen der Herstellerund Lieferanten-Unternehmen heruntergebrochen. Gravierende Risiken sind deshalb über den Prozess, wie ihn bspw. die FMEA vorsieht, durch die Risikoanalyse, -bewertung und -minimierung zu eliminieren und damit generell zu vermeiden. Wenn die beiden Ansätze des Eliminierens und Vermeidens sowie die anderen beiden Alternativen des Verminderns und Abwälzens nicht greifen, dann muss das Risiko gehändelt werden. Konkret bedeutet dies, dass durch ein präventives Krisenmanagement die Fehlerquellen, mögliche Fehler und ihre Auswirkungen möglichst gering gehalten werden. Eine wichtige Aktivität ist dabei die Erstellung eines Risikoportfolios, wie es in Abbildung 33 skizziert ist. Im Kern geht es darum, die Risiken eines Unternehmens nach den beiden Dimensionen „Höhe der negativen Auswirkungen“ und „Höhe der Eintrittswahrscheinlichkeit“ zu ordnen. Der dritte Quadrant zeigt dann das höchste Gefährdungspotenzial für das Unternehmen an. Zusätzlich empfiehlt es sich – wie bei der FMEA – insbesondere für diese Risiken auch die Entdeckungswahrscheinlichkeit zu analysieren und zu berücksichtigen. Eintrittswahrscheinlichkeit Hohes Gefährdungspotenzial für das Unternehmen
hoch
Legende:
mittel
Größe des Kreises = Volumen/Größe des Investments als Basis des Verlustrisikos (Value at Risk)
gering gering
mittel
hoch
Abbildung 33: Dimensionen des Risikoportfolios
Negative Auswirkungen
136
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Die Größe der Kreise kennzeichnet zusätzlich das Volumen des jeweiligen Investments. Es determiniert grundsätzlich das Verlustrisiko als Value at Risk. Generell können aber auch kleine Investments durch enorme Folgeschäden hohe Risiken in sich bergen. Als Beispiel aus dem Bereich Haushaltsgeräte, speziell Gas-Herde, lassen sich Risiken bezogen auf Feuergefahren oder Verpuffung anführen. Bezogen auf unser an früherer Stelle angeführten Beispiels E-Herd wurde durch ein Gerichtsurteil im Jahre 2001 bspw. ein Schmerzensgeld aufgrund eines fehlenden Warnhinweises in der Gebrauchsanleitung zugunsten des Klägers festgelegt. Der Sachverhalt war so, dass er sich beim Herausnehmen der Backofentür zur Reinigung verletzt hatte (vgl. VersR 2002, S. 384). Da die Prozesse oftmals jedoch nicht so beherrscht werden, dass das Eintreten von gravierenden Fehlern völlig ausgeschlossen ist, muss zusätzlich ein reaktives Krisenmanagement durchgeführt werden. Es hat die möglichst gute Vorbereitung auf einen eintretenden Krisenfall zum Gegenstand. Neben den Inhalten kommt es hierbei vor allem auch auf die Schnelligkeit und die Kommunikation in einer Krise an. Ein plausibles Beispiel für diese Risikobehandlung im Rahmen eines DMAIC-Prozesses ist das Verhalten von Airlines. Denn der Absturz eines Flugzeuges kann trotz aller Präventionsmaßnahmen auf dem jeweiligen Stand der Technik nicht völlig ausgeschlossen werden. Erforderlich sind deshalb präventives und reaktives Krisenmanagement. Ein Beispiel für die hier interessierende Produktentwicklung mit dem DMADVZyklus sind die Vorsorgemaßnahmen von Automobilherstellern, um kostenintensive Rückrufaktionen neuer Produkte im Markt zu vermeiden. Wie die Erfahrung zeigt, gelingt dies in der Vergangenheit – aus verschiedenen Gründen – immer weniger. Zum einen ist die Komplexität der Produkte zweifellos erheblich gestiegen, insbesondere auch durch den vermehrten Einsatz von Elektronik. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wird (im Durchschnitt) jeden dritten Tag ein Autotyp einer bestimmten Marke zur Nachkontrolle/-besserung in deutsche Werkstätten zurückgerufen (vgl. KBA 2003, S. 6). Im Jahr 2004 ist die Anzahl der über das KBA eingeleiteten Rückrufaktionen um 50 % auf 216 gestiegen. Im Vergleich hierzu waren es im Jahr 2000 94 und im Jahre 1997 58 Rückrufaktionen. Unter der Annahme, dass die jährlichen Grundgenehmigungsverfahren als neue/ veränderte Autotypen ca. 6.000 betragen, entspricht dies einem Sigma-Wert von 3,3, also lediglich einem Qualitätsniveau von 96,4 %. Handlungsbedarf ist demnach offensichtlich angezeigt, obwohl die Fehlerrate von 3,6 % bei Neuprodukten auf den ersten Blick ein durchaus akzeptables Niveau signalisiert. Im Vergleich zum Analyse- und Bewertungsaufwand des Risikomanagements als Opportunitätskosten sind die Kosten für derartige Rückrufaktionen um ein Vielfaches höher. Es ist deshalb davon auszugehen, dass in der Praxis die Durchführung dieser Analysen nicht gescheut wird, sondern die Schwierigkeit vielmehr darin besteht, ausreichend Informationen und Transparenz über das Auftreten und die Wirkungen dieser Risiken zu erhalten.
Armin Töpfer, Swen Günther
137
Das Problem des Auftretens von Fehlerkosten und das Problem der Verfügbarkeit hierauf bezogener Informationen wird an einem weiteren Beispiel deutlich (Boekhoff 2003, S. M23): Bei Volkswagen entstehen weltweit pro Minute 16,5 Beanstandungen in der Gewährleistungshaftung. Die Kosten dafür betragen pro Minute € 3.600. Täglich sind dies € 5,2 Mio. und jährlich € 1,9 Mrd. Diese Beträge lassen erkennen, dass der abstrakte Prozentsatz des Qualitätsniveau allein wenig aussagt, sondern erst durch konkrete quantitative Angaben der Fehlerkosten aussagefähig wird. Eindeutig ist, dass sich eine Investition in Design for Six Sigma in jedem Falle rechnet, ganz abgesehen von dem zusätzlichen Imageschaden und dadurch möglicherweise geringerer Nachfrage. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass immer mehr (Automobil-)Unternehmen Six Sigma Konzepte umsetzen. Dabei gilt: Wenn ein größeres Unternehmen einer Branche Six Sigma einführt, dann sind es oftmals die unmittelbaren Wettbewerber, die relativ schnell nachfolgen, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Wenn seit einiger Zeit Hersteller wie Ford oder auch DaimlerChrysler und BMW Six Sigma Projekte realisieren, dann fordern sie i.d.R. ebenfalls zügig Null-FehlerQualität von ihren Lieferanten, wie z.B. Siemens Automotive Industries, Honeywell, Johnson Control, Honsel, PVT oder Bosch. In diesem Fall sichert es die Hersteller-Zulieferer-Beziehung und nicht nur ein verbessertes Ertragsniveau. Das Optimierungspotenzial ist in der Automobilindustrie z.T. beträchtlich, wenn man bedenkt, dass – nach eigenen Recherchen – selbst bei einem renommierten Hersteller •
die Garantie- und Kulanzkosten als externe Fehlerkosten bis zu € 2.500 pro Fall betragen,
•
die internen Fehlerkosten für Ausschuss und Nacharbeit i.d.R. über € 1.000 pro Fahrzeug liegen,
•
die Anzahl von Fehlern (bis zur Auslieferung an den Kunden) sich bis auf 10 pro produziertem Fahrzeug summiert,
•
die Zeiten und Kosten für die Behebung eines Fehlers in Abhängigkeit vom Komplettierungsgrad des Autos um den Faktor 10 ansteigt („Zehnerregel der Fehlerkosten“),
•
die vorgehaltenen Prüf- und Nacharbeitskapazitäten bis zu 10 % der gesamten Fertigungskapazität betragen sowie
•
die zu bewältigende Komplexität aufgrund der Anzahl von Fehlermöglichkeiten im hohen 5-stelligen Bereich liegt.
138
8
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Zeit- und Kosteneinsparungen mit Hilfe von DOE
Bei der Neuproduktentwicklung besteht ein Hauptproblem darin, in einer ausreichenden Anzahl von Experimenten die technologische Konzeption des Produktes, das Zusammenwirken der einzelnen Bestandteile/Baugruppen und insbesondere das Erreichen der kundenbezogenen Anforderungen und unternehmensbezogenen Ergebnisse auf einem weitgehend fehlerfreien Niveau sicherzustellen. Genau dies ist mit dem Design of Experiments (DOE) als statistische Versuchsplanung angestrebt. Wie bei der Conjoint Analyse in Abschnitt 5 bereits angesprochen, besteht die Zielsetzung darin, die Anzahl der notwendigen Experimente zu reduzieren und dabei gleichzeitig Entwicklungszeit und -kosten einzusparen. Die Anzahl der Versuche, die rechnerisch auf der Grundlage vorhandener Teile bzw. Prozessschritte, deren unterschiedlicher Ausprägungen und zahlenmäßiger Kombinationsmöglichkeiten möglich sind, deutlich zu verringern. Statt einer vollfaktoriellen Versuchsplanung soll also eine – statistisch abgesicherte – teilfaktorielle Versuchsplanung mit den oben angesprochenen Zeit- und Kosteneinsparungen erreicht werden. Mit teilfaktoriellen Versuchen als DOE i.e.S. ist also angestrebt, die beste Kombination von Produktkomponenten und/oder optimalen Prozessabläufen im Entwicklungsprozess zu erzielen. Die notwendige Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis der wichtigsten Anforderungen/Faktoren aus Kunden- und Unternehmenssicht. Von der Regressionsanalyse zur statistischen Versuchsplanung Einer DOE-Analyse liegt die folgende Philosophie zugrunde, die insbesondere mit dem Gedankengut von DFSS übereinstimmt. Im Weiteren werden hierzu einige leicht verständliche, grundsätzliche methodisch-statistische Aussagen gemacht, um dem hierauf nicht spezialisierten Leser den Ansatz und die Zweckmäßigkeit einer DOE zu verdeutlichen: Jede Tätigkeit ist ein Prozess, der ein Outputergebnis besitzt, dessen Qualität wiederum von unterschiedlichen Einflussfaktoren abhängt. So hängt z.B. die Qualität unseres Beispiels „Kochherd“ ceteris paribus, also ohne Variation aller anderen Einflussgrößen, sowohl von den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Unternehmen als auch von deren Qualifikationen sowie der Qualität der vorgefertigten Teile der Zulieferer ab. Allgemein lässt sich dieser Sachverhalt als Funktion beschreiben: Qualität eines Kochherds yi = f(Arbeitsbedingungen (x1i), Qualifikationen der Mitarbeiter (x2i), Qualität der Zulieferteile (x3i), ... , Zufall/Fehlerterm (xni)). i kennzeichnet dabei die Ausprägungen zu einem bestimmten Zeitpunkt der n Merkmale und der dadurch erzeugten Produktqualität. Nach der vorstehenden Gleichung wird über das Niveau der Qualität die Quantität im Sinne der Ausbeute fehlerfreier Produkte, in unserem Beispiel funktionsfähige Kochherde, durch einen sogenannten Zufalls- bzw. Fehlerterm beeinflusst, der im Allgemeinen mit der Natur (zufällige natürliche Abweichungen) gleichgesetzt
Armin Töpfer, Swen Günther
139
wird. Nur durch diesen Term ist die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung nicht ausschließlich deterministisch, sondern auch als eine Zufallszahl, also stochastische Größe, auffassbar. Wenn alle Einflussvariablen für die definierte Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung bekannt sind, was in der Praxis aufgrund der zu großen Anzahl weitgehend unmöglich ist, stellt sich die Frage, wie groß der Einfluss der einzelnen Variablen auf das Output- bzw. Gesamtergebnis ist. Ohne dieses Wissen ist eine zufriedenstellende Schätzung und nachhaltige Beeinflussung der Qualität des Outputergebnisses nicht möglich. Der Einfluss der einzelnen Faktoren bzw. Variablen variiert dabei zwischen 0 und 100 %, d.h. die Qualität eines produzierten Kochherds kann im Extremfall – entsprechend der obigen Funktion – nur von einem Faktor, z.B. den Arbeitsbedingungen im Unternehmen, abhängen. Im anderen Extremfall, der in der Praxis eher wahrscheinlich ist, haben alle beschriebenen Faktoren, z.B. Qualifikation der Mitarbeiter, Qualität der Zulieferteile, einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die Qualität des Prozessergebnisses. Die Frage ist demnach, wie sich die relevanten Einflussfaktoren für einen Produktionsprozess bestimmen und optimal miteinander kombinieren lassen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zusätzlich zu beachten, dass die Kombinationen aller erfassten Einflussfaktoren in Summe einen Einfluss auf die Qualität zwischen 0 und 100 % besitzen. In der Unternehmenspraxis ist es aber eher selten, dass alle Variablen umfassend und eindeutig beschrieben werden können und folglich eine 100-prozentige Abhängigkeit in Form einer Qualitätsfunktion ableitbar ist. Die Differenz zu 100 % Soll- bzw. Null-Fehler-Qualität ist der ungeklärte bzw. nicht erklärbare Einfluss (Zufallsterm), der sich als Residuum (Restwert) durch das Auftreten nicht erfasster und damit in ihrer Wirkung zufälliger Einflussgrößen oder Messfehler im Produktionsprozess ergibt. Es kommt deshalb darauf an, dass ein oder mehrere Einflussfaktoren bei der Analyse im Rahmen von Design for Six Sigma nicht unterschlagen werden, vor allem wenn sie einen signifikanten Einfluss auf die Prozessqualität besitzen. Um die verschiedenen Einflussfaktoren auf ein Prozessergebnis zu identifizieren und insbesondere deren Einflussstärke zu bestimmen, wird häufig eine Analyse von Prozessdaten in Form einer linearen oder ggf. auch nicht-linearen Regressionsanalyse durchgeführt. Dabei werden die durch den Prozess angefallenen und archivierten Daten regressiert: Im einfachsten Fall, wenn der Output lediglich von einem Einflussfaktor abhängt, wird also analysiert, um wie viel sich der Output Y im Durchschnitt ändert, wenn sich der Input X als unabhängige Variable um eine Einheit erhöht. Der Vorteil der Regressionsanalyse gegenüber anderen statistischen Methoden, z.B. der statistischen Versuchsplanung, besteht insbesondere darin, dass ein laufender Prozess nicht verändert wird und nur die „nebenbei“ anfallenden Daten zur Auswertung genutzt werden. Generell können dadurch statistische Ergebnisse/Aussagen zu relativ geringen Kosten erzielt werden.
140
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Im allgemeinen Fall mit mehreren unabhängigen Variablen geht man in der Regel davon aus, dass die Effekte der einzelnen Variablen voneinander unabhängig sind und daher addiert werden können. Sowohl die Annahme der Linearität als auch die der Additivität werden in einer konkreten Anwendung aber häufig nicht zutreffen, so dass das Regressionsmodell entsprechend verallgemeinert werden muss (nicht-lineares Modell unter Berücksichtigung multiplikativer Effekte). Im bivariaten Fall kann z.B. mit Hilfe eines Streudiagramms (siehe Abbildung 34) entschieden werden, ob die Linearitätsannahme zumindest eine gute Näherung liefert. Im multivariaten Fall sind weitergehende diagnostische Werkzeuge notwendig (vgl. Backhaus 2006, S. 9).
Output
Aus den voranstehenden Ausführungen wird deutlich, dass mit der Anwendung der Regressionsanalyse in der Praxis zwei schwerwiegende Probleme einhergehen. So werden „Datenwolken“ häufig nur mit einem sehr geringen Bestimmtheitsmaß regressiert, wie Abbildung 34 verdeutlicht. Das heißt, die ermittelte Regressionsgerade (Tendenzgerade) erklärt die Input-Output-Beziehung nicht bzw. nur sehr begrenzt.
?
Input Abbildung 34: Beispiel für ein „nicht-regressierbares“ Streudiagramm
Das zweite wesentliche Problem der Regressionsanalyse besteht darin, dass u.U. wichtige Einflussfaktoren unberücksichtigt bleiben, wenn die normale Variabilität der Faktoren in dem zu untersuchenden Experiment aufgrund unzureichender Datenlage zu gering ist und sie unter mathematisch-statistischen Gesichtspunkten als nicht signifikant erkannt werden. Dies wird am folgenden Beispiel aus der Arbeitswelt deutlich: Es soll der Einfluss des Wetters mit der „Spitzenkennzahl“ Temperatur (als unabhängige Größe) auf den Krankenstand in einer bestimmten Region untersucht werden. Wenn für die Regression des Krankenstandes – ver-
Armin Töpfer, Swen Günther
141
gangenheitsbezogen – nur Daten aus dem vorangegangenen Sommer benutzt werden, kann es leicht passieren, dass alle statistischen Tests die Temperatur als wesentlichen Einflussfaktor ablehnen, auch wenn die Temperatur in Wirklichkeit einen signifikanten Einfluss besitzt. Der für jedermann „einleuchtende“ Grund hierfür ist, dass die Temperatur während des Sommers nicht stark genug schwankt, um eine hinreichend große Veränderung des Krankenstandes zu bewirken. Werden hingegen die Temperaturwerte eines ganzen Jahres beobachtet und damit jahreszeitliche Schwankungen berücksichtigt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Temperatur im Modell als signifikante Einflussgröße identifiziert wird. Diese kurzen grundsätzlichen Ausführungen belegen die begrenzte Aussagefähigkeit von zeitreihenbasierten Regressionsanalysen und machen die Notwendigkeit eines in der Aussagefähigkeit weitergehenden Instrumentes, also der DOE, deutlich (vgl. hierzu und im Folgenden Kleppmann 2003). Paradigmenwechsel: Von der Beobachtung zum experimentellen Versuch Im Zusammenhang mit experimenteller Statistik wird oft ein Ausspruch von George Box zitiert: „Will man herausfinden, wie sich ein System verhält, wenn man es verändert, dann muss man es verändern“ und es nicht nur passiv beobachten (Breyfogle 1999, S. 409). Bezogen auf Six Sigma Projekte bedeutet dies, dass Konstruktionen und Prozesse, die verbessert werden sollen, immer auch verändert werden müssen. Um Prozesse und Abläufe zu beeinflussen bzw. zu optimieren, wird in der experimentellen Statistik dazu übergegangen, die einzelnen Einflussfaktoren „aktiv“ zu verändern. Es tritt dabei jedoch das Problem auf, dass nicht nur die Hauptfaktoren Einfluss auf das Output-Ergebnis besitzen, sondern auch zumeist die Kombinationen aus zwei oder mehr Faktoren (multiplikative Verknüpfung). Zum Beispiel besteht eine höhere Unfallwahrscheinlichkeit, wenn man unter Alkoholeinfluss mit dem Auto unverhältnismäßig schnell fährt als die Summe aus den Wahrscheinlichkeiten nur zu schnell bzw. nur alkoholisiert fahren. Infolgedessen müssen die Wechselbeziehungen zwischen den Hauptfaktoren ebenfalls berücksichtigt werden, was dazu führt, dass die Anzahl an Versuchsanordnungen für ein Experiment überproportional gegenüber der Erhöhung der Anzahl von Faktoren steigen. Der Grund hierfür ist, dass der Umfang und die Komplexität eines Experiments maßgeblich von der Anzahl an Ausprägungen eines Faktors abhängt. In diesem Zusammenhang werden drei verschiedene Ausprägungsarten bei Einflussfaktoren unterschieden: 1) Dichotome Faktorausprägungen: z.B. ja – nein/ männlich – weiblich 2) Ordinale Faktorausprägungen: z.B. viel – wenig oder differenzierter: viel – mittel – wenig/ erster – zweiter – dritter 3) Metrische Faktorausprägungen: z.B. 0 – 100 %/ -278 – 1.000 °C Neben der Art und Anzahl der Faktorausprägungen ist auch die „absolute“ Anzahl an Hauptfaktoren mitentscheidend für die „Größe“ eines Versuches. Aus der An-
142
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
zahl an Faktoren und deren Ausprägungen ergibt sich die Menge aller möglichen Faktorkombinationsmöglichkeiten, z.B. Ak mit A ... Anzahl an Ausprägungen und k ... Anzahl an Einflussfaktoren, wobei – vereinfachend – alle Faktoren die gleiche Anzahl an Ausprägungen besitzen. Die Anzahl von durchzuführenden Experimenten bei einer vollfaktoriellen Versuchsplanung ist Abbildung 35 zu entnehmen. Bei Faktoren mit 2 Ausprägungen sind so viele Versuche notwendig, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten statt alle Kombinationen zu testen: Anzahl der Faktoren
DOE
3
4
Vollfaktorieller Versuch 8 25
5–7
8
8 – 15
16
28- 215 (256 - 32.768)
16 – 31
32
216- 231 (65.536 - 2.147.483.648)
32 – 63
64
232- 263 (4.294.967.296 –
-
27
(32 - 128)
9.223.372.036.854.775.808) Basis: Breyfogle 2000, S. 717
Abbildung 35: Anzahl der notwendigen Versuche mit DOE
Übertragen auf unser Beispiel Kochherd führt dies zu folgenden Wirkungsbeziehungen. Dabei wird bewusst ein vereinfachtes und exemplarisches Beispiel zugrunde gelegt, da das Erklären der Methode und nicht das Lösen dieses „Alltagsproblems“ im Vordergrund steht. Es sei das Ziel vorgegeben, das Erhitzen von Wasser mit einem Kochherd quantitativ, d.h. mit Hilfe einer metrischen Skala, zu bewerten und in der Folge zu optimieren. Im Beispiel wird vereinfacht davon ausgegangen, dass mit dem E-Herd jeweils 1 Liter Wasser in einem Standardgefäß (Durchmesser Kochtopf = Durchmesser große Herdplatte) in kürzester Zeit zum Kochen gebracht werden soll. Weiterhin wird vereinfacht angenommen, dass die Dauer zum Erhitzen (Kochzeit in Minuten) nur von zwei Einflussgrößen abhängt: zum einen, ob der Kochtopf mit Wasser auf einer kleinen oder großen Heizplatte erhitzt wird und, zum anderen, ob ein Topfdeckel aufgesetzt wird oder nicht. Es werden ceteris paribus zunächst keine weiteren Einflussfaktoren in Betracht gezogen. Außerdem werden in diesem Experiment die benannten Größen als dichotom behandelt, d.h. es wird z.B. nur berücksichtigt, ob und nicht wie der Topfdeckel auf dem Kochtopf aufliegt. Im folgenden Experiment werden die zwei Einflussfaktoren (A = Herdplatte und B = Topfdeckel) und die beschriebene Wechselwirkung aus ihnen (AB = Herdplatte x Topfdeckel) in allen möglichen Kombinationen jeweils auf + gesetzt, was
Armin Töpfer, Swen Günther
143
bedeutet, dass der Faktor auf hohem Niveau bzw. aktiv ist (z.B. Topfdeckel liegt auf), oder auf –, der Faktor ist also auf niedrigem Niveau bzw. inaktiv (z.B. Topfdeckel ist abgenommen). Da die k = 2 Faktoren dichotom sind, haben diese A = 2 Ausprägungen. Daraus ergibt sich, dass Ak = 22 = 4 Versuchsanordnungen notwendig sind, um ein vollfaktorielles Experiment durchzuführen. Vollfaktoriell bedeutet hierbei, dass alle Faktorkombinationen der angenommen Einflussgrößen experimentell getestet werden. Für die verschiedenen Versuchsanordnungen ergibt sich jeweils ein separates Outputergebnis, was in diesem Fall der Dauer bis zum Kochen des Wassers entspricht. Für eine übersichtliche Darstellung wird der Versuchsplan – wie in Abbildung 36 zu sehen – in Matrizenform als Designmatrix abgebildet. In der Praxis werden dabei jeweils mehrere Messreihen mit Mittelwertbildung zugrunde gelegt, was einerseits das Ergebnis stabilisiert, andererseits aber zusätzlich den Aufwand erhöht. AB Ergebnis Geschätzte VersuchsA B Residuum Herdplatte* (Kochzeit Kochzeit anordnung Herdplatte Topfdeckel (Restwert) (in min) Topfdeckel in min) 1 + 15,0 14,5 -0,5 2 + 13,0 12,0 -1,0 3 + 14,0 14,5 0,5 4 + + + 11,0 12,0 1,0 Effekt -2,5 -1,5 -0,5 13,3 13,3
Abbildung 36: Designmatrix für einen vollfaktoriellen 22 Versuchsplan
Im Experiment erhalten wir beispielsweise in der dritten Versuchsanordnung, bei der sich der 1l-Wassertopf mit Deckel auf der kleinen Heizplatte befindet, eine Kochzeit von 14 Minuten. Der inaktive Einfluss der Faktorwechselwirkung zwischen Herdplatte und Topfdeckel ergibt sich aus der Multiplikation der beiden Faktorausprägungen (– = – · +). Die mittlere Kochdauer der Versuchsreihe beträgt nach Spalte 5 13,3 Minuten. Aus den in Abbildung 36 aufgeführten Messergebnissen lässt sich im Weiteren der Effekt der einzelnen Einflussfaktoren sowie deren Wechselwirkungen abschätzen. So ergibt sich z.B. der Wert für den Haupteinflussfaktor „A Herdplatte“ mit -2,5 = (13+11)/2 – (15+14)/2 und für den Einflussfaktor „B Topfdeckel“ mit -1,5 = (14+11)/2 – (15+13)/2. Dies bedeutet, dass sich die Kochzeit im Durchschnitt um zusätzlich 1,5 bis 2,5 Minuten verringert, wenn der Wasserkochtopf auf der großen Heizplatte erhitzt und mit einem Topfdeckel verschlossen wird. Nach Abbildung 36 ergibt sich bezogen auf die Verringerung der Kochzeit ein zusätzlicher positiver Effekt i.H.v. -0,5 infolge der Wechselwirkung zwischen den Faktoren A und B. Wechselwirkung bedeutet hierbei, dass Änderungen in der Wirkung des einen Faktors von der Aktivierung des anderen Faktors abhängen. Das heißt, es besteht ein grundsätzlicher Unterschied, ob man den Kochtopf auf die kleine Herdplatte stellt und mit dem Topfdeckel verschließt
144
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
oder ob man ihn mit Deckel auf der großen Heizplatte erhitzt. Dieser Sachverhalt ist in der folgenden Abbildung 37 noch einmal grafisch aufbereitet. Dabei ist linken Diagramm zu erkennen, dass sich durch das Auflegen des Topfdeckels die Kochzeit bei Nutzung der kleinen Herdplatte um 1 Minute und bei Nutzung der großen Herdplatte um 2 Minuten verringert. Nach dem rechten Diagramm verkürzt sich die Wasserkochzeit bei Nutzung der kleinen Herdplatte von 15 auf 14 Minuten, bei Nutzung der großen Herdplatte von 13 auf 11 Minuten. Auf Basis der Wirkungsanalyse der Faktoren A und B sowie der Wechselwirkung AB lässt sich in einem weiteren Schritt ein (einfaches) Vorhersagemodell ableiten. Im Beispiel wird ausgehend von dem Kochzeit-Mittelwert i.H.v. 13,3 Minuten sowie der durchschnittlichen Wirkung des Haupteinflussfaktors „A Herdplatte“ die Kochzeit wie folgt geschätzt (vgl. Spalte 6, 1. Zeile in Abbildung 36): 14,5 = 13,3 + (-1) · (-2,5)/2. Der angegebene Restwert (Residuum) ergibt sich als Differenz aus der gemessenen und geschätzten Kochzeit und dient i.d.R. zur Kontrolle/Bestätigung des Schätzmodells. Mit Hilfe des bekannten Normalverteilungsdiagramms kann geprüft werden, ob das Modell die gemessenen Ergebnisse gut abbildet und ob die gemessenen Ergebnisse aus einem vorhersagbaren/ beschreibbaren Prozess stammen (vgl. Magnusson et al. 2001, S. 146f.). 18,0
16,0
15,0
14,0
14,0
13,0
12,0
11,0
10,0 8,0
Kochzeit (in min)
Kochzeit (in min)
18,0
16,0
+2 Topfdeckel
Herdplatte -
13,0
12,0
11,0
10,0 8,0
-1
15,0 14,0
14,0
-1
+2 Herdplatte
Herdplatte +
Topfdeckel -
Topfdeckel +
Abbildung 37: Ergebnisplots zur Wirkung der Einflussfaktoren
DOE i.e.S.: Von der vollfaktoriellen zur teilfaktoriellen Versuchsplanung Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich machen, ist es mit Hilfe der statistischen Versuchsplanung möglich, die Ergebniswirkungen von einzelnen Faktoren gezielt zu ermitteln bzw. herauszufiltern. Damit stellt sie nicht nur einen Signifikanztest für einzelne Einflussfaktoren dar, sondern ist zugleich die Grundlage zur Entwicklung von Vorhersagemodellen für die Steuerung von Prozessergebnissen. Trotz dieser eindeutigen Vorteile gegenüber der Regressionsanalyse und anderen Verfahren können insbesondere vollfaktorielle Experimente im Rahmen der statis-
Armin Töpfer, Swen Günther
145
tischen Versuchsplanung schnell zu einer hohen und damit nicht mehr bewältigbaren Komplexität führen. Wie in Abbildung 35 bereits verdeutlicht wurde, führt eine Erhöhung der Einflussfaktoren zu einem überproportionalen Anstieg des Experimentumfangs. Dies hat wiederum direkte Auswirkungen auf die Durchführungszeit/-kosten und damit insgesamt auf die Kosten-Nutzen-Relation eines Six Sigma Projektes. Aus diesem Grund besteht bei der Anwendung von DOE die wichtigste Aufgabe darin, den Experimentumfang als Anzahl von Versuchen systematisch zu minimieren. Dabei gilt die Erkenntnis, dass es u.U. teuerer ist, effiziente Prozesse durch umfangreiche und ineffiziente Experimente/Versuchsreihen zu erreichen, als umfangreiche Statistik einzusetzen. Mit Hilfe von DOE i.e.S. wird versucht, diesen „Trade-Off“ zwischen der Verbesserung eines Prozesses bzw. einer Konstruktion und der Begrenzung der Kosten für die Experimentdurchführung zu optimieren. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu bemerken, dass es auch mit einer optimierten DOE-Vorgehensweise sehr schwierig ist, komplexe Systeme/Prozesse vollständig zu erfassen und mit Hilfe von nur „wenigen“ Faktoren zu analysieren. Oftmals kann im Unternehmen mit vielen Geschäftsprozessen bzw. bei Produkten mit vielen Bauteilen/Komponenten selbst eine heuristische Annäherung an das Optimum nicht erreicht werden. Im Folgenden sind in Abbildung 38 die wesentlichen Schritte zur Planung und Durchführung von teilfaktoriellen Versuchen aufgelistet (vgl. Breyfogle 1999, S. 430). 1. Fakten des Versuchs auflisten
Ziel: Hauptwirkungen der Faktoren ermitteln
2. Annahmen auflisten 3. Beim Versuch zu berücksichtigende Faktoren definieren 4. Ausprägungen der Faktoren bestimmen 5. Nicht zu untersuchende Faktoren auflisten 6. Faktoren mit mehreren Ausprägungen auf zwei Ausprägungen reduzieren 7. Anzahl der Versuche und Lösungsweg bestimmen 8. Einen oder mehrere Faktoren ausschalten 9. Von Intervall-Messung zu stetiger Messung wechseln 10. Hauptbestandteile des Designs für Variation der Ausprägungen vorsehen 11. Teilfaktoriellen Versuchsplan bestimmen 12. Bestimmen, welche Versuche wiederholt werden 13. Stichprobenumfang für Wiederholungen der Versuche festlegen 14. Zufallsabhängige Versuchsabfolge bestimmen 15. Möglichkeiten zur Fehlerreduzierung bei den Versuchen festlegen 16. Planen der nachfolgenden Versuchsstrategie 17. Planen der Vorgehensweise Basis: Breyfogle 2000, S. 430
Abbildung 38: Ablauf des Design of Experiments (DOE)
146
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Bei der Anwendung von teilfaktoriellen Versuchsplänen wird davon ausgegangen, dass die Wechselwirkungen zwischen drei und mehr Faktoren (z.B. ABC) kaum noch nennenswerten Einfluss auf das Outputergebnis besitzen. Aus diesem Grund werden diese Spalten aus der Designmatrix eliminiert oder durch andere wesentliche Einflussfaktoren ersetzt. Letzteres hat zur Folge, dass bei gleichem Experimentumfang mehr Einflussfaktoren beachtet werden können. In der Unternehmenspraxis hat sich gezeigt, dass der Einfluss von Einzelfaktoren den Einfluss von Wechselbeziehungen auf ein Prozessergebnis i.d.R. weit übertrifft. In der folgenden Abbildung 39 ist ein teilfaktorieller Versuchsplan für das Beispiel „Wasserkochen“ wiedergegeben. Dabei wird als weitere kontrollierte Variable der Faktor C = Leitungswasser eingeführt. C (AB) Ergebnis Geschätzte VersuchsA B Residuum Leitungs- (Kochzeit Kochzeit anordnung Herdplatte Topfdeckel (Restwert) wasser in min) (in min) 1 + 14,5 14,3 -0,3 2 + 13,0 11,8 -1,3 3 + 14,0 14,3 0,3 4 + + + 10,5 11,8 1,3 Effekt -2,5 -1,5 -1 13,0 13,0
Abbildung 39: Designmatrix für einen teilfaktoriellen 23-1 Versuchsplan
Im Beispiel wird dann die Wechselbeziehung zweiten Grades AB durch den neuen Einflussfaktor C Leitungswasser ersetzt. Dieser ist auf hohem Niveau (+), wenn zum Kochen bereits warmes Leitungswasser abgefüllt wird. In den Versuchsanordnungen, bei denen die Wechselbeziehung AB inaktiv bzw. auf niedrigem Niveau (–) war, wird der neue Faktor ebenfalls auf niedriges Niveau gesetzt; andernfalls wird C „aktiviert“. Damit bleiben die Vorzeichen in der Spalte C = AB unverändert. Die Überlagerung einer Wechselbeziehung/-wirkung mit einem weiteren Einflussfaktors wird als definierte Gleichung bezeichnet (vgl. Magnusson et al. 2001, S. 155). Auf diese Weise können die Effekte/Wirkungen der drei Faktoren A, B und C mit lediglich vier Versuchen bestimmt werden. Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, dass die Ergebniswirkungen von C und AB vermischt sind. Man kann nicht mehr genau sagen, ob der Effekt auf die Kochzeit durch das Leitungswasser allein oder in Verbindung mit der Wechselwirkung von Herdplatte und Topfdeckel hervorgerufen wird. Für den teilfaktoriellen Versuch ist in Abbildung 40 die relative Stärke der Auswirkungen der drei Einflussfaktoren Herdplatte, Topfdeckel und Leitungswasser in Form eines Kuchendiagramms dargestellt, das auf den Werten der Abbildung 39 basiert. Die Anzahl an Versuchsanordnungen bei teilfaktoriellen Experimenten lässt sich also allgemein wie folgt bestimmen: Ak-d mit A ... Anzahl an Ausprägungen, k ...
Armin Töpfer, Swen Günther
147
Anzahl an Einflussfaktoren, wobei alle Faktoren die gleiche Anzahl an Ausprägungen besitzen, und d ... Anzahl an definierten Gleichungen. C (AB) Leitungswasser 20%
A Herdplatte 50% B Topfdeckel 30%
Abbildung 40: Relative Bedeutung der Einflussfaktoren
Wichtige Schlussfolgerungen aus einer DOE-Analyse lassen sich z.B. auf der Basis der Verlustfunktion von Taguchi ziehen, die zu Beginn dieses Artikels dargestellt wurde. Aus den Ergebnissen unseres einfachen Versuchsbeispiels wird deutlich, dass die Wahl der Herdplatte einen großen Einfluss auf die Zielgröße hat, eine bestimmte Wassermenge in kürzester Zeit zu erhitzen. Dies wird durch die Erkenntnis ergänzt, dass die Nutzung der großen Herdplatte, um Wasser in kürzester Zeit zum Kochen zu bringen, bei einem kleinen Kochtopf mit einer geringeren Wassermenge zu relativ hohen Energieverlusten führt. Das Konstruktionsziel besteht also zusätzlich darin, dass der Durchmesser des Kochtopfes dK möglichst genau dem Durchmesser der Herdplatte dH entspricht, um so einen minimalen Energieverbrauch bei geringer Kochzeit zu erreichen. Entsprechend dem Kosten-Minimierungsproblem bei Taguchi besteht die Konstruktionsaufgabe darin, auf der Basis der im Handel erhältlichen KochtopfDurchmesser die optimalen Größen der drei unterschiedlichen Herdplatten zu bestimmen. Für jede Herdplatte ist also in Abhängigkeit von der hierbei am häufigsten verwendeten Kochtopfgröße das Optimum zu bestimmen, wie dies in Abbildung 41 skizziert ist. Dabei ergibt sich bei ungünstiger Kombination von Herdplatte und Kochtopf ein maximaler Verlust i.H.v. Lmax. Die jeweilige Verlustfunktion kennzeichnet beim Unterschreiten des Optimumpunkts eine zu kleine Herdplatte für die benutzten Kochtöpfe und damit einen im Durchschnitt zu großen Zeitverbrauch. Beim Überschreiten des Optimums tritt ein ineffizienter Energieverbrauch auf, da die benutzten Kochtöpfe im Durchschnitt schmaler sind als der verfügbare Herdplatten-Durchmesser. Daneben besteht zusätzlich bei einem zu kleinen Kochtopf für eine genutzte größere Herdplatte die Gefahr von Verbrennungen beim Anfassen.
148
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
f(dK)
Dichtefunktion der KochtopfDurchmesser
15 cm
25 cm
35 cm
dK
Quadratische Verlustfunktion nach Taguchi
L(dH) Lmax
15 cm
25 cm
Zielwert kleine Herdplatte
Zielwert mittlere Herdplatte
35 cm
dH
Zielwert große Herdplatte
Abbildung 41: Optimale Kombination von Kochtöpfen und Herdplatten
Abschließend soll auf der Basis dieser kurzen Erläuterungen wiederum eine Bewertung von DOE vorgenommen werden (siehe Abbildung 42). Die Haupteinschränkung der Methode liegt darin, dass keine Aussagen mit 100%-Wahrscheinlichkeit, also Sicherheit, getroffen werden können. Im Hinblick auf die erzielbare Zeit- und Kosteneinsparung sowie der noch guten Übersichtlichkeit von Versuchsreihen ist hierin allerdings zugleich ein relativer Vorteil zu sehen. Unter diesem Blickwinkel ist auch der Nachteil eines möglichen Informationsverlustes zu werten, da nicht alle Kombinationen geprüft werden. Offensichtlich sind jedoch der Statistikaufwand und damit verbundene Probleme. Bei einer großen Anzahl von Faktoren und Ausprägungen sind Versuche jedoch nur auf der Basis von DOE mit einem reduzierten Design möglich. Darüber hinaus besteht immer die Möglichkeit, auf der Basis gewonnener Erkenntnisse eine Versuchsreihe vorzeitig abzubrechen und die zweite Versuchsanordnung bereits zu beginnen. Insgesamt ist also die Wertung: Teilfaktorielle Versuche besitzen den Vorteil, eine hohe Anzahl an Faktoren durch eine moderate Anzahl an Experimenten untersuchen zu können.
Armin Töpfer, Swen Günther
+
149
-
• Zeiteinsparung • Eventuell Informationsverlust, da nicht alle Kombinationen ge• Kosteneinsparung prüft werden • Bei vielen Faktoren ist der Ver• Statistik-Aufwand und ggf. such nur mit DOE möglich -Probleme • Übersichtlichkeit • Die Aussage ist nicht mit 100% • Möglichkeit, eine Versuchsreihe Wahrscheinlichkeit sicher auf Basis eines Untersuchungsdesigns abzubrechen, wenn ausreichende Ergebnisse vorliegen und mit der zweiten Versuchsanordnung fortzusetzen
Abbildung 42: Bewertung von DOE
9
Erfinderisches Problemlösen mit TRIZ
Design for Six Sigma hat zum Ziel, einen erkannten Bedarf durch eine möglichst neuartige Lösung mit einem hohen Kundennutzen zu befriedigen. Von daher kommt es im DMADV-Zyklus darauf an, tragfähige kreative Alternativen für die angestrebte Lösung des Kundenproblems zu finden. Hierzu kommen grundsätzlich alle Kreativitätstechniken infrage, wie z.B. als einfache Techniken Brainstorming, Methode 6-5-3, Morphologischer Kasten oder als anspruchsvollere Techniken Synektik und Bionik. Allen diesen Techniken ist gemeinsam, dass sie darauf ausgerichtet sind, möglichst viel kreatives Ideenpotenzial bei den Akteuren freizusetzen. Einige der genannten Techniken gehen dabei anhand eines mehr oder weniger festgelegten Verfahrensablaufes strukturierter vor. Allen diesen Techniken liegt aber kein systematisches Problemlösungskonzept in der Vorgehensweise zugrunde, wie dies bei TRIZ der Fall ist. Im Folgenden wird deshalb detaillierter auf die Rolle und den Beitrag von TRIZ im Rahmen von Six Sigma im Entwicklungsprozess eingegangen. Die Methode ist im Vergleich zu allen anderen Kreativitätstechniken deutlich weniger bekannt. Deshalb sind die nachstehenden Ausführungen etwas grundsätzlicher ausgerichtet und beantworten die folgenden sechs Fragen: 1.
Warum TRIZ? – Anforderungen an innovative Problemlösungen im Rahmen von Six Sigma Projekten
2.
Was ist TRIZ? – Entstehung, Philosophie und Inhalte von TRIZ
150
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
3.
Wie ist TRIZ anzuwenden? – Konzeption, Vorgehensweise und Module des „erfinderischen Problemlösens“
4.
Welche Phasen gibt es? – ARIZ als TRIZ-Innovationszyklus
5.
Wie erfolgt die Vernetzung? – TRIZ als integraler Bestandteil von DMADVProjekten
6.
Welche Wirkungen und Barrieren gibt es? – Chancen und Risiken der Anwendung von TRIZ in Six Sigma Unternehmen
9.1 Anforderungen an innovative Problemlösungen im Rahmen von Six Sigma Projekten – Warum TRIZ? Die „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ (TRIZ) hat als Konzept für Innovationen – genauso wie Six Sigma und auch Design for Six Sigma – seit Mitte der 1990er Jahre eine starke Verbreitung in Unternehmen weltweit gefunden. Im Gegensatz zu Six Sigma ist das Konzept jedoch bereits mehr als ein halbes Jahrhundert existent und in dieser Zeit kontinuierlich erweitert worden. Das Methodenspektrum von TRIZ ist deshalb heute mindestens genauso umfangreich und komplex wie das von Six Sigma. Für die wirksame Anwendung sind folglich umfangreiche Schulungsmaßnahmen und bestimmte praktische Erfahrungen notwendig. Trotz dieser Tatsache gehen viele innovative Unternehmen sowohl den Six Sigma als auch den TRIZ „Weg“, d.h. sie trainieren im Rahmen des Black Belt Trainings oder auch im nachhinein ausgebildete Black Belts für mindestens eine Woche in der Anwendung von TRIZ als ergänzende Methode zum Einsatz in DMAIC- oder DMADV-Projekten. Welche Gründe sprechen hierfür? Zunächst gibt es eine Reihe allgemeiner Anforderungen an innovative Problemlösungen bezogen auf die Durchführung von Six Sigma Projekten (vgl. u.a. Averboukh 2004, S. 1-5): •
Der ständig steigende Wettbewerbsdruck führt auf der einen Seite bekanntlich dazu, dass die Preise von Produkten und Dienstleistungen kontinuierlich fallen. Für die Unternehmen bedeutet dies unmittelbar zurückgehende Gewinnmargen und ansteigenden Kostendruck. Auf der anderen Seite verändern sich die Kundenbedürfnisse und -anforderungen als eigentliches Zielkriterium der unternehmerischen Tätigkeit immer schneller. Die Konsequenzen sind kürzere Produktlebenszyklen und folglich kürze Amortisationszeiträume für getätigte F&E-Investitionen. Aus diesem Grund lautet gerade für DFSS-Projekte die Devise: Schnelle, innovative und fehlerfreie Entscheidungen und Lösungen finden!
•
Der vorgesehene Zeitplan von Six Sigma Projekten mit einer Dauer von 3 bis 6 Monaten kann in der Praxis häufig nicht eingehalten werden. Der Hauptgrund liegt nicht selten in zeitlich verzögerten und fehlerbehafteten Entscheidungen der Prozesseigner (Champion) und/oder der (Master) Black Belts (Projektleiter). Dies hat i.d.R. weitreichende Konsequenzen, nämlich zum einen die aufwendige Neuerfassung von bereits erhobenen Daten in der Meas-
Armin Töpfer, Swen Günther
151
ure-Phase bei einer vorherigen ungenügenden Problemdefinition und zum anderen die umfangreiche Überarbeitung/Wiederholung von einzelnen nachgelagerten Phasen des DMAIC-/DMADV-Prozesses. •
In den einzelnen Phasen des DMAIC-/ DMADV-Prozesses können Probleme auftreten, die nicht nur zu Verspätungen beim Projektabschluss und damit zu erhöhten Projektkosten führen, sondern auch langfristig wirksame, strategische Fehlerkosten beinhalten. Letztere ergeben sich u.a. aufgrund von wenig innovativen Problemlösungen und damit geringer(er) Erfüllung von Begeisterungsanforderungen des Kunden. Neben einer geringen Wirksamkeit der Lösung und damit einem Effektivitätsdefizit kann es zusätzlich zu nichtoptimalen, d.h. nicht ausreichend effizienten Prozessabläufen kommen. Dies liegt vor allem darin begründet, dass technische und/oder physikalische Widersprüche auf der Basis des gegenwärtigen technologischen Wissens im Rahmen des Six Sigma Projektes nicht aufgelöst werden konnten.
Eine der kritischsten Aufgaben bei der Bearbeitung von Six Sigma Projekten ist erfahrungsgemäß das Auffinden und Eliminieren der möglichen Ursachen von operativen und strategischen Fehlern. Als Ergänzung zu den „klassischen“ vorstehend beschriebenen Qualitätsmanagement- und Statistik-Werkzeugen bieten hierbei die TRIZ-Tools eine wirksame Unterstützung beim Aufdecken und Lösen von Widersprüchen. Gegenüber Trial-and-Error-Verfahren und anderen Kreativitätstechniken besitzen sie insbesondere den Vorteil, den Entscheidungsfindungsprozess zu beschleunigen, die Wahrscheinlichkeit von fehlerhaften Entscheidungen, z.B. aufgrund von Subjektivität im Bewertungsprozess, zu verringern und die Lösungsqualität im Hinblick auf Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit insgesamt deutlich zu erhöhen. Wenn mit den bisher betrachteten DFSS-Methoden spezifische, auf der Basis bisheriger Denkmuster schwierig zu lösende Probleme als Anforderungen herausgearbeitet wurden, dann bietet sich der Einsatz von TRIZ als innovativer Problemlösungstechnik an, und zwar in folgender Hinsicht: •
VOC-CTQ-Analyse: TRIZ hilft dabei, die ermittelten Bedürfnisse/Wünsche als „Stimme des Kunden“ (VOC), z.B. „In meinem neuen Backofen darf niemals etwas anbrennen“, in die daraus abgeleiteten kritischen Qualitätsmerkmale (CTQs) möglichst fehlerfrei umzusetzen und voll zu erfüllen.
•
FMEA: Mit TRIZ ist es leichter, Maßnahmen und Strategien zur Vermeidung bzw. Verringerung von Fehlern und Risikopotenzialen bei neuen Produkten und Dienstleistungen zu entwickeln, z.B. „Die Herdplatte muss zum Kochen heiß sein“ versus „Die Herdplatte muss ohne Topf sofort kalt sein, damit man sich nicht daran verbrennt“.
•
QFD: Durch den Einsatz von TRIZ lassen sich technische und physikalische Widersprüche bei der Umsetzung von Kundenanforderungen in konkrete Produkt- und Prozessanforderungen leichter auflösen, z.B. „Die Herdtür muss
152
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
leicht zu verschließen sein.“ versus „Der Widerstand der Türdichtung muss hoch sein, um die Wärme gut zu isolieren.“ •
DOE: TRIZ unterstützt als „Erfinderisches Problemlösen“ bei der Aufgabenstellung, unerwünschte Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren auf das Zielkriterium zu beseitigen, z.B. „Die Wahl von HerdplattenGröße und Kochtopf-Durchmesser dürfen keinen Einfluss auf die KochzeitDauer haben.“
Wie aus Abbildung 43 zu ersehen ist, konzentriert sich die Anwendung der TRIZTools insbesondere auf die Analyse-Phase des DMADV-Prozesses. An dieser Stelle bietet sich auch eine Schulung von TRIZ im Rahmen einer speziellen DFSSSchulung für (Master) Black Belts an. Die Einführung in die TRIZ-Methodik nimmt – je nach vorhandenen Vorkenntnissen der Trainingsteilnehmer – mindestens einen Tag in Anspruch. Für eine wirkungsvolle Anwendung von TRIZ in Six Sigma Projekten sind nach unserer Erfahrung jedoch bis zu fünf Schulungstage notwendig. Genauso wie beim Quality Function Deployment (QFD) ist auch bei TRIZ der Einsatz eines Experten als Moderator in jedem Fall empfehlenswert.
Define
Verify
Business t Case jek Pro rter a Ziele und Ch Probleme
Produktkonzept Markentreue
Benchmarking
Pilotierung + Implementierung des Prozesses
Statistisches Forecasting
Marktanalyse Projektumfang Ressourcen ProjektKommunikontrolle kation Risikoma- Netzplannagement technik
Übergabe an Prozesseigner • Monitoring • Reaktionsplan • Dokumentation
Measure Kunden • identifizieren • segmentieren • priorisieren
Kundenbedürfnisse sammeln + analysieren
CTQs bestimmen Lasten-/ Pflichtenheft Risiko abschätzen
Design Detailliertes Design entwickeln • QFD • Simultaneous Engineering • Entscheidende CTQs
Detailliertes Design evaluieren • DOE • Komplexität • Statistische Tolerierung • Zuverlässigkeit
Implementierung vorbereiten • Konfigurationsmanagement • Maschinenfähigkeitsanalyse (CTQs/ QFD)
Analyse QFD + TRIZ • High Level Design entwickeln • Komplexität reduzieren • Outputsimulation durchführen
Designkonzepte bestimmen • High Level Design evaluieren • FMEA • Target Costing • Kundenfeedback © Prof. Dr. Armin Töpfer
Abbildung 43: M+M Six Sigma DMADV-Zyklus
Die Analyse-Phase umfasst im Allgemeinen drei Teilprozesse, nämlich Designkonzepte bestimmen, „High-Level-Design“ entwickeln und evaluieren sowie „Bestes Design“ auswählen. Im ersten Teilprozess „Designkonzepte bestimmen“ werden dabei zunächst die notwendigen Funktionen mit Hilfe des House of Quality (HoQ) analysiert, d.h. die Anforderungen des Kunden werden in einer Matrix an den Funktionen des Produktes/der Dienstleistung „gespiegelt“. Nachdem klar
Armin Töpfer, Swen Günther
153
ist, was das Produkt/die Dienstleistung aus Sicht des Kunden alles können bzw. erfüllen muss, erfolgt nun die kreative Phase der Entwicklung unterschiedlicher Konzeptvorschläge. Um möglichst viele Vorschläge und innovative Ansätze zu generieren, bieten sich hier einerseits auch die klassischen Kreativitätstechniken an. Anderseits ist die Theorie des erfinderischen Problemlösens (TRIZ) gerade dann hilfreich, wenn offengelegte Konflikte und Widersprüche in einer Dimension, z.B. zwischen unterschiedlichen Produktfunktionen (im „Dach“ des HoQ), und/oder in mehreren Dimensionen, z.B. zwischen Kundenanforderungen und Produktfunktionen (in der „Matrix“ des HoQ), zu lösen sind. 9.2 Entstehung, Philosophie und Inhalte von TRIZ – Was ist TRIZ? Das Akronym TRIZ (Theorija Reshenija Izobretatjelskich Zadacz) stammt aus dem Russischen und steht im Deutschen für die „Theorie des erfinderischen Problemlösens“. Im englischsprachigen Raum ist hierfür auch die Bezeichnung TIPS für „Theory of Inventive Problem Solving“ geläufig. Die Theorie wurde maßgeblich in der früheren UdSSR von Genrich S. Altschuller (1926-1998) und seinen Kollegen entwickelt. Auf der Basis der Analyse unzähliger Patente, kam Altschuller et al. zu der Erkenntnis, dass erfolgreiche Erfindungen auf sehr ähnlichen bzw. gleichen Denkstrategien beruhen. Er formulierte deshalb die Hypothese, dass jeder Idee und jeder Erfindung ein systematischer Prozess vorangeht, welcher durch universelle Grundregeln zu erklären ist. Durch die Kenntnis und Anwendung dieser Regeln ist es dann möglich, den Erfindungsprozess gezielt zu steuern und damit „wirkliche“ Innovationen systematisch zu erzeugen. Zwischen 1946 und 1996 wurden zur Erforschung dieser Zusammenhänge mehr als 2,5 Millionen Patente analysiert (allein 40.000 durch Genrich S. Altschuller). Im Mittelpunkt der Untersuchung standen u.a. folgende drei Fragen, die durch Altschuller und seine Kollegen dreimal mit „Ja“ beantwortet werden konnten: (1) Gibt es eine allgemeingültige, systematische Vorgehensweise für das Auffinden innovativer Lösungen? Æ Ja: Problemstellungen und -lösungen in abstrahierter Form wiederholen/gleichen sich fachübergreifend über alle Wissenschaftszweige und Unternehmensbranchen. (2) Gibt es empirische Grundgesetze bezüglich der technologischen Evolution von technischen Systemen und Verfahren? Æ Ja: Die Evolution technischer Systeme und Verfahren verläuft in allen Wissenschafts- und Industriebereichen nach ähnlichen/vergleichbaren Mustern. (3) Gibt es Innovationen und Produktverbesserungen, deren Entwicklung/ Erfindung disziplinübergreifende Gemeinsamkeiten aufweist? Æ Ja: „Wirkliche“ Innovationen und Verbesserungen bedienen sich wissenschaftlicher Effekte und Erkenntnisse außerhalb der unmittelbaren Problemstellung und damit außerhalb des eigenen Tätigkeitsfeldes (vgl. Teufelsdorfer/Conrad 1998, S. 9).
154
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Die Antworten zu den drei Fragen ließ für Altschuller et al. nur eine Schlussfolgerung zu: Innovation ist kein Zufall. Dabei ist die grundlegende Voraussetzung für eine innovative Lösungsfindung das Vorhandensein eines Widerspruchs. Das heißt, bei TRIZ geht es immer um das „Aufdecken, Verschärfen und Überwinden“ von technisch-physikalischen Widersprüchen, wobei die vorhanden Systemressourcen bestmöglich auszunutzen und das Wissen über evolutionäre Prozesse bei technischen Systemen zu berücksichtigen sind. Als zentrale Kenn- bzw. Optimierungsgröße wird der Idealitätsgrad definiert, der sich – bezogen auf ein System – als Quotient aus der Summe „nützlicher“ Effekte (Nutzen) geteilt durch die Summe „schädlicher“ Effekte (Kosten) ergibt. Das Ziel besteht nun darin, den Idealitätsgrad entsprechend dem generellen Extremumprinzip durch Minimierung der Kosten und Maximierung des Nutzens zu optimieren. Anhand der Änderung des Idealitätsgrades durch eine Neuerung im System lässt sich der Innovationsgrad einer bestimmten Entwicklung/Erfindung ableiten. Je größer die Änderung des Idealitätsgrades ist, desto höher ist also auch der Innovationsgrad einer neuen Lösung. Bei seinen Patentrecherchen stellte Altschuller u.a. fest, dass nur etwa 1 % aller Erfindungen einen hohen Innovationsgrad aufweisen und damit als wirkliche Innovationen gelten. Hingegen handelt es sich bei ca. drei Viertel aller sogenannten Innovationen um „einfache“ Problemlösungen, die i.d.R. mit keinem besonderen Methoden- und Wissenshintergrund verbunden sind (vgl. Mazur 1995, S. 5f.). In Abbildung 44 sind die gebräuchlichsten Erfindungsmethoden und -verfahren in drei Gruppen eingeordnet. Die ersten beiden Gruppen enthalten die bisher gebräuchlichen und z.T. weit verbreiteten Kreativitäts- und Problemlösungstechniken. Die dritte Gruppe der widerspruchsorientierten Methoden ist auf TRIZ und alle damit im Zusammenhang entwickelten Instrumente konzentriert. Während die erste Gruppe der intuitiven Methoden mehrheitlich durch subjektive, spontane und wenig systematische Aktivitäten gekennzeichnet ist, finden sich in der zweiten Gruppe systematische Methoden, die durch objektivierte, planmäßig durchlaufene und jederzeit wiederholbare Denk- und Handlungszyklen gekennzeichnet sind. Die Methoden der dritten Gruppe verlangen neben einer systematischen Arbeitsweise das Ableiten und Lösen von Widersprüchen. TRIZ unterscheidet sich von den klassischen Kreativitätstechniken zum einen durch seine technisch-naturwissenschaftliche Basis, d.h. sie nimmt gezielt Anlehnung aus der Thermodynamik, Mechanik, Elektrotechnik und Chemie, um durch das Erkennen synergetischer Effekte innovative Produktlösungen zu generieren. Zum anderen führt sie auf direktem Wege zur sog. wahren, idealen Lösung eines Problems, weil widersprüchliche Anforderungen des Ausgangsproblems gezielt aufgelöst und „psychologische Denkbarrieren“ der Beteiligten überwunden werden. Dadurch sollen Kompromisse als Ergebnis, wie sie bei anderen intuitiven und systematischen Methoden eher die Regel als die Ausnahme sind, vermieden werden.
Armin Töpfer, Swen Günther
Intuitive Methoden
Systematische Methoden
155
Widerspruchsorientierte Methoden • Erfindungskunst ab 1760 (Wirkungsverbund/ Konfliktanalyse)
• Trial-and-Error-Verfahren
• Synektik
• Technische Improvisation
• Bionik
• Brainstorming/ -writing
• Morphologischer Kasten
• TRIZ-klassisch (Altschuller´s Widerspruchstabelle etc.)
• 6-3-5 – Methode
• Heuristiken
• ARIZ 56ff./ Meta-ARIZ
• N/3 – Methode
• Konstruktionsmethodiken
• Delphi-Methode
• Paarweiser Vergleich
• Graphische Verfahren
• Kriterienbasierte Auswahl (Nutzwertanalyse)
• PROHAL (Programm zum Herausarbeiten von Erfindungsaufgaben u. Lösungsansätzen)
• Simulationen (Monte-CarloSimulationen)
• WOIS (Widerspruchsorientierte Innovationsstrategie) • TRIZ-modern (mit Softwareunterstützung) • I-TRIZ (Verbindung von TRIZ und Six Sigma)
Abbildung 44: Drei Gruppen von Erfindungsmethoden und -verfahren
Aufgrund der Verbindung von Kreativität und Systematik mit Widerspruchsorientierung hilft TRIZ technisch-wissenschaftliche Aufgabenstellungen methodisch und systematisch zu entwickeln und ohne Kompromisse in „robuste“ Lösungen zu überführen (vgl. Günther 2004, S. 1). Nach Jantschgi/Shub (2004) besteht das Ziel der TRIZ-Methodik – per definitionem – darin, •
technische und/oder physikalische Widersprüche zu entdecken,
•
diese kreativ und ohne Kompromisse mit vorhandenen Ressourcen (Wissen)
•
einer präzisen, strukturierten Problemanalyse zu unterziehen und danach
•
zielorientiert in Richtung Erhöhung des Idealitätsgrades zu verbessern.
Altschuller, der bereits im Jahr 1946 eine Stiftung für TRIZ gründete, erkannte, dass sich alle möglichen technischen Anforderungen mit Hilfe von 39 (allgemeingültigen) Parametern beschreiben lassen. Des Weiteren fand er heraus, dass alle denkbaren Widersprüche (max. 1.482) zwischen zwei technischen Anforderungen mit Hilfe von „nur“ 40 (allgemeingültigen) Innovations-Prinzipien gelöst werden können. Die 40 Prinzipien technischer Konfliktlösung zusammen mit den 39 Parametern technischer Systembeschreibung sind in Altschuller´s Widerspruchstabelle bzw. Effekte-Datenbank zusammengefasst dargestellt (vgl. z.B. Orloff 2002, S. 313-330). Dabei wird der TRIZ-Anwender zielgerichtet von seinem speziellen technischen Problem über die allgemeinen Parameter auf die geeigneten innovativen Prinzipien geleitet, die zu seiner Aufgabenstellung passen. Hierzu gibt es eine Reihe von Software-Lösungen, die von unterschiedlichen Unternehmen angeboten werden, wie z.B. Invention Machine, Ideation, Creax international und Trisolver. In Abbildung 45 ist die Anwendung der Widerspruchstabelle/ -matrix am Beispiel der Erfindung des „Spreizdübels“ aus Kunststoff durch Artur Fischer, dem wohl
156
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
berühmtesten Erfinder Deutschlands, dargestellt. An dieser Stelle ist bereits darauf hinzuweisen, dass von ihm die Prinzipien der Widerspruchsmatrix nicht explizit angewendet wurden. Vielmehr geht es darum, die Philosophie und Inhalte von TRIZ an einem einfachen historischen Beispiel zu verdeutlichen. Was ist das Problem bei Verwendung von „normalen“ Dübeln? „Obwohl der Dübel genau in das vorgebohrte Loch passt, dreht er sich beim Festziehen der Schraube mit. Wenn ich aber ein Loch mit etwas kleinerem Durchmesser bohre, habe ich Schwierigkeiten den Dübel zerstörungsfrei in die Wand zu bekommen.“
Was verschlechtert sich? Parameter (9): Fertigungsfreundlichkeit
Was verbessert sich?
Welche Innovations-Prinzipien gibt es?
Parameter (6): Genauigkeit der Maße
Lösungsansatz (20): Universalität Lösungsansatz (29): Selbstbedienung
Abbildung 45: Anwendung der Widerspruchsmatrix am Beispiel „Spreizdübel“
Die innovativen Grundprinzipien, welche der Erfindung des „Spreizdübels“ zugrunde liegen, sind die Lösungsansätze •
(20) Universalität, d.h. das Objekt erfüllt gleichzeitig mehrere verschiedene Funktionen (Das Hineindrehen der Schraube ist sowieso erforderlich, wobei gleichzeitig ohne zusätzlichen Arbeitsschritt die Spreizung des Dübels bewirkt wird) und
•
(29) Selbstbedienung, d.h. das Objekt soll sich selbst bedienen, indem es gleichzeitig Hilfsfunktionen ausführt und dabei „überschüssige“ Energie/ Stoffe verwertet (Der Spreizdübel wird von dem Element, also der Schraube, die er während des Hineindrehens in die Wand fixiert, zugleich selbst fixiert und verkeilt).
Die beiden Lösungsansätze als Innovations-Prinzipien sind das Ergebnis des Abstraktionsprozesses der realen Problemstellung, dass sich nämlich ein „normaler“ Dübel i.d.R. schlecht fixieren und verkeilen lässt, auf die abstrakte Problemstellung. Letztere wird – im übertragenen Sinn – beschrieben durch die zwei technischen Parametern (6) Genauigkeit der Maße und (9) Fertigungsfreundlichkeit, d.h. wenn ich den Loch- und Dübeldurchmesser genau auf Presspassung ausrichte, verkeilt sich der Dübel zwar gut in der Wand, lässt sich jedoch nur mit erhöhtem Aufwand in die Wand schlagen.
Armin Töpfer, Swen Günther
157
Wie anhand der Erfindungen nachvollziehbar ist, haben „geniale Erfinder“ wie Artur Fischer (1919-) oder Thomas Alva Edison (1847-1931) stets die Grundprinzipien des innovativen Problemlösens – zumindest implizit – bei ihren Erfindungen berücksichtigt. Auch wenn sie keine (explizite) Kenntnis der standardisierten technischen Parameter von Altschuller hatten, waren sie ihrer Zeit immer dahingehend voraus, dass sie Probleme und Widersprüche eindeutig erfassen und abstrahieren konnten. Denn nur durch die Fähigkeit der Abstraktion und Spezifikation war es ihnen möglich, wirklich innovative Produktlösungen in einer großen Anzahl zu generieren. 9.3 Konzeption, Vorgehensweise und Module des „erfinderischen Problemlösens“ – Wie ist TRIZ anzuwenden? Nach den einführenden Darlegungen zur Entstehung und Philosophie von TRIZ wird im Weiteren – an einem konkreten Beispiel – auf die einzelnen Schritte der Methode eingegangen. Die Konzeption und allgemeine Vorgehensweise zur Lösung eines Problems mit TRIZ umfasst die folgenden vier Schritte: 1.
Das konkrete Problem definieren.
2.
Dieses in eine abstrakte Problemstellung transformieren.
3.
Auf der Abstraktionsebene eine abstrakte Lösung suchen.
4.
Die abstrakte Lösung in die Realitätsebene zurück transformieren und in ein konkretes Lösungskonzept überführen.
Wie leicht nachvollziehbar ist, ähnelt die Philosophie und Vorgehensweise von TRIZ damit sehr stark der grundsätzlichen „Denkweise von Six Sigma“: In beiden Konzepten werden mit der Realitäts- und der Abstraktionsebene zwei Ebenen der Problemlösung unterschieden. Bei Six Sigma wird das reale Problem in ein statistisches transformiert und gelöst; bei TRIZ führt eine konkrete Problemstellung zu einer abstrakten Lösungssuche. Erst wenn eine zufriedenstellende Lösung auf der Abstraktionsebene gefunden worden ist, erfolgt die Rück-Transformation in die Realitätsebene, d.h. die Umsetzung der statistischen (abstrakten) Lösung in ein reales Lösungskonzept. In Abbildung 46 ist der Algorithmus zur Lösungsfindung mit TRIZ am Beispiel „Milchkochen“ mit dem Kochtopf auf einem E-Herd dargestellt. Hier wird das konkrete Problem, dass Milch zum Erhitzen regelmäßig überkocht und verbrennt, wenn nicht ständig per Hand umgerührt wird, abstrahiert auf die zwei technischen Parameter (3) und (29). Durch das Umrühren mit einem Löffel wird die Stabilität des Objektbestands sichergestellt (d.h. die Milch „geht“ nicht hoch), was einer Verbesserung entspricht. Gleichzeitig kommt es hierdurch aber zu einer Verschlechterung des Niveaus der Automatisierung (d.h. jemand muss ständig daneben stehen und rühren). Zur Lösungsfindung auf der Abstraktionsebene ist nun in die Widerspruchsmatrix von Altschuller zu gehen. Hier stehen folgende
158
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
innovative Grundprinzipien als Lösungsansätze zur Auswahl (vgl. Orloff 2002, S. 321f.): (3) Zerteilen – Ein Objekt in unabhängige Teile zerlegen/ Ein Objekt zerlegbar machen und den Grad der Zerkleinerung erhöhen (6) Nutzung mechanischer Schwingungen – Ein Objekt in Schwingungen versetzen/ Wenn eine solche Bewegung bereits abläuft, ihre Frequenz erhöhen. (3) Niveau der Automatisierung ↓ (29) Stabilität des Objektbestands ↑ • Widerspruch auf Basis der 39 technischen Parameter
Realitätsebene
1
Konkrete Problemstellung • Problem/ Konflikt umgangssprachlich beschreiben
Beim Kochen von Milch muss ich ständig umrühren, damit sie nicht überkocht und verbrennt!
Lösungssuche
3
Abstrakte Problemlösung Spezifikation
Abstraktionsebene
Abstraktion
Abstrakte Problemstellung
• Lösungsansätze auf Basis der 40 innovativen Prinzipien
Barriere
2
(6) Nutzung mechanischer Schwingungen
Konkrete Problemlösung
4
• Lösungsansatz auswählen und konkret umsetzen Ein Keramikobjekt beim Milchkochen in Kochtopf legen
Abbildung 46: Vorgehensweise zur Lösungsfindung mit TRIZ am Beispiel „Milchkochen“
Die Spezifikation der abstrakten Problemlösung und die Überführung in ein konkretes Lösungskonzept sieht in der Praxis wie folgt aus: Zum Erhitzen von Milch wird in den Kochtopf eine (nicht plane und nicht symmetrische) Keramikscheibe mit einem Durchmesser von ca. 10 cm und einer Höhe von ca. 1 cm gelegt. Wird der Topf mit Milch warm, bildet sich unter der Scheibe, die auf dem Boden liegt, ein Luftpolster. Entsprechend dem „Dampfkessel-Prinzip“ wird die Keramikscheibe von Zeit zu Zeit angehoben und die erhitzte Luft kann entweichen. Durch diesen Effekt kommt es zur Vibration des Keramikkörpers im Topf mit der Folge, dass die Milch in Bewegung bleibt und nicht (sofort) am Topfboden anbrennt und „überkocht“. Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten: Bei der Lösung von (technischen) Widersprüchen – auf der Abstraktionsebene – kommt insbesondere die Widerspruchstabelle von Altschuller zur Anwendung. Konkret bedeutet dies, dass zunächst der bestehende (reale) Widerspruch auf der Grundlage der 39 technischen Parameter
Armin Töpfer, Swen Günther
159
spezifiziert wird. Erst im Anschluss werden Lösungsansätze aus dem Repertoire der 40 innovativen Grundprinzipen generiert und einer abstrakten Lösung zugeführt. Hieraus wird ersichtlich, dass unter Anwendung der TRIZ-Methodik Widersprüche „attraktiv“ werden, da sie aufgrund der Suche nach Analogien Gelegenheit für Verbesserung und Innovation bieten (vgl. Herb 2003, S. 11). Neben dem Vorhandensein technisch-technologischer Widersprüche besteht eine weitere Anforderung zur Anwendung des TRIZ-Lösungsalgorithmus darin, dass ein ideales Endresultat als Wunsch- bzw. Zielvorstellung existiert. So ist beispielsweise die „beste“ Maschine nicht eine „schöne“ oder „starke“ Maschine, sondern eine auf das rein Funktionelle beschränkte, die „von selbst“ arbeitet und im besten Fall „gar nicht mehr da ist“ und trotzdem ihre Funktion erfüllt (vgl. Zobel 2004, S. 2ff.). Das Ziel von TRIZ liegt nun darin, sich durch die Lösungssuche auf der Abstraktionsebene bestmöglich dem Leitbild bzw. der Vision des Idealitätsgrades anzunähern. Deshalb steht nach der Transformation des realen in das abstrakte Problem die rein rational-funktionelle Betrachtungsweise bei der Lösungssuche im Vordergrund. Hier ergibt sich jedoch der Widerspruch im Widerspruch, wobei uns letzterer daran hindert, das ideale Endresultat wenigstens annähernd zu erreichen. Ein solcher Widerspruch lautet im einfachsten Fall: „Du musst was am System ändern, damit es besser läuft. – Wenn Du aber was am System änderst, arbeitet es schlechter als zuvor.“ 9.4 ARIZ als TRIZ-Innovationszyklus – Welche Phasen gibt es? Während es mit „herkömmlichen“ Mitteln, also z.B. einfachen Kreativitätstechniken, i.d.R. nicht möglich ist, solche Widersprüche aufzulösen, führt die Anwendung der innovativen Prinzipien von Altschuller in den meisten Fällen zu wirklich „erfinderischen Problemlösungen“. Dazu entwickelte Altschuller u.a. ARIZ 68 (russ. Akronym für: Algoritm Reshenije Izobretatjelskich Zadacz), einen „klassischen“ Handlungsleitfaden (Algorithmus) mit fünf Phasen zum Lösen erfinderischer Aufgaben. Durch ihn werden die oben genannten vier Schritte wie folgt konkretisiert und mit Fragen hinterlegt (vgl. u.a. Zobel 2004, S. 3f.): 1.
Wahl der Aufgabe (Zielsuche & Problemformulierung) Welches Ziel soll erreicht werden? und Wie lautet das „ideale Endresultat“?/ Wie ist die aktuelle Situation? und Was muss verbessert werden?/ Wo liegen administrative (d.h. offensichtlich erkennbare) Widersprüche?/ Gibt es Umgehungsmöglichkeiten? Wenn ja, ist dies günstiger als die Originalaufgabe?/ Und ist ggf. eine Umkehrung der Aufgabenstellung möglich?/ Wie lautet der Kern der weiteren Aufgabenstellung?
2.
Präzisieren der Aufgabe (Zielvorgabe & Problemtransformation) Wie werden bzw. wurden in der Literatur ähnliche Aufgaben gelöst? (Hinweis: Vergleich des eigenen Problems mit bereits gelösten Problemen aus eigenem und fremden Fachbereich(en) mittels Zugriff auf Datenbanken oder in-
160
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
terdisziplinäre Gruppendiskussionen)/ Gibt es vergleichbare (analoge) Patente und Problemlösungen?/ Was wäre unter Nicht-Beachtung von Zeit und Kosten möglich?/ Wie kann die Aufgabe ohne gängige Fachtermini beschrieben werden? (Hinweis: Fachtermini „kanalisieren“ das Denken in Richtung konventioneller Lösungen. Besser sind deshalb abstrakte Modellformulierungen, z.B. „von Ort A nach Ort B kommen“.) 3.
Analytisches Stadium (System-/ Modellanalyse) Was soll eigentlich erreicht werden?/ Warum versagten bisherige Optimierungsversuche? (Hinweis: Wenn bereits erfolgte Problemlösungen unbefriedigend oder nicht ausreichend sind, wird bei TRIZ das Verfahren „Physical Effects and Phenomena“ angewendet.)/ Wie lautet der technische bzw. physikalische Kernkonflikt? (Hinweis: Zunächst administrative in technische Widersprüche umwandeln. Anschließend prüfen, ob technische in physikalische Widersprüche umgewandelt werden können, da diese im Allgemeinen leichter zu lösen sind, z.B. eine Anforderung mit den Ausprägungen „heiß“ und „kalt“ wird „umdefiniert“ in „flüssig“ und „fest“. TRIZ bietet insgesamt vier Ansätze, um physikalische Widersprüche zu lösen.)/ Weshalb wirkt die Störung?/ Und wie lautet der wahrscheinliche Widerspruch zur Lösungsfindung?/ Gibt es Möglichkeiten, das Hindernis zu beseitigen oder anderweitig zu umgehen?/ Gibt es Rückwirkungen auf das zu verbessernde/ neu zu erstellende Verfahren?
4.
Operatives Stadium (Lösungssuche/ -eingrenzung) Löst sich der Widerspruch auf, wenn ich die (40) innovativen Grundprinzipien auf das Problem anwende?/ Gibt es Lösungsstandards in Bezug auf physikalische Effekte?/ Ist eine Variation des Arbeitsmediums, der Umgebung und/ oder der mit dem Objekt zusammenwirkenden Verfahren zielführend?/ Gibt es Umkehrmöglichkeiten, z.B. etwas Schädliches in etwas Nützliches oder etwas Gefährliches in etwas Harmloses verwandeln?/ Wie werden in der Natur entsprechende Aufgabenstellungen gelöst? (Bionische Betrachtungsweise)/ Gibt es naturnahe, -ferne und/ oder fremde Analogien? (Je weiter entfernt, desto besser!)/ (Hinweis: Wenn die Zielstellung die Frage nach zukünftigen Entwicklungen aufwirft, bietet TRIZ acht „Grundmuster der Evolution“ zur Lösung des Problems an.)
5.
Synthetisches Stadium (Ideales Resultat & Lösungsrealisierung) Welche weiteren Veränderungen/ Optimierungen empfehlen sich?/ Gibt es für das grundlegend veränderte System/ Objekt möglicherweise ganz neue Anwendungsmöglichkeiten? Bzw. ist die neue (oder die ihr entgegengesetzte) Idee zur Lösung ganz anderer Aufgabenstellungen verwendbar?/ Welche Risiken bestehen bei der Umsetzung der Lösung?/ Bei mehreren Lösungsansätzen: Gibt es eine „beste“ Lösung mit höchstem Zielerfüllungsgrad?/ Was sollte bei der Implementierung der Lösung beachtet werden?
Armin Töpfer, Swen Günther
161
9.5 TRIZ als integraler Bestandteil von DMADV-Projekten – Wie erfolgt die Vernetzung? Wie aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich wird, hat der TRIZ-Innovationszyklus – in Form der fünf Phasen des Algorithmus zum Lösen erfinderischer Aufgaben (ARIZ) – ebenfalls große Ähnlichkeiten mit den fünf-phasigen Six Sigma Projektzyklen DMAIC und DMADV. Im übertragenen Sinne bedeutet dies, dass es sich bei der Konfliktlösung mit TRIZ, z.B. in der Analyse-Phase des DMADV-Prozesses, immer um ein Projekt im Projekt handelt. Aufgrund der ähnlichen Denk- und Verfahrensstruktur ist eine Kombination von Six Sigma und TRIZ nicht nur grundsätzlich möglich, sondern gerade in DFSS-Projekten effektiv und zielführend und deshalb wünschenswert. Dabei ist zu bemerken, dass neben den innovativen Prinzipien nach Altschuller und dem 5-Phasen-Schema ARIZ als Kernelemente heute eine Reihe weiterer Methoden und Verfahren der „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ (TRIZ) zugeordnet werden. Sie sollen den Anwender zum einen bei der systematischen Bearbeitung und der Lösung von Problemen – auf der Abstraktionsebene – unterstützen. Zum anderen geben sie Hilfestellungen beim Auffinden und Definieren von Problemen/Konflikten sowie der Umsetzung/Übertragung von (abstrakten) Lösungen in die Realitätsebene. Die einzelnen Werkzeuge und Methoden lassen sich jedoch nur bedingt einer bestimmten ARIZ-Phase zuordnen. Deshalb hat sich in der Vergangenheit eine Einteilung der Methoden in die vier Gruppen „Systematik“, „Wissen“, „Analogie“ und „Vision“ – vor allem im deutschsprachigen Raum – durchgesetzt und etabliert (siehe Abbildung 47). Diese vier Gruppen werden auch als die 4 TRIZ-Säulen bezeichnet, da sie die elementaren Eigenschaften, die einen „guten“ Forscher und Entwickler auszeichnen, kennzeichnen. Auf die Beschreibung der einzelnen Methoden soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Stattdessen wird hier auf die einschlägige Literatur zum Thema „TRIZ-Methoden“ verwiesen (siehe z.B. Orloff 2002; Herb et al. 2000; Teufelsdorfer/Conrad 1998). Beim Einsatz von TRIZ im Rahmen von Six Sigma Projekten richtet sich die Anwendungsreihenfolge der vier Gruppen nach der Art der Problemstellung: (1) Handelt es sich um prozessbezogenes Six Sigma, also ein DMAIC-Projekt, werden die Gruppen von links nach rechts durchlaufen, d.h. es wird mit den Werkzeugen aus der Gruppe „Systematik“ begonnen. (2) Handelt es sich hingegen um entwicklungsbezogenes Six Sigma, also ein DMADV-Projekt, wird mit den Werkzeugen der Gruppe „Vision“ begonnen und danach die Gruppen von rechts nach links durchlaufen. Bei beiden Anwendungsformen ist zu bedenken, dass die Methoden nicht starr vorgegeben und in jedem Fall umfassend einzusetzen sind. Vielmehr obliegt die Wahl der einzelnen Methoden den „Vorlieben“ und Erfahrungen des zuständigen (Master) Black Belts (vgl. Jantschgi/Shub 2004, S. 1). Für eine innovative Problemlösung sollten jedoch, wie in Abbildung 47 angedeutet, Methoden aus allen vier Gruppen zur Anwendung kommen, da sonst der Fokus entweder zu
162
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
stark auf eine antizipierende Fehlererkennung oder eine zu starke direkte Entwicklung gerichtet wird.
TRIZ Systematik
Wissen
Analogie
Vision
Strukturierung von Problemen
Problemorientierte Prinzipien
Erkenntnisse aus Weiterentwicklung anderen Bereichen des Systems
• Innovations-
• Effekte-Lexikon
• Konfliktanalyse
• S-Kurve
checkliste
• Internetrecherche
• Ressourcencheckliste
• Patentrecherchen
• Widerspruchsanalyse
• Evolutionsgesetze
• Stoff-Feld-Modell
• Innovationsebenen
• Idealität • Operator MZK • ZwergeModellierung • Problemformulierung • Objektmodellierung
Antizipierende Fehlererkennung Basis: Herb/ Kohnhauser 2000, S. 50f.
Direkte Entwicklung
Innovative Problemlösung
Abbildung 47: Die vier Gruppen von TRIZ und ihre Werkzeuge
9.6 Chancen und Risiken der Anwendung von TRIZ in Six Sigma Unternehmen – Welche Wirkungen und Barrieren gibt es? Aufgrund der ähnlichen Philosophie und Konzeption von Six Sigma und TRIZ bestehen eine Reihe von Synergieeffekten. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass viele bekannte Six Sigma Unternehmen – wie z.B. IBM, Siemens, 3M, Motorola, Electrolux, BMW, Ford, Boeing und Bosch – auch zu den führenden TRIZAnwendern zählen. Dabei beziehen sich die Wirkungen einer Integration von TRIZ und Six Sigma im Rahmen von DMADV-Projekten auf folgende Aspekte (vgl. Averboukh 2004, S. 4): •
Erhöhte Effektivität, also höhere Kundenzufriedenheit, und erhöhte Effizienz, also höherer Return on Investment (ROI), in der Umsetzung entwicklungsbezogener Six Sigma Projekte, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs)
Armin Töpfer, Swen Günther
163
•
Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der neu entwickelten Produkte und Dienstleistungen, ausgedrückt in erhöhter Nutzungsdauer/ Zuverlässigkeit und verringertem Ressourcenverbrauch während des Produktlebenszyklus
•
Beschleunigte Projektabwicklung und verbesserte Prozessdurchlaufergebnisse in DMADV-Projekten, insbesondere in der Designphase aufgrund eines höheren Anteils innovativer und gehaltvoller Lösungsideen
•
Verringerte Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine bestimmte Neu-Produktentwicklung und damit verringerte bzw. vermiedene strategische Fehlerfolgekosten aufgrund nicht-innovativer Produkte.
Als konkrete Beispiele für den erfolgreichen Einsatz der TRIZ-Methodik können die Unternehmen Ilford Imaging (UK), LG Chem (Südkorea) und Geberit (CH) angeführt werden (vgl. Schweitzer 2003, S. 3f.). Im erstgenannten Unternehmen wurde infolge eines TRIZ-Workshops eine Zusatzeinrichtung entwickelt, durch die im Bereich der Filmproduktion – bei einmalig anfallenden Investitionskosten von ǧ 90 – monatlich wiederkehrende Einsparungen von ǧ 50.000 erzielt werden können. Bei LG Chem in Südkorea ließen sich durch den verstärkten Einsatz von TRIZ Ideen generieren, die zu jährlichen Einsparungen in Höhe von $ 6 Mio. im Bereich der PVC-Produktion führten. Moderierte TRIZ-Kreativitätsworkshops werden vor allem bei Projekten im Unternehmen Geberit (CH) durchgeführt. Die Erfahrungen sind durchweg positiv, da nicht zuletzt die Effizienz in Bezug auf die Anzahl der gefundenen Lösungsansätze gegenüber „herkömmlichen“ Methoden, wie z.B. Brainstorming und Delphi-Methode, deutlich gesteigert werden kann. Mit Hilfe von TRIZ wird also die Fähigkeit des kreativen Denkens im Unternehmen gezielt gefördert und im Rahmen von Workshops und/oder Six Sigma Projekten nachdrücklich kanalisiert. Im Gegensatz zu anderen Kreativitätstechniken werden bei der Anwendung der TRIZ-Methodik neue Ideen abstrahiert, selektiert und spezifiziert. Dadurch wird die Qualität der Ergebnisse, d.h. die Generierung von Lösungsansätzen und ihre Realisierung, deutlich erhöht. Laut einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) werden durch TRIZ bis zu 70 % höherwertige Lösungsansätze erzeugt als mit anderen Innovations-Methoden (vgl. Teufelsdorfer/Conrad 1998, S. 56). Weiterhin wird durch das methodische Vorgehen und die systematische Anwendung der von TRIZ zur Verfügung gestellten Werkzeuge der Zeitaufwand für F&E-Prozesse im Allgemeinen und DFSSProjekte im Besonderen signifikant reduziert. Dies liegt z.T. darin begründet, dass die in TRIZ geschulten Mitarbeiter durch die strukturierte Vorgehensweise von ARIZ relativ schnell Erfolge vorweisen können. Die Motivation der Akteure im Unternehmen für die Anwendung von TRIZ in Verbindung mit Six Sigma steigt dadurch ungemein. In Abbildung 48 sind die Vor- und Nachteile der Anwendung von TRIZ zusammengefasst dargestellt. Dabei zeigt sich ein recht „ausgewogenes“ Bild von Chancen und Risiken, d.h. neben der Vielzahl von Vorzügen/Möglichkeiten, die TRIZ in Bezug auf erfinderisches Problemlösen und innovatives Produktdesign bietet,
164
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
gibt es eine Reihe von Anwendungsanforderungen und Umsetzungsbarrieren. So setzt z.B. die effektive Anwendung von TRIZ ein umfangreiches Wissen der Akteure über den neuesten/aktuellsten „Stand der Technik“ voraus. Dies ist keineswegs einfach, wenn man bedenkt, dass heutzutage weltweit alle 22 sec. eine neue Patentanmeldung erfolgt und alle 5 sec. ein neuer Fachartikel erscheint (vgl. Schweitzer 2003, S. 2). Täglich steht damit eine Vielzahl an neuen Daten zur Verfügung, die im Rahmen eines DMADV-Projektes problem- und disziplinspezifisch auf ihre Relevanz hin geprüft werden müssen.
+ • Auflösung von technischen/ physikalischen Widersprüchen aufgrund von Abstraktion und Spezifikation • Generierung von innovativen Problemlösungsansätzen mit Hilfe von ARIZ • Einsparung von Zeit und Kosten im Produktentstehungsprozess/ in DFSS-Projekten durch hohe Synergieeffekte mit Six Sigma Methoden • Erhöhte Motivation der Akteure durch methodengestützte Fokussierung des kreativen Denkens
• Zur Beherrschung sind umfangreiche Schulungen mit vielen praktischen Beispielen notwendig • Ohne Softwareunterstützung und Moderator als Experten kaum wirkungsvoll realisierbar • Hoher Recherche- und Aktualisierungsaufwand von Daten und Wissen • TRIZ benötigt kreative Mitarbeiter mit einem hohen Abstraktionsvermögen
Abbildung 48: Bewertung von TRIZ
Die daraus resultierende Recherchearbeit kann jedoch den eigentlichen Innovationsprozess erheblich verzögern. Deshalb ist zur Unterstützung geeignete, oben bereits angesprochene Software auszuwählen und einzusetzen, welche die konkrete Suche nach relevanten Daten/Stellen – auch innerhalb von umfangreichen Dokumenten – ermöglicht. Aus diesem und weiteren Gründen (z.B. Methodenvielfalt) ist die „richtige“ Anwendung von TRIZ ohne die Verwendung geeigneter Software nahezu unmöglich. Es existieren eine Vielzahl komplexer Softwarelösungen am Markt, deren Funktionalität, Benutzerfreundlichkeit, Implementierungs- und Schulungsaufwand usw. zum Teil erheblich variiert. Der Einsatz von TRIZ-Software und die Anwendung von Methoden erfordern umfangreiche Kenntnisse der Anwender im Entwicklungsprozess. Sowohl zum tiefgründigen Erlernen der Konzeption und Werkzeuge als auch zur sicheren Beherrschung der Software sind zeitintensive Schulungen bis zu einer Woche notwendig. Im Rahmen eines vierwöchigen Six Sigma Black Belt Kurs bleibt i.d.R.
Armin Töpfer, Swen Günther
165
zu wenig Zeit, um den Trainingsteilnehmern über die Grundlagen von TRIZ hinaus weiterführendes anwendungsbezogenes Wissen zu vermitteln. Deshalb empfiehlt es sich, auf der Basis eines erfolgreich abgeschlossenen Black Belt Trainings besonders fähige und kreative Six Sigma Projektleiter zu TRIZ-Moderatoren auszubilden. Denn die wirkungsvolle Anwendung von TRIZ verlangt sowohl logisch-analytisches als auch intuitiv-kreatives Denkvermögen, um Widersprüche aufzulösen und in innovative Lösungen zu überführen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich TRIZ und sein 5-Phasen-Zyklus ARIZ nicht für Optimierungsaufgaben im Sinne eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) eignen. Die Begründung lautet wie folgt: Jede Technologie folgt bei ihrer Entwicklung evolutionären Prinzipien, d.h. mit fortschreitender Verbreitung und Evolution entwickeln sich Technologien von einer Schrittmacher- über eine Schlüssel- zu einer Basistechnologie. Am Ende des Lebenszyklus stoßen sie – entsprechend dem typischen S-Kurven-Verlauf – an ihre technischphysikalischen Grenzen und verlaufen asymptotisch gegen einen Grenznutzenwert. In diesem Stadium ist die Verbesserung von Basistechnologien nur noch marginal möglich – auch der Einsatz von TRIZ führt zu keinen neuen Entwicklungsimpulsen. Die Aufgabe des „erfinderischen Problemlösens“ liegt vielmehr darin, durch das Lösen von technischen und/oder physikalischen Widersprüchen „Grenzen zu überschreiten“, die bisher als unüberwindbar galten. Dadurch kommen i.d.R. völlig neue Wirkprinzipien zum Vorschein, die dann als Schrittmachertechnologien einen komplett neuen Technologie- und Entwicklungszyklus in Gang setzen.
10 Erzielbare Wirkungen durch Design for Six Sigma Nachdem bei den einzelnen Methoden bereits jeweils abschließend eine Vorteils-/ Nachteils-Bewertung durchgeführt wurde, können die Ausführungen zu den erzielbaren Wirkungen durch Design for Six Sigma relativ kurz gehalten werden. Sie lassen sich – eingeordnet in den Gesamtprozess von Six Sigma – anhand des Phasenablaufs in Abbildung 49 nachvollziehen. Im Vordergrund steht das Erfüllen der Kundenanforderungen, um über eine hohe Kundenzufriedenheit auch die Unternehmensziele zu realisieren. Mit den ausgeführten Methoden können unterschiedliche Wirkungskategorien erreicht und verbessert werden. Im Einzelnen sind dies (vgl. Theden 2002): Auf der Arbeitsplatzebene •
Höheres Qualitätsbewusstsein
•
Höhere Motivation und Kreativität
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Konstant hohe Performance
Prozessfähigkeit Materialeignung
Robustes Design
Eignung der Teile
Bestimmbare Herstellung
Überlegene Zuverlässigkeit
Höhere Ausbeute
Kurze Durchlaufzeiten
Hohe Qualität Pünktliche Lieferung Niedrigere/r Kosten/Preis
Geringer Lagerbestand
Basis: Harry/Lawson 1992, S. 1-6
Abbildung 49:
Umsetzung von Kundenanforderungen in Kundenzufriedenheit durch Six Sigma
Auf der Abteilungs-/Bereichsebene •
Bessere abteilungsübergreifende Zusammenarbeit
•
Bessere Lösung von Schnittstellenproblemen
•
Bessere Informationsaufbereitung und -dokumentation
•
Schnellere Kommunikation
•
Wenigere Änderungen im Entwicklungs- und Markteinführungsprozess
Auf der Unternehmensebene: •
Kürzere Entwicklungszeiten/Time to Market
•
Kostenreduzierung bei Entwicklung und Herstellung
•
Geringere Qualitäts-/Fehlerkosten
•
Optimierte Produkte und Prozesse
•
Weniger/ Keine Probleme in der Serienproduktion
•
Kürzere Durchlaufzeiten
•
Geringerer Lagerbestand
•
Höhere Deckungsbeiträge/Margen
Auf der Marktebene •
Weniger Reklamationen/Rückrufaktionen
•
Flexiblere Reaktion auf Kundenwünsche
•
Attraktivere Marktpreise
•
Zufriedenere Kunden
Kundenzufriedenheit
Kundenanforderungen
166
Armin Töpfer, Swen Günther
•
Besseres Unternehmensimage/Mehr Weiterempfehlung
•
Steigerung von Umsatz und Marktanteil
•
Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit/-vorteile
•
Ziel: Best in Class als Benchmark für Wettbewerber
167
Die auf die Qualitätskosten bezogenen Wirkungen durch den Einsatz von Design for Six Sigma führen – entsprechend der vorstehenden Auflistung – insbesondere dazu, dass die Kosten für die Fehlerbeseitigung drastisch abnehmen, Prüfkosten ebenfalls sinken, gegebenenfalls aber Kosten der Fehlervermeidung zumindest in den ersten Perioden nach der Einführung von DFSS steigen. Erfahrungsgemäß ist jedoch insgesamt das Niveau der Qualitätskosten um bis zu einem Drittel geringer als ohne DFSS. Wie Abbildung 50 verdeutlicht, lässt sich die sogenannte 5-Sigma-Wand auch mit dem DMAIC-Zyklus „überspringen“. Der Preis dafür ist allerdings sehr hoch, denn das höhere Sigma-Niveau wird durch deutlich ansteigende qualitätsbezogene Kosten „erkauft“. Sie sind in Six Sigma Projekten zwar keine Fehlerkosten, aber zu hohe Kosten für die damit erreichbaren Wirkungen. Im Gegensatz hierzu lassen sich durch den Einsatz von DFSS/DMADV diese qualitätsbezogenen Kosten noch reduzieren. Der Grund liegt darin, dass ein höheres Sigma-Niveau durch neue Lösungskonzepte für das definierte Problem erreicht wird. Qualitätsbezogene Kosten (normiert)
Eine Eine Qualitätssteigerung Qualitätssteigerung über über 55Sigma Sigma bei bei gleichzeitiger gleichzeitiger ReduzieReduzierung rung der der qualitätsbezogenen qualitätsbezogenen Kosten Kosten ist ist nur nur mit mit DFSS DFSS möglich möglich
100 90 80
5-Sigma-Wand
70 60
Six Sigma DMAIC
50 40 30 20
DFSS/ DMADV
10 1σ
2σ
3σ
4σ
5σ
6σ
Basis: Kiemele, M.J. (2003): Using the DFSS Approach, Air Academy Associates NDIA Test and Evaluation Summit, B.C. 2003
Abbildung 50: Qualitätskostenverlauf mit/ohne DFSS
7σ
SigmaNiveau
168
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Ob Design for Six Sigma eingeführt wird, ist eine strategische Entscheidung, die auf der Ebene der Unternehmensleitung gefällt werden muss. Hierzu ist zunächst einmal erforderlich, dass das obere Management die Philosophie, die Inhalte und die Wirkungen von DFSS kennt und im Detail nachvollziehen kann. Ist dies der Fall, dann ist die Entscheidung insbesondere bei technologisch anspruchsvollen Produkten prädeterminiert. Dies gilt vor allem dann, wenn sich das Unternehmen Marktanforderungen gegenüber sieht, die qualitativ hochwertige Produkte, ein effizientes Kostenmanagement mit dem Ziel einer überdurchschnittlichen PreisLeistungs-Relation sowie eine exzellente Wertschöpfung und Vermarktung erforderlich machen. Design for Six Sigma mit den ausgeführten Instrumenten ist dann ein Hebel mit großer Wirkungskraft, um – wie in Abbildung 51 dargestellt – die internen Werttreiber zu erkennen und zu gestalten, darauf basierend die externen Erfolgsfaktoren abzuleiten und zur Geltung zu bringen sowie insgesamt Wertgeneratoren, in Form von Umsatz- und Renditesteigerung, für einen positiven Geschäftswertbeitrag (EVA) zur Steigerung des Unternehmenswertes freizusetzen. Dies ist zugleich ein Erfolgsmuster, das bei zunehmend internationalisierten oder globalen Unternehmen auf unterschiedliche Weltmarktregionen und Märkte übertragbar ist.
Werttreiber
Erfolgsfaktoren
- intern -
- extern -
Gestaltungsmethoden VOC/ Conjoint Analyse QFD/ FMEA/ DOE Target Costing TRIZ
Wertgeneratoren - intern/extern -
Positiver Geschäftswertbeitrag Economic Value Added (EVA)
Erfolgskonzepte auf neue Märkte übertragen
Abbildung 51: Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele
Armin Töpfer, Swen Günther
169
11 Literatur Akao, Y. (1992): QFD – Quality Function Deployment, Landsberg 1992. ASI (Hrsg.) (1989): Quality Function Deployment, Three Day Workshop Version 3.1, American Supplier Institute, Dearborn, Michigan 1989. Averboukh, E.A. (2004): Six Sigma Trends: Six Sigma Leadership And Innovation Using TRIZ, in: http://www.isixsigma.com/library/content/c030908a.asp, 04.03.2004. Backhaus, K. (2006): Multivariate Analysemethoden: eine anwendungsorientierte Einführung, 11. Aufl., Berlin/New York 2006. Boekhoff, H. (2003): Kältetod, premium, in: SZ, 08./09.02.2003, S. M23. Breyfogle, F.W. (1999): Implementing Six Sigma, Austin, TX 1999. Buggert, W./Wielpütz, A. (1995): Target costing: Grundlagen und Umsetzung des Zielkostenmanagements, München/Wien 1995. Cavanagh, R.R./Neuman, R.P./Pande, P.S. (2005): What is Design for Six Sigma?, McGraw-Hill Education 2005. Deisenhofer, T. (1993): Marktorientierte Kostenplanung auf Basis von Erkenntnissen der Marktforschung bei der Audi AG, in: Horvath, P. (Hrsg.): Target Costing – Marktorientierte Zielkosten in der deutschen Praxis, Stuttgart 1993, S. 93-118. Department of Computer Engeneering, Curtin University of Technology (Hrsg.): The total Loss Function, in: http://kernow.curtin.edu.au/wwwtaqushi/sect5.html, 31.08.1999. DGQ (Hrsg.) (2001): FMEA – Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse, DGQBand 13-11, 2. Aufl., Berlin/Wien 2001. DGQ (Hrsg.) (2001): QFD – Quality Function Deployment, DGQ-Band 13-21, Berlin/Wien 2001. Gitlow, H.S./Levine, D.M./Popovich, E.A. (2006): Design for Six Sigma for Green Belts and Champions, Prentice Hall 2006. Günther, H. (2004): Methoden und Verfahren zur Erschließung von Optimierungspotenzial im Innovationsprozess, in: http://www.triz-onlinemagazin.de/ausgabe02_04/artikel_1.htm, 02.03.2004. Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Hauser, J.R./Clausing, D.P. (1988): The House of Quality, in: Harvard Bussiness Review No. 66 1988, S. 63-73.
170
Six Sigma im Entwicklungsprozess – Design for Six Sigma
Herb, R./Herb, T./Kohnhauser, V. (2000): TRIZ – Der systematische Weg zur Innovation, Augsburg 2000. Herb, T./Gimpel, B. (2003): TRIZ – Erfinden mit System, in: http://www.trizonline-magazin.de/ausgabe02_03/artikel_1.htm, 02.03.2004. Herrmann, A. (1996): Wertorientierte Produkt- und Werbegestaltung, in: Marketing ZFP Heft 3, 3. Quartal 1996, S. 153-163. Jantschgi, J./Shub, L. (2003): TRIZ – Innovativer Irrgarten der Werkzeuge, in: http://www.triz-online-magazin.de/ausgabe03_04/artikel_3.htm, 02.03.2004. KBA (Hrsg.) (2003): Pressebericht 2003/2004, Flensburg 2003. Kern, M. (2003): Risikomanagement auf der Basis von Corporate Governance und KonTraG, in: Töpfer, A./Mehdorn, H. (Hrsg.): Risikomanagement – Vom reaktiven zum präventiven Management von Risiken, Dresden 2003, S. 33-51. Kiemele, M.J. (2003): Using the DFSS Approach, in: Air Academy Associates NDIA Test and Evaluation Summit, B.C. 2003. Kleppmann, W. (2003): Taschenbuch Versuchsplanung, 3. Aufl., München 2003. Magnusson, K./Kroslid, D./Bergmann, B. (2001): Six Sigma umsetzen – Die neue Qualitätsstrategie für Unternehmen, München/Wien 2001. Mazur, G. (1993): QFD for Service Industries – From Voice of the Customer to Task Deployment, in: Proceedings of the Fifth Symposium on Quality Function Deployment, 1993. Mazur, G. (1995): Theory of Inventive Problem Solving (TRIZ), in: http://www.mazur.net/triz/, 11.03.2004. Orloff, M. A. (2002): Grundlagen der klassischen TRIZ: Ein praktisches Lehrbuch des erfinderischen Denkens für Ingenieure, Berlin/Heidelberg 2002. Pande, P.S./Neumann, R.P./Cavanagh, R.R. (2000): The Six Sigma Way, How GE, Motorola and Other Companies Are Honing Their Performance, McGrawHill 2000. Pfeifer, T. (1996): Qualitätsmanagement: Strategien, Methoden, Techniken, 2. Aufl., München/Wien 1996. Saatweber, J. (1997): Kundenorientierung durch Quality Function Deployment, München/Wien 1997. Schweitzer, P. (2003): TRIZ und CAI im Innovationsprozess, in: http://www.trizonline-magazin.de/ausgabe03_01/artikel_3.htm, 02.03.2004. Simon, K. (2002): What is DFSS, in: http://www.isixsigma.com/library/content/c020722a.asp, 12.12.2002. Taguchi, G. (1990): Introduction to quality engineering, 7th ed., Hong Kong 1990.
Armin Töpfer, Swen Günther
171
Teufelsdorfer, H./Conrad A. (1998): Kreatives Entwickeln und innovatives Problemlösen mit TRIZ/ TIPS, Erlangen/München 1998. Theden, P. (2002): Wirtschaftlichkeit von Qualitätstechniken, in: http://www.qmtrends.de/fb0804.htm, 16.12.2002. Töpfer, A. (1996): Schnittstellenmanagement in Projekten, in: Streich, R.K. et al. (Hrsg.) (1996): Projektmanagement: Prozesse und Praxisfelder, Stuttgart 1996. Töpfer, A. (1997): Neue Dimension des Wettbewerbs: Die Ausweitung von Zielgruppen kann zu Imageverlusten im Premiumsegment führen, in: Blick durch die Wirtschaft, Nr. 241, 15.12.1997, S. 3-4. Töpfer, A. (2002): Issue-, Risiko-, und Krisenmanagement im Dreiklang, in: Pastors, P.M. (Hrsg.): Risiken des Unternehmens – vorbeugen und meistern, München 2002, S. 243-269. Töpfer, A./Mehdorn, H. (Hrsg.) (2003): Risikomanagement – Vom reaktiven zum präventiven Management von Risiken, Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marktorientierte Unternehmensführung e.V., Forum Unternehmer und Wissenschaft, Band 7, Dresden 2003. VersR (Hrsg.) (2002): Schmerzengeld bei fehlendem Warnhinweis, Urteil vom 10.10.2001, in: http://www.produkthaftung-fuer-ingenieure.de/faelle/f_39.html, 27.04.2004. Zobel, D. (2002): Kreativität braucht ein System, in http://www.triz-onlinemagazin.de/ausgabe02_02/artikel_3.htm, 02.03.2004.
Six Sigma in Service und Dienstleistung Armin Töpfer
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Besonderheiten von Service und Dienstleistung........................................................172 Anforderungen an Six Sigma in Service und Dienstleistung .....................................176 Beispiele für Six Sigma in Service und Dienstleistung..............................................181 Six Sigma Projektbeispiele aus der Krankenhauspraxis ............................................189 Literatur .....................................................................................................................195
Besonderheiten von Service und Dienstleistung
Der klassische Satz von Edward Deming „Wer die Prozesse im Unternehmen nicht beherrscht, beherrscht das ganze Unternehmen nicht.“ gilt nicht nur für Produktionsunternehmen, sondern auch für Service- und Dienstleistungsunternehmen. Im Rahmen von Six Sigma Prozessen sind also Verbesserungen von Produktions- und Serviceprozessen zu erreichen. In Produktionsprozessen, wie der Herstellung von Bauteilen und der Montage des Produktes, ist die Wertschöpfung – im Vergleich zu Service- und Dienstleistungsprozessen – jedoch leichter in einzelnen Phasen und Teilschritten zu definieren und zu quantifizieren. Auf dieser Basis ist sie zugleich leichter zu standardisieren sowie mit statistischen Instrumenten zu steuern. In Service- und Dienstleistungsprozessen, wie z.B. in der Buchhaltung, in einem Call Center, dem Beschwerdemanagement oder dem Technischen Service, ist dies aus mehreren Gründen schwieriger. Dabei wird im deutschsprachigen Raum zwischen Service und Dienstleistung in der Weise unterschieden, dass eine Serviceleistung in direkter Verbindung mit dem physischen Produkt erbracht wird. Als Dienstleistung hat dieses Leistungsbündel aus Kundensicht einen eigenständigen Wert und damit einen direkten Marktpreis. Hinzu kommt, dass in Service und Dienstleistung der Prozentsatz an Gemeinkosten deutlich höher ist als bei der Produktion von physischen Produkten. Der Grund liegt darin, dass eine verursachungsgerechte Zuordnung auf Einzelkosten kaum möglich ist bzw. eine prozessbezogene Kostenaufspaltung erfordert. Kostenreduzierungen sind hierdurch nicht weniger wichtig, Ansatzpunkte und Potenzial sind aber deutlich schwieriger zu erkennen. Kostensenkungen und Leistungssteigerungen lassen sich dabei in drei Stufen erreichen: Zum Ersten durch die Einführung
Armin Töpfer
173
einer Prozesskostenrechnung, zum Zweiten durch die darauf basierende Prozessoptimierung und zum Dritten durch die Durchführung von Six Sigma Projekten. Service und Dienstleistungen sind insbesondere durch folgende Kriterien gekennzeichnet: •
Sie sind immateriell, auch wenn sie ein physisches Produkt in das Leistungsbündel mit einbeziehen. Da dadurch Dienstleistungen intangibel sind, kann ihre Qualität im Vergleich zu physischen Produkten vor dem Kauf vom Kunden nur bedingt wahrgenommen werden, z.T. nicht einmal während oder nach dem Dienstleistungsprozess (z.B. Diagnose eines Arztes). Individualität und Ortsgebundenheit können weitere wichtige Kennzeichen von Dienstleistungen darstellen.
•
Sie sind nicht speicherbar und damit immer erst beim Auftreten der Nachfrage produzierbar. Im Gegensatz zu Sachgütern wird im Rahmen von Service und Dienstleistungen kein lagerfähiges „Zwischengut“ erzeugt, so dass eine nachträgliche Fehlerkorrektur nicht möglich bzw. ausgeschlossen ist. Sie werden nach dem uno actu Prinzip unmittelbar in Anspruch genommen, also konsumiert. Aus diesem Grunde kommt dem Vorhalten von Infrastruktur als Service- bzw. Dienstleistungspotenzial eine hohe Bedeutung im Rahmen von Prozessen zu, um das angestrebte Ergebnis zu erreichen. Das geforderte Qualitätsniveau muss demnach jedes Mal neu erarbeitet und damit „verdient“ werden.
•
Der dritte und entscheidende Punkt ist der, dass bei der Erstellung von Service und Dienstleistungen der Adressat und damit der Kunde, respektive das Kundenobjekt, als externer Faktor mit einbezogen ist und somit für das Zustandekommen des Ergebnisses eine wichtige Rolle spielt (vgl. Bruhn/Stauss 1995, S. 245).
Diese Kennzeichen von Service und Dienstleistungen waren maßgeblich dafür, dass Six Sigma Projekte zunächst auf die Verbesserung von Produktionsprozessen ausgerichtet waren, die im Hinblick auf ihre Qualität i.d.R. einfacher zu messen und zu steuern sind. Erst in einer zweiten „Ausbaustufe“ werden die Service- und Dienstleistungsbereiche einbezogen. Im Folgenden wird gezeigt, dass dieses Vorgehen zur Implementierung von Six Sigma aus Kundensicht zu kurz greift und deshalb nur für eine kurzfristige Einführungsphase gelten darf. Robert W. Galvin, ehemaliger CEO von Motorola, stellte bereits in den 1990er Jahren fest, dass das Fehlen einer anfänglichen Six Sigma Initiative im Verwaltungs- und Servicebereich ein Fehler war, der das Unternehmen Motorola mehr als $ 5 Mio. innerhalb von vier Jahren „kostete“ (vgl. Harry/Schroeder 2005, S. 230). Aufgrund der Wechselwirkung zwischen der Service- bzw. Dienstleistung und dem externen Faktor im Leistungserstellungsprozess wird das Leistungsergebnis regelmäßig Unterschiede im Leistungsniveau aufweisen, also streuen. Dadurch ist die Standardisierbarkeit und Reproduzierbarkeit des Leistungsprozesses und -er-
174
Six Sigma in Service und Dienstleistung
gebnisses nur in geringerem Maße möglich als bei Sachleistungen (vgl. Töpfer/Duchmann 2000, S. 208f.). Die auf diese Weise entstehenden Fehlerkosten rechtfertigen Six Sigma Projekte um so mehr, wenn man davon ausgeht, dass durch ein erreichbares Maß an Standardisierung und Prozessoptimierung, Fehlerkosten beseitigt bzw. minimiert werden können. Hinzu kommt ferner folgende Entwicklung: Die Bedeutung von Service und Dienstleistung nimmt in Deutschland und weltweit gegenüber der Produktion physischer Produkte ständig zu. Durch die Kombination von Sach- und Dienstleistungen zu Systemleistungen soll in erster Linie eine stärkere Differenzierung vom Wettbewerb erreicht werden. Dies führt in vielen Unternehmen zu einer grundlegenden Veränderung der Kostenstruktur, d.h. Gemeinkosten nehmen zu und Einzelkosten ab. Gleichzeitig steigt die Bedeutung und damit der Anteil von Fehlerbeseitigungs- und Fehlerfolgekosten im Service- und Dienstleistungsbereich immer stärker. So kosten Softwareprobleme beispielsweise deutsche Unternehmen jährlich ca. € 80 Mrd., wie Abbildung 1 zeigt. Dabei sind ca. € 14 Mrd. anteilig für die Beseitigung der Programmfehler als direkte Fehlerbeseitigungskosten zu veranschlagen. Die restlichen 83 %, das sind ca. € 66 Mrd., summieren sich durch Fehlerfolgekosten in Form von Produktivitätseinbußen auf.
17% € 14 Mrd.
Kosten durch Produktivitätseinbußen
Ausgaben, um Programmfehler zu beseitigen
83% € 66 Mrd.
Softwareprobleme kosten deutsche Unternehmen jährlich 80 Milliarden Euro Quelle: H B v. 26.02.2001, S. N6
Abbildung 1: Teure Fehler bei Softwareprodukten
Diese Fehlerkosten sind offensichtlich nicht untypisch: Nach einer Schätzung des amerikanischen National Institute of Standards and Technology (NIST) kosteten allein die größten Softwarefehler, die zu Ausfällen in der Fertigung und zu Ein-
Armin Töpfer
175
brüchen in der Produktivität führten, Unternehmen in den USA im Jahr 2001 rund $ 60 Mrd. (vgl. Biskamp 2002, S. 1). Dies ist nicht zuletzt der Grund dafür, dass Europas größter Softwarekonzern SAP sein Kernprodukt völlig verändert, um die Komplexität der Software zu verringern. Damit wird also eine zentrale Anforderung der Six Sigma Philosophie erfüllt. Die neue Softwaregeneration soll sowohl den eigenen Entwicklungsaufwand als auch die laufenden Kosten bei den Kunden drastisch reduzieren. Die mit den Jahren unübersichtlich gewordene heutige Software lässt sich nur noch schwer um neue Funktionen erweitern. Außerdem steigt dadurch die Fehleranfälligkeit beträchtlich. Die teure Konsequenz besteht darin, dass Änderungen an einem Teil der Software häufig Anpassungen an anderen Stellen des Programmpaketes nötig machen. Die neuen Software-Komponenten von SAP werden nicht mehr so eng aneinander gekoppelt sein. Diese einzelnen Komponenten können getrennt voneinander erneuert werden. Die Zeit- und Kosteneinsparungen sind dabei erheblich (vgl. Ottomeier 2004, S. 4). Derartige Wirkungen von Fehlern in Service und Dienstleistungen sind mit denen in physischen Produktionsprozessen grundsätzlich vergleichbar. Wenn bei physischen Produkten Fehler der Produktion anschließend nicht erkannt und beseitigt werden, bevor das Produkt den Kunden erreicht, dann führen in beiden Fällen Fehler zu unzufriedenen Kunden und zu negativer Mund-zu-Mund-Kommunikation. Im Ergebnis bewirkt dies eine Abwanderung von Kunden und den Rückgang von Neukunden. Abbildung 2 verdeutlicht den Stellenwert des Service – bei Maschinenbauunternehmen – im Hinblick auf die Abwanderungsbereitschaft bei Servicemängeln.
68,0% Unzufriedenheit mit Service
4,0% Sonstiges
(z.B. Produktauslauf)
5,0% Geschäftsbeziehung zu befreundeten Unternehmen Unzufriedenheit mit Produkt 14,0%
9,0% Besseres Konkurrenzprodukt
Service als Determinante der Kundenzufriedenheit und -bindung Quelle: Canadian Management Association
Abbildung 2: Gründe für die Abwanderung von Kunden
176
Six Sigma in Service und Dienstleistung
Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen: Zum einen führen die Immaterialität und die schwierige Qualitätsbeurteilung durch den Kunden vor Inanspruchnahme der Leistung in besonderem Maße dazu, dass die Grundvoraussetzung für jeden Service und jede Dienstleistung Vertrauen ist, und zwar in den Anbieter und seine Leistungsfähigkeit (vgl. Töpfer/Duchmann 2000, S. 209f.). Zum anderen setzt ein Vertrauensgut, das die Erwartungen erfüllt, voraus, dass klare Standards definiert, gesteuert und eingehalten werden, auch wenn dies schwieriger ist als in Produktionsprozessen. Hierzu ist es erforderlich, die Anforderungen der Kunden als Critical to Quality Characteristics (CTQs) zu kennen und den Wertschöpfungsprozess daran auszurichten respektive daran ausrichten zu können.
2
Anforderungen an Six Sigma in Service und Dienstleistung
Aufgrund der dargestellten Besonderheiten von Service und Dienstleistung stellt sich die Frage, ob ein Six Sigma Niveau für Null-Fehler-Qualität angestrebt werden soll oder ob ein 99 % Qualitätsniveau ausreicht. Diese Frage stellte sich vor geraumer Zeit auch Federal Express (FedEx). Um sie zu beantworten, wurde eine einfache Rechnung angestellt. Im Jahr 1995 beförderte Federal Express täglich 1,6 Mio. Paket- und Briefsendungen. Bei einem Qualitätsstandard von 99 % erreichen folglich – bezogen auf das 1 % Fehlerniveau – 16.000 Sendungen den Empfänger zu spät, beschädigt oder überhaupt nicht. Da jede Sendung einen Auftraggeber und einen Empfänger besitzt, wären demzufolge täglich 32.000 Kunden unzufrieden. Wenn jeder Kunde seine Unzufriedenheit jedes Mal 10 weiteren Personen mitteilt, ergibt dies 320.000 negative Informationen pro Tag. In einem Jahr gäbe es folglich über 100 Mio. Personen, die über FedEx negativ informiert wurden. Es versteht sich von allein, dass dieses Ergebnis nicht akzeptiert werden konnte und eine Null-Fehler-Qualität angestrebt wurde. Bei 3,3 Mio. Sendungen im Jahr 2005 wären es nach dieser Rechnung bereits doppelt so viele enttäuschte Kunden bzw. negativ informierte Kunden gewesen. Ohne eine Null-Fehler-Qualitäts-Strategie wären viele Kunden mit Sicherheit abgewandert und die neue, deutlich höhere Zahl an Sendungen wäre überhaupt nicht zustande gekommen. Die Schlussfolgerung war für Federal Express klar: 100 % Qualität bzw. Six Sigma Qualität ist notwendig. Für die Umsetzung einer solchen Strategie formulierte FedEx eine Service-Philosophie, die vollständig zufriedene Kunden anstrebt: Um 100 % Kundenzufriedenheit zu erreichen, ist es demnach erforderlich, die aus Kundensicht formulierten Qualitätsstandards zu 100 % zu erfüllen. Hierzu soll ständig die Qualität im Unternehmen gesteigert werden, um gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen und die Kosten zu reduzieren.
Armin Töpfer
177
Warum Six Sigma Qualität bei Service und Dienstleistung generell wichtig ist, macht die in der Abbildung 3 wiedergegebene Gegenüberstellung ersichtlich. Die Fehlergrößen sind hier als Fehlerraten in Parts Per Million (PPM) angegeben und kennzeichnen die Anzahl der Fehler pro Anzahl der Fälle. Wie hieraus leicht nachvollziehbar ist, sind die Unterschiede zwischen 99 % Qualität, also 1 % Fehlerrate, und 6σ-Qualität, also praktizierter Null-Fehler-Qualität, gewaltig. Die Zahlen für eine Fehlerrate von 1 % lassen erkennen, wie hoch dann auch die hierdurch verursachten Fehlerkosten sind, nämlich durchweg im zweistelligen Bereich der Gesamtkosten oder des Jahresumsatzes. In vielen Fällen wäre ein geringeres Qualitätsniveau nicht akzeptabel. Hohe Servicequalität fordert also Null-FehlerQualität. Generell gilt, dass bei Dienstleistung und Service im Vergleich zur Herstellung von physischen Produkten die Qualität überwiegend von den in den Prozess integrierten Menschen abhängig ist. Dies macht das in Abbildung 4 wiedergegebene Ergebnis der SERVQUAL-Studie deutlich. Wie ersichtlich ist, werden nur maximal 11 % der Servicequalität nicht unmittelbar durch den Menschen bestimmt. Zugleich lassen sich hierdurch die Felder für wichtige Messgrößen bestimmen (vgl. Zeithaml/Parasuraman/Berry 1992).
3,8 Sigma = 10.000 PPM 1,00% Fehler
99,00% Qualität
o 20.000 verlorene Postsendungen stündlich o 15 Minuten unsauberes Trinkwasser täglich o 5.000 falsche chirurgische Eingriffe in der Woche o 2 zu kurze oder zu lange Landungen auf den größten Flughäfen täglich
6 Sigma = 3,4 PPM 0,00034% Fehler
99,99966% Qualität
o 163,2 verlorene Postsendungen am Tag o 1,8 Minuten unsauberes Trinkwasser im Jahr o 7,2 falsche chirurgische Eingriffe im Monat o 1,241 zu kurze oder zu lange Landungen auf den größten Flughäfen in 5 Jahren
Hohe Servicequalität fordert Null-Fehler-Qualität Abbildung 3: Vergleich von 3,8 Sigma und 6 Sigma Niveau
Hierdurch erhöht sich die Anforderung an eine klar definierte und eindeutig instrumentierte Prozesssteuerung. Sie läuft – unter dem Einschluss von Six Sigma Aktivitäten – in folgenden fünf Phasen ab: 1) Aus der Unternehmensstrategie sind zunächst die angestrebten Standards abzuleiten. Sie kennzeichnen das geforderte Niveau der Prozessqualität als
178
Six Sigma in Service und Dienstleistung
Zielgröße, also z.B. zur Realisierung der Serviceziele das Abheben des Telefons spätestens nach dreimal Klingeln. 2) Diese internen Standards sind mit den externen Kundenanforderungen abzugleichen, die im Rahmen der Voice of the Customer (als CTQs) zu ermitteln sind. Dadurch kann sichergestellt werden, dass das intern festgelegte Serviceniveau nicht geringer ist als die vom Kunden formulierten Anforderungen. 3) Auf dieser Basis lassen sich dann Messgrößen zu den einzelnen Prozessphasen und -inhalten ableiten, um die Einhaltung der formulierten Servicestandards zu überprüfen. Hierzu sind zum einen klare Kriterien zu entwickeln und eindeutige Messpunkte an den Kundenschnittstellen zu definieren. Zum anderen sind aussagefähige Messinhalte festzulegen 4) Wenn erhebliche Abweichungen und damit Qualitätsdefizite vorliegen, dann setzen hier Six Sigma Projekte mit dem DMAIC-Zyklus an. Grundsätzlich verlaufen die Projekte gleich der Prozessoptimierung physischer Produkte. 5) Der Schwerpunkt der Verbesserungsmaßnahmen liegt üblicherweise in einer Vereinheitlichung und Standardisierung von Prozessen. Durch die gleiche Abfolge der Prozessphasen und durch die gleichen Inhalte, soll der Grad an Abweichung deutlich reduziert werden. Verläßlichkeit (32%) Zuverlässigkeit Sorgfalt Kontinuität
Souveränität (19%) Ehrlichkeit Höflichkeit Kompetenz
Entgegenkommen (22%) Schnelligkeit Gewilltheit Flexibilität
Einfühlungsvermögen (16%) Verständnis Kommunikation Erreichbarkeit
Servicequalität
Kundenzufriedenheit
Materielles Umfeld (11%) Erscheinungsbild von Gebäuden Geschäftsräumen Technischen Hilfsmitteln Personen
Quelle: Zeithaml/Parasuraman/Berry 1992
Abbildung 4: Die fünf Bewertungsfaktoren von Servicequalität aus Kundensicht
Die Inhalte dieser einzelnen Prozessschritte sollen im Folgenden an einigen Beispielen verdeutlicht werden.
Armin Töpfer
179
Während die Frage nach der Definition von Standards eindeutig von der Unternehmensstrategie bestimmt wird, kann die Frage nach den Kundenanforderungen (CTQs) durch intensive Marktforschung beantwortet werden. Die Qualität der Wertschöpfung im Unternehmen hängt von der Analyse und Optimierung der Geschäftsprozesse ab. Insbesondere die CTQs müssen dabei unter Wirtschaftlichkeitsaspekten betrachtet werden. Das erklärte Ziel eines Six Sigma Projektes ist es, die Kundenanforderungen möglichst umfassend, aber dabei mit einer hohen Wirtschaftlichkeit zu erfüllen. Hierdurch werden Kostenfallen vermieden. Dies setzt voraus, dass die CTQs auf die wesentlichsten beschränkt werden und sie – vor allem wenn ihre Erfüllung mit hohen Kosten verbunden ist – immer auf dem niedrigsten geforderten Niveau realisiert werden. In Abbildung 5 ist ein Beispiel aus der Unternehmenspraxis wiedergegeben, das sich auf die Zufriedenheit von Kunden mit dem Technischen Kundendienst bezieht. Dadurch dass nicht nur die Zufriedenheit, sondern zugleich auch die Wichtigkeit gemessen wurde, lassen sich direkte Rückschlüsse auf die Höhe der Servicedefizite und damit auf die „dringlichsten” CTQs ziehen. Wesentliche Befragungsergebnisse: Stärken und Ansatzpunkte für Verbesserungen E.3 Technischer Kundendienst
HighTech AG W
Z
Mw-Differenz
89%
69%
-20
90%
69%
-21
Kompetenz (E.3.4)
92%
77%
-15
Freundlichkeit, Engagement, Hilfsbereitschaft (E.3.5)
81%
78%
-3
Schnelligkeit in der iel Bearbeitung von Anfragen isp e (E.3.1) isb ax r P Pünktlichkeit und Termineinhaltung (E.3.2)
Abbildung 5: Ermittlung der CTQs des Technischen Kundendienstes
In Abbildung 6 ist ein Beispiel aufgeführt, welches das Leistungsversprechen als generelles Ziel, die Servicestandards als „Leitplanken“ sowie die Messgrößen als operationalisierte Leistungsstandards aufzeigt.
180
Six Sigma in Service und Dienstleistung
Service-Versprechen
Service-Standards
Service-Messgrößen und Ziele
Was wollen wir für den Kunden leisten?
Was müssen wir dafür tun?
Wie können wir unsere Leistung steuern?
o Sie brauchen nicht lange zu warten
Steuerungskriterium: Kurze Wartezeit
o Wartezeit an Kasse maximal 5 Minuten o 50% der Mitarbeiter für Tätigkeit an ScannerKasse ausgebildet o Zusätzlich 3 ScannerKassen einsetzbar
Kennzahlen: Zeit-, Qualifikations- und Infrastrukturbezogen
o Maximal 5 wartende Kunden pro Kasse o In Stoßzeiten mindestens 2 Mitarbeiter als „Springer“ verfügbar o Hohe Kundenzufriedenheit mit Schnelligkeit an der Kasse (CSI > 75)
Messgrössen: Prozess-, Personalund Kundenbezogen
Voraussetzungen Voraussetzungen bei bei Prozessen, Prozessen, Personal Personal und und Infrastruktur Infrastruktur schaffen schaffen
Abbildung 6: Beispiel zur Umsetzung und Messung der Service-Philosophie
Die Minimierung der Wartezeit kann im Rahmen eines Six Sigma Projekts erfolgen. Auf Basis des DMAIC-Zyklus wird zunächst das Problem (Wartezeit) definiert, wichtige Einflussgrößen gemessen und analysiert (z.B. Anzahl von Scannerkassen) sowie anschließend Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet und kontrolliert. Für ein aussagekräftiges Projekt-Controlling sollten neben der Analyse der Wartezeiten auch die mit der Prozessverbesserung einhergehenden Opportunitätserlöse betrachtet werden. Letztere können sowohl als Überzeugungsgrundlage für die Projektbeteiligten als auch als Argumentationsgrundlage für das Management dienen. Das Ziel erfüllter Serviceversprechen besteht darin, die Kundenzufriedenheit und -loyalität zu erhöhen, um dadurch die Kundenbindung zu steigern. Hierzu sind die entsprechenden Werttreiber herauszuarbeiten und aktiv über Steuerungs- und Messgrößen in den einzelnen Prozessphasen zu gestalten. Abbildung 7 gibt dieses Schema in vereinfachter Form wieder. Im Rahmen von Six Sigma Projekten geht es darum, das in Abbildung 6 aufgeführte Leistungsversprechen sowie die Standards und Messgrößen zu definieren, um dann die Faktoren, also die Werttreiber und die Prozessbausteine der Abbildung 7, zu präzisieren und zu steuern (vgl. Kamber 2001). Generell sind hierfür die Voraussetzungen bei Prozessen, Personal und Infrastruktur zu schaffen.
Armin Töpfer
Wert für den Kunden (und das Unternehmen) Differenzierung
Kundenzufriedenheit und -loyalität
Beziehung zwischen Mitarbeitern und Kunden Einfühlungsvermögen
Erreichbarkeit und Ausführung Kundennähe
Ergebnisse: Ergebnisse: Erfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren
Werttreiber Werttreiber
181
Bewertung des Kunden-Feedback Definition der Kundenbedürfnisse Produktentwicklung Innovation Preisniveau Risiko Verkaufs-/Vertriebsmanagement Markenmanagement Beziehungsmanagement Rekrutierung und Anstellung Personalentwicklung Mitarbeiter-Feedback Kontoeröffnung Kreditentscheidung/-auszahlung Überweisungsausführung Umfassende Kundeninformation Nachforschungsauftrag Zugangsmöglichkeit Kundenwartezeit
Prozesse Prozesse
Basis: Kamber 2001
Abbildung 7: Zusammenhang zwischen Prozesstreibern und Dienstleistungen bei Banken und Sparkassen
3
Beispiele für Six Sigma in Service und Dienstleistung
Die folgenden Beispiele zeigen exemplarisch Ansatzpunkte für Six Sigma Projekte in Dienstleistungs- und Serviceunternehmen. Der gesamte Bereich Banken und Versicherungen ist im Kapitel C dieses Buches in einem gesonderten Artikel mit zahlreichen Ansatzpunkten für Six Sigma Projekte dargestellt. 1. Beispiel: Servicequalität bei Kopierern Eine Analyse bei Minolta Deutschland erbrachte vor einigen Jahren das Ergebnis, dass die Kunden mit der angebotenen Hotline und dem dadurch abrufbaren Service nicht in ausreichendem Maße zufrieden waren. Dabei zeigte sich, dass das Problem zwar primär in der „Fehleranfälligkeit“ des Kopierers im laufenden Betrieb begründet war, die Unzufriedenheit der Kunden aber vor allem durch die unzureichende Reaktionszeit des Kundenzentrums zustande kam. Die detaillierte Analyse der eingehenden Anrufe bei Minolta (vgl. Miyabayashi 1996, S. 223), und zwar bezogen auf die Verteilung über die Tageszeit und die Wochentage, zeigte, dass die Infrastruktur für die große Anzahl von Anrufen am Vormittag und zum Teil auch am späteren Nachmittag insbesondere an Montagen nicht ausreichte (siehe Abbildung 8). Dies führte zu einer hohen Anzahl von sog. Lost Calls.
Anrufe
182
Six Sigma in Service und Dienstleistung
450 400
Händler
Endabnehmer
Andere
300 200
4.12
1.12
Montag
30.11
29.11
28.11
Montag 27.11
24.11
Händler
30
Datum/ Wochentag
Endabnehmer
Andere
20
Tageszeit
17.30
17.00
16.30
16.00
15.30
15.00
14.30
14.00
13.30
13.00
12.30
12.00
11.30
11.00
10.30
10.00
9.30
9.00
0
8.30
10 8.00
Anrufe
23.11
22.11
21.11
17.11
Montag 20.11
16.11
15.11
14.11
Montag 13.11
9.11
10.11
8.11
7.11
Montag
0
6.11
100
o Infrastruktur/ Springer für Frequenz-Spitzen o Möglichst wenige Lost Calls Quelle: Miyabayashi 1996, S. 223
Abbildung 8: Analyse der eingehenden Anrufe bei Minolta
Steuerungskriterien/ Messgrößen für Dienstleistungs-/ Servicequalität
Kundenbedürfnisse
Kundenanforderungen
Empfundenes Problem/Defizit
CTQ = Anforderungen mit hoher Wichtigkeit
Standards bezogen auf Durchlaufzeiten
Instandhaltung/ Wartung dauert zu lange
Beginn sofort, wenn Fax/E-mail beim Kunden raus/ Anruf getätigt, dass Wartung nötig
Messung von Fax-Eingang bis zur wiederhergestellten Funktionsfähigkeit des Kopierers
Abbildung 9: Beispiel für die Bestimmung von CTQs im Servicebereich
Der anschließende Verbesserungsprozess setzte direkt beim Kunden an und analysierte die Kundenbedürfnisse und -anforderungen sowie die Steuerungskriterien. Abbildung 9 verdeutlicht die Bestimmung der CTQs im Servicebereich.
Armin Töpfer
183
Das Ergebnis der Analyse brachte mehrere Defizite zu Tage. Zum einen war die Stimme des Kunden (VOC) nicht richtig „eingefangen“. Nach seinem subjektiven Empfinden dauerte die Instandhaltung/Wartung der Kopierer zu lange. Die detaillierte Betrachtung der Kundenanforderungen legte nicht nur die Prioritäten offen, sondern zeigte, dass aus Kundensicht die „Laufzeit“ der Problembeseitigung in dem Moment begann, wenn er den Wartungsbedarf an das Unternehmen mitteilte. Um möglichst wenige Lost Calls und auch anschließend unzufriedene Kunden hinnehmen zu müssen, wurde die Infrastruktur durch „Springer“ für die erkannten Frequenzspitzen erhöht und an diesen Tagen immer die volle bzw. ausreichend große Servicemannschaft vorgehalten. In der Folge wurden die Messgrößen für die Dienstleistungs-/Servicequalität so festgelegt, dass die formulierten Standards für die gesamte Durchlaufzeit überprüfbar waren. 2. Beispiel: Six Sigma und Business Excellence am Beispiel von Ritz-Carlton Die Ritz-Carlton Hotelkette hat sich als langfristige Qualitätsziele nicht nur die 100%-ige Kundenzufriedenheit, sondern eine 100%-ige Kundenbindung vorgenommen. In der Umsetzung dieses Ziels sollte u.a. eine 50%-ige Senkung der Durchlaufzeiten erfolgen und eine unternehmensweite Six Sigma Initiative durchgeführt werden. Als Ergebnis dieser ehrgeizigen Qualitätsziele hat das Unternehmen als einzige Hotelkette den amerikanischen Excellence Preis (MBNQA) gewinnen können, und dies gleich zweimal. Der Preisverleihung wird nicht nur eine hohe Servicequalität, sondern zugleich auch eine überdurchschnittliche Performance und erwirtschaftete Rendite zugrunde gelegt (vgl. Schulze 2002, S. 199ff.). Abbildung 10 zeigt die drei Schritte beim Service, die eine innovative, schnelle und persönliche Kundenbetreuung bei Ritz-Carlton sicherstellen soll. 3. Beispiel: Unzufriedenheit mit Gehaltsabrechnungen bei GE-Mobilienleasing Bei der deutschen Niederlassung dieser GE-Tochter bestand eine hohe Fluktuation, im Jahr kündigten bis zu 43 % der Mitarbeiter. Ein Grund dafür war die Unzufriedenheit mit der Gehaltsabrechnung (vgl. Garthe 2002, S. 348 ff.). Dies war der Ansatzpunkt für ein Six Sigma Projekt. Die Ergebnisse des DMAIC-Prozesses zeigten u.a. unklare Verantwortungsbereiche in der Verwaltung und damit im Abrechnungsprozess, was zu Verzögerungen und Fehlern führte. Die Maßnahmen zielten darauf ab, den Prozess der Gehaltsabrechnungen zu vereinfachen und die Software zu optimieren. In der Konsequenz sank die Fluktuationsrate auf unter 10 %. Dadurch entfielen Werbungs- und Trainingskosten für neue Mitarbeiter, die das Unternehmen zuvor ca. € 125.000 pro Jahr gekostet hatten. Das Qualitätsniveau von 4,1 σ vor Beginn des Verbesserungsprozesses konnte nach der ersten Verbesserungsrunde auf 4,65 σ gesteigert werden (siehe Abbildung 11). Die Reduzierung der Beschwerden durch die Mitarbeiter belief sich auf
184
Six Sigma in Service und Dienstleistung
Die drei Schritte beim Service
84 %. Die weitere Zielsetzung bestand darin, das Six Sigma Niveau auf über fünf zu erhöhen und damit die Beschwerdeanzahl deutlich unter 10 pro Jahr zu senken.
1 Herzliche Begrüßung
2
Erahnen und Erfüllen von wicht. Gäste-Bedürfnissen
Mitarbeiter versteht u. akzeptiert Kundenwunsch oder -bedürfnis
Mitarbeiter unterbricht seine Routinetätigkeit
Mitarbeiter führt sofort eine positive Aktion aus
Feststellen der Reaktion des Gastes
Falls zufrieden
3 Freundliche Verabschiedung Dokumentieren des Zwischenfalls
Mitarbeiter kehrt zur Routinetätigkeit zurück
Falls unzufrieden
Beschwerde eskaliert
Eintrag in GästeDatenbank Basis: Schulze 2002, S. 205
Abbildung 10: Drei Schritte beim Service
Bei Produkten oder Dienstleistungen:
1 – Fehlerquote = 1 –
D NxO
= %Qualität ≥ Sigma-Wert (laut Tabelle)
Beispiel: Vor dem Six Sigma Projekt: • Es gibt 9 mögliche Fehlerquellen bei monatlichen Gehaltsabrechnungen • Für 107 Beschäftigte des Außendienstes werden jährlich 1.284 Gehaltsabrechnungen erstellt ¾ 61 Klagen wurden registriert
1−
61 = 1− 1.284 x 9
61 11.556
=
Nach der ersten Verbesserungsrunde: ¾ Noch 10 Klagen wurden registriert
1−
10 11.556
=
99,9135% ≥ 4,65 σ
Basis: Garthe 2002, S. 349 f.
Abbildung 11: Berechnung des Six Sigma Wertes
99,4721% ≥ 4,1σ
Armin Töpfer
185
4. Beispiel: Six Sigma im Facility Management Ein ähnlicher und relativ neuer Anwendungsbereich von Six Sigma ist das Facility Management. In Deutschland sind es noch relativ wenige Unternehmen dieser Branche, die Six Sigma systematisch eingeführt und umgesetzt haben. Hierzu gehört bspw. Viterra Energy Services; ihr Erfahrungsbericht ist ebenfalls in Kapitel C abgedruckt. Das Ziel des Facility Management besteht darin, bei Immobilien die Produktivität des Wertschöpfungs- und Werterhaltungsprozesses qualitativ zu erhöhen und quantitativ Kostenreduzierungen zu erreichen. Zusätzlich soll eine flexible Anpassung an die Marktbedürfnisse realisiert werden, die sich in einer klaren und starken Kundenorientierung widerspiegelt. Bereits auf den ersten Blick gehen also die Ziele des Facility Managements und die Philosophie von Six Sigma gut zusammen. Dies gilt immer dann, wenn es sich um standardisierte Dienstleistungsprozesse handelt. Facility Management strebt die Analyse und Optimierung aller kostenrelevanten Vorgänge rund um ein Gebäude oder damit zusammenhängende Dienstleistungen an. Im Detail geht es darum, alle auf die Bewirtschaftung von Gebäuden bezogenen Prozesse, wie das Betreiben der Gebäudetechnik, die Instandhaltung, Störungsbehebung, Sanierung und Modernisierung sowie die Erhaltung der Bausubstanz, möglichst schlank und wirkungsvoll, also effizient und effektiv, zu gestalten. Insbesondere die Instandhaltung will durch geeignete Maßnahmen die Abnutzung verzögern. Verschleißteile werden nicht nur reaktiv, sondern auch präventiv ausgetauscht, um die Funktion der Bauelemente über die Zeit zu sichern. Gemessen werden die Leistungen und Wirkungen der Instandhaltung mit Indikatoren, wie z.B. Verfügbarkeit, Ausfallzeiten pro Zeiteinheit, Reaktionszeiten oder auch die Anzahl von Störungen innerhalb einer Zeiteinheit. Aber auch Finanzierungsprozesse, wie z.B. Kostenverrechnung im Facility Management, Nebenkosten- und insbesondere Heizkostenabrechnungen und Vertragsmanagement, sind für eine Analyse und Verbesserung mit Six Sigma geeignet. Auch hier geht es um die Qualitätssteigerung in Richtung Null-Fehler-Qualität, bei der erhebliche Einsparungen realisiert werden können, wie das Beispiel Viterra belegt. Typisch im Facility Management ist also die Optimierung bestehender Prozesse mit Six Sigma Projekten unter Anwendung des DMAIC-Zyklus. Die Frage ist, ob und wie sich auch Design for Six Sigma (DFSS) durchführen lässt, bei dem der DMADV-Zyklus eingesetzt wird. Die Antwort ist relativ einfach und eindeutig. Analysen belegen, dass bereits in der Planungsphase eines Bauobjektes 70 % der späteren Betriebskosten festgelegt werden. Und zusätzlich wird hier im Rahmen des Gebäudelebenszyklus ebenfalls über die Kosten einer leichten Demontage bei Sanierung oder Abriss nach der Nutzungszeit entschieden. Das Ziel ist entweder Wertstoffrückgewinnung oder Vermeidung einer Umweltbelastung.
186
Six Sigma in Service und Dienstleistung
In der Projektentwicklung ist dieser Ansatz von Six Sigma also noch tragfähiger. Denn hier geht es darum, Prozessfehler in der Planung und Abwicklung im vorhinein zu erkennen, um so die Gestehungskosten besser zu beherrschen. Die Chance besteht dann, unter Kosten-, Umwelt- und Kundenaspekten ein noch besseres Qualitätsniveau in Richtung Null-Fehler-Qualität zu erreichen. Der Hauptansatzpunkt geht dahin, Komplexität zu reduzieren und ein sogenanntes „Robustes Design“ zu entwerfen. Im Fokus stehen dabei die Zusammenarbeit mit Architekten und Baufirmen, die Auswahl der Partner, die Steuerung der vereinbarten Qualität, die Einhaltung des Budgets und des Fertigstellungstermins sowie die schwierige Aufgabe, Nachforderungen durch gute Verträge und Steuerung zu vermeiden. Wie leicht nachvollziehbar ist, geht es bei derartigen Aktivitäten nicht um Prozesse mit einer hohen Anzahl von Transaktionen, sondern um einzelne Immobilienprojekte. Dies entspricht genau der Situation, DFSS in der Forschung und Entwicklung eines Unternehmens für die Entwicklung eines Produktes anzuwenden. Der „Prozess“ hat immer nur die Lösgröße 1, alle aus einer schlechten Planung und Durchführung dieses Entwicklungsprozesses entstandene Probleme werden sich jedoch für die gesamte Produktions- bzw. Erstellungszeit und vor allem die anschließende oftmals lange Nutzungszeit bei allen Einheiten/Produkten und bei allen darauf bezogenen Aktivitäten immer wiederholen und damit in ihren negativen Konsequenzen auf Zeit und Kosten auswirken. Diese monetären Probleme sind die eine Seite. Die andere Seite ist aber die periodische Unzufriedenheit des Nutzers, wenn er das in dieser Weise schlecht entwickelte Auto oder Immobilienobjekt über längere Zeit in Gebrauch hat. Die Vorteile und Chancen des Six Sigma Einsatzes in diesem Bereich liegen also auf der Hand. 5. Beispiel: Six Sigma Anwendung bei der Entwicklung von E-Learning Einheiten Erst seit einigen Jahren existiert das technische Know-how, um Lerneinheiten für den Einsatz über das Internet zu entwickeln. Vorerfahrungen mit diesem neuen Medium und den spezifischen Anforderungen bei der Anwendung dieses Mediums lagen also nicht vor. In der Konsequenz haben viele Unternehmen, die der Euphorie des E-Learning früh gefolgt sind, den Content der Lerneinheiten und den Einsatz des Mediums nicht so geplant, entwickelt und umgesetzt, dass effiziente und effektive Ergebnisse erreicht wurden. Im Gegenteil: Erhebliche Nacharbeiten waren erforderlich, so dass die Zeit und die Kosten aus dem Ruder liefen. Genau dies war das Problem bei der Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC), der weltgrößten Financial Services Post-Trade Infrastruktur (vgl. Islam 2003). Das Problem wurde mit einem DFSS-Projekt unter Einsatz des DMADVund DMAIC-Zyklus angegangen. Die Ausgangssituation stellte sich wie folgt dar: 1) Nach zwei Jahren intensiver Entwicklungsarbeit waren nur ein Drittel der ursprünglich geplanten Lerneinheiten fertiggestellt. 2) Das veranschlagte Budget für die Content-Entwicklung und -Umsetzung ist in dieser Zeit vollständig aufgebraucht worden.
Armin Töpfer
187
3) Die Mitarbeiter der Trainingsabteilung beschwerten sich mehrfach über die hohen Entwicklungskosten, die ständige Nacharbeitszeit sowie die geringe Qualität der Online-Kurse. 4) Die Bereitstellung zusätzlicher Mittel, die Implementierung von Projektmanagement-Methoden und die Schulung des Entwicklerteams führten zu keiner wesentlichen Verbesserung der Situation. In der Define- und Measure-Phase des Six Sigma Projekts wurde zunächst ermittelt, dass die Nacharbeit bei der Content-Erstellung von einer einstündigen ELearning Einheit bis 60 % der gesamten Entwicklungszeit in Anspruch nahm. Die Entwicklungszeit lag damit bis zu 75 % über dem gültigen Branchenstandard ASTD (American Society for Training and Development) von ca. 200 Stunden. Die Entwicklungskosten wurden durch diese Nacharbeit und den zusätzlichen Zeitbedarf nach oben getrieben. Insgesamt kam es so immer zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen beim Einsatz der fertiggestellten E-Learning Einheiten. Zur Präzisierung des Problems wurden die Prozesse zunächst mit einer SIPOCAnalyse differenziert und im Hinblick auf die wesentlichen Kundenanforderungen (CTQs) untersucht. Kunde war die entsprechende Fachabteilung (Customer Training Department) der DTCC, die zur Qualifizierung der Mitarbeiter von KundenUnternehmen, also der Nutzer, ein entsprechendes Learning Management System (LMS) einsetzen wollte. Von daher wurden bei der VOC-CTQ-Analyse die „Stimmen“ beider Gruppen erfasst. Auf dieser Grundlage erfolgten dann im Weiteren detaillierte qualitative und quantitative Tiefenanalysen des gesamten „Customer Training Development Process“. Hierbei konnte u.a. festgestellt werden, dass im Ist-Prozess der Content-Erstellung eine hohe Anzahl von nichtwertschöpfen-den Aktivitäten vorlag. Ihre unmittelbare Beseitigung führte zu den ersten „Quick Wins“ im Rahmen des Six Sigma Projekts. Wie oft bei einer derartigen Buying-Center Struktur waren die Anforderungen der Nutzer zum großen Teil anders als die der Fachabteilung. Beim Anwender standen die Klarheit der Benutzerführung sowie die Verständlichkeit und Eingängigkeit der vermittelten Inhalte einschließlich der Lernpfade und Lernkontrollen im Vordergrund. Das Customer Training Department hatte hingegen eine kostengünstige Qualifizierung mit einem hohen Wirkungsgrad beim Einsatz der gelernten Inhalte im Fokus. Abbildung 12 zeigt beispielhaft diese zweiseitige Analyse der Anforderungen, die sich in den Ouput-Indikatoren (CTQs und CTPs) bezogen auf die Anforderungen der Customer (Nutzer) an die E-Learning Einheiten (CCRs) und bezogen auf die Anforderungen des Business (Fachabteilung) an den Entwicklungs- und Qualifizierungsprozess (CBRs) treffen müssen. Verbesserungen haben also beide Zielgruppen und Zielrichtungen zum Gegenstand. Für eine vertiefende Analyse bietet sich hier Quality Function Deployment (QFD) an, die in diesem Projekt damit aber nicht durchgeführt wurde.
188
Six Sigma in Service und Dienstleistung
CRM
Output Indicators
CTQs (Critical to Quality)
VOB (Voice of the Business)
Business Issues
CBRs (Critical Business Requirements)
CCRs (Critical Customer Requirements)
Customer Issues
VOC (Voice of the Customer)
CTPs (Critical to Process)
Six Sigma Wesentliche Kundenanforderungen Basis: Islam 2003, S. 6
Abbildung 12: Die Stimme des Customer und die Stimme des Business
In der Measure- und Analyse-Phase wurden die Prozessdaten bezogen auf den Output, die einzelnen Wertschöpfungsschritte und den Input erhoben sowie im Hinblick auf ihre Fehlerträchtigkeit und Prozessfähigkeit untersucht. UrsachenWirkungsanalysen wurden mit dem Ishikawa-Diagramm (qualitativ) durchgeführt sowie mit Pareto-Diagrammen (quantitativ) unterlegt. Hierdurch konnten die größten Fehler- und Kostentreiber ermittelt werden: •
Unklare Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten
•
Zu unpräzise und zu späte Managemententscheidungen
•
Geringe Kommunikation unter den Beteiligten
•
Keine Prozessdokumentation und -standards
•
Zu viele Mitarbeiter/Beteiligte im Entwicklungsprozess.
Mit Hilfe der Regressionsanalyse konnte z.B. ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl der am Entwicklungsprozess beteiligten Mitarbeiter und dem Anteil von Nacharbeitszeit bezogen auf die Gesamtentwicklungszeit pro Lerneinheit nachgewiesen werden.
Armin Töpfer
189
Die Improve-Phase wurde unter Einsatz der FMEA durchgeführt und konzentrierte sich auf Prozessverbesserungen in Bezug auf die oben angesprochenen Defizite. Eingeführt wurden klare Entscheidungspunkte im Entwicklungsprozess sowie Reviews und formale Bestätigungen, also nicht mehr oder weniger als Quality Gates. Der ursprüngliche Prozessplan im Umfang von 19 Seiten konnte auf 6 Seiten reduziert werden. Im Ergebnis wurde die Entwicklungsnacharbeit um 81 % reduziert, die jährlichen Entwicklungskosten für E-Learning Einheiten konnten um 30 % gesenkt werden und brachten dem Unternehmen Einsparungen von $ 282.000. Abbildung 13 verdeutlicht graphisch die bewirkten Verbesserungen. Die Vorgaben an die Entwicklungszeit konnten jetzt zu 84 % erfüllt werden. Die Standardabweichung, um mit dieser Statistik-Kennzahl der Six Sigma Methode zu sprechen, betrug jetzt 18 Stunden gegenüber 145 Stunden zuvor. In der ControlPhase wurde und wird der Prozess regelmäßig qualitätsgesichert.
300
Vor Six Sigma
Nach Six Sigma
Zeit in Stunden
250
200
150
100
50
0 Durchschnittliche Entwicklungszeit für 1 Stunde E-Learning (Mittelwert)
Durchschnittliche Abweichung bei der Entwicklungszeit (Standardabweichung)
Durchschnittliche Nacharbeitszeit für 1 Stunde E-Learning
Basis: Islam 2003, S. 14
Abbildung 13: Bewirkte Verbesserungen durch das Six Sigma Projekt
4
Six Sigma Projektbeispiele aus der Krankenhauspraxis
Im Vergleich zur Anwendung des Six Sigma Konzeptes in anderen Branchen steht der Einsatz im Gesundheitswesen und speziell im Krankenhausbereich noch eindeutig am Anfang (vgl. hierzu und im Folgenden Töpfer/Großekatthöfer 2006, S. 460ff.). Bei den Herstellern von medizinischen Großgeräten ist Six Sigma heute schon seit einigen Jahren fester Bestandteil einer auf Null-Fehler ausgerichteten
190
Six Sigma in Service und Dienstleistung
Qualitätssteuerung. In Deutschland ist bisher keine Six Sigma Anwendung im Krankenhaus veröffentlicht. Anders sieht dies in den USA aus. Eine erste Projektveröffentlichung liegt auch aus einem niederländischen Krankenhaus vor. Im Folgenden werden, um die Breite und Vielfalt der Six Sigma Projekte im Klinikbereich zu dokumentieren, in Abbildung 14a-g insgesamt 7 Six Sigma Initiativen mit zeitlich und inhaltlich unterschiedlichen Projektskizzen vorgestellt. Da die Darstellungen weitgehend selbsterklärend sind, werden kommentierende Texte auf ein Minimum beschränkt. Das Gesundheitszentrum Commonwealth Health Corporation hat von allen dokumentierten Anwendungsbeispielen am frühesten mit der Six Sigma Einführung begonnen (siehe Abbildung 14a).
• Gesundheitszentrum mit Sitz in Bowling Green, Kentucky • Mehr als 2.000 Angestellte • Mehr als 100.000 Behandlungsvorgänge jährlich in der Radiologie
Six Sigma: •
Beginn:
Anfang 1998 in der Radiologie – anschließend Ausweitung
•
Ziele:
- Gestiegene Patientenanforderungen befriedigen - Wandel der Unternehmenskultur und Teamwork verstärken - Kosteneinsparungen
•
Ergebnis: - Einsparungen von $1,65 Mio. jährlich - Verkürzung der Wartezeiten für Patienten - Erhöhte Produktivität (mehr behandelte Fälle) → 25% höhere Durchsatzleistung - Senkung der Fehlerquote im Beschaffungsprozess um 90%
Quelle: Using Statistics to Reduce Process Variability and Costs in Radiology
Abb. 14a: Six Sigma bei Commonwealth Health Corporation
Der Krankenhausverbund Virtua Health hat Six Sigma strategisch eingebunden in die STAR-Initiative der Krankenhäuser. Ziel der Initiative war es, vom bisher nur erreichten Mittelmaß zu einer dokumentierbaren Excellence zu gelangen. Six Sigma ist als Konzept und Instrument eingesetzt worden, um dieses Ziel zu erreichen. Das beschriebene Beispielprojekt ist in einem der Krankenhäuser des Krankenhausverbundes durchgeführt worden. Die Ergebnisse konnten nach einem Roll-out auf die Kliniken der anderen 3 Einrichtungen übertragen werden. Hierdurch konnte mit relativ geringem Aufwand ein vierfacher Nutzen gezogen werden (siehe Abbildung 14b).
Armin Töpfer
191
• Krankenhausverbund bestehend aus 4 Einrichtungen mit Sitz in Marlton, New Jersey • 7.200 Angestellte und 1.700 Ärzte • Eines der ersten Unternehmen im Gesundheitswesen, das Six Sigma umsetzt
Six Sigma: • • •
• •
Beginn: Juli 2000 Kosteneinsparungen: - Mehr als $ 1 Mio. jährlich - Mehr als $ 5 Mio. bis 2005 Personal: 2 Master Black Belts 6 Black Belts (Vollzeit) 29 Green Belts (Teilzeit) → Ziel: Mehr als 150 ausgebildete Green Belts Ergebnis: Positiver Einfluss auf Mitarbeitermotivation und Qualität der Patientenversorgung Im Moment läuft die siebte Six Sigma Projektwelle
Beispielprojekt: Congestive Heart Failure (CHF) Length Of Stay Project Problem: Überdurchschnittliche Aufenthaltsdauer von Patienten mit kongestiver Herzinsuffizienz (6,5 statt 4,2 Tage im Landesdurchschnitt) Ablauf:
•
Identifikation kritischer Bereiche - Große Streuung gegen Ende des Behandlungsprozesses und bei Entlassung - Verspätetes Vorliegen wichtiger Laborbefunde beim Arzt - Variation in der erwarteten Aufenthaltsdauer seitens der Patienten
•
Maßnahmen: - Schaffung standardisierter Betriebsabläufe - Informationsbroschüre für Patienten zur Beschreibung des gewöhnlichen Behandlungsprozesses - Modifikation des Durchlaufes der Befunde Ergebnisse:
- Verringerung der Aufenthaltsdauer auf 4 Tage - Jährliche Kosteneinsparungen von $116.000 bei Personal- und Raumkosten - Erhöhung der Patientensicherheit - Zunahme der Mitarbeiterproduktivität
Quelle: H arnessing the Power of Six Sigma to Improve Patient Care and Reduce Costs
Abb. 14b: Six Sigma bei Virtua Health
Das Froedtert Hospital in Milwaukee (USA) ist bei der Anwendung von Six Sigma im Krankenhauswesen so vorgegangen, dass in einem interdisziplinären Team Ärzte, Krankenpfleger, Pharmazeuten und Manager des Krankenhauses ein Rahmenkonzept zur Evaluierung der Medikation erarbeiteten. Neben der Standardisierung von Behandlungsschritten war ein zweiter wichtiger Anwendungsbereich von Six Sigma die Optimierung der Durchlaufprozesse in dem Labor einer Intensivstation. Bereits nach wenigen Monaten waren so im Froedtert Hospital die ersten Erfolge von Six Sigma für Angestellte und Patienten gleichermaßen sichtbar (siehe Abbildung 14c).
192
Six Sigma in Service und Dienstleistung
• Krankenhaus mit Sitz in Milwaukee, Wiscounsin (USA) • 655 Betten
Six Sigma: • Beginn:
Im Jahr 2001 Schulung von zwei Black Belts
1. Projekt: • Problem: Fehlerhafte Medikation von Patienten → Mangelhafte Standardisierung der intravenösen Transfusionsbehandlung • Ziel:
Reduzierung der Prozessabweichungen bei Medikamentenbereitstellung
• Ergebnis: Deutliche Reduzierung der Wahrscheinlichkeit einer Fehlbehandlung 2. Projekt: • Ziel:
Optimierung der Durchlaufprozesse im Labor der Intensivstation
• Ergebnis: Reduzierung der Durchlaufzeit von 52 auf 23 Minuten Basis: Töpfer 2005 a;Arndt 2002
Abb. 14c: Six Sigma im Froedtert Hospital
Im Decatur Memorial Hospital ist Six Sigma auf die Vermeidung von Behandlungsfehlern und Infektionen konzentriert worden (siehe Abbildung 14d). • Kommunales Krankenhaus mit Sitz in Illinois (USA) • 2.500 Angestellte • Mehr als 300 Betten • 13.000 Patienten jährlich • Zahlreiche ambulante Pflegeeinrichtungen
Six Sigma: • Beginn: 2001 • Konzentration auf Vermeidung von Behandlungsfehlern und Infektionen •
Beispielprojekte: - Verringerung nosokomialer Infektionen (Ende 2003) - Reduktion von „Surgical Site Infections“ bei chirurgischen Eingriffen (August 2004)
•
Heute: - Mehr als 50 ausgebildete Green Belts - Monatliche Prüfung und Bewertung der Projekte - Integration der Ärzte als Berater - Entwicklung eines „Yellow Belt Team“-Konzeptes (grundlegendes Training) Ergebnisse: - Höhere Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit - Bessere Servicequalität und höhere Prozesseffizienz
•
Quelle: Decatur Memorial: Better Than Could Be „Imagined“
Abb. 14d: Six Sigma im Decatur Memorial Hospital
Armin Töpfer
193
Im Yale New Haven Hospital erstreckten sich die ersten Six Sigma Projekte auf den Verwaltungs- und den medizinischen Bereich (siehe Abbildung 14h). • Ausbildung von 15 Green Belts in Zusammenarbeit mit GE Medical Systems • Durchführung von Pilotprojekten im Verwaltungs- und im medizinischen Bereich Erfolgreiche Pilotprojekte:
1.
Anrufe an den Koordinator zur Planung der radiologischen Untersuchungsbzw. Behandlungsabläufe Problem: Mangelnde Erreichbarkeit Ziel: Entgegennahme eingehender Anrufe innerhalb von 30 Sekunden Ergebnis: Rate der nicht entgegengenommenen Anrufe ging von 60 - 80 % auf unter 30 % zurück
2.
Anzahl der im Krankenhaus verursachten Infektionen auf der Intensivstation Problem: Ursachenforschung über Ishikawa-Diagramm Hauptursache: Starke Variation beim Legen und Auswechseln von Kathetern Ziel: Entwicklung eines neuen Standards Ergebnis: Infektionsrate deutlich unter dem nationalen Durchschnitt
• Ausbildung von 35 weiteren Mitarbeitern zu Green Belts bzw. Black Belts • Flächendeckende Einführung von Six Sigma Quelle: Six Sigma effort paying dividends for CT hospital
Abb. 14h: Six Sigma im Yale New Haven Hospital
Im Heritage Valley Health System wurden bei der Six Sigma Einführung zwei Projekte durchgeführt, die sich auf die Optimierung von Prozessen bezogen (siehe Abbildung 14f). Six Sigma Einführung: •
1. Projekt: Analyse und Verbesserung des Aufnahmeprozesses → Fehler bei der Zuordnung der Patienten während der Aufnahme → Insgesamt Einnahmeerhöhungen von über $1 Mio. und Verbesserung interner Prozesse
•
2. Projekt: Nutzung der Operationsräume → Verlagerung kleinerer Operationen in ambulantes Operationszentrum → Zusätzliche Kapazitäten für stationäre Patienten
•
Anschließend Ausweitung der Initiative → Intensives Training der Führungskräfte zu Champions (insb. FMEA) → Vollzeit-Beschäftigung der Black Belts mit Projekten → Priorisierung potentieller Six Sigma Projekte → Integration der Fachärzte und Vorstandsmitglieder → Intensive Kommunikation der Projektergebnisse → Direkte Kosten für Six Sigma Training im 1. Jahr: $123.000 Ziel: Six Sigma als „Pull“-Prozess etablieren → Freiwillige Mitwirkung durch Information über Projekte erhöhen
•
Quelle: Six Sigma Success in H ealth Care
Abb. 14f: Six Sigma im Heritage Valley Health System
194
Six Sigma in Service und Dienstleistung
Die erste in Europa dokumentierte erfolgreiche Anwendung von Six Sigma im Krankenhaus ist im Red Cross Hospital in den Niederlanden vorgenommen worden. Belegt sind der Anlass und die Gründe für Six Sigma sowie 2 Beispielprojekte und die erreichten Wirkungen (siehe Abbildung 14g). • Krankenhaus in Beverijk (NL) • 930 Angestellte • 11.632 aufgenommene Patienten im Jahr 2002 Six Sigma: • Beginn: Ende 2001 • Anlass: - Unzureichende Ergebnisse bisheriger Projekte zur Qualitätsverbesserung - Mangelnde Verknüpfung der Projektziele mit der Strategie • Personal für 1. Six Sigma Projektwelle (6 Projekte): 1 Black Belt (füllt Rolle des MBB aus) 16 Green Belts → Später: Externer Master Black Belt und weitere vier Gruppen mit je 13-17 Green Belts Ergebnisse:
- Kosteneinsparungen von mindestens 22.500 € pro Projekt - Keine nennenswerten Probleme bei der Umsetzung - Hohes Commitment der Mitarbeiter
Gründe für Six Sigma ¾ Philosophie • Wissenschaftlicher Hintergrund und faktenbasierte Projektbewertung ¾ Projektmanagement • Strikte Anwendung des DMAIC-Zyklus und Definition von Meilensteinen ¾ Klare Rollen und Verantwortlichkeiten • Champion, Master Black Belt, Black Belt, Green Belt ¾ Tools und Methoden • Vielzahl statistischer Methoden und Unterstützung durch Software-Tools ¾ Wohldefinierte Organisationsschnittstellen • Einfache Einbindung in die bestehende Organisation
Beispielprojekte Verringerung der Anzahl der intravenös mit Antibiotika behandelten Patienten - Frühzeitigerer Wechsel auf orale Medikation ermöglicht Einsparungen - Einführen von krankenhausweiter Standard Operating Procedure (SOP) - Einsparungen von ca. 22.500 € Reduktion der Fehler bei der Rechnungserstellung - 9% der Rechnungen fehlerhaft (jährlich 250.000 Rechnungen) - Senkung der Fehlerquote auf 1% - Einsparungen von mehr als 180.000 € Quelle: Dutch H ospital Implements Six Sigma
Abb. 14g: Six Sigma im Red Cross Hospital
Armin Töpfer
195
Es steht außer Frage, dass diese nachvollziehbaren Beispiele von durchgeführten Six Sigma Projekten nicht nur das Anwendungsspektrum, sondern vor allem auch die mit dieser fortschrittlichen Qualitätskonzeption erreichbaren Wirkungen überzeugend vermitteln. Vergleicht man sie mit der Anzahl der durchgeführten Projekte und den erzielten Erfolgen in anderen Branchen, dann ist dies dennoch ein relativ bescheidener Anfang.
5
Literatur
Arndt, M. (2002): Where Precision is Life or Death, in: Business Week, 22.07.2002, S. 64-65. Biskamp, S. (2002): Computerprogramme müssen zuverlässiger werden, in: Sonderbeilage der Financial Times Deutschland, 08.10.2002, S. 1. Bruhn, M./Stauss, B. (1995): Dienstleistungsqualität, Konzepte, Methoden, Erfahrungen, 2. Aufl., Wiesbaden 1995. Garthe, E.C. (2002): Das Six-Sigma-Dogma bei General Electric, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Business Excellence, Frankfurt/M. 2002, S. 343-352. Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Islam, K.A. (2003): Developing E-Learning The Six Sigma Way, in: http://healthcare.isixsigma.com/library/content/c030407a.asp, 14.05.03. Miyabayashi, A. (1996): Humanware: Der Weg zu TQM-Leadership, in: Mehdorn, H./Töpfer, A. (Hrsg.): Besser – Schneller – Schlanker, 2. Aufl., Berlin 1996, S. 215-232. Ottomeier, M. (2004): SAP krempelt Kernprodukt um, in: FTD, 08.01.2004, S. 4. Schulze, H. (2002): Die Ritz-Carlton-Erfolgsstory um den Malcolm Baldrige National Quality Award – Mit hoher Servicequalität zweimaliger MBNQA-Gewinner, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Business Excellence, Frankfurt/M. 2002, S. 199-232. Töpfer, A./Duchmann, C. (2000): Markteintrittsprobleme bei Dienstleistungen, in: Oelsnitz, D. v. d. (Hrsg.): Markteintritts-Management: Probleme, Strategien, Erfahrungen, Stuttgart 2000, S. 203-221. Töpfer, A./Großekatthöfer, J. (2006): Praktizierte Null-Fehler-Qualität im Krankenhaus durch Six Sigma, in: Albrecht, D./Töpfer, A. (Hrsg.): Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus, Heidelberg 2006, S. 449-471. Wermelskirchen, S. (2001): Netzwert Datenstrom: Beten und arbeiten, in: Handelsblatt Montags-Extra, 26.02.2001, S. N6. Zeithaml, V.A./Parasuraman, A./Berry, L.L. (1992): Qualitätsservice, Frankfurt/M. 1992.
Statistische Anforderungen des Six Sigma Konzepts Bernhard Schipp, Armin Töpfer
Inhalt 1 2 3 4 5 5.1 5.2 6 7
Einleitung ..................................................................................................................196 Grundgesamtheit und Stichprobe...............................................................................197 Six Sigma und Statistik..............................................................................................198 Das Verteilungsmodell der Normalverteilung ...........................................................198 Prozessfähigkeitsindizes ............................................................................................199 Definition von Cp, Cpk und Cpm..............................................................................199 Schätzung von Cp, Cpk und Cpm..............................................................................201 Anwendungsbeispiel..................................................................................................202 Literatur .....................................................................................................................204
Six Sigma is a gauge of quality efficiency, and a measure of excellence. It is a process quality goal that comes out of statistical probability measurement and process capability technique (Patricia O’Rourke).
1
Einleitung
Das Ziel dieses Artikels besteht darin, die zum Verständnis der Six Sigma Initiative in der Qualitätssicherung notwendigen mathematisch-statistischen Grundlagen problemorientiert darzustellen. Dabei wird besonderer Wert auf die Zusammenhänge zwischen dem Six Sigma Ansatz und diversen Varianten der Prozessfähigkeitsindizes gelegt. Ein Anwendungsbeispiel zeigt Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der Methodik. Seit den enormen Erfolgen, bislang vor allem nordamerikanischer Unternehmen, bei der Umsetzung des Six Sigma Konzepts hat diese Thematik auch in Europa an Relevanz für eine qualitätsorientierte Unternehmensführung gewonnen. Statistische Kernaussage der Six Sigma Qualität ist dabei, dass bei einer Million Fehlermöglichkeiten nicht mehr als 3,4 tatsächliche Fehler auftreten dürfen. In der aktuellen Diskussion sind zwei wesentliche Betrachtungsweisen der Problematik erkennbar. Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass die Six Sigma Philosophie lediglich ein Maßnahmenbündel zur Mitarbeitermotivation mit dem Ziel einer Null-Fehler-Qualität in sämtlichen Betriebsabläufen umfasst (vgl. O’Rourke 1999). Zum anderen sieht man in Six Sigma ein visionäres Paradigma, welches eine grundsätzliche Neuorientierung der gesamten unternehmerischen
Bernhard Schipp, Armin Töpfer
197
Tätigkeit beinhaltet. Letztgenannter Ansatz ist dabei dezidiert quantitativ ausgerichtet und basiert auf der konsequenten Anwendung statistischer Modelle und Verfahren (vgl. Hahn/Hill/Hoerl/Zinkgraf 1999, S. 208ff.). Dies erfordert zwangsläufig Grundlagenkenntnisse aus dem Bereich der beschreibenden und schließenden Statistik. Ohne dieses Hintergrundwissen sind Anwendungsunsicherheiten vorprogrammiert, die wiederum eine sachgerechte und breite Umsetzung des Konzepts in den einzelnen Unternehmensbereichen verzögern oder gar verhindern können. Im Zentrum dieses Beitrags steht daher die praxisorientierte Darstellung der zum Verständnis von Six Sigma notwendigen statistischen Grundlagen. Denn es zeigt sich, dass eine unkritische und stereotype Anwendung der Verfahren, vor allem der Prozessfähigkeitsindizes, mit vielen Fallstricken verbunden ist.
2
Grundgesamtheit und Stichprobe
In vielen Wissensgebieten ist man daran interessiert, auf Basis einer (repräsentativen) Stichprobe qualifizierte Aussagen über die zugrunde liegende Grundgesamtheit zu treffen. Bei Produktionsprozessen besteht beispielsweise die Grundgesamtheit aus allen Werkstücken, die von einer Maschine in einem bestimmten Monat gefertigt worden sind (Los, Charge). An diesen Werkstücken (z.B. Autoreifen) werde ein bestimmtes Qualitätsmerkmal (z.B. Profildicke) gemessen. Falls die Stichprobenentnahme sorgfältig geplant und durchgeführt wurde, besteht berechtigte Aussicht, aus den Profildicken der Reifen in der Stichprobe verlässliche Rückschlüsse auf die Charakteristika der Grundgesamtheit zu erhalten. Letztgenannte sind typischerweise die Verteilung ƒ der Profildicken sowie Kenngrößen dieser Verteilung, wie etwa der Erwartungswert ȝ (mittlere Profildicke) und die Varianz ı² (Streuung um den Erwartungswert). Da die Grundgesamtheit nicht vollständig bekannt ist, sind auch diese Größen letztendlich unbekannt, können aber durch die entsprechenden Kenngrößen aus den Daten der Stichprobe (deren Umfang sei n) geschätzt werden. Eindrücke über die Verteilung erhält man dabei oft durch grafische Verfahren, wie z.B. Histogramm oder Kernschätzungen. Durch das arithmetische Mittel (2.1.1)
x = 1 ⋅ n
n
¦
i=1
xi
versucht man µ zu approximieren. Die Varianz wird üblicherweise durch (2.1.2)
n
s 2 = 1 ⋅ ¦ (xi − x ) 2 n −1
i =1
geschätzt. Da s² aber nicht der ursprünglichen Dimension der Daten entspricht (im Beispiel: Profildicke in Quadrat-Millimeter) und damit nicht interpretierbar ist, verwendet man üblicherweise die Wurzel aus s², die als Standardabweichung s
198
Statistische Anforderungen des Six Sigma Konzepts
bekannt ist. Da x und s² aus den Daten der Stichprobe berechnet wurden, ist zu erwarten, dass sie nicht exakt mit den korrespondierenden Werten aus der Grundgesamtheit übereinstimmen. Bei systematischen Unregelmäßigkeiten im Produktionsprozess, die z.B. durch Rohstoffe minderer Qualität hervorgerufen werden können, besteht sogar die Gefahr, dass die Werte der Stichprobe deutlich von den eigentlich zu schätzenden Größen µ und ı abweichen. Für die quantitativ ausgerichtete Qualitätssicherung bedeutet dies, dass eine sorgfältige Analyse der Stichprobenqualität unerlässlich ist.
3
Six Sigma und Statistik
Der statistische Ausgangspunkt des Six Sigma Konzepts besteht in einer Eigenschaft von normalverteilten Zufallsprozessen, die unter dem Namen 3-SigmaRegel bekannt ist. Bei derartigen Prozessen ist zu erwarten, dass im Intervall µ ± ı etwa 66,7 % aller Werte liegen. Im Intervall µ ± 2ı liegen dann etwa 95 % und im Intervall µ ± 3ı bereits 99,73 %. Erweitert man diese Überlegung auf das Intervall µ ± 6 ı, so ist zu erwarten, dass es nur etwa 0,00000001 % der Werte nicht enthält. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Anteile unter der Voraussetzung eines konstanten Prozessmittelwertes µ berechnet wurden. In vielen Prozessen sind allerdings mehr oder minder gravierende Verschiebungen des Prozessmittels im Zeitverlauf zu beobachten. Mögliche Ursachen hierfür können z.B. Materialermüdung, Maschinenverschleiß oder auch veränderte Umgebungsbedingungen wie etwa Temperatur sein. Motorola stellte fest, dass diese Verschiebungen des Mittelwertes typischerweise im Bereich von 1,4 ı bis 1,8 ı liegen. Daraus wurde dann als Faustregel eine zu erwartende Verschiebung von 1,5 ı abgeleitet. Der Flächenanteil unter der um diesen Wert nach rechts verschobenen Dichtefunktion der Normalverteilung rechts vom Wert 6 ı ist dann natürlich größer und liegt bei ca. 0,0000034. Dies wiederum entspricht einem tolerierten Ausschussanteil von 3,4 Stück bei einer Million Fehlermöglichkeiten (DPMO – Defects Per Million Opportunities). Aus statistischer Sicht verbirgt sich damit hinter 6-Sigma eigentlich ein 4,5-Sigma Konzept.
4
Das Verteilungsmodell der Normalverteilung
Wie in vielen anderen Wissensgebieten spielt die Normalverteilung auch in der Statistischen Qualitätssicherung eine herausragende Rolle. Die Normalverteilung dient dabei konkret zur Charakterisierung der Prozessvariablen in der Grundgesamtheit. Bei vielen Prozessen treten Ergebnisse auf, die symmetrisch um einen Mittelwert µ konzentriert sind. Gleichzeitig sind Ergebnisse umso unwahrscheinlicher, je weiter sie von µ entfernt sind. Die Gültigkeit der Normalverteilungsan-
Bernhard Schipp, Armin Töpfer
199
nahme muss dabei anhand der vorliegenden Stichprobendaten mittels statistischer Testverfahren (z.B. Anderson-Darling, Kolmogorov-Smirnov, Shapiro-Wilks, Chi-Quadrat) und grafischer Methoden (Histogramm, Normal-Plot) für jede Variable überprüft werden. Abweichungen von Schiefe und Wölbung können ebenfalls auf Signifikanz untersucht werden. Die besondere Bedeutung der Normalverteilung für das Six Sigma Konzept ergibt sich dabei vor allem aus der Tatsache, dass die Prozessbewertung durch Berechnung des aktuellen Sigma-Niveaus standardmäßig auf Basis der Normalverteilung durchgeführt wird. (vgl. z.B www.isixsigma.com). Dabei wird der erhobene Ausschussanteil als Fläche unter der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung interpretiert. Das zugehörige Quantil gibt dann das Prozess-Sigma an. (Beispiel: Ausschussanteil: 0,1 % = 0,001 , Quantil: || z || = 3,09). Durch Addition der Langfrist-Adjustierung von 1,5 (genannt „Basic Mode“ bei www.isixsigma.com) ergibt sich eine Prozessbewertung von 4,59 σ. Im „Advanced Mode“ kann die Langfrist-Adjustierung anwenderspezifisch eingestellt werden.
5
Prozessfähigkeitsindizes
Durch Prozessfähigkeitsindizes wird angestrebt, die Konformität des durch die Daten der Stichprobe repräsentierten Produktionsprozesses mit den Spezifikationsvorgaben zu überprüfen. Als Spezifikationen bezeichnet man den Soll- oder Nominalwert des Prozesses (z.B. Profildicke µ0 = 4 mm) sowie eine untere und obere Spezifikationsgrenze (LSL – Lower Specification Limit bzw. USL – Upper Specification Limit).
5.1
Definition von Cp, Cpk und Cpm
Der gebräuchlichste (Process Capability) Index ist der Cp-Index (vgl. Rinne/Mittag 1995, S. 414). Er ist definiert durch (5.1.1)
USL − LSL . 6σ
Der Index ist dimensionslos und beschreibt die potenzielle Eignung des Prozesses, die Spezifikationen einzuhalten. Werte von Cp größer als 1 deuten an, dass die Spezifikationsspannweite das µ ± 3ı Intervall, welches auch als natürliche Prozesstoleranz bezeichnet wird, übersteigt. Falls µ in der Mitte des Spezifikationsintervalls liegt, kann bei einem um µ normalverteilten Merkmal gemäß der 3-SigmaRegel davon ausgegangen werden, dass etwa 99,73 % der Messwerte spezifikationskonform sind. Im Kontext von Six Sigma ist ein Cp-Wert von mindestens 2 als notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingung für einen Six Sigma Prozess anzusehen. Lässt man darüber hinaus eine 1,5 ı Verschiebung von µ zu, so besteht
200
Statistische Anforderungen des Six Sigma Konzepts
die notwendige Bedingung immerhin noch in Cp > 1,5 (siehe hierzu auch Abbildung im Artikel von Töpfer: „Six Sigma als Projektmanagement“.) Als Nachteil ist zu nennen, dass der Cp-Index das Prozessniveau µ nicht berücksichtigt. Es kann daher Prozesse geben, die hohe Cp-Werte aufweisen, aber dennoch nicht spezifikationskonform sind. Ein Index, der das Prozessniveau einbezieht, ist der Cpk-Index. Er ist durch (5.1.2)
µ − 12 ( LSL + USL) ½° min(USL − µ , µ − LSL ) ° = ®1 − ¾⋅Cp 3σ d ° ° ¿ ¯
definiert. Dabei wird mit d die halbe Länge des Spezifikationsintervalls bezeichnet, d.h. d = 0,5⋅(USL – LSL). Das wesentliche Ziel von Cpk besteht darin, Informationen über das Ausmaß zu geben, mit welchem der Prozess innerhalb der Spezifikationsgrenzen liegt. Cpk nimmt i.d.R. Werte zwischen 0 und Cp an und ist positiv, falls LSL < ȝ < USL. Es gilt Gleichheit von Cp und Cpk, falls ȝ = 0,5 ⋅ (USL + LSL). Der Mittelpunkt des Spezifikationsintervalls kann auch durch einen Sollwert ȝ0 ersetzt werden (vgl. Kane 1986, S. 41ff.). Probleme treten beim CpkIndex auf, falls die Differenz zwischen dem eingestellten Sollwert ȝ0 und dem Prozess-mittelwert ȝ ansteigt. Der Prozess gerät dann zunehmend außer Kontrolle, ohne dass Cpk reagiert. Dieser Nachteil wird beim nachstehenden Cpm-Index vermieden. Cpm basiert auf der Streuung um den Sollwert ȝ0 und ist definiert durch
USL − LSL
(5.1.3)
3σ m
.
Mit σ m2 wird die Streuung des Qualitätsmerkmals um den Sollwert ȝ0 (z.B. die Mitte des Spezifikationsintervalls) bezeichnet, d.h. ı 2m = E ( X − ȝ 0 ) 2 ist. Da σ 2 = E ( X − µ ) 2 ist σ m2 = σ 2 + ( µ − µ 0 ) 2 . Cpm ist damit nie größer als Cp und kann – im Gegensatz zu Cpk – nie negativ werden. Die Größe σ m2 kann im Sinne der Qualitätsphilosophie Taguchi´s, in der eine typische Verlustfunktion als proportional zu ( X − µ 0 ) 2 angenommen wird, auch als eine Kenngröße des durchschnittlichen Verlusts aufgefasst werden (vgl. Kackar 1989 o. Kotz/Johnson 1993, S. 89; eine Übersicht des Konzepts geben Toutenburg/Gössl/Kunert 1998, S. 79ff.). Für den Index Cpm findet man gelegentlich noch eine modifizierte Version, die für den Fall µ0 0,5 ⋅ (USL + LSL) empfohlen wird: (5.1.4)
*
C pm =
min(USL − ȝ0 , ȝ0 − LSL ) 2
3 ı + ( ȝ − ȝ0 )
2
.
Bernhard Schipp, Armin Töpfer
201
Im folgenden Beispiel wird verdeutlicht, welchen Effekt ein sich veränderndes Prozessmittel µ auf die bisher vorgestellten Prozessfähigkeitsindizes hat (vgl. Boyles 1991). Der Sollwert sei µ0 = 4 (vgl. hierzu Abbildung 1); die Spezifikationsgrenzen seien durch LSL = 3,7 und USL = 4,3 gegeben. Prozess
µ
ı
Cp
C pk
C pm
A B C
4,0 3,9 3,8
0,100 0,067 0,033
1,0 1,5 3,0
1,0 1,0 1,0
1,000 0,794 0,493
Abbildung 1: Tabelle mit Beispielen für prozessabhängige Cp-, Cpk- und Cpm-Werte
Während der Index Cp eine ständig wachsende Prozessfähigkeit anzeigt (da ı fällt), wird der Cpm-Index immer kleiner und zeigt damit die mangelnde Konformität an. Der Cpk-Index ist indifferent gegenüber den drei Situationen, da die Verschiebung des Prozessmittels durch die sich gleichzeitig verringernde Streuung kompensiert wird. Die in diesem Beispiel angedeutete Vorteilhaftigkeit von Cpm gilt allerdings nur für den Fall, dass der Sollwert µ0 mit dem Mittelpunkt des Spezifikaktionsintervalls übereinstimmt. Falls dies nicht der Fall ist, kann durch den Cpm-Index keine sinnvolle Prozessbewertung vorgenommen werden. Sei in obigem Beispiel µ0 = 3,9, dann ist bei einem Wert µ = µ0 – 0,1 = 3,8 Cpm = 0,707. Dieser Wert ergibt sich aber auch im Fall µ = µ0 + 0,1 = 4, obwohl der zu erwartende Ausschussanteil in dieser Situation offenbar sehr viel kleiner ist.
5.2
Schätzung von Cp, Cpk und Cpm
Im vorhergehenden Abschnitt wurden die am häufigsten verwendeten Prozessfähigkeitsindizes in ihrer Konzeption dargestellt. Dabei war auffällig, dass bei den Indizes die unbekannten Kenngrößen aus der Grundgesamtheit (ȝ, ı, ım) verwendet wurden. In der Praxis der Statistischen Qualitätssicherung müssen diese Größen durch geeignete Schätzungen ersetzt werden. In diesem Abschnitt werden einige Varianten vorgestellt und vergleichend diskutiert. Eine detaillierte Übersicht der verschiedenen Schätzer und ihrer statistischen Eigenschaften ist Kotz/ Johnson 1993 zu entnehmen. Im Cp kann die unbekannte Prozessstreuung ı durch die Standardschätzung (5.2.1)
s=
1 n ¦ ( xi − x ) n − 1 i =1
ersetzt werden. Hierbei sollte allerdings beachtet werden, dass sich s aus den Komponenten ı und der Streuung des Messfehlers zusammensetzt. Fallstudien
202
Statistische Anforderungen des Six Sigma Konzepts
(vgl. Kotz/Johnson 1993, S. 50ff.) haben gezeigt, dass der Einsatz von s für ı in Cp zu einer Überschätzung des Indexes führt. Diese Überschätzung – die den Prozess als fähiger ausweist, als er tatsächlich ist – ist umso größer, je kleiner der Stichprobenumfang ist. Verlässliche Schätzwerte ergeben sich erst ab einem Datenumfang von ca. n = 50 und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass die Daten annähernd normalverteilt sind. Für die Praxis bedeutet dies, dass Cp bei kleinem Stichprobenumfang mit Vorsicht zu betrachten ist und damit bei kleinen bis moderat hohen Werten (Ƙp < 1,3) eher von einem instabilen Prozess ausgegangen werden sollte. Ein möglicher Schätzer für Cpk ist gegeben durch (5.2.2)
Cˆ pk = ®1 −
¯
x − 0,5 ⋅ ( LSL + USL) ½ d
¾ ⋅ Cˆ p ¿
Bei unterstellter Normalverteilung von X ist X normalverteilt mit Erwartungswert ȝ und Streuung ı n . Ferner sind x und ıˆ stochastisch unabhängig. Es lässt sich zeigen (vgl. Kotz/Johnson 1993, S. 57f.), dass Ƙpk ein verzerrter Schätzer von Cpk ist. Dabei ist die Verzerrung positiv (Cpk wird überschätzt) falls ȝ 0,5 ⋅ (USL + LSL). Im Falle der Gleichheit ist die Verzerrung zunächst (bis ca. n = 10) positiv, wird aber mit zunehmendem Stichprobenumfang negativ. Bei größer werdendem Stichprobenumfang wird dann die Verzerrung immer geringer. Auch hier gilt für die Praxis die Empfehlung, eine Ƙpk-Berechnung nur bei großem Datenumfang (n > 60) vorzunehmen. Die Untersuchung der geschätzten Version von Cpm bzw. C*pm führt wieder zu dem Ergebnis einer grundsätzlich positiven Verzerrung, die aber mit wachsendem Stichprobenumfang verschwindet. Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft die Bewertung der Streuung des Messverfahrens. Da unscharfe Messmethoden zu einer Erhöhung der Streuung in den Daten führen, sind regelmäßige Kalibrierungsverfahren dringend erforderlich. Prozesse, die fälschlicherweise als „außer Kontrolle“ identifiziert wurden, verursachen vermeidbare Kosten.
6
Anwendungsbeispiel
Im Rahmen eines zusammenfassenden Beispiels sollen die wesentlichen Elemente und Methoden des Six Sigma Ansatzes noch einmal verdeutlicht werden. Die Datenbasis besteht aus 100 Werten. Der Nominalwert (Sollwert) ist 4 mm, untere und obere Spezifikationsgrenzen sind LSL = 3,9 mm bzw. USL = 4,1 mm. In der nachfolgenden Abbildung 2 sind ein Histogramm der Daten mit angepasster Normalverteilung sowie die Prozessfähigkeitsindizes dargestellt.
Bernhard Schipp, Armin Töpfer
203
Man erkennt, dass die Normalverteilung eine eher mäßige Anpassungsqualität hat. Offensichtlich handelt es sich um eine Mischverteilung mit drei Komponenten, wobei die erste für den Ausschussanteil unterhalb von LSL, die zweite für den Bereich innerhalb der Spezifikationsgrenzen und die dritte für den Ausschussanteil oberhalb von USL verantwortlich ist. Der Prozess befindet sich damit deutlich außer Kontrolle, was auch durch die Prozessfähigkeitsindizes verdeutlicht wird. So liegt der Cp-Index gerade einmal bei 0,419 und der Cpk-Index nur bei 0,338. Aufgrund des hohen (geschätzten) Ausschussanteils von 221.759 DPMO (22,18 %) ergibt sich ein Prozess-Sigma von 0,766. Die Addition von 1,5 ergibt ein „Langfrist-Sigma“ von 2,266. Es zeigt sich weiterhin, welch hoher Anspruch für bestimmte Prozesse mit dem Six Sigma Paradigma verbunden ist, besteht doch im vorliegenden Beispiel das Kriterium für Six Sigma in der Forderung, dass der Prozess eine solch kleine Streuung um den Sollwert aufweisen muss, dass die ±4,5σ Schranken innerhalb der Spezifikationsgrenzen liegen müssen (vgl. Abbildung 2).
20 LSL=3,9 Nominal=4,0 USL=4,1
18
C p = 0,419 C pk = 0,338 C pm = 0,407
16
Häufigkeit
14 12 10
- 4,5ı
+ 4,5ı
8 6 4 2 0 3,6
3,7
3,8
3,9
4,0
4,1
4,2
4,3
4,4
Profildicke (mm)
Abbildung 2: Histogramm mit Prozessfähigkeitsanalyse
Die Abbildung 3 dient zur optischen Überprüfung der Normalverteilungsannahme. Bei Gültigkeit der Normalverteilung sollten die Punkte annähernd auf der Gerade liegen. Es ist zu erkennen, dass die Daten deutlich nicht-normalverteilt sind. In bezug auf Schiefe und Wölbung zeigen sich allerdings keine auffälligen Unterschiede. Ferner kann aufgrund der drei Schichten in der Stichprobe auch keine alternative Verteilung angepasst werden. An dieser Stelle bleibt dem Anwender also nur die Ursachenforschung für die Prozessunregelmäßigkeiten voranzutreiben
204
Statistische Anforderungen des Six Sigma Konzepts
Erwartete Profildicke (mm)
und als grobe Annäherung die Normalverteilung zu verwenden. In Hahn/Hill/ Hoerl 1999 werden mögliche Auswirkungen von Six Sigma auf die zukünftige Rolle statistischer Analysen in der Industrie diskutiert. 4,3 4,2 4,1 4 3,9 3,8 3,7 3,7
3,8
3,9
4
4,1
4,2
4,3
Tatsächliche Profildicke (mm)
Abbildung 3: Normal-Probability Plot für Profildicke
7
Literatur
Boyles, R.A. (1991): The Taguchi capability index, Journal of Quality Technology 232, 1991. Hahn, G.J./Hill, W.J./Hoerl, R.W./Zinkgraf, S.A. (1999): The Impact of Six Sigma Improvement – A Glimpse into the Future of Statistics, The American Statistician 53, 1999, S. 208–215. Kackar, R.N. (1989): Taguchi’s quality philosophy: Analysis and Commentary, in: Dehnad, K. (ed.): Quality Control, Robust Design and the Taguchi Method, Wadsworth and Brooks 1989. Kane, V.E. (1986): Process capability indices, Journal of Quality Technology 18, 1986, S. 41-52. Kotz, N./Johnson, N.L. (1993): Process Capability Indices, Chapman & Hall 1993. O’Rourke, P. (1999): Using Six Sigma in Safety Metrics, HRfocus Newsletter July 1999. Rinne, H./Mittag, H.J. (1995): Statistische Methoden der Qualitätssicherung, 3. Aufl., Hanser 1995. Toutenburg, H./Gössl, R./Kunert, J. (1998): Quality Engeneering, Prentice Hall 1998.
Kapitel B Bausteine und Vernetzung von Six Sigma
Der Einführungsprozess von Six Sigma Armin Töpfer
Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8
1
Sieben Schritte zur Einführung von Six Sigma..........................................................207 Einbindung der Unternehmensleitung und Commitment der Führungskräfte............209 Aufbau der Six Sigma Organisation und die Rekrutierung/ Auswahl von Akteuren .211 Auswahl von geeigneten Six Sigma Projekten ..........................................................215 Qualifizierung von Six Sigma Akteuren....................................................................220 Projektsteuerung und Aufbau eines Wissensmanagements .......................................224 Analyse der direkten und indirekten Ergebniswirkungen ..........................................230 Literatur .....................................................................................................................237
Sieben Schritte zur Einführung von Six Sigma
Wenn ein Unternehmen sich entschlossen hat, aufgrund der positiven Erfahrungen anderer und der Erwartungen im eigenen Unternehmen, Six Sigma zu implementieren, dann beginnt der in seiner Komplexität und Entscheidungsträchtigkeit nicht zu unterschätzende Prozess der Einführung. Die Komplexität ist dadurch gegeben, dass große Teile des Unternehmens von Six Sigma bereits bei der Einführung, auf jeden Fall aber bei dem sich anschließenden Roll-Out einbezogen oder zumindest tangiert werden. Der Entscheidungsbedarf entsteht vor allem dadurch, dass im Einführungsprozess zunächst selektiv vorgegangen werden muss. Mit anderen Worten muss explizit festgelegt werden, was im Rahmen der Six Sigma Implementierung bewusst von wem, wo, wann und wie gemacht respektive nicht gemacht wird. Abbildung 1 zeigt im Überblick sieben wesentliche Prozessphasen, die bei der Einführung von Six Sigma durchlaufen werden müssen. Dabei ist es gerade zu Beginn wichtig, die starke Projektorientierung von Six Sigma unter Einsatz bekannter Methoden des Qualitätsmanagements richtig zu verstehen und die mit einer konsequenten und systematischen Umsetzung erreichbaren Wirkungen zutreffend einzuschätzen. Bereits in diesem Stadium ist für den Erfolg des gesamten Vorhabens von Bedeutung, dass sich der Einsatz des Methodenspektrums beim DMAIC-Prozess im Rahmen von Six Sigma Pilotprojekten zunächst nur auf physische Wertschöpfungsprozesse bezieht und erst in einem zweiten Lern- und Anwendungsschritt auch Service- und Dienstleistungsprozesse berücksichtigt werden. Erst danach ist es zweckmäßig und empfehlenswert, die Forschung und Entwicklung einzubezie-
208
Der Einführungsprozess von Six Sigma
hen und Design for Six Sigma mit dem DMADV-Prozess zu betreiben. Der Grund liegt in den steigenden Anforderungen an den Methodeneinsatz sowie die dann hierdurch erreichbaren und belegbaren Wirkungen. Dies gilt zusätzlich auch für Six Sigma Projekte, die sich auf die Optimierung von Schnittstellen zwischen Wertschöpfungsprozessen beziehen. ProzessProzessbezogenes bezogenes SixSix Sigma Sigma
Aufbau der Six Sigma Organisation
DMAIC DMAIC
4 Verständnis der projektorientierten spezifischen Ausrichtung 1 Anforderungen/ Leistungsfähigkeit von Six Sigma
EntwicklungsEntwicklungsbezogenes bezogenes SixSix Sigma Sigma DMADV DMADV
2
Einbindung Einbindung der derUnterUnternehmensnehmensleitung/ leitung/ Commitment 3 der der FührungsFührungskräfte kräfte
Rekrutierung und Auswahl von Six Sigma Akteuren
6
Auswahl der Six Sigma Projekte
5
Qualifizierung von Six Sigma Spezialisten (GB/ BB/ MBB/ Champions)
Steuerung der Projekte und Aufbau eines Wissensmanagement
7
Analyse der monetären Wirkungen
- Pilot - Roll-Out -
- Produktion - Service - Lieferanten - Kunden -
Abbildung 1: Der Einführungsprozess im Überblick
Auf dieser Basis und mit diesem Verständnis ist von den „Treibern“ des Six Sigma Vorhabens die Unternehmensleitung aktiv einzubinden und das Commitment der Führungskräfte zu erreichen sowie vor allem auf Dauer sicherzustellen. Die nächsten Schritte des Einführungsprozesses beziehen sich auf den Aufbau der Six Sigma Organisation und die Rekrutierung/Auswahl von Six Sigma Akteuren. Der zweite Aspekt ist deutlich schwieriger als der erste, denn insbesondere die Festlegung, wer im Unternehmen zum Black Belt ausgebildet wird, läuft im Endeffekt auf ein Management-Assessment dieser Personen hinaus und setzt aussagefähige Ergebnisse zur Einschätzung der Persönlichkeitsprofile vor den weiteren Einführungsschritten voraus. Die sich hieran anschließende Qualifizierung von Six Sigma Spezialisten, nämlich der Black Belts, Master Black Belts, Green Belts und Champions, ist in direktem Zusammenhang mit der im Vorfeld vorgenommenen Auswahl von geeigneten Six Sigma Projekten zu sehen. Dies ist insbesondere dadurch gegeben, dass die Schulung zumindest der Black Belts direkt an konkreten Projekten erfolgt, die wiederum von einem Champion gesteuert werden müssen. Da die Projekte i.d.R. aus dem Erfahrungs- und Tätigkeitsbereich der Black Belts stammen, ist hierdurch eine Vorauswahl vollzogen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in der Einführungsphase die Auswahl von Pilotprojekten mit nur kontinuierlich steigendem Schwierigkeitsgrad erfolgt.
Armin Töpfer
209
Der sechste Schritt des Einführungsprozesses, nämlich die Projektsteuerung und der Aufbau eines Wissensmanagements, erhalten dadurch einen hohen Stellenwert, dass erarbeitetes Wissen, in standardisierter Form eingesetzte Instrumente, gemachte Erfahrungen sowie vor allem auch Stolpersteine und Irrwege systematisch festgehalten werden. Der Einführungsprozess schließt mit einer Analyse der projekt- sowie unternehmensbezogenen Wirkungen ab. Letztere umfassen sowohl direkte/indirekte als auch monetäre/nicht-monetäre Gesichtspunkte. Die Erfahrung in der Unternehmenspraxis zeigt, dass die Zeitdauer für die vollständige Einführung von Six Sigma im Unternehmen etwa 24 Monate beträgt, unter der Voraussetzung, dass das gesamte Vorhaben mit einem hohen Engagement und Willen zum Erfolg durchgeführt wird. Darin enthalten sind eine fünfmonatige Trainingsphase für Green und Black Belts sowie die strategische Analyse und Durchführung von Pilotprojekten, die i.d.R. ebenfalls fünf Monate dauert. Die Ausfächerung bzw. der unternehmensweite Roll-Out von Six Sigma nimmt erfahrungsgemäß weitere 12 bis 14 Monate in Anspruch.
2
Einbindung der Unternehmensleitung und Commitment der Führungskräfte
Die zu klärenden Fragen bei der Six Sigma Implementierung ist nicht, ob, sondern welche aktive Rolle die Unternehmensleitung bei der Einführung zu spielen hat. Dies impliziert zugleich die Frage, wann sie sich wo und wie in den Roll-Out Prozess einbringt. Wenn die Entscheidung für die generelle Einführung von Six Sigma gefallen ist, dann sollte die Unternehmensleitung bereits den ersten Workshop mit Entscheidern und Prozesseignern zur Klärung folgender Fragen steuern und prägen: •
Welche strategischen Analysen sind im Vorfeld durchzuführen und wo soll die Andockung von Six Sigma erfolgen?
•
Welche aktive Rolle kommt der Unternehmensleitung bei der Six Sigma Einführung und Umsetzung zu, um das Vorhaben zu beschleunigen und in die richtige Richtung zu lenken?
•
Wie soll der Aufbau einer professionellen Six Sigma Organisation aussehen?
•
Für welchen Personenkreis, in welchem Zeitraum und mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten sollen die Qualifizierungs- und Kommunikationskonzepte im Unternehmen durchgeführt werden?
•
Wie soll die Gestaltung des Six Sigma Roll-Out bzw. die Ausfächerung auf die einzelnen Unternehmensteile und -ebenen konkret aussehen?
210
Der Einführungsprozess von Six Sigma
•
Wie wird im Unternehmen ein professionelles Projektmanagement und -controlling sichergestellt?
•
Was sind die entscheidenden und damit wirkungsvollen Anreize, um den anvisierten Kreis von Führungskräften an das Vorhaben zu binden und eine „durchgängige“ Six Sigma Kultur zu schaffen?
•
Wie hoch sind insgesamt die Zeitdauer und die Kosten für die Einführung von Six Sigma im Unternehmen anzusetzen?
Für die Rolle der Unternehmensleitung und der Führungskräfte bei der Six Sigma Einführung sowie Umsetzung im gesamten Unternehmen gelten die folgenden Grundsätze. Sie kennzeichnen die für den Erfolg notwendige Management Attention: •
Das Management ist entsprechend seiner jeweiligen Aufgabenstellung und Führungsverantwortung immer umfassend informiert und in den Six Sigma Prozess eingebunden.
•
Das Management wirkt mit seiner Einstellung und Verhaltensweise als Vorbild für die Six Sigma Aktivitäten.
•
Das Management steuert und kontrolliert die Six Sigma Prozesse und Ergebnisse.
•
Das Management beseitigt Hürden und Barrieren bei der Six Sigma Umsetzung.
•
Das Management honoriert Erfolge durch immaterielle und materielle Belohnung der beteiligten Mitarbeiter.
Damit bei den Führungskräften ein derartiges Commitment entsteht, sind mehrere Voraussetzungen im Unternehmen zu erfüllen. So sind z.B. auch für das Management genügend Anreize zu schaffen. Ein nicht zu unterschätzender Vorbehalt ist die Angstkultur, die dadurch entstehen kann, dass Six Sigma mit einer deutlich höheren Transparenz von Prozessen und dabei aufgedeckten Problemen verbunden ist als ursprünglich „geplant“. Erforderlich ist also eine Fehlerkultur im Unternehmen, die diese Offenheit mit einer hohen Fehlertransparenz positiv in Verbesserungen umsetzt. Die Konsequenz hieraus ist dann, dass die Führungskräfte detaillierte Informationen über Vorhaben, Projekte, einbezogene Bereiche, Veränderungen und erreichte Ergebnisse zur Verfügung stellen und auch bekommen. Ein darauf aufbauendes Prämiensystem als materieller Anreiz für das Erreichen von Projektzielen/-ergebnissen ist dann eine sinnhafte Folge, die im Unternehmen auch Akzeptanz findet. Ein wichtiger Bestandteil der Six Sigma Kultur sind die Anreize für die Mitarbeiter und den Führungskräftenachwuchs, die durch Karriere- und Beförderungschancen für Green Belts, Black Belts und Master Black Belts entstehen. Die Six Sigma Qualifikation wird so – umgesetzt in Projekterfolgen – zur Voraussetzung für den Karrieresprung. Im Ergebnis führt dies, wie z.B. bei
Armin Töpfer
211
General Electric, zu einem „Durchsatz“ des gesamten Unternehmens mit Six Sigma Experten.
3
Aufbau der Six Sigma Organisation und die Rekrutierung/ Auswahl von Akteuren
Das oberste Lenkungsgremium einer professionellen Six Sigma Organisation ist der Quality Council als Steuerungsgruppe mit direkter Anbindung an die Unternehmensleitung. Von ihm werden die vorstehend aufgelisteten Führungsaufgaben erfüllt. Auf den Führungsebenen unterhalb der Unternehmensleitung haben die Champions eine wichtige Funktion bei der Auswahl und Durchführung von Six Sigma Projekten. Sie sind für die Prozesse und Ergebnisse eines bestimmten Wertschöpfungsbereiches im Unternehmen verantwortlich. Als Manager definieren sie ein Problem, das im Rahmen eines Six Sigma Projekts unter Beteiligung von Master Black Belts und Black Belts zu lösen ist. Six Sigma Projekte, die dort aufgesetzt werden, werden von ihnen also als Machtpromotor mit gesteuert und auf diese Weise zum Erfolg befördert. Die Bereitschaft hierzu ist dann sehr groß, wenn der Champion zugleich auch der Prozesseigner ist und damit die „Früchte des Projektes“ direkt ernten kann. Die Auswahl von Champions ist im Hinblick auf die Durchsetzungsfähigkeit vor Ort erfolgsentscheidend für die gesamte Six Sigma Initiative. Damit vertreten die Champions das Six Sigma Vorhaben im Unternehmen und bestimmen die Art und Weise, wie es zum Erfolg oder auch zum Misserfolg geführt wird. Auf diese Weise unterstützen und kontrollieren sie die Projekttätigkeit der Black Belts, verteilen Ressourcen und beseitigen Umsetzungsbarrieren. Im Vorfeld sind sie bereits in die Auswahl der Six Sigma Projekte mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit und einem hohen Erfolgspotenzial eingebunden. In manchen Unternehmen wird zusätzlich zwischen der Funktion des Champions und des Sponsors unterschieden. Der Sponsor ist eine Führungskraft, die im übergeordneten Verantwortungsbereich eines Champions tätig ist und einen bestimmten Wertschöpfungsabschnitt verantwortet, in dem ein Six Sigma Projekt durchgeführt werden soll. Von daher ist der Sponsor immer der Prozesseigner im Rahmen eines Projektes, das von einem Black Belt oder auch Green Belt als Projekteigner ergebnisverantwortlich durchgeführt wird. Der Champion ist – wie oben beschrieben – nur im Ausnahmefall zugleich auch der Prozesseigner. Die Differenzierung der Funktionen geht also dahin, dass der Champion und/oder Sponsor für den Erfolg eines Six Sigma Verbesserungsteams verantwortlich sind. Der Black Belt ist als Projektleiter verantwortlich für die Teamergebnisse, und er ist dabei üblicherweise dem Champion/Sponsor unterstellt.
212
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Der Quality Leader ist Mitglied oder sogar Leiter des Quality Council, falls diese Funktion nicht direkt von einem Vorstandsmitglied/Geschäftsführer wahrgenommen wird. Der Quality Leader verfügt als Mitglied der oberen Führungsebene über eine klare strategische Ausrichtung, ein gutes Netzwerk und Durchsetzungsmacht, was insgesamt dem Six Sigma Vorhaben zugute kommt. Er ist zugleich der Vorgesetzte aller Black Belts und Master Black Belts, wobei sich die Frage stellt, über welche Six Sigma Qualifikation er verfügt bzw. verfügen sollte. Bei der Einführung von Six Sigma in das Unternehmen wird diese Funktion häufig von einer Führungskraft wahrgenommen, die nur über eine begrenzte Ausbildung und Erfahrung verfügt. Im Laufe der Zeit kann diese Aufgabe von einem Black Belt oder Master Black Belt übernommen werden, die im Unternehmen Karriere bis auf die oberste Führungsebene in einer Fachfunktion gemacht haben. Der fachliche Counterpart eines Champions oder auch eines Sponsors ist der Master Black Belt. Er ist deshalb der Partner der Champions im Unternehmen, weil er diesen bei der Projektauswahl und -bewertung sowie bei der Umsetzung von Six Sigma Trainings für Mitarbeiter assistiert. Master Black Belts rekrutieren sich aufgrund von Führungs- und konstruktiv-kommunikativen Durchsetzungsfähigkeiten aus der Gruppe erfahrener Black Belts. Dabei ist die Ausprägung von Soft Skills u.U. wichtiger als die Ausprägung von Hard Skills. Im Rahmen ihrer Führungsarbeit in Vollzeit unterstützen und coachen sie die Black Belts. Sie treten zudem als Projektleiter bei strategisch wichtigen Six Sigma Projekten in Erscheinung. Die tragende Rolle in jedem Six Sigma Projekt kommt dem Black Belt zu. In einem mit Six Sigma Projekten „durchsetzten“ Unternehmen gilt die Grundregel, dass mindestens 1, besser 2 % der Mitarbeiter als aktive Black Belts bzw. Master Black Belts die kritische Masse für den Six Sigma Erfolg bilden, die durch mindestens 10 % aller Unternehmensmitglieder als geschulte Six Sigma Akteure ergänzt werden sollten. Als Projektleiter in Vollzeit-Tätigkeit setzen die Black Belts die „Durchbruchsstrategie“ Six Sigma im Unternehmen operativ um. Neben dem Führen und Betreuen von Projektteams zählen zu ihren Aufgaben das Identifizieren von Umsetzungsbarrieren, das Durchführen von Projekt-Reportings und -Reviews, das Erstellen einer detaillierten Projektbewertung sowie damit die Übernahme der Verantwortung für die Zielerreichung. Dieses Aufgabenspektrum ist der Grund für die zumindest in großen Unternehmen übliche Freistellung der Black Belts und entsprechend auch der Master Black Belts für Six Sigma Aktivitäten. Zur Auswahl als Black Belt kommen herausragende Nachwuchsführungskräfte in Frage, die auf diese Weise eine zusätzliche Qualifizierungs- und Aufstiegschance erhalten. Die Aufgabe des Quality Leaders und zum Teil auch der Champions ist die Rekrutierung geeigneter Black Belt Kandidaten. Dabei kommt es darauf an, den richtigen Mix aus „alt eingesessenen“ Führungskräften und „jungen motivierten“ Newcomern zu finden (vgl. Harry/Schroeder 2005, S. 197f.). Black Belts sollten mindestens zwei bis drei Jahre in
Armin Töpfer
213
ihrer Position verweilen, um maximale Verbesserungserfolge zu erzielen sowie nachhaltige kulturelle Veränderungen voranzutreiben. Für die Auswahl von Black Belts im Unternehmen sind vorab die Anforderungen an die Persönlichkeitskriterien klar zu definieren. Dabei ist zwischen den „harten“ Qualifikationen im Hinblick auf Fachkompetenz, Analytisches Denkvermögen, mathematisch-statistische Begabung, Hartnäckigkeit im Verfolgen eines Zieles sowie Durchsetzungsfähigkeit auf der einen Seite und „weichen“ Qualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit, Teamintegrationsfähigkeit als Mitglied sowie Teamführungsfähigkeit als Projektleiter auf der anderen Seite klar zu unterscheiden. Ein guter und damit in Zukunft erfolgreicher Black Belt sollte beide Qualifikationskategorien in ausreichendem Maße besitzen. Hierdurch wird bereits deutlich, wie schwierig und manchmal nur zum Teil erfolgreich die Suche und Auswahl dieses Typs Mitarbeiter bzw. Nachwuchsführungskraft ist. Der Auswahlprozess entspricht einem Management-Assessment-Verfahren. Auf der Basis eines klaren Kriterienkatalogs sowie einiger für Six Sigma Projekte spezifischer Anforderungen und Situationen ist dann von Champions, ggf. dem Quality Leader und Master Black Belts die Bewertung und Auswahl durchzuführen. Wie die Erfahrung zeigt, „rächen“ sich Kompromisse, die man im Hinblick auf das Persönlichkeitsprofil von Kandidaten macht, oftmals sehr schnell in der Weise, dass sie die an sie gestellten Anforderungen in Six Sigma Projekten nicht oder nicht ausreichend gut genug erfüllen. Dabei wiegen Defizite bei den weichen Kriterien häufig schwerer als bei den harten Kriterien. Zumindest im fachlichen und statistischen Bereich können Letztere leichter durch zusätzliche Qualifikationen geschlossen werden. Der Anforderungskatalog zeigt, dass erfolgreiche Black Belts zugleich ein geeignetes Persönlichkeitsprofil für eine Führungstätigkeit aufweisen. Green Belts sind Führungskräfte oder Mitarbeiter, die über ein geringeres Training und damit auch Fachwissen als Black Belts verfügen. Sie arbeiten in Teilzeit an den Six Sigma Projekten mit und werden bevorzugt aus den Reihen des mittleren Managements oder spezialisierter Mitarbeiter rekrutiert. Sie unterstützen die Black Belts besonders in prozess- oder produktspezifischen Fragen. Die weiteren Akteure einer Six Sigma Organisation sind Yellow Belts und White Belts, die als Mitglieder einer Projektgruppe mit Grundkenntnissen in Six Sigma Instrumenten und Verfahren ebenfalls Fach- und Unterstützungsaufgaben übernehmen. Hier gilt: Ihre Anzahl im Unternehmen kann eigentlich nie groß genug sein. Die differenzierte Rollenverteilung in Six Sigma Organisationen mit den unterschiedlichen Profilen ist in Abbildung 2 noch einmal als Übersicht dargestellt. Auf Details des Trainings wird im folgenden Abschnitt genauer eingegangen. Insgesamt wird aus dieser Analyse ersichtlich, dass eine Six Sigma Organisation immer zugleich eine mehrstufige Hierarchie beinhaltet. Auf diese Weise werden
214
Der Einführungsprozess von Six Sigma
auf der einen Seite die zentrale Planung der Struktur von Projekten und Verbesserungsaktivitäten sowie auf der anderen Seite die dezentrale Durchführung von konkreten Six Sigma Projekten organisatorisch umgesetzt. Im Vergleich zu einer „normalen“ Qualitätsmanagement-Organisation zeichnen sich deutliche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten ab.
Champion / ggf. Sponsor
Profil
Rolle
Training Anzahl
Quality Leader
Master Black Belt
• Führungskraft • Starker Unterstützer von Six Sigma • Prozesseigner
• Obere Führungsebene • Strategisch ausgerichtet • Gutes „Networking“
• Führungsebene • Vertiefte Kenntnis in Methoden und Werkzeugen • Projekterfahrung
• „Herr des Verfahrens“ im Verbesserungsprojekt • Erteilt dem Team den Auftrag • Steuert das Team (control) • Vertritt Ergebnisse im Quality Council
• Leiter der Six Sigma Initiative • Strategische Umsetzung • Disziplinarvorgesetzter der BBs/MBBs • Fachvorgesetzter
• Strategische Umsetzung wichtiger Projekte • Mentor und Coach der BB • Interner Berater und Trainer • Weiterentwicklung der Initiative und Know-how-Transfer • Vollzeit
• In der Regel relativ kurz
• Häufig ehemaliger BB oder MBB
• 4 Wochen (incl. DFSS) • Ständige Fortbildung (Konferenzen)
• 1 je Organisationseinheit • Möglichst jeder Prozesseigner
• Einer pro Unternehmen oder Business Unit
• 1 je 5 BB • Verweildauer mehrere Jahre
Green Belt
Yellow Belt
Profil
• Hohe Fachkompetenz • High Potential/ Führungsnachwuchs • Sicher in Methoden und Werkzeugen
• Fachlich versiert • Akzeptanz bei Kollegen • Bewandert in Methoden und Werkzeugen
• Fachleute/Experten • Erkennen Verbesserungspotentiale • Grundkenntnisse in Six Sigma Projektarbeit
Rolle
• Leitet Verbesserungsprojekte • Trainings und Präsentationen • Vollzeit (für mindestens 2 Jahre)
• Leitet kleine Verbesserungsprojekte • Unterstützt die Initiative • Unterstützt Black Belts • Teilzeit (ca. 25%)
• Mitarbeit in Verbesserungsprojekten • Nutzen einzelner Instrumente • Nach Bedarf freigestellt
• 3-4 Wochen • Eigenes Projekt • Coaching durch MBB
• Zwei Wochen • Eigenes Projekt • Coaching durch BB
• Zwei Tage
• Ca. 1-2% der Mitarbeiter • Zu Beginn zentral
• 1 je NL oder Abteilung • Ca. 2% - max. 5% der Mitarbeiter
• Soviel wie möglich (15%)
Black Belt
Training Anzahl
In Anlehnung an: Wessel, 2002
Abbildung 2: Rollenverteilung in einer Six Sigma Organisation
Armin Töpfer
4
215
Auswahl von geeigneten Six Sigma Projekten
Um ein direktes Andocken von Six Sigma an die Strategie und die Unternehmensziele zu erreichen, ist im Rahmen einer Outside-in Betrachtung zunächst zu klären, was für die Kunden(-gruppen) heute und in Zukunft besonders wichtig ist. Diese Critical to Quality Inhalte (CTQs) kennzeichnen die zukünftigen Erfolgsfaktoren und damit die wesentlichen Inhalte und Ziele der Unternehmensstrategie. In umgekehrter Richtung ist in einer Inside-out Betrachtung daran zu spiegeln, an welchen Geschäftsprozessen angesetzt wird und welche Werttreiber hierbei vor allem zu fokussieren sind. Dies beantwortet zugleich die Frage, welche Problemstellungen in welcher Reihenfolge für Six Sigma Projekte ausgewählt werden. Abbildung 3 skizziert diese zweiseitige Blickrichtung.
Inside-out
+
Outside-in
1 Lieferant
Wertschöpfungsphasen
3 Kunde
Werttreiber
Was sind unsere erfolgsentscheidenden Kernkompetenzen?
Interner Prozess
2
1
Schnittstelle zum Kunden
Wert für Kunden
CTQs als Erfolgsfaktoren Wie erfüllen wir zentrale Kundenanforderungen?
Abbildung 3: Zweiseitiger Fokus bei Six Sigma
Die Auswahl geeigneter Six Sigma Projekte erfolgt in zweierlei Hinsicht: Zum einen im Hinblick auf das Wie, also die zugrunde zu legenden Kriterien; zum anderen im Hinblick auf das Wo, also die Phase des Wertschöpfungsprozesses bzw. der Bereich im Unternehmen. Zunächst wird auf die wesentlichen Kriterien für die Auswahl eingegangen. Trotz der primären Outside-in Betrachtung dominiert bei der Auswahl geeigneter Projekte, welche Wirkungen an Kosteneinsparungen und/oder Umsatzsteigerungen erreichbar sind. Ihnen kommt damit die Funktion eines K.o.-Kriteriums zu. Wie Abbildung 4 zeigt, ist der externe und/oder interne Fokus die Grundlage zur Ein-
216
Der Einführungsprozess von Six Sigma
grenzung von Projekten, die für die Anwendung der Six Sigma Methode geeignet sind. Wesentlich bei den Auswahlkriterien ist jedoch der Wertbeitrag für das Unternehmen, der vor dem Nutzenbeitrag für den Kunden und dem Prozessbeitrag für die Mitglieder der Organisation steht.
Interner Fokus:
Priorisierung/ Kriterien/ Quellen
Externer Fokus: • Voice of the Customer
Interner/ Externer Fokus:
•
Voice of the Process
• Voice of the Market
•
•
Voice of the Employee
• Wettbewerbervergleich
Herausforderungen beim Erreichen der markt- und kundenbezogenen Ziele
Perspektiven • Shareholder: Wertbeitrag • Kunden: Nutzenbeitrag • Management/ Mitarbeiter: Prozessbeitrag Projekt Projekt
Abbildung 4: Beispiel für zweistufigen Projektauswahlprozess
Typischerweise werden folgende fünf Punkte zur strategischen Priorisierung von Six Sigma Projekten bewertet: 1) Erzielbare finanzielle Ergebnisse 2) Positive Wirkungen beim Kunden 3) Erreichbarer Prozessnutzen, und zwar intern im Sinne von Vereinfachung und Beschleunigung, die auch – zumindest indirekt – dem Kunden zugute kommen 4) Anforderungen an Mitarbeiter, insbesondere im Hinblick auf erhöhte Qualifikationen, und last, but not least 5) Change Management, also veränderte Anforderungen bezogen auf notwendige Qualifikationen, verändertes Verhalten, andere Abläufe und organisatorische Umgruppierungen. Da in der Regel die Bewertungen zu den einzelnen Punkten unterschiedlich ausfallen, kommt es darauf an, die Gesamtbewertung so zu interpretieren, dass die Durchführbarkeit des Projektes, die erzielbaren Wirkungen und Ergebnisse sowie
Armin Töpfer
217
damit auch die erreichbare Akzeptanz von Six Sigma und Motivation für weitere Projekte gesichert sind bzw. erhöht werden. Generell empfiehlt es sich auf der einen Seite nicht mit Projekten anzufangen, die so umfassend und schwierig sind, dass sie bisher noch niemand in Angriff genommen hat. Allein vom Zeitaufwand und der Ressourcenbindung sind sie als Einstiegsprojekte in Six Sigma nicht geeignet. Auf der anderen Seite sollten aber auch keine Projekte mit Six Sigma bearbeitet werden, deren Ergebnisse einem als „low hanging fruits“ mehr oder weniger in den Schoß fallen. Hier lohnt der methodische und statistische Aufwand dieser Projektmanagement-Methode nicht und bringt Six Sigma ebenfalls eher in Misskredit. Diese Vorgehensweise für die Auswahl von Projekten soll am Beispiel General Electric illustriert werden (vgl. Garthe 2002, S. 343ff.): Zunächst erfolgte hier die Auswahl von Prozessen mit dem schlechtesten Performance-Niveau, aber mit dem geringsten Ertragsniveau respektive größten Gewinnpotenzial. Durch Six Sigma Projekte sollten Verbesserungen der Prozess-Performance von 1 auf mindestens 3 Sigma, z.B. bei der Kühlschrankproduktion auf den Level von 3,2 Sigma und mehr, erreicht werden. Hieran schloss sich dann die Auswahl und Durchführung von Projekten an, mit denen Prozesse auf einem Sigma-Niveau von 4 auf 5 verbessert werden sollten. In der dritten Stufe erfolgte die Auswahl und Durchführung von Six Sigma Projekten, um Prozesse mit einem Sigma-Niveau von 6 oder mehr zu optimieren, z.B. bei der Herstellung von Flugzeugturbinen oder lebenserhaltenden medizinischen Instrumenten. Die Reihenfolge dreht sich nur um, wenn die letzte Gruppe ein deutlich geringeres Sigma-Niveau aufweisen sollte. Nun zum zweiten Aspekt für die Auswahlentscheidung, nämlich zur Phase des Wertschöpfungsprozesses bzw. dem Organisationsbereich. Die ersten Six Sigma Projekte, z.T. auch Trainingsprojekte, sollten zunächst in der Produktion ansetzen, da hier Qualität i.d.R. einfacher zu messen und zu steuern ist als in F&E oder Absatz/Vertrieb. Nach und nach werden dann alle Unternehmensbereiche in die Six Sigma Aktivitäten einbezogen, d.h. Design for Six Sigma (DFSS) in Forschung und Entwicklung, und DMAIC-Verbesserungsprozesse in Service und Dienstleistungen. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich ist, können für Six Sigma Projekte drei Umsetzungsbereiche entsprechend den Stufen der Wertschöpfungskette unterschieden werden. Die ersten Projekte werden immer im eigenen Unternehmen durchgeführt, wie vorstehend beschrieben wurde. Hieran schließen sich Six Sigma Projekte bei Lieferanten an. Dies ist in der Regel mit einer Schulung der Führungskräfte und Mitarbeiter in dem betreffenden Unternehmen verbunden. Die durch Six Sigma Projekte bei einem Lieferanten gestiegene Qualität kommt dem eigenen Unternehmen unmittelbar zugute. Aus diesem Grund ist mit dieser Qualifizierung in Richtung Null-Fehler-Qualität ein direkter Eigennutzen verbunden. Die Six Sigma Qualität beim Lieferanten erleichtert es, im eigenen Unternehmen ein Six Sigma Niveau zu erreichen. Deshalb werden – wie im Fall General Electric – Six Sigma Schulungen für Lieferanten zu einem minimalen Kostenbeitrag angeboten. Die
218
Der Einführungsprozess von Six Sigma
erreichten Kosteneinsparungen durch Six Sigma Projekte, die dann aufgeteilt werden, rechtfertigen dies. VA TECH ist beispielsweise ein derartiges Unternehmen, das als GE-Lieferant ein nachgewiesenes Six Sigma/ 6σ-Niveau erreichen musste. Der entsprechende Erfahrungsbericht ist im Kapitel B abgedruckt.
2. Umsetzungsbereich
1. Umsetzungsbereich
3. Umsetzungsbereich
Das eigene Unternehmen F&E
LieferantenUnternehmen
Beschaffung
Produktion
Absatz/ Vertrieb
Logistik Dokumentation
Kunden/ Unternehmen
Organisation Personal/Personalentwicklung
Prozesse beginnen und enden nicht im eigenen Unternehmen, sondern beim Lieferanten-Unternehmen/Kunden Abbildung 5: Drei Umsetzungsbereiche für Six Sigma Projekte
Unter einem anderen Blickwinkel hat dies zur Folge, dass die klassische Lieferantenbeurteilung in Zukunft nicht mehr ausreicht. Ein gefordertes Qualitätsniveau von beispielsweise 98,5 oder 99 % ist bei einer Six Sigma Strategie des Abnehmers – wie an früherer Stelle gezeigt wurde – deutlich zu niedrig. Wenn aufgrund des Technologievorsprungs eines Lieferanten ein Wechsel nicht in Frage kommt, bleibt dem Kunden-Unternehmen nur der Ausweg einer gezielten Six Sigma Qualifizierung des Lieferanten. Für die Lieferanten speziell der Automobilindustrie verschärfen sich die Anforderungen in der Weise, dass der OEM als Abnehmer einen erheblichen Teil des Preis- und Wettbewerbsdrucks auf den Absatzmärkten als Kostendruck auf seine Lieferanten der Beschaffungsmärkte weitergibt. Durch die vom Hersteller geforderten regelmäßigen Preisnachlässe von den Lieferanten verstärkt sich der Handlungsdruck auf dieser Wertschöpfungsebene. So hat beispielsweise DaimlerChrysler von dem Scheinwerferspezialisten Hella als Lieferanten für die nächsten drei Jahre je 6 % Preisnachlass – trotz bestehender langfristiger Verträge – gefordert. Sollten die Rabattforderungen so realisiert werden, dann würde dies Hella – nach internen Berechnungen – ca. € 45 Mio. an Gewinn kosten, fast ein Drittel des Jahresergebnisses 2003. In der Konsequenz wird dieser Systemlieferant versuchen, diesen geforderten Preisnachlass an seine eigenen Lieferanten „weiter zu
Armin Töpfer
219
verteilen“ (vgl. Brors/Freitag 2004, S. 12). Die Notwendigkeit von Six Sigma Projekten wird dadurch offenkundig. Sind sie erfolgreich und bringen erhebliche Kosteneinsparungen, dann sichert dies zugleich Arbeitsplätze am Standort Deutschland. Andernfalls werden viele dieser nicht mehr zu finanzierenden Arbeitsplätze in die neuen osteuropäischen Staaten der Europäischen Union verlagert, und zwar nicht nur vom OEM-Unternehmen, sondern vor allem auch von den Lieferanten. Dramatisch würde sich die Situation dann verschärfen, wenn die Unternehmen in den osteuropäischen Ländern früher und intensiver als in deutschen (Zuliefer-) Unternehmen eine Six Sigma Kompetenz aufbauen und entsprechende Projekte durchführen. Erste Anzeichen hierfür sind bereits deutlich auszumachen, wie aus eigener Erfahrung die Aktivitäten der M+M Six Sigma Akademie belegen. Das Prinzip des Train the Trainer Konzeptes wird bereits in Anfängen umgesetzt. Wie leicht nachvollziehbar, wird sich die Ausfächerung bei einem Roll-Out erheblich steigern lassen. Im dritten Umsetzungsbereich der Abbildung 5 werden Six Sigma Projekte bei (industriellen) Kunden durchgeführt. Ein unmittelbarer Nutzen und Vorteil für das eigene Unternehmen als Lieferant ist dabei nicht gegeben. Indirekt besteht er aber sehr wohl, und zwar in der Weise dass diese Kundenqualifizierung eine nicht zu unterschätzende Maßnahme zur Kundenbindung ist. Zum einen geschieht dies dadurch, dass der Kunde durch das Methoden- und Projekt-Know-how des eigenen Unternehmens beeindruckt werden kann. Zum anderen erhalten die Experten bzw. Six Sigma Trainer des eigenen Unternehmens einen so tiefgehenden Einblick in die Prozesse des Kunden-Unternehmens, dass eine bessere Ausrichtung der eigenen Marktleistungen auf die Kundenanforderungen die direkte Konsequenz ist. Unter diesen Blickwinkeln kommt der Six Sigma Kompetenz des eigenen Unternehmens eine strategische Bedeutung am Markt zu. Speziell General Electric (GE) hat auf der Basis seiner langjährigen und intensiven Six Sigma Vergangenheit eine Initiative entwickelt, um eigenen Kunden mit kostengünstigen, inhaltlich anspruchsvollen und im Ergebnis wirkungsvollen Six Sigma Schulungen eine spezielle Dienstleistung und Unterstützung anzubieten. Für die Kunden-Unternehmen ist dies – insbesondere in der Anfangsphase einer Six Sigma Initiative – eine Garantie, dass nicht nur Statistik und Prozesswissen vermittelt werden, sondern insgesamt eine in sich stimmige und im eigenen Unternehmen umsetzbare neue Unternehmenskultur. 40 % der GE-Kunden wollen diese Qualitäts- und Produktivitätssteigerungs-Initiativen für das eigene Unternehmen in Anspruch nehmen (vgl. Brady 2003, S. 61). Für GE ist dies zugleich eine Chance, viel mehr über die Probleme und Prozesse in den Kunden-Unternehmen zu erfahren und so die eigenen Marktleistungen spezifisch darauf ausrichten zu können. Für die Kunden-Unternehmen würde dies in jedem Fall einen nicht in jeder Hinsicht kontrollierbaren Wissensabfluss bedeuten. Vielleicht ist dies, neben dem zweifellos gültigen Sachverhalt, dass viele
220
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Kunden-Unternehmen von ihrer Struktur, ihren Prozessen, ihrem Management und ihren Instrumenten noch nicht „Six Sigma reif“ sind, ein Grund dafür, dass 60 % der GE-Kunden dieses Angebot (noch) nicht annehmen.
5
Qualifizierung von Six Sigma Akteuren
Die grundsätzliche Philosophie der Qualifizierung für Six Sigma Projekte geht dahin, dass möglichst viele Mitarbeiter im Unternehmen mit dem Gedankengut dieser Projektmanagement-Methode für Null-Fehler-Qualität vertraut gemacht werden. Entsprechend ihrer Aufgabe und Rolle sowie ihrem Lern- und Erfahrungsfortschritt sind die Qualifizierungsmaßnahmen im Hinblick auf Inhalt und Zeitdauer abgestuft vorzunehmen. Ein zentraler Grundsatz besteht darin, möglichst immer praxisorientiertes Lernen am konkreten Projekt und damit am konkreten Problem zu ermöglichen. Dies sichert einen direkten Transfer der gelernten Methoden und Instrumente in die eigene Unternehmenswelt und fördert insbesondere das Verständnis bezogen auf das vielen Mitarbeitern anfangs wenig vertraute statistische Instrumentarium. Die Zielsetzung, wirkungsvolle und praxisnahe Trainings im Rahmen eines Six Sigma Qualifizierungskonzepts auf breiter Basis durchzuführen, geht dahin, das gesamte Unternehmen möglichst schnell mit Six Sigma Denken und Handeln auf allen Ebenen und in allen Bereichen zu durchsetzen. Im Unternehmen sind dazu vorab folgende Fragen zu klären: •
Welche Qualifizierungsgrade benötigen wir? Dies bezieht sich auf alle Mitarbeiter als Projektbeteiligte, Führungskräfte als Green Belts, Projektumsetzer als Black Belts, Projektcoachs als Master Black Belts sowie Auftraggeber als Champions.
•
In welchen Abteilungen setzen wir wann mit welchen (Trainings-)Projekten an?
•
Wie viel qualifizierte Six Sigma Akteure, insbesondere Green und Black Belts, benötigen wir?
Abbildung 6 zeigt in einer Gesamtschau Beispiele für typische Six Sigma Trainingsinhalte, wie sie von den verschiedenen Akteuren in unterschiedlichem Maße erlernt werden (vgl. Magnussen et al. 2004; Walmsley 1997). Dabei ist leicht nachvollziehbar, dass die Eingangsqualifikation bei der Einführung von Six Sigma in einem Unternehmen deutlich niedriger liegt als in einem späteren Stadium, wenn bereits zahlreiche Six Sigma Projekte durchgeführt wurden, mehrere Wellen an ergänzender und vertiefender Qualifizierung stattgefunden haben und vor allem die Kultur des gesamten Unternehmens durch Six Sigma Wissen geprägt ist.
Armin Töpfer
Inhalt
Manager/ White Champion Belt
Yellow Belt
221
Green Black Master Belt Belt Black Belt
Qualität
x
x
x
x
x
x
Fehlerkosten
x
x
x
x
x
x
Statistische Grundlagen: Normalverteilung, z-Transformation, Fehler pro eine Million Fehlermöglichkeiten (DPMO)
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Hypothesentests, Varianzanalyse
x
x
x
Regressions- und Korrelationsanalyse
x
x
x
Six Sigma Statistik, Sigma, lang- und kurzfristig, Yield Benchmarking Hypothesen
Qualitätsmessung, Progression
x
x
x
x
x
x
Streuung
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Prozessmanagement Design of Experiments (DOE), Quality Function Deployment (QFD)
x
Vollfaktorielle Versuchspläne
x
x
Teilfaktorielle Versuchspläne Fallstudie: Voll- und teilfaktorielle Versuchspläne
x
x
x
Multivariate Analyse, Varianzanalyse, Nicht-Lineare Regression, Taguchi-Methode Fallstudie: Nicht-Lineare Regression
x
x
x
x
x
Fallstudie: Untersuchung, Optimierung, Verifizierung von Variablen
x
x
x
x
x
Statistische Prozesslenkung (SPC)
x
x
x
x
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA)
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Prozessfähigkeit x
Screening experiments, Auswertung, Analyse Was hat ein Black Belt zu tun? Was kann man von einem Black Belt erwarten?
x
Six Sigma global
x
Nicht-Herstellungsprozesse, Regressionsanalyse Statistische Toleranz, Chi2 - Test Weiterführende faktorielle Versuche: Block Design, Reponse Surface Design
isp Be
e iel
x
Einführung in die Six Sigma Anwendung
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Rhetorik Teamfähigkeit
x
Kommunikationsfähigkeit
x
Konfliktlösungsfähigkeit
x
Führungsfähigkeit
x
Design for Six Sigma
x x
Taguchi Methode Robust Design
x
Design for Manufacturing
x
Design- und Prozessfähigkeit
Dauer in Tagen
x 2
0,5
2
ca. 10
ca. 20
Mindestens 20
Quelle: Magnusson et al. S. 41;Walmsley S. 3-4
Abbildung 6: Beispiele für Six Sigma Trainingselemente
Unterscheiden lässt sich dabei grundsätzlich das Training von Hard Skills auf der Basis von Qualitätsmanagement-Instrumenten und Statistik-Tools auf der einen Seite sowie von Soft Skills für individuelles Verhalten sowie Team- und Konfliktlösungsfähigkeit auf der anderen Seite. Wie in Abbildung 6 ersichtlich, steigt entsprechend der Rolle und Aufgabenstellung die Qualifizierungsdauer und -tiefe. Im Vergleich zum Kurztraining von
222
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Führungskräften/Champions sowie White und Yellow Belts ist die Schulung der Green, Black und Master Black Belts deutlich intensiver. Die typische Black Belt Schulung zum Six Sigma Experten dauert i.d.R. vier Wochen und verteilt sich üblicherweise auf vier Monate. Das Training findet immer an einem konkreten Problem als Six Sigma Schulungsprojekt für jeden Teilnehmer statt. Dies bedeutet, dass jeweils eine Schulungs- und drei Projektwochen in jedem Monat durchlaufen werden. Die Basis und das Gedankengerüst bildet dabei der DMAIC-Zyklus. Das konkrete Problem wird also sowohl in der Schulung als auch in der Projektarbeit in die Phasen Design, Measure, Analyse, Improve und Control zerlegt sowie Stück für Stück der Lösung näher geführt. Neben der Schulung von Qualitätsmanagement- und Statistik-Tools durchläuft jeder Black Belt vor der Zertifizierung ein mindestens dreitägiges Teamführungstraining, das – wie oben angesprochen – vor allem auch seinen persönlichen Präsentations- und Kommunikationsfähigkeiten im Normal- sowie im Konfliktfall dient. Abbildung 7 zeigt ein solches typisches Konzept beispielhaft. Neben der Erklärung der Six Sigma Methodik mit ihren Instrumenten und Werkzeugen geht es also um die Darstellung des Projektvorgehens auf der Basis von DMAIC. Gegebenenfalls wird für Entwickler bzw. Entwicklungsprojekte auch Design for Six Sigma in Verbindung mit dem DMADV-Zyklus trainiert. Auch hier erfolgt das Training anhand von konkreten Projektbeispielen und Problemstellungen des eigenen Unternehmens. Diese Auflistung macht deutlich, dass ein Unternehmen in der Einführungsphase von Six Sigma die umfassende Aufgabenstellung und insbesondere die umfangreichen Trainings nicht ohne externe Unterstützung durchführen und bewältigen kann. Hierfür ist deshalb ein ausgewiesener Partner zu suchen, der entweder als Trainings-/Beratungsgesellschaft oder als Kunde des eigenen Unternehmens über eine hohe Six Sigma Kompetenz verfügt. Letzterer möchte i.d.R. auf diese Weise „seinen“ Lieferanten qualifizieren und unterstützen. Die Kosten für die Six Sigma Qualifizierung im Rahmen des Einführungsprozesses sind nicht zu unterschätzen. Durch die anschließend erzielbaren Wirkungen, die sich im übrigen bereits bei den Schulungsprojekten in einem, wenn auch manchmal bescheidenen erwirtschafteten Net Benefit niederschlagen, rechnet sich jedoch diese Investition in die Qualifizierung der Mitarbeiter und die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens. Aus moderner betriebswirtschaftlicher Sicht wird dieses umfassende und ganzheitliche Qualitätsmanagement in seiner KostenNutzen-Relation also nach den Kosten der Übereinstimmung bezogen auf die angestrebte Wertsteigerung beurteilt. Eine Black Belt Ausbildung kostet insgesamt ohne Nebenkosten beispielsweise € 15-25.000 pro Training. Die Kosten für einen Six Sigma Consultant sind ebenfalls beträchtlich und belaufen sich je nach Qualifikation und Erfahrung auf € 2.500 – 7.500 pro Tag. Die Teilnahmegebühr für Fachkonferenzen zu Six Sigma betragen in Europa beispielsweise € 1.000 – 1.500 pro Person und Tag. Die Kosten für ein
Armin Töpfer
223
Management-Training erstrecken sich von € 1.000 – 1.500 pro Person und Tag. GE hat beispielsweise im Jahr 2000 im Gesamtkonzern ca. $ 600 Mio. an Kosten insgesamt für Six Sigma Projekte aufgewendet, dafür aber Einsparungen von $ 3,5 Mrd. erzielt und somit einen Net Benefit von $ 2,9 Mrd. erwirtschaftet. Woche 1
Woche 2
• Six Sigma Einführung • Projekt-Vorstellung • Variation verstehen • Projektstrategie entwickeln • Process Mapping • Ursachen-Wirkungs-Beziehungen • Grafische Methoden • Statistische Methoden • FMEA (verschiedene Methoden) • Messmittelfähigkeit • Prozessfähigkeit • Statistische Prozesskontrolle
• Six Sigma Scorecard • Attributive Messmittel • “Projekt Fortschritt”-Feedback • Hypothesenprüfung • Statistische Testmethoden • Multivariate Analysen • Quality Function Deployment • 5S-Methode • Mistake Proofing • Finanzielle Integration • Mustergröße
Woche 3 • Vertrauensbereiche
Woche 4 • Auto- und Kreuzkorrelation
• Korrelation & Regression • Einführung DOE • Teilfaktorielle Versuche • 2k Faktorielle Versuche • Robuste Designs und Blockbildung • Mittelpunkte • Vollfaktorielle Versuche • Strategien bei der Versuchsplanung • Kontrollpläne • “Projekt Fortschritt”-Feedback
• • • • • • • • • • • • •
Multiple Regression EVOP Analyse mit Ko-Variablen Lean Werkzeuge Die Taguchi Methode “Projekt Fortschritt”-Feedback Solver Six Sigma Toleranzen Monte Carlo Simulation Zusammenfassende DMAIC-Übung Teamführung Konfliktlösung Kommunikation/ Präsentationstechnik
Abbildung 7: Trainingsinhalte für ein 4-wöchiges Black Belt Training auf der Basis des DMAIC-Zyklus
Abschließend soll das Beispiel für die Six Sigma Einführung in einem mittelständischen Industrieunternehmen mit ca. 2.000 Beschäftigen angeführt werden. Das Unternehmen verfügte nach 3 bis 5 Jahren nach der Einführung von Six Sigma über insgesamt •
400-600 Green Belts mit ca. 2.800 Trainingstagen,
224
Der Einführungsprozess von Six Sigma
•
60-70 Black Belts mit ca. 1.200 Trainingstagen sowie
•
6 Master Black Belts mit ca. 300 Trainingstagen.
Außerdem haben alle Mitarbeiter eine Einführung in Six Sigma und die Teamarbeit erhalten, die sich auf insgesamt ca. 2.600 Trainingstage belief. Es versteht sich von allein, dass sich diese hohe Investition nur rechnet, wenn deutliche, messbare Verbesserungen erzielt werden. Wie ausgeführt wurde, bedeutet eine Six Sigma Qualifizierung eine konsequente Form von Führungskräftenachwuchstraining. Die Berufs- und Karrierechancen von Black Belts steigen dadurch auch in anderen Unternehmen z.T. erheblich. Dies führt dazu, dass ein erheblicher Fluktuationsgrad bei Black Belts besteht, zumal die Position häufig durch die Ausrichtung am erwirtschafteten Net Benefit gut dotiert ist. Für Unternehmen in der Einführungsphase rechnet es sich deshalb, Black Belts anderer Unternehmen abzuwerben, um damit Kompetenz und Erfahrung zu einem kalkulierbaren Preis zu erhalten und so kurzfristig mit der konkreten Umsetzung von Verbesserungsprojekten beginnen zu können. Dies alles spricht dafür, erfolgreiche Six Sigma Akteure durch Maßnahmen der Mitarbeiterbindung im eigenen Unternehmen zu halten. Dies beinhaltet z.B. Prämienregelungen und Karrierepläne. Im Ergebnis werden so, wie bereits angesprochen, Führungspositionen mit in dieser Weise qualifizierten Mitarbeitern besetzt.
6
Projektsteuerung und Aufbau eines Wissensmanagements
Der erste Schritt für die Steuerung eines Six Sigma Projektes ist eine klare und eindeutige Definition der Projekt Charter bzw. Team Charter. Sie umfasst neben den üblichen Kennzeichnungen und Daten eines Projektes insbesondere folgende Details, wie sie in Abbildung 8 wiedergegeben sind. Projektbezeichnung und inhaltlicher Ansatzpunkt An erster Stelle wird jeweils der Prozess bzw. Wertschöpfungsabschnitt beschrieben, auf den sich das Projekt konzentrieren soll. Hierzu gehört auch eine Kennzeichnung, wie wichtig dieser Wertschöpfungsteil im Rahmen der Geschäftsprozesse des Unternehmens und bezogen auf seine Marktstellung ist. Aufgabenbeschreibung und Projektumfang Auf dieser Basis wird detailliert und aussagefähig beschrieben, welche Problemstellung Anlass für das Projekt ist. Wesentlich hierbei ist, nicht nur zu präzisieren, was im Rahmen dieses Projektes behandelt und gelöst werden soll, sondern – entsprechend der Kepner/Tregoe-Philosophie (1967, S. 211ff.) – vor allem auch,
Armin Töpfer
225
was nicht im Rahmen des Projektes angegangen und gelöst werden soll. Diese zweiseitige Darstellung hilft zum einen, überzogene und damit falsche Erwartungen zu vermeiden. Zum anderen verhindert sie, dass ein Projekt in seiner Laufzeit kontinuierlich „anschwillt“, da weitere damit verwandte Probleme einfach hinzuaddiert werden. Betroffenes Produkt/ Dienstleistung: Black Belt: Champion/Sponsor:
Angestrebte Projekteinsparungen Telefon/Fax: Geschäftsabteilung:
Beginn:
Voraus. Projektabschluss:
Element
Beschreibung
1. Prozess
Um welche Geschäftsprozesse handelt es sich?
2. Projektbeschreibung
Was sind Zweck und Inhalte des Projektes?
3. Ziele
Welche Ziele werden mit dem Projekt verfolgt?
4. Einsparungen in € 5. Teammitglieder 6. Projektumfang 7. Nutzen für Kunden 8. Zeitplan
9. Unterstützung 10. Potenzielle Hindernisse
Projektziele
Einheiten Ausbeute Ausschuss Kapazität
Ausgangssituation
Zielsetzung % PPM
Wie hoch sind die antizipierten Einsparungen? Wie setzt sich das Team zusammen? Welcher Teil des Prozesses wird untersucht? Was sind die Endkunden, was sind ihre Bedürfnisse und welchen Nutzen werden sie sehen? Schlüssel-Meilensteine angeben: Projekt-Beginn: M-Messphase abgeschlossen: A-Analysephase abgeschlossen: V-Verbesserungsphase abgeschlossen: K-Kontrollphase abgeschlossen: Projektabschluss: Wird das Team spezielle Fähigkeiten, Hardware, Proben etc. benötigen? Welche Umsetzungsbarrieren/Stolpersteine sind möglich?
Abbildung 8: Beispiel für eine Projekt Charter/Team Charter
Mit der Problemlösung zu erreichende Ziele Basierend auf den Kundenanforderungen und den abgeleiteten CTQs, einem Benchmarking mit maßgeblichen Wettbewerbern und den Vorgaben der Unternehmensstrategie werden jetzt die konkreten operativen Ziele, aber auch die strategische Relevanz ausformuliert. Hierbei wird deutlich, dass die Qualität der Aufgabenbeschreibung und die Klarheit des definierten Projektumfangs eine wesentliche Grundlage für diese Zielformulierungen sind. Wichtig ist dabei, dass Allgemeinplätze vermieden werden und auch qualitative Zielgrößen über Indikatoren quantifiziert und damit zumindest mittelbar messbar gemacht werden. Mitwirkende und erforderliche Ressourcen Wesentlich ist im Folgenden, dass die unterschiedlichen Ressourcen für die Projektdurchführung und Erarbeitung der Problemlösung abgeschätzt werden. Hierzu gehört zum einen, welche und wie viele Mitwirkende mit welcher Rollenverteilung und Ergebnisbeiträgen erforderlich sind. Zum anderen sind auch Sachressourcen und finanzielle Mittel für das Projekt zu präzisieren. Zusätzlich ist in diesem Teil der Projekt Charter wichtig, auch über Support-Leistungen anderer
226
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Organisationseinheiten respektive Experten nachzudenken, sie abzuschätzen und vor allem das Einverständnis der Betroffen frühzeitig einzuholen. Zeitdauer und Meilensteine Eng damit in Zusammenhang steht die Zeitabschätzung und die Angabe wichtiger Etappenziele als Meilensteine. Klar festzulegen ist der offizielle Start- und Endtermin. Dabei ist vor Beginn des Projektes die in amerikanischen Unternehmen üblicherweise gültige Projektdauer von 90 Tagen kritisch zu hinterfragen. Der Grund liegt darin, dass Six Sigma Projekte oft auch den Personalbereich berühren und deshalb in deutschen Unternehmen mit einer höheren Sensibilität hinsichtlich Informationsbehandlung und -weitergabe sowie ggf. Einbeziehung des Betriebsrats vorgegangen werden muss. Das Ziel ist nicht, die Projektdauer unnötig aufzublähen, wohl aber erforderliche Abstimmungsprozesse zeitlich abzuschätzen, um so den definierten Zeitrahmen präziser einhalten zu können. Meilensteine lassen sich an bereits absehbaren inhaltlichen Teilergebnissen festmachen, oder aber an den einzelnen Phasen des DMAIC- bzw. DMADV-Prozesses. Zu erwartende Umsetzungsprobleme Dieser Analyse kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie den prognostizierten inhaltlichen Idealverlauf des Projektes von vornherein hinterfragt und mögliche respektive wahrscheinliche Barrieren bei der Projektdurchführung sowie Umsetzungsprobleme bei der Realisierung der angestrebten Ziele und finanziellen Wirkungen analysiert. Durch diese „Kopfstandtechnik“ ist es möglich, erkannten Schwierigkeiten frühzeitig durch geeignete Maßnahmen entgegen zu wirken. Dem Zeitplan und den gebundenen Ressourcen kommt dies immer entgegen. Zu realisierende Netto-Einsparungen Als finanzielles Ergebnis eines Six Sigma Projektes wird jeweils der zu erreichende Net Benefit innerhalb von 12 Monaten direkt quantifiziert. Diese Berechnung berücksichtigt neben Kosteneinsparungen und den Wirkungen von Umsatz- sowie Gewinnsteigerungen die erforderlichen Ressourcen – dies sind auch die Personalkosten einbezogener Mitarbeiter – und Investitionen für eine erfolgreiche Projektdurchführung. Wird das Erreichen der Ziele eines Six Sigma Projektes durch finanzielle Anreize im Unternehmen gefördert, z.B. durch die Einführung eines Quality-Bonus für Führungskräfte, der sich an den Zielkriterien, wie Kosteneinsparungen, Umsatz- und Renditesteigerung, orientiert, dann sind dies wiederum Kostengrößen, die in das Projektergebnis einzubeziehen sind. Die Zielgröße ist der sich hieraus insgesamt ergebende Saldo. Hierdurch wird zugleich eine klare Aussage über erzielbare Wirkungen eingefordert, die erst ein wirkungsvolles Projektcontrolling mit Messgrößen möglich macht.
Armin Töpfer
227
Projektcontrolling Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass hiermit eine gute Grundlage für die Projektsteuerung geschaffen wurde. Jetzt kommt es noch darauf an, aus der Projekt Charter wesentliche Steuerungskriterien und Inhaltsniveaus abzuleiten, diese mit Messgrößen zu „unterfüttern“ und durch ein festgeschriebenes periodisches Reporting zu überprüfen. Um das Controlling zu vereinfachen, kann diese Steuerung mit einer Ampel-Analyse unterlegt werden. Wird sie zugleich ITgestützt durchgeführt, dann sind diese Statusanalysen für alle Projektbeteiligten mit der entsprechenden Zugriffsberechtigung unmittelbar nachvollziehbar. Das Projektcontrolling wird hierdurch effizienter und wirkungsvoller. Abbildung 9 zeigt ein Steuerungschart mit einem einfachen Beispiel, in dem vor allem auch die Abweichungen offengelegt werden.
Projekt Name: Projekt Verantwortlicher: Projekt Beschreibung: Projektziele: Maßnahmen
Green Belt Schulung
Black Belt-Auswahl
Kosteneinsparungen im Produktionsprozess
Erweitertes Qualifizierte Gründe/ Ergebnis/ZielZielwirkung Bemerkung erreichung
Umsetzungsstand
Bewertung
Länge/ im Plan
grün
E: 64 Z: 80
grün
20% Verzögerung
gelb
E: 15 Z: 20
grün
1 Monat Rückstand
gelb
E: 0,6 Mio. t Z: 1,4 Mio. t
rot
Legende:
IT-gestützte Steuerung und Breakthrough-Mentalität
(grün) im Plan (gelb) erfordert zusätzliche Anstrengungen (rot)
Ergebnis gefährdet
E = Erreichtes Ergebnis in Periode Z = Zielgröße für Periode
Abbildung 9: Beispielblatt für IT-gestützte Six Sigma Projektsteuerung mit Ampel-Analyse
Eine generelle Frage in jedem Controlling-Prozess ist die nach der Datenqualität. Sie bezieht sich neben der Richtigkeit der Daten, also ob die Daten die Realität so abbilden, wie sie ist, auf die Vollständigkeit und Aktualität der Daten. Die Daten müssen also die Realität so vollständig wiedergeben, wie die gestellte Aufgabe bzw. das konkrete Six Sigma Projekt und die formulierten Ziele in der Projekt Charter es erfordern. Eine ausreichende Aktualität der Daten ist dann gegeben, wenn Veränderungen der Realität möglichst schnell und umfassend in ihnen gespiegelt wird. Zusätzlich müssen die Daten in sich konsistent sein und – auch in abgeleiteten und verdichteten Daten – keine Widersprüche aufweisen. Ferner
228
Der Einführungsprozess von Six Sigma
müssen sie – im Sinne der Aufgabenadäquanz – in ihrem Inhalt und ihrer Darstellung den Anforderungen an die damit zu bewältigenden betrieblichen Aufgaben im Rahmen des Six Sigma Projektes entsprechen (vgl. Heinrich 1996). Es liegt auf der Hand, dass gerade bei Six Sigma Projekten, die oftmals in der konkreten Situation zum ersten Mal in dieser Weise durchgeführt werden, der Datenqualität eine herausragende Bedeutung zukommt. Dies um so mehr, da auf dieser Grundlage nicht nur der erwirtschaftete Net Benefit des Projektes ermittelt wird, sondern zusätzlich häufig auch finanzielle Anreize an die maßgeblichen Projekt-Akteure bezahlt werden. Das der geforderten Datenqualität vorgelagerte Problem ist dabei nicht selten die Datenverfügbarkeit. Um das Niveau der Datenqualität abzusichern, kommt es darauf an, zum einen die Häufigkeit und Art der Messung zu definieren und zum anderen vor allem auch die personenbezogene Verantwortung festzulegen. Dies hat spätestens in der Measure-Phase eines Six Sigma Projektes zu erfolgen, weil hierdurch der „Härtegrad“ der gesamten verwendeten Daten und damit die Qualität und Transparenz bestimmt werden. Damit soll zugleich vermieden werden, dass im Controlling eines Six Sigma Projektes mehr der Wunsch statt die Wirklichkeit gemessen und kommuniziert wird. Fehler in den Daten müssen dabei nicht bewusst oder fahrlässig entstehen, sondern sie können das Ergebnis einer fehlerhaften Erhebung sowohl der nicht-monetären als auch der monetären Daten sein, oder aber Fehler kommen bei der Aufbereitung des Materials oder der Interpretation durch den Black Belt bzw. der Auslegung durch den Champion zustande. In allen Fällen ist das Ergebnis fatal, da hieraus die falschen Bewertungen und Schlussfolgerungen gezogen werden. Abbildung 10 gibt diese Wirkungsketten wieder. Das ist also, sich ausschließlich in der ersten Spalte der Abbildung zu bewegen und Daten transparent zu dokumentieren, auch wenn sie im Ergebnis nachteilig bezogen auf das angestrebte Projektziel sind. Fehlerhafte Analysen und Fehlinterpretationen – wie in der zweiten Spalte der Abbildung dargestellt – lassen sich insbesondere im Rahmen der statistischen Analysen durch unerfahrene Six Sigma Akteure nicht vollständig vermeiden. Hier kommt dem betreuenden Master Black Belt oder auch Black Belt eine wichtige Funktion zu. Zusätzlich ist dies ein wichtiger Bereich in der Six Sigma Schulung, um derartige ungewollte Datenprobleme zu vermeiden. Es steht außer Frage, dass alle Formen der Täuschung und des Datenmissbrauchs nicht akzeptabel sind. Die Frage ist in jedem Unternehmen und im konkreten Einzelfall, wie hierauf reagiert wird, wenn derartige „geschönte“ Daten entdeckt werden. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von fehlerhaften Daten – gewollt oder ungewollt – ist nicht von der Hand zu weisen. Im ungewollten Fall hilft nur eine bessere Qualifizierung. Im gewollten Fall des Missbrauchs bis zur vorsätzlichen Fälschung und Lüge wird man dies – auch bei den graduellen Unterschieden – nicht mit dem Satz von Churchill abtun können „Ich traue nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe“. In diesem Falle liegt kein Kavaliersdelikt mehr vor.
Armin Töpfer
Erhebung (Urmaterial)
Daten richtig
Daten fehlerhaft
Aufbereitung des Materials
Richtig
Fahrlässig fehlerhaft
Vorsätzlich gefälscht
Interpretation durch Black Belt
Richtig
Irrig
Bewusst irreführend
Auslegung durch Champion
Richtig
Statistische Arbeit falsch
Statistik missbraucht
Konsequenz
Transparenz erreicht
Ergebnis
Information richtig
Basis: W. Masing 2003
229
Daten gefälscht
Irrig
Lüge
Information falsch
Abbildung 10: Fehlerquellen und Täuschungsmöglichkeiten bei der statistischen Arbeit
Auf der Basis der Principal-Agent-Theorie entspricht diese Situation der Wissensasymmetrie zwischen dem Principal (Champion/Geschäftsleitung), der das Projekt in Auftrag gibt und an den berichtet wird, sowie dem Agent (Black Belt/ Projektmitarbeiter), der das konkrete Projekt und die Datenaufnahme/-analyse durchführt. Das Ziel sollte in jedem Fall sein, eine Misstrauenskultur zu vermeiden. Dennoch sind allerdings Anreize zu schaffen, dass die Daten- und Informationsqualität zutreffend erhoben und reportet wird. Eine allgemeine positive Fehlerkultur im Unternehmen reicht allein nicht aus, denn sie ist die Grundlage, dass Six Sigma Initiativen überhaupt in Gang gesetzt werden. Hier geht es jetzt aber um die Bewertung der erreichten oder nicht erreichten Ergebnisse von Six Sigma Projekten. Kontrollmechanismen mit Plausibilitätsanalysen der Daten und Ergebnisse auf der Ebene des Champions bzw. der Geschäftsleitung als Principal werden unerlässlich sein. Dies sollte auch in entsprechender Weise im Vorfeld im Unternehmen kommuniziert werden. Erfahrungsgemäß kommt es gerade darauf an, bereits in den ersten Projekten eine fehlerfreie Datenerhebung, -aufbereitung und -analyse durchzuführen, die dann als internes Benchmark sowohl in der Schulung als auch in der Projektdurchführung dient. Wissensmanagement Eine wichtige Frage bei der Durchführung von mehreren Six Sigma Projekten parallel und über die Zeit ist, wie die gemachten Projekterfahrungen für zukünftige Vorhaben dokumentiert und damit genutzt werden können. Der Aufbau einer
230
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Wissens- bzw. Projekt-Datenbank mit unterschiedlichen Zugriffsrechten ist also eine mehr oder weniger logische Konsequenz jeder Six Sigma Initiative. Dokumentiert werden hierin nicht nur Informationen über einsetzbare Six Sigma Methoden und Erfahrungen als Lessons Learned aus Projekten, sondern insbesondere auch die erarbeiteten Projektlösungen und erkannten Widerstände bzw. Barrieren. Wichtig ist dabei eine einfache und leicht nachvollziehbare Strukturierung, z.B. nach Problembereichen (Gab es ein vergleichbares Problem?), der Bereitstellung von Lösungsansätzen (Sind gute Lösungen entwickelt worden?), der Dokumentation von Ergebnissen (Welche Ergebnisse sind erreicht worden?) und dem Festhalten von Problemen bei der Projektumsetzung (Welche Probleme sind aufgetreten?). In internationalen Unternehmen lassen sich so über eine Web-basiertes Wissensmanagement spezielle Communities of Practice schaffen, auf die vor allem die Green und Black Belts bei ihrer Projektarbeit zurückgreifen können. Die Idealvorstellung ist bestechend, dass nämlich auf diese Weise tacit knowledge zu explicit knowledge wird (vgl. North 2005, S. 43f.). Die Realität sieht in vielen Unternehmen jedoch anders aus. Maßgeblich sind hierfür mehrere Gründe: Zum einen kann ein verdeckter Widerstand der Black Belts bestehen, ihr Wissen in eine derartige Datenbank einzupflegen und damit allen anderen zugänglich zu machen. Karrierechancen und interne Wettbewerbsvorteile können hierdurch beeinträchtigt werden. Zum anderen kann – auch wenn der erste Grund aufgrund der Unternehmenskultur und griffiger Anreize nicht gegeben ist – die Trägheit des Systems und der in ihr handelnden Personen dazu führen, dass die gewünschten Erfahrungswerte nicht in die Wissensdatenbank eingespeist werden. Diese kurzen Ausführungen lassen erkennen, dass gerade auch hierfür klare und wirkungsvolle Anreizkonzepte notwendig sind.
7
Analyse der direkten und indirekten Ergebniswirkungen
Die Schwierigkeit dieser Aufgabenstellung lässt sich aus den bisherigen Ausführungen bereits erahnen. Aus diesem Grunde ist es von zentraler Bedeutung, klare Grundsätze für die Berechnung des Net Benefit festzuschreiben. Dies gilt nicht nur innerhalb eines Unternehmens, sondern vielmehr zwischen den Unternehmen. Denn andernfalls ist ein Benchmarking als Erfahrungsaustausch der Six Sigma Wirkungen in unterschiedlichen Unternehmen und Branchen nicht aussagefähig. Zunächst ist dabei festzulegen, auf welche Zielkategorien sich die nachgewiesenen Wirkungen im Rahmen eines Six Sigma Projektes beziehen sollen. Dies sind zweckmäßigerweise die drei Kategorien Produkt, Liquidität und Erfolg, wie sie in Abbildung 11 wiedergegeben sind. Das Kernziel der Prozessoptimierung ist für die laufende Produktion mit dem DMAIC-Zyklus zu erreichen. Es trifft aber grundsätzlich auch für die Neuproduktentwicklung auf der Basis des DMADV-
Armin Töpfer
231
Zyklus zu, da hierdurch der zukünftige Wertschöpfungsprozess bereits optimal gestaltet wird. 3
Erfolg • Steigerung der Kundenzufriedenheit • Umsatz-/ Gewinnsteigerung • Unternehmenswertsteigerung
1
Prozessoptimierung
Produkt
2
Liquidität
• Reduzierung der Varianten/ der Komplexität
• Verkürzung der Durchlaufzeit/ Time to Market
• Fehlerreduzierung/ Qualitätssteigerung
• Fehlerkostensenkung
• Produktivitätserhöhung
• Erhöhung der Gewinnmarge pro Einheit
Abbildung 11: Ziele von Six Sigma Projekten
Die drei Zielkategorien analysieren bezogen auf das Produkt (1) zunächst die nicht monetären Verbesserungsansätze des Qualitätsmanagements. Bezogen auf die Liquidität (2) werden hierdurch bewirkte monetäre Effekte in ihrer unmittelbaren Wirkung auf eine Verminderung von Auszahlungsströmen und eine Erhöhung von Einzahlungsströmen ermittelt. Die dritte Kategorie, der Erfolg (3), misst sowohl nicht monetäre als auch monetäre Wirkungen, die aber nicht alle in die konkrete Erfolgsmessung und -bestimmung eines Six Sigma Projektes einfließen. Die Basis für die Ermittlung des Net Benefit ist zunächst eine umfassende Analyse aller direkten und indirekten Ergebniswirkungen eines Six Sigma Projekts. Sie sind in Abbildung 12 in ihren wesentlichen Kategorien aufgelistet. Wie hieraus ersichtlich ist, kann die Zuordnung nicht immer einheitlich und eindeutig vorgenommen werden. Dies liegt zum einen daran, dass unmittelbare Kosten entstehen, z.B. für die Six Sigma Qualifizierung von Mitarbeitern. Zum anderen sind jedoch auch mittelbare Kosten im Sinne von Opportunitätskosten zu berücksichtigen, da diese Mitarbeiter während ihrer Trainingszeit ihren originären Aufgaben nicht nachgehen können und beispielsweise als Vertriebsmitarbeiter keine Produkte des Unternehmens verkaufen können. Dies kennzeichnet den quantifizierbaren entgangenen Umsatz und Gewinn.
232
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Noch schwieriger wird das Zurechnungsproblem, wenn sich die Aktivität auf eine Kundenbetreuung bezieht und damit der quantifizierbare Nutzen, z.B. in Form vermiedener Abwanderung, deutlich unschärfer ist. In gleicher Weise gilt dies, wenn die Schulung zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt wurde und damals dem entsprechenden Six Sigma Projekt zugerechnet wurde, der qualifizierte Mitarbeiter aber im Weiteren mit deutlich höherem Erfahrungswissen jetzt wirkungsvoller arbeitet. Diese Qualifizierungs- und Wissensinvestition wird demnach nicht über mehrere Jahre und auf unterschiedliche Projekte „abgeschrieben“.
Nutzen
Direkt
o Prozessbeschleunigung/ -vereinfachung o Absatzsteigerung durch bessere Qualität Kapazitätserhöhung = Ausbeute
Erhöhung
Indirekt
o der Kundenzufriedenheit o der Kundenbindung o der Weiterempfehlung o des Images Wiederkauf, Cross Selling, Neukunden Steigerung des Unternehmenswertes
monetärer
Durchführungskosten:
o Weniger Fehlerkosten (intern: Ausschuss) = Qualitätssteigerung o Weniger Gewährleistungskosten (extern: Garantie) o Kosteneinsparung durch bessere Qualität
o Direkte Mitarbeiter-Kosten BB/ MBB/ GB und andere o Sach-/ Umsetzungskosten für Umstrukturierung o Personalkosten o Sachkosten
Verminderung o der Kundenbeschwerden o der Kundenabwanderung
Net Benefit – für 12 Monate
nicht monetärer o Fehlerreduzierung = Qualität steigern
Kosten
Schulungskosten für Six Sigma Qualifikation Kosten der einbezogenen Mitarbeiter betroffener Fachabteilungen = Arbeitszeit/ Personentage als Opportunitätskosten
Abbildung 12: Direkte und indirekte Ergebniswirkungen von Six Sigma
Die beispielhaft benannten Zurechnungsprobleme machen also die oben geforderten klaren „Spielregeln“ unumgänglich. •
Der erste Grundsatz für die Net Benefit Berechnung besteht darin, dass lediglich die Nutzen-Kosten-Komponenten der ersten 12 Monate seit Beginn eines Six Sigma Projektes bzw. der vollen Wirkungsentfaltung berücksichtigt werden. Dabei muss also bereits die eindeutige Regelung getroffen werden, dass der Beginn des Projektes der Stichtag ist. Alle Kosten der Projektdurchführung fließen dann in den Net Benefit in vollem Maße ein. Je länger das Projekt dauert, desto kürzer ist die Restzeit für das „Abernten“ der Projekterfolge. Der Net Benefit würde also deutlich kleiner sein. Vor diesem Hintergrund ist folglich eine differenzierte Zeitschiene sinnvoll: Die Kostenseite wird ab den Projektbeginn berücksichtigt, während die Ergebniswirkungen auf der Nutzenseite erst nach Abschluss des Projekts, wenn also alle Verbesserungsmaßnahmen Wirkung zeigen können, für 12 Monate als Ergebniswirkungen aktiviert werden. Dies ist spätestens der formelle Abschluss des Projektes, es
Armin Töpfer
233
kann aber auch ein früherer Zeitpunkt sein, nämlich dann, wenn zum Ende des Projektes die Verbesserungsmaßnahmen in einer Pilotanwendung bereits umgesetzt wurden und Wirkung zeigen. Erfahrungsgemäß treten hier in der Unternehmenspraxis nicht selten Unschärfen auf, die aber im Interesse eines aussagefähigen Projektcontrollings eindeutig zu klären sind. Die soeben diskutierten Sachverhalte sind in Abbildung 13 graphisch dargestellt. Von unten her beschrieben, ist der gesamte Analysezeitraum für den Net Benefit unterteilt in die Time-lag Dauer, also die Zeitperiode, bei der durch das sechsmonatige Six Sigma Projekt bereits Kosten, aber noch keine Erlöse anfallen. Setzen sie ein (Zeitpunkt t1 oder spätestens t2), dann beginnt die Wirkungsdauer und damit die Periode der 12 Monate Erfolgszurechnung. Dies kann frühestens zum Ende der Improve-Phase des DMAIC-Zyklus sein. Auf diese Weise lassen sich der Kostenentstehungszeitraum klar vom Nutzenentstehungszeitraum des Six Sigma Projektes trennen. T€ 150
100
50
Net Benefit
75
Kumulierte Ausgaben = Liquiditätswirksame Kosten = Projektdurchführungs- und Implementierungskosten
25
Green Dollars
Kumulierte Einnahmen = Liquiditätswirksamer Nutzen = Direkte Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen
125
0 1
2
3
4
5
6
7
-25
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Monate
Break-Even-Point
-50
Projektbeginn
Erster Termin für Erfolgszuweisung
Projektende
Letzter Termin für Erfolgszuweisung
Erfolgsmesszeitraum Max. 14 Monate
Kostenentstehungszeitraum
Nutzenentstehungszeitraum des Six Sigma Projekts
Max. 6 Monate
Define
12 Monate
Measure Analyse Improve Control
Time-lag-Dauer t0
Wirkungsdauer t1
t2
Net Benefit Analysezeitraum
Abbildung 13: Kosten-Nutzen-Analyse für die Net Benefit Berechnung im Zeitablauf
t3
234
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Wie nachvollziehbar ist, setzen nach den kumulierten Ausgaben ab dem fünften Monat die kumulierten Einnahmen ein. Im Einzelfall kann dies auch anders verlaufen, nämlich entsprechend der gestrichelten Linie. Die Ausgaben bzw. liquiditätswirksamen Kosten fallen bis zum Projektende im sechsten Monat an. Die Einnahmenkurve verschiebt sich dann nach unten, so dass der Break-Even-Point des Projektes erst später erreicht wird. Im Extremfall – in der Abbildung aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt – kann die Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen auch mit weiteren Kosten über die gesamte Wirkungsdauer verbunden sein. Die Einnahmenkurve würde ab dem Projektende entsprechend flacher verlaufen. •
Der zweite Grundsatz präzisiert diese inhaltlichen Ausführungen. Er besagt, dass lediglich direkte Kosten und direkte Einsparungen und Ergebnissteigerungen in Umsatz und Gewinn als Nutzen berücksichtigt werden (Savings 1 und 2). In der Abbildung 12 ist dies demnach nur der obere Teil. Die indirekten Ergebniswirkungen im unteren Teil bleiben i.d.R. unberücksichtigt, vor allem weil sie in ihrer Entstehung und Höhe erheblich ungenauer und damit schlechter quantifizierbar sind (Savings 3 und 4). Dies würde einer Manipulation von Projektergebnissen Vorschub leisten, durch die sich jedes Projekt nach Belieben „schönrechnen“ lässt. Entsprechend bleiben also, wie oben angesprochen, Schulungskosten zu einem späteren Zeitpunkt unberücksichtigt. Gleiches gilt oftmals auch für die Kosten der einbezogenen Mitarbeiter von Abteilungen, in denen Six Sigma Projekte durchgeführt werden. Gerade diese Kosten könnten jedoch dem Projekt relativ einfach zugerechnet werden.
Eine teilweise andere Unterteilungsform des monetären Nutzens von Six Sigma Projekten besteht darin, zwischen einer Liquiditätskomponente (Green Dollars) und einer Opportunitätskomponente (Blue Dollars) zu unterscheiden (vgl. Bruhn 1999, S. 75). Während die Green Dollars die direkten Kosteneinsparungen und Ertragssteigerungen bezeichnen (z.B. durch erhöhten Absatz und geringere Fehlerrate), stehen die Blue Dollars für Opportunitätserlöse z.B. aufgrund vermiedener Nacharbeit und geringerer Kundenabwanderung. Dies entspricht grundsätzlich der oben getroffenen Unterscheidung. Abbildung 14 zeigt diese Ermittlung des Net Benefit im Überblick. Einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der ermittelten Höhe des Net Benefit hat eine verursachungsgerechte Kostenzurechnung bei allen angefallenen Green Dollars. Auf der Einnahmenseite ist dieses Problem z.T. weniger gegeben, da diese Wirkungen über liquiditätswirksame externe Umsätze als Ertragssteigerungen besser zuordenbar sind. Anders sieht es allerdings bereits bei den durch das Six Sigma Projekt bewirkten Kosteneinsparungen aus. Auch vermiedene Kosten erfordern eine verursachungsgerechte Zurechnung. In beiden Fällen besteht – abgesehen von den eindeutig zurechenbaren Einzelkosten – die Lösung nur darin, durch eine Prozesskostenrechnung den Anteil an einzelnen Wertschöpfungsphasen und -aktivitäten zurechenbaren Gemeinkosten deutlich zu reduzieren. Dies ist zugleich ein wesentlicher Beitrag zur Steigerung der Datenqualität, oder anders
Armin Töpfer
235
formuliert, eine nicht vorhandene Prozesskostenrechnung eröffnet die Möglichkeit, im Six Sigma Projekt angefallene Kosten in Gemeinkosten-Blöcken „zu verstecken“. Green Dollars:
Wirkliche
Blue Dollars:
Opportunitätskosten o Vermiedene Fehler-/Fehlerfolgekosten Bsp.: o Kürzere Kapitalbindung o Weniger Kundenabwanderung
Kosten:
o Kosteneinsparungen o Ertragssteigerungen Bsp.: o Weniger Kosten durch Produktfehler o Reduzierte Durchlaufzeit o Erhöhte Verkaufszahlen o Eingespartes Personal
o Projektdurchführung o Personal o Infrastruktur o Zuarbeit von Unternehmen
Berücksichtigung Berücksichtigung der gemessenen Ergebnisse Ergebnisse für für 12 12 Monate Monate als als Projekterfolg Projekterfolg Abbildung 14: Ermittlung des Net Benefit
Im Detail geht es also darum, Strukturkosten der handelnden Personen im Rahmen von Stellen und Abteilungen über die Analyse und Zurechnung einzelner Aktivitäten und Leistungen im Wertschöpfungsprozess verursachungsgerecht aufzuteilen. Die einzelnen Aktivitäten werden auf ihren Wertschöpfungsbeitrag geprüft und dann in Teilprozessen zusammengefasst. Diese werden anschließend zu Hauptprozessen aggregiert. Zu jedem Hauptprozess, noch besser auch zu jedem Teilprozess muss dann ein Kostentreiber ermittelt und zugeordnet werden, um so die Kostenwirkungen unmittelbar über eine Bezugsgröße erfassen und steuern zu können. Hilfreich ist auch in Six Sigma Projekten unter diesem Blickwinkel die Aufteilung der Prozesskosten in leistungsmengeninduzierte Kosten und in leistungsmengenneutrale Kosten. Im ersten Fall ist eine direkte Zurechnung möglich, die den Teilbzw. Grenzkosten zugeordnet werden. Im zweiten Fall ist i.d.R. eine Schlüsselung notwendig, so dass sich die Datenqualität im Vergleich zu einem hohen Anteil geschlüsselter Gemeinkosten nur teilweise verbessert (vgl. Töpfer/Effenberger 1996, S. 179ff.). In der Fortführung dieses Gedankens lassen sich auch die Fehlerkosten, die in Prozessen entstehen, dieser Zweiteilung unterziehen. Man kann dann also fehlermengeninduzierte Kosten und fehlermengenneutrale Kosten unterscheiden. Im ersten Fall besteht eine direkte Abhängigkeit zwischen dem ange-
236
Der Einführungsprozess von Six Sigma
strebten Qualitätsniveau und den erforderlichen Kosten zur Fehlerbeseitigung. Dies ist der typische Ansatz für Six Sigma Projekte. Im zweiten Fall verändern sich die Kosten nicht bzw. kaum in Abhängigkeit von der Anzahl auftretender Fehler. Auf der Basis einer Tätigkeitsanalyse kann durch die anschließende Prozessanalyse eine Prozesskostenrechnung direkt aufgesetzt werden. Die Prozesskostenrechnung ist damit ein unmittelbarer, wichtiger Baustein einer Six Sigma Initiative. Zugleich erlaubt sie aber wiederum die oben beschriebene Verbesserung der Datenqualität, um so die in Six Sigma Projekten vollzogene Prozessoptimierung in ihrer Wirkung besser ermitteln und nachweisen zu können. Das Ergebnis ist, dass immer mehr Wertschöpfung und immer weniger Blindleistung im Unternehmen existiert. Eine wesentliche und bisher noch nicht beantwortete Frage ist die, wie groß der Net Benefit eines Six Sigma Projektes, also die Ergebniswirkungen innerhalb von 12 Monaten abzüglich der Kosten, als absoluter Betrag in Euro sein soll bzw. in der Praxis ist. Da das Ziel darin besteht, schnelle nachhaltige Projektergebnisse sicherzustellen, wird die durchschnittliche Ersparnis pro Projekt von ca. 6 Monaten in größeren Unternehmen – wie bereits an früherer Stelle angesprochen – mit ca. € 125.000 beziffert. Dies gilt allerdings nicht für die Trainings- und Einführungsphase. In diesem Zeitraum bringen Projekte oftmals nicht mehr als € 25.000 Netto-Erlöse. Auch hier ist generell so vorzugehen, dass die Verbesserungsprojekte mit dem höchsten Nutzen (Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen) und einem mittleren Schwierigkeitsgrad zuerst umzusetzen sind. Die Trainingskosten lassen sich so zu einem nicht unerheblichen Teil bereits decken. Unabhängig von allen diesen Problemen der Ermittlung und Zurechnung von Ergebniswirkungen darf das grundsätzliche Ziel von Six Sigma Projekten nicht aus dem Auge verloren werden. Es besteht darin, aufgrund einer höheren Qualität und einer besseren Erfüllung der Kundenanforderungen den Kundennutzen zu steigern mit der Folge höherer Kundenzufriedenheit, die sich dann über mehrere Wirkungsschleifen in Umsatzsteigerungen und Kosteneinsparungen niederschlagen. Erst dies alles führt zu einer nachhaltigen Erhöhung des Unternehmenswertes als oberstem Ziel. Dabei ist eines offensichtlich: Der Shareholder will keine Erhöhung des Sigma-Niveaus, sondern eine Erhöhung der Rentabilität. Dies setzt aber zugleich folgende Erkenntnis voraus: Anteilseigner und Investoren verstehen den Zusammenhang in einem Unternehmen, dass nämlich ein höheres Sigma-Niveau die Rentabilität des Unternehmens steigert. Im Zeitablauf sind diese Wirkungen allerdings nicht gleich groß. Am Anfang besteht die Chance zu großen Net Benefits, da ein hohes Verbesserungspotenzial im Sinne der bereits angesprochenen low hanging fruits existiert. Oftmals sind diese aufgrund fehlender Methoden und Projekterfahrung jedoch nicht ohne Weiteres „aberntbar”. Dadurch wird das Anfangsniveau der realisierbaren Net Benefit Größen wieder reduziert.
Armin Töpfer
237
Hinzu kommt als weiteres Phänomen der abnehmende relative Nutzen von Six Sigma Projekten. Das Potenzial an Restrukturierungs- und Rationalisierungsreserven wird mit zunehmender Anwendung von Six Sigma kleiner. Je länger also die Durchführungsdauer ist, desto geringer werden aufgrund dieser Überlegungen die realisierbaren Net Benefit Beträge. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Unternehmen und alle seine Mitglieder in der Lage sind, kontinuierlich zu lernen. Zugleich bedeutet dies, Qualitätsprobleme nicht nur wirkungsvoller zu lösen, sondern in zunehmendem Maße von vornherein zu vermeiden. Denkt man diesen Gedanken zu Ende, dann führen intensive Six Sigma Aktivitäten dazu, dass dieses forcierte Qualitätsmanagement sich mit der Zeit selbst überflüssig macht. Wenn allerdings – wofür in der betrieblichen Praxis einiges spricht – aufgrund wechselnder Akteure, neuer Mitarbeiter, veränderter Organisationen und Prozesse sowie innovativer Technologien und neuer Produkte ein bestimmtes Fehlerniveau in konstanter Regelmäßigkeit auftritt, dann hat Six Sigma seine längerfristige Aufgabe und Berechtigung.
8
Literatur
Brady, D. (2003): Will Jeff Immelt´s New Push Pay Off for GE?, in: BusinessWeek, European Ed., 13.10.2003, S. 60-63. Brors, P./Freitag, M. (2004): Report – Glanz und Elend der Auto-Puzzler, in: Handelsblatt, 19-21.03.2004, Nr. 56, S. 12. Bruhn, M. (1999): Kosten und Nutzen des Qualitätsmanagements – Grundlagen, Methoden, Fallbeispiele – Wien 1999. Garthe, E.C. (2002): Das Six Sigma Dogma bei General Electric, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Business Excellence – Wie Sie Wettbewerbsvorteile und Wertsteigerung erzielen, Frankfurt/M. 2002, S. 343-352. Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Kepner, C./Tregoe, B. (1967): Managemententscheidungen vorbereiten und richtig treffen, München 1967. Magnusson, K./Kroslid, D./Bergmann, B. (2004): Six Sigma umsetzen – Die neue Qualitätsstrategie für Unternehmen, 2. Aufl., München/Wien 2004. Mehdorn, H./Töpfer, A. (1996): Besser-Schneller-Schlanker: TQM-Konzepte in der Unternehmenspraxis, 2. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 1996. Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2003): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen, 2. Aufl., Stuttgart 2003.
238
Der Einführungsprozess von Six Sigma
Nave, D. (2002): How to Compare Six Sigma, Lean and the Theory of Contraints, in: Quality Progress Vol. 35, No. 3, S. 73-78. North, K. (2005): Wissensorientierte Unternehmensführung – Wertschöpfung durch Wissen – 4. Aufl., Wiesbaden 2005. Pande, P.S./Neumann, R.P./Cavanagh, R.R. (2000): The Six Sigma Way, How GE, Motorola and Other Companies Are Honing Their Performance, McGrawHill 2000. Töpfer, A./Effenberger, C. (1996): Verfahren des Gemeinkostenmanagement als Informationsbasis für die Geschäftsprozeßoptimierung, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Geschäftsprozesse: analysiert & optimiert, Neuwied/Kriftel/Berlin 1996, S. 179219. Wallechner, H. (2002): Die Six Sigma Philosophie von Motorola, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Business Excellence – Wie Sie Wettbewerbsvorteile und Wertsteigerung erzielen, Frankfurt/M. 2002, S. 334-342. Walmsley, A. (1997): Six Sigma, Report an Business Magazine 10/1997, S. 1-7. Wiklund, H./Wiklund P.S. (2002): Widening the Six Sigma concept: an approach to improve organizational learning, in: Total Quality Management Vol.13/2002, No.2, S. 233-239.
Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation von GE Capital Rainer von Hagen
Inhalt 1 2 3 4 5 6
1
Vorstellung der Six Sigma Organisation bei GE Capital ...........................................239 Besonderheiten eines Six Sigma Programms.............................................................240 Aufgabenbereiche ausgewählter Funktionsträger ......................................................241 Six Sigma Anforderungen an die Quality Teams ......................................................242 Chancen und Risiken der Six Sigma Organisation ....................................................245 Rollenverteilung als Erfolgsfaktor von Six Sigma.....................................................248
Vorstellung der Six Sigma Organisation bei GE Capital
Die Ausführungen in diesem Artikel beziehen sich in erster Linie auf die Organisation, die GE Capital für die Durchführung seines Six Sigma Programms gewählt hat. Die hier vorgestellte Organisation verfügt sicherlich über eine der umfassendsten Six Sigma Strukturen, die für die Umsetzung einer solchen Initiative jemals gebildet wurde. Aus diesem Grund scheint sie sehr gut geeignet, die unterschiedlichen Aspekte hinsichtlich Rollen- und Aufgabenverteilung in „Six Sigma Unternehmen“ zu analysieren und zu bewerten. Die Gestaltung einer adäquaten Unternehmensorganisation, in der Six Sigma Aufgaben uneingeschränkt wahrgenommen werden können, stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Ein- und Durchführung von Six Sigma dar. Unabhängig von der spezifischen Ausprägung der Aufbauorganisation eines Unternehmens ist es erforderlich, die Aufgaben folgender Funktionsträger eindeutig festzulegen: Steuerungsgruppe (Lenkungsgremium), Top-Management (Führungskräfte), Quality Team und Mitarbeiter (vgl. auch Abbildung 1). Auf Basis der in Abbildung 1 dargestellten Organisationsstruktur von GE Capital werden im Folgenden die Grundzüge einer funktionierenden Six Sigma Organisation herausgearbeitet. Ziel ist es, dem Leser bzw. Entscheidungsträger eines Unternehmens zu verdeutlichen, welche spezifischen Strukturen und organisatorischen Anforderungen Voraussetzung für die Durchführung eines Six Sigma Programms sind. Gleichzeitig wird dargelegt, welche Erfolgsfaktoren für eine Six Sigma Organisation sprechen und wo ggf. Unterschiede zu anderen Qualitätsinitiativen bestehen.
240
Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation von GE Capital
Steuerungsgruppe auf Vorstandsebene Business Quality Council
Top-Management o Visionär o Six Sigma Vorstand o Champion
Quality Team o o o o o
Quality Leader Master Black Belts Black Belts Green Belts Quality Analyst
Mitarbeiter o Team-Mitglieder
Abbildung 1: Grundstruktur der Six Sigma Organisation von GE Capital
2
Besonderheiten eines Six Sigma Programms
Eine der Besonderheiten von Six Sigma im Vergleich zu anderen Qualitäts- bzw. Veränderungsinitiativen ist sicherlich der rigorose Projekt- bzw. Maßnahmenbezug. Dies zeigt sich vor allem an der Struktur sowie Aufgabenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation. Während die konkrete Arbeit an Verbesserungsprojekten die unterschiedlichen Funktionsträger in der Projektorganisation vereint, macht gerade die Mischung aus Teil- und Vollzeitbeschäftigten die Durchschlagskraft eines Six Sigma Programms aus. Entsprechend der Funktionsstruktur üblicher Qualitäts- bzw. Projektorganisationen sind die Six Sigma Rollen wie folgt verteilt: Zum einen werden die Black und Green Belts im Rahmen des Quality Teams als Projekt- bzw. Teilprojektleiter in Voll- und Teilzeitbeschäftigung geführt. Zum anderen entspricht die Funktion des Quality Leaders der des klassischen Qualitätsbeauftragten, der – full time – neben der Betreuung von Six Sigma Projekten auch andere Aufgaben im Unternehmen wahrnimmt (vgl. Abbildung 2). Mit dem Visionär soll schließlich noch eine Position der Six Sigma Organisation hervorgehoben werden, die in der Person von Jack Welch (ehem. CEO von GE) einen einzigartigen Repräsentanten hatte. Während viele Qualitäts- bzw. Veränderungsinitiativen daran leiden, dass häufig die strategische Ausrichtung und damit die Akzeptanz beim Top-Management fehlt, stellte sich der GE-Konzernlenker von Beginn an an die Spitze der Bewegung. Er machte unmissverständlich deutlich, was Six Sigma für das Unternehmen und damit jeden einzelnen Mitarbeiter bedeutet:
Rainer von Hagen
241
„Die Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen soll so einzigartig und so wertvoll für unsere Kunden und deren Geschäftserfolg sein, dass die Entscheidung für General Electric die einzig logische ist.” (J. Welch) Analog dem Vorgehen bei GE sollten die Aufgaben des Lenkungsgremiums einer Six Sigma Initiative unmittelbar auf Vorstands- und Geschäftsführungsebene wahrgenommen werden. Sie dürfen nicht delegiert werden, um insbesondere die nachfolgend aufgeführten Zielsetzungen einer Six Sigma Organisation nicht zu gefährden: •
Durchdringung der gesamten Unternehmensorganisation mit Six Sigma
•
Einleitung kontinuierlicher Veränderungsprozesse auf operativer Ebene
•
Verbindung des Top-Down- und Bottom-Up-Ansatzes zur zielgerichteten Steuerung des Verbesserungsprozesses
•
Konsequente und einheitliche Ausrichtung auf die Prozesse und Kunden.
3
Aufgabenbereiche ausgewählter Funktionsträger
Um die Rollen der einzelnen Funktionsträger einer Six Sigma Organisation zu spezifizieren, werden nachfolgend ausgewählte Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsbereiche bei GE dargelegt. Dabei werden unabhängig von der konkreten Aufgabenverteilung, dem Umfang des Programms, der Unternehmensgröße und -organisation folgende Hauptaufgaben an die Entscheidungsträger gestellt: •
Konzeption und Steuerung des Six Sigma Programms
•
Training und Anwendung von Six Sigma Methoden
•
Definition und Durchführung von Six Sigma Projekten
•
Prozessspezifische und fachliche Projektunterstützung
•
Umsetzung von Six Sigma Projektergebnissen.
In verschiedenen Unternehmen werden die oben genannten „Hauptaufgaben“ in unterschiedlicher Intensität und Komplexität wahrgenommen bzw. erfüllt. Jedoch hat sich in diesem Zusammenhang gezeigt, dass die Einhaltung der Steuerungs-, Trainings- und Projektaufgaben zum Erfolg von Six Sigma maßgeblich beitragen. Die Zuordnung von Aufgabenbereichen zu Funktionsträgern lässt sich mit Hilfe einer sog. Aufgaben-Kompetenz-Matrix darstellen. Eine solche Matrix ist in der folgenden Abbildung 2 für die Six Sigma Organisation bei GE Capital zu sehen. Die Zuordnung der Aufgaben ist nicht „starr“ und kann von Projekt zu Projekt sowie von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Zum Beispiel hängt die Abgrenzung der Aufgaben- bzw. Kompetenzbereiche der Master Black Belts und Black Belts von den zugrundeliegenden Unternehmensstrukturen ab. Entscheidend
242
Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation von GE Capital
ist hierbei die Priorisierung der einzelnen Bereiche (Prozesse), in denen Verbesserungen erzielt werden sollen. Dabei kann die Zuordnung der Six Sigma Funktionsträger sowohl prozessorientiert und bereichsübergreifend als auch standortgebunden und regional begrenzt erfolgen. Die Aufgaben- und Verantwortungsbereiche von Master Black Belts und Black Belts bei GE Capital sind in Abbildung 3 detailliert aufgelistet.
Rolle Aufgabe
Black Belt (full time)
Konzeption/ Steuerung v. Six Sigma Six Sigma Methodik u. Training
D
Master Black Belt (full time)
Champion (part time)
Quality Analyst (full time)
Quality Leader (full time)
M
(M)
M
D
D, M
M
Durchführung von Six Sigma Projekten
D
D, M
(M)
Prozessspezifische Unterstützung
M
D, M
D
Ergebnisumsetzung
D, M
D, M
(M)
Legende: D = Durchführung (Hauptverantwortung) M = Mitwirkung (Teilverantwortung für best. Inhalte)
M
M
(M) = Unterstützung (politisch / strategisch)
Abbildung 2: Aufgaben-Kompetenz-Matrix von GE Capital
Für die Umsetzung von Six Sigma Projekten ist das horizontale und vertikale Zusammenwirken der einzelnen Funktionsebenen entscheidend. Ausgehend von einem Lenkungsgremium (Business Quality Council) werden die Verantwortungsbereiche entsprechend dem Top-Down-Prinzip verteilt und koordiniert. In Anlehnung an Abbildung 1 ergeben sich dabei insgesamt fünf Entscheidungsebenen, die am Beispiel einer komplexen Teilinitiative dargestellt werden sollen (vgl. Abbildung 4).
4
Six Sigma Anforderungen an die Quality Teams
Die Voraussetzungen für die Übernahme einer Six Sigma Aufgabe sind zum einen durch das Unternehmen selbst zu schaffen. Dazu sind sowohl strategische als auch strukturelle Anforderungen zu erfüllen. Strategische Voraussetzungen sind z.B. die Bestimmung einer „Projektvision“, die Abgrenzung der Maßnahmenumfänge sowie die Festlegung eines Zeithorizonts.
Umsetzung der Projektergebnisse: • Unterstützung des Projektteams bei der Überwindung von Widerständen (fachl., methodische u. politische) • Information des Top-Managements und des Lenkungsgremiums (Vorstand)
Prozessspezifische und fachliche Unterstützung: • Anforderungen an die Prozesse ermitteln u. erkennen • Prozessschritte hinterfragen u. „Gemeinsame Sprache“ entwickeln (Best Practice Sharing)
Durchführung von Six Sigma Projekten: • Projektdefinition und Kalkulation der Ergebnisse • Mitwirkung bei Black Belt- u. Teammitglieder-Auswahl • Ermittlung notwendiger Ressourcen • Bestimmung der strategischen Projektausrichtung
Anwendung der Six Sigma Methodik: • Fortschritt-Reviews und Beratung des Projektteams • Durchführung von Trainings • Anwendung statistischer Verfahren
Konzeption u. Steuerung des Six Sigma Programms: • Leitung komplexer (Teil-)Initiativen (10-15 Projekte) • Abstimmung mit anderen Unternehmensaktivitäten
Master Black Belt
Umsetzung der Projektergebnisse: • (Mit-)Entwicklung des Implementierungskonzepts • Unterstützung beim „Roll-Out“ der Projektergebnisse • Durchführung von mitarbeiterorientierten Trainings
Prozessspezifische und fachliche Unterstützung: • Anforderungen an die Prozesse ermitteln • Einbindung von Kunden und Lieferanten • Prozessteilschritte hinterfragen
Durchführung von Six Sigma Projekten: • Mitwirkung bei der Projektdefinition und Teamauswahl • Ermittlung notwendiger Ressourcen für ein Projekt • Leitung des Projektteams/Durchführung der Projekte • Methodische und fachliche Mitwirkung • Sicherstellung des Projektfortschritts • Information des Champions und Master Black Belts
Anwendung der Six Sigma Methodik: • Durchführung von Trainings • Anwendung der Six Sigma Methodik • Einsatz statistischer Verfahren
Black Belt
Rainer von Hagen
Abbildung 3: Aufgabenbereiche von Master Black Belts und Black Belts
243
244
Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation von GE Capital
Six Sigma Projekte
Lenkungsgremium
Optimierung administrativer Prozesse
Champion
Master Black Belt
Black Belt
Prozessoptimierung Finanz- und Rechnungswesen
Optimierung Forderungen
Optimierung Rechnungsstellung
Zentrale DebitorenBuchhaltung
Optimierung KreditorenBuchhaltung
Green Belt Team-Mitglied
Abbildung 4: Leitungsstruktur am Beispiel einer komplexen Six Sigma Initiative
Hingegen betreffen strukturelle Projektvoraussetzungen die Integration in das Zielsystem des Unternehmens und das Personalentwicklungskonzept sowie die Schaffung von Akzeptanz und Anreizmechanismen. Darüber hinaus sind die Fähigkeiten und Erfahrungen der potenziellen Six Sigma Führungskräfte zu berücksichtigen. Sie sind ggf. durch zielgerichtetes Training bzw. Coaching im Vorfeld zu erweitern. Die organisatorischen Voraussetzungen, die ein Unternehmen schaffen muss, sind deshalb so wichtig, weil sich daraus die Bedeutung der Six Sigma Initiative direkt ablesen lässt. Nur wenn die enge Verzahnung mit den Unternehmenszielen gegeben ist, kann das Gesamtvorhaben erfolgversprechend sein. Für potenzielle Kandidaten stellt es gleichzeitig einen Anreiz dar, eine Aufgabe im Six Sigma Programm, insbesondere im Quality Team, zu übernehmen. GE hat beispielsweise die Übernahme einer Funktion in der Six Sigma Organisation zur Voraussetzung für die weitere Karriereentwicklung von Managern gemacht. Außerdem wurden variable Gehaltsbestandteile an die erfolgreiche Mitarbeit bzw. Unterstützung bei Six Sigma Projekten gekoppelt. Um geeignete Kandidaten für die Mitarbeit in einem Quality Team zu gewinnen, sollten zunächst die Anforderungen an das Team eindeutig formuliert werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um unternehmensinterne oder -externe Kandidaten handelt. Je nach Größe des Unternehmens und Verfügbarkeit von Kandidaten kann die „gesunde Mischung“ aus Internen und Externen entscheidend für den
Rainer von Hagen
245
Erfolg von Six Sigma sein. Die folgende Abbildung 5 zeigt die vier Anforderungsfelder, die ein Quality Team bei GE Capital zu erfüllen hat.
Führungfähigkeiten/ Beratungskenntnisse o o o o o o
o o o o o
Strategische Kenntnisse
Führungsverantwortung o Identifizierung von Chancen zur Management/Motivation von Teams Geschäftserweiterung und UmsatzErgebnisorientierung entwicklung Analytische Methoden und Werkzeuge o Auf- und Ausbau von KundenbeUmsetzung von Konzepten ziehungen Kommunikation und o Entwicklung von Märkten und Beziehungsmanagement Marktpositionen
Projekt(leiter-)kenntnisse
Fachkenntnisse
Projektmanagement Qualitätsmanagement Mitarbeit in Projekten Flexibilität und Anpassungsfähigkeit Ergebnisorientierte Steuerung
o Fachwissen - Ingenieur- u./o. betriebswirtschaftliches Spezialwissen - Produktion, Service, Administration - Vertrieb, Finanz- und Rechnungswesen - Personal-/Organisationsentwicklung
Abbildung 5: Anforderungsprofil an ein Six Sigma Quality Team
Auf Basis des in Abbildung 5 dargestellten Anforderungsprofils sind die Fähigkeiten bzw. Kenntnisse der einzelnen Mitglieder des Quality Teams näher zu spezifizieren. In Abbildung 6 sind im Rahmen einer sog. Anforderungen-Rollen-Matrix die Einzelanforderungen den Six Sigma spezifischen Führungsrollen gegenübergestellt. Dabei können die Anforderungen an die Teammitglieder projektspezifisch variieren, insbesondere wenn Funktionen wegfallen oder in Personalunion wahrgenommen werden.
5
Chancen und Risiken der Six Sigma Organisation
Mit der Einführung von Six Sigma und der Neustrukturierung von Organisationen sind sowohl Chancen als auch Risiken für das Unternehmen verbunden (vgl. Abbildung 7). Um nicht Gefahr zu laufen, mit der Frage nach dem Geheimnis von Six Sigma ins „Mystische“ abzugleiten, sollen im Folgenden positive wie negative Aspekte systematisch untersucht werden. Als Teil der Einführung eines Six Sigma Programms können mit der Implementierung einer eigenständigen Six Sigma Organisation gleich mehrere Chancen verbunden sein.
246
Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation von GE Capital
Rolle Anforderung
Quality Analyst
Green Belt
Black Belt
Strategische Kenntnisse (U.-entwickl.)
Master Black Belt
Quality Leader
(9)
9
Führungsfähigkeiten
(9)
9
9
Beratungskenntnisse
(9)
9
9 Legende:
Projekt(leiter-)kenntnisse
(9)
(9)
9
9
9
Fachkenntnisse (Prozess)
9
9
9
9
9
9 ... verbindlich (9) ... projektspezifisch
Abbildung 6: Anforderungen-Rollen-Matrix für ein Quality Team
a)
Eine Six Sigma Organisation ist durch die projekt- und aktionsspezifischen Kapazitäten originär auf die Erzielung von (finanziellen) Ergebnissen ausgerichtet. Es werden Ressourcen „freigestellt“, um Verbesserungen zu erzielen, die, vorsichtig geschätzt, mindestens € 100.000 pro Black Belt Projekt betragen.
b) Das Commitment und die Einbindung des Managements gelten als wichtige Voraussetzung für die Durchführung einer Six Sigma Initiative. Sie sind eine der Triebfedern für die rigorose Implementierung von Verbesserungsmaßnahmen. Dabei ist Six Sigma keine rein „akademische Übung“, sondern vielmehr eine durch den Praxisbezug allgemein anerkannte Qualitätsinitiative. c)
Für die Optimierung der Kundenbindung eines Unternehmens wird mit Hilfe der Definition und Messung von Kundenanforderungen ein breites Potenzial geschaffen. Durch unternehmensexterne Projekte und eine „Outside-In“ Sichtweise werden alle Unternehmensprozesse auf die Erfüllung von Kundenanforderungen ausgerichtet.
d) Ergebnisorientierung der Projekte sowie konsequentes Controlling der erzielten Verbesserungen sind gute Voraussetzungen für die Etablierung einer unternehmensweiten Six Sigma Philosophie. Durch den Einsatz spezieller Funktionsträger in der Projektorganisation, z.B. Quality Analyst oder Champion, wird gewährleistet, dass Verbesserungen nicht nur erarbeitet, sondern auch wirklich „gelebt“ werden.
Rainer von Hagen
Chancen
247
Risiken
a)
Erzielung von messbaren Ergebnisverbesserungen
a)
Ausbildungs- und Rekrutierungskosten
b)
Akzeptanz und Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen
b)
Unternehmensspezifische Rollendefinition und -zuordnung
c)
Optimierung von Kundenbindungen
c)
Effiziente Zusammensetzung des Quality Teams
d)
Nachhaltigkeit des Verbesserungsprozesses
d)
Integration des Six Sigma Teams im Unternehmen
Abbildung 7: Überblick über Chancen und Risiken der Six Sigma Organisationen
In der Konsequenz und Rigorosität einer Six Sigma Initiative, die sich z.T. in massiven organisatorischen Veränderungen äußert, liegt eine Reihe von Risiken begründet, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. a)
Die Investitionen in die Rekrutierung und Ausbildung der Mitglieder einer Six Sigma Organisation sind oftmals erheblich. Zum Beispiel betrugen die Six Sigma Investition bei GE im Jahr 1999 550 Mio. US-$. Diesem Betrag steht jedoch im gleichen Zeitraum ein projektorientierter Ertrag i.H.v. 2 Mrd. US-$ gegenüber. Weiterhin sind mit einer Six Sigma Initiative im Allgemeinen hohe laufende Kosten verbunden, wie z.B. Personalkosten für hochqualifizierte Führungskräfte. Nur mit der Bereitstellung notwendiger zeitlicher Ressourcen für einen Champion, Master Black Belt, Quality Leader etc. lassen sich die erwarteten Ergebnisse des Programms realisieren.
b) Die unternehmensspezifische Definition und Zuordnung der Mitglieder des Quality Teams ist ein wesentlicher Faktor für das Gelingen einer Six Sigma Initiative. Die Anlehnung an die regionale Unternehmensstruktur und/oder der direkte Bezug zu den Geschäftsprozessen sind in diesem Zusammenhang wünschenswert. Auch ist die effektive Nutzung der fachlichen Kompetenzen von Master Black Belts und Black Belts essentiell für den Erfolg von Six Sigma. Nicht zuletzt wird durch eine unternehmensspezifische Rollenverteilung die effiziente Projektdurchführung und konsequente Implementierung von Verbesserungsvorschlägen sichergestellt. c)
Hinsichtlich der Größe und rollenspezifischen Zusammensetzung von Six Sigma Teams lassen sich unterschiedliche Maßstäbe bzw. Kennzahlen finden. Für die Größe eines Quality Teams werden in der Regel 1,5 bis 2,5 % der Mitarbeiterzahl des entsprechenden Unternehmens veranschlagt. Die Zusam-
248
Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation von GE Capital
mensetzung und Rollenverteilung im Team sollte mit unternehmensspezifischen Aufgabendefinitionen hinterlegt werden. Dabei gilt es, den Grat zwischen interner Rekrutierung und externer Unterstützung auszuloten, um insbesondere den Faktor „Betriebsblindheit“ zu minimieren. Für kleine und mittlere Unternehmen bietet es sich an, Schlüsselpositionen in einem Six Sigma Team mit externen Beratern zu besetzen. d) Das Quality Team hat in einem Six Sigma Unternehmen die wichtige Funktion des „Bindeglieds“ zwischen verschiedenen Hierarchieebenen. Wichtig ist hierbei, dass das Quality Team von den verschiedenen Unternehmensebenen als Projektorgan akzeptiert wird. Dazu sind nicht nur die fachlichen und sozialen Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder relevant. Vielmehr ist für die Erzielung positiver Projektergebnisse die Erfüllung strategischer und struktureller Anforderungen seitens des Unternehmens entscheidend. In diesem Zusammenhang steht u.a. die Forderung nach einem Personalentwicklungsplan, um den Teammitgliedern eine Karriereperspektive nach ihrer „Six Sigma Zeit“ zu geben. Damit wird nicht zuletzt das latente Risiko der Mitarbeiterfluktuation innerhalb des Quality Teams minimiert.
6
Rollenverteilung als Erfolgsfaktor von Six Sigma
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in der Rollenverteilung einer Six Sigma Organisation ein wichtiger Erfolgsfaktor liegt. Im Mittelpunkt des Six Sigma Programms von GE Capital steht das Quality Team, das mit den wichtigen Führungsrollen Quality Leader, Master Black Belts, Black Belts und Quality Analyst besetzt ist. Damit die unterschiedlichen Funktionsträger ihre zugedachte Rolle mit Erfolg ausfüllen können, ist das Quality Team entsprechend Abbildung 8 in die Unternehmensstruktur einzubinden. Die erfolgreiche Integration bedeutet für das gesamte Unternehmen, dass es nicht ein Quality Team gibt, das „Six Sigma macht“, sondern dass mit Hilfe des Quality Teams alle „Six Sigma machen“. Der Erfolg einer Six Sigma Initiative wird sich erst dann einstellen, wenn das gesamte Unternehmen auf das gemeinsame Ziel „Vollständige Beherrschung der Geschäftsprozesse“ ausgerichtet ist. Im Rahmen der Six Sigma Organisation sind dazu geeignete Strukturen zu schaffen sowie folgende Aufgaben und Funktionen zu institutionalisieren: •
Einbeziehung des Top-Managements mittels Lenkungsgremium
•
Aktive Einbindung des Managements auf Basis von Champions
•
Bereitstellung von Projektressourcen für Projektleiter und Black Belts
•
Einsatz von Master Black Belts für Coaching und Best Practice Sharing
Rainer von Hagen
•
Einbindung der Mitarbeiter entsprechend dem Gegenstromverfahren.
„Top-down“: Commitment des Managements Visionär
Business Quality Council
Q
Team-Mitglieder
y lit ua
Te
am
Champion
o Quality Leader o Master Black Belts o Black u. Green Belts o Quality Analyst Team-Mitglieder
Team-Mitglieder
„Bottom-up“: Bewusstsein, Initiative, Innovation der Mitarbeiter
Abbildung 8: Quality Team als „Bindeglied” zwischen den Hierarchieebenen
249
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings in einem mehrstufigen Einführungsprozess Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Rollenspezifische Anforderungen an Six Sigma Trainings und Projekte ..................250 Modular-integriertes Schulungskonzept auf Basis des DMAIC-Zyklus ....................258 Analysemodell zur Bewertung von Six Sigma Trainings und Projekten ...................265 Steigerung der Effizienz und Verkürzung des Einführungsprozesses durch E-Learning.......................................................................................271 Literatur .....................................................................................................................276
Rollenspezifische Anforderungen an Six Sigma Trainings und Projekte
Das Six Sigma Konzept basiert auf einer eigenständigen Philosophie, die über das Zusammenspiel von Kundenanforderungen, Prozessgestaltung und Qualitätssteigerung eine umfassende Optimierung anstrebt. Ein derartiges Vorhaben erfordert deshalb Lernen in drei Richtungen: •
Erstens ein vertieftes Verständnis für ein stringentes Projektmanagement, getrieben aus Kundensicht und umgesetzt in Prozessen
•
Zweitens die Fähigkeit, ein reales Problem auf ein statistisches Problem zu übertragen, das statistische Problem auf seine Ursachen hin zu analysieren, die gefundene statistische Problemlösung auf ihre Wirkungsstabilität hin abzutesten, die optimale Problemlösung dann auf die Realität zu übertragen und anschließend so qualitätzusichern, dass sie auf hohem Niveau stabilisiert wird
•
Drittens den Aufbau einer „schlagkräftigen“ Six Sigma Organisation, einer ausdifferenzierten Trainingsstruktur und einer spezifischen Lernkultur.
Nicht wenige Unternehmen werden von diesen Anforderungen an eine wirkungsvolle Six Sigma Einführung bereits abgeschreckt. Der Grund liegt vor allem darin, dass neben dem Projektmanagement und der Lernorganisation vertieftes statistisches Wissen über Methoden des Qualitätsmanagements isoliert und auch vernetzt notwendig ist. Dabei wird jedoch oftmals übersehen, dass viele der eingesetzten Tools nicht neu sind, wohl aber in ihrer jetzt geforderten Kombination und Stringenz bisher nicht verwendet wurden.
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
251
Im Vergleich zu anderen Managementkonzepten ist bei Six Sigma die Anforderung deutlich stärker ausgeprägt, dass neue bzw. veränderte Kompetenz- und Fähigkeitsbausteine zum Einsatz kommen. Dies bedeutet, dass einerseits der Grad des selbstständigen und ergebnisverantwortlichen Handelns zunimmt und andererseits spezielles, Six Sigma spezifisches Wissen und Können erworben werden müssen. Diese veränderten inhaltlichen, prozessualen und organisatorischen Anforderungen waren ein wesentlicher Grund dafür, dass in einigen Unternehmen spezielle Six Sigma Weiterbildungsinstitutionen geschaffen bzw. in bestehende Corporate Universities eingebettet wurden, so z.B. die Motorola University in Schaumburg/ USA oder die GE Training and Leadership Development Academy in Crotonville/ USA. Zusätzlich wurden auch unternehmensübergreifende Qualifizierungsinstitute ins Leben gerufen, wie z.B. die von Harry und Schroeder gegründete Six Sigma Academy in Scottsdale/ USA oder die M+M Six Sigma Akademie® in Kassel/ Deutschland. Das Ziel besteht immer darin, nicht nur zu qualifizieren, sondern die Einstellung für eine Six Sigma Initiative im Unternehmen in allen ihren Facetten positiv zu prägen. Dies bedeutet konkret, dass alle Bausteine, die für den Aufbau und die Einführung eines Six Sigma Projektmanagements wichtig sind, daraufhin geprüft werden müssen, in wieweit nicht nur die Inhalte, sondern auch die Prozesse und die Organisation sowie die Unternehmenskultur entsprechend zu analysieren und zu beeinflussen oder zu gestalten sind. Abbildung 1 zeigt diese Felder im Überblick. Basisschulung für das Six SigmaKernteam
Durchführung von Pilotprojekten
Kommunikation erreichter Ergebnisse und Roll-Out des Six Sigma-Projektmanagements
Aufbau einer mehrstufigen Six Sigma-Organisation
Definition und Umsetzung dezentraler Six Sigma-Projekte
Integration aller Mitarbeiter und Schulung von Champions, Black Belts & Green Belts
Incentive-Konzept für die Durchführung von Six SigmaProjekten
Verankern des Six Sigma-Projektmanagements in persönlichen Zielvereinbarungen
Prägen der Six SigmaManagementkultur zur Sicherstellung nachhaltiger Verbesserungen
Abbildung 1: Aufbau und Einführung eines Six Sigma Projektmanagements
252
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
Im Folgenden wird schwerpunktmäßig auf die Anforderungen und Inhalte der Six Sigma Qualifizierungsmaßnahmen eingegangen. Dies kann aber nicht losgelöst vom gesamten Einführungsprozess erfolgen, da hierbei zahlreiche Querverbindungen bestehen. Auf die Implementierung des Six Sigma Projektmanagements geht ein gesonderter Beitrag vertieft ein (siehe Beitrag von Töpfer „Six Sigma als Projektmanagement für höhere Kundenzufriedenheit und bessere Unternehmensergebnisse“ in Kapitel A). Die erste Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die, wer den Anstoß für eine Six Sigma Initiative im Unternehmen gibt. Je nachdem, ob dies die Unternehmensspitze oder eine Führungskraft z.B. der Unternehmensentwicklung, der Produktion oder des Qualitätsmanagements ist, wird nicht nur der Einführungs-, sondern auch der Schulungsprozess unterschiedlich verlaufen. Wenn die Unternehmensleitung – als Variante 1 – Six Sigma umsetzten will, dann hat ein Klärungs- und Entscheidungsprozess bereits stattgefunden, so dass der Projektbeginn und auch die Schulung eher mit einem breiten Roll-Out starten. Im anderen Fall, der – als Variante 2 – in der Praxis eher häufiger auftritt, hat die Unternehmensleitung wenig Vorkenntnisse über Six Sigma und das Vorhaben wird von Führungskräften z.B. der oben genannten Bereiche begonnen. Nicht nur die Einführung, sondern auch die Schulung werden dann zeitlich deutlich gestreckt und in mehreren stufenweisen Zyklen durchgeführt. Der Einstieg, um einen ersten vertieften Überblick über das Six Sigma Konzept zu erhalten, ist bei der Variante 2 dann beispielsweise ein ein- bis zweitägiges Seminar für die initiierenden Führungskräfte unter der Überschrift „Six Sigma Essentials für Manager“. Hierbei werden nicht nur die einzelnen Bausteine vermittelt und diskutiert, sondern zugleich auch der Transfer im Hinblick auf die Anforderungen und die Umsetzung im eigenen Unternehmen vollzogen. Da diese Führungskräfte in der Regel auch Mitglieder eines Six Sigma Kernteams sind oder sein werden, lässt sich dies in die Basisschulung für das Six Sigma Kernteam einordnen. Ist die Entscheidung auf dieser Basis für einen Six Sigma Start im eigenen Unternehmen gefallen, dann setzt die eigentliche Basisschulung des Kernteams ein. Da die Entscheidung der Unternehmensleitung für eine umfassende Six Sigma Initiative noch nicht vorbereitet und getroffen wurde, finden die folgenden Six Sigma Aktivitäten also – bildlich gesprochen – „under cover“ statt. Ausgewählt und geschult wird eine kleine Gruppe von Mitarbeitern bzw. Führungskräften, und zwar in der Weise, dass sie Six Sigma auf ein praktisches Problem des Unternehmens übertragen. Der Zweck besteht darin, die Konzeption und die Tool-Box von Six Sigma kennen zu lernen. Aus zeitlichen, inhaltlichen und kostenmäßigen Gründen empfiehlt sich in dieser Pilotphase lediglich ein Green Belt Training und keine Black Belt Ausbildung. Denn zum einen ist noch nicht gesichert, dass die Unternehmensleitung dem Vorhaben zustimmt, und zum anderen geht es zunächst um die Durchführung von ersten Projekten. Ihre Auswahl ist besonders sorgfältig vorzunehmen, weil sie das
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
253
wichtige Ziel haben, eine große Wirksamkeit von Six Sigma durch hohe erwirtschaftete Net Benefits in den Pilotprojekten zu belegen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es unbedingt erforderlich, auf erfahrene externe Black Belts oder besser Master Black Belts zurückzugreifen. Dies verhindert, dass in der Anfangsphase Six Sigma Projekte ausschließlich eigenständig in Angriff genommen werden und aufgrund fehlender Erfahrungen – salopp formuliert – nach dem Prinzip „Jugend forscht“ eher dilettiert statt reüssiert wird. Wenn bei der Variante 2 diese erste Phase erfolgreich verläuft und die Unternehmensleitung vom Nutzen einer Six Sigma Initiative überzeugt werden kann, dann entspricht der weitere Ablauf der Variante 1, allerdings mit der Besonderheit, dass jetzt schon konkrete Projekterfahrungen und Ergebnisse bzw. Erfolge im eigenen Unternehmen vorliegen. Nach dem Motto „Nichts überzeugt mehr als Erfolg“ erfolgen auf dieser Basis eine breite Kommunikation und der Roll-Out des Six Sigma Projektmanagements im Unternehmen. Festzulegen sind jetzt die auf unterschiedlichem Niveau zu schulenden Akteure, der Aufbau der mehrstufigen Six Sigma Organisation und vor allem die Auswahl und Umsetzung der Six Sigma Projekte, die von da an eher dezentral durchgeführt werden. Bereits für die Schulung und damit für die Bereitschaft und Motivation der Mitarbeiter, sich einem derartigen aufwendigen Training zu unterziehen, ist einerseits die Umsetzung im Rahmen der Organisation und Projekte wichtig. Mindestens genauso wesentlich sind andererseits aber auch die Konsequenzen für die personenbezogene Führung im Unternehmen. Unter dem Strich wird hierdurch bei den zukünftigen Six Sigma Akteuren der größte Beitrag zum Engagement bewirkt. Ein attraktives Incentive-Konzept und die Verankerung von Six Sigma in persönlichen Zielvereinbarungen sind dabei die wichtigsten Eckpfeiler. Durch alle diese Maßnahmen gelingt es über die Zeit, eine Six Sigma Managementkultur im Unternehmen zu prägen und nachhaltige Verbesserungen zu erreichen. Im Folgenden wird auf die hierfür erforderlichen Schulungskonzepte näher eingegangen. Abbildung 2 zeigt die rollenspezifischen Anforderungen und Schulungsziele der vier Six Sigma Hauptakteure, nämlich Champions, Master Black Belts, Black Belts und Green Belts im Überblick. Wenn ein Unternehmen mit einer Six Sigma Initiative beginnt, dann ist es nach dem Prinzip „Führen durch Vormachen“ wichtig, dass die Führungskräfte selbst ein ausreichendes Wissen über Six Sigma erhalten, um die Anforderungen, aber auch die erreichbaren Ergebnisse von Six Sigma Projekten beurteilen zu können. Dies gilt vor allem für Prozesseigner in der Wertschöpfungskette, da sie als Machtpromotoren später entscheiden, ob und welche Six Sigma Projekte in ihrem Verantwortungsbereich durchgeführt werden. Dies entspricht der Rolle des Champions. Die Schulung dauert in der Regel zwei Tage, in manchen Unternehmen aber auch bis zu vier Tagen und vermittelt die Grundzusammenhänge, um diese strategisch-operative Aufgabe wahrnehmen zu können. In jedem Unternehmensbereich sollte deshalb jeweils mindestens ein Champion verfügbar sein.
254
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
Rollendefinition
Champion
Master Black Belt
Black Belt
Green Belt
Machtpromotor
Systempromotor
Prozesspromotor
Projektmitarbeiter
Mitarbeiterprofil Prozesseigner/ Führungskraft
Ziele der Schulung
Schulungstage
Interner Berater und Six Sigma Projektleiter/ Six Sigma Coach Führungsnachwuchs
• Überwachen von • Auswahl geSix Sigma eigneter Projekte Projekten in seinem Verantwortungs• Interner bereich Koordinator, Berater und • Kann Six Sigma Trainer Projekte nachvollziehen • Zusammenarbeit mit Champion auf g „ leicher Augenhöhe“ 2
Trainingsprojekt
nein
Mitarbeiteranteil
<0,5 %
>20 ja (als BB) <0,5 %
• Mitwirken bei Projektauswahl • Steuern des Teams
Six Sigma Experte/ Projektumsetzer • Leiten kleinerer Six Sigma Projekte unter Führung eines Black Belts
• Verhandeln mit Champions
20 ja 1-2%
10 ja (mit BB) 2-5%
Insgesamt Insgesamt ca. ca. 10% der Mitarbeiter als Six Sigma Sigma Akteure Akteure geschult geschult
Abbildung 2: Aufbau einer Six Sigma Organisation
Zu Beginn einer Six Sigma Initiative im Unternehmen werden als nächstes Green Belts ausgebildet, die anschließend in der Lage sind, kleinere Six Sigma Projekte relativ selbstständig durchzuführen. Die Schulung umfasst zehn Tage auf zwei bis fünf Blöcke verteilt. Parallel hierzu werden oftmals Black Belts als die Hauptakteure in Six Sigma Projekten ausgebildet. Ihre Schulung in der Six Sigma ToolBox und den Soft Skills sowie in Projekten ist mindestens doppelt so intensiv wie die der Green Belts. Die vier mal fünf Tage werden auf vier Monate verteilt. Nach einer Woche Training pro Monat dienen die restlichen drei Wochen zur Umsetzung eines ersten Six Sigma Schulungsprojektes und zur Erfüllung der „normalen“ Aufgaben im Unternehmen. Der Black Belt wird so geschult, dass er mit seinem Methodenwissen und den Soft Skills in der Lage ist, Six Sigma Projekte selbständig durchzuführen und die angestrebten Ergebnisse zu realisieren. Im Zeitablauf besteht durch den modularen Aufbau der Schulung auch die Möglichkeit, Green Belts über ein intensives Ergänzungstraining zu Black Belts auszubilden. Dies schafft die Möglichkeit, die Akteure zu fördern und weiterzuqualifizieren, welche die erforderlichen Fähigkeiten zur Projektsteuerung, zum Beherrschen der statistischen Methoden und Tools sowie zum erfolgreichen Abschluss der Projekte bereits auf dem Green Belt-Status aufweisen. Hierauf wird im folgenden Kapitel noch eingegangen. Master Black Belts gehen aus der Gruppe der Black Belts hervor und sind aufgrund ihrer umfangreichen Projekterfahrung sowie einer vertiefenden Zusatzqualifikation auf allen wichtigen Gebieten in der Lage, einerseits vor allem die Black Belts zu führen und in ihren Projekten zu coachen sowie andererseits mit den Champions auf „gleicher Augenhöhe“ zu verhandeln. Den Black Belts gegenüber
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
255
haben sie in inhaltlicher und organisatorischer Hinsicht eine wichtige Mentorenrolle, vor allem auch bei der Anwendung komplexerer statistischer Verfahren und der Auswertung ihrer Ergebnisse. Insgesamt werden in diesen Qualifikationen ca. 10 % aller Mitarbeiter des Unternehmens als Six Sigma Akteure geschult. Nicht einbezogen sind hierin die Schulung von Yellow Belts von ein bis zwei Tagen als Mitarbeiter in Fachabteilungen und dann auch in Six Sigma Projekten sowie die Basisinformation für White Belts im Umfang von ca. einem halben Tag, die eigentlich jeden Mitarbeiter erreichen sollte. Im Zeitablauf nehmen die Trainings der Champions dadurch ab, dass sowohl Green als auch Black und Master Black Belts in Führungspositionen im Unternehmen berufen werden und dann das Six Sigma Rüstzeug bereits mitbringen und einsetzen. So wird z.B. die Six Sigma Initiative bei GE heute durch den CEO Jeff Immelt, einem ausgebildeten Black Belt, maßgeblich vorangetrieben (vgl. o.V. 2003, S. 60ff.). Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist auch die frühzeitige Information des Betriebsrats und seine aktive Einbeziehung in das Training. Dies ist deshalb besonders wichtig, um eine Fehlinterpretation von Six Sigma als Rationalisierungsinstrument von vornherein zu vermeiden. Da die Beseitigung von Fehlern und damit verbundenen Fehlerkosten Kapazität und gebundenes Kapital einspart, werden zugleich auch Mitarbeiter für die Fehlerbeseitigung nicht mehr benötigt. Der Betriebsrat muss verstehen, dass Six Sigma die Performance des Unternehmens steigert und dadurch Arbeitsplätze sichert, weil Null-Fehler-Qualität die Kundenzufriedenheit verbessert. Abgebaut werden lediglich die Arbeitsplätze, die aufgrund schlechter Qualität notwendig waren. Hohe Qualität und Kundenorientierung bringen hingegen mehr Wachstum und erhöhen dadurch eher die Mitarbeiterzahl. Der Betriebsrat ist deshalb in einer ersten Runde zumindest auf dem Niveau von Yellow Belts zu schulen, um das richtige Verständnis von Six Sigma zu haben und diese Initiative im Unternehmen nachhaltig zu unterstützen. In Abbildung 3 ist in vereinfachter Form die modulare Vernetzung der Six Sigma Qualifikationsinhalte entsprechend der vier Schulungsgrade noch einmal wiedergegeben. Die Strichstärke der Pfeile kennzeichnet dabei die inhaltliche Intensität und das Spektrum der jeweiligen Qualifizierung bzw. der im Zeitablauf gesammelten Erfahrungen. Die generelle Basis ist für alle Six Sigma Akteure eine Einführung mit den Gründen für Six Sigma insbesondere durch den Markt, die Kunden und den Wettbewerb, mit dem allgemeinen Verständnis und den Bestandteilen von Six Sigma sowie dem Ablauf von Projekten, den erzielbaren Wirkungen/Ergebnissen und nicht zuletzt den Umsetzungsanforderungen im Unternehmen. Es versteht sich von selbst, dass die Dauer und Tiefe dieser Einführung für die einzelnen Gruppen von Six Sigma Akteuren unterschiedlich und auf die jeweiligen Rollen und Bedürfnisse zugeschnitten ist. Mit Champions werden diese Sachverhalte unter strategischen Gesichtspunkten intensiv besprochen. Mit den Mitarbeitern als White oder
256
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
Yellow Belts werden im Vergleich hierzu die sie interessierenden Aspekte als Hintergrundwissen und mit Bezug auf das eigene operative Aufgabenfeld lediglich angesprochen. Diese gemeinsame Basis in der Sichtweise und im Verständnis zu Beginn einer Six Sigma Initiative und Schulung ist in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Denn hierdurch werden Missverständnisse und Fehlinterpretationen vermieden sowie Akzeptanz- und Umsetzungsbarrieren frühzeitig abgebaut. Gründe, Verständnis, Bestandteile, Ablauf, Wirkungen/ Ergebnisse und Umsetzungsanforderungen von Six Sigma
• Strategisch-operative Bewertung
-
Blended Learning Master Black Belt-Training • Umfangreiche Projekterfahrung • Zusatzqualifizierung in Hard und Soft Skills
Soft Skills
Green Belt-Training • 5 x 2 Tage oder • 2 x 5 Tage und • Praktische Umsetzung im Unternehmen
- Projektmanagement - Teamtraining/ -führung - Kommunikation/ Moderation/ Präsentation - Konflikttraining
Black Belt-Training • 4 x 5 Tage und • Praktische Umsetzung im Unternehmen
Projekte
- Auswahl
- Durchführung - Coaching - Review
Web-basiertes Lernen
• Six Sigma Grundverständnis
Modular aufgebaute Tool-Box Fehlerkosten Six Sigma Konzept DMAIC/ DMADV Statist. Grundlagen FMEA SPC DOE QFD DFSS TRIZ
Präsenz-Lernen
Champion-Training
Zertifizierung nach Qualifizierung und Tests/ erfolgreichem Projektabschluss
Abbildung 3: Modulare Vernetzung der Six Sigma Qualifikationsinhalte
Nun zu den inhaltlichen Schulungsschwerpunkten für die einzelnen Six Sigma Akteure, die in Abbildung 3 aufgeführt sind: Der Champion bekommt einen Überblick über die wichtigsten Bestandteile der Tool-Box und zusätzlich eine größere Anzahl von durchgeführten Projekten vorgestellt. Der Green Belt erhält eine fundierte Unterweisung in die Tool-Box sowie zusätzlich auch ein Training in Projekten, zum Teil allerdings nur in der „Laborsituation“ des Seminars. Ergänzt wird dies durch die Vermittlung von Basiskenntnissen bei den Soft Skills. Im Vergleich hierzu wird der Black Belt in allen drei Bereichen, die im zweiten Kapitel inhaltlich noch näher ausgeführt werden, deutlich intensiver und breiter geschult, und er führt ein bis zwei Six Sigma Projekte selbstständig durch. Das Coaching und das Review in Form eines Projektberichts mit einer Bewertung werden vom Master Black Belt durchgeführt. Er hat die größte Erfahrung und die intensivste und breiteste Schulung erhalten. Im Zeitablauf nimmt – im Vergleich zur reinen Wissensvermittlung im Rahmen der Trainings bezogen auf das Pilotprojekt und anschließend bei der Durchführung von weiteren Six Sigma Projekten – die Bedeutung dieser projektbegleitenden
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
257
Unterstützung durch den Master Black Belt in Form eines intensiven Coachings deutlich zu. Denn Six Sigma zu verstehen und sich das notwendige Wissen anzueignen ist die eine Seite. Konkrete Projekte durchzuführen und vor allem auch vorzeigbare Projektergebnisse und -erfolge aufzuweisen ist die andere Seite. Dadurch steigt im Laufe des Trainings und der Six Sigma Umsetzung der Leistungsund Erfolgsdruck kontinuierlich an. Der Master Black Belt ist deshalb ein willkommener Mentor, mit dem man die geplante Vorgehensweise sowie Unklarheiten bei den einzusetzenden Methoden und erhaltenen Analyseergebnissen besprechen kann. Außerdem hat er die wichtige Vermittlerfunktion gegenüber dem Champion und unterstützt also den Green oder Black Belt auch in dieser Hinsicht. In einem „Sparring“ werden in regelmäßigen Zeitabständen die Projekte bzw. die Projektfortschritte präsentiert. Diese Reviews dienen dazu, dass ein Green oder Black Belt während seiner Ausbildung und seinem anschließenden Praxiseinsatz im Rahmen eines Six Sigma Projektes nicht „in eine falsche Richtung läuft“, sondern ziel- und ergebnisgerichtet arbeitet. Hierdurch bleibt nicht nur die Motivation erhalten, sondern zugleich werden auch Ressourcen geschont. Die Vermittlung der Inhalte erfolgt bei allen Qualifikationsstufen in Präsenzlernen. In jüngster Zeit setzt sich aus Kosten-, Zeit- und Akzeptanzgründen aber auch ein ergänzendes Web-basiertes Lernen immer mehr durch, auf das in einem späteren Abschnitt ebenfalls noch eingegangen wird. Diese Form des „gemischten Lernens“ als Blended Learning hat eine Reihe von Vorteilen. Nach der Qualifizierung, den bestandenen Tests und einem erfolgreichen Projektabschluss erfolgt in einer Reihe von Unternehmen eine formelle Zertifizierung. Sie ist sinnvoll und aussagefähig, wenn sie auf den mehr oder weniger allgemein anerkannten Six Sigma Standards basiert und damit einem Benchmarking stand hält. In der Unternehmenspraxis sieht dies gerade in letzter Zeit allerdings teilweise auch anders aus: Mit anderen Worten werden die Inhalte und Dauer von Six Sigma Schulungen als bewährte Praxis und Konvention nicht eingehalten. Von einigen Six Sigma Qualifizierungs- und Beratungsunternehmen werden Ausbildungskurse vor allem für Green und Black Belts angeboten, die deutlich kürzer und damit oberflächlicher sind, als die oben genannten Werte. So gibt es „TeilnahmeZertifikate“ für Green Belts nach drei bis fünf Tagen ohne jegliche Fallbearbeitung, auch nicht in der Laborsituation des Seminars, und für Black Belts nach ca. zehn Tagen ohne eine eigenständige Projektdurchführung. Zwei Gründe sind entscheidend, dass solche Kurse als „Lean Six Sigma Ausbildung“ im negativen Sinne des Wortes gebucht werden und damit die anbietenden Beratungsunternehmen am Markt „erfolgreich“ sind. Für die nachfragenden Unternehmen ist nicht selten bereits ein Zeit- und Handlungsdruck entstanden, manchmal auch durch harte Six Sigma Forderungen ihrer Kunden. Deshalb suchen sie nach einer Möglichkeit, eine Six Sigma Qualifizierung der Mitarbeiter deutlich schneller und dabei vor allem auch kostengünstiger zu realisieren. Die Frage ist nur, ob das für die konkrete Projektdurchführung erforderliche Six Sigma Qualifikationsniveau erreicht wird. In der Regel ist dies nicht der Fall, so dass die
258
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
vermeintlichen Vorteile auf das Unternehmen als Nachteile zurückschlagen: Weniger Wissen und nicht ausreichende Fähigkeiten für die Projektdurchführung führen dazu, dass in Angriff genommene Projekte scheitern oder zumindest nicht den angestrebten Return on Investment als erwarteten Net Benefit erbringen. Dies kann das gesamte Scheitern einer Six Sigma Initiative im Unternehmen zur Folge haben und damit generell der gesamten Six Sigma Philosophie in der Praxis mehr schaden als nutzen. Positive Effekte sind in der gegenteiligen Weise erreichbar: Eine fundierte Six Sigma Ausbildung der unterschiedlichen Akteure in abgestufter Form ist eine gute Basis, um die getätigte Trainingsinvestition schnell zu amortisieren und anschließend ein „verschlanktes“ Six Sigma als Lean Six Sigma projektorientiert und sehr zielgerichtet mit Erfolg zu praktizieren.
2
Modular-integriertes Schulungskonzept auf Basis des DMAIC-Zyklus
Der DMAIC-Zyklus ist Gegenstand jeder Six Sigma Schulung, allerdings mit stark unterschiedlichem inhaltlichen Tiefgang. Die Schulung ist dabei jeweils modular im Hinblick auf inhaltliche Teile und Bausteine. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass immer alle Phasen des DMAIC-Zyklus erläutert werden, um das Gesamtverständnis für die Durchführung von Six Sigma Projekten sicherzustellen. Die Kenntnisse über die Inhalte der einzelnen Phasen entsprechen der späteren Rolle und Aufgabenstellung in der Six Sigma Organisation. Damit ist zusätzlich auch die Stufenfolge der Qualifizierung in ihrer typischen Reihenfolge als Green Belt, Black Belt und Master Black Belt modular aufgebaut. Die Integration erfolgt dadurch, dass in Six Sigma Kursen mit aufsteigendem Qualifikationsniveau vertiefte Kenntnisse einzelner Phasen, Inhalte und Tools des DMAIC-Zyklus geschult und ab dem Green Belt Niveau auch Informationen und Beispiele zu Design for Six Sigma (DFSS) vermittelt werden. Dabei ist lediglich die Reihenfolge zwingend, so dass nur Master Black Belt werden kann, wer eine mindestens zweijährige Praxis als Black Belt mit einer ausreichend großen Anzahl an durchgeführten Projekten aufweist. Green Belt und Black Belt Trainings werden häufig parallel für unterschiedliche Zielgruppen durchgeführt, um so möglichst schnell eine größere Zahl qualifizierter Six Sigma Akteure im Unternehmen zu erhalten. Dieser Ansatz ist nach unseren Erfahrungen eher nicht zu präferieren. Wenn die Zeit es erlaubt, hat die Aufstockung einer absolvierten Green Belt Zertifizierung mit den ergänzenden Trainingsteilen, die ein Black Belt im Einsatz braucht, zum einen den Vorteil, dass das Praxisverständnis und der Praxisbezug der Teilnehmer in diesem zweiten Trainingsabschnitt ungleich höher sind. Zum anderen wird hierdurch aus Unternehmenssicht ein zweiter Auswahlprozess für die Rekrutierung von geeigneten Black
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
Woche 1 1 1.1 1.2 1.3 1.4
Einführung Entwicklung und Bedeutung von Six Sigma Six Sigma Philosophie – Vom realen zum statistischen Problem Projektorganisation und Qualifizierung von Akteuren Six Sigma Projektmanagement – DMAICÜberblick und -Konzeption
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4
Define-Phase Projektauftrag erstellen Projektcharter Meilenstein-Analyse Geschäftsprozess visualisieren SIPOC-Analyse Prozess-Diagramm Kundenanforderungen bestimmen VOC-CTQ-Analyse Kano-Modell Fragenkatalog und Checkliste
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3
Measure-Phase Messgrößen festlegen Process Mapping (Prozessanalyse) Operationale Definition Gage R&R (Messsystemanalyse) Daten sammeln Datenquellen und -arten Datensammelliste (Datenerfassung) Stichproben-Pläne (nach ISO 2859)
Woche 2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.5 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5
Analyse-Phase Ursachen analysieren Ishikawa-Diagramm Fehlerbaum-Analyse FMEA Pareto-Analyse Prozesse analysieren Flussdiagramme Zeitanalyse (DLZ) Wertschöpfungsanalyse (Value Stream Mapping) Informationsflussanalyse Prozesskostenanalyse
5.2.5 5.2.6 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4
Simulation Kosten-Nutzen-Analyse Lösungen implementieren Implementierungsplanung Pilotierung Gantt-Diagramm Stakeholder-Analyse Fragenkatalog und Checkliste
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.5
Control-Phase Soll-Prozess dokumentieren Dokumentation Flussdiagramm Prozess überwachen SPC – Statistische Prozesskontrolle Qualitätsregelkarten Prozessfähigkeitsanalyse Reaktionsplan erstellen Prozessmanagement Prozessdiagramme Verfahrensanweisung Net Benefit Analyse (Projektbewertung) Fragenkatalog und Checkliste
Woche 3 4.3 Daten analysieren 4.3.1 Streudiagramme 4.3.2 Regressionsanalyse 4.3.3 Logistische Regression 4.3.4 Korrelationsanalyse 4.3.5 Design of Experiments (DOE) 4.3.6 Statistische Tests 4.3.7 Varianzanalyse (ANOVA) 4.3.8 Kontingenzanalyse 4.4 Möglichkeiten quantifizieren 4.4.1 Potenzial-Analyse 4.4.2 Response Surface Methoden 4.5 Fragenkatalog und Checkliste 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4
Improve-Phase Lösungen generieren Brainstorming und Varianten 6-3-5 – Methode Morphologischer Kasten TRIZ Lösungen auswählen N/3 – Methode Kriterienbasierte Auswahl Platzziffernverfahren Paarvergleich
Variation bestimmen Darstellung von Prozessvariation Arten von Verteilungen Test auf Normalverteilung Alternativen bei nicht normalverteilten Daten Sigma-Wert berechnen (Statistische Prozesskennzahlen) Fehlerrate (PPM) und Fehlerquote (DPMO) Maschinenfähigkeitsindex Prozessfähigkeitsindex Ausbeute bei einzelnen und vernetzten Prozessen (Komplexität) Prozess-Sigma (Sigma-Wert) Fragenkatalog und Checkliste
Woche 4
© Prof. Dr. Armin Töpfer
Abbildung 4: DMAIC-Inhalte des Black Belt Trainings (allgemein)
259
260
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
Belts erreicht. Darüber hinaus ergibt sich ein zusätzlicher finanzieller Vorteil für das Unternehmen: Die angehenden Black Belts führen im Rahmen ihrer Ausbildung zum Green und Black Belt jeweils bereits zwei Trainingsprojekte mit positivem Net Benefit durch. Abbildung 4 zeigt die typischen Inhalte eines vierwöchigen Black Belt Trainings, soweit sie sich auf den DMAIC-Zyklus beziehen. Ergänzt wird diese Hard Facts Qualifizierung durch die in Abbildung 3 angesprochene Soft Facts Qualifizierung, die je nach übernommener Rolle dazu befähigt, den mit Six Sigma einhergehenden Veränderungsprozess durch das eigene Verhalten erfolgreich zu gestalten. Nicht nur alle diese Inhalte, sondern auch ihre modulare Aufteilung nach Inhaltsblöcken sind bis heute allerdings nicht standardisiert. Dies liegt vor allem im unterschiedlichen Anwendungsniveau von Qualitätsmanagement-Techniken/-Konzepten in Unternehmen begründet, das sowohl von Branche zu Branche als auch zwischen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen stark variieren kann. In Abbildung 5 ist der typische Ablauf des DMAIC-Zyklus wiedergegeben, wie er von uns in der Schulung trainiert und in konkreten Six Sigma Projekten angewendet wird. Im Folgenden fließen deshalb die Erfahrungen aus einer Vielzahl von Trainings und Six Sigma Projekten in Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen ein. Define tjek Pro arter Business Case ch
Probleme und Ziele
Control Monitoring der Prozessleistung
Reaktionsplan x1 x1
Projektrahmen
SIPOC
Measure
Meilensteine
Outputmessgrößen
VOC
Kernthema
CTQ
Datensammelplan
CTQ Komplexität
few Vital
Gage R&R
Referenzx leistung
Prozessdokumentation
Improve Lösungen generieren Kosten-/ Nutzenanalyse Outputsimulation
Design des Sollprozesses Entwicklung von Hypothesen Auswahl der optimalen Variante
s
Analyse Prozess- und Zeitanalyse
Ishikawa
Datenanalyse
FMEA
Design of Experiments
Input- und Prozessvariable Outputmessgrößen
Input- und Prozessmessgrößen
Wertschöpfungsanalyse
RPZ= A*B*E x1 x2 y= f(x ,x )n 1 ,...,x 2
y
Statistische Tests (Korrelation,
Regression, Varianz)
© Prof. Dr. Armin Töpfer
Abbildung 5: M+M Six Sigma DMAIC-Zyklus
Das Ziel ist, die Teilnehmer der verschiedenen, modular aufgebauten Trainings mit der immer identischen Denkweise von Six Sigma vertraut zu machen. Wie eingangs bereits angesprochen wurde, geht es darum, ein gravierendes Problem in
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
261
der Praxis genau zu beschreiben und zu messen (Define- und Measure-Phase) sowie mit Hilfe der Messgrößen und Kennzahlen in seinem Ausmaß statistisch genau zu determinieren. Anschließend besteht die Aufgabe darin, das „statistische Problem“ mit geeigneten Methoden einzugrenzen, zu lösen und diese Lösung auf die Realität zu übertragen. Die zentrale Phase des DMAIC-Zyklus ist deshalb die Analyse der Problemursachen auf statistischer Ebene (Analyse-Phase). Die statistische Lösung wird in der Improve-Phase ausgearbeitet und verfeinert sowie anschließend in der Control-Phase in die Realität überführt und qualitätsgesichert. Im Weiteren wird auf die Logik und einige Inhalte des DMAIC-Zyklus anhand der Abbildung 5 detaillierter eingegangen, wie sie im Training vermittelt und in konkreten Projekten absolviert werden. Die einzelnen Werkzeuge und Instrumente können dabei noch einmal in Abbildung 4 nachvollzogen werden (als spezifische Six Sigma Publikationen mit weitgehend isolierten Fallbeispielen als MethodenGlossar siehe z.B. Pande et al. 2001, Magnusson et al. 2004, Harry/Schroeder 2005, Rehbehn/Yurdakul 2005; für detaillierte statistische Methoden-Beschreibungen siehe z.B. Backhaus et al. 2006 und Breyfogle 2003; für wichtige Six Sigma Tools im Überblick siehe z.B. Rath & Strong (Hrsg.) 2002). In der Define-Phase wird das in der Praxis erkannte gravierende Problem als Business Case zu einem Projekt nominiert und in der Projekt Charter möglichst exakt ausformuliert. Sie umfasst Details zum Problemhintergrund und zur Zielsetzung, die anhand der drei Kriterien Qualität, Zeit und Kosten präzisiert werden. Der Projektrahmen und die Meilensteine legen fest, welche Vorgänge zum Projekt gehören, wer die Projektakteure sind, welche Ressourcen zur Verfügung stehen und welche Zwischenergebnisse bei der terminierten Projektlaufzeit erwartet werden. Mit der SIPOC-Analyse (Supplier-Input-Process-Output-Customer) wird – ausgehend vom Kunden – in einfacher Form eine Prozessanalyse zur Vergrößerung der Transparenz und Eingrenzung des Problems durchgeführt. Inhaltlich werden die Anforderungen dadurch präzisiert, dass die „Stimme des Kunden“ (Voice of the Customer) auf zentrale Themen zurückgeführt und zu den kritischen Qualitätsanforderungen als Erfolgsfaktoren (Critical to Quality Characteristics) verdichtet werden (siehe zu einem detaillierten Beispiel „Six Sigma in Banken und Versicherungen“ von Töpfer in Kapitel C). In der Measure-Phase werden, basierend auf dem SIPOC, für die CTQs die maßgeblichen Outputmessgrößen bestimmt, anhand derer die Ausgangssituation als Referenzleistung des aktuellen Prozesses möglichst genau quantifiziert werden kann. Um beim Messen Fehler auszuschließen, wird die Genauigkeit des Messsystems mit einer sog. Gage R&R selbst überprüft. In dieser Phase lernen die Trainingsteilnehmer mit wichtigen Kenngrößen, wie der Fehlerquote als DPMO (Defects Per Million Opportunities) und der Fehlerrate als PPM (Parts Per Million) für diskrete Merkmale sowie der Prozessstreuung als Cp-Wert und der Prozessfähigkeit als Cpk-Wert für stetige Merkmale, umzugehen. Um unterschiedliche Messansätze in verschiedenen Prozessen bzw. Sachverhalten zur Bestimmung von Fehlerhäufigkeiten unmittelbar vergleichen zu können, erwerben die Trainingsteil-
262
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
nehmer die Fähigkeit, den Sigma-Wert als zentrale statistische Kennzahl für das erreicht Qualitätsniveau zu ermitteln (vgl. Günther 2003, S. 1). Die Analyse-Phase hat anschließend zur Aufgabe, die Ursachen für die aufgetretenen Qualitätsprobleme auf der Basis einer genauen Datenanalyse zu erkennen. Die Outputmessgrößen werden deshalb – nach wie vor in umgekehrter Prozessrichtung – über die Prozess- und Inputvariablen auf Prozess- und Inputmessgrößen zurückgeführt. Das Ziel ist, über die Funktion y = f(xi) eine detaillierte UrsachenWirkungs-Analyse als Abbild der Realität zu erhalten. Hierzu werden eine Reihe von bekannten analytischen und statistischen Instrumenten eingesetzt und geübt, wie z.B. Ishikawa-Diagramm, FMEA, Regressionsanalyse, Design of Experiments (DOE) und statistische (Hypothesen-)Tests. Dabei wird in dem analysierten Prozessabschnitt zwischen wertschöpfenden, unterstützenden und nicht wertschöpfenden Aktivitäten unterschieden. In der Improve-Phase stehen das Finden, Testen und Umsetzen der optimalen Lösung bzw. Variante im Vordergrund. Trainiert wird hier auch die Anwendung von Kreativitätstechniken, um durch „Querdenken“ neuartige Lösungsprinzipien zu finden. Auf der Basis formulierter Hypothesen als möglichen bzw. plausiblen Ursachen-Wirkungs-Beziehungen lernen die Trainingsteilnehmer in dieser Phase, kontrollierte Outputsimulationen für den angestrebten Sollprozess durchzuführen. Wenn die Fehlerursachen gezielt behoben und die prozessbezogenen Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet wurden, sind die Prozessergebnisse in der ControlPhase zu dokumentieren und über die Zeit zu „monitoren“. Zusätzlich wichtig ist ein Reaktionsplan, der die zulässigen Toleranzen in den einzelnen Prozessphasen definiert und Maßnahmen bei Abweichung als Eskalationsprozess festschreibt. Im praxisbezogenen Training wird wie in der realen Projektanwendung so vorgegangen, dass der Six Sigma DMAIC-Zyklus nicht nur einmal linear durchlaufen wird, sondern je nach Datenlage, erkannten Ursachen und angestrebten Analysen auch wieder in vorgelagerte Phasen zurückgesprungen wird. So lässt sich mitunter die Projektcharter erst dann definitiv und präzise festlegen, wenn nicht nur die Measure-Phase durchlaufen, sondern auch die Analyse-Phase begonnen wurde. Bezogen auf die Denkweise und die vier angesprochenen Stufen von Six Sigma, nämlich reales und statistisches Problem sowie statistische und reale Lösung, zeigt die Zuordnung der fünf Phasen des DMAIC-Zyklus, dass die Measure-, Analyseund Improve-Phase mehrere Stufen abdecken. Dieser Sachverhalt der Vernetzung und Überlagerung, wie er in Abbildung 6 skizziert wird, ist den Trainingsteilnehmern anhand konkreter Beispiele zu vermitteln.
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
263
Eine vergleichbare Vorgehensweise liegt auch dem entwicklungsbezogenen DMADV-Zyklus für Neuprodukte im Design for Six Sigma zugrunde. Die Aufgabe besteht im Training und in der Umsetzung darin, ein Neuprodukt von Anfang an so zu entwickeln und umzusetzen, dass Null-Fehler-Qualität nicht nur begünstigt, sondern auch erreicht wird. Im Vergleich zum DMAIC-Zyklus zur Verbesserung der aktuellen Prozessleistung und damit der Kundenzufriedenheit geht es hier nicht um Operationen, Transaktionen bzw. Produkte in hoher Stückzahl, sondern um ein einziges Neuprodukt, allerdings in der Vorphase mit einer Reihe von Alternativen bzw. Optionen. Dadurch wird der Schwerpunkt der zu trainierenden Instrumente zum Teil anders gelegt, wie beispielsweise bei QFD, TRIZ, FMEA und DOE. Unterschiedlich sind die vierte und fünfte Phase: Statt der ImprovePhase wird die Design-Phase trainiert, bei der das Neuprodukt in seiner Konfiguration endgültig entworfen bzw. entwickelt wird. Die fünfte Phase hat nicht die Control-Funktion zum Gegenstand, sondern die Verify-Aufgabe, bei der es darum geht, die angestrebte Produktqualität durch stabile Prozesse zu sichern.
Reales Problem
Beschreibung von Größe und Auswirkung
Statistisches Problem
Statistische Lösung
Prozesscharakterisierung in Bezug auf - Lage - Streuung
Reale Lösung
Erarbeitung und Ableitung der Umsetzung von wesentlichen VerbesserungsFaktoren mit - Einfluss auf Lage maßnahmen - Einfluss auf Streuung
Define-Phase Measure-Phase Analyse-Phase Improve-Phase Control-Phase
Abbildung 6: Die Denkweise von Six Sigma im DMAIC-Zyklus
Neben allen wichtigen Instrumenten und Werkzeugen, welche die Trainingsteilnehmer „intellektuell“ verstehen müssen, kommt es bei diesem Training insbesondere für Green und Black Belts darauf an, die Realität nachzustellen. Dies bedeutet konkret, dass auch bereits in der Laborsituation des Trainings der Problemdruck zu spüren sein muss wie in den konkreten Praxisprojekten. Deshalb ist es – nicht nur zur Auflockerung – wichtig, mit den Teilnehmern in mehreren Gruppen Fallübungen durchzuführen. Hierzu gehören vor allem die Übungen
264
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
•
„General Mail“, bei dem ein zentral gesteuerter Versandprozess von Normalund Expresssendungen von mehreren Absendern an mehrere Empfänger mit unterschiedlich guten Prozessabläufen durchgespielt und gemessen wird;
•
„Katapult-Schießen“, bei dem in statistischen Datenreihen die Schussweiten ermittelt werden unter Variation des Schützen, der Bälle und des Abschusswinkels, um auf diese Weise den Einfluss unterschiedlicher Ursachen auf das Weitenergebnis erkennen und berechnen zu können;
•
„Propeller-Flug“, bei dem ein Rotor mit unterschiedlichen Flügel- und Schaftlängen sowie Anstellwinkeln konstruiert, in Versuchsreihen erprobt und im Hinblick auf die ergebnisbezogenen Einflussfaktoren analysiert sowie mit dem Ziel der längsten Flugdauer optimiert wird.
Diese praktischen Übungen am konkreten Fallbeispiel haben mit dem anschließend in der Unternehmenspraxis behandelten Six Sigma Problem in der Regel nichts zu tun. Aber sie helfen ungemein, den Datenerhebungs-, Datenanalyse- und Datenbewertungsprozess zu erleben, zu beherrschen und dann auch auf das anstehende reale Unternehmensproblem übertragen zu können. Zugleich wird Teamarbeit trainiert, und bei der „General Mail“ Fallübung wird ein suboptimaler Wertschöpfungsprozess aus Kundensicht fehlerfrei gestaltet und damit optimiert, so dass hier ein gesamtes Six Sigma Projekt durchlaufen wird. Die Fallübungen sind damit ein wichtiger Bestandteil dieser Six Sigma Trainings. Im Rahmen der Datenanalyse kann bei diesen einfachen praktischen Übungen am konkreten Fallbeispiel der Einsatz von Anwendungssoftware für die unterschiedlichen statistischen Auswertungs-, Analyse- und Bewertungsmethoden trainiert werden. Zur Verfügung stehen spezielle Statistik-Softwarepakete für Six Sigma, z.B. JMP von SAS, Minitab 14 von Minitab oder Statistica von StatSoft. Entscheidend für die Akzeptanz der unterschiedlichen Softwareprogramme ist vor allem die Einfachheit und Klarheit der Benutzerführung neben den graphischen Darstellungsmöglichkeiten und ihren Erklärungen bzw. Annotierungen. Die Statistikprogramme der oben genannten Anbieter verfügen beispielsweise alle über eine Six Sigma Menüleiste, von der aus die wesentlichen Six Sigma Tools – geordnet nach Phase und Projektstatus – direkt aufgerufen werden können. Wie die Erfahrung zeigt, kann auf diese Weise, die bei vielen Six Sigma Akteuren bestehende „Statistik-Hürde“ genommen werden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass insbesondere Green Belts und Black Belts in der Auswahl und Anwendung geeigneter statistischer Methoden deutlich sicherer werden, so dass in konkreten Projekten das zu lösende Problem und die dabei geeignete Vorgehensweise im Vordergrund stehen und nicht das Handling und Verstehen von StatistikSoftware.
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
3
265
Analysemodell zur Bewertung von Six Sigma Trainings und Projekten
Grundsätzlich stellt sich die Frage, welchen Nutzen Six Sigma Trainings und Projekte bewirken. Diese Frage ist nicht nur generell sinnvoll, sondern im speziellen Fall einer Six Sigma Initiative elementar, da mit der Durchführung von Trainings und Projekten i.d.R. hohe Kosten verbunden sind. Die Aufgabenstellung geht also dahin, den Return dieses Investments zu ermitteln und zu berechnen (für die Ermittlung der Kosten und des Nutzens des Qualitätsmanagements und von Six Sigma siehe z.B. Bruhn 1999, Pfeifer et al. 2003 und Schmieder 2003). Wie bereits an früherer Stelle angesprochen wurde, existiert bisher noch ein uneinheitliches Niveau der Six Sigma Qualifizierungsmaßnahmen in der Praxis, da keine einheitlichen Standards festgelegt wurden. Die Six Sigma Ausbildung ist bisher der Initiative jedes einzelnen Unternehmens überlassen, weil keine Institution für eine einheitliche Standardisierung existiert. In der Vergangenheit war bei einer überschaubaren Anwenderzahl von Six Sigma die Individualität der Ausbildungsprogramme eher kein Nachteil. Wenn – wie in jüngster Zeit – die Zahl der Six Sigma Unternehmen zunehmend steigt, da die Kunden häufig von ihren Lieferanten Null-Fehler-Qualität auf Six Sigma Niveau fordern, besteht die Gefahr einer Verwässerung der Qualifizierungskonzepte, um die Kosten der Schulung zu reduzieren und vor allem in kurzer Zeit eine größere Anzahl „qualifizierter“ Six Sigma Akteure auf Green Belt, Black Belt und Champion Niveau vorweisen zu können. Wie beschrieben, schaffen sich die Unternehmen damit ein Problem, denn Zeit- und Kostenvorteile dieser schlanken Qualifizierung stehen im umgekehrten Verhältnis zur erzielbaren Wirksamkeit der Six Sigma Projekte. Mit anderen Worten lassen sich erfolgreiche und vor allem ertragreiche Projekte nur deutlich seltener und schwieriger realisieren. Erforderlich wäre deshalb, dass von den Unternehmen und ihren Six Sigma Akteuren – im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung – die vereinbarten Standards eingehalten werden. Der Vorteil eines derartigen Code of Conduct liegt auf der Hand: Nicht nur die inhaltlichen Six Sigma Qualifizierungsmaßnahmen selbst wären unmittelbar und damit besser vergleichbar, sondern auch die personenbezogenen Qualifizierungsergebnisse in Form der unterschiedlichen BeltGrade. Gegenwärtig sind wir aber von einem derartigen Verhaltenskodex im Sinne einer „Six Sigma Corporate Governance“ noch weit entfernt. Die Zeitdauer und Inhalte sind bei einzelnen Qualifikationsgraden in der Praxis stark unterschiedlich und werden auch bei Green Belt und Black Belt Trainings mit und ohne konkrete Six Sigma Projekte durchgeführt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Diese Aussage bezieht sich nicht auf die „Kerngemeinde“ der langjährigen Six Sigma Anwender. Hier besteht ein relativ einheitliches und hohes Ausbildungsniveau, das bestimmte Grundstandards einhält.
266
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
Die Wirtschaftlichkeit und die Wirksamkeit eines intensiven Six Sigma Trainings und „guten“ Six Sigma Projekts lässt sich anhand von drei Kategorien bewerten: •
Produktbezogen in der Reduzierung der Varianten und damit der Komplexität, in der Fehlerreduzierung, also Qualitätssteigerung, und in der Produktivitätserhöhung
•
Liquiditätsbezogen in der Verkürzung der Durchlaufzeit und damit der gesamten „Time to Market“ des Wertschöpfungsprozesses, in der Fehlerkostensenkung und in der Erhöhung der Gewinnmarge pro Einheit
•
Erfolgsbezogen in der Steigerung der Kundenzufriedenheit, in der dadurch möglichen Umsatz- und Gewinnsteigerung des Unternehmens sowie insgesamt in der Unternehmenswertsteigerung.
Die erreichten Ergebniswirkungen eines Six Sigma Projektes sind den Kosten der Qualifizierung und der Projektdurchführung gegenüberzustellen und kennzeichnen den realisierten Net Benefit. Es versteht sich von selbst, dass erfolgte Schulungsmaßnahmen sich über eine größere Anzahl von Projekten amortisieren. Unter Liquiditätsgesichtpunkten müssen sie jedoch relativ kurzfristig in wenigen Projekten zurückverdient werden. Die Berechnung der Ergebniswirkungen beschränkt sich ausschließlich auf Hard Facts, also quantifizierbare Ergebnisse, welche die Liquidität und/oder den Erfolg unmittelbar steigern, und zwar nur in einem Wirkzeitraum von i.d.R. 12 Monaten nach Projektabschluss. Auf dieser Basis lässt sich in einer Kosten-Nutzen-Analyse der Net Benefit von Six Sigma Projekten unter zu Grundelegung der Qualifizierungs- und Projektdurchführungskosten relativ leicht berechnen und dabei auch der Break-Even-Point auf der Zeitachse bestimmen. Diese Aussagen beziehen sich auf die Prozessverbesserung durch Six Sigma Projekte mit dem DMAIC-Zyklus. Anders gelagert ist die Wirkungsermittlung bei Design for Six Sigma Projekten. Da es sich hierbei um die Neuproduktentwicklung handelt und Prozesse mit einer hohen Anzahl von Transaktionen bzw. Einheiten noch nicht vorliegen, lassen sich nachvollziehbare Liquiditäts- und Erfolgswirkungen (noch) nicht ermitteln. Berechenbar ist jedoch die Qualitätssteigerung durch die Vermeidung von Problemen im Sinne von Fehlern in der Produktentwicklung mit dem DMADV-Zyklus. Als Erfahrungswert gilt, dass mit DFSS-Projekten die „5-Sigma-Wand“ durchbrochen werden kann und ein 6σ-Niveau als Qualitätssteigerung bei gleichzeitiger Reduzierung der zukünftigen qualitätsbezogenen Kosten erreicht werden kann. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass sich DFSS-Projekte nach den üblichen Ergebnisgrößen nicht in ihrer Effizienz und Effektivität berechnen lassen, wohl aber mit den Six Sigma Kennzahlen. Für die Schulung hat dies in der Weise Konsequenzen, dass ein Training in DFSS auch ohne quantitativen Nachweis des Net Benefit zielführend und damit wirkungsvoll ist. Es wird aber grundsätzlich erst auf einem DMAIC-Training aufsetzen können.
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
267
Wesentliche Bedeutung kommt der direkten Erfolgsmessung der Schulungsmaßnahmen zum Abschluss als Grundlage für eine Zertifizierung als Green, Black oder Master Black Belt zu. Hiermit werden Wissen, Verständnis und Transferfähigkeit auf eine Problemsituation abgeprüft. In der M+M Six Sigma Akademie® verwenden wir deshalb einen Katalog mit „500 Fragen zu Six Sigma“. Sie sind nach unterschiedlichen Sachbereichen und Prozessphasen gegliedert und in ihrem Schwierigkeitsgrad jeweils einem Qualifizierungsniveau zugeordnet. Es gibt also spezielle Fragen für Green Belts, Black Belts und Master Black Belts, wobei ein jeweils höheres Qualifikationsniveau alle Testfragen der darunter liegenden Qualifizierungsstufen einschließt. Da alle Fragen mit allen Kennzeichnungen und den (richtigen und falschen) Antworten für Multiple Choice Tests elektronisch gespeichert sind, lassen sich für einzelne Trainings am Schluss der Qualifizierung Tests im Umfang von 75 Fragen nach dem Zufallsprinzip auswählen, die nach den einzelnen Sachbereichen und Prozessphasen kombiniert sind, also z.B. je 45 % Statistik- und Projekt-Fragen sowie 10 % Soft Skills-Fragen für ein Green Belt Zertifikat. Abbildung 7 zeigt auszugsweise die Art und das Niveau eines derartigen Wissenstests. Gerade bei den Statistikfragen erfordert die Beantwortung vertieftes Wissen. Dies ist ein Grund dafür, warum Six Sigma als statistisches Messkonzept auf Vorbehalte in der Praxis trifft, auch wenn die Philosophie und das Projektmanagementkonzept verstanden und akzeptiert werden. In den Qualifizierungskursen gehen wir nicht zuletzt aus diesem Grunde so vor, dass neben den Inhalten des Kurses allen Teilnehmern – ähnlich wie bei der Führerscheinprüfung – die gesamte für sie relevante Fragenbatterie vor dem Test zur Verfügung gestellt wird. Dies geschieht allerdings ohne direkt zugeordnete Antworten, da während des Tests der Laptop und die Trainingsunterlagen verwendet werden dürfen. Das Vorgehen entspricht der realen Situation, dass nämlich in einem Six Sigma Projekt Wissen nicht auswendig memoriert werden muss, sondern ebenfalls vorhandene Unterlagen eingesehen werden können. In den Tests werden allerdings die Antwortkategorien, z.B. in Multiple Choice oder Lückentext-Fragen, von der Art, vom Inhalt und der Reihenfolge her im Zeitablauf variiert. Gleiches gilt für die Fragenformulierungen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Inhalte verstanden und beherrscht werden müssen, da ein standardisiertes und immer wiederkehrendes Antwortmuster – auch bei einer Speicherung aller Fragen auf dem Laptop – nicht gegeben ist. Dies entspricht ebenfalls in stärkerem Maße der realen Six Sigma Situation. Die Konzeption der Tests sieht jeweils so aus, dass auf der Basis von Wissensfragen theoretische Grundlagen abgefragt werden und dann – mit zunehmendem Qualifikationsniveau – immer tiefer gehende Anwendungsfragen gestellt werden. In der Konsequenz werden also eher weniger Wissensfragen gestellt, sondern deutlich mehr Verständnis- und Anwendungs-/Transferfragen. Der Test gilt als bestanden, wenn mehr als 50 % der Fragen richtig beantwortet worden sind.
268
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
1) Was ist die Mindestanforderung an eine Gage R & R für stetige Daten? ( ) 3 Datenerfasser und 10 Teile ( ) 2 Datenerfasser und 10 Teile ( ) 3 Datenerfasser und 30 Teile ( ) 2 Datenerfasser und 20 Teile 2) Wie lautet die Nullhypothese bei einem Test auf Normalverteilung? ( ) Die Daten sind normalverteilt ( ) Die Daten sind nicht normalverteilt ( ) Die Standardabweichungen der Daten sind normalverteilt ( ) Die transformierten Daten sind normalverteilt 3) Sie erhalten nach der Durchführung eines Tests auf Normalverteilung einen Signifikanzwert p von 0,12. Was bedeutet dieser Wert? ( ) Die gemessenen Ist-Werte folgen einer Normalverteilung ( ) Die gemessenen Ist-Werte folgen der Weibullverteilung, da sie in Exponentialform vorliegen ( ) Wenn diskrete Daten erfasst wurden, dann sind diese nicht normalverteilt ( ) Die gemessenen Ist-Werte folgen einer Binomialverteilung 4) Die Irrtumswahrscheinlichkeit bzw. das Risiko für eine Behauptung, dass zwei Prozessmittelwerte nicht gleich sind, obwohl dies in Wirklichkeit zutrifft, bezeichnet man als ( ) Alpha-Fehler ( ) Beta-Fehler ( ) Optimale Stichprobengröße ( ) Rückweisewahrscheinlichkeit 5) Für die Wahl des „richtigen“ Stichprobenumfangs sind die drei Aspekte wie folgt zu berücksichtigen: ( ) Stichprobenanweisung, Wirtschaftlichkeit, Abnehmerrisiko ( ) Sicherheit, Zuverlässigkeitsforderungen, Strategische Vorgaben ( ) Wirtschaftlichkeit, Risiko, Genauigkeit ( ) Granularität, Risiko, Lebensdauer 6) Die Aussage: „Die Spezifikationsgrenzen und Eingriffsgrenzen einer Regelkarte sind identisch“ ist ( ) Wahr ( ) Falsch 7) Was schließen Sie aus einem Cp-Wert von 1,5 und einem Cpk-Wert von 1,05? ( ( ( (
) ) ) )
Der Prozess ist beherrscht Der Prozess ist stabil, weil Cp größer ist als Cpk Der Prozess muss bezüglich seiner Lage korrigiert werden Der Prozess muss bezüglich Lage und Streuverhalten korrigiert werden
8) Zur Überprüfung der Varianzengleichheit zweier Stichproben verwendet man den F-Test. ( ) Wahr ( ) Falsch 9) Ermitteln Sie die Gesamtausbeute (RTY – Rolled Throughput Yield) der folgenden vier seriell laufenden Prozessschritte mit einer Ausbeute von A = 91 %, B = 92 %, C = 86 % und D = 96 %. 10) Sie haben im Rahmen einer Prozessuntersuchung folgende Daten zusammengestellt: 45 Fehler, 7 Fehlermöglichkeiten, 95 produzierte Einheiten. Was ergibt sich für ein DPMO- und Sigma-Wert? ( ) DPMO = 465.700 und Sigma = 2,8 ( ) DPMO = 563.000 und Sigma = 3,5 ( ) DPMO = 185.000 und Sigma = 4,5 ( ) DPMO = 67.669 und Sigma = 3,0 © Prof. Dr. Armin Töpfer
Abbildung 7: Auszug eines M+M Six Sigma Wissenstests
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
269
Auf der Grundlage bestandener Tests werden dann Zertifikate der M+M Six Sigma Akademie® für diesen Teil der Qualifizierung ausgestellt. Vom Green Belt an aufwärts wird dieser Wissens- und Verständnistest ergänzt durch Six Sigma Projekte und die dazugehörigen Projektberichte und Reviews mit einer zusätzlichen Projektabschlusspräsentation im Umfang von ca. 30 Minuten. Dieses Konzept zur Zertifizierung wird auch anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt, deren Six Sigma Akteure bereits früher und anderen Orts qualifiziert wurden und die jetzt im Hinblick auf den zukünftigen Projekterfolg das erforderliche Qualifikationsniveau ihrer Mitarbeiter absichern bzw. auffrischen wollen. Insofern entspricht dieses Vorgehen einer „Re-Zertifizierung“. Denn die Unternehmen erhalten durch die bestandenen Tests der M+M Six Sigma Akademie® die Gewissheit, dass ihre Sigma Belts ein verglichen mit anderen Unternehmen äquivalentes, und zwar hohes Qualifikationsniveau aufweisen. Dabei steht wiederum nicht das formale Wissensniveau im Vordergrund, sondern die damit verbundene Fähigkeit, reale Unternehmensprobleme mit Six Sigma Projekten lösen zu können. Im Rahmen der Zertifizierung sollen bei den einzelnen Qualifikationsstufen folgende Ziele erreicht und entsprechende Ergebnisse überprüft werden: •
Champions verstehen die Philosophie von Six Sigma sowie die Grundzüge des Methodenwissens ohne erschöpfende Detailkenntnisse. Dafür können sie aber die Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten auf der Grundlage praxisbezogener Problemstellungen gut beurteilen und verfügen als Führungskräfte damit auf der Basis von Projektbeispielen über konkretes Six Sigma Umsetzungswissen für später anstehende Projektentscheidungen. Tests sind für diese Führungskräfte üblicherweise nicht vorgesehen, sondern die Erfolgskontrolle erfolgt an Hand von gemeinsam gelösten Aufgabenstellungen.
•
White Belts und Yellow Belts bekommen durch die kurzen Einführungsveranstaltungen ein Grundverständnis über die Philosophie und den Projektablauf von Six Sigma vermittelt. Hierzu gibt es keine Tests und hierüber werden dann auch keine Zertifikate ausgestellt.
•
Green Belts können auf der Basis ihrer Six Sigma Kenntnisse über den Projektablauf und die einzusetzenden Tools sowie auf der Basis ihrer Projekterfahrungen während der Schulung, und zwar in der Labor- und Anwendungssituation, kleinere Six Sigma Projekte unter Supervision eines Black Belts selbständig durchführen.
•
Black Belts verfügen aufgrund ihres vertieften Methoden- und Statistikwissens über ausreichende Fähigkeiten, um selbständig Six Sigma Projekte durchführen zu können. Durch das zusätzliche intensivere Training der weichen Faktoren für Kommunikation, Führung und Teamarbeit sind sie in der Lage zur eigenen Projektsteuerung.
•
Master Black Belts verfügen über die Fach- und Führungskompetenz, um mit Champions als Auftraggeber für Six Sigma Projekte zu verhandeln. Zugleich
270
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
steuern und coachen sie die Black Belts und Green Belts in ihrem Projekteinsatz. Dadurch sind sie in den Auswahlprozess geeigneter Six Sigma Projekte und auch geeigneter Akteure aktiv einbezogen. Zusammenfassend sind noch einmal die Aktivitäten wiedergegeben, wie sie zum Beispiel auch das Leistungsspektrum der M+M Six Sigma Akademie® umfassen. Eine entsprechende Broschüre mit aktuellen Trainingsterminen und Six Sigma Events ist als Download im Internet unter www.six-sigma-akademie.de verfügbar (siehe Abbildung 8). Alle angebotenen M+M Six Sigma Trainings/Seminare basieren auf dem Standard der American Society for Quality (ASQ). Das Leistungsspektrum wird dahingehend laufend erweitert und unter neuesten Erkenntnissen ergänzt und zwar insbesondere in Bezug auf: •
Trainings für unterschiedliche Six Sigma Qualifikationen, überwiegend an Hand praktischer Six Sigma Projekte
•
Intensiv-Training für den projektbezogenen Einsatz von Statistik-Tools mit Statistik-Softwarepaketen anhand konkreter Anwendungsbeispiele
•
Six Sigma Projektdurchführung begleitet durch Training, speziell für Green Belts und Black Belts
•
E-Learning Einheiten speziell zur Schulung von Statistik-Tools im Rahmen von Blended Learning Konzepten
•
Training von Soft Skills für Führung, Teamarbeit, Kommunikation, Moderation und Präsentation von Six Sigma Projekten
•
Projekt-Coaching und -Review
•
Training von Kreativitätstechniken/Techniken der strukturierten Problemlösung mit TRIZ als spezielle Ergänzung insbesondere bei DFSS
•
Spezifische Tests für unterschiedliche Six Sigma Qualifikationsstufen
•
(Re-)Zertifizierung von Six Sigma Qualifikationen
•
Erfahrungsgruppen von branchenspezifischen und branchenübergreifenden Six Sigma Anwendern sowie mittelständischen Unternehmen.
Wichtig ist in der konkreten Unternehmenssituation, dass aus dieser „Six Sigma Cafeteria“ – in Abhängigkeit von den spezifischen Anforderungen des Unternehmens und der vorgesehenen Strategie zur Einführung und Umsetzung von Six Sigma – die Bausteine ausgewählt werden, die in ihrer Vernetzung und Integration den Gesamterfolg der Six Sigma Initiative sicherstellen. Dabei geht es also nicht nur um die „Erstausstattung“ mit Six Sigma Wissen, sondern auch um die kontinuierliche Verbreiterung und Steigerung des Six Sigma Wissensniveaus im Unternehmen. Diese beziehen sich auf die einzelnen Qualifikationsstufen, die Verbesserung des gesamten Management- und Mitarbeiterniveaus, den Aufbau einer Datenbank im Unternehmen mit spezifischen Wissensbausteinen zu Six Sigma, die
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
271
Bewertung des eigenen Status verglichen mit Benchmark-Unternehmen der eigenen Branche, also mit dem Best in Class, und mit generellen Business Excellence Unternehmen für Null-Fehler-Qualität, also dem Best Practice Standard. Zusätzlich wichtig ist auch der Erfahrungsaustausch mit anderen „Normalanwendern“ von Six Sigma. Generell gilt auch und insbesondere für Six Sigma der klassische Satz von Benjamin Britten: „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom, sobald man aufhört, treibt man zurück.“
We promote excellence®
M+ M Six Sigma Training 2007
6ı
Trainings für • Manager • Champions • Green Belts • Black Belts • Master Black Belts mit konkreten Praxisfällen
M+ M Six Sigma Akademie
®
www.six-sigma-akademie.de
Abbildung 8: Die M+M Six Sigma Trainingsbroschüre (Beispiel)
4
Steigerung der Effizienz und Verkürzung des Einführungsprozesses durch E-Learning
Abschließend gehen wir noch einmal detaillierter auf den Einsatz von E-Learning im Rahmen der Einführung von Six Sigma ein. Aus unserer Sicht und aufgrund unserer Erfahrungen sind Web-basierte Lerneinheiten für Six Sigma aus den folgenden Gründen besonders geeignet. •
Das Training von Six Sigma umfasst, wie eingangs in Abbildung 3 dargestellt, Tools für Statistik und Qualitätsmanagement, die Vermittlung von Soft Skills sowie die konkrete Bearbeitung von Projekten. Verhaltensbezogene Fähigkeiten können im Hinblick auf ihre grundsätzlichen Inhalte und Anwendung über Lernmaterialien vermittelt werden, ein großer Teil muss jedoch
272
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
auch persönlich kommuniziert, trainiert und erlebt werden. Die Steuerung konkreter Projekte kann nur direkt in der Praxis erfolgen. Der größte Anwendungsbereich ist damit die Vermittlung von spezifischem Wissen, das sich auf die unterschiedlichen und zum Teil schwierigen Methoden der statistischen Analyse und Bewertung sowie die Instrumente des Qualitätsmanagements bezieht. •
Das strukturierte Trainingskonzept von Six Sigma erfordert insbesondere für die Qualifikationsstufen Green Belt und Black Belt einen nicht zu unterschätzenden Einsatz und damit auch einen erheblichen finanziellen Aufwand direkt für die Durchführung der Trainings und indirekt durch den Arbeitszeitausfall der zu schulenden Mitarbeiter als Opportunitätskosten.
•
Zu diesen inhaltlichen und finanziellen Gründen kommt ein nicht zu unterschätzender psychologischer Grund hinzu. Viele der für eine Six Sigma Schulung ausgewählten Fach- und Führungskräfte sind mit statistischen Methoden und Instrumenten des Qualitätsmanagements überhaupt nicht oder wenig vertraut. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass sie im Rahmen des Six Sigma Trainings ein „Zweitstudium“ unter erschwerten Bedingungen absolvieren. Um die Trainingszeit bei der Präsenzveranstaltung nicht zu verlängern und vor allem auch um sich aus Imagegründen in der Gruppe keine Blöße zu geben, werden sie, wie die konkrete Erfahrung zeigt, bei der zügigen Vermittlung von Statistik-Wissen wenig nachfragen, auch wenn die Sachverhalte, Zusammenhänge und Schlussfolgerungen nicht völlig klar sind.
Die Wissensvermittlung mit E-Learning Einheiten zu Six Sigma schafft erstens die Möglichkeit, sich alles wesentliche Wissen im Vorhinein vor der Präsenzsitzung, bei der dann ergänzende Fragen gestellt werden können, anzueignen und im Bedarfsfall anschließend noch einmal zu rekapitulieren. Das Wissen kann zweitens asynchron aufgenommen werden, also nicht in der Zeit, wenn der Präsenzkurs stattfindet, sondern während der Arbeits- und Freizeit, wenn der Lernende Zeit, Muße und Lust dafür hat. Und drittens kann jede Lektion beliebig oft in weiteren Lernschleifen wiederholt und durch die anschließend darin enthaltenen Wissenstests abgesichert werden. Das Lernen vor allem der schwierigen Six Sigma Inhalte wird damit in starkem Maße in die Eigenregie überführt. Die volle positive Wirkung entwickelt ELearning aber nur, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt werden. Sie sind in Abbildung 9 aufgeführt. State of the Art sind heute Blended Learning Konzepte, also die gekonnte Kombination von Präsenz-Lernen und Web-basiertem Lernen. Dies gilt in besonderem Maße für Six Sigma Trainings, da einerseits anspruchsvolle Tools und Instrumente zu vermitteln und dann zu beherrschen sind und andererseits das Wissen über die Projektdurchführung real vollzogen werden muss und mit Lerneinheiten nur begrenzt trainiert werden kann. Aber auch die Lerneinheiten selbst sind problemund problemlösungsorientiert aufzubauen und als „Frage-Antwort-Spiel“ interak-
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
273
tiv zu gestalten. Durch den Einsatz neuer Medien ist dies heute relativ leicht möglich (für empirische Studien zum Einsatz von E-Learning in der Aus- und Weiterbildung siehe z.B. Töpfer 2002 und Töpfer et al. 2002). • Interaktive Lerneinheiten • Problemlösungsorientiert
• Einfache, klare Benutzerführung
Realisierung durch • Transparente Lernerfolgskontrolle
• Blended Learning • E-Tutoring
Abbildung 9: Werthaltigkeit des E-Learning
Eine zentrale Voraussetzung für die Akzeptanz ist eine einfache und klare Benutzerführung. Erfahrungswerte belegen, dass mehr als jeder zweite Nutzer eine Lerneinheit abbricht, wenn dies nicht gegeben ist. Direkt hiermit verbunden ist auch ein gutes pädagogisch-didaktisches Lernkonzept, das im Zusammenspiel aller Lerneinheiten und Lernfortschrittskontrollen eine stimmige Lernarchitektur ausmacht. Genau diese Lernfortschrittskotrollen müssen für den Nutzer transparent sein, um ihm so seinen jeweiligen Wissensstand zu vermitteln und ihm individuelle Lernpfade anzubieten. Besonders effizient werden die Lernarrangements, wenn sie durch ein E-Tutoring ergänzt werden. Dies bedeutet, dass auch über das Internet ein Experte als Ansprechpartner zur Verfügung steht, um den Lernenden aktuelle Fragen zu beantworten und Verständnisprobleme zu lösen. Hierbei sind zwei unterschiedlich kostenintensive, aber auch leistungsfähige Alternativen möglich: Zum einen ein Forum im Internet oder Intranet, bei dem gestellte Fragen innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden, oder zum anderen ein Chat-Room, bei dem alle Fragen unmittelbar diskutiert und beantwortet werden, und zwar nicht nur vom E-Tutor, sondern auch von allen anderen freiwilligen Teilnehmern des Chats, also z.B. Six Sigma Trainees an anderen Standorten des Unternehmens. Grundvoraussetzung für den Einsatz des E-Learning ist erstens die erforderliche technische Infrastruktur mit PC- und Internetzugang als „Eintrittskarte“ für diese
274
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
neue Lernwelt. In der Regel ist sie in Unternehmern vorhanden und kann den neuen Six Sigma Akteuren, z.B. auch Meistern, zugänglich gemacht werden. Zweitens ist eine Lernplattform notwendig, welche die gesamte benötigte Software und das System für die Lernenden, den Tutor und die Administration z.B. der Teilnehmerdaten, der absolvierten Lerneinheiten und der Ergebnisse der Wissenstests – nach Maßgabe des Datenschutzes – enthält und zur Verfügung stellt. Bezogen auf E-Learning-Plattformen und -Systeme gibt es heute bereits eine Vielzahl von Anbietern, so dass ein Unternehmen in dieser Hinsicht eine gezielte Auswahlmöglichkeit hat. Die Entscheidung hängt auch vom bisherigen Stand der Nutzung von E-Learning Software für andere Trainingsinhalte ab und von den Anforderungen an die Kompatibilität mit der im Unternehmen bereits vorhandenen IT. Anbieter von E-Learning Lerneinheiten sind in der Regel in der Lage, ihren Content (Inhalt) auf unterschiedlichen Lernplattformen je nach Kundenwunsch einzusetzen. Entscheidend für die Akzeptanz und einen möglichen Wettbewerbsvorteil ist jedoch als dritter Baustein der nach den direkt abgefragten Nutzeranforderungen gestaltete Content, also die pädagogisch-didaktisch gestaltete Lernarchitektur. Abgesicherte Erfahrungswerte belegen, dass Lerneinheiten optimal, also gut nachvollziehbar, interessant und kurzweilig sind, wenn sie pro Thema ca. 15 Minuten dauern und unmittelbar anschließend eine hierauf bezogene Lernerfolgskontrolle enthalten (siehe hierzu beispielsweise die E-Learning-Demo-Lerneinheit unter www.six-sigma.biz). Dies erlaubt auch bei „harten Fakten“ wie Six Sigma ein spielerisches Lernen. Die unmittelbare Lernerfolgskontrolle bietet zugleich die Chance „Quality Gates“ des Lernens einzuführen. Mit anderen Worten ist ein Weitergehen und ein Freischalten der nächsten Lerneinheit nur möglich, wenn die vorherige Lerneinheit erfolgreich absolviert wurde. Bezogen auf E-Learning Einheiten für Six Sigma kann die gesamte Lernstruktur und -architektur so aussehen, wie sie in Abbildung 10 für die M+M Six Sigma Akademie® wiedergegeben ist. Zweckmäßigerweise werden, wie an früherer Stelle beschrieben, die einzelnen Inhaltsbereiche für die unterschiedlichen Zielgruppen, in ihrem Umfang und ihrer Tiefe abgestuft, zu Lerneinheiten zusammengestellt. Besonders wichtig und erfolgsträchtig ist dabei, die allgemeinen Lernbausteine zu den statistischen Methoden und zum DMAIC durch unternehmensspezifische Probleme und Lösungsbeispiele zu ergänzen. Entscheidend für den Durchsatz und damit den Erfolg von Six Sigma im Unternehmen ist, inwieweit das Lernen und die Umsetzung Bestandteil von persönlichen Zielvereinbarungen werden. Für die Unternehmen bedeutet diese Vorgehensweise nicht nur eine Erhöhung des spezifischen Qualifikations- und Anwendungsniveaus, sondern aufgrund der positiven Projektergebnisse auch eine Zunahme der Kundenzufriedenheit und das Realisieren von Kosteneinsparungen.
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
275
Six Sigma: Optimierung von Prozessen auf Null-Fehler-Niveau durch konsequentes Projektmanagement mit statistischen QM-Instrumenten l ie isp Be
Nach Zielgruppen abgestufte Lerneinheiten
Für alle Mitarbeiter
Für Manager
Für Six Sigma Experten
Abgestimmte Inhaltsbereiche
DMAIC
UnternehmensStatistische spezifische Probleme Methoden und Lösungsbeispiele
Umsetzung und Erfolg Persönliche Zielvereinbarung
Für das Unternehmen
•
Qualifizierung selbst und Mitarbeiter
•
•
Anzahl
Erhöhung des Qualifikations-/ Anwendungsniveaus
•
Ergebnisse
•
Kosteneinsparungen
•
Zunahme der Kundenzufriedenheit
•
Wertsteigerung
Von Six Sigma Projekten
Abbildung 10: Six Sigma via E-Learning
Der Aufbau eines umfassenden Six Sigma Trainings via E-Learning ist zweifelsohne mit Kosten verbunden. Dem stehen jedoch auf der anderen Seite die Vorteile eines schnelleren Durchsatzes im Unternehmen (siehe Abbildung 11), Kosteneinsparungen durch die Vermeidung eines 100-prozentigen Präsenztrainings und zu einem früheren Zeitpunkt realisierte Einsparungen respektive Umsatzsteigerungen durch Six Sigma Projekte gegenüber. Denn ein zusätzlicher Vorteil ist im Vergleich zum ausschließlichen Präsenztraining darin zu sehen, dass das Train the Trainer Prinzip, also die Qualifizierung von weiteren Mitarbeitern durch geschulte Black oder Master Black Belts des eigenen Unternehmens, sich vorwiegend auf die Six Sigma Projekte und weniger auf die statistischen Methoden und die Qualitätsmanagement-Tools bezieht. Wie Abbildung 11 beispielhaft zeigt, lässt sich durch den – in der oben dargestellten Weise vollzogenen – Einsatz von E-Learning die Ausbildungsdauer für die (abgestufte) Six Sigma Schulung von ca. 1.000 Mitarbeitern um ein Drittel, also um einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten, verkürzen. Dementsprechend schneller verläuft der Aufbau einer „schlagkräftigen“ Six Sigma Organisation sowie die Amortisation der vorfinanzierten Schulungskosten. Der „Break-EvenPoint“ der Six Sigma Qualifizierungskosten und ihrer positiven Wirkungen kann so schneller erreicht werden. Allerdings rechnet sich eine derartige Lernarchitektur erst ab einer bestimmten Anzahl geschulter Mitarbeiter, da sonst der Zeitraum und das Ausmaß des Return on Investment zu lang bzw. zu gering sind. Eine dann mögliche unternehmensspezifische Ausrichtung des Trainings eröffnet weitere Vorteile. Mittelständische Unternehmen, die als Zulieferer auch immer häufiger
276
Konzeption und Umsetzung von Six Sigma Trainings
Six Sigma umsetzen müssen, haben weder zahlenmäßig noch inhaltlich diese Möglichkeiten. Die Nutzung von standardisierten Lerneinheiten via E-Learning neben dem erforderlichen Präsenz-Training gewährt ihnen aber zumindest einen Teil der Vorteile. 1.000
Anzahl geschulter Mitarbeiter
900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 0
4
8
12
16
20
24
28
32
36
Zeit in Monaten
Ausbildung mit E-Learning
Ausbildung ohne E-Learning
Abbildung 11: Six Sigma Trainingsdauer mit/ohne E-Learning
Viele große Unternehmen, die Six Sigma einsetzen, haben aus Gründen der Effizienzsteigerung und Kostensenkung für die Trainings mittlerweile unternehmensspezifische E-Learning Einheiten entwickelt, so z.B. General Electric und Siemens. Neben umfangreichen Trainingsunterlagen (meistens als PDF-Doku-mente in die Lernplattform integriert) verfügen sie über konkrete Handlungsleitfäden von mehreren hundert DIN-A4 Seiten sowie projektbezogene Wissensdatenbanken zur Planung, Steuerung, Umsetzung und Bewertung von Six Sigma Projekten. Sowohl die elektronischen Lerneinheiten als auch die Verfahrensanweisungen stellen dabei wichtige Erfolgsbausteine dar und sind besonders wettbe-werbssensibel. Außer gegebenenfalls unmittelbar verbundenen Lieferanten und Kunden werden sie Externen i.d.R. nicht zugänglich gemacht.
5
Literatur
Backhaus, K. et al. (2006): Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung, 11. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 2006.
Armin Töpfer, Swen Günther, Bernd Garzinsky
277
Breyfogle, F.W. (2003): Implementing Six Sigma, 2nd ed., New York 2003. Bruhn, M (1999): Kosten und Nutzen des Qualitätsmanagements – Grundlagen, Methoden, Fallbeispiele – Wien 1999. DGQ (Hrsg.) (1995): Methoden und Verfahren des Qualitätsmanagements für Software, DGQ-Band 12-52, 2. Aufl., Berlin/Wien/Zürich 1995. Günther, S. (2003): Von der Statistik zur Qualität, in: http://www.sixsigma.biz/presse.htm (Stand: 09.02.04). Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Magnusson, K./Kroslid, D./Bergmann, B. (2004): Six Sigma umsetzen – Die neue Qualitätsstrategie für Unternehmen, 2. Aufl., München/Wien 2004. o.V. (2003): Will Jeff Immelt´s New Push Pay Off for GE?, in: BusinessWeek, European Ed., 13.10.2003, S. 60-63. Pande, P.S./Neumann, R.P./Cavanagh, R.R. (2001): Six Sigma erfolgreich einsetzen: Marktanteile gewinnen, Produktivität steigern, Kosten reduzieren, McGrawHill Book Company, 2001. Pfeifer, T. et al. (2003): Wann lohnt Six Sigma? – Rentabilität von Six Sigma und Qualitätsmanagementsystemen für KMU, in: QZ, Jg. 48, 2003, S. 1098-1100. QM-InfoCenter online, seit Dezember 2003 speziell für den Mittelstand: (Carl Hanser Verlag) www.qm-infocenter.de/six_sigma Rath & Strong (Hrsg.) (2002): Six Sigma Pocket Guide: 34 Werkzeuge zur Prozessverbesserung, Köln 2002. Rehbehn, R./Yurdakul, Z.B. (2005): Mit Six Sigma zu Business Excellence. Strategien, Methoden, Praxisbeispiele, 2. Aufl., München/Erlangen 2005. Schmieder, M. (2003): Vorsichtige Annäherung – Studie: Anwendung von Six Sigma in Deutschland, in: QZ, Jg. 48, 2003, S. 698-700. Töpfer, A. (1996): Schnittstellenmanagement in Projekten, in: Streich, R.K. et al. (Hrsg.) (1996): Projektmanagement: Prozesse und Praxisfelder, Stuttgart 1996. Töpfer, A. (2001): Corporate Universities und Distance Learning – Aufbruch in ein neues Lernparadigma, in: Kraemer, W./Müller, M. (Hrsg.): Corporate Universities und E-Learning, Wiesbaden 2001, S. 65-88. Töpfer, A. (2002): Blended Learning: Standards gegen Kostendruck, in: Personalwirtschaft, Jg. 29, 2002, Sonderheft E-Learning, S. 10-13. Töpfer, A./Förster, K./Gärtner, R. (2002): E-Learning als Wettbewerbsvorteil: Umsetzungsstand, Erwartungen und Erfahrungen, Studie am Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung, TU Dresden, www.tu-dresden.de/wwbwlmuf.
Das Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma bei Siemens Power Generation Bernhard Kleemann, Nicole Seitz, Hans-Jürgen Wio
Inhalt 1
2 3 4 5 6
1
Das Verbesserungsprogramm top+ von Siemens ......................................................278 Ausgangssituation im Bereich Power Generation......................................................279 Implementierung von top+Qualität............................................................................280 Konzeption des Business Excellence Leadership Trainings ......................................282 Praktische Durchführung des Führungskräftetrainings..............................................284 Erfahrungen und Ergebnisse......................................................................................286
Das Verbesserungsprogramm top+ von Siemens
Bei der Ein- und Durchführung eines Programms zur Prozessverbesserung im Unternehmen fällt den Führungskräften der Organisation eine entscheidende Rolle zu. Sie definieren Maßnahmen, stellen notwendige Ressourcen bereit, beseitigen organisatorische Hindernisse und kommunizieren mit den verschiedenen Projektteams im Unternehmen. Darüber hinaus müssen sie umfassende Kenntnisse über die eingesetzten Methoden und Werkzeuge besitzen, mit denen sie den Projektfortschritt kontinuierlich überwachen und steuern. Der Aufbau dazu notwendiger Kompetenzen gehört zu den wichtigsten Aufgaben bei der erfolgreichen Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Im Folgenden wird am Beispiel des Business Excellence Leadership Trainings im Bereich Power Generation der Siemens AG ein erfolgreiches Konzept zur Führungskräfteschulung beschrieben. Die Siemens AG hat zur kontinuierlichen Verbesserung ihrer operativen Performance im Jahr 1997 das Programm top+ gestartet. Das Programm besteht aus verschiedenen Elementen, die als praktische Durchführungshilfen für die verschiedenen Aufgabenstellungen der Unternehmensbereiche gedacht sind. Das Element bzw. Programm top+Qualität wurde im Jahr 1998 formuliert und dient als Hilfestellung bei der Einführung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Es entstand auf der Basis einer Analyse der Aktivitäten in den Unternehmensbereichen sowie der Wettbewerber und hat die nachhaltige Steigerung der Prozessqualität und Kundenzufriedenheit zum Ziel (vgl. Abbildung 1).
Bernhard Kleemann, Nicole Seitz, Hans-Jürgen Wio
279
Produkt& Prozessqualität Fortschritt kontrollieren
Verbesserungsziele definieren
Maßnahmen umsetzen
Hauptproblemfelder ermitteln
Maßnahmen definieren
Management Attention
Verbesserungshebel identifizieren
Transparenz
Qualifizierung & Training
Quelle: Siemens Team top+
Abbildung 1: Das 6-Schritte Vorgehensmodell von Siemens top+
2
Ausgangssituation im Bereich Power Generation
Im Bereich Power Generation wurde im Jahr 2000 vom Bereichsvorstand die Entscheidung getroffen, das Programm top+Qualität zur Verbesserung der Prozessqualität einzuführen. Der Bereich ist weltweit in führender Position im Kraftwerksmarkt tätig. Die Leistungspalette erstreckt sich von der Lieferung von Einzelkomponenten wie Turbinen und Generatoren bis zur schlüsselfertigen Abwicklung von Kraftwerksprojekten inklusive Service. 23.000 Mitarbeiter in über 20 Standorten auf allen Kontinenten erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2000/01 einen Umsatz von € 10 Mrd., bei einem Gewinn von € 600 Mio. Der Unternehmensbereich Power Generation hat ein zertifiziertes QMSystem nach DIN ISO 9001. Zur Bewertung der Managementprozesse werden jährliche Selbstbewertungen entsprechend dem EFQM-Modell durchgeführt. Zur Steuerung der Geschäftsbereiche kommen sogenannte Geschäftstreiber-Scorecards zum Einsatz, die Erfassung der Qualitätsdaten in den einzelnen Funktionsbereichen erfolgt mittels sogenannter Reporting-Werkzeuge. Das Kraftwerksgeschäft ist durch kundenspezifische Großaufträge gekennzeichnet, wobei individuelle Anforderungen effizient zu erfüllen sind. Modularisierung und Kleinserien haben die Folge, dass die einzelnen Projekte Laufzeiten von 18
280
Das Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma
bis 24 Monaten haben. Bei vielen Verbesserungen ist deshalb nur schwer nachweisbar, ob es sich um spezifische oder allgemeine Problemlösungsansätze handelt. Insbesondere sind Prozessverbesserungen statistisch schwer nachvollziehbar, da Wiederholraten, wie sie in Großserien anzutreffen sind, nicht vorliegen. Im Allgemeinen sind die einzelnen Projekte nur zu einem geringen Prozentsatz vergleichbar. Dies betrifft sowohl die Projektdurchführung als auch die Ergebnisse. Nicht zuletzt lassen sich die aus der Großserie bekannten Verbesserungsmethoden nur bedingt zur Problembearbeitung im Kraftwerksbau einsetzen. Schon die Definition konkreter Verbesserungsprojekte erweist sich als schwierig, da die Kosten infolge mangelnder Qualität nicht eindeutig und einheitlich abgrenzbar sind. Diese Tatsache sollte aber nicht davon abhalten, den Beitrag von Prozessqualität und Kundenzufriedenheit kontinuierlich zu erhöhen und im Ergebnis zu messen. Das langfristige Ziel von Power Generation ist deshalb, eine dem Geschäftsfeld entsprechende Kompetenz zur kontinuierlichen Verbesserung aufzubauen.
3
Implementierung von top+Qualität
Die Einführung eines Programms zur kontinuierlichen Verbesserung auf allen Geschäftsebenen umfasst zwei wesentliche Bestandteile. Diese sind eng miteinander verknüpft, so dass die Mitarbeiter und Führungskräfte ihren jeweiligen Aufgaben innerhalb des Verbesserungsprogramms optimal nachkommen können: 1.
Durchführung von Aktivitäten zur Projektfindung und Umsetzung
2.
Kompetenzaufbau im Rahmen von Trainings und Workshops.
Der Start des Programms im Bereich Power Generation erfolgte nach der Definition der Verbesserungsziele im Vorstand. Die Abteilung Business Excellence erhielt den Auftrag, einen Implementierungsplan mit dazugehöriger Strategie für ein globales Roll-Out auszuarbeiten. Als Zeitraum für die Mobilisierung bis zum ersten abgeschlossenen Verbesserungsprojekt wurde ein Jahr beschlossen. Die einzelnen Unternehmensstandorte in Asien, Europa und Amerika waren umgehend in den Implementierungsprozess einzubeziehen. Im Rahmen von Briefings ließ sich zunächst der Bereichsvorstand über top+Qualität und die Einbindung der Six Sigma Methodik informieren (vgl. hierzu und im Folgenden Abbildung 2). Der Implementierungsplan sah den Einsatz von Six Sigma Tools als zentralen Bestandteil von top+Qualität von Beginn an vor. In einem zweiten Schritt wurden die 100 obersten Führungskräfte (Top 100 Workshops) der Power Generation über top+Qualität, Six Sigma und die im Vorstand gefällten Entscheidungen unterrichtet. Wichtig hierbei war, dass der Vorstand innerhalb von Workshops die Entscheidungen selbst erklärte und auf Fragen der Führungskräfte einging. Parallel dazu wurden in den einzelnen Organisations-
Bernhard Kleemann, Nicole Seitz, Hans-Jürgen Wio
281
einheiten die ersten Beratungsaktivitäten (Consulting) zur Definition der Hauptproblembereiche und Verbesserungshebel durchgeführt. Die Ableitung konkreter Verbesserungsprojekte aus den übergreifend benannten Problembereichen fiel anschließend den Segmentverantwortlichen der Führungsebenen 2, 3 und 4 zu. Dabei bestand der unmittelbare Übergang von allgemeinen Verbesserungszielen der Organisation zu konkreten Umsetzungen in Verbesserungsprojekten. Es wurde beschlossen, den betreffenden Führungskräften das notwendige Wissen im Rahmen eines Business Excellence Leadership Training (BELT) zu vermitteln. Die Ausbildung war unter Berücksichtigung der Ausgangssituation von Power Generation bereichsspezifisch anzupassen. Nachdem die Verbesserungsprojekte definiert und ein Großteil der Führungskräfte geschult waren, konnten die verschiedenen Black Belt Projekte beginnen. Parallel zur Bearbeitung des ersten Projekts sah die standardisierte Black Belt Ausbildung bei Siemens eine vierwöchige Schulung, verteilt auf vier Monate, vor. Die folgende Abbildung 2 zeigt die einzelnen Schritte des Einführungsprozesses von top+Qualität bei Power Generation, Siemens AG, im Überblick.
Briefing
Führungsebene
1
Top 100 Workshops
Consulting
Business Excellence Leadership Training
3-4
Black Belt Projekte
2. Quartal
3. Quartal
120
700
1 ½ Tage
2 Tage
150
Business Excellence Staff Training
1. Quartal
2
½ Tag 4
6000
4. Quartal
Zeitplan 2000 Abbildung 2: Top-Down-Einführung des Verbesserungsprogramms top+Qualität
282
4
Das Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma
Konzeption des Business Excellence Leadership Trainings
Aus den im vorhergehenden Abschnitt genannten Zielsetzungen des Bereichs Power Generation sowie den allgemeinen Inhalten des top+Qualität Programms von Siemens (vgl. den Beitrag von Schmutte: Six Sigma im Business Excellence Prozess) lassen sich konkrete Kompetenzanforderungen an das Management ableiten. Diese umfassen zum einen die Führung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses auf Organisationsebene und zum anderen die bereichsspezifische Gestaltung des Berichtswesens. Die Trainingsteilnehmer sollten am Ende ihrer Ausbildung in der Lage sein, folgende Aufgaben zu erfüllen: •
Ableitung und Auswahl von Verbesserungsprojekten
•
Bereitstellung benötigter Ressourcen und Kommunikationsstrukturen
•
Führung und Bewertung von Projektfortschritten in Organisationen.
Vor der exakten Formulierung der Trainingsziele wurde zunächst eine Auswahl der Zielgruppe zu bestehenden Kompetenzen und Anforderungen befragt. In diesem Zusammenhang fanden auch die Wünsche der potenziellen Teilnehmer an ein zu gestaltendes Training Berücksichtigung. Diese umfassten z.B. das Aufzeigen von Zusammenhängen mit bestehenden Management-Tools, das Einbringen praktischer Hilfestellungen zur Durchführung, die Erläuterung von Anwendungsbeispielen im Anlagenbau, die Berücksichtigung der Aufgabenstellungen der Zielgruppe sowie die Rücksichtnahme auf Besonderheiten der Organisationshistorie. Die Gestaltung des Führungskräftetrainings wurde im Wesentlichen von zwei Richtlinien beeinflusst. Zum einen sollten die sechs Schritte des Siemens Problemlösungsprozesses detailliert erläutert und zum anderen der Einsatz des top+ Qualität Programms am Beispiel eines Anlagenbauers demonstriert werden.1 Als Rahmen für das Training diente deshalb die Fallstudie eines Anlagenbauunternehmens, anhand derer die notwendigen Prozessschritte von den Teilnehmern selbstständig durchzuführen waren. Nach Abschluss des ersten Trainingstages sollten die Führungskräfte konkrete Verbesserungsprojekte definieren und die vorgestellten Werkzeuge praxisnah einsetzen können (vgl. Abbildung 3). Die für das Training konzipierte Fallstudie beschäftigte sich mit einem Unternehmen, das die schlüsselfertige Lieferung von chemischen Großanlagen zur Herstel-
1
Die Firma Salt & Pepper übernimmt alle Aufgaben vom Engineering über Montage bis zum Vertrieb. Die Projekte haben eine Laufzeit von ca. 40 Monaten und ein Auftragsvolumen von 400 bis 1000 Mio. $. Besonderes Augenmerk wird auf die finanziellen Auswirkungen bzw. Risiken beim Reaktorenbau gelegt. Den Trainingsteilnehmern wird die Situation von Salt & Pepper am Ende eines Geschäftsjahres geschildert: Zwar wurden vier Projekte erfolgreich abgeschlossen, jedoch verfehlte das Unternehmen die Gewinnerwartungen deutlich. Die Geschäftsleitung beschließt daraufhin, bei den laufenden Projekten in der Prozesskette auftretende Fehler zu dokumentieren.
Bernhard Kleemann, Nicole Seitz, Hans-Jürgen Wio
283
lung von Salpeter betreibt. Auf dieser Basis entstand eine virtuelle Organisation, mit deren Problemen sich die Trainingsteilnehmer gut identifizieren konnten. Um den Fokus auf den Methodeneinsatz und nicht auf die tagaktuellen Probleme der Teilnehmer zu gewährleisten, war eine gewisse Verfremdung notwendig. Nach der Vorstellung des Beispielunternehmens wurden am zweiten Trainingstag zwei Black Belt Projekte eingeführt, die die Probleme des Anlagenbauers beheben sollten. In diesem Zusammenhang bestanden für das Business Excellence Leadership Training folgende Zielsetzungen: •
Vorstellung der DMAIC-Systematik anhand der Black Belt Projekte
•
Anwendung von Six Sigma Werkzeugen in Gruppenübungen
•
Erlernen effektiver Kommunikationsstrukturen mit Black Belts
•
Erfolgskontrolle und Bewertung von Projektfortschritten.
Tag 1
3 D
Inhalte
Ishikawa-Diagramm Finanzielle Definition EFQM-Auswertung Kraftfeldanalyse Treiberbaumanalyse Projektaufgabenblatt
Wie kommt man von der strategischen Zieldefinition der Organisation zum konkreten Six Sigma Projekt?
M
A
I
66 C
Black Belt Projekte
Übersicht Tools Regelkarte
Tools
Fallstudie
55
Übersicht Tools DOE, FMEA
Methoden
Transfer
44
Hypothesentests WertschöpfungsAnalyse
22
Übersicht Tools Gage R+ R, C p, Cpk
1
Übersicht Tools SIPOC
Schritt
Tag 2
GeschäftstreiberScorecard
Six Sigma verstehen Six Sigma Projekte vorantreiben Ressourcenauswahl Six Sigma Aufbauorganisationen
Abbildung 3: Layout für zweitägiges Business Excellence Leadership Training
Die Konzeption des Trainings nahm zwei Monate in Anspruch. Beteiligt waren Personen aus der Zielgruppe, Spezialisten auf den Gebieten top+Qualität und Six Sigma sowie die Abteilung Business Excellence der Siemens Power Generation. Außerdem haben an der Gestaltung Spezialisten auf dem Gebiet der ErwachsenenBildung und Berater von Top-Führungskräften mitgearbeitet.
284
5
Das Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma
Praktische Durchführung des Führungskräftetrainings
Der Beginn des Business Excellence Leadership Trainings erfolgte mit Hilfe eines Ishikawa-Diagramms, anhand dessen folgende Fragestellung zu beantworten war: „Warum haben die Initiativen in der Vergangenheit nicht die gewünschten Erfolge gebracht?“. Auf der Grundlage dieser Frage wurde zunächst in Gruppenarbeit die Historie der Organisation reflektiert sowie Ansatzpunkte für die zukünftige Arbeit mit top+Qualität abgeleitet. Dabei war insbesondere auf das Zusammenwirken der einzelnen Elemente von top+ mit bereits bestehenden Konzepten, z.B. EFQMModell, Balanced Scorcard oder DIN ISO 9001, einzugehen. In der Startphase des Trainings sollte allen Teilnehmern bewusst werden, warum top+Qualität in Verbindung mit Six Sigma die wirtschaftlichen Fragestellungen im Unternehmen zukünftig lösen kann. Nach Vorstellung des top+Qualität-Programms und der Darlegung von Schwachstellen vergangener Initiativen, waren die Teilnehmer zunächst für die Idee des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu sensibilisieren. Im Anschluss wurden die Informationen des Beispielunternehmens aus der Fallstudie herangezogen, um ein einheitliches Problemverständnis zu erlangen. Die konkrete Aufgabenstellung im Schritt 1 („Verbesserungsziele definieren“) bestand darin, eine einheitliche Definition für Fehlleistungskosten aus den Problemberichten abzuleiten sowie deren aktuelle Höhe und zukünftige Entwicklung festzustellen. Am Ende dieser Übung sollten konkrete Ziele zur Fehlerkostenreduktion definiert werden. Bereits nach Schritt 1 wurde den Teilnehmern der wesentliche Unterschied zwischen Einzel- und Serienfertigung bewusst. Während negative Einflüsse im Großanlagenbau meistens singulär, d.h. einmalig, auftreten, liegen in der Serienfertigung bestimmte Wiederholraten vor. Vor diesem Hintergrund ist eine Schwachstellenanalyse, die Fehler aus der Vergangenheit als potentielle Risiken für die Zukunft definiert, in jedem Fall kritisch zu beurteilen. Ausgehend von der Zielund Risikobestimmung im Schritt 1, waren im zweiten Schritt Hauptproblemfelder zu ermitteln sowie Problemberichte einzelnen Themenfeldern zuzuordnen. Im Rahmen von BELT hatten die Teilnehmer die Aufgabe, die Hauptprobleme in den Kernprozessen des Beispielunternehmens mit Hilfe der Treiberbaumanalyse zu bestimmen. Der Schritt 3 („Verbesserungshebel identifizieren“) umfasste die Identifikation geeigneter Hebel zur Bearbeitung der Problembereiche im Beispielunternehmen. Im Schritt 4 („Maßnahmen definieren“) wurden von den Teilnehmern anschließend konkrete Six Sigma Verbesserungsprojekte definiert. Dabei waren von den auszubildenden Führungskräften folgende vier Punkte zu beachten:
Bernhard Kleemann, Nicole Seitz, Hans-Jürgen Wio
285
•
Die Verbesserungsprojekte sind aus einer ganzheitlichen Sichtweise der Unternehmensziele abzuleiten. Nur so ist sichergestellt, dass die definierten Ziele mit der nötigen Aufmerksamkeit verfolgt und vorangetrieben werden.
•
Die richtige Dimensionierung „Herunterbrechen“ ist für den Erfolg der Verbesserungsprojekte entscheidend, damit das Projektteam hinsichtlich Ressourcen und Kompetenz nicht überfordert wird. Außerdem sollte die Dauer der Six Sigma Projekte nicht mehr als 6 Monate betragen.
•
Die Berechtigung von Six Sigma Projekten ist in jedem Fall durch finanzielle Betrachtungen abzusichern. Vom Management sollte in diesem Zusammenhang eine monetäre Zielsetzung für das Projekt definiert werden.
•
Die Führungskräfte eines Unternehmens haben den Standardrahmen für kontinuierliche Verbesserungsprozesse vorzugeben. Dieser stellt sicher, dass zur Verbesserung der operativen Performance jederzeit Projekte definiert und durchgeführt werden können.
9 9 9 9 9
Welchen Ansatz haben Sie bei der Analyse der Daten verfolgt und warum?
9
Welche Gelegenheit ergibt sich durch die Behebung des Problems? Wie hoch sind die quantifizierbaren Kosten unserer aktuellen Prozessleistung?
9 9 9
Welche Auswirkung gibt es auf Kundenzufriedenheit, -loyalität und -bindung?
Was sind die Ursachen des Problems und wie sind Sie zu dieser Schlussfolgerung gekommen? Welche potenziellen Stratifikationsfaktoren werden Sie analysieren? Wie haben Sie die Daten analysiert, um die Variation verursachenden Faktoren im Prozess zu ermitteln?Wie wurden die Daten stratifiziert? Haben Sie die Durchführung von Experimenten ins Auge gefasst? Welche Faktoren haben Sie verwendet?Welche Reaktionen haben Sie gemessen?Was haben Sie anhand der Experimente erfahren?
Welche n Äderungen wurden an der Charter vorgenommen, vor allem bzgl. der Problemdefinition und des Projektumfangs? Haben Sie irgendwelche Sofortverbesserungen gefunden?
Abbildung 4: Fragebogen für Führungskräfte bei der Fortschrittskontrolle
Nach der Definition der Verbesserungsprojekte waren in den Schritten 5 und 6 die Maßnahmen umzusetzen und der Fortschritt zu kontrollieren. An dieser Stelle erfolgte zunächst ein Überblick über die Einsatzmöglichkeiten von Six Sigma Tools in den Phasen des DMAIC-Prozesses. Anschließend wurden im Rahmen der Fallstudie zwei Verbesserungsprojekte vorgegeben, anhand derer einige Werkzeuge exemplarisch anzuwenden waren. Die von den Teilnehmern zuvor definierten Verbesserungsprojekte stimmten in 90 % der Fälle mit denen der Musterlösung
286
Das Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma
überein, so dass die Führungskräfte ein reges Interesse an der „Maßnahmenumsetzung“ hatten. Neben einem grundlegenden Verständnis für die „Six Sigma Sprache“ bestand in diesem Teil des Trainings die Aufgabe, den Fortschritt von Verbesserungsprojekten aus Managementsicht zu beurteilen. In Abbildung 4 ist eine Auswahl von Fragen enthalten, die sich Führungskräfte in der Kontroll- und Analysephase von Six Sigma Projekten stellen sollten.
6
Erfahrungen und Ergebnisse
Im Rahmen der Trainingskonzeption und -durchführung konnte der Bereich Power Generation verschiedene Erfahrungen sammeln. Diese betreffen insbesondere die Phasen bzw. Punkte Testlauf, Trainerschulung, Erstserie und Feedback. Vor dem eigentlichen Traingsstart war es zunächst notwendig, mit einer Auswahl (Stichprobe) von Personen aus der Zielgruppe eine Pilotschulung durchzuführen. Die dabei zu lösenden Aufgaben sind im Folgenden benannt: •
Feinabstimmung des Umfangs und der Inhalte für die Zielgruppe
•
Überprüfung der Durchführbarkeit im zeitlichen Rahmen
•
Prüfung von Transferumfang und Motivationsfähigkeit.
Bei der Auswahl der Testpersonen sollte darauf geachtet werden, dass Mitarbeiter aus allen Kernprozessen eingebunden sind. Die Teilnehmer sollten über ausreichend Bereichserfahrung verfügen und gleichzeitig fähig sein, konstruktive Kritik zu üben. Darüber hinaus sollten Mitarbeiter eingebunden werden, um eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher Kulturen und Einstellungen zu erhalten. Mit Hilfe des Pilottrainings bei Power Generation konnten eine Reihe von Defiziten festgestellt werden. Zum Beispiel ergab sich die Notwendigkeit, ein höheres Gewicht auf die Vermittlung von Führungsaspekten bei Six Sigma Projekten zu legen. Außerdem zeigte sich, dass die Basisinformationen zur Fallstudie ausführlicher und in zwei Sprachen zu gestalten sind. Gemäß der Philosophie „Train the Trainer“ war es vor dem Start der Schulungsmaßnahmen notwendig, die Trainer gezielt vorzubereiten. Insbesondere mussten sie mit der Durchführung des Trainings vertraut gemacht werden. Neben Fachkompetenzen in der Six Sigma Methodik und dem top+Qualität Programm, wurden die Trainer anhand ihrer Erfahrungen im Führungskräftetraining sowie Großanlagenbau ausgewählt. Um die Chance des Erfahrungszugewinns und die daraus resultierenden Verbesserungen zu nutzen, sollte ein Trainer mindestens vier Veranstaltungen begleiten. Im Ergebnis wurden 14 Ausbilder bestimmt, die sowohl die Auswahlkriterien erfüllten als auch über die gesamte Trainingszeit hinweg verfügbar waren.
Bernhard Kleemann, Nicole Seitz, Hans-Jürgen Wio
287
Die Information der Teilnehmer erfolgte aufgrund einer Führungskräfteliste der Siemens Power Generation. Die Teilnahme an einem der 30 möglichen Trainingstermine wurde vom Vorstand vorgeschrieben. Die Schulungen fanden in der Nähe der Hauptstandorte statt, so dass letztendlich 90 % der Führungskräfte am Training teilnahmen. Die Entscheidung, keine Trainings in den Unternehmensstandorten durchzuführen, erwies sich grundsätzlich als richtig. Die Trainingsteilnehmer versuchten dadurch nicht, ihr „Tagesgeschäft“ nebenbei zu erledigen. Im Zuge der ersten Veranstaltungen hat sich die Konzeption des Trainings grundsätzlich bestätigt. Einige Verbesserungen ergaben sich „nur“ hinsichtlich der rechtzeitigen Information der Teilnehmer über Inhalte und Ziele der Schulung. Außerdem wurde für die weiteren Veranstaltungen der allgemeine Ablauf etwas „gestrafft“ und die Schwerpunkte entsprechend den Interessen der Teilnehmer gesetzt. Schließlich erwies sich die Einführung einer offenen Diskussionsrunde am Abend des ersten Tages mit den für top+Qualität verantwortlichen Personen als hilfreich.
Gesamtzufriedenheit sehr gut
0.2
UCL=0.1162
0.1
P=0.02070 LC LCL=0
0.0 0
10
20
Anteil der ++ Bewertungen
Anteil der - und - - Bewertungen
Gesamtzufriedenheit sehr schlecht 1.0
UCL=0.7445 0.5 P=0.4141
LCL=0.08366 0.0 0
30
Trainings- Nummer
20
30
Lernerfolg sehr gut
0.4
0.7
0.3 UCL=0.2324 0.2
0.1
P=0.07925 L LCL=0
0.0 0
10
20
Trainings- Nummer
30
Anteil ++ Bewertungen
Anteil der - und - - Bewertungen
Lernerfolg sehr schecht
10
Trainings- Nummer
0.6 0.5
UCL=0.4649
0.4 0.3 P=0.2273
0.2 0.1 0.0
LCL=0 0
10
20
30
Trainings- Nummer
Abbildung 5: Auswertung der Feedback-Fragebögen zum Six Sigma Training
Anhand eines standardisierten Fragebogens wurde nach jedem Training ein Feedback von den Teilnehmern eingeholt. Dabei zeigte sich eine durchweg positive Einschätzung der 30 Trainingsveranstaltungen. Der Fragebogen war in sogenannte „Skala-Fragen“ gegliedert, wobei sich der Antwortbereich für jede Frage von ++(4) = „gut“, +(3) = „eher gut“, -(2) = „eher schlecht“ bis --(1) = „schlecht“ erstreckte. In allen Fragenbereichen hatten die Teilnehmer/innen die Möglichkeit,
288
Das Führungskräftetraining für top+Qualität und Six Sigma
Anmerkungen hinzuzufügen. Grundlegendes Ziel des Fragebogens war es, Informationen über die Qualität des Trainings und die Teilnehmerzufriedenheit zu gewinnen. So erfolgte die Ermittlung der Gesamtzufriedenheit und des Lernerfolgs der Beteiligten anhand verschiedener Beurteilungskriterien wie zum Beispiel: •
Vollständigkeit der Seminarunterlagen
•
Verständlichkeit des Trainings und der Inhalte
•
Fachkompetenz und Engagement des Trainers
•
Einschätzen des persönlichen Lernerfolgs.
Die Ergebnisse der Feedback-Fragebögen wurden mit Hilfe von P-Regelkarten analysiert und ausgewertet. In Abbildung 5 sind vier Diagramme zur Beurteilung der Gesamtzufriedenheit und des Lernerfolgs exemplarisch dargestellt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Kenntnis der Unternehmenssituation, insbesondere die der Mitarbeiter und Führungskräfte, entscheidend für den Erfolg des top+ Trainings war. Die globale Einführung des Programms beschleunigte den Prozess zur Findung einer gemeinsamen „Six Sigma Sprache“ erheblich. Zudem erwies sich das Business Excellence Leadership Training als wichtiger Baustein beim Roll-Out des top+Qualität Programms im Bereich Power Generation. Die Herstellung des praktischen Bezugs zu den Aufgabenstellungen der Führungskräfte bildete auf Basis einer Fallstudie den entscheidenden Erfolgsfaktor. Und nicht zuletzt erwies sich die intensive Schulung des Managements hinsichtlich Rollenverteilung und Führungskompetenzen in Six Sigma Projekten als wichtiger Baustein zur kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen.
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma Armin Töpfer
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Veränderungsnotwendigkeit der Unternehmenskultur für Six Sigma........................289 Inhalte einer für Six Sigma geeigneten Unternehmenskultur.....................................296 Reifegrade der Unternehmenskultur für Six Sigma ...................................................300 Anwendung des Messinstrumentariums für die Six Sigma Kultur ............................304 Literatur .....................................................................................................................307
Veränderungsnotwendigkeit der Unternehmenskultur für Six Sigma
Vielen Unternehmen, die Six Sigma einführen, ist im Vorfeld nicht bewusst, wie stark die Auswirkungen dieser Konzeption des Tool-gestützten Projektmanagements auf die Kultur des eigenen Unternehmens sind und wie groß damit zugleich die Anforderungen an eine entsprechende Veränderung werden. Im Nachhinein betrachtet, ist dies vielleicht eher positiv zu werten, da manch ein Unternehmen sonst die „Reise zu Six Sigma“ nicht begonnen hätte. In der Literatur gibt es die „klassische“ Analyse erfolgreicher Veränderungsprozesse auf der Basis von sechs Bausteinen, wie sie in Abbildung 1 wiedergegeben sind. Hieraus wird ersichtlich, dass alle sechs Bausteine erforderlich sind sowie hierzu bewusst eingebracht und gestaltet werden müssen, um die angestrebte Veränderung umfassend zu erreichen. Dies gilt auch und in besonderem Maße für ein Six Sigma Vorhaben. Weiterhin ist die Zielrichtung, i.d.R. gekoppelt mit einer ausreichenden Kommunikation, klar und eindeutig vorzugeben. Der Aktionsplan muss unmittelbar durch Ressourcen untersetzt werden. Die erforderlichen Fertigkeiten sind durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen sowie zusätzlich durch motivierende Anreize in einem Incentive-System abzusichern. Andernfalls fehlt die ganzheitliche Balance des Vorhabens, was zu Umsetzungsdefiziten und dann schnell zu Wirkungsdefiziten führt. Typischerweise kann die formulierte Ausgangssituation für eine gezielte Unternehmensentwicklung mit Six Sigma dem Beispiel in Abbildung 2 entsprechen. Die Mission mit dem Tätigkeitsschwerpunkt als selbst definiertem Marktauftrag des Unternehmens fokussiert – wie in diesem Beispiel – üblicherweise auf ein
290
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
hohes Technologieniveau und oftmals auf eine Qualitätsführerschaft verbunden mit Kostenführerschaft.
Ziel
Erfolgreiche Veränderung
+
Fertigkeiten
+
KommuAktions+ Ressourcen + + nikation plan
Anreize
=
+
Fertigkeiten
+
KommuAktions+ Ressourcen + + nikation plan
Anreize
= Verwirrung
+
KommuAktions+ Ressourcen + + nikation plan
Anreize
= Angst
Kommu+ nikation
Anreize
= Fehlstart
Ziel
+
Ziel
+
Fertigkeiten
+
Ziel
+
Fertigkeiten
+
Aktions+ plan
+
Kommu+ nikation
Anreize
= Frustration
Ziel
+
Fertigkeiten
+
Aktions+ Ressourcen + plan
+
Anreize
= Ablehnung
Ziel
+
Fertigkeiten
+
AktionsKommu+ Ressourcen + + plan nikation
+ Ressourcen +
= Geringe Veränderung
Umfassender Projekterfolg erfordert erfordert alle alle 66 Bausteine Bausteine Basis: Seidenschwarz 1997, S. 124
Abbildung 1: Sechs Bausteine für erfolgreiche Veränderungsprozesse
Die hieraus abgeleitete Vision strebt häufig als Entwicklungsniveau eine Marktführerschaft im Kernsegment an, verbunden mit profitablem Wachstum und einer dadurch erst möglichen Wertsteigerung des Unternehmens. Die beiden zugrundeliegenden Values bzw. Werte stellen die für Six Sigma typischen Basisanforderungen in den Vordergrund, nämlich – extern gerichtet – eine hohe Kundenzufriedenheit und -bindung sowie – intern gerichtet – eine konsequente Förderung der Mitarbeiterqualifikation, gepaart mit hohen Leistungsanreizen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die geforderte Veränderungsbereitschaft des gesamten Unternehmens durch die personenbezogene Veränderungsbereitschaft aller Akteure im Unternehmen „unterfüttert“ ist. Jack Welch, ehem. CEO von General Electric und Six Sigma Vorreiter, gab in diesem Zusammenhang folgende Devise aus: „Shareholder-Value kann nur schaffen, wer zufriedene und motivierte Mitarbeiter hat“ (vgl. Fehr 1999, S. 278). Die Veränderungsnotwendigkeit der Unternehmenskultur lässt sich an folgenden fünf Anforderungen sachlogisch herleiten: 1) Das Ausmaß des notwendigen Kulturwandels resultiert aus dem inhaltlichen Ansatz von Six Sigma und der Nachhaltigkeit der Veränderungen im Unternehmen sowie des Unternehmens durch Six Sigma. Mit einem Etikett versehen, lässt sich Six Sigma als „Turbo des Qualitätsmanagements“ bezeichnen. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass Verbesserungen der Qualität – und
Armin Töpfer
291
zwar bezogen auf die Prozess-, Produkt- und die gesamte Systemqualität – schneller und nachhaltiger als durch alle anderen Maßnahmen des Qualitätsmanagements gefordert, umgesetzt und normalerweise auch erreicht werden. Beispiele
Marktauftrag
Mission
=
Was ist der Fokus unserer Tätigkeit, mit der wir Wettbewerbsvorteile erreichen?
Entwicklungsniveau
Vision
=
Was streben wir als Ergebnis in Zukunft = in 10 Jahren an?
Werte
Values
=
Was ist für uns alle dabei wichtig?
o Höchstes Technologieniveau o Outpacingstrategie: Qualitätsführer und Kostenführer o Marktführer im Kernsegment o Mit hoher Wertsteigerung o Und profitablem Wachstum o Hohe Kundenzufriedenheit und -bindung o Ständige Förderung der Mitarbeiterqualifikation o Hohe Leistungsanreize
Six Sigma: Persönliche Veränderungsbereitschaft
Abbildung 2: Gezielte Unternehmensentwicklung mit Six Sigma
2) Instrumentell wird das Six Sigma Niveau dadurch erreicht, dass die Qualität unmittelbar an den Kunden ausgerichtet wird. Diese Outside-in Betrachtung wird bezogen auf die eingesetzten Ressourcen an den Prozessen gespiegelt – erst anschließend erfolgt also eine Inside-out Analyse. Auf der Basis von erkennbaren notwendigen Verbesserungen der Prozesse zur Steigerung der Kundenzufriedenheit wird dann zugleich das Unternehmensergebnis und damit der Gewinn und der Wert des Unternehmens gesteigert. Die Stringenz dieser formalisierten Analyse mit einem dominierenden Kundenfokus ist vielen Unternehmen ebenfalls nicht vertraut. 3) Dabei ist zu unterstreichen, dass Six Sigma auf bewährte QM-Instrumente/Werkzeuge und -Elemente zurückgreift. Sie werden projektbezogen und zielorientiert in der Weise kombiniert, dass das gemeinsame Ganze synergetisch eine hohe Wirkung entfalten kann. In dieser Hinsicht ist zum einen für eine Reihe von Unternehmen zumindest die wirkungsvolle Kombination bekannter QM-Tools neu. Zum anderen wird manches Unternehmen auch Instrumente wie z.B. Quality Function Deployment (QFD) in Verbindung mit Conjoint Measurement, Design for Manufacturing and Assembly (DFMA), Assemblability Evaluation Method (AEM) und Target Costing noch nicht einsetzen. 4) Wichtig ist insbesondere, dass das zahlengesteuerte und ergebnisgetriebene Projektmanagement konsequent umgesetzt und „durchgehalten“ wird. Dies ist
292
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
für nicht wenige Unternehmen mit die größte Anforderung an den kulturellen Wandel. Zumal es voraussetzt, dass alle Projekte im Vorfeld nicht nur im Hinblick auf die erzielbaren Wirkungen, sondern vor allem auch bezogen auf die Ressourcenbindung an Personal, Budget und Zeit durchgerechnet werden. Andernfalls dauern Six Sigma Projekte zu lange und binden über die Zeit zu viele Ressourcen, worunter die errechnete Wirkungseffizienz unmittelbar leidet. 5) Durch die Net Benefit Analyse als Vor- und Nachkalkulation sowie durch eine gezielte Steuerung sind die Prozesse eindeutig auf eine nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens durch Umsatzsteigerungen, Kosteneinsparungen und damit Gewinnsteigerungen ausgerichtet. Diese Zielvorstellung ist eigentlich für kein Unternehmen neu. Die klare Formulierung als projektbezogene Zielsetzung mit der daraus resultierenden Verbindlichkeit und Nachprüfbarkeit ist für viele Unternehmen jedoch zumindest ungewohnt. Dies gilt vielleicht weniger für Zulieferunternehmen, z.B. der Automobilindustrie, als vielmehr für produzierende Unternehmen als Original Equipment Manufacturer (OEM) sowie in eher noch stärkerem Maße für Dienstleistungsunternehmen. Die Frage ist also, wie groß die Entwicklungslücke zwischen der gegenwärtigen Unternehmenskultur und der Six Sigma Ziel-Kultur ist. Von diesem Cultural Gap hängt damit auch das Ausmaß des „Kulturschocks“ für alle Akteure im Unternehmen ab, der entweder eine Kulturentwicklung in einigen Schritten zulässt oder sogar eine „Kulturrevolution“ erfordert. In Abbildung 3 ist, in Anlehnung an die bekannte Typologie von Deal/Kennedy (Deal/Kennedy 1982, S. 107ff.), eine Klassifikation von unterschiedlichen Kulturausprägungen wiedergegeben. Auf den beiden Dimensionen Kundenfokus und Veränderungsbereitschaft erfordert bzw. kennzeichnet die Six Sigma Kultur die jeweils höchsten Ausprägungen und damit eine starke Unternehmenskultur. Es versteht sich von selbst, dass das niedrige Niveau einer Bürokraten-Kultur als schwache Unternehmenskultur die größte Kulturveränderung erfordert, um in die Nähe einer Six Sigma Kultur zu kommen. Der Weg zu Six Sigma ist also z.B. für öffentliche Verwaltungen oder verwaltungsähnlich geführte Institutionen/Unternehmen am längsten und schwierigsten. Gleichwohl hätten gerade diese Organisationen den höchsten Nutzen durch Six Sigma Projekte, da sich dort bei einem geringen Sigma-Ausgangsniveau bezogen auf Ressourcenbindung, Zeit, Kosten und/oder Fehler in Dienstleistungsprozessen erhebliche Steigerungen mit einem hohen Net Benefit erzielen lassen. Die beiden eindimensionalen Entwicklungsstufen einer Marketing- und VertriebsKultur auf der einen Seite und einer entwicklungsgetriebenen Ingenieur-Kultur auf der anderen Seite ergeben erst durch die Verbindung des Kundenfokus mit dem Prozess- und Produktfokus das erforderliche Six Sigma Fundament. Dieses
Armin Töpfer
293
wird zum Beispiel durch den Einsatz von Simultaneous Engineering und QFD im Rahmen von Six Sigma Projekten respektive Design for Six Sigma deutlich. Veränderungsbereitschaft
hoch
niedrig
Entwicklungsgetriebene IngenieurKultur
Six Sigma Kultur
BürokratenKultur
Marketing- und VertriebsKultur
gering
stark
Kundenfokus (intern und extern)
Abbildung 3: Unternehmenskultur-Typologie
Hieraus folgt unmittelbar der Veränderungsprozess durch Six Sigma. Er ist in Abbildung 4, auf der Basis des bekannten Modells von Lewin (vgl. Robbins 1993, S. 646ff.), skizziert mit den beiden Dimensionen Veränderungsfähigkeit/-notwendigkeit und Zeit. Die Phase des Unfreezing erfolgt im Unternehmen durch die Information über und die Vorbereitung auf Six Sigma, um so die Bereitschaft für eine derart grundlegende Veränderung zu schaffen. In der Phase Moving wird durch die Six Sigma Einführung und Umsetzung sowie die damit verbundenen Projekterfolge kontinuierlich ein höheres Niveau der Veränderungsfähigkeit erreicht. Es setzt immer klare Projektziele einerseits und personenbezogene Zielvereinbarungen andererseits voraus, um das notwendige Commitment sicherzustellen. Dies gilt es in der Phase Refreezing abzusichern und zu stabilisieren. Unterstützt kann das Vorhaben beispielsweise dadurch werden, dass – wie bei GE – eine Six Sigma Qualifikation zum Green Belt oder sogar Black Belt eine wesentliche Grundlage bzw. gegebenenfalls Voraussetzung für die Managementkarriere im Unternehmen ist. Auf Führungspositionen befördert werden dann also nur Führungskräfte, die in Six Sigma qualifiziert und erfahren sind. In der Konsequenz wird Six Sigma wirklich zu einem Bestandteil der Managementkultur, nicht zuletzt durch die Verankerung in den persönlichen Zielvereinbarungen. Gleichzeitig ist in gegenläufiger Richtung leicht nachvollziehbar, dass ohne diese flankierenden „Korsettstangen“ im Management und in der Steuerung bereits in der Mo-
294
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
ving-Phase ein nur deutlich geringeres Niveau erreicht wird. In der anschließenden Refreezing-Phase kann dann oftmals das Niveau nicht gehalten werden, sondern das Six Sigma Konzept bröckelt kontinuierlich ab. Dies ist nach unserer Erfahrung ein maßgeblicher Grund, warum in zahlreichen Unternehmen die „Six Sigma Exkursion“ nicht die dauerhaften Verbesserungen und Erfolge erbracht hat.
Veränderungsbereitschaft
Veränderungsfähigkeit/ -notwendigkeit, Veränderungsbereitschaft
Veränderungsfähigkeit/ -notwendigkeit
Six Sigma als Bestandteil der Managementkultur
Six Sigma Einführungs- und Umsetzungsprozess Information über und Vorbereitung auf Six Sigma Zeit Auftauen (Unfreezing) • Positive Erfahrungen/ Wirkungen bei anderen Unternehmen • Top Management überzeugen • Pilotprojekte initiieren • Breite Kommunikation durch Informationsveranstaltungen (Info-Markt)
Verändern (Moving)
Verankern (Refreezing)
• Six Sigma Organisation mit verteilten Funktionen/ Rollen und klarem Commitment aufbauen
• Six Sigma Projekte in persönliche Zielvereinbarungen aufnehmen
• Trainingsprogramme durchführen
• Karrierekonzept für Black Belts/ Green Belts festlegen
• Projektauswahl durchführen und Anzahl von Projekten pro Bereich festlegen
• Six Sigma Erfahrungen als Voraussetzung für Management-Beförderung
Abbildung 4: Phasen und Niveau des Veränderungsprozesses durch Six Sigma
Der in obiger Weise klar strukturierte und nachhaltige Einführungsprozess führt dazu, dass sich – wie in Abbildung 4 verdeutlicht – die Entwicklungslinie der Veränderungsbereitschaft zunächst naturgemäß auf einem geringeren Niveau befindet als die Entwicklungslinie der Veränderungsfähigkeit/-notwendigkeit. Erst die konzeptionelle Stringenz des Six Sigma Vorhabens, die direkte Verbindung mit Karrierepfaden im Unternehmen sowie die nach der Einführung nachvollzieh-
Armin Töpfer
295
baren Projekterfolge führen dazu, dass die Kurve der Veränderungsbereitschaft steil ansteigt und danach deutlich über dem Niveau der Veränderungsfähigkeit und -notwendigkeit liegt. Dies gelingt aber nur, wenn Six Sigma als in sich geschlossener Managementansatz durch das Top-Management mitgetragen und vorangetrieben wird. Angestrebt ist mit anderen Worten eine Prozessstabilisierung, die immer als Grundlage und Bestandteil eine Verhaltensstabilisierung umfasst und das eindeutige Ziel der Ergebnisstabilisierung verfolgt. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Einführung von Six Sigma einen mehr oder weniger „radikalen Änderungsansatz“ erfordert, und zwar in der Weise, dass ein umfassendes und nachhaltiges Projektmanagement eingeführt wird mit den folgenden Elementen: •
Eine ausgeprägte Fähigkeit zur zahlengestützten Analyse
•
Die Bereitschaft, Probleme Defizite, Fehler und Kosten offen zu legen und auf diese Weise, eine i.d.R. bisher nicht vorhandene Transparenz zu schaffen
•
Im Unternehmen ist projektbezogen zu agieren und zu „therapieren“
•
Immer das Ganze sehen, aber immer nur einen Ausschnitt bearbeiten. Dies bedeutet mit anderen Worten: Das System „Unternehmen“ ganzheitlich bezogen auf seine eigene Wertschöpfung und die Verflechtung mit Wertschöpfungspartnern zu verstehen, jedoch immer nur in kleinen überschaubaren Ausschnitten bzw. „Portionen“ zu verbessern, die aber wiederum mit allen wichtigen Wirkungsbeziehungen verzahnt sind
•
Es gibt keine „Inseln ohne Six Sigma“ im Unternehmen. Bei den Analysen und Verbesserungen wird im Unternehmen demnach kein Bereich und keine Ebene ausgespart. Es darf also keine „Heiligen Kühe“ im Unternehmen geben. Andernfalls würden als wesentlich erkannte Defizite und vor- oder nachlaufende Wirkungsbeziehungen ausgeklammert und damit Effizienz und Effektivität jeder Six Sigma Aktivität erheblich eingeschränkt werden.
Nur wenn diese Anforderungen und Elemente an die Veränderungsnotwendigkeit, -fähigkeit und -bereitschaft erfüllt sind, liegt eine Unternehmenskultur mit einem höheren Reifegrad für Six Sigma vor (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2003, S. 681). In Abbildung 5 sind die drei Elemente zur Unterstützung des Veränderungsprozesses noch einmal aufgeführt. Die Veränderungsbereitschaft wird also insbesondere durch die Klarheit der Vision und Ziele sowie durch die Einflussmöglichkeit und die in Aussicht gestellte Belohnung bzw. (Be)Förderung geprägt. Die Veränderungsfähigkeit setzt in ausreichendem Maße Qualifikation, Ressourcen und Zeit voraus.
296
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
Unternehmensleitung/ Führungskräfte
Vision/ Klare Ziele
Empowerment
Qualifikation
Belohnung
Ressourcen
(Be)Förderung
Zeit Feedback
Kommunikation
Assessment Bewertung von Qualifikation und Leistung
Anreize
Veränderungsbereitschaft
Veränderungsfähigkeit
Mitarbeiter
Abbildung 5: Drei Elemente zur Unterstützung des Veränderungsprozesses
2
Inhalte einer für Six Sigma geeigneten Unternehmenskultur
Hieran schließt sich unmittelbar die Frage, wie eine Six Sigma Unternehmenskultur auszurichten und auszugestalten ist. Bevor hierzu zehn Ansatzpunkte entwickelt werden, soll zunächst – basierend auf der Literatur – auf wichtige Kulturdimensionen und Bausteine eines Veränderungsmanagements mit dem Blickwinkel auf Six Sigma eingegangen werden. Die Klassifikation der Ebenen einer Unternehmenskultur nach Schein (Schein 1992, S. 14) lässt sich auch auf die Kulturdimensionen bei Six Sigma übertragen. In Abbildung 6 ist dieser Ansatz wiedergegeben. Wie hieraus nachvollziehbar ist, umfassen die Grundannahmen auf der ersten Ebene die Beziehungen zur Umwelt und zum sozialen Umfeld. Dies sind unter dem hier interessierenden Blickwinkel das Primat der Fehlerfreiheit in der Wertschöpfung, der Glaube an die Veränderungsfähigkeit und -notwendigkeit von Organisationen sowie das Verständnis, dass alle realen Phänomene Strukturen aufweisen und deshalb Muster erkennen lassen. Diese drei Punkte sind die eindeutige Basis für Six Sigma. Auf der zweiten Ebene werden – bereits mit einer größeren Sichtbarkeit – Normen und Werte festgelegt. Sie prägen Einstellungen und Überzeugungen. Bezogen auf Six Sigma sind dies: •
Ganzheitliche Qualität als oberste Priorität
Armin Töpfer
297
•
Steigerung der Kundenzufriedenheit zusammen mit einer Erhöhung des Unternehmenswerts, insbesondere durch Kostensenkungen, Umsatzerhöhungen und Gewinnsteigerungen
•
Organisationsentwicklung unmittelbar verknüpft mit Personalentwicklung, also Verbesserungen durch Six Sigma Projekte unter Einsatz speziell qualifizierter Mitarbeiter, deren Erfahrungen von Projekt zu Projekt steigen.
Sichtbarkeit
Ebenen der Unternehmenskultur (nach Schein)
3.
o Sprache o Abläufe/ Technologie
Artefakte
o Rituale
2. Normen und Werte
o Einstellungen o Überzeugungen
1. Grundannahmen
o Beziehungen zur Umwelt o Soziale Beziehungen
Six Sigma Ausprägungen o Personal: Black Belt o Mental: Critical To Quality (CTQ) o Prozessual: DMAIC/ Projekt-Charter o Residual: Net Benefit
o Oberste Priorität der ganzheitlichen Qualität o Steigerung der Kundenzufriedenheit und gleichzeitig Erhöhung des Unternehmenswertes o Organisationsentwicklung und Personalentwicklung im Einklang o Alle Prozesse und Aktivitäten in der Wertschöpfungskette fehlerfrei o Veränderungsfähigkeit und -notwendigkeit der Organisation o Alle Phänomene der Realität weisen Strukturen auf und lassen Muster erkennen
Abbildung 6: Kulturdimensionen bei Six Sigma
Die dritte Ebene der Artefakte spiegelt diese vorgelagerten Ebenen nicht nur in der Sprache, sondern auch in Abläufen und „Management-Ritualen“ wieder. Hierzu gehören beispielsweise die Bezeichnung Black Belt für hochqualifiziertes Personal, die Critical To Quality (CTQ)-Denkweise, der Prozess DMAIC mit einer Projekt-Charter sowie nicht zuletzt bzw. in Six Sigma Projekten immer auch am Anfang die Net Benefit Analyse als interessierende Residualgröße. Die wesentlichen Bausteine des Veränderungsmanagements lassen sich auf der Basis der Analysen von Gouillart/Kelly (Gouillart/Kelly 1995, S. 117f.) einteilen (siehe Abbildung 7). Grundlage für eine Six Sigma Konzeption ist – wie eingangs angesprochen – eine klare Mission und Vision sowie Strategie. Als Erfolgsfaktoren werden bei allen Six Sigma Projekten die Produktanforderungen aus Kundensicht abgeleitet und zugrunde gelegt. Hierauf bezogen werden in einem Six Sigma Projekt die Prozesse und Infrastruktur analysiert und optimiert. Hierzu werden Werttreiber herausgearbeitet und bei den Mitarbeitern durch Qualifikationsverbesserungen in ihrer Wirkung unterstützt. Dies führt entsprechend dem Grundkonzept der Balanced Score Card dazu, dass die Vision und Strategie in das Tagesgeschäft umgesetzt wird. Genau dies ist auch der Ansatz von Six Sigma.
298
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
Vision +Strategie o Herausfordernde Vision o Visionskonforme Strategie o Ziele und Messgrößen (Balanced Score Card)
Umsetzung
Erfolgsfaktoren
Märkte +Produkte o Fokus auf Kundennutzen o Innovative Technologien und Marktleistungen o Auf Wettbewerbsvorteile orientiertes Marketing
Veränderungsmanagement
Ableitung
Mitarbeiter +Lernen
Prozesse +Infrastruktur
o Empowerment der Mitarbeiter o Lernkultur verbessern o Anreiz- und Prämiensysteme gestalten
o Prozessketten optimieren o Strukturen und Kompetenzen darauf ausrichten o Schnittstellenprobleme lösen
Werttreiber
Basis: Gouillart/Kelly
Abbildung 7: Bausteine des Veränderungsmanagements
Die grundsätzliche Frage ist also, ob und in welcher Weise eine Unternehmenskultur fördernd oder hemmend für die Einführung des Six Sigma Konzepts und die Durchführung von Six Sigma Projekten ist. Die bisherigen Ausführungen zu den Anforderungen, Elementen, Prozessphasen, Kulturdimensionen und Bausteinen haben hierzu die Grundlage geschaffen. Im Folgenden werden als Basis für die konkrete Beantwortung dieser Frage zehn Ansatzpunkte bezogen auf die Inhalte einer Six Sigma Unternehmenskultur formuliert. Umgesetzt in Kriterien lassen sie anschließend eine Bewertung des Six Sigma Reifegrades eines Unternehmens zu. Unverzichtbare inhaltliche Ansatzpunkte für eine Six Sigma Kultur sind: 1) Kundenorientierung, d.h. Customer first und Ermittlung der CTQs aus Sicht des Kunden (VOC). 2) Prozessorientierung, d.h. Kundenorientierung und -zufriedenheit ist nur erreichbar über Prozesse, Prozessteuerung und -optimierung. 3) Veränderungsorientierung sowie -fähigkeit und -bereitschaft. Wie bereits ausgeführt, kennzeichnet die Fähigkeit das Qualifikationsniveau, das erst bei einer entsprechenden Einstellung als Veränderungsbereitschaft zur Wirkung gebracht werden kann. 4) Vorhandensein von Verbesserungspotenzial, d.h. ein Unternehmen hat noch kein hohes Sigma-Niveau erreicht. Je höher das Excellence-Niveau des Unternehmens ist, desto geringer ist die erforderliche kulturelle Veränderung, aber desto geringer ist auch das noch aktivierbare Verbesserungspotenzial.
Armin Töpfer
299
Andererseits existiert keine Maximierungsgrenze bei Six Sigma. Dies bedeutet, dass auch in Unternehmen mit einem hohen Sigma-Niveau noch beträchtliche Verbesserungsmöglichkeiten existieren. Denn in der Regel ändert sich dieses Verbesserungspotenzial wieder mit den Zielen. Verfolgt ein Unternehmen am Markt nicht nur Basisziele, z.B. das Bestehen am Markt, sondern weiterführende Zielsetzungen, z.B. Qualitäts- und Kostenführerschaft, dann existiert noch erheblicher Verbesserungsbedarf in diese Richtung im Sinne eines Quantensprungs. 5) Kreativität ist der wesentliche Schlüssel für Veränderungen außerhalb der Routine. Hierdurch werden neue Handlungsspielräume eröffnet, die über einen „guten“ KVP-Prozess hinausgehen. 6) Im Unternehmen muss ein derartiger Prozess über alle Ebenen und Bereiche durchgeführt werden, d.h. das Unternehmen darf nicht nur zentral geführt und gesteuert werden, sondern bestimmte Aktivitäten müssen auch dezentral in einzelnen Geschäfts- bzw. Unternehmensbereichen entfaltet werden können. Dies entspricht der Möglichkeit, dass Six Sigma Projekte vor allem auch dezentral durchgeführt werden, aber zentral „angebunden“ sind. 7) Es gibt trotz aller Kreativität und dezentraler Einheiten ein ausreichendes Maß an Formalisierung und Standardisierung im Unternehmen für eine einheitliche Prozessdurchführung und für eine auf Ergebniskriterien basierende Prozesssteuerung. 8) Das Unternehmen wird leistungs- und ergebnisorientiert geführt, d.h. die Kultur ist sehr stark auf Effizienz als Wirtschaftlichkeit und Effektivität als Zielerreichung ausgerichtet. 9) Das Unternehmen ist nicht nur ganzheitlich im Sinne von systemisch, sondern zugleich auch personenorientiert geführt und gesteuert. Mit anderen Worten ist die Kultur so ausgerichtet, dass Teilen des Unternehmens Ziele vorgegeben, diese aber immer auf Personen „heruntergebrochen“ werden in Form von Anreizen, Zielen bzw. Vereinbarungen und Ergebnismessungen. Die Individualität der Steuerung von Personen und die Kollektivität der Steuerung von Unternehmensteilen sowie des Gesamtunternehmens sind bei Six Sigma ausbalanciert. 10) Lernorientierung kennzeichnet die Notwendigkeit einer Verzahnung von individuellem und organisationalem Lernen im Unternehmen. Dies erfordert das Ausbalancieren von Individualität und Kollektivität der Unternehmenskultur.
300
3
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
Reifegrade der Unternehmenskultur für Six Sigma
In diesem Abschnitt soll nun ein Kriterienraster entwickelt werden, anhand dessen sich der Reifegrad einer Unternehmenskultur für Six Sigma bestimmen lässt. Damit ist zugleich ein Mess-, Analyse- und Bewertungsraster bezogen auf die Übereinstimmung mit bzw. Lücke zu einer Six Sigma geeigneten Unternehmenskultur gegeben. In Abbildung 8 wird zunächst ein Polaritätenprofil mit den 16 Kriterien respektive Dimensionen wiedergegeben. Zusätzlich ist darin das Idealprofil einer für Six Sigma geeigneten Unternehmenskultur auf der Basis eigener Erfahrungen eingezeichnet. Im Rahmen der Ausführungen zu den einzelnen Kriterien bzw. Dimensionen werden die jeweiligen Polaritäten erläutert. Das Polaritätenprofil ist formal so aufgebaut, dass von einer Mittellinie als Nulllinie die Ausprägungen in beide Polaritätenrichtungen möglich sind. Zum Teilkennzeichnen die Polaritäten einer Dimension eine negative und eine positive Ausprägung, z.B. (5) Bewahren/Beharren und Veränderungsbereitschaft. Zum Teil sind die Polaritäten Extremwerte ohne direkte negative oder positive Unterscheidung, z.B. (4) Kundenzufriedenheit und Unternehmenswertsteigerung. Im ersten Fall ist das Idealprofil stark auf der positiven Seite ausgeprägt. Im zweiten Fall kommt es auf das Ausbalancieren von zwei Extremwerten an, die manchmal sogar in einem ursächlichen Wirkungsverbund stehen. Unternehmenswertsteigerung setzt beispielsweise Kundenzufriedenheit voraus. Eine falsch verstandene, kurzfristig angelegte Ausrichtung auf den Shareholder Value geht aber zu Lasten der Kundenzufriedenheit, genauso wie eine zu intensive Fokussierung auf Kundenzufriedenheit zu Lasten der langfristigen Unternehmenswertsteigerung geht. Die 16 Dimensionen des Polaritätenprofils der Unternehmenskultur für Six Sigma sind in drei Gruppen zusammengefasst, auf die im Folgenden der Reihe nach eingegangen wird. Philosophie und Strategie (1) Fehlertoleranz vs. Null-Fehler-Anspruch: Six Sigma bedeutet absolut hohe Fehlerfreiheit. Lässt ein Unternehmen Fehlertoleranz zu, dann sind hierbei zwei Ansätze möglich: Wenn zum einen Fehler passieren und keine Konsequenzen, insbesondere Verbesserungsmaßnahmen, darauf folgen, dann ist dies ein niedriges Six Sigma Niveau. Wenn ein Unternehmen zum anderen in der Weise eine Fehlertoleranz aufweist, dass Fehler passieren dürfen, aber sofort entsprechende Abstellmaßnahmen eingeleitet werden, dann ist die Kultur zumindest grundsätzlich geeignet für Six Sigma. Jedoch besteht hiermit noch keine Aussage zum Niveau, d.h. erst ein Null-Fehler-Anspruch kennzeichnet Six Sigma nach dem Motto: „Unser größter Feind ist die Abweichung!“ (2) Strukturdenken vs. Prozessdenken: Six Sigma geht eindeutig in Richtung Prozessdenken. Mit anderen Worten ist hierarchieorientiertes Strukturdenken im Unternehmen der „natürliche Feind“ von Six Sigma.
25 %
0%
25 %
50 %
Inkrementaler Ansatz
Idealprofil für Six Sigma
50 %
Informationstransparenz
Faktenorientiert
Projekttätigkeit
Informationsmonopole
Ganzheitlicher Ansatz
(11)
Überzeugungsorientiert
(16)
Anweisungsorientiert
(10)
Unternehmensweite Initiative
Vermutungsorientiert
Insellösungen
(9)
Ergebnisgetrieben
(15)
Toolgetrieben
(8)
Tagesgeschäft
Linientätigkeit
Zusätzliche Tätigkeit
(7)
Kreativität/Innovationen
(14)
Formalisierung
(6)
Veränderungsbereitschaft
Dezentrale Organisation
Bewahren/Beharren
(5)
Outside-in
Zentrale Organisation
Inside-out
(4)
Unternehmenswertsteigerung
(13)
Kundenzufriedenheit
(3)
Prozessdenken
Standardisierung
Strukturdenken
(2)
Null-Fehler-Anspruch
(12) Individuelle Anwendung
Fehlertoleranz
(1)
Armin Töpfer 301
Abbildung 8: Idealprofil der Unternehmenskultur für Six Sigma
(3) Kundenzufriedenheit vs. Unternehmenswertsteigerung: Hier ist – wie bereits oben erwähnt – im Idealzustand keine Polarität vorhanden. Das heißt, Kundenzufriedenheit und Unternehmenswertsteigerung sind in Six Sigma Unternehmen inhaltlich ausbalanciert und liegen in der Mitte des Polaritätenpro-
302
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
fils. Six Sigma bedeutet, dass Kundenzufriedenheit der Hebel für Unternehmenswertsteigerung ist. (4) Inside-out vs. Outside-in: Die Priorität von Six Sigma liegt eindeutig auf der Polarität Outside-in. Der Treiber ist die Ermittlung der CTQs. In der Konsequenz bedeutet diese Philosophie, dass nicht entscheidend ist, ob das Unternehmen seine intern festgelegten Standards erreicht. Es wird vielmehr zuerst untersucht, was und wie viel der Kunde will. Auf dieses geforderte Niveau werden interne Standards ausgerichtet. Eine Inside-out Analyse ist nur in dem Maße zweckmäßig, wie sich die Gestaltung von Werttreibern über Erfolgsfaktoren am Markt zur Differenzierung von Wettbewerbern auswirkt. (5) Bewahren/Beharren vs. Veränderungsbereitschaft/Lernorientierung: Six Sigma ist sehr stark veränderungs- und lernorientiert ausgeprägt, entsprechend dem Motto: „Das Bessere ist immer der größte Feind des Guten“. Diese Aussage trifft insbesondere für Unternehmen mit einem hohen Reifegrad der Unternehmenskultur zu. Diese müssen immer wieder die Bereitschaft aufweisen, Veränderungen im Unternehmen durchzusetzen, auch wenn das erreichte Sigma-Niveau bereits relativ hoch ist. (6) Formalisierung vs. Kreativität/Innovation: Einerseits muss Formalisierung im Sinne geregelter Inhalte und Abläufe gegeben sein. Allein aufgrund der anzustrebenden Dezentralisierung ist Formalisierung erforderlich. Andererseits müssen Kreativität und Innovation für individuelle Lösungen und weitreichende Veränderungen im Unternehmen vorhanden sein. Die Idealausprägung im Polaritätenprofil ist deshalb rechts von der Mittellinie. Führung und Umsetzung (7) Zusätzliche Tätigkeit vs. Tagesgeschäft: Bei Six Sigma wird das Ziel verfolgt, den Verbesserungsprozess möglichst bald in das Tagesgeschäft zu integrieren. Dadurch wird Six Sigma nicht zum Fremdkörper neben dem Tagesgeschäft. Six Sigma soll das gesamte Denken und Handeln der „normalen“ unternehmerischen und betrieblichen Tätigkeit durchdringen. In dem Maße wie qualifizierte Mitarbeiter, insb. Green und Black Belts, eine Karrierechance im Management bekommen und zu Führungskräften im Unternehmen werden, wird Six Sigma Denken zum Bestandteil des Tagesgeschäfts. (8) Instrument-/Toolgetrieben vs. Ergebnisgetrieben: Six Sigma setzt zwar Instrumente und Tools als Mittel zum Zweck ein, aber der Fokus liegt eindeutig auf den Ergebnissen. Die Ausprägung des Idealprofils liegt deshalb leicht rechts von der Nulllinie. (9) Insellösungen vs. Unternehmensweite Initiative: Mit Six Sigma ist eine unternehmensweite Initiative angestrebt. Im Einführungsprozess empfiehlt sich aber ein Vorgehen in der Weise, dass zunächst wenige Pilotprojekte durchgeführt werden, da hierdurch die Vorgehensweise geübt, unternehmensspezifi-
Armin Töpfer
303
sche Anforderungen besser berücksichtigt und Projekterfolge als wichtige Verstärkereffekte genutzt werden können. Auf dieser Basis ist ein unternehmensweiter Roll-Out leichter und effizienter möglich. (10) Anweisungsorientiert vs. Überzeugungsorientiert: Aufgrund des voranstehenden Kriteriums überwiegt eigentlich die Überzeugungsorientierung. Jedoch sind in Six Sigma Unternehmen ohne diesen hohen Reifegrad – und das ist eher der Normalfall – diese beiden Polaritäten völlig ausbalanciert. Auf der Basis der drei Dimensionen Zentrale vs. Dezentrale Organisation (13), Insellösungen vs. Unternehmensweite Initiative (9) sowie Linien- vs. Projekttätigkeit (14) ist ein gewisses Maß an Anweisung bezogen auf Projekte und Ziele, aber auch im Hinblick auf Formalisierung und Standardisierung unerlässlich. (11) Ganzheitlicher vs. Inkrementaler Ansatz: Die Six Sigma Konzeption ist ganzheitlich angelegt, aber die Projekte haben eher einen inkrementalen Charakter, d.h. es werden jeweils nur bestimmte Probleme bzw. Prozessschritte behandelt. Wichtig ist hierbei, die Naht- bzw. Schnittstellen im Rahmen eines „Gesamtprojektplans“ zu kennen. Die Projektdurchführung erfolgt entsprechend der DMAIC-Methode in einem Zeitraum von optimal drei Monaten, was auch durch den Projektzuschnitt gesichert werden soll. (12) Individuelle Anwendung vs. Standardisierung: Im Vergleich zur Formalisierung von Prozessen ist der Grad der Standardisierung insbesondere der unterschiedlichen QM-Instrumente deutlich höher. Das heißt, die Methoden sind standardisiert, zugleich sind aber individuelle Lösungen möglich. Das Ziel ist, durch die Standardisierung höhere Skaleneffekte zu generieren sowie Prozesse auf einem hohen Niveau zu stabilisieren. Organisation und Information (13) Zentrale vs. Dezentrale Organisation: Zumindest bei der Einführung wird Six Sigma typischerweise zentral organisiert. Die Anwendung des Wissens der Black Belts auf einzelne Projekte erfolgt jedoch immer über die Champions dezentral in verschiedenen Unternehmensbereichen. Mit zunehmendem Durchsatz von Six Sigma im Unternehmen und steigendem Reifegrad der Six Sigma Kultur nimmt die dezentrale Organisation der Black Belts in einzelnen Unternehmensbereichen zu. Die ideale Profilausprägung ist deshalb leicht dezentral. (14) Linien- vs. Projekttätigkeit: Die Antwort auf die Frage, ob die Six Sigma Aktivitäten mehr auf Linien- oder Projekttätigkeit ausgerichtet sind, tendiert deutlich stärker zur Projekttätigkeit. Dies verträgt sich mit der Kombination, dass die Projekte sehr stark im Tagesgeschäft verankert sind. Jedoch handelt es sich hierbei nicht um Linientätigkeit, da eine eigenständige Six Sigma Organisation besteht, die mit Hilfe der Projekte eine unternehmensweite Initiative und keine Insellösungen verfolgt.
304
Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
(15) Vermutungs- vs. Faktenorientiert: Die Unternehmenskultur sollte eindeutig faktorientiert ausgerichtet bzw. noch besser faktengetrieben sein, entsprechend dem Motto: „Was man nicht messen kann, kann man nicht bewerten. Was man nicht bewerten kann, kann man nicht verbessern.“ Lediglich zu Beginn von Six Sigma Projekten sind Vermutungen über mögliche Ursachen-Wirkungs-Beziehungen eine wichtige Basis, auf der dann Analysen aufsetzen. Vermutungen basieren i.d.R. aber auch auf Erfahrungen. Für faktenorientiertes Handeln werden also Erfahrungen benötigt, um in die „richtige Richtung“ Messgrößen bestimmen und diese anschließend analysieren zu können. (16) Informationsmonopole vs. Informationstransparenz/-offenlegung: Six Sigma ist aufgrund der starken Projektorientierung, einschließlich der dezentralen Durchführung von Projekten, auf eine hohe Transparenz und Informationsoffenlegung angewiesen. Insbesondere in der Unternehmensspitze darf kein Informationsmonopol be- bzw. entstehen. Andernfalls immunisiert sich ein defektes System selbst. Das heißt, ein in Prozessen und Ergebnissen schlechtes Unternehmen festigt sich, weil niemand im Unternehmen über die Fehler und Probleme sprechen darf, ohne persönliche Konsequenzen und Sanktionen befürchten zu müssen. Mit Informationstransparenz ist gleichzeitig ein Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Unternehmensteilen angestrebt. Eine Grenze ist nur dann gegeben, wenn sensible Daten betroffen sind. Wie eingangs schon erwähnt und mehrfach betont, ist die größte Anforderung an die Unternehmenskultur die Bereitschaft, Defizite und Fehler offen zu legen. Dabei sind keine personenbezogenen Schuldzuweisungen zu treffen, sondern die Probleme auf der Sachebene zu behandeln und zu lösen.
4
Anwendung des Messinstrumentariums für die Six Sigma Kultur
Für jedes Unternehmen empfiehlt sich individuell vor der Einführung von Six Sigma neben den harten Faktoren, wie vorhandene Budgets, Personal und Infrastruktur, vor allem auch die weichen Faktoren der bestehenden Unternehmenskultur zu bewerten. Wie gezeigt, lässt sich auf dieser Basis der Abstand zum Idealprofil in einer mehr oder weniger qualitativen, aber dennoch aussagefähigen Bewertung erkennen. Diese Lücke als Cultural Gap macht von vornherein das erforderliche Ausmaß der Anstrengungen und Veränderungen deutlich und beugt so nachhaltig Misserfolgen und Enttäuschungen vor. Auch und gerade für die Einführung von Six Sigma gilt, dass die schwierig zu bewertenden weichen Faktoren die wichtigsten für einen nachhaltigen Erfolg sind. Dabei ist vorzusehen, dass eine Bewertung des kulturellen Ausgangsniveaus von mehreren Führungskräften parallel durchgeführt wird. Unterschiede in dem zugestandenen Niveau lassen sich so sachlich und argumentativ diskutieren. Dies för-
Armin Töpfer
305
dert eine realistische Einschätzung der bestehenden Unternehmenskultur. Gerade bei internationalen Unternehmen sind für die Six Sigma Einführung unterschiedliche nationale Anforderungen, Einschätzungen und Mentalitäten zu berücksichtigen. Der Vorteil einer Einschätzung der Ausgangssituation eines Unternehmens für eine Six Sigma Implementierung unter Verwendung des Polaritätenprofils als Messinstrumentariums mit aufbereiteten Fragen und Bewertungen liegt darin, dass nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für einzelne Unternehmensteile ein spezifisches Profil mit einer nachvollziehbaren kulturellen Lücke ermittelbar ist. Dabei kann zusätzlich im Vorfeld zunächst einmal für das gesamte Unternehmen das Idealprofil gemeinsam diskutiert und festgelegt werden. Das Ergebnis ist dann mit diesem Messinstrument eine stärker objektivierte Aussage zur Unternehmenskultur – für oder gegen Six Sigma. Abschließend werden auf der Basis des Polaritätenprofils noch zwei Bewertungen der Six Sigma Kultur vorgenommen, und zwar für mittelständische und große Unternehmen. Dabei ist klar, dass diese Verallgemeinerungen zu vergröbernden Durchschnitten führen, die lediglich Tendenzaussagen zulassen. Diese können aber bereits aussagefähig sein. Wie Abbildung 9 erkennen lässt, weisen beide Unternehmensklassen im Vergleich zum Idealprofil eine Reihe deutlicher Abweichungen auf. Auf eine Interpretation im Detail wird hier verzichtet. Im Einzelfall werden für ein Unternehmen die Profilausprägungen gehaltvoller und aussagefähiger sein. Die entscheidende Frage ist dann immer, mit welchen Defiziten das Unternehmen leben kann und welche es für eine wirkungsvolle Six Sigma Einführung und Umsetzung möglichst schnell und nachhaltig beseitigen soll. Tom Malone, der CEO von Milliken, einem Unternehmen der Textil- und Chemiebranche mit heute 14.000 Mitarbeitern an 65 Standorten weltweit, hat die Anforderungen an den Veränderungsprozess und das Problem einer sich entsprechend entwickelnden Unternehmenskultur so formuliert, als er für sein Unternehmen im Jahre 1989 den amerikanischen Business Excellence Award (MBNQA) in Empfang nahm: „Hard stuff is easy stuff, soft stuff is hard stuff. Total quality is a people deal.” Mit anderen Worten liegen die Probleme bei der Umsetzung einer Null-FehlerStrategie und -Kultur weniger in der Einführung und Gestaltung der Qualitätswerkzeuge und organisatorischer Regelungen als „Hardware“. Ungleich schwieriger ist die Beeinflussung und Prägung der weichen Erfolgsfaktoren. Zu dieser „Software“ gehören insbesondere die Einstellung, Führung, Akzeptanz und das Commitment. Gerade bei einer Six Sigma Kultur im Unternehmen als höchstem Niveau von Total Quality Management müssen alle Mitarbeiter und Führungskräfte erreicht, überzeugt und eingebunden werden, um die Effektivität, also die zielorientierte Wirkung, der Initiative sicherzustellen.
25 %
0%
25 %
50 %
Inkrementaler Ansatz
Abbildung 9: Polaritätenprofil der Six Sigma Kultur in mittelständischen und großen Unternehmen
Idealprofil für Six Sigma
50 %
Mittelständische Unternehmen
Große Unternehmen
Informationstransparenz
Faktenorientiert
Projekttätigkeit
Informationsmonopole
Ganzheitlicher Ansatz
(11)
Überzeugungsorientiert
(16)
Anweisungsorientiert
(10)
Unternehmensweite Initiative
Vermutungsorientiert
Insellösungen
(9)
Ergebnisgetrieben
(15)
Toolgetrieben
(8)
Tagesgeschäft
Linientätigkeit
Zusätzliche Tätigkeit
(7)
Kreativität/Innovationen
(14)
Formalisierung
(6)
Veränderungsbereitschaft
Dezentrale Organisation
Bewahren/Beharren
(5)
Outside-in
Zentrale Organisation
Inside-out
(4)
Unternehmenswertsteigerung
(13)
Kundenzufriedenheit
(3)
Prozessdenken
Standardisierung
Strukturdenken
(2)
Null-Fehler-Anspruch
(12) Individuelle Anwendung
Fehlertoleranz
(1)
306 Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der Einführung von Six Sigma
Armin Töpfer
5
307
Literatur
Deal, E./Kennedy, A. (1982): Corporate Cultures – The Rites and Rituals of Corporate Life, 1982. Fehr, B. (1999): Das Geheimnis Six Sigma, in: Manager Magazin, 29. Jg., 11/1999, S. 276-285. Gouillart, F. J./Kelly, J.N. (1995): Business Transformation, New York 1995. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, Globales Handeln, 3. Aufl., München 2006. Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2003): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen, 2. Aufl., Stuttgart 2003. Pribilla, P. (2000): Personelle und kulturelle Integration, Stuttgart 2000. Robbins, S.P. (1996): Organizational Behavior, Concepts, Controversies and Applications, 6. Aufl., Eaglewood Cliffs: Prentice-Hall, 1993. Schein, E.H. (1992): Organizational Culture and Leadership, 2nd ed., San Francisco 1992. Seidenschwarz, W. (1997): Nie wieder zu teuer: 10 Schritte zum marktorientierten Kostenmanagement, Stuttgart 1997. Staehle, W.H. (1999): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, München 1999. Trompenaars, F./Hampden-Turner, C. (1998): Riding The Waves Of Culture, London 1998. Töpfer, A. (1998): Die Restrukturierung des Daimler-Benz Konzerns 1995-1997, Neuwied 1998. Weidinger, R. (1999): Cultural Due Diligence, in: M&A Review 10/1999, S. 427432.
Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma – Eine interkulturelle Betrachtung Steve Crom
Inhalt 1 2 2.1 2.2 2.3 2.4 3
1
Kulturelle und organisationale Rahmenbedingungen in Europa................................308 Praxisbeispiele für die Implementierung von Six Sigma ...........................................310 Siemens – Grundlegende Geschäftsverbesserung durch Six Sigma ..........................311 Ericsson – Six Sigma als Treiber für individuelle Veränderungen ............................312 Johnson & Johnson – Six Sigma als Element von Process Excellence......................315 General Electric – Veränderung des Führungsstils durch Six Sigma.........................316 Projektablauf in unterschiedlichem kulturellen Umfeld ............................................317
Kulturelle und organisationale Rahmenbedingungen in Europa
Ein wichtiger Ansatzpunkt von Six Sigma ist sicherlich die nachhaltige Veränderung von Unternehmensstrukturen. Neben der Optimierung von Bereichsorganisationen und -abläufen konzentrieren sich Six Sigma Aktivitäten insbesondere auf die Verbesserung von Management- und Entwicklungsprozessen. Dabei geht es sowohl um die Analyse des „Verhaltens von Prozessen“ als auch um die Untersuchung des Verhaltens von Mitarbeitern in Organisationen. Für Rath & Strong ist die unmittelbare Verbindung zwischen Mensch und Prozess seit 65 Jahren Ausgangspunkt der Beratungsaktivitäten. Im Zuge der Einführung von Six Sigma in verschiedenen europäischen Unternehmen konnten in den vergangenen 10 Jahren vielfältige Praxiserfahrungen gesammelt werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse hinsichtlich einer interkulturellen Implementierungsstrategie von Six Sigma zusammengefasst dargestellt. Die Veränderung von Unternehmensorganisationen wird maßgeblich vom kulturellen Umfeld des jeweiligen Standorts bestimmt. Vor diesem Hintergrund nimmt Six Sigma sowohl Einfluss auf das allgemeine Unternehmensverständnis als auch auf die Art und Weise wie Leistungen und Performance erkannt und kommuniziert werden. In Abhängigkeit vom Standort (z.B. Detroit vs. Stuttgart) kann die Bedeutung von Berichts- und Kommunikationsketten im Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen. Hinsichtlich der Vorstellung vom Zweck einer Organisation ergeben sich bei genauerer Untersuchung prinzipielle kulturelle Unterschiede. Nach dem Grad ihrer Zentralisierung und Formalität unterscheidet Fons Trompenaars (Trompenaars, F./Hampden-Turner, C. (1997): Riding The Waves Of Cul-
Steve Crom
309
ture, 2nd ed., London 1998, S. 33ff.) vier primäre Organisationsstrukturen. So ergaben Untersuchungen in US-amerikanischen sowie britischen Unternehmen eine höhere Dezentralisation bei gleichzeitig stärkerer Formalität gegenüber europäischen. Analog der „Steuerung von Fernlenkraketen“ besteht hier der Zweck einer Organisation im Erreichen genau definierter Ziele. Dabei ist die Betrachtung einzelner Zielsetzungen in Verbindung mit den Geschäftsprozessen selbstverständlich. Gerade in den USA erweist sich die bestehende Unternehmenskultur und -organisation als sehr fruchtbar für die Umsetzung von Six Sigma. Zum Beispiel erfahren hier die Leistungen einzelner Mitarbeiter besondere Anerkennung und Wertschätzung. Mit Fokus auf die Verbesserung der Prozessleistung rückt der Managementansatz Six Sigma Kompetenz und Zielverständnis der Mitarbeiter in den Mittelpunkt. In holländischen oder deutschen Unternehmen ist die kollektive Effektivität das oberste Ziel einer organisationsbezogenen Verbesserung. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Steigerung der Fähigkeiten von Arbeitsteams, Abteilungen oder Geschäftseinheiten. Das anerkennende Herausheben einzelner Mitarbeiter durch spezielle Schulungen oder Zertifikationen birgt hier das Risiko der Schaffung von „Elite-Gruppen“, die bei Mitarbeitern gleicher Hierarchie nicht selten auf Ablehnung stoßen. Der Ansatzpunkt des Six Sigma Konzepts besteht deshalb (in Deutschland und Holland) in der Erhöhung der Effektivität bei allen Beteiligten. In Südeuropa ähneln Geschäftsorganisationen den Strukturen von Familien. Wissen wird hier als die „Macht zum Wohle der Gruppe“ betrachtet. Senior Manager, die in diesem Umfeld agieren, müssen die Aspekte der Veränderung selbst internalisieren und personalisieren. Erst in einem zweiten Schritt werden die Manager der folgenden Hierarchiestufe in die Veränderungsprozesse involviert. Zum Beispiel gestaltet sich in französischen Unternehmen die Einführung der Senior Manager in die Führungsaspekte von Six Sigma sehr zeitaufwendig. Erst nach ausgiebiger Überzeugungsarbeit des Top-Managements können prozessbasierte Projekte im Unternehmen erfolgversprechend ansetzen. Für einen Schweden ist schließlich ein Unternehmen ein Apparat, mit dessen Hilfe er/sie sich verwirklichen und sein volles Potenzial entfalten kann (Bild des „Brutkastens“). Beim Versuch, einen Schweden für Six Sigma zu begeistern, sollte man mit der Frage rechnen: „Wie wird Six Sigma mir helfen, kreativer zu werden?“. Die Antwort lautet: „Wenn die Hälfte aller täglich anfallenden Probleme durch bessere Prozesse vermieden werden kann, hast du mehr Zeit, um kreativ zu sein!“. Wie sich zeigt, beruht der generelle Erfolg von Six Sigma auf der Fähigkeit von Individuen, zu lernen und Erfahrungen umzusetzen. Deshalb sollte nicht nur in Abhängigkeit von den unternehmensspezifischen Gegebenheiten, sondern vielmehr von der geografischen Lage des Standorts die Einführungsstrategie (formell, informell, zentral, dezentral) von Six Sigma gewählt werden (vgl. Abbildung 1).
310
Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma
Dezentral
• USA INDIVIDUELLER NUTZEN
ZIELE und PROZESSE
• Schweden
• UK
Informell
Formell
• Holland
• Frankreich WISSEN
KOLLEKTIVE EFFEKTIVITÄT
• Japan
• Deutschland Zentral
© 1998 Rath & Strong, Inc. All rights reserved (in Anlehnung an: Trompenaars/Hampden-Turner 1997, S. 179)
Abbildung 1: Systematisierung der Einführungsstrategien von Six Sigma
Wirkliche Begeisterung für Six Sigma zu erzeugen heißt, Six Sigma in einen geeigneten organisatorischen Kontext zu bringen und diesen entsprechend zu kommunizieren. Wie bereits erwähnt, ist es z.B. in einem französischen Unternehmen wichtig, zunächst die einheitliche Zustimmung der Senior Manager sowie Angestellten zu erlangen, bevor mit dem eigentlichen Black bzw. Green Belt Training begonnen wird. Gleichzeitig sollten jene Maßnahmen forciert werden, welche die unmittelbare Zufriedenheit der Mitarbeiter betreffen. In einem deutschen Unternehmen ist hingegen zunächst die klare Definition von Zuständigkeiten wichtig. Außerdem sollte hier der Zusammenhang zwischen Six Sigma und bereits bestehenden Managementkonzepten hinreichend erklärt werden. Six Sigma gilt in Deutschland als Mittel zur Erhöhung der Kollektiven Effektivität unter Anwendung „fortgeschrittener“ Prozessmethoden. In einem englischen Unternehmen besteht schließlich die Möglichkeit, durch die Ernennung von Black und Green Belts Karriereanreize für Top-Manager zu schaffen. Mit Hilfe von Six Sigma werden gute Ideen „nach oben“ kommuniziert, wobei Karrieresprünge im Rahmen eines dezentralen Ansatzes für ausreichend Anerkennung sorgen.
2
Praxisbeispiele für die Implementierung von Six Sigma
Im Folgenden sollen die möglichen Einführungsstrategien von Six Sigma anhand ausgewählter Praxisbeispiele kurz erläutert werden. Im Einzelnen wird auf die Implementierungsansätze von Siemens, Ericsson, Johnson & Johnson sowie General Electric näher eingegangen.
Steve Crom
311
2.1 Siemens – Grundlegende Geschäftsverbesserung durch Six Sigma Siemens ist ein hervorragendes Beispiel für ein multinationales deutschstämmiges Unternehmen, das über einen wohlüberlegten und klar strukturierten Zugang zu Six Sigma verfügt. Der Fokus der Six Sigma Aktivitäten liegt bei Siemens auf der Verbesserung kollektiver Unternehmensleistungen und zwar nicht nur an deutschen Standorten, sondern weltweit. In diesem Zusammenhang gilt es, Six Sigma mit anderen, bereits implementierten, Verbesserungsinitiativen wie z.B. der ISO 9000 oder dem EFQM Business Excellence Modell zu verknüpfen. Um nicht auf eine „Eintagsfliege“ zu bauen, erfolgte bei Implementierung von Six Sigma eine zunächst vorsichtige Bewertung möglicher Erfolgspotentiale. Heute ist der Ansatz in ein sehr umfassendes und logisch aufgebautes Konzept zur Unternehmensverbesserung, dem sog. top+Qualität Programm, integriert (vgl. Abbildung 2). Schritte 1-3 1-3 Schritte
•• Verbesserungsziele Verbesserungsziele zur zur Reduzierung Reduzierung der der Abweichungskosten Abweichungskosten und und Erhöhung Erhöhung des des Kundennutzens Kundennutzens festlegen festlegen
Produkt& Prozessqualität
•• Definition Definition der der Hauptproblemfelder Hauptproblemfelder und und
6 1 5 2 4 3 Fortschritt kontrollieren
Verbesserungsziele definieren
Maßnahmen umsetzen
HauptProblemfelder ermitteln
Maßnahmen definieren
Management Attention
Verbesserungshebel identifizieren
Transparenz
Qualifizierung & Training
Identifikation Identifikation der der Verbesserungshebel Verbesserungshebel durch durch das das Senior Senior Management Management
Eindeutige Ziele !
•• Top-Down-Initiierung Top-Down-Initiierung von von VerbesserungsVerbesserungsprojekten projekten mit mit Prozesszielen Prozesszielen
Schritte 4-5 4-5 Schritte
•• Systematische Systematische Ausarbeitung Ausarbeitung und und ImpleImplementierung mentierung von von Prozesskennzahlen Prozesskennzahlen
•• Unterstützung Unterstützung durch durch bewährte bewährte Methoden Methoden
Konkrete Maßnahmen !
(Six (Six Sigma Sigma Toolkit) Toolkit)
Schritt 66 Schritt
•• Kontrolle Kontrolle der der Zielerreichung Zielerreichung durch durch das das Senior Senior Management Management
•• Dokumentation Dokumentation der der Ergebnisse Ergebnisse
Klare Konsequenzen !
Quelle: top + team, ZT QM, Copyright© Siemens AG – Siemens Management Consulting 2000 All Rights Reserved
Abbildung 2: Das 6-Stufen Qualitätsverbesserungsprogramm top+ von Siemens
Auf der Grundlage des in Abbildung 2 dargestellten top+ Qualitätskonzepts formulierte Siemens klare Aufgabenstellungen für Senior Manager und Projektleiter bezüglich einzuleitender Maßnahmen zur Geschäftsverbesserung. In den Schritten eins bis drei erfolgt zunächst die Identifikation messbarer Kennzahlen zur Beschreibung des Verbesserungsprozesses. Der auf Basis von Qualitätssteigerungen erzielbare Unternehmensnutzen betrifft bspw. die Senkung von Abweichungskosten oder die Steigerung der Kundenzufriedenheit. In Letzteres fließen u.a. die Ergebnisse aus bereits erfolgten Benchmarks oder EFQM-Bewertungen ein. Nachdem die Problembereiche aufgezeigt und Verbesserungsziele festgelegt sind, sollten die Treiber bzw. Hebel für Verbesserungsmaßnahmen identifiziert werden (Schritte 1 bis 3). Die Senior Manager können auf diese Weise geeignete Projekte
312
Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma
auswählen, die am besten durch Six Sigma lösbar sind. Wichtige Stellhebel sind in diesem Zusammenhang die Analyse der Inputvariablen von Prozessen oder die Einführung und Verbesserung von Qualitätswerkzeugen, z.B. einer Kundendatenbank. Sind die Ansatzpunkte für Six Sigma identifiziert, können entsprechende Projekte formuliert, Teamführer bestimmt und Trainingsmaßnahmen eingeleitet werden (Schritte 4 bis 6). Das Senior Management bleibt auf zwei Arten in die Six Sigma Aktivitäten einbezogen. Zum einen besteht seine Aufgabe darin, kritische Parameter und Verbesserungsprojekte zu überwachen sowie auf mögliche Abweichungen unverzüglich zu reagieren. Hier nutzt Siemens die Verbindung zur Balanced Scorecard, die bereits in vielen Bereichen erfolgreich angewendet wird. Zum anderen liegen die unterstützenden Elemente des top+ Verbesserungskreislaufs im Verantwortungsbereich des Senior Managements. Dazu gehören sowohl das Sicherstellen der Effizienz von Verbesserungsaktivitäten als auch ein transparentes Prozess- bzw. Projektmanagement. Letzteres umfasst z.B. das Aussuchen geeigneter Projektleiter, die im Rahmen von ergebnisorientierten Trainingsprogrammen geschult werden müssen. Die Vorteile des Top-Down-Ansatzes von Siemens bestehen in der Konzentration von Six Sigma Aktivitäten auf die Verbesserung von Geschäftsprozessen. Dabei werden im Vorhinein wichtige von unwichtigen Prozessgrößen eliminiert sowie geeignete Stellhebel frühzeitig bestimmt. Diese sind im Projektverlauf von der Geschäftleitung kontinuierlich zu überwachen und zu steuern. Im Rahmen einer umfassenden Verbesserungsmethodik bezieht sich damit der Einsatz von Six Sigma auf die Effektivität der gesamten Wertschöpfungskette im Unternehmen. 2.2 Ericsson – Six Sigma als Treiber für individuelle Veränderungen Ähnlich wie Siemens in Deutschland steht Ericsson für ein multinationales Unternehmen mit Hauptsitz in Schweden. Wie bereits oben erwähnt, konzentriert man sich in schwedischen Unternehmen nicht nur auf die Bedürfnisse des Managements, sondern gleichermaßen auf die der Mitarbeiter. Ein Team um C. Wiholm (Qualitätsleiterin bei Ericsson) hat in einer Studie die Einflussfaktoren untersucht, welche die Bereitschaft von Beschäftigten zur Veränderung maßgeblich beeinflussen (vgl. Abbildung 3). Da Six Sigma allgemein für Veränderungen im Unternehmen steht, sind sowohl kontinuierliche Verbesserungsprozesse als auch grundlegende Strukturveränderungen für die sog. Change Capability ausschlaggebend. Die Bereitschaft von Mitarbeitern und Bereichen für Veränderungen ist letztendlich ein wichtiger Indikator für den Erfolg oder Misserfolg von Six Sigma. Die folgende Abbildung zeigt die einzelnen Elemente der „Veränderungsfähigkeit“ von Organisationen im Überblick. Nachdem die Elemente der Veränderungfähigkeit definiert und validiert sind, kann die Implementierung von Six Sigma auf Teamebene beginnen. Dabei sollten sich die Aktivitäten besonders auf solche Geschäftseinheiten beziehen, bei denen
Steve Crom
313
im Rahmen einer Voranalyse bereits eine hohe Veränderungsbereitschaft festgestellt wurde. C. Wiholm und ihre Kollegen betonen in diesem Zusammenhang, dass nicht alle Bereichsmitarbeiter für Veränderungen unbedingt motiviert sein müssen. In aller Regel werden die Reaktionen der Mitarbeiter und ihre Bereitschaft zu Veränderungen unterschiedlich ausfallen. Bei Ericsson hat sich gezeigt, dass die Veränderungsbereitschaft annähernd normalverteilt ist, d.h. 50 % der Mitarbeiter „schwimmen mit dem Strom“ falls organisationale Veränderungen eintreten (vgl. Abbildung 4). 1. Ziele 1.1. Gut definiert 1.2. Realistisch 1.3. Beeinflussbar
2. Empowerment
3. Management
2.1. Klare Autoritätsverhältnisse 3.1. Freiheit, zu entscheiden, wie die Arbeiten ausgeführt 2.2. Unterstützende Organisawerden tion
2.3. Unterstützung der Kollegen 3.2. Adäquate Autorität in Relation zur Verantwortung 2.4. Proaktiver Ansatz bei 1.5. Erreichbar 3.3. Bevorzugter Grad an Problemen/Aufgaben Einfluss 1.6. Werden weiter 2.5. Aktive Arbeit zur Erreichung verfolgt 3.4. Imstande sein, Entscheiorganisationaler Ziele dungen zu beeinflussen 1.7. Wissen, wenn 2.6. Wertsteigerung des die Ziele 3.5. Imstande sein, ManageBeitrages erreicht sind ment-Informationen zu kommentieren 1.4. Evaluierbar
4. Commitment 4.1. Organisationsverbunden 4.2. Verbesserung von Arbeitsprozessen 4.3. Verantwortung für Verbesserungen übernehmen 4.4. Verantwortung für sonstige Informationen
8.4. 7.7. Kundenzufriedenheit bekannt 6.5. Hohe Nutzung von Fähigkeiten 7.6. Kundenloyalität bekannt 5.5. Auf das gemeinsame 6.4. Hohe Professionali- 7.5. Kundenanforderungen bekannt 8.3. Ziel hinarbeiten täts-Wachstumsrate 5.4. Gut funktionierender 7.4. Verstehen der Stärken und 8.2. 6.3. Individuelle EntscheidungsSchwächen des Kunden Anerkennung findungsprozess 7.3. Kunde in die Entwicklung 8.1. 6.2. Mit dem Kernge5.3. Optimal genutzte einbeziehen schäft verbundene Ressourcen Belohnungssysteme 7.2. Bereitschaft, mit dem Kunden zu 5.2. Klar definierte kommunizieren 6.1. Erkennbarer Beitrag Prozesse zur Wertsteigerung 7.1. Offen für eine Veränderung der 5.1. Wiederanwendung Arbeitsmethoden, um die bewährter Verfahren Kundenerwartungen zu erfüllen 5.6. Planung der Arbeit
5. Voraussetzung
6. Motivation
7. Kundenfokus
Change Capability
4.5. Aktive Suche nach Informationen Definierte Teamautorität
9.7. Tatkräftige Angestellte
Definierte Rolle des Teamleiters
9.5. Mentaler Fokus auf relevante Themen
Hochleistungsteams
9.4. Organisationsbetont
Bereitschaft des Teams zur Veränderung und Verbesserung der Arbeitsmethoden
9.2. Launenhaftigkeit im Unternehmen
8. Teamgeist
9.6. Bereitschaft zu Lernen
9.3. Qualität in Prozessen, Produkten und Service
9.1. Besorgnis im Unternehmen
9. Organisationsenergie
Abbildung 3: Elemente der „Veränderungsfähigkeit“ von Organisationen
Indem das Thema „Veränderung“ explizit in den Raum gestellt wird, sind in einem ersten Schritt eine Reihe kritischer Fragen zu diskutieren bzw. zu beantworten, z.B.: Wie hoch ist die durchschnittliche Veränderungsfähigkeit einer gegebenen Geschäftseinheit?, Welches Profil haben die jeweiligen Abteilungsleiter? oder Wie können wir 20 % der Früheinsteiger in Six Sigma einbeziehen, um der Mehrheit, die „mit dem Strom schwimmt“, wichtige Vorteile aufzuzeigen? Sind alle kritischen Fragen nach dem Wann? und Wie? beantwortet, kann mit der Einführung von Six Sigma begonnen werden. In den betroffenen Geschäftseinheiten sind zunächst Schulungen durchzuführen, die das Verständnis und die Bereitschaft aller Mitarbeiter für Veränderungen sicherstellen und erweitern. Im Allgemeinen erhöht sich dadurch die Erfolgswahrscheinlichkeit von Six Sigma signifikant.
314
Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma
Mitarbeiteranzahl
“Terrorists & Blockers”
“Champions”
50%
5% Keine Veränderungsbereitschaft
20%
20%
Veränderung, wenn keine andere Möglichkeit besteht
Aktiver Widerstand gegen Veränderung
Warten ab, was passiert
“Schwimmen mit dem Strom”
5%
Werden bei erster Führen die Ver- Veränderungsbereitschaft Gelegenheit in den änderung an Veränderungsprozess einbezogen
Aktive Befürwortung der Veränderung
© Göran Lande, Clairy Wiholm, Bengt Arnetz, Ericsson Quality Management Institute
Abbildung 4: Verteilung der „Veränderungsbereitschaft“ bei Ericsson-Mitarbeitern
Im Rahmen der Einführung von Six Sigma erkannte Ericsson schnell, dass die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter besonders zu berücksichtigen sind. Deshalb wurden in einem zweiten Schritt, Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit zwischen Projektleiter und Manager geprüft. So ist heute der Vorgesetzte eines Black Belts in der ersten Kurswoche mindestens einen Trainingstag bei den Kursteilnehmern anwesend. Dabei können mit dem Projektleiter wichtige Fragen abgeklärt werden, wie z.B.: Warum wurden die Person und das Projekt ausgewählt? oder Wie wirkt sich der Erfolg/Misserfolg auf die Karriere der betroffenen Person aus? Andererseits kann der Projektleiter mit dem Manager die für die Durchführung des Projekts benötigte Zeit sowie die notwendige Unterstützung bezogen auf die Führung des Mitarbeiters abstimmen. Insbesondere in Bereichen, in denen Black Belts die Projektarbeit mit operativen Verantwortlichkeiten ausbalancieren müssen, ist die zeitliche Effizienz und Effektivität der Maßnahmen essentiell für den Erfolg von Six Sigma. Ericsson´s Vorgehen zur Umsetzung von Six Sigma harmonisiert die Bedürfnisse des Managements mit denen der Mitarbeiter, wobei Letztere unmittelbar für den Erfolg oder Misserfolg von Six Sigma einstehen. Durch messbare und praktisch umsetzbare Anforderungen hat das Unternehmen Ericsson das Thema „Veränderung“ erstmals entmystifiziert. Außerdem werden durch die Verbindung des Veränderungsmanagements mit dem Instrument der flexiblen Arbeitszeitgestaltung die Erfolgsaussichten von Six Sigma deutlich erhöht.
Steve Crom
315
2.3 Johnson & Johnson – Six Sigma als Element von Process Excellence In Form eines multinationalen amerikanischen Unternehmens setzt Johnson & Johnson (J&J) Six Sigma im Rahmen einer sog. Process Excellence Strategie mit durchschlagendem Erfolg ein (siehe hierzu auch den Artikel von Leyendecker: Ableitung von Six Sigma Projekten). Als ergebnisorientiertes und dezentralisiertes Unternehmen fand J&J heraus, dass insbesondere ein integrierter Ansatz zum langfristigen Erreichen von Business Excellence führt. Entsprechend seiner Unternehmenskultur und -geschichte setzt es dazu unterschiedliche Methoden zur Verbesserung der Prozessleistung ein. Jährlich werden vom Vorstandsvorsitzenden, R. Larsen, die besten der insgesamt 50 Geschäftseinheiten ausgezeichnet und als „Standard of Excellence“ geführt. Jede J&J Geschäftseinheit ist deshalb aufgefordert, alle zwei Jahre eine Selbsteinschätzung vorzulegen. Aufgrund bestehender „Performance Gaps“ verschiedener Geschäftseinheiten wurde die interne Qualitätsabteilung damit beauftragt, einheitliche Qualitätskonzepte für das gesamte Unternehmen zu entwickeln. Eine kleine Gruppe erfahrener Senior Manager befasste sich in der Folgezeit vor allem mit nutzen- und ergebnisorientierten Ansätzen. Zu diesen gehörten u.a. die Konzepte Six Sigma, Design Excellence und Lean Thinking. Führt man diese drei Konzepte zusammen, dann wird zunächst die Bedeutung eines metrisch basierten Erfolgsmesssystems, ähnlich dem einer Balanced Scorecard, deutlich. Nachdem J&J erste positive Erfahrungen mit Six Sigma sammeln konnte, verfügte Larsen in einem zweiten Schritt, dass jede Geschäftseinheit einen Katalog mit Verbesserungsmaßnahmen zu erstellen hat. Die auf metrischen Daten basierenden Maßnahmenkataloge lieferten den Senior Managern wichtige Anhaltspunkte bezüglich dem In- und Output von Prozessen. Auf dieser Basis war es möglich, kausale Zusammenhänge zwischen einzelnen Prozessschritten zu erkennen. Obwohl der Detaillierungsgrad der Kataloge den jeweiligen Geschäftseinheiten überlassen blieb, waren generelle Verbesserungsziele so zu kommunizieren, dass sie die fortwährende Aufmerksamkeit des Managements erhielten. Allein die Tatsache, dass bis heute Millionen von Dollar bei J&J durch verschiedene Projekte eingespart werden konnten, spricht für den weiteren Einsatz von Six Sigma. Anhand der aufgeführten Beispiele wird deutlich, wie wichtig eine auf die nationalen Gegebenheiten und Unternehmenskulturen abgestimmte Implementierungsstrategie ist. In jedem Fall liegt die Hauptverantwortlichkeit für die Quantifizierung von Verbesserungszielen, die durch Six Sigma erreicht werden sollen, bei der obersten Geschäftsleitung. Maßnahmenkataloge sind entsprechend dem TopDown-Prinzip zu implementieren, wobei alle relevanten Leistungsparameter (z.B. Kunde, Mitarbeiter, Prozess, Innovation) berücksichtigt werden müssen. Entsprechend dem Regelkreisprinzip sind diese dann zu planen, zu steuern und zu überwachen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Auswahl von geeigneten Six Sigma Projekten, die auf objektiven Zielsetzungen basieren und sich auf Prozessverbesserungen konzentrieren. Für die Projektdurchführung sind außerdem geeig-
316
Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma
nete Mitarbeiter zu bestimmen, die sich als potenzielle zukünftige Führungskräfte für Unternehmensbereiche u.a. durch soziale Kompetenz, Führungsqualität und Problemlösungsfähigkeit auszeichnen. Während mehr als 50 % des Lernens in der täglichen Projektarbeit sowie der Interaktion mit dem Teamleiter und übergeordneten Manager stattfindet, bieten spezielle Six Sigma Trainings wichtige Unterstützung bei der Problemerkennung und -lösung. Zur Erleichterung dieses Lernprozesses sind ebenfalls Trainings der Teamleiter und des Managements durchzuführen. 2.4 General Electric – Veränderung des Führungsstils durch Six Sigma Unabhängig von dem Land, in welchem ein Unternehmen agiert, geht die Einführung von Six Sigma mit einer nachhaltigen Veränderung des Führungsstils einher. Der Veränderungsprozess des Managements liegt dabei in unmittelbarer Verantwortung des Chief Executive Officer (CEO), der sich u.a. durch folgende Führungselemente bzw. -qualitäten auszeichnet: •
Objektive Bewertung der aktuellen Unternehmenssituation,
•
Richtungsweisende Vision für die Unternehmenszukunft,
•
Einsatz eines ausgewogenen Projekt- und Maßnahmenkatalogs,
•
Unterstützung erfolgversprechender Six Sigma Projekte,
•
Festlegung von Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten,
•
Durchführung symbolischer Handlungen und Maßnahmen.
Die Veränderung des Führungsstils bei GE verdeutlicht eindrucksvoll den positiven Einfluss auf die Unternehmenskultur. Seit Bestehen des Six Sigma Programms wurden insbesondere kontinuierliche Verbesserungsprozesse sowie Kundenorientierung gefördert und vorangetrieben. Heute gehen die Erwartungen soweit, dass ein Manager mindestens 25 % seiner Zeit in sog. „top-to-top – Meetings“ mit den Kunden verbringt. Dies soll vor allem eine objektive Beurteilung der aktuellen Unternehmenssituation durch die Geschäftsleitung ermöglichen. Außerdem bekommt der CEO ein klares Bild von den im Unternehmen einzuleitenden Verbesserungsmaßnahmen. GE´s Definition von Six Sigma ist: „Kunden auf profitable Art und Weise vollkommen zufrieden stellen.“. Nach einer Vision des ehem. CEO´s von GE, Jack Welch, gibt es für ein „Six Sigma Unternehmen“ keinen besseren Ansatzpunkt als den Kunden. Um die Fortschritte zu planen und zu steuern, wurden regelmäßige Qualitätsaudits sowie Kunden- und Geschäftsindizes eingeführt. Auf dem Gebiet der Mitarbeitermotivation stellte GE sicher, dass Six Sigma zu einem neuen „Way of Life“ führt. Dazu zählten u.a. das Auswählen von sogenannten A-Playern als Projektleiter, das Koppeln des Führungskräftebonus (40 %) an qualitätsbasierte finanzielle Ergebnisse, das Befördern von Qualitätsbeauftragten in leitende Positionen usw. (vgl. Abbildung 5).
Steve Crom
317
Wie wissen wir, dass wir uns dem Ziel nähern? Wo befinden wir uns?
Kundengespräche (25% d. Zeit d. CEO)
Kunden-/GeschäftsDashboards
Führungskräftebewertungen
Wo wollen wir hin?
Six Sigma Future
Analystenmeinung
Wie kommen wir dorthin?
Prozesse
Joint Business & QualitätsReviews
Six Sigma auf Kundenebene ausdehnen
Training der Zulieferer
Mitarbeiter
A-Player in Quality Jobs
Teil d. Erfolgsplanung
40% Führungskräftebonus
Strukturen
Business Quality Councils
QL, MBB, BB
Head Count Adds
Symbolische Maßnahmen
The “Memo”
Time Spent
Bewerberablehnung
Abbildung 5: Elemente des „Dynamischen Veränderungsmanagements“ bei GE
Für die strukturellen Veränderungen sowie die Einstellung und Weiterbildung neuer Mitarbeiter in Qualitätsfragen wurde in der Vergangenheit ein zusätzliches Budget bereitgestellt. Jack Welch traf in den späten 1990er Jahre die Entscheidung, dass „niemand in den Rang eines leitenden Angestellten befördert werden kann, ohne als Green Belt zertifiziert zu sein“. Nicht selten überprüfte der CEO den Projektfortschritt persönlich vor Ort. Es wird sogar behauptet, dass er einmal einen Kandidaten für die Position des Senior Managers abgelehnt habe, weil dieser sein Green Belt Projekt nicht vollständig abgeschlossen hatte. Es spielte keine Rolle, dass der Kandidat ansonsten hervorragende Geschäftsergebnisse vorweisen konnte. Gerüchte von der Ablehnung des Kandidaten verbreiteten sich schneller im Unternehmen, als es jemals durch eine E-Mail möglich gewesen wäre. Der veränderte Führungsstil, den GE insbesondere auf der Ebene der Senior Manager praktiziert, führte zu einer umfassenden Implementierung von Six Sigma Aktivitäten, d.h. in jeder Geschäftseinheit und auf jeder Managementebene.
3
Projektablauf in unterschiedlichem kulturellen Umfeld
Trotz all seiner Erfolgsfaktoren ergeben sich hinsichtlich der Umsetzungsgeschwindigkeit von Six Sigma im Unternehmen nationale und kulturelle Unterschiede. Werden z.B. vier Six Sigma Teams in Frankreich, Deutschland, Großbritannien und in den USA bestimmt und ihnen die gleiche Aufgabe gestellt, dann unterscheiden sich die teambezogenen Fortschrittsraten i.d.R. deutlich.
318
Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma
In einem fiktiven Fall bestehe die Aufgabe, die Durchlaufzeiten eines weltweit tätigen Unternehmens an verschiedenen Produktionsstandorten zu reduzieren. Die Produkte der einzelnen Standorte seien grundsätzlich vergleichbar und werden mit derselben Technologie produziert. Außerdem ist von einem gleichen Grad an Unterstützung seitens des Managements sowie von gleichermaßen fähigen Teamleitern auszugehen. Im Folgenden sollen die „kulturellen Umsetzungserfahrungen“ der Six Sigma Initiative am Beispiel eines amerikanischen, deutschen, französischen und britischen Teams kurz beschrieben werden. Projektablauf im amerikanischen Team Das amerikanische Team legt einen enthusiastischen und schnellen Start hin. Während der ersten Woche nehmen die Amerikaner aktiv am Training teil und lassen sich von Seiten des Projektleiters genauestens informieren. Obwohl sie hinsichtlich der Erfüllung des gesetzten Ziels (Durchlaufzeitreduktion um 75 %) zunächst mit gewisser Skepsis reagieren, beginnen sie umgehend mit der Projektarbeit. Aufgrund des hohen Ideenpotenzials und der Experimentierfreudigkeit des Teams wird eine Reihe von Veränderungen (ca. 50 % des gesetzten Ziels) bereits in den ersten zwei Monaten nach Projektstart realisiert. An der Drei-Monats-Marke, nachdem drei Trainingswochen absolviert sind und erstmals tiefliegende, chronische Probleme analysiert werden, verliert das Team nach und nach an Schwung. Die Teammitglieder wirken teilweise frustriert, da es viel Zeit kostet, weitere Daten zu sammeln und auszuwerten. Um dennoch nicht locker zu lassen, müssen sie von einer „starken“ Führungspersönlichkeit in der Spur gehalten werden. Als schließlich 80 % des Ziels erreicht sind, wird das Team durch eine neue Priorität des Senior Managements beeinflusst. „Die letzten 20 % hätte jeder schaffen können.“, kommentiert ein Teammitglied die entstandene Situation – zwei Monate später ist die Leistung des Teams wieder auf die 50 %Marke zurückgefallen (vgl. hier und im Folgenden Abbildung 6). Projektablauf im deutschen Team Während der ersten Woche des Trainings hört das deutsche Team aufmerksam den Erläuterungen des Projektleiters zu – alle Beteiligten sind zunächst skeptisch. Das Team verwendet in der Folge die doppelte Zeit wie veranschlagt, um Erwartungen, Ziele und Verantwortlichkeiten genau zu definieren. Es wird z.B. diskutiert, in wessen Aufgabenbereich die Projektorganisation fällt und wann die Implementierungsphase in Betracht kommt. Die Beteiligten fühlen sich unwohl, weil sie zuerst die Prozesse und danach die Organisation verändern sollen. Auch beschweren sich einige, dass entsprechend amerikanischer Philosophie alle Dinge unabhängig von einer Organisationsstruktur laufen könnten. Es wird der Standpunkt vertreten, dass in deutschen Unternehmen die Geschäftsprozesse nur funktionieren, weil sie organisiert sind. Das Motto lautet: „Gib jemanden einen Auftrag mit einem Ziel und er wird den besten Weg finden, es im Team zu erreichen.“
Steve Crom
319
In der Folgezeit weitete sich das Thema zu einer erhitzten Debatte in Form „intellektueller Duelle“ über den Sinn und Unsinn von Six Sigma aus. Zu diesem Zeitpunkt glaubt keiner der Mitglieder mehr an einen Konsens, da der Ursprung der Skepsis u.a. im Stolz einzelner Teammitglieder liegt. Nach deren Meinung sind die Aufgaben so zu lösen, wie es schon immer getan wurde. Neue Ideen würden das etablierte Vorgehen und Verfahren nur durcheinander bringen. Während der 6-monatigen Projektphase macht das Team jedoch kontinuierliche Fortschritte. Dies spiegelt sich vor allem im methodischen Vorgehen und gezielten Durchführen von Teilschritten am Ende der Projektlaufzeit wider. Das gesetzte Ziel wird in der vorgegebenen Zeit tatsächlich noch erreicht. Jeder Teilnehmer ist am Ende von der Vorteilhaftigkeit der eingetretenen Veränderungen bzgl. der Prozess- und Organisationsstruktur überzeugt. Projektablauf im französischen Team Beim französischen Team besteht die erste Aufgabe darin, die Teilnehmer für das Six Sigma Training überhaupt zusammen zu bekommen. Erst nach ausdrücklicher Aufforderung des Geschäftsführers sind die betreffenden Mitarbeiter bereit, ihre „kostbare Zeit“ dem Projekt „zu opfern“. Als sich das Team schließlich formiert hat, sind die einzelnen Mitglieder schnell zu begeistern. Dies äußert sich vor allem darin, dass in einer Gruppe aus acht Personen in der Regel sechs gleichzeitig sprechen. Wenn einmal nur eine Person spricht, bedeutete dies, dass das Thema gerade für niemanden anderen interessant ist. Letztendlich akzeptiert das Team den Projektauftrag, aber nicht den Plan für die Durchführung. „Wir machen es auf unsere Art,“ verlangt der Teamleiter, „oder es wird überhaupt nicht gemacht.“ Als die Projektdurchführung erst einmal begonnen hat, verwendet das Team zwei Drittel der Zeit für die Analyse und Auswertung von Fertigungsdurchlaufzeiten. Nach Abschluss der Datenanalyse ergeben sich gleich vier Probleme in Bezug auf die Produktionsplanung und -steuerung. Obgleich es verlockend erscheint, das Gesamtproblem einfach an die IT-Abteilung weiterzugeben, stellt das Team seine Ideen zusammen und entwirft einen Lösungsplan. Im Vordergrund der Bearbeitung steht beim französischen Team die Neuordnung des Fertigungssystems auf Basis sorgfältiger Analysen. Obwohl zunächst kein sichtbarer Fortschritt in den ersten vier Monaten erzielt wird, sind die Verbesserungen bzgl. der Durchlaufzeitenreduzierung am Ende größer als erwartet. „Wenn wir das System in Ordnung bringen, werden die Ergebnisse von alleine folgen.“, kommentiert einer der Teammitglieder. Projektablauf im britischen Team Die erste Woche des Six Sigma Trainings ist für das englische Team ein herausragendes Ereignis. Für einen Ausflug vom „alltäglichen Geschäftsleben“ wird ein passendes Hotel, d.h. nicht zu luxuriös und etwas entfernt vom Betrieb liegend, gewählt. Die Teammitglieder verhalten sich untereinander sehr höflich und haben zunächst „keine Probleme“ mit den Aufgaben, die sie übertragen bekommen.
320
Europäische Implementierungsansätze für Six Sigma
Geringe Zweifel kommen nur bei Gesprächen untereinander auf. Zum Beispiel bemerkt einer der Teilnehmer: „Wir haben diese Art von Ansatz schon einmal versucht, waren aber nicht in der Lage, ihn zu realisieren.“. Ein anderer fragt: „Was ist neu an Six Sigma, was uns diesmal helfen könnte?“. Nach einem langsamen Start fängt das Team an, sich intensiv mit den Problemen zu beschäftigen. Nach zwei Monaten harter Arbeit im Projekt erkennt das Team, dass durch überlappende Operationen in der Endfertigung die Durchlaufzeiten drastisch reduziert werden können. Jedoch müssen die Produktionsmitarbeiter dazu zwei Aufgaben bewältigen anstelle von einer einzigen. „Es ist nicht meine Aufgabe, alles für den nächsten Job bereitzustellen und außerdem noch die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Durchlaufgeschwindigkeit an der Druckerpresse zu tragen.“, lautet die Reaktion der Mitarbeiter. Zur Umsetzung der Projektergebnisse arbeitet der Teamleiter fortan Hand in Hand mit der Geschäftsleitung. Diese lässt es auf einen Versuch ankommen und verteilt die Rollen bzw. Aufgaben in der Produktion neu. Jedem Projektbeteiligten war klar, dass nur bei Zufriedenstellung aller Mitarbeiter in der Produktion eine erfolgreiche Implementierung der Ergebnisse möglich ist.
Projektfortschritt (in %)
Briten Ziel
Amerikaner
Deutsche
Franzosen
Projektlaufzeit (in Monaten) © 1998 Rath & Strong, Inc. All rights reserved
Abbildung 6: Beispieldiagramm zur Beschreibung des Projektfortschritts
Six Sigma konzentriert sich heute in erster Linie auf Prozessverbesserungen in den Unternehmensbereichen Produktion, Entwicklung und Management. Neben der Optimierung von Geschäftsprozessen gilt es vor allem, eine Reformierung der Unternehmensorganisation voranzutreiben. Vor diesem Hintergrund geben die oben genannten Beispiele einen ersten Überblick über das Mitarbeiterverhalten in unterschiedlichen kulturellen Umgebungen sowie Organisationsstrukturen. Dabei
Steve Crom
321
kann zunächst festgestellt werden, dass Six Sigma ein universell einsetzbares Instrument für alle weltweit tätigen Unternehmen ist. Jedoch kann es aufgrund kultureller Unterschiede bei der Implementierung zu Differenzen hinsichtlich Art, Zweck und Vorgehen kommen. Insbesondere ist Vorsicht bei der direkten Übertragung des amerikanischen Prinzips auf europäische Tochterunternehmen geboten. Entsprechend dem Vorgehen „Koste es, was es wolle!“ basiert der USamerikanische Ansatz auf hoch talentierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern. 65 Jahre Praxiserfahrung des Beratungsunternehmens Rath & Strong haben gezeigt, dass die größte Herausforderung bei der Einführung neuer Konzepte das Veränderungsmanagement ist. Aus diesem Grund sollten folgende Fragen rechtzeitig geklärt werden: „Wer wird einbezogen?“ und „Wie werden die Teilnehmer zur Veränderung motiviert?“ In jedem Fall sollte ein „Soft Skills Training“ im Six Sigma Trainingsplan enthalten sein, der z.B. „Facilitation“ und „Change Management“ umfasst. Das Training sollte im Team, aber auch auf individueller Basis erfolgen, um die Fähigkeiten der Gruppe und ihr Engagement für die Einführung von Six Sigma zu gewinnen. Bei Teams aus unterschiedlichen Ländern muss darauf geachtet werden, dass sich die Fortschrittsgeschwindigkeiten nicht zu weit voneinander entfernen. Der CEO jedes Unternehmens, der Six Sigma einführen will, sollte eine klare Strategie zur Führungsveränderung entwickeln. Denn erst wenn Six Sigma als ein Konzept für den strategischen und organisatorischen Wandel im Unternehmen betrachtet wird, ist es erfolgreich.
Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP bei VA TECH ELIN Transformatoren GmbH & Co, einem Unternehmen der Siemens Gruppe
Viktor Fritsch, Martin Stössl
Inhalt 1 2 3 4
1
Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zu Six Sigma am Beispiel der ....................... VA Tech Elin Transformatoren GmbH & Co............................................................322 Six Sigma Einführung in der VA TECH ELIN Gruppe – Anforderungen, Umsetzungsstrategien und Erfolgsfaktoren ...............................................................326 Besonderheiten von Six Sigma Projekten und Abstimmung/ ................................... Harmonisierung mit KVP-Aktivitäten.......................................................................329 Zusammenfassung und Ausblick ...............................................................................333
Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zu Six Sigma am Beispiel der VA Tech Elin Transformatoren GmbH & Co
Die VA TECH ELIN Transformatoren GmbH & Co, im weiteren ETG genannt, ist seit 2005 Teil des Siemens Konzerns im weltweiten Bereich Power Transmission & Distribution (PTD-T) mit 19 Werken in 15 Ländern. Im Bereich Leistungstransformatoren ist die ETG – als Teil des oben genannten Geschäftsbereiches – strategischer Partner für viele Energieversorgungsunternehmen weltweit. Am Standort Weiz in Österreich werden Verteil- und Großtransformatoren gefertigt, wobei rund drei Viertel des Umsatzes durch den Vertrieb von Großtransformatoren mit Netzspannungen von bis zu 765 KV erwirtschaftet wird. Transformatoren sind langlebige und kostenintensive Investitionsgüter mit einer Ziel-Lebensdauer von 30 Jahren und mehr. Aus diesem Grund ergeben sich für die ETG hohe Anforderungen an Qualität, Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit. Als Voraussetzung und Kompetenzbeweis für die Herstellung dieser langlebigen Investitionsgüter dienen der ETG die hohe Qualifikation ihrer Mitarbeiter sowie die langjährige Erfahrung. Das Unternehmen wurde im Jahr 1892 gegründet und kann deshalb auf eine über 100-jährige Tradition im Bereich Transformatorenbau zurückblicken. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der ETG und ihres Qualitäts-/ Verbesserungsmanagements.
Viktor Fritsch, Martin Stössl
323
Im Jahr 1990 kam es im Zuge einer Restrukturierung der ELIN Gruppe zur Ausgliederung des Transformatorenbereichs in eine rechtlich eigenständige Gesellschaft. In diesen Zeitraum fiel auch die Entscheidung für die Einführung einer neuen Organisationsstruktur. Angestrebt wurden von der Unternehmensleitung eine Verkürzung der Informations- und Entscheidungswege, flachere Hierarchien und damit verbunden eine Aufgabenerweiterung (Job Enlargement) für die Mitarbeiter „vor Ort“. Das Schlagwort war die „Teamorganisation“. Nach und nach wurde damit begonnen, diese neue Form der Zusammenarbeit in den einzelnen Fertigungsbereichen zu etablieren und zu „leben“.
1993 Transformatoren
Beginn der Implementierung von Teamorganisation
1994 1995 1996
VA TECH ELIN Transformatoren
Abschluss der Implementierung von Teamorganisationen
1997
Einführung von KVP – Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
1998
Einstellen von BVW – Betriebliches Vorschlagswesen
1999 2000
Beginn des Six Sigma Einführungs-/ Trainingsprozesses
2001 C „ enter of Competence“
2002
Prozessbeschreibung mittels IPO – Input-Prozess-Output
2003
Zertifizierung der ETG nach ISO 9001:2000
2004 Ein Unternehmen der
2005
Gruppe
2006
Zertifizierung der ETG nach ISO 14001:2004
Abbildung 1: Die Entwicklungsstufen von ETG und seines Qualitätsmanagements
Alle Abteilungsleiter, Meister, Teamleiter und Mitarbeiter sind im Zuge der Einführung einer Teamorganisation intensiv geschult worden. Als ein neues Rollenbild in dieser Organisationsform entstand u.a. die Funktion des Teamleiters bzw. Teamsprechers. Beginnend mit einem Pilotprojekt in einer Abteilung, erfolgte die Etablierung der Teamstrukturen sukzessive auch in den übrigen Produktionsbereichen. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde eine ähnliche Organisationsform ebenfalls im Bereich Technik sowie den kaufmännischen Abteilungen eingeführt. Die neue Arbeitsgruppenstruktur als Teamorganisation in der Produktion von ETG ab 1996 ist in Abbildung 2 beispielhaft dargestellt. Der Erfolg dieser neuen Organisationsstruktur wurde sehr schnell sichtbar. Durch die Möglichkeit der intensiven Mitarbeit bei Entscheidungsprozessen konnte z.B. eine wesentliche Steigerung der „Wissenseinbringung“ durch die Mitarbeiter vor Ort erreicht werden. Dies spiegelte sich zum einen bei Initiativen ausgehend von Verbesserungen im eigenen Arbeitsumfeld wider. Zum anderen intensivierte sich
324
Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP
dadurch die Zusammenarbeit mit den Unterstützungsbereichen (Arbeitsvorbereitung, Fertigungssteuerung) und den technischen Bereichen (Konstruktion, Berechnung, Entwicklung). Im Laufe der Zeit zeigte sich jedoch, dass das bis dahin etablierte System für Verbesserungsvorschläge den Bedarf in Bezug auf rasche Umsetzung, Dokumentation und Prüfung des Einreichungsantrags nicht mehr abdeckte. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wurde Anfang 1997 von der damaligen Geschäftsführung und Produktionsleitung der Entschluss gefasst, aufbauend auf die bestehende Teamorganisation den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) einzuführen. Parallel zu diesem sollte jedoch vorläufig das vorhandene Betriebliche Vorschlagwesen (BVW) erst einmal weitergeführt werden. Geschäftsleitung TDW/3
TPL/2
Produktion TDP
TPL/1
TPL/3
Materialwesen TPL
TPCC/1
Kernschneiden TPCC
Produktion TP
Wickelei TPW TPW/2
TPI/4
Isolierstoff- . verarbeitung TPI TPI/3
TPI/2
TPM
TPCC/2 TPCC/3
TPA/2 TPA/12
TPW/1
TPI/5
TDW/2
TPL/4
TPW/4 TPW/3
TDW/4
TPP
TPA/19
Montage und Kernbau TPA
TPA/11 TPA/13
TPI/1 TPA/15
TPA/16
TPA/14
Abbildung 2: Arbeitsgruppenstruktur im Produktionsbereich der ETG
Von einer Arbeitsgruppe – bestehend aus Mitarbeitern der Technik, Produktion und der Belegschaftsvertretung – wurden die Art und die Form der KVP-Abwicklung ausgearbeitet. In diesem Zusammenhang kam es u.a. auch zu einer Neudefinition von Mitarbeiterhonorierungen für eingereichte bzw. umgesetzte KVP-Ideen. Durch die rasche und unbürokratische Abwicklung des KVP erreichte diese Form der Verbesserung sehr schnell die Akzeptanz der Mitarbeiter, so dass Ende 1998 das bis dahin noch formal bestehende BVW eingestellt wurde.
Viktor Fritsch, Martin Stössl
325
Auf der Basis der erfolgreichen KVP-Implementierung begann Anfang 2000 die Six Sigma Einführung in der ETG, welche im folgenden Abschnitt näher erläutert wird. Ein Zwischenfazit kann jedoch bereits an dieser Stelle gezogen werden: Der finanzielle Erfolg der beiden ETG Verbesserungsinitiativen – KVP und Six Sigma – ist überragend, verglichen mit dem erfolgreichsten Jahresergebnis des BVW. In Abbildung 3 sind die Jahresnettoeinsparungen (Net Benefit) von BVW (1991) sowie von KVP und Six Sigma (2001) gegenübergestellt. Es wird eine massive Steigerung der „Verbesserungseffizienz“ deutlich, die in den Folgejahren sogar noch erhöht werden konnte. 995.150 €
1.000.000 € 800.000 € 600.000 € 444.915 €
1991 2001
400.000 € 200.000 €
101.742 €
0€
BVW
KVP
Six Sigma
Abbildung 3: Jahresnettoeinsparungen der Verbesserungsinitiativen (Wechsel vom BVW auf KVP und Six Sigma)
Trotz dieser Erfolge war und ist das Unternehmen weiterhin bemüht, durch schnelles Handeln dem ständig steigenden Wettbewerbsdruck effizient zu begegnen und damit zu agieren statt zu reagieren. Daher wurde bereits 2002 damit begonnen, Prozesse mittels IPO (Input-Prozess-Output) zu beschreiben. Anfang 2003 erfolgte dann die Zertifizierung nach ISO 9001:2000, welche seitdem als Basis für eine prozessorientierte Ausrichtung der ETG dient. In einem weiteren Schritt wurden Mitte 2003 Prozessteams nominiert, die alle Produktrealisierungsprozesse der ETG kritisch erhoben und in weiterer Folge kontinuierlich verbesserten. Im Jahr 2005 erhielt die ETG Weiz das UM- Zertifikat EN ISO 14001:2004.
326
2
Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP
Six Sigma Einführung in der VA TECH ELIN Gruppe – Anforderungen, Umsetzungsstrategien und Erfolgsfaktoren
Aufgrund der Deregulierung und Liberalisierung des Energiemarktes ist es notwendig geworden, unseren Kunden die Leistungen in unserem Produktsektor immer besser, schneller und preisgünstiger anzubieten als unsere Mitbewerber. Vor diesem Hintergrund wurde in der gesamten damaligen VA TECH ELIN Gruppe eine Six Sigma Initiative zur Verbesserung aller Geschäftsprozesse gestartet. Die Entscheidung für Six Sigma ist auf die VA TECH HYDRO zurückzuführen, die als Lieferant von Turbogeneratoren für General Electric tätig war und ist. So war es eine maßgebliche Forderung von diesem Kunden, dass der Konzernbereich als „In-Supplier“ diese Prozessverbesserungsmethodik einführte. Unabhängig von einer damals bestehenden Aufteilung der VA TECH ELIN Gruppe in zwei Konzernbereiche wurde Six Sigma als Unternehmensstrategie zur Verbesserung aller Geschäftsprozesse eingeführt. Aufgrund der organisatorischen und räumlichen Nähe zur Konzernzentrale wurde auch von der Geschäftsführung der damaligen ETG der Entschluss gefasst, dieses Konzept mit seinen umfassenden QM-Werkzeugen unternehmensweit umzusetzen, um so noch schneller auf die raschen Veränderungen des Marktes reagieren zu können. Für die ETG bedeutete dies ab dem Jahr 2000, dass – gemäß des Beschlusses der Geschäftsführung – eine Stabstelle „Six Sigma“ sowohl die Six Sigma Projekte als auch die KVP-Aktivitäten koordiniert. Außerdem erfolgte zum Jahreswechsel 1999/2000 die Ausbildung der ersten beiden Mitarbeiter zu Six Sigma Experts (Black Belts) durch ein amerikanisches Institut. Diese ersten Schritte der Implementierung von Six Sigma in der ETG wurden mittlerweile so weitergeführt, dass ein Mitarbeiter auch zum Master Black Belt ausgebildet wurde. Die Grundsatzentscheidung, Six Sigma als Unternehmensstrategie in der gesamten ELIN Gruppe einzuführen, war zugleich der Startschuss für umfangreiche Schulungsaktivitäten in diesem „Business Improvement Programm“. Entsprechend dem Gegenstromprinzip wurde dabei Six Sigma als top-down- und KVP als bottom-up-Ansatz definiert und umgesetzt. Diese „Betrachtungsweise“ bildete zugleich den Ausgangspunkt für eine schrittweise Annäherung der beiden Verbesserungsinitiativen im Unternehmen. Für die Umsetzung des Six Sigma Programms war es notwendig, eine hierarchieübergreifende Six Sigma Wissensbasis aufzubauen. Dazu wurden eine 7-stufige Six Sigma Organisation ins Leben gerufen und eine darauf abgestimmte „Trainingspyramide“ festgelegt (siehe Abbildung 4). Begriffe und Schlagwörter, die in einem Six Sigma Programm vorkommen, sind als einheitliche Sprache in der Unternehmensgruppe etabliert und auf diese abgestimmt worden. So werden z.B. in unserem Programm die Funktionen „Black Belt“ und „Green Belt“ durch die unternehmensspezifischen Bezeichnungen „Expert“ und „Specialist“ ersetzt.
Viktor Fritsch, Martin Stössl
327
Der Trainingsplan richtete sich maßgeblich nach der Trainingspyramide, d.h. im ersten Schritt erfolgte die Ausbildung der Mentoren (Geschäftsführung) und einiger weniger Mitarbeiter zum Expert (Black Belt). Als nächstes wurde ein Training des mittleren Managements in Form eines zweitägigen Workshops durchgeführt. Danach erfolgte schrittweise die Schulung aller weiteren Mitarbeiter in einem 1Tagestraining durch die zuvor ausgebildeten Six Sigma Experts. Im letzten Schritt wurden dann die zukünftigen Projektleiter als Green Belts (Specialists) gemeinsam mit den Mitarbeitern anderer Unternehmensbereiche der VA TECH Gruppe geschult. Mittlerweile stehen der Six Sigma Organisation 7 Mentoren (Champions), 2 MBB/ BB sowie 26 Green Belts zur Verfügung. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Die frühzeitige und schnelle Einbindung aller Mitarbeiter und insbesondere des Betriebsrates waren wichtige Erfolgsfaktoren in der Einführungsphase von Six Sigma. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass bereits etwa 1,5 Jahre nach Implementierungsbeginn alle Mitarbeiter zumindest über eine Basisschulung in der Six Sigma Methodik verfügten.
2 TAGE 15 TAGE 10 TAGE 5 TAGE 2 TAGE 1 TAG 0,5 TAGE
MENTOR MASTER EX PERT SPECIALIST MITTLERES MANAGEMENT TECHNIKER/ KAUFLEUTE
WERKSTÄ TTE
Abbildung 4: Die Six Sigma Trainingspyramide der VA TECH ELIN Gruppe
Die zentrale Bedeutung, die Six Sigma in der ETG bis heute erhalten hat, liegt vor allem in den sechs Kernelementen begründet, die in Abbildung 6 veranschaulicht sind. Als weiterer Erfolgsfaktor ist zu benennen, dass Six Sigma im Siemens Transformer Bereich in einem 5-Stufen-Konzept auf oberster Ebene angesiedelt
328
Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP
ist. Die einzelnen Bestandteile des Konzeptes, welches für alle Transformatorenwerke in der Siemens Gruppe gilt, sind in Abbildung 6 ersichtlich. Unternehmensstrategie Methodik & Werkzeuge
Kundenbeziehungen
Personalentwicklung Partner & Lieferanten Integration
Abbildung 5: Die sechs Kernelemente des Six Sigma Programms in der ETG
BE
6ı
wn do
The way to make business excellence!
top
top +
QFD, DOE, DFSS, TRIZ
System Improvement
t bo
m to
up
.) tc ,i e (3
Process Kaizen
Gemba Kaizen
Abbildung 6: Die CIP-Pyramide von Siemens PTD-T
Viktor Fritsch, Martin Stössl
329
Nicht zuletzt lieferten die zeitlich und hierarchisch abgestuften Six Sigma Schulungen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur nachhaltigen Personalentwicklung im Unternehmen. Zu den wichtigsten Herausforderungen bei der Einführung von Six Sigma zählten zum einen die globale, interkulturelle Abstimmung von Trainingsaktivitäten und zum anderen der Aufbau und die Umsetzung eines Veränderungsprogramms: Durch die jüngste Akquisitionspolitik von Siemens Österreich ist die ETG nun Teil in der Siemens Trafogruppe. Seit März 2006 ist ein Mitarbeiter des Standortes Weiz auch mit der Koordinierung der CIP-Aktivitäten in allen TransformatorGesellschaften betraut. Mittels standardisierter Methodiken, flächendeckender Trainings und einheitlicher Sprachregelung bildet Six Sigma einen integrierenden Faktor im Rahmen der Verbesserungsaktivitäten der Trafogruppe. Die nachhaltige Beseitigung von Abweichungen (Prozessstreuung!) erfordert nicht nur die Steigerung der eigenen Prozessfähigkeit, sondern die der gesamten Wertschöpfungskette. Hier besteht einerseits die Anforderung darin, die Qualität der Zusammenarbeit sowie den Grad der Einbindung von Partnern und Lieferanten zu überprüfen und ggf. zu erhöhen. Andererseits soll die systematische Verbesserung aller Unternehmensprozesse in erster Linie dem Kunden „zugute“ kommen, und zwar in der Weise, dass die Beziehung und Verbindung gestärkt und nach Möglichkeit deutlich verbessert wird. Ein weiterer wichtiger Punkt, der leider häufig viel zu sehr unterschätzt wird, ist die vorherrschende Unternehmenskultur an den jeweiligen Standorten. Denn trotz der Kontinuität der Ausbildung und der umfangreichen Trainingsunterlagen zeigte sich, dass der Zugang und die Umsetzung von Six Sigma an den einzelnen Unternehmensstandorten unterschiedlich gut funktionierte. Dies stand immer wieder in kausalem Zusammenhang mit den Aktivitäten und der Unterstützung durch das jeweilige Management vor Ort. Unsere Erfahrungen zeigen zudem, dass interkulturelles Wissen und interkulturelle Kompetenz wichtige Erfolgsfaktoren sind, wenn es darum geht, Six Sigma an verschiedenen Unternehmenstandorten erfolgreich einzuführen. In diesem Zusammenhang sind entsprechende Siemens-weite Rahmenbedingungen vorgegeben, z.B. in Form von Regulations bzw. Siemens QM-Mandatory Elements.
3
Besonderheiten von Six Sigma Projekten und Abstimmung/ Harmonisierung mit KVP-Aktivitäten
Zu Beginn des Einführungsprozesses gab es bei der ETG eine Reihe von offenen Fragen, die insbesondere die inhaltlich-methodische Dimension von Six Sigma betrafen. Typische Fragen der Mitarbeiter waren z.B.: (1) Was sind die Besonderheiten von Six Sigma und welche Unterschiede bestehen zu bereits etablierten
330
Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP
bzw. bekannten Verbesserungssystemen wie BVW oder KVP? (2) Welche Funktionen kommen den neuen Rollen wie Mentoren (Champions), Experts (Black Belts) und Specialists (Green Belts) im Rahmen der Six Sigma Organisation zu? Aus diesem Grunde bildeten vor allem in der Einführungsphase die Six Sigma Begriffe, Kennzahlen, Daten und Fakten sowie die Six Sigma Projektauswahl, -durchführung und -kontrolle die Themenschwerpunkte der Mitarbeiterschulungen. Wie sich bei den ersten (Trainings-)Projekten außerdem zeigte, ist für eine erfolgreiche Six Sigma Projektabwicklung – sowohl in Bezug auf die Projektauswahl als auch während der gesamten Projektbearbeitung – das „Projektumfeld“ als wichtige Kenngröße zu beachten. Eine Projektumfeldanalyse trägt deshalb wesentlich zum Gelingen eines Six Sigma Projektes bei, da hierdurch die z.T. unterschiedlich starken Wechselwirkungen zwischen Projekt und organisatorischsozialem Umfeld offen gelegt werden. Zu letzterem gehören in der ETG unter anderem: Unternehmensorganisation und -entwicklung, Promotoren, Kunden, Lieferanten, Projektteam, Ressourcen und Technische Entwicklung. Da sich Wichtigkeit und Einfluss der einzelnen Umfeldgruppen im Projektverlauf ändern, ist während des gesamten Six Sigma Projektes, d.h. in den einzelnen Phasen des DMAIC- oder DMADV-Zyklus, eine separate Bewertung durchzuführen. Auf dieser Basis werden dann bei Bedarf gezielt Abstell- bzw. Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet. Neben der Analyse des Projektumfeldes ist ein weiterer wichtiger Punkt die Festlegung der Six Sigma Projektgröße und zwar vor allem in Bezug auf Projektdauer und -umfang. Eine am Anfang zu geringe Beachtung der vorstehenden Punkte führte in einigen Fällen zu einer „Verschleppung“ des Projektes, d.h. Nichteinhaltung des vorgegebenen Zeitrahmens, sowie teilweise zu einer Nichterreichung der vereinbarten Ziele. Die Konsequenzen daraus waren eindeutig: Zum einen bestand die Notwendigkeit einer verbesserten Projektauswahl mit ggf. einem Splitting in kleinere Teilprojekte sowie zum anderen eine genauere, d.h. fallweise Betrachtung des Projektumfeldes. Im Rahmen einer Diplomarbeit zum Thema „Six Sigma @ VA TECH ETG“ wurden im Jahr 2002 diese und weitere Punkte näher untersucht. Dabei ergab sich u.a. in Bezug auf die Einhaltung des Projektzeitrahmens folgendes interessantes Ergebnis (siehe Abbildung 7): Der vereinbarte Zeitrahmen konnte mehrheitlich dann nicht eingehalten werden, wenn keine phasenbezogenen Meilensteine definiert waren (62 %), also keine eindeutige Festlegung der Kernaktivitäten innerhalb des Six Sigma Projektes erfolgte. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Teilaufgaben innerhalb eines Projektes eindeutig abzugrenzen. Unmittelbar mit der verstärkten Umsetzung von Six Sigma Projekten in der ETG kam die Frage auf, wie eine bessere Abstimmung mit dem bereits vorhandenen Verbesserungsprogramm KVP möglich ist. Denn eine Befragung von Projektleitern zum damaligen Zeitpunkt zu diesem Thema ergab, dass über 70 % der Entscheidungsträger der Meinung sind, dass keine bzw. eine nur geringe Abstimmung
Viktor Fritsch, Martin Stössl
331
zwischen Six Sigma Projekten und KVP-Aktivitäten besteht. Im Bewusstsein, dass hier dringender Handlungsbedarf bestand, wurde von der Geschäftsführung die Verantwortung für beide Systeme bei der Stabstelle „Six Sigma“ angesiedelt. Gemeinsam mit dem Betriebsrat und dem KVP-Verantwortlichen wurde daraufhin eine klare Regelung für die Anwendung von Six Sigma und KVP erarbeitet. Die nachstehende Abbildung zeigt die unterschiedlichen Ansatzpunkte und Anwendungsgebiete von BVW, KVP und Six Sigma bei der ETG im Überblick.
Konnte das Six Sigma Projekt im vereinbarten Zeitraum realisiert werden?
Meilensteine definiert Nein, überhaupt nicht 30%
Ja, vollständig 20%
Ja, überwiegend 10%
Nein, nur zum Teil 40%
Keine Meilensteine definiert
Nein, überhaupt nicht 62%
Nein, nur zum Teil 0%
Ja, vollständig 13%
Ja, überwiegend 25%
Abbildung 7: Realisierung von Six Sigma Projekten im vorgegebenen Zeitraum
Um die Six Sigma Projektarbeit und KVP-Aktivitäten nicht zu sehr durch Abstimmungsprobleme zu beeinträchtigen, wurde vom „Six Sigma Core Team“ und dem KVP-Beauftragten ein Konzept für die Harmonisierung beider Systeme erarbeitet. Dabei wurden im Wesentlichen die bereits angesprochenen konzeptionellen und methodischen Unterschiede als Basis für eine Zuordnung genommen. Wie Abbildung 8 veranschaulicht, ist es bei den „typischen KVPs“ i.d.R. nicht notwendig, regulierend einzugreifen. Diskussionen lösen vorwiegend nur jene KVP-
332
Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP
Einreichungen aus, bei denen ein oder mehrere Kriterien gemäß der Vergleichsaufstellung nicht zutreffen bzw. nicht eindeutig erfüllt sind.
BVW
KVP
Kunde/ MA/ Lieferanten/ Audits/ QM-System/ EFQM
Ideenquelle
MitarbeiterInnen (MA)
Umsetzung (Förderung) Ressourcen
Fach- bzw. Führungskraft MA/ Team des Bereiches, der verbessert werden soll
Six Sigma Projektteam sollte Process Owner beinhalten
Zielrichtung
Vor oder nachgelagerte Abteilungen/ Bereiche
Eigener Arbeitsplatz und eigene Prozesse
Alle Prozesse
Einreichung an BVW-Beauftragter
KVP-Ideenbetreuer
Six Sigma Core Team
Bewertung bzw. Geschäftsbereichsleitung bzw. Gremium Beurteilung
MA/ Team gemeinsam mit KVP-Ideenbetreuer
PL/ Core Team/ Mentor/ Financial Controller
ca. 10% der Jahreseinsparung als Prämie
Keine Prämierung – Projektteam wird zur Abschlussveranstaltung eingeladen
Prämierung
Komplexe Berechnung einer Prämie im Bereich von 1 bis 17 % der Jahreseinsparung
MA/ Team
Six Sigma
Abbildung 8: Vergleich von BVW, KVP und Six Sigma
Die Erstellung eines Flow-charts als Entscheidungshilfe für oder gegen Six Sigma bzw. KVP führte jedoch zu einer deutlichen „Entschärfung“ dieses Problems. Darüber hinaus kam es durch die verstärkte Einforderung von Mentorenaktivitäten, insbesondere im Zusammenhang mit „top-down-Themen“, zu einer eindeutigeren Themenzuordnung und -bearbeitung. Im Zuge der Harmonisierung der Verbesserungssysteme wurde ebenfalls ein neues Tool zur elektronischen Abwicklung der KVP-Aktivitäten entwickelt und implementiert (siehe Abbildung 9). Hierdurch kam es zu einem deutlichen Gewinn an Transparenz. Denn in der aktuell vorliegenden Version eines web-basierten KVP-Formblatts werden von Ideenbetreuern die Vorschläge der Mitarbeiter zentral erfasst und ausgewertet. Neben der Erfassung des Mitarbeiters bzw. des „Einreicherteams“ erfolgen eine Skizzierung des Ist-Zustandes sowie der vorgesehenen Problemlösung, wobei bereits in einem ersten Schritt entschieden wird, ob der vorgeschlagene Lösungsweg sich „rechnet“ oder nicht. Eine weitere wichtige Aufgabe des Formblattes besteht darin, angedachte Verbesserungen – bei Vorliegen und Erfüllen bestimmter Kriterien – in ein Six Sigma Projekt zu überführen. Alle Vorschläge und Ideen werden darüber hinaus in einem „Ideenpool“ gesammelt. In Einzelfällen, bei denen nicht bzw. nur schwer auf Basis des erarbeiteten Schemas entschieden werden kann, beschließt ein Gremium, ob das Thema als Six Sigma Projekt oder KVP weiterbearbeitet wird.
Viktor Fritsch, Martin Stössl
333
Abbildung 9: Einsatz eines elektronischen KVP-Formblattes bei ETG
4
Zusammenfassung und Ausblick
Nach einer inzwischen mehrjährigen Erfahrung im Umgang mit den beiden Systemen KVP und Six Sigma stellt sich die Situation für uns wie folgt dar: Ein wesentlicher Aspekt für eine erfolgreiche Einführung beider Methoden ist – neben der uneingeschränkten Unterstützung durch das Management – eine umfas-
334
Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP
sende und frühzeitige Information aller Mitarbeiter. Insbesondere ist aus unserer Sicht eine rechtzeitige Einbindung des Betriebsrates notwendig. Dieser zeigte sich in der ETG sowohl bei der Einführung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses als auch im Zuge der Implementierung von Six Sigma sehr kooperativ. Durch die Abstimmungsprobleme zu Beginn der Einführung von Six Sigma ließ man sich nicht entmutigen und setzte den eingeschlagenen Weg konsequent fort. Konsequent bedeutete hierbei: Periodische Informationen an alle Beteiligten sowie regelmäßige intensive Feedbacks an die Geschäftsführung. In der ETG wird der aktuelle Stand von Six Sigma und KVP-Projekten im Intranet sowie durch den Aushang von Projektlisten dokumentiert, die an speziell eingerichteten Plätzen eingesehen werden können. Seit einiger Zeit erfolgt auch eine Visualisierung der Verbesserungsaktivitäten der verschiedenen Abteilungen mittels Balanced Scorecard (BSC). Zurückblickend lässt sich sagen, dass insbesondere die intensive Kommunikation und Unterstützung durch das Management dazu beitrugen, dass die beiden Systeme in der ETG heute erfolgreich umgesetzt sind. Die in der Vergangenheit immer wieder entstandene Diskussion wegen einer unterschiedlichen Honorierung der Mitarbeiter bei erfolgreicher Umsetzung konnte durch eine Angleichung beider Systeme, basierend auf einer neuen Betriebsvereinbarung, gelöst werden. Sowohl mit Six Sigma als auch mit KVP verfolgt das Unternehmen das Ziel, (ständig) sinkende Preise am Markt und damit potenzielle Ergebnisverschlechterungen „abzufedern“. Speziell durch Six Sigma Projekte sollen die Kosten der Nicht-Qualität (COPQ – Cost Of Poor Quality) in den einzelnen Geschäftsprozessen deutlich reduziert werden, um so auch in Zukunft eine Gewinnmarge auf hohem Niveau sicherzustellen. Dies erfolgt durch eine hohe Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse und unter Einbeziehung der Lieferanten im Rahmen der Projektbearbeitung. Six Sigma und KVP sollen also dazu beitragen, die Rolle als kompetenter Lieferant für Leistungstransformatoren auch weiterhin zu gewährleisten und damit die Position des Unternehmens am Markt zu festigen.
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000 Armin Töpfer, Swen Günther1
Inhalt 1 2 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 5
1
Notwendigkeit der grundlegenden Revision ISO 9000:2000.....................................335 ISO 9000:2000 für zertifizierte Prozess- und Produktqualität ...................................337 Abgleich und Kombination von Six Sigma und ISO 9000:2000 ...............................342 Vergleichende Stärken-/Schwächen-Analyse von Six Sigma und ISO......................342 Drei Ansätze für die Verzahnung von Six Sigma und ISO 9000:2000 ......................345 Six Sigma und ISO 9000:2000 in der praktischen Umsetzung ..................................347 Das integrierte Qualitätsmanagementsystem von Telefónica ....................................348 Die wertorientierte Six Sigma Philosophie bei ITT Industries ..................................350 Literatur .....................................................................................................................351
Notwendigkeit der grundlegenden Revision ISO 9000:2000
Nach dem ISO Survey 2005 waren Ende 2005 weltweit mehr als 770.000 Organisationen nach ISO 9001:2000 zertifiziert. Diese Zahl verdeutlicht die hohe Bedeutung, welche die ISO-Zertifizierung – trotz aller Schwächen – in der Praxis erreicht hat. Insbesondere für die Auswahl von Zulieferern bzw. Auftragsabwicklern ist damit die ISO-Zertifizierung heute eine Standard-Anforderung. Die Norm DIN EN ISO 9000:1994 diente zur Vereinheitlichung der internationalen Aktivitäten im Bereich des Qualitätsmanagements. Die Unternehmen, die nach ISO 9000:1994 zertifiziert sind, stehen jetzt vor bzw. in einem grundlegenden Anpassungs- und Veränderungsprozess aufgrund der Neuregelungen der ISOLangzeitrevision des Jahres 2000. Obwohl die Erstausgabe der ISO 9000ff. im Jahr 1987 erfolgte, wurde bereits im Jahr 1990 für die Normen der ISO 9000ff. ein zweiphasiger Veränderungsprozess beschlossen: Geringfügige Änderungen im Rahmen der Kurzzeitrevision sollten als ISO 9000:1994 durchgeführt werden. Umfassende strukturelle und inhaltliche Änderungen sollten im Rahmen der Langzeitrevision ISO 9000:2000, also zehn Jahre später, erfolgen. Gegenüber der ISO 9000:1994 bestand bei der Langzeitrevision das Ziel darin, eine Anpassung der bestehenden QM-Systeme in Bezug auf zusätzliche Forderungen vorzunehmen, die der Entwicklung des Qualitätsmanagements insbesondere
1
Wir danken der aktiven Unterstützung von Frau Diana Holfeld, die als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung an der TU Dresden zur Entstehung dieses Artikels maßgeblich beitrug.
336
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
in Richtung TQM-Philosophie und Quality Awards (MBNQA, EFQM) in den vergangenen zehn Jahren Rechnung tragen. Wichtigste Neuerung der ISO 9000:2000 ist die Orientierung der QM-Normen an den Unternehmensabläufen respektive Kernprozessen mit dem Ziel, eine prozessorientierte Organisationsstruktur im Unternehmen zu fördern. Dadurch sollten alle Unternehmenstätigkeiten unmittelbar auf die Wertschöpfungskette ausgerichtet werden. Das Qualitätsmanagement orientiert sich infolge direkt an den acht grundlegenden Managementprinzipien (vgl. www.iso.ch): •
Kundenorientierung (Unternehmen versteht jetzige und zukünftige Kundenanforderungen)
•
Führungsintegration (Management gibt einheitliches Ziel und Richtung der prozessorientierten Organisation vor)
•
Mitarbeiterorientierung (Mitarbeiter steht im Mittelpunkt und setzt seine Fähigkeiten zum Vorteil der gesamten Organisation ein)
•
Prozessorientierung (Alle Ressourcen und Aktivitäten sind im Rahmen eines Prozessmodells zu steuern)
•
Lieferantenorientierung (Generieren einer „Win-Win-Situation“ durch Aufbau nachhaltiger Beziehungen zu Lieferanten)
•
Systemorientierung (Identifizieren, Verstehen und Steuern eines Systems zusammenhängender Prozesse)
•
Ständige Verbesserung (Einrichtung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses im Unternehmen)
•
Datenbasiertes Handel (Entscheidungsfindung durch die Analyse von Daten und Auswertung von Informationen).
Diese Prinzipien und Inhalte sind Bestandteil jeder fortschrittlichen QMKonzeption. Zugleich sind sie – z.T. explizit oder zumindest implizit – auch wesentliche Bausteine der Six Sigma Philosophie. Um ein Ergebnis der folgenden Analyse gleich vorweg zu nehmen: Die ISO 9000:2000 und die Six Sigma Philosophie haben zum großen Teil eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung, ergänzen sich aber in vielen Bestandteilen sehr gut. In den folgenden Ausführungen sollen zum einen die Ziele und Wirkungsweisen der beiden Konzepte gegenübergestellt sowie die wesentlichen Unterschiede/ Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden. Zum anderen werden in Verbindung mit der Zielsetzung Business Excellence wichtige Ansatzpunkte für eine mögliche Verzahnung von ISO 9000:2000 und Six Sigma aufgezeigt. Die Beispiele Telefónica sowie ITT Industries verdeutlichen abschließend den analysierten Wirkungsverbund und untermauern den gemeinsamen Einsatz von Six Sigma und ISO 9000:2000 in der Praxis.
Armin Töpfer, Swen Günther
337
Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der ISO-Normierung gehen vor allem dahin, die Kompatibilität innerhalb der ISO Normen zu verbessern. Eine geringfügige Revision wurde z.B. im Jahr 2005 vorgenommen mit dem Ziel, die Begriffsdefinitionen für die Normen ISO 9001:2000 und ISO 19011:2002 zu vereinheitlichen (vgl. Graebig 2006, S. 28f.). Die Auswirkungen der ISO 9000:2005, die im Dezember 2005 veröffentlicht wurde, sind für die konkrete Ausgestaltung der QM-Systeme in der Praxis aber eher gering. Maßgeblich sind nach wie vor die Vorgaben respektive Änderungen der Langzeitrevision ISO 9000:2000.
2
ISO 9000:2000 für zertifizierte Prozess- und Produktqualität
In diesem Abschnitt soll zunächst der überarbeitete Qualitätsstandard ISO 9000:2000 hinsichtlich seiner Ziele und Wirkungen, seines Einsatzbereichs und seiner Umsetzung sowie seiner Vor- und Nachteile gegenüber Six Sigma untersucht und im Vergleich zu anderen wichtigen Qualitätskonzepten, wie z.B. EFQM, VDA 6.1 und ISO/TS 16949, abgegrenzt werden. Ziel ist hierbei nicht, alle Details der Konzepte darzustellen, sondern vielmehr eine aussagefähige Basis für die sich anschließende Untersuchung des Wirkungsverbunds von ISO 9000:2000 und Six Sigma zu schaffen. Zurzeit befindet sich der ISO 9000 Standard in einer dreijährigen Übergangsphase zwischen den 1994 veröffentlichten Qualitätsstandards der Norm ISO 9000:1994 und den am 15.12.2000 eingeführten weiterreichenden Standards der Norm ISO 9000:2000 (vgl. Ebel 2002, S. 75). Im Rahmen der Re-Zertifizierung ist eine Anpassung der QM-Systeme für alle Unternehmen verpflichtend, d.h. für die nach ISO 9000:1994 zertifizierten Unternehmen muss eine Re-Zertifizierung bis zum 15.12.2003 abgeschlossen sein. Die Umstellung auf die neue Norm kann während eines jährlichen „Überwachungsaudits“ erfolgen. Besonderheiten bei der Umstellung betreffen insbesondere jene Unternehmen, die bisher nur nach den ISONormen 9002 oder 9003 zertifiziert waren. Sie müssen sich zukünftig ebenfalls nach der umfassenderen Norm 9001 zertifizieren lassen. Wichtige Zielsetzungen und inhaltliche Änderungen der Langzeitrevision ISO 9000:2000 erstrecken sich insbesondere auf folgende Bereiche, auf die anschließend ausführlicher eingegangen wird (vgl. www.europanozert.de): •
Anwenderfreundlichkeit (Einfacher Gebrauch der ISO-Norm, gute Verständlichkeit und klare Terminologie) und Verschlankung (Reduzierung der Normenzahl von über 20 auf 4)
•
Wie bereits angesprochen, stärkere Prozessorientierung (Abstimmung der Normen ISO 9001 und 9004 auf der Grundlage eines Prozessmodells) und Kontinuierliche Verbesserung (Verpflichtung zur ständigen Verbesserung und Verhütung von Fehlern)
338
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
•
Bessere Anwendbarkeit (Verbesserte Handhabung für alle Größen von Organisationen, insbesondere auch für kleine und mittlere) und Abbau der Produktionslastigkeit (Anwendung für alle Branchen, einschließlich Dienstleistungsund Serviceorganisationen)
•
Harmonisierung (Bessere Kompatibilität mit anderen Managementsystemen, z.B. Umweltmanagementsystemen wie ISO 14000 und branchenspezifischen Managementsystemen wie QS 9000 oder VDA 6.1) und Anpassungsfähigkeit (Anpassung der ISO-Forderungen an die unternehmensspezifischen Gegebenheiten)
•
Sowie nicht zuletzt Eigenbewertung/Selbst-Assessment (Mögliche Unterstützung durch Bewertungsverfahren entsprechend den Anforderungen von Quality Awards, z.B. EFQM).
Nun zu einigen dieser Zielsetzungen und inhaltlichen Änderungen im Detail: Der „alte“ ISO 9001:1994 Standard bestand aus einem umfangreichen Regelwerk mit 20 Elementen, die ihrerseits 105 Anforderungen an das Qualitätsmanagement in Unternehmen stellten (vgl. hier und im Weiteren Kraus 2001). Bei ausreichender Erfüllung dieser Anforderungen und eindeutig festgeschriebenen Geschäftsprozessen konnte ein Unternehmen durch Dritte (z.B. TÜV) begutachtet werden und infolgedessen das ISO 9000 Zertifikat erhalten. Allerdings führte die Erfüllung der 105 Anforderungen häufig nur zu einer formalen Implementierung des QM-Systems im Unternehmen. Da der ISO 9000:1994 Standard hauptsächlich funktionsorientiert ausgerichtet war, mussten die dokumentierten Abläufe weder kundenorientiert, noch wirtschaftlich optimal sein. Weitere Kritikpunkte bestanden darin, dass der ISO 9000:1994 Standard mit einem sehr hohen Dokumentationsaufwand verbunden war und sich nur sehr bedingt auf Service und Dienstleistungen übertragen ließ. Der weiterentwickelte Standard ISO 9000:2000 setzt an den genannten Kritikpunkten an und reduziert das umfangreiche Regelwerk auf vier Elemente (vgl. Ebel 2002, S. 71): •
DIN EN ISO 9000: Grundlagen und Begriffe
•
DIN EN ISO 9001: Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen
•
DIN EN ISO 9004: Qualitätsmanagementsysteme – Leitfaden zur Leistungsverbesserung
•
DIN EN ISO 19011: Leitfaden für das Audit von Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen.
Die oben genannten Elemente umfassen jetzt 226 Anforderungen an das Qualitätsmanagement von Unternehmen. Der „neue“ Standard ISO 9000:2000 ist damit – bei weniger Elementen – zugleich wesentlich umfassender bei den Anforderungen als sein Vorgänger. Die wichtigsten Punkte der ISO 9001:2000 lassen sich anhand eines Leitfadens für den Übergang, den sog. „Transition Planning Guidance for ISO 9001:2000“, beschreiben. Entsprechend Abbildung 1 stehen mit dem
Armin Töpfer, Swen Günther
339
daraus resultierenden Qualitätsmanagement-Prozess zur ständigen Verbesserung folgende vier Bereiche in Verbindung: •
Produktrealisierung/Prozessmanagement
•
Messung, Analyse, Verbesserung
•
Verantwortung der Leitung
•
Ressourcenmanagement.
Ständige Verbesserung des Qualitätsmanagementsystems (KVP)
Verantwortung der Leitung
K U N D E N
A N F O R D E R U N G E N
Ressourcenmanagement
Eingabe
Z U F R I E D E N H E I T
Messung, Analyse, Verbesserung
Produktrealisierung/ Prozessmanagement
Ergebnis Prozess
K U N D E N
Produkt
Abbildung 1: Qualitätsmanagement als ständiger Verbesserungsprozess nach ISO 9001:2000
Die Messung der Prozessfähigkeit bzw. Eignung der Prozesse erfolgt durch die Definition angemessener Methoden zur Überwachung der Prozessergebnisse. In entsprechender Weise wird die Messung der Kundenanforderungen und -zufriedenheit über geeignete Methoden durchgeführt, die unternehmensspezifisch auszugestalten sind. Die Verbesserung und Fehlervermeidung in den Prozessen soll auf der Basis des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) erreicht werden, der vom Management aktiv unterstützt wird. Für das Management resultiert hieraus die Pflicht, umfassend und verantwortlich in das QM-System eingebunden zu werden. Weiterhin besteht die Aufgabe des Managements darin, Qualitätsziele für jede Funktionsebene und jede relevante Funktion aus den übergeordneten Zielen abzuleiten. Eine geeignete Infrastruktur muss dabei zur Erreichung der Produkt-/Dienstleistungsqualität bestimmt und zur
340
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
Verfügung gestellt werden. Auch Informationen gelten in diesem Zusammenhang als wichtige Ressourcen. Die ständige Verbesserung des QM-Systems erstreckt sich auf alle in einer ganzheitlichen Konzeption wie bei den Quality Awards aufgeführten Bausteinen. Für „aufwärtsstrebende“ Unternehmen besteht damit zugleich die Möglichkeit, ihr Gesamtsystem entsprechend dem international anerkannten Benchmark von Award-Kriterien zu bewerten.
Grad der Kundenorientierung
Neben ISO 9000:2000 haben sich eine Reihe weiterer, vor allem länder- und branchenspezifische Qualitätsnormen bzw. -standards etabliert (vgl. Abbildung 2). Zu diesen gehören u.a. die nationalen Qualitätsstandards der Automobilindustrie, und zwar QS 9000 für die USA und VDA 6.1 für Deutschland, zusätzlich EAQF für Frankreich und AVSQ für Italien (vgl. Jacob, J. 2002, S. 83ff). Lediglich der weltweit anerkannte Standard ISO/TS 16949, welcher die kostenaufwändige Mehrfachzertifizierung von global organisierten Zulieferern vermeiden soll, stellt einen noch umfangreicheren Anforderungskatalog (insgesamt 332 Punkte) an das Qualitätsmanagement der Unternehmen. Die ISO/TS 16949:2002, basierend auf den Normen der ISO 9001:2000, trat am 15.12.2003 in Kraft und gilt heute für die gesamte Lieferkette der Automobilindustrie.
EFQM
Steigerung der Ergebnisorientierung und der Unternehmensqualität
ISO 9000:2000 ISO/TS 16949 VDA 6.1 QS 9000 AVSQ EAQF DIN EN ISO 9000:1994
Grad der Prozessorientierung
Abbildung 2: Einordnung relevanter QM-Standards nach Kunden- und Prozessorientierung
Der Qualitätsstandard der European Foundation of Quality Management (EFQM) ist hinsichtlich Ergebnisorientierung und Unternehmensqualität auf dem zurzeit
Armin Töpfer, Swen Günther
341
wohl höchstem Niveau angesetzt. Das EFQM-Modell basiert auf dem Selbst- und Fremd-Assessments des Unternehmens, um den erreichten Entwicklungsstand hinsichtlich des Qualitätsmanagements aus interner und externer Sicht festzustellen (vgl. Töpfer 1997, S. 150ff.). Als Maßstab wird dabei ein fiktives TQM-Unternehmen auf idealem Niveau unterstellt, was einer Bewertung von 1.000 Punkten entspricht. Auf der Basis eines einheitlichen Fragenkatalogs mit definierten Messgrößen und einem vorgegebenen Schlüssel für die Aufteilung der Punkte auf verschiedene Bereiche des Qualitätsmanagements, werden die Unternehmen bewertet. Dadurch können Prioritäten im Verbesserungsprozess erkannt bzw. gesetzt werden sowie die Wirksamkeit bereits durchgeführter Maßnahmen beurteilt werden. In der obigen Abbildung 2 sind die einzelnen QM-Standards nach dem Grad der Kundenorientierung und dem Grad der Prozessorientierung grob eingeordnet. Dabei wird einerseits deutlich, dass die Norm ISO 9000:2000 gegenüber „älteren“ Standards, wie z.B. DIN EN ISO 9000:1994 und VDA 6.1, eine qualitativ höhere Prozess- und Kundenorientierung aufweist. Andererseits ist zu erkennen, dass sie im Vergleich zu „neueren“ QM-Standards, wie z.B. EFQM oder ISO/TS 16949, einen z.T. geringeren Erfüllungsgrad bezüglich der zwei Untersuchungsmerkmale besitzt. Dennoch ist auch die neue ISO 9000:2000 nicht ohne Kritik: Vor allem im Rahmen der Implementierung und Umsetzung von ISO 9000:2000 steht der – nach wie vor – umfangreiche Dokumentationsaufwand im Zusammenhang mit der Änderung von Prozessen im Mittelpunkt der Kritik. Im Folgenden sind einige weitere Argumente von John Seddon und Vilya G. Versan, zwei Gegnern der ISO 9000, beispielhaft aufgeführt (vgl. European Quality 2001): •
Qualität durch Kontrolle – wie sie von IS0 9000 gefordert wird – führt zu keiner „echten“ Unternehmensqualität, er Prozess der Implementierung/ Zertifizierung führt häufig zu suboptimalen Leistungswerten
•
Der ISO 9000 Standard basiert stark auf menschlichen Interpretationen, insbesondere denen des Zertifizierers
•
Die ISO 9000:2000 ermutigt Manager nicht zum Umdenken und fördert damit kein Change Management im Unternehmen. Die ISO 9000 ist nicht in der Lage, die Kunden- und Lieferantenbeziehungen nachhaltig zu verbessern
•
Es besteht die Gefahr, dass nicht erkannt wird, was ein Qualitätssystem basierend auf ISO 9000:2000 leisten kann und was nicht
•
Der hohe Dokumentationsaufwand und das damit verbundene Festschreiben von Prozessen kann zu einem konservativen Handeln nach Vorschrift führen
•
Wenn ein Unternehmen „gezwungen“ wird, sich nach ISO 9000 zu zertifizieren, kann dies zu einer rein formalen Implementierung führen
342
•
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
Für die effektive Implementierung der ISO 9000:2000 Standards fehlt es an methodischer Unterstützung.
Vor diesem Hintergrund sind in Abbildung 3 die relativen Vorteile der neuen ISO im Vergleich zu der Ausrichtung von Six Sigma dargestellt.
ISO 9000:1994
ISO 9000:2000
Pflichtübung für viele Unternehmen
Stärkere Prozessund Kundenorientierung
Dokumentation von Abläufen
Dokumentation der Qualität von Inhalten, Prozessen, Ergebnissen
Six Sigma
Fokussierung auf o Kunden
+ o Prozesse
Unterstützung
Abbildung 3: Stärkere Prozess- und Kundenorientierung durch ISO 9000:2000 und Six Sigma
3
Abgleich und Kombination von Six Sigma und ISO 9000:2000
Bevor mögliche Ansätze für einen Wirkungsverbund von Six Sigma mit ISO 9000:2000 näher analysiert werden, erfolgt zunächst eine vergleichende Stärken-/ Schwächenanalyse. Auf dieser Basis ergeben sich wichtige Entscheidungskriterien für eine sinnvolle Verzahnung beider Konzepte. In der folgenden Abbildung 4 sind diese Stärken und Schwächen von ISO 9000:2000 und Six Sigma in einem Spinnen-Diagramm gegenübergestellt. 3.1
Vergleichende Stärken-/Schwächen-Analyse von Six Sigma und ISO
Sowohl ISO 9000:2000 als auch Six Sigma sind international anerkannte Qualitätsstandards bzw. -konzepte. Wie in der Praxis bereits vielfach nachgewiesen, ist ihr Einsatz in Unternehmen aller Branchen unabhängig vom Standort möglich.
Armin Töpfer, Swen Günther
343
Bezogen auf die Unternehmensgröße ist die ISO-Zertifizierung für kleinere Unternehmen allerdings schwieriger und aufwendiger umzusetzen. Im Vergleich hierzu ist die Projektorientierung bei Six Sigma auch in kleineren Unternehmen realisierbar, während die Umsetzung einer umfassenden Qualifizierungsoffensive hier eher schwieriger ist. Um einen hohen Projekterfolg zu garantieren, ist bei Six Sigma im Vergleich zur Einführung der ISO 9000:2000 eine deutlich höhere Einbindung in die Unternehmensphilosophie und Orientierung an der Unternehmensstrategie gegeben. Wie verschiedene Praxisbeispiele (insb. Motorola und GE) zeigen, fördert die aktive Einbindung des Managements eine starke Ausrichtung der Six Sigma Projekte an der Unternehmensstrategie. Gleichzeitig geht mit der Umsetzung von Six Sigma ein ständiger Lern- und Veränderungsprozess im Unternehmen einher, der die gesamte Philosophie und -kultur nicht nur beeinflusst, sondern nachhaltig prägt. Bei der ISO 9000:2000 steht demgegenüber der Zertifizierungs-Gedanke im Vordergrund. Dieser fördert im Unternehmen insbesondere die Identifizierung, Darstellung und Beschreibung von Prozessen im Rahmen der Produktrealisierung. Die Verantwortung der Leitung bzw. Einbindung des Managements beschränkt sich hierbei häufig auf die Vorgabe von (Qualitäts-)Zielen, die Aufrechterhaltung eines Verbesserungsprogramms sowie die „verantwortliche“ Überwachung der Prozessergebnisse. Im Zuge der Einführung einer prozessorientierten Organisation nach ISO 9000:2000 steigen gleichzeitig die Anforderungen an die „funktional geprägten“ Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang können eine fehlende QualitätsOrganisation, wie sie bei Six Sigma existiert, und eine unzureichende kulturelle Verankerung der Qualitätsphilosophie schnell zu Verunsicherung und Vorbehalten in der Belegschaft führen. Eine aktive Einbindung der Mitarbeiter wird dadurch bei der ISO-Einführung meistens schon im vorhinein behindert. Im Rahmen der Zertifizierung nach ISO 9000:2000 besteht weiterhin die Gefahr, dass sich die Mitarbeiter und Führungskräfte im Unternehmen nach dem Erreichen des ISO 9000 Zertifikats wieder ausschließlich ihrem „Tagesgeschäft“ widmen. Das heißt, die QM-Aktivitäten zur Prozesssicherung und -verbesserung werden dann weitestgehend wieder einer separaten Qualitätsabteilung im Unternehmen überlassen. Dieses Problem wird bei Six Sigma dadurch vermieden bzw. unterbunden, dass zum einen Verbesserungsprojekte (Six Sigma Projekte) im gesamten Unternehmen fortlaufend stattfinden. Zum anderen wird durch die große Zahl von ausgebildeten Green und Black Belts, die Einbindung der Six Sigma Philosophie ins „Tagesgeschäft“ gewährleistet. Im Gegensatz zu ISO 9000 und anderen QM-Konzepten setzt Six Sigma auf kontinuierliche Prozessverbesserungen im Zuge umfassender Projekttätigkeit im Unternehmen. Mit dem Ziel, die Kundenzufriedenheit schnell und nachhaltig zu steigern, steht bei Six Sigma immer der Prozess mit seinen internen/externen Kunden im Mittelpunkt der Aktivitäten. Wie in vorangegangenen Beiträgen bereits angesprochen, zeichnen sich Six Sigma Projekte ebenfalls durch eine sehr
344
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
ISO 9000:2000 Six Sigma
Einbindung ins "Tagesgeschäft" Grad der Kundenorientierung
Grad der Ergebnisorientierung
Grad der Prozessorientierung
Aktive Einbindung der Mitarbeiter
Aktive Einbindung des Managements Einbindung der Personalentwicklung/Qualifikation
0
Grad der Projektorientierung
2
Grad der Strategieorientierung
Einbindung in die U-Philsosophie 4
Grad der Standardisierung
Einsatzmöglichk. unabhängig v. U-Größe
Einsatzmöglichk. unabhängig v. Standort 6
8
Grad der Dokumentation (Aufwand/Umfang)
10
Grad des Implementierungsaufwands
Einsatzmöglichk. nach Branchen
hohe Ergebnisorientierung aus. So ist beispielsweise für jedes Six Sigma Projekt die Wirtschaftlichkeit (Kosteneinsparung, Umsatz- und Gewinnsteigerung) im Rahmen einer Net Benefit Berechnung zu belegen. Zwar erfolgt auch im Zuge der ISO-Zertifizierung eine Messung der Kundenerwartungen und -zufriedenheit, jedoch sind die daraus folgenden Aktivitäten zur Erreichung der Qualitätsziele für relevante Funktionen und Ebenen „lediglich“ festzuschreiben.
Abbildung 4: Stärken-/Schwächen-Analyse von ISO 9000:2000 und Six Sigma
Armin Töpfer, Swen Günther
345
Die Implementierung von Six Sigma erfolgt entsprechend dem Top-Down-Ansatz, wobei die Unternehmensleitung und die Führungskräfte in die Six Sigma Aktivitäten – insbesondere Projektplanung, -steuerung und -kontrolle – sukzessive eingebunden werden. Anschließend werden alle Mitarbeiter des Unternehmens über ein differenziertes Trainingsprogramm projektorientiert geschult und mit einer klaren Rollenverteilung in die Six Sigma Organisation integriert. Wie erfolgreiche Six Sigma Unternehmen (insb. GE und Motorola) belegen, ist neben der Qualifikation der Mitarbeiter/Führungskräfte vor allem die Kopplung von Six Sigma an einen persönlichen Karriere-/Personalentwicklungsplan empfehlenswert. Ein entsprechendes Vorgehen/Prinzip ist bei der Einführung von ISO 9000:2000 nicht gegeben bzw. nicht notwendig. Vielmehr liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten auf der Installation eines funktionierenden QM-Systems, welches durch einen hohen Grad an Standardisierung gekennzeichnet ist. Obwohl sich Six Sigma ebenfalls durch ein klar strukturiertes und methodisches Vorgehen mit eindeutig definierten Projekten auszeichnet, kann bei ISO 9000:2000 von einem tendenziell höheren Dokumentationsumfang respektive -aufwand ausgegangen werden. Demgegenüber fällt der ISO-Implementierungsaufwand tendenziell geringer aus, da insbesondere auf umfangreiche und kostenintensive Trainingsprogramme für Mitarbeiter und Führungskräfte verzichtet werden kann. Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Beide Konzepte sind wichtige Elemente eines funktionierenden Qualitätsmanagements im Unternehmen und schließen sich hinsichtlich ihrer Ziele und Wirkungen nicht gegenseitig aus. Infolgedessen ist ein Wirkungsverbund zwischen beiden Konzepten mit ihren Standards grundsätzlich sinnvoll, da sie in ihrer inhaltlichen Ausrichtung und Einzelwirkung weitgehend unterschiedlich sind. Wie Abbildung 4 verdeutlicht, gibt es bei der Verzahnung beider Konzepte eine Vielzahl von möglichen positiven Effekten. Eine plausible Argumentation wäre, dass die starke Integration der Führung und die umfassende Dokumentation aller Unternehmensprozesse bei ISO 9000:2000 möglichen Gefahren bei der Implementierung von Six Sigma durch eine fehlende Einbindung der Führung und unzureichend definierte Projekte vorbeugt. Six Sigma würde dann hingegen durch den flexiblen Einsatz und durch die „wirkliche“ Optimierung der Prozesse Umsetzungsschwächen von ISO 9000:2000 ausgleichen. Daher ist es sinnvoll, mögliche Verzahnungen zwischen Six Sigma und ISO 9000:2000 genauer zu untersuchen und eine effiziente Implementierung des Wirkungsverbunds hin zu Business Excellence aufzuzeigen. 3.2
Drei Ansätze für die Verzahnung von Six Sigma und ISO 9000:2000
Aufgrund der Abgrenzung der einzelnen Konzepte und der vorangegangenen Stärken-/Schwächen-Analyse ergeben sich eine Reihe von Ansatzpunkten in Bezug auf eine sinnvolle Verzahnung von Six Sigma und ISO 9000:2000. Unter dem Blickwinkel der Plausibilität sollen im Folgenden drei Möglichkeiten genauer
346
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
untersucht bzw. diskutiert werden, die in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen: 1.
Six Sigma als Realisierung/Umsetzung der ISO 9000:2000 Norm
2.
ISO 9000:2000 als Vorstufe für die Implementierung von Six Sigma
3.
Six Sigma als internes Qualitätsverständnis von ISO-zertifizierter Qualität
Mit der ersten Möglichkeit für einen Wirkungsverbund – Six Sigma als Realisierung/Umsetzung der ISO 9000:2000 Norm – kann ein wesentlicher Kritikpunkt der ISO 9000:2000 durch den Einsatz von Six Sigma ausgeglichen werden. Wie bereits bei der Vorstellung von ISO 9000ff. in Abschnitt 2 eingehend erläutert, besteht bei der alleinigen Konzentration des Qualitätsmanagements auf die ISO 9000:2000 Zertifizierung die Gefahr, dass die vorgegebenen Standards im Unternehmen „nur“ formal implementiert und nicht inhaltlich gehaltvoll umgesetzt werden. Das heißt, für das Erreichen des ISO-Zertifikats werden zwar alle Unternehmensprozesse dokumentiert und auf Schwachstellen hin analysiert, jedoch werden im Anschluss nicht zwingend alle Fehler und Probleme auch behoben. Qualität wird dann lediglich dokumentiert und nicht „gelebt“. Die Six Sigma Philosophie und Projekte können in diesem Zusammenhang eine geeignete Basis bilden, um Qualitätsverbesserungen und Ergebnissteigerungen im Unternehmen nachhaltig zu sichern. Das spanische Telekommunikationsunternehmen Telefónica unterstreicht im folgenden Abschnitt den in Abbildung 5 veranschaulichten Wirkungsverbund zwischen ISO 9000:2000 und Six Sigma. Die zweite Möglichkeit eines Wirkungsverbunds – ISO 9000:2000 als Vorstufe für die Implementierung von Six Sigma – bezieht sich auf die verschiedenen Stufen des Qualitätsmanagements hin zu Business Excellence und Null-Fehler-Qualität. Wie bereits ausgeführt, ist der Weg zu einem ganzheitlichen Qualitätsmanagement ein kontinuierlicher Lern- und Verbesserungsprozess, in den das gesamte Unternehmen integriert werden muss. Die Implementierung eines umfassenden QMSystems wird genau dann fehlschlagen, wenn ein Unternehmen mit niedriger Qualitätsausrichtung versucht, durch den unmittelbaren Einsatz von Six Sigma ein Qualitätsmanagementniveau auf der Stufe von Business Excellence zu erzielen. ISO 9000:2000 kann in diesem Fall eine sinnvolle Vorstufe darstellen, die bei vollständiger Umsetzung das Ziel bzw. den Anspruch von Total Quality Management eindeutig untermauert. Dabei ist jedoch klar, dass zum Erreichen von Business Excellence nicht nur die „Geisteshaltung/Philosophie“, sondern auch die „Technische Verankerung“ der Qualität im Unternehmen wichtig ist (vgl. Kirstein 1998, S. 32). Mit der Analyse und Dokumentation der Unternehmensprozesse und der Umsetzung des Total Quality Managements fördert ISO 9000 die formale Basis für die erfolgreiche Einführung von Six Sigma. Gleichzeitig werden im Zuge der ISO 9000:2000 Zertifizierung bereits die Führungsebene eingebunden und die Mitarbeiter für einen zukünftig sehr hohen QM-Standard sensibilisiert. Unter diesem Blickwinkel
Armin Töpfer, Swen Günther
347
kann Six Sigma wesentlich effizienter und schneller in einem Unternehmen implementiert werden. ISO 9000:2000 Verantwortung d. Leitung o Kundenbedürfnisse und -forderungen o Qualitätspolitik o Qualitätsziele/ -planung o QM-System o Bewertung durch das Management
Messung, Analyse, Verbesserung
Ressourcenmanagement o Personelle Ressourcen o Andere Ressourcen - Informationen - Infrastruktur - Arbeitsumfeld
Six Sigma
Kunden
Produktrealisierung/ Prozessmanagement o Kundenbezogene Prozesse o Design und Entwicklung o Beschaffung o Produktions- und Dienstleistungsprozess o Steuerung b. Abweichung o Kundendienst/ Service o. Dienstleistungen nach Auftragserfüllung
o Prüfen o Analysieren der Daten o Verbesserung
o Prozess- und Kundenorientierung der ISO 9000:2000 =Gute Basis für Six Sigma - Philosophie - Projekte o Six Sigma bewirkt projektbezogene Ergebnisse und Verbesserungen
Abbildung 5: Kombination des ISO 9000:2000 Verbesserungsprozesses mit Six Sigma
Die dritte Möglichkeit eines Wirkungsverbundes – Six Sigma als internes Qualitätsverständnis von ISO-zertifizierter Qualität – besteht dann darin, dass Six Sigma das Qualitätsmanagement und -verständnis im Rahmen der Unternehmensphilosophie intern verankert, während ISO 9000:2000 im Rahmen der Zertifizierung das erreichte Qualitätsniveau extern repräsentiert. Dieser Ansatz wird auch in der folgenden Abbildung 6 verdeutlicht, wobei ausgehend von der „einfachen“ Stufe Qualitätssicherung Six Sigma und ISO 9000:2000 gemeinsam, d.h. im Wirkungsverbund, zu Business Excellence führen können. Ein praktisches Beispiel für diesen Wirkungsverbund im Hinblick auf die interne und externe Kommunikation der Qualitätsmanagement-Aktivitäten gibt im Anschluss ITT Industries.
4
Six Sigma und ISO 9000:2000 in der praktischen Umsetzung
Im Folgenden soll der Wirkungsverbund zwischen Six Sigma und ISO 9000:2000 in seiner praktischen Umsetzung an den Beispielen Telefónica und ITT Industries aufgezeigt werden.
348
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
Interne Verankerung der Qualität durch Verbesserungsprojekte hoch
niedrig
Six Sigma
Qualitätssicherung
niedrig
Business Excellence
ISO 9000:2000
hoch
Externe Dokumentation der Qualität durch Zertifizierung
Abbildung 6: Business Excellence durch interne Verankerung (Six Sigma) und externe Dokumentation (ISO 9000:2000)
4.1
Das integrierte Qualitätsmanagementsystem von Telefónica
Telefónica, Spaniens führender Telefon-Festnetz-Anbieter und eines der bekanntesten Unternehmen auf der Iberischen Halbinsel, hat bereits eine lange Tradition im Qualitätsmanagement (vgl. hierzu und im Folgenden Ansorena 2001). Ende 2000 hat das Unternehmen Six Sigma im Rahmen eines Pilotprojekts eingeführt. Durch die ersten 21 Projekte zwischen März und Juli 2001 konnten bereits mehr als € 22 Millionen eingespart werden. In einem Zeitraum von zwei Jahren sollen bis 2004 weitere 3.000 Six Sigma Projekte im Unternehmen durchgeführt werden. Durch die projektorientierte Sichtweise und die definierten methodischen Vorgehensweisen für die Umsetzung (insb. DMAIC- und DMADV-Zyklus) wird mit Six Sigma an den bereits analysierten Schwachstellen der Prozesse angesetzt. Ziel ist es, ein Qualitätsmanagement-System nicht nur formal im Unternehmen zu implementieren, sondern auch konkret umzusetzen. Denn nicht die formale Implementierung führt zu höherer Kundenzufriedenheit und geringeren (Qualitäts-) Kosten, sondern erst die praktische Realisierung und Umsetzung im Rahmen von Verbesserungsprojekten. Außerdem erfolgt durch die Durchführung von Six Sigma Projekten eine stärkere Einbindung der Mitarbeiter in die QM-Aktivitäten und gleichzeitig eine höhere Kundenorientierung aller Unternehmensprozesse. Six Sigma hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Bestandteil des ganzheitlich ausgerichteten Qualitätsmanagements von Telefónica entwickelt. Es bildet heute einen wichtigen Teil des integrierten QM-Systems. Wie aus Abbildung 7 ersichtlich ist, unterteilt sich das QM-System von Telefónica in (1) Identifizierung von
Armin Töpfer, Swen Günther
349
Qualitätsproblemen und (2) Planung, Umsetzung und Überwachung von Verbesserungsmaßnahmen. Der QM-Zyklus unterscheidet die fünf Phasen Zielfestlegung, Basisanalyse, Vertiefungsanalyse, Verbesserungsumsetzung und Überwachung der Maßnahmen. Während die ISO 9000:2000 bei der Identifizierung von Qualitätsschwachstellen zum Einsatz kommt, setzt Six Sigma im Bereich der Planung, Umsetzung und Überwachung der identifizierten Problemstellen an. Durch diesen kombinierten Einsatz beider Konzepte wird die erste Möglichkeit eines sinnvollen Wirkungsverbunds (vgl. Abschnitt 3) zwischen ISO 9000:2000 und Six Sigma in der Praxis bestätigt. Im Zuge der Einführung von Six Sigma wurde bei Telefónica auf bereits bestehende Qualitätsstandards aufgesetzt, um durch die Verknüpfung verschiedener Konzepte noch wirksamer zu werden. Um die Durchschlagskraft von Six Sigma weiter zu erhöhen, sind im Jahr 2002 insgesamt 400 Six Sigma Champions, 50 Black Belts und 250 Green Belts geschult worden. Das langfristige Ziel des Unternehmens besteht darin, Schulung und Know-how in einer eigenen Six Sigma Akademie zu bündeln.
(1) Identifizierung von Qualitätsproblemen • Basisanalyse von: - Meinungsindikatoren: Zufriedenheitsbefragung
B
sng fu e ie s rt aly Ve an
- Prozessindikatoren: Kontrollparameter
e ys al n a is as
• Systematische Analyse der Ursachen für schlechte Qualität und Kundenunzufriedenheit in den wesentlichen Bereichen durch: - Interne Indikatoren - Meinungsumfragen - EFQM - „Zufriedenheitshebel“ - Benchmarking
Zielfestlegung Ü
- Kundenzufriedenheit
d. ng n hu e ac hm rw na be aß M
• Festlegung/ Jährliche Revision der Ziele für:
gs un n r e e ss tät be tivi r Ve ak
• Planung von qualitätssteigernden Maßnahmen: - Six Sigma Projekte - Teams und Initiativen
- Geschäftsprozesse
• Überwachung der Maßnahmen auf zwei Ebenen: - Resultate der Verbesserungsaktivitäten - Wirkung auf die Zufriedenheitsindikatoren
(2) Planung, Umsetzung und Überwachung von Verbesserungsmaßnahmen
Quelle: Ansorena 2001, S. 7
Abbildung 7: Das integrierte Qualitätsmanagement-System von Telefónica
350
4.2
Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000
Die wertorientierte Six Sigma Philosophie bei ITT Industries
Im Folgenden wird am Beispiel von ITT Industries gezeigt, wie Six Sigma erfolgreich in die Firmenphilosophie und -kultur eingeführt werden kann, ohne den Nutzen der ISO-Zertifizierung – als Instrument zum Nachweis kundengerechter Qualität – bei den Tochterunternehmen in Frage zu stellen. ITT Industries gehört mit weltweit 42.00 Mitarbeitern und 31 Geschäftseinheiten zu den größten internationalen Industrieunternehmen. Das Unternehmen gliedert sich derzeit in vier Geschäftsbereiche: Verteidigungselektronik, Bewegungs- und Flusskontrolle, Elektronische Teile sowie Technologien für Flüssigkeiten (vgl. hier und im Weiteren McClenahen 2002 sowie Murphy 2001). Im Gegensatz zu Telefónica hat ITT Six Sigma nicht als weiteren Bestandteil des bestehenden Qualitätssystems, sondern als umfassende Unternehmensphilosophie implementiert. Das sogenannte Value Based Six Sigma (VBSS) von ITT basiert dabei auf den einschlägig bekannten Prinzipien: Intensive Projektarbeit und verstärkter Einsatz statistischer Methoden. In Anlehnung an andere Six Sigma Unternehmen verfolgt ITT Industries mit VBSS explizit folgende vier Zielsetzungen: •
Erhöhung der Unternehmensqualität
•
Steigerung der Kundenzufriedenheit
•
Verschlankung der Produktion (Lean Production)
•
Verkürzung des Produktentwicklungszyklus.
Trotz übereinstimmender Ziele unterscheidet sich VBSS von den „klassischen“ Six Sigma Programmen bei Motorola oder General Electric in zwei wesentlichen Punkten. Zum einen steht bei der Durchführung von Six Sigma Projekten das Erzeugen ökonomischer Werte (sog. Economic Values) im Vordergrund. Das heißt, die Auswahl von potenziellen Projekten erfolgt nicht nur über den zu erwartenden Gewinn, sondern auch über die voraussichtliche Wertsteigerung für das Unternehmen. Zum anderen liegt der Schwerpunkt der Six Sigma Organisation von ITT fast ausschließlich auf der Auswahl und dem Einsatz geeigneter Black Belts. Diese müssen neben den notwendigen mathematisch-statistischen Kenntnissen auch über ein ausgeprägtes Führungskräfteverhalten verfügen, um die Projektteams effektiv und fehlerfrei leiten zu können. Durch das im Jahr 2000 eingeführte VBSS-Programm konnte ITT allein im Folgejahr $ 135 Millionen einsparen. Mit der Einführung von Six Sigma als unternehmensweite Philosophie sank bei ITT sukzessive die Wichtigkeit der ISO 9000 Norm – insbesondere im Hinblick auf die internen Abläufe im Unternehmen. Dennoch spielt die ISO-Zertifizierung eine entscheidende Rolle bei der externen Kommunikation der Unternehmensqualität. Zum Beispiel repräsentieren die Geschäftsbereiche ITT Gould Pumps (USA), ITT McDonnell&Miller (Deutschland) und ITT Flygt (Schweden) nach wie vor ihren Qualitätsanspruch und ihr erreichtes Qualitätsniveau über das ISO 9000 Zertifikat (vgl. hierzu auch Abbildung 6).
Armin Töpfer, Swen Günther
5
351
Literatur
Ansorena, R. (2001): How Telefónica Makes its Management Connections, in: European Quality, 8. Jg., Nr. 6, 2001, S. 4-10. Ebel, B. (2002): Die Umsetzung der Normenreihe ISO 9000:2000, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Business Excellence, Frankfurt/M. 2002, S. 69-82. EFQM (European Foundation for Quality Management) (Hrsg.) (2001): Year 2001 Award: Information Brochure, Brüssel 2001, in: www.efqm.org. Graebig, K. (2006): ISO 9000:2005 Terminologie, in: QZ, Jg. 51, 2006, S. 28-29. ISO Document ISO/TC 176/SC2/N (Hrsg.) (1999): Transition Planning Guidance for ISO/DIS 9001:2000, 1999. Jacob, J. (2002): Eine Erfolgsgeschichte in der Automobilbranche – QS-9000, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Business Excellence, Frankfurt/M. 2002, S. 83-92. Kirstein, H. (1998): Von der ISO 9000 zu TQM, in: Der Weg zur Spitze: Mit Total Quality Management zu Business Excellence, München/Wien 1998, S. 2733. Kraus, H. (2001): Herausforderung Qualität – was bringt die neue DIN 9000:2000 in Zeiten des E-Business?, in: http://www.tzm.uni-giessen.de/ec-din-9000.pdf, 03.08.2002. McClenahen, J. (2002): ITT’s Value Champion, in: http://www.industryweek.com/CurrentArticles/Asp/articles.asp, 05.01.2002. Murphy, M. (2001): New ITT Industries CEO Guides Co to In-Line Results, in: http://www.georgegroup.com/news/ITTpr4-24-01.asp, 24.04.2001. o.V. (2002): Die neue QM-Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000, in: http://www.europanozert.de/ISO9000-2000.pdf, 08.10.2002. o.V. (2002): The year 2000 revisions of ISO 9001 and ISO 9004, in: http://www.iso.ch/iso/en/iso9000-14000/iso9000/2000rev1.html, 08.10.2002. Seddon, J. (2001): Ten Arguments Against ISO 9000, in: European Quality, Vol. 8, Nr. 2, 2001. Töpfer, A. (1997): TQM-Modelle und Self-Assessment als Basis für internes und externes Benchmarking, in: Sabisch, H./Tintelnot, C. (Hrsg.): Benchmarking – Weg zu unternehmerischen Spitzenleistungen, Stuttgart 1997, S. 143-156. Versan, V.G. (2001): Strong Weak Points – of the New Version of ISO 9000 Series Standards: Strategy of Implementation, in: European Quality, Vol. 8, Nr. 6, 2001.
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria Peter Bucher
Inhalt 1 2 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 5 6
1
Qualitätsphilosophien und -konzepte.........................................................................352 Qualitätsmanagement bei GECITS Austria ...............................................................353 Eckpfeiler der Konzepte ISO 9000 und Six Sigma....................................................354 Entwicklung und Aufbau der ISO 9000:2000............................................................354 Entstehung und Inhalte von Six Sigma bei GE..........................................................356 Synergien zwischen ISO 9000 und Six Sigma...........................................................361 Erfüllung von QM-Anforderungen ............................................................................361 Synergien am Beispiel ISO/CD2 9001:2000 .............................................................362 Gemeinsame Erfolgsfaktoren von ISO und Six Sigma ..............................................369 Literatur .....................................................................................................................370
Qualitätsphilosophien und -konzepte
Intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Qualität und die ständige Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen wird heutzutage in keinem Wirtschaftsbereich mehr als Ausdruck von Fortschrittlichkeit oder als Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Mitbewerber angesehen. Nahezu alle Profit- und in zunehmendem Ausmaß auch Nonprofit-Organisationen versuchen, im Rahmen von Qualitätsinitiativen ihre Leistungen im Sinne der Kundenzufriedenheit ständig zu verbessern. Der Nachweis über ein funktionsfähiges Qualitätssystem im Zuge von öffentlichen Ausschreibungen oder Lieferantenbewertungen ist vielfach Grundvoraussetzung für eine Geschäftsbeziehung. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, stehen den Unternehmen eine Reihe von Konzepten zur Verfügung, die in Amerika, Japan und den führenden Industriestaaten Europas angewendet werden und geprägt sind von verschiedenen zeitlichen und kulturellen Einflüssen. Dem Management bleibt es überlassen, eine individuelle Entscheidung zu treffen, welche Maßnahmen bzw. Konzepte mit welcher Intensität am besten geeignet sind, die Qualität in der jeweiligen Organisation zu steigern. Neben den zahlreichen TQM-Konzepten herrscht in Europa ein zunehmendes Interesse an dem im Vergleich zu den USA noch nicht so weit verbreiteten Konzept Six Sigma. Die Erfolge, die amerikanische Konzerne wie Motorola, Allied Signal and General Electric mit ihren Six Sigma Initiativen verbuchen konnten, sind der Grund, dass sich auch europäische Unternehmen mit diesem Thema intensiver auseinandersetzen.
Peter Bucher
353
Für Unternehmen – die nach ISO 9000 zertifiziert sind und die auf dieser Norm aufbauend ihr Informations- und QM-System eingerichtet haben bzw. deren Kunden das Zertifikat als unabdingbare Voraussetzung für eine Geschäftsbeziehung fordern – stellt sich keinesfalls die Frage nach Ersatz des traditionellen QMSystems durch neuartige Konzepte wie Six Sigma. Ein Abgehen von ISO 9000 und ein Neustart mit Six Sigma würde zudem die Glaubwürdigkeit der Qualitätsabteilung beeinträchtigen. Wird Qualität im Unternehmen jedoch ernstgenommen, sollte man sich neuen Entwicklungen auf diesem Sektor nicht mit dem Hinweis auf die vorhandene ISO-Dokumentation verschließen. Vielmehr sind Wege zur sinnvollen Erweiterung der bestehenden QM-Konzepte durch den Six Sigma Ansatz gesucht.
2
Qualitätsmanagement bei GECITS Austria
GE Capital IT-Solutions (GECITS) ist in acht europäischen Ländern präsent und beschäftigt rund 6.500 Mitarbeiter. In Österreich ist der Konzern mit 235 Mitarbeitern in sieben Niederlassungen vertreten. GECITS ist ein herstellerunabhängiger Provider von IT-Services und -Lösungen für Life Cycle Management sowie vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Vision des Unternehmens ist es, den Kunden jederzeit höchste Qualität zu liefern. Als Lösungspartner von mittleren und größeren Unternehmen ist der Nachweis eines Qualitätsmanagementsystems eine Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Insbesondere bildet die ISO-Zertifizierung bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge einen fixen Bestandteil der Angebotslegung. Um diese Kundenforderung zu erfüllen, wurde bereits 1998 ein prozessorientiertes ISO-System etabliert und ständig weiterentwickelt. Die gesamte Prozessdokumentation ist in elektronischer Form verfügbar. Damit wird sichergestellt, dass alle Mitarbeiter mit der jeweils aktuellen Ausgabe des Organisationshandbuches arbeiten. Änderungen in der bestehenden Dokumentation und die Ausgabe neuer Prozessbeschreibungen oder organisatorischer Richtlinien erfolgen ebenfalls auf elektronischem Wege. Als Teil von GE ist das Unternehmen aber auch verpflichtet, die ambitionierte Six Sigma Initiative umzusetzen. Beide Qualitätsbestrebungen, ISO 9000 und Six Sigma, haben ein gemeinsames Ziel, die Produktivität und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Auch in personeller Hinsicht sind die beiden Qualitätsinitiativen miteinander verwandt. So haben alle Mitarbeiter der Qualitätsabteilung sowohl eine Master Black Belt bzw. Black Belt Ausbildung für Six Sigma als auch ein ISO-Training absolviert. Diese Kombination von ISO 9000 und Six Sigma beschränkt sich innerhalb von GECITS nicht nur auf Österreich, sondern wird in ähnlicher Weise in weiteren fünf europäischen Ländern erfolgreich praktiziert.
354
3
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
Eckpfeiler der Konzepte ISO 9000 und Six Sigma
Anhand der gelebten Praxis bei GECITS-Austria sollen die sich ergebenden Synergien zwischen ISO 9000 und Six Sigma dargestellt werden. Eine kurze Beschreibung der Hauptbestandteile der beiden Qualitätskonzepte ist erforderlich, um die grundsätzlichen Unterschiede zwischen einer weltweit anwendbaren Norm (ISO 9000) und einer detaillierten Methodik (Six Sigma) zu erläutern. 3.1
Entwicklung und Aufbau der ISO 9000:2000
Die ISO (International Organization for Standardization) wurde 1947 als nichtstaatliche Organisation mit dem Ziel gegründet, internationale Standards zu definieren, um den Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu erleichtern. Standards sind dokumentierte Vereinbarungen. Sie beinhalten sowohl technische Spezifikationen als auch genau definierte Kriterien, um sicherzustellen, dass Produkte, Prozesse und Dienstleistungen den Kundenanforderungen entsprechen.
400.000
160
350.000
140
300.000
120
250.000
100
200.000
80
150.000
60
100.000
40
50.000
20
0
Anzahl Nationen
Anzahl Zertifikate
Qualität gewann spätestens Ende der 1980er Jahre in Industrie und Handel zunehmend an Bedeutung. Zu dieser Zeit bestand eine Reihe von nationalen und internationalen Normen, die jedoch für einen weiterführenden Gebrauch nicht konsistent waren. Im Jahr 1979 wurde das Technische Komitee für „Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung“ gegründet, mit dem Ziel, die bereits existierenden Branchennormen über Qualitätssicherung zu vereinheitlichen. Das Ergebnis war die Normenreihe ISO 9000. Der Erfolg dieser Norm lässt sich anhand der bis 1999 zertifizierten Unternehmen ablesen (vgl. Abbildung 1).
0 1993
1994
1995
1996
1997
ISO 9000 Zertifikate (weltweit)
1998
1999
Anzahl der Nationen
Quelle: The Iso Survey of ISO 9000 and ISO 14000 Certificates, Ninth Cycle, 1999
Abbildung 1: Entwicklung der Anzahl der Zertifikate und Mitgliedsländer von 1993-99
Peter Bucher
355
Weitere Analysen nach den einzelnen Weltregionen zeigen, dass Europa, mit insgesamt 190.248 ausgestellten Zertifikaten, noch immer einen starken Zuwachs an ISO 9000 Zertifizierungen verzeichnet. Die wachsenden Industrieländer Asiens zeigen ebenfalls reges Interesse an der ISO-Zertifizierung. In dieser Region haben 56.500 Betriebe die Erstausstellung des Zertifikates über den Nachweis der Erfüllung aller Qualitätskriterien nach der ISO 9000 beantragt. Die Zuwachsrate in Nordamerika betrug im Jahr 1999 34,6 % (vgl. Abbildung 2). 10.000 9.000
8.663 8.067
Anzahl Zertifikate
8.000
6.864
7.000
6.095
5.951
6.000
4.737
5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 Australien
USA
China
Deutschland
Japan
Großbritannien
Quelle: The Iso Survey of ISO 9000 and ISO 14000 Certificates, Ninth Cycle, 1999
Abbildung 2: Neu ausgestellte ISO-Zertifikate im Jahr 1999
Die bisherige Norm ISO 9000:1994 wurde vorwiegend den Anforderungen des Produktionsbetriebes gerecht. Die daraus resultierenden 20 Normelemente stellten nicht genug Freiraum für andere Unternehmenssparten dar. Insbesondere für den stark wachsenden Sektor der Dienstleistungsbetriebe war es schwierig, Qualitätsentwicklungen entsprechend den Normelementen darzustellen. Die Hauptzielsetzung der Norm-Revision war es, den Unternehmen die Möglichkeit zur kontinuierlichen Verbesserung ihrer Leistungen zu geben, indem der Fokus auf die Hauptprozesse gelenkt wird. Außerdem bestand die Aufgabe, den Bedürfnissen einer ständigen Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch anwenderfreundliche Dokumentationen und Einsatz allgemeiner Qualitätsmanagement-Prinzipien gerecht zu werden. In der folgenden Abbildung 3 sind die acht Eckpfeiler der aktuellen Norm ISO 9000:2000 verdeutlicht. Normen müssen den Anforderungen einer weltweiten und branchenunabhängigen Anwendbarkeit entsprechen. Im Gegensatz zur Normierung von Produkten, Begriffen und Prüfrichtlinien erscheint die Normierung von Unternehmenssystemen wesentlich problematischer. Unternehmen benötigen, um im Wettbewerb bestehen zu können, ein uneingeschränktes Potenzial an Innovation und Differenzierungs-
356
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
möglichkeiten. Die internationalen Normungsgremien haben diesen Anspruch an Systemnormen erkannt, und infolgedessen enthalten die Normen der ISO 9000 Serie ausschließlich allgemein gültige Forderungen an ein QM-System. Damit ist sichergestellt, dass den einzelnen Unternehmen genügend Freiraum zur individuellen Gestaltung des Systems bleibt. Bezüglich der Methoden, nach denen die einzelnen Forderungen zu realisieren sind, gibt es keine Vorgaben.
Lieferantenintegration
Entscheidungstransparenz
Kontinuierliche Verbesserung
Systemorientierung
Prozessorientierung
Mitarbeiterbeteiligung
Führungsqualität
Kundenorientierung
ISO 9000:2000
Ständige Erhöhung der Kundenzufriedenheit
Abbildung 3: Die acht Säulen der Norm ISO 9000:2000
Um die Norm ISO 9000 erfolgreich zu implementieren, bevorzugen zahlreiche Unternehmen die Unterstützung durch externe Beratungsfirmen. Fachliche Umsetzungsmöglichkeiten sind einerseits durch die Maßnahmen im Rahmen eines TQM-Konzepts gegeben. Ein völlig neuer Ansatz besteht andererseits darin, die Norm-Forderungen mit Hilfe der umfassenden Methodik von Six Sigma umzusetzen. Zur Realisierung zahlreicher Punkte der Norm stellt Six Sigma klar definierte Werkzeuge und Richtlinien zur Verfügung. 3.2
Entstehung und Inhalte von Six Sigma bei GE
Als Antwort auf den zunehmenden Wettbewerbsdruck aus Japan, die steigenden Kundenanforderungen und hohen Fehlerkosten formulierte Bob Galvin, CEO von Motorola, Anfang der 1980er Jahre das ambitionierte Ziel, die Produktqualität innerhalb von fünf Jahren auf das Zehnfache zu steigern. Am Beginn der konsequenten Ausrichtung des Unternehmens auf Total Quality steht die Gründung des
Peter Bucher
357
Motorola Trainingscenters, der sogenannten Motorola University. 1987 fiel die Entscheidung, bis zum Jahr 1992 Six Sigma Qualität zu erreichen – also nur noch eine Fehlerquote von 3,4 fehlerhaften Produkten pro eine Million Fehlermöglichkeiten. Michael J. Harry entwickelte ein Vorgehensmodell zur Verbesserung des Produktdesigns, zur Eliminierung von fehlerhaften Produkten und damit von Fehlerkosten. Nach und nach wurde Six Sigma im gesamten Unternehmen eingeführt und verhalf Motorola zu enormen qualitätsbezogenen und wirtschaftlichen Erfolgen. Im Jahr 1994 gründete Harry die Six Sigma Academy in Arizona und legte mit Allied Signal und General Electric als ersten Kunden - den Grundstein für den anhaltenden Höhenflug von Six Sigma. Die außergewöhnlichen Resultate der Six Sigma Pioniere veranlassen immer mehr Unternehmen, den selben Weg einzuschlagen: Bombardier, FedEx, Sony, Honda, Texas Instruments, Hitachi, Lockheed Martin, Canon, American Express, Whirlpool, usw. Basierend auf der Forderung nach Fehlervermeidung und kontinuierlicher Verbesserung lässt sich Six Sigma zweifellos in die Liste der TQM-Ansätze einreihen. Jedoch geht Six Sigma über die traditionellen Qualitätsprogramme weit hinaus. Mit Six Sigma verbindet man Begriffe wie „Vision, Methodik, Benchmark, Standardabweichung oder Best in Class“. Das übergeordnete Unternehmensziel heißt, eine „Six Sigma Company“ zu werden. „TQM sounds like fluff and we had seen lots of companies pursue TQM and get nowhere“ kommentiert Senior Vice President Gary Reiner, General Electric, die zum Teil unklaren Vorgaben gängiger Qualitätsansätze. Tatsächlich bilden Zahlen, Daten und Fakten ein Kernelement von Six Sigma und damit auch ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen Qualitätsmanagement-Konzepten. Die Bezeichnung Six Sigma, mit ı als Maß für die Standardabweichung, bringt die mathematische Ausrichtung dieser Methode zum Ausdruck. Ziel einer Six-Sigma-Company ist das Design von Produkten und Dienstleistungen, die eine Fehlerrate von maximal 3,4 Fehlern pro eine Million Fehlermöglichkeiten aufweisen sollen. Das Erreichen einer derartigen Performance durch nachträgliche Inspektionen ist weder in wirtschaftlicher noch technischer Hinsicht vertretbar bzw. durchführbar. Vielmehr setzt ein Qualitätsniveau von 99,99966 % fehlerfreiem Output eine minimale Streuung der Prozessleistung voraus. In dieser Hinsicht beruht Six Sigma analog anderer TQM-Ansätze auf den Eckpfeilern Kunden-, Prozess- und Mitarbeiterorientierung (vgl. Abbildung 4). Die Verpflichtung zu messbaren Verbesserungen anhand definierter Qualitätskriterien, z.B. durch Audits, Self-Assessments und Kundenbefragungen, ist keine Besonderheit von Six Sigma, sondern integraler Bestandteil fast aller bekannten TQM-Konzepte. Der signifikante Unterschied zwischen Six Sigma und den „herkömmlichen QM-Systemen“ besteht vor allem in Bezug auf Rigorosität und Ergebniswirksamkeit der eingesetzten Instrumente. Im Folgenden soll dies am Beispiel von General Electric (GE) und seiner Tochterfirma GECITS Austria deutlich gemacht werden.
358
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
Kunde
M ita rb
s es oz Pr
Wirtschaftliche Zufriedenstellung aller Kundenbedürfnisse
ei te r
Qualität heißt:
Abbildung 4: Eckpfeiler von Total Quality Management und Six Sigma
Kundenorientierung Der Kunde steht im Mittelpunkt aller Qualitätsbestrebungen von GE – der Kunde definiert Qualität und damit die Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen. Die umfassende Erfüllung von Kundenbedürfnissen basiert auf einem fundierten Wissen der Wettbewerbssituation des Kunden auf seinen Märkten und einer detaillierten Kenntnis der Kundenprozesse – bei GE wird dieses Verständnis als „Outside-In-Thinking“ bezeichnet. Dieses Know-how ist die Grundlage für die Identifikation von zusätzlichen „Value Addeds“, d.h. die Bereitstellung kundenspezifischer Lösungen zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Ein zentraler Bestandteil der Six-Sigma-Toolbox ist das Training von Methoden zur Erhebung der Kundenanforderungen (VOC – Voice of the Customer). Insbesondere Mitarbeiter in Vertrieb und Service werden zum Thema „VOC Listening Process“ ausgebildet, um Kundenfeedbacks und -reaktionen gezielt zu sammeln und auszuwerten. Fokusgruppen, Surveys, Interviews, Beschwerdemanagement, Customer Scorecards stellen dabei die wichtigsten Quellen für die detaillierte Erhebung von Kundenanforderungen dar. Die qualitativen Anforderungen der Kunden an den Prozessoutput (CTQs – Critical to Qualities) werden operationalisiert, d.h. auf konkrete messbare Performance-Indikatoren zurückgeführt und damit über eindeutige Zielwerte definiert. Prozessorientierung Die wichtigste Voraussetzung zur Erfüllung der definierten CTQs besteht in einem rigorosen Prozessmanagement. Bei GE basiert die konsequente Ausrichtung aller unternehmerischen Prozesse auf einem dreidimensionalen Qualitätsverbesserungsansatz. Dieser setzt sich aus einer qualitätsorientierten Entwicklung (Design
Peter Bucher
359
D
g un er ss C be MAI
De En sig tw i n fo ckl r S un ix g Si gm
r Ve
a
for Six Sigma), einem kontinuierlichen Verbesserungskonzept (DMAIC) und einem umfassenden Prozessmanagement zusammen (vgl. Abbildung 5).
Prozessmanagement
Management
Abbildung 5: Dreidimensionaler Qualitätsverbesserungsansatz bei GE
Im Rahmen von Prozessmanagement werden alle relevanten Unternehmensprozesse definiert, dokumentiert und durch eindeutig zugeordnete Prozesseigner laufend überwacht. Je nach Hierarchiestufe und Detaillierungsgrad des Prozesses (Granulation) wird das Performance-Monitoring in quantitativer und qualitativer Hinsicht auf die jeweiligen Berichtsebenen abgestimmt (vgl. Abbildung 6).
Führungsteam
Prozesseigner
Mitarbeiter
Overall Business
Schlüsselprozesse Messung und Steuerung
Prozesskontrolle Fehlervermeidung und -reduzierung
Abbildung 6: GE-Hierarchie für Prozessmanagement
360
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
Die Statistische Prozesskontrolle (SPC) in Verbindung mit einem entsprechenden Reportingsystem liefert zunächst wichtige Informationen über mögliche Problemfelder in den Prozessen. Im Anschluss können mit Hilfe der ProjektmanagementZyklen DMAIC (Define, Measure, Analyse, Improve, Control) und DMADV (Define, Measure, Analyse, Design, Verify) Prozessabweichungen gezielt beseitigt werden. Gleichzeitig stehen den Mitarbeitern damit zwei Methoden zur Verfügung, um neue Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse a priori Six Sigma konform zu gestalten (DFSS – Design for Six Sigma). Die konsequente Anwendung der DMAIC- bzw. DMADV-Methodik stellt sicher, dass •
Veränderungen nicht auf Gefühlsentscheidungen basieren,
•
Projekte im Unternehmen eine klare Priorisierung erfahren,
•
Verbesserungen einer ständigen Fortschrittskontrolle unterliegen.
Darüber hinaus gewährleisten ein detaillierter Vorgehensleitfaden und die standardisierten Projektmanagement-Techniken eine konzernweit einheitliche Projektabwicklung. Sie bilden die Basis für ein weltweites „sharing of best practices“. Veränderungen in Organisationen bedeuten in der Regel ein Abgehen von gewohnten Abläufen und Verhaltensmustern. Gemäß der Formel Q ⋅ A = E (Quality ⋅ Acceptance = Efficiency) kommt emotionalen Aspekten in der Projektabwicklung ebenso große Bedeutung zu wie der Beherrschung von ProjektmanagementTechniken. Bei GE erhalten alle Vollzeit-Projektleiter (Black Belts) neben dem Projektmanagement-Training auch eine Ausbildung als Moderator und Betreuer. Mitarbeiterorientierung Konzepte, Methoden und Techniken können für sich allein keinen Kunden zufrieden stellen. Bei GE werden deshalb alle Mitarbeiter in den Qualitätsprozess aktiv einbezogen. Durch Trainings und Anreize wird ihnen Gelegenheit gegeben, ihre Talente und Energien auf die Verbesserung der Prozesse und damit die Zufriedenstellung der Kunden zu konzentrieren. In unterschiedlichen Rollen übernimmt jeder einzelne Mitarbeiter Verantwortung für die Verbesserung des Qualitätsstandards im Unternehmen (vgl. Abbildung 7). Mitarbeiterorientierung wird im wesentlichen über die Begriffe Führung, Messung, Schulung, Kommunikation und Anerkennung abgebildet. Jede Führungskraft bei GE ist angehalten, wenigstens ein zweiwöchiges Green Belt Training zu absolvieren, um die kritischen Hauptprozesse zu erkennen, Verbesserungsziele zu definieren, erforderliche Mittel bereitzustellen, Teams zu bilden und nicht zuletzt Six Sigma Begeisterung bei allen Mitarbeitern zu erzeugen. Die kontinuierliche Messung von Prozessergebnissen sowie die Mitarbeiterschulung in Methoden zur Schwachstellenbeseitigung sind der Beweis für eine sichtbare Verbindung von Six Sigma mit den täglichen Arbeitsabläufen im Unternehmen.
Peter Bucher
361
Champions Management
Coach
Master Black Belt
Projektleiter
Verbesserungsteam
Black Belt
Green Belt
Verständnis der Mitarbeiter
Abbildung 7: Six Sigma Rollenpyramide
Die Prozess Performance, der Erfüllungsgrad von Kundenwünschen sowie die Erreichung von wichtigen Zielen wird kommuniziert und ausgezeichnet. Prämienzahlungen an leitende Mitarbeiter sind an die erfolgreiche Implementierung und Forcierung von Six Sigma geknüpft. Die Entwicklung eines Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens ist damit eng an die Erreichung von qualitativen Zielen gebunden – Six Sigma prägt die Unternehmenskultur bei GE.
4 4.1
Synergien zwischen ISO 9000 und Six Sigma Erfüllung von QM-Anforderungen
In den vorstehenden Abschnitten wurden die ISO 9000 Norm und Six Sigma anhand einiger spezifischer Ausprägungen charakterisiert. Beide Ansätze haben zum Ziel, die Qualität des Outputs von Unternehmen zu erhöhen, um die Kunden, die Mitarbeiter, die Organisation und damit den Shareholder zufrieden zu stellen. In Europa ist den – nunmehr überarbeiteten – Forderungen der ISO 9000 der Aufbau eines branchenunabhängigen Qualitätsbewusstseins und die Standardisierung qualitativer Aspekte in Dienstleistung und Produktion zu verdanken. Six Sigma, als vergleichsweise neues amerikanisches Qualitätskonzept, geht über die ISOAnsprüche hinaus und stellt nicht nur den Rahmen für ein QM-System, sondern ein umfassendes Instrumentarium zur Umsetzung und Weiterentwicklung hoher Qualitätsstandards im Unternehmen bereit.
362
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
Die Verbindung von klassischen Qualitätssystemen mit Six Sigma führt neben einer methodischen Bereicherung der Qualitätsinitiative sicherlich auch zu einer neuen qualitätsbezogenen Aufbruchstimmung im Unternehmen. Sie gewährleistet, dass Qualität im Prozess, am Mitarbeiter und nicht zuletzt beim Kunden ansetzt. Im Folgenden werden die wichtigsten Charakteristika von Six Sigma und ISO 9000 gegenübergestellt, um mögliche Synergien zwischen beiden Ansätzen zu verdeutlichen (vgl. Abbildung 8). Anforderungen an ein QM Konzept
ISO 9000:2000
Six Sigma
Weltweit einheitlicher Standard und international anerkannt
5
1
Externe Transparenz der Qualitätsinitiative (Veröffentlichung)
5
3
Reviewsystem zur laufenden Überprüfung des Projektstatus
3
5
Für Unternehmen aller Branchen und Größen sinnvoll anwendbar
5
1
Dokumentation: vollständige, verständliche Prozessbeschreibungen
5
3
Überschaubarer Implementierungsaufwand und geringe Kosten
3
1
Transparenz des laufenden Investments in die Qualitätsinitiative
3
5
Verfügbarkeit von externem Know-how (Berater, Veranstaltungen, etc.)
5
1
Rigorose Einbindung aller Mitarbeiter, Klare Rollendefinition
3
5
Prozessorientierung (horizontal/vertikal), Statistische Prozessregelung
1
5
Kundenfokus – der Kunde definiert Qualität
1
5
Verbindung von Qualitätsbestrebungen und Gewinn/Verlustrechnung
3
5
Bereitstellung v. Tools zur kontinuierlichen Perfomance Verbesserung
1
5
Bereitstellung v. Tools und Experten zur Durchführung von Projekten
1
5
Bereitstellung v. Tools und Know-how zur Moderation/Begleitung
1
5
Verbindung des Engagements für Qualität und Entlohnungssystem
1
5
Forderung einer Kommunikationsstrategie für die Qualitätsinitiative
3
5
5 – Starke Ausprägung; 3 – Mittlere Ausprägung; 1 – Schwache Ausprägung
Abbildung 8: Gegenüberstellung von Six Sigma und ISO 9000:2000
4.2
Synergien am Beispiel ISO/CD2 9001:2000
In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie der Einsatz von Six Sigma die konkrete Umsetzung der Norm ISO/CD2 9001:2000 unterstützen kann. Dazu werden Inhalte des Six Sigma Konzeptes den korrespondierenden Normforderungen gegenübergestellt. Im Einzelnen wird auf die Punkte Prozessorientierung, Kundenorientierung, Mitarbeiterfokus, Produkterstellung, Design- und Entwicklungsüberprüfung sowie Kontinuierliche Verbesserung näher eingegangen. Prozessorientierung Die internationale Norm ISO/CD2 9001:2000 befürwortet einen prozessorientierten Ansatz des Managements als Mittel zum bereitwilligen Erkennen und Einleiten von Verbesserungsmöglichkeiten in Organisationen.
Peter Bucher
363
Ziel des Prozessmanagements nach Six Sigma ist es, alle relevanten Unternehmensprozesse zu definieren, zu dokumentieren und mittels Kennzahlen laufend zu überwachen. Prozesseigner sind verantwortlich für die ständige Kontrolle der Prozesse und ggf. für die Durchführung entsprechender Verbesserungsmaßnahmen. Die Einführung einer prozessorientierten Organisation wird durch ein 9Stufen Modell bei GECITS Austria nachhaltig unterstützt (vgl. Abbildung 9). Customer Relationship Management
Selling Chain
Market Research PB C03-04
Supply Chain
Product Management PB C03-04, PB D04-01
Service Management
Marketing
Sales Focus & Control
PB C03-04, OA C03-11
Accounting
Customer Care OA C19-10
Level 1
Level 2
Level 3
Level 3-Dokumentationen PB C03-04 OA C03-11 PB D04-01 OA C19-10
Planung und Durchführung des Marketing-Programms Durchführung des Marketing-Kommunikationsprojektes Design und Entwicklung neuer Produkte Beschwerdemanagement und Eskalations-Leitfaden
Abbildung 9: Das 9-Stufen Prozessmodell von GECITS Austria
Um den Six Sigma Gedanken eines Prozessmanagements umzusetzen, nutzte GECITS Austria die bereits vorhandenen, prozessorientierten ISO-Dokumentationen. Alle ISO-Dokumente wurden entlang der fünf Kernprozesse ausgerichtet und beinhalten detaillierten Ablaufbeschreibungen (sog. Level 3 – Dokumentationen). In der folgenden Abbildung 10 sind am Beispiel des Kernprozesses „Customer Relationship Management“ die Prozessziele und -grenzen sowie die Teilprozesse auf „Level 2“ – Ebene detailliert beschrieben. Basierend auf diesem Prozessmodell wurden Kennzahlen und CTQs (Critical to Quality) in einer „Big Y Matrix“ gegenübergestellt (vgl. Abbildung 11). Dabei wurden nicht nur unternehmenskritische Performance Kennzahlen herangezogen, sondern insbesondere auch Prozesskennzahlen und Indikatoren, die den Erfüllungsgrad der Kundenerwartungen widerspiegeln. Für alle Kernprozesse und die darunter liegenden „Level 2“ – Prozesse wurden Prozesseigner definiert, die in regelmäßigen Abständen die Prozessleistung beurteilen, Verbesserungspotenziale erkennen und entsprechende Maßnahmen (z.B. Quality Projects) einleiten sollen. Die aktuellen Performance Kennzahlen sind für alle Mitarbeiter über das Intranet Portal einsehbar. Diese dient gleichzeitig als Grundlage für die regelmäßig stattfindenden Prozess-Reviews unter Führung der Prozesseigner.
Teilprozess Teilprozess
Prozessziele: Erzeugen von neu qualifizierten Einschätzungen, Zusammenstellen eines profitablen Produktportfolios mit optimalem Marketing-Mix
Grenzen: Von Daten zur Ermittlung
Bedeutung: Voraussetzung um Wachstumsziel, Marktanteil & Verkaufsvolumen zu erreichen
Zielsetzung: Aufbau einer Verkaufsbasis durch Marktforschung, Erstellen eines marktorientierten Produktportfolios effektive Werbung der Produkte, Client and Customer Management um Gewinnziele zu erreichen, Unterstützen von Data-Warehousing: Einschätzung potentieller Erstund Wiederholungskäufer bzw. Referenzkunden
Vorhaben
CTQ o Zufriedenheit mit dem Produktportfolio o Produkteigenschaften o Produktfokus: 80% des Umsatzes mit Produkten der Kategorie A
CTQ Wachstum bezogen auf S I des Zielsegments (Penetration)
Hauptkennzahlen o Marktanteil der Produktgruppen o Produktklassifizierung (A, B, C) o Scorecard Rating für Produktportfolio
Output Marketingpläne für neue Produkte o Produkteigenschaften o Werbematerial o Verkaufsinformation
Output Marktpotenzial (Größe, erreichbarer Anteil) der Zielsegmente
Hauptkennzahlen Marktanteil
Input Marktpotential (Größe, erreichbarer Anteil) der Zielsegmente
Produkt Management
Input o Globale Geschäftsziele, Studien, Prüfungen, Kundenbefragungen o Adressdatenbank o Wettbewerbsbeobachtung
Marktforschung
Prozess/Prozesseigner: Customer Relationship Management
Kernprozess
Hauptkennzahlen o Anzahl der Erstkäufer o Anzahl der Einführungen o Anzahl der Veranstaltungen o Einhalten des Marketingbudgets
CTQ o Erfolg der Veranstaltungen o Kundenzufriedenheit o Einhalten des Budgets
Output o Veranstaltungsprogramm o Veranstaltungen o Einführungen/Kontakte Direkt-Marketing Aktivitäten
Input Marketingpläne für neue Produkte o Produkteigenschaften o Werbematerial o Kundendatenbank
Marketing (Werbung & PR)
Teilprozess
364 Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
Abbildung 10: Definition von Kennzahlen und CTQs für den Kernprozess „Customer Relationship Management“
Peter Bucher
Preis
Zufriedenheit
Genauigkeit
Umsatz
Kunde Zeitlosigkeit
Produktivität
Big Y Matrix
Marktdurchdringung Nettoeinkommen
GECITS
365
Ziel
Customer Relationship Management Market Research Marktanteil Marktanteil der Produktgruppen Product Management
Produktkategorie Bewertung des Produktportfolios
Wachstum bez. auf S1 80% des Umsatzes in Kategorie A Wichtigkeit höher als 3,5
Anzahl der Erstkäufer Anzahl der Einführungen Marketing (Werbung & PR) Anzahl der Veranstaltungen Marketingbudget Sales
Marketingbudget einhalten
Hitparade von Verkaufsvertretern
Umsatz von Wiederholungskäufern und Key Accounts Customer Care Neubestellungen Kunden und Referenzauftraggeber Anzahl der Beschwerden
65% in 100% Club Keine inaktiven Kunden Keine inaktiven Kunden Keine Beschwerden
Abbildung 11: Big Y Matrix mit Kennzahlen, CTQs und Zielen des Kernprozesses „Customer Relationship Management“
Kundenorientierung Im Rahmen von ISO/CD2 9001:2000 (Punkt 5.2 „Kundenforderungen“) hat die oberste Leitung zum einen sicherzustellen, dass die a)
Erfordernisse und Erwartungen der Kunden ermittelt und in Forderungen umgewandelt werden mit dem Ziel, das Vertrauen der Kunden zu erlangen,
b) Kundenforderungen vollständig verstanden und erfüllt werden. Zum anderen muss die Unternehmensleitung ihre Qualitätspolitik festlegen und im Folgenden sicherstellen, dass sie a)
für die Erfordernisse der Organisation und deren Kunden geeignet ist,
b) die Verpflichtung zur Erfüllung ständiger Verbesserungen enthält, c)
einen Rahmen für die Festlegung und Überprüfung von Qualitätszielen bietet,
d) in der gesamten Organisation vermittelt, verstanden und umgesetzt wird, e)
auf ihre Angemessenheit kontinuierlich überprüft wird.
In der praktischen Umsetzung stellt Six Sigma mit dem Toolset „Voice of the Customer“ (VOC) eine Methode zur Erlangung detaillierter Kenntnisse über Kundenanforderungen und -erwartungen bereit. Um die „Stimme des Kunden“ umfassend zu ermitteln, bedient sich das Unternehmen einer Reihe von Instrumenten, die vor allem eine strukturierte Vorgehensweise ermöglichen:
366
a)
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
Scorecards stellen ein kundenspezifisches und auf persönliche Gespräche aufbauendes Analyseinstrument dar. Nach einem Punktesystem wird die Qualität von Dienstleistungen anhand von Kundenkriterien regelmäßig überprüft. Abweichungen und Korrekturmaßnahmen werden in sogenannte „Issue Logs“ festgehalten und umgesetzt.
b) Surveys werden in gleicher Weise bei einer großen Zahl von Kunden mindestens einmal jährlich durchgeführt. Aus den Auswertungen der Surveys lassen sich klare Anforderungen und Bedarfsentwicklungen ablesen. Außerdem wird deutlich, wie eine große Kundenanzahl die Qualität der Leistungen beurteilt. c)
Kundenworkshops werden in Zusammenhang mit komplexen Kundenprojekten durchgeführt. Es wird sichergestellt, dass zu Projektbeginn die Erwartungshaltungen aller Beteiligten klar definiert und dokumentiert sind und damit Diskussionen über den Leistungsumfang nach Projektabschluss entfallen.
Durch das VOC-Instrumentarium von Six Sigma werden auch andere Forderungen der ISO-Norm, z.B. Punkt 7.2 „Kundenbezogenen Prozesse“ oder Punkt 8.2.1 „Messung und Überwachung der Kundenzufriedenheit“, abgedeckt. Im Hinblick auf die Qualitätspolitik im Unternehmen legt Six Sigma klar definierte und messbare Ziele fest. Qualität stellt ein wichtiges Kriterium zur Erreichung der Unternehmensziele dar. Jede Führungskraft ist verpflichtet, Six Sigma im Unternehmen zu forcieren und die Wichtigkeit des Konzepts herauszustellen. Das gesamte Management hat ein mindestens zweiwöchiges Training zu absolvieren. Darüber hinaus sind spezielle Trainings für Champions, Master Black Belts etc. notwendig. Die Qualitätsziele werden im Zuge der Budgetpläne definiert und beinhalten klare Vorgaben bzgl. des zu erwartenden Verbesserungspotenzials. Die einzelnen Projekte werden nach den Kategorien Kostenreduktion, Umsatz- und Produktivitätssteigerung sowie Steigerung der Kundenzufriedenheit beurteilt. Mitarbeiterfokus Nach ISO/CD2 9001:2000 (Punkt 6.2.2 „Kompetenz, Schulung, Qualifikation und Bewusstsein“) muss die Organisation Verfahren festlegen und aufrechterhalten, die das Qualitätsbewusstsein von Mitarbeitern in allen relevanten Funktionen und Ebenen stärkt. Dabei soll ihnen u.a. verdeutlicht werden, a)
welche Bedeutung die Übereinstimmung mit der Qualitätspolitik und die Erfüllung der Forderungen des QM-Systems haben,
b) welchen wesentlichen – tatsächlichen oder möglichen – Einfluss ihre Tätigkeit auf die Qualität hat, c)
welche Vorteile eine verbesserte persönliche Leistung bietet,
d) welche Aufgaben und Verantwortung sie bei der Umsetzung der Qualitätspolitik und QM-Verfahren besitzen,
Peter Bucher
e)
367
welche möglichen Folgen ein Abweichen von den festgelegten Verfahren hat.
Im Rahmen von Six Sigma werden die oben genannten Punkte operationalisiert, d.h., jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, Six Sigma „zu leben“. Basierend auf dem hierarchischen Rollenmodell (Champions, Master Black Belt, Black Belt, Improvement Teams, All Associates) gibt es entsprechende Trainings, die jedem Mitarbeiter seinen Beitrag zur Qualität ausführlich darlegen und ein gemeinsames Verständnis von Qualität schaffen. Die Bewertung von Six Sigma Engagement und Führungsverhalten in den Einsatzplänen des Managements sowie die Belohnung besonderer Leistungen im Rahmen eines Anerkennungsprogramms unterstreichen die Verbindlichkeit und Bedeutung dieser Initiative im Unternehmen GE. Produkterstellung Entsprechend dem Punkt 7 „Produktrealsierung“ der ISO/CD2 9001:2000 ist das Unternehmen verpflichtet, a)
die für die Prozesse zutreffenden Methoden und Arbeitsweisen im erforderlichen Umfang festzulegen, um einen durchgängigen Betrieb zu gewährleisten,
b) die Kriterien und Methoden zur Lenkung von Prozessen im jeweils erforderlichen Umfang zum Erreichen der Konformität des Produkts mit den Kundenforderungen festzulegen und einzuführen, c)
die Verifizierung des Produktionsablaufs durchzuführen, damit die Prozesse so betrieben werden können, dass das Produkt die Kundenforderungen erfüllt,
d) die Regeln für Messen, Überwachen und Folgemaßnahmen festzulegen, damit die Prozesse weiterhin die geplanten Ergebnisse erreichen, e)
die Verfügbarkeit der zum wirksamen Betrieb und zur wirksamen Überwachung der Prozesse erforderlichen Informationen und Daten sicherzustellen,
f)
die Ergebnisse der Prozesslenkungsmaßnahmen aufzeichnen, um den wirksamen Betrieb und die wirksame Überwachung der Prozesse zu belegen.
Durch die starke Prozessorientierung im Rahmen von Six Sigma werden die Punkte c) bis f) bei GE vollständig abgedeckt. Insbesondere werden in Form des 9Stufen Modells die unternehmenskritischen Prozesse analysiert und mittels Kennzahlen ständig überwacht (siehe oben). Design- und Entwicklungsüberprüfung Nach ISO/CD2 9001:2000 (Punkt 7.3 „Design und Entwicklung“) müssen in geeigneten Phasen Design- und Entwicklungsüberprüfungen systematisch durchgeführt werden, um a)
die Fähigkeit zur Erfüllung der Qualitätsforderungen zu bewerten und
b) Probleme zu erkennen und Lösungsmöglichkeiten vorzuschlagen.
368
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
Darüber hinaus sollte eine Design- und Entwicklungsverifizierung geplant und durchgeführt werden, um die Entwicklungsvorgaben zu erfüllen und sicherzustellen. Die Ergebnisse der Verifizierung sowie eventuelle Folgemaßnahmen sind aufzuzeichnen. Der DMADV-Zyklus (Define, Measure, Analyse, Design, Verify) stellt im Rahmen von Six Sigma ein geeignetes Instrument dar, um den Forderungen der ISO-Norm umfassend gerecht zu werden. Die Define-Phase hat das Ziel, klare Erwartungen des Kunden, Unternehmens und Projektteams zu dokumentieren sowie Projektziele, -umfang und -plan festzulegen. Basierend auf den Ergebnissen der Measure-Phase, wird in der AnalysePhase zunächst ein Grobkonzept entwickelt. Dieses wird auf die Erfüllung der Projekterwartungen und der definierten CTQs überprüft und bei Bedarf angepasst. Das Ergebnis der Analyse Phase ist eine festgelegte und kontrollierte Design Vorgabe. Am Ende der Design-Phase wird die Pilotierung des neuen Produktes bzw. der neuen Dienstleistung geplant. In der Phase Verify wird das Ergebnis der Designphase hinsichtlich der Erfüllung der definierten Projektziele und CTQs bestätigt oder ggf. revidiert. Bis die Realisierung des Vorhabens abgeschlossen ist, werden alle Prozessschritte in Form einer strukturierten Projektdokumentation aufgezeichnet. Der DMADV-Zyklus bedient sich dabei durchaus konventioneller Tools wie z.B. QFD (Quality Function Deployment), FMEA (Failure Mode and Effect Analysis), DOE (Design of Experiments), MGP (Multi Generation Plan), Benchmarking oder Kano Analysis. Kontinuierliche Verbesserung Der Punkt 8 „Messung, Analyse und Verbesserung“ der ISO/CD2 9001:2000 schreibt explizit vor, dass die Unternehmensprozesse und die Kundenzufriedenheit kontinuierlich zu messen, zu analysieren und zu verbessern sind. In diesem Zusammenhang hat die Organisation die Aufgabe, das QM-System ständig zu verbessern sowie ein geeignetes QM-Verfahren festzulegen, mit dem sich die Qualitätspolitik und -ziele im Unternehmen umsetzen lassen. Auch in diesem Punkt der Normforderung stellt Six Sigma mit dem DMAICZyklus (Define, Measure, Analyse, Improve, Control) eine klar strukturierte Methodik zur Verfügung. Während die ISO-Norm nur die Forderung der ständigen Verbesserung vorgibt, ist mit der Vorgangsweise des DMAIC-Zyklus klar definiert, wie Verbesserungsprojekte abzuwickeln bzw. welche Tools für welche Projektphase einzusetzen sind. Analog dem DMADV-Zyklus werden in der Define-Phase zunächst der Projektumfang und die Projektziele festgelegt. Zur Erarbeitung der Problemstellung wird das Tool „Voice of the Customer“ (VOC) verwendet, um die CTQs aller Beteiligten zu erheben. Aufbauend auf diesen CTQs wird in der Measure-Phase ein sog. Data Collection Sheet definiert, mit dessen Hilfe die zu erhebenden Daten, der Zeitraum und die Verantwortlichkeiten übersichtlich und vollständig aufgelistet werden. Das Datenmaterial wird in der Analyse-Phase ausgewertet. Zu diesem
Peter Bucher
369
Zeitpunkt erfolgt auch die Bewertung der „Quality financials“ in Form einer detaillierten Kosten-Nutzen Analyse. Die konkreten Problemlösungen und Maßnahmen werden auf Basis dieser Analysen definiert und umgesetzt. Nach der Implementierung folgt die Control-Phase, in der die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen überprüft wird. Gleichzeitig erfolgt die Übergabe des verbesserten Prozesses an den Prozesseigner. Die Control-Phase bildet die Nahtstelle zum laufenden Performance Monitoring im Rahmen des Prozessmanagements. Die finanziellen Auswirkungen der DMADV- bzw. DMAIC- Projektverbesserungen werden über einen Zeitraum von (mindestens) 12 Monaten im Rahmen des „Quality Net Benefit Trackings“ in Abstimmung mit dem Qualitätsanalysten aus dem Corporate Finance Department verfolgt. Eine weitere Six Sigma Komponente zum Thema „Messung, Analyse und Verbesserung“ bildet das sogenannte Quality Assessment. Der Fortschritt und die Ergebnisse der Six Sigma Initiative werden für jede Geschäftseinheit anhand von 22 Punkten in einem halbjährlichen Selfassessment in den Kategorien Kunde, Mitarbeiter, Führung, Finanzielle Ergebnisse sowie Projekt- und Prozessmanagement bewertet. Die Bewertung ist ein wichtiger Bestandteil des konzernweiten Six Sigma Reporting Systems. Sie stellt sicher, dass „Qualität“ als umfassende Anstrengung des gesamten Unternehmens aufgefasst und umgesetzt wird.
5
Gemeinsame Erfolgsfaktoren von ISO und Six Sigma
Für die Einführung von Six Sigma in ISO-zertifizierten Unternehmen bestehen aus Sicht von GECITS Austria folgende Erfolgsfaktoren: 1) Funktionsfähige ISO 9000:2000: Synergien zwischen Six Sigma und ISO lassen sich vor allem in prozessorientierten Organisationen mit starkem Qualitätsbewusstsein realisieren. Die „Wiederbelebung“ eines ISO-konformen QM-Systems mittels Six Sigma hat nur begrenzte Erfolgsaussichten. 2) Eine Qualitätsabteilung: Six Sigma und ISO 9000:2000 in zwei verschiedenen Abteilungen anzusiedeln, bedeutet nicht nur einen Verzicht auf Synergien. Vielmehr kommt es durch die parallele Verfolgung von zwei Qualitätsinitiativen durch zwei Teams zu einer prinzipiellen Schwächung beider Ansätze. 3) Commitment: Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg von Six Sigma ist die uneingeschränkte Unterstützung der Qualitätsinitiative durch das Management und die aktive Einbindung jedes einzelnen Mitarbeiters. Dies gilt analog für die Zusammenführung von Six Sigma und ISO 9000. 4) Kommunikation und Dokumentation: Die aus dem Zusammenwirken von Six Sigma und ISO 9000 resultierenden Vorteile, Überschneidungen und Ergän-
370
Integration von Six Sigma und ISO 9000 am Beispiel von GECITS Austria
zungen sollten jedem Mitarbeiter und externen ISO-Auditor vertraut sein. Die Berücksichtigung von Six Sigma Aspekten im Qualitätshandbuch und die Abstimmung von Begriffsdefinitionen schafft Transparenz und Verständnis. 5) Ausdauer und Konsequenz: Die Zeitdauer für die Erlangung einer ISOZertifizierung wird im Allgemeinen mit 6 bis 12 Monaten veranschlagt. Die Einführung, Aufrechterhaltung bzw. ständige Erweiterung von Six Sigma verursacht zweifellos einen wesentlich höheren zeitlichen und personellen Aufwand. 6) Unternehmensgröße: Die Einführung von Six Sigma in kleinen Organisationen erscheint aus Sicht von GE aufgrund des zeitlichen und personellen Aufwands nicht sinnvoll. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Six Sigma und ISO 9000 zwei grundlegend verschiedene Qualitätsansätze darstellen. Eine Verbindung beider Konzepte erscheint insofern sinnvoll, da sich eine Reihe von Synergien ergeben: •
Die ISO stellt als „abstrakte Norm“ allgemeine Forderungen an ein funktionsfähiges QM-System auf. Six Sigma als umfassender und operationaler TQMAnsatz stellt die Umsetzung von Qualität im Unternehmen durch Bereitstellung konkreter (statistischer) Instrumente in den Vordergrund.
•
Standardisierung, Audit und ISO-Zertifizierung bilden die Grundlage für den externen Nachweis über die Implementierung eines QM-Systems. Six Sigma stellt durch Rigorosität, Ganzheitlichkeit und Methodenvielfalt sicher, dass Qualität im Unternehmen nicht „nur“ auditiert, dokumentiert und zertifiziert, sondern uneingeschränkte Realität wird.
6
Literatur
Harry, M.J. (1994): The vision of Six Sigma, Phoenix 1994. Imai, M. (1986): Kaizen, Deutsche Ausgabe, München 1992. ISO Document ISO/TC 176/SC2/N (1997): Quality Management Principles and Guidelines on their Application, 1997. ISO Document ISO/TC 176/SC2/N (1999): Transition Planning Guidance for ISO/DIS 9001:2000, 1999. Seghezzi, H.D./Hansen J.R. (1993): Qualitätsstrategien – Anforderungen an das Management der Zukunft, München 1993. The Iso Survey of ISO 9000 and ISO 14000 Certificates, Ninth Cycle, 1999.
Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund Armin Töpfer
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Basis und Umsetzungstreiber von Six Sigma ............................................................371 Die Verzahnung der drei Konzepte............................................................................374 Anwendungsbeispiel Beschwerdemanagement .........................................................377 Mit Six Sigma schneller zum Erfolg..........................................................................381 Literatur .....................................................................................................................382
Basis und Umsetzungstreiber von Six Sigma
Das Management vieler Unternehmen stellt sich heute immer weniger die Frage, ob Six Sigma mehr ist als nur ein neues Schlagwort und ob es mehr bewirkt als fortschrittliche Konzepte wie das EFQM-Modell oder die ISO 9001:2000. Für viele Unternehmen ist jedoch unklar, wo der Unterschied und die Abgrenzung zu neuen Managementkonzepten wie der Balanced Score Card liegt. Die unternehmerische Praxis zeigt indes, dass sich diese Konzepte bestens kombinieren lassen (vgl. hierzu und im Folgenden Töpfer 2001, S. 1023ff.). Die Skepsis und Verunsicherung im Management sind insbesondere bezogen auf die sinnvolle Kombination und ein koordiniertes Vorgehen groß. Dies ist verständlich, da in der Vergangenheit zu häufig lediglich Schlagworte geliefert statt substanzielle Ergebniswirkungen erreicht wurden. Für erfahrene Anwender und Experten ist jedoch klar, dass Six Sigma Wirkung zeigt. Zudem ist Six Sigma kein völlig neues Konzept, sondern unterstützt Unternehmen auf ihrem bisherigen Weg zu Business Excellence – baut also auf bewährten QM-Methoden auf. Gerade bei sich stark ändernden Markt- und Wettbewerbsbedingungen wird Six Sigma als praktizierte Null-Fehler-Qualität auf einem statistischen Niveau von 3,4 DPMO zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor. Six Sigma hat einen positiven Einfluss auf Qualität, Zeit und Kosten – bei einer Anwendung mit einem hohen Reifegrad auch auf die Innovation. Angestrebt ist eine hohe Kundenzufriedenheit bei profitablen Unternehmensergebnissen. Das Ziel ist, die Critical to Quality Characteristics (CTQs) als wesentliche Kundenanforderungen vollständig zu erfüllen. Dies bedeutet, dass in allen wichtigen Wertschöpfungsprozessen die zentralen Werttreiber herausgefiltert und konsequent verbessert werden. Hierdurch werden Quantensprünge in der Produktivität ermög-
372
Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund
licht. Zugleich wird dadurch vermieden, dass lediglich die unbedeutenden Prozesse als „Peanuts“ optimiert werden. Die erreichte Qualität vergrößert den Nutzen und Wert für den Kunden und führt über Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen zu nachhaltigen Ergebnisverbesserungen (vgl. Abbildung 1).
Kunde Prozess
Qualität Veränderung
Ergebnisverbesserung durch o Kosteneinsparung o Umsatz-/Ertragssteigerung
Abbildung 1: Die Six Sigma Umsetzungstreiber
Diese drei Umsetzungstreiber werden in Six Sigma Initiativen und Projekten in der folgenden Weise aktiviert. Dem Kunden und seinen zentralen Anforderungen (CTQs) kommt im Six Sigma Konzept die entscheidende Funktion zu. Damit ist Six Sigma eindeutig marktorientiert ausgerichtet: 1.
Die „Stimme des Kunden“ (VOC – Voice of Customer) bildet die Grundlage für jede Six Sigma Prozessanalyse und Verbesserungsmaßnahme.
2.
Die „kritischen Qualitätsmerkmale“ (CTQs) definieren die geforderten Prozessergebnisse aus Kundensicht und stellen damit die Erfolgsfaktoren des Unternehmens dar.
3.
Die höhere Qualität von (Vor-)Produkten und Dienstleistungen durch Six Sigma macht die industriellen Verwender als Kunden auf ihren Märkten erfolgreicher und schafft die Grundlage für ein mehrstufiges „Value Marketing“.
Der Prozess liefert im Six Sigma Konzept ressourcenorientiert den maßgeblichen Hebel für die Wertsteigerung: 1.
In Six Sigma Projekten wird immer ein zweiseitiger Fokus auf die „Prozesslandkarte“ gelegt: Zum einen wird – in einer extern gerichteten Analyse – untersucht, wie zentrale Kundenanforderungen als kritische Erfolgsfaktoren (CTQs) im Ist-Prozess erfüllt sind bzw. zukünftig besser erfüllt werden müssen (Outside-in-Analyse). In einer intern gerichteten Analyse stellt sich zum
Armin Töpfer
373
anderen die Frage, wie die entscheidenden Werttreiber aussehen und die hierfür erforderlichen Kernkompetenzen ausgeprägt sein müssen (Inside-outAnalyse). 2.
Die Qualitäts-Vision (aus Kundensicht) ist dann nicht nur im Geschäftsmodell allgemein formuliert, sondern in allen wichtigen Wertschöpfungsprozessen konkret umgesetzt. Dies erfolgt in der Weise, dass in jedem Six Sigma Projekt SIPOC-Analysen durchgeführt werden, also wesentliche Prozessschritte bezogen auf die Abfolge Lieferant (Supplier), Input, Prozess, Output und Kunde (Customer) durchleuchtet werden. Hierbei werden Output-, Prozessund Inputmessgrößen festgelegt, die den geforderten Outcome erreichen.
3.
Was ein Fehler ist, wird in Abhängigkeit von den zentralen Kundenanforderungen (CTQs) und dann auch von der Unternehmensstrategie definiert. Beide werden in interne Prozess- und Leistungsstandards umgesetzt, um sich von den maßgeblichen Wettbewerbern zu differenzieren.
Die Qualität ist in der Konsequenz im Six Sigma Konzept die wichtigste Wirkungs- und Ergebnisgröße: 1.
Das erklärte Ziel von Six Sigma ist – wie ausgeführt – praktizierte NullFehler-Qualität. Aus statistischer Sicht entspricht dies einer Fehlerquote von 3,4 Fehler pro 1 Mio. Fehlermöglichkeiten. Die Grundlage für die Berechnung bildet die Standardnormalverteilung. Dabei liegen 99,99966 % der GutTeile (= Ausbeute) in einem (Toleranz-)Bereich von ± 6s bei einer Mittelwert-Verschiebung von ± 1,5s.
2.
Der Toleranzbereich für Qualität wird durch die – entsprechend den Kundenanforderungen (CTQs) – vom Kunden akzeptierten Abweichungen definiert. Verkleinert wird der Toleranzbereich nur dann, wenn die internen Prozess-/ Leistungsstandards – entsprechend der Unternehmensstrategie – „härter“ formuliert werden.
3.
Die Minimierung der Prozessstreuung innerhalb des definierten Toleranzbereichs und die Zentrierung der Prozesslage, also das Sicherstellen der Prozessfähigkeit zur abweichungsfreien Einhaltung der CTQs, stehen im Zentrum aller Six Sigma Verbesserungsaktivitäten.
Wie bereits in den vorstehenden Beiträgen ausführlich angesprochen, ist Six Sigma keine automatische Stellschraube für Gewinnsteigerungen. Six Sigma ist auch kein reines Kostensenkungsprogramm, und es ist auch kein Hebel zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Die zentrale Frage lautet also, wie sich Six Sigma in eine gewachsene QM-Struktur einpassen lässt und wie es mit dem EFQM-Modell und der Balanced Score Card (BSC) zu verzahnen ist. Viele Unternehmen haben in der Einzelanwendung bereits einen respektablen Stand erreicht und fragen sich deshalb, wo die Effizienz- und Wertsteigerung liegen. Denn viele Praktiker haben erkannt, dass es nicht mehr darum geht, in regelmäßigen Abständen immer wieder neue Konzepte zu realisieren, auch wenn sie über das „Schlagwortniveau“ hinaus
374
Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund
gehen. In Zukunft kommt es verstärkt darauf an, einfache umsetzungsorientierte Konzepte nachhaltig zu gestalten. Damit dominiert immer mehr ein NiveauWettbewerb an Stelle eines reinen Konzept-Wettbewerbs.
2
Die Verzahnung der drei Konzepte
Wegen der unterschiedlichen Ansatzpunkte der drei Konzepte Six Sigma, Balancend Score Card und EFQM-Modell ist es wichtig, die Schnittstellen für den kombinierten und koordinierten Einsatz zu kennen, um so Synergien zu schaffen (vgl. hierzu Abbildung 2). Das EFQM-Modell konzentriert sich mit seiner Unterscheidung in Befähiger und Ergebnisse auf die Leistungsbewertung im Vergleich zu einem Idealunternehmen. Der klar differenzierte und standardisierte Kriterienkatalog liefert ein einheitliches Raster, das ein gutes und umfassendes Verständnis der Stärken und Schwächen des Unternehmens auf der Prozessebene vermittelt (vgl. Wigand/Schnopp 2000, S. 266ff.).
Philosophie
TQM/EFQM
Strategie
BSC
Umsetzung
Six Sigma
System Gestaltung der Qualitätstreiber (Befähiger + Ergebnisse) Performance Assessment
Steuerung Messung der Werttreiber/ Key Performance Indicators Performance Measurement
Realisierung Erreichen des geforderten Werttreiber-Niveaus Performance
Abbildung 2: Der strategische Wirkungsverbund der drei QM-Konzepte
Die Ergänzung durch die Balanced Score Card verstärkt die Fokussierung auf Werttreiber – und zwar in einer völlig unternehmensspezifischen Ausrichtung. Im Vordergrund steht nicht nur die Philosophie der Business Excellence, sondern die Umsetzung der Unternehmensstrategie. Die BSC bietet dadurch die erforderliche strategische Basis als Ansatz, um die notwendigen Maßnahmen zu priorisieren und Ressourcen zuzuteilen. Konkrete Leistungsmessung ist dabei die Grundlage für konsequente Leistungsteuerung und -verbesserung.
Armin Töpfer
375
Six Sigma erweitert und verstärkt diesen Zweiklang durch eine kompromisslose Konzentration auf die Umsetzung. Durch klare Ziele und Meilensteine wird das geforderte Werttreiber-Niveau realisiert. Im Fokus steht also der enge Bezug zur Geschäftsstrategie und zur Qualitätsvision aus Kundensicht sowie ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess auf der Basis klar definierter Messgrößen und Steuerungskriterien. Angestrebt sind Verbesserungen in großen Dimensionen als quantifizierbarer Nutzen für die Kunden und das eigene Unternehmen. Zwischen EFQM-Modell, BSC und Six Sigma bestehen wesentliche inhaltliche Zusammenhänge, die in Abbildung 3 zu sehen sind. Ausgangsbasis im Business Excellence Modell der EFQM sind die Elemente Führung sowie Politik und Strategie (0). Sie finden ihre Entsprechung beim Einsatz der BSC in der Vision, der Strategie und der innovativen Verbesserungsphilosophie des Unternehmens als Voraussetzung für die inhaltliche Vernetzung und konsequente Steuerung der vier Perspektiven.
Befähiger 50%
0
1
Ergebnisse 50%
2 90
0 Führung
90
3 Politik & Strategie
Prozesse
Kundenbezogene Ergebnisse
80
2 100
200
Wichtige Ergebnisse der Organisation bei den Schlüsselleistungen
Gesellschaftsbezogene Ergebnisse
Partnerschaften und Ressourcen
90
Kundenzufriedenheit/ Marktausschöpfung
Leistungsfähigkeit/ Marktleistungen
bezogene Ergebnisse
Mitarbeiter
3
2
1 Mitarbeiter- 4
140
60
0
Vision/ Strategie/ Ziele/ Verbesserung/ Innovation
1 Unterneh150
Innovation und Lernen
merische Mitarbeiter/ Mitarbeiterzufriedenheit
4
Wirtschaftlichkeit/ Finanzergebnisse
Durch Six-Sigma-Projekte Vernetztes und umfassendes Mess- und Steuerungssystem (EFQM-Modell + BSC)
Ziele + Management der Zielerreichung durch Six Sigma
direkt indirekt
D M verbessert mit A I C
Abbildung 3: Die operative Verknüpfung von EFQM-Modell, Balanced Score Card und Six Sigma (gleiche Ziffern kennzeichnen die Kontaktpunkte)
So werden drei der vier Perspektiven und damit die überwiegende Zahl der Elemente des EFQM-Modells durch Six Sigma direkt verbessert. Lediglich die Perspektive unternehmerische Mitarbeiter (1) und damit Lernen und Entwicklung wird indirekt verbessert. Dies geschieht dadurch, dass die Mitarbeiter nach ausreichendem Training aktiv in die Verbesserungsprozesse (Six Sigma Projekte) einbezogen sind. Ausgestattet mit dezentraler Kompetenz und Verantwortung, entwickeln sie Lösungskonzepte und setzen diese um.
376
Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund
Das vernetzte und umfassende Mess- und Steuerungssystem, das durch die Kombination des EFQM-Modells und der BSC erreichbar ist, wird durch Six Sigma ergänzt. Es werden projektbezogen klare Zielsetzungen auf der Basis definierter Mess- und Steuerungsgrößen formuliert, und vor allem das Management der Zielerreichung wird verbessert. Als erste Konsequenz erkannter Probleme und Defizite sind häufig die Prozesse zu analysieren und zu optimieren. Hierdurch wird unmittelbar die Leistungsfähigkeit (2) des Unternehmens gesteigert, was normalerweise auch den angebotenen Marktleistungen zugute kommt. Partner und eingesetzte Ressourcen spielen bei der Umsetzung dieser Qualitätsstrategie eine wesentliche Rolle. Ziel ist eine hohe Kundenzufriedenheit, die zu einer starken Marktausschöpfung (3) führt. In der Konsequenz sind als wichtige finanzielle Ergebnisse (4) Wirtschaftlichkeit und eine Steigerung der Ertragskraft angestrebt. Wie aus dieser Darstellung ersichtlich wird, sind lediglich gesellschaftsbezogene Ergebnisse nicht in einer eigenständigen Perspektive der BSC wiederzufinden. Gleichwohl finden sie ihren Bezug und Niederschlag zum Beispiel in der umweltschutzbezogenen Leistungsfähigkeit sowie der hierdurch bewirkten Kundenzufriedenheit. Zusätzlich können hiervon Wirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und Finanzergebnisse ausgehen. Der Zusammenhang zwischen den drei QM-Konzepten ist aus den vorstehenden Ausführungen inhaltlich erkennbar und nachvollziehbar geworden. Er soll im Folgenden jedoch noch einmal an einem Bild plastisch verdeutlicht werden (siehe Abbildung 4). Das EFQM-Modell entspricht dem vollständigen Designentwurf eines Autos, das mit Rädern, Cockpit und Motor fahrtüchtig ist, und stellt deshalb als „Idealmodell“ die Bezugs- und Benchmarking-Basis dar. Die neue ISO 9001:2000 mit ihrer Konzentration auf Kunden, Prozesse und Ergebnisse symbolisiert im Vergleich hierzu eher das Fahrwerk und Chassis (siehe hierzu im Detail die beiden vorhergehenden Beiträge). Im Unterschied zum EFQM-Modell fehlt der Vergleich mit dem Idealunternehmen, das aufgrund des umfassenden Kriterienkatalogs das Design vollendet. Die Einführung der BSC bewirkt, dass die Steuerungsqualität des Fahrzeugs deutlich verbessert wird – mit Hilfe von vier Spezialrädern, einem leistungsfähigen Cockpit und dem Steuerrad. Die zusätzliche Einführung von Six Sigma, angebunden an die Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie, entspricht einem deutlich stärkeren Motor. Dadurch wird das gesamte Auto aufgewertet und die neue Steuerungsqualität voll ausgeschöpft.
Armin Töpfer
377
Eine Standardlimousine wird so zu einem leistungsfähigen Sportwagen. Durch diese Niveau-Anhebung erfolgt eine Annäherung an das im EFQM-Modell angestrebte Idealunternehmen. Bildlich gesprochen, wird Six Sigma so zum „Turbo des Qualitätsmanagements“ und damit zugleich zu einer „Wachstums- und Produktivitätssteigerungs-Maschine“. ISO 9001: 2000
EFQM - Modell
Kunde - Prozesse - Ergebnisse
Vergleich mit Idealunternehmen
+ BSC
+ Six Sigma © Prof. Dr. Armin Töpfer
Six Six Sigma Sigma als als •• Turbo Turbo des des Qualitätsmanagements Qualitätsmanagements •• WachstumsWachstums- und und Produktivitätssteigerungs-Maschine Produktivitätssteigerungs-Maschine
Abbildung 4: EFQM – BSC – Six Sigma im Wirkungsverbund
3
Anwendungsbeispiel Beschwerdemanagement
Die Kombination der drei Konzepte in einem Verbesserungsprojekt soll am Beispiel des Problems von Kundenbeschwerden bei einem Unternehmen des Maschinenbaus aufgezeigt werden (vgl. Töpfer 2000, S. 40). Da Kundenbeschwerden nicht selten zur Kundenabwanderung und damit zu Einbußen führen, die weit über die Kosten von Nacharbeiten und Kulanz als operative Fehlerfolgekosten hinausgehen, sind sie ein typisches Problem, das durch ein Six Sigma Projekt behandelt und gelöst werden kann. Das Problem ist also von strategischer Bedeutung, direkt kundenbezogen und mit erheblichen Auswirkungen auf die Unternehmensergebnisse. Auf Basis der vier Ebenen einer BSC ist das Problem Kundenbeschwerde in einem Ursachen-Wirkungs-Schema dargestellt (vgl. Abbildung 5). Typischerweise wird – zumindest in amerikanischen Unternehmen – der Six Sigma Prozess zum Erreichen des geforderten Performance-Niveaus in einem Projekt von durchschnittlich neunzig Tagen nach der Define-Measure-Analyse-Improve-
378
Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund
Control (DMAIC) -Methode durchgeführt (vgl. Pande/Neumann/Cavangh 2000 sowie Harry/Schroeder 2000). Dabei werden bekanntlich das Problem zunächst definiert, die gegenwärtige Situation und Auswirkung gemessen, Probleme und deren Ursachen im Detail analysiert, hierauf bezogene Verbesserungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt sowie anschließend im Hinblick auf die angestrebte positive Wirkung gesteuert und kontrolliert. Hierdurch sollen alle wesentlichen Werttreiber, wie z.B. qualifizierte Mitarbeiter und fehlerfreie Prozesse, aktiviert werden. Die Six Sigma Spezialisten (Black Belts) werden von den Führungskräften (Champions), in deren Verantwortungsbereich das Problem auftritt, mit der Prozessoptimierung beauftragt. Der durchschnittliche Wert eines Six Sigma Projekts als erwirtschafteter Net Benefit, also die durchschnittliche Nettoeinsparung der ersten zwölf Monate nach Projektabschluss, beläuft sich erfahrungsgemäß – im positiven Fall – auf etwa € 125.000. Entscheidend bei diesem Analyse- und Verbesserungsprozess ist zunächst die Erarbeitung aussagefähiger Steuerungskriterien und Messgrößen. Gerade hier ist die enge Verbindung zur Balanced Score Card von Vorteil, die in inhaltlicher Beziehung zu Six Sigma und EFQM-Modell steht (vgl. auch Abbildung 7).
Wirkungen 8
Wirtschaftlichkeit/ Finanzergebnisse
1 Kundenzufriedenheit/ Marktausschöpfung
Leistungsfähigkeit/ Marktleistungen
Unternehmerische Mitarbeiter/ Mitarbeiterzufriedenheit
13
Regressforderung an Unternehmen aufgrund Vertrag
3
Unzufriedener Kunde Kundenanforderung nicht erfüllt
2 Produktfehler – Maschinenausfall beim Kunden
7
Anruf des Kunden bei Hotline mit Ziel: sofortige Reparatur
12
Umsatzeinbuße beim Kunden durch längeren Maschinenstillstand
4
6
Call Center lange Zeit nicht erreichbar/ Warteschleife
15 Umsatzrückgang durch Kundenabwanderung und negative Mund-zu-Mund-Kommunikation wahrscheinlich
Externe Fehlerkosten durch Reparatur
Alle Mitarbeiter des Technischen Kundendienstes im Einsatz
5
14 Unzufriedenheit des Kunden steigt
9 Nach 24 Stunden Technischer Kundendienst vor Ort
Brief an Geschäftsleitung mit Drohung Vertragsstrafe
Beschwerde
10 Gefundene Ursache des Maschinenstillstandes: Fehler bei letzter Wartung
11
Unfreundliche/wenig engagierte HotlineMitarbeiter
Schlecht qualifizierte Mitarbeiter
Ursachen Abbildung 5: Ursachen-Wirkungs-Schema für das Problem Kundenbeschwerde
Armin Töpfer
379
Zurück zu unserem Beispiel Kundenbeschwerden: Typische Kennzahlen und Messgrößen für wichtige Werttreiber sind im Beschwerdemanagement beispielsweise •
die Reklamationsquote,
•
die Reaktionszeit bis Reparaturbeginn,
•
die Eskalationsquote und -dauer,
•
die Reparaturdauer sowie
•
die Maschinenstillstandszeit.
Sie alle werden in der BSC entsprechend der strategischen Zielsetzung einer hohen Servicequalität operativ gesteuert und umgesetzt. Im EFQM-Modell sind sie beim sechsten Element, den kundenbezogenen Ergebnissen, anhand der Teilkriterien Messergebnisse und Leistungsindikatoren zu bewerten, und zwar in der Weise, dass – bezogen auf die Messergebnisse – im Rahmen der Kundendienstleistungen Aussagen zur Behandlung von Beschwerden gemacht werden. Zusätzlich sind – bezogen auf die Leistungsindikatoren – die Beschwerdebearbeitung sowie die Anzahl der Beschwerden zu analysieren und zu werten. Hierbei geht es also darum, alle CTQs als wesentliche Kundenanforderungen zu erfüllen und gleichzeitig profitabel zu sein. Es sei angenommen, dass Unzufriedenheit bei Kunden (1) durch den Ausfall von Maschinen (2) entstanden ist (vgl. Töpfer 2000, S. 40ff. sowie Abbildung 5). Der Anruf des Kunden über die Service-Hotline (3) mit dem Ziel, eine sofortige Reparatur zu erreichen, hat deswegen keinen Erfolg, weil das Call-Center überlastet ist (4) und er für längere Zeit in der Warteschleife „landet“. Das Problem und die darauf bezogene Beschwerde beginnt also – argumentiert auf der Basis einer Analyse mit der BSC – auf der Ebene Kundenzufriedenheit, führt jedoch dann unmittelbar auf die Ebene der Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Wenn der Kunde die Hotline-Mitarbeiter endlich erreicht, diese aufgrund der hohen Zahl an Reklamationen jedoch unfreundlich und wenig entgegenkommend sind (5), da alle Mitarbeiter des Technischen Kundendienstes im Einsatz sind (6), dann erstreckt sich das Problem also auch auf die Ebene Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterzufriedenheit. Ist der Kundendienst erst relativ spät vor Ort beim Kunden (7) und erweist sich als eine Problemursache die schlechte Qualifikation der Servicetechniker (9 + 11) bei einem früheren Wartungseinsatz (10), dann verstärkt dies die Bedeutung der mitarbeiterbezogenen Perspektive Lernen und Entwicklung. Wenn das Problem dadurch eskaliert (12 + 14), dass Kunden abwandern (15), Vertragsstrafen anfallen (8) und hohe zusätzliche Fehlerbeseitigungskosten entstehen (13), dann hat dies unmittelbare und gravierende Auswirkungen auf die vierte Perspektive Wirtschaftlichkeit und Finanzergebnisse. Im Rahmen des Six Sigma Projekts könnte nun ein effizientes Beschwerdemanagement aufgebaut und eingeführt werden (vgl. im Folgenden Abbildung 6).
380
Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund
Grundvoraussetzung für das angestrebte Zielniveau ist die Formulierung von Standards (3), die sich auf die Behandlung von Beschwerden, die Dauer der Beschwerdebearbeitung sowie Sollzeiten (7) bezogen auf den Reparaturbeginn, die Reparaturdauer und die Stillstandszeit erstrecken. Eine Steigerung der Leistungsfähigkeit ist dabei beispielsweise durch informationstechnische Maßnahmen (5) möglich, welche die Erreichbarkeit des Call-Centers erhöhen (1). Zugleich kann die schnelle Erreichbarkeit und Steuerbarkeit der Servicetechniker durch die flächendeckende Einführung von Handys und Laptops verbessert werden. Zusätzlich sind bei der BSC-Perspektive Lernen und Entwicklung Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter des Call-Centers und ein Training für KundendienstMitarbeiter zur Erhöhung ihrer Technologiekompetenz unbedingt notwendig (2 + 4 + 8).
Wirkungen 6
Wirtschaftlichkeit/ Finanzergebnisse
12
Zusätzliche Kosten für Schulung und IKT-Ausstattung
Höherer Umsatz/ mehr Wachstum als Branchendurchschnitt
9 Kundenzufriedenheit/ Marktausschöpfung
Weniger Kundenbeschwerden/ weniger Kundenunzufriedenheit
1 Leistungsfähigkeit/ Marktleistungen
Unternehmerische Mitarbeiter/ Mitarbeiterzufriedenheit
Beschwerde
5
3 Call Standards für Centero Behandlung von ErreichBeschwerden barkeit o Dauer der Beschwererdebearbeitung höhen o Anzahl Beschwerden
2 Training der Call Center-Mitarbeiter in Kundenorientierung und Freundlichkeit
7 Kundendienst mit Laptop und Handy für direkten Kontakt zur Zentrale
4
10
11
Kunde fühlt sich ernst genommen
Weniger Kundenabwanderung
Standards/Soll-Zeiten für o Reparatur-Beginn o Reparatur-Dauer o Stillstandszeit o Reklamationsquote bzgl. durchgeführter Serviceeinsätze o Eskalationsquote/-dauer
8
Nachschulung der KundendienstMitarbeiter auf neuen MaschinenTyp
Training für erhöhte Technologiekompetenz der KundendienstMitarbeiter
Ursachen Abbildung 6: Effizientes Beschwerdemanagement als Verbesserungsprozess
Alle diese Maßnahmen haben zum Ziel, die Kundenzufriedenheit zu steigern und die Anzahl der Kundenbeschwerden entscheidend zu reduzieren (9 + 10 + 11). Zugleich sind sie aber auf der Perspektive Wirtschaftlichkeit und Finanzergebnisse kurzfristig mit nicht unerheblichen zusätzlichen Kosten für Schulung und tech-
Armin Töpfer
381
nische Ausstattung verbunden (6), die sich jedoch bereits mittelfristig über die erzielten Wirkungen amortisieren sollen (12). Dieses Beispiel soll zeigen, wie sich im Rahmen eines Six Sigma Projekts der Einsatz der Balanced Score Card hervorragend für die Analyse und Problemlösung eignet. Die Einfluss- und Auswirkungsfelder lassen sich so inhaltlich und zeitlich klar differenzieren. Zugleich kann – heruntergebrochen auf einzelne Organisationseinheiten – die zielorientierte Steuerung mit einer prozess- und personenbezogenen Verantwortung deutlich verbessert werden. Mit dem EFQM-Modell lässt sich anschließend in einem Selbst- bzw. Fremd-Assessment feststellen, in welchem Maß ein höheres Business Excellence Niveau erreicht wurde. Durch diese Performance-Bewertung auf der Systemebene mit der klaren Unterscheidung nach Befähigern und Ergebnissen sowie unter Verwendung eindeutig definierter Kriterien und Standards „schließt sich der Kreis“.
4
Mit Six Sigma schneller zum Erfolg
Als Quintessenz lässt sich festhalten: Six Sigma ist also nicht mehr und nicht weniger als ein konsequentes Projektmanagement zum Analysieren von Qualitätsproblemen und zu deren nachhaltiger Beseitigung auf der Basis statistischer Methoden und unter Einsatz gängiger fortschrittlicher Qualitätsmanagement-Tools. Die Durchschlagskraft erhält Six Sigma dadurch, dass es immer auf eine messbare Steigerung des Kundennutzens sowie zugleich auf eine Verbesserung der Unternehmensergebnisse ausgerichtet ist – und dabei an den Prozessen ansetzt. Wie beim Excellence-Modell wird die Ausrichtung an der Vision und Strategie des Unternehmens nur erreicht, wenn die Unternehmensleitung diesen Verbesserungsprozess fördert bzw. an der Spitze der Bewegung steht. Information und differenziertes Training sichern eine breite Unterstützung und eine kompetente Anwendung. Die geschaffene Six Sigma Organisation mit trainierten Mitarbeitern (Green Belts) und Spezialisten auf unterschiedlichem Niveau, von Black Belts bis Master Black Belts, sowie mit Champions als auftraggebende Führungskräfte schafft eine klare Aufgabenverteilung und Ergebniszuständigkeit. Die Verbindung mit anderen Management-Konzepten wie der BSC und dem EFQM-Modell erhöht die strukturierte Steuerung auf der Basis von Zielen und Standards und ermöglicht ein Benchmarking an Business Excellence Niveau. In dieser Kombination wird Six Sigma also zum Turbo eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements. In Abbildung 7 sind die Inhalte und Instrumente der drei Konzepte mit den gemeinsamen Zielen – Erhöhung der Kundenzufriedenheit und Verbesserung der Unternehmensergebnisse – zusammengefasst dargestellt. Die Hierarchie der drei Konzepte ist in Abbildung 7 so wiedergegeben, dass die Business Excellence Bewertung den konzeptionellen Überbau bildet. Die Umsetzung in Steuerungsgrößen erfolgt durch die BSC, während die Realisierung von
382
Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund
Verbesserungen Six Sigma Projekten vorbehalten bleibt. In der Unternehmenspraxis muss die Einführung und Umsetzung der drei Konzepte diese Reihenfolge allerdings nicht notwendigerweise einhalten.
Business ExcellenceBewertung
Benchmarking am EFQMModell/Vergleich mit Idealunternehmen
BSCSteuerung
o Bessere Priorisierung der o Lernen und Entwicklung der Position bei Auf der Strategie o Ziele Mitarbeiter basierte vernetzte den Kunden o MaßUrsachen-Wirkungsund am Markt nahmen für o Interne Prozesse zur Ver- o Steigerung der Analyse und Steue- o Resbesserung der rung der auf WertErträge und sourLeistungsfähigtreiber bezogenen Senkung der cen keit und MarktVerbesserungen Kosten leistungen
Six SigmaUmsetzung
Konsequentes Projektmanagement zur Prozessoptimierung
o Selbst- bzw. FremdAssessment
o Analyse der o Erkennen Stärken und von AnsatzSchwächen auf punkten für der ProzessVerbesseebene rungen
o Steuerung o Definition und o Analyse der Auswirkungen der angePräzisierung und der strebten des Problems/ Ursachen Ergebnisder Aufgabeno Erarbeitung und wirkungen stellung Umsetzung von o Messung der VerbesserungsAusgangssituamaßnahmen tion u. Effekte
Ziel und Ergebnis: o Hohe Kundenzufriedenheit o Verbesserte Unternehmensergebnisse
Es kann im Gegenteil deutlich effizienter und für das beteiligte Management überzeugender sein, in einem Vorlauf über die Einführung der BSC die wesentlichen Werttreiber herauszuarbeiten. Auf dieser Basis lassen sich dann erkannte Defizite durch Six Sigma Projekte konsequent beseitigen und erst danach wird mit dem EFQM-Modell der ganzheitliche und konzeptionelle Überbau geschaffen. Andernfalls besteht die nicht zu übersehende Gefahr, dass im Unternehmen zu lange alle Kräfte darauf ausgerichtet sind, sich am Idealunternehmen in Assessements zu messen und Defizite zu erkennen, ohne dass ein zügiger Verbesserungsprozess in Gang gesetzt wird. Im Vergleich zu einem Beginn mit dem EFQM-Modell erhält das gesamte Vorhaben durch den Beginn mit der BSC und/oder Six Sigma mehr „Traktion“, es kommt also schneller eine Bewegung in Richtung erreichbare Wirkungen und Ergebnisse zustande.
Abbildung 7: Mit drei Konzepten zu hoher Kundenzufriedenheit und verbesserten Unternehmensergebnissen
5
Literatur
Harry, M./Schroeder, R. (2000): Six Sigma – The Breakthrough Management Strategy Revolutionizing the World’s Top Corporations, New York 2000.
Armin Töpfer
383
Messer J./Töpfer, A. (2002): Drei harmonische Instrumente: Exzellente Ergebnisse mit Balanced Scorecard, Six Sigma und EFQM-Modell, in: QZ, Jg. 47, 2002, S. 1268-1271. Pande, P.S./Neuman, R.P./Cavanagh, R.R. (2000): The Six Sigma Way – How GE, Motorola, and Other Top Companies Are Honing Their Performance, New York 2000. Töpfer, A. (2000): TQM und BSC: Zwei sich ergänzende Managementkonzepte, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Das Management der Werttreiber – Die Balanced Score Card für die Wertorientierte Unternehmenssteuerung, Frankfurt/M. 2000. Töpfer, A. (2001): Harmonisch im Dreiklang: Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund, in: QZ, Jg. 46, 2001, S. 1023-1027. Wigand, K./Schnopp, R. (2000): Schritte auf dem Weg zur Einführung der BSC bei Siemens, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Das Management der Werttreiber – Die Balanced Score Card für die Wertorientierte Unternehmenssteuerung, Frankfurt/M. 2000.
Six Sigma im Business Excellence Prozess – Wertorientierte Unternehmensführung mit Balanced Scorecard, EFQM und Six Sigma bei Siemens Andre M. Schmutte
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Motivation für wertorientierte Unternehmensführung...............................................384 Integration von EFQM, Balanced Scorecard und Six Sigma .....................................385 Six Sigma Roll-Out als Erfolgsfaktor ........................................................................390 Zusammenfassung .....................................................................................................393 Literatur .....................................................................................................................393
Motivation für wertorientierte Unternehmensführung
Bewertungsmodelle zu Business Excellence wie etwa das Self-Assessment der European Foundation for Quality Management (vgl. EFQM 2000) – Grundlage des begehrten European Quality Award für die besten Unternehmen Europas – identifizieren aus einer ganzheitlichen Sicht heraus Stärken und Verbesserungspotenziale. Werden hierauf aufbauend systematisch Projekte definiert und diese in einem kontinuierlichen Regelkreis umgesetzt, erzielen solche Unternehmen mittelund langfristig eine überdurchschnittliche Rendite. In der Praxis beobachtet man allerdings häufig das Fehlen dieser konsequenten Umsetzung von Verbesserungen. Das potenziell mächtige Instrument der EFQM wird schnell zu einer wenig akzeptierten und damit effektlosen Maßnahme. Auch die Balanced Scorecard (BSC), ein auf Kennzahlen beruhendes Steuerungssystem, das Vision und Strategie über Ursache-Wirkungsketten mit der operativen Ebene verbindet (vgl. hierzu Kaplan/Norton 1997 o. Töpfer 2000), hat sich als wirksames Instrument zur Unterstützung der Unternehmensführung erwiesen. Bei der Anwendung der BSC ist jedoch zu beachten, dass u.U. mit der Zeit aufkommende neue kritische Steuergrößen (KPI – Key Performance Indicators) nicht rechtzeitig erkannt werden. Deshalb sind die ausgewählten KPI regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, um die wirklich relevanten Bereiche in der Scorecard konsequent zu erfassen. Vor diesem Hintergrund ist die Kombination von EFQM und Balanced Scorecard empfehlenswert, um Veränderungsprozesse erfolgreich realisieren zu können (vgl. Schmutte/Tasch 1999). Die meisten Unternehmen stimmen heute dem Standpunkt zu, dass die praktische Umsetzung eines Gesamtmodells zu einer nachhaltigen Organisationsentwicklung führt. Dies konnten wir in zahlreichen Projekten oder auch Foren zum Best Practice Sharing beobachten.
Andre M. Schmutte
385
In Verbindung mit Six Sigma gehen die drei Ansätze der Frage nach, welche Einflussgrößen für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens verantwortlich sind. Mit dem Ziel der Wertsteigerung im Unternehmen fokussieren sie unterschiedliche Ebenen bzw. Zeithorizonte. Im Wechselspiel entfalten sie ihre ganze Stärke und tragen damit zur langfristigen Sicherung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit bei. Um welche Ziele geht es nun bei einer wertorientierten Unternehmensführung? Welche Werte sind hier angesprochen? Das Prinzip der Wertorientierung sollte alle Führungsebenen eines Unternehmens durchdringen, d.h. von der Gesamtführung bis zur Leitung einzelner Geschäftseinheiten. Im Prozess der Strategiegenerierung orientiert sich die Gesamtunternehmensstrategie am Shareholder und Stakeholder Value. Sie definiert die einzelnen Geschäftsbereiche, in denen das Unternehmen mit dem Ziel eines positiven Geschäftswertbeitrags tätig ist. Dazu gehört insbesondere die Forderung, höhere Nettoerträge als bei alternativen Investitionsmöglichkeiten zu erwirtschaften. Der Geschäftswertbeitrag (EVA – Economic Value Added), der sich aus der Gegenüberstellung des Geschäftsergebnisses und den Opportunitätskosten der Investitionen ergibt, stellt z.B. im SiemensKonzern ein zentrales internes Mess- und Steuerungsinstrument dar. Aus der Gesamtstrategie leiten sich auf dieser Basis die verschiedenen Geschäfts- und Funktionsbereichsstrategien zur Umsetzung einer wertorientierten Unternehmensentwicklung ab. Gegenüber den traditionellen Unternehmenssteuerungsmodellen, z.B. kostenorientierte Modelle, erlaubt die wertorientierte Führung eine von der Geschäftsart unabhängige Erfolgsmessung und eine fundierte Bewertung neuer Geschäftstrategien. Erfolgt eine durchgängige Umsetzung des Ansatzes, dann werden die erfolgsrelevanten unternehmerischen Treiber mit der größten Hebelwirkung transparent und steuerbar. Im Rahmen einer ganzheitlichen Sichtweise fördert dies nicht zuletzt eine Zielvereinbarung über die Höhe der Wertschaffung einzelner Einheiten.
2
Integration von EFQM, Balanced Scorecard und Six Sigma
Um den Wertbeitrag beurteilen, die gestaltbaren Einflussfaktoren erkennen und Maßnahmen effektiv umsetzen zu können, ist es sinnvoll, die unterschiedlichen Instrumente gezielt und aufeinander abgestimmt einzusetzen (vgl. Abbildung 1). Die Balanced Scorecard unterstützt aktiv die durchgängig wertorientierte Unternehmensführung über alle Geschäftseinheiten, indem sie die Strategien über Ursachen-Wirkungsketten in operative Ziele, Messgrößen und Verantwortlichkeiten übersetzt. Im Rahmen der BSC-Entwicklung werden aus den identifizierten Haupttreibern strategisch relevante, operative Steuerungsgrößen abgeleitet. In der BSC selber finden sich die aggregierten Kenngrößen wieder, während prozessbezogene Informationen in Prozess-Scorecards notiert sind. Dieses wertorientierte
386
Six Sigma im Business Excellence Prozess
Steuerungssystem dient dem strategischen Planungs- und Informationsprozess sowie letztlich dem Controlling der Strategieumsetzung. Periodische & ganzheitliche Diagnose
Kontinuierliche & fokussierte Steuerung
Balanced Scorecard
Finanz
Bewertungsinput
European foundation for quality Management
Prozess Strategie/ Mission
ENABLING
Politik & Strategie
Lernen
RESULTS Mitarbeiterbezogene Ergebnisse
Mitarbeiter
Führung
Kunden
Prozesse
Kundenbezogene Ergebnisse
Ergebnisse der Organisation
Kalibrierung
Process Scorecard Messgröße
Ist Ziel
Messgröße Ist Ziel V. Partner- und Ressourcen
V. Maßnahmen-Tracking Messgröße Ist Ziel V.
Process Scorecard
Gesellschaftsbezogene Ergebnisse
INNOVATION AND LEARNING
Handlungsfelder
6-Sigma Projekt
QZ-Projekte Maßnahmen
Verbesserungsprojekte & Monitoring
Abbildung 1: Zusammenspiel von EFQM, Balanced Scorecard und Six Sigma
Eine jährliche Unternehmensbewertung nach dem ganzheitlichen ExcellenceModell der EFQM im Rahmen der strategischen Geschäftsplanung spiegelt die BSC-Struktur an den aktuellen Erfordernissen des Unternehmens wider. Sie weist auf neue Themen und Kennzahlen hin, die in der Scorecard zukünftig abgebildet bzw. eliminiert werden müssen. Auf diese Weise trägt das EFQM-Assessment zur notwendigen Bereinigung und periodischen „Kalibrierung” der individuell strukturierten BSC bei. Als weiteres Ergebnis dieser umfassenden Bewertung werden notwendige Handlungsfelder identifiziert und priorisiert, um konkrete Projekte und Maßnahmen zur Verbesserung abzuleiten. Die Umsetzung, insbesondere von Projekten zur Prozessverbesserung, kann dann mit Hilfe der Six Sigma-Methodik erfolgen. Dabei werden prozessbezogene Messgrößen implementiert, um die Leistungsfähigkeit der Prozesse beobachten, analysieren und steuern zu können. Die in den Prozess-Scorecards dokumentierbaren Kennzahlen leiten sich aus strategischen und technischen Vorgaben sowie Kundenanforderungen ab. Sie bemessen den Wertbeitrag einzelner Prozesse und werden über die Scorecard nach oben aggregiert.
Andre M. Schmutte
387
Die Siemens AG verfolgt mit dem 6-Schritte-Modell im Rahmen des top+ Programms einen solchen integrierten Ansatz (vgl. hierzu auch den Beitrag von Kleemann: Einbindung der Führungskräfte in Six Sigma). Die Qualitätsinitiative als Teil von top+ formuliert das Ziel, den Geschäftswertbeitrag durch herausragenden Kundennutzen und permanent reduzierte Fehlleistungskosten in den Prozessen zu steigern. Dies wird durch die Implementierung eines systematischen Verbesserungsprozesses unter der Verantwortung des Leitungskreises realisiert (vgl. insb. Qualifier Special 7/99 und 8/99).
Fortschritt kontrollieren
Control
Maßnahmen umsetzen
Improve
Management Toolkit
Define
Hauptprobleme ermitteln
Maßnahmen definieren
SixSigma Toolkit Analyse
Verbesserungsziele definieren
Measure
Verbesserungshebel identifizieren
Quelle: Team top+, SQT
Abbildung 2: Siemens top+Quality – Ein integrierter Ansatz mit EFQM, BSC und Six Sigma
Voraussetzung für Siemens top+ ist die konsequente Gestaltung der drei grundlegenden Erfolgsfaktoren: Management Attention, Transparenz und Qualifizierung & Training. Das Management sollte durch die persönliche Beteiligung den Verbesserungsprozess vorantreiben und ihn vorleben. Es trägt die Verantwortung für die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter und letztlich für die Erreichung der vereinbarten Ziele. Zur Sicherstellung der Transparenz unterliegen diese einem permanenten Monitoring. Die für einen erfolgreichen Verbesserungsprozess notwendigen Kompetenzen, sowohl der Mitarbeiter als auch der Führungskräfte, sind über spezifische Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen. In Abbildung 2 wird ersichtlich, wie im 6-Schritte-Modell die verschiedenen Instrumente zum Tragen kommen. Die Verbesserungsziele und -hebel werden in den Schritten 1 bis 3 mit Hilfe der Geschäftsplanung, des Benchmarkings und der EFQM-Selbstbewertung sowie mittels Management-, Prozess- und Produktaudits ermittelt. Dieses Stadium stellt sicher, dass die quantifizierten Verbesserungsziele in Übereinstimmung mit den strategischen Geschäftszielen stehen und der Leitungskreis ein gemeinsames Verständnis über die Hauptproblemfelder erzielt.
388
Six Sigma im Business Excellence Prozess
Aus der Analyse der Haupthebel zur Steigerung der Unternehmensperformance resultieren wiederum ausgewählte Verbesserungsprojekte mit konkreten Zielvorgaben bzw. direkt umsetzbaren Maßnahmen (vgl. Abbildung 3). Bei der Auswahl der Projekte werden sowohl die Geschäftssituation als auch kulturelle Aspekte berücksichtigt. Zum Beispiel stellt sich die Frage, welcher Freiraum für Investitionen in präventive Maßnahmen besteht oder welche Ressourcen verfügbar sind. Bereits laufende Projekte zur Qualitätsverbesserung sind zu berücksichtigen und gegebenenfalls einzubinden.
Marktkenntnis
Senkung der Fehlleistungskosten um x Euro
Hebel
Zugang zu marktrelevanten Informationen sicherstellen Informationen transportieren
Schnittstelle Vertrieb – Logistik
...
Beschaffung
Informationen verdichten und auswerten
Maßnahmen und Verbesserungsprojekte Marktforschung (Kundenanforderungen, Trends, Marktentwicklung etc.) Benchmarking Feedbackprozess (Resonanz auf Produktentwicklung, Aktionen etc.)
...
Handlungsfelder
Ausreichende Kapazitäten sicherstellen
...
Ziel
Nutzen Kosten
Projektpriorisierung Strategische Prioritäten Zeit bis Wirksamkeit Kulturelle Barrieren
Abbildung 3: Ableitung konkreter Projekte aus strategischen Zielvorgaben
Frühe Erfolge geben den Mut, einen eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Aus diesem Grund sollten gerade die ersten Projekte in kurzer Zeit zu positiven Ergebnissen führen. In der Startphase sind deshalb Projekte mit möglichst geringer Komplexität, schneller Wirksamkeit und hoher Erfolgswahrscheinlichkeit auszuwählen. Denn nichts überzeugt in der Organisation mehr als der Nachweis, dass sich die Vorhaben und die eingesetzten Methoden im praktischen Einsatz bewährt haben. Die Projekterfahrungen werden über Projekt-Reviews und Feedbackschleifen systematisch erfasst, um schließlich in nachfolgenden Phasen schwierigere Themen angehen zu können. Die Schritte 4 und 5 in Abbildung 2 repräsentieren die Umsetzung der ausgewählten Projekte entsprechend dem Six Sigma Prinzip. Eingebettet in eine übergreifende Gesamtsystematik, gibt es auf diese Weise kein isoliertes Nebeneinander verschiedener Initiativen, die um Ressourcen konkurrieren und die Organisation verunsichern. In der Control-Phase werden schließlich Prozessparameter ermittelt,
Andre M. Schmutte
389
die je nach Wichtigkeit für eine permanente Dokumentation der Prozessperformance in den Prozess-Scorecards von Nutzen sind. Nach oben verdichtet, finden sich die wichtigsten Daten der verschiedenen Prozesse in der Balanced Scorecard wieder. So wird eine Fortschrittskontrolle auf projektübergreifender Ebene ermöglicht (Schritt 6). Dies erfolgt z.T. zusammen mit anderen Verfahren zur Projektverfolgung, z.B. IT-gestütztes Controlling der Maßnahmenumsetzung über Meilensteine und „Projekthärtegrade“ mit regelmäßigem Bericht an die Leitung. Abbildung 4 zeigt einen Ausschnitt der Bereiche mit hohem Verbesserungspotenzial in verschiedenen Unternehmen. Die Umsetzung der dabei definierten Projekte führte bei Anwendung der Six Sigma Vorgehensweise zu meist herausragenden Erfolgen. Bei einer Vielzahl von Projekten bestätigte sich die vorher prognostizierte durchschnittliche Wertsteigerung des Unternehmens um ca. € 200-300.000 pro Projekt. Projektmanagement Finanzdienstleistung o Abwicklung Kreditkartenanträge o ...
Krankenhaus o o o o o o
Labor Patientenaufnahme OP-Vorbereitung Hol- und Bringdienste Interne Logistik ...
Serienproduktion o Reduzierung der Spezifikationsabweichungen o Reduzierung des Ausschusses im Produktionsprozess o Reduzierung des Anfahrausschusses o Volumenplanung; z.B. Erhöhung der Planungsgenauigkeit (EVA ca. 1,5 Mio. Euro/a) o ...
o Planungsprozess o Erfahrungsrückfluss o Reduzierung der Spezifikationsabweichungen o Anlagenplanung o Projektcontrolling/Reporting o ...
Marketing/Vertrieb o Marktforschung o Angebotskalkulation o Schnittstelle Vertrieb – Fertigungsplanung/Logistik o Auftragsstorno o ...
Logistik o o o o o o
Einkauf/Beschaffung Planungsprozess Transportzeiten Lieferantenauswahl Lieferqualität ...
Human Resources o Qualifizierungsprozess o Feedback von Trainings o ...
Forderungsmanagement o Rechnungsstellung; z.B. Verkürzung der Durchlaufzeit von 18,4 d auf 6,5 d (EVA ca. 2 Mio. Euro/a) o Mahnwesen o ...
Abbildung 4: Beispiele von Handlungsfeldern für Six Sigma Projekte
Diese beispielhafte Aufstellung belegt die Eignung von Six Sigma nicht nur für die klassischen produktionsnahen Abläufe, sondern auch für die sogenannten Transaktions- und Serviceprozesse. Obwohl dort gelegentlich gewisse Einschränkungen hinsichtlich der Messung geeigneter Kriterien bestehen, unterstützen statistische Verfahren selbst bei einer relativ geringen Datenmenge das Beschreiben, Analysieren und Interpretieren von Produkt- und Prozessmerkmalen. Zum einen tragen sie damit zu einem besseren Verständnis des Charakters, des Umfangs und der Ursachen der beobachteten Variationen bei. Zum anderen sollte man sich an dieser Stelle von der Vorstellung lösen, Six Sigma als rein statistisches Werkzeug
390
Six Sigma im Business Excellence Prozess
zu begreifen. Vielmehr gilt die DMAIC-Vorgehensweise als eigentlicher Erfolgsfaktor von Six Sigma. In diesem Zusammenhang kann auf vielfältige Verfahren situationsspezifisch zurückgegriffen werden. So sind die Grundsätze erfolgreichen Projektmanagements, das auf den PDCA-Zyklus von Deming aufbauende DMAIC-Phasenmodell sowie die mathematisch-statistischen Methoden seit langem bekannt. Six Sigma fordert nunmehr die systematische Anwendung und konsequente Umsetzung im Unternehmen.
3
Six Sigma Roll-Out als Erfolgsfaktor
Die Motivation und Qualifizierung der Mitarbeiter sowie die Verpflichtung des Managements gelten als wichtige Einflussgrößen für eine erfolgreiche Umsetzung von Six Sigma. Im Rahmen der Organisationsentwicklung sind verschiedene Mittel zur „Mobilisierung“ der Erfolgsgrößen bekannt. Im Folgenden sollen die speziell für das Six Sigma Roll-Out entwickelten Maßnahmen kurz skizziert werden.
o Gesamtvorgehen/ top+ 6-Schritte o Handlungsfelder und Hebel o Projektauswahl o Six Sigma Übersicht o Rolle des Sponsors
Black Belt Training 20 Tage o o o o o o o o o o o
o o
o Projektdefinition o Messsystemanalyse o Datenanalyse o Prozessfähigkeit o Prozessanalyse o StatistikGrundlagen o Minitab Einführung o Kreativitätstechniken o Entscheidungsanalyse o Implementierung von Lösungen o Control
Green Belt Planspiel 4 Tage
Basis Training 1 Tag
Eingebettet in ein Planspiel: o Six Sigma Übersicht o Prozessmanagement o StatistikBasiswissen
o Six Sigma Übersicht o Ausgewählte Six Sigma Tools
Hom e Grundlagen
Tools
Forum
Index
Kontakt
Impressum
Bedienung
Glossar
Summary
Facilitation Prozessmanagement M anagement Statistik
Voice of Customer
re n n isie re a n sie O rg a na ly u nd
Ge ler ve rm nte s itte ln
Summary Beschreibung Empfehlungen Vorteile, Nachteile Beispiel Übung Downloads
Wegweiser
en nd Ku n m öre D e zu h
o
Projektdefinition Messsystemanalyse Datenanalyse Prozessfähigkeit Prozessanalyse Minitab Hypothesentest Regressionsanalyse Design of Experiments (DOE) Kreativitätstechniken Entscheidungsanalyse Implementierung von Lösungen QC SPC
Green Belt Projektleiter 9 Tage
auswerten und verstehen
Un akt terne ion hm en en förd sern
Leadership Training 2 Tage
Strategie des Zuhörens entwickeln
Voice of Custom er (VOC) ist ein strategischer Prozess, bei dem durch eine kontinuierliche Reihe von Aktivitäten eine Lernbeziehung zwischen Anbieter und Kunden aufgebaut werden soll.
o plus (nach Bedarf) Projektmanagement, Change Management
WBT – Web Based Training
Abbildung 5: Maßnahmen zur Einbindung, Qualifizierung und Motivation von Führungskräften und Mitarbeitern
Amerikanische Vorgehensweisen lassen sich aus kulturellen Gründen nur selten auf europäische Unternehmen übertragen. Aus diesem Grund hat Siemens nicht nur Six Sigma dem bestehenden Business Excellence Programm top+ untergeordnet, sondern die Maßnahmen geeignet angepasst und z.T. neu entwickelt (vgl. Abbildung 5). So entspricht zwar der Inhalt des Black Belt Trainings dem welt-
Andre M. Schmutte
391
weit üblichen Standardablauf. Dieser wurde aber zuvor vom Bereich Qualifizierung & Training didaktisch überarbeitet. Interne Berater und Trainer begleiten zudem den gesamten Roll-Out Prozess und zeichnen Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung. Das Zertifizierungsverfahren für die von Siemens unternehmensintern und -extern qualifizierten Black Belts erfolgt nach den üblichen Kriterien: Nachweis methodischer Fähigkeiten und erfolgreicher Abschluss eines Six Sigma Projekts. 6 Schritte von top+Quality Schritt Schritt Schritt 1 2 3
Schritt 4
Schritt 5
Phase 1 Top Top M M Briefing Briefing
Sponsor Sponsor Workshop Workshop
LeadershipLeadershipTrainings Trainings
Schritt 6
Phase 2
Phase 3
Projektberatung Projektberatung und und Coaching Coaching
Define, Measure
Measure, Analyse
Analyse, Improve
Improve, Control
Start Start des des nächsten nächsten Projekts Projekts
Black Belt Training mit realem Projekt!
Training in Six Sigma Vorgehen und ausgewählte Tools
Begleitende Green Belt Trainings
Abbildung 6: Drei-phasiges Six Sigma Trainings-Roll-Out bei Siemens entlang der sechs Schritte von top+Quality
Das zweiwöchige Green Belt Training wird je nach Unternehmensbranche und Kenntnisstand der Teilnehmer anhand eines Standardablaufs kundenspezifisch angepasst. Zum Beispiel kann der Schwerpunkt einmal mehr im Bereich der Prozessanalyse, ein anderes Mal mehr auf der Lösungsimplementierung liegen. Darüber hinaus setzt Siemens spezielle viertägige Green Belt Planspiele mit großem Erfolg ein. Die Führungskräfte und Mitarbeiter werden so aktiv mit der Six Sigma Methode vertraut gemacht. Außerdem werden sie in die Lage versetzt, Projekte effektiv zu unterstützen oder – gerade im Dienstleistungsbereich – kleinere Projekte selbst durchzuführen. Viele Teilnehmer äußern sich nach einer solchen Veranstaltung begeistert. Sie erleben auf diese Weise „am eigenen Leib“ wie wertvoll der konsequente Einsatz von Six Sigma ist und zu welchen außergewöhnlichen Ergebnissen eine systematische Prozessverbesserung führt. Aus diesem Grund sind Planspiele ein unverzichtbarer Bestandteil zur Sensibilisierung und Motivation der Teilnehmer. Zur Projektunterstützung werden sie ergänzend zu den Black Belt und klassischen Green Belt Trainings eingesetzt (vgl. Abbildung 6).
392
Six Sigma im Business Excellence Prozess
Das Leadership Training ist eine speziell auf die Führungsebene der Siemens Geschäftsbereiche zugeschnittene Maßnahme. Die aus verschiedenen Ebenen kommenden Manager werden mit dem Vorgehen vertraut gemacht, aus strategischen Zielvorgaben am Geschäftswertbeitrag orientierte Projekte abzuleiten. Dabei sollen sie ein Verständnis für das Zusammenspiel von EFQM-Assessments, Balanced Scorecard und Six Sigma entwickeln. Anhand einer Fallstudie werden den Führungskräften zum einen fachliche Grundlagen vermittelt. Mit Hilfe von Präsentationen und Workshops wird ihr Verständnis als Sponsor und „Antreiber“ für zukünftige Six Sigma Projekte gestärkt. Zum anderen bekommen die Teilnehmer konkrete Hilfsmittel in Form von Checklisten und Fragekatalogen in die Hand. Diese erleichtern später den Umgang mit dem Projektleiter. Beispiel Siemens AG Briefing & SponsorWorkshop
Leadership Training
Vorstand
Management Geschäftsgebiete 14 Management Geschäftszweige Zentr. Funktionen
Mittleres Management
Black Belt
Green Belt
4
Beispiel aus dem Mittelstand
½ Tag je 1½ Tage
Top 100
> 500
150
Geschäftsführung Obere Leitung Ausgewählte Führungskräfte
Leadership Workshop
Führungskräfte u. Stabsfunktionen
je 2 Tage
je 20 Tage
Black Belt
ca. 23.000 Staff Training
100
Basis Training (Planspiel)
Green Belt (Planspiel)
Mitarbeiter
2 Tage 20
Information
8 Mitarbeiter
1. Phase: 20 2. Phase: 50
je 1 Tag
je 20 Tage
je 4 Tage
ca. 1.200
2h + Intranet + Plakate
Abbildung 7: Six Sigma Roll-Out in groß- und mittelständischen Unternehmen
Die obige Abbildung 7 zeigt zwei Beispiele wie die Einbindung, Qualifizierung und Motivation der Führungskräfte und Mitarbeiter in groß- und mittelständischen Unternehmen erfolgen kann. Um z.B. in einem Unternehmen mit über 20.000 Mitarbeitern die etwa 150 Black Belts effektiv unterstützen und die Mitarbeiter ausreichend über das Vorhaben informieren zu können, durchlaufen sämtliche Führungskräfte mindestens ein Six Sigma Training bzw. Workshop. Darüber hinaus werden auf freiwilliger Basis Green Belt- oder Basistrainings durchgeführt. Zur gegenseitigen Information werden im Rahmen von Leadership Trainings regelmäßige Treffen zwischen Black Belts und Führungskräften organisiert. Dieser Erfahrungsaustausch zeigt, dass Six Sigma als ganzheitliche Strategie bzw. Ansatz zu verstehen ist.
Andre M. Schmutte
393
Mittelständische Unternehmen können aus Zeit- und Kostengründen häufig nicht eine solche Vielzahl von Maßnahmen durchführen. Wie das Beispiel im rechten Teil der Abbildung 7 zeigt, gibt es jedoch im Mittelstand spezifisch angepasste Umsetzungsstrategien. Eine Reihe effizienter Lösungsansätze wurde bereits erfolgreich realisiert. Ausgehend von einem Leadership Workshop erfolgt die Implementierung von Six Sigma in vier Stufen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl Black Belts als auch Führungskräfte fundierte Schulungen durch praxiserprobte Trainer erfahren.
4
Zusammenfassung
Die Kombination von EFQM-Assessments, Balanced Scorecard und Six Sigma erlaubt eine effektive Steuerung von Veränderungsprozessen im Unternehmen. Damit verbundene Maßnahmen haben zum Ziel, den Wert des Unternehmens langfristig zu steigern. Am Beispiel von Siemens wird gezeigt, wie das Erkennen grundlegender Stärken und Verbesserungspotenziale, das Herunterbrechen strategischer, am Geschäftswert orientierter Ziele auf konkrete Projekte sowie deren Umsetzung und Steuerung aufeinander abzustimmen sind. Mit Hilfe eines effektiven Six Sigma Roll-Out können schnell und mit vertretbarem Aufwand nachweisbare Projekterfolge erzielt werden. Damit die Veränderungen aktiv vorangetrieben werden können, sind die Menschen in der Organisation zu motivieren und zu qualifizieren. Nur in Folge von umfassenden Trainings, Mobilisierungsmaßnahmen und Workshops entwickelt sich Six Sigma zu einem durchschlagenden Erfolgsfaktor wertorientierter Unternehmensführung.
5
Literatur
EFQM European Foundation for Quality Management (2000): Das EFQM Excellence Model, Brüssel 2000. Kaplan, R.S./Norton, D.P. (1997): Balanced Scorecard – Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1997. Siemens Qualifizierung und Training (1999): Qualifier Special, Nr. 7, Juli 1999 und Nr. 8, Dezember 1999, München 1999. Schmutte, A.M./Tasch, D. (1999): EFQM-Modell und Balanced Scorecard im Business-Excellence-Prozess, in: Qualität und Zuverlässigkeit, Nr. 12, S. 15021505. Töpfer, A. (Hrsg.) (2000): Das Management der Werttreiber: Die Balanced Score Card für die Wertorientierte Unternehmenssteuerung, Frankfurt/M. 2000.
Kapitel C Umsetzung und Erfolge von Six Sigma
Six Sigma – The Way We Run Our Business – Umsetzungserfahrungen bei GE CompuNet Günter Bulk, Norbert Faulhaber
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Six Sigma Verständnis und Definition bei GE CompuNet ........................................397 Voraussetzungen für die erfolgreiche Six Sigma Einführung....................................399 Drei-Phasen-Einführungsmodell zur Implementierung .............................................402 „Do’s and Dont’s“ – Lernerfahrungen für das Management .....................................408 Veränderung der Unternehmenskultur durch Six Sigma ...........................................413
Six Sigma Verständnis und Definition bei GE CompuNet
GE CompuNet Information Technology Solutions ist die deutsche Tochtergesellschaft von GE Capital Information Technology Solutions (GECITS), einer Geschäftseinheit des weltweit tätigen Technologiekonzerns General Electric (GE). GECITS ist ein herstellerunabhängiges Dienstleistungsunternehmen für vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien in Großunternehmen, insbesondere in Europa und Nordamerika. Als Marktführer und deutscher Teil von GECITS konzentriert sich GE CompuNet auf den Aufbau und Betrieb von verteilten IT-Infrastrukturen rund um Clients, Netzwerke und Server. Mit ca. 3.700 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund € 1,1 Mrd. (Stand: Ende 2001) ist GE CompuNet in Deutschland ein etabliertes IT-Unternehmen für alle Branchen. Six Sigma stellt für GE CompuNet als Teil von GE ein umfassendes System zur Unternehmenssteuerung dar, das zum Ziel hat, den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu maximieren sowie nachhaltig zu sichern. Mit Six Sigma gehen z.T. radikale Veränderungen im GE-Unternehmen einher, die den gezielten Einsatz von Methoden und Instrumenten verlangen. Hinsichtlich der organisatorischen Verankerung von Six Sigma stellen sich u.a. folgende Anforderungen an das Management und die Mitarbeiter: •
Unmittelbares Verständnis der Kundenanforderungen
•
Systematische Analyse von Prozessdaten und Fakten
•
Kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse
•
Ständiger Anspruch auf Fehlerfreiheit in Prozessen
•
Umfassende Verpflichtung zu Veränderungen.
398
Six Sigma – The Way We Run Our Business
Die Definition bzw. das Verständnis von Six Sigma ist keineswegs allgemeingültig. Vielmehr haben die meisten Unternehmen ein eigenes Verständnis von dem, was sie unter „Six Sigma“ verstehen. Für die Einen ist es lediglich der Einsatz statistischer Werkzeuge zur Qualitätssicherung bzw. eine bewährte Methodik, Verbesserungsprojekte durchzuführen. Für die Anderen ist es die Vision oder das Ziel der Fehlerfreiheit in Geschäftsprozessen und stellt auf dieser Basis eine Philosophie bzw. ein Benchmark dar. Für GE ist es ganz einfach die Art, wie die allgemeine Geschäftstätigkeit verstanden und betrieben werden sollte („Six Sigma – The Way We Run Our Business“). Im Zuge der Ausgestaltung einer unternehmensspezifischen Six Sigma Initiative müssen alle relevanten Elemente in ein geeignetes Gesamtkonzept integriert werden. Dieses umfasst auch die Breite und Tiefe, mit der eine konsequent umgesetzte Six Sigma Initiative das Unternehmen verändern wird. Das Management eines Unternehmens, das die Einführung von Six Sigma plant, sollte sich zunächst folgende drei Fragen stellen: 1.
Ist eine Veränderung zum jetzigen Zeitpunkt notwendig bzw. stellt diese eine wesentliche unternehmerische Chance dar?
2.
Können die Mitarbeiter davon überzeugt werden, Six Sigma zum gegenwärtigen Zeitpunkt einzuführen?
3.
Sind die bestehenden Managementsysteme bzw. -werkzeuge nicht in der Lage, die Veränderungen ausreichend zu unterstützen?
Falls alle drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können, ist die Einführung von Six Sigma ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die konkrete Einführungsstrategie sollte dabei immer den unternehmensspezifischen Zielen und Rahmenbedingungen angepasst werden. Zum Beispiel ist im Vorfeld einer Initiative zu klären, ob der Schwerpunkt auf einem grundsätzlichen Kultur- und Geschäftswandel in Richtung Kunde, einer strategischen Neuausrichtung von Prozessen oder „nur“ einer projektbezogenen Lösung von unternehmenskritischen Problemen liegen soll. Zudem ist zu analysieren, welche Werkzeuge im Unternehmen schon erfolgreich eingesetzt wurden bzw. welche Instrumente zu „verbrannter Erde“ führten. Schließlich ist die Frage zu klären, ob laufende Veränderungs- bzw. Qualitätsprogramme in eine Six Sigma Initiative integriert werden sollten oder umgekehrt. Im vorliegenden Erfahrungsbericht von GE CompuNet wird der Einführungsprozess von Six Sigma kritisch reflektiert. Insbesondere wird darauf eingegangen, wie bestimmte Elemente und Verfahren in dem Tochterunternehmen von GE ausgestaltet wurden, damit Six Sigma zu einem durchschlagenden Erfolg werden konnte.
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
2
399
Voraussetzungen für die erfolgreiche Six Sigma Einführung
Alle Fragen des Managements im Zusammenhang mit der Einführung von Six Sigma beziehen sich i.d.R. auf die Relevanz der bearbeiteten Problemstellungen, die Transparenz und Messbarkeit von Verbesserungen sowie die Nachweisbarkeit der finanziellen Auswirkungen auf operativer Ebene. Ein zentraler Aspekt bei der Umsetzung von Six Sigma ist deshalb die langfristige Orientierung, d.h. die Nachhaltigkeit der Aktivitäten. Erfolg oder Misserfolg eines Six Sigma Programms werden im Allgemeinen schon vor Beginn der eigentlichen Implementierung festgelegt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die kritischen Erfolgsfaktoren frühzeitig zu identifizieren und in der Implementierungsphase unternehmensspezifisch auszugestalten und umzusetzen. Für das Unternehmen GE CompuNet ergaben sich zu Beginn der Six Sigma Initiative folgende fünf Erfolgsfaktoren: •
Ausrichtung auf Kundenerwartungen und -anforderungen
•
Nachweis des finanziellen Nutzens von Verbesserungsprojekten
•
Six Sigma Organisation zur Umsetzung und Unterstützung
•
Integration von Six Sigma Methoden und Instrumenten
•
Nachhaltige Management-Unterstützung (Commitment).
Eine in Theorie und Praxis vielfach gehörte Formulierung lautet: „Der Kunde steht im Mittelpunkt!“. Diese Forderung ist aus Sicht von GE CompuNet und anderen Six Sigma Unternehmen zu unverbindlich und sollte deshalb durch eine klare und eindeutige Botschaft, wie z.B. „Kundenanforderungen vollständig und wirtschaftlich erfüllen“, ersetzt werden. Durch die konsequente Ausrichtung auf Kundenanforderungen und -erwartungen wurde der eigentliche Zweck des ITUnternehmens GE CompuNet fokussiert: Langfristige Wettbewerbsvorteile durch optimale Leistungserstellung für den Kunden generieren! In erfolgreichen Unternehmen werden Prozessergebnisse von außen, d.h. durch den Kunden definiert. Sie resultieren nicht aus einer Innensicht und machen häufig einen signifikanten Wechsel der bisherigen „Blickrichtung“ des Unternehmens notwendig. Ziel ist es, nicht mehr von innen nach außen sondern von außen nach innen, also durch die Augen des Kunden, auf das eigene Unternehmen zu schauen. Dies erfordert u.a. ein funktionsübergreifendes Prozessmanagement, welches interne Bereichsbarrieren überwindet und mit Hilfe von Six Sigma Kundenbedürfnisse optimal erfüllen lässt. Die Forderung nach einer dauerhaften und uneingeschränkten Kundenausrichtung wird sich im Verlauf der Six Sigma Einführung als eine der größten Herausforderungen erweisen. Um in diesem Punkt glaubwürdig zu bleiben, sollte – nach den Erfahrungen von GE CompuNet – eine regelmäßige „Auffrischung“ der Initiative mit innovativen Elementen erfolgen. Für das Realisieren von Verbesserungen in den Unternehmensprozessen sowie an der Schnittstelle zum Kunden ist der Einsatz von Six Sigma Methoden sicherlich am Besten geeignet. Um jedoch ein schnelles „Verpuffen“ der Erfolge und Ergeb-
400
Six Sigma – The Way We Run Our Business
nisse im Unternehmen zu vermeiden, sollte ein „allgemeines Interesse“ am Six Sigma Programm ständig gewahrt bleiben. In diesem Zusammenhang ist ein systematischer Nachweis der finanziellen Auswirkungen von Projekten unerlässlich. Bei GE wird dies konzernweit mit Nachdruck verfolgt. Im Rahmen einer Six Sigma GuV (Six Sigma Gewinn- und Verlustrechnung) werden kumulierte Projektergebnisse regelmäßig publiziert und ausgewertet (vgl. Abbildung 1).
in Mio. US-$ (Werte fiktiv) Umsatzsteigerungen Kosteneinsparungen
Gesamtjahr 1 8,5
Q1
Q2
Q3
Q4
Gesamtjahr 2
2,1
2,5
2,2
2,3
9,1
8,5
2,3
4,7
5,2
5,4
17,6
Gesamt Net Benefit
17,0
4,4
7,2
7,4
7,7
26,7
Umsetzungskosten
-6,4
-1,3 -2,9 -2,9 -3,1
-10,2
Net Benefit v. Steuer
10,6
3,1
4,6
16,5
Steuer
-5,2
-1,4 -1,8 -1,9 -2,0
-7,1
Net Benefit n. Steuer
5,4
1,7
2,5
2,6
2,6
9,4
Varianz zu operativer Planung
4,9
-0,1 0,1
0,0
0,0
0,0
4,3
4,5
Abbildung 1: Beispiel für eine „Six Sigma GuV“ bei GE
Auf der Ertragsseite der GuV werden für alle Six Sigma Projekte die finanziellen Auswirkungen hinsichtlich „Umsatzsteigerungen“ und „Kosteneinsparungen“ ermittelt. Für einen Vorschauzeitraum von 12 Monaten ergibt sich bei Kumulation aller Projektergebnisse ein sogenannter „Gesamt Net Benefit“. Diesem werden anschließend alle Aktivitäten und Aufwände („Six Sigma Umsetzungskosten“) gegenübergestellt, die direkt oder indirekt im Zusammenhang mit der Projektdurchführung stehen (z.B. Ressourcen und Investitionen für die Implementierung von Verbesserungen). Durch Abzug von Steuern vom sogenannter „Net Benefit vor Steuern“ ergibt sich der „Net Benefit nach Steuern“, der sowohl für das Gesamtjahr als auch für die einzelnen Quartale ausgewiesen wird. Die Aufstellung der Six Sigma GuV erfolgt nicht durch das Six Sigma Team selbst, sondern durch die Finanzorganisation des Unternehmens. Dadurch werden zum einen Objektivität und Transparenz bei der Bewertung von Six Sigma Erträgen sichergestellt. Zum anderen lassen sich die Projekterträge den einzelnen Geschäftsergebnissen direkt zuordnen und eine unmittelbare Verknüpfung mit der operativen Ebene („Bottom Line“) des Unternehmens herstellen. Schließlich wird hierdurch eine „isolierte Qualitätskostenrechnung“ und damit zu starke Abkapse-
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
401
lung der Aktivitäten der Six Sigma Organisation von anderen Unternehmensaktivitäten vermieden.
680
180
547
72 63
QL/MBB/BB
Aktive Projekte
Aktive GB
Abgeschl. Projekte
Trainierte GB/SGB
40
85 72
75
1998
1999
26
14
4
0
1997
1998
1999
MA-Entwicklung
0
1997
Projekt-Entwicklung
Abbildung 2: Entwicklung der Six Sigma Ressourcen (MA) und Projekte
Neben der Darstellung der Ergebnisse des Six Sigma Programms erhält die Six Sigma GuV besondere Bedeutung durch die monatlich stattfindenden BereichsReviews sowie den regelmäßigen Report der quantitativen Ergebnisse an die Zentralorganisation. Darüber hinaus ist die Gewinn- und Verlustrechnung ein Standard-Agendapunkt bei allen „Business-Reviews“ von GE. Hierbei haben die Verantwortlichen der einzelnen Bereiche Gelegenheit, das Top-Management über die aktuellen Entwicklungen und Ergebnisse ihrer Six Sigma Aktivitäten zu unterrichten. Um ausreichend „Momentum“ und Geschwindigkeit bei der Implementierung von Six Sigma zu erzielen, ist mit einer hinreichend großen Mitarbeiteranzahl (auch als „Kritische Masse“ bezeichnet) zu beginnen. Nur beim Aufbau einer signifikanten Six Sigma Organisation zur Projektumsetzung und -unterstützung können neue Verfahren schnell verbreitet und durchschlagende Erfolge zügig erzielt werden. Dazu ist einerseits eine nachhaltige Unterstützung seitens der Geschäftsleitung bzw. des Managements notwendig. Andererseits sollten die an der Umsetzung von Six Sigma beteiligten Mitarbeiter (MBB, BB, GB) über entsprechende Fähigkeiten, wie z.B. sehr gute mathematisch-statistische Kenntnisse, verfügen. Letztere sind unter Einbezug von Expertenwissen im Rahmen von Schulungen und/oder Trainings zu vertiefen.
402
Six Sigma – The Way We Run Our Business
Wird im Zuge der Implementierung der Aufbau einer „Six Sigma Organisation“ gezielt vorangetrieben, lässt sich die für die Projektarbeit benötigte Anzahl von Mitarbeitern schnell erreichen (vgl. Abbildung 2). Die in Voll- oder Teilzeit tätigen „Six Sigma Belts“ können dann die i.d.R. stark anwachsende „Projektwelle“ effektiv bewältigen. In einem Großkonzern wie GE ist dafür eine geeignete Infrastruktur bzw. Plattform zu entwickeln, um erprobte und bewährte Six Sigma Methoden unternehmensweit zu kommunizieren und zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen investiert in erheblichem Maß in den Aufbau personeller Kapazitäten für Six Sigma. Mit Signalwirkung für die gesamte Organisation stellt GE kontinuierlich Leistungsträger und Talente für die Six Sigma Projektteams „frei“. Wie bereits eingangs erwähnt, steht und fällt der Erfolg einer Six Sigma Initiative entscheidend mit der nachhaltigen Management-Unterstützung. Das Management stellt die grundsätzlichen Weichen des Programms, indem es als Botschafter und sichtbares Vorbild für Six Sigma gewonnen wird. Vor diesem Hintergrund haben sich die GE CompuNet Führungskräfte zum Ziel gesetzt, persönliche Verantwortung bei der Projektaufnahme und -realisierung zu übernehmen. Die ManagementVerpflichtung wird durch ein Six Sigma Zielvereinbarungssystem sowie ein umsetzungsorientiertes Anreizsystem unterstützt, welches den persönlichen Beitrag zur Initiative durch anteilige Entlohnung entsprechend kompensiert. Darüber hinaus hat GE CompuNet die „Verpflichtung zu Six Sigma“ explizit in der Unternehmensstrategie verankert und gleichberechtigt neben den Zielen Kundenfokus, Profitabilität und Wachstum positioniert. Hierdurch ist es vor allem gelungen, Konsequenz in der Projektumsetzung und Nachhaltigkeit in den Prozessveränderungen sicherzustellen.
3
Drei-Phasen-Einführungsmodell zur Implementierung
Nachdem die beiden Fragen geklärt sind, warum Six Sigma in einem Unternehmen eingeführt werden sollte und welche Besonderheiten dabei zu beachten sind, ist im Weiteren ein Konzept für die praktische Umsetzung zu erstellen. Bei GE hat sich in diesem Zusammenhang ein dreistufiges Phasenmodell, bestehend aus Aufbau-, Konsolidierungs- und Ausbauphase, bewährt. In der Aufbauphase stehen zunächst die beiden Faktoren „Geschwindigkeit“ (Mitarbeiterschulungen) und „Kritische Masse“ (Mitarbeiteranzahl) im Vordergrund der Betrachtung. Ohne die Glaubwürdigkeit der Gesamtinitiative in Frage zu stellen, erfordert diese Phase im Allgemeinen weniger Perfektionismus, dafür umso mehr Pragmatismus. In der zweiten Einführungsphase, der Konsolidierungsphase, wird der zuvor eingegangene Kompromiss weitestgehend wieder aufgehoben und durch ein „diszipliniertes“ Vorgehen bezogen auf die Gesamtorganisation ersetzt. Dabei rücken immer anspruchsvollere Themen und Probleme aus dem Unternehmen in den Fokus der Six Sigma Initiative. Mit fließendem Übergang zur Ausbau-
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
403
phase erfolgt die Aufgabenbearbeitung im fortgeschrittenem Stadium des Einführungsprozesses mit Hilfe von anspruchsvolleren Methoden und Werkzeugen. Das Drei-Phasen-Einführungsmodell von GE entspricht dem Grundsatz nach einem taktischen Implementierungsansatz, der das Prozessmanagement sowohl auf operativer als auch strategischer Ebene von Beginn an integriert. Nur in wenigen Fällen gelingt ein rein strategischer Implementierungsansatz, der ein umfassendes Prozessmanagement auf Basis bereits bestehender Geschäftsprozessstandards bzw. -praktiken unterstützt. In der Regel verfügt das Management am Anfang eines Six Sigma Programms weder über die notwendigen Fähigkeiten noch über ausreichende Erfahrungen, um ein reines Top-Down-Vorgehen erfolgreich anzugehen. Außerdem besteht hier das Risiko, dass zunächst eine große Zeitspanne vergeht, bis die ersten Ergebnisse und Veränderungen durch Six Sigma im Unternehmen sichtbar werden. Der wesentliche Unterschied von Six Sigma zu anderen Verbesserungsprogrammen im Unternehmen besteht darin, dass eine zeitliche Kopplung zwischen TopDown- und Bottom-Up-Einführung stattfindet. Dies bedeutet, dass der Schwerpunkt der Arbeit einerseits auf Projekten mit schnellem Ergebnisbeitrag liegt. Andererseits werden die Prozesse fallweise bearbeitet, um nach und nach eine vollständige „Prozesslandschaft“ zu bekommen. Neben der schrittweisen Einführung eines umfassenden Prozessmanagements hat dieser Ansatz (auch bekannt als „Gegenstromverfahren“) den Vorteil, dass Projektergebnisse auf operativer Ebene unverzüglich sichtbar werden und zum Tragen kommen. Die erste Phase der Implementierung von Six Sigma ist im Allgemeinen mit einem hohen Fehlerpotenzial behaftet. Im Folgenden sollen deshalb die wichtigsten Elemente der Aufbauphase am Beispiel von GE CompuNet näher erläutert werden. In der Aufbauphase gilt es zunächst, die Organisation auf die Six Sigma Ziele und die damit verbundenen Infrastruktur-Veränderungen vorzubereiten (vgl. hierzu und im Folgenden Abbildung 3). Die Aufgabe des Managements ist es dabei, die neue Vision und Strategie zu definieren und sie gezielt im Unternehmen zu verbreiten. Erfahrungsgemäß benötigt man hierzu u.a. mehrere Workshops, um in der Führungsmannschaft die notwendige Unterstützung hinsichtlich der Konzeptumsetzung und -verbreitung zu erlangen. Neben der Gewinnung von „Botschaftern für Six Sigma“ ist es weiterhin wichtig, eine geeignete Six Sigma Organisation zu schaffen. Diese sollte zum einen in die allgemeine Unternehmenstätigkeit integriert sein und zum anderen über entsprechende personelle Ressourcen verfügen. Bei GE sind z.B. 1,5 bis 2,5 % der Belegschaft vollzeitig als Black Belts oder Master Black Belts für das Six Sigma Team „freigestellt“ worden. Die Mitarbeiter stehen der Herausforderung gegenüber, durch intensive Trainings Six Sigma Know-how kurzfristig aufzubauen und statistische Methoden in Verbindung mit Projekt- und Veränderungsmanagement anwenden zu lernen. Um eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit in der Organisation zu gewährleisten, sollte sich das
404
Six Sigma – The Way We Run Our Business
Management im Vorhinein überlegen, wie viel externe Unterstützung zur Implementierung benötigt wird. Zu diesem Zweck bietet sich sowohl die Rekrutierung erfahrener Black bzw. Master Black Belts aus anderen Unternehmen als auch die Einbindung umsetzungserfahrener Six Sigma Berater an. Infrastruktur
Kernprozessmodell
„Vision u. Strategie definieren”
„Mitarbeiter mobilisieren”
Auswahl
Projekte Umsetzung
„Projektumsetzung effektiv treiben”
o Implementierungskonzept o Prozess-Management o Erprobte Methoden anwenden: (Vision, Strategie, - Kerngeschäftsprozesse - DMAIC (Prozess-Verbesserung) Programm) aufnehmen (Ist-Prozesse) - DFSS (Prozess-Design) - Prozesseigner aufbauen o Organisation von Rollen o Definition geeig- o Team etablieren - Performance-Indikatoren und Verantwortlichkeiten neter Projekte und Messgrößen definieren o DMAIC/DFSS (Problem, Plan, o Ressourcen durchführen o Scorecards und Dashboards Ergebnisziele, o Training - VOC messbar übersetzen wirtschaftlicher o Ergebnisse im- CTQs identifizieren Effekt) plementieren o Kommunikation und - Mit Prozess-Messgrößen kontinuierliche Einbino Priorisierung und o Regelmäßige Reverknüpfen dung aller Mitarbeiter Bestätigung durch views durch TopTop-Management Management und Projekt-Champion
Abbildung 3: Drei Schritte zur erfolgreichen Six Sigma Implementierung
Durch die Auswahl und Bearbeitung weniger Projektthemen in der ersten Einführungsphase von Six Sigma, lässt sich ein enormes „Überzeugungsmomentum“ gewinnen, d.h. bei vielen Mitarbeitern finden die Six Sigma Methoden schnell Anerkennung und Zustimmung. In dieser Phase sollten die zu bearbeitenden Themen allgemeine Geschäftsprobleme umfassen, mit denen ein Großteil der Beschäftigten konkrete Vorstellungen verbindet. Andererseits sollten sie über einen mittleren Schwierigkeitsgrad verfügen, so dass eine erfolgreiche Problemlösung zwar aussichtsreich, aber nicht im Vorhinein sicher ist. Projekten zur Prozessverbesserung ist in diesem Zusammenhang eindeutig der Vorzug vor umfangreichen und in der Umsetzung eher komplexen Design-Projekten zu geben. Einige typische Projektthemen, wie sie z.B. bei GE CompuNet in der Einführungsphase bearbeitet wurden, sind in Abbildung 4 aufgelistet. Im Rahmen der ersten Projektphase erhalten die angehenden Black Belts die Möglichkeit, die neuen Six Sigma Techniken in einem „überschaubaren Umfeld“ auszuprobieren. Die in den Projekten erarbeiteten Lösungen bilden einen wichtigen Bestandteil der Fallbeispiele, die u.a. in der sich anschließenden Trainingsphase genutzt werden können. Entsprechend dem Top-Down-Prinzip wird zunächst das gesamte Management geschult, um insbesondere die Rolle und Verantwortlichkeiten von Projekt-Champions zu vermitteln. Darauf aufbauend erfolgt ein umfassendes Six Sigma Training der verschiedenen Ziel- und Interessengruppen im Unternehmen (insb. Projektleiter und -mitarbeiter). Als weitere infrastrukturelle Vorbe-
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
405
reitungsmaßnahme für Six Sigma gilt die Implementierung eines sog. Business Quality Council (BQC). Dieser setzt sich aus Vertretern der Geschäftsführung und funktionalen Verantwortlichen, z.B. Quality Leader (QL), zusammen. Die Mitglieder des BQC überprüfen in regelmäßigen Abständen den Fortschritt der Six Sigma Projekte und legen darüber hinaus zukünftige Bearbeitungsschwerpunkte fest. Das Management signalisiert damit sein nachhaltiges Interesse an Six Sigma. o Beschleunigung der Bearbeitung von Kundenreklamationen o Beschleunigung der Schadensabwicklung o Aufwandsverringerung bei Angebotserstellung und Erhöhung der Erfolgsrate o Realisierung eines neuen Vertriebskonzeptes mit einem externen Partner o Reduzierung der Außenstände bzw. Reduzierung „Offener Posten“ o Reduzierung nicht erwünschter Mitarbeiterfluktuation o Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen o Durchlaufzeit- und Bestandssenkung durch Optimierung der Warenlogistik o Optimierung des Kundendienstes, insb. der Call Center o Effizienzsteigerung in der Auftragsabwicklung o Beschleunigung der Konfiguration kundenspezifischer Produkte o Optimierung der IT-Störungsbeseitigung
Abbildung 4: Typische Six Sigma Projektbeispiele in der Einführungsphase
Mit dem Aufbau geeigneter organisatorischer Strukturen im Unternehmen besteht gleichzeitig die Notwendigkeit, Konzepte für die kontinuierliche Einbindung aller Mitarbeiter auf der Basis regelmäßiger und zielgruppenspezifischer Kommunikation zu entwickeln. Neben dieser „Mitarbeitermobilisierung“ sollte im weiteren Verlauf der Aufbauphase eine Fokussierung auf die Kernprozesse des Unternehmens erfolgen (vgl. auch Abbildung 3). Im Mittelpunkt der Analyse stehen fortan die Unternehmensprozesse, die im Rahmen eines sogenannten Kernprozessmodells zu definieren und zu verknüpfen sind. Ziel ist es, die Geschäftsprozesse zu analysieren und sie mit den wesentlichen Unternehmenszielen und Kundenanforderungen zusammenzuführen (Definition von „Big Y´s“). Dazu ist der Aufbau eines effektiven Prozessmanagements notwendig, welches auf der Basis von Prozesskennzahlen die Bestimmung von Unternehmens- und Kundenanforderungen ermöglicht. Weiterhin sind sogenannte Prozesseigner zu etablieren, die insbesondere in funktional organisierten Unternehmen mit weitreichendem Verantwortungs- und Entscheidungsbereich ausgestattet sind. Unter den gegebenen Voraussetzungen stellt eine effiziente Prozesssteuerung schließlich sicher, dass die anhand von Scorecards oder Dashboards ermittelten Kundenanforderungen mit den Unternehmenskenngrößen, wie z.B. Produktivität, Wachstum und Produktmix, gemeinsam optimiert werden.
406
Six Sigma – The Way We Run Our Business
Im letzten Schritt der Aufbauphase ist ein Projektplan zu erstellen, auf dessen Basis Six Sigma Projekte gezielt ausgewählt und umgesetzt werden können. Durch eine integrierte Prozessmessung und -analyse lassen sich im Rahmen von Six Sigma Verbesserungs- und Neuentwicklungsanforderungen systematisch erkennen. Nach der Priorisierung von Projekten durch das Management erfolgt die Umsetzung anhand einschlägig bekannter Verbesserungsmethoden, z.B. DMAICoder DMADV-Zyklus. Als kritische Erfolgfaktoren erweisen sich u.a. die •
eindeutige Abgrenzung von Projekten (insb. Probleme, Ziele und Vorgehen),
•
richtige Bestimmung von Ressourcen (insb. Teamgröße und Black Belts),
•
regelmäßige Durchführung von Reviews durch das Top-Management.
„In 85% der Fälle, in denen Kundenanforderungen NICHT erfüllt werden, liegen die Fehlerursachen in den Prozessen und Systemen begründet ... und weniger in den Mitarbeitern selbst. Die Rolle des Managements muss es daher sein, die Prozesse zu verändern anstatt dem einzelnen Mitarbeiter zu unterstellen, seine Sache nicht gut genug zu machen.“
ng ru se es rb Ve
„Erbauen“ und Entwickeln neuer Prozesse/ Ablösung alter Prozesse
De sig n
Obwohl sich Six Sigma in diesem Punkt nur wenig von anderen Projektmanagementmethoden unterscheidet, erzielt es durch seine konsequente Prozess- und Kundenorientierung einen nachweislich höheren „Wirkungsgrad“. Die Grundzüge eines auf Six Sigma abgestimmten Prozessmanagement-Systems bei GE CompuNet sind in der folgenden Abbildung 5 zu sehen.
„Renovieren“ und Verbessern von Prozessen/ Reduzierung von Fehlern
Management Operativer „Betrieb“ von Prozessen mit definierten, funktionsübergreifenden Verantwortlichkeiten
„We are going to shift the paradigm from fixing products to fixing and developing processes, so that they produce nothing but perfection or close to it !!”
(J.F. Welch) (W. Edwards Deming)
Abbildung 5: Eckpfeiler des Six Sigma Prozessmanagement-Systems
Wie bereits erwähnt, stellt der DMAIC-Zyklus ein standardisiertes Vorgehen zur Verbesserung von Prozessen dar. Die Methode wurde im Rahmen der Einführung von Six Sigma bei GE CompuNet mit großem Erfolg eingesetzt. Das Projekt zur „Optimierung der IT-Störungsbeseitigung“ bei einem Kunden zeigt exemplarisch,
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
407
wie das Serviceniveau mit Hilfe von Six Sigma deutlich erhöht werden konnte (vgl. im Folgenden Abbildung 6). Im Beispielfall war GE CompuNet für das sogenannte „Break & Fix Geschäft“ (Reparaturgeschäft bei Ausfall von PC’s, Monitoren, Netzwerkkomponenten, Servern usw.) am Standort eines Großkunden mit mehreren Tausend Nutzern bzw. Endgeräten verantwortlich. Die Kundenanforderung bestand darin, 95 % aller Störfälle in spätestens drei Stunden zu beseitigen sowie bei der (regelmäßigen) Bewertung der Servicequalität durch die Endnutzer mindestens 98 % zu erzielen. Teamcharter:
Kontrollplan: o Erfüllung der Bereitschaftsgarantie wird auf täglicher Basis berichtet und analysiert o Prozesseigner ist in der Serviceorganisation o Eskalationswege sind definiert o Prozesse sind dokumentiert o Erfüllungsgrad liegt bei durchschnittlich 98,7%
Control
Improve Schwachstellenbeseitigung: o Logistik: - Zentrale Einsatzplanung für alle Standorte - Integrierte Einsatzplanung/Ersatzteilbeschaffung über ‚Callas‘ und SAP - Zusätzliche Absetzpunkte für Ersatzteile - Optimierung Ersatzteilbestand vor Ort - Handy für alle Techniker o Training: - Verhaltenstraining - Technisches Training
Define
o Definiertes Projektziel: - Problembehebung < 3h in 95 % der Fälle - Kundenbewertung: Serviceniveau > 98 % o Festes Projektteam aus MA in Linienposition, Vertriebsinnendienst und Kundendienstverwaltung + Kundendiensttechniker + Black Belt
Measure
Analyse Fehlerursachen:
o Fehler: jede Störung, die nicht innerhalb von 3h gelöst werden kann o Fehlermöglichkeiten: - Technikerfähigkeiten - Einsatzterminierung - Ersatzteile nicht vorrätig - System-Pflege zu spät o Sigma Berechnung: - 1.377 Störungen im QT - Davon 93 Fehler - 4 Fehlermöglichkeiten - Sigma = 3,63
o Technikerfähigkeiten o Kenntnis der spezifischen Kundenumgebung o Ersatzteilversorgung o Verständnis für Prioritäten o Dezentrale Administration o Monatsplanung für Großprojekte
Abbildung 6: Projektbeispiel zur Optimierung der IT-Störungsbeseitigung
Die Verbesserungsarbeit stellte sich wie folgt dar: In einem bereichsübergreifenden Team, mit dem Geschäftsstellenleiter als Projekt-Champion, wurden zunächst das Problem und die Projektziele definiert. Nach systematischer Fehlermessung konnte für die relevanten Prozesse ein „Ausgangs-Sigma“ von 3,6 bestimmt werden. Es folgte eine umfassende Fehlerursachenanalyse, die schnell zu geeigneten Lösungsansätzen führte. Neben signifikanten Prozessveränderungen und -anpassungen sollte zukünftig vor allem das Technikerteam für seine speziellen Aufgaben besser geschult werden. Verbunden mit dem Aufbau geeigneter Controlling-Instrumente, führte die konsequente Projektumsetzung in weniger als drei Monaten zu vollständig beherrschten Prozessen. Mit einem Erfüllungsgrad von durchschnittlich 98,7 % lag die Leistungsfähigkeit der Prozesse im Ergebnis oberhalb des ursprünglich anvisierten Serviceniveaus.
408
Six Sigma – The Way We Run Our Business
4
„Do’s and Dont’s“ – Lernerfahrungen für das Management
Auf der Basis des im vorigen Abschnitt beschriebenen Einführungsvorgehens bei GE sind im Folgenden die zwei Fragen „Was hat GE CompuNet bei der Einführung und dem Ausbau von Six Sigma gelernt?“ und „Was würde das Unternehmen bei erneuter Implementierung genauso bzw. anders machen?“ ausführlicher zu erörtern. Alle Unternehmen, die Six Sigma einführen, kommen i.d.R. ein- oder mehrmalig in kritische Situationen, die für sie „Neuland“ bedeuten und ungewohnte Entscheidungen erfordern. In der nachfolgenden Abbildung 7 sind die wichtigsten Lernerfahrungen von GE CompuNet bei der Implementierung von Six Sigma zusammengefasst dargestellt. o Der Erfolg von Six Sigma ist proportional zur Management-Unterstützung. o Six Sigma muss zum integralen Bestandteil der Gesamtorganisation werden. o Nur das, was im Rahmen von Six Sigma belohnt wird, wird auch getan. o Der effektiven Auswahl von Projekten folgt die effiziente Durchführung. o Jedes Projekt muss innerhalb von 90 Tagen abgewickelt werden können. o Der Weg zum Erfolg führt über die Beachtung harter und weicher Faktoren. o Die Verantwortung für die Projektergebnisse liegt beim oberen Management. o Bei der Net Benefit Ermittlung sind nur direkt messbare Größen einzubeziehen. o Die Kommunikation von Projekterfolgen stärkt die Akzeptanz von Six Sigma. o Six Sigma sichert die Nachhaltigkeit von strukturellen Veränderungen.
Abbildung 7: Übersicht der „Lessons Learned“ bei der Six Sigma Einführung
Der Erfolg von Six Sigma ist proportional zur Management-Unterstützung. Six Sigma lässt sich nach den Erfahrungen von GE CompuNet als umfassendes Managementsystem nur „top-down“ einführen. Am Anfang steht deshalb immer die Frage „Wie und wodurch kann das Management überzeugt werden?“. Das Verständnis und Commitment des Managements ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg der Gesamtinitiative. Top-Management Trainings stehen nicht ohne Grund am Anfang des Programms. Neben der strategischen Zielsetzung und dem projektbezogenen Ressourceneinsatz sind dem Management vor allem die grundlegenden Six Sigma Methoden und Instrumente zu erklären. Bei diesem Vorgehen kommt Six Sigma erst nach und nach auf operativer Ebene zum Tragen, insbesondere durch den Einsatz von Projektteams. Ein entgegengesetztes Vorgehen zur Implementierung von Six Sigma, d.h. von unten nach oben, ist aus Sicht von GE CompuNet nicht empfehlenswert. Insbesondere führt ein reiner Bottom-Up-Ansatz über den Status eines „Pilotprojekts“ auf Dauer nicht hinaus. Da sich das Vorgehen auf einzelne Unternehmensbereiche
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
409
bezieht, bleiben die realisierbaren Nutzeneffekte gegenüber einem ganzheitlichen Vorgehen im Allgemeinen weit zurück. Six Sigma muss zum integralen Bestandteil der Gesamtorganisation werden. Der Aufbau einer isolierten Six Sigma Abteilung, parallel zur normalen Geschäftsorganisation, sollte von vornherein vermieden werden. Einer Separierung von Six Sigma ist strikt entgegen zu wirken, indem der Gedanke der Integration von Anfang an im Vordergrund steht und zwar in den „Köpfen der Mitarbeiter“ und im „Six Sigma Vokabular“ selbst. Bereits die Wahl der Begriffe kann deutlich machen, inwieweit sich Six Sigma von anderen Initiativen unterscheidet. So sollte beispielsweise im Rahmen von Six Sigma von „Geschäftsprojekten“ anstatt von „Qualitätsprojekten“ gesprochen werden. Darüber hinaus sollte die Six Sigma Infrastruktur mit der allgemeinen Geschäftsorganisation grundsätzlich korrespondieren. So benötigt ein dezentral organisiertes Unternehmen, mit räumlich verteilten Standorten, im allgemeinen auch eine dezentral organisierte Six Sigma Infrastruktur. Das heißt, ein zentrales Six Sigma Team, mit engem Kontakt zum obersten Management, übernimmt „lediglich“ die Gesamtplanung und -steuerung und koordiniert die Black Belt Projekte in den einzelnen Niederlassungen. Nur das, was im Rahmen von Six Sigma belohnt wird, wird auch getan. Basierend auf dem „Commitment“ des Managements sind geeignete Beurteilungsund Belohnungssysteme aufzubauen und ggf. bereits vorhandene Systeme anzupassen. Die notwendige „Schubkraft“ zum Erreichen der hochgesteckten Ziele gibt zusätzlich die Einhaltung folgender Managementfaktoren: •
Konsequente Ausrichtung auf die Six Sigma Projekte
•
Zeitnahe Messung von Ergebniswirkungen
•
Transparentes und faires „Konsequenzen-Management“.
Ein „Six Sigma Incentive-System“ für die Organisation muss gleichzeitig messbare Größen und positive Anreize für jeden betroffenen Mitarbeiter bieten. Ein konstruktiver Wettbewerb (z.B. durch Benchmarking) sollte dabei selbstverständlich sein, wobei jedoch von vornherein „Gewinner-Verlierer-Situationen“ zu vermeiden sind. Als einer wesentlichen Macht zur Umsetzung von Six Sigma im Unternehmen kommt dem mittleren Management (insb. Abteilungs- und Bereichsleiter) eine herausragende Bedeutung zu. Nur aufgrund einer geeigneten Beeinflussungsstrategie der einzelnen Akteure, z.B. durch die Definition von Win-Win-Situationen, und einer frühzeitigen Stakeholder-Analyse lassen sich die wichtigsten Meinungsbildner im Unternehmen „auf die Seite von Six Sigma“ bringen. Gerade im ersten und zweiten Jahr nach der Six Sigma Einführung sichert ein Anreizsystem die
410
Six Sigma – The Way We Run Our Business
zielgerichtete Bewegung und klare Fokussierung der Initiative. Nach dieser Zeit sollte jedoch Six Sigma „die Art sein, wie man sein Geschäft versteht“. Der effektiven Auswahl von Projekten folgt die effiziente Durchführung. Six Sigma Projekte stellen keine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ dar, sondern sollten sich immer auf die wichtigsten Probleme im Unternehmen konzentrieren. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob sich die Black Belts selber Projekte suchen müssen oder ob die Geschäftsleitung die Black Belts zur Verstärkung ihrer Projektteams eigens anfordert. Nicht „bessere Projekte machen“, sondern „vorhandene Projekte besser machen“ lautet hier die Devise. Spüren die Fachbereiche bei der Ausübung ihrer täglichen Arbeit, dass durch die zielgerichtete Anwendung der Six Sigma Methoden die Probleme schneller und nachhaltiger gelöst werden können, dann bedeutet Six Sigma langfristig einen echten Mehrwert für das Unternehmen. Ein transparenter Prozess für die Auswahl von Projekten sollte frühzeitig definiert werden. Wesentliche Priorisierungskriterien für Six Sigma Projekte sind •
Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und das Geschäftsergebnis auf Kostenund/oder Umsatzseite,
•
Machbarbeit bzw. Umsetzbarkeit der einzelnen Maßnahmen und Projekte,
•
Komplexität der Problemstellung und Verfügbarkeit notwendiger Ressourcen.
Auch wenn nicht sämtliche, für die Geschäftseinheit primär wichtigen Themen mit Six Sigma unverzüglich gelöst werden können, ist ein Gesamtüberblick über alle verfügbaren Themen- und Problemstellungen unverzichtbar. Denn ohne einen solchen Gesamtüberblick sind eine effiziente Projektpriorisierung und ein optimaler Ressourceneinsatz kaum mehr möglich. Jedes Projekt muss innerhalb von 90 Tagen abgewickelt werden können. Bei GE Capital werden Six Sigma Verbesserungsprojekte so definiert und fokussiert, dass sie innerhalb von 90 Tagen abgewickelt werden können („90-TageRegel“). Dies verlangt einen entsprechend hohen Ressourceneinsatz, eine klare Aufgabenstellung mit Projektabgrenzung (z.B. „in scope & out of scope“), eine systematische Vorgehensweise und einen zügigen Projektfortschritt. Das Ziel, schnelle und messbare Ergebnisse mit Six Sigma zu erzielen, ist der Hintergrund für diese Regel. Ferner wurde bei GE die Erfahrung gemacht, dass Projekte, die länger als drei Monate dauern, zu keinen besseren Ergebnissen führen. Wird ein Projekt über einen längeren Zeitraum bearbeitet, dann steigt der Gesamtaufwand oftmals überdurchschnittlich an. Umfangreiche Themenstellungen, die nicht in 90 Tagen lösbar sind, sollten deshalb in entsprechend kleinere Teilprojekte zerlegt werden. Zur Projektzeitplanung hat sich bei GE CompuNet insbesondere die Methode des „Reverse Project Planning“ bewährt. Bei dieser Methode wird vor dem eigentli-
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
411
chen Projektstart untersucht, ob die Organisation innerhalb von 90 Tagen in der Lage sein wird, die Projektergebnisse tatsächlich zu implementieren. Nicht selten sind betroffene Bereich dazu nicht im Stande, da z.B. zeitgleich ein IT-Systemwechsel stattfindet oder gerade ein neues Produkt eingeführt wird. Unter diesen Bedingungen ist das geplante Projekt ggf. neu zu terminieren oder parallel laufende Initiativen sind zeitlich nach hinten zu verschieben. Der Weg zum Erfolg führt über die Beachtung harter und weicher Faktoren. Six Sigma bedeutet für GE mehr, als nur Verbesserungsprojekte nach der DMAIC-Methode durchzuführen. Ohne ein integriertes Konzept, das sich an Vision und Strategie des Unternehmens ausrichtet, wird auch Six Sigma sein volles Potenzial nicht entfalten können. Bei der Auswahl von Projektthemen ist deshalb vor allem auf die Anbindung an die Unternehmensziele und die Konformität mit den bereits vorhandenen Managementsystemen, z.B. Balanced Scorecard, zu achten. Des Weiteren sollte gerade bei der Projektauswahl in Dienstleistungs- und Serviceunternehmen der Einfluss von „harten“ (z.B. Net Benefit) und „weichen“ Faktoren (z.B. Mitarbeiterzufriedenheit) gleichermaßen berücksichtigt werden. Wesentlich hierbei ist eine lückenlose Integration der Projektverbesserungen in die Geschäftsprozesse und Steuerungssysteme des Unternehmens sowie die zielgerichtete Weiterentwicklung der Six Sigma Initiative selbst. In diesem Zusammenhang stellt sich z.B. die Frage, wie Six Sigma Aktivitäten weiterzuentwickeln und anzupassen sind, um neue Geschäftsfelder und E-Business Aktivitäten optimal unterstützen zu können. Von Anfang an ist deshalb auf eine konvergente Vorgehensweise bei der Six Sigma Implementierung zu achten. Sie gewährleistet zum einen die Erstellung eines tragfähigen und übergeordneten Gesamtkonzepts. Zum anderen stellt sie sicher, dass nach mehreren durchgeführten Six Sigma Projekten nicht auch mehrere verschiedene Sollprozesse, Messgrößen oder Kontrollpläne vorliegen. Die Verantwortung für die Projektergebnisse liegt beim oberen Management. Sind die relevanten Projekte von der Geschäftsleitung bestimmt, dann sollten die Master Black Belts, Black Belts, Green Belts und alle anderen Six Sigma Projektbeteiligten aufgrund ihres umfangreichen Trainings in der Lage sein, die Projekte zügig (90-Tage-Regel) und mit messbarem Erfolg (Net Benefit) durchzuführen. Dabei ist das Management, in Form von Champion und/oder Prozesseigner, hauptverantwortlich für den Projektabschluss und -erfolg. Gerade für sie empfiehlt es sich, auf Basis des verfügbaren Six Sigma Know-hows unternehmensweite Standards für die Projektauswahl und -durchführung (z.B. Projektauftrag, Meeting-Standard, Projektfortschrittskontrolle) zu definieren und anzuwenden. Die Black Belts sind gegenüber Champion und Prozesseigner „nur“ dafür verantwortlich, dass mit Hilfe der entsprechenden Methodik (DMAIC bei Prozessverbesserungsprojekten, DMADV/DFSS bei Prozessdesignprojekten) ein Team aus Fachexperten zum Projektziel geführt wird. Die Teammitglieder übernehmen als
412
Six Sigma – The Way We Run Our Business
Fachexperten gemeinsam die Verantwortung für die Qualität der Projektergebnisse. Ein regelmäßiges und gezieltes „Coaching“ durch erfahrene Master Black Belts sichert hier den Projekterfolg zusätzlich ab. Bei der Net Benefit Ermittlung sind nur direkt messbare Größen einzubeziehen. Der Six Sigma Ansatz ist bei GE unter anderem so erfolgreich, weil die einzelnen Six Sigma Projekte in den Geschäftseinheiten zusammen einen signifikanten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und den Geschäftserfolg haben. Daher sollte frühzeitig ein allgemeingültiger Standard für die Berechnung des Net Benefit im gesamten Unternehmen etabliert werden. Um die Glaubwürdigkeit des Konzepts von Anfang an zu sichern, ist es außerdem empfehlenswert, nur die monetären Effekte auf operativer Ebene bei der Ermittlung finanzieller Erfolgsgrößen zu berücksichtigen. Bei GE gibt es konzernweit geltende Richtlinien, sog. „Financial Benefit Guidelines“, in denen die Berechnung des finanziellen Nutzens von Six Sigma Projekten detailliert beschrieben wird. So dürfen z.B. als Six Sigma Benefit nur die direkt mit der Projektarbeit verbundenen Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen ausgewiesen werden. Opportunitätskosten, wie z.B. die Verringerung unbezahlter Überstunden oder die Vermeidung von Kundenumsatzverlusten, dürfen hingegen nicht einbezogen werden. Die Überwachung der Einhaltung dieser Richtlinien übernimmt als „neutraler Dritter“ der Controlling-Bereich von GE CompuNet. Die Kommunikation von Projekterfolgen stärkt die Akzeptanz von Six Sigma. Die Weitergabe und der Austausch von Erfahrungen hinsichtlich der Projektdurchführung und -ergebnisse ist ein wesentliches Prinzip der „Six Sigma Community“. So finden sich in einer seit fünf Jahren bestehenden GE-weiten Six Sigma Online-Projektdatenbank Informationen zu mehreren tausend Verbesserungsund Designprojekten. Durch die tägliche Aktualisierung und den allgemeinen Zugriff für alle Black Belts stellt sie eine geeignete Plattform dar, um die Lösungen aktueller Problemstellungen optimal zu unterstützen. Weiterhin dienen Symposien, Foren, Six Sigma Days usw. der Erweiterung und Verbreitung des Six Sigma Wissens über die Bereichsgrenzen hinaus. Im Rahmen von sogenannten Best Practice/Toolsharing Konferenzen werden bei GE regelmäßig Projektteams für herausragende Projektergebnisse ausgezeichnet. Zahlreiche Web-basierte Tools, wie z.B. der „Six Sigma Quality Coach“, ein interaktiver Trainer für Six Sigma Methoden, verkürzen die Lernzeit „junger“ Black Belts erheblich. Six Sigma sichert die Nachhaltigkeit von strukturellen Veränderungen. Im Gegensatz zu vielen Veränderungsprogrammen in anderen Unternehmen ist Six Sigma für GE keine Modewelle, sondern ein unausweichlicher Bestandteil der gesamten Unternehmenstätigkeit. Um die nachhaltigen Veränderungen im Unter-
Günter Bulk, Norbert Faulhaber
413
nehmen weiter zu fördern, muss jedoch das Konzept selbst das Kriterium Nachhaltigkeit erfüllen. Konkret bedeutet dies, dass Six Sigma heute zur Basisausbildung aller Mitarbeiter des Konzerns zählt und zudem ein fester Bestandteil des Trainings für neue Mitarbeiter ist. Niemand wird in eine Führungsrolle bei GE befördert, ohne zumindest an einem Green Belt Training teilgenommen zu haben. Viele ehemalige Quality Leader, Master Black Belts oder Black Belts haben inzwischen operative Führungspositionen im GE-Konzern eingenommen. Sie sprechen die „Six Sigma Sprache“ und leben die „Six Sigma Werte“. Darüber hinaus handeln sie nach den Six Sigma Zielgrößen Kundenzufriedenheit, Fehlerfreie Prozesse und Faktenbasierte Entscheidungen. Six Sigma durchdringt damit GE CompuNet jeden Tag ein Stück mehr und nimmt zunehmend Einfluss auf alle Handlungen und Entscheidungen im gesamten Unternehmen.
5
Veränderung der Unternehmenskultur durch Six Sigma
Für GE CompuNet ist Six Sigma mehr als ein weiterer „Methodenkoffer“ oder bloßes Qualitätsmanagement-Programm, das über bessere Tools und Instrumente verfügt als andere Programme. Vielmehr fokussiert Six Sigma im Unternehmen auf zwei Dimensionen: Erzeugung von Veränderungen sowohl hinsichtlich „weicher“ (z.B. Arbeitsbedingungen und Mitarbeiterzufriedenheit) als auch „harter“ Faktoren (z.B. Strukturen und Systeme). Erfolgsentscheidend ist neben den bekannten generischen Schlüsselfaktoren von Veränderungsprogrammen die unternehmensspezifische Ausgestaltung der Six Sigma Initiative und deren konkrete Umsetzung in Projekten. Wie gezeigt, kommt dabei der Einführungsphase, d.h. dem ersten Jahr mit Six Sigma, eine besondere Bedeutung zu. Wird es in dieser Phase nicht geschafft, die Organisation von Six Sigma umfassend zu überzeugen, drohen fehlende Glaubwürdigkeit und nichterfolgreiche Projekte in der Folgezeit. Nach erfolgreicher Implementierung besitzt Six Sigma zweifellos eine kulturverändernde Dimension. Insbesondere werden in Six Sigma Unternehmen kontinuierliche Veränderungen zur „Normalität“, d.h. Mitarbeiter und Management stellen ihr Verhalten und ihre Geschäftsparadigmen immer wieder in Frage und passen sie kontinuierlich an veränderte Rahmenbedingungen an. Nichtsdestotrotz ist Veränderungsmanagement kein „Selbstläufer“. Vielmehr werden Ausmaß und Substanz der Veränderungen, die mit Six Sigma einhergehen, von vielen Managern zunächst deutlich unterschätzt. Gerade deshalb stellt ein erfolgreiches und nachhaltiges Change Management für viele Unternehmen die größte Herausforderung bei der Implementierung sowie Weiterentwicklung von Six Sigma dar. In der Abbildung 8 sind die wesentlichen Elemente bzw. Teilschritte des Veränderungsmanagements in Verbindung mit Six Sigma aufgeführt.
414
Six Sigma – The Way We Run Our Business
Change Management führen und verantworten Notwendigkeit von Veränderungen herausstellen Vision und gemeinsamen Nutzen darlegen Verbindlichkeit gewährleisten Ist-Zustand
Übergangsphase
Soll-Zustand
Veränderungen nachhaltig machen Fortschritts-Controlling sicherstellen
Anpassung der Systeme und Strukturen
Abbildung 8: Change Management als Herausforderung und Chance für Six Sigma
Die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Six Sigma Konzepts ergibt sich nicht durch eine möglichst große Anzahl an Verbesserungsprojekten, sondern nur durch eine langfristige Verpflichtung aller Beteiligten zur konsequenten Anwendung von Six Sigma Methoden und Instrumenten. Dies drückt sich u.a. im Denken und Handeln jedes einzelnen GE-Mitarbeiters aus, der sich für das Ziel „Die Erwartungen aller GE-Kunden vollständig und wirtschaftlich erfüllen“ engagiert einsetzt. Jack Welch, ehem. CEO von GE, hat es im Juli 1999 einmal so beschrieben: „Six Sigma hat den genetischen Code von GE nachhaltig verändert. Six Sigma ist unsere Art zu arbeiten. Es ist in allem, was wir tun und in jedem Produkt, das wir neu entwickeln. Six Sigma ist unser eigentlicher Wettbewerbsvorteil!“
Einführung und Aufrechterhaltung von Six Sigma in der chemischen Industrie: Erfahrungen, Vergleich Amerika – Europa, Anwendungsmöglichkeiten Klaus Weckheuer
Inhalt 1 2 3 4 5 6 7
1
Ausgangssituation in einem Chemieunternehmen ....................................................415 Persönliche Erfahrungen bei der Einführung und Aufrechterhaltung ........................416 Amerika vs. Europa: Ein Six Sigma Vergleich..........................................................420 Anwendungsmöglichkeiten von Six Sigma bei chemischen Prozessen .....................422 Praxisbeispiel: Reduzierung der Streuung von Batchzeiten.......................................424 Anregungen für einen europäischen Six Sigma Ansatz .............................................428 Literatur .....................................................................................................................429
Ausgangssituation in einem Chemieunternehmen
Die Einführung von Six Sigma ist ein komplexer organisatorischer Prozess. Neben den zu beantwortenden technischen und personellen Fragen, sind die kulturellen Eigenschaften der Organisationen zu berücksichtigen. Erschwert wird dieser Prozess durch den heftig diskutierten Six Sigma Ansatz selbst – von den Einen als Unternehmensstrategie zur Realisierung finanzieller Beiträge und höherer Kundenzufriedenheit hoch gelobt – von den Anderen als eine neue Management-Welle mit „altem Wein in neuen Schläuchen“ ebenso vehement abgelehnt. Six Sigma Initiativen werden in vielen Unternehmen von der obersten Unternehmensleitung – häufig in Person des CEO – vorangetrieben und durchgesetzt. Allerdings sind für die dauerhaft erfolgbringende Implementierung die lokalen Randbedingungen der Unternehmen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für global agierende Unternehmen. Eine globale Six Sigma Einführung bedarf der Anpassung an die regionalen Unternehmenskulturen (vgl. Crom 2000, S. 73). Anhand der Einführung von Six Sigma in einer europäischen Niederlassung eines amerikanischen Chemiekonzerns soll dies verdeutlicht werden. Der Beitrag stellt sowohl die persönlichen Erfahrungen aus Sicht eines ehemaligen Black Belt als auch die Anwendungsmöglichkeiten von Six Sigma in Unternehmen der chemischen Industrie dar. In dem Beispielunternehmen (Hersteller von anorganischen Spezialchemikalien, weltweit ca. 6.400 Mitarbeiter, in der deutschen Niederlassung ca. 900 Mitarbeiter) startete die Six Sigma Initiative im Jahr 1999. Zu diesem Zeitpunkt übernahm
416
Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie
ein neuer CEO die Leitung des Unternehmens, der die Six Sigma Methodik während seiner vorherigen Tätigkeit kennen gelernt hatte. Der Six Sigma Einführungsprozess gestaltete sich analog anderer Unternehmen wie folgt: Zu Beginn fand ein Six Sigma Training für die Vorstandsmitglieder und die Leiter der globalen Geschäftsbereiche statt, um die Führungsverantwortlichen mit den Zielen, Methoden und Begriffen von Six Sigma vertraut zu machen. Im Anschluss daran wurden weltweit mehrere zweitägige Six Sigma Champion-Trainings durchgeführt, um dem regionalen mittleren Management sowohl die Six Sigma Vorgehensweise als auch die spezifischen Champion-Aufgaben zu erläutern. Kurz darauf folgte die Auswahl der ersten Black Belts (in Vollzeitbeschäftigung), die parallel zur Ausbildung ein Trainingsprojekt bearbeiteten. Im Laufe der Zeit folgten weitere Black Belt „Wellen“ sowie die Ausbildung von Green und Yellow Belts. Zur Zeit wird das Programm durch Lean Management Methoden ergänzt. Six Sigma ist mittlerweile fest im Unternehmen etabliert. Die Initiative wird nach wie vor vom CEO vorangetrieben. Die Produktlinienverantwortlichen lassen sich monatlich über den Status der Six Sigma Projekte von den Black Belts unterrichten und die Six Sigma Methode wird in immer mehr Bereichen und Prozessen des Unternehmens angewendet.
2
Persönliche Erfahrungen bei der Einführung und Aufrechterhaltung
Parallel zu der offiziellen Einführung von Six Sigma läuft ein subjektiver Erlebnisprozess bei allen Mitarbeitern ab. Dieser Prozess beginnt bei der ersten Information über Six Sigma und führt anschließend zu einer mehr oder weniger starken Beteiligung an dem Six Sigma Programm. Obwohl dieser Prozess von jedem Mitarbeiter anders wahrgenommen wird, lassen sich bei der Übertragung von der amerikanischen Mutter- auf die deutsche Tochtergesellschaft typische Phasen erkennen. Diese Erlebnisphasen werden in der folgenden Grafik dem Six Sigma Programm exemplarisch gegenübergestellt und anschließend erläutert. Die erste Phase aus Sicht der Mitarbeiter ist die Überraschungsphase. Diese Phase wird durch die Information, dass das Unternehmen Six Sigma einführen wird, gekennzeichnet (vgl. hier und im Folgenden Abbildung 1). Zwar hat im Laufe der letzten Jahre der Bekanntheitsgrad von Six Sigma deutlich zugenommen, jedoch war der Begriff bis zum Jahr 1999 nur wenigen Fachleuten vertraut. Als Konsequenz dieses Informationsdefizits über Ziele, Methoden und Strukturen von Six Sigma folgte eine kurze Abwartephase. Typische Kommentare, die zu jener Zeit im Unternehmen zu hören waren, lauteten: „schon wieder eine neue Initiative“ oder „nächstes Jahr ist der CEO ohnehin wieder weg“.
Klaus Weckheuer
Zeitskala Jahr 0
Jahr 1
Schwerpunkte
417
Erlebnisphasen
Erste Information über Six Sigma Vorstandstraining Start mit weltweitem Champion Training
Überraschungsphase
Suche nach Black Belts und Six Sigma Projekten Ausbildung und Projektstart (1. Welle)
Schmunzelphase 1. Projektphase
Abschluss der ersten Projekte Start der 2. Black Belt Welle in der Produktion Start mit Green Belt Ausbildung Weitere Projekte in der Produktion und erste Projekte außerhalb der Produktion
Abwartephase
Erste Erfolgsphase Durchhaltephase
Jahr 2
Start der 3. Black Belt Welle in der Produktion Fortführung Green Belt Ausbildung Start mit Yellow Belt Ausbildung
Konsolidierungsphase
Jahr 3
Programmerweiterung auf andere Bereiche (z.B. Forschung, Anwendungstechnik, Marketing)
Hochphase der Anwendung
Jahr 4
Konsolidierung des Programms in der Produktion Fortführung der Green Belt und Yellow Belt Ausbildung
Jahr 5
Start der 4. Black Belt Welle Übertragung von Six Sigma in das operative Tagesgeschäft
Routinephase
Jahr 6
Start der Lean Management Implementierung (Produktion und Administration) Neuorganisation des Six Sigma Programms
Wendephase
Jahr 7
Lean Management Einführung (Projekte & Training) Start der 5. Black Belt Welle
Nächste Schritte
Abbildung 1: Erlebnisphasen bei der Einführung und Aufrechterhaltung von Six Sigma
Um das Informationsdefizit zu beheben, fanden insbesondere Schulungen der Führungskräfte (Champions) statt. Zusätzlich startete die Unternehmensleitung eine Informationskampagne über das Intranet. Mit der Suche nach Black Belts begann gleichzeitig eine neue Phase: die Schmunzelphase. Zugegebenermaßen mutet eine Positionsbezeichnung mit dem Titel „Träger des schwarzen Gürtels“ für den mitteleuropäischen Sprachgebrauch etwas befremdlich an und verleitet zu einem kleinen Lächeln. Die Aufgaben und die Besonderheiten der Black Belt Position waren zu diesem Zeitpunkt kaum jemanden bewusst. Daher gestaltete es sich anfangs schwierig, Mitarbeiter für diese Tätigkeit zu gewinnen. Nachdem die ersten Champion Trainings absolviert und die Black Belts gefunden waren, begann die erste Projektphase. Trainingsprojekte wurden ausgewählt und die Black Belts zur Ausbildung in die USA geschickt. Diese erste Projektphase war geprägt von einer noch zurückhaltenden Unterstützung der Six Sigma Methode in den Produktionsbetrieben. Aus diesem Grund gestaltete sich die Durchführung der ersten Projekte als relativ schwierig. Zum einen bestand wenig Erfahrung
418
Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie
in der Anwendung der Six Sigma Systematik und zum anderen erwies sich die Projektauswahl und -definition als noch nicht optimal. Trotz aller Startschwierigkeiten wurden die Projekte von den Black Belts und ihren Teams erfolgreich abgeschlossen. Man erreichte die erste Erfolgsphase. Als Resultate dieser Projekte konnten sowohl die interne Eignung der DMAIC Methodik als auch die ersten finanziellen Beiträge verzeichnet werden. Die Akzeptanz des Six Sigma Ansatzes zur Prozessoptimierung war deutlich gestiegen. Dabei zählte vor allem die gründliche Datenanalyse zu den positiven Aspekten von Six Sigma. Um die Initiative im Unternehmen weiter auszubauen, wurden weitere Black Belts ausgebildet. In diesem Zusammenhang lauteten häufig gestellte Fragen: „Was passiert, wenn keine Projekte mehr da sind?“ oder „Wie lange soll Six Sigma noch weitergeführt werden?“. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass in naher Zukunft kein Mangel an Projekten zu erwarten ist. Six Sigma kann und wird in immer weitere Bereiche des Unternehmens vordringen. Im Anschluss an die ersten Erfolge entwickelte sich eine längere Phase, bei der die Ausdauer aller Beteiligten gefragt war. Diese Durchhaltephase war von einigen Besonderheiten charakterisiert. Die Anzahl der durchzuführenden Six Sigma Projekte stieg kontinuierlich an, wobei die meisten ihre Zielvorgaben erreichen und z.T. übertreffen konnten. Nur wenige Projekte haben die Zielsetzung verfehlt bzw. scheiterten ganz. Dies diente nicht zuletzt als Aufhänger für erneute Diskussionen um das „Für und Wider“ von Six Sigma. Ein anderer Kritikpunkt war in diesem Zusammenhang die hervorgehobene Position der Black Belts im Unternehmen. Diese „Exklusivität“ wurde im Unternehmen akzeptiert, wenn Six Sigma Projekte herausragende Ergebnisse erzielten. Ansonsten war der Unterschied zur konventionellen Prozessoptimierung nicht deutlich genug. Die Position der Black Belts wurde weiterhin durch die Tatsache angegriffen, dass die Personen ihren ursprünglichen Aufgaben nicht oder nur z.T. nachgehen konnten. Auf Grund der Nicht- oder Teilbesetzung von diesen Positionen kam es zur unmittelbaren Mehrbelastung von anderen Mitarbeitern. Ausdauer bei allen Beteiligten, Unterstützung der Black Belts durch ihre Vorgesetzten, Anpassung des Arbeitsumfeldes an die neuen Strukturen und das Festhalten an einer langfristigen Six Sigma Strategie waren die wesentlichen Voraussetzungen, um diese Phase „unbeschadet“ zu durchlaufen. Am Ende dieser schwierigen Phase stand die Konsolidierungsphase. Sie war in erster Linie durch eine breite Akzeptanz der Six Sigma Methodik und einer wesentlich strukturierteren Projektauswahl und -definition geprägt. Six Sigma wurde nunmehr als interner Standard für Projektbearbeitungen anerkannt. Viele Mitarbeiter waren mit den Methoden sowie den gegenseitigen Anforderungen und Erwartungshaltungen der Black Belts, Champions und Teammitglieder vertraut. In dieser Phase fanden verstärkt Green Belt Trainings statt, um u.a. die „kritische Masse“ für den Erfolg von Six Sigma sicherzustellen. Als vorteilhaft stellte sich in diesem Zusammenhang heraus, dass viele Champions ebenfalls ein Green Belt Training absolviert hatten.
Klaus Weckheuer
419
Da auch Initiativen und Programme einem Lebenszyklus unterliegen, folgte nach der Konsolidierung zunächst eine ein- bis zweijährige Phase, die rückblickend als eine Art Hochphase der Six Sigma Anwendung zu bezeichnen ist: viele erfolgreiche Projekte, viele Schulungen und intensive Nutzung der Werkzeuge sind nur einige Kennzeichen. Entscheidend ist in dieser Phase, ebenso wie beim Produktlebenszyklus, rechtzeitig neue Impulse für die Weiterentwicklung des Programms zu geben, da sonst eine Sättigung oder sogar ein Rückgang eintreten wird. Letzterer wird hervorgerufen durch den Übergang von einer Initiative zur Routine, was die Emotionen aus dem Programm nimmt, und durch das Fehlen neuer Anreize, wenn alle Prozesse bereits mehrfach mit Six Sigma Tools untersucht wurden. Diese Innovationskrise darf nicht unterschätzt werden. Im Beispielunternehmen wurde deshalb global mit der Einführung von Lean Management in das Programm eine Wendephase eingeleitet, in der das Programm grundlegend überarbeitet wurde. Anzeichen dieser Wende waren u.a. •
Neudefinition des Programms: von einem reinen Six Sigma Programm hin zu einem generischen „Productivity-Program“
•
Einbindung von Lean Management Methoden in den Werkzeugkasten von Six Sigma und Schaffung von personellen Ressourcen
•
Veränderung der Six Sigma Reporting-Strukturen
•
Übernahme von Linienverantwortung ehemaliger Black Belts und Ausbildung von neuen Black Belts, incl. Änderung der Trainingsinhalte
Abschließend werden Faktoren aufgelistet, die sich im Rückblick für die Einführung und Aufrechterhaltung von Six Sigma als wichtig erwiesen haben: •
Die Bedeutung der Six Sigma Projekte für die erfolgreiche Umsetzung von Geschäftsstrategien muss klar kommuniziert werden (Warum machen wir das überhaupt?). Six Sigma ist keine Einzellösung, sondern muss in das Unternehmensumfeld integriert werden.
•
Die Auswahl von Black Belts und das Zusammenspiel von Champions und Black Belts zur Förderung einer Six Sigma Kultur muss funktionieren.
•
Die Mitarbeiter müssen sich in dem Programm wieder finden (Projektauswahl, -mitarbeit, Prämierung, Anerkennung, ...). Six Sigma ist kein Betätigungsfeld für Einzelkämpfer.
•
Die Einbindung von Six Sigma in ein bestehendes Managementsystem (z.B. Operational Planning, Qualitätsmanagement) ist von großer Bedeutung, um die Stabilität und Konsistenz sicherzustellen, sowohl für die Planung und Durchführung der Projekte als auch für die qualitative und finanzielle Erfolgskontrolle. Dies ist um so wichtiger, wenn Six Sigma in Bereichen außerhalb der Produktion eingeführt werden soll.
•
Die Projekte sind klar zu definieren und auf Methodendisziplin ist zu achten.
420
•
3
Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie
Ein langer Atem bei allen Beteiligten ist erforderlich. Letztlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass Six Sigma kein Selbstläufer ist und als eine Investition in ein strategisches Programm zu sehen ist.
Amerika vs. Europa: Ein Six Sigma Vergleich
Six Sigma wurde im betreffenden Unternehmen in US-amerikanischen und europäischen Standorten zeitgleich eingeführt. Obwohl der Einführungsprozess grundsätzlich ähnlich ablief, werden im folgenden einige wichtige Unterschiede benannt. Bedingt durch die historisch und kulturell gewachsenen Unterschiede, sind die Voraussetzungen für den Erfolg von Six Sigma in den USA anders als in Europa (vgl. auch McElhiney 2001).
Europa
USA Akzeptanz Fokus auf das „Neue“ an der Six Sigma Methode
Fokus auf mögliche Problemfelder bei der Six Sigma Umsetzung
Umsetzung Schnelles Herangehen Zügige Umsetzung
Sukzessive Integration Höherer Zeitbedarf
Perspektive Kurzfristig: Six Sigma als Geschäftsstrategie zur Kostenreduzierung
Mittelfristig: Effizientes Projektmanagement (Optimierung, Gewinnsteigerung)
Entlohnung Hervorhebung von Einzelpersonen und -leistungen Prämiensystem
Erfolg durch das Team maßgeblich Einbindung der Black Belts
QM-Integration QM in erster Linie zur Erfüllung von ISO-Anforderungen
Six Sigma als integraler Bestandteil des Qualitätsmanagement
Abbildung 2: Voraussetzungen für den Erfolg von Six Sigma in USA und Europa
Klaus Weckheuer
421
In Amerika wurde zunächst das „Neue“ an der Six Sigma Methode betont (vgl. im Folgenden Abbildung 2). Der Pioniergeist vergangener Tage ist nach wie vor in den USA zu spüren, wenn es darum geht, neue Techniken und Methoden auszuprobieren. Im Gegensatz dazu wurde in Europa schwerpunktmäßig auf mögliche Problemfelder geschaut. Eine neue Methode wird hier erst akzeptiert, wenn ihr Erfolg getestet wurde, sozusagen „Six Sigma mit CE-Zeichen“. Der Zeitbedarf bis zur breiten Akzeptanz von Six Sigma war daher in Europa höher als in den USA. Die eher technische Sichtweise der Europäer konnte sich mit den missionarisch anmutenden Verkündigungen der Amerikaner und den beschriebenen Erfolgsgeschichten nicht recht anfreunden. Nach wie vor liegt der Schwerpunkt der Akzeptanz auf der sachlich strukturierten DMAIC Vorgehensweise zur Prozessoptimierung. Der Einsatz von Six Sigma wird in Europa weniger als Geschäftsstrategie sondern vielmehr als effektives und effizientes Projektmanagement zur Umsetzung von Unternehmenszielen gesehen. In Verbindung mit dieser Unterscheidung ist auch der zweite Punkt in Abbildung 2 zu sehen. Für eine zügige Umsetzung haben die Amerikaner schnell Tatsachen geschaffen, die dann durch eine entsprechende Symbolik untermauert wurden. Die Europäer waren hingegen mit der Frage beschäftigt, wie sie Six Sigma in ihre bestehenden Strukturen sukzessive integrieren können. Six Sigma leistet einen wichtigen Beitrag zur Erwirtschaftung finanzieller Beiträge. Diese sind insbesondere zu Beginn der Initiative von Bedeutung, da sie für eine nachhaltige Akzeptanz und Wertschätzung sorgen. Damit ist allerdings nicht nur eine kurzfristige Kostenreduzierung gemeint. Vielmehr sollte Six Sigma unter der Perspektive der mittelfristigen Prozessoptimierung betrachtet werden. Das heißt, der Wert von Six Sigma äußert sich in verbesserten Prozessen und Produkten, die zu einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit und damit des Umsatzes führen. Dieser Zugang zu Six Sigma ist in Europa häufiger zu finden als in Amerika. Während in Europa der Fokus auf dem Erfolg des gesamten Systems, z.B. Geschäftsbereich, lag, wurde in den USA besonders die Leistung des Einzelnen hervorgehoben. Dies spiegelte sich u.a. in einem leistungsbezogenen Prämiensystem wider. In Europa wurde der Erfolg hingegen durch ein Team sowie eine Vielzahl von Beteiligten, wie z.B. Anlagenfahrern, Laboranten oder Instandhaltern, erreicht. Ein Entlohnungssystem, das die Black Belts im Vergleich zu anderen Beteiligten besonders herausstellt, führt häufig zu Unmut und Akzeptanzverlusten (vgl. hierzu Magnusson/Kroslid/Bergman 2001, S. 80). In Europa wurde deshalb auch ein völlig anderer Weg zur Einbindung der Black Belts gewählt. Im Gegensatz zu den USA verblieben sie überwiegend in ihren angestammten Fachbereichen, z.B. Produktion oder Entwicklung. Während die Black Belts in Amerika in einer eigenständigen Six Sigma Organisation unter Führung eines Master Black Belts operieren, bearbeiten europäische Black Belts Projekte von ihrer Fachabteilung aus. Dadurch wird u.a. eine bessere Verbindung von Projektbearbeitung und Abwicklung des Tagesgeschäfts erreicht. Black Belts gehören sicherlich zu den wich-
422
Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie
tigsten Akteuren im Six Sigma Prozess. Sie agieren in einem historisch gewachsenen Unternehmensumfeld, das sich durch Six Sigma nicht schlagartig, sondern sukzessive ändert. Es ist die Herausforderung der Black Belts, diese Gratwanderung zwischen erfolgreicher Six Sigma Projektarbeit und der Entwicklung persönlicher Akzeptanz bei den Beteiligten zu schaffen. Bei zu einseitiger Auslegung seiner Tätigkeit wird ein Black Belt schnell auf Widerstände stoßen. Diese Gratwanderung macht jedoch auch den Reiz seiner Arbeit aus. Ein letztes wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Integration von Six Sigma in die Organisation des Qualitätsmanagements. In Europa wird Six Sigma als Bestandteil von QM aufgefasst – die ISO 9001:2000 gibt dabei den Rahmen vor. Als ein wesentliches Werkzeug zur kontinuierlichen Verbesserung soll eine Interpretation im Sinne von „Cowboy Quality“ (vgl. Maguire 1999, S. 27) vermieden werden. Ebenfalls wird eine organisatorische Kopplung von Six Sigma und QM angestrebt, um zwei getrennte Organisationen mit gleichen Zielen, Kundenzufriedenheit und -loyalität, zu vermeiden. In diesem Punkt wird in Amerika grundlegend anders argumentiert. QM wird hier – historisch begründet – in erster Linie als Erfüllung von ISO-Anforderungen gesehen und weniger als Rahmen innerhalb dessen das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit betreibt. Letztendlich ist jedoch die Entscheidung über die Einbindung von Six Sigma in das QM-Konzept vom Ansehen des Qualitätsmanagements im Unternehmen abhängig.
4
Anwendungsmöglichkeiten von Six Sigma bei chemischen Prozessen
Die bisher dargestellten Aspekte haben sich mit der Organisation der Six Sigma Einführung beschäftigt. Im Folgenden wird die Brücke zu einer technischen Darstellung der Six Sigma Methodik bei der Analyse und Optimierung chemischer Prozesse geschlagen. Bei Letzteren handelt es sich vereinfacht um das Mischen verschiedener Einsatzstoffe unter festgelegten Betriebsbedingungen, um eine reproduzierbare stoffliche Reaktion zu bewirken (vgl. Abbildung 3). Daran anschließend findet i.d.R. eine Aufarbeitung statt, in der das gewünschte Produkt von Nebenprodukten abgetrennt wird (vgl. Weckheuer/Westrup 2001, S. 7). Das Zusammenspiel aus Vorprodukten, die z.B. von einem anderen Betriebsteil zur Verfügung gestellt werden, Rohstoffen und daraus erstellten Ansätzen ist in der Praxis häufig sehr komplex. Dies gilt sowohl für die Prozessführung als auch für die Qualitätssteuerung und -beurteilung. Die Prozessführung steuert die Prozesse über umfangreiche Mess- und Regeltechnik, um die Steuergrößen auf einem bestimmten Sollwert zu halten. Abweichungen werden vom Prozessleitsystem frühzeitig erkannt. Im Rahmen definierter Regelschleifen erfolgt dann die Rückführung der Prozesse auf Sollwert. Parallel zur Prozessleittechnik wird die Qualitätslage der Input-, Steuer- und Outputgrößen analytisch überwacht und – sofern
Klaus Weckheuer
423
möglich – über Statistische Prozessregelung (SPC) gesteuert. Bei dieser Form der Steuerung werden in der Praxis viele Datensätze generiert. Da sie in verschiedenen Formaten und an unterschiedlichen Orten im Unternehmen anfallen, sind sie häufig nur „oberflächlich“ statistisch auswertbar. Zudem werden Qualitätsvariationen durch die äußerst effiziente Prozessleittechnik geradezu „weggepuffert“. Es entsteht damit ein effektives Symptombekämpfungssystem, das in komplexen Anlagen Ursachen-Wirkungs-Beziehungen oftmals verwischt. Vorprodukte
Rohstoffe Ansätze
Chemischer Prozess • Mischen • Reagieren • Aufarbeiten
Kuppelprodukte Produkte
Abbildung 3: Grundschema der chemischen Produktion
In solchen Situationen kann der Einsatz von Black Belts außergewöhnlich erfolgreich sein. Das Zusammentragen und Auswerten der vorhandenen Daten (z.B. Analyse- und Prozessdaten auf Grund prozessbegleitender Messungen bzw. Anlagenzustände) in einer gemeinsamen Datenbank ist ein zeitintensiver Vorgang, der im Tagesgeschäft vom Betriebspersonal oft nicht realisiert werden kann. Dabei müssen nicht nur die Daten von verschiedenen Orten (Probenahmepunkten) miteinander in Verbindung gebracht, sondern auch Zeitversätze, Zwischenprodukte und Rückvermischungen berücksichtigt werden. Diese Arbeit ist von Black Belts zu bewältigen, die im Hinblick auf statistische Datensammlung und -aufbereitung über ausreichend Erfahrung bzw. Wissen verfügen. Weiterhin bringt der Black Belt technisches Prozesswissen ein, auf das er bei der Interpretation statistischer Auswertungen im Projekt zurückgreifen kann. Eine Reihe von Six Sigma Methoden bietet sich hervorragend für die Analyse und Optimierung chemischer Prozesse an. Im folgenden sind sechs Werkzeuge beispielhaft angegeben: •
Messsystem-Analysen (Gage R&R-Studien) werden vielfach eingesetzt, da bei chemisch-physikalischen Messungen häufig eine hohe Mess-Streuung zu
424
Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie
berücksichtigen ist. Die Nichtbeachtung dieses Effekts kann zu kostenintensiven Fehleinschätzungen bei SPC oder faktoriellen Versuchen führen. •
Multiple Regressionen leisten hervorragende Dienste bei der Analyse von stationären Prozessen.
•
Grafische Analysen wie z.B. Boxplot, Main-Effects-Plot oder der MatrixKorrelationsplot vereinfachen die Suche nach Zusammenhängen zwischen mehreren Variablen und führen zu signifikanten Zeitersparnissen bei der Projektbearbeitung.
•
Vergleiche von Konfidenzintervallen dienen der Interpretation von Anlagenoder Materialunterschieden und eignen sich häufig besser als der bekannte tTest oder die Varianzanalyse.
•
Zeitreihenbetrachtungen, z.B. Autokorrelation oder Kreuzkorrelation, sind in hervorragender Weise geeignet, SPC-Anwendungen bei kontinuierlich betriebenen Reaktoren zu unterstützen. Insbesondere die Autokorrelationsrechnung, welche die zeitliche Unabhängigkeit von Daten prüft, ist eine der zentralen statistischen Methoden bei chemischen Prozessen.
Die Anwendung statistischer Methoden kann durch einige Randbedingungen eingeschränkt werden, z.B. wenn nur wenige Versuchsdaten vorliegen. Für eine aussagekräftige Prozessfähigkeitsstudie werden (theoretisch) mindestens 25 Werte benötigt. In der Praxis kann dies in manchen Fällen nicht kurzfristig realisierbar sein. Außerdem sind bestimmte statistische Voraussetzungen nicht immer exakt erfüllt, z.B. Normalverteilung oder Prozessstabilität. In solchen Situationen erscheint der Einsatz statistischer Methoden fraglich. Eine Ablehnung der Anwendung von statistischen Methoden würde zwar nicht zu einer Verschlechterung, aber auch nicht zu einer Verbesserung des Systems führen. Vielmehr sollte der Black Belt durch die Kombination seines technischen und statistischen Wissens in der Lage sein, das Problem zu lösen. Hier wird nochmals die Besonderheit des Black Belts deutlich – er ist kein Statistiker, sondern ein Problemlöser mit statistischer Denkweise (vgl. auch Hoerl 2001, S. 391). Diese Kombination aus technisch-praktischer Erfahrung mit grafisch-statistischen Kenntnissen führt zu einer gewissen „Schlagkraft“, für welche die Bezeichnung „Schwarzer Gürtel“ durchaus angemessen erscheint.
5
Praxisbeispiel: Reduzierung der Streuung von Batchzeiten
Im Folgenden wird eine ebenso einfache wie wirkungsvolle statistische Analyse vorgestellt. Hintergrund war ein Six Sigma Projekt zur Steigerung der Produktionskapazität, um die gestiegene Kundennachfrage innerhalb der gleichen Lieferzeit befriedigen zu können. Der zu optimierende Prozess wurde von einem Six Sigma Team analysiert, um Engpässe zu entdecken und zu beseitigen.
Klaus Weckheuer
425
Batchzeiten (in h)
Einer der identifizierten Engpässe war die starke Streuung der Zeitdauer von Batchen zu Prozessbeginn. Kennzeichnend für einen Batch ist, dass zum Zeitpunkt der Fertigstellung eine homogene und eindeutig abgegrenzte Produktionsmenge vorliegt, die wie ein einzelnes Stück interpretiert werden kann. Der Batch in der chemischen Produktion entspricht im übertragenen Sinn der Schraube in der Teilefertigung. Da manche Batche deutlich länger bis zur Fertigstellung benötigten als andere, konnten die nachfolgenden Prozessschritte nicht immer mit der vollen Auslastung gefahren werden. Diese Minderauslastung führt zu verringerten Fertigproduktmengen, somit zu erhöhtem Produktionsaufwand und – da alle Produkte letztlich auf dem Markt verkauft werden können – zu reduzierten Umsätzen. Um diesen Engpass zu beseitigen, wurde in einer ersten Analyse eine Einzelwert- und Moving Range-Karte für die Batchzeiten erstellt (vgl. Abbildung 4). 25 UCL=21,37
20 15
Mean=14,98
10
LCL=8,581 LCL=8 ,581 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Moving Range
Batch-Nummer 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
UCL=7,857
R=2,405 LCL=0 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Abbildung 4: Einzelwert- und Moving Range-Karte für Batchzeiten
In dieser Darstellung konnte kein nennenswertes Muster erkannt werden, außer den Verletzungen der Eingriffsgrenzen vor dem Batch Nummer 70. Verschiedene statistische Auswertungsmethoden wurden anschließend angewendet, um Muster oder Zusammenhänge zu möglichen Einflussgrößen zu erkennen. Eine der durchgeführten Analysen war die Erstellung einer Autokorrelationsfunktion. Diese prüft, ob die Daten, die sukzessive aus einem Prozess gewonnen werden, voneinander unabhängig sind. Oder anders ausgedrückt: Es wird die Frage beantwortet, ob ein Wert x(t) von seinem vorherigen Wert x(t-1) beeinflusst wird. Dieser Fall tritt bei kontinuierlich betriebenen Reaktoren in der chemischen Industrie häufig auf und hat weitreichende Konsequenzen für die Anwendung statistischer Methoden.
426
Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie
Bei Batchprozessen erwartet man, dass die produzierten Batche voneinander unabhängig sind, da der Batch durch die Lotabgrenzung eindeutig vom vorherigen Batch gekennzeichnet wird. Die untersuchten Batchzeiten zeigten jedoch eine signifikante Autokorrelation. Das heißt, die aktuelle Batchzeit ist statistisch nicht unabhängig von der Batchzeit des davor produzierten Batches. Ausgehend von diesem Phänomen wurde im Team nach Erklärungsansätzen gesucht. Insbesondere suchte man nach Faktoren, die mehr als einen Batch beeinflussen können. Solche Faktoren können z.B. Rohstoffe, Vorprodukte oder Ansätze, die für mehrere Batche benutzt werden, sein. Für diese möglichen Faktoren wurde analysiert, ob sich aus ihnen die Autokorrelation der Batchzeiten erklären kann.
Batchzeiten (in h)
Einer der untersuchten Faktoren war ein Ansatz, der im Folgenden als chemische „Lösung x“ bezeichnet wird. Aus einem Ansatz der chemischen Lösung x werden mehrere Batche des Produktes hergestellt. Der mögliche Einfluss der Lösung x wurde erneut mit Hilfe einer Einzelwertkarte untersucht, allerdings mit der Unterteilung der Daten nach den verschiedenen Ansätzen der chemischen Lösung xi (vgl. Abbildung 5). x1
30
x2
x3
x4
x5
x6
x7
x8
x9
x10
x11 UCL=21,11
20
Mean=12,75
10
LCL=4,391 0 0
10
20
30
40 50 Batch-Nummer
60
70
80
90
Lösungsansatz xi
Moving oving Range
x1
x2
x3
x4
x5
x6
x7
x8
x9
x10
x11 UCL=10,27
10
5 R=3,143 0
LCL=0 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Abbildung 5: Einzelwert- und Moving Range-Karte unterteilt nach Lösungsansätzen
In obiger Abbildung wird die „voice of the process“ deutlich: Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit steigt die Batchzeit innerhalb der Verwendung eines chemischen Lösungsansatzes im Laufe der Zeit an. Je „älter“ die Lösung xi wird, desto länger dauern die Batche. Bei einem neuen Lösungsansatz, z.B. nach dem Wechsel von x7 auf x8, nehmen die Batchzeiten wieder ab. Weiterhin fällt auf, dass der erste Batch aus einer neuen Lösung in der Regel etwas länger dauert als der zwei-
Klaus Weckheuer
427
te. Der Anstieg der mittleren Batchzeit innerhalb der Verwendungsdauer von einem Lösungsansatz kann deutlich mit einem Main-Effects-Plot dargestellt werden (vgl. Abbildung 6).
mittlere Batchzeit (in h)
20
15
10 1
3
5
7
9
Batch-Nummer aus Lösungsansatz xi
Abbildung 6: Main-Effects-Plot für mittlere Batchzeit vor der Optimierung
Der Anstieg der mittleren Batchzeiten mit „Älterwerden“ der chemischen Lösung x ist statistisch signifikant und lässt sich chemisch-technisch begründen. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs fand das Team eine Möglichkeit, durch Modifikation der Einsatzbedingungen dem Langsamerwerden der Batche ab Batch Nummer 6 entgegenzusteuern. Ebenfalls konnte eine Erklärung dafür gefunden werden, warum der erste Batch immer länger dauerte als der zweite: Beim ersten Batch gab es noch kleine Restmengen von alter Lösung aus dem vorherigen Ansatz in dem Dosierbehälter, die sich mit der neuen Lösung mischten und so zu einer Verlangsamung des ersten Batches führte. Nach der Modifikation der Einsatzbedingungen konnte die Streuung der Batchzeiten verringert werden, da die langsamen Batche ab Nummer 6 vermieden wurden (vgl. Abbildung 7). Durch die Reduzierung der Streuung in den Batchzeiten leistete das Team einen wichtigen Beitrag zur Kapazitätssteigerung, da die Anlagen nun kontinuierlich mit der vollen Auslastung produzieren konnten. Außerdem war eine Reduzierung des Volumenstroms aufgrund von Wartezeiten für „langsame“ Batche nicht mehr notwendig. Dieses Beispiel zeigt, dass durch die geschickte Anwendung von Six Sigma Methoden, die vorhandenen Daten in chemischen Prozessen systematisch und zielgerichtet ausgewertet und genutzt werden können. Six Sigma ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung für Unternehmen kleinerer und mittlerer Größe. Diese verfügen i.d.R. nicht über Fachabteilungen mit Statistikern, sondern erhalten durch Six Sigma Training und Black Belt Tätigkeit hervorragende Unterstützung bei der Prozessoptimierung.
428
Einführung von Six Sigma in der chemischen Industrie
mittlere Batchzeit (in h)
20
15
10 1
3
5
7
9
Batch-Nummer aus Lösungsansatz xi
Abbildung 7: Main-Effects-Plot für mittlere Batchzeit nach der Optimierung
6
Anregungen für einen europäischen Six Sigma Ansatz
Viele Six Sigma Methoden sind vertraut und bekannt – neu ist jedoch die strukturierte und systematische Anwendung innerhalb des DMAIC Prozesses zur Erzielung finanzieller Beiträge. Die konsequente und nachweisbare Ergebnisorientierung unterscheidet Six Sigma deutlich von anderen Initiativen. Die organisatorische Herausforderung der Six Sigma Einführung liegt darin, Neues mit Bewährten optimal zu verbinden. Ein möglicher Ansatzpunkt zur Lösung dieser Aufgabe liegt in der Integration von Six Sigma in bestehende Unternehmenskonzepte und -organisationen. Diese Einbindung fördert die Akzeptanz der Initiative und unterstützt die Arbeit der Black Belts. Durch die Einbindung von Six Sigma Projekten in bekannte Strukturen wird in erster Linie eine schnelle Projektbearbeitung angestrebt und in zweiter Linie eine Reduzierung der Unsicherheit, die mit der Einführung eines neuen Programms – gerade zu Beginn – verbunden ist. Europa ist – stärker als Amerika – durch kulturelle Diversifikation gekennzeichnet. Die regionalen Unterschiede spiegeln sich z.B. in der Kommunikation, der Organisationsgestaltung oder im Projektmanagement wider. Sie sind bei der Einführung von Six Sigma zu berücksichtigen. Zum Beispiel muss die Auswahl, Positionierung und Weiterentwicklung der Black Belts der lokalen Unternehmenskultur angepasst sein. Der oft propagierte Ansatz von zwei Jahren Black Belt Tätigkeit mit anschließender Übernahme neuer Aufgaben lässt sich in vielen (kleineren) Unternehmen, mit einer mittelfristigen Personalpolitik ohne JobRotation, nicht realisieren. Vielmehr gilt es, die Black Belt Position so zu gestal-
Klaus Weckheuer
429
ten, dass sie den Stelleninhabern auch nach der Projektbearbeitung neue Six Sigma Betätigungsfelder aufzeigt. Zu diesen gehören beispielsweise Planung und Durchführung von Schulungen, Betreuung von Green Belts, Veröffentlichungen und Vorträge, Erlernen erweiterter statistischer Verfahren oder externe Projektbegleitung. Mit dem Erfolg der Projektarbeit, dem aufgebauten Netzwerk und der persönlichen Reputation ist der Black Belt in der Lage, sich eine günstige Ausgangsposition für die Übernahme von neuen verantwortungsvollen Aufgaben aufzubauen. Black Belts brauchen die Unterstützung ihrer Umgebung, um erfolgreich zu sein. Daher sollte ein Six Sigma Prämiensystem so gestaltet werden, dass die Black Belts eine solche Unterstützung dauerhaft erfahren können. Bei der Projektauswahl und -definition sind immer zwei Projektziele zu unterscheiden. Neben der kurzfristigen Kostenreduzierung sollten auch mittel- bzw. langfristige Ziele, z.B. Umsatzsteigerung, Kundenzufriedenheit und -loyalität sowie Vermeidung zukünftiger Kosten, angestrebt werden. Kostenreduzierungsprojekte sind wichtig, da in ihnen „harte“ Beträge verdient werden, die sich in der Gewinn- und Verlustrechnung wiederfinden. Kostenorientierte Projekte haben zusätzlich den Vorteil, dass sie zu einer schnellen Amortisation des Six Sigma Aufwandes beitragen. Allerdings dürfen dabei mittelfristige Ziele nicht aus den Augen verloren werden. Verbesserte Prozesse führen insbesondere zu einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Damit verbundene Umsatzsteigerungen überwiegen i.d.R. den Wert kurzfristiger Kostenreduzierungen. Eine gesunde Mischung aus kurz- und mittelfristig definierten Projekten ist deshalb essentiell für den Erfolg von Six Sigma.
7
Literatur
Crom, S. (2000): Implementing Six Sigma in Europe – A cross-cultural perspective, in: Quality Progress, October 2000, S. 73-75. Hoerl, R.W. (2001): Six Sigma Black Belts: What do they need to know? in: Journal of Quality Technology, Vol. 33, No.4, October 2001, S. 391-406. Magnusson, K./Kroslid, D./Bergman, B. (2001): Six Sigma umsetzen, Carl Hanser Verlag, 1. Aufl., München/ Wien 2004, S. 80. Maguire, M. (1999): Cowboy Quality – Mikel Harry´s riding tall in the saddle as Six Sigma makes it markes, in: Quality Progress, October 1999, S. 27-34. McElhiney, G. (2001): Einführung von Six Sigma in Europa, Vortrag auf dem DGQ Six Sigma Management Symposium, 2001. Weckheuer, K./Westrup, B. (2001): Statistische Methoden für die chemische Produktion, DGQ-Seminar, 6. Aufl., 2001, Kapitel 1, S. 7-8.
Consumer Driven 6-Sigma bei der Ford Motor Company Michael Schorrstedt
Inhalt 1 2 3 4 5 6
Ausgangssituation und Zielsetzung ...........................................................................430 Identifizierung relevanter Projekte ............................................................................431 Unterstützung durch das Management.......................................................................435 Umsetzungsstruktur und -organisation ......................................................................436 Das Black Belt Profil bei Ford...................................................................................437 Zusammenfassung und Ausblick ...............................................................................438
1
Ausgangssituation und Zielsetzung
In diesem Beitrag werden konkrete Umsetzungserfahrungen mit einem kundenorientierten Six Sigma Programm bei der Ford Motor Company beschrieben. Ausgangspunkt der Six Sigma Bewegung bei Ford war die Erkenntnis, dass die Kundenzufriedenheit im Vergleich zu Wettbewerbern im Jahr 1999 deutlich zurücklag. Dies spiegelte sich unmittelbar in der aktuellen wirtschaftlichen Situation von Ford wider. Eine Prognose zur Kundenzufriedenheitsentwicklung bis zum Jahr 2005 machte zudem deutlich, dass beim Einsatz traditioneller Verbesserungsmaßnahmen der relative Rückstand zum „weltbesten Automobilhersteller“ weitestgehend bestehen bleibt. Die gestrichelte Linie in Abbildung 1 zeigt die erwartete Verbesserung der Kundenzufriedenheit bei Ford im Zuge der Einführung von Six Sigma. In Verbindung mit den bereits vorhandenen Programmen bedarf es hierfür drastischer Maßnahmen und einer grundlegenden Veränderung der Firmenkultur. Gleichzeitig wird aus der Abbildung ersichtlich, dass „herkömmliche“ Verbesserungsmethoden bzw. -maßnahmen nicht zu dem gewünschten Kundenzufriedenheitsanstieg bis zum Jahr 2005 führen. „Six Sigma ist das beste Instrument, über das wir verfügen, um wesentliche Verbesserungen im Bereich der Kundenzufriedenheit innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums zu realisieren. Six Sigma ist jedoch mehr als ein reines Hilfsmittel oder Werkzeug. Six Sigma ist eine Disziplin, ein System, ein grundlegend neuer Denkansatz zur Freisetzung der Potenziale in allen Bereichen unserer Geschäftstätigkeit.“ Mit diesen Worten führte J. Nasser, ehem. CEO der Ford Motor Company, Six Sigma 1999 als Consumer Driven 6-Sigma ein.
Michael Schorrstedt
100 %
431
X%
Kundenzufriedenheitsindex
Entwicklung bei führenden Automobilherstellern World Class Entwicklung durch Consumer Driven 6-Sigma bei Ford
77%
Entwicklung bei Einsatz traditioneller Verbesserungsmaßnahmen Ford Motor Company 59%
50 %
2000
Zeit
2005
Quelle: Global Quality Research System 3 YIS Vehicle Satisfaction
Abbildung 1: Prognose zur Entwicklung der Kundenzufriedenheit aus Sicht von Ford
Die anfängliche Befürchtung vieler Mitarbeiter, dass mit Six Sigma eine neue Initiative gestartet wird, die im darauffolgenden Jahr gleich wieder verschwindet, hat sich bisher nicht bestätigt. Vielmehr verdeutlicht die Tatsache, dass bei Ford derzeit über 400 Black Belts europaweit im Einsatz sind, den elementaren und dauerhaften Bestandteil von Six Sigma in der Unternehmensstrategie. Nach D. Thursfield, CEO von Ford of Europe, gilt es, mit Consumer Driven 6-Sigma die Führerschaft in Bezug auf Kundenzufriedenheit bis zum Jahr 2004 herzustellen. Viele Firmen haben Six Sigma in der Vergangenheit als reine Kostensparmethodik eingesetzt. Ford hingegen vertritt die Philosophie, dass durch die Erhöhung der Kundenzufriedenheit die Kosteneinsparungen automatisch folgen. Das Hauptaugenmerk von Six Sigma Projekten liegt deshalb bei der Verbesserung der Kundenzufriedenheit. Dies wird im folgenden Abschnitt am Beispiel der Identifizierung und Auswahl von Projekten verdeutlicht.
2
Identifizierung relevanter Projekte
Die richtige Projektauswahl ist einer der kritischsten Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Six Sigma. Wie auch andere Firmen hatte Ford bei der Auswahl geeigneter Six Sigma Projekte zunächst einige Anlaufschwierigkeiten. Zum Beispiel wurden anfangs zu große Projekte gewählt, die eine Durchführungszeit von einem
432
Consumer Driven 6-Sigma bei der Ford Motor Company
Jahr oder mehr in Anspruch nahmen. Um die Projekte auf einen „handhabbaren Umfang“ herunterzubrechen, wurden sie z.T. erst nach Monaten neu definiert. Dies führte nicht selten zu Frustrationen bei Black Belts und Beteiligten, da trotz intensiver Projektarbeit weder ein Ende noch ein Ergebnis des Projekts in Sicht waren. Gleichzeitig stellten das Management und der Kollegenkreis des betroffenen Black Belts die prognostizierten Erfolge von Six Sigma in Frage. Bereits nach kurzer Zeit war klar, dass Six Sigma kein Allheilmittel ist, das es auf jede Problematik im Unternehmen anzuwenden gilt. Nicht selten wurden vom Management priorisierte Projekte in Angriff genommen, welche die Six Sigma Kriterien nicht oder nur teilweise erfüllten. Aufgrund dieser negativen Erfahrungen erfolgt die Projektauswahl heute nach einem standardisierten Auswahlprozess. Die Kriterien orientieren sich dabei in erster Linie an der Schnittstellenproblematik zum Kunden. Die folgende Abbildung zeigt eine Checkliste mit Auswahlkriterien, die ein potenzielles Six Sigma Projekt bei Ford erfüllen muss.
Wodurch ist ein Six Sigma Projekt gekennzeichnet? Ja Sich wiederholende Abläufe Begrenzter Projektumfang Verfügbare Messgrößen bzw. Daten Prozessverantwortung liegt bei Projekt Champion Kundenzufriedenheit ist betroffen Jährliche Kosteneinsparungen > $250 Tausend
9 9 9 9 9 9
Abbildung 2: Checkliste zur Projektauswahl bei Ford
Nach Abbildung 2 ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Projektauswahl das Verständnis der Kundenwünsche und -bedürfnisse. Zur Bestimmung der Abhängigkeiten zwischen Produkt- (y) und Prozessmerkmalen (x) bedient sich die Six Sigma Philosophie der allgemeinen Beziehung y = f(x1, x2, ..., xn). Die anfangs eher am Rande betrachtete Beziehung bekam bei Ford im Laufe der Implementierung von Six Sigma eine immer größere Bedeutung. Heute werden hauptsächlich Projekte ausgewählt, die als Problemfelder im Rahmen einer „Abhängigkeitskaskade“ (Top-Down-Analyse) identifizierbar sind. Das heißt, von der Geschäfts-
Michael Schorrstedt
433
planebene bis zur Abteilungsebene wird die Umsetzung von Six Sigma für alle Mitarbeiter spürbar und transparent (vgl. Abbildung 3).
x11 = y2
y1 = f (x11, x12, x13) = Kundenzufriedenheit in Marketing & Sales verbessern = f (Zeitgerechte Auslieferung, Kundenwahrnehmung und -betreuung)
x21 = y3
y2 = f (x21, x22, x23) = Zeitgerechte Auslieferung der Fahrzeuge = f (Fahrzeugart, Transport, EDV-Systeme)
x31 = y4
y3 = f (x31, x32, x33) = Fahrzeugart = f (Sonderfertigung, Importfahrzeuge, Serienfertigung)
y4 = f (x41, x42, x43, x44, x45) = Sonderfertigungen zeitgerecht liefern x41 = y5
= f (Bestellgenauigkeit, -zeitablauf, Fertigungszeit, Modifizierungszeit, Transportzeit)
x51 = y6
y5 f (x51, x52, x53, x54, x55) = Modifizierungszeit reduzieren = f (Montage- u. Karosseriewerk, Auftragsvolumen, Daten- und Teileverfügbark.
y6 = f (x61,x62,x6...) = f( ...)
Abbildung 3: Top-Down-Analyse zur Bestimmung von Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit
Die obige Abbildung zeigt ein Beispiel zur Ableitung kritischer Prozessmerkmale entsprechend der Beziehung y = f(x1, x2, ..., xn). Ausgehend von einem Oberziel („Kundenzufriedenheit im Vertrieb verbessern“) werden in mehreren Stufen Unterziele und -projekte definiert. Auf der untersten Ebene gilt es schließlich direkt steuerbare Größen zu bestimmen, um z.B. die „Modifizierungszeit beim Karosseriebauer zu verkürzen“. Im konkreten Fall wurden zur Projekteinschränkung die Bestellungen eines Landes bzgl. eines Fahrzeugtyps aus einem bestimmten Montage- und Karosseriewerk näher untersucht. Für Sonderfahrzeuge dieses Landes lautete die spezielle Projektaufgabe: „Reduzierung der benötigten Zeit einen bestimmten Fahrzeugtyp eines bestimmten Montagewerkes bei einem bestimmten Karosseriebauer zu modifizieren“. Eine erste Analyse ergab folgendes Bild hinsichtlich der Häufigkeitsverteilung von Bestelleingangs- und Auslieferungszeit. Obwohl nach Abbildung 4 eine hohe Prozessstreuung vorlag, konnten auf dieser Basis keine konkreten Ansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr waren im Rahmen eines sogenannten Process Breakdown einzelne Prozessschritte herauszugreifen und näher zu analysieren. Dabei konnten u.a. die Zeitdauern für die Schritte Bestelleingang-Segmentation, Segmentation-
434
Consumer Driven 6-Sigma bei der Ford Motor Company
Häufigkeit
Produktionsende sowie Produktionsende-Händlerbelieferung statistisch untersucht und ausgewertet werden (vgl. Abbildung 5).
Zeitdauer
Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung für die Zeitdauer zwischen Bestelleingang und Händlerbelieferung
2
3
10
35
60
85
110
135
Zeitdauer
Bestelleingang-Segmentation
Häufigkeit
Häufigkeit
Häufigkeit
1
15
3 5
55
75
95
115
10
35
60
85
110
135
Zeitdauer
Segmentation-Produktionsende
1 60
Zeitdauer
Produktionsende-Händlerbelieferung
Abbildung 5: Differenzierte Prozessanalyse in drei Stufen (Process Breakdown)
Im Ergebnis war nicht die Verkürzung der Modifizierungszeit beim Karosseriebauer als kritisch einzustufen, sondern die hohe Zeitvarianz zwischen Bestelleingang und -segmentation. Die Neudefinition des Projekts lautete deshalb: „Für Sonderfahrzeuge eines bestimmten Landes: Reduzierung der Vorproduktionszeiten eines bestimmten Fahrzeugtyps eines bestimmten Montagewerkes mit Sonderoptionen des bestimmten Karosseriebauers“.
Michael Schorrstedt
435
Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Beziehung y = f(x1, x2, ..., xn) zunächst hilft, die kritischen Prozessmerkmale zu identifizieren und zu systematisieren. Jedoch ist nach der Auswertung der ersten Daten eine Überprüfung der Projektdefinition und -ziele in jedem Fall vorzunehmen.
3
Unterstützung durch das Management
Der Dreh- und Angelpunkt bei der Umsetzung von Six Sigma im Unternehmen ist die Unterstützung seitens des Managements. Nur dann, wenn die Geschäftsleitung von Beginn an eingebunden und absolut überzeugt ist, kann Six Sigma zum durchschlagenden Erfolg für das Unternehmen werden. Six Sigma ist eine neue Firmenkultur, die auf drastische Verbesserungen abzielt und dabei Disziplin auf allen Ebenen erfordert. Nicht selten sind dazu organisatorische Veränderungen bei Jahrzehnte lang etablierten Prozessabläufen vorzunehmen. Fehlt hier die nachhaltige Unterstützung des Managements, sind Widerstände und Nichtbereitschaft der Mitarbeiter vorprogrammiert. Die Manager aller Führungsebenen müssen deshalb hinter der Six Sigma Strategie stehen und die Black Belts bei der Ausführung und Umsetzung ihrer Projekte unterstützen. Weiterhin muss die Geschäftsleitung vom Erfolgspotenzial umfassend überzeugt sein. Im Hinblick auf die unternehmensweite Einführung von Six Sigma hat Ford neben einer Reihe von positiven auch einige negative Erfahrungen gesammelt. Zum Beispiel wurden zu Beginn von Consumer Driven 6-Sigma die neu ausgebildeten Projekt Champions mit der anstehenden Projektauswahl allein gelassen. Einigen von ihnen waren zu diesem Zeitpunkt die Konsequenzen von falsch ausgesuchten Projekten nicht klar, so dass einige Aufgaben monatelang ohne Erfolg bearbeitet wurden. In diesem Zusammenhang zeigte sich insbesondere die Notwendigkeit, Projekte anhand standardisierter Kriterien zu definieren und auszuwählen. Ein weiteres Problem bestand in der Tatsache, dass nicht alle Manager gleichzeitig auch Projekt Champions waren. Insbesondere zeigten sich „untrainierte“ Manager nicht in der Lage, Black Belts bei der Durchführung ihrer Projekten ausreichend zu unterstützen. Aus diesem Grund wurde im Juli 2001 vom European Operating Commitee (EOC) entschieden, alle Manager bei Ford of Europe als Projekt Champion auszubilden. Durch die speziell für diesen Zweck entwickelten „Mega Champion Trainings“ konnten bis Jahresende 2001 ca. 95 % aller europäischen Manager trainiert werden. Damit war ein durchgängiges Verständnis von Six Sigma im Management von Europa sichergestellt.
436
4
Consumer Driven 6-Sigma bei der Ford Motor Company
Umsetzungsstruktur und -organisation
Die Umsetzung bzw. Organisation der Six Sigma Aktivitäten gestaltet sich bei Ford ähnlich wie bei vielen anderen Unternehmen. Die folgende Abbildung 6 stellt die grundlegende Struktur von Consumer Driven 6-Sigma im Überblick dar.
Master Black Belts (Vollzeit) Projekt Champions (Teilzeit)
Bottom-Up Berichterstatt.
Deployment Direktoren (Teilzeit)
Top-Down Zielvorgaben
Top-Down Zielvorgaben
Bottom-Up Berichterstatt.
Leitende Führung (Teilzeit)
Black Belts (Vollzeit) Green Belts (Teilzeit)
Abbildung 6: Six Sigma Umsetzungsstruktur bei Ford
Auf oberster Ebene forciert die Leitende Führung die Six Sigma Projekte, um die Hauptgeschäftsziele im Rahmen des operativen Managements zu erreichen. Die Deployment Direktoren sind in allen Six Sigma Belangen die „rechte Hand“ der einzelnen Geschäftsbereiche. Um Übereinstimmung mit der Gesamtstrategie zu erreichen, entwickeln und leiten sie den Umsetzungsplan in den Bereichen. Gleichzeitig stimmen sie die Projektauswahl mit den Projekt Champions ab und entfernen für diese Hindernisse innerhalb der Unternehmenshierarchie. Die Hauptaufgabe der Master Black Belts ist die Schulung und Beratung von Black Belts. Des Weiteren unterstützen sie die Projekt Champions bei der Projektabgrenzung. Sie beraten Senior Teams in Schlüsselorganisationen und leiten bereichsübergreifende Projekte unter Einbezug mehrerer Black Belt Einzelprojekte. Die Projekt Champions sind verantwortlich für die Leistung der Black Belts und deren Projektergebnisse. Als Teil des mittleren Managements wählen sie zukünftige Projekte aus und beseitigen interne Hindernisse für die Black Belts. Sie sorgen maßgeblich für die Einhaltung des zeitlichen Rahmens sowie den erfolgreichen Abschluss der Projekte.
Michael Schorrstedt
437
Die Black Belts führen schließlich die einzelnen Teams durch die Projekte bis zum Abschluss. Darüber hinaus unterrichten sie die Green Belts im Consumer Driven 6-Sigma DMAIC-Prozess. Die Green Belts unterstützen ihrerseits die Black Belts bei der Projektdurchführung und führen verschiedene Aufgaben selbstständig aus. Weitere Rollen wie Brown, Yellow oder White Belts gibt es bei Ford nicht.
5
Das Black Belt Profil bei Ford
Die Etablierung aller Rollen und Verantwortlichkeiten braucht eine gewisse Zeit. So kann z.B. im Rahmen der Einführung von Six Sigma nach frühestens 1 bis 1,5 Jahren mit der vollständigen Ausbildung eines internen Master Black Belts gerechnet werden. Da Master Black Belts eine wichtige Rolle im Six Sigma Prozess spielen, ist die Einführungszeit durch die Einstellung externer Verantwortlicher zu überbrücken. Diese unterstützen vor allem die Projekt Champions bei der Auswahl geeigneter Black Belt Projekte sowie Kandidaten. Letztere sollten bei Ford u.a. folgende Voraussetzungen bzw. Bedingungen erfüllen: •
Mathematische und statistische Begabungen
•
Bereitschaft zum Erlernen neuer Konzepte
•
Anerkennung in der eigenen Organisation
•
Überdurchschnittliches Leistungsprofil
•
Offenes Hinterfragen des Status Quo.
Um die Implementierung von Six Sigma im Unternehmen zu beschleunigen, empfiehlt sich, Black Belts bereits nach zweijähriger Projektarbeit in Führungspositionen zu transferieren. Vor diesem Hintergrund umfasst die Zertifizierung von Black Belts ein ausgiebiges Trainings- und Projektprogramm. Neben einer umfangreichen Schulung in den Grundlagen des DMAIC Prozesses enthält das Training bei Ford ein sogenanntes Leadership Programm. In diesem werden den Black Belt Kandidaten u.a. Kenntnisse über Veränderungsprozesse, Projektplanung sowie Teamführung vermittelt. Die von Ford definierten Zertifizierungsrichtlinien für einen Black Belt sind in folgender aufgeführt. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die meisten Projektverzögerungen nicht aufgrund technischer oder statistischer Probleme eintraten, sondern aufgrund politischer und kultureller Widerstände im Unternehmen. Viele Mitarbeiter stehen Veränderungen kritisch gegenüber und wollen den „geliebten“ Status Quo nicht in Frage stellen. Der Erfolg von Six Sigma liegt deshalb vor allem in der Überwindung solcher interner Widerstände begründet. Die Erfahrungen bei Ford haben zudem gezeigt, dass nur bei sorgfältiger Vorbereitung des Black Belts auf seine zukünftige Aufgabe ein guter Start in das zweijährige Assignment gelingen kann.
438
Consumer Driven 6-Sigma bei der Ford Motor Company
Wie wird man zertifizierter Black Belt bei Ford? Ja Erfolgreicher Abschluss des Black Belt und Leadership Trainings
9
Erfolgreicher Abschluss von zwei Projekten, bei denen jeder Schritt des DMAIC-Prozesses eingehalten wurde
9
Nach dem zweiten Projekt muss eine schriftliche Prüfung bestanden werden
9
Abbildung 7: Zertifizierungsrichtlinien für einen Black Belt
Die Rolle des Black Belts als „Change Agent“ ist im Unternehmen nicht zu unterschätzen. Er muss die Einflussnehmenden (Management) wie auch die von Veränderungen Betroffenen (Mitarbeiter) identifizieren, unterrichten und nicht zuletzt überzeugen. Seine wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe ist dabei, die Betroffenen zu motivieren, um Widerstände frühzeitig zu überwinden. Da häufig nicht einzelne Prozessabläufe, sondern ganze Prozessketten zu verändern sind, ist der Black Belt in starkem Maße von der Unterstützung des Managements abhängig. Nicht selten führen mangelnde Führungsqualitäten zu massiven Projektverzögerungen, die letztendlich alle Beteiligten frustrieren.
6
Zusammenfassung und Ausblick
Das Consumer Driven 6-Sigma Programm ist für Ford ein entscheidendes Element zur weltweiten Verwirklichung des Ziels, bis 2004 klassenbestes Unternehmen im Bereich Kundenzufriedenheit zu werden. In diesem Zusammenhang unterstützt es das Unternehmen, Qualitätsprobleme zu lösen, Produktionskosten zu senken und Auslieferungsprozesse zu beschleunigen. Bereits heute, im Jahr 2002, kann Ford stolz behaupten, dass 80 % aller Six Sigma Projekte direkt die Kundenzufriedenheit betreffen und diese verbessern. Zwischen dem ersten Quartal in 2000 und in 2001 hat Six Sigma zum Anstieg der Kundenzufriedenheit um insgesamt 4 % beigetragen. Die übrigen 20 % der Projekte befassen sich hauptsächlich mit internen Prozessoptimierungen und Kosteneinsparungen.
Michael Schorrstedt
439
Der Six Sigma Veränderungsprozess erfolgt nicht von heute auf morgen. Vielmehr wird durch ein stetiges Vorleben durch das Topmanagement die gesamte Organisation von oben nach unten integriert. Der Six Sigma Gedanke wird zur Firmenkultur - Entscheidungen basieren zukünftig nicht mehr auf Meinungen oder Annahmen, sondern auf Daten und Analysen. Das langfristige Ziel von Ford ist, das gesamte Management aus den Reihen der Black Belts zu rekrutieren. Damit soll sichergestellt werden, dass auf allen Führungsebenen die Six Sigma Werkzeuge und Methoden bekannt und implementiert sind. Nur so lässt sich eine Strategie wie Six Sigma langfristig etablieren und die Firmenkultur nachhaltig verändern.
Six Sigma in Banken und Versicherungen Armin Töpfer
Inhalt 1 2 3 4 5 5.1 5.2 6 7
1
Ausgangssituation im Finanzdienstleistungsbereich..................................................440 Ansatzpunkte für Six Sigma Projekte und bisherige Anwender im Bankenbereich ..444 Erreichte Wirkungen und Ergebnisse ........................................................................449 Beispiel eines Six Sigma Projektes in einer Versicherung.........................................451 Einführungsprozess und Wirkungen von Six Sigma in Banken ................................461 GE Money Bank ........................................................................................................461 Bank of America........................................................................................................462 Anwendungsvoraussetzungen für Six Sigma.............................................................465 Literatur .....................................................................................................................473
Ausgangssituation im Finanzdienstleistungsbereich
Die Ertrags- und Strukturkrise der deutschen Banken war in den vergangenen Jahren deutlich kritischer als die Situation im Versicherungsbereich. Und dies, obwohl dort die großen Schadensfälle, wie z.B. durch den 11. September 2001 verursacht, sowie der Verfall der Aktienkurse in den letzten Jahren zu Ertragsund Ergebnisproblemen geführt haben, da vor allem die Lebensversicherer hohe Anlagen in Wertpapieren getätigt hatten. Die Krise im Bankenbereich war durch folgende Ursachen entstanden und forderte ein klares Handlungskonzept. Der hohe Wettbewerbs- und Kostendruck sowie die Zurückhaltung und Unzufriedenheit der Kunden führten zu geringeren Margen und verstärkten den Handlungsdruck auf das Management (siehe Abbildung 1). Zunehmend wurde und wird diesem Problem mit Mitarbeitereinsparungen und Restrukturierungsmaßnahmen begegnet. Der Schlüssel zum langfristigen Erfolg liegt aber vielmehr in einer kontinuierlichen Steigerung der Effizienz und Effektivität der gesamten Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens. Dies ist im Allgemeinen leichter gesagt als getan! Gerade für Banken und Sparkassen stellt sich in jüngster Zeit die Frage, mit welchen Managementkonzepten die Kosten- und Ertragsprobleme in den Griff zu bekommen sind. Im Vergleich zum internationalen Bankenfeld war die Renditesituation deutscher Banken in den letzten Jahren erheblich schlechter als bei ihren großen ausländischen Wettbewerbern. Dies hatte mehrere Gründe:
Armin Töpfer
441
•
Erstens sind die deutschen Großbanken noch deutlich kleiner als ihre internationalen Konkurrenten, so dass Volumen- und Skaleneffekte nur in geringerem Ausmaß realisierbar sind.
•
Zweitens ist der Wettbewerbsdruck auf dem deutschen Markt aufgrund der Markt- und Wettbewerbsstruktur gegenwärtig eher stärker als auf ausländischen Finanzdienstleistungsmärkten.
•
Drittens ist trotz dieser negativen Ausgangslage die Kundenorientierung und damit die Kundennähe deutscher Banken in ihren Produkten und Dienstleistungen deutlich geringer als die erfolgreicher internationaler Konkurrenten.
•
Viertens sind Kostensenkungspotenziale durch Veränderungen der Strukturen mit dem Ergebnis einer Ausdünnung der Vertriebs- und Filialstruktur in Angriff genommen worden, aber – im Vergleich zum internationalen Wettbewerb – zu wenig mit dem Ziel der Optimierung von Prozessen und dem Abbau von Fehlerkosten durch die Steigerung der kundenorientierten Qualität. Zurückhaltung der Kunden/ Kundenabwanderung
Ertragsprobleme der Banken
Sinkende Margen/ Steigende Risiken
Hoher Wettbewerbsdruck
Kostenprobleme der Banken
Abbildung 1: Situation vieler Banken
Das Ergebnis dieser Nachteile ist in der sinkenden Eigenkapitalrendite der deutschen Banken dokumentiert. Abbildung 2 zeigt die schlechte Position deutscher Banken im Vergleich zu ihren internationalen Wettbewerbern. Eine über die Verzinsung der Eigenkapitalkosten hinausgehende Eigenkapitalrendite im Sinne einer Überrendite wird nicht erwirtschaftet. Vielmehr lagen alle deutschen Banken auf der Basis einer Analyse der Jahre 2001/02 im wertzerstörenden Bereich; sie betrieben also Wertvernichtung, wie Abbildung 2 zeigt. Diese Situation dauerte auch in den Jahren 2002/03 an, was eine entsprechende Analyse erneut belegt (vgl. MMC Bankenstudie 2002).
Verhältnis Markt-/ Buchwert des Eigenkapitals
442
Six Sigma in Banken und Versicherungen
GB (Lloyd‘s)
4,0 3,5
E (Banco Bilbao) I (Uni Credito)
GB (HSBC)
NL (ABN Amro)
3,0 CH (UBS)
E (Banco Santander) GB (Barclay‘s) CH (Crédit Suisse) F (BNP Paribas) D (Deutsche Bank)
2,5 D (Dresdner Bank)
2,0 1,5
F (Societé Générale)
D (Commerzbank) D (Hypo Vereinsbank)
1,0 0,5
Wertzerstörender Bereich
Wertschaffender Bereich
0 -15
-10
-5
0
5
10
15
20
25
30
35
Überrendite: Operative Eigenkapitalrendite abzüglich Eigenkapitalkosten (Angaben in %)
3. Gruppe
2. Gruppe
1. Gruppe
Quelle: Jahresberichte, Datastream, Accenture-Analyse – Bankmagazin 05/02; 51. Jahrgang
Abbildung 2: Deutsche Banken in der Wertfalle (Stand: 2002)
Nach Angaben der Ratingagentur Fitch haben die deutschen Großbanken im Jahr 2006 wieder zur europäischen Konkurrenz aufgeschlossen. Als Gründe werden zum einen die nachhaltigen Anstrengungen der Banken um eine Senkung der Kosten und zum anderen der jüngste Aufschwung in der deutschen Wirtschaft angeführt. Die Eigenkapitalrendite lag bei den deutschen Großbanken Deutsche Bank, Commerzbank, Hypo Vereinsbank, Dresdner Bank und Deutsche Postbank im ersten Halbjahr 2006 im Durchschnitt bei 20 %. (vgl. o.V. 2006, S. 14). Trotz dieser positiven Entwicklung sind die Eigenkapitalrenditen deutscher Banken nach wie vor deutlich geringer als bei internationalen Großbanken. Infolgedessen sind sie als Übernahmeziel für viele ertragsstarke ausländische Banken nicht gerade attraktiv, da eine Übernahme die Eigenkapitalrendite des akquirierenden Unternehmens nach unten ziehen würde. Das ist den Aktionären im Allgemeinen nur schwer zu vermitteln, obwohl die Börsenwerte der börsengehandelten deutschen Banken im europäischen Vergleich stark zurück gefallen sind. Um die Lage generell zu verbessern, stehen zukünftig weniger der Kostenabbau, als vielmehr die Steigerung der Erträge im Vordergrund. Hierzu gehören insbesondere die Entwicklung margenstarker Finanzprodukte und die Ausnutzung von CrossSelling-Potenzialen, also den Vertrieb zusätzlicher Produkte an Bankkunden. An dieser schlechten Wettbewerbsposition als Ausgangslage änderte beispielsweise auch die Verdreifachung des Gewinns der Deutschen Bank im Jahre 2003 auf € 1,4 Mrd. nichts (vgl. FAZ.NET 2004). Denn im Vergleich hierzu hat die Citigroup im gleichen Zeitraum ihren Gewinn um 17 % gegenüber 2002 auf $ 17,85 Mrd. erhöht und allein im 4. Quartal 2003 den Gewinn auf $ 4,76 Mrd. fast verdoppelt
Armin Töpfer
443
(vgl. Citigroup 2004). Die Auflistung in Abbildung 3 macht ersichtlich, dass auch die SEB in Deutschland im Jahr 2003 nur ein Drittel der konzernweiten Rendite erwirtschaftet hat. Citigroup
19,8
Lehman Brothers
18,2
Merrill Lynch
16,1
JP Morgan
16,0
Grupo Santander
14,5
BNP Paribas
14,3
SEB (konzernweit)
12,3
ABN Amro Deutsche Bank SEB (nur Deutschland)
11,7 4,7 4,0
Quelle: FTD vom 16.02.2004, S. 20
Abbildung 3: Eigenkapitalrenditen internationaler Großbanken (Stand: 2003)
Die schlechte Renditesituation ist eine Ursache für die geringe Marktkapitalisierung deutscher Banken, so dass hieraus zusätzlich die grundsätzliche Gefahr einer Übernahme durch ausländische Wettbewerber resultierte, wie dies bei der Hypo Vereinsbank durch die Unicredito der Fall war. Allerdings sind im Zuge der Globalisierung Akquisitionsziele und damit Kapitalanlagen in anderen Weltmarktteilen attraktiver als speziell in Deutschland. Die damalige Situation deutscher Banken bewirkte einen hohen Druck auf den gezielten Einsatz fortschrittlicher Konzepte zur Kostensenkung und Ertragssteigerung. Dies war zugleich der Treiber für die Einführung von Six Sigma im deutschen Bankenbereich. Eine Studie von Mercer Management im Jahre 2002 nannte folgende Ursachen für die damalige schlechte Ausgangssituation deutscher Banken (vgl. MMC Bankenstudie 2002, S. 15): 1.
Strategieperspektive • •
2.
Fehlende Fokussierung des Geschäftsmodells auf den Vertrieb Keine nachhaltige Strategieverfolgung in den vergangenen Jahren
Vertriebsperspektive • •
Schwach ausgeprägte Verkaufs- und Servicekultur der Mitarbeiter Unzureichende Erfolgshonorierung im Vertriebsprozess
444
3.
Six Sigma in Banken und Versicherungen
Kostenperspektive •
4.
Unzureichende Kostenkontrolle in den „Boom“-Jahren
Produktperspektive •
Breites und wenig differenziertes Produktportfolio
Die Frage ist, welche Stellhebel zu einer Steigerung der Kundenorientierung und -zufriedenheit, zur Kosteneinsparung und zur Renditeerhöhung geeignet sind sowie vor allem ob es ein integriertes Konzept hierzu gibt. Nach Industrie- und Dienstleistungsunternehmen haben seit einigen Jahren – zumindest im Ausland – auch Banken und Versicherungen erkannt, dass Six Sigma hierzu eine geeignete Philosophie und Initiative darstellt. Zunächst ist zu untersuchen, ob dieses Konzept auch in deutschen Banken einsetzbar ist. Danach ist zu klären, was die konkreten Ansatzpunkte sind. Hierauf wird in den folgenden Kapiteln eingegangen.
2
Ansatzpunkte für Six Sigma Projekte und bisherige Anwender im Bankenbereich
Six Sigma ist professionelles Prozessmanagement und strebt eine Wertsteigerung des Unternehmens durch schlanke Prozesse mit deutlich verbesserten Durchlaufzeiten, durch Null-Fehler-Qualität und eine dadurch bewirkte hohe Kundenzufriedenheit an. Im Fokus der Durchführung von Six Sigma Projekten stehen dabei insbesondere die drei Umsetzungstreiber Kunde – Prozess – Qualität (vgl. Töpfer 2001, S. 1023). Ziel ist es, auf neue Anforderungen im Wettbewerb besser, schneller und schlanker zu reagieren als die Konkurrenz. Dies gilt uneingeschränkt und branchenübergreifend aus folgenden Gründen: •
Die Kunden fordern eine immer höhere Qualität bei den angebotenen Produkten und Dienstleistungen, z.B. eine fehlerfreie Konto- und Depotführung bei der Hausbank.
•
Die Wettbewerber verkürzen sukzessive ihre Entwicklungszeiten mit direkter Wirkung auf die Produktlebensdauer, z.B. innovative Altersvorsorgemodelle von Finanzdienstleistern.
•
Das eigene Unternehmen steht fortwährend vor dem Problem, Entwicklungsund Herstellungskosten zu reduzieren, z.B. geringe Depotverwaltungsgebühren bei Online-Banking.
Six Sigma will also als projektorientiertes Managementkonzept die wesentlichen Kundenanforderungen über schlanke und effiziente Prozesse für das Unternehmen wirtschaftlich erfüllen. Gerade auch bei Finanzdienstleistern soll die erreichbare Null-Fehler-Qualität nicht nur zu Kostensenkungen, sondern über gestiegene
Armin Töpfer
445
Kundenzufriedenheit auch zu Umsatzsteigerungen, z.B. durch Ausschöpfung des dann aktivierbaren Cross-Selling-Potenzials führen. Ein Hauptansatzpunkt liegt damit auch bei Banken und Versicherungen in der Reduktion und Vermeidung von Fehlerkosten, um auch langfristig eine ausreichende Gewinnmarge im Rahmen der Leistungserstellung sicherzustellen. Alles in allem geht es bei Six Sigma um die Optimierung standardisierter Dienstleistungsprozesse, die gerade für Banken und Versicherungen von außerordentlich hoher Bedeutung sind. Auch wenn bei Banken und anderen Finanzdienstleistern keine Produktionsstätten und Fertigungsabläufe im klassischen Sinne existieren, gibt es viele Prozesse und Tätigkeiten, die effizienter und effektiver gestaltet werden können. Im Dienstleistungsbereich sind die zusätzlich zu erreichenden Einsparungen durch verstärkte Prozessfokussierung sogar überdurchschnittlich hoch. Dieses Potenzial erkennen auch immer mehr Banken und nutzen das Six Sigma Konzept zur kontinuierlichen Prozessverbesserung in Richtung Null-Fehler-Qualität. Genau hier setzten die Six Sigma Projekte der bisherigen Anwender im Bankenbereich an. Dabei waren es in der Vergangenheit vor allem die großen ausländischen Banken, die auch weltweit zur Spitzengruppe gehören. Viele Anwender begegneten und begegnen der (statistischen) Qualitätsanforderung von Six Sigma, dass nämlich bezogen auf ein Produktions- bzw. Transaktionsvolumen von 1 Mio. Einheiten nur 3,4 fehlerhafte Prozessoutputs auftreten dürfen, also ein Qualitätsniveau von 99,99966 % erreicht wird, auch heute noch zunächst mit Skepsis und z.T. Ablehnung. Sie argumentieren mit zwei Einwänden: •
Zum einen, dass in einer Bank oder Versicherung selten Prozesse mit Transaktionen in Millionenhöhe vorliegen. – Dieses Gegenargument verkennt aber den eigentlichen Zweck der statistischen Berechnung. Die – hochgerechnete – Basis von 1 Million Einheiten dient alleine dazu, die geringe zulässige Fehlerquote von 3,4 noch ganzzahlig ausdrücken zu können. Bei einer Prozentberechnung wäre der zulässige Fehler erst durch die vierte Stelle nach dem Komma gekennzeichnet und damit vom subjektiven Empfinden her völlig vernachlässigbar.
•
Zum anderen, dass das geforderte Niveau praktizierter Null-Fehler-Qualität im Vergleich zu beispielsweise 99 % Qualität viel zu aufwendig und deshalb praxisfern ist – Die Ergebnisse erfolgreicher Six Sigma Unternehmen insbesondere in den USA zeigen aber genau das Gegenteil: Die Vermeidung von Fehlerkosten durch eine breit angelegte Six Sigma Initiative im Unternehmen spart Kosten der Nachbesserung/Wiedergutmachung von Fehlern bis zu 30 % der Gesamtkosten bei Dienstleistungsunternehmen und bis zu 30 % des Jahresumsatzes bei Industrieunternehmen (vgl. Harry/Schroeder 2005, S. 17).
Ein Fehler wird dabei auch bei Finanzdienstleistern definiert als erhebliche Abweichung von zentralen Kundenanforderungen, den sogenannten CTQs als Critical to Quality Characteristics, oder als eindeutiges Verfehlen eines durch die Stra-
446
Six Sigma in Banken und Versicherungen
tegie des Unternehmens vorgegebenen betrieblichen Standards. In beiden Fällen ist die Leistung bzw. Wertschöpfung, die durch einen Prozess hervorgebracht wird, qualitativ nicht ausreichend. Die generelle Frage ist, ob für Kunden von Finanzdienstleistern die Qualität einen derart hohen Stellenwert hat, dass dieses Kriterium zu ihren CTQs gehört und sie es unbedingt realisiert wissen wollen. Denn dann sind sie bereit, dafür auch einen Preis zu zahlen, oder anderenfalls den Finanzdienstleister zu wechseln. Eine neuere Studie von IBM (2005) zeigt, wonach Kunden ihre Privatbank auswählen (siehe Abbildung 4). In der Zielgruppe wohlhabender Privatbankkunden nimmt das Kriterium Qualität den höchsten Stellenwert ein. Es differenziert sich in die drei Bereiche Servicequalität, Vertraulichkeit und Sicherheit sowie Qualität der Beratung. Klassifizierung nach Kundenwertung in %
Insgesamt Qualität
83
Servicequalität
75
Vertraulichkeit, Sicherheit
67
Qualität der Beratung
64
Image und Ruf
56
Empfehlung durch Kunden
50
Anlage Performance
47
Preise
44
Produktpalette
28
Spezifische Leistungen
28
Marktabdeckung Familiengeschichte
19
Empfehlung der Vertreter
19
Quelle: IBM European Wealth and Private Banking Industry Survev 2005
Abbildung 4: Kriterien, nach denen Kunden ihre Bank auswählen
Nun wieder zurück zu den oben genannten Fehlerkosten von bis zu 30 % der Gesamtkosten: Für nicht wenige Führungskräfte und Mitarbeiter in Banken und Versicherungen ist die Relation, dass ein Qualitätsniveau von beispielweise 99 % mit Fehlerkosten von bis zu 30 % der Gesamtkosten behaftet ist, unerwartet und erstaunlich. Hält man sich vor Augen, dass es sich bei diesen Fehlern um „hartnäckige“ Fehler handelt, die nicht ohne Weiteres beseitigt werden können und vor allem mit erheblichen Kosten und Wertverlusten verbunden sind. Derartige Fehler in Prozessen und Ergebnissen sind keine Wertschöpfung, sondern bewirken so genannte Blindleistung; ein erheblicher Teil der für die Leistungserstellung verbrauchten Kosten ist nicht produktiv. Hinzu kommen anschließend die Kosten für die Fehlerbeseitigung sowie nicht selten zusätzliche Kosten durch negative Folgemaßnahmen. Durch Fehler werden also mehr Personal, Infrastruktur und Kapital benötigt und gebunden. Konkrete Zahlen und Erfahrungen belegen
Armin Töpfer
447
beispielsweise, dass die oftmals manuell erforderliche Fehlerkorrektur einer falschen Überweisung bzw. Fehlbuchung Kosten zwischen 15 und 30 € verursacht. Hierbei sind nur die direkt zurechenbaren Fehler- und Fehlerfolgekosten durch zusätzlich verbrauchte Ressourcen einbezogen. Zusätzlich können noch indirekte Fehlerfolgekosten auftreten in Form unzufriedener Kunden, die abwandern, und einer negativen Mund-zu-Mund-Kommunikation, die neue Kunden eher abschreckt als anzieht. Dies führt zu entgangenem Umsatz, Deckungsbeitrag und Gewinn. Nicht nur der Kundenlebenszyklus wird bei verärgerten Kunden drastisch verkürzt, sondern auch der Unternehmenswert erheblich reduziert. Ein Erfahrungswert von Six Sigma Unternehmen ist, dass jede Erhöhung des SigmaNiveaus um 1 den Nettoertrag um durchschnittlich 10 % verbessert. In Zeiten eines hohen Wettbewerbsdrucks mit Kundenabwanderung sowie Kosten-, Margen- und Ertragsproblemen hat eine nachhaltige Six Sigma Initiative vielen Unternehmen unterschiedlicher Branchen den strategischen Hebel für mehr operative Excellence und eine deutliche Wertsteigerung geliefert. Typische Anwendungsfelder für Six Sigma Projekte in Banken sind deshalb vor allem alle Transaktionsprozesse mit einer hohen Stückzahl, wie z.B. der gesamte Zahlungsverkehr und die Wertpapierverwaltung. Im einzelnen können sich Six Sigma Projekte in Banken auf die in Abbildung 5 aufgeführten Aktivitäten und Prozesse beziehen, die qualitäts- und zeitkritisch sind. e iel isp Be ¾
Auslieferungen an Kunden
¾ Kontoeröffnung ¾ Scheck-/Kreditkarten-Ausstellung ¾ Abfertigungszeit ¾ Scheck-Wertstellungszeit ¾ Kreditantrag-Bewilligungszeit • Fehler + Fehlerkosten identifizieren und ausmerzen • Durchlaufzeiten verkürzen
Abbildung 5: Typische Anwendungsfelder von Six Sigma in Banken ok
Es erstaunt deshalb nicht, dass immer mehr Banken qualitäts- und kostenbewusster werden und dabei den „Six Sigma Weg“ gehen. Allerdings bisher vorwiegend in den USA und in anderen Staaten, in Deutschland steht die Anwendung im Bankenbereich und auch bei Finanzdienstleistern erst am Anfang. Die Deutsche Bank hat seit 2002 eine erste Six Sigma Einführung begonnen (vgl. Lieber/Moormann
448
Six Sigma in Banken und Versicherungen
2004, S. 28). Im Vergleich hierzu haben z.B. fast alle großen amerikanischen Banken bzw. Finanzdienstleister wie GE Capital (Beginn 1996), Citibank (Beginn 1997) als Tochtergesellschaft der Citigroup, American Express und J.P. Morgan Chase (Beginn 1999) einen deutlichen zeitlichen und inhaltlichen Vorsprung und damit bereits auch realisierte Ergebniswirkungen. In gleicher Weise sind die britische HSBC und auch die Bank of America inkl. Fleet Boston Financial gestartet (siehe Abbildung 6). Zu weiteren erfolgreichen Anwendern bei den Finanzdienstleistern zählen u.a. AIG Insurance, Credit Suisse, SunTrust Banks Inc. und Sun Corp. Auch z.B. zwei der größten indischen Banken (HDFC Bank und ICICI Bank) haben Six Sigma vor einiger Zeit und damit früher als alle deutschen Banken erfolgreich eingeführt (vgl. Mohandas 2003). ¾
Citibank: Six Sigma als weltweite Initiative Tochter der Citigroup: Nr. 1 der Banken weltweit Marktkapitalisierung 217 Mrd. €
¾
HSBC: Six Sigma ebenfalls gestartet Nr. 2 weltweit: Marktkapitalisierung 146 Mrd. €
¾
Bank of America (incl. Fleet Boston Financial): Mit Six Sigma Qualitäts- und Produktivitätsprogramme durchgeführt. Dadurch Rationalisierung von Prozessen, Verbesserung der Qualität, Effizienz und Genauigkeit sowie Freistellung von Kapital für strategische Investitionen Nr. 3 weltweit: Marktkapitalisierung 135 Mrd. €
¾
JP Morgan Chase: Beträchtliche Einsparpotenziale durch Six Sigma Projekte Nr. 6 weltweit: Marktkapitalisierung 65 Mrd. €
¾
American Express Bank Deutschland: Erste Six Sigma Projekte begonnen Ziel: Einhaltung und Verbesserung definierter operativer Standards
¾
Deutsche Bank: Seit 2002 erste Six Sigma Einführung Nr. 24 weltweit: Marktkapitalisierung ca. 40 Mrd. €
Beis piele
Banken werden noch qualitäts- und kostenbewusster Quelle: Business Line 09/2003/ Yahoo, Finanzen Bank of America...v. 28.10.2003/ Geschäftsbericht Amex 2002/ MM 12/ 03, S. 115
Abbildung 6: Immer mehr Banken gehen den „Six Sigma Weg“
Der Hauptgrund für die zeitlich späte Einführung des Six Sigma Konzeptes im Bankensektor liegt darin, dass lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass Prozesse für Bankdienstleistungen weitgehend anders sind als Prozesse in der industriellen Fertigung bei produzierenden Unternehmen. Diese Sichtweise wird inzwischen teilweise revidiert, und zwar für die Bereiche und Prozesse einer Bank, in denen standardisierte Abläufe mit einer hohen Anzahl gleicher Aktivitäten, z.B. Transaktionen, vorliegen (vgl. Pöhler 2004, S. 126ff.). Dies gilt z.B. bei Kreditbearbeitungs-, Depotverwaltungs- und Kontoeröffnungsprozessen. An dieser Stelle sind deshalb die folgenden zwei Fragen zu beantworten: Was sind konkrete Beispiele für durchgeführte Six Sigma Projekte im Bankenbereich und welche Wirkungen bringen sie? Diese Fragen werden im folgenden Abschnitt beantwortet.
Armin Töpfer
3
449
Erreichte Wirkungen und Ergebnisse
Bei der Citibank wurde Six Sigma als Initiative im Jahr 1997 weltweit eingeführt. Wie Abbildung 7a verdeutlicht, konnten in dem Tochterunternehmen der weltgrößten Bank Citigroup eine Reihe von nachhaltigen Wirkungen durch Six Sigma erzielt werden. Insbesondere wurden durch diese Qualitätsinitiativen für mehr Kundenzufriedenheit die Prozesse beschleunigt, damit Durchlaufzeiten verkürzt und zugleich Fehler bei einzelnen Interaktionen bzw. Transaktionen verringert (vgl. Rucker 1999, S. 1). In der Konsequenz gab es deutlich weniger interne Rückfragen und externe Kundenbeschwerden. In der Zeit von 1997 bis 2000 wurden bei der Citibank weltweit 92.000 Führungskräfte und Mitarbeiter in der Six Sigma Methode geschult. Je nach Funktion und Aufgabengebiet war die Schulung unterschiedlich lang und intensiv. Generell hat das Unternehmen das Ziel, jeden Mitarbeiter in der Six Sigma Philosophie und Methodik zumindest für ein Grundverständnis zu schulen. iel isp Be
Ziel: • • • •
Qualitätsinitiativen für mehr Kundenzufriedenheit Durch Prozessbeschleunigung/ Durchlaufzeit-Verringerung + Fehlerreduzierung bei jeder Interaktion/ Transaktion Weniger Beschwerden
Privatkunden
• • • • •
Reduzierung interner Nachfragen Reduzierung externer Nachfragen Durchlaufzeit bei Kontoeröffnung Fehlerrate bei Kontoeröffnung Reduzierung der Kreditvergabezeit
./. 82 % ./. 85 % ./. 82 % ./. 92 % ./. 50 %
Firmenkunden
•
Reduzierung der Kreditvergabezeit = von 3 Tagen auf 1 Tag
./. 67 %
Wirkungen:
Finanzdienstleistungsprodukte Bei Copeland Companies • Innerhalb 4 Monate erreichte Fehlerfreiheit 100 % • Reduzierung der Durchlaufzeit für die Bearbeitung von 28 Tagen auf 15 Tage ./. 46 %
Durchsatz:
• •
Von 1997- 2000 weltweit 92.000 Führungskräfte/ Mitarbeiter in Six Sigma Methode geschult Ziel: Six Sigma Schulung jedes Mitarbeiters
Quelle: www.qualitydigest.com vom 2.11.2000
Abbildung 7a: Six Sigma bei der Citibank
Die Citibank USA hat im Jahr 2000 (siehe Abbildung 7b) durch Six Sigma Projekte, die zu einer Reduzierung der Ausgaben und Steigerung der Einnahmen führten, einen finanziellen Vorteil in Höhe von $ 700 Mio. erwirtschaftet (vgl. Kamber 2001, S. 4). Dies ist eine beträchtliche Summe. Im Vergleich zum „Six Sigma Benchmarking-Unternehmen“ General Electric (GE) ist sie aber noch „bescheiden“. GE hat fünf Jahre nach der Einführung im Jahre 2000 einen Net Benefit von $ 2,9 Mrd. erwirtschaftet.
450
Six Sigma in Banken und Versicherungen
Der zweite Wert, nämlich die Verfügbarkeit der Geldausgabeautomaten, startete mit 97 % von einem relativ geringen Ausgangsniveau und erreichte nach der Druchführung von Six Sigma Projekten 99 % Verfügbarkeit. Dies ist verglichen mit der Zielperspektive 6 σ immer noch kein ausreichend hoher Wert. Entscheidend ist jedoch die Höhe der Verbesserung: Pro Woche 33.000 unzufriedene Kunden weniger ist eine deutliche Steigerung der Kundenzufriedenheit. Für die Zukunft wird es darauf ankommen, diesen Wert in Richtung praktizierte Null-FehlerQualität zu steigern. Es versteht sich von alleine, dass hiervon unmittelbar positive Wirkungen auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ausgehen. Den Kern bildet prozessorientiertes Qualitätsmanagement. iel isp Be
•
Verfügbarkeit der Geldausgabeautomaten erhöht von 97% auf 99% Je Woche 33.000 Kunden weniger mit Problem
•
Im Jahr 2000: Durch Six Sigma Projekte Reduzierung der Ausgaben und Steigerung der Einnahmen Finanzieller Vorteil in Höhe von 700 Mio. $
Quelle: Kamber, 2001
Abbildung 7b: Six Sigma bei der Citybank USA
In Abbildung 8 sind die Wert-Verluste aufgrund von Fehlern in einem großen amerikanischen Versicherungsunternehmen wiedergegeben. Dies war Anlass und Anstoß für die Durchführung von Six Sigma Projekten. Eine Verbesserung des Sigma Niveaus – ausgehend von respektablen 4,47 σ, was einem Qualitätsniveau von 99,84 % entspricht – war geboten, da sich die Wert-Verluste auf ca. 100 Mio. Dollar summierten und damit von einem nahezu fehlerfreien Qualitätsniveau noch deutlich entfernt sind. Eine Verbesserung des Sigma-Niveaus führte in diesem Versicherungsunternehmen schrittweise zu einer exponentiellen Reduktion des Verlustes im Sinne von Opportunitätskosten insgesamt mit dem Faktor 1.000. Das Qualitätsniveau konnte so auf über 6 σ gesteigert werden, so dass die Wertverluste nur noch 100.000 Dollar betragen. Dies belegt eindrucksvoll, dass der höchste „Qualitäts-Produzent“ zugleich auch der niedrigste „Kosten-Produzent“ ist.
Armin Töpfer
451
Wert-Verluste in $ 100.000.000
Der höchste „QualitätsProduzent“ ist der niedrigste „Kosten-Produzent“
4,47
10.000.000 5,12
1.000.000
5,68
100.000
6,14
10.000 1.000 100 10 1
3
4
5
6
7
Sigma
Eine Eine Verbesserung Verbesserung des Sigma-Niveaus Sigma-Niveaus führt führt zu einer exponentiellen Reduktion insgesamt Reduktion des des Wert-Verlustes Wert-Verlustes insgesamt Faktor Faktor 1.000 1.000 Quelle: http://www.six-sigma.com/Chart_Redone.jpg, 6.3.2000
Abbildung 8: Wert-Verluste aufgrund von Fehlern in einem großen amerikanischen Versicherungsunternehmen
4
Beispiel eines Six Sigma Projektes in einer Versicherung
Die projektorientierte Ausrichtung von Six Sigma konkretisiert sich in zwei standardisierten Vorgehensweisen, nämlich dem DMAIC-Zyklus für die Optimierung bestehender Prozesse mit den fünf Phasen Define, Measure, Analyse, Improve und Control sowie dem DMADV-Zyklus für die Entwicklung von neuen Marktleistungen respektive Produkten als Design for Six Sigma mit den fünf Phasen Define, Measure, Analyse, Design und Verify. Beide Projektzyklen basieren auf dem klassischen Deming-Zyklus PDCA (Plan, Do, Check, Act) und setzen bei der Messung und Analyse von wesentlichen Kundenanforderungen, also den Critical to Quality Characteristics (CTQs), an. Bildlich gesprochen stellt das entwicklungsbezogene Six Sigma einen „Blick durch die Frontscheibe“ dar, da hier zukünftig wichtige Kundenanforderungen ermittelt und erfüllt werden. Demgegenüber ist das prozessbezogene Six Sigma ein „Blick durch den Rückspiegel“, durch den die Frage beantwortet wird, wie die aktuelle Prozessleistung im Hinblick auf eine höhere Kundenzufriedenheit und -bindung verbessert werden kann. Im Banken- und Versicherungsbereich überwiegt eindeutig die Optimierung bestehender Prozesse und damit der DMAIC-Zyklus. In Abbildung 9 ist der typische Ablauf des DMAIC-Zyklus wiedergegeben, wie er mit den dort beispielhaft aufgeführten Instrumenten in konkreten Six Sigma Projekten angewendet wird. Grundsätzlich wird zu Beginn jedes Six Sigma Projektes die Projekt Charter mit den vier Bestandteilen aufgestellt. Sie und die prognostizierten Ergebniswirkungen als Net Benefit sind die Grundlage für die GO-Ent-
452
Six Sigma in Banken und Versicherungen
scheidung des Projektes. Wie ersichtlich ist, kommen insbesondere in der Measure- und Analyse-Phase weiterführende mathematisch-statistische Methoden zum Einsatz. Define ¾ Projekt Charter ¾ SIPOC ¾ VOC/ CTQ
Control
Measure ¾ ¾ ¾ ¾
¾ Prozessdokumentation ¾ Monitoring der Prozessleistung ¾ Reaktionsplan
Improve ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾
Lösungen generieren Kosten-/ Nutzenanalyse Outputsimulation Design des Sollprozesses Entwicklung von Hypothesen Auswahl der optimalen Variante
CTQ/ Outputmessgrößen Datensammlung Gage R&R Referenzleistung
Analyse ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾
Prozess- und Zeitanalyse Output-/ Prozess-/ Inputmessgrößen Wertschöpfungsanalyse Ishikawa FMEA Ursachen-Wirkungs-Beziehungen
¾ Datenanalyse ¾ Design of Experiments ¾ Statistische Tests
© Prof. Dr. Armin Töpfer
Abbildung 9: Six Sigma DMAIC-Struktur
Aus der Abbildung wird unmittelbar deutlich, dass die Philosophie von Six Sigma darin besteht, durch eine zielgerichtete Übersetzung der „Stimme des Kunden“ in die „Sprache des Prozesses“ Produkte und Dienstleistungen mit hoher Qualität zu erzeugen und so Wirtschaftlichkeit, also Effizienz, mit Kundenzufriedenheit, also Effektivität, zu verbinden. In den einzelnen Phasen des DMAIC-Zyklus sind dabei die folgenden fünf Fragen schwerpunktmäßig zu beantworten: 1.
Was ist das Problem? (Define)
2.
Wie lassen sich die Auswirkungen messen? (Measure)
3.
Was sind die Ursachen für das Problem? (Analyse)
4.
Wie lässt sich das Problem beseitigen? (Improve)
5.
Wie wird die Verbesserung in der Praxis verankert? (Control)
Die Denkweise von Six Sigma während des Projektablaufs korrespondiert mit den fünf Fragestellungen und zielt darauf ab, ein gravierendes Problem zu einem Projekt zu machen und in der Projekt Charter möglichst exakt auszuformulieren. Auf der Basis von Outputmessgrößen, die in ihrer Ausprägung sehr nah an den geforderten CTQs sein sollen, wird in der Measure-Phase aus dem realen Problem ein statistisches Problem. Auf der Grundlage ermittelter Daten für die Output-, Prozess- und Inputmessgrößen werden im Rahmen der Analysephase die Hauptursachen des Problems statistisch herausgefiltert und verifiziert. Dabei sind die Ab-
Armin Töpfer
453
hängigkeiten in Form von Ursachen-Wirkungsbeziehungen aufzudecken. Die Überprüfung gültiger Zusammenhänge zwischen dem Output und dem Input erfolgt durch statistische Tests. Eine statistische Lösung wird in der Improve-/Design-Phase erarbeitet und getestet, z.B. durch prozessorientierte Output-Simulationen. Die gefundene Lösung wird in der Control-/Verify-Phase in die reale Anwendung überführt sowie im Anschluss qualitätsgesichert, kontinuierlich überwacht und verbessert. Define-Phase Der erste Schritt für die Steuerung eines Six Sigma Projektes ist eine klare und eindeutige Definition des Projektauftrags bzw. der Projekt Charter. Sie umfasst neben den üblichen Kennzeichnungen und Daten eines Projektes insbesondere Details zu den Punkten: •
Business Case/Problemhintergrund: Er beschreibt die aktuelle Geschäftssituation und stellt heraus, warum das Six Sigma Projekt gerade jetzt notwendig ist – er beinhaltet also wesentliche Aussagen zu den drei Kriterien Qualität, Zeit und Kosten.
•
Probleme und Ziele/Nutzen: Dies verdeutlicht die konkrete Problematik und quantifiziert die Zielvorstellung des Champions (Managements) unter Angabe des zu erreichenden Sigma-Niveaus bzw. des zu realisierenden Net Benefit.
•
Projektumfang und Fokus/Rahmen: Er beantwortet die Fragen, welche Vorgänge/Betrachtungen zum Projektrahmen gehören und welche nicht, sowie die Frage, was im Mittelpunkt der Verbesserungsaktivitäten stehen soll.
•
Rollen/Verantwortlichkeiten und Meilensteine: Dies legt das Projektteam unter Führung eines Green oder Black Belts als Teamleiter und Projektverantwortlichen fest, definiert den Start- und Endzeitpunkt sowie wichtige Zwischenergebnisse und gibt zusätzlich benötigte (personelle) Ressourcen an.
In Abbildung 10 ist beispielhaft eine Projekt Charter für ein Six Sigma Projekt in einem Versicherungsunternehmen wiedergegeben. Wie ersichtlich ist, werden auf einer A4-Seite der Problemhintergrund dargelegt, die Zielvorgaben für das 6Monats-Projekt spezifiziert, die Verantwortlichkeiten und Rollen verbindlich festgelegt sowie der Projekt- und Zeitrahmen – so genau wie möglich – quantifiziert und über Unterschriften als Commitments bestätigt. Das Problem besteht also darin, dass eine hohe Fehlerquote bei den Unterlagen für neue Versicherungsverträge nicht nur erhebliche Fehlerkosten respektive Fehlerbeseitigungskosten verursacht, sondern auch die Kundenzufriedenheit stark beeinträchtigt. Das Problem war im Unternehmen in diesem Ausmaß nicht bekannt bzw. bewusst. Es trat erst massiv zu Tage, als die Ergebnisse einer Kundenbefragung auf dem Tisch lagen. Die Zufriedenheit der Kunden war im Hinblick auf die geforderte Fehlerfreiheit eines neu abgeschlossenen Vertrages relativ gering, wenn er Fehler enthielt. Der entsprechende Kundenzufriedenheitsindex (CSI) war also
454
Six Sigma in Banken und Versicherungen
für diese sensible Eingangsphase viel zu niedrig. Dies bedeutet, Handlungsbedarf ist angesagt. Projekt: Verbesserung des Prozesses „Kundenfreundliche Vertragsunterlagen“ 4. Net Benefit
1. Problembeschreibung
Aufgrund der Vielzahl von Textbausteinen und Kosteneinsparungen von € 100.000 pro Quartal damit hohen Prozesskomplexität gibt es bei der Vertragserstellung ein beachtliches Fehlerpotenzial. 5. Projektumfang Neben vermehrten Kundenreklamationen führt dies IN: Vertragsentwurf gemeinsam mit Kunden zu einer internen Ressourcenverschwendung im OUT: Versandfertiger Vertrag aus Druckerei Hinblick auf Personal- und Materialeinsatz. Nach vorsichtiger Schätzung betragen die Fehlerkosten bei 6. Rahmen der Versicherung bis zu 1/3 des Umsatzes. Einbeziehung der Hausdruckerei und des Außendienstes 2. Ziele Erhöhung der Kundenzufriedenheit auf Basis des 7. Verantwortungen CSI um 5 % und Reduzierung der internen FehlerChampion : Hr. Kaiser quote um mindestens 50 % Black Belt : Hr. Bauer 3. Nutzen Team : Hr. Schaaf, Hr. Kern, Hr. Oll Erhöhung der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit durch weniger Fehler bei der Vertragserstellung 8. Zeitvorgaben und damit weniger interner und externer Nacharbeit Start: 01.09.03 Ende: 28.02.04 Reduzierung der Durchlaufzeit durch geringere Variantenzahl und geringere Prozess-Komplexität
9. Unterschriften
Champion :
Black Belt :
Abbildung 10: Beispiel für eine Projekt Charter
Auf der Basis der Projekt Charter sollen im Weiteren kurz die wesentlichen Schritte zum Einstieg in den Six Sigma Mess- und Analyseprozess skizziert werden. Dabei kommen insbesondere die zahlenorientierte Vorgehensweise und Steuerung, die eindeutige Messbarkeit an jeder Stelle des Prozesses sowie die in sich geschlossene Systematik und logisch aufeinander abgestimmten Schritte im Rahmen des DMAIC-Zyklus zum Ausdruck. Nach dem „offiziellen Start“ des Six Sigma Projektes durch die Projekt Charter findet zunächst eine Ein-/Abgrenzung des zu analysierenden Prozesses auf „hoher Ebene“ statt. Dazu wird eine sogenannte SIPOC-Analyse durchgeführt, bei der die wesentlichen Lieferanten (Suppliers) mit ihren Inputs bezogen auf die fünf bis sieben wichtigsten (Haupt-)Prozessschritte (Processes) zusammen mit den Outputs sowie den Kunden (Customers) aufgelistet werden (siehe Abbildung 11). Sie bildet die Grundlage für die Ableitung der entscheidenden Kundenanforderungen (CTQs) und schafft ein erstes gemeinsames Verständnis bei den Projektbeteiligten. Im Fall des Versicherungsunternehmens konnten insgesamt sechs Hauptprozesse mit einem Lieferanten, einem Input, zwei Outputs und zwei relevanten Kunden identifiziert werden.
Armin Töpfer
Input
Supplier • Kunde
• Antragsdaten
Process
455
Output
Customer
• Datensatz
• Kundendatenbank
Antragsdaten aufnehmen Antrag weiterleiten Antragsdaten verarbeiten Police erstellen Police versenden Police zum Kunden transp.
• Police
• Kunde
Abbildung 11: SIPOC-Analyse am Beispiel eines Versicherungsunternehmens
In einem weiteren Schritt erfolgt die Spezifizierung der Kundenanforderungen in der Weise, dass die „Stimme des Kunden“ (VOC – Voice of Customer) „ungefiltert“ eingefangen, einem Kernthema zugeordnet und anschließend als CTQMerkmal festgehalten wird. Im konkreten Fall war es so, dass im Rahmen der telefonischen Kundenbefragung die unterschiedlichen Anforderungen im Hinblick auf ihre Wichtigkeit und die Zufriedenheit der Kunden damit ermittelt wurden. Die sogenannte VOC-CTQ-Analyse (Tool 1) ist dabei die erste zahlenorientierte Systematik im Rahmen des DMAIC-Zyklus. Ziel ist es, die Fülle von Kundenaussagen nach Themengebieten, also Hauptdimensionen und -anforderungen, zu ordnen und auf einige wenige, aber zentrale und messbare CTQs zu reduzieren. Abbildung 12 zeigt, wie die „Vital few“ bei der Policenerstellung des Versicherungsunternehmens mit Hilfe der VOC-CTQ-Analyse herausgefunden werden konnten. Wie ersichtlich ist, beträgt die Anzahl der relevanten CTQs nur noch die Hälfte der ursprünglich „eingefangenen“ Kundenstimmen in Höhe von sechs. Measure-Phase Zu Beginn der Measure-Phase werden auf der Grundlage der ermittelten CTQs die elementaren Output-, Prozess- und Inputmessgrößen abgeleitet, um die Referenzleistung des aktuellen Prozesses, also die Werte der Ausgangssituation (NullMessung), so genau wie möglich zu quantifizieren und „zu verstehen“. Dies erfolgt unter der Voraussetzung, dass ein CTQ zwar in der Regel direkt über die Outputmessgrößen messbar ist, aber seinerseits wiederum von Prozess- und Inputvariablen abhängt. Im Rahmen von Six Sigma Projekten besteht das vorrangige Ziel darin, diese Ursachen-Wirkungsbeziehungen aufzudecken und optimal ein-
456
Six Sigma in Banken und Versicherungen
zustellen. Die Ableitung von Messgrößen zur Bestimmung der Prozesseffektivität und -effizienz ist damit die zweite zahlenorientierte Systematik von Six Sigma.
VOC Police möglichst schnell Richtige Daten
Kernthema
CTQ
Zeit
In 3 Arbeitstagen (≤ 72 h)
Fehlerfreiheit
100% fehlerfreie Policen
Nachvollziehbarkeit
Anzahl der Rückfragen aus Verständnisgründen, d.h. hohe Zufriedenheit bei Service-Anrufen (max ...%)
Verständlich Übersichtlich Vereinbarter Preis Vergleichbarkeit mit Antrag
Vital few
Abbildung 12: VOC-CTQ-Analyse am Beispiel (Tool 1)
Abbildung 13 veranschaulicht zum besseren Verständnis der Prozessstruktur das grundsätzliche Vorgehen zur Messgrößen-Bestimmung in Six Sigma Projekten. Dabei wird deutlich, dass die Prozessanalyse – zum Herausfinden von wichtigen Ursachen für Qualitätsprobleme und Fehlerkosten – und der Prozessablauf – mit dem Ziel zur systematischen Gestaltung und Verbesserung zu Null-Fehler-Qualität – immer entgegengesetzt gerichtet sind und damit ablaufen. Im übertragenen Sinne „messen wir also in den Prozess hinein“, um, vom Output kommend, über geeignete Messgrößen und aussagefähige Daten ein Verständnis über das Ausmaß der Wirkungen (Probleme und Fehler) sowie die Intensität der möglichen Ursachen (systematische und zufällige) zu bekommen. Die CTQ – Outputmessgrößen-Analyse (Tool 2) im Six Sigma Projekt des Versicherungsunternehmens ergab, dass die drei ermittelten CTQs über insgesamt vier Outputmessgrößen „abbildbar“ sind, wobei die Indikatorwirkung – also der Zusammenhang zwischen CTQ und Messgröße – von schwach bis stark reicht (siehe Abbildung 14). Auf der Grundlage einer intensiven Datensammlung an verschiedenen Messpunkten des Prozesses erfolgt am Ende der Measure-Phase die Ermittlung der aktuellen Prozessleistung als Referenzwert für zukünftige Verbesserungen. Wichtige Kenngrößen sind hierbei u.a. die Fehlerrate als PPM (Parts Per Million) und die Fehlerquote als DPMO (Defects Per Million Opportunities) für diskrete Merkmale – wie sie bei Dienstleistungsunternehmen vorherrschen – sowie die Prozessstreuung als Cp-Wert und die Prozessfähigkeit als Cpk-Wert für stetige Merkmale, vorwiegend
Armin Töpfer
457
in Industrieunternehmen. Um das Skalenniveau verschiedener Merkmalsausprägungen (diskret/stetig) und damit unterschiedlicher Messansätze zur Bestimmung von Fehlerhäufigkeiten in völlig verschiedenen Prozessen im Unternehmen vergleichen zu können, wird das erreichte Qualitäts-Niveau über den Sigma-Wert als zentrale statistische Kennzahl angegeben.
Prozessablauf
Input
Anforderungen
!
Input-Messgrößen
Lieferant
Prozess Prozess-Messgrößen
Output Output-Messgrößen
Zufriedenheit
Unternehmen
CTQs Kunde
CTQs Kunde Prozessanalyse/ Ursachen für Qualitätsprobleme/ Fehlerkosten Gestaltung/ Verbesserungen zu Null-Fehler-Qualität
Abbildung 13: Messgrößen-Bestimmung bei Six Sigma Projekten
In unserem Beispiel des Versicherungsunternehmens mit den Wert-Verlusten (siehe Abbildung 8) war das Ausgangsqualitätsniveau bereits 4,47 σ. Dies ist, wie bereits angesprochen, ein guter Wert im Vergleich zum durchschnittlichen Qualitätsniveau in der deutschen Industrie, das bei einem Wert von 3,8 σ liegt, was einer Fehlerquote von ca. 10.000 DPMO, einer Prozessausbeute von ca. 99 %, einer Prozessstreuung von Cp = 1,3 und einer Prozessfähigkeit von Cpk = 0,8 entspricht. Die Frage, sind 99 % Qualität bei Banken und Versicherungen genug, ist heutzutage also aufgrund der hohen damit verbundenen Fehlerkosten bis zu 30 % der Gesamtkosten rein rhetorisch. Analyse-Phase Auf der Basis der gemessenen Ist-Daten und des ermittelten Sigma-Niveaus erfolgt in der Analyse-Phase eine detaillierte Auswertung der aktuellen Performance. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere, die Hauptursachen von Fehlern zu bestimmen und darauf basierende Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten. Konkret werden folgende drei Schritte durchlaufen: 1.
Entwickeln einer detaillierten Prozessdarstellung und Analyse des Ist-Prozesses unter Verwendung von Zeit-, Wertschöpfungs- und Flussanalysen
458
Six Sigma in Banken und Versicherungen
2.
Durchführen einer Ursachen-Wirkungsanalyse, um potenzielle Ursachen für Fehler aufzudecken und ggf. weitere Messpunkte zu definieren
3.
Aufdecken von Zusammenhängen zwischen den abhängigen Variablen und den unabhängigen Einfluss- und Ursachenfaktoren durch eine Datenanalyse. OutputMessgröße
CTQs
DLZ
bis Police bei Kunde
Anzahl von Postrückläufen
Fehlerrate (Inhalt)
Fehlerrate (Übersichtlichkeit)
≤ 3 Arbeitstage 100% fehlerfreie Police Hohe Zufriedenheit (CSI) bzgl. Verständlichkeit/ Übersichtlichkeit
Starker Zusammenhang
Mittlerer Zusammenhang
Schwacher Zusammenhang
Abbildung 14: CTQ – Outputmessgrößen-Analyse am Beispiel (Tool 2)
Im Detail geht es jetzt also darum, den Prozess aufzuschlüsseln. Dies geschieht in der Weise, dass der Ablauf analysiert wird, wie die Outputmessgrößen durch die Gestaltung und Steuerung der Prozess- und Inputmessgrößen zustande kommen. Die möglichen Fehler bei den Ergebnissen werden damit auf die beiden Ursachenebenen Prozess und Input zurückverfolgt. In Abbildung 15 ist diese Matrix beispielhaft für unser Versicherungsunternehmen wiedergegeben. Die Zuordnung zeigt wieder die ursächliche Stärke der Zusammenhänge. Hierdurch wird nachvollziehbar, warum bestimmte Output-Messgrößen im Hinblick auf die Zeit und die Fehler, ausgedrückt in Rückläufen, Inhaltsfehlern und Verständlichkeitsproblemen, den geforderten Zielwert nicht erreichen. Ein starker Zusammenhang ergibt sich beispielsweise zwischen DLZ (Durchlaufzeit) als Outputmessgröße und WAB (Wartebestandsliste für Policen) als Prozessmessgröße. Wie Abbildung 15 veranschaulicht, ist für die beiden Matrix-Dimensionen „Output-Messgröße“ (Ordinate) sowie „Prozess-/ Input-Messgröße“ (Abszisse) also die Stärke des Einflusses einzelner Größen im Prozess erkennbar, und zwar in der Weise, dass das Ergebnis einer Vorphase in seiner Wirkung auf den Input der nächsten Wertschöpfungsstufe bzw. auf den Outcome des vollständigen Wertschöpfungsprozesses bestimmt wird. Der gesamte Prozess der Wertschöpfung wird so in mehrstufige Ursachen-Wirkungsbeziehungen zergliedert.
Armin Töpfer
Prozess-/ InputMessgröße OutputMessgröße
Anzahl der Nachträge
WAB
459
Anzahl der Fehler in Bearbeitungs- Komplexität zeiten Anträgen
gewollt ungewollt
DLZ Anzahl der Postrückläufe Fehlerrate (Inhalt) Fehlerrate (Verständlichkeit)
Starker Zusammenhang
Mittlerer Zusammenhang
Schwacher Zusammenhang
Abbildung 15: Output – Inputmessgrößen-Analyse am Beispiel (Tool 3)
Die Analyse-Phase ist damit die „Kernphase“ des DMAIC- bzw. DMADVZyklus, denn ohne tiefgehende und aussagefähige Ursachenanalyse für Fehler sind im Allgemeinen keine Verbesserungsmaßnahmen mit großer Hebelwirkung möglich. Als Fehler wird, wie bereits angesprochen, definiert, wenn die erwarteten Ergebnisse eines Prozesses nicht erreicht werden, und zwar in Bezug auf die zuvor festgelegten Definitionen und Standards im Rahmen der Unternehmensstrategie und/oder die ermittelten wesentlichen Kundenanforderungen, also die CTQs. In Abbildung 16 ist das vereinfachte Ursachen-Wirkungsschema/ Ishikawa-Diagramm am Beispiel des Versicherungsunternehmens skizziert. Untersucht wird hier, aufgrund welcher Einfluss- und Wirkungsgrößen die Output-Messgröße Durchlaufzeit zu hoch ist. Wie nachvollziehbar ist, wird die Durchlaufzeit (DLZ) im Prozess zur Erstellung von „Kundenfreundlichen Vertragsunterlagen“ durch eine größere Anzahl unterschiedlicher Faktoren auf den fünf analysierten Dimensionen beeinflusst bzw. bewirkt. Im Rahmen dieser 5M-Analyse werden auf diese Weise die Ursachen systematisch ermittelt und hinterfragt, um die Beziehungen zwischen den Input-/Prozessvariablen und der Outputvariablen DLZ möglichst objektiv zu beschreiben. Als „Faustregel“ für die Tiefenanalyse zu den einzelnen M´s (Mensch, Methode, Maschine, Mitwelt und Management) gilt: Frage 5-mal „Warum?“, um die jeweilige Ursache/Einflussgröße bestmöglich zu durchdringen und zu spezifizieren. Dabei ist der Grad der Beeinflussbarkeit der einzelnen Einflussvariablen zu spezifizieren (constant, noise, variable), denn nur die variablen Größen sind unmittelbar unternehmensintern zu gestalten und kommen für die Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen in der Improve-Phase in Frage. Die konstanten Größen sind praktisch nicht, zumindest nicht kurzfristig beeinflussbar. Bestehende negative
460
Six Sigma in Banken und Versicherungen
Einflüsse und Wirkungen müssen also entweder hingenommen oder mittelfristig verändert werden. In ihrem Qualitätsniveau nur schwer über die Zeit bestimmbare und damit auch steuerbare Einflussgrößen werden mit „noise“ bezeichnet, was bildlich dem Hintergrundrauschen in der Fernmeldetechnik entspricht. Methode
Mensch
Beispiel „Kundenfreundliche Vertragsunterlagen“
Druckintervall v
c Kunde
Qualifikation v
Prozessorganisation
Mitarbeiter Q-Bewusstsein v n Verfügbarkeit IT
Zentraler v Policendruck Agentur (v)
DLZ zu hoch c
constant (Gegebene Rahmenbedingung nicht veränderbar)
n
noise (Umfeldbedingt nur schwer beeinflussbar)
v
variable (Unternehmensintern gestaltbar)
c Post (v) Software kompliziert
c Zulassungsstelle
Maschine/ IT
Mitwelt
Vorver- c sicherer
Fehlende v Vollmacht
Management V
Input- und Prozessvariablen/ Mögliche Ursachen
( ) mittelfristig/ nicht kurzfristig
Output-Variable/ Fehler
Faustregel: 5 x Warum? Abbildung 16: Ishikawa-Diagramm am Beispiel
Zwei Dimensionen lassen sich mit einem Ishikawa-Diagramm also präzisieren. Zum einen ist dies der Grad der Beeinflussbarkeit von möglichen Ursachengrößen durch die Akteure im Unternehmen bzw. dann auch im Projekt. Zum anderen wird mit geeigneten statistischen Methoden die Stärke des Einflusses von identifizierten Ursachengrößen analysiert. Insgesamt werden damit auf der Grundlage des Ishikawa-Diagramms die Struktur und das Niveau möglicher Einflussgrößen als Ursachen ermittelt. Je nach dem Grad der Beeinflussbarkeit stellen sie in einem Six Sigma Projekt unterschiedlich wichtige Eingriffsgrößen dar. Nach diesem Analyseschritt ist jetzt damit zu beginnen, auf der Basis detaillierter statistischer Untersuchungen zur Quantifizierung der Ursachen-Wirkungsbeziehungen die maßgeblichen Gründe für das negative Ergebnis bzw. die Abweichung herauszuarbeiten. Ermittelt wird also, wie stark der Einfluss einzelner Einflussfaktoren innerhalb des Wertschöpfungsprozesses auf den Outcome als Ergebnis des Gesamtprozesses ist. Das Ziel besteht dabei darin, dass alle als wesentlich erkannten Ursachengrößen einer hohen Beeinflussbarkeit im Unternehmen unterliegen. Mit der Quantifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten folgen direkt – wie oben beschrieben – die beiden Phasen Improve und Control. Durch die gezielte Behebung von Fehlerursachen und die Einleitung von prozessbezogenen Verbesserungsmaßnahmen war es im Fall des Versicherungsunternehmens möglich, das
Armin Töpfer
461
Sigma-Niveau durch das Six Sigma Projekt beträchtlich zu steigern und durch die Vermeidung von Fehlerkosten die Ertragssituation nachhaltig zu verbessern.
5
Einführungsprozess und Wirkungen von Six Sigma in Banken
Von den Banken, die eine Six Sigma Initiative bereits begonnen haben, wurde frühzeitig erkannt, dass für Prozesse in Banken, die mit industriellen Fertigungsprozessen vergleichbar sind, erhebliche Kostensenkungen und zugleich Qualitätssteigerungen sowie höhere Kundenzufriedenheit mittels Six Sigma Projekten erreichbar sind. Hiervon gehen unmittelbar positive Wirkungen auf die Stärkung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit aus. Mit GE Money Bank und Bank of America werden im Folgenden zwei Unternehmensbeispiele dargestellt, anhand derer die strategischen und operativen Aspekte bei der Einführung und Umsetzung von Six Sigma im Bankensektor gut nachvollziehbar sind (vgl. hierzu und im Folgenden auch Töpfer 2006a, S. 60ff. und Töpfer 2006b, S. 311ff.) .
5.1
GE Money Bank
Die GE Money Bank als ein Teil der GE Consumer Finance, die mit weltweit 163 Mrd. US $ Bilanzsumme und 18 Mrd. US $ Gewinn im Jahr 2005 Bestandteil der Nachfolgeorganisation von GE Capital ist, hat die Six Sigma Philosophie konsequent auf ihre Produkte umgesetzt (siehe Abbildung 17a). Das Kundenversprechen lautet, dass die Produkte fair, transparent und marktgerecht sind. Konkret bedeutet dies, dass die Produkte relativ einfach konzipiert sind und im Handling nur relativ niedrige Kosten verursachen. Die Produktpalette ist dadurch schlank. Da die Produkte unter-schiedlicher Banken weitgehend ähnlich sind, wird die Differenzierung vom Wettbewerb im Service und in der Transparenz gesucht. Robert Law, der ehemalige Deutschlandchef der GE Money Bank, führte die Bank fast wie einen Industriebetrieb: „Ich bin kein Banker, sondern Ingenieur.“ (vgl. Hönighaus 2005, S. 17). Diese Strategie wird in der 30-Minuten-Kampagne der GE Money Bank erfolgreich umgesetzt (siehe Abbildung 17b). Das Ziel ist eine einfache und schnelle Abwicklung von Kreditanfragen der Händlerpartner des Autogeschäfts. Jede vollständige und korrekte Finanzierungsanfrage soll innerhalb von 30 Minuten entschieden werden. Insbesondere durch eine optimierte Online-Finanzierung soll ein verbesserter Kundenservice geliefert werden. Im Ergebnis konnten 99 % der Anfragen innerhalb von 30 Minuten entschieden werden. Jede 3. Anfrage dauerte nur 60 Sekunden. Die Resonanz der Händler war rundum positiv. Die Kampagne wird deshalb fortgesetzt.
462
Six Sigma in Banken und Versicherungen
Kunden-Versprechen: ¾ Produkte fair, transparent und marktgerecht Umsetzung: ¾ Simple Produkte, niedrige Kosten ¾ Schlanke Produktpalette Wettbewerbsphilosophie: ¾ Alle Produkte sind ähnlich ¾ Service und Transparenz machen den Unterschied GE Money Bank = Teil von GE Consumer Finance: ¾ Weltweit 163 Mrd. US-$ Bilanzsumme ¾ 18 Mrd. US-$ Gewinn in 2005 Quellen: FTD vom 2.02.2005, S. 17, www.gemoneybank.de, abgerufen am 02.11.2006
Abbildung 17a: Philosophie der GE Money Bank
is Be
l pie
Ziel: ¾ Einfache und schnelle Abwicklung von Kreditanfragen der Händlerpartner des Autogeschäfts ¾ Jede vollständige und korrekte Finanzierungsanfrage innerhalb von 30 Minuten entscheiden ¾ Verbesserter Kundenservice durch optimierte Online-Finanzierung Ergebnis: ¾ 99% der Anfragen innerhalb von 30 Minuten entschieden ¾ Jede 3. Anfrage dauerte nur 60 Sekunden ¾ Die Resonanz der Händler war „rundum“ positiv ¾ Die Kampagne wird fortgesetzt Quelle: www.gemoneybank.de, abgerufen am 26.09.2005
Abbildung 17b: 30-Minuten-Kampagne der GE Money Bank
5.2
Bank of America
Im Vergleich zu vorstehend genanntem Beispiel GE Money Bank hat die Bank of America Six Sigma in Form einer breit angelegten und offen kommunizierten
Armin Töpfer
463
Unternehmensinitiative eingeführt. Hier zunächst einige Kennzahlen dieser global tätigen Universalbank bezogen auf das Jahr 2005: •
482,4 Mrd. US $ Assets under Management
•
33 Mio. Kunden weltweit
•
> 1 Mio. Kontoeröffnungen p.a. (netto)
•
176.000 Mitarbeiter weltweit
•
16,5 % Return on average common shareholders’ Equity (ROE)
•
2 Mrd. US $ Benefit durch Six Sigma p.a.
Der Zeitverlauf und die Art der Einführung von Six Sigma sowie die dabei erreichten Ergebnisse und Erfolge sind in Abbildung 18 im Überblick dargestellt. Der Prozess begann, nachdem Kenneth D. Lewis im Jahre 2001 als CEO die Verantwortung und Steuerung der Bank übernommen hat. Seine Zielsetzung bestand von Anfang an darin, bei allem, was die Bank tut, höhere Standards für die Kunden und Shareholder als der Wettbewerb zu erreichen und damit die zukünftige positive Entwicklung des Unternehmens zu sichern (vgl. Lewis 2004, S. 1-4). In der Vergangenheit gab es einige Re-Engineering- und Qualitätsinitiativen, die darauf ausgerichtet waren, ineffiziente und fehleranfällige Prozesse zu verbessern. Da die entsprechende Unterstützung der oberen Führungskräfte fehlte, zeigten sie keine nachhaltige Wirkung und wurden von den Mitarbeitern als „Modeinitiativen“ abqualifiziert. Die Ausgangslage für die Einführung von Six Sigma war also keineswegs positiv. Ab dem Jahre 2001 hat Lewis den strategischen Schwerpunkt auf das organische Wachstum des Unternehmens gelegt und dabei auf profitable Kundenbeziehungen sowie die Steigerung der Kundenzufriedenheit gesetzt. Der neu rekrutierte Quality and Productivity Executive, der dem CEO unmittelbar unterstellt war, hat in ca. 40 Six Sigma Projekten eine Reduzierung von Systemfehlern in elektronischen Transaktionsprozessen angestrebt. Von den oberen Führungskräften der Bank wurde die direkte Führung und Verantwortung für Six Sigma Projekte übernommen. Um dem Verbesserungsprozess eine hohe Dynamik zu verleihen, wurden fast 40 erfahrene Master Black Belts extern rekrutiert. In den Transaktionsprozessen konnte die Fehlerrate um 88 % gesenkt werden. Six Sigma Ziele wurden in die strategische Planung aufgenommen und in die Executive-Ziele integriert. Der „Voice of the Customer“-Prozess wurde für die systematische Erfassung der Kundenbedürfnisse etabliert. Unternehmensweit wurde ein einheitliches System für die Messung der Kundenzufriedenheit eingeführt. Als Ziel war vorgegeben, dass bei 90 % aller Kunden ein Scoring-Wert von 9 bei 10 möglichen Punkten erreicht wird. Das Jahr 2002 brachte die ersten nachhaltigen Erfolge dieser Six Sigma Initiative. Der Schwerpunkt der Six Sigma Projekte lag auf angestrebten Produktivitätsstei-
464
Six Sigma in Banken und Versicherungen
gerungen. Dabei wurden insbesondere fehlerhafte Kreditantragsformulare eliminiert, verspätete Kundenzahlungen reduziert und die Verfügbarkeit der Geldautomaten auf 100 % erhöht. Zusätzlich ist die Response-Zeit bei Kundenanfragen für Hypotheken deutlich reduziert worden. Insgesamt konnten Verbesserungen von 47 % erreicht werden. Die Kundenzufriedenheit stieg um 25 %. Der Projektnutzen lag bei ca. 1,5 Mrd. US $ Einsparungen als Net Benefit. Zeit 2000
Entwicklungen • Ineffiziente, fehleranfällige Prozesse führen zu einer hohen Kundenunzufriedenheit
Ergebnisse ¾ Mitarbeiter entwickeln einen hohen Grad an Zynismus gegenüber diesen „Modeinitiativen“
• Verschiedene Prozess-Reengineeringund Qualitätsinitiativen werden gestartet • Initiativen erfolgen isoliert, ohne ExecutiveSupport und verpuffen ohne Nachhaltigkeit
2001
• Neuer CEO, Kenneth D. Lewis, übernimmt die Verantwortung/ Steuerung • Strategie: Vom Wachstum durch M&A hin zu organischem Wachstum • Quality & Productivity Executive wird rekrutiert und direkt dem CEO unterstellt • Der CEO sowie die Top-10 Executives der Bank übernehmen direkte Führung/ Verantwortung für Six Sigma Projekte • Ca. 30-40 erfahrene Master Black Belts (MBB) werden extern rekrutiert • „Voice of the Customer“-Prozess wird etabliert für die systematische Erfassung der Kundenbedürfnisse
2002
2003
2004
¾ Fokus auf die Akquisition, Pflege und Vertiefung von profitablen Kundenbeziehungen sowie auf die Verbesserung der Kundenzufriedenheit ¾ Ca. 40 Six Sigma Projekte zur Reduzierung von Systemfehlern in elektronischen Transaktionsprozessen Æ Senkung der Fehlerrate um 88% ¾ Unternehmensweit wird ein einheitliches System für die Messung der Kundenzufriedenheit etabliert Æ Scoring-Zielwert: 9 von 10 Punkten für 90% aller Kunden ¾ Six Sigma Ziele werden in die strategische Planung aufgenommen und in die Executive-Ziele integriert SIX449-2_3.PPT
¾ Projektnutzen: ca. 1,5 Mrd. US $ • Umsetzung von Six Sigma Projekten mit dem Kundenzufriedenheit: + 25% Fokus auf Produktivitätssteigerung: - Eliminierung von fehlerhaften Kreditantragsformularen - Reduktion von verspäteten Kundenzahlungen ¾ Verbesserung um 47% - Gewährleistung von 100% Verfügbarkeit der Geldautomaten - Reduktion der Response-Zeit bei Kundenanfragen für Hypotheken ¾ Projektnutzen: > 2,0 Mrd. US $ • Umsetzung von Six Sigma Projekten mit dem Æ 50% davon stammen aus Fokus auf Ertragswachstum: Ertragssteigerungen - Reduktion der Administrationszeit für Kundenberater - Verbesserung des Screening-Prozesses für ¾ Kern-Kundenprozesse: ≈ 6σKundenpotenziale Niveau - Systematische Einbindung von Lieferanten in Six Sigma Projekte • Die erste Welle von ausgebildeten Black Belts kehrt in die Linienposition zurück
¾ Six Sigma ist Schlüsselqualifikation für eine Managementkarriere
• Bei der Bank of America sind ca. 2.000 Black Belts (BB) aktiv (= 1,2% aller Mitarbeiter)
¾ Six Sigma ist ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur von BoA
Basis: Jones 2004, BoA
Abbildung 18: Einführung von Six Sigma bei der Bank of America
© Prof. Dr. Armin Töpfer
Armin Töpfer
465
Im Jahr 2003 wurde die Six Sigma Initiative fortgesetzt. Der Schwerpunkt der Six Sigma Projekte lag jetzt allerdings auf dem Ertragswachstum. Als Ziel wurden eine Reduzierung der Administrationszeit von Kundenberatern, eine Verbesserung des Screening-Prozesses für Kundenpotenziale sowie eine systematische Einbindung von Lieferanten in Six Sigma Projekte angestrebt. Die Kern-Kundenprozesse konnten so auf ein 6σ-Niveau angehoben werden. Der Projektnutzen als erwirtschafteter Net Benefit stieg auf über 2 Mrd. US $. 50 % davon stammten aus Ertragssteigerungen. Bereits im Jahr 2003 kehrte die erste Welle von ausgebildeten Black Belts in Linienpositionen zurück. Inzwischen ist Six Sigma eine Schlüsselqualifikation für eine Managementkarriere bei der Bank of America. Im Jahr 2004 sind im Unternehmen bereits ca. 2.000 Black Belts aktiv. Dies sind 1,2 % aller Mitarbeiter. Six Sigma ist damit bereits ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur der Bank of America geworden.
6
Anwendungsvoraussetzungen für Six Sigma
Die mit Six Sigma Projekten erreichten Ergebnisse sind nicht selten beeindruckend. Die entscheidenden Fragen sind jedoch, ob sich die Six Sigma Methodik generell bei Banken und Versicherungen anwenden lässt und wie sie dann im Einzelfall in jedem Unternehmen zielführend einzusetzen ist. Im Folgenden werden anhand von 15 Punkten, die in Abbildung 19 als Checkliste zusammengefasst sind, beide Fragen beantwortet. 1.
Prozesse/Transaktionen in hoher Stückzahl
Die entscheidende Frage zu Anfang ist, ob die Grundvoraussetzung für die Anwendung der Six Sigma Methode gegeben ist, nämlich ob die Wertschöpfung in Prozessen erbracht wird, bei denen relativ standardisierte Aktivitäten in einer hohen Stückzahl durchgeführt werden. Sicherlich ist Six Sigma nicht in allen Wertschöpfungsprozessen einer Bank anwendbar. Bei allen standardisierten Transaktionen in hoher Stückzahl ist diese Basisvoraussetzung allerdings gegeben. Dies geht inzwischen soweit, dass Erfahrungswissen aus der prozessorientierten industriellen Fertigung genutzt wird und von einer Industrialisierung von Bankleistungen durch eine IT-gestützte Automatisierung gesprochen wird (vgl. Pöhler 2004, S. 126). Six Sigma ist damit beispielsweise anwendbar bei allen auf ein Konto bezogenen Aktivitäten, also dem Zahlungsverkehr, bei der Nutzung von Geldautomaten, aber auch bei der Beantragung und Vergabe von Krediten sowie der Depotverwaltung oder der Abwicklung von Wertpapiergeschäften. In den Bereichen einer Bank, die diese Aufgaben zu erfüllen haben, können Six Sigma Projekte zu erheblichen Kosteneinsparungen und vermiedenen Kundenbeschwerden führen. Dies gilt in besonderem Maße für Transaktionsbanken, deren Wertschöpfung genau hierauf konzentriert ist.
466
Six Sigma in Banken und Versicherungen
1
Prozesse/ Transaktionen mit hoher Stückzahl
2
Mission/ Vision/ Strategie auf Null-Fehler-Qualität ausgerichtet
3
Veränderte Ausrichtung des praktizierten Qualitätsmanagements (QM)
4
Prozessorientierte Qualitätssteuerung
5
Qualitätskennzahlen und Managementkennzahlen
6
Projektmanagement Know-how
7
Unternehmenskultur für Transparenz sowie konsequente Steuerung und Umsetzung
8
Commitment der Führungskräfte und Mitarbeiter
9
Personalentwicklungs-Konzepte für konsequentes Lernen
10
Top-down Einführung mit Pilotprojekten
11
Auswahl von für die Six Sigma Methode geeigneten Projekten
12
Mitarbeiter und Fähigkeitsprofil für Projektmanager
13
Ermittlung des Net Benefit
14
Verknüpfung mit personenbezogenen Zielvereinbarungen und Anreizen
15
Harmonisierung mit anderen (Qualitäts-)Managementkonzepten
Abbildung 19: 15 Punkte Checkliste für die Anwendung von Six Sigma in Banken und Versicherungen
2.
Mission/Vision/Strategie auf Null-Fehler-Qualität ausgerichtet
Wenn also die grundsätzliche Anwendbarkeit der Six Sigma Methode gegeben ist, dann stellt sich die Frage, welchen Stellenwert im Marktauftrag einer Bank sowie in der ausformulierten Strategie die Faktoren Null-Fehler-Qualität, Kostensenkung und Zufriedenheit der externen und internen Kunden einnehmen. Sind hierzu eindeutige und herausfordernde Aussagen formuliert, dann ist der Weg für die Anwendung der Six Sigma Methode frei. Nicht selten gibt es in Unternehmen im Hinblick auf die Vision und Strategie aber deutliche „weiße Flecken“. 3.
Veränderte Ausrichtung des praktizierten Qualitätsmanagements (QM)
Die Qualitätsvision soll auf diese Weise im Geschäftsmodell und in allen wichtigen Prozessen verankert werden. Das Ziel ist, besser, schneller und schlanker in Richtung Business Excellence zu werden. Kundenorientierung wird dann in den Kundenanforderungen als Ausgangspunkt des Handelns umgesetzt, und zwar mit dem Ziel, die wesentlichen und erfolgskritischen Anforderungen der Kunden, also die CTQs, umfassend zu erfüllen. Das Niveau des vorhandenen QM-Systems ist durch den Einsatz von QM-Instrumenten und -Werkzeugen, die für die Durchführung von Six Sigma Projekten geeignet sind, erheblich zu steigern. Unter diesem Blickwinkel ist also zunächst zu analysieren, ob das bisher praktizierte Qualitäts-
Armin Töpfer
467
management inhaltlich, instrumentell und personell für diese strategisch ausgerichteten Aufgaben gewappnet ist. 4.
Prozessorientierte Qualitätssteuerung
Der eindeutige Hebel für Null-Fehler-Qualität ist eine Verbesserung der Prozesse. Die Prozessorientierung wird bei einer Verschärfung des Wettbewerbs zu einem wesentlichen Werttreiber in Banken. Die Umsetzung der Six Sigma Philosophie und die Durchführung von entsprechenden Projekten kann beispielsweise dazu führen, dass für optimierte Teilprozesse die Verantwortung eindeutiger festgelegt und das im Detail geforderte Qualitätsniveau klar definiert wird. Im Ergebnis läuft dies auf die Einführung von Quality Gates hinaus, also von Übergabepunkten als Schnittstellen zwischen zwei (Teil-)Prozessen, wie sie in der industriellen Fertigung seit geraumer Zeit gebräuchlich sind. Nur wenn die Prozesslandschaft eindeutig in ihrer Architektur festgelegt und im Detail beschrieben ist, besteht überhaupt die erforderliche Grundlage für die Durchführung von Six Sigma Projekten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Eine Six Sigma Initiative kann auch eingeführt werden, wenn die Prozesslandschaft noch nicht analysiert und festgeschrieben ist. Der Aufwand und der notwendige Antritt sind dann jedoch ungleich höher. Nicht wenige Banken sehen eine erste Anwendungshürde bei Six Sigma darin, dass die Prozesse noch nicht ausreichend analysiert und beschrieben sind sowie vor allem auch noch nicht mit einer aussagefähigen Prozesskostenrechnung hinterlegt sind. Denn sie erlaubt es erst, Fehlerkosten zu quantifizieren und damit auch das Optimierungspotential zu bestimmen, das in der Six Sigma Projekt Charter festzuschreiben ist. Ein zweites Umsetzungsproblem von Six Sigma wird darin gesehen, dass auch die Datenverfügbarkeit und Datenqualität bezogen auf die einzelnen Prozesse hierfür noch nicht ausreichend sind, so dass gesicherte Werte über die Output-, Prozess- und Inputmessgrößen nicht im erforderlichen Maße vorliegen. 5.
Qualitätskennzahlen und Managementkennzahlen
Ein Hauptkriterium der Six Sigma Philosophie ist, dass alle im Rahmen von Projekten erreichbaren Ergebnisse bereits vorab quantifiziert und danach konsequent gesteuert werden. Dies setzt ein eindeutiges Messsystem für alle Qualitätskennzahlen voraus, die durch die auf Wirtschaftlichkeit und Finanzergebnisse bezogenen Managementkennzahlen ergänzt werden. Grundsätzlich ist auf den bisher verwendeten Steuerungsgrößen eines Unternehmens aufzusetzen, allerdings unter der Voraussetzung, dass hiermit bereits eine inhaltlich und prozessbezogen substanzielle Steuerung möglich war.
468
6.
Six Sigma in Banken und Versicherungen
Projektmanagement-Know-how
Durch die eindeutige und kompromisslose Ausrichtung auf Projekte erhält die Six Sigma Methode und der damit verbundene Verbesserungsprozess ein hohes Maß an Stringenz und Verbindlichkeit. Aus der Six Sigma Toolbox werden Methoden des Qualitätsmanagements angewandt, die in fortschrittlichen Unternehmen zu einem großen Teil bereits genutzt werden. Hinzu kommt jetzt ein klar definiertes, methodisches Vorgehen, das je nach Problemstellung inhaltlich flexibel, aber in der Abfolge der einzelnen Phasen standardisiert ist. In jedem Projekt wird der DMAIC-Prozess durchlaufen. Dadurch werden Verbesserungen nicht nur „angedacht“, sondern im Hinblick auf die Ursachen von Problemen eindeutig analysiert, in ihrer Umsetzung ergebnisorientiert gesteuert und auf ein stabiles Niveau gebracht. Von Vorteil ist deshalb, wenn in einem Unternehmen bereits in der Vergangenheit fundiertes Projektmanagement-Know-how aufgebaut wurde. 7.
Unternehmenskultur für Transparenz sowie konsequente Steuerung und Umsetzung
Die Konsequenz der Vorgehensweise sowie der Analyse und Steuerung von Verbesserungen ist für nicht wenige Unternehmen neu, zumindest aber ungewohnt. Daher kommt einer weiter entwickelten Unternehmenskultur bei der Einführung und Umsetzung einer Six Sigma Initiative eine hohe, oftmals sogar eine erfolgsentscheidende Bedeutung zu. Bei neuen Initiativen als Verbesserungsprogramme im Unternehmen werden die Auswirkungen auf die Unternehmenskultur meistens nur als Konsequenz gesehen und deshalb im Konzept am Schluss angeführt. Bei Six Sigma würde dies nicht ausreichen und eher kontraproduktiv sein. Die Veränderung auf breiter Front ist zentraler Bestandteil des Vorhabens und muss deshalb im Vorfeld und parallel zur Umsetzung geplant und gesteuert werden. Andernfalls „versandet“ eine Six Sigma Initiative und erbringt in zu wenigen erfolgreichen Projekten kaum Wirkung. Diese Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit muss von vornherein benannt und eingefordert werden. Hierzu gehört auch die Bereitschaft und Fähigkeit, mit der Transparenz durch erkannte Fehler und Probleme umzugehen. Gesucht wird nicht der Schuldige, sondern die beste Lösung des Problems. Die Überzeugungsarbeit der Unternehmensleitung und der Six Sigma Beauftragten in diese Richtung ist in ihrem Ausmaß und Aufwand nicht zu unterschätzen. Erst hierdurch entsteht ein positiver und freiwilliger Veränderungsdruck als zentraler Bestandteil eines Change-Management-Prozesses. Eine Veränderung der Mitarbeiterzahl aufgrund erfolgreich durchgeführter Six Sigma Projekte resultiert aus der gestiegenen Produktivität und Wirtschaftlichkeit. Denn ohne die Fehler sind weniger bzw. kaum Mitarbeiter erforderlich, um sie zu beseitigen. Das verbessert die Ertragssituation eines Unternehmens erheblich. Genau dies ist dem Betriebsrat so zu vermitteln, damit eine Six Sigma Initiative nicht mit dem Etikett eines „scharfen Rationalisierungsinstruments“ versehen wird. Anderenfalls kämen die Einführung und die Wirkungen durch den Widerstand des Betriebsrates und der Mitarbeiter schnell in Schieflage. Die Argumenta-
Armin Töpfer
469
tion muss deshalb darauf abzielen, dass die Bank oder Versicherung auf diese Weise nicht nur wirtschaftlicher arbeitet, sondern wettbewerbsfähiger wird und dadurch Arbeitsplätze längerfristig gesichert werden. Gestiegene Performance, günstigere Kosten- und Preisstrukturen sowie zufriedenere Kunden sind zugleich die Hebel für mehr Umsatz, Wachstum und Markterfolg. Und hierfür braucht jeder Finanzdienstleister engagierte und qualifizierte zusätzliche Mitarbeiter. 8.
Commitment der Führungskräfte und Mitarbeiter
Auf dieser Basis (Punkt 7) ist das für den Erfolg einer Six Sigma Initiative im Unternehmen unerlässliche Commitment der davon betroffenen bzw. darin einbezogenen Führungskräfte und Mitarbeiter einzuholen respektive einzufordern. Selbstverpflichtung setzt immer ausreichende inhaltliche Information voraus. Mit dieser Zielsetzung ist deshalb eine breite und offene Kommunikation über das Vorhaben durchzuführen. Sie erstreckt sich auch auf den Betriebsrat, der keine tragende Rolle in Six Sigma Projekten, aber auf jeden Fall ein wachsames Auge hat. Die Unternehmensleitung und das Management müssen sich an die „Spitze der Bewegung“ stellen, andernfalls werden Glaubwürdigkeit und Schlagkraft eingebüßt. Denn die Führungskräfte in ihrer Linienverantwortung sind als so genannte Champions Auftraggeber für Verbesserungsprojekte nach der Six-SigmaMethode. 9.
Personalentwicklungskonzepte für konsequentes Lernen
Die beste Grundlage für das Verstehen und Akzeptieren sind über die Information hinaus konsequentes Lernen und Anwenden. Unternehmensweite Schulungen in gestaffelter Form mit unterschiedlicher Tiefe sind der beste Ansatz für die Vermittlung von Six Sigma Wissen. Durch diese Qualifizierung soll eine Sensibilisierung der Mitarbeiter einschließlich des Betriebsrats für Six Sigma erreicht werden. Six Sigma Qualifizierungsniveaus sind nicht festgeschrieben und zertifiziert, sondern durch Konvention und „gute Praxis“ entstanden. Folgende Abstufungen sind gebräuchlich: • Halbtägige Informationsveranstaltungen für White Belts darüber, was Six Sigma ist und bezweckt. • Zweitägige Schulungen für Yellow Belts, die in ihrem Bereich Six Sigma Projekte zumindest mit Daten und Analysen unterstützen. • Bis zu vier Tagen Schulung für Champions, die Six Sigma Projekte in ihrem Verantwortungsbereich in Auftrag geben. • 10 bis 12 Tage Training für Green Belts, die kleinere Six Sigma Projekte selbstständig durchführen können und dies bereits am konkreten Projekt im Training lernen.
470
Six Sigma in Banken und Versicherungen
• 20 Tage Training für Black Belts in Zeitintervallen, verbunden mit einem konkreten Six-Sigma-Projekt, das sie unter Aufsicht und mit Coaching durch den Master Black Belt selbstständig bearbeiten. Dieser breitflächige Qualifizierungsbedarf erfordert über die Zeit eine spezifische Lernkultur im Unternehmen. Zwei Dinge sind hierbei wesentlich: Zum einen, dass diese an asiatische Kampfsportarten angelehnte Nomenklatur der Qualifikationsniveaus auf Akzeptanz und nicht auf generelle Ablehnung im Unternehmen trifft. Andernfalls kann eine Six Sigma Initiative nicht am Ziel und Inhalt, sondern bereits an Namen und Titeln scheitern. Grundvoraussetzung ist zum anderen eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung im Rahmen der Six Sigma Organisation sowie die frühzeitige Festlegung, in welchen Bereichen die ersten Six Sigma Projekte durchgeführt werden sollen. Dies verhindert eine Qualifizierung auf Vorrat und garantiert eine zeitnahe Umsetzung des Gelernten. 10. Top-down-Einführung mit Pilotprojekten Die Einführung von Six Sigma ist in zwei unterschiedlichen Formen möglich, die beide ihre Vorzüge haben. Alternative 1 ist die „Undercover“-Implementierung, Alternative 2 entspricht einer breit angelegten und offen kommunizierten Initiative durch die Unternehmensleitung. Bei einer „Undercover“-Implementierung liegen i.d.R. keinerlei Erfahrungen mit Six Sigma im Unternehmen vor. Die Initiative zum Handeln geht meistens von der zweiten oder dritten Führungsebene aus. Das Ziel dieser Vorgehensweise besteht darin, erste „Gehversuche“ mit Six Sigma zu machen sowie Erfahrungen zu gewinnen und Erfolge einzufahren. Deshalb werden – ohne eine breite Kommunikation im Unternehmen und mit der geringstmöglichen Absicherung nach oben, beispielsweise durch eine für Qualität oder einen Geschäftsbereich zuständige obere Führungskraft – wenige Pilotprojekte durchgeführt, um die Methodik besser zu verstehen und in ihrer Anwendungsfähigkeit im Unternehmen zu prüfen. Nur wenn die realisierten Ergebnisse die angestrebten hohen Ziele erreichen, wird dieser Erfolg im Unternehmen und dabei speziell der Unternehmensspitze gegenüber kommuniziert. Nach dem Motto „Nichts überzeugt mehr als Erfolg“ sind zu diesem Zeitpunkt also bereits die Machbarkeit und Effektivität von Six Sigma im eigenen Unternehmen geprüft worden. Erst danach kommt es zu einer offiziellen Entscheidung durch die Unternehmensleitung, ob und wie Six Sigma umgesetzt wird. Wenn Six Sigma ernsthaft eingeführt werden soll, erfolgt dann häufig der Übergang zur Alternative 2. Der Einführungsprozess der Alternative 2, wie sie z.B. von der Bank of America gewählt wurde, beginnt gleich mit einer breit angelegten Six Sigma Initiative, die von der Unternehmensleitung ausgeht und mit den vollzogenen Trainings relativ schnell in Pilotprojekte mündet. Diese Alternative ist also nur empfehlenswert, wenn das Unternehmen und vor allem die Akteure bereits eine ausreichend große Handling-Sicherheit mit Six Sigma besitzen. Six Sigma wird damit im Zeitablauf
Armin Töpfer
471
zu einem Vorhaben des gesamten Unternehmens. Die breitflächige Umsetzung von Six Sigma Wissen im Unternehmen dauert erfahrungsgemäß ca. zwei Jahre. 11. Auswahl von geeigneten Projekten Die Auswahl von geeigneten Six Sigma Projekten ist immer eng verzahnt mit der Auswahl von geeigneten Akteuren als Black Belts und Green Belts. Die – nicht nur für die Trainings der Green Belts und vor allem Black Belts – zentrale Frage ist also, welche Probleme für Six Sigma Projekte geeignet sind. Dabei gibt es einen Grundsatz: Ausgewählte Projekte sollen zunächst erfolgskritische Prozesse verbessern, da hiermit der größte Nutzen erreicht wird, was zugleich die Akzeptanz des Gesamtvorhabens fördert. Ausgewählt werden immer Problemstellungen, die in 3 bis 6 Monaten fundiert zu lösen sind. Es sollen dabei keine Projekte sein, die auf der einen Seite zu einfach und mit dem gesunden Sachverstand bereits zum Erfolg zu führen sind, aber auf der Seite auch keine so genannten „Welthungerhilfe-Projekte“, die in ihrem Ausmaß und ihrer Zeitdauer mehr als deutlich über ein normales Six Sigma Projekt hinausgehen und oftmals auch nicht umfassend zu bearbeiten sind. 12. Mitarbeiter mit Fähigkeitsprofil für Projektmanager Eine in ihrer Tragweite nicht zu unterschätzende Aufgabe ist dann die Auswahl und Bestimmung der Hauptakteure von Six Sigma Projekten, also der Green Belts, Black Belts und später der Master Black Belts. Neben dem fachlichen Wissen kommt es insbesondere auf analytische Fähigkeiten, aber auch auf ein hohes Niveau an Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft an. Hiermit werden zugleich Entscheidungen für zukünftige Führungskräfte getroffen. Denn erstrebenswert ist, dass nach einigen Jahren intensiver Six Sigma Projektmanagementarbeit diese Mitarbeiter mit einer Führungsposition für ihren Einsatz und Erfolg nicht nur belohnt werden, sondern zugleich ihr Methoden- und Projektwissen in eine Linientätigkeit einbringen. Dies fördert im Zeitablauf den Durchsatz von Six Sigma Akteuren in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Unternehmens. Wenn eine Six-Sigma-Initiative im Unternehmen begonnen wird, dann müssen gerade die letzten Punkte dieser Checkliste den Entscheidern bewusst sein. Hierdurch eröffnen sich Chancen für ein neues Managementniveau im Unternehmen. Bei einer halbherzigen und nicht konsequenten Vorgehensweise liegt hierin jedoch auch ein erhebliches Frustrationspotenzial. 13. Ermittlung des Net Benefit In der Projekt-Charter, die vor Beginn eines jeden Six Sigma Projekts erstellt wird, ist bereits eine Zielformulierung über die Höhe der unmittelbar erreichbaren Kosteneinsparungen bzw. Umsatzsteigerungen enthalten. Nach Abschluss des Projekts wird der Netto-Nutzen konkret ermittelt. Dabei gilt die Konvention von zwei „Spielregeln“: Erstens werden lediglich die Kosteneinsparungen und/ oder
472
Six Sigma in Banken und Versicherungen
Umsatzsteigerungen in der Projekterfolgsrechnung berücksichtigt, die unmittelbar liquiditätswirksam werden bzw. geworden sind. Zweitens werden diese Ergebnisse nur für 12 Monate nach dem Projektende ermittelt und dem Projekterfolg zugerechnet. Dies verhindert, dass ein Projekt über weiche und längerfristige Erfolgsgrößen „schön gerechnet“ wird. Six Sigma Initiativen sind im Hinblick auf die Dokumentation von Verbesserungsergebnissen also relativ konservativ. 14. Verknüpfung mit personenbezogenen Zielvereinbarungen Es liegt auf der Hand, dass die konkrete Zielvorgabe und Ergebnisberechnung eine gute Ausgangslage ist, um hierauf basierend personenbezogene Zielvereinbarungen (Management by Objectives, MbO) vorzunehmen. Das Anreizsystem für das Erreichen der geplanten Ziele sieht in der Regel materielle als auch immaterielle Belohnungen vor. Materielle Belohnungen sind Erfolgsprämien; immaterielle Belohnungen sind beispielsweise Karrierechancen im Rahmen eines Management Development Systems. 15. Harmonisierung mit anderen (Qualitäts-)Managementkonzepten Eine bereits zu Beginn eines Six Sigma Vorhabens häufig gestellte Frage ist, wie sich diese Methode mit anderen Qualitäts- und Managementkonzepten im Unternehmen vereinbaren, vielleicht sogar integrieren lässt. Eine klare und an Beispielen aufgezeigte Information macht dann deutlich, dass die projektbezogene Umsetzungsorientierung von Six Sigma gut kombinierbar ist mit KVP-Aktivitäten im Unternehmen. Eine ISO 9000:2000-Zertifizierung schafft die prozessorientierte Grundlage im Qualitätsmanagement; das EFQM-Modell erlaubt in Ergänzung zu Six Sigma Aktivitäten eine ganzheitliche und auch auf qualitative Erfolgskriterien bezogene Bewertung des praktizierten Excellence-Niveaus. In Kombination mit der Balanced Score Card (BSC) können die vielfältigen Projektaktivitäten deutlich besser gesteuert werden (vgl. z.B. Messer/Töpfer 2002, S. 1268ff.; Töpfer 2001, S. 1023ff.). Nicht zuletzt bieten Six Sigma Projekte die Chance, erarbeitetes Wissen für weitere Akteure und Projekte zu dokumentieren und zu kommunizieren. Von daher ist Wissensmanagement bei Six Sigma Projekten die zentrale Anforderung und Folge, um Erfahrungen und Lösungen auch für die Zukunft nutzbar zu machen. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass auch in Banken und Versicherungen Six Sigma nicht nur eine echte Anwendungschance hat, sondern in den bereits vollzogenen Anwendungen deutliche Erfolge vor allem in Form von Kosteneinsparungen erbracht hat. Diese sind dann gut realisierbar, wenn sich Six Sigma Projekte auf standardisierte Prozesse mit einer hohen Stückzahl von Transaktionen beziehen. Die Antwort auf die Frage nach detaillierten Erfahrungswerten und Erfolgsbelegen der Six Sigma Anwendung im Bankenbereich kann zumindest in Deutschland bisher noch nicht auf breiter Basis gegeben werden. Dies liegt daran, dass deutsche Banken im Vergleich zu ihren großen ausländischen Mitbewerbern mit der
Armin Töpfer
473
Six Sigma Umsetzung noch nicht soweit sind. Es wird in der Zukunft zunächst auf weitere „Six Sigma Pioniere“ im Bankenbereich ankommen, die sich auf diese Weise Wettbewerbsvorteile verschaffen wollen. Eine hohe Ergebniswirkung wird allerdings nur erreicht, wenn die Six Sigma Methode in Trainings praxisorientiert geschult und anschließend professionell in (Pilot-)Projekten umgesetzt wird. Im Gegensatz zu bisherigen Projekten der Geschäftsprozessoptimierung kommen also nicht primär externe Berater zum Einsatz, sondern die in der Six Sigma Methode geschulten eigenen Mitarbeiter. Sie führen diese Projekte in einer klar definierten Six Sigma Organisation durch. Dies setzt Anstrengung und Fleiß voraus. Manchen Unternehmen ist dies auf Dauer zu viel, so dass sie Six Sigma gar nicht erst anwenden oder nach einer „Schnupperphase“ gleich wieder beenden. In Anlehnung an eine andere große Projektleistung gilt: Six Sigma ist ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für jedes Unternehmen.
7
Literatur
Citigroup (Hrsg.) (2004): Citigroup Reports Fourth Quarter and Year-End Earnings, in: http://www.citigroup.com/citigroup/press/2004/data, 20.01.2004. FAZ.NET (Hrsg.) (2004): Die Deutsche Bank hat den Gewinn mehr als verdreifacht, in: http://www.faz.net/s, 06.02.2004. Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Hönighaus, R. (2005): GE Money stößt Umbau zur Vollbank an, in: Financial Times Deutschland, 02.02.2005, S. 17. IBM (2005): European Wealth and Private Banking Industry Survey 2005, in: http://www.ibm.com/news/ch/de/2005/05/09.html, 31.10.2005. Kamber, R.R. (2001): Six Sigma in der Praxis eines Finanzdienstleisters, Vortrag anlässlich der IQPC Konferenz „Six Sigma in Service & Dienstleistungen“ am 26./27. April 2001 in Frankfurt/M. Lewis, K.D. (2004): Remarks at the International Society of Six Sigma Practitioners Symposium, 26.10.2004, in: www.bankofamerica.com/newsroom/speeches, 03.02.2005. Lieber, K./Moormann, J. (2004): Six Sigma: Neue Chancen zur Produktivitätssteigerung?, in: Die Bank, 01/04, 2004, S. 28-33. Messer J./Töpfer, A. (2002): Drei harmonische Instrumente: Exzellente Ergebnisse mit Balanced Scorecard, Six Sigma und EFQM-Modell, in: QZ, Jg. 47, 2002, S. 1268-1271.
474
Six Sigma in Banken und Versicherungen
Mohandas, P. (2003): More banks go „six sigma“ way, in: www.thehindubusinessline.com, 28.11.2003. MMC (Hrsg.) (2003): Deutsche Banken: Der Weg zurück in die europäische Spitzenklasse, Mercer Management Consulting, München 2003. o.V. (2006): Deutsche Banken schließen auf, in: FAZ, 13.09.2006, Nr. 213, S. 14. Pöhler, A. (2004): Industrialisierung von Bankdienstleistungen am Beispiel der etb, in: Achenbach, W./Moormann, J./Schober, H. (Hrsg.): Sourcing in der Bankwirtschaft, Frankfurt/M. 2004, S. 125-137. Rucker, R. (1999): The Financial Giant Strives for Perfect Process to Satisfy Customers, in: www.qualitydigest.com/dec99/html/citibank.html, 02.11.2000. Töpfer, A. (2001): Harmonisch im Dreiklang: Six Sigma, Balanced Score Card und EFQM-Modell im Wirkungsverbund, in: QZ, Jg. 46, 2001, S. 1023-1027. Töpfer, A. (2006a): Aufbau und Einführung eines Six Sigma Projektmanagements, in: RKW-Handbuch Führungstechnik und Organisation, Lieferung 01/2006, Sonderdruck, 74 S. Töpfer, A. (2006b): Anforderungen an und Umsetzung von Six Sigma Initiativen bei Finanzdienstleistern, in: Achenbach, W./Lieber, K./Moormann, J. (Hrsg.): Six Sigma in der Finanzbranche, 2. Aufl., Frankfurt/M. 2006, S. 303-334.
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services als Dienstleistungsunternehmen Dieter Wessel
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Ausgangssituation des Dienstleistungsunternehmens ................................................475 Implementierungsprozess in fünf Phasen ..................................................................476 Kritische Betrachtung von Schlüsselfaktoren ............................................................481 Fazit und Ausblick.....................................................................................................488 Literatur .....................................................................................................................489
Ausgangssituation des Dienstleistungsunternehmens
Viterra Energy Services (VES) ist Marktführer auf dem Gebiet der Heiz- und Hausnebenkostenabrechnungen. Weltweit werden weit über 500.000 Kunden mit knapp 10 Mio. Wohneinheiten betreut, in denen mehr als 40 Mio. Geräte der Hausmesstechnik zum Einsatz kommen (Stand: Dezember 2001). Die Aktivitäten der insgesamt 3.680 beschäftigten Mitarbeiter verteilen sich auf 8 Regionalgesellschaften, die heute in 28 Ländern sowie an 65 Standorten präsent sind. Die Situation des Unternehmens war Mitte der 1990er Jahre durch ein starkes und stetiges Wachstum gekennzeichnet. In Verbindung mit den stets anspruchsvollen wirtschaftlichen Zielsetzungen, konnten zu dieser Zeit zwei unterschiedliche Entwicklungen beobachtet werden. Zum einen sah sich VES in den gesättigten Märkten mit einer stagnierenden oder sogar abnehmenden Servicequalität und Kundenzufriedenheit konfrontiert. Zum anderen registrierte das Unternehmen in den schnell wachsenden Auslandsmärkten eine Reihe von instabilen Geschäftsprozessen. Um dem steigenden Handlungsbedarf Rechnung tragen zu können, wurde die Einführung einer weltweiten Qualitätsverbesserungsinitiative vorbereitet. Im Rahmen einer breit angelegten Qualitätsoffensive sollte insbesondere ein „kultureller Wandel“ im Unternehmen eingeleitet und vorangetrieben werden, um •
die Servicequalität und Kundenzufriedenheit zu steigern,
•
die Kultur durch allgemeine Qualitätsstandards zu vereinheitlichen,
•
das vorhandene Fachwissen unternehmensweit zu nutzen.
476
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services
Weiterhin sollte ein deutlich nachweisbarer Ergebniseffekt bei schnellen nachhaltigen Erfolgen und schneller Amortisation der getätigten Investitionen (z.B. Trainings- und Schulungskosten der Mitarbeiter) sichergestellt sein. Nach der Prüfung verschiedener Qualitätsverbesserungsansätze rückten vor allem die Initiativen von führenden US-amerikanischen Unternehmen des vergangenen Jahrzehnts in den Mittelpunkte der Betrachtung. Am Ende fiel eine übereinstimmende Entscheidung im Vorstand von VES: We use Six Sigma!
2
Implementierungsprozess in fünf Phasen
Die Entwicklung des Six Sigma Programms bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann in fünf Phasen unterteilt werden: Zielfindungsphase, Projektauswahlphase, Regionale Ausweitungsphase, Inhaltliche Ausweitungsphase und Systematisierungsphase. Im Folgenden wird auf jede genannte Phase kurz eingegangen. Zielfindungsphase Nach den ersten Kontakten mit dem Thema „Six Sigma“ im Jahr 1998 wurde der Diskussions- und Entscheidungsprozess im Mai 1999 mit einem endgültigen Beschluss zu Six Sigma verabschiedet. Die Ziele der Initiative wurden darin wie folgt festgelegt: •
Signifikante und nachhaltige Verbesserung der VES-Servicequalität
•
Deutliche und messbare Ergebnisverbesserung durch Six Sigma.
Gleichzeitig machte der Vorstand unmissverständlich deutlich, dass Six Sigma zu den wichtigsten Initiativen des Unternehmens in den folgenden Jahren gehört. In diesem Zusammenhang gab es zum einen ein klares Commitment des TopManagements zur Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und zur nachhaltigen Unterstützung des Programms. Zum anderen bestand die Verpflichtung, Six Sigma durch weiterführende, den angestrebten Kulturwandel fördernde Aktivitäten zu unterstützen. So wurde z.B. ein neues Bewertungssystem für Führungskräfte auf der Basis von sogenannten „360-Grad-Beurteilungen“ eingeführt. Weiterhin bestand das Ziel, durch die Einführung von Six Sigma tiefgreifende Veränderungen auf der Mitarbeiterebene zu erreichen. Das Qualitätsverständnis, die Kommunikation und die Arbeitsweise der Mitarbeiter sollten sich grundlegend verändern und nach Möglichkeit vereinheitlichen. Außerdem sollte jeder Beschäftigte des Unternehmens erkennen, dass ausschließlich der Kunde definiert, was „Qualität“ ist. Das Ziel aller Aktivitäten von VES lautete von nun an, Kundenanforderungen vollständig und wirtschaftlich erfüllen, um langfristige Kosteneinsparungen sowie Ertragssteigerungen zu erzielen.
Dieter Wessel
477
Als langfristige Zielsetzungen standen u.a. die Vereinheitlichung der Sprache und der Arbeitsweisen an allen Unternehmensstandorten, die Minimierung der Reibungsverluste in Prozessen sowie die Standardisierung der Vorgehensweisen im Hinblick auf ein weltweit „durchgängiges“ Systemgeschäft im Vordergrund. Der Einsatz bewährter Six Sigma Methoden in Prozessverbesserungsprojekten sollte dabei helfen, die Einstellung und das Verhaltens der operativ tätigen Mitarbeiter positiv zu beeinflussen. Kurz gesagt: Six Sigma, the way we work! Bereits im Juni 1999 begann die Vorauswahl von Beratern und Trainern sowie der ersten fünf Black Belts (BB). Als Pilotregionen wurden die Landesgesellschaften Kopenhagen (Dänemark) und Münster (Deutschland) ausgewählt. Die Gründe hierfür waren eindeutig: Einerseits versprach Deutschland, als größter Regionalmarkt von VES, den größten Verbesserungshebel mit Six Sigma zu generieren. Andererseits galt die dänische Landesgesellschaft als sehr veränderungsoffen mit der Erwartung, dass ein ganzheitlicher Verbesserungsansatz hier auf besonders „fruchtbaren Boden“ fällt. Entsprechend dem Leitsatz Completely satisfying customer needs profitably fand am 1. September 1999 die Kickoff-Veranstaltung für Six Sigma statt. Projektauswahlphase Zu Beginn des Six Sigma Programms wurden das Top-Management und die Black Belts geschult und trainiert. Entsprechend dem „GE Capital Standard“ umfasste das Black Belt Training eine dreiwöchige projektbezogene Ausbildung. Mit der Durchführung der Schulung wurde ein externes Beratungsunternehmen beauftragt, das schon einschlägige Erfahrungen bei anderen Unternehmen, z.B. GE CompuNet, vorweisen konnte. Gleichzeitig wurde die Einführung von Six Sigma VES von fünf Beratern und Trainern des Unternehmens GE CompuNet unterstützt. In der ersten Umsetzungsphase konzentrierte sich VES auf Qualitätsverbesserungsprojekte, die mit Hilfe des DMAIC-Zyklus und entsprechend der bewährten „GE-Vorgehensweise“ durchführbar waren. An dieser Stelle sei jedoch vermerkt, dass der Problemlösungszyklus DMAIC i.d.R. unternehmensabhängig variiert bzw. angepasst werden muss. Zum Beispiel wird bei einem Weltkonzern wie GE, der stärker produktionsorientiert ist, ein Großteil der Aufgaben aus der DefinePhase vor dem eigentlichen Projektstart von Beratern abgearbeitet. In Abstimmung mit den externen Beratern entschied sich VES dafür, parallel zum Training der Black Belts, die ersten Verbesserungsprojekte unverzüglich in Angriff zu nehmen. Dadurch sollten sowohl der Praxisbezug als auch die finanzielle Wirksamkeit der Methodik frühzeitig unter Beweis gestellt werden. Anhand einer von den Führungskräften ausgearbeiteten Vorschlagsliste mit insgesamt 80 Projektideen erfolgte die Auswahl der ersten Six Sigma Projekte. In Abbildung 1 ist ein Auszug der zur Projektauswahl genutzten Bewertungsmatrix dargestellt. Der Start der Projektarbeit erfolgte schließlich einen Monat nach der KickoffVeranstaltung und zwar mit einem Projekt in Dänemark und zwei weiteren in
478
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services
Ergebnisse bei geringem Risiko
Wahrscheinlicher Net Benefit
Ressourcenverfügbarkeit
Berücksichtigung von CSI/PSI
Projektkomplexität
Nutzen für MA und Entscheider
Vereinbarkeit mit Zielwerten
Vermeidung von Konfrontation
Akzeptanz bei Entscheider
Gesamtbewertung
Deutschland. Die ausgewählten Problemstellungen waren mit Hilfe des DMAICZyklus innerhalb von 90 Tagen zu lösen, so dass alle drei „Erstprojekte“ noch planmäßig und mit Erfolg im Jahr 1999 abgeschlossen werden konnten. Eines der drei Projekte übertraf die ursprünglichen Erwartungen bei Weitem. Hierdurch wurde eine wichtige Basis zur Kommunikation des Wertes von Six Sigma gelegt. Demgegenüber verfehlte ein anderes Projekt aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen (z.B. mangelnde Messbarkeit und keine klare Kausalität zwischen Projektthema und -nutzen) die gesetzten Ziele bzw. Erwartungen knapp. Im Nachhinein betrachtet, war die Themenstellung nicht geeignet, um mit der damals bei VES vorhandenen „Six Sigma Erfahrung“ erfolgreich bearbeitet werden zu können. Trotzdem konnten aus diesem Projekt wertvolle Erfahrungen („Lessons learned“) für die weitere Projektauswahl und -durchführung gesammelt werden.
Generierung von Neugeschäften aus aktuellem Bestand
2
1
2
1
2
2
2
1
2
15
Optimierung von Neumontagen
1
1
1
2
1
1
2
0
2
11
Qualitätssicherung bei Subunternehmen
1
2
2
2
2
2
1
2
2
16
Bewertungskriterien
Projektvorschlagsliste
... Legende: 0 = gering
1 = mittel
2 = hoch
Abbildung 1: Bewertungsmatrix zur Projektbestimmung bei VES
Regionale Ausweitungsphase Nachdem im 4. Quartal 1999 die ersten Black Belts trainiert sowie die ersten drei Projekte durchgeführt waren, stand das 1. Halbjahr 2000 unter dem Zeichen der regionalen Ausweitung der Initiative. Neben Dänemark und Deutschland wurden weitere drei Regionalgesellschaften in die Six Sigma Aktivitäten einbezogen und insgesamt 23 Projekte schrittweise gestartet. Zudem standen sowohl die Ausbildung weiterer 12 Black Belts und 18 Green Belts als auch intensive Trainings auf allen Hierarchieebenen auf der Tagesordnung. Die Durchführung der Black und Green Belt Trainings erfolgte weiterhin unter aktivem Einbezug von externen Trainern. Außerdem wurden im Rahmen von zweitägigen „Yellow Belt Trainings“ die Mitarbeiter mit Leitungs- oder Spezialis-
Dieter Wessel
479
tenfunktionen (z.B. Teamsprecher, Vertriebsleiter, technische Spezialisten und ausgewählte Vertriebsmitarbeiter) geschult. Auf diese Weise waren am Ende der Ausbildungsmaßnahmen etwa 10 bis 15 % der Gesamtbelegschaft in den Six Sigma Methoden geschult oder zumindest mit ihnen vertraut. Die Führungskräfte aller Regionalgesellschaften (Geschäftsführer und Niederlassungsleiter) wurden ebenfalls in einem zweitägigen Six Sigma Training auf ihre Rolle als ProjektChampion vorbereitet. Mit zunehmender regionaler Ausweitung des Programms, konnten die externen Berater nach und nach durch unternehmenseigene Black Belts und Master Black Belts ersetzt werden. Wie in anderen Unternehmen auch, sind die Black Belts bei VES in Vollzeit beschäftigt und verbleiben für etwa 1,5 bis 2 Jahre im Six Sigma Programm. Green Belts hingegen stehen nur zu 25 bis 50 % ihrer Arbeitszeit für Six Sigma Aktivitäten zur Verfügung. Ihre Aufgaben bestehen vor allem darin, den Six Sigma RollOut sowie kleinere lokale Projekte zu unterstützen. Yellow Belts sind zum einen als Verbesserungsteammitglieder prädestiniert, zum anderen sollen sie als Experten oder Vorgesetzte von Teammitgliedern die Projekte besonders unterstützen. Inhaltliche Ausweitungsphase Das 2. Halbjahr 2000 stand vor allem unter der Devise der inhaltlichen Ausweitung von Six Sigma. Unter Berücksichtigung der gesammelten Erfahrungen fand eine Flexibilisierung der Aktivitäten statt. Bei stärkerer Fokussierung auf lokale Problemstellungen wurde das Projektauswahlverfahren modifiziert, um insbesondere die Erfordernisse einzelner Niederlassungen und Standorte sowie saisonale Schwankungen besser zu berücksichtigen. Die „Roll-Outs“ der erarbeiteten Lösungen wurden gebündelt und unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung in der Organisation als Prozessänderungen eingetaktet. Als einen speziellen Weg für die Umsetzung von Six Sigma gründete VES eine Task Force aus vier erfahrenen internen „Service-Coaches“ und zwei Black Belts, die unter Verwendung der Six Sigma Methodik schwerpunktmäßig in einzelnen Niederlassungen eingesetzt wurden. Die Task Force bildete sozusagen ein ständiges Verbesserungsteam, das man je nach Bedarf um Mitarbeiter aus den betroffenen und Experten aus anderen Bereichen ergänzte. In der inhaltlichen Ausweitungsphase wurden auch erste Schritte in Richtung auf ein unternehmensweites Prozessmanagement unternommen. Für die Nachhaltigkeit der erarbeiteten Erfolge war es unerlässlich, Verantwortlichkeiten für Prozesse (Prozesseigner) festzulegen und außerdem geeignete Controllingmaßnahmen hierfür zu entwickeln. Im Ergebnis wurden bei VES Prozesseigner auf allen Ebenen, d.h. von der Systemzentrale bis hinunter auf die Abteilungsebene in Niederlassungen und zentralen Bereichen, etabliert (vgl. auch Abbildung 2).
480
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services
Im zweiten Halbjahr 2000 wurden die Ausbildungsaktivitäten konsequent weitergeführt. Insbesondere fanden Trainingsmaßnahmen für weitere zwei Black und Green Belt Gruppen statt. Am Jahresende konnte VES bereits 30 trainierte und im Projekteinsatz befindliche Black Belts aufweisen. Zusammen mit den Green Belts bildeten sie die Basis des Erfolgs. Je nach Standort und Regionalgesellschaft entsprach der „Belt-Bestand“ 1 bis 1,5 % der Gesamtbelegschaft.
Hier anfangen!
Ziele, Rückblick Prozesseigner
CTQ (extern)
Schritt 1
szes Pro trolln o k n pla
Schritt 2
Schritt 3
Schritt 4
Prozessoutput
Ziele, Rückblick szes Pro trollkon n pla
CTQ (intern)
Schritt 2a
Schritt 2b
Schritt 2c
Schritt 2d
Output
Messgrößen zur Prozesskontrolle Projekt
Abbildung 2: Hierarchisches Prozessmanagement bei VES
Systematisierungsphase Das Jahr 2001 stand im Zeichen der Weiterentwicklung und Systematisierung der Six Sigma Aktivitäten. Obwohl die bisherigen Projektergebnisse den Nutzen des Programms für die Organisation deutlich widerspiegelten, zeigte sich an manchen Stellen noch erheblicher Verbesserungs- bzw. Handlungsbedarf. Insbesondere bei der Projektauswahl und Lösungsimplementierung war eine nicht immer ausreichende Systematik zu beobachten. Hierbei galt es zum einen, die jeweils dringlichsten und wichtigsten Themenbereiche zu identifizieren. Zum anderen mussten jedoch die Projektergebnisse vollständig und nachhaltig in der Organisation „verankert“ werden. Getrieben von Six Sigma, wird deshalb gegenwärtig intensiv daran gearbeitet, ein ganzheitliches Prozessmanagement im Unternehmen zu etablieren. Die Schaffung durchgehender Prozessverantwortlichkeiten auf allen Ebenen sowie projektunabhängiger Messungen von wichtigen Prozessparametern stehen dabei im Fokus der Arbeit. In der Abbildung 2 sind die Ansatzpunkte des Prozessmanagements bei VES dargestellt.
Dieter Wessel
3
481
Kritische Betrachtung von Schlüsselfaktoren
Nach einem Überblick über den Einführungsprozess sollen im Folgenden ausgewählte Faktoren, die im Allgemeinen zum Erfolg von Six Sigma beitragen, kritisch beurteilt werden. Aus den Erfahrungen von VES zählen zu diesen vor allem die Top-Down-Einführungsstrategie, das Rollenverständnis in der Projektorganisation, die Projekt bzw. Team Charter zur Projektdetaillierung, die unternehmensweite Kommunikation, der Nachweis des Projektnutzens und die Sensibilisierung der Mitarbeiter. Top-Down-Einführungsstrategie Six Sigma wird in Unternehmen stark vom Vorstand „getrieben“ und unterstützt. Nicht nur bei VES gehört dies zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren beim Implementierungsprozess. Die Unterstützung äußert sich in konstanter Aufmerksamkeit des Vorstands für alle Six Sigma Aktivitäten sowie im Einsatz eines konkreten Steuerungsinstrumentariums, z.B. monatlich stattfindende Business Quality Councils. Von Beginn an wurde Six Sigma in das „Management-Reporting und IncentiveSystem“ integriert. Bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter ist Six Sigma heute fester Bestandteil der Schulungsmaßnahmen. Damit werden einerseits die Bedeutung und Dauerhaftigkeit des Six Sigma Programms dokumentiert und andererseits die Befürchtungen von Mitarbeitern abgebaut, die Six Sigma als eine „vorrübergehende Initiative“ des Unternehmens sehen. Die starke Top-Down-Ausrichtung des Einführungsprozesses brachte nicht nur Zustimmung im Unternehmen. Insbesondere bauten sich beim Management in den Regionalgesellschaften erhebliche Widerstände auf, da die Geschäftsleitungen in Six Sigma ein Instrument zur direkten Einflussnahme des Vorstands auf regionale Verantwortlichkeiten sahen. Um diesen Eindruck von Vornherein zu minimieren, wurde Six Sigma als „Werkzeug zur Erreichung der Unternehmensziele“ sowie als „Dienstleister für die gesamte Organisation“ deklariert. Mit der ersten Aussage wurde die Konsistenz zwischen Veränderungs- und Unternehmenszielen sichergestellt und allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben, dies auch einzufordern. Die zweite Aussage stellte sicher, dass das mittlere Management ausreichende Steuerungsmöglichkeiten zur Durch- und Umsetzung von Six Sigma erhielt. Im Zuge der Umsetzung von Six Sigma wurden vom Vorstand immer anspruchsvollere Ziele sowohl für den Organisationsaufbau als auch den finanziellen Nutzen der einzelnen Standorte gesetzt. Die konkrete Auswahl von Projekten lag jedoch weiterhin voll in der Hand der Regionalgesellschaften, die zu diesem Zweck sog. Regional Quality Councils bildeten. Diese waren je nach Region unterschiedlich besetzt, so dass dem Gremium teilweise das gesamte lokale Management angehörte, teilweise aber auch nur die regionale Geschäftsführung (vgl. Abbildung 3).
482
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services
BQC RQC QL (M)BB BQA
BQC
Business Quality Council Regional Quality Council Quality Leader (Master) Black Belt Business Quality Analyst
Quality Leader VES BQA MBB´s (BB´s) RQC Große Regionalgesellschaft > 500 MA regionaler QL: 1 MBB: >2 BB: >10
RQC Mittlere Regionalgesellschaft 200 - 500 MA regionaler QL: 0 MBB: 1 BB: 5-9
RQC Kleine Regionalgesellschaft < 200 MA regionaler QL: 0 MBB: 0 BB: 1-5
RG Münster
RG Kobenhavn
übrige RG´s
Abbildung 3: Six Sigma Organisation bei VES
Die Black Belts wurden disziplinarisch den Regionen und nicht der Zentrale untergeordnet. Für die Aus- und Weiterbildung der Black Belts und des lokalen Managements sowie deren Koordination und Einhaltung von Methoden sorgte lediglich eine zentrale Stabsabteilung, die sich aus mehreren Master Black Belts zusammensetzte. Dieser dezentrale Ansatz führte dazu, dass die Black Belts in den Regionen als die „eigenen Leute“ wahrgenommen wurden und dementsprechend wenig Akzeptanzprobleme hatten. In den Regionen, in denen die vom Vorstand favorisierte Top-Down-Strategie nicht voll umgesetzt wurde, war ein deutlich erschwerter Six Sigma Einführungsprozess zu verzeichnen. Zum Beispiel verfolgte die größte Regionalgesellschaft des Unternehmens einen sehr zentralistischen Ansatz. Das heißt, statt den Einzelstandorten mit 50 bis 100 Mitarbeitern je einen Black Belt zuzuordnen, wurden diese zentral bestimmt und mit Projekten „betraut“. Bei den Standortleitern erzeugte dieses Vorgehen erheblichen Widerstand, der die Six Sigma Einführung am Ende deutlich erschwerte. Mit der nach und nach einsetzenden Dezentralisierung wurden sowohl die Methodenakzeptanz als auch die Projekteffekte deutlich verbessert. Heute ist an jedem Standort zumindest ein Green Belt aktiv. Einzelnen Standorten sind auch bereits Black Belts zugeordnet. Grundsätzlich ist bei der von VES gewählten Top-Down-Strategie zu beachten, dass die Trainingsdurchführung und -geschwindigkeit sowie die Projektauswahl und -umsetzung den regionalen Gegebenheiten angepasst werden. Die konkreten Einführungspläne sollten in jedem Fall auf die jeweilige Landeskultur und die
Dieter Wessel
483
Standortgegebenheiten zugeschnitten werden. Dem lokalen Management sind dabei ausreichend Spielräume bei der unternehmensbezogenen Implementierung und Umsetzung zu gewähren. Rollenverständnis in der Projektorganisation Die Six Sigma Projektorganisation setzt sich bei VES zum einen aus projektbezogenen Verbesserungsteams unter Führung von Black und/oder Green Belts zusammen. Zum anderen stehen für die Projektplanung und -steuerung bereichsübergreifende Master Black Belts und Champions sowie ein übergeordnetes Quality Council zur Verfügung. Im Verbesserungsteam bringt der Projektleiter (BB) in erster Linie die Methodenkompetenz ein. Seine Aufgabe ist es, das Team planmäßig zum Erfolg zu führen und dabei die Projektorganisation und -dokumentation zu übernehmen. Die übrigen Teammitglieder (GB) steuern wichtiges Fachwissen zum Projekterfolg bei. Der Champion hat für den Projekterfolg die zentrale Rolle. Er ist Auftraggeber des Projekts und sollte selber Prozesseigner sein, um seiner Rolle mit dem nötigen Engagement gerecht zu werden. Er muss weiterhin mit der nötigen Autorität ausgestattet sein, um die erforderlichen Ressourcen für das Projekt „frei zu bekommen“. Als „Herr des Verfahrens“ ist er derjenige, der sowohl für den Gesamterfolg des Projekts verantwortlich ist, als auch das Team regelmäßig nachsteuert. Bei den erforderlichen Reviews unterstützt ihn – soweit erforderlich – der zuständige Master Black Belt (siehe Abbildung 4).
Quality Council Champion MBB BB Team
Abbildung 4: Das Rollenverständnis in der Projektorganisation
Im Zuge der bisher durchgeführten Projekte ist festzustellen, dass die richtige Auswahl des Champions und ein klares Rollenverständnis seinerseits wichtige Vorbedingungen für den generellen Projekterfolg sind. Insbesondere sollte dem
484
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services
Champion das anzugehende Problem ausreichend wichtig erscheinen, um die Lösung effektiv und in kurzer Zeit vorantreiben zu können. Team Charter zur Projektdetaillierung Der Projektauftrag wird bei VES durch eine sog. Team Charter erteilt und entspricht gleichzeitig der „Gründungsurkunde“ eines Projekts. In Form eines einseitigen Formulars enthält die Team Charter alle Schlüsselinformationen zu einem Projekt, z.B. Probleme, Ziele, Verantwortlichkeiten, Meilensteine und Projektumfang. Die gewählte Darstellungsweise trägt dabei maßgeblich zur Übersichtlichkeit und Präzisierung der Projektinhalte bei (vgl. Abbildung 5). Bereits bei der Projektrecherche und Ausarbeitung der Team Charter erlangen die Beteiligten oftmals neue Einsichten in den Problem- bzw. Projektumfang. Als schwierigste Aufgabe bei der Erstellung einer Team Charter erweist sich nach wie vor die Problemformulierung. Unter dem Punkt Probleme und Ziele sollte in quantifizierbarer und verifizierbarer Weise der Sachverhalt dargestellt werden, •
der Anstoß zu dem Projekt gibt und bei dem die Ursachen noch nicht oder nur unzulänglich bekannt sind und
•
für den derzeit Lösungen gesucht werden und diese noch nicht oder unzureichend erkennbar sind. Projektsteckbrief „Kaffee kochen“ Geschäftssituation • Kaffee ist ein wichtiges Bewirtungsprodukt • Wir verbrauchen ca. 30 kg Kaffee pro Monat zur Bewirtung von ca. 2000 Gästen • Verschiedene Personen nutzen den Prozeß des Kaffeekochens
Probleme und Ziele Problem: Die Anzahl der servierten Kaffeetassen hat sich in den zurückliegenden 12 Monaten von 2600 auf 2000 pro Monat reduziert. Der gesamte Umsatzrückgang betrug im gleichen Zeitraum 14 %.
Projektumfang und -fokus Untersucht wird der Prozess „Kaffee kochen“ von der Entscheidung, Kaffee zu kochen, bis zum Vorliegen des gekochten Kaffees in der Thermoskanne. Out of Scope: • Prozess der Kaffee-Beschaffung • Prozess der Bewirtung
Rollen und Meilensteine Champion: Geschäftsführer unseres Kaffeehauses Black Belt: ... Teammitglieder: ... Aufwand je Teammitglied (MT, ohne Reiseaufwand):
Projektziele:
Starttermin: Endtermin:
Steigerung des Kaffeeabsatzes auf 2400 Tassen bis 30.6. Steigerung des Gesamtumsatzes um 10 % bis 30.9.
Methodik: DMAIC, 90 Tage-Projekt
Net Benefit: 12 T€
Abbildung 5: Formblatt zur Projektdetaillierung (Team Charter)
Dieter Wessel
485
Ist das Problem in der beschriebenen Weise aussagefähig formuliert, lassen sich daraus unmittelbar die zu erreichenden Ziele ableiten sowie der Net Benefit berechnen. Nach den Erfahrungen bei VES sollte man sich bei der Projektauswahl zunächst auf klar definierte Kernprozessschritte konzentrieren. Außerdem sollten zu Beginn der Initiative nicht die umfassendsten Themenstellungen, entsprechend dem Motto „Biggest Problem first“, in Angriff genommen werden. Vielmehr befördern Themen, die unmittelbar der Vermeidung von Ertragsverlusten dienen, das Ziel der schnellen Amortisation von Trainings- und Projektkosten. Ohne die Six Sigma Aktivitäten frühzeitig in Frage zu stellen, sollten gerade in der Einführungsphase „personalfreisetzende“ Projekte, die dem traditionellen „Cost Cutting Prinzip“ sehr nahe kommen, strikt vermieden werden. Unternehmensweite Kommunikation Einen wichtigen Erfolgsfaktor bei der Implementierung von Six Sigma stellt ohne Zweifel die bereichsübergreifende Kommunikation dar. Ziel war es deshalb, schon bei Beginn der Initiative klare Botschaften an Mitarbeiter und Führungskräfte auszusenden. Wie bereits erwähnt, wurde zunächst der gesamte VES-Vorstand trainiert, um in der Folgezeit als Steuermann und Treiber des Six Sigma Programms zu agieren. Auch heute finden in regelmäßigen Abständen Business Quality Councils statt, auf denen alle wesentlichen Entwicklungen und Ergebnisse besprochen bzw. koordiniert werden. Durch ein „Awareness Training“ für alle Mitarbeiter sowie weitere zweitägige Yellow Belt Trainings für 15 % der Belegschaft wurde Six Sigma in allen Unternehmensbereichen etabliert. Six Sigma gilt heute als „lebendiger Bestandteil“ der Unternehmenskultur. Allgemeine Information zur laufenden Projektbearbeitung und -entwicklung finden sich in verschiedenen Medien wieder. Zum Beispiel erfolgt die regelmäßige Herausgabe (in deutscher und englischer Sprache) von Six Sigma Info-Briefen, Artikeln in hauseigenen Publikationen sowie sog. Story Boards. Zur internen Kommunikation sind außerdem alle schriftlichen Informationsträger auf einem eigenen „Six Sigma Laufwerk“ bzw. im Intranet abgelegt und damit für alle Mitarbeiter verfügbar. Jedoch mussten mit der Einführung einer unternehmensweiten Kommunikation ebenfalls zu hohe Erwartungen und Euphorie einzelner Mitarbeiter gedämpft werden. Insbesondere waren Auffassungen, die Six Sigma als eine Art Wunderwaffe zur Lösung aller Probleme hinstellten, von vornherein einzudämmen. Damit Six Sigma zu einem durchschlagenden Erfolg im Unternehmen wird, reicht jedoch die bloße Kommunikation und Information der Mitarbeiter nicht aus. Vielmehr muss Six Sigma im Unternehmen „gelebt“ werden, d.h. Six Sigma muss in die Köpfe der Mitarbeiter gelangen und zum festen Bestandteil ihres täglichen Arbeitsprozesses werden. Dem dabei mitunter erhobenen Vorwurf, Six Sigma sei ein „Sektenkonzept“, ist vonseiten des Managements entschieden entgegenzutreten.
486
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services
Zweifellos bedeutet die konsequente Umsetzung von Six Sigma einen tiefgreifenden kulturellen Wandel im Unternehmen. Dennoch handelt es sich bei Six Sigma in erster Linie um einen intelligent zusammengesetzten Methodenzyklus, bei dem bewährte Instrumente aus bewährten Qualitätskonzepten „exzessiv“ zur Anwendung kommen. Durch die Neugestaltung der Arbeits- und Denkweise im Unternehmen sowie den primären Fokus auf den wirtschaftlichen Erfolg profitieren von Six Sigma vor allem die Unternehmensbeteiligten und die Kunden. Diese Botschaft gilt es heute und in Zukunft in „Six Sigma Unternehmen“ zu vermitteln. Nachweis des Projektnutzens In der Six Sigma Systematik gibt es zwei zentrale Größen zum Nachweis des Projekterfolgs: den Sigma-Wert und den Net Benefit. Der Sigma-Wert stellt die Größe dar, die etwas über die Leistungsfähigkeit und die Verbesserung der Geschäftsprozesse aussagt. Mit dem Net Benefit kann demgegenüber der wirtschaftliche Erfolg der Projektarbeit nachgewiesen werden. Mit der Einführung von Six Sigma bei VES erfolgte eine klare Festlegung auf den Net Benefit als Kenn- und Steuerungsgröße für Projekte. Er wird nach gängigen Regeln für jedes Six Sigma Projekt einzeln berechnet und vom Controlling regelmäßig überprüft. Nach der Umsetzung des Projektergebnisses wird 12 Monate lang der Effekt der Lösung „nachgehalten“. Dass heißt, als Net Benefit wird konsequent nur das akzeptiert, was während dieser Zeit auch nachweisbar ist, und nicht etwa die am Projektende prognostizierten Werte. Neben eindeutigen Berechnungsregeln tragen vor allem unabhängige Kontrollen zur Glaubwürdigkeit des Six Sigma Konzepts beim Management und in der gesamten Organisation bei. Gleichzeitig können damit gelegentliche Vorwürfe hinsichtlich des „Schönrechnens“ von Projekten von der Hand gewiesen werden. Grundlage der Net Benefit Berechnung ist eine nachweisbare, d.h. positive Wirkung auf das Betriebsergebnis. Liegt diese nicht vor, wird das Projekt von vornherein nicht akzeptiert bzw. mit reduziertem Benefit-Wert, im Extremfall Null, bewertet. Tritt letzteres ein, dann steht die Projektdurchführung den lokalen Entscheidern trotzdem frei, solange die Gesamtziele der Region erreichbar bleiben. Die Kehrseite der generellen Konzentration auf den Net Benefit ist es, dass nichtmonetäre Nutzenarten nicht ausreichend berücksichtigt bzw. kommuniziert werden. Dies führte bei VES dazu, dass einige Projekte in der Organisation als übereinstimmend „erfolgreich“ wahrgenommen wurden, obwohl ihr Net Benefit Null betrug. Diese Diskrepanz erschwerte häufig die Kommunikation mit den Mitarbeitern und führte nicht selten auch zu Missverständnissen. Selbst wenn die Ergebnisse von Six Sigma Projekten grundsätzlich monetär messbar sind, findet sich der Projekterfolg nicht ausschließlich im Net Benefit wieder. Heute werden deshalb nicht-monetäre Projektergebnisse deutlicher herausgestellt und kommuniziert. Nach hinreichenden Projekterfahrungen stellen aus heutiger Sicht die Steigerung des Sigma-Wertes und die des Net Benefit zwei Ausprägungen desselben Sach-
Dieter Wessel
487
verhalts von Six Sigma dar. Auf der Grundlage von Prozessoptimierungen werden die wertschöpfenden Bestandteile von Prozessen erhöht und gleichzeitig die wertneutralen bzw. wertvernichtenden Aktivitäten reduziert. Als wertschöpfende Aktivitäten gelten bei VES alle Prozessschritte, die die Erfüllung von Kundenanforderungen gewährleisten und deren Zahlungsbereitschaft für die gesamte Prozessleistung auslösen und ggf. erhöhen. Der Net Benefit von Projekten ergibt sich folglich aus den durch den Anstieg der Prozessleistung generierten finanziellen Nutzen abzüglich den Projektkosten – er ist die Sprache des Managements. Gleichzeitig fokussieren die Prozessverbesserungen im Rahmen von Six Sigma darauf, Kundenanforderungen (CTQ) möglichst vollständig und fehlerfrei zu erfüllen. Wird eine Kundenanforderung nicht erfüllt, dann handelt es sich entsprechend der Six Sigma Philosophie um einen Fehler. Die Anzahl der Fehler in einem Prozess bezogen auf die Fehlermöglichkeiten der gesamten Prozessleistung bestimmt den Sigma-Wert. So bedeutet Six Sigma bekanntlich 3,4 Fehler pro eine Million Fehlermöglichkeiten. Die Steigerung des Sigma-Wertes ist damit ebenfalls eine Darstellung des Projekterfolgs. Sie verdeutlicht die Erhöhung der Leistungsfähigkeit in der Sprache des Prozesses. Im Zuge der Analyse wird offensichtlich, dass Qualitäts- und Ertragssteigerungen unmittelbar einhergehen und nicht im Gegensatz zueinander stehen. Durch den Six Sigma Ansatz wird in besonderer Weise deutlich, dass Qualität keine Kosten verursacht, sondern im Gegenteil, einen wichtigen Ergebnisbeitrag leistet. In diesem Zusammenhang ist auch die Ermittlung des finanziellen Nutzens von Projekten zu sehen. Führt die Berechnung des Net Benefit zu einem negativen Ergebnis, obwohl sich die Qualitätsrate nachweislich erhöht, dann sind die Kosten mangelhafter Qualität häufig nicht bekannt bzw. unzureichend berücksichtigt. Auch kann eine falsche Problemdarstellung dazu führen, dass sich ein negativer Net Benefit ergibt. Sensibilisierung der Mitarbeiter Durch die umfassenden Trainings und die Vielzahl der durchgeführten Projekte ist eine weitgehende „Durchdringung“ der Organisation mit Six Sigma erreicht worden. Die Methoden und Instrumente sowie die begrenzte Laufzeit der Six Sigma Projekte werden mittlerweile durchweg positiv aufgenommen. Insbesondere projekterfahrene Mitarbeiter, die eine Reihe von sich endlos hinziehenden Projekten durchlaufen haben, schätzen den klar definierten Rahmen und die kurzfristig erarbeiteten Lösungen. An dieser Stelle soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass das Gefühl, permanent unter dem Druck und der Beobachtung des Managements zu stehen, von vielen Mitarbeitern als bedrängend empfunden wird. Gleichzeitig wird Six Sigma von einigen Beteiligten nach wie vor als reines Kostensenkungsprogramm gesehen. Hier gilt es, kontinuierliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Zum Beispiel ist immer wieder zu verdeutlichen, wie mit Hilfe von Six Sigma Projekten, die Arbeits-
488
Fünf-Phasen-Prozess zur Einführung von Six Sigma bei Viterra Energy Services
bedingungen jedes einzelnen Mitarbeiters verbessert und gleichzeitig die Ziele der Initiative nachhaltig verfolgt werden können. Dabei wirken ohne Zweifel solche Projekte am überzeugendsten, deren Nutzen für jeden Mitarbeiter unmittelbar wahrnehmbar ist. Aus Kommunikationsgesichtspunkten sind diese im Rahmen von Six Sigma besonders zu fördern. Wie bereits oben erwähnt, bestand mit der Einführung von Six Sigma bei VES das Ziel, eine gemeinsame Sprache in einem international ausgerichteten Unternehmen zu schaffen. Im Zuge der Ausbreitung von Six Sigma in der Organisation entwickelte sich schnell eine eigene „Fachsprache“. Unter dem Aspekt des Jargons stieß diese jedoch bei vielen Beteiligten zunächst auf Misstrauen und wurde teilweise sogar als unangenehm empfunden. Aus Gründen der Präzision und der internen Kommunikation ist die Entwicklung einer solchen Sprache nicht vermeidbar – teilweise ist sie sogar unerlässlich. Nach den Erfahrungen bei VES entwickelt sie sich jedoch dann zum unangenehm empfundenen „Fachjargon“, wenn sie eine bereichsübergreifende Kommunikation verhindert und, im Gegenteil, zur Ausgrenzung von Beteiligten führt. In diesem Fall schöpft nur der Sender einer Botschaft einen Teil seines Selbstverständnisses aus der von ihm gewählten Sprache. Dieses Defizit kann nur behoben werden, indem alle Begriffe umfassend und ausgiebig erläutert sowie Un- bzw. Missverständnisse unmittelbar beseitigt werden. Da Six Sigma ursprünglich von USamerikanischen Unternehmen stammt und von diesen lange Zeit geprägt wurde, sollte insbesondere eine Sensibilisierung der Mitarbeiter im Hinblick auf die Nutzung englischsprachiger Begriffe erfolgen.
4
Fazit und Ausblick
Aus heutiger Sicht gilt der Projektmanagementansatz Six Sigma im Dienstleistungsunternehmen Viterra Energy Services als „eingeführt“. In allen Bereichen des Unternehmens finden entsprechende Aktivitäten in Form von Projekten statt. Alle Mitarbeiter der Organisation sind inzwischen mit der Six Sigma Philosophie und dem ganzheitlichen Verbesserungsansatz vertraut. Dies liegt vor allem in den intensiven Trainingsmaßnahmen sowie der regelmäßigen Berührung mit Six Sigma in den zahlreichen Projekten begründet. Auf der anderen Seite ist der „Durchdringungsprozess“ der Organisation mit Six Sigma noch immer nicht vollständig abgeschlossen. Insbesondere fehlt an manchen Stellen die Durchgängigkeit von Prozessverantwortlichkeiten, die Konsistenz eines kundenorientierten Prozessdesigns und/oder die Systematisierung und projektunabhängige Messung wichtiger Prozesskenngrößen. Der Aufbau geeigneter Strukturen und Komponenten ist daher auf absehbare Zeit die wichtigste „Six Sigma Baustelle“ im Unternehmen.
Dieter Wessel
489
Der Einführungsprozess wurde bei VES bewusst auf der Ebene von effektiven Einzelprojekten begonnen. Damit sollten unter anderem schnelle Anfangserfolge erzielt, Erfolgspotenziale nachgewiesen sowie Grundlagen für eine breite Akzeptanz der Six Sigma Methoden im Unternehmen geschaffen werden. Die genannten Faktoren waren letztendlich die Voraussetzung dafür, dass Six Sigma in der Organisation „gelebt" und weiterentwickelt sowie von den einzelnen Bereichen „nachgefragt“ und umgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang ist es nicht unbedingt notwendig, die Einführung eines Prozessmanagements nach dem Top-DownPrinzip zentral zu verordnen. Vielmehr wird der Systematisierungsbedarf von den Bereichen selbst erkannt und in Projektideen festgehalten. In der praktischen Umsetzung von Six Sigma besteht bei VES auch heute noch ein ständiger Bedarf an effektiver Projektunterstützung und Zielkommunikation seitens des Managements. Hier gilt es insbesondere, die Anforderungen der Organisation auf operativer Ebene („Pull-Ebene“) mit den Zielsetzungen des TopManagements auf strategischer Ebene („Push-Ebene“) in Einklang zu bringen. Nur durch eine nachhaltige Verbindung von Pull- und Push-Ebene besteht die Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Weiterentwicklung von Six Sigma.
5
Literatur
Breyfogle, F.W. (2003): Implementing Six Sigma: Smarter Solutions Using Statistical Methods, 2nd ed., New York 2003. Eckes, G. (2001): The Six Sigma Revolution, New York 2001. Harry, M./Schroeder, R. (2005): Six Sigma – Prozesse optimieren, Null-FehlerQualität schaffen, Rendite radikal steigern, 3. Aufl., Frankfurt/M. 2005. Pande, P.S./Neumann, R.P./Cavanagh, R.R. (2000): The Six Sigma Way, How GE, Motorola and Other Companies Are Honing Their Performance, McGrawHill 2000.
Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen Bert Leyendecker
Inhalt 1 2 3 4 5 6
1
Entwicklung des Projektauswahlprozesses................................................................490 Ableitung von Six Sigma Projekten...........................................................................491 Bewertung potenzieller Projekte................................................................................493 Priorisierung von Projekten .......................................................................................497 Detaillierung der Projektaufträge...............................................................................499 Durchführung von Projekt-Reviews ..........................................................................501
Entwicklung des Projektauswahlprozesses
Zu Beginn der Six Sigma Aktivitäten im Werk Wuppertal der Johnson & Johnson GmbH spielte die Projektauswahl eine vergleichsweise geringe Rolle. Jeder Beteiligte konnte auf Anhieb mehrere geeignete und ihm wichtig erscheinende Projekte benennen. Ein genaues Definieren und Auswählen von relevanten Projekten erschien zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig. Die ersten Schwierigkeiten bei der Durchführung verschiedener Projekte ergaben sich bereits nach einigen Monaten. Dass die Auswahl der „richtigen“ Six Sigma Projekte ein Schlüssel zum Erfolg ist, wurde spätestens jetzt allen Beteiligten klar. Häufig stellt die Projektauswahl eine nicht zu unterschätzende Herausforderung an das gesamte Unternehmen dar. So sind z.B. konkurrierende Ziele gegeneinander abzuwägen, absolute und relative Vorteile einzeln zu bestimmen sowie mögliche Erfolgspotentiale frühzeitig aufzuzeigen. Aus den Erfahrungen bei der Umsetzung von Six Sigma Projekten ist weiterhin als typisch festzuhalten, dass •
Problembereiche in den Unternehmensprozessen oft unzureichend bekannt sind bzw. unterschiedlich eingeschätzt werden,
•
Problemfelder, die zunächst als „leicht bearbeitbar“ gelten, u.U. eine unerwartet hohe Komplexität erreichen können,
•
Projekte, die anfangs als „schwer bearbeitbar“ gelten, in manchen Fällen sehr schnell umgesetzt und bearbeitet werden können,
•
Datengrundlagen, die als Basis zur Projektfindung dienen, sich nachträglich als falsch bzw. nicht relevant erweisen,
•
Projekte im administrativen Bereich nur bei Beseitigung des „Denkens in Funktionen“ erfolgversprechend sind,
Bert Leyendecker
491
•
Denken in Messgrößen und Prozessfähigkeit als wichtigste Grundlage zur Beurteilung von Prozessen und deren Qualität dient,
•
Projekte mit großer Wichtigkeit nicht im Rahmen von Six Sigma bearbeitet werden können, wenn sie keinen Prozess zum Inhalt haben.
Die oben genannten Punkte zeigen einen Ausschnitt von Problemen, die mit der Umsetzung von Six Sigma im Unternehmen einhergehen können. Um diese Störgrößen möglichst frühzeitig herauszufiltern, sollte ein systematischer Projektauswahlprozess stattfinden. Dieser verursacht zwar einen relativ hohen Aufwand zu Beginn, ermöglicht jedoch anschließend eine vergleichsweise unproblematische Projektbearbeitung. Außerdem fokussiert ein Projektauswahlprozess auf die wirklichen Probleme und wichtigen Prozesse im Unternehmen. Der bei Johnson & Johnson im Werk Wuppertal eingeführte Projektauswahlprozess beinhaltet fünf Schritte: 1) Six Sigma Projekte aus den strategischen Unternehmenszielen ableiten 2) Potenzielle Projekte anhand definierter Auswahlkriterien bewerten 3) Projekte priorisieren und auswählen 4) Projekte mit einem Projektauftrag detaillieren 5) Projekte starten und über Reviews kontinuierlich an den Unternehmenszielen, den Auswahlkriterien und ihrer Priorität messen und überprüfen. Dieses Fünf-Schritte-Modell ist keine Garantie für eine auf Anhieb korrekte Projektauswahl. So besteht beispielsweise die Option, Projekte, die sich trotz sorgfältiger Auswahl als ungeeignet herausstellen, wieder zu stoppen. Die Rate der falsch ausgewählten Projekte wird jedoch mit einem solchen Auswahlverfahren i.d.R. deutlich reduziert. In den folgenden Abschnitten werden die fünf genannten Schritte näher erläutert.
2
Ableitung von Six Sigma Projekten
Um die Six Sigma Projekte systematisch an die Unternehmensentwicklung sowie zielplanung zu koppeln, werden ausgehend von einer langfristigen Unternehmensvision operative Ziele und Aufgaben abgeleitet und in einer Übersicht zusammengefasst dargestellt (vgl. Abbildung 1). Die in Abbildung 1 gezeigte Zielplanung wird für einen Zeitraum von 3 Jahren erstellt und enthält die Unternehmensvision, die Hauptziele für das laufende Geschäftsjahr sowie die wichtigsten Ziele für den mittelfristigen (2 Jahre) und langfristigen Zeitraum (3 Jahre). Daraus leiten sich die Hauptfokusbereiche, wie z.B. Mitarbeiter und Kunden, ab. Die „Strategien“ beschreiben schließlich die Punkte, die es für die Erreichung der Unternehmensziele und -vision zu realisieren gilt. In diesem Zusammenhang sollten mittel- und langfristige Zielplanungen (ZP) auf
492
Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen
allen Funktionsebenen erstellt und aufeinander abgestimmt werden. Entsprechend dem Top-Down-Prinzip sind die einzelnen Zielplanungen von der obersten zur untersten Hierarchieebene miteinander verknüpft (vgl. Abbildung 2). Langfristige Unternehmensvision Der am meisten geachtete Lieferant für xy Produkte zu sein mit den zufriedensten Kunden, besten Produkten und stetig wachsendem Gewinn und Marktanteil.
Hauptziele
2002
2003
2004
Marktanteil Kundenzufriedenheit Qualität Kosten Gewinn ...
60% 2,4 2% pnrft 1,7 $/Stück 250 K$
70% 2,1 1,5% pnrft 1,6 $/Stück 290 K$
80% 1,7 0,9% pnrft 1,55 $/Stück 310 K$
Fokus
Strategien 2002
2003
2004
Mitarbeiter
4 BB ausbilden MA Befragung Management Training Bonussystem überarbeiten Trainingskonzept überarbeiten ...
4 GB ausbilden Neues Lohnsystem Teamleiter Training Telefontraining ...
MBB ausbilden MA Befragung ...
Arbeitsabläufe
Aufbau Maschine 317+318 Alternative Materialien Taktrate > 200 Umbau 17 Werk S ...
Umstellung auf S8 Alternative Materialien ...
Neue VP aufbauen Eröffnung Werk F ...
Kunde
Abbildung 1: Übersicht zum Aufbau der Unternehmenszielplanung
ZP Gesamtkonzern
ZP Amerika
ZP Europa
ZP Vertrieb
ZP Asien
ZP Produktion
ZP Werk Köln
ZP Werk Mannheim
Abbildung 2: Zusammenspiel der Zielplanungen verschiedener Funktionsebenen
Bert Leyendecker
493
Die „Strategien“ der Zielplanungen enthalten die erforderlichen Projekte und Initiativen, die es ermöglichen, die im Vordergrund stehenden Zielsetzungen zu erreichen. Erst im Anschluss werden aus der Gesamtmenge der Projekte diejenigen herausgesucht, die für Six Sigma in Frage kommen. Eine Verselbständigung von Six Sigma zum Selbstzweck wird damit verhindert. Gleichzeitig ist die Verwirklichung von Unternehmenszielen für verschiedene Methoden offen.
3
Bewertung potenzieller Projekte
Nach der Definition der Unternehmensziele und der zur Erreichung dieser Ziele erforderlichen Initiativen und Projekte werden die Projekte herausgesucht, die auf den ersten Blick für Six Sigma geeignet erscheinen. Anschließend erfolgt eine eingehende Prüfung der Projekte und eine Beurteilung einzelner Projektvorschläge, z.B. in Teamarbeit oder durch Befragung von Personen mit unterschiedlicher Sichtweise. Die Beurteilung sollte auf der Basis eines einheitlichen Verständnisses für das Projekt erfolgen. In einem ersten Schritt ist das Projekt deshalb grob zu definieren und hinsichtlich folgender Punkte (schriftlich) zu fixieren: •
Der Projekttitel beschreibt das Projekt möglichst konkret und unmissverständlich in einem Satz.
•
Das Projektziel beschreibt die zu erreichenden Ergebnisse und den dafür vorgesehen Zeitrahmen.
•
Der Projektumfang ist ein entscheidender Punkt im Rahmen der Projektdefinition. Durch die Festlegung des Projektumfangs werden zahlreiche Projektparameter beeinflusst, z.B. Durchführbarkeit, Teamgröße, Budget und erzielbarer Nutzen. Nicht selten kommt es hier zu Missverständnissen aufgrund falscher Erwartungen bzgl. der Ergebnisse. In diesem Zusammenhang sollten die Grenzen des Projekts, die beteiligten Geschäftsbereiche sowie die zu bearbeitenden Aufgaben unmittelbar aufgezeigt werden. In der Regel hilft die Definition des Projektumfangs, Überschneidungen und Lücken zwischen einzelnen Projekten zu schließen und die Bearbeitung gezielt zu beginnen.
•
Das Budget gibt Auskunft, mit welchen Mitteln und in welcher Höhe das Projekt zu finanzieren ist.
•
Der Projektnutzen beinhaltet sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Gesichtspunkte. Während sich der nicht-monetäre Nutzen z.B. im reibungslosen Ablauf eines internen Prozesses äußert, lässt sich der finanzielle Nutzen in die drei Kategorien Kostenreduzierung, Kostenvermeidung und Umsatzsteigerung unterteilen.
Nachdem die Rahmenbedingungen der einzelnen Projektvorschläge definiert sind, kann in einem zweiten Schritt die Bewertung der Projekte anhand von Six Sigma Kriterien erfolgen. Die Beurteilungskriterien für potenzielle Projekte können in die drei Kategorien Strategie, Organisation und Prozesse eingeteilt werden.
494
Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen
Strategiebezogene Beurteilungskriterien Im Rahmen der Bestimmung strategiebezogener Kriterien erfolgt zunächst ein Abgleich zwischen projekt- und unternehmensbezogenen Zielen. Darüber hinaus sind ggf. weitere strategische Fragestellungen zu klären, die sich nicht direkt aus den Unternehmenszielen ableiten lassen. Die strategiebezogenen Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte sind in Abbildung 3 zusammengefasst dargestellt. Strategiebezogene Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte Kriterium
nein schwer
ja leicht
Das Projekt steht in direkter Relation zu einer Schlüsselherausforderung des Unternehmens
1
2
3
4
5
6
7
Der zu betrachtende Prozess ist für die Kunden relevant
1
2
3
4
5
6
7
Man kann die internen oder externen Kunden identifizieren, die den Output des zu bearbeitenden Prozesses empfangen oder nutzen
1
2
3
4
5
6
7
Man weiß oder kann herausfinden, wie die Kunden den Prozess nutzen
1
2
3
4
5
6
7
Man weiß oder kann herausfinden, was für den Kunden an diesem Output wichtig ist
1
2
3
4
5
6
7
Das zu untersuchende Problem ist als Ziel oder Bedürfnis formuliert und nicht als fertige Lösung
1
2
3
4
5
6
7
Man kann die finanziellen Vorteile durch die Bearbeitung dieses Projektes berechnen
1
2
3
4
5
6
7
Der zu betrachtende Prozess wird nicht in absehbarer Zeit durch eine andere Initiative verändert
1
2
3
4
5
6
7
Das Projekt passt in das momentane Projekt-Portfolio (Zeit, Ressourcen, Prioritäten)
1
2
3
4
5
6
7
Punktsumme Gesamtpunkte
Abbildung 3: Liste mit strategiebezogenen Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte
Eine entscheidende Frage ist zunächst, ob das Projekt in Relation zu einer der Schlüsselherausforderungen des Unternehmens steht. Damit soll sichergestellt werden, dass die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens mit den Projektzielen wirklich harmonieren. Wird diese Frage bereits negativ beantwortet, ist der strategische Rahmen des Projekts noch einmal zu überdenken. Die nachfolgenden Kriterien beschäftigen sich mit dem Projektbezug zum Kunden. Dabei wird zunächst die Frage gestellt, inwieweit der durch das Projekt zu gestaltende Prozess für einen internen oder externen Kunden relevant ist. Ein Prozess, der für den Kunden nicht von Bedeutung ist, kann dies auch nicht für das Unternehmen sein. Weitere wichtige Fragestellungen betreffen die Identifizierung von „Prozess-Kunden“ und deren Produktnutzung. Können z.B. in der DefinePhase keine Kundenbedürfnisse (Voice of the Customer) bestimmt werden, ergeben sich oftmals erhebliche Schwierigkeiten bei der späteren Messung von Verbesserungen. Ein weiteres strategiebezogenes Kriterium ist die Frage, ob das Projekt tatsächlich ein explizit formulierbares Ziel bzw. Bedürfnis verfolgt. In manchen Fällen ist die
Bert Leyendecker
495
Lösung des Problems bereits bekannt oder in der Projektdefinition enthalten. Für das Umsetzen bekannter Lösungen reicht i.d.R. ein gutes Projektmanagement (ohne Six Sigma Aktivitäten) aus. Der Start eines Six Sigma Projektes sollte erst dann erfolgen, wenn es keine anderen Vorhaben gibt, den relevanten Prozess in absehbarer Zeit zu optimieren. Des Weiteren ist eine detaillierte Auflistung der finanziellen Vorteile hinsichtlich der Bearbeitung des Projekts wünschenswert. Schließlich sollten Six Sigma Projekte in den allgemeinen übergeordneten Organisationsrahmen (Projekt-Portfolio) „passen“ und die strategischen Faktoren Zeit, Ressourcen und Prioritäten unmittelbar berücksichtigen. Organisationsbezogene Beurteilungskriterien Beim Hinterfragen der organisationsbezogenen Kriterien geht es in erster Linie um die Sicherstellung der „Tragfähigkeit“ der Organisation. Dabei sollte zunächst geprüft werden, ob es im Unternehmen die erforderliche Unterstützung für das Projekt gibt. Die organisationsbezogenen Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte sind in Abbildung 4 zusammengefasst dargestellt.
Organisationsbezogene Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte Kriterium
nein schwer
ja leicht
Es gibt die erforderliche Unterstützung in der Organisation
1
2
3
4
5
6
7
Der Vorgesetzte des Belt steht hinter dem Projekt und hat ein Interesse an dem Ergebnis
1
2
3
4
5
6
7
Der Projekt-Sponsor steht hinter dem Projekt und hat ein Interesse an dem Ergebnis
1
2
3
4
5
6
7
Die Vorgesetzten der potenziellen Teammitglieder stehen hinter dem Projekt und haben ein Interesse an dem Ergebnis
1
2
3
4
5
6
7
Der Projekt-Sponsor hat die Kompetenz, Ressourcen auf dieses Projekt zu setzen
1
2
3
4
5
6
7
Ein Prozesseigner ist identifiziert
1
2
3
4
5
6
7
Der Prozesseigner steht hinter dem Projekt und hat ein starkes Interesse am Ergebnis
1
2
3
4
5
6
7
Belt und Sponsor haben die Freiheit, den zu bearbeitenden Prozess zu verändern
1
2
3
4
5
6
7
Es kann ein Projektteam zur Verfügung gestellt werden (Zeit!)
1
2
3
4
5
6
7
In der Organisation und besonders im Projektteam ist Verständnis für die Dringlichkeit des Projektes vorhanden
1
2
3
4
5
6
7
Punktsumme Gesamtpunkte
Abbildung 4: Liste der organisationsbezogenen Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte
Nach vorhergehender Abbildung ist zunächst die Unterstützung der am stärksten vom Projekt betroffenen Personen entscheidend. Hier sind vor allem die Vorgesetzten gefragt, welche die Black und Green Belts bestmöglich unterstützen sollten. Verbleiben die Belts in ihrer angestammten Linienposition oder arbeiten sie
496
Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen
nur „in Teilzeit“ an den Six Sigma Projekten, dann ist dieser Punkt von besonderer Relevanz. Ein aktives Interesse am Projektergebnis seitens des Sponsors ist nicht nur für Six Sigma Projekte ein entscheidendes Erfolgskriterium. Allein das Interesse an dem Projektergebnis reicht dabei nicht aus, um ein Projekt erfolgreich zu unterstützen. Ein Sponsor sollte vielmehr die Autorisation besitzen, die benötigten Ressourcen für das Projekt jederzeit bereitstellen zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang die Bestimmung eines Prozesseigners, der ein ernsthaftes Interesse am Projekt und dem Ergebnis zeigt. Im Idealfall ist der Prozesseigner gleichzeitig Sponsor des Projekts. Schließlich sollten Belts und Sponsoren die Freiheit besitzen, die relevanten Prozesse nachhaltig zu gestalten. Falls dabei Prozesse beim Lieferanten betroffen sind, ist dies häufig mit Schwierigkeiten verbunden. Aus diesem Grund muss die Möglichkeit bestehen, für die Projektbearbeitung ein qualifiziertes Team abzustellen. Dieses sollte, neben der Beachtung der Dringlichkeit des Projekts auch ein Verständnis für bestehende Abläufe in der Organisation haben. Prozessbezogene Beurteilungskriterien Die prozessbezogenen Kriterien bzgl. der Bewertung potenzieller Six Sigma Projekte hinterfragen die allgemeine „Projekt-Tauglichkeit“ von Prozessen. Die entsprechenden Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte sind in der folgenden Abbildung 5 aufgeführt. Six Sigma ist eine Methode zur Optimierung von Prozessen. Eine wichtige Voraussetzung ist folglich, dass es sich beim Projektinhalt um einen definierten Prozess handelt. Insbesondere muss es möglich sein, den Anfangs- und Endpunkt eines Prozesses eindeutig zu bestimmen. Ist dies nicht der Fall, gestaltet sich die Anwendung der DMAIC-Vorgehensweise in vielen Punkten schwierig. Um das Sigma-Niveau des Prozesses zu berechnen, den Prozess zu verbessern und die Optimierung im Ergebnis zu bewerten, ist es erforderlich, Prozessdefekte eindeutig zu definieren. Kann man die Defekte nicht klar messen bzw. zählen oder erweist sich die Datenaufnahme als unverhältnismäßig schwierig, dann wird es kaum gelingen, den Prozess zu verbessern. Die im Team auftretenden Schwierigkeiten können dabei vielfältig sein, z.B.: •
Unterschiedliches Verständnis über die Güte des Prozesses bei Beteiligten
•
Unverhältnismäßig lange Dauer der Projekte und kein klarer Fokus möglich
Bert Leyendecker
•
497
Unzufriedenheit beim Projektteam wegen des großen Messaufwands im Verhältnis zur Aussagekraft der Ergebnisse. Prozessbezogene Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte Kriterium
nein schwer
ja leicht
Das Projekt beinhaltet die Bearbeitung eines klar definierten Prozesses
1
2
3
4
5
6
7
Es ist leicht, den Anfangs- und Endpunkt des zu betrachtenden Prozesses zu definieren
1
2
3
4
5
6
7
Man kann klar definieren, was in diesem Prozess ein Defekt ist
1
2
3
4
5
6
7
Das Auftreten eines Defektes kann gezählt werden
1
2
3
4
5
6
7
Daten über diesen Prozess zu sammeln, ist relativ einfach
1
2
3
4
5
6
7
Der Prozess absolviert zumindest einmal am Tag einen kompletten Zyklus
1
2
3
4
5
6
7
Der Belt ist geeignet, diesen Prozess zu bearbeiten
1
2
3
4
5
6
7
Der Projektumfang erscheint vernünftig gewählt
1
2
3
4
5
6
7
Punktsumme Gesamtpunkte
Abbildung 5: Liste der prozessbezogenen Auswahlkriterien für Six Sigma Projekte
Weiterhin sollte der Prozess mindestens einmal am Tag einen Datenpunkt liefern. Ansonsten gestaltet sich die Bearbeitung mit Six Sigma schwierig, da durch die nicht in Relation stehende, langandauernde Datenaufnahme keine fokussierte Projektbearbeitung möglich ist. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist, ob es einen für die Projektbearbeitung geeigneten Belt gibt. Nicht alle Belts und Projektmanager haben die gleichen Schwerpunkte und Fähigkeiten zur Projektdurchführung. Schließlich stellt sich die Frage nach dem Projektumfang. Dieser sollte tendenziell klein gehalten werden, da es leichter und zugleich motivierender ist, das Projekt nach erfolgreicher Teiloptimierung auf andere Bereiche auszudehnen.
4
Priorisierung von Projekten
Nachdem die Projekte aus der Zielplanung abgeleitet und mit Hilfe der Six Sigma Kriterien überprüft wurden, ist der nächste Schritt im Auswahlprozess die Projektpriorisierung. Die Erfahrungen bei Johnson & Johnson im Werk Wuppertal haben gezeigt, dass für kleine, überschaubare Unternehmensbereiche mit mittelständischer Struktur die oben genannten Beurteilungskriterien durchaus ausreichend sein können. Ohne weitere Werkzeuge zur Priorisierung zu nutzen, kann sich anhand der ausgefüllten Kriterienlisten ein „kleiner Kreis“ (z.B. Werksleiter,
498
Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen
Produktionsleiter, technischer Leiter und Leiter Six Sigma) auf die durchzuführenden Projekte verständigen. Die Voraussetzungen für ein solches „vereinfachtes“ Verfahren sind im Folgenden benannt: •
Der Kreis der Entscheider kann klein gehalten werden, ohne von den Projekten betroffene Vorgesetzte auszuschließen.
•
Man entscheidet über eine vergleichsweise kleine Organisationsstruktur.
•
Die Entscheider kennen die zu bearbeitenden Prozesse genau und können den Projektumfang daher gut einschätzen.
•
Die Entscheider kennen die Six Sigma Methode aus eigener Erfahrung und haben eine realistische Vorstellung über Potenzial und Grenzen der Methode.
Sind obige Voraussetzungen nicht erfüllt, weil z.B. über Standortgrenzen hinweg entschieden werden muss, ist der Einsatz weiterführender Werkzeuge sinnvoll. Um zu einem Konsens über die Prioritäten zu gelangen, kann ein Auswahldiagramm, wie es beispielhaft in Abbildung 6 zu sehen ist, zum Einsatz kommen. In dieser Darstellung wird der finanzielle Nutzen der einzelnen Projekte den zuvor ermittelten Gesamtpunktzahlen für nicht-monetäre Kriterien (vgl. Abbildung 3 bis 5) gegenübergestellt. In Abbildung 6 sind zehn mögliche Projekte nach ihrem finanziellen Vorteil sowie ihrer strategischen Relevanz bzw. Eignung gemeinsam in einem Auswahldiagramm klassifiziert. 40 C
Punktzahl Strategie
35
A
30 J
25
K B
20 F
15 10 5
nicht ausgewählt
ausgewählt
0 0
100
200
300
400
500
600
Finanzieller Vorteil [TEUR]
Abbildung 6: „Strategie“-Auswahldiagramm zur Projektpriorisierung
Die in Abbildung 6 eingezeichnete Iso-Präferenzlinie (Diagonale) trennt den Bereich der auszuwählenden von dem der nicht auszuwählenden Projekte (Punkte
Bert Leyendecker
499
zwischen Ursprung und Diagonale). Die Lage der Iso-Präferenzlinie ergibt sich in Abhängigkeit von den vorhandenen Ressourcen und dem insgesamt bestehenden Einsparpotenzial im Unternehmen. Sie unterliegt damit z.T. einer subjektiven Einschätzung der verschiedenen Teammitglieder. Die Projekte mit geringer Punktzahl, also geringer Eignung für Six Sigma und gleichzeitig geringem finanziellen Vorteil, werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Schließlich sollten im Rahmen des Auswahlverfahrens sogenannte K.o.-Kriterien definiert werden, deren Nichterfüllung zum sofortigen Ausscheiden des Projekts führt, z.B. der Prozesseigner steht nicht hinter dem Projekt.
5
Detaillierung der Projektaufträge
Nachdem die Projekte ausgewählt und priorisiert sind, werden die Projektaufträge in vollem Umfang geschrieben und ausgegeben. Die zentralen Bestandteile des Projektauftrags (Team Charter) sind der Projekttitel, das Projektziel, der Projektumfang, das Budget und der Projektnutzen (vgl. Abschnitt 3). Die Erfahrungen haben gezeigt, dass für diese Punkte in der aktuellen Phase noch einmal eine Überarbeitung stattfinden muss. Darüber hinaus sollten in den Projektauftrag noch weitere Projektdetails aufgenommen werden, so dass eine möglichst umfassende sowie realistische Planung für die Projektarbeit möglich ist. Dies bedeutet zwar einen erhöhten Aufwand zu Projektbeginn, jedoch können die Projekte i.d.R. viel reibungsloser und zielstrebiger in der Durchführungsphase bearbeitet werden. Abbildung 7 zeigt ein Formblatt für einen Projektauftrag. Unter dem Punkt Anbindung an Unternehmenszielplanung wird definiert, zu welcher Geschäftsstrategie das Projekt gehört und in welchem Projekt-Portfolio das Projekt „angesiedelt“ ist (vgl. hier und im Folgenden Abbildung 7). Dazu wird auch beschrieben, welcher Zusammenhang bzw. welche Hintergründe zu dem Projekt geführt haben (z.B. Aktivitäten des Wettbewerbs, KundenzufriedenheitsAnalysen, finanzielle Gründe). Der Abschnitt Zeitplan enthält den Start- und Endzeitpunkt des Projekts sowie die Termine für wichtige Meilensteine. In diesem Zusammenhang hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Beendigung der fünf Projektphasen (Define, Measure, Analyse, Improve, Control) als Mindestanforderung für Meilensteintermine zu definieren. Der Abschnitt Projektnutzen und geplante Projektergebnisse enthält neben der Beschreibung der monetären Nutzenarten (Kostenreduzierung, Kostenvermeidung, Umsatzsteigerung) den Punkt Sonstige Projektergebnisse. Dieser benennt die Ergebnisse, die von den Beteiligten als (direkte oder indirekte) Veränderungen nach Projektbeendigung wahrnehmbar sein sollten. Dies können z.B. Prozessbeschreibungen, Trainingsunterlagen, modifizierte Maschinen, Handbücher oder Zeichnungen sein. Wichtig ist hierbei, dass im Projektauftrag keine fertigen Lösungen enthalten sind. Auch sollten der Projektnutzen und die geplanten Ergebnisse quantifizierbar sein, damit der Projekterfolg nicht an Gefühlen, sondern an Fakten und Messgrößen festgemacht werden kann.
500
Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen
Six Sigma Projektauftrag
Budget und Ressourcen
Projektitel
Anbindung an Unternehmenszielplanung Projektteam und Projektumfeld Funktion
Projektziel
Name
Zeit
Prozesseigner Projektsponsor Projektmanager
Projektumfang
Kernteam Zeitplan
Beginn
Ende
Bemerkungen
Define Measure Analyse Improve Control Projektnutzen und geplante Projektergebnisse Kostenreduzierung
Kostenvermeidung Umsatzsteigerung Sonstige Projektergebnisse
Weitere Mitglieder Betroffene Personen Potenzielle Problembereiche Kritische Erfolgsfaktoren Risiken
Projektabhängigkeiten
Abbildung 7: Beispielblatt für einen Six Sigma Projektauftrag
Im Abschnitt Projektteam und Projektumfeld werden zunächst der Prozesseigner, der Projektsponsor und der Projektmanager festgelegt. Nach Möglichkeit sollte der Prozesseigner gleichzeitig auch Sponsor des Projekts sein, denn andere Konstellationen führen häufig zu Zielkonflikten. In der Spalte „Zeit“ erfolgt eine Schätzung bzgl. des einzuplanenden Zeitaufwands für die einzelnen Teammitglieder. Dieses erleichtert zum einen die Überschaubarkeit innerhalb des Projekts und zum anderen die Einordnung in das „Projekt-Gesamtbild“. Unter den Punkten Kernteam und Weitere Teammitglieder wird festgelegt, welche Funktionen bzw. Abteilungen im Projektteam vertreten sein müssen. Nach Möglichkeit sollten hier schon konkrete Namen von Teammitgliedern genannt werden. Im Unterabschnitt Betroffene Personen wird schließlich festgelegt, welche Personen ein Interesse am Projektergebnis und an der Art und Weise haben, wie das Projekt durchgeführt wird. Die Einstellung dieser Personen zum Projekt kann erfolgsentscheidend sein, daher sind sie so früh wie möglich in das Projekt einzubeziehen. Im Abschnitt Potenzielle Problembereiche werden kritische Erfolgsfaktoren, Risiken und Projektabhängigkeiten definiert. Kritische Erfolgsfaktoren sind Merkmale, die im Projektumfeld vorhanden sein müssen, damit das Projekt erfolgreich sein kann. Es können durchaus Faktoren sein, die nicht im Einflussbereich des Projektleiters liegen, sondern vom erfolgreichen Abschluss anderer Geschäftsaktivitäten oder Projekte abhängen. Ist ein kritischer Erfolgsfaktor nicht gegeben, kann das Projekt u.U. nicht weiter durchgeführt werden, oder es sind weitere Ressourcen und mehr Zeit erforderlich, um das Projektziel zu erreichen.
Bert Leyendecker
501
Unter dem Punkt Risiken werden prinzipiell zwei Risikoarten unterschieden. Zum einen werden Risiken beschrieben, die bei Nichtdurchführung des Projekts entstehen würden, z.B. Verlust von Marktanteilen, sinkende Konkurrenzfähigkeit etc. Zum anderen werden Gefahren aufgezeigt, die im Rahmen der Projektdurchführung auftreten könnten. In der Regel sind die Risiken eines Projektes um so beträchtlicher, je größer die damit verbundenen Veränderungen sind. Werden in einem Projekt potenzielle Risiken nicht von Beginn an benannt, kann sich das Bild bezüglich Potenzial, Umsetzbarkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit nachträglich verschlechtern. Im letzten Punkt werden die Projektabhängigkeiten beschrieben, die das Projekt mit anderen Projekten oder Aktivitäten im Unternehmen in Beziehung setzen. Unmittelbar zu beantwortende Fragen sind z.B.: „Gibt es Folgeprojekte, die auf diesem Projekt aufbauen?“ oder „Sind Daten aus anderen Projekten erforderlich?“. Ist der Projektauftrag mit allen Details beschrieben und vom Sponsor und Projektmanager als realistisch eingeschätzt, kann das Six Sigma Projekt beginnen.
6
Durchführung von Projekt-Reviews
Nach dem Start der Projekte ist es sinnvoll, im Rahmen des DMAIC-Prozesses, drei „formal reviews“ durchzuführen. Entsprechend Abschnitt 5 sollten diese jeweils nach den Projektphasen „Define“, „Analyse“ und „Control“ erfolgen (vgl. Abbildung 8). Als letzter Schritt der Projektauswahl werden die Reviews vom lokalen Six Sigma Leader oder Master Black Belt durchgeführt. Neben der Überprüfung der Vorgehensweise und der bei der Projektbearbeitung erreichten Ergebnisse haben sie zum Ziel, die Validität der Entscheidungsgrundlage bei Projektbeginn zu hinterfragen. Die Notwendigkeit nachträglicher Projektveränderungen ergibt sich insbesondere bei Reviews in den Phasen „Define“ und „Analyse“. Aus den Erfahrungen können nach dem Projektstart z.B. folgende Situationen eingetreten sein: •
In der Define-Phase wird der Projektumfang vom Projektmanager und Sponsor noch einmal deutlich verändert.
•
Nach Aufnahme der ersten Daten wird deutlich, dass die Auswirkungen des Projekts über- bzw. unterschätzt wurden.
•
Die aufgenommenen Daten zeigen, dass die Bearbeitung anderer Projekte ein wesentlich höheres Nutzenpotenzial beinhaltet.
•
Die ermittelten Daten deuten darauf hin, dass das ursprünglich vermutete Problem in Wirklichkeit gar keins ist.
•
Nach Bearbeitung der ersten Projektphase zeichnet sich ein komplexer Prozess ab, der mehr Ressourcen bzw. ein höheres Budget benötigt.
502
Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen
Reviews sind ein unerlässliches Instrument für ein effizientes Projektmanagement. In Verbindung mit dem Projekt-Portfolio stellen sie sicher, dass die aus Unternehmenssicht bedeutendsten Projekte immer an erster Stelle stehen. In der folgenden Abbildung ist ein Review-System für Six Sigma Projekte dargestellt. In der Regel kann eine Fehleinschätzung im Rahmen des Prozessauswahlprozesses nicht vollständig ausgeschlossen werden. Daher kann sich nach dem ersten oder zweiten Review zeigen, dass ein Projekt, entgegen der ursprünglichen Annahme, nicht für Six Sigma geeignet ist. Ist dies der Fall, sollte das Projekt unverzüglich gestoppt und statt dessen ein erfolgversprechenderes Projekt in Angriff genommen werden. Erst wenn beide Reviews erfolgreich durchlaufen wurden, ist von einem insgesamt erfolgreichen Projekt, inkl. Auswahlprozess, auszugehen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in jeder Phase des Auswahlprozesses die Betroffenen angemessen einzubinden sind. Vor allem die Belts, die Projektsponsoren und deren Vorgesetzte sowie die Prozesseigner sind dabei zu berücksichtigen. Um unnötige Diskussionen im Zuge der Projektauswahl zu vermeiden, sollte Six Sigma als breit angelegte Teaminitiative in die Organisation eingebracht werden. Gerade in der Anfangszeit, wenn es noch Probleme bei der Auswahl und Anwendung verschiedener Six Sigma Tools gibt, ist ein motiviertes und vom eigenen Projekt überzeugtes Team von größter Bedeutung für den Erfolg.
Define
1. Review Vorgehensweise korrekt? Projektauswahl korrekt? Neue Erkenntnisse?
Measure
Analyse
2. Review Vorgehensweise korrekt? Projektauswahl korrekt? Neue Erkenntnisse?
Abbildung 8: Das Review-System für Six Sigma Projekte
Improve
Control
3. Review Vorgehensweise korrekt? Ergebnisse? Neue Erkenntnisse?
Der Projektauswahlprozess – Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren-Herion Reinhard Krauer
Inhalt 1 2 3 4
1
Vorbereitung der Six Sigma Initiative bei Norgren-Herion.......................................503 Pragmatische Projektauswahl in der Einführungsphase.............................................505 Projektebenenmodell zur Klassifizierung von Projekten ...........................................509 Projektmanagement und Top-Down-Auswahlprozess...............................................511
Vorbereitung der Six Sigma Initiative bei Norgren-Herion
Am Beispiel von Norgren-Herion soll in diesem Beitrag gezeigt werden, warum gerade die Projektauswahl einen entscheidenden Erfolgsfaktor für ein Six Sigma Programm darstellt. Die Norgren Group ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich Pneumatik- und Industrieautomatisation und wurde im Wesentlichen durch die Akquisition von Herion (Deutschland) Ende 1997 begründet. Sie ist heute eine von vier Geschäftsbereichen der britischen IMI-Gruppe, die über einen Gesamtjahresumsatz von € 2,5 Mrd. und ein Verkaufs- und Servicenetzwerk in über 70 Ländern verfügt. Die Norgren Group beschäftigt derzeit rund 6.000 Mitarbeiter weltweit (Stand: Juli 2002). In der Six Sigma Vorbereitungsphase stellt sich für jedes Unternehmen zunächst eine Reihe von Fragen hinsichtlich der Bedeutung bestimmter Einfluss- bzw. Erfolgsfaktoren. Zu diesen gehören neben der Projektauswahl vor allem die Mitarbeitermotivation, die Black Belt Auswahl, die Ressourcenbereitstellung und die Trainingsdurchführung. Darüber hinaus begründet nur die konsequente Verfolgung der Projektarbeit und -ergebnisse durch das Management die Anfangserfolge von Six Sigma. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu und wird in allen „Executive and Management Awareness Trainings“ von den Trainern eindringlich betont. Nicht selten verhallen jedoch die Appelle bei den auszubildenden Führungskräften ungehört. Schon unmittelbar nach der Bereitstellung des Schulungsbudgets und der Ausbildung der ersten Black Belts wird gegen das Prinzip des Management Commitments verstoßen. Oftmals lassen „Tagesaktualitäten“ die permanente und konsequente Beschäftigung des Top-Managements mit der Six Sigma Initiative in den Hintergrund treten. Sie lösen damit eine schleichende „Erosion“ der Wirkungen der Six Sigma Initiative im und für das Unternehmen aus.
504
Der Projektauswahlprozess – Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren
Einsatz einer Vorbereitungs-Task Force Die genannten „Stolpersteine“ waren auch in der Norgren Group vor Implementierung des Six Sigma Programms bekannt. Aus diesem Grund wurde ein Planungsteam (Vorbereitungs-Task Force) zur gründlichen Vorbereitung der Initiative bestellt. Während seiner 15-monatigen Tätigkeit war das Team fest davon überzeugt, die einschlägig bekannten Einführungsprobleme vollständig umgehen zu können. In diesem Bewusstsein wurden die Planungen im November 1999 abgeschlossen und unverzüglich dem Norgren Board (Lenkungsausschuss) vorgestellt. Trotz der unerwartet hohen Aufwendungen an Personal- und Schulungskosten für die Black Belts stimmte das Board dem Projektvorschlag der Vorbereitungs-Task Force zu. Dieser sah u.a. ein Executive Training für die Mitglieder des Lenkungsausschusses Ende Februar 2000 bei der Six Sigma Academy in Arizona (USA) vor. Bis zu diesem Zeitpunkt schien alles noch „nach Plan zu laufen“. So waren der Schulungsbeginn für die Black Belts und der Start der Projektarbeiten nach der Sommerpause, im September 2000, vorgesehen. Die Mitglieder der Vorbereitungs-Task Force hatten jedoch bei ihrer Planung die Wirkungen der Six Sigma Academy – ausgehend von deren CEO´s Michael Harry und Richard Schroeder – auf die Teilnehmer des Lenkungsausschusses unterschätzt. Berufung zweier Senior Project Champions Unmittelbar nach der Rückkehr des Norgren Boards vom „Executive Training“ wurden zwei Senior Project Champions für die Regionen USA/Amerika und Europa/Asien zur Führung bzw. Betreuung der Projekt-Champions und deren Black Belts ernannt. Die Senior Project Champions hatten zunächst 18 Projekt-Champions aus den jeweiligen Regionalgesellschaften zu benennen. Diese reisten Mitte März 2000 zu einem gemeinsamen einwöchigen Champion Training nach Birmingham, England. Auf diesem Training sollten den Teilnehmern die Six Sigma Methoden und Werkzeuge, die Breakthrough Strategy entsprechend der Six Sigma Academy sowie die Zielsetzungen des Norgren-Managements erläutert werden. Die Aufgabe der Projekt-Champions bestand darin, die Grundzüge der Six Sigma Initiative bis zum Beginn der Schulungen, Mitte April 2000, in den regionalen Gesellschaften der Norgren Group publik zu machen. Dazu waren das lokale Management, die Betriebsräte und die Mitarbeiter der jeweiligen Standorte über die Ziele der Norgren Six Sigma Initiative ausführlich und detailliert zu informieren. Neben der Information und Einbeziehung von Führungskräften mussten weltweit insgesamt 80 potenzielle Black Belt Kandidaten gefunden werden, die es in persönlichen Gesprächen von der Wichtigkeit des Six Sigma Programms zu überzeugen galt. Gleichzeitig waren den ausgewählten Black Belts geeignete Projekte zuzuordnen, die sie im Rahmen der ersten schulungsbegleiteten „Projektwelle“ bearbeiten konnten. Es ist leicht vorstellbar, dass bei diesem konzentrierten Einführungszeitplan und den vielfältigen Aufgaben der Projekt-Champions und des lokalen Managements
Reinhard Krauer
505
viele Vorgaben des Planungsteams unberücksichtigt blieben. Insbesondere fanden in der Six Sigma Einführungsphase die von der Vorbereitungs-Task Force erarbeiteten Regeln zur systematischen Identifikation und Auswahl geeigneter Black Belts und ertragskräftiger Projekte kaum Anwendung.
2
Pragmatische Projektauswahl in der Einführungsphase
Sowohl bei der Auswahl von Black Belts als auch bei der Ermittlung von Projektideen wurde in der Einführungsphase recht „pragmatisch“ vorgegangen. Dies bedeutete, dass die Nominierung der ersten Black Belts durch ein Managementteam erfolgte, welches die Kandidaten hinsichtlich folgender Kriterien beurteilte: •
Fachliche Qualifikation und soziale Kompetenz
•
Fachkenntnisse und Führungspotenzial.
Die Beurteilung beruhte zum einen auf dem vorhandenen Wissen über die Kandidaten und zum anderen auf Informationen, die aus diversen Assessment-Centern stammten. Bei der Auswahl war lediglich die Vorgabe zu berücksichtigen, dass es keine Ersatzeinstellungen für die einmal nominierten Black Belts geben durfte. Bei der Projektauswahl und -bestimmung wurde zunächst ebenfalls pragmatisch vorgegangen, d.h. vom Managementteam erging die Aufforderung an alle Prozesseigner, Projektvorschläge aus ihren Verantwortungsbereichen zu benennen und sie hinsichtlich Inhalt, Umfang und Einsparungspotenzial zu präzisieren. Wie in Abbildung 1 zu sehen, wurde den Prozesseignern dazu ein Kriterienkatalog mit insgesamt sechs Punkten vorgelegt.
o Projekteinsparung von jährlich mindestens € 250.000 o Fehler-Reduzierungspotenzial von mindestens 78 % gegenüber Ausgangsniveau o Priorisierung der Maßnahmen nach erzielbarem Einsparpotenzial o Projektbearbeitungszeit bis maximal 4 Monate o Amortisationsdauer von Investitionen maximal 1 Jahr o Projektziele entsprechend der Unternehmensstrategie
Abbildung 1: Kriterienkatalog zur Projektauswahl
506
Der Projektauswahlprozess – Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren
Die erste Projektwelle Obwohl die obigen Kriterien die Projektauswahl gezielt eingrenzen sollten, entsprachen die ersten Vorschläge der Prozesseigner überwiegend dem Motto „was ich eigentlich schon längst hätte tun sollen, um meinen Prozess zu optimieren, wozu ich aber nie die erforderliche Zeit hatte.“ Nachdem die Prozesseigner dem lokalen Management eine Reihe von Projektvorschlägen unterbreitet hatten, wurden die zuvor ausgewählten Black Belt Kandidaten mit der Projektdurchführung beauftragt. Vor Aufnahme der Projektarbeit stimmten diese den genauen Fokus und Umfang des Projekts mit dem jeweiligen Prozesseigner ab. Die „pragmatische Methode“ zur Projektfindung, -auswahl und -zuweisung ist in Abbildung 2 zusammenfassend dargestellt.
Lokales Management fragt nach Projektvorschlägen
meldet Projektvorschläge
Prozesseigner
beauftragt Black Belt
Black Belt stimmt Projektfokus und Teammitglieder mit Prozesseigner ab
informiert und leitet Projektteam
Teammitglieder
Abbildung 2: Pragmatische Projektauswahl und -zuweisung
Aufgrund des speziellen Charakters von Trainingsprojekten galt das Ergebnis der Projektauswahl vor Beginn der Black Belt Schulungsmaßnahmen grundsätzlich als akzeptabel. Parallel zum Methodentraining dienten die Projekte in erster Linie zu Übungszwecken, d.h. zur breiten Anwendung von Six Sigma Methoden und Werkzeugen in realen Prozessen. Nach einem durchweg erfolgreichen Abschluss der Projekte stieg die Motivation bei allen auszubildenden Black Belts. Die jährlichen Einsparungen betrugen in der ersten Projektwelle durchschnittlich € 80.000 pro Projekt. Trotz dieses sehr positiven Ergebnisses erfüllten sie nicht annähernd die Erwartungen des Top-Managements, die von jährlichen Einsparungen i.H.v. € 250.000 pro Projekt ausgegangen waren (vgl. Abbildung 1). Die erzielten Ergebnisse wurden jedoch vom Board unter der Maßgabe des Trainings-
Reinhard Krauer
507
charakters zunächst akzeptiert. Die Prozesseigner in den Regionalgesellschaften bekamen in der Folge den Auftrag, die prognostizierten Einsparungen bis Ende September 2001 tatsächlich zu realisieren. Mit der Präsentation der Projektergebnisse durch die beteiligten Black Belts wurde auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Prozesseignern und dem lokalen Management die erste „Projektphase“ Mitte September 2000 offiziell abgeschlossen. Infolge der ersten „Six Sigma Erfahrungen“ sollten die projektbezogenen Einsparungen von den Prozesseignern fortan in regelmäßigen Abständen, d.h. in Form monatlicher Prozessmetriken, berichtet und dokumentiert werden. Dadurch versuchte man, Ergebnisabweichungen, die sich gegenüber den vereinbarten Zielen bei Projektübergabe eingestellt hatten, rechtzeitig zu erkennen. Entstanden trotz der projektbezogenen Kontrollpläne negative Abweichungen, war der Prozess vom Projektteam, unter Leitung des Black Belts, erneut zu analysieren und mit Hilfe geeigneter Maßnahmen zu korrigieren. Zielabweichungen, die aufgrund der Nichteinhaltung von vorgegebenen Maßnahmen in den Kontrollplänen entstanden, waren vom Prozesseigner gegenüber dem zuständigen Projekt-Champion bzw. lokalen Management umgehend zu begründen und ggf. zu beheben. Die konsequente Anwendung dieser Regeln sollte sicherstellen, dass die vom Projektteam zu Beginn berechneten Einsparungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch erreicht werden können. Die zweite Projektwelle Die zweite Projektwelle startete bei Norgren-Herion Ende Oktober 2000 und wurde innerhalb von fünf Monaten erfolgreich abgeschlossen. Dazu wurden bereits im Juli 2000, lange vor Abschluss der ersten Projektwelle, die Themen im Managementteam für die weiterführenden Projekte diskutiert und festgelegt. Die Bewertung der Projektideen erfolgte auf der Grundlage des in Abbildung 3 dargestellten Schemas. Das primäre Ziel bestand darin, eine objektivierte Rangfolge der Einsparpotenziale von allen relevanten Projekten zu erhalten. In Anlehnung an die ursprünglich festgelegten Projektauswahlkriterien (vgl. Abbildung 1) waren die potenziellen Projekte in der zweiten Auswahlrunde hinsichtlich sieben Erfolgsmerkmalen zu charakterisieren. Zur detaillierten Bewertung wurden die Kriterien mit eindeutigen Handhabungsregeln sowie Gewichtungsfaktoren hinterlegt. Außerdem sollten die Auswahlkriterien anhand einer Punkteskala von 1 bis 9 bzw. 1 bis 3 für jedes Projekt einzeln bewertet werden. Zur Ermittlung konkreter Projektthemen flossen sowohl eine Reihe von Projektvorschlägen der Prozesseigner als auch mehrere Projektideen, die in der ersten Auswahlrunde unberücksichtigt geblieben waren, ein. Infolge des umfangreichen Bewertungsschemas ist allen Beteiligten deutlich geworden, dass die Fortführung der „pragmatischen Projektauswahlmethode“ (vgl. Abbildung 2) zu keinem signifikanten Anstieg der Projekterträge führen wird. Vielmehr musste mit dem Gegenteil gerechnet werden, d.h. die prognostizierten jährlichen Einsparungen der einzelnen Projekte sanken im Rahmen der zweiten Projektwelle um 25 % auf durch-
Abbildung 3: Punktbewertungsschema zur Projektauswahl
9 => 1.000.000 8 => 500.000 7 => 250.000 5 => 200.000 2 => 100.000 1 =< 100.000
Abschätzung der Gesamteinsparungen sowie evtl. geringerer laufender Kosten bzw. Budgets
Regeln
Punkte
0,30
Gewichtung
€ 250.000 netto lokale Einsparung bzw. zusätzliche Deckungsbeiträge
Hoch = 3 Mittel = 2 Niedrig = 1
Beurteilung der Übertragbarkeit der Projektergebnisse auf andere Bereiche/ Standorte bzw. welchen Vorteil haben diese
0,10
Übertragbarkeit auf andere Bereiche bzw. Standorte
Abschätzung der Projektdauer zum Abschluss des Projekts auf der lokalen Ebene
Beurteilung der lokalen Einsparungen und des Einsparunspotenzials in anderen Bereichen bzw. Standorten
9 =< 4 7 =< 6 5 =< 9 3 =< 12 1 => 12
0,25
–
(falls dies nicht zutrifft, nur lokale Nettoeinsparung berücksichtigen)
Projektbearbeitungszeit < 4 Monate
Geschätzte jährliche Gesamteinsparungen
9 => 98 % 8 => 78 % 5 => 58 % 3 => 50 % 1 =< 50 %
Aufstellung der Zielvorgabe zur Reduzierung der aktuellen Fehlerrate (in DPMO) bis zum Abschluss des Projekts
0,15
Fehler-Reduzierungspotenzial > 78 %
Hoch = 1 Mittel = 2 Niedrig = 3
Verfügbarkeit bzw Schwierigkeitsgrad bei Ermittlung erforderlicher Daten.
Projektteamgröße/ Projektwirksamkeit (bereichsweise /-übergreifend)/
Einschätzung des Schwierigkeitsgrads für den erfolgreichen Abschluss des Projekts auf lokaler Ebene unter Einbezug von:
0,10
Komplexität des Projektes
9 =< 1 8 =< 5 7 =< 10 5 =< 15 3 =< 20 1 => 20
Nettoeinsparung
Investition
0,10
• 100
Projektbez. Investitions-/ Ertragsverhältnis
508 Der Projektauswahlprozess – Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren
schnittlich € 60.000 pro Projekt. Mit einer Fortsetzung dieser Abwärtstendenz wurde auch für die folgenden Auswahlrunden gerechnet, so dass ein Scheitern der Norgren Six Sigma Initiative unmittelbar bevorstand. Das lokale Managementteam war spätestens jetzt zum Handeln und Gegensteuern aufgefordert.
Reinhard Krauer
3
509
Projektebenenmodell zur Klassifizierung von Projekten
Auf einer Strategietagung im November 2000 wurden im Managementteam eine Reihe von Grundsatzbeschlüssen gefasst, die im Ergebnis zu neuen, wesentlich ertragreicheren Projekten führen sollten. Die Eckpunkte der Beschlüsse stammen aus einer offenen Statusanalyse der ersten Projekte bzw. Projektwelle und beruhen dabei auf folgenden grundlegenden Erkenntnissen: •
Die Six Sigma Projekte laufen parallel zu allen anderen Projekttätigkeiten im Unternehmen Norgren-Herion.
•
„Nicht Six Sigma Projekte“ werden im Unternehmen häufig aus Tagesaktualitäten abgeleitet und erhalten deshalb die höchste Priorität.
•
Die Auswirkungen eines neuen Projekts werden häufig nicht im Zusammenhang mit den bereits laufenden Projekten gesehen.
•
Die meisten Six Sigma Projekte werden ohne ausreichende Beurteilung der Kosten-Nutzen-Situation gestartet.
•
Fast alle Projekte greifen auf die gleichen „Engpass-Ressourcen“ des Unternehmens zu (z.B. Operative Leistungsträger und EDV-Spezialisten).
Beim Managementteam entstand insgesamt der Eindruck, dass zu viele Projekte gleichzeitig bearbeitet werden, ohne ausreichende strategische Ausrichtung und zielgerichtete Koordination der Themen sowie Bereitstellung der erforderlichen Kapazitäten und finanziellen Mittel. Im Ergebnis wurde deshalb die Forderung nach einer besseren Transparenz und Kontrolle der durchzuführenden Projekte, einschließlich des damit verbundenen Ressourceneinsatzes, laut. Eine Klassifikation der Projekte erschien ebenso dringend erforderlich wie ein ControllingInstrumentarium zum „Managen“ der Projektinhalte, -umfänge und -prioritäten. Auf Basis dieser Erkenntnis wurde bei Norgren ein Managementkonzept entwickelt und eingeführt, welches im Wesentlichen auf drei Projektebenen bzw. -plattformen beruht: Strategische Ebene, Operative Ebene, Ebene der Kontinuierlichen Verbesserung (vgl. Abbildung 4). Strategische Projektebene Auf der obersten, der strategischen Projektebene werden die 10 bis 15 strategisch wichtigsten und aufwendigsten Projekte des Unternehmens geplant, koordiniert und durchgeführt. In diesem Zusammenhang sollen die Six Sigma Projekte zu einem integralen Bestandteil der umfangreichen „Projektlandschaft“ des Unternehmens werden. Um die strategische Zielsetzung mit Nachdruck zu verfolgen, wurde ein Management-Instrumentarium zur Koordination der Projektinhalte und Beurteilung der Art und Anzahl der parallel laufenden Projekte etabliert. Die Ergebnisse der Projektarbeit unterliegen einem ständigen Fortschritts- und Erfolgscontrolling und werden vom Managementteam regelmäßig abgefragt.
510
Der Projektauswahlprozess – Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren
Lokale Six Sigma Champions
Lokale Geschäftsleitung/-führung
Ansprechpartner für Prozesseigner, Black Belts sowie Green Belts
Definition, Koordination und Controlling der Six Sigma Projekte
Strategische Projektebene unter Leitung des Black Belts
Operative Projektebene unter Leitung und Verantwortung der Prozesseigner
Ebene der Kontinuierlichen Verbesserung Eigenverantwortung der Arbeitsgruppen in den administrativen und produktiven Bereichen zur Einbindung aller Mitarbeiter des Unternehmens
Abbildung 4: Das Projektebenenmodell der Norgren Group
Operative Projektebene Im Hinblick auf die nachhaltige Unternehmensentwicklung erhält die operative Projektebene ihre Bedeutung bzw. Wertigkeit erst in Verbindung mit der strategischen Ebene. Beide Projektebenen sind im Unternehmen optimal aufeinander abzustimmen, da sich die Kapazitätsanforderungen z.T. stark überschneiden. Nicht selten entstehen Konfliktpunkte, wenn Black Belts sowohl als Projektleiter auf operativer Ebene als auch als Berater für strategische Projekte in Frage kommen. Bei der Projektbearbeitung auf operativer Ebene sind im Einzelnen folgende drei Punkte zu berücksichtigen: •
Unter Leitung der Prozesseigner sind vor allem operative Prozessschwächen mit Hilfe der Six Sigma Projekte zu beseitigen.
•
Im Rahmen eines Zielvereinbarungssystems ist die Beauftragung der Prozesseigner durch das obere Management vorzunehmen.
•
Die Black Belts sind bei Bedarf den Prozesseignern zur Unterstützung, d.h. bei der Projektleitung und dem Einsatz statistisch basierter Analyse- und Problemlösungstechniken, zur Seite zu stellen.
Ebene der Kontinuierlichen Verbesserung Die Ebene der Kontinuierlichen Verbesserung „rundet“ das Plattformkonzept nach unten hin ab und bezieht dabei alle Mitarbeiter, die nicht explizit in einem operativen bzw. strategischen Projekte integriert sind, ein. Auf dieser Projektebene sollen die Mitglieder von Arbeitsgruppen im administrativen und/oder produktiven Be-
Reinhard Krauer
511
reich Probleme aus ihrem direkten Arbeitsumfeld selbständig bearbeiten und lösen. Entsprechend eines „trade-off Prinzips“ werden damit dem mittleren Management die Zeitanteile zurückgegeben, die sie zur Beseitigung von grundlegenden Prozessproblemen und Schwachstellen in ihrem Bereich benötigen. Zur Realisierung des Konzepts der Projektplattformen sind in erster Linie die Black Belts beauftragt worden, die Grundlagen eines bereichsübergreifenden Projekt-Managementsystems für Veränderungsprojekte im Unternehmen zu erarbeiten. Auf Basis der ersten Projekterfahrungen waren von den Beteiligten zunächst die organisatorischen „Spielregeln“ hinsichtlich Systemaufbau und -ablauf zu beschreiben. Bei Norgren-Herion sollte damit die Implementierung und Aufrechterhaltung einer langfristig erfolgreichen „Projektarbeit“ ermöglicht werden.
4
Projektmanagement und Top-Down-Auswahlprozess
Unter Projektmanagement wird bei Norgren-Herion die Gesamtheit aller Führungs- und Projektorganisationsaufgaben verstanden, die unter Einsatz von geeigneten Management- und Kommunikationstechniken die Durchführung von bereichsübergreifenden Veränderungsprojekten sicherstellen. Die mit der Einführung eines Projekt-Managementsystem verbundenen Spielregeln wurden für das Management, die Projektleiter (Black Belts und Prozesseigner) sowie die Mitarbeiter in einem Projektmanagement-Handbuch ausführlich dargelegt. Letzteres ist heute für alle Projektbeteiligten auf allen Projektebenen gleichermaßen gültig wie verpflichtend. Das von den Black Belts erarbeitete Projektmanagement-Handbuch wurde im Januar 2001 einstimmig verabschiedet und in Kraft gesetzt. Vorausgegangen war eine eingehende Diskussion mit den Mitgliedern des Managementteams hinsichtlich des geforderten Management Commitments und des grundlegenden Engagements im Projekt-Lenkungsausschuss. Mit der Implementierung eines Projekt-Managementsystems sind bei Norgren eine Reihe von Zielen verfolgt worden. Zu den Wichtigsten gehören: •
Hervorhebung der Managementverantwortung bei der Projektauswahl, -koordination und -überwachung
•
Ableitung von Projektvorschlägen und Herstellung des Bezugs zur Erfüllung der Unternehmensstrategie
•
Abschätzung von Projekterträgen sowie erforderlichen Ressourcen, insb. Projektkosten und -zeit
•
Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Gesamtorganisation durch überschaubare Projektanzahl und termingerechte Abschlüsse.
Auf Basis der Grundsatzbeschlüsse des Managementteams sowie der Richtlinien des Projektmanagement-Handbuchs wurde eine dritte Projektauswahlrunde einge-
512
Der Projektauswahlprozess – Schlüsselfaktor des Six Sigma Programms bei Norgren
leitet. Dabei sollten die drei Managementebenen Geschäftsführung, Bereichsleiter und Projektchampion ,mit den an ihn berichtenden Black Belts, explizit berücksichtigt werden. Auf allen drei Ebenen fanden separate Workshops statt, die eine umfangreiche Problemsammlung und -klassifizierung sowie eine Bewertung der Projektideen bezüglich Ertragspotenzial, Aufwendungen, Wichtigkeit, zeitlicher Dringlichkeit und Marktwirkung zum Inhalt hatten. Das modifizierte Vorgehen zur schrittweisen Ableitung und Zuweisung von Projekten (vgl. Abbildung 2) verdeutlicht die nachfolgende Abbildung 5.
Strategische Ziele der Norgren Group leitet Projekte und Maßnahmen aus Unternehmensstrategie ab
Lokales Management fragt nach Projektvorschlägen
meldet Projektvorschläge
Prozesseigner
beauftragt Black Belt
Black Belt stimmt Projektfokus und Teammitglieder mit Prozesseigner ab
informiert und leitet Projektteam
Teammitglieder
Abbildung 5: Top-Down-Projektauswahl und -zuweisung
Die Problemkreise, die unabhängig voneinander auf allen drei „Strategie-Workshops“ benannt wurden, erhielten unmittelbar die höchste Priorität. Gleichzeitig setzte der Projekt-Lenkungsausschuss die in den Workshops abgeleiteten Projektideen an erste Stelle des Problemlösungsprozesses. In einer abschließenden Sitzung des Ausschusses wurden eine Reihe von Projekten zur Bearbeitung freigegeben sowie geeignete Projektleiter aus dem Kreis der Black Belts und Prozesseigner benannt. In den Projekten, denen ein Bereichsleiter oder Prozesseigner vorstand, wurde zur Unterstützung zumindest ein „erfahrener“ Black Belt eingegliedert. Vor der endgültigen Fixierung der Projektaufträge durch den Lenkungsausschuss hatten die Projektleiter u.a. folgende Aufgaben zu lösen:
Reinhard Krauer
•
Beschreibung der Projektaufgaben und -erträge
•
Erstellung eines Projektstruktur- und Aufwandsplans
•
Benennung von erforderlichen Teammitgliedern.
513
Aufgrund eines umfassenden Projektmanagements sowie eines systematischen Projektauswahlprozesses entspricht das durchschnittliche Einsparvolumen der Six Sigma Projekte heute annähernd der Zielvorstellung des Top-Managements i.H.v. € 250.000 pro Projekt. Mit den erarbeiteten und im Einsatz befindlichen Werkzeugen zur Projektfindung, -bewertung, -auswahl und -kontrolle wird die Institutionalisierung der Six Sigma Initiative im Unternehmen kontinuierlich vorangetrieben. Das mittel- und langfristige Ziel der Norgren Group besteht darin, eine nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbsposition durch ein effektives und effizientes Projekt- bzw. Prozessmanagement zu erreichen.
Six Sigma in der Produktentwicklung von Motorola Heinrich Wallechner
Inhalt 1 2 3 4 5
1
Qualitätsmanagement im Unternehmen.....................................................................514 Zusammenhang zwischen Fertigungsfehler und Kundenzufriedenheit......................515 Management des Qualitätsverbesserungsprozesses in der Entwicklung ....................516 Praxisbeispiel für die Anwendung von M-Gates .......................................................517 Zusammenfassung .....................................................................................................520
Qualitätsmanagement im Unternehmen
In einem weltweit tätigen Elektronikunternehmen wie Motorola spielt Qualitätsmanagement eine herausragende Rolle. Unter der Prämisse „Vollständige Erfüllung von Kundenwünschen“ und gezielter Qualitätssicherung im gesamten Unternehmen konnte der Konzern eine führende Position in der mobilen Kommunikationstechnik, bei elektronischen Bauelementen sowie in der Computer- und Datenübertragungstechnik erreichen. Qualitätssicherung setzt ein umfangreiches Wissen über alle Prozesse im Unternehmen voraus. Die Aufgabe der Qualitätssicherung besteht heute vor allem im „Coaching“ von Aktivitäten, um den Qualitätsverbesserungsprozess auf operativer Ebene zu gestalten. Vor diesem Hintergrund strebt Motorola das Ziel des Klassenbesten in Bezug auf Mitarbeiter, Technologie, Fertigungsprozesse, Produkte, Marketing und Dienstleistung an. Darüber hinaus bestehen für das Unternehmen die Ziele, den weltweit größten Marktanteil sowie ständig finanzielle Spitzenergebnisse zu erreichen. In diesem Zusammenhang wird Six Sigma als wichtige Qualitätsinitiative erachtet, um die übergeordneten Ziele schnellstmöglich zu erreichen. Die allgemeinen Grundsätze bzgl. Qualität und Kundenzufriedenheit sind i.d.R. für alle Beteiligten einleuchtend und verständlich. Jedoch gestaltet sich die Einund Umsetzung von Qualitätsverbesserungsmaßnahmen im Unternehmen nicht immer einfach. Dies soll im Folgenden anhand eines Beispiels aus der Fertigung für elektronische Produkte verdeutlicht werden. Zunächst wird jedoch der Fragestellung nachgegangen, wie die Kundenzufriedenheit mit den Fehlern im Fertigungsprozess korreliert.
Heinrich Wallechner
2
515
Zusammenhang zwischen Fertigungsfehler und Kundenzufriedenheit
In erster Linie entscheidet sich ein Kunde für den Kauf eines Produkts, weil ihm die Produkteigenschaften zusagen und er von einem angemessenes Preis-Leistungsverhältnis ausgeht. Gleichzeitig erwartet der Kunde bei Produktkauf, dass das Produkt •
zum vereinbarten Termin geliefert wird,
•
keine Mängel bei Inbetriebnahme aufweist,
•
eine geringe Anfangsausfallhäufigkeit besitzt,
•
während des täglichen Gebrauchs zuverlässig arbeitet.
Die oben genannten Punkte korrelieren sehr stark mit dem zugrunde liegenden Fertigungsprozess. So ist die mittlere Durchlaufzeit proportional zur Fehleranzahl im gesamten Fertigungsprozess. Das heißt, jeder auftretende Fehler verursacht erhöhte Lieferzeit aufgrund zusätzlicher Analysen, Reparatur und Wiederholtests. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Fehleranzahl im Fertigungsprozess um so höher liegt, je mehr Fehler vom Kunden bei Inbetriebnahme entdeckt werden. Fehler, die der Kunde bei Anlieferung und Erstbetrieb feststellt, gelten als „nicht entdeckte Fehler“ des Fertigungsprozesses. Zur Zeit sind keine Test- und Inspektionsmethoden so effektiv, dass alle Fehler vor Auslieferung erkannt werden können. Die Anfangsausfallhäufigkeit wird im Wesentlichen durch das Auftreten latenter Defekte bestimmt. Letztere sind „Abnormitäten“, welche durch den normalen Gebrauchsstress ausgelöst werden und zu Produktausfällen führen. Auch für latente Defekte gilt, dass sie proportional zu allen Fehlern im Fertigungsprozess sind. Schließlich ist für den Betrieb beim Kunden die Zuverlässigkeit von elektronischen Produkten entscheidend. Dabei gilt, je größer die Designsicherheit (tatsächlich hineinentwickelte Eigenschaften in Relation zu den vom Kunden benötigten Spezifikationen) ist, desto geringer ist die zu erwartende Fehlerhäufigkeit. Bei voll elektronischen Produkten mit besten Designtoleranzen, welche innerhalb der Gerätespezifikationen betrieben werden, geht die Zuverlässigkeit gegen 100 %. Im Ergebnis führt eine Reduzierung der Fehler pro Einheit im Fertigungsprozess zu einer Reduzierung der Durchlaufzeiten, der Lieferverzögerungen und der Ausfallhäufigkeiten. Gleichzeitig erhöht sich die Kundenzufriedenheit durch höhere Produktzuverlässigkeit. Die Wirtschaftlichkeit im Unternehmen steigt aufgrund abnehmender Herstellkosten pro Geräteeinheit. Um die Fertigungsfehler unmittelbar nach Produkteinführung auf Six Sigma Niveau zu reduzieren, setzt Motorola auf ein umfassendes Qualitätsmanagement in der Entwicklungsphase.
516
3
Six Sigma in der Produktentwicklung von Motorola
Management des Qualitätsverbesserungsprozesses in der Entwicklung
Mit Six Sigma geht ein ständiges Messen und Beobachten von Verbesserungsprozessen im Unternehmen einher. Die Ein- und Umsetzung von Six Sigma Tools ist dabei Chefsache und in keinem Fall delegierbar. Entsprechend dem Top-Down Prinzip sind alle Organisationsebenen in den Kontrollprozess der Verbesserungsaktivitäten einzubeziehen. Ein gemeinsames Qualitätsmeßsystem ermöglicht hier die Zusammenfassung der auf verschiedenen Hierarchieebenen erhobenen Daten. Im Rahmen von Six Sigma ergab sich für Motorola die Notwendigkeit, weltweit einheitliche Prozessstandards zu definieren. So existiert für das Controlling des Produktlebenszyklus die sogenannte „M-Gate Richtlinie“. In dieser sind alle geschäftsrelevanten Kontroll- bzw. Entscheidungspunkte verankert, die eine durchgängige Produktüberwachung von der Entwicklung über die Produktion bis zur Wartung erlauben (vgl. Abbildung 1). Marktuntersuchung und -analyse Business Planentwicklung Gate 15 Idee akzeptiert Gate 14 Konzept akzeptiert Gate 13 Lösung ausgewählt
Portfolio Planung
Projekt Definition
Produktion Beginn
Markteinführung und -ende
Gate 12 Portfolio akzeptiert
Gate 10 Projekt beginnt
Gate 6 Entwicklung abgeschlossen
Gate 2 Massenproduktion und Lieferung
Gate 11 Lösung festgelegt
Gate 9 System Anforderungen definiert
Gate 5 System Test abgeschlossen
Gate 1 Produktankündigung akzeptiert
Gate 8 System Anforderungen zugeordnet Gate 7 Pflichtenheft genehmigt
Gate 4 Feldversuche durchgeführt
Gate 0 Ende der Lebenszeit
Gate 3 Fertig zur kontrollierten Einführung
Abbildung 1: M-Gates als Rahmen für Geschäftsentscheidungen bei Motorola
An jedem der in Abbildung 1 eingetragenen „Gates“ wird entschieden, ob die definierten Anforderungen hinreichend erfüllt wurden. Indem sie die Voraussagefähigkeit von Produkt- bzw. Prozessrisiken deutlich erhöhen, bilden die 16 Kontrollpunkte (M-Gates) den Rahmen für Geschäftsentscheidungen. Gleichzeitig ermöglichen M-Gate Messungen, die Verantwortung für die Erfüllung von Prozessschritten zu institutionalisieren. Neben der Feststellung von Erfüllungsgraden sind für den Abschluss eines „Gates“ folgende Regeln zu beachten:
Heinrich Wallechner
517
•
Ein Gate kann nur beendet werden, wenn alle bestehenden Anforderungen erfüllt bzw. alle vorhergehenden Gates vollständig abgeschlossen sind.
•
Die einzelnen Aktivitäten müssen nicht immer in der dargestellten Reihenfolge bearbeitet werden. Die Arbeit an einem bestimmten Gate kann schon vor Abschluss eines vorausgehenden Gates erfolgen.
•
Das Projektteam hat das Risiko zu bewerten bzw. zu tragen, falls Aktivitäten begonnen werden, ohne vorangegangene Gates vollständig abzuschließen.
Das Projekt wird neben den M-Gates auch von einem regelmäßigen Projekt Business Review (PBR) begleitet. Dieser gibt die Bestätigung, dass das Projekt bei jedem Teilschritt die kritischen Erfolgskriterien erfüllt und dem vorgegebenen Eskalationsprozess entspricht. Letzterer stellt sicher, dass bei Abweichungen vom Plan (Ressourcen, Zeit, Kosten, technische Änderungen) das Management unverzüglich informiert wird, um notwendige Entscheidungen zu treffen. Neben dem PBR findet bei Motorola ein entsprechend ISO 9000 gestalteter Reviewprozess statt. Die Ergebnisse dieses „parallelen“ Reviews werden im Rahmen von PBR ausgewertet, um ggf. Aktionspläne zur Produktoptimierung zu erstellen.
4
Praxisbeispiel für die Anwendung von M-Gates
Bei der Entwicklung eines mobilen Funkgeräts (Jeston Type 4) wurde die „MGate Richtlinie“ von Motorola erfolgreich angewendet. Die konsequente Ausrichtung an Planvorgaben, Meilensteinen und Performance-Kennzahlen, insbesondere während der Produktentwicklung, führte zu einem durchschlagenden Erfolg des Geräts am Markt. Zur Projektverfolgung wird ein unternehmensspezifisches Projektmessblatt eingesetzt. Dieses besteht aus den vier Hauptblöcken Allgemeine Projektdaten, Plan-/Ist-Zeitvergleich und -umsetzung, M-Gate Prozessfortschritt sowie Produktmanagementplan mit Produktanforderungen und Projektmeilensteinen (vgl. Abbildung 2). Im ersten Block sind neben dem Projektnamen, der Projektleiter und das Berichtsdatum benannt. Der zweite Block stellt im Hinblick auf den M-Gate Status die geplante der tatsächlich aufgewendeten Zeit gegenüber. Der X factor gibt in diesem Zusammenhang den Effizienzwert zu vergleichbaren Projekten an. Var und Var% sind die absoluten und relativen Abweichungen vom kumulierten Planwert. Die „Planumsetzung” zeigt die entsprechende Abweichung (in Tagen und %) vom letzten M-Gate an.
Abbildung 2: Projektmessblatt für Produktentwicklung „Jeston Type 4“ 100%
9
9
25 230
Produktrahmen (Meilensteine) 20
5
Planumsetzung
M-4
M-3
M-2
0 8 8 100%
-5 10 10 100%
0
3
8
8
17%
1
6
-13
9
-17
10
-21
9
-31
1-Nov-00 17-Dec-00 26-Jan-01
Umsetzung der Meilensteine Geplant (insgesamt) 105 MPI 0.83 Geplant (bis heute) 54 Fertigstellung (%) 43% Ist 45 Vorhersage (insg.) 250
83%
5
6
-6
7-Jan-00 28-Mar-00 6-Sep-00
M-5
Wert -9 -4%
8-Dec-99
M-6
Abweichung (Tage) Abweichung (%)
08. Aug 00
7-Jan-00 22-Mar-00 24-Aug-00 15-Oct-00 26-Nov-00 26-Dec-00
M-7
Var % 0.0% -8.8% -5.2%
Erstellungsdatum:
3-Dec-99
M-8
Var 0 -31 -0.082
Elroy George
@ M7 Hinzugefügt(+) Gelöscht(-) Änderungen
Produktrahmen (Charakteristika)
Produktmanagementplan
100%
2
Erfüllte Anforderungen
Vollständigkeit des Prozesses (%)
2
Anzahl der Anforderungen am Gate
6
20-Oct-99
1-Oct-99 0
Abschluss des Gates: Ist
M-9 26-Oct-99
M-10
Ist 98 385 1.505
Projekt Manager:
1-Oct-99
Plan 98 354 1.636
Abschl. d. Gates: Abweichung(Tage)
365 1.587
Ziel
Jeston Type 4
Abschluss des Gates: Plan
M Gate-Prozess
Zeit Zeit: M10-M7 (Tage) Zeit: M7-M2 (Tage) X-Faktor (M7-M2)
Bezeichnung:
518 Six Sigma in der Produktentwicklung von Motorola
Heinrich Wallechner
519
Der dritte Block stellt die Termine (Plan, Ist) und Terminabweichungen der einzelnen Gates dar. Außerdem werden für jedes M-Gate die Anzahl der bestehenden Anforderungen sowie deren Erfüllungsgrad angegeben. Der vierte Block zeigt schließlich die Anzahl der Produktcharakteristika und der Projektmeilensteine zusammen mit den positiven bzw. negativen Veränderungen. Die Ein- und Umsetzung der im Produktmanagementplan definierten Meilensteine wird im rechten Teil des Blocks verfolgt. Im Rahmen eines Ist-/Soll- bzw. Ist-/Plan-Vergleichs werden als Hauptkennzahlen der Milestone Perfomance Index (MPI) sowie die relative Fertigstellung ermittelt. Die beiden Kurvenverläufe für den Soll- /IstProjektfortschritt sind in Abbildung 3 exemplarisch dargestellt.
120
Abweichung vorhergesagt
Soll Ist
Kumulierte Fertigstellung (%)
100 IstAbweichung
80
60
40
20 M2 De c00 Ja n01 Fe b01
-0 0 Se p00 Oc t-0 0 No v00
-0 0
Au g
Ju l
Ap r-0 0 Ma i-0 0 Ju n00
De c99 Ja n00 Fe b00
M3 Ma r-0 0
M7 0
Abbildung 3: Meilensteinverfolgung im Projekt „Jeston Type 4”
Neben der Verfolgung des Produktentwicklungsprozesses mit Hilfe von M-Gates, besteht bereits bei der Produktdefinition die Anforderung, ein Six Sigma „konformes“ Pflichtenheft herauszugeben. In diesem werden neben den terminlichen und finanziellen Rahmenbedingungen insbesondere die personellen Zuständigkeiten, die technischen Daten sowie die Qualitätsanforderungen geklärt. Darüber hinaus enthält die Hardware-Beschreibung des Funkgeräts Jeston Type 4 detaillierte technische Parameter sowie genaue Anforderungen bezüglich Umweltspezifikationen, Gesetzliche Vorschriften, Lieferfreigabe, Entwicklungsverifizierung und Qualitätsplan. Im Ergebnis konnten die angestrebten Produktspezifikationen vollständig erfüllt werden (vgl. Abbildung 4).
520
Six Sigma in der Produktentwicklung von Motorola
Die nachfolgende Abbildung 4 zeigt die Verifizierung der erreichten (Empfänger-) Daten des Funkgeräts in einem Pilotversuch. Die gemessenen Werte der einzelnen Geräte (Serial No) werden gelistet und dem Sollwert sowie dem oberen und unteren Grenzwert (Limit hi / Limit lo) gegenübergestellt. Dies ist notwendig, da in einigen Fällen technisch nur einseitige Verteilungen möglich sind. Aus dem Mittelwert (X_av) und den Grenzwerten errechnet sich der Cpk-Wert. Da ein Wert von 1,5 dem 6σ-Ziel entspricht, kann für jede Produktcharakteristika das Erreichen von Six Sigma einzeln überprüft werden. Auf dieser Basis können anschließend kontinuierliche Verbesserungsprozesse gezielt einsetzen. Mobile VHF 1-25W Pilot Run RX Analysis 136,425 MHz 25 kHz at 25°C P os S e r ia l N o
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
C2399 C2403 C2359 C2337 C2400 C2391 C2389 C2341 C2368 C2342
X _a v S TD Li m it h i Li m it lo Cp h i C p lo CPK
12 d B S ina d
IM p os. (ETS )
IM ne g . ( ET S )
H a lf IF
Im a ge
uV
dB
dB
dB
IF Re je ct.
Adj. Cha n. A dj.C ha n . Co lo w hig h C ha nn e l dB
dB
dB
Blo ckin g @ 1M Hz
dB
dB
0,22 0,21 0,22 0,22 0,22 0,22 0,23 0,23 0,22 0,22
72,70 73,50 73,00 73,60 72,90 73,10 73,30 75,00 73,30 73,20
74,50 73,50 74,20 73,50 73,10 72,90 73,60 70,60 74,90 74,50
91,50 90,50 89,90 90,20 88,40 87,20 86,60 89,30 88,70 97,20
96, 70 98, 40 99, 70 96, 20 95, 60 96, 80 96, 20 96, 80 100, 80 100, 00
105,50 101,20 102,20 103,70 103,60 105,00 103,70 103,60 103,00 101,80
85,00 85,20 85,40 85,00 84,80 84,80 84,80 84,60 85,10 84,90
86,00 86,00 85,50 85,90 85,60 85,30 85,20 85,10 85,70 85,60
-2, 40 -1, 90 -1, 90 -2, 20 -2, 70 -2, 70 -2, 60 -2, 80 -2, 00 -2, 60
102,00 102,40 102,00 102,20 102,10 102,10 102,00 101,90 102,20 102,20
dB
0,22 0,00 0,30 -999,00 5,78 72.953,32 5,78
73,36 0,64 999,00 65,00 484,90 4,38 4,38
73,53 1,22 999,00 65,00 253,00 2,33 2,33
89,95 2,95 999,00 70,00 102,60 2,25 2,25
97, 72 1, 85 999, 00 70, 00 162, 09 4, 99 4, 99
103,33 1,34 999,00 70,00 222,66 8,29 8,29
84,96 0,23 999,00 70,00 1.313,84 21,50 21,50
85,59 0,32 999,00 70,00 947,67 16,17 16,17
-2, 38 0, 35 999, 00 -8, 00 947, 91 5, 32 5, 32
102,11 0,14 999,00 84,00 2.063,04 41,66 41,66
Abbildung 4: Pilotversuch mit RX-Analyse (136,425 MHz) für Empfängerdaten
5
Zusammenfassung
Das Streben nach Perfektion setzt den Willen zur ständigen Verbesserung von der Entwicklung bis zur Produktion voraus. Nur die Top-Down Verpflichtung des Managements und aller Beteiligten führt ein Unternehmen zur nachhaltigen Qualitätssteigerung. Um Kundenerwartungen zu erfüllen und ggf. zu übertreffen, sind geeignete Qualitätssicherungsmechanismen frühzeitig zu ergreifen. Diese umfassen sowohl die Anwendung von Six Sigma Werkzeugen als auch den Einsatz von Audit-Mechanismen im Rahmen von Meilenstein-Konzepten. Neben der Optimierung des Pflichtenhefts erfolgt bei Motorola die Definition sogenannter M-Gates, um den Qualitätsverbesserungsprozess bereits zu Beginn
Heinrich Wallechner
521
des Produktlebenszyklus sicherzustellen. M-Gate Messungen ermöglichen es insbesondere, die Verantwortung für die Erfüllung von Kundenanforderungen zu institutionalisieren. Weiterhin stellen sie sicher, dass die geforderten Produkt- und Prozessspezifikationen bereits im Entwicklungsprozess eingehalten werden. Die konsequente Entwicklungsverifizierung und -validierung von geforderten Parametern stellt eine erfolgreiche Einführung sowie kostengünstige Wartung des Produktes über den gesamten Produktlebenszyklus sicher.
Positive Erfahrungen bei der Six Sigma Einführung und Projektumsetzung bei Whirlpool Europe Eike Dorff, Armin Töpfer
Inhalt 1 2 3 4
1
Fünfjährige Six Sigma Aktivitäten bei Whirlpool Europe.........................................522 Auswahl und Training von Six Sigma Kandidaten....................................................524 Schlüsselfaktoren für den Six Sigma Projekterfolg ...................................................526 Projektbeispiel zur erfolgreichen Anwendung von DMAIC......................................528
Fünfjährige Six Sigma Aktivitäten bei Whirlpool Europe
Whirlpool Europe ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Whirlpool Corporation in Benton Harbor, Michigan (USA). Die Whirlpool Corporation ist der weltweit größte Hersteller von Haushaltsgeräten und beschäftigt derzeit rund 60.000 Mitarbeiter. Das Tochterunternehmen Whirlpool Europe ist mit einem Jahresumsatz von über € 2 Mrd. und ca. 12.000 Beschäftigten hauptsächlich in Deutschland und Italien vertreten. Das Kerngeschäft der 11 Standorte in sechs europäischen Ländern umfasst die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb von Haushaltsgeräten in Europa. Die Produkte werden unter den Markennamen Bauknecht, Whirlpool und Ignis geführt und vertrieben (Stand: Dezember 2001). Die Six Sigma Initiative wurde im Jahr 1996 bei der Whirlpool Corporation in den USA ins Leben gerufen. Wie auch in anderen Unternehmen bestand das Ziel der Initiative in einer deutlichen Verbesserung der Produktqualität bei gleichzeitiger Reduzierung der Herstellkosten. Um insbesondere im internationalen Wettbewerb langfristig erfolgreich zu bestehen, sollten alle Produkte und Prozesse systematisch optimiert werden. Nach den ersten Six Sigma Erfahrungen im Mutterkonzern 1996 führte Whirlpool im Jahr 1997 die ersten Management-Workshops in Europa durch. An den sogenannten „Start-Up-Trainings“ nahmen alle Vice Presidents und Direktoren des technischen Bereichs (Entwicklung, Produktion und Einkauf) teil. Wie in Abbildung 1 zu sehen, starteten im gleichen Zeitraum die ersten Black Belts Trainings in Deutschland und Italien. Nach einjähriger Ausbildungszeit war die erste Gruppe von Black Belts im April 1998 für die selbstständige Durchführung von Six Sigma Projekten zertifiziert. Nach weiteren 10 Monaten nahmen die ersten Master Black Belts ihre Zertifizierung bei Whirlpool Europe entgegen.
Eike Dorff, Armin Töpfer
523
Gesamte Einführungsdauer ca. 2 Jahre Startphase ca. 1 Jahr
1997
1998
1999
J FMAM J J A S ON D J F MAM J J A S ON D J F MAM J J A S OND Erste MBB-Zertifizierung Start der Six Sigma Initiative Start von Management-Workshops Start des Black Belt Trainings
Start des Green Belt Trainings Autarke Durchführung von BB Trainings Erste Gruppe ist BB-zertifiziert
Abbildung 1: Meilensteine der Six Sigma Einführung bei Whirlpool Europe
Six Sigma Schulungen (insbesondere die „Greenbelt“ Trainings) finden seit Oktober 1998 hauptsächlich in den Bereichen Einkauf, Produktentwicklung und Fertigung sowie in zentralen Zulieferbetrieben statt. Die Einleitung von Schulungsmaßnahmen sowie die Gesamtführung des Six Sigma Programms unterliegt dem Vice President für „Produktion & Technologie“. Neben diesem Executive Sponsorship an oberster Stelle existieren in der Six Sigma Organisation von Whirlpool Europe eine Reihe von Verantwortlichkeiten und Hierarchieebenen. Den Kern der Organisation bilden zweifellos die Black Belts, die als Leiter von Projektteams in verschiedenen Unternehmensbereichen Six Sigma Projekte durchführen und Maßnahmen umsetzen. Sie bekommen dabei aktive Unterstützung von den Projektbzw. Prozesseignern (Champions) sowie den Master Black Belts. Die primäre Aufgabe der Champions besteht darin, unter Berücksichtigung der bestehenden Ressourcen (z.B. personelle und finanzielle Mittel) geeignete Projekte zu bestimmen. Im Rahmen der Organisationsentwicklung gilt es, insbesondere „Ressourcenkonflikte“ in Verbindung mit bereits laufenden Six Sigma Projekten zu vermeiden. Die Master Black Belts fungieren in erster Linie als Lehrer und Mentor und unterstützen dabei die Projektteams in der optimalen Anwendung von Six Sigma Werkzeuge. Außerdem leiten sie strategische Projekte auf europäischer, meist Standort übergreifender Ebene. Bei Whirlpool Europe wird zwischen den sogenannten „Site Coordinators“ und den Mitgliedern des „Core Teams“ unterschieden (vgl. Abbildung 2). Während der Aufgabenschwerpunkt des Core Teams in der Trainingsdurchführung und dem praxisorientierten Ausbau der Schulungsinhalte liegt, besteht die Funktion der Site Coordinators in der standortbezogenen Betreuung der Black und Green Belts. Außerdem werden die Mitglieder dieses Teams als bereichsspezifische Projektleiter sowie als Trainer von Green Belt Gruppen vor Ort eingesetzt.
524
Positive Erfahrungen bei der Six Sigma Einführung und Projektumsetzung
BB BB
GB
Trento Schorndorf
Norrkoeping
BB
MBB
BB
Neunkirchen BB Cassinetta
BB
MBB Core Team 4 people
Poprad
Amiens Siena Lieferanten
Naples
MBB Site Coordinator
Abbildung 2: Verteilung der Master Black Belts bei Whirlpool Europe
2
Auswahl und Training von Six Sigma Kandidaten
Die Rekrutierung und Schulung geeigneter Mitarbeiter bildet in jedem Unternehmen einen zentralen Aspekt bei der Umsetzung von Six Sigma. Im Folgenden sollen die wesentlichen Kriterien bei der Auswahl und dem Training von Champions, Master Black Belts, Black Belts und Green Belts bei Whirlpool Europe erläutert werden. Mit der Funktion eines Champions werden meist Führungskräfte mit einer fundierten und langjährigen Erfahrung im Projektmanagement betraut. Zu den Auswahlkriterien gehört u.a. der Nachweis über das erfolgreiche Absolvieren eines Six Sigma Managementtrainings, in dessen Rahmen den zukünftigen Champions ein Überblick über die Six Sigma Methoden und Werkzeuge vermittelt wird. Neben der praktischen Anwendung einzelner Werkzeuge wird in dem 3,5-tägigen Managementtraining besonderer Wert auf die Führung und Motivation von Projektmitarbeitern, insb. Black und Green Belts, gelegt. Bis Ende 2001 sind bei Whirlpool Europe bereits über 350 Führungskräfte ausgebildet worden. Außerdem wurden etwa 40 Champions in wichtigen Zulieferbetrieben ausgebildet, um die wichtige Schnittstelle der Zulieferteile zu optimieren. Die Master Black Belt Kandidaten werden vom Core Team aus der Gruppe bereits zertifizierter Black Belts ausgesucht. Sie zeichnen sich durch besondere Führungsqualitäten, insbesondere in Bezug auf Kommunikations- und Teamfähigkeit, aus und werden deshalb bei Whirlpool als sogenannte „High Potentials“ geführt.
Eike Dorff, Armin Töpfer
525
Die Ausbildung zum Master Black Belt ist kein „Standardpaket“, sondern umfasst eine auf die jeweiligen Kandidaten zugeschnittene Weiterbildung. Die Ausbildung kann frühestens nach der Black Belt Zertifizierung beginnen und dauert etwa 12 bis 18 Monate. Die Schulungen beinhalten eine ausführliche Wissensvermittlung auf den Gebieten Projektmanagement, Controlling, Personalführung und Statistik. Als Voraussetzungen für die Zertifizierung zum Master Black Belt zählen sowohl der erfolgreiche Abschluss des Black Belt Trainings als auch die erfolgreiche Durchführung mindestens eines strategischen Projekts. In den Reihen von Whirlpool Europe befinden sich mittlerweile mehr als zehn Master Black Belts. Wichtig ist auch die Rolle des Master Blackbelts für Lieferanten, die es ermöglicht, dass Lieferanten einen zentralen Ansprechpartner in Sachen Six Sigma Projekten haben. Die wichtigsten Voraussetzungen für die Tätigkeit als Black Belt sind „Teamfähigkeit“ und „Eigeninitiative“, d.h. Black Belts müssen sich selbst und alle Teammitglieder zur Erreichung der vom Management erwarteten Ergebnisse motivieren können. Gleichzeitig gelten Six Sigma spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, z.B. in Mathematik und Statistik, nicht als k.o.-Kriterien bei der Auswahl geeigneter Black Belt Kandidaten. Die Black Belt Trainings werden von den Master Black Belts aus dem Core Team vorbereitet und durchgeführt. Der Zeitraum der Ausbildung beträgt vier Monate und umfasst monatlich eine Woche Schulung sowie drei Wochen Projektarbeit. In den insgesamt vier Schulungswochen werden den Teilnehmern die Grundzüge des DMAIC-Zyklus und verschiedene Projektmanagement- und Statistikwerkzeuge nahe gebracht. Zwischen den Schulungswochen arbeiten die Black Belt Kandidaten in ausgewählten Six Sigma Projekten, deren Ergebnisse während der Schulungszeit regelmäßig zu präsentieren sind. Die Ausbildung endet nach 9 bis 12 Monaten mit der Black Belt Zertifizierung, die dem Kandidaten umfangreiche Six Sigma Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt. Whirlpool Europe beschäftigt derzeit über 200 Black Belts. Außerdem wurden 20 Black Belts bei Lieferanten ausgebildet, die an Projekten mit Whirlpool Europe arbeiten. Wie in anderen Unternehmen bildet eine steigende Anzahl von Green Belts das eigentliche Rückgrad der Six Sigma Organisation bei Whirlpool Europe. Die Green Belts beschäftigen sich im Rahmen von kontinuierlichen Qualitätsverbesserungsprozessen mit der praktischen Anwendung von Six Sigma Werkzeugen im Unternehmen. Als aktive Mitarbeiter in Six Sigma Projekten unterstehen sie der Anleitung zertifizierter Black Belts. Die Green Belt Ausbildung in den Entwicklungs- und Produktionsbereichen dauert drei Tage. Die Kernpunkte des Trainings sind das Erlernen einer gemeinsamen „Six Sigma Sprache“ sowie das allgemeine Verständnis für Projektmanagement-Methoden. Die Vermittlung von mathematisch-statistischen Kenntnissen beschränkt sich hingegen auf den praxisbezogenen Einsatz von einfacheren Statistik-Werkzeugen. Grundsätzlich steht beim Green Belt Training von Whirlpool die Frage nach dem „Warum?“ statt nach
526
Positive Erfahrungen bei der Six Sigma Einführung und Projektumsetzung
dem „Wie?“ im Vordergrund. Allein in Europa befanden sich im Jahr 2001 ca. 300 Green Belts (davon 25 in Zulieferunternehmen) im Einsatz.
3
Schlüsselfaktoren für den Six Sigma Projekterfolg
In diesem Abschnitt sollen die wichtigsten Faktoren für den Erfolg der Six Sigma Initiative bei Whirlpool Europe reflektiert werden. Neben der Auswahl geeigneter Projekte gehören dazu u.a. die Unterstützung des Top-Managements und der Einsatz von Six Sigma Methoden in der gesamten Wertschöpfungskette. In Abbildung 3 sind die generellen Erfolgsfaktoren bei der Einführung von Six Sigma in Unternehmen in absteigender Reihenfolge dargestellt. Die Ergebnisse einer Befragung der Champions stimmen grundsätzlich mit den Six Sigma Erfahrungen bei Whirlpool überein.
93%
Unterstützung durch das Top-Management 76%
Eindeutige Messbarkeit der Ergebnisse Verknüpfung mit den strategischen Gesamtzielen des Unternehmens Umfassende Six Sigma Trainings in allen Unternehmensbereichen
70% 48%
Eindeutige Festlegung von Umfang und Zielen der Initiative Einsatz von Six Sigma Methoden in der gesamten Wertschöpfungskette
37% 26% 22%
Change-Management Erfahrungen Internes Marketing und Kommunikation der Six Sigma Initiative
17%
Unterstützung durch externe Berater
7%
Rekrutierung von erfahrenen Six Sigma Spezialisten
7%
Quelle: Studie zur Einführung von Six Sigma, Cambridge Management Consulting, Mai 2000
Abbildung 3: Wichtigkeit von Faktoren bei der Einführung von Six Sigma
Die Six Sigma Projekte werden bei Whirlpool Europe auf oberster Unternehmensebene geplant, um sie anschließend sukzessive in Teilprojekten auf operativer Ebene umzusetzen. Um Probleme einzeln definieren und Lösungsansätze gezielt erarbeiten zu können, werden die strategischen Unternehmensziele bis auf Prozessebene „heruntergebrochen“. Wichtige Voraussetzung für den Start von Six Sigma Projekten ist der Nachweis eines großen Verbesserungspotenzials in Bezug auf Qualität, Produktivität und Net Benefit. Gleichzeitig sollte ein möglichst hoher Nutzen für interne und externe Kunden in Aussicht stehen. Zu Beginn fokussierten die meisten Six Sigma Projekte im Unternehmen auf ständig wiederkehrende,
Eike Dorff, Armin Töpfer
527
chronische Probleme, die mit Hilfe „traditioneller“ Verbesserungsmaßnahmen bisher nicht zufriedenstellend gelöst werden konnten. Zunehmend fließen Erfahrungen mit Kunden in die Auswahl der möglichen Projekte ein. Die aktive Einbindung von Führungskräften (Management Commitment) stellte sich als weitere wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung von Six Sigma Aktivitäten heraus. Whirlpool Europe legte von Anfang an besonderen Wert auf die Einbindung aller Managementebenen und platzierte deshalb die Management-Workshops bzw. -Trainings in der entsprechenden zeitlichen Reihenfolge. Auch erwies sich die Unterstützung durch einen externen Berater im Einführungszeitraum bis zur Berufung der ersten Master Black Belts als vorteilhaft. Trotz einiger Anfangsschwierigkeiten konnte das Ziel, eine funktionsfähige Six Sigma Organisation innerhalb von zwei Jahren zu etablieren, bis Anfang 1999 erreicht werden. Um einen kurzfristig hohen Verbreitungs- und Wirkungsgrad zu erzielen, ist es aus Sicht von Whirlpool Europe unausweichlich, die rechtzeitige Information aller Mitarbeiter des Unternehmens sicherzustellen. Gleichzeitig sollte auf eine schnelle Umsetzung und Wirksamkeit der ersten Six Sigma Projekte geachtet werden („Quick-Wins“), da hiermit eine nachhaltige Motivation der Mitarbeiter und des Managements einhergeht. Nach mehrjähriger Durchführung von Six Sigma Projekten liegt der Schwerpunkt der Six Sigma Aktivitäten im Unternehmen heute auf der Erhöhung der Kundenzufriedenheit anstelle der Frage nach der Höhe der Kostenreduzierung. Das vornehmliche Ziel von Whirlpool Europe ist es, dass die Kundenanforderungen bereits im Entwicklungsprozess bestmöglich berücksichtigt werden. Aus diesem Grund müssen alle Mitarbeiter, die an strategischen Entwicklungsprojekten beteiligt sind, mit den Prinzipien und Elementen des Design for Six Sigma (DFSS) umfassend vertraut sein. Diese Methodik hat das Ziel, Produkte so zu entwickeln, dass in der Produktion praktisch keine Fehler mehr auftreten können. Dabei hat sich nicht nur im Entwicklungsbereich das Denken und Handeln der Mitarbeiter nachhaltig verändert. Vor allem durch die zunehmende Anwendung der Six Sigma Methoden im „täglichen Arbeitsleben“, außerhalb der Projekte, fand eine Six Sigma orientierte Ausrichtung der gesamten Organisation statt. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass eine stetige Sensibilisierung der Mitarbeiter erfolgen sollte. So finden bei Whirlpool in regelmäßigen Abständen sogenannte „Update-Trainings“ für Mitarbeiter statt, die nur selten in Six Sigma Projekten eingebunden sind. Ein weiterer positiver Aspekt, der sich vor allem im Zusammenhang mit den Mitarbeiterschulungen ergeben hat, ist die zunehmende faktenbezogene Problemlösung im Unternehmen. Das heißt, die emotionale Betrachtung von Problem- und Schwachstellen tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Der Problemlösungsprozess hat sich von der Mitarbeiterdebatte über das Auffinden Schuldiger und deren Fehler zu einer „Lösungsfindungsrunde“ auf Basis von zuvor ermittelten (Prozess)Daten gewandelt. Durch die intensive Einbindung der Lieferanten in die Six Sigma Projektarbeit und Ausbildung hat sich zudem die Zusammenarbeit auf der
528
Positive Erfahrungen bei der Six Sigma Einführung und Projektumsetzung
Ebene „Entwicklung & Produktion“ deutlich verbessert. Im Hinblick auf diese und andere Schnittstellenoptimierungen hat Whirlpool Europe Ende 1999 seine Six Sigma Organisation noch einmal erweitert. Zum Beispiel wurden zur Unterstützung, Betreuung und Schulung von standortgebundenen Projektteams die bereits erwähnten Site Coordinators etabliert. In den vergangenen fünf Jahren gelang es Whirlpool Europe, mit Hilfe von Six Sigma hohe finanzielle Ergebnisse zu erzielen. Das überschlägige Kosten-NutzenVerhältnis bei Six Sigma Projekten beträgt heute 1 zu 4, d.h. für jeden investierten Euro bekommt das Unternehmen vier Euro zurück. Der Nutzen von Six Sigma Projekten äußert sich sowohl in Kosteneinsparungen als auch Umsatzsteigerungen. Beide liegen im Vergleich zu anderen Six Sigma Unternehmen in dem zu erwartenden „normalen“ Bereich.
4
Projektbeispiel zur erfolgreichen Anwendung von DMAIC
Whirlpool Europe kann heute auf eine Reihe erfolgreich durchgeführter Six Sigma Projekte in verschiedenen Unternehmensbereichen zurückblicken. In Abbildung 4 ist eine typische Problemstellung aus der zentralen Produktentwicklung bei Whirlpool Italien dargestellt. Die Abbildung zeigt das Prinzip der Brennerzündung in Gasherden, das im Rahmen einer Kundenbefragung und Reklamationsstatistik als kritisches Qualitätsmerkmal eingestuft wurde. Im Hinblick auf die Optimierung des Zündverhaltens von Brenneraufsätzen ergab sich bei internen Qualitätsuntersuchungen folgender Schwachpunkt bzw. folgendes Fehlverhalten: Bei „Starlight Gasherden“ wird das einströmende Gas nicht immer zuverlässig gezündet, sondern erst nach mehrmaligen Betätigen des Startknopfes. 1. Brenneraufsatz
2. Brennkörper
kritischer Funkenspalt 4. Zündkerze
Gas + Luft
5. Befestigung 3. Brennerkelch
Abbildung 4: Prinzip der Gaszündung in Brenneraufsätzen bei Herden
Eike Dorff, Armin Töpfer
529
Zur Behebung des Problems wurde ein Six Sigma Projekt gestartet und dabei entsprechend dem einschlägig bekannten DMAIC-Zyklus vorgegangen. Zunächst wurden mit Hilfe eines Ishikawa-Diagramms die wichtigsten Faktoren zum Auslösen des elektrischen Zündfunkens bestimmt. In diesem Zusammenhang ließen sich zwei Arten von Einflussfaktoren differenzieren. Unterschieden werden Stellgrößen, welche die Entwicklung direkt beeinflussen kann (z.B. Frequenz der Zündbox), sowie Störgrößen, die sich in Verbindung mit den Arbeitsbedingungen beim Kunden ergeben (z.B. Topf auf Herd). Im Rahmen einer ersten Untersuchungsreihe konnte festgestellt werden, dass das Problem speziell bei guss-eisernen Gasbrennern in der kleinsten Bauart auftrat. Deshalb wurde das Verbesserungsprojekt für diese Bauform weiter konkretisiert. Insbesondere wurde mit Hilfe eines Design of Experiments (DOE) der Einfluss bestimmter Designgrößen (hier: Funkenspalt des Brenners, Kapazität und Frequenz des Zünders) und Störgrößen (Gasgruppe und -konzentration sowie Brennertemperatur und Topf/Gefäß) systematisch untersucht (vgl. auch Abbildung 5). Da jeder Versuch zehnmal wiederholt werden musste, betrug der Testumfang 1.280 Experimente. Als zu optimierende Zielgröße wurde die Anzahl der Zündversuche, bis das Gas brennt, definiert. Es musste eine robuste Kombination von Arbeitsbedingungen geschaffen werden, damit der Einfluss der Störgrößen minimiert wird. Das heißt, es wurde eine Kombination der Stellgrößen gesucht, die die Einflüsse der Störgrößen aus dem System „nimmt“. Zum Beispiel ist es dann unerheblich, ob der Brenner kalt oder warm ist bzw. ob ein Topf auf dem Herd steht oder nicht. Test-Bedingungen (Designgrößen) Faktoren
Stufen
o Brennertyp
Gusseisen
o Brennergröße
Groß
Aluminium Mittel
Klein
Groß
o Brennerspalt
Groß
Klein
o Zünderkapazität o Zündfrequenz
Hoch Hoch
Gering Gering
Mittel
Klein
Test-Bedingungen (Störgrößen) Faktor
Stufen
o Gasgruppe
G20
G25
o Gaskonzentration
Normal
Maximal
o Brennertemperatur
Kalt
Heiß
o Gefäß/Topf
Ohne
Mit
Designgrößen Störgrößen
Design = 2*2*2 * 2*2*2*2*10 = 1280 Tests
Abbildung 5: Design- und Störgrößen beim Design of Experiments (DOE)
530
Positive Erfahrungen bei der Six Sigma Einführung und Projektumsetzung
Diese Untersuchung wurde zum Modell einer Reihe von Experimenten, die sicherstellen, dass „normales“ Kundenverhalten das Resultat nicht beeinflusst. Das ist mit vollständiger Kundenzufriedenheit gemeint. Interessant ist an diesem Projekt außerdem, dass die Motivation zur Durchführung keine Kosteneinsparung war, sondern die Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Im Ergebnis konnte den beiden Einflussfaktoren, Brennerspalt und Zündfrequenz, das höchste Optimierungspotenzial zugeordnet werden. Um ein konstant gutes Zündverhalten sicherzustellen, wurden die Erkenntnisse in der Starlight-Serie zügig umgesetzt. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind keine weiteren Kundenreklamationen bei Whirlpool bezüglich des Zündsystems von Gasherden eingegangen. Dieses Projekt steht exemplarisch für die Vielzahl von Six Sigma Projekten, die mit Hilfe der DMAIC-Methodik erfolgreich durchgeführt wurden.
Best Practice mit Six Sigma in einem mittelständischen Unternehmen Wolfgang Kraßnitzer
Inhalt 1
2 3
4 5 6
1
Six Sigma Verständnis bei PVT ................................................................................531 Vorgehensweise zur Implementierung ......................................................................532 Ausbildung von Green und Black Belts.....................................................................533 Organisation und Ablauf der Six Sigma Projekte ......................................................534 Projektbeispiel – Optimierung der Lackieranlage......................................................535 Ergebnisse und Ausblick ...........................................................................................537
Six Sigma Verständnis bei PVT
Als ein mittelständisches Unternehmen zur Kunststoffbearbeitung hat sich die Plastverarbeitung Thüringen GmbH (PVT) im Jahr 2000 entschieden, Six Sigma als eine ganzheitliche Geschäftsphilosophie und -strategie einzuführen. Die Gründe hierfür lagen insbesondere in den vielfältigen Six Sigma Werkzeugen und Methoden, die eine strukturierte Vorgehensweise zur sachlich-objektiven Entscheidungsfindung erlauben. Six Sigma unterstützt darüber hinaus die kontinuierliche Verbesserung aller Prozesse im Unternehmen, d.h. angefangen von Produktionsüber Logistik- bis hin zu Verwaltungsprozessen. In diesem Zusammenhang werden die Prozessfähigkeit anhand statistischer Maßzahlen kontinuierlich überwacht sowie die mitarbeiterbezogenen Stärken und Schwächen sichtbar gemacht. „Six Sigma bedeutet, 99 % Gutteile sind nicht gut genug.“ Vielmehr lautet das Ziel von Six Sigma, eine langfristige Fehlerquote von nur 3,4 Fehler pro Million Fehlermöglichkeiten bzw. 99,9997 % Gutteile zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist das gesamte Unternehmen kundenbezogen auszurichten, um dem enormen Qualitätsanspruch von der Entwicklung bis zum Absatz umfassend gerecht zu werden. Neben der genauen Spezifikation von Kundenanforderungen sowie der Gewährleistung der Prozessfähigkeit gilt es weiterhin die Komplexität der Produkte zu reduzieren bzw. zu optimieren. Im Rahmen des Six Sigma Ansatzes wurden die drei Steuerungsgrößen – Prozessfähigkeit, Komplexität und Kundenanforderung – in Form eines magischen Dreiecks zusammengeführt (vgl. Abbildung 1).
532
Best Practice mit Six Sigma in einem mittelständischen Unternehmen
Komplexität
Proaktiver Ansatz bei PVT für neue Produkte und Prozesse Fokus der meisten Anwendungs- und Trainingsprogramme
Prozessfähigkeit
Kundenanforderung
Abbildung 1: 3-dimensionaler Six Sigma Ansatz bei PVT
2
Vorgehensweise zur Implementierung
Als neu gegründetes Unternehmen im Automobilzulieferbereich (Innenausstattung) hatte die PVT im Jahr 2000 zunächst die Start-Up Phase erfolgreich zu bewältigen. In diesem Zusammenhang standen vor allem Aktivitäten zur Qualifizierung als Lieferant nach ISO 9000 (später TS 16949) im Vordergrund. Aus diesem Grund wurde gemeinsam mit der Geschäftsführung entschieden, eine Unternehmensberatung mit der Schulung von Six Sigma Arbeitsweisen und -methoden in der Führungsmannschaft zu beauftragen. Neben dem Erlernen und dem Anwenden von Basiswerkzeugen, standen als wichtige Anforderungspunkte das Erlangen von Kosteneffizienz, Prozessfähigkeit, Flexibilität, Kundenzufriedenheit sowie Mitarbeiterentwicklung und -zufriedenheit im Mittelpunkt. Die Geschäftsleitung entschied dabei bewusst, dass die Führungskräfte während der Arbeitszeit die Ausbildung erhalten und gleichzeitig mit der Projektarbeit beginnen. In einem ersten Schritt wurden zunächst 10 % der Belegschaft als Black Belts und Green Belts ausgebildet. Die Führungskräfte brachten sich dabei nicht nur als Vorbild und Vorreiter, sondern auch als Coach, Motivator und Trainer für die Green Belts ein. In einem zweiten Schritt erhielten dann über eine Zeitdauer von
Wolfgang Kraßnitzer
533
zwei Jahren insgesamt 30 % der Mitarbeiter eine Six Sigma Ausbildung. Die ausdrückliche Empfehlung der Unternehmensberatung sah für die gemeinsame Sprache und Arbeitsweise von Six Sigma eine sehr „breite Basis“ als Schlüssel zum Erfolg. Aus diesem Grund spaltet sich die Implementierung in zwei Blöcke: a)
Ausbildung, Training und Coaching
b) Projektarbeit.
3
Ausbildung von Green und Black Belts
Die Festlegung der Projekte und Auswahl der Black und Green Belt Kandidaten erfolgte anhand des von Hoshin geprägten Auswahlprozesses. Dabei wurden die strategisch wichtigsten Umsetzungslinien und -potenziale („Business Needs“) zuerst definiert und umgesetzt. Weiterhin sind Mitarbeiter mit operativer Verantwortung und hohem Entwicklungspotenzial bevorzugt auszuwählen. Nach der Aufnahme des Six Sigma Programms bei PVT wurde im ersten halben Jahr mit der Ausbildung von Black Belts begonnen. Die Ziele der Schulungen und damit Anforderungen der Black Belts lauteten wie folgt: •
Bearbeitung von Projekten mit hoher Komplexität und hohem Potenzial
•
Durchführung bereichsübergreifender Projekte mit Kundenbezug
•
Projektbearbeitung mit Hilfe weiterführender Six Sigma Tools.
Während des ersten halben Jahres begannen die Black Belts bereits mit der Ausbildung von Green Belts. Damit waren innerhalb eines Jahres ca. 50 Mitarbeiter (20 % der Belegschaft) mit den Methoden und der Philosophie von Six Sigma vertraut. Die Green Belts sollten nach ihrem Training u.a. folgende Problemstellungen selbstständig lösen können: •
Bearbeitung von überschaubaren Projekten mittleren Potenzials
•
Durchführung von Projekten mit geringer Komplexität
•
Projektbearbeitung mit Hilfe von Six Sigma Basistools.
Ein typisches Projektbeispiel für die Bearbeitung durch Green Belts ist die Verbrauchsoptimierung von Eingangsstoffen wie z.B. Kleber, Lacke oder Verpackung. Demgegenüber gelten z.B. der Einsatz von Recyclingstoffen für hochwertige Produkte oder die Materialänderung anhand spezifischer Kundenanforderungen als anspruchsvolle Projekte unter Führung von Black Belts. In der folgenden Abbildung sind die Anforderungen bzw. Kennzeichen der Green Belts, Black Belts und Champions als tragende Säulen der Six Sigma Kultur aufgeführt.
534
Best Practice mit Six Sigma in einem mittelständischen Unternehmen
Six Sigma Kultur Green Belts  Systematische Problemlösung  DMAIC  Statistische Grundlagen  SPC  Quality First  Shainin Grundlagen  Six Sigma Grundlagen  Grundlagen/ Auswertung
Black Belts
Champion
 Green Belt Wissen
 Black Belt Wissen
 Statistische Expertise
 Programm-Management
 DOE/ Shainin
 Ressourcenmanagement
 Methodische Expertise
 Entscheider
 Trainerkompetenz  Projektmanagment  DFSS Expertise  HP Work Organisation  Treiber für Change  Minitab-Kenntnisse
Six Sigma Bewusstsein bei allen Mitarbeitern
Abbildung 2: Die drei tragenden Säulen der Six Sigma Kultur
4
Organisation und Ablauf der Six Sigma Projekte
Im Rahmen des Six Sigma Programms wurde jeder Führungskraft und jedem Mitarbeiter ein bestimmtes Six Sigma Projekt zugeordnet. Ein Projektorganigramm stellte dazu die Aufgaben und Aktivitäten der einzelnen Green und Black Belts in Zusammenhang. Mit dem Organisationscontrolling und der Durchführung der Six Sigma Projekte wurde jeweils ein Champion beauftragt. Dieser stellt die Zielerreichung und die Verbesserungsaktivitäten projektbezogen sicher. Zur Messung des Projektfortschritts fanden entsprechend dem SRP (Saving Realisation Plan) und dem SIS (System Installation Status) wöchentliche Reviews statt. Damit war der qualitative und quantitative Projektfortschritt im Unternehmensnetzwerk transparent nachvollziehbar. Weiterhin konnten Defizite in der Effektivität der Projektarbeit durch gezielte Nachschulungen und Coachings schnell beseitigt werden. Zum Beispiel zeigte sich ein erheblicher Nachschulungsbedarf bei der Anwendung von statistischen Methoden. Als Voraussetzung zur konsequenten Anwendung von Six Sigma Werkzeugen ist vor allem eine hohe Disziplin sowie die engagierte Mitarbeit aller Beteiligten gefragt. Zur einheitlichen Umsetzung der Six
Wolfgang Kraßnitzer
535
Sigma Philosophie im Unternehmen wurde deshalb ein 6-Stufen Ablaufplan – getrennt nach den Bereichen Entwicklung/Produktion und Administrative Prozesse – festgelegt (vgl. Abbildung 3). Entwicklung/ Produktion 1 Identifizieren Sie physische und funktionale Anforderungen des Kunden. 2 Bestimmen Sie die kritischen Produktmerkmale. 3 Bestimmen Sie für jede Charakteristik, ob diese durch das Material, den Herstellungsprozess oder beides bestimmt wird. 4 Bestimmen Sie die maximale Bandbreite (obere und untere Spezifikationsgrenze) jeden dieser Merkmale. 5 Bestimmen Sie die Prozessvariation jedes Merkmals. 6 Wenn der Sigma Level < 6σ beträgt, dann verändern Sie das Material, das Produkt oder den Prozess.
Administrative Prozesse 1 Identifizieren Sie die von Ihnen geleistete Arbeit. 2 Identifizieren Sie Ihre Kunden und stellen Sie fest, welcher Leistung es bedarf, sie zufrieden zu stellen. 3 Was benötigen Sie, um Ihre Arbeit ausführen zu können und von wem (Ihren Lieferanten). 4 Identifizieren und bewerten Sie Ihre Werkzeuge und Verfahren, die Sie bei Ihrer Arbeit anwenden. 5 Sichern Sie das Verfahren gegen Fehler ab und stellen Sie Verzögerungen ab. 6 Richten Sie Qualitäts- und Durchlaufzeit-Messungen sowie Verbesserungsziele ein.
Abbildung 3: 6 Schritte zur Anwendung von Six Sigma Tools
5
Projektbeispiel – Optimierung der Lackieranlage
Im Rahmen der Neuinstallation einer Lackieranlage wurde zur deutlichen Steigerung der Overall Equipment Efficency (OEE) ein Six Sigma Projekt gestartet. Der OEE-Faktor spiegelt die Kapazität der Lackiererei wider und ergibt sich als Produkt aus der Anlagenverfügbarkeit V, dem Leistungsgrad L und der Qualitätsrate Q. Als Vorgehensweise zur Optimierung wurde die DMAIC-Methode gewählt: •
Definition aller kapazitätsrelevanten Kennzahlen
•
Messung potentieller Ursachen (Ishikawa-Diagramm)
•
Analyse der Messdaten (Pareto- und Varianzanalyse)
•
Implementierung ermittelter Lösungsansätze
•
Kontrolle der Verbesserungsmaßnahmen (Statusanalyse).
536
Best Practice mit Six Sigma in einem mittelständischen Unternehmen
Nach der Definition zentraler Kenngrößen (OEE = V ⋅ L ⋅ Q) wurden mittels der Ishikawa-Methode die potentiellen Ursachen differenziert analysiert (vgl. Abb. 4). Dabei konnten den vier Haupteinflussfaktoren Maschine, Mensch, Methode und Material i.d.R. vier bis fünf Nebeneinflussfaktoren zugeordnet werden. Mensch
Maschine
Spülen Ordnung und Sauberkeit
Stückzahl Nebenzeiten
Pausenzeiten
Störung Schichtbeginn
Umschalten 1-2 Kabinen
FIFO
Handling MA.
OEE Lackieranlage Düsen Pistolen
Kapazität
Spritzlinge Lack n.i.O.
Transport
Kundenforderung
Belegung Anlage
Primern
Methode
Material
Abbildung 4: Ursachen-Wirkungs-Analyse bzgl. OEE Lackieranlage
Anschließend wurden die Anlagenausfallzeit (Pareto-Analyse) sowie die schichtabhängige OEE (Varianzanalyse) näher untersucht und graphisch aufbereitet (siehe Abbildung 5). Anhand der eingezeichneten Box-Plots ist ersichtlich, dass aufgrund von Störungen, insb. in der Nachtschicht, ein großer Streuungsbereich der OEE-Werte auftrat. Auf dieser Basis wurden Aktionslisten erstellt, in denen durchzuführende Maßnahmen, Verantwortlichkeiten sowie Termine genau festgehalten waren. Im Ergebnis konnten zur Erhöhung des OEE folgende fünf Maßnahmen erfolgreich implementiert werden: • Einsatz von 2 Robotern zur Einsparung von 0,5 MA pro Schicht (€ 90.000) • Reduzierung der Ausfallzeit um ca. drei Stunden pro Tag (€ 150.000) • Durchführung der Instandhaltung durch eigenes Personal (€ 25.000) • Einsparung von Reinigungskosten durch Einsatz eigener MA (€ 15.000) • Reduzierung des Koagulierungsmittels um ca. 20 % (€ 15.000).
Wolfgang Kraßnitzer
537
Zur Kostenreduzierung bei PVT tragen die genannten Maßnahmen in einer Höhe von rund € 300.000 pro Jahr bei.
Varianzanalyse
OEE
1,0
0,5
Nachtschicht
5:00
4:00
3:00
2:00
1:00
0:00
23:00
22:00
21:00
20:00
19:00
18:00
17:00
16:00
15:00
14:00
13:00
12:00
11:00
9:00
10:00
8:00
7:00
Stunde
6:00
0,0
Uhrzeit
Abbildung 5: Varianzanalyse (Box-Plots) bzgl. schichtabhängiger OEEs
6
Ergebnisse und Ausblick
Nach Abschluss der Green und Black Belt Ausbildung konnte das Six Sigma Programm erfolgreich in den Zielvereinbarungsprozess des Unternehmens einfließen. Insbesondere nach dem Verankern der Potenziale im sogenannten ManagementPlanungs-Steuerungs-Programm (MPSP) war ein Quantensprung hinsichtlich einer qualifizierten und zielorientierten Arbeitsweise feststellbar. Durch die Transparenz im Rahmen des SRP-Plans (vgl. Abschnitt 4) gelang es, das Verhalten der Mitarbeiter nachhaltig zu verändern. In diesem Zusammenhang stellen sich an eine teamorientierte Unternehmenskultur und -führung folgende Anforderungen für den Erfolg von Six Sigma: •
Formulierung klarer Ziele
•
Entwicklung gemeinsamer Sprache
•
Transparente Entscheidungsfindung
•
Harmonisierung der Zielsetzungen.
538
Best Practice mit Six Sigma in einem mittelständischen Unternehmen
In Zukunft gilt es, die Disziplin hinsichtlich der konsequenten Anwendung von Six Sigma Tools aufrecht zu erhalten. Weiterhin sind sowohl eine strukturierte Arbeitsweise als auch eine kontinuierliche Motivation der Mitarbeiter sicherzustellen und zu fördern. Dazu werden in regelmäßigen Abständen Trainings unter Nutzung des „Fulltime Coachings“ einer Unternehmensberatung durchgeführt. Die Verbindung zwischen konkreter Projektarbeit und definierten Trainingseinheiten führt dazu, dass Six Sigma bei PVT zu einem wahren Action Learning wird.
Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich der Siemens Power Generation Erik Schwulera
Inhalt 1 2 3 4 5 6
Problemstellung und Projektvorstrukturierung im Bereich After Sales Service ........539 SIPOC-, VOC/CTQ- und Ursachen-Wirkungs-Analyse in der Define-Phase ...........540 Ein-/Ausgangsgrößenbestimmung sowie Datenerhebung in der Measure-Phase ......542 Eingangsgrößenreduktion und Risikopotenzialanalyse in der Analyse-Phase ...........546 Qualitätscontrolling und Entscheidungsbaumanalyse in der Improve-Phase.............548 Statistische Prozesskontrolle und Ablaufüberwachung in der Control-Phase............550
1
Problemstellung und Projektvorstrukturierung im Bereich After Sales Service
Der Geschäftszweig IT Power Solutions von Siemens Power Generation bietet softwarebasierte Lösungen im Bereich Energieerzeugung an. Die IT-Lösungen beziehen sich auf unterschiedliche Bereiche im Unternehmen, insb. Prozess- und Betriebsführung, und basieren hauptsächlich auf Standard Hardware- und Software-Plattformen wie z.B. Intel-Computer mit Microsoft Windows NT. Der Bereich After Sales Service stellt für die beschriebenen Leistungen den sogenannten „First- and Second-Level Support“ bereit. In einem Serviceteam sind insgesamt sieben Mitarbeiter beschäftigt, die die Fehlermeldungen von Kunden und Anfragen bezüglich der Handhabung und Anwendung von Produkten entgegennehmen. Jede Meldung wird von einem Servicemitarbeiter aufgenommen und bearbeitet. Da Art und Inhalt der Meldungen nur bedingt vergleichbar sind, ergeben sich in dem betreffenden Bereich relativ geringe Wiederholungsraten. Die Zusammenarbeit mit den Kunden läuft auf Basis von Serviceverträgen, wobei i.d.R. nicht alle im Service erbrachten Leistungen pauschal abgedeckt sind. Das heißt, während die Bereitstellung von Updates bzw. Upgrades kostenlos erfolgt, muss ein Teil der Beratungsleistungen von den Kunden extra bezahlt werden. Der After Sales Service hatte im Geschäftsjahr 2001 mit Verlust gearbeitet, da den Kunden bestimmte Leistungen nicht in Rechnung gestellt wurden. Hierbei wurden insbesondere nicht verrechnete Leistungen als Kostentreiber identifiziert, die aufgrund der Vertragslage eigentlich verrechenbar gewesen wären. Zu diesem Zeitpunkt existierte jedoch noch kein Messsystem für die Kostenverfolgung pro Kunden- bzw. Fehlermeldung, so dass die Annahme auf einer qualifizierten Schätzung durch Experten beruhte.
540
Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich von Siemens
Um die fehlerhafte bzw. unzureichende Kostenverrechnung im Bereich After Sales Service zu senken, wurde ein Six Sigma Projekt unter dem Namen COSIMA gestartet. In Rücksprache mit dem zuständigen Sponsor, Black Belt und kaufmännischen Mitarbeiter wurde vereinbart, dass im Rahmen des Projekts nur der Serviceprozess mit dem Teilprozess „Kundenmeldungen“ näher zu untersuchen ist. Als Projektziel wurde die Steigerung des Verhältnisses von verrechneten zu verrechenbaren Leistungen definiert. Damit ließen sich einerseits die Geschäftsziele abbilden und andererseits die Prozessleistung normieren, d.h. der Prozess kann zukünftig unabhängig von der Anzahl der Kundenmeldungen und dem Gesamtvolumen der Serviceleistungen gemessen und verglichen werden. Um den Projekterfolg von vornherein abzusichern, wurde ein Projektteam gegründet, das von Anfang an eine breite Unterstützung durch das Management erfuhr. Die Rollenverteilung entsprach der standardisierten Projektorganisation bei Siemens Power Generation, deren Aufgaben und Funktionen sich wie folgt gliedern: •
Der Champion verantwortet den Projekterfolg innerhalb seiner Zuständigkeit
•
Der Master Black Belt unterstützt die Black Belts durch intensives Coaching
•
Der Black Belt ist Projektleiter und trainierter Experte in Six Sigma Tools
•
Der Sponsor stellt die Ressourcen bereit und beseitigt alle internen Barrieren
•
Der Prozesseigner stellt die Kommunikation zwischen Black Belt und allen Prozessbeteiligten sicher und leitet die Verbesserungsmaßnahmen ein.
Die Bearbeitung des Projekts war über einen Zeitraum von acht Monaten vorgesehen. Der zeitliche Aufwand für die drei Mitglieder des Kernteams (Prozesseigner, Vertriebskaufmann und Produktmanager) sollte etwa vier Stunden pro Woche betragen. Nachdem alle Voraussetzungen für das Six Sigma Projekt geprüft und erfüllt waren, wurde die Bearbeitung entsprechend des DMAIC-Zyklus (Define, Measure, Analyse, Improve, Control) freigegeben.
2
SIPOC-, VOC/CTQ- und Ursachen-Wirkungs-Analyse in der Define-Phase
Die Define Phase diente dazu, das Projektthema, seine Implikationen und die Auswirkungen im Unternehmen richtig einzuordnen. Um ein erstes Verständnis über den zugrundeliegenden Prozess und die verbundenen Kundenanforderungen zu bekommen, hat sich vor allem SIPOC (Supplier, Input, Process, Output, Customer) als geeignetes Analyseinstrument bewährt. Unter Einsatz von SIPOC ließen sich sehr schnell die internen und externen Kunden identifizieren sowie die Hauptprozessschritte zusammen mit den Ein- und Ausgangsgrößen bestimmen (vgl. im Folgenden Abbildung 1). Durch die relativ abstrakte Beschreibungsebene
Erik Schwulera
541
wird bei Six Sigma Projekten die Gefahr gebannt, dass die Teammitglieder sich zu sehr in Detaildiskussionen verlieren. SIPOC-Analyse Der zu untersuchende bzw. zu optimierende Prozess im Bereich After Sales Service beginnt beim Eingang der Kundenmeldung im Servicebereich. Er endet mit der Auslieferung der Lösung (Fehlerbehebung) inklusive Rechnungsstellung. Der Serviceprozess gliedert sich dabei in die vier Hauptschritte: 1.
Meldungserfassung und -analyse
2.
Ergebnisabstimmung mit Endkunde
3.
Lösungsumsetzung und Fehlerbehebung
4.
Auslieferung inkl. Rechnungsstellung.
Lieferant
Eingang
S
I
Endkunde
Meldung
Servicebearbeiter
Korrekt klassifizierte Problembeschreibung
Kaufmann
Servicevertrag
Endkunde
Auftrag
Servicebearbeiter
Korrekt klassifizierte Problembeschreibung
Kaufmann
Freigabe
Service
Lösung
Service
Liste der Aufwendungen
Prozess
Ausgang
Kunde
P
O
C
Meldungserfassung und -analyse
Korrekt klassifizierte Problembeschreibung
Servicebearbeiter
Freigabe zur Umsetzung
Kaufmann
Lösung
Service
Lieferung
Endkunde
Rechnung
Kaufmann
Ergebnisabstimmung mit Endkunde
Lösungsumsetzung und Fehlerbehebung
Auslieferung inkl. Rechnungsstellung
START: Eingang der Meldung im Service ENDE: Auslieferung der Lösung inkl. Rechnungsstellung
Abbildung 1: SIPOC-Analyse zur Prozessstrukturierung
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, beinhaltet der relevante Prozess die „Lieferung“ und „Rechnung“ als Ausgangsgrößen. Der Endkunde ist mit der gelieferten Leistung insofern zufrieden, da er im Fehlerfall, d.h. bei der Nichtberücksichtigung von Servicekosten in der Rechnungslegung, die Lösung kostenlos bekommt. Für das Six Sigma Projekt war infolgedessen die „Rechnung“ als kritische Ausgangsgröße betrachtet worden. Als primäres Problem stand in diesem Zusammenhang die ungenügende Dokumentation der Aufwendungen und Kosten bei der Leis-
542
Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich von Siemens
tungserstellung. Dies war u.a. auf die nicht verfügbare bzw. unvollständige Übersicht von verrechenbaren Leistungen im Servicebereich zurückzuführen. CTQ-Bestimmung Auf Basis der SIPOC-Analyse wurden in einem zweiten Schritt die Anforderungen der Kunden (VOC - Voice of the Customer) eingehend analysiert. Um den Serviceprozess kundenorientiert auszurichten, war es notwendig, die wichtigsten Kundenkriterien hinsichtlich Leistung und Qualität zu bewerten. Die kritischen Qualitätskriterien (CTQ - Critical to Quality) wurden nur anhand einer Befragung der internen Kunden ermittelt. (Das Team war der Meinung, dass eine externe Kundenbefragung keine weiterführenden Erkenntnisse bringen würde.) Mit der Durchführung von Interviews wurden die CTQs bzw. die „Stimme des Kunden“ proaktiv, d.h. direkt, ermittelt. Im Ergebnis lag eine 5-Punkte-Kriterienliste mit den zu berücksichtigenden Qualitätsanforderungen in der Rechnungslegung vor: •
Liste der Aufwendungen ist vollständig
•
Bezug zum Kundenauftrag ist vorhanden
•
Kosten pro Kundenmeldung sind bekannt
•
Aufwandsliste ist rechtzeitig verfügbar
•
Tätigkeitsdokumentation ist nachvollziehbar.
Ishikawa-Diagramm Bereits in der ersten Teambesprechung gab es eine lebhafte Diskussion über mögliche Ursachen und Lösungen des Problems. Da die „wirklichen“ Ursachen aber noch nicht bekannt waren und die Ansätze nur auf Meinungen und nicht auf Fakten beruhten, wurde zunächst eine Liste mit möglichen Ursachen erstellt. Die Intention war, ein gemeinsames Verständnis über die Komplexität der Ursachen und deren Abhängigkeiten im Team zu entwickeln. Im Zuge eines Brainstormings wurde ein Ishikawa-Diagramm entworfen, welches in Abbildung 2 zu sehen ist.
3
Ein-/Ausgangsgrößenbestimmung sowie Datenerhebung in der Measure-Phase
In der Measure-Phase wurde zunächst die Prozessfähigkeit des Serviceprozesses „Kundenmeldung“ bestimmt. Sie diente als Grundlage für die weitere Datenanalyse und als Beleg für die potenzielle Prozessverbesserung im Projektverlauf. Außerdem wurde die in der Define-Phase ermittelte Ursachenliste (IshikawaDiagramm) hinsichtlich der wesentlichen Eingangsgrößen verdichtet.
Erik Schwulera
Messung
Material
Aufwand pro Meldung
543
Mensch
Hantierungsfehler
Stundenschreibung „Produktoptimierung“
Service-/FuE-Budget
Customizing-Aufwand Kostenbewusstsein
Kulanzleistungserfassung
Serviceressourcen
Kundenorientierter Service
Kulanz
Verlust aufgrund nichtverrechneter Leistungen
Service- und FuE-Leistungserfassung
Meldungserfassungstool
Freigabeprozedur Kaufmannsinformationsprozess
Umwelt
Methode
Abbildung 2: Ishikawa-Diagramm zur Ursacheneingrenzung
Definition der Ausgangsgröße Bevor mit der eigentlichen Datenerhebung begonnen werden konnte, musste zunächst die Ausgangsgröße Y, das kritische Qualitätsmerkmal des zu verbessernden Prozesses, definiert werden. Um den Prozess allgemein bewerten zu können, wurde die Ausgangsgröße Y wie folgt normiert: Y=
verrechnete Leistungen verrechenbare Leistungen
Das kritische Qualitätsmerkmal (CTQ) ergab sich insbesondere anhand der Auswertung der internen Kundenbefragungen. Danach sollten alle verrechenbaren Leistungen auch wirklich verrechnet werden, so dass sich auf Basis obiger Ausgangsgrößen-Definition folgende Spezifikationsgrenzen ergaben: Untere Spezifikationsgrenze:
LSL = 100 %
Obere Spezifikationsgrenze:
USL = ∞
Jede nicht verrechnete Leistung ist folglich als Prozessfehler zu bewerten. Dabei ist sowohl theoretisch als auch praktisch möglich, dass mehr Leistungen verrechnet werden als tatsächlich angefallen sind. Obwohl dies aus Sicht der externen Kunden sicherlich unerwünscht ist, sollte die „Mehrverrechnung“ im Rahmen der Projektarbeit zunächst unberücksichtigt bleiben. Aus den zur Verfügung stehenden „historischen Daten“ ergab sich eine Prozessausbeute (Ausgangsgröße) von 16,7 %, welches einem Sigma-Wert von 0,53 entspricht.
544
Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich von Siemens
Process Mapping Im Rahmen einer detaillierten Prozessanalyse (Process Mapping) wurden ausgehend von der SIPOC-Analyse Flussdiagramme für die Hauptprozessschritte 1 bis 4 abgeleitet (vgl. Abbildung 3). Für das Team waren bereits an dieser Stelle eine Reihe von Schwachstellen im Prozessablauf offensichtlich. Individuelle Bewertung durch Servicebearbeiter
Korrekt klassifizierte Problembeschreibung
1 Lösung
Kein durchgängiges Controlling definiert !
2
Erstellen der Lieferung
3
Erstellen der Lieferpapiere
Kostenlose Behebung?
nein
Erstellen der Rechnung
4
Kostenlose Behebung ?
nein
Angebot für Problemlösung erstellen
Kunde erteilt Auftrag ?
ja
ja
Automatische Freigabe
nein
Erteilen der Freigabe
Freigabe
Abbruch
ja Auslieferung der Lösung ohne Rechnung
Auslieferung der Lösung mit Rechnung
Abbildung 3: Flussdiagramm für die Hauptprozessschritte 2 und 4 nach SIPOC
Die Entscheidung, ob Serviceleistungen für den Kunden kostenlos sind oder nicht, fällt der jeweils zuständige Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang hatte bis zur Projektdurchführung jeder Servicebearbeiter seine eigenen Bewertungskriterien nach bestem Wissen und Gewissen festgelegt. Der Kaufmann wurde nur über Leistungen informiert, die aus Sicht des After Sales Mitarbeiters an den Kunden verrechnet werden sollten. Dies erschwerte natürlich die Überprüfung, ob die Entscheidung des betreffenden Mitarbeiters in jedem Fall korrekt war. Bestimmung wichtiger Eingangsgrößen Der nächste Schritt der Measure-Phase bestand darin, die Liste der Eingangsgrößen zu verdichten und die Wichtigsten näher zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde auf Basis der SIPOC-Analyse eine Cause and Effect Matrix erstellt. Die Gewichtung der einzelnen Faktoren erfolgte anhand einer Befragung der internen Kunden. Die Intention war hier nicht, Maßnahmen für eventuelle Lösungen zu generieren, sondern diejenigen Eingangsgrößen mit den größten Auswirkungen auf die Ausgangsgröße zu identifizieren. Die folgenden fünf Punkte (Eingangsgrößen) wurden entsprechend der Analyse als wichtig erkannt:
Erik Schwulera
1.
Verrechenbarkeit korrekt entschieden
2.
Vertragskonditionen eindeutig bekannt
3.
Inhalt der Serviceverträge vorhanden
4.
Kosten pro Kundenmeldung verfügbar
5.
Rechnungserstellung erfolgt.
545
Datenerfassungsplan Um die Datenerfassung zu systematisieren, wurde ein Datenerfassungsplan (vgl. Abbildung 4) erstellt. Während die Werkzeuge zur elektronischen Datenerfassung bereits zur Verfügung standen, erfolgte die Messung der Daten bisher weitestgehend manuell. Die Kosten pro Fehler- bzw. Kundenmeldung ergaben sich grundsätzlich aus den monatlichen Stundenerfassungen der Servicemitarbeiter. Datenerfassungsplan
Projekt: COSIMA
Daten
Operative Definition
Was wollen wir messen?
Datenart
Messart
Bedingungen
Kosten pro Fehlermeldung
kontinuierlich
manuell, Erfassung
Kunde, Bearbeiter
Kunde, der den Fehler gemeldet hat
attributiv
manuell
keine
Bearbeiter der Meldung
attributiv
manuell
keine
Meldungstyp
attributiv
manuell
keine
Kosten verrechnet
kontinuierlich
manuell
Kosten verrechnen
Anzahl der Meldungen
kontinuierlich
automatisch
keine
Durchlaufzeit
kontinuierlich
automatisch
keine
Abbildung 4: Datenerfassungsplan für Six Sigma Projekt Cosima
Bei Überprüfung des Messsystems auf Wiederhol- und Reproduzierbarkeit der Daten ergab sich folgendes Problem: Jede Kundenmeldung kommt i.d.R. nur ein einziges Mal vor und die Bearbeitungszeit hängt daher von den individuellen Fähigkeiten des Servicebearbeiters ab. Durch die Befragungen einzelner Mitarbeiter konnte festgestellt werden, dass die monatlichen Stundenerfassungen die tatsächlichen Prozessdaten stark verfälschen, d.h. die ermittelten Kosten pro Fehlermeldung weichen im Einzelfall von den „wirklichen“ Kosten ab. Gleichzeitig stimmten jedoch die monatlichen Mittelwerte pro Kunde und Mitarbeiter weitestgehend überein und waren somit verwendbar. Die Güte des bestehenden Messsystems wurde mit dem Prozesseigner intensiv diskutiert. Dabei schien eine weitere Differenzierung des unternehmensweiten, einheitlichen Verfahrens zur Stundener-
546
Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich von Siemens
fassung nicht möglich. Es wurde deshalb entschieden, die Datenanalyse auf Basis der monatlichen Mittelwerte bzw. durchschnittlichen Fehlerkosten zu beginnen.
4
Eingangsgrößenreduktion und Risikopotenzialanalyse in der Analyse-Phase
Um die „richtigen“ Hebel für Verbesserungsmaßnahmen zu finden, kamen in der Analyse-Phase verschiedene statistische Werkzeuge (z.B. T-Test) zum Einsatz. Aufgrund der gestiegenen Management Attention und der Motivation der Mitarbeiter im Bereich After Sales Service war bereits zu Beginn des Six Sigma Projekts eine deutliche Erhöhung der Ausgangsgröße Y zu verzeichnen. So ergab eine erste Datenanalyse im Projekt, dass sich die Ausbeute des Serviceprozesses in kürzester Zeit auf über 80 % erhöht hatte (vgl. Abbildung 5).
1,0
Target 100%
Ausgangsgröße Y
0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4
Start des Projekts
0,3 0,2 0,1 02.00
07.00
12.00
05.01
Messzeitpunkt (mm.jj)
Abbildung 5: Entwicklung der Prozessausbeute (Ausgangsgröße Y)
Mit Hilfe von Hypothesentests konnte statistisch nachgewiesen werden, dass das Six Sigma Projekt eine tatsächliche Verbesserung des Prozesses bewirkt hatte. Gleichzeitig war aber offensichtlich, dass der Prozess eine relativ geringe Stabilität aufwies, da die Ausgangsgröße fortwährend hohen Schwankungen unterlag (vgl. rechte Diagrammhälfte in Abbildung 5). Eingangsgrößenreduktion Infolge einer genaueren Analyse der Daten blieben nur noch zwei Eingangsgrößen übrig, denen eine signifikante Auswirkung auf den Prozessoutput zugeschrieben
Erik Schwulera
547
werden konnte. Entsprechend der Eingangsgrößenanalyse in der Measure-Phase schienen im weiteren Projektverlauf die Punkte „Verrechenbarkeit korrekt entschieden“ und „Rechnungserstellung erfolgt“ besonders relevant zu sein. Alle anderen Punkte (vgl. Abschnitt 3) konnten aufgrund der Datenanalyse nachträglich ausgeschlossen werden. Neben der Bestimmung wichtiger Eingangsgrößen gestaltete sich das Erkennen von Prozessfehlern nach wie vor problematisch. In diesem Zusammenhang stellte sich für das Projektteam als letzte zu beantwortende Frage „Wie gut ist der Prozess wirklich?“. Prozess-FMEA zur Risikoabschätzung Zur Lösung des Problems der Fehlererkennung im After Sales Bereich wurde im Folgenden eine Prozess-FMEA durchgeführt. Dabei waren die Hauptprozessschritte, die in der Measure-Phase als kritisch eingestuft wurden, von besonderer Relevanz. Es musste davon ausgegangen werden, dass zurzeit keine geeigneten Werkzeuge vorhanden waren, um die Fehler frühzeitig zu erkennen. Zur effektiven Verbesserung wurden zwei Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen die Fehler der mittleren und höchsten Priorität minimiert werden sollten. Die im Rahmen der Prozess-FMEA ermittelten Risikoprioritätszahlen (RPZ) der einzelnen Fehlerarten sind zusammen mit den geplanten Abstellmaßnahmen Controlling und Entscheidungsbaum in der folgenden Abbildung 6 dargestellt. RPZ
100 % 80
1500
60
1000
40 Controlling
500
Entscheidungsbaum
20
0
0 16 19 21
8
12
4
5
13 17
14
2
9
7
11
3
15 Andere
Fehlerart
Abbildung 6: Ermittlung von Risikoprioritätszahlen im Rahmen der Prozess-FMEA
548
5
Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich von Siemens
Qualitätscontrolling und Entscheidungsbaumanalyse in der Improve-Phase
Qualitätscontrolling Wie in Abbildung 6 zu sehen ist, beziehen sich die Controllingmaßnahmen auf die Fehlerarten mit dem höchsten Risikopotenzial. Im Rahmen einer Teambesprechung wurden für diese einzelne Lösungen diskutiert und mit Hilfe einer Entscheidungsmatrix bewertet. Der Kriterienkatalog wurde zudem nach Wunsch- und Pflichteigenschaften unterteilt, so dass auch feste Rahmenbedingungen erfasst werden konnten. Durch die Verwendung der Entscheidungsmatrix war es möglich, eine Risikoanalyse hinsichtlich der Implementierung von ausgewählten Lösungsalternativen durchzuführen. Entscheidungsbaumanalyse Neben den Controllingmaßnahmen wurde gemeinsam mit den Servicemitarbeitern ein Entscheidungsbaum zur objektiven Leistungsverrechnung erarbeitet (vgl. Abbildung 7). Dadurch konnten das Fachwissen, die Erfahrung und das Einführungstraining aller Beteiligten zu einer effektiven Einheit kombiniert werden. Die Mitarbeiter hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ein sehr gutes Verständnis für die Verrechenbarkeit von Serviceleistungen erlangt. Im Ergebnis konnte den Beteiligten eine leicht nachvollziehbare bzw. anwendbare Entscheidungsgrundlage vorgelegt werden.
Eingang der Fehlermeldung
Fehlermeldung
Fehler im Produkt- oder Lösungs-Standard?
nein
ja
nicht verrechenbar
Customizing
Fehler durch bzw. nach Hochrüstung?
nein
verrechenbar
ja
verrechenbar
ja
Wurde der Kunde im Vorfeld darüber informiert? nein
nicht verrechenbar
Abbildung 7: Entscheidungsbaum zur Leistungsverrechnung
Erik Schwulera
Ablauf
Prüfen
549
Aktionen
Kundenmeldung
Sichten der Meldung
Problemstellung klar?
nein
Rücksprache mit Kunden
Hat der Kunden einen vertraglichen Anspruch auf Serviceleistungen?
Keine weiteren Leistungen falls kein vertraglicher Anspruch bekannt ist. SV verständigen.
Ist das notwendige Knowhow zum Nachvollziehen und zur Problemanalyse vorhanden?
Serviceprojektleiter für die Kundenlösung (Link auf Datei) oder CoC für Produkt/Lösung ansprechen
Entscheidung mit Hilfe d. Entscheidungsbaumes
Falls verrechenbar: Angebot gemeinsam mit dem Kaufmann an den Kunden erstellen, Verrechnung nach Aufwand
ja Nachvollziehen der Meldung
Problemanalyse
Kostenlose Behebung?
nein
ja
Kundenangebot erstellen
Auftrag
ja nein Freigabe zur Bearbeitung
Problem innerhalb Serviceteam lösbar?
Abbruch
nein
Übergabe an CoC
Voraussichtliche Aufwendungen abschätzen
Voraussichtliche Aufwendungen > € 2.000 -> SV verständigen, um weitere Vorgehensweise abzusprechen
Überprüfung: - Leistungen dokumentiert - Kosten erfasst
CoC zur Erbringung anmahnen, ggf. SV verständigen
Überprüfung: - Liefer- und Leistungsumfang vollständig - Verrechenbarkeit - Exportprüfung durchgeführt
Bei Unklarheiten Serviceprojektleiter, SV oder Kaufmann ansprechen
ja Erzeugen der Lösung im Serviceteam
Erzeugen der Lösung im CoC Übergabe an Service
Erstellung d. Lieferung
Erfassen des LuL in SAP unter dem jeweiligen Kundenauftrag
Auslieferung der Lösung
Abbildung 8: Prozessablaufdiagramm mit Prüf- und Aktionshinweisen
Der sogenannte Beta-Test wurde im Oktober 2001 erfolgreich durchgeführt. Der neue Prozess, der sich um eine integrierte Regelschleife zur Klassifizierung von Meldungen erweitert hatte, wurde erfolgreich implementiert und durch eine Verfahrensanweisung dokumentiert (vgl. Abbildung 8). Die Anwendung konnte schließlich auf sämtliche Kundenmeldungen im gesamten Servicebereich übertragen werden.
550
6
Erfolgreiche Anwendung der DMAIC-Methodik im IT-Bereich von Siemens
Statistische Prozesskontrolle und Ablaufüberwachung in der Control-Phase
Statistical Process Control
Individual Value
In der Control-Phase war abschließend zu beweisen, dass die eingeleiteten Maßnahmen das Risiko von Prozessfehlern nachhaltig reduziert haben. Wie bereits in Abschnitt 3 erwähnt, basierte die Datenerhebung und -auswertung auf monatlichen Mittelwerten bzw. Durchschnittskosten. Um den Prozess statistisch zu überwachen, wurde in der Folgezeit eine I-MR Regelkarte verwendet. Wie in Abbildung 9 ersichtlich ist, kann der zu optimierende Serviceprozess mittlerweile als statistisch betrachtet werden. Der aktuelle Mittelwert (Prozessausbeute) liegt bei 86,16 %, was einem Sigma-Wert von 2,6 entspricht. 0,95
UCL=0,9477
Mean=0,8616
0,85
LCL=0,7756 0,75
Moving Range
5
Time
10
0,10
UCL=0,1057
0,05 R=0,03235 0,00
LCL=0
Abbildung 9: Statistische Prozesskontrolle mittels I-MR Regelkarte
Prozessablaufüberwachung Neben der statistischen Prozesskontrolle wurde die Einhaltung des optimierten Prozessablaufs entsprechend Abbildung 8 regelmäßig überprüft. Das eingezeichnete Flussdiagramm beschreibt den im Projekt erarbeiteten und inzwischen standardisierten Prozessablauf. An besonders kritischen Punkten sind Prüfungen vorgesehen bzw. Maßnahmen definiert, um Probleme und Fehler schnellstmöglich zu erkennen und zu eliminieren. Das monatliche Controlling ist ebenfalls in einer Verfahrensanweisung beschrieben.
Erik Schwulera
551
Insgesamt konnte das COSIMA-Projekt durch das Vorgehen nach dem DMAICZyklus und den Einsatz verschiedener Six Sigma Methoden erfolgreich abgeschlossen werden. Obwohl anfangs nicht sehr viele Daten zur Verfügung standen, wurden durch den Einsatz verschiedener Analyseinstrumente wichtige Erkenntnisse zur Reduzierung des Fehlerpotenzials gewonnen. Durch die gute Kommunikation zwischen den Prozessbeteiligten, die zielgerichtete Arbeit des Projektteams und die umfassende Unterstützung des Prozesseigners konnten am Ende folgende drei Ergebnisse verbucht werden: •
Detaillierte Prozessbeschreibung und -dokumentation
•
Verbesserung des gesamten Serviceprozesses
•
Implementierung eines Prozessmesssystems.
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma Engelbert Heimes, Johannes Messer
Inhalt 1 2 2.1 2.2 2.3 3
1
Ausgangssituation des Unternehmens ......................................................................... 552 Beispiele für die Umsetzung von Six Sigma............................................................... 555 Optimierung des Rüstprozesses................................................................................... 558 Minimierung von Maschinenstörungen....................................................................... 559 Verbesserungen im gesamten Wertschöpfungsprozess............................................... 561 Operatives versus Strategisches Performance Measurement...................................... 563
Ausgangssituation des Unternehmens
Das Unternehmen Honsel ist ein etablierter Zulieferer der Automobilindustrie, der sich mit der Verarbeitung von Leichtmetallen, insbesondere Aluminium, beschäftigt. Die Ursprünge des Unternehmens reichen in das frühe 20. Jahrhundert zurück. Nach erheblicher Ausweitung seiner Geschäftsfelder ist Honsel heute der weltweit größte unabhängige Produzent von Aluminium-Gussprodukten. Die HIT (Honsel International Technologies) besitzt Fertigungsstätten in Nord- und Südamerika, England, Frankreich und Deutschland. Der Umsatz betrug im Jahr 2001 € 902 Mio. bei einer Aluminium-Produktion von 136,8 Tonnen. Im Betrachtungszeitraum waren im Unternehmen ca. 5.300 Mitarbeiter beschäftigt. Die Planungen für die nächsten Jahre sehen eine deutliche Umsatzsteigerung vor. Honsel ist überwiegend im Automotive-Bereich tätig mit den Schwerpunkten Zylinderköpfe, Fahrwerksteile, Motorblöcke, Getriebe-Gehäuse für PKW und LKW. Wie viele andere Unternehmen der Automobilzulieferindustrie war Honsel noch zu Beginn der 1990er Jahre in erster Linie technologieorientiert ausgerichtet. Die einsetzende Krise der Automobilwirtschaft (1992/93) sowie damit einhergehende Veränderungsprozesse machten eine umfassende Neuausrichtung des Unternehmens notwendig (vgl. Abbildung 1). Vor dem Hintergrund eines veränderten Anforderungsprofils hinsichtlich einer engeren partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Zulieferbetrieben war spätestens ab Mitte der 1990er ein viel breiteres Wissen über Kunden-, Produkt- sowie Prozessanforderungen erforderlich. Um mit diesen deutlich gestiegenen Anforderungen Schritt halten zu können, hat sich Honsel sehr früh mit der Weiterentwicklung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) im Unternehmen auseinander gesetzt.
Engelbert Heimes, Johannes Messer
553
Tendenz Outsourcing und Beschränkung auf Kernkompetenzen
Single Sourcing
Lieferantenreduzierung
ZIEL
Konsequenz
Langfristige Partnerschaften Partnerschaften mit Technologie-, Kosten- und und Qualitätsführern Qualitätsführern
Umfassende QM-Konzepte mit dem Ziel Null-FehlerProduktion
Just in Time - Konzepte
Internationalisierung
Abbildung 1: Neue Anforderungen des Marktes aus Sicht von Honsel
Ausgangspunkt für diese Entwicklung war zunächst die Schaffung eines einheitlichen und verständlichen Kommunikationsstandards. Im Jahr 1992 wurden alle Mitarbeiter des Unternehmens im Rahmen eines Qualitätsverbesserungsprozesses (QVP) nach dem Top-Down-Prinzip in den grundlegenden Qualitätstechniken wie z.B. Problemslösungs-, Moderations- und Kommunikationstechniken geschult (vgl. hierzu und im Folgenden Abbildung 2) Auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache entwickelte sich ein unternehmensweiter Konsens über die bestehenden Qualitäts- und Kundenanforderungen. In den folgenden Jahren beschäftigten sich bei Honsel das Management und die Mitarbeiter intensiv mit der Verbesserung der Produktivität am Arbeitsplatz. Unter Nutzung der Kaizen-Methodik konnten in vielen kleinen Schritten wichtige Verbesserungen erzielt werden. Die Einbindung der Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse wurde in dieser Zeit durch die Einführung von Gruppenarbeit weiter gefördert. Ein anderer wichtiger Meilenstein war die Ausrichtung des Unternehmens nach VDA 6.1 bzw. QS 9000. Im Rahmen der Zertifizierung orientierte sich das Unternehmen erstmals an Prozessen statt an Produkten, wobei gerade dieser Punkt enormer Anstrengungen bedurfte und sicher bis zum heutigen Tage noch nicht zu 100 % abgeschlossen ist. 1999 wurde die sogenannte UPL – Umsetzung der Unternehmensplanung – in Form einer Balanced Scorecard (BSC) implementiert. Dabei führte die konsequente Zielvereinbarung und -verfolgung zu einer deutlichen Erhöhung der Verbesserungserfolge und der darauf bezogenen Transparenz. Durch die eingeführten Techniken konnten erheblich mehr Mitarbeiter als bisher in den Verbesserungsprozess organisiert einbezogen werden. Durch das
554
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma
Herunterbrechen der einzelnen Verbesserungsansätze in Projekt- und Teamarbeit wurden „alle“ Mitarbeiter im Unternehmen erreicht und somit eingebunden.
Kaizen
Gruppenarbeit
UPL (BSC)
Verbesserungen Verbesserungen der der ProProduktivität duktivität am am Arbeitsplatz Arbeitsplatz
Einführung Einführung von von Prämienlohn Prämienlohn
Projektarbeit Projektarbeit im im Sinne Sinne ZielZielvereinbarung/-verfolgung vereinbarung/-verfolgung
Einzelne Einzelne KosteneinKosteneinsparungen sparungen ’92
‘93
‘94
Hohe Hohe Transparenz Transparenz und und Kosteneinsparungen Kosteneinsparungen
Übernahme Übernahme von von Verantwortung Verantwortung ‘95
‘96
‘97
‘98
‘99
‘00
‘01
‘02
QVP
VDA 6.1 / QS 9000 9000
Six Sigma
Schulung Schulung der der GrundGrundtechniken techniken und und EinEinbindung bindung aller aller MitMitarbeiter arbeiter
Zertifizierung Zertifizierung nach nach den den Regelwerken Regelwerken
Erhöhung Erhöhung der der Rentabilität Rentabilität des des Gesamtunternehmens Gesamtunternehmens
Gemeinsame Gemeinsame Sprache Sprache
Zertifizierung Zertifizierung und und stärkere stärkere ProzessProzessorientierung orientierung
Große Große Erfolge Erfolge in in bisbisherigen herigen Projekten Projekten
Abbildung 2: Meilensteine des ständigen Verbesserungsprozesses
Mit Hilfe der genannten Verbesserungsprojekte entwickelte sich das Unternehmen vom reinen Technologiepartner zum anerkannten Qualitätslieferant der Automobilindustrie. Die dabei erzielten Ergebnisse waren in einem Benchmarking zu anderen europäischen Unternehmen durchaus konkurrenzfähig. In den folgenden Jahren (1999/2000) musste das Unternehmen jedoch feststellen, dass es immer schwerer wurde, mit den bekannten und angewandten Verbesserungstechniken weitere Erfolge zu erzielen. Bei den sich ständig weiterentwickelnden Anforderungen des Marktes entsprachen die im Prinzip stagnierenden Ergebnisse einem langsamen, aber stetigen Rückschritt. Vor diesem Hintergrund stellte sich für das Unternehmen die Frage nach neuen Konzepten, um den Verbesserungsprozess weiter voranzutreiben. Das Management suchte Werkzeuge, die, aufbauend auf dem bestehenden Niveau, die anspruchsvollen Zielsetzungen zukünftig erreichbar machen. Hierbei war vor allem wichtig, dass das bestehende Niveau tatsächlich angehoben wird, und nicht dem Vorhaben nur ein neuer Name gegeben wird. Im Zuge dieser Überlegungen stieß man auf die aktuellen Qualitäts- und Ergebnisentwicklungen, die vor allem in amerikanischen Unternehmen mit Six Sigma Projekten erreicht wurden. Aus diesem Grund beschloss die Geschäftsleitung, sich intensiver mit diesem umfassenden Ansatz zu beschäftigen. In Zusammenarbeit mit einer Unternehmensberatung wurde in einzelnen Bereichen des Unternehmens eine Analyse einzelner Prozesse durchgeführt. Der dabei ermittelte „Sigma-Level“ betrug rund drei Sigma, d.h. eine Fehlerrate von durchschnittlich 7 %. Erste größe-
Engelbert Heimes, Johannes Messer
555
re Potenziale für mittel- und langfristige Verbesserungen wurden in den Bereichen Anlagennutzung, Qualität sowie Planungs- und Steuerungssystem gesehen (vgl. Abbildung 3). Um die angestrebten Verbesserungen zu erreichen, waren im Weiteren geeignete Six Sigma Werkzeuge auszuwählen und zu implementieren.
Kosteneffizienz Flexibilität Prozessfähigkeit (Six Sigma) Gesamtanlagennutzung (GAN)
Qualität
ManagementPlanungsSteuerungsund Berichtssystem
Gesamtzeitnutzung (GZN)
Training Managementsupport Abbildung 3: Grobkonzept der angestrebten Verbesserungen
2
Beispiele für die Umsetzung von Six Sigma
Nach Beendigung der Analysephase und der Identifikation erster Bereiche mit Verbesserungspotenzial wurden konkrete Ziele definiert. Die angestrebten Verbesserungen, z.B. Erhöhung der Gesamtanlagennutzung (GAN) um 7 %, waren zu diesem Zeitpunkt für fast alle Beteiligten kaum vorstellbar. In den einzelnen Bereichen wurden zunächst Projektteams aufgestellt, die sich aus Mitarbeitern unterschiedlicher Abteilungen zusammensetzten. Unter Einbezug nicht direkt Betroffener bot sich die Möglichkeit, unter Einsatz von beispielsweise Brainstorming, ganz neue Problemlösungsansätze zu finden. Die ausgewählten ca. 50 Mitarbeiter wurden entsprechend ihrer gestellten Aufgaben in verschiedenen Six Sigma Tools geschult – vergleichbar mit einer Green Belt Ausbildung. Als Basis der Projektarbeit dienten die ersten Ergebnisse der Analysephase. Anhand des gewonnenen Datenmaterials war es möglich, verschiedene Teilprojekte weiter „herunterzubrechen“ (siehe Abbildung 4). Auf dieser Grundlage erfolgte dann eine detaillier-
556
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma
tere Formulierung der einzelnen Projektaufgaben mit entsprechenden Teilprojektzielen. Stillstände
Ursachen
Maßnahmen
Ziele
100% Sonstige 1.5 %
Planungssysteme
Reduktion um 10%
Automation 2%
IH-Systeme
Reduktion um 75%
70%
Formstörung I 3,7 %
IH-Systeme
Reduktion um 15%
60%
Maschinenstörung 4,2 %
IH-Systeme
Reduktion um 20%
50%
Rüsten 6,1 %
Rüstplanung und SMED
Reduktion um 20%
90% 80%
40%
Stillstände 24,5%
GZN 75,5%
30% 20%
Formstörungen II 7,1 %
IH- und WerkzeugbauSysteme
Reduktion um 10%
10% 0%
Abbildung 4: Ursachen für Maschinenstillstände
Als ein wichtiges Ziel wurde die Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit in der Produktion herausgestellt. Eine detaillierte Analyse ergab hier eine Gesamtzeitnutzung (GZN) – Anteil der zur Produktion genutzten Zeit an der Gesamtzeit – von 75,5 %. Als wichtige Hebel zur Erhöhung der GZN wurden unter anderem die Bereiche Rüsten und Maschinenstörungen sowie damit verbundene organisatorische Prozesse erkannt. Die Verbesserungsarbeit beschränkte sich im Folgenden zunächst auf eine detaillierte Untersuchung dieser zwei Bereiche. Wie in anderen Unternehmen erfolgte bei Honsel die weitere Implementierung von Six Sigma anhand des DMAIC-Prozesses (vgl. Abbildung 5). Nach einer Prozess- und Projektdefinition („Define“) begann die Durchführung der ersten beiden Teilprojekte zur Reduzierung der Rüstzeiten und Maschinenstörungen parallel. Im Zuge der Projektarbeit erfolgte eine Überprüfung und z.T. Anpassung der vorhandenen organisatorischen Abläufe. Die Entwicklung und Installation eines geeigneten Softwarepaketes war dabei eine wichtige Vorraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Six Sigma, gemäß der Aussage „Man kann nur das verbessern, was man auch messen kann.“
Abbildung 5: Der DMAIC-Prozess bei Honsel
Cambridge Management Consulting
Komplexität
Prozessfähigkeit
12.07.2000
Aktion
P: Jedes, dem Prozeßschritt zugefügte „Teil“, wird jeweils als P=1 gezählt:
6ı
Daten
Automationseinheit und Teile
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
9,00
9,25
(T=1 für alle zusammen) (T=1 für alle zusammen) (T=1 für alle zusammen)
Hydraulikzylinder: C=2 (Vor- und Rücklauf)
Metall: P=1 Kolbenschmiermittel: P=1
Analyse
T: Jede Zylinderbewegung wird als T=1 gezählt Ventile: T=1 Pumpen: T=1 Endschalter: T=1
C: Je Schieber: C=1, Je Formhälfte: C=1 Jede Verbindung EingußteilForm: C=1 Je Kühl-/ Heizkreislauf: C=1 Je Hydraulikanschluß des Zylinders: C=1 Rinne: C=1 Stickstoff: C=1 Druckluft: C=1
Entscheidung
FORMBLATT
T: Jede Bewegung von einer Pos. A Î Pos. B wird als T=1 gezählt N: Hauptprozeßschritt Î N=1
Meetingstruktur implementiert Team Prozessfähigkeit Arbeitsteams (Prozessparameter, HP 500)
AKTIONSLISTEN
Sigma Level ~
Prozessfähigkeit Prozessfähigkeit
Defekte pro Einheit Defekte pro Einheit
Komplexität Komplexität
Fehlermöglichkeiten Fehlermöglichkeiten
Die Berechnung des Sigma Levels
Six-SigmaÜberblick
Aufnahme der „Defekte” im Sinne von Six Sigma Gießen
V6: 6 Buchsen Î P=6
Messpunkte
9,50
9, 75
10,00
10,25
10,50
10,75
11,00
11,25
Analysedaten des Labors in der Gießerei „online“ verfügbar
9,000
9,500
10,000
10,500
11,000
11,500
Zeitliche Entwicklung produkt- und prozessrelevanter Parameter
Messsystem für KomplexitätOFD-Zählstandards definiert
C: Jedes Aufnehmen und Abgeben des Roboters bzw. der Einlegevorrichtung wird als jeweils C=1 gezählt
P: Jedes Eingußteil und jedes Losteil wird als jeweils P=1 gezählt
Anzahl
Gehalt (%)
Eingußteilen/ Losteilen
Erläuterungen/ Beispiele
OFD-Zählstandards
Teilbereich „Gießen“ Hauptprozessschritt Festlegung N: Hauptprozeßschritt Î N=1 Einlegen von
Engelbert Heimes, Johannes Messer 557
558
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma
Die Einführung von Six Sigma erforderte eine generelle Überarbeitung der bestehenden IT-Lösungen im Unternehmen. In Zusammenarbeit mit der internen EDVAbteilung wurde ein Softwarekonzept entwickelt, das die Erfassung und Auswertung des umfangreichen Datenmaterials für Six Sigma ermöglichte. Durch die Implementierung der neuen Software konnten insbesondere Informationen auf niedriger Aggregationsebene, z.B. über einzelne Maschinenzustände, gewonnen und ausgewertet werden. Parallel hierzu musste die Ermittlung der Daten weiter optimiert werden. Dazu war es erforderlich, alle Mitarbeiter in den Prozess der Datenerhebung weiter einzubinden und neue Formen der Datensammlung zu entwickeln. Nicht zuletzt wurde damit eine umfangreiche Analyse der produktionsbezogenen Fehl- und Stillstandzeiten erst möglich. Mit Hilfe der eingesetzten Software bestand weiterhin die Möglichkeit, den Projektfortschritt kontinuierlich zu überwachen und zu steuern. 2.1
Optimierung des Rüstprozesses
Zur Optimierung des Rüstprozesses wurden bei Honsel zunächst die einzelnen Prozessschritte und deren prozentualer Anteil an der durch den Rüstvorgang insgesamt in Anspruch genommenen Zeit analysiert (vgl. Abbildung 6). Im Weiteren wurden Projektteams eingesetzt, deren Ziel es war, bestimmte Rüstschritte als Ansatzpunkte für Verbesserungsprojekte zu identifizieren. Ausgehend von der relativen Häufigkeit einzelner Produktionsunterbrechungen wurden sogenannte Hauptrüststörungen, z.B. „Einrichten Form“, ermittelt. GZN 100%
Sonstige 5%
90%
Anwärmen Form 12%
80%
Einrichten Roboter 16%
70% 60%
Einrichten Form 23%
50% 40%
Rüsten 25%
30% 20% 10% 0%
Abbildung 6: Teilschritte des Rüstens
Einrichten Maschine Giesser 44%
Engelbert Heimes, Johannes Messer
559
Zu einem frühen Zeitpunkt wurde deutlich, dass eine Neustrukturierung bzw. Reorganisation des Rüstens nicht zu umgehen war. Aus diesem Grund erfolgte in einer der – inzwischen regelmäßig stattfindenden – Projekt-Sitzungen der Entwurf eines Leitfadens zum Rüstprozess (Rüsthandbuch). Zeitgleich wurden von den zuständigen Fertigungsleitern Mitarbeiterschulungen zu diesem Thema durchgeführt. Im gesamten Projekt wurde immer wieder festgestellt, dass Ausmaß und Inhalt der Kommunikation von großer Wichtigkeit sind. Anfänglich wurde die Visualisierung von Information und Daten von dem ein oder anderen noch kritisch gesehen. Mit weiterem Projektfortschritt erwies sich jedoch gerade dieser Punkt als ein Erfolgskriterium. Mit dem Einsatz von Six Sigma Instrumenten entstand eine „breite Basis“ des statistischen Messens und Analysierens im Unternehmen. Bereits nach kurzer Zeit konnten Möglichkeiten zur Verbesserung des Rüstprozesses aufgezeigt werden. Diese betrafen hauptsächlich Veränderungen im Zusammenhang mit der Komplexität des Rüstvorgangs, wodurch auf der einen Seite die Prozesszeit reduziert und auf der anderen Seite die Prozessfähigkeit erhöht wurden. Durch die Einleitung gezielter Maßnahmen, z.B. Parallelisierung von Rüstschritten, wurden weitere Verbesserungspotenziale realisiert. Im Ergebnis konnte eine deutliche Reduzierung der Gesamtrüstzeit und fähigere Prozesse erzielt werden. 2.2
Minimierung von Maschinenstörungen
Die Untersuchung der Maschinenstörungen erfolgte zeitgleich zur Analyse der Rüstprozesse. An erster Stelle erfolgte dabei die Erfassung und Auswertung bestimmter Störursachen und deren Unterteilung in spezifische Gruppen (vgl. Abbildung 7). Bei dieser Analyse wurde deutlich, dass für die Senkung der GZN unter anderem Probleme in der Instandhaltung der Anlagen verantwortlich waren. In der Folge setzte bei Honsel sowohl eine umfassende Prüfung des Instandhaltungssystems als auch eine Untersuchung spezifischer Ausfallursachen ein. Bereits nach der Auswertung der ersten Datenreihen wurde das Hauptproblem des Instandhaltungssystems deutlich. Ausgerichtet auf die Reaktion beim Auftreten von Fehlern, bot das bestehende System nur unzureichende Unterstützung bei der Fehlerprävention. Nach einer umfangreichen Analyse aller aufgetretenen Fehler erstellte das Profit Center Druckguss zunächst Wartungspläne zur besseren zeitlichen Koordination von Wartungsmaßnahmen. Dadurch wurden u.a. Möglichkeiten aufgezeigt, produktionsfreie Zeiten, z.B. während Rüstvorgängen zur Wartung, zu nutzen. Weiterhin ergaben sich zeitliche Vorteile durch die verbesserte Nutzung der Wartungsmöglichkeiten der Mitarbeiter vor Ort. Zum Beispiel wurden defektanfällige Kleinteile direkt an der Maschine gelagert, um diese bei Ausfall vom Maschinenbediener sofort wechseln zu lassen. Zur Optimierung zeitaufwendigerer Reparaturprozesse erfolgte darüber hinaus die Einrichtung einer internen Instandhaltungs-Rufbereitschaft.
560
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma
GZN 100% 90%
Regeleinrichtung 6%
80%
Entnahme mech. 7%
70% 60%
Sprühprogramm 8%
Maschinenstörungen 17%
Maschine mech. 9%
50%
Maschine elektr. 13%
40% 30%
Sprühgeräte 17%
20% Maschine hydraulisch 20%
10% 0%
Abbildung 7: Ursachen für Maschinenstörungen
In Abbildung 8 ist der Ist-Zustand des Instandhaltungssystems bei Honsel dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Anpassung und Optimierung des Systems zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs abgeschlossen ist. Vielmehr sind zur langfristigen Gewährleistung eines „Total Productive Maintenance“ geeignete Werkzeuge zur gezielten Identifikation und Beseitigung von Fehlerursachen einzusetzen.
Weltklasse Instandhaltung Bereichsarbeitsteam Multieinsatzfähigkeit
Stückliste
Ersatzteilstrategie & Management Anlagencodes
Element installiert [>80%]
Optimierung Überholung
Rollende IH IH-Routinen Mittel-/ Lang- & Wartungsfristplanung pläne
Standards und Spezifikationen
Kritische Anlagen
Prozessorientierte Arbeitsteams
MaschinenGeschichte
Arbeitsauftragssystem
Computerunterstütztes IH-System FMEA/ RCM
Wochenplan
Tagesplan
Risk based Maintenance (RbM)
Installation teilweise [zwischen 40% und 80%]
Autonome Instandhaltung MTBF MTTR MTBCF
Wöchentlicher IH-Bericht
Instandhaltungs Kennzahlen
Integriertes Prozeßleit/IHSystem Geschäftsplan
Vorausschauende & Zustandsabhängige IH
IH-Kosten Bericht
Täglicher IH-Bericht
Abbildung 8: Ist-Instandhaltungs-Pyramide von Honsel
Einsatzfähigkeitsmatrix
IH-Kostenstruktur
Installation teilweise [<40%]
Werks Master Plan
KurzIntervallSteuerung
Budget
Produktionsplan
Basiselement
Engelbert Heimes, Johannes Messer
561
Nur eine vorbeugende und damit aktive Gestaltung der Instandhaltung sichert einen störungsfreien Produktionsprozess. Im Soll-Zustand sind schließlich neben den vier Basiselementen Produktionsplan, Budget, Werks Master Plan und Geschäftsplan alle zusätzlichen Elemente, z.B. Prozessorientierte Arbeitsteams oder Arbeitsauftragssystem, implementiert. 2.3
Verbesserungen im gesamten Wertschöpfungsprozess
Im Rahmen der Umsetzung der Unternehmensplanung (UPL) werden bei Honsel jährlich rund 600 Projekte geplant, gesteuert und durchgeführt. Mehr als 10 % dieser Projekte weisen dabei einen direkten Bezug zur Qualität im Unternehmen auf, d.h. sie führen zu einer nachweisbaren Steigerung des Qualitätsniveaus. Das mittelfristige Ziel der Six Sigma Aktivitäten von Honsel besteht darin, das durchschnittliche Sigma-Niveau von derzeit unter 3 auf über 4 Sigma zu steigern. Mit den bisherigen Six Sigma Projekten wurde dieses Ziel durchweg erreicht und teilweise sogar übertroffen. Mit zunehmender Anwendung und Verbreitung von Six Sigma im Unternehmen wird jedoch deutlich, dass die Anforderungen bezüglich eines professionellen Projektmanagements sowie effizienten Methodeneinsatzes von Projekt zu Projekt steigen. Das heißt, um mit Hilfe von Six Sigma Projekten auch weiterhin „Quantensprünge“ bezogen auf das Qualitätsniveau zu erreichen und damit die Erwartungen der Geschäftsleitung zu erfüllen, sind die Projekte von sehr gut ausgebildeten Black Belts mit detaillierten mathematisch-statistischen Kenntnissen zu betreuen. Abbildung 9 zeigt eine Übersicht mit den wesentlichen Six Sigma Werkzeugen, die bei Honsel als „Muss- und Kann-Methoden“ in den Phasen des DMAIC-Prozesses heute und zukünftig eingesetzt werden. Neben der Durchführung von Six Sigma Projekten in den direkten Phasen des Wertschöpfungsprozesses setzen im Unternehmen heute eine Reihe von Projekten im administrativen Bereich sowie bei Service- und Dienstleistungsprozessen an. Im Jahr 2002 wurden bei Honsel insgesamt 15 Black Belt Projekte durchgeführt, die sich u.a. auf folgende Themenstellungen bezogen: •
Reduzierung der Erstellungszeit des zentralen monatlichen Berichts auf Konzernebene
•
Reduzierung des internen und externen Ausschusses bei Produkt A
•
Steigerung der Formausbringung (in Stück pro Schicht) durch Erarbeitung eines Temperierungskonzepts
•
Reduzierung der Kosten für Hilfsstoffe (z.B. Bearbeitungsöl)
•
Reduzierung der Einsatzmengen bei Hilfs- und Betriebsstoffen
•
Erhöhung des Service-Levels im EDV-Support.
Gantt Diagramm
Aktionsliste
Kontinuierliche Daten
Flußdiagramme
In Anlehnung an „Six Sigma Pocket Guide“ Rath & Strong‘s Management Consulting
EWMA
Regelkarten
Mehr als zwei Level
Hypothesentest
Qualitätsprozeßkarte
Blackett-Burnham Designs
X-Bar, R
Prozess Sigma
Screening Design
Häufigkeitsverteilung
Prozessfähigkeit
Teilfaktorielle Versuchspläne
Individuelle Datenpunkte
Process Mapping
Vollfaktorielle Versuchspläne
FMEA
Projektbeschreibung
Design of Experiments
Planning Grid
Planungswerkzeuge
Histogramm
Daten-Sammelplan
Pareto-Diagramm
Strichliste
Meßsystemanalyse
CHI Quadrat
Consensus Kano Model
ANOVA
Business Case
Daten-Sammelkarten
Paired t-test
Brainstorming
Critical to Quality Tree
t-test
D M A I C
Affinitätsdiagramm
D M A I C
D M A I C
Übliche Einsatzmöglichkeiten der Werkzeuge
Im Projekt verwendet
VOC (Voice of Customer)
Verpflichtung der Organisation
Ursache-Wirkungsdiagramm
Time Series plot (Run Charts)
SWOT Analyse
Stratified Frequency plots
Stratification
Stichproben
Stakeholder Analyse
Six Sigma Matrix
SIPOC
Scatter plots
Standardisierung
Rolled Throughput Yield
Regressionsanalyse
C, u
p, np
Diskrete Daten
562 Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma
Abbildung 9: Six Sigma Werkzeuge im DMAIC-Prozess
Durch prozessspezifische Six Sigma Projekte konnten vor allem die internen und externen Ausschussraten bei bestimmten Produkten deutlich reduziert werden. Zum Beispiel sank bei einem Produktionsprozess der interne Ausschuss von 12 auf 3 %. Die Reklamationsrate (Retouren) ging im gleichen Zug um 50 % zurück. Bezogen auf die gesamte Wertschöpfungskette führen die Six Sigma Projekte damit zu einer quantifizierbaren Steigerung der internen und externen Qualität.
Engelbert Heimes, Johannes Messer
3
563
Operatives versus Strategisches Performance Measurement
Die Überwachung der Zielerreichung auf operativer Ebene erfolgt bei Honsel durch die Bestimmung eines Faktors für die Gesamtanlagennutzung (GAN). Dieser ergibt sich als Produkt aus der Gesamtzeitnutzung (GZN) und der Qualitätsrate. Letztere bestimmt sich entsprechend der internen und externen Ausschussrate: GAN = GZN ⋅ Qualitätsrate = GZN ⋅ (1- (interne + externe Ausschussrate)). Die Entwicklung der GZN sowie internen Qualitätsrate verläuft seit der Einführung des Six Sigma Programms sehr positiv. In einem Zeitraum von knapp einem Jahr verbesserte sich die Gesamtzeitnutzung um insgesamt 7,5 %. Die interne Qualitätsrate stieg um 1,8 % und lag im 2. Quartal 2001 bei rund 94 %. Der auf dieser Basis ermittelte Nutzungsfaktor GAN stieg im gleichen Zeitraum (2000/01) um 7,3 % (vgl. Abbildung 10). GAN % 80 79
Ist vor Six Sigma
78
Ist seit Six Sigma
77
urspr. Plan 2000
76
Six Sigma - Ziel
75,5
76,6
76,6
05-06/02
07-08/02
77,6
77,6
09-10/02
11-12/02
75,6
75 74
72,4
73 72 71 70 69 68 67 66
65,1
65
73,9 73,3
63
66,2
62 61
63,8
60 59
77,5
65,1
64
63,1 59,4
58 1997
1998
1999
2000
2001
01-02/02
03-04/02
Abbildung 10: Entwicklung der Gesamtanlagennutzung (GAN)
In Abbildung 10 ist exemplarisch die Entwicklung der Gesamtanlagennutzung im Profit Center Druckguss Meschede dargestellt. Dabei ist anzumerken, dass eine Verbesserung der Gesamtanlagennutzung um 1 % einer Kostenreduzierung im sechsstelligen Euro-Bereich entspricht. Seit dem Beginn der Six Sigma Initiative im Jahr 2000 konnten Einsparungen im siebenstelligen Euro-Bereich realisiert werden. Im Rahmen des Six Sigma Programms wird für das Profit Center Druckguss Meschede eine Erhöhung der GAN von 65 auf über 77 % in einem Zeitraum von etwa zwei Jahren angestrebt. Die zu Anfang des Projektes nicht für möglich gehaltenen Verbesserungen wurden erreicht und zum Teil noch übertroffen.
564
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei Honsel durch Six Sigma
Zur langfristigen Planung, Realisierung und Kontrolle von Verbesserungsprozessen setzt Honsel ein unternehmensspezifisches Managementsystem ein (vgl. hierzu Abbildung 11). Dieses umfasst zum einen in Form von UPL bzw. Balanced Scorecard ein sicheres und systematisches Werkzeug zur Planung der Unternehmensziele. Zum anderen wurden die gesetzten Ziele mittels verschiedener Six Sigma Tools konsequent erreicht. Die strategische Kontrolle bzw. Orientierung, als dritte tragende Säule, erfolgte bisher entsprechend den einschlägig bekannten Regelwerken VDA 6.1 und QS 9000. Diese verweisen zwar auf die Installation bestimmter Maßnahmen, bieten jedoch derzeit keine ausreichende Möglichkeit, erreichte Ziele und deren Auswirkung zu bewerten. Die im Rahmen der Zertifizierung vorgeschriebenen „Orientierungstools“ sind somit nicht fähig, den von Honsel verfolgten kontinuierlichen Verbesserungsprozess nachhaltig zu unterstützen.
Honsel Excellence Honsel Managemen t
Planen
System
Orientieren
Realisieren
Unternehmensziele und
Übergeordnetes Diagnose-
Management der Zieler-
-planung mit UPL (BSC)
system nach EFQM
reichung mit Six Sigma
Abbildung 11: Konzept zur Neuausrichtung des Honsel Management System
Nach der Einführung des Six Sigma Programms wurde bei Honsel ein geeignetes Diagnosesystem gesucht, das den Verbesserungsprozess – angetrieben durch die „zwei Säulen“ Planen und Realisieren – im Hinblick auf Navigation und Orientierung besser unterstützt. Im Ergebnis fiel die Wahl auf das EFQM-Modell, da dieses dem Aufbau nach der Balanced Scorecard entspricht und die Implementierung in das bestehende System weitestgehend problemlos ermöglicht. Die Bewertung nach dem EFQM-Modell erfolgt zudem sehr ergebnisorientiert, so dass eine Unterteilung in die Kriterien „Befähiger“ und „Ergebnisse“ zukünftig möglich ist. Die Berechtigung des EFQM-Modells liegt weiterhin darin begründet, dass neben den harten Faktoren auch weiche Faktoren, wie z.B. Qualifizierung, Führung, Arbeitsituation und Kommunikation, explizit berücksichtigt werden. Genau diese Anforderung bestand bei der Erweiterung des bereits bestehenden Honsel Management System. Betrachtet man den Implementierungsprozess bei Honsel im De-
Engelbert Heimes, Johannes Messer
565
tail, dann stellt sich das Vorgehen – zuerst BSC und Six Sigma und anschließend EFQM – genau entgegengesetzt zu der „üblicherweise“ gewählten Reihenfolge dar. Dabei sind folgende zwei Punkte zu berücksichtigen. Beginnt man mit der Einführung des EFQM-Modells zuerst, dann führt die damit verbundene Statusanalyse nicht automatisch zu Verbesserungen. Weiterhin besteht beim „klassischen“ Vorgehen die Gefahr, dass durch das EFQM-Assessment ein umfassender Überbau ohne ausreichende „Bodenhaftung“ geschaffen wird. Erst durch den Einsatz weiterer Instrumente – insbesondere BSC und Six Sigma – lässt sich das Wissen um die aufgedeckten Defizite und Handlungsfelder wirksam nutzen.
Tabellenanhang SigmaWert 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 3,0
Dichte ohne Shift 39,9% 39,7% 39,1% 38,1% 36,8% 35,2% 33,3% 31,2% 29,0% 26,6% 24,2% 21,8% 19,4% 17,1% 15,0% 13,0% 11,1% 9,4% 7,9% 6,6% 5,4% 4,4% 3,5% 2,8% 2,2% 1,8% 1,4% 1,0% 0,8% 0,6% 0,4%
Verteilung ohne Shift 50,0% 54,0% 57,9% 61,8% 65,5% 69,1% 72,6% 75,8% 78,8% 81,6% 84,1% 86,4% 88,5% 90,3% 91,9% 93,3% 94,5% 95,5% 96,4% 97,1% 97,7% 98,2% 98,6% 98,9% 99,2% 99,4% 99,5% 99,7% 99,7% 99,8% 99,9%
Ausbeute ohne Shift 0,0% 8,0% 15,9% 23,6% 31,1% 38,3% 45,1% 51,6% 57,6% 63,2% 68,3% 72,9% 77,0% 80,6% 83,8% 86,6% 89,0% 91,1% 92,8% 94,3% 95,4% 96,4% 97,2% 97,9% 98,4% 98,8% 99,1% 99,3% 99,5% 99,6% 99,7%
DPMO Cp=Cpk ohne Shift ohne Shift 1.000.000 920.344 841.481 764.177 689.157 617.075 548.506 483.927 423.711 368.120 317.311 271.332 230.139 193.601 161.513 133.614 109.599 89.131 71.861 57.433 45.500 35.729 27.807 21.448 16.395 12.419 9.322 6.934 5.110 3.732 2.700
0,00 0,03 0,07 0,10 0,13 0,17 0,20 0,23 0,27 0,30 0,33 0,37 0,40 0,43 0,47 0,50 0,53 0,57 0,60 0,63 0,67 0,70 0,73 0,77 0,80 0,83 0,87 0,90 0,93 0,97 1,00
Tabelle 1: Ermittlung von Ausbeute, Fehlerquote, Streuungs- und Niveauindex auf Basis der Standardnormalverteilung ohne Shift
568
Tabellenanhang
SigmaWert
Dichte ohne Shift
Verteilung ohne Shift
Ausbeute ohne Shift
3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 3,9 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 5,9 6,0
0,33% 0,24% 0,17% 0,12% 0,09% 0,06% 0,04% 0,03% 0,02% 0,01% 0,0089% 0,0059% 0,0039% 0,0025% 0,0016% 0,0010% 0,0006% 0,0004% 0,0002% 0,0001% 0,0000897% 0,0000536% 0,0000317% 0,0000186% 0,0000108% 0,0000062% 0,0000035% 0,0000020% 0,0000011% 0,0000006%
99,903% 99,931% 99,952% 99,966% 99,977% 99,984% 99,989% 99,993% 99,995% 99,997% 99,99793% 99,99866% 99,99915% 99,99946% 99,99966% 99,99979% 99,99987% 99,99992% 99,99995% 99,99997% 99,9999830% 99,9999900% 99,9999942% 99,9999967% 99,9999981% 99,9999989% 99,9999994% 99,9999997% 99,9999998% 99,9999999%
99,806% 99,863% 99,903% 99,933% 99,953% 99,968% 99,978% 99,986% 99,990% 99,994% 99,99587% 99,99733% 99,99829% 99,99892% 99,99932% 99,99958% 99,99974% 99,99984% 99,99990% 99,99994% 99,9999660% 99,9999800% 99,9999884% 99,9999933% 99,9999962% 99,9999979% 99,9999988% 99,9999993% 99,9999996% 99,9999998%
DPMO Cp=Cpk ohne Shift ohne Shift 1.935 1.374 967 674 465 318 216 145 96 63 41 27 17 11 7 4 3 2 1 0,57 0,34 0,20 0,12 0,07 0,04 0,021 0,012 0,007 0,004 0,002
1,03 1,07 1,10 1,13 1,17 1,20 1,23 1,27 1,30 1,33 1,37 1,40 1,43 1,47 1,50 1,53 1,57 1,60 1,63 1,67 1,70 1,73 1,77 1,80 1,83 1,87 1,90 1,93 1,97 2,00
Tabelle 1 (Fortsetzung): Ermittlung von Ausbeute, Fehlerquote, Streuungs- und Niveauindex auf Basis der Standardnormalverteilung ohne Shift
Tabellenanhang
SigmaWert 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 3,0
Dichte mit Verteilung Shift +1,5 mit Shift 13,0% 15,0% 17,1% 19,4% 21,8% 24,2% 26,6% 29,0% 31,2% 33,3% 35,2% 36,8% 38,1% 39,1% 39,7% 39,9% 39,7% 39,1% 38,1% 36,8% 35,2% 33,3% 31,2% 29,0% 26,6% 24,2% 21,8% 19,4% 17,1% 15,0% 13,0%
6,7% 8,1% 9,7% 11,5% 13,6% 15,9% 18,4% 21,2% 24,2% 27,4% 30,9% 34,5% 38,2% 42,1% 46,0% 50,0% 54,0% 57,9% 61,8% 65,5% 69,1% 72,6% 75,8% 78,8% 81,6% 84,1% 86,4% 88,5% 90,3% 91,9% 93,3%
Ausbeute mit Shift
569
DPMO Cp mit Cpk mit mit Shift Shift Shift
0,0% 1.000.000 2,6% 974.043 5,2% 947.765 7,9% 920.861 10,7% 893.050 13,6% 864.095 16,6% 833.804 19,8% 802.048 23,1% 768.761 26,6% 733.944 30,2% 697.672 34,0% 660.083 37,9% 621.378 41,8% 581.815 45,8% 541.694 49,9% 501.350 53,9% 461.140 57,9% 421.428 61,7% 382.572 65,5% 344.915 69,1% 308.770 72,6% 274.412 75,8% 242.071 78,8% 211.928 81,6% 184.108 84,1% 158.687 86,4% 135.687 88,5% 115.083 90,3% 96.809 91,9% 80.762 93,3% 66.811
0,00 0,03 0,07 0,10 0,13 0,17 0,20 0,23 0,27 0,30 0,33 0,37 0,40 0,43 0,47 0,50 0,53 0,57 0,60 0,63 0,67 0,70 0,73 0,77 0,80 0,83 0,87 0,90 0,93 0,97 1,00
0,00 0,03 0,07 0,10 0,13 0,17 0,20 0,23 0,27 0,30 0,33 0,37 0,40 0,43 0,47 0,50
Tabelle 2: Ermittlung von Ausbeute, Fehlerquote, Streuungs- und Niveauindex auf Basis der Standardnormalverteilung mit Shift
570
Tabellenanhang
SigmaWert 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 3,9 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 5,9 6,0
Dichte mit Verteilung Shift +1,5 mit Shift 11,1% 9,4% 7,9% 6,6% 5,4% 4,4% 3,5% 2,8% 2,2% 1,8% 1,36% 1,04% 0,79% 0,60% 0,44% 0,33% 0,24% 0,17% 0,12% 0,09% 0,061% 0,042% 0,029% 0,020% 0,013% 0,0089% 0,0059% 0,0039% 0,0025% 0,0016%
94,5% 95,5% 96,4% 97,1% 97,7% 98,2% 98,6% 98,9% 99,2% 99,4% 99,53% 99,65% 99,74% 99,81% 99,87% 99,90% 99,93% 99,95% 99,97% 99,98% 99,984% 99,989% 99,993% 99,995% 99,997% 99,99793% 99,99866% 99,99915% 99,99946% 99,99966%
Ausbeute mit Shift 94,5% 95,5% 96,4% 97,1% 97,7% 98,2% 98,6% 98,9% 99,2% 99,4% 99,53% 99,65% 99,74% 99,81% 99,87% 99,90% 99,93% 99,95% 99,97% 99,98% 99,984% 99,989% 99,993% 99,995% 99,997% 99,99793% 99,99866% 99,99915% 99,99946% 99,99966%
DPMO Cp mit Cpk mit mit Shift Shift Shift 54.801 44.567 35.931 28.717 22.750 17.865 13.903 10.724 8.198 6.210 4.661 3.467 2.555 1.866 1.350 968 687 483 337 233 159 108 72 48 32 20,7 13,4 8,5 5,4 3,4
1,03 1,07 1,10 1,13 1,17 1,20 1,23 1,27 1,30 1,33 1,37 1,40 1,43 1,47 1,50 1,53 1,57 1,60 1,63 1,67 1,70 1,73 1,77 1,80 1,83 1,87 1,90 1,93 1,97 2,00
0,53 0,57 0,60 0,63 0,67 0,70 0,73 0,77 0,80 0,83 0,87 0,90 0,93 0,97 1,00 1,03 1,07 1,10 1,13 1,17 1,20 1,23 1,27 1,30 1,33 1,37 1,40 1,43 1,47 1,50
Tabelle 2 (Fortsetzung): Ermittlung von Ausbeute, Fehlerquote, Streuungs- und Niveauindex auf Basis der Standardnormalverteilung mit Shift
Tabellenanhang
Anzahl von Komponenten
571
Sigma-Niveau der Teile und Montageschritte (Komponenten) 1-Sigma
2-Sigma
3-Sigma
4-Sigma
5-Sigma
6-Sigma
1 30,2328% 69,1230% 93,3189% 99,3790% 99,9767% 99,9997% 5 0,2526% 15,7802% 70,7700% 96,9335% 99,8837% 99,9983% 10 0,0006% 2,4901% 50,0839% 93,9610% 99,7676% 99,9966% 20 0,0000% 0,0620% 25,0839% 88,2867% 99,5357% 99,9932% 50 0,0000% 0,0000% 3,1513% 73,2382% 98,8432% 99,9830% 100 0,0000% 0,0000% 0,0993% 53,6383% 97,6999% 99,9660% 250 0,0000% 0,0000% 0,0000% 21,0712% 94,3485% 99,9150% 500 0,0000% 0,0000% 0,0000% 4,4399% 89,0163% 99,8301% 1.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,1971% 79,2391% 99,6605% 2.500 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 55,8919% 99,1534% 5.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 31,2390% 98,3140% 7.500 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 17,4601% 97,4816% 10.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 9,7588% 96,6564% 15.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 3,0485% 95,0267% 20.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,9523% 93,4245% 25.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,2975% 91,8494% 30.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0929% 90,3008% 35.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0290% 88,7783% 40.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0091% 87,2814% 45.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0028% 85,8098% 50.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0009% 84,3631% 75.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 77,4869% 100.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 71,1713% 250.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 42,7329% 500.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 18,2610% 1.000.000 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 0,0000% 3,3346%
Tabelle 3: Ermittlung der Gesamtausbeute in Abhängigkeit von der Komponentenzahl
572
Tabellenanhang
Sigma 1 Sigma 2 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 3,9 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 5,9 6,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
20,8978% 21,9365% 22,9143% 23,8256% 24,6667% 25,4352% 26,1306% 26,7535% 27,3060% 27,7911% 28,2129% 28,5760% 28,8854% 29,1465% 29,3646% 29,5450% 29,6927% 29,8124% 29,9086% 29,9850% 30,0450% 30,0919% 30,1280% 30,1555% 30,1764% 30,1920% 30,2035% 30,2120% 30,2182% 30,2226% 30,2258% 30,2280% 30,2295% 30,2306% 30,2313% 30,2318% 30,2322% 30,2324% 30,2325% 30,2326% 30,2327%
47,7799% 50,1548% 52,3903% 54,4739% 56,3969% 58,1541% 59,7439% 61,1681% 62,4312% 63,5405% 64,5048% 65,3349% 66,0424% 66,6393% 67,1380% 67,5504% 67,8881% 68,1619% 68,3817% 68,5563% 68,6937% 68,8008% 68,8833% 68,9464% 68,9940% 69,0297% 69,0561% 69,0755% 69,0896% 69,0997% 69,1069% 69,1120% 69,1155% 69,1180% 69,1197% 69,1208% 69,1216% 69,1221% 69,1224% 69,1226% 69,1227%
64,5048% 67,7111% 70,7291% 73,5421% 76,1382% 78,5104% 80,6568% 82,5795% 84,2848% 85,7823% 87,0842% 88,2049% 89,1600% 89,9659% 90,6391% 91,1959% 91,6518% 92,0215% 92,3182% 92,5539% 92,7395% 92,8840% 92,9954% 93,0805% 93,1448% 93,1930% 93,2286% 93,2548% 93,2738% 93,2875% 93,2972% 93,3041% 93,3089% 93,3122% 93,3144% 93,3160% 93,3170% 93,3177% 93,3181% 93,3184% 93,3186%
68,6937% 72,1082% 75,3222% 78,3179% 81,0825% 83,6089% 85,8946% 87,9422% 89,7582% 91,3530% 92,7395% 93,9329% 94,9500% 95,8082% 96,5252% 97,1181% 97,6037% 97,9973% 98,3133% 98,5644% 98,7619% 98,9158% 99,0345% 99,1251% 99,1936% 99,2449% 99,2829% 99,3107% 99,3310% 99,3455% 99,3559% 99,3632% 99,3683% 99,3718% 99,3742% 99,3759% 99,3770% 99,3777% 99,3782% 99,3785% 99,3787%
69,1069% 72,5419% 75,7752% 78,7889% 81,5702% 84,1117% 86,4112% 88,4711% 90,2981% 91,9024% 93,2972% 94,4979% 95,5211% 96,3845% 97,1057% 97,7022% 98,1907% 98,5867% 98,9046% 99,1572% 99,3559% 99,5107% 99,6301% 99,7213% 99,7902% 99,8418% 99,8800% 99,9080% 99,9284% 99,9430% 99,9535% 99,9608% 99,9660% 99,9695% 99,9719% 99,9736% 99,9747% 99,9754% 99,9759% 99,9762% 99,9764%
69,1227% 72,5585% 75,7926% 78,8070% 81,5889% 84,1310% 86,4310% 88,4914% 90,3188% 91,9235% 93,3186% 94,5195% 95,5430% 96,4066% 97,1280% 97,7246% 98,2132% 98,6093% 98,9272% 99,1799% 99,3787% 99,5335% 99,6530% 99,7441% 99,8131% 99,8647% 99,9029% 99,9309% 99,9513% 99,9660% 99,9764% 99,9837% 99,9889% 99,9924% 99,9948% 99,9965% 99,9976% 99,9983% 99,9988% 99,9991% 99,9993%
Tabelle 4: Ermittlung der Gesamtausbeute bei zwei Montageschritten
Abkürzungsverzeichnis ABB
Asea Brown Boveri
Abb.
Abbildung
AEM
Assemblability Evaluation Method
ARIZ
Algoritm Reshenije Izobretatjelskich Zadacz (russ. Akronym)
ASTD
American Society for Training and Development
Aufl.
Auflage
BB
Black Belt
BE
Business Excellence
BELT
Business Excellence Leadership Training
BPM
Business Process Management
BQA
Business Quality Analyst
BQC
Business Quality Council
BR
Betriebsrat
BSC
Balanced Scorecard, Balanced Score Card
bspw.
beispielsweise
BVW
Betriebliches Vorschlagwesen
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CAP
Change Acceleration Process
CEO
Chief Executive Officer
COPQ
Cost of Poor Quality
CSI
Customer Satisfaction Index
CTQ
Critical to Quality
CTQs
Critical to Qualities
d.h.
das heißt
DFMA
Design for Manufacturing and Assembly
DFSS
Design for Six Sigma
DIN
Deutsche Industrie Norm
DMADV
Define Measure Analyse Design Verify
DMAIC
Define Measure Analyse Improve Control
DOE
Design of Experiments
574
Abkürzungsverzeichnis
DPMO
Defects Per Million Opportunities/ Fehler pro eine Million Fehlermöglichkeiten
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
EFQM
European Foundation for Quality Management
ehem.
ehemalig
EN
Europäische Norm
et al.
et alii (lat. und andere)
etc.
et cetera
ETG
VA TECH ELIN Transformatoren GmbH & Co
EVA
Economic Value Added
F&E
Forschung und Entwicklung
f.
folgende
ff.
fortfolgende
FMEA
Failure Mode and Effects Analysis/ Fehler-Möglichkeits und Einfluss-Analyse
GAN
Gesamtanlagennutzung
GB
Green Belt
GE
General Electric
GECITS
GE Capital IT-Solutions
ggf.
gegebenenfalls
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
GZN
Gesamtzeitnutzung
HIT
Honsel International Technologies
HoQ
House of Quality
Hrsg.
Herausgeber
i.d.R.
in der Regel
i.e.S.
im engeren Sinn
i.H.v.
in Höhe von
i.w.S.
im weiteren Sinn
IH
Instandhaltung
inkl.
inklusive
ISO
International Organization for Standardization
IT
Informationstechnologie
J&J
Johnson & Johnson
Abkürzungsverzeichnis
Jg.
Jahrgang
JIT
Just in Time
K.o.
im Sinne von "nicht erfüllt"
KBI
Kundenbindungsindex
KBM
Knowledge Based Management
KVP
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
LCL
Lower Control Limit
LMS
Learning Management System
LSL
Lower Specification Limit
MA
Mitarbeiter
MBB
Master Black Belt
MBNQA
Malcolm Baldrige National Quality Award
MbO
Management by Objectives
MGP
Multi Generation Plan
Mio.
Million
mm
Millimeter
MPI
Milestone Perfomance Index
MPSP
Management-Planungs-Steuerungs-Programm
Mrd.
Milliarde
MT
Manntage
NIST
National Institute of Standards and Technology
OEE
Overall Equipment Efficency
OEM
Original Equipment Manufacturer
PBR
Projekt Business Review
PCI
Process Capability Index
PDCA
Plan, Do, Check, Act
PPM
Parts Per Million/Fehler pro eine Million Teile
PR
Public Relation
P-Regelkarte
Prozess-Regelkarte
PVT
Plastikverarbeitung Thüringen
QC
Qualitätscontrolling
QFD
Quality Function Deployment
QL
Quality Leader
QM
Qualitätsmanagement
575
576
Abkürzungsverzeichnis
QS
Quality System
QVP
Qualitätsverbesserungsprozess
RG
Regionalgesellschaft
RQC
Regional Quality Council
s.
siehe
s.o.
siehe oben
SIPOC
Supplier Input Process Output Costumer
SIS
System Installation Status
sog.
sogenannte
SPC
Statistical Process Control / Statistische Prozesskontrolle
SRP
Saving Realisation Plan
SVP
Senior Vice President
TCI
Testing Capability Index
TIPS
Theory of Inventive Problem Solving
TPM
Total Productive Maintenance
TQM
Total Quality Management
TRIZ
Theorija Reshenija Izobretatjelskich Zadacz (russ. Akronym)
u.a.
unter anderem
u.U.
unter Umständen
UCL
Upper Control Limit
UPL
Umsetzung der Unternehmensplanung
USL
Upper Specification Limit
usw.
und so weiter
VDA
Verband der Automobilindustrie
VES
Viterra Energy Services
vgl.
vergleiche
VOC
Voice of the Customer
vs.
versus
WBT
Web Based Training
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
ZP
Zielplanung
ZV
Zielvereinbarung
Autoren-Kurzbiographien Peter Bucher, Jahrgang 1966, ist bei Western Union als Vice President for Operations & Six Sigma for Europe, Middle East, Africa and South Asia zuständig. Davor beschäftigte er sich fünf Jahre als Master Black Belt und Quality Leader bei General Electric mit dem Thema Six Sigma und war zudem als Quality Leader für GE Capital IT Solutions tätig. Zu den Hauptaufgaben dieser Funktion gehörten die ständige Erhöhung der Kundenzufriedenheit, die Optimierung der Unternehmensprozesse mit Six Sigma Methoden, die laufende Weiterentwicklung der Six Sigma Infrastruktur sowie das aktive Coaching der Master Black Belts an allen europäischen Standorten. Seit April 2002 arbeitet Peter Bucher als Director Six Sigma für Western Union International. Günter Bulk, Dr., Jahrgang 1962, ist Executive Vice President bei der Deutsche Post World Net und verantwortet die Service Line Finance Operations. Zuvor war er neun Jahre als Geschäftsführer für GE CompuNet (ab 2003: Computacenter) tätig und leitete in dieser Funktion zuletzt die Supply Chain Services des Unternehmens. Als zertifizierter Six Sigma Quality Leader hat er von 1997 bis 2000 die Six Sigma Initiative bei GECITS Europa und GE CompuNet entwickelt und implementiert. In diesem Zusammenhang hat er vor allem die Erfolgskonzepte sowie die entsprechende Infrastruktur für das Unternehmen erarbeitet und aufgebaut. Günter Bulk ist promovierter Physiker und verfügt über weitreichende Erfahrungen in der internationalen Management-Beratung, insbesondere zu den Schwerpunkten Informationstechnologie und Fertigungsindustrie. Steve Crom, Jahrgang 1958, ist Managing Director Europe bei Aon Management Consulting – Rath & Strong. In dieser Rolle ist er insbesondere für die Beratungsfelder und -schwerpunkte „Process Improvement & Design Practice“ sowie „Leadership & Organization Effectiveness“ zuständig. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Management am Beloit College sowie Außenhandelstheorie an der London School of Economics and Political Science. Darüber hinaus erhielt er den MBA-Abschluss an der University of Chicago. Im Rahmen seiner Tätigkeit berät und unterstützt er seit 1995 Unternehmen bei der Einführung von Six Sigma. Dabei hat er inzwischen über 250 Projektleiter erfolgreich ausgebildet und trainiert. Zurzeit konzentriert er sich auf die Beratung von Top-Managern, die mehr und mehr den strategischen Nutzen von Six Sigma erkennen. Steve Crom spricht fließend Englisch, Französisch und Deutsch und kann dadurch Unternehmen, wie bspw. GE, Johnson & Johnson, Siemens oder Alstom, optimal bei deren globalen Implementierungsstrategien von Six Sigma unterstützen. Eike Dorff, Jahrgang 1972, arbeitet seit April 2001 als Master Black Belt bei Bombardier Transportation und seit August 2001 als Director Six Sigma im Bereich Division „Light Rail Vehicles“ (Straßenbahnen). Seine Aufgabenstellung ist die Einführung von Six Sigma und die Standardisierung der Geschäftsprozesse in Europa. Nach seinem Maschinenbaustudium an der Berufsakademie Stuttgart von
578
Autoren-Kurzbiographien
1993 bis 1996 war er zunächst für Whirlpool Europe tätig. Im Unternehmen wurde er zum Black Belt und später zum Master Black Belt ausgebildet und absolvierte zahlreiche Projekte an verschiedenen Standorten in Europa. Als zertifizierter Master Black Belt führte er anschließend Black Belt Trainings und Management Workshops in Europa und Asien durch und war für die Betreuung der Black Belts und deren Projekte verantwortlich. Otto P. van Driel, Jahrgang 1944, ist seit mehr als 30 Jahren Consultant bei Philips. Bevor er zum Centre for Industrial Technology am Hauptsitz in Eindhoven stieß, war er im Research-Bereich sowie im Halbleiterwerk Nijmegen tätig. Angefangen als Statistiker, stieg er im Rahmen seiner Tätigkeit als Prozessbeauftragter bis zum Senior Consultant auf. Zurzeit arbeitet er in der Zentralabteilung für Produktion und Entwicklung, die u.a. für die weltweiten DFSS-Aktivitäten zuständig ist. Seit Anfang 2001 ist er Visiting-Professor für Prozess- und Produktqualität an der TU Eindhoven. Hier gibt er seine reichhaltigen Erfahrungen auf dem Gebiet des Qualitäts- und Projektmanagements an die „Junge Generation” weiter. Das Six Sigma Denken sieht er nicht nur als Benchmark für das Qualitätsverständnis bei Philips, sondern auch für sein eigenes „Tun und Handeln”. Norbert Faulhaber, Jahrgang 1963, ist als Vice President Business Excellence und zertifizierter Master Black Belt derzeit unter anderem für die erfolgreiche Einführung von „Six Sigma & Lean“ bei der T-Mobile International verantwortlich. Zuvor hat er als Head of Process Xcellence Germany mit großem Erfolg für Xchanging Ltd. im ehemaligen Financial Securities Back Office der Deutschen Bank Six Sigma implementiert und war dort auch für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Six Sigma Process Competency in Deutschland verantwortlich. Vor seiner Zeit bei Xchanging war er über sieben Jahre unter Jack Welch und Jeff Immmelt in verschiedenen europäischen Businesses von General Electric (GE Commercial Finance, GE Capital IT Solutions) tätig und hat sowohl bei GE Capital als auch bei GE-Kunden Six Sigma aufgebaut und etabliert. Darüber hinaus verantwortete er zahlreiche Projekte als Master Black Belt für System Integration Services, Operations, Sales sowie im Credit Risk Management. Viktor Fritsch, Jahrgang 1959, studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Linz und ist heute als zertifizierter Black Belt und ausgebildeter European Industrial Engineer in der Stabstelle „Business Improvement“ bei der VA TECH ELIN Transformatoren GmbH & Co (ETG) tätig. In dieser Funktion ist er für die Betreuung und Unterstützung von Six Sigma Projekten und KVP-Aktivitäten sowie die Schulung von Mitarbeitern in der Six Sigma Methodik verantwortlich. Zusätzlich ist er als ausgebildeter DGQ-Auditor tätig. Zuvor war er mehr als 12 Jahre Leiter einer Produktionsabteilung im Großtransformatorenbau. Weitere berufliche Stationen waren eine längere Tätigkeit bei ABB-Genf (Transformatorenbereich) sowie internationale Projektabwicklungen. Bernd Garzinsky, Jahrgang 1957, Dipl.-Ing., ist Seniorberater und Mitglied der Geschäftsleitung der M+M Sig Sigma Group und der M+M Management + Mar-
Autoren-Kurzbiographien
579
keting Consulting GmbH in Kassel. Er ist Qualitätsfachingenieur, Six Sigma Black Belt sowie Assesor der European Foundation for Quality Management (EFQM). Vor Aufnahme seiner Beratungstätigkeit hat er langjährige Erfahrungen als Führungskraft in namhaften internationalen Konzernen gesammelt. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören Six Sigma, Prozessoptimierung/KVP, Qualitätsmanagement und Management von Veränderungen, Business Excellence, Management von Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Mess- und Steuerungsinstrumente/BSC. Des Weiteren ist er Lehrbeauftragter an der Universität Kaiserslautern zum Thema Management von Kundenzufriedenheit sowie Dozent an der Dresden International University (DIU). Im Rahmen seiner Six Sigma Black Belt Tätigkeit ist er Trainer bei der M+M Six Sigma Akademie® in offenen und unternehmensinternen Green und Black Belt Schulungen. Swen Günther, Jahrgang 1977, ist Berater und Six Sigma Black Belt bei der M+M Six Sigma Group und der M+M Management + Marketing Consulting GmbH in Kassel. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören sowohl Industrieunternehmen, insb. im Automotive-Bereich, als auch Dienstleistungsunternehmen, z.B. Banken und Krankenhäuser. Six Sigma Projekte/ Aktivitäten begleitete er u.a. bei Hilti, Knorr-Bremse und UKD. Im Rahmen seiner Six Sigma Black Belt Tätigkeit ist er regelmäßig bei der M+M Six Sigma Akademie® als Trainer aktiv; hier führt er offene und unternehmensinterne Green und Black Belt Schulungen durch. Nach Abschluss des Universitätsstudiums zum Dipl.-Wirtschaftsingenieur begann er 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung der TU Dresden mit den Forschungsschwerpunkten Six Sigma, Qualitätsmanagement und -controlling sowie Prozessanalyse und -planung. Er ist Dozent an der Dresden International University (DIU). Rainer von Hagen, Dr., Jahrgang 1955, ist Principal Consultant und Leiter des Marktbereichs Transport der DNV Germany GmbH. Seine Tätigkeits- bzw. Beratungsschwerpunkte, insbesondere in den Branchen Transport (Eisenbahn, Luftfahrt, Automobil) und Energieversorgung, sind Change Management, Prozessund Risikomanagement sowie Kundenorientierung in Verbindung mit Six Sigma. Zuvor war er als Master Black Belt (MBB) im European Quality Team von GE Capital IT Solutions tätig, wo er die Optimierung der Prozesse des Finanz- und Rechnungswesens übernahm. Mit den Schwerpunkten Sicherheitsmanagement und Geschäftsprozessoptimierung war er weiterhin als Unternehmensberater und Projektleiter bei Dr. Adams & Partner tätig. Vor dieser Zeit führte er eine Sachverständigenorganisation und assistierte in verschiedenen Wirtschaftsprüfungsund Steuerberatungsgesellschaften. Engelbert Heimes, Dr., Jahrgang 1955, war Vorsitzender der Geschäftsführung der Honsel International Technologies (HIT) und begleitet heute als Aufsichtsratsvorsitzender die Unternehmen der Edscha AG und der HT Troplast GmbH. Nach dem Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen promovierte er auf dem Gebiet der Werkstoffkunde an der Kernforschungsanlage in Jülich. 1985 begann er seine berufliche Laufbahn bei Honsel in Meschede. Hier durchlief er verschie-
580
Autoren-Kurzbiographien
dene Stationen in der Forschung und Entwicklung und übernahm die Leitung der Verfahrens- und Produktentwicklung sowie die der Sandgießereien. 1991 folgte ein Wechsel zu Thyssen, wo er in leitender Funktion als Geschäftsführer für Technik und Verkauf für die Leichtmetallgießereien des Unternehmens zuständig war. Mit einer Berufung in den Vorstand erfolgte Mitte 1997 die Rückkehr zu Honsel. Schwerpunkte seiner Tätigkeit bildeten fortan der Aufbau des Geschäftsfelds Druckguss sowie die Reorganisation von Produktionsabläufen. Im November 2000 übernahm er als Vorsitzender der Geschäftsführung die Gesamtleitung des Unternehmens. Bernhard Kleemann, Jahrgang 1965, war Master Black Belt bei Siemens Power Generation. Hier ist er für die methodische Betreuung der Black und Green Belts in deren Verbesserungsprojekten verantwortlich. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der TU Darmstadt arbeitete er als Projektingenieur für Fertigoperationsräume. Als Qualitätsverantwortlicher führte er einen Medizingerätehersteller zur Zertifizierung nach EN 46001. Danach folgte eine Tätigkeit als Black Belt bei einem weltweit führenden Finanzdienstleister. In seiner Rolle als Projektleiter bei Siemens „Qualifizierung & Training“ betreute er mehrere Firmen bei der Ein- und Umsetzung von Programmen zur Prozessverbesserung (insb. Six Sigma). Seine Aufgaben reichten von der strategischen Gestaltung über die Trainingsdurchführung bis zur Betreuung der Verbesserungsprojektleiter. Willi Kotte, Jahrgang 1944, war Qualitätsmanager bei Fujitsu Siemens Computers. Zu seinen primären Aufgaben gehören, angemessene und leistungsfähige Qualitätskonzepte und -methoden in allen Bereichen und auf allen Unternehmensebenen zu installieren sowie – orientiert an den Forderungen der Kunden – wirkungsvoll umzusetzen (insb. ISO 9000:2000, EFQM und seit 1997 Six Sigma). Als General Manager bei Siemens und Intel (USA) hat er alle wesentlichen Bereiche eines „High-Tech-Unternehmens“ kennen gelernt und geleitet. Dabei konnte er eine Vielzahl von praktischen Erfahrungen und Kompetenzen sammeln. Seit 2002 leitet Willi Kotte sein eigenes Beratungsunternehmen. Wolfgang Kraßnitzer, Jahrgang 1948, ist Geschäftsführer der MöllerTech International GmbH, Bielefeld, und Geschäftsführer der Plastverarbeitung Thüringen GmbH (PVT) in Ohrdruf, Kreis Gotha. Die PVT GmbH beliefert die deutsche Automobilindustrie – DaimlerChrysler, BMW und Audi – mit Handschuhfächern, Mittelkonsolen und hochwertigen Innenraumverkleidungen. Erst vor drei Jahren wurde die PVT gegründet. Das Erfolgsrezept liegt im Aufbau der Firma mit der Unternehmensphilosophie, Methodik und Arbeitsweise mit Six Sigma. Herr Kraßnitzer ist seit 20 Jahren im Bereich Innenausstattungsteile für die Automobilindustrie tätig. Während dieser Zeit sammelte er umfassende Erfahrungen im Projektmanagement, der Planung von Prozessen und neuen Technologien mit nahezu allen Kunststoffmaterialien und Verfahren. Reinhard Krauer, Jahrgang 1947, studierte Elektromechanische Konstruktionen im Fachbereich der Elektrischen Nachrichtentechnik an der TH Darmstadt. Er war
Autoren-Kurzbiographien
581
15 Jahre im Europäischen Forschungszentrum sowie im Entwicklungs- und Qualitätsmanagement des Unternehmens Black & Decker in Idstein/Taunus tätig. Von 1989 bis 2001 war er Mitglied der Geschäftsleitung der IMI Norgren-Herion Fluidtronic GmbH & Co KG in Fellbach und leitete hier den Bereich Technik mit Entwicklung, Konstruktion, Produktion und Qualitätsmanagement. Seit Anfang 2002 ist er selbständig tätig als Geschäftsführer der rkConsult Unternehmensberatung Six Sigma – Prozessoptimierung – Qualitätsmanagementmethoden in Weinstadt. Bert Leyendecker, Dr., Jahrgang 1968, ist Manager Process Excellence und Master Black Belt für mehrere europäische Standorte bei Johnson & Johnson Consumer Europe. Process Excellence umfasst bei Johnson & Johnson die Teilbereiche Business Assessment, Balanced Scorecards, Six Sigma, Design for Six Sigma und Lean Thinking. Nach einer Mechanikerausbildung absolvierte er ein Hochschulstudium im Maschinenbau in Köln und promovierte anschließend in Newcastle upon Tyne. Seinen Werdegang bei Johnson & Johnson begann er als Prozessingenieur. Weitere Stationen im Unternehmen waren Teamleiter Prozesstechnik, Six Sigma Black Belt und Manager Technical Development. Johannes Messer, Jahrgang 1962, ist Geschäftsführer des Unternehmens Honsel GmbH & CoKG in Meschede. Als Diplomingenieur für Maschinenbau ist er seit 1988 im Unternehmen beschäftigt. Während dieser Zeit war er in unterschiedlichen Bereichen, von der Arbeitsvorbereitung bis zur Produktion, tätig. Er beschäftigte sich während der gesamten Zeit mit dem ständigen Verbesserungsprozess im Unternehmen. Dabei trug er insbesondere zur Einführung von Kaizen-Techniken, Gruppenarbeit, Balanced Scorecard und Six Sigma Werkzeugen bei. Neben der Wahrnehmung operativer Aufgaben ist er heute im Unternehmen für das Qualitätsmanagement und alle Six Sigma Aktivitäten zuständig. Peter Rudberg, Jahrgang 1946, ist Master of Science in Aeronautical Engineering und graduierte in Business Administration. Er besitzt profunde Kenntnisse auf den Gebieten Restrukturierung, Organisationsentwicklung und „Turn Around“ von Unternehmen. Peter Rudberg hat bei ABB in Spanien Six Sigma eingeführt und erfolgreich als Methode zur Prozessverbesserung umgesetzt. Er leitet heute sein eigenes Unternehmen, Rudberg Sistemas Empresariales S.L. in Barcelona, das sich auf strategische und operative Beratung fokussiert. Er ist gleichzeitig General Manager bei Automatikkonsult AB in Stockholm. Als Assistant Professor am Institut Catalá de Tecnologia in Barcelona gibt er seine theoretischen und praktischen Kenntnisse an den wissenschaftlich-technischen Nachwuchs weiter. Bernhard Schipp, Prof. Dr., Jahrgang 1961, leitet die Professur für Quantitative Verfahren an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Nach dem Studium der Statistik und Betriebswirtschaftslehre war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Dortmund und Lecturer am Department of Economics der Exeter University. Seine Lehrtätigkeiten umfassen die Gebiete Statistik und Ökonometrie. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich
582
Autoren-Kurzbiographien
der Schätz- und Testverfahren in ökonometrischen Modellen unter besonderer Berücksichtigung der Kapitalmarktökonometrie. Er verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der statistischen Beratung von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Für die M+M Six Sigma Akademie® führt er Intensivtrainings im Bereich Statistische Analysen und Methoden durch. Andre M. Schmutte, Dr., Jahrgang 1966, ist Project Manager Business Excellence und zertifizierter Six Sigma Black Belt der Siemens AG. Er verfügt über langjährige Erfahrungen als Projektleiter und Management-Trainer auf den Gebieten Unternehmensstrategie, Wertorientierte Unternehmensentwicklung sowie Dienstleistungsmarketing. Bei Siemens verantwortet er heute umfangreiche Unternehmensentwicklungsprojekte. Darüber hinaus betreut er zahlreiche namhafte Unternehmen aus Industrie und Dienstleistung. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und nimmt mehrere Lehraufträge zum Thema Business Excellence und Marketing wahr. Er ist ein gefragter Referent auf internationalen Kongressen und Tagungen. Michael Schorrstedt, Jahrgang 1961, ist Leiter Strategischer Einkauf bei Ahlmann Baumaschinen in Büdelsdorf/Schleswig-Holstein. Bis Ende 2005 war er Leiter im Einkauf bei Ford Europa. Zuvor war er bis Juli 2002 Programm Manager für Six Sigma Training in Europa. Im Unternehmen hat er seit 2000 das Six Sigma Programm koordiniert und etabliert. Darüber hinaus war er seit 2001 für das Trainingsprogramm bei der Premier Automotive Group (PAG) in Europa zuständig. Nach seinem Maschinenbaustudium arbeitete er von 1986 bis 1989 bei Ford in Düren als Fertigungsingenieur. Anschließend übernahm er eine Stabsfunktion in Köln. 1994 begann Michael Schorrstedt seine Karriere im Bereich Qualitätstraining, wo er zunächst als Trainer und Berater tätig war. Später stieg er in die Funktion Leiter des Qualitätstrainings in Deutschland auf. Erik Schwulera, Jahrgang 1968, ist als Master Black Belt bei der Siemens AG im Geschäftsbereich Power Generation tätig. Hier unterstützt er die Ausbildung der Green und Black Belts und betreut an mehreren europäischen Standorten Six Sigma Projekte. Als Leiter des Services für IT-Systeme im Kraftwerksbereich erfolgte die Teilnahme am Siemens-internen Ausbildungsprogramm zum Black Belt. Die statistischen Grundlagen hierfür erwarb er sich bereits im Rahmen der Entwicklung von Neuronalen Netzen und Fuzzy Logic Systemen für die Automatisierungs- und Messtechnik. Nicole Seitz, Jahrgang 1977, ist Consultant bei Siemens Power Generation in Erlangen. Nach dem Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Würzburg stieg sie 2002 direkt bei Siemens ein. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet das „klassische“ Consulting-Geschäft mit Fokus auf das Prozess- und Projektmanagement. In Zusammenarbeit mit einem internationalen Team arbeitet sie zurzeit an der Einführung eines „Product Change Management Process“, der über ein einheitliches IT-Tool abgewickelt werden kann.
Autoren-Kurzbiographien
583
Martin Stössl, Jahrgang 1968, absolvierte ein berufsbegleitendes Studium zum Master of Science im Prozessmanagement und ist als Master Black Belt bei VA TECH ELIN Transformatoren GmbH & Co (ETG) und bei Siemens PTD T QM als globaler CIP Koordinator tätig. Zu seinen primären ETG Aufgaben gehören die Leitung und Unterstützung aller firmeninternen Verbesserungsaktivitäten. Innerhalb der Siemens Trafogruppe mit weltweit 19 Standorten koordiniert er alle kontinuierlichen Verbesserungsaktivitäten (CIP). Als Six Sigma Trainer und Prozesskoordinator unterstützt er den Wandel des Unternehmens von einer klassischen Linien- zu einer modernen Prozessorganisation. Zuvor war er u.a. in der technischen Angebotserstellung sowie in der internationalen Projektabwicklung tätig. Nebenberuflich unterstützt er als Coach und Trainer internationale Unternehmen beim Auf- und Ausbau eines Verbesserungsmanagements. Armin Töpfer, Prof. Dr., Jahrgang 1944, leitet den Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung an der Technischen Universität Dresden sowie die M+M Six Sigma Akademie und die Forschungsgruppe Management+Marketing in Kassel. Er ist Alleingesellschafter der M+M Consulting GmbH in Kassel. Frühere Stationen waren an der Universität Freiburg, der E.A.P. Europäische Wirtschaftshochschule in Düsseldorf, später Berlin, mit dem Hauptsitz in Paris und weiteren Standorten in Oxford und Madrid, und der Schwerpunkt Management an der Universität Kassel. Er lehrt und forscht auf den Gebieten Management und Marketing mit den Schwerpunkten Total Quality Management/Business Excellence, Geschäftsprozess-Optimierung/Six Sigma, Mergers & Acquisitions, Benchmarking, Wertorientierte Unternehmensführung/Balanced Score Card, Internationales Management, Dienstleistungsmarketing, Human-Ressourcen-Management sowie Strategisches Marketing und Technologiemarketing. Auf diesen Gebieten arbeitet er mit großen und mittelständischen Unternehmen zusammen. Von 1994 bis 1996 war er Mitglied der International Policy Group beim Aufsichtsratsvorsitzenden der Airbus Industrie zur Restrukturierung des Unternehmens. Von 1995 bis 1997 führte er die wissenschaftliche Begleitung der Restrukturierung des Daimler-Benz-Konzerns durch. 1998 und 1999 analysierte er das Krisenmanagement der Mercedes-Benz A-Klasse und führte ein Benchmarking von 10 weiteren weltweiten Krisenfällen durch. Von 1999 bis 2002 leitete er eine wissenschaftlich-praxisorientierte Analyse der Post Merger Integration von DaimlerChrysler. Er ist Herausgeber der Schriftenreihe „Forum Marketing“. Neben seiner Vortrags-, Trainings- und Beratertätigkeit in der Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung ist er Mitglied im Beirat Qualitätsforum Sachsen, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates und der Jury des Walter-Masing-Preises der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ), Mitglied des President’s Club der European Foundation for Quality Management (EFQM), Brüssel, Mitglied des Executive Board des Center for Quality of Management – Europe des CQM in Bosten und Vorsitzender oder Mitglied in Beiräten von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen.
584
Autoren-Kurzbiographien
Heinrich Wallechner, Jahrgang 1940, war Direktor Qualitätsmanagementsysteme bei Motorola GmbH in Taunusstein. Hier beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit der europaweiten Verbesserung aller qualitätsrelevanten Prozesse und Systeme. Vor dieser Zeit war er 20 Jahre im Management zur Entwicklung und Planung von mobilen Funkgeräten bei verschiedenen Firmen tätig. Er hat an mehreren Büchern in Bezug auf Six Sigma und der Verbesserung des internen AuditProzesses mitgewirkt. Außerdem hält er regelmäßig Vorträge zum Thema Six Sigma. Klaus Weckheuer, Jahrgang 1971, ist Betriebsleiter in einer europäischen Niederlassung eines amerikanischen Spezialchemikalienkonzerns. Nach Tätigkeiten im Bereich QM-Systementwicklung absolvierte er die Ausbildung zum Black Belt in den USA. Anschließend bearbeitete er mehrere Six Sigma Projekte in der Produktion, Logistik sowie im R&D Bereich. Nach der Black Belt Tätigkeit war er im Unternehmen mehrere Jahre für das Qualitätsmanagement sowie für Six Sigma Schulungen und Einführung von Lean Management Methoden verantwortlich. Danach folgte der Schritt in die Betriebsleitung einer Produktionsanlage am Standort. Klaus Weckheuer ist Referent des Seminars „Statistische Methoden für die chemische Produktion“ der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ). Dieter Wessel, Jahrgang 1943, war vor seinem Wechsel zu Viterra Energy Services 15 Jahre als Niederlassungsleiter bei Landis & Staefa Messtechnik tätig. 1998 übernahm er in Personalunion die Aufgaben des Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) zur Vorbereitung des Unternehmens auf die Zertifizierung nach ISO 9001. Ab 1999 war er zunächst als Niederlassungsleiter bei Viterra Energy Sevices tätig und wechselte danach in das Einführungsteam von Six Sigma. In den Funktionen Black Belt, Master Black Belt und Regional Quality Leader war er maßgeblich am Aufbau von Six Sigma bei Viterra Energy Sevices Deutschland beteiligt. Dieter Wessel lebt in Hamburg und führt heute Trainings und Coachings im Bereich Six Sigma durch. Hans Jürgen Wio, Jahrgang 1962, führt die Business Excellence Organisation bei Siemens Power Generation. Diesem Fachzweig gehören etwa 120 Ingenieure und Berater an, die sich mit den Themen „Process Improvement, Quality Management, Umwelt Managemnet und Verbesserungswesen“ beschäftigen. Im Rahmen des Inhouse-Consulting werden Benchmarking Projekte und top+ Initiativen sowie „Value Generation“ umgesetzt. Hans Jürgen Wio kam 1992 zum Bereich Siemens Power Generation und ist hier seit 1997 für Restrukturierungsprojekte verantwortlich. Davor führte er für die Firma Thyssen Schachtbau Tunnelprojekte an den Standorten Europa and Asien. Er studierte Bauingenieurwesen an der TU München und erwarb im Anschluss den MBA-Abschluss.
Stichwortverzeichnis 3-stufiges-Phasenmodell 402ff. 3-Sigma-Regel 198f. 5-Punkte-Checkliste 26f. 5-Phasen-Prozess 38, 475ff. 5-Sigma-Wand 103f., 167, 266 6-Schritte-Methode 279f., 387ff. 6-W-Analyse 114 12-Phasen-Schema 86f. 15-Punkte-Checkliste 27f.
A Allowable Costs 124ff. Allied Signal 21, 41f., 94f., 352, 357 Ampel-Analyse 227 Anreizsystem (siehe Zielvereinbarungssystem) ARIZ 33f., 155, 159ff. Aufgaben-Kompetenz-Matrix 241f. Ausbeute 41, 52ff., 166, 225, 373 − Beispiele 4, 61, 457, 546 − Ermittlung 55f., 60, 63ff., 543ff. Ausschuss 4, 13, 90, 105, 137, 198ff., 227, 389, 561ff.
B Badewannenkurve (siehe WeibullVerteilung) Balanced Score Card (siehe Balanced Scorecard) Balanced Scorecard 29f., 44, 297f., 312, 315, 334, 411, 564 − im Wirkungsverbund mit EFQMModell 371ff., 385ff., 553 − im Wirkungsverbund mit Six Sigma 29f., 371ff., 381f., 392f., 563 Bank of America 462ff. Basel II 134f. Batch 424ff. BELT (siehe Business Excellence Leadership Training)
Benchmarking 11, 13, 30, 42, 73, 83, 107, 119ff., 152, 221ff., 257, 349, 368, 376ff., 449, 554, 583f. Beschwerdemanagement 78, 172, 358, 363, 377ff. Best in Class 11, 167, 271, 357 Best Practice 11, 13, 38, 42f., 85, 243, 271, 360, 384, 412, 531ff. Betriebliches Vorschlagwesen (BVW) 322ff. Big Y 363, 365, 405 Black Belt 22ff., 42ff., 69, 79, 90ff., 122, 131, 161, 208f., 228f., 240, 251ff., 281, 293, 297, 314, 349, 360, 409f. − Aufgabe 25, 79ff., 164f., 211ff., 246ff., 254, 269f., 326f., 404 − Auswahl 211ff., 503ff., 524 − der erste 5 − kritische Masse 78, 223, 401f. − Training 150, 165, 214, 221, 256, 258ff., 390f., 477, 524f. Blended Learning 257, 270ff. Blue Dollars 234f. (siehe auch Ergebniswirkung) Boole´sche Systemtheorie 65f. Bottom-Up-Einführung (siehe Six Sigma Einführung) Brainstorming 83, 149, 155, 259, 542 555, 562 Break-Even-Point 233f., 266, 275 Business Excellence 5, 13, 29f., 183, 271, 278, 280ff., 311, 315, 336, 345ff., 374ff., 381ff., 466 Business Excellence Leadership Training (BELT) 281ff. Business Quality Council (siehe Quality Council) Business Review (siehe Projekt-Review)
C Champion 42f., 208, 229, 303, 314, 330, 349, 361, 381, 407, 417, 453 − Aufgabe 79f., 211ff., 240, 244, 252f. 435f., 469, 483f., 523f.
586
Stichwortverzeichnis
− Training 214, 221, 254ff. Change Agent 438 Change Capability (siehe Veränderungsfähigkeit) Change Management (siehe Veränderungsmanagement) Citibank 21, 448ff. Communities of Practice 230 Conjoint Analyse 123ff., 168 − im Wirkungsverbund 111, 125 − Vorgehensweise 124f. Conjoint Measurement (siehe Conjoint Analyse) Cost of Poor Quality 14, 334 (siehe auch Qualitätskosten) Cowboy Quality 422 Cp-, Cpk-, Cpm-Wert (siehe Prozessfähigkeitsindex) Critical to Quality Merkmale (CTQs) 9, 46, 54f., 85ff., 107, 114, 178, 225, 259ff., 297, 364f., 371ff., 445, 451, 540 CTQ-Analyse (siehe VOC-CTQAnalyse) Cultural Gap 292, 304 Customer − Equity (siehe Kundenbindungsindex) − Relationship Management (CRM) 11, 188, 363ff. − Scorecard 358 Cv-Wert (siehe Messfähigkeitsindex)
D DaimlerChrysler 137, 218 Datenqualität 227f., 234, 467 Deming-Zyklus (siehe PDCA-Zyklus) Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) 186f. Design Excellence 315 Design for Manufacturing and Assembly (DFMA) 31, 100, 111, 291 Design for Six Sigma (DFSS) 80, 100ff., 256f., 360, 404, 411, 527, 534 − Bedeutung von 100ff., 105f.
Methoden 112ff. Vorgehensweise (siehe DMADVZyklus) − Wirkungen 93, 167, 263 Design of Experiments (DOE) 32, 61, 85, 107f., 126, 221f., 256, 259, 262, 283, 368, 390, 529 − Beispiele 138ff., 529f. − Bewertung von 149, 168 − Ergebnisplot 144 − im Wirkungsverbund 111f., 152 − teilfaktorielle 86, 147ff., 562 − vollfaktorielle 138, 141f., 221 − Vorgehensweise 145 Deutsche Bank 21, 442f., 447f. Dienstleistungs − anforderungen 176ff. − prozess 50, 54, 172ff., 185, 207, 292, 347, 445, 561 − qualität 339, 358, 372 − unternehmen 11, 13ff., 28, 38, 397, 444ff., 456, 475ff., 579 DMADV-Zyklus 7, 10f., 185, 222, 263, 266, 330, 348, 368, 406, 451 − Beispiele für Anwendung 112ff., 186ff. − Vorgehensweise 105ff., 152f. DMAIC-Zyklus 7, 10f., 80, 167, 178ff., 207f., 211, 230, 258, 283, 297, 303, 330, 348, 359f., 390, 404ff., 418, 496 − Beispiele für Anwendung 86ff., 186ff., 407, 422ff., 433ff., 451ff., 528f., 539ff. − Vorgehensweise 80ff., 258ff., 452ff. Dow Chemical 7, 21 DPMO (siehe Fehlerquote) Drifting Costs 126f. Durchlaufzeit (DLZ) 266, 444ff. − −
E Economies of Experience 17, 92 Economies of Scale 15, 92, 303, 441 Economies of Scope 92
Stichwortverzeichnis
Economic Value Added (EVA) 168, 350, 385 EFQM-Modell 279, 341, 371ff., 564 − im Wirkungsverbund mit Balanced Scorecard 374ff., 382 − im Wirkungsverbund mit Six Sigma 377ff., 381, 472f. E-Learning 186ff., 270ff. Entscheidungsbaumanalyse 458f. Erfahrungskurveneffekte (siehe Economies of Experience) Erfolgs − faktoren 25, 46, 77f., 82, 168, 215, 239, 261, 297ff., 317, 322ff., 369, 372, 387, 399, 431, 481, 500 − messung 231f., 267, 315, 385 Ergebniswirkung 23f., 74, 92, 144, 230ff., 266, 371, 382, 409, 448 − direkte 90ff., 230f., 266, 292, 382, 409 − indirekte 16, 90f., 132, 136, 230f., 271, 382, 409, 451 − monetäre 23f., 72, 165ff., 186, 208f., 486, 493, 499 − nicht-monetäre 72, 182ff., 186, 486 (siehe auch Sigma-Wert) European Foundation for Quality Management (siehe EFQM-Modell) European Six Sigma Club (ESSC) 41ff. explicit knowledge 230
F Facility Management 185f. Failure Mode and Effects Analysis (siehe Fehler-Möglichkeits und Einfluss-Analyse) Federal Express (FedEx) 176, 357 Fehler − definition 16, 61f., 97, 109 − folge 130ff. − im Produktlebenszyklus 101f., 163, 516, 521 − kultur 210, 229, 468 − term 138 − wirkungen 15f., 175
587
Fehlerkosten 21, 50, 54, 67f., 76, 90f., 123f., 137, 151, 166f., 174ff., 221, 231f., 235, 255f., 266, 284, 356f., 378, 441, 445ff., 546 − analyse 11ff., 89ff., 100ff. − Eisbergeffekt der 13f. − Fehlerfolgekosten 75, 90, 163, 174, 235, 377, 447 − Fehlervermeidungskosten 12, 76, 101f., 167 − Prüfkosten 11f., 137, 167 − Zehnerregel der 100, 137 Fehlermöglichkeiten 3, 5, 63f., 96f., 109, 137, 196, 268, 407, 487 − Beispiele 57f., 65, 184 − Ermittlung 55ff. Fehlerquote 61f., 73, 96f., 259, 261 − Beispiele 57f., 63, 184, 453ff. − Ermittlung 53ff., 63 Fehlerrate 8, 50, 96, 234, 449, 554 − Beispiele 57f., 102f., 136, 177ff. − Ermittlung 53ff., 57, 63, 456f. Fehler-Möglichkeits und EinflussAnalyse (FMEA) 33, 107f., 124, 151f., 189, 221, 256ff., 283, 368, 452, 560 − Arten der 130ff., 547 − Bewertung von 134f., 168 − Formblatt 131 − im Wirkungsverbund 110f., 121 − Vorgehensweise 130ff. Financial Benefit Guidelines 412 Ford Motor Company 21, 430ff. Freezing (siehe Veränderungsprozess) Froedtert Hospital 21, 191f. Führungskräftetraining 278ff., 288, 524
G Gage R&R 54, 69f., 259ff., 423, 452 Gauß-Verteilung 3, 5 (siehe auch Normalverteilung) General Electric (GE) 6, 21, 41, 92ff., 106, 211, 217f., 241, 276, 290, 316ff., 326, 350, 449 − GE Capital 239ff., 353, 448, 477
588
Stichwortverzeichnis
GE CompuNet 41, 397ff. GECITS Austria 352ff. GE Mobilienleasing 183 GE Money Bank 461f. Gesamtanlagennutzung/-zeitnutzung 555, 563 Geschäftstreiber-Scorecard 279, 283 Geschäftswertbeitrag (siehe Economic Value Added) Green Belt 22, 24, 49, 208, 251ff., 293f., 310, 317, 336, 349, 360f., 381, 411, 417f., 471, 495, 510, 523ff. − Aufgabe 79ff., 211ff., 240, 246, 391f., 436f. − Auswahl 392, 478ff. − kritische Masse 78, 212, 401f. − Training 214, 252ff., 390f., 469ff., 533f. Green Dollars 233f. (siehe auch Ergebniswirkung) Grundgesamtheit 197f. − − − −
H Hard Skills 212, 221 Häufigkeitsverteilung (siehe Histogramm) Hauptprozessanalyse/-verdichtung 235, 355, 540, 544ff. High Level Design 107f., 152 Histogramm 197ff., 202f., 562 Honsel (HIT) 21, 137, 552ff. House of Quality (HoQ) 119ff., 152
I Innovation 3ff., 10f., 19, 77f., 91, 105f., 150ff., 249, 301f., 306, 315, 355, 371ff., 386 Inside-out-Analyse 20, 46, 215, 291, 301, 373 Instandhaltung 82, 182ff., 536, 559ff. Ishikawa-Diagramm 83, 86, 188, 259f., 262, 283f., 452, 459f., 529, 535, 542 ISO 9000:1994 335ff., 355
ISO 9000:2000 30, 335ff., 354ff., 362, 369, 472 − im Wirkungsverbund mit Balanced Scorecard 29f., 284, 377 − im Wirkungsverbund mit EFQMModell 30, 311ff., 375ff., 472f. − im Wirkungsverbund mit Six Sigma 345ff., 361ff., 420 − Stärken-/Schwächenanalyse 342 − Zertifizierung 30, 329ff., 346ff. ISO 9000:2005 337 ISO/CD2 9001:2000 37, 362ff. Iso-Präferenzlinie 498f. ITT Industries 21, 336, 350ff.
J Job Enlargement 323 No. 1 123 Rotation 428 Training on the 78 Johnson & Johnson (J&J) 21, 310, 315ff., 490ff. Just in Time-Konzept 553 − − − −
K Kaizen-Methodik (siehe Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) Kano-Modell 82, 115, 126, 129, 259, 368, 562 Kern − kompetenz 73, 215, 373, 553 − prozessmodell 404f. − team (siehe Projektteam) Komplexität 102, 108, 123, 145, 152, 207, 231, 241, 259f., 388, 410, 454, 478, 490, 508, 542 − Beispiele 49f., 66, 136f., 175, 459 − Ermittlung 96, 531ff. Komponenten 52, 64ff., 121, 126ff., 145, 175, 201, 232, 279, 407, 488 − Beispiele 4, 63f., − Ermittlung 4, 65f.
Stichwortverzeichnis
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) 26, 47f., 72f., 85, 165, 299, 322ff., 331, 472, 552 KonTraG 134 Konzept-Wettbewerb 374 Kosten-Nutzen-Analyse (siehe Net Benefit Berechnung) Kostenanteil (siehe ZielkostenKontrolldiagramm) Kostentreiber 106, 115, 188, 235, 539 Kreativitätstechniken 83, 108, 151ff., 262, 270, 390 Krisenmanagement 135 Kunden − bedürfnisse (siehe Kundenanforderungen) − beschwerde (siehe Beschwerdemanagement) − bindungsindex (KBI) 91 − orientierung 110, 123, 129, 185, 255, 298, 316, 336, 340ff., 356, 362, 380, 406, 441ff. − workshop 366 − zufriedenheitsindex (CSI) 78, 91, 180, 431, 453f. Kundenanforderungen 27, 85ff., 105ff., 117ff., 165, 178, 219, 225f., 246, 259, 354, 371ff., 451ff., 527ff. − Bestimmung von (siehe VOCCTQ-Analyse) − Klassifikation von 16ff., 47, 57, 108f., 113f., 179, 182f., 187 − und Kundenzufriedenheit 10, 46, 71, 76, 166, 236, 339, 358, 405, − und Unternehmensziele 8f., 16, 250ff., 397, 405ff., 476, 487, 521 Kundenzufriedenheit 7, 45, 76f., 115ff., 175f., 181, 252, 263, 266, 311, 313, 352, 375ff., 420, 527, 530 − Bewertung der 10f., 77f., 91, 113, 300f., 306, 364, 431ff., 530 − Erhöhung der 45ff., 178, 180, 183, 231f., 236, 252, 274f., 280ff., 297, 352ff., 364, 366, 421f., 420ff., 475 − Mund-zu-Mund-Kommunikation 16, 175, 378, 447
− −
589
und Kundenabwanderung 109f., 232, 234f., 377ff., 441, 447 und Kundenbindung 72f., 180, 290f., 451
L Lean − Six Sigma 26f., 257f. − Production 350 − QFD 123 − Thinking 315 − Werkzeuge 223 Learning Management System 187 Lernerfolgskontrolle 273f. Lernkurveneffekte 17 (siehe auch Economies of Experience) Lessons Learned 230, 408, 478 Lewin-Modell 293f. Lost Calls 181ff. Low hanging fruits 76, 217, 236 Lower Specification Limit 199 (siehe Spezifikationsgrenzen)
M Magisches Dreieck 9, 105f., 531 Main-Effects-Plot 424ff. Management − Assessment 208, 213, 296, 382 − Attention 210, 279, 311, 387, 546 − Awareness Training 485, 403 − by Objectives (MbO) 29ff., 472 − Commitment 22ff., 33, 208ff., 246ff., 293f., 305, 369, 399, 408f., 453, 466, 469, 474, 503, 527 − Development System 22f, 472 − Einbindung (siehe Management Commitment) − -Planungs-Steuerungs-Programm 537 − Training (siehe Führungskräftetraining) − Werkzeuge 30f. − Workshop 209, 522f. Maschinenstillstandszeit 378 Maslow-Modell 115ff., 126
590
Stichwortverzeichnis
Master Black Belt 79f., 150ff., 241, 267ff., 326, 353, 361, 366f., 381, 403f., 421, 463, 470ff., 501 − Aufgabe 42ff., 80, 240, 412f., 436f., 479, 522ff., 540 − Auswahl 212, 253ff. − Training 208ff., 221ff., 240ff. Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) 183, 305, 336 Means-End-Theorie 117 Meilensteinanalyse (siehe Milestone Perfomance Index) Mess − Fähigkeitsindex/-fehlervarianz 69 − größen 11, 33f., 53ff., 87ff., 177ff., 226f., 260ff., 298, 304, 341, 373ff., 385f., 404, 411, 432, 452ff., 480, 491, 499 − systemanalyse (siehe Gage R&R) M-Gate Richtlinie 516f. Minolta 181f. Milestone Perfomance Index 519 Milliken 305 Mitarbeiter − kommunikation 360, 404f., 469f., 476, 481, 526 − motivation 95, 118, 163ff., 191, 215, 245, 316, 313, 315, 387ff., 503, 538, 545 − orientierung 336, 357ff. − sensibilisierung (siehe Mitarbeiterkommunikation) − zufriedenheit 77f., 375, 378ff., 411ff. Mittelwert 4, 58ff., 88, 97, 143f., 189, 198ff, 268, 373, 520, 545f., 550 M+M Six Sigma Akademie 27f., 219, 251, 269ff., 349 Morphologischer Kasten 83, 149, 155, 259 Motorola 8, 20f., 94, 162, 173, 198, 251, 343, 345, 350, 356f., 514ff. Moving Range-Karte 425f., 550 Multi Generation Plan 368
N Net Benefit 28, 71ff., 91ff., 259f., 291, 297, 325, 344, 378, 400, 464, 471, 478, 484ff. − Ermittlung 232f., 400, 411f. − im Zeitablauf 233 − projektbezogen 91, 222ff., 253, 259, 378, 453 − unternehmensbezogen 72, 92, 230 Netto-Einsparung (siehe Net Benefit) Niveau-Wettbewerb 8, 374 Norgren-Herion 21, 503ff. Normal-Probability Plot 204 Normalverteilung 3f., 198f., 202ff., 259, 268, 373, 424 Null-Fehler-Qualität 3ff., 129, 176ff., 217, 255, 271, 444ff., 466f. − praktizierte 45, 66, 96, 371 − statistische 59f., 139, 177 Nutzenbeitrag (siehe ZielkostenKontrolldiagramm)
O OFD (siehe Fehlermöglichkeiten) Operative Exzellenz 11f. Opportunitätserlöse/-kosten (siehe indirekte Ergebniswirkung) Organisationsstruktur (siehe Six Sigma Organisation) Outside-in-Analyse 19f., 46, 223f. Outsourcing 15, 553 Over Engineering 110 Overall Equipment Efficiency (OEE) 535
P Pareto-Analyse/-Diagramm 86, 188, 256f., 259, 535f. PDCA-Zyklus 80, 105, 390 Performance Gaps 315 Performance Measurement 374, 563ff. Pilotierung 107f., 152, 259, 368 Pilotprojekte 28, 207ff., 251, 294, 302, 466, 470
Stichwortverzeichnis
Plastverarbeitung Thüringen (PVT) 531ff. Polaritätenprofil 300ff. Portfolio-Analyse 73f., 76 PPM (siehe Fehlerrate) P-Regelkarte (siehe Statistische Prozesskontrolle) Principal-Agent-Theorie 229 Process − Breakdown 433f. − Capability Index (siehe Prozessfähigkeitsindex) − Excellence 215f. − Mapping 73, 223, 259, 544, 562 − Owner (siehe Prozesseigner) Produkt − haftung 132ff. − zuverlässigkeit 51, 10, 515 − robustheit (siehe Robustes Design) − rückruf/-aktionen 136, 166 Projekt − ablauf (siehe DMAIC-/DMADVZyklus) − auftrag (siehe Projekt Charter) − auswahl 71ff., 212, 219, 254, 294, 330, 390, 411, 418f., 429ff., 476ff., 501 − auswahlprozess 490f., 503ff. − Coaching 214, 244, 248, 256f., 270, 412, 470, 514, 533ff., 540 − Champion (siehe Champion) − datenbank (siehe Wissensdatenbank) − dauer 73, 226, 508 − ebenenmodell 509ff. − einsparung (siehe Ergebniswirkung) − kontrolle (siehe Projekt-Review) − management 7, 28, 43, 45ff., 250ff., 470, 524ff. − planung (siehe Projektauswahl) − Portfolio (siehe Portfolio-Analyse) − priorisierung 410, 497f. − Review 388, 501ff. − ressourcen 248
591
sponsor (siehe Sponsor) steuerung 26, 224ff., 269 team 81, 107, 129, 243, 285, 330f., 368, 402ff., 453, 495ff., 506f., 512 − Umfeldanalyse 330 − Umsetzungsbereiche 217f. Projekt Charter 77, 87, 107, 224ff., 261, 297, 451f., 467, 467, 471 Prozess − analyse 7, 76, 84ff., 259, 261, 372, 390f., 434, 456, 544 − ausbeute (siehe Ausbeute) − eigner 50, 107, 152, 253f.,359, 363f., 404f., 411, 479ff., 495ff., 540 − fähigkeit 46ff., 108, 188, 196ff., 221, 329, 339, 390, 424, 456f., 491, 532ff., 555 − kennzahlen (siehe Prozessfähigkeitschätzer) − kostenrechnung 173, 234ff., 467 − management 259, 339, 358ff., 399, 403ff., 479f., 513 − orientierung 21, 298, 336ff., 344, 358ff., 467, 554 − niveau (siehe Qualitätsniveau) − regelung (siehe Statistische Prozesskontrolle) − Sigma (siehe Sigma-Wert) − streuung (siehe Prozessfähigkeit) Prozessfähigkeits − schätzer 201f. − analyse 203 − index 259 − − −
Q QS 9000 132, 338, 340, 553f., 564 Qualitäts − controlling 548ff. − niveau 3ff., 18f., 25, 28, 44ff., 57ff., 73, 84f., 104, 110, 136f., 173, 176ff., 218, 236, 262, 347, 350, 357, 445ff., 457, 460, 564 − rate (siehe Fehlerrate)
592
Stichwortverzeichnis
sicherung (siehe Statistische Prozesskontrolle) − verbesserungsprozess (siehe Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) Qualitätskosten 11ff., 101, 124, 167 (siehe auch Fehlerkosten) − Kosten der Abweichung 12f., 67, 101, 311 − Kosten der Übereinstimmung 12f., 101, 222 − Rechnung 400 Qualitätsmanagement (QM) 12f., 28, 44, 52, 55, 88, 95, 100, 104f., 214, 231, 250ff., 352ff., 420, 450, 465ff., 514 − Konzepte 3, 7, 345, 357 − Normen (siehe QM-Konzepte) − proaktives 104, 129, 237, 290 − reaktives 104, 422 − System 22, 24f., 339f., 345f., 413 − Werkzeuge 6, 30, 50, 151, 207, 214, 271f., 275, 382 Quality Function Deployment (QFD) 31, 107f., 114, 117, 150f., 221, 256, 262f., 291, 293, 368 − Bewertung von 123 − Formblatt 121, 126 − im Wirkungsverbund 110f., 168 − Philosophie des 118f. − Vorgehensweise 117ff., 122 Quality − Council 211f., 214, 240ff., 249, 317, 405, 482ff. − Gates 189, 274, 467 − Leader 212ff., 240ff., 405, 413, 482 − Organisation (siehe Six Sigma Organisation) − Team 239ff. Quick Wins 187, 527 −
R Refreezing (siehe Veränderungsprozess)
Regional Quality Council (siehe Quality Council) Regressionsanalyse 43, 83, 85, 88, 138ff., 221, 259, 262, 390, 562 Reklamationsquote 379f. Residuum 139, 143f., 146 Return on Investment (ROI) 162, 258, 275 Reverse Engineering 111 Reverse Project Planning 402 Review (siehe Projekt-Review) Risiko − management 33, 133ff., 152 − portfolio 135 − prioritätszahl (RPZ) 130, 134, 260, 547 Ritz-Carlton 183 Robustes Design 43, 103ff., 186 Rollenverteilung (siehe Six Sigma Organisation) Rolled Throughput Yield (siehe Ausbeute) Rüstprozess 39, 558f.
S SAP 175, 407, 549 Savings (siehe Ergebniswirkung) Selbst-Assessment 338 Service 3, 20, 100, 130, 207f., 217, 245, 279, 313, 338, 347, 353ff. (siehe auch Dienstleistung) − prozess 172ff., 389, 541f., 546ff. − qualität 177f., 181ff., 192, 379, 407, 446, 475f. − Beispiele 189ff., 449ff., 461ff., 539ff. SERVQUAL-Studie 177 Shareholder Value 290, 300 Siemens 21, 35ff., 42f., 74, 137, 162, 276, 278ff., 287, 310ff., 384f., 387, 390ff., 539ff. Sigma-Wert 35, 56ff., 70, 96, 259, 262, 268, 486f., 543 − Beispiele 48f., 136, 457, 543f. − Ermittlung 56f., 183f. Sigma-Niveau (siehe Sigma-Wert)
Stichwortverzeichnis
Simulation 85, 89, 152, 155, 223, 259f., 262, 452f. Simultaneous Engineering 117, 293 SIPOC-Analyse 81f., 259, 261, 373, 454f., 541ff. Site Coordinator (siehe Master Black Belt) Six Sigma − Academy 251, 357, 504 − Akteure (siehe Six Sigma Organisation) − Anwendungsvoraussetzung 465ff. − Bedeutung von 8f., 259 − Einführung 93, 193, 207ff., 223, 245f., 271, 289ff., 308, 329, 349f., 369, 398ff., 415ff. − Erlebnisphasen 417f. − GuV 400f., 574 − im Entwicklungsprozess (siehe Design for Six Sigma) − im Wirkungsverbund 37, 335ff., 371ff. − Konzeption 45f., 162, 250ff. (siehe auch Six Sigma Philosophie) − Kultur (siehe Unternehmenskultur) − Messkonzept 7, 53ff. − Missverständnisse 95ff., 256, 265, 467, 486ff., 493 − Organisation 23f., 78ff., 211ff., 239ff., 254f., 326f., 345, 350, 381, 399ff., 421, 473, 482, 523, − Philosophie 3, 6ff., 18, 20, 32, 45ff., 104, 162f., 175, 185, 194, 196, 246, 250, 258f., 269, 300, 336, 343, 346f., 350ff., 432, 444, 449, 452, 461, 467, 487f., 533ff. − Roll-Out (siehe Six Sigma Einführung) − Score Card 77f. − Software 65, 75, 89, 102, 155, 264, 383, 539, 556 − Stolpersteine (siehe Umsetzungsbarrieren)
593
Trainings 93, 220ff., 250ff., 327f., 390f., 416ff. − Trainingskosten 183, 236 − Umsetzung (siehe Six Sigma Einführung und Projekte) − Umsetzungstreiber 371ff., 444 (siehe auch Werttreiber) − Verbreitung 11, 21, 41ff., 546 − Werkzeuge (siehe QMWerkzeuge) − Wirkung (siehe Ergebniswirkung) − Zertifizierung 36, 42, 44, 51, 391, 437f., 522ff. Skaleneffekte (siehe Economies of Scale) Soft Skills 212, 221, 254, 256, 267, 270, 321 Spezifikationsgrenzen 3f., 200ff., 268, 543 Sponsor 390ff. (siehe auch Champion) Stakeholder-Analyse 259, 409 Standardabweichung 47, 61, 88f., 189, 197, 268, 357 Standardnormalverteilung (siehe Normalverteilung) Standardschätzung 201 Statistische Prozesskontrolle (SPC) 51, 108, 111, 221, 223, 256, 259, 360, 390, 423f., 534, 550 Statistische Versuchsplanung (siehe Design of Experiments) Steering Comitee (siehe Steuerungsgruppe) Steuerungsgruppe 42, 21, 239f. Stichprobe 69, 145, 197ff., 202f., 259, 268, 286, 562 Strategie-Auswahldiagramm (siehe Projektauswahl) Strategie-Workshop 512 Streudiagramm 140, 259 Supply Chain 363 −
T Taguchi 67f., 109, 221, 223 − Philosophie von 108f., 200
594
Stichwortverzeichnis
− Verlustfunktion von 109, 147f. tacit knowledge 230 Target Costing 33f., 107, 120, 152, 168, 291 − Bewertung von 129 − im Wirkungsverbund 110f., 124 − Vorgehensweise 123ff. Target Costs (siehe Zielkosten) Team Charter (siehe Projekt Charter) Teilnutzenwert 124ff. Telefónica 336, 346f., 348ff. Testing Capability Index (siehe Messfähigkeitsindex) Through Put Yield (siehe Ausbeute) Time to Market 118, 166, 231, 266 TIPS (siehe TRIZ) Toleranzgrenzen 96f., 109 (siehe auch Spezifikationsgrenzen) Top-Down-Einführung (siehe Six Sigma Einführung) top+Qualität Programm 278ff., 311 Total Productive Maintenance (TPM) 560 Total Quality Management (TQM) 31, 35, 50, 305, 341, 346, 352, 356ff., 370, 374 Transition Planning Guidance 338 TRIZ 149ff. − Beispiele für 155f., 158f. − Bewertung von 164 − Software 155 − Vier Säulen von 161f. − Wirkungen 162f. TS 16949 35, 337, 340f., 532
U Unfreezing (siehe Veränderungsprozess) Unternehmenskultur 21, 28, 31, 44, 69, 219, 230, 251, 413, 415, 464 − Anforderungen an die 289ff., 468, 485 − Dimensionen der 297 − Messinstrumentarium der 304ff. − Reifegrad der 300ff. − Typologie der 293
Umsetzung der Unternehmensplanung (UPL) 553f., 561, 564 Umsetzungsbarrieren 35, 38, 83, 164, 211f., 225, 256 Unternehmens − wertsteigerung 10, 231, 266, 306ff., (siehe auch Shareholder Value) − zielplanung 492, 499f. Upper Specification Limit (siehe Spezifikationsgrenzen) Ursachen-Wirkungs-Diagramm/-Schema (siehe Ishikawa-Diagramm)
V Varianzanalyse (ANOVA) 61, 83, 221, 259, 424, 535ff. VA TECH ELIN (ETG) 322ff. VDA 6.1 337f., 340f., 553f., 564 Veränderungs− fähigkeit 222, 293ff., 312f., − management 22, 31, 222, 296f., 316f., 321, 403, 413 − prozess 294f. Verbesserungsprozess (siehe Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) Verteilungsmodelle 71f., 198ff. Viterra Energy Services (VES) 21, 185, 475ff. VOC-Analyse (siehe VOC-CTQAnalyse) VOC-CTQ-Analyse 81f., 151, 187, 259, 455f. Voice of the − Business 188 − Customer 81, 113f., 178, 188, 216, 261, 358, 365, 368, 463f., 494, 542 − Process 216, 426 Volkswagen 137
W Weibull-Verteilung 71, 268 Wertorientierung (siehe Unternehmenswertsteigerung)
Stichwortverzeichnis
Wertschöpfungs − ebene 16, 218 − kette 19f., 32, 50, 75f., 93, 217, 253, 297, 312, 329, 336, 526, 562 Werttreiber 46, 77f., 81, 87f., 168, 180, 215, 297f., 302, 371, 373ff. Whirlpool Europe 21, 42f., 522ff. White Belt 213, 221, 255, 269, 437, 469 Widerspruchstabelle 155, 158 Win-Win-Situation 336, 409 Wirkungsverbund (siehe Six Sigma im Wirkungsverbund) Wissens − datenbank 85, 230, 276 − management 22ff., 209, 224ff., 229f., 472
Y Yellow Belt 213f., 255, 416f., 469, 478f., 485 Yield (siehe Ausbeute)
Z Zielkosten 15, 110, 124, 127ff. − Index 128 − Kontrolldiagramm 128 − management (siehe Target Costing) Zielplanung (siehe Unternehmenszielplanung) Zielvereinbarung 28, 34, 251, 253, 275, 293f., 385, 466, 472, 553f. − Prozess 537 − System 402, 510 Zuverlässigkeitsanalyse (siehe Produktzuverlässigkeit)
595