Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 240
Sklaven aus der Retorte Auf Kledzak-Mikhon ist die Hölle los - die Geschöpfe der ...
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Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 240
Sklaven aus der Retorte Auf Kledzak-Mikhon ist die Hölle los - die Geschöpfe der Bio-Ingenieure rebellieren von Dirk Hess Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Fein de ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, be reits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmuti gen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orba naschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht in der Lage, an diesem Kampf mitzuwirken, da die ISCHTAR, sein Raumschiff, mitsamt Besatzung übernommen wurde – über nommen durch Akon-Akon, den Psycho-Tyrannen, gegen dessen Befehle es keine Auflehnung gibt. Nachdem Akon-Akon den Kristallprinzen und Fartuloon auf dem Planeten Ketokh zurückgelassen hat, zwingt er die Besatzung der ISCHTAR, Kledzak-Mikhon anzu steuern, die Welt der Loghanen. Aber auch Atlan und Fartuloon gelangten durch das Eingreifen des Magnortöters dorthin – und sie geraten in einen Hexenkessel. Die Loghanen rebellieren, die nichts anderes sind als SKLAVEN AUS DER RETORTE …
Sklaven aus der Retorte
3
Die Hautpersonen des Romans:
Akon-Akon - Der Herr der ISCHTAR geht in den Hexenkessel der Transmitterwelt.
Atlan, Ra, Fartuloon, Vorry und Karmina Arthamin - Akon-Akons Begleiter.
Snayssol - Ein »Erbe«.
Rassafuyl und Tamoyl - Herrscher von Kledzak-Mikhon.
Gemmno Las-Therin - Ein Bio-Inspektor der Akonen.
1. Atlan »Wir hätten den Jungen erschießen sol len«, stieß Ra düster hervor. Ich sah den dunkelhäutigen Barbaren durchdringend an. Ich verstand seine Reakti on. Ra war ein Mann der Tat. Seine Aktio nen waren kompromißlos und hart. Er war und blieb der Barbar, den arkonidische Raumfahrer von einem steinzeitlichen Pla neten entführt hatten. Der gezackte Langs peer paßte besser in seine Faust als der arko nidische Blaster. Dennoch mochten wir ihn. Wir, das waren Fartuloon, Vorry und Karmina Arthamin. Wir hatten unglaubliche Abenteuer mitein ander bestanden, und so etwas schmiedete uns zusammen. »Akon-Akons Tod wäre keine Lösung«, widersprach ich. »Der Tod ist niemals eine Lösung.« Ra lachte kehlig auf. »Philosophisches Geschwätz, Kristall prinz! Nachsicht ist keine Tugend, sondern eine Schwäche!« Das war eine eindeutige Rüge. Ich nahm sie hin, ohne zu reagieren. Fartuloon war unserem Gespräch grinsend gefolgt. Er lehnte mit dem Rücken am Schaltpult und polierte sein Skarg. »Eine Frage, Ra … weißt du überhaupt, wie alt Akon-Akon ist?« Der Barbar blickte den Bauchaufschnei der irritiert an. »Niemand kennt das Alter des Jungen. Er kann schon jahrhundertelang in der versun kenen Stadt auf Perpandron gelegen haben.« »Das wollte ich damit sagen«, ergänzte der Bauchaufschneider seine Frage. »Akon-Akon könnte aus einer Zeit stam
men, über die wir kaum noch Unterlagen be sitzen.« Wir sahen den geheimnisvollen Jungen nachdenklich an. Akon-Akon lag reglos auf der Pritsche. Seit ihn der Überschlagblitz getroffen hatte, starrten seine großen, roten Augen glanzlos ins Leere. Von einer Sekunde zur anderen war der Suggestivblock von den Gehirnen der Besatzungsmitglieder gewichen. Im schmalen, aber dennoch sehr edel wir kenden Gesicht des Jungen regte sich nichts. Er glich einer kunstvoll modellierten Statue. Seine Lebensprozesse hatten sich derart ver langsamt, daß niemand das leichte Heben und Senken seines Brustkorbs wahrnahm. Beide Hände hielt er eng an den Körper ge preßt, so daß man die Sternsymbole, die auf den Handflächen schimmerten, nicht erken nen konnte. »Der Knabe hat uns hart zugesetzt«, sagte Fartuloon mit einem sarkastischen Unterton. Der Bauchaufschneider schob das Skarg in die Scheide zurück. »Ich vergesse nicht so schnell, daß er unsere Besatzung zum Start von Ketokh zwang, obwohl er wußte, daß wir nicht an Bord waren.« Fartuloon streifte noch einmal die Ereig nisse der letzten Wochen. Ich mußte zugeben, daß ich selbst über rascht war, wie reibungslos unsere Rückkehr zur ISCHTAR verlaufen war. Ohne die Hil fe Klinsanthors wäre das nicht gegangen. »Solange er sich in diesem merkwürdig starren Zustand befindet«, sagte ich nach denklich, »haben wir nichts zu befürchten.« Fartuloon machte ein düsteres Gesicht. »Das kann jeden Augenblick vorbei sein. Der Junge besitzt übersinnliche Fähigkeiten und Kräfte. Jeder andere hätte durch den Überschlagblitz das Leben verloren. Er aber
4 liegt friedlich hier und schläft.« »Schläft er wirklich?« fragte ich den Bauchaufschneider scheinheilig. Fartuloon kratzte sich am Bart. Bei jeder Bewegung klirrte das Skarg gegen seinen In strumentengürtel. »Schlaf oder kein Schlaf«, stieß er kehlig hervor. »Was spielt das schon für eine Rol le? Hauptsache, er zwingt uns nicht wieder seinen Suggestivblock auf.« »Ihr redet und redet«, tadelte uns Ra. »Dabei vergeßt ihr ganz, daß Akon-Akon die ISCHTAR nach Kledzak-Mikhon steuer te. Niemand weiß, weshalb er hierher wollte. Zerbrecht euch lieber darüber den Kopf.« Ich schaltete den Panoramabildschirm ein. Übergangslos erschien die grünlich schim mernde Kugel des Sauerstoffplaneten auf der Bildfläche. Drei große Kontinente unter brachen das Blau der Ozeane. Dazwischen erschienen kleine Inseln als grüne Farbtup fer. Ich rief mir die Daten des Planeten in Er innerung. Die Schwerkraft betrug 1,1 Gravos. Die mittlere Temperatur lag bei dreißig Grad. Die Eigenrotation betrug knapp vierunddrei ßig Stunden. Es gab keine Monde. Die er sten Aufnahmen hatten uns gezeigt, daß dort unten eine reiche Flora und Fauna existierte. Die Vielfalt der Arten verblüffte uns immer wieder aufs neue. Bei unserem kurzen Zwischenspiel auf dem Planeten hatten wir nicht viel davon mitbekommen. Wir waren praktisch nur in der Riesenstadt umhergehetzt. Fartuloon blendete gerade die Ausschnitt vergrößerung für Poal-To ein. Die Stadt war riesig. Sie bedeckte ein Areal von ungefähr sechzig Quadratkilometern. Wohntürme von dreihundert Meter Höhe waren keine Selten heit. Gleiterstraßen und geschwungene Rohrbahnanlagen ergänzten das Bild. Und nach allem, was wir von Poal-To wußten, war es das Zentrum eines weitverzweigten Transmitternetzes. »Die Stadt ist eindeutig akonischen Ur sprungs«, wiederholte Fartuloon eine bereits
Dirk Hess früher geäußerte Vermutung. Ich senkte den Blick. Ich erinnerte mich nur dunkel an die Erzählungen meines Va ters. Darin war oft die Rede von den Befrei ungskriegen gewesen. Das war schon so lan ge her, daß diese Kriege heute nur noch in Legenden erwähnt wurden. Niemand wußte, wohin die Akonen ver schwunden waren! Ursprünglich waren wir ein Volk gewe sen. Unsere Technik hatte den gleichen Ur sprung. Die Trennung, also die Aufspaltung in Arkoniden und Akonen, war meines Wis sens nach nicht abrupt erfolgt, sondern das Resultat einer jahrhundertelangen Entwick lung gewesen. Den Schlußstrich unter die galaktische Tragödie hatten die Befreiungs kriege gesetzt. Es war für mich faszinierend und gespen stisch zugleich, jetzt unverhofft auf Zeugen der akonischen Geschichte zu stoßen. Kledzak-Mikhon war zweifellos ein Pla net der Akonen. Das Unheimliche daran war die Tatsache, daß es auf dem Planeten keine Akonen mehr gab. Die Städte waren dennoch bewohnt. Die automatischen Fabriken arbeiteten, und das Transmittersystem stand unter Energie. Wir nannten die Stadtbewohner einfach »Grünpelze«. Einer von ihnen befand sich an Bord. Ra und zwei von unseren Techni kern hatten ihn während eines tollkühnen Einsatzes vor seinen Artgenossen gerettet. Durch die Hilfe eines automatischen Translators gelang uns die Kommunikation mit dem Grünpelz. Er nannte sich Snayssol, und seine Rasse bezeichnete er als Logha nen. Sie bevölkerten alle drei Kontinente. Sie benutzten die akonische Technik mit ei ner verblüffenden Naivität. Sie taten sogar so, als hätten sie die komplizierten Maschi nen entwickelt. Snayssol sprach dabei von geheimnisvol len Ahnen, die jene Städte konstruiert hät ten. Wohin ihre Raumschiffe verschwunden waren, hatte er uns nicht verraten können. Der Raumhafen von Poal-To war leer. Er bot Platz für eine ganze Kriegsflotte und
Sklaven aus der Retorte schien nur darauf zu warten, daß die »Ahnen« zurückkehrten. Die Loghanen wa ren im Grunde nur Nutznießer des akoni schen Erbes. Sie waren unfähig, auch nur die kleinsten Reparaturen auszuführen. »Jetzt weiß ich auch, warum Ra die Grün pelze so liebt«, rief Fartuloon und grinste dabei übers ganze Gesicht. Er spielte auf die Rettungsaktion an, bei der Ra den Loghanen vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. »Drück dich deutlicher aus«, verlangte Ra. »Die Grünpelze«, begann Fartuloon ohne Umschweife, »spielen wie Kinder mit der Technik der Akonen. Sie veranstalten zum Beispiel die Spiele der Schwarzen Tore. Das ist wirklich das Absurdeste, was ich jemals kennengelernt habe.« Ich erinnerte mich an den Bericht des Lo ghanen. Er hatte uns erzählt, daß in regelmäßigen Abständen Tausende von Loghanen durch die Transmitterkette geschickt wurden. Da bei mußten sie gegen wilde Tiere und Natur gewalten kämpfen, präparierte Fallen über winden und sogar das Risiko eingehen, von fehlgeschalteten Transmittern für alle Zeiten in die fünfte Dimension geschleudert zu werden. »Ich verstehe immer noch nicht ganz«, meinte Ra scheinheilig, »weshalb du mich mit diesen Grünpelzen in Verbindung bringst.« »Du hast Mitleid mit Snayssol gehabt. Stimmt das?« »Ja!« Die Antwort Ras kam wie aus der Pistole geschossen. »Siehst du«, erwiderte Fartuloon. »Du hast dich unbewußt mit dem Grünpelz iden tifiziert. Versuch dir vorzustellen, die Arko niden hätten auf deinem Heimatplaneten ei ne ähnlich perfekte Technik hinterlassen wie die Akonen auf Kledzak-Mikhon. Wie hättet ihr euch verhalten? Ich kann es dir genau be schreiben. Ihr hättet die wilden Tiere nicht mehr mit dem Faustkeil, sondern mit einem Blaster getötet. Ihr hättet mit der Zeit her ausgefunden, daß man weite Strecken ohne
5 Zeitverlust durch die Transmitterkette über winden kann …« »Ja, das wäre die logische Extrapolation deiner Annahme«, gestand der Barbar dem Bauchaufschneider zu. »Das Entscheidende kommt noch«, fuhr Fartuloon fort. »Die Beherrschung einer sol chen Supertechnik läßt sich relativ leicht er lernen. Viele Prozesse werden durch Knopf druck eingeleitet. Schwierig wird es erst, wenn diese Dinge ausfallen. Ich frage dich, Ra … könnten deine Stammesbrüder einen defekten Transmitter reparieren? Vorausge setzt natürlich, die Instrumente stünden ih nen zur Verfügung.« Ra schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das könnten sie ganz bestimmt nicht.« »Genauso verhält es sich mit den Logha nen dort unten. Sie benutzen die Transmit ter, können sie aber weder weiterentwickeln noch reparieren, wenn es einen Defekt gibt.« Das leuchtete uns allen ein. Aber damit war noch längst nicht das Rätsel der Her kunft jener Grünpelze gelöst. Auf den ersten Blick konnte man sie für wilde Tiere halten. Doch der Augenschein trog. Die Loghanen besaßen eine differenzierte Sprache, und wenn man von ihren mörderischen Kampf spielen absah, hatten sie ein funktionierendes Staatswesen entwickelt. »Schade, daß uns Snayssol nichts über den Ursprung seiner Rasse verraten konnte«, sagte ich. »Vielleicht wollte er das nicht«, vermute te Fartuloon. »Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Loghanen in einem Abhängig keitsverhältnis zu den Akonen standen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß sie für die Akonen Söldnerdienste leisteten.« »Das sind Spekulationen, die durch nichts bewiesen wurden«, rief ich. Bevor ich näher auf die Vermutungen des Bauchaufschneiders eingehen konnte, summte der Interkom. Auf dem Bildschirm erschien ein Farbwirbel, und wenig später sah uns Snayssol verwirrt an. »Snayssol«, stieß ich überrascht hervor.
6
Dirk Hess
»Was gibt's? Ich denke, du liegst im Heil schlaf!« Der Loghane räusperte sich knurrend. Auf den ersten Blick sah er tatsächlich wie ein Tier aus. Grünlich schimmernder Pelz um gab seinen ganzen Körper. Die Augen stan den schräg wie bei einem arkonidischen Vo ger. Seine Ohren ragten seitlich spitz in die Höhe, und die schwarze Schnauze war abge plattet. Ein Gelantineverband spannte sich über seiner verletzten Schulter. Die Wunde war fast verheilt. »Ich wollte euch nicht stören«, kam die bellende Stimme des Loghanen aus dem tragbaren Translatorgerät. »Du störst uns nicht«, entgegnete ich mil de. »Brauchst du irgend etwas?« Der Loghane schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst … schreckliche Angst!«
* Fartuloon stieß geräuschvoll die Luft aus. Er trat neben mich und sah den Grünpelz prüfend an. »Hast du Schmerzen? Heraus mit der Sprache, Snayssol … was bedrückt dich? Du bist unser Gast, also kannst du dich uns be dingungslos anvertrauen.« »Ich weiß nicht, wie ich es euch erklären soll«, begann der Loghane stockend. Er schien mit sich zu ringen, ob er uns seine ge heimen Befürchtungen mitteilen sollte. Sei ne anfängliche Scheu vor uns unbepelzten Wesen hatte er anscheinend noch nicht ganz überwunden. »Es ist nicht wegen euch … ich fürchte mich vor dem schlafenden Jun gen.« Das war es also! Ich warf Fartuloon einen überraschten Blick zu. »Akon-Akon kann dir nichts tun, Snays sol. Er erhielt eine Betäubungsspritze. Das Mittel hält lange an. Du kannst also beruhigt sein.« Der Loghane schüttelte den Kopf. Man sah ihm seine Erregung deutlich an. »Ich habe Angst«, wiederholte er. »Ich
fühle es ganz deutlich. Der Junge haßt mich, weil ich unvollkommen bin. Nur die Ahnen sind vollkommen. Und er ist ein Ahne.« Ich stutzte. Snayssol hatte schon mehrfach von den »Ahnen« gesprochen, die seinen Planeten einst verlassen hatten, und auf die viele Erben noch heute warteten. Zuerst hat te er mich und Fartuloon für seine »Ahnen« gehalten. Doch nachdem er mehr über uns und die ISCHTAR erfahren hatte, verlagerte sich seine Angst auf Akon-Akon. »Wie geht es deiner Schulter?« wechselte ich abrupt das Thema. »Wenn du noch Schmerzen hast, schicke ich dir ein Medika ment.« Snayssol starrte uns verzweifelt an. »Ich habe keine Schmerzen«, tönte es aus dem Translator, der das loghanische Idiom ohne meßbaren Zeitverlust ins Arkonidische übersetzte. »Ich habe Angst.« Ich zuckte mit den Schultern. »Da kann ich dir auch nicht helfen, Snayssol. Es wird wohl besser sein, wenn wir dich wieder nach Poal-To zurückbrin gen.« Plötzlich sprang der Loghane aus der Bil derfassungs-Optik. Sein Körper krümmte sich wie unter unvorstellbaren Schmerzen zusammen. Wir hörten ein tierisches Heulen und Knurren. Anscheinend hatte er den Translator durch seine ungeschickten Bewe gungen ausgeschaltet. »Snayssol«, stieß ich barsch hervor. »Was ist los?« Fartuloon packte mich derb am Oberarm. Ich drehte mich um und sah den Bauchauf schneider fragend an. »Akon-Akon«, sagte mein Lehrmeister la konisch. Ich warf einen Blick auf die Pritsche, auf der Akon-Akon ruhte. Der Junge hatte sich bewegt. Seine Handflächen, auf denen die geheimnisvollen Sternsymbole schimmer ten, deuteten auf sein Gesicht. Die Ellenbo gen waren leicht angewinkelt. »Das Betäubungsmittel läßt nach«, preßte der Bauchaufschneider hervor. »Wie konnte der Loghane das nur spüren? Der Bursche
Sklaven aus der Retorte liegt doch ein paar Etagen von uns entfernt in der Medostation!« Ich hatte keine Ahnung. Vielleicht war die Psychomotorik der Loghanen sensibler als wir angenommen hatten. Du mußt handeln, wisperte mein Extra sinn beunruhigend. Wenn der Junge seine Aktionsfähigkeit wiedererlangt, ist die ISCHTAR in Gefahr. Du weißt immer noch nicht, was Akon-Akon auf Kledzak-Mikhon sucht. Akon-Akon starrte immer noch zur Decke empor. Seine Lippen zuckten, und die Arme bewegten sich noch näher an sein Gesicht heran. »Täusche ich mich«, flüsterte ich, »oder leuchten die merkwürdigen Tätowierungen auf seinen Handflächen tatsächlich?« Fartuloon machte ein paar Schritte auf die Pritsche des Jungen zu. »Sieht so aus«, rief der Bauchaufschnei der. Ich wurde aus dem Ganzen nicht mehr schlau. Akon-Akon war uns mehr als nur ein Rätsel. Seit wir ihn in der versunkenen Stadt von Perpandron gefunden hatten, waren die exzentrischen und unverständlichen Reak tionen des Jungen nicht abgerissen. Ra sprach im Grunde das aus, was wir al le dachten: »Ihr seid Narren! Erwartet ihr et wa immer noch, daß euch der Bengel über seine Herkunft aufklärt, oder daß er euch zu kosmischen Schätzen führt? Glaubt mir, bei der erstbesten Gelegenheit wird er euch alle ans Messer liefern.« »Wir müssen ihn noch einmal betäuben«, rief ich. Fartuloon nickte. Er stellte die Verbin dung zu Karmina Arthamin her, die in der Medostation arbeitete. Während der Bauch aufschneider in wenigen Sätzen berichtete, was vorgefallen war, stieß Akon-Akon die ersten verständlichen Worte aus. »Die Unwürdigen … ausrotten … ver nichtet die Unwürdigen!« Die akustische Verbindung zu Snayssol bestand immer noch. Der Loghane bekam also alles mit, was sich in der Zentrale ab
7 spielte. Auf der anderen Seite dröhnten die Angstlaute des Loghanen aus dem Lautspre chersystem der Zentrale. »Ertrage … die Unwürdigen nicht«, kam es tonlos über Akon-Akons Lippen. »Wen er damit wohl meint?« fragte Fartu loon ratlos. Ra schien die verwirrende Lage durch schaut zu haben. »Akon-Akon meint die Grünpelze, dessen bin ich mir ganz sicher. Bevor wir überhaupt wußten, was auf Kledzak-Mikhon los ist, äußerte sich der Junge abfällig über die Planetarier. Er haßt sie und spricht von ihnen, als wären sie nichts weiter als Ungeziefer, das man aus rotten muß.« Ich schwieg verblüfft. Wenn Ras These stimmte, dann war Akon-Akon nur deshalb hierhergekommen, um die Rasse der Logha nen auszurotten. In mir sträubte sich aber alles gegen diese Annahme. Die Loghanen waren intelligent. Es kam nicht darauf an, wie ein Wesen aus sah. Wichtig allein war die Tatsache, daß es denken und fühlen konnte. Die Erschei nungsformen des Lebendigen waren so un terschiedlich, daß sich ein Raumfahrer ein fach keine Intoleranz gegenüber Fremden leisten durfte. Ich würde niemals zulassen, daß AkonAkon den Loghanen etwas antat. Er wird dich nicht nach deiner Meinung fragen, prophezeite mein Extrasinn düster. Wenn er die Loghanen ausrotten will, wird er das auch tun. Deine einzige Chance, ihm zuvorzukommen, besteht darin, daß du ihn sofort ausschaltest. Akon-Akon stieß ununterbrochen Ver wünschungen hervor. Seine Stimme klang heiser und gequält. Anscheinend besaß er noch nicht genügend Kraft, um der Schiffs besatzung erneut seinen Willen aufzuzwin gen. »Wo zum Teufel bleibt Karmina Artha min?« schrie ich unbeherrscht. »Sie muß gleich da sein!« Aus dem Lautsprecher der Kommunikati onsanlage ertönten Snayssols Angstlaute.
8 »Sofort die Verbindung zur Medostation unterbrechen«, fauchte ich. »Je weniger der Junge von der Anwesenheit eines Loghanen an Bord der ISCHTAR erfährt, desto bes ser!« Fartuloon schlug auf die Desaktivierungs taste. Augenblicklich verstummte das Heu len des Grünpelzes. Akon-Akon dagegen beruhigte sich nicht mehr. Er lag zwar starr auf dem Rücken, doch seine Hände verkrampften sich, locker ten sich und ballten sich erneut zu Fäusten. Jetzt glitt die Tür des Personenlifts auf. Karmina Arthamin kam im Eilschritt auf uns zu. Sie hatte die Hochdruckinjektions-Sprit ze dabei. Ihr hageres Gesicht drückte höch ste Besorgnis aus. »Ich rate dringend von einer weiteren In jektion ab. Die erste Dosis war bereits so hoch, daß ein normaler Organismus irrepara ble Schäden erlitten hätte.« »Geben Sie schon her«, verlangte Fartu loon. »Und wenn der Junge stirbt?« »Dann sind wir eine große Sorge los«, warf Ra ungerührt ein. Karmina Arthamin zögerte. Fartuloon nahm ihr die Spritze einfach aus der Hand und überprüfte die Druckan zeige. In der durchsichtigen Preßluftvakuole schimmerte eine gelbliche Flüssigkeit. Dann trat er an den starr daliegenden Jungen her an. Langsam setzte er die Spritze an den Oberarm des Röchelnden. Plötzlich zuckte der Bauchaufschneider zusammen. »Drück doch endlich ab«, rief ich. Ich konnte mir das Zögern Fartuloons nicht er klären. Fartuloons Haltung wirkte unnatürlich starr. Er trat einen Schritt zurück. Dumpf polterte die Spritze auf den Boden, und wir vernahmen das gequälte Stöhnen des Bauch aufschneiders. Akon-Akon kontrolliert seinen Willen, pulste mein Extrasinn in erschreckender Deutlichkeit.
Dirk Hess
* Ich sprang instinktiv auf die Pritsche zu, ergriff die Betäubungsspritze und wollte das nachholen, was Fartuloon anscheinend nicht schaffte. Plötzlich spürte ich etwas Fremdes in meinem Innersten. Ich kannte die drängen den Impulse, die sich wie Nebel auf mein Bewußtsein legten. Ich kämpfte mit aller Energie dagegen an. Auf einmal tanzten dunkle Schemen vor meinen Augen. Die Pritsche mit dem Jungen wurde undeutlich. Die Konturen verblaßten, und ich hatte das Gefühl, durch eine zähflüssige Substanz zu waten. Ich muß ihn betäuben, hämmerte ich mir immer wieder ein. Ich muß es schaffen. Mein Extrasinn wirkte blockierend auf die Suggestivimpulse des Jungen. Du mußt dich auf jeden Schritt konzen trieren, wisperte mein aktivierter Extrasinn. Doch es hatte alles keinen Sinn. Was bei Fartuloon innerhalb weniger Sekunden er folgt war, geschah jetzt auch mit mir: Ich verlor meinen eigenen Willen. Ich lockerte den Griff um den Kolben der Spritze. Das Gerät fiel auf den Boden. So ist es brav, Kristallprinz, vernahm ich die Gedankenstimme des Jungen. Ich sehe, wir verstehen uns. Versuche das nicht wie der. Ich hätte deinen Geist vernichten kön nen. Ich wußte, daß Akon-Akon nicht über trieb. Seine Fähigkeiten waren unseren Möglichkeiten weit überlegen. Trotz der Körperstarre hatte er es geschafft, uns aus seinem aktiven Unterbewußtsein heraus un ter Psycho-Kontrolle zu nehmen. Fartuloon stand immer noch wie paraly siert da. Er preßte die Zähne zusammen und verzerrte die Lippen, als würde er von ent setzlichen Schmerzen gefoltert. »Was willst du von uns, Junge?« hörte ich mich schreien. Ohne, daß sich Akon-Akon gerührt hatte, vernahm ich das Wispern seiner Gedanken
Sklaven aus der Retorte stimme. Er schien also Schwierigkeiten zu haben, sich mit uns akustisch zu verständi gen. Möglicherweise war sein vegetatives Nervensystem durch die erste Injektion in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihr sollt die ISCHTAR auf dem Raumha fen landen! »Warum verlangst du das von uns?« frag te ich. Wenn hier einer Fragen stellt, drückten die Gedanken des Jungen sinngemäß aus, dann bin ich das. Gewöhne dir also ab, mich bevormunden zu wollen. Schwerfällig ging ich zum Kontrollpult hinüber. Auf einen Tastendruck erschien die Stadt Poal-To auf dem Panoramaschirm. Im Westen erkannte ich das riesige Start- und Landefeld des akonischen Raumhafens. Die Fläche war leer und verlassen. Dort unten stand kein einziges Raumschiff. Innerlich sträubte ich mich gegen die Vor stellung, zum verlängerten Arm AkonAkons degradiert zu werden. Im gleichen Augenblick raste das telepa thische Gelächter des Jungen durch mein Bewußtsein. Du bist ein unverbesserlicher Rebell, Kristallprinz. Wage es ja nicht, mich hinter gehen zu wollen. Ich würde dich und die an deren bitter dafür bestrafen. Vorwärts, du sollst die ISCHTAR landen. Ich stellte die Verbindung zum Maschi nenraum her. Die Ortungszentrale hatte die Auseinandersetzung in der Zentrale über In terkom mitverfolgen können. Die Männer wußten also Bescheid. Ich brauchte sie nicht mehr über die veränderte Sachlage zu infor mieren. »Zentrale an Maschinenraum!« »Hier Maschinenraum«, tönte es aus dem Lautsprecher. »Wir landen auf dem Raumhafen. Pro grammieren Sie bitte die Anflugdaten.« Ein Anruf aus der Ortungszentrale unter brach das Gespräch. »Wir messen soeben energetische Streu felder aus dem Bereich des Raumhafens an. Alles deutet darauf hin, daß sich dort starke
9 Abwehrforts befinden. Wir schlagen deshalb vor, die Landung noch zu verschieben …« Die Stimme des Ortungsspezialisten ver stummte. Plötzlich kam ein Röcheln aus dem Lautsprecher der Interkomanlage. »Was ist passiert?« fragte ich. »Die Impulse des Jungen«, kam es stockend aus dem Lautsprecher. »Er befiehlt uns … die Schutzschirme einzuschalten!« Ich erschrak zutiefst. Der Junge konnte al so bereits jede Sektion der dreihundert Me ter großen ISCHTAR erreichen und seine Befehle übermitteln. Damit hatte ich nicht gerechnet. Unsere Chancen standen ziemlich schlecht. Hätte sich Akon-Akons Einfluß nur auf die Zentrale erstreckt, wäre es im merhin möglich gewesen, aus einem gewis sen Sicherheitsabstand heraus gegen ihn zu arbeiten. Worauf wartet ihr noch? vernahm ich die Gedankenstimme Akon-Akons. Landet end lich! Dabei wird jeder Funkimpuls regi striert und an mich weitergegeben. Ich ver lange die Überprüfung folgender Frequen zen … Während die Schutzschirme eingeschaltet wurden, und das große Kugelraumschiff den Orbit um Kledzak-Mikhon verließ, übermit telte er der Ortungszentrale die Frequenzda ten eines unbekannten Senders. »Wen suchst du?« fragte ich. Du wirst es bald wissen, kam die lakoni sche Antwort des Jungen.
2. Tamoyl und Rassafuyl Die Versammlungshalle des Triumvirats von Kledzak-Mikhon lag unmittelbar hinter dem Tempel der Ahnen. Ein breiter Säulen gang führte von einem Gebäude zum ande ren. Die Gehwege waren mit farbigen Mosa iken ausgelegt. Zwischen den Häusern er streckten sich kunstvoll angelegte Parkland schaften. An diesem Tag drängten sich Hunderte von Erben in die Versammlungshalle. Alle Loghanen, deren Intelligenzquotient eine be stimmte Darts-Ziffer erreicht hatte, durften
10 sich »Erben« nennen. Sie genossen zahlrei che Vorteile. Sie durften zum Beispiel jeder zeit um Audienz beim Triumvirat bitten, und sie konnten nur in Ausnahmefällen zur Teil nahme an den Spielen der Schwarzen Tore gezwungen werden. »Habt ihr das Schiff der Ahnen gesehen?« rief ein junger Erbe. »Es ist groß wie die Sonne. Es wird auf unsere Stadt herabstür zen und alles Leben vernichten.« »Das ehrwürdige Triumvirat wird mit den Ahnen sprechen«, meinte ein anderer. »Die wissen ja selbst nicht, was sie tun sollen«, knurrte ein alter Loghane, dessen Pelz mit grauen Haaren durchsetzt war. Die Menge schob sich an den Denkmals sockeln vorbei. Hier stand keine einzige Skulptur mehr. Schon vor vielen hundert Jahren hatten die Regierungsvertreter jedes Bild der Ahnen verschwinden lassen. Kein Loghane sollte an die Begründer der Zivili sation auf Kledzak-Mikhon erinnert werden. Jeder sollte glauben, die technischen Errun genschaften seien das Ergebnis loghanischen Forschungsgeists. Das Sprechpult des Triumvirats war noch nicht besetzt. »Heute lassen sie uns aber lange warten«, murrten einige Loghanen. »Wißt ihr denn noch nicht, was passiert ist?« »Was denn?« ließ sich ein Grünpelz un wirsch verlauten. »Ein Ratsmitglied ist tot!« Aufgeregtes Bellen schallte durch den Saal. Irgendwo sprang ein Grünpelz auf und schrie nach den Vertretern des Triumvirats. Die Stimmung stand kurz vor der Explosi on. Seit langer Zeit hatte es nicht solchen Aufruhr in der Versammlungshalle gegeben. »Achtung, sie kommen!« Ein vielstimmiger Schrei begrüßte die Ratsmitglieder. Sie traten zwischen den Vor hanghälften hindurch und nahmen hinter dem Rednerpult Platz. Tamoyl und Rassa fuyl trugen die roten Kreuzgurte der Trauer. Ihre Gesichter drückten Schmerz und Unsi cherheit aus.
Dirk Hess »Wo steckt Kenyol?« fragte ein Erbe laut. Rassafuyls Gestalt streckte sich. Er war der jüngste Vertreter des regierenden Trium virats. Man munkelte darüber, daß er diesen Posten nur durch Intrigen errungen hatte. Rassafuyl hatte seinen Gesichtspelz dun kel eingefärbt. Seine gelben Schlitzaugen versprühten ein eigenartiges Feuer. Seine Blicke schienen die Zuhörer sezieren zu wollen. »Ich habe die unangenehme Pflicht«, be gann er in seiner abgeharkt klingenden Spra che, »Ihnen mitzuteilen, daß unser verehrtes Ratsmitglied Kenyol zu den Ahnen gegan gen ist.« »Habt ihr gehört?« wisperte es unter den Zuhörern, »Kenyol ist tot. Die Gerüchte stimmen also!« »Ich dementiere alle Gerüchte«, fuhr Ras safuyl streng fort. »Kenyols Tod steht in kei nem Zusammenhang mit den Ereignissen vor dem großen Schwarzen Tor. Es ist höchst unsinnig, darüber in Panik auszubre chen. Ich fordere daher alle Erben auf, für Ruhe und Ordnung im Land zu sorgen …« »Die Ahnen sollen zurückgekehrt sein«, ertönte ein Zwischenruf. »Wer behauptet das?« schrie Rassafuyl nervös. Niemand meldete sich. Noch genügte die Autorität eines Ratsmitglieds, um Ruhe im Versammlungssaal herzustellen. Und Rassa fuyl wußte das. »Ich erwarte von jedem Erben, daß er Vernunft bewahrt«, stieß Rassafuyl hervor. »Ich halte die Diskussion über Kenyols Tod damit für beendet. Ich erwarte von Ihnen al len, daß Sie in dieser schweren Stunde Hal tung bewahren. Ein Erbe muß dem loghani schen Volk mit leuchtendem Beispiel voran gehen. Halten Sie sich das immer vor Au gen. Ich schlage vor, daß wir jetzt zur Ta gesordnung übergehen.« Rassafuyl nickte seinem alten Kollegen Tamoyl unauffällig zu. Der Loghane ordnete gerade mehrere Schreibfolien auf dem Pult. Ihm war deut lich anzusehen, daß ihn die Situation über
Sklaven aus der Retorte forderte. Er wußte natürlich, daß sein Kolle ge Kenyol einen Kollaps erlitten hatte, nach dem die geheimnisvollen Ahnen aus dem Großtransmitter von Poal-To gekommen waren. Kenyol war alt und schwach gewe sen. Er hatte den Anblick jener übernatürli chen Wesen nicht verkraften können. Hinzu kam, daß keiner mehr von ihnen damit gerechnet hatte, eins jener drei Groß tore würde zu arbeiten anfangen. Sie konn ten jeden Kleintransmitter auf Kledzak-Mik hon bedienen. Doch bei den Riesentoren war ihnen das nicht gelungen. Das Entsetzen der Loghanen war kaum zu beschreiben gewe sen, als jene Tore aufglühten und das Trans portfeld aufbauten. Aus den erschreckenden Energiewirbeln waren zwei fremde Wesen ausgespien worden. Wenn man ihr Erschei nungsbild mit den uralten Bildern verglich, konnte man nur zu dem Schluß kommen, daß es sich um Ahnen handelte. Tamoyl und Rassafuyl wußten, daß die beiden Fremden zur Himmelskugel gestartet waren, die den Planeten seit einiger Zeit um kreiste. Tamoyl stützte sich schwer auf das Red nerpult. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Würden die Ahnen nach Poal-To zurückkehren? Was würden sie von den Loghanen fordern? Nachdem man jahr hundertelang verschwiegen hatte, daß die technischen Einrichtungen nicht das Produkt der Loghanen waren, würde das Weltbild gefährlich ins Schwanken geraten. »Wir müssen die Erben von den Gescheh nissen ablenken«, zischte Rassafuyl dem alten Ratsmitglied zu. Tamoyl erhob sich langsam. Seine Hal tung drückte Würde und Ernst aus. »Das Thema der heutigen Besprechung ist die Wahl eines Nachfolgers für das ehrwür dige Ratsmitglied Kenyol.« Mehrere Erben erhoben sich von den Plät zen und zwängten sich zwischen den ande ren hindurch. Schließlich standen sie vor dem Rednerpult. »Was wollt ihr?« fragte Rassafuyl bei ßend.
11 »Wir gehören zu den dreißig Überleben den des Spiels der Schwarzen Tore. Wir sind Erben, die sich freiwillig für die Kämpfe ge meldet haben. Bevor Sie die Bewerber für das Amt des Ratsmitglieds aufrufen, wollen wir in die engere Wahl gezogen werden.« Rassafuyl betrachtete die jungen Logha nen. »Bevor wir uns dazu äußern können«, meinte er verbindlich, »müssen wir ihren In telligenzquotienten vom Datenspeicher ab rufen.« »Damit können wir sofort dienen«, rief ei ner der Bewerber. Bevor Rassafuyl antworten konnte, gab es erneut Unruhe. Am Saalausgang wurden Stimmen laut. Man hörte das Geräusch aufsetzender Glei ter. Türen klappten, und das schwere Trap peln von Polizeistiefeln ertönte. »Was ist los?« Die Grünpelze standen auf. Einige liefen zwischen den Sitzreihen hindurch, um bes ser sehen zu können, was sich draußen ab spielte. »Die Ahnen landen vor Poal-To!« Rassafuyl bekam einen heißen Schrecken. Er beugte sich vor. Seine Hände zitterten. Mehrere Polizisten rannten auf das Red nerpult zu. Sie schwenkten Thermostrahler in den Händen. »Die Ahnen landen mit einem riesigen Raumschiff! Was sollen wir tun?«
* »Beruhigen Sie sich«, hielt Rassafuyl dem erregten Polizisten entgegen. »Berichten Sie der Reihe nach! Ich muß mir ein Bild über die Ereignisse machen, bevor ich eine Ent scheidung fällen kann.« Die Polizisten scharten sich um ihren Gruppenführer. Ihre seidigen Pelze waren schweißbedeckt, und ihre dunklen Plattna sen waren feucht vor Erregung. »Das Schiff der Ahnen schwebt am Him mel«, stieß der Polizist keuchend hervor. »Es ist groß wie die Sonne, und es leuchtet
12 wie geschmolzenes Erz.« »Hattet ihr Kontakt mit den Ahnen?« »Nein«, antwortete der Polizist. »Wir wis sen nur, daß die Ahnen jeden Augenblick auf dem Raumhafen landen können.« Rassafuyl überlegte kurz. Dann flüsterte er seinem Kollegen Tamoyl zu: »Es gibt ein Chaos, wenn die Bevölke rung etwas darüber erfährt. Wir müssen un bedingt verhindern, daß die Ahnen das Raumschiff verlassen.« Tamoyl nickte zustimmend. Er hatte seine viergliedrigen Hände gefaltet, um vor den anderen sein Zittern zu verbergen. Sein Atem ging keuchend, und die Stumpfnase war mit Schaum bedeckt. »Das bedeutet Krieg!« Rassafuyl nickte. »Wir besitzen genügend Waffen, um jeden Angriff wirkungsvoll abschlagen zu können. Die Ahnen haben uns Arsenale hin terlassen, die sich sehen lassen können …« »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit«, warf Tamoyl unruhig ein. »Ich weiß! Deshalb schickte ich die Poli zeitruppen sofort los. Sie werden die Boden forts besetzen und das Raumschiff der Ah nen vernichten. Das ist die einzige Möglich keit, die gegenwärtigen Verhältnisse auf Kledzak-Mikhon in unserem Sinne zu erhal ten.« Rassafuyl stand auf und ging vor das Red nerpult. Er drückte die Sprechanlage für das Verstärkersystem. Dadurch wurden seine Worte über Lautsprecher wiedergegeben. »Die heutige Besprechung ist beendet. Bitte gehen Sie alle nach Hause. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie verantwortungsbewußt handeln. Lassen Sie draußen nichts von den Ereignissen verlauten. Das ist ganz allein Sache der Polizei. Wir sind die Regierungs vertreter. Also liegt die Verantwortung für Kledzak-Mikhon in unseren Händen …« »Das genügt uns nicht«, schrie ein Erbe entrüstet. »Das ist doch plumpe Augenwi scherei! Wir wollen endlich die Wahrheit wissen. Was ist passiert?« Rassafuyl verzog wütend das Gesicht.
Dirk Hess Seine spitzen Ohren standen schräg nach oben ab. Er streckte die Rechte aus und deu tete auf den Zwischenrufer. »Sofort verhaften! Unruhestifter werden wie Rebellen behandelt!« Zwei Polizisten kämpften sich zu dem Er ben durch. Sie erhoben ihre Stahlpeitschen und drehten sich noch einmal zu Rassafuyl um. »Schlagt ihn nieder!« Ohne zu zögern, droschen die Polizisten auf den Erben ein. »Aufhören«, heulte der Loghane. Blutige Striemen bedeckten seinen bepelzten Kör per, doch das Klatschen der heftigen Schlä ge dröhnte weiter durch den Saal. »Genug«, schrie Rassafuyl. »Schafft ihn hinaus!« Auf einen weiteren Wink des Ratsmit glieds postierten sich mehrere Polizisten am Ausgang. Sie hielten Thermostrahler schuß bereit in den Händen. »Jeder wird ab sofort überwacht«, stieß Rassafuyl knurrend hervor. Sein Kollege Ta moyl schwieg dazu. Dem alten Loghanen war es im Grunde recht, daß sich Rassafuyl zum Wortführer gemacht hatte. »Ich dulde keine eigenmächtigen Handlungen. Sie wis sen, daß das Triumvirat in außerordentlichen Situationen dazu ermächtigt ist, den Not stand über Kledzak-Mikhon zu verhängen …« »Das Triumvirat ist nicht vollständig«, spielte ein Erbe auf den Tod Kenyols an. »Das Triumvirat ist trotzdem voll be schlußfähig«, erwiderte Rassafuyl sofort. »Ich habe zu bestimmen, was auf KledzakMikhon zu geschehen hat. Ich bin ab sofort der Oberbefehlshaber aller Polizeistreitkräf te.« Da es auf Kledzak-Mikhon niemals Krie ge gegeben hatte – die Spiele der Schwarzen Tore ersetzten jede Art der aggressiven Aus einandersetzung –, waren die Polizeieinhei ten die einzige geordnete Kampfeinheit, die Rassafuyl den Ahnen entgegenzusetzen hat te. »Ich fordere Sie noch einmal auf, sich in
Sklaven aus der Retorte die Wohnblöcke zu begeben. Antworten Sie auf die Routineanfragen und verhalten Sie sich ruhig. Wenn eine Panik unter der Be völkerung ausbricht, mache ich Sie dafür verantwortlich. Ich werde jeden Erben mit dem Tode bestrafen, der gegen meine An ordnungen verstößt.« Zwischenrufe wurden laut. Mehrere Er ben wollten sich das nicht gefallen lassen. Sie sahen darin einen groben Verstoß gegen ihre angestammten Vorrechte. Doch ein Blick in die Gesichter der Poli zisten genügte, um sie vom Ernst der Lage zu überzeugen. Einer nach dem anderen verließ den Ver sammlungssaal. Draußen ordneten Polizisten den Abzug der Erben. Die Thermostrahler sprachen eine deutliche Sprache. Bevor ei ner der Erben das Leben riskierte, folgte er lieber den Befehlen Rassafuyls. Nachdem im Saal Ruhe herrschte, wandte sich Rassafuyl an seinen stumm dasitzenden Kollegen. Der Alte war ein Nervenbündel. Von ihm hatte das Ratsmitglied keinerlei Widerstände zu erwarten. »Wir besetzen die Bodenforts. Wenn das Schiff der Ahnen landet, schießen wir die Raketen ab.« »Aber … aber die Ahnen werden unsere Absicht durchschauen!« Rassafuyl grinste hinterhältig. »Wir werden mehrere hundert Erben als Begrüßungskomitee auf den Raumhafen schicken.« »Ich verstehe Sie nicht ganz«, warf Ta moyl ein. »Ich dachte, wir wollen die Ahnen angreifen.« Rassafuyl stieß ein häßliches Lachen aus. »Wir müssen die Ahnen natürlich zu nächst in Sicherheit wiegen. Das erreichen wir nur durch ein Begrüßungskomitee. Wenn sie die festlich geschmückten Logha nen erblicken, werden sie kaum auf die Idee kommen, wir wollten sie angreifen. Wäh rend die speziell dafür ausgesuchten Erben auf das Raumschiff der Ahnen zu laufen, ak tivieren wir die Raketen der Abwehrforts.« »Aber das ist Mord an den Erben«, keuch
13 te der Alte. »Wir kennen eine ganze Anzahl von Un ruhestiftern und potentiellen Rebellen«, er klärte Rassafuyl ungerührt. »Ich möchte Sie nur an den Erben Snayssol erinnern. Zehn Burschen von seinem Format könnten das altehrwürdige System des Triumvirats stür zen und eine neue, chaotische Gesellschafts form gründen. Wir dürfen nicht zulassen, daß solche Elemente Zulauf unter der Bevöl kerung bekommen. Ich habe schon oft eine Säuberung verlangt. Jetzt ist es soweit. Die Gegebenheiten erfordern ein sofortiges Durchgreifen. Nutzen wir das Gebot der Stunde und beseitigen wir zwei Probleme mit einem Schlag. Vernichten wir die äußere Bedrohung unserer Gesellschaft, und befrei en wir uns von den Unruhestiftern, indem wir alle diejenigen für das ›Begrüßungskomitee‹ verpflichten, die uns verdächtig erscheinen. Das befreit uns von der lästigen Pflicht, sie demnächst hinrichten zu lassen.« Tamoyl war schockiert. »Hinrichten lassen? Das … das meinen Sie doch wohl nicht im Ernst!« Rassafuyl lachte. »Hören Sie mal, Tamoyl«, sagte er zy nisch. »Ich könnte Sie auf der Stelle töten. Niemand würde auf die Idee kommen, daß ich dahinterstecke. Sie würden einfach von der Bildfläche verschwinden. Halten Sie sich das immer vor Augen. Wenn Sie wei terleben wollen, befolgen Sie meine Befeh le. Dann wird Ihnen nichts passieren.« Rassafuyl hielt diese Angelegenheit für geklärt. Er stellte die Verbindung zum Da tenspeicher des Triumvirats her. »Ich bitte um die Namen sämtlicher Er ben, die im Zeitraum von fünf Jahren als Su cher nach der Wahrheit, als Unruhestifter und als potentielle Kandidaten für das Amt eines Ratsmitglieds erfaßt wurden. Ferner wünsche ich die Namen aller Loghanen, de ren Intelligenzquotient über einhundertacht zig Darts liegt …« Erschüttert folgte Tamoyl dem Treiben seines Kollegen. Er suchte verzweifelt nach
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einem Ausweg aus diesem Dilemma. Doch er wußte, daß ihm die Hände gebunden wa ren. Rassafuyl hätte ihn entweder sofort ge tötet, oder aber – und diese Annahme war wahrscheinlicher – er hätte ihn dem Begrü ßungskomitee vorangestellt. Während Rassafuyl seinen teuflischen Plan in die Tat umzusetzen begann, setzte draußen auf dem Raumhafen von Poal-To die ISCHTAR zur Landung an.
3. Gemno Las-Therin Ich träume von der Verwirklichung des akonischen Imperiums. Es ist wahr, daß ich nur ein subalterner Inspektor auf diesem Planeten bin, doch die Vollmachten der akonischen Streitkräfte statten mich mit ungewöhnlicher Macht aus. Ich habe diese Aufgabe gern und willig übernommen, obwohl das Risiko groß ist und andere davor zurückschreckten, von den biologischen Schöpfungen auf Kledzak-Mik hon vielleicht getötet zu werden. Ich habe keine Angst. Das müßt Ihr mir glauben! Ich habe wirk lich keine Angst. Aber das muß ich nicht extra betonen. Die Analysedaten meiner psychophysischen Kondition liegen dem Hohen Rat vor. Ich bin gesund. Meine psychische Verfassung ist ausgezeichnet und die Tests haben erge ben, daß ich der Belastung durchaus ge wachsen bin. Eins mag den Ausschlag dazu gegeben haben. Ich bin ein Einzelgänger. Man sieht mir das vielleicht nicht an, aber ich mache mir nichts aus Geselligkeit. Ich bin äußerst korrekt und zuverlässig. Deshalb bin ich zum Bio-Inspektor auf diesem Planeten ernannt worden. Meine Aufgabe besteht darin, die Ent wicklung der von uns künstlich erschaffenen Wesen zu überwachen. Die Positronik hat verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten errechnet. Das bedeutet im Grunde nichts anderes, als daß die Versuchskreaturen so wohl friedlich als auch aggressiv werden
können. Sie können sich positiv oder negativ weiterentwickeln. Sie können die Intelli genz, die wir ihnen mitgaben, für die akoni sche Sache einsetzen. Sie können ihre Fä higkeiten aber auch gegen uns einsetzen. Und hier setzt nun der zweite Teil meiner verantwortungsvollen Tätigkeit ein: Ich muß jede Veränderung im Verhalten der Ver suchskreaturen sofort an den Hohen Rat weitermelden. Ich erinnere mich genau an die Anfänge. Die Befreiungskriege der arkonidischen Rebellen traten in ein entscheidendes Stadi um. Ich verstehe nicht, wie Männer und Frauen, die von der gleichen Rasse abstam men, so entarten können. Die Arkoniden sind pervers und entartet! Das muß ich unbedingt feststellen, denn es gibt mir die Kraft, mich mit jeder Faser meines Körpers für den großen Plan einzu setzen. Nur die Akonen dürfen in dieser Ga laxis herrschen. Denn nur die Akonen besit zen die Würde und Kraft, die Geschicke die ser Sterneninsel zu lenken. Ich beruhige mich wieder. Das ist auch nötig. Ich brauche alle Kraft für die bevor stehende Erweckung durch die Automatik. Ich will mich an die Anfänge des Projekts erinnern. Es ist vielleicht auch besser, wenn ich den großen Leitgedanken des Projekts »Loghan« niemals aus den Augen verliere. In hundert Jahren kann vieles geschehen. Niemand ist perfekt. Besonders nicht organi sche Wesen. Und ich bin ein organisches Wesen. Natürlich gelang es mir, mich psy chisch und physisch zu kontrollieren. Aber es gibt Faktoren, die selbst der Beherrschte ste nicht ausschließen kann. Ein solcher Faktor ist das Altern. Auch wenn mich die Konservierungsauto matik gegen das Altern schützt, kann ich nicht verhindern, daß bestimmte Erinne rungsanteile verschwinden. Erinnerung ist eine chemo-elektrische Reaktion im Gehirn. Durch die komplizierten Reaktionen inner halb der Großhirnrinde und die biochemi schen Prozesse werden die Moleküle verän
Sklaven aus der Retorte dert. Dadurch entstehen Prägungen, wie sie in etwa mit den Programmierungen einer Positronik verglichen werden können. Eine positronische Programmierung bleibt solange bestehen, wie die Energiezuleitung konstant bleibt. Erlischt das Feld, ver schwinden auch die programmierten Daten. Dasselbe geschieht im Prinzip bei mir. Altere ich zu rasch, so gehen wichtige Er innerungsdaten verloren. Deshalb muß ich mich immer wieder dazu zwingen, mir die Punkte meines Auftrags deutlich vor Augen zu halten. Der Auftrag ist mein Lebensinhalt! Ich habe keine Freunde! Aber das sagte ich bereits. Ich habe auch keine Verwandten. Meine Angehörigen wurden während der Befreiungskriege getötet. Das ist wichtig für das Verständnis meiner Motivationen. Es macht mir nichts aus, viele tausend Jahre von meinem Volk getrennt zu sein. Ich weiß, daß sich niemand an mich erin nert! Aber ich ertrage das mit dem Gleich mut eines Mannes, der von seiner Aufgabe voll überzeugt ist. Ich konnte mich gegen alle Anfechtungen erfolgreich wehren. Ich habe niemals Kon takt zu einem Raumschiff aufgenommen. Ich hörte auch nicht den Hyperfunkverkehr ab. Ich weiß nicht, was draußen in der Gala xis geschieht. Wurden die Arkoniden inzwi schen geschlagen, oder konnten sie sich in ihre Rebellennester zurückziehen? Ich hoffe, daß die akonischen Verluste nicht zu hoch waren. Eines Tages wird mein Auftrag beendet sein. Es können noch tausend Jahre über die se Welt hinweggehen, bis ich über die Ent wicklung der Versuchskreaturen völlig Be scheid weiß. Alle hundert Jahre werde ich mich vom Stand der Entwicklung überzeu gen. Wenn ich meine Analysen beendet ha be, kehre ich wieder in meine Station zu rück. Die Positronik übernimmt die Auswer tung und vergleicht sie mit früheren Ergeb nissen. Ich gebe zu, daß ich stolz auf mich bin! Ich bin das intelligenteste Wesen auf die
15 ser Welt. So soll es auch bleiben. Wer dem akonischen Imperium dienen soll, darf sich niemals über seine Herren erheben. Es stimmt, daß wir die Versuchskreaturen intelligent gemacht haben. Jedenfalls nur bis zu einer gewissen Stufe. Denn sie sollen einmal unsere Geschütz mannschaften in den Raumschiffen ersetzen. Sie sollen unsere Maschinen bedienen und sämtliche Dienstleistungen im akonischen Sternenreich übernehmen. Ihr fragt, weshalb das keine Androiden er ledigen können? Ganz einfach! Androiden können nicht selbständig han deln. Sie reagieren nach einem vorgefaßten Schema, sozusagen nach einem aufgepfropf ten Programm. Androiden stehen von der Produktion her gesehen nur eine Stufe über normalen Robotern. Unsere Versuchskreaturen, die sich ge schlechtlich fortpflanzen können, sollen in der Lage sein, bestimmte Entscheidungen ohne Rückfragen treffen zu können. Sie können also auch auf unvorhergesehene Zwischenfälle reagieren. Diese Fähigkeit macht sie gefährlich! Bevor wir sie zu unserem Nutzen einset zen, müssen wir sie in einem Langzeitver such testen. Das geschieht hier auf KledzakMikhon. Ich brenne darauf, meine Station wieder zu verlassen! Die Erweckungsautomatik müßte jeden Augenblick reagieren. Ich werde ein kreis laufstabilisierendes Mittel injiziert bekom men. Die elektrostatische Massage wird meinen Körper geschmeidig machen, und die Psychoregenerierung erfrischt meinen Geist. Dann schlage ich die Augen auf. Ich steige aus der Lebenserhaltungs-Automatik und kleide mich an. Ich werde mich selbst im Spiegel sehen und darüber wundern, daß ich während der vergangenen hundert Jahre nicht alterte. Waren es wirklich nur hundert Jahre? Ich darf nicht ungeduldig werden! Trotzdem kann ich mich des Gedankens
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nicht erwehren, daß mich die Automatik längst hätte aufwecken müssen. Was geschieht, wenn sich ein Fehler in die komplizierte Apparatur geschlichen hat? Ich wage nicht daran zu denken. Dieser Ge danke erzeugt Angst, und Angst ist ein Ge fühl, das ein Bio-Inspektor nicht haben darf. Ich muß also weiterwarten – und das Warten habe ich gelernt.
4. Atlan Akon-Akon schwang sich geschickt von der Pritsche herunter. Die Nachwirkungen der Betäubungsinjek tion waren aus seinen Gliedern verschwun den. Damit hatte auch seine geistige Lei stungskraft das gewohnte Maximum er reicht. Er war wieder in der Lage, die ge samte Besatzung der ISCHTAR zu kontrol lieren. Der Junge besitzt eine unfaßbare Konditi on, registrierte mein Extrasinn. Ich hatte mich schon oft über die Leistun gen Akon-Akons gewundert. Dabei spielte nicht so sehr die Tatsache eine Rolle, daß er jedem Lebewesen seinen Willen aufzwingen konnte, sondern das Phänomen, daß er ohne erkennbare Schwierigkeiten Unfälle, chemi sche Vergiftungen oder Streß überstand. Er schien niemals zu schlafen. Das rätselhafte wache Wesen, meinte mein Extrasinn orakelhaft. Ich saß neben Fartuloon am Kontrollpult der ISCHTAR. Die rasch wechselnden Bildschirmein blendungen zeigten Ausschnitte aus der Rie senstadt. Der Raumhafen lag unmittelbar vor uns. Wir hatten genügend Platz, um die ISCHTAR genau in der Mitte des ausge dehnten Feldes aufsetzen zu lassen. »Ich sehe, daß wir gut zusammenarbei ten«, meinte Akon-Akon sarkastisch. Er hat te das Neu-Arkonidische in relativ kurzer Zeit fließend zu sprechen gelernt. »Die Zusammenarbeit, wie du unsere Ak tivität nennst«, wandte ich mich an AkonAkon, »ist das Produkt deines Zwanges.
Dieser Zustand kann nicht ewig anhalten. Du bist nicht perfekt. Auch wenn du dir das nicht eingestehen magst. Einmal wird deine Aufmerksamkeit nachlassen. Das ist der Au genblick, auf den wir gewartet haben.« Akon-Akon lächelte überheblich. »Ich liebe die Ehrlichkeit, Atlan. Aber übertreibst du in diesem Augenblick nicht ein bißchen? Es wird nie wieder eine At tacke auf mich geben. Ich habe aus den Feh lern der Vergangenheit gelernt.« Im Hintergrund der Zentrale ließ Ra sich verächtlich vernehmen: »Das Jüngelchen muß noch viel lernen. Wenn ihr mich fragt … ihm fehlt nur eine anständige Erziehung. Ich würde das nach dem erprobten Muster meiner Sippe erledi gen. Ihr würdet den Knaben nicht mehr wie dererkennen …« »Ra!« unterbrach ich den Redefluß des Dunkelhäutigen. Akon-Akon lachte schrill. »Ihr seid wirklich unverbesserlich. Ihr gebt euch niemals geschlagen. Aber vielleicht liegt gerade darin eure Stärke. Ihr seid nicht leicht kleinzukriegen.« »Danke für das Kompliment«, warf ich mit einem zynischen Unterton ein. Fartuloon räusperte sich und sah den Suggestor nach denklich an. »Du magst verblüffende Eigenschaften besitzen, Akon-Akon …« »Das weiß ich, Bauchaufschneider!« »Ja«, fuhr Fartuloon lächelnd fort. »Das macht dich ein wenig zu sicher! Du kannst keine unvorhersehbaren Ereignisse einkal kulieren. Ich möchte dich nur an den Über schlagblitz erinnern, der dich zeitweilig aus dem Verkehr zog. Wir hätten dich töten kön nen. Dann hätten wir jetzt keine Sorgen mehr.« »Ihr habt mich aber nicht getötet«, erwi derte der Junge. »Ihr habt eure Chance ver paßt. Jetzt bin ich wieder am Drücker. Das einzige, was gilt, ist die Gegenwart. Merkt euch das!« Akon-Akon hatte die Fronten abgesteckt. Er gab uns unmißverständlich zu verstehen,
Sklaven aus der Retorte daß jeder Versuch, sich seiner Kontrolle zu entziehen, aufs Härteste bestraft werden würde. Du kannst nur gehorchen und abwarten, bestätigte mir mein Extrasinn. Ich schwang mich auf dem Kontursessel herum und verfolgte den Anflug auf den Raumhafen von Kledzak-Mikhon. Über der Monitorbatterie leuchtete das Rufsignal des Interkoms auf. Die Ortungszentrale meldete sich. Ich schaltete die Sprechverbindung ein. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht des Funkexperten. »Ich lege jetzt die Situationsanalyse der Ortung vor …« »Ich habe keine Zeit, mir Ihr Geschwafel anzuhören«, stieß Akon-Akon hervor. »Fassen Sie sich möglichst kurz.« Er ist sehr ungeduldig, pulste mein Extra sinn. Er will keine Zeit mehr verlieren. Viel leicht kannst du jetzt erfahren, welche Ab sichten er auf diesem Planeten verfolgt. Ich sah Akon-Akon schräg von der Seite her an. Er stand jetzt unmittelbar vor dem Bildschirm. Seine Haltung drückte starke geistige Anspannung aus. Möglicherweise hatte er die Nachwirkungen der Betäubungs spritze doch noch nicht ganz überwunden. »Hattet ihr Kontakt mit der Bio-Station?« fragte Akon-Akon hastig. Bio-Station, durchzuckte es mich. Er weiß also, daß es auf diesem Planeten eine Station gab. Höchstwahrscheinlich ist sie den Be wohnern nicht bekannt. Sonst hätte er sich einfach einen Grünpelz schnappen können und ihn danach ausgequetscht. Es muß sich um ein Geheimprojekt handeln. Bio-Station … klingt interessant! »Hatten Sie Kontakt?« fragte Akon-Akon erneut. Der Mann auf dem Bildschirm schüttelte den Kopf. »Tut mir leid! Wir haben sämtliche Fre quenzen durchprobiert, die Sie uns mitteil ten. Kein Ergebnis. Entweder wurden die Frequenzen geändert, oder der Gesprächs teilnehmer existiert nicht mehr.« Akon-Akon ballte seine Linke zur Faust.
17 Ein verbissener Ausdruck trat in sein Ge sicht. »Haben Sie sonst irgend etwas entdeckt?« »Nur den üblichen Wellensalat«, antwor tete der Funk-Experte lakonisch. Akon-Akon winkte mir zu. »Das genügt! Jetzt nehme ich die Sache in die Hand.« Ich schaltete die Verbindung zur Ortungs zentrale aus. Ich war gespannt darauf, was der Junge jetzt unternehmen würde. »Wenn die verdammten Grünpelze die Station vernichtet haben, werde ich den Atombrand auf den Planeten entfachen«, zischte Akon-Akon. »Du willst den Planeten vernichten?« fragten Fartuloon und ich fast gleichzeitig. »Das werde ich! Diese ekelhaften Kreatu ren werden den Tod ihres Schöpfers nicht überleben.« »Willst du uns nicht endlich einweihen?« fragte ich leise. »Immerhin sollen wir den Kopf für dich hinhalten. Wenn dort unten et was schiefgegangen ist, betrifft uns das un mittelbar. Wir sollen mit der ISCHTAR dort landen.« »Alles zu seiner Zeit«, meinte AkonAkon tonlos. Fartuloon konnte sich eine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen. »Ich erwähnte vorhin, daß unvorhergese hene Ereignisse deine Pläne durcheinander bringen können. Eben ist wieder so etwas Unvorhergesehenes eingetroffen. Dein my steriöser Partner meldet sich nicht. Du wirst unsicher und weißt nicht, wie du entschei den sollst!« Akon-Akon kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Seine Lippen verzerrten sich. Ich wußte, was jetzt kommen würde. Blitz schnell sprang ich zwischen Fartuloon und den Jungen. »Aufhören«, rief ich. »Laßt den Unsinn.« Doch es war bereits zu spät. Akon-Akon hatte seine Rechte ausgestreckt. Zitternd deutete er damit auf den Bauchaufschneider. Fartuloon machte einen Schritt nach vorn. Sein Gesicht verkrampfte sich, und sein
18 Mund öffnete sich zu einem Schmerzens schrei. Doch kein Ton verließ die Lippen des Arkoniden. »Sag das nicht noch einmal«, zischte Akon-Akon wütend. »Sag das nicht noch einmal … oder ich lasse dein Herz stillste hen!« Fartuloon schwankte, dann knickte er ein fach in den Knien ein. Er umfaßte mit bei den Händen die linke Seite und kippte vorn über. »Laß ihn zufrieden«, schrie ich. »Er hat dir nichts getan. Wir wissen, daß du der Stärkere bist.« »Dann ist es gut«, ließ Akon-Akon hören. »Hoffentlich hat dein Freund das jetzt auch begriffen. Beim nächsten Mal stirbt er.« Ich hob Fartuloon vorsichtig hoch. Ra war neben uns getreten und half mir dabei. Das Gesicht des Barbaren drückte unversöhnli chen Haß auf den Suggestor aus. »Er ist nur ohnmächtig«, murmelte ich er leichtert. »Egal«, preßte Ra hervor. »Der Junge hät te das nicht tun dürfen.« Wir legten Fartuloon auf die niedrige Prit sche, die dem Suggestor bislang als Ruhe statt gedient hatte. Der Bauchaufschneider atmete flach. Sein Gesicht hatte sich gelb lich verfärbt. Ich drehte mich zu Akon-Akon um. »Was fehlt ihm?« Der Junge winkte desinteressiert ab. Er stand bereits wieder vor dem Panoramabild schirm und beobachtete die Landung. »Ich habe seine Drüsenfunktionen ein bißchen durcheinandergebracht. Wenn er wieder aufwacht, wird er scheußliche Schmerzen haben. Das wird ihn an seine Frechheiten erinnern.« Plötzlich stieß Akon-Akon einen Wut schrei hervor. Er deutete auf den Bildschirm und rief: »Diese Kreaturen! Sie wagen es tatsäch lich. Sie laufen auf das Landefeld … sie wollen uns begrüßen!« »Dagegen ist doch nichts einzuwenden«, meinte ich.
Dirk Hess Ich verfolgte das Geschehen auf dem Pan oramabildschirm. Die Aufnahmeoptik gab die Szene aus einer eindrucksvollen Per spektive wieder. Die ISCHTAR schwebte jetzt etwa fünftausend Meter über dem Raumhafen. Mehr als tausend Grünpelze strömten auf das Landefeld. Sie schwenkten farbige Transparente und winkten uns zu. Sie schrien wild durcheinander. Einige sprangen hoch und streckten die Arme aus. »Ein freundlicher Empfang«, meinte Ra dazu. »Ich hätte nicht für möglich gehalten, daß – sie sich so friedlich geben würden. Bei meinem kurzen Ausflug auf die Oberfläche konnte ich andere Erfahrungen machen. Die Grünpelze gaben sich ziemlich kriegerisch.« »Davon kann ich ein Lied singen«, sagte ich in Anspielung auf Fartuloons und meine Ankunft im Großtransmitter von Poal-To. »Die Kerle veranstalteten eine Hetzjagd auf uns.« Akon-Akon wandte sich angewidert vom Bildschirm ab. »Ekelhaft! Diese Kreaturen haben sich auf dem ganzen Planeten ausgebreitet. Sie müssen wieder verschwinden. Sie müssen sterben … wir verbrennen sie mit den Im pulstriebwerken!« Ich glaubte, erstarren zu müssen. Dieser Junge wollte unser Begrüßungskomitee beim Landeanflug vernichten. Das mußte ich unbedingt verhindern. Aber wie? Seine Suggestivfronten erfaßten die gesamte Be satzung. Im Augenblick waren seine Impul se nicht ganz so ausgeprägt, doch ich war si cher, daß er beim geringsten Verdacht ver stärkt zuschlagen würde. »Ist das wirklich in deinem Sinn?« fragte ich leise. Akon-Akons Augen funkelten mich an. »Willst du mich kritisieren?« »Nein«, erwiderte ich gedehnt. »Das hat keinen Sinn. Ich möchte nur meine Meinung kundtun. Ich halte deine Entscheidung für eine Machtdemonstration, die du eigentlich nicht nötig hast. Was haben dir die Grünpel ze getan? Warum willst du sie vernichten?« Akon-Akon deutete erregt auf den Bild
Sklaven aus der Retorte schirm. Auf dem Landefeld wimmelte es von Loghanen. Die Planetarier waren unbe waffnet. »Was weißt du denn schon von denen da unten?« stieß der Junge haßerfüllt hervor. »Sie sind weniger als nichts … sie sind Pa rasiten!« Ich spürte den bohrenden Druck seiner Suggestivimpulse. Er wollte mich dazu zwingen, den Befehl zur Aktivierung der Impulstriebwerke weiterzugeben. Er hätte natürlich auch direkt mit dem Maschinen stand sprechen können, doch er wollte mich zur Ausführung des Befehls zwingen. Meine Hand bewegte sich wie unter ei nem teuflischen Zwang auf die Tastatur des Kommandopults zu. Ich wollte mich dage gen wehren, doch ich wußte, daß jedes Sträuben umsonst war. Plötzlich schrillten Alarmsirenen durch das Raumschiff. »Ortungsalarm!« Ich schwang mich herum und starrte auf die Massetasteranzeige. Da die Ortungser gebnisse automatisch in die Zentrale weiter geleitet wurden, waren wir auf dem laufen den. Auf dem Monitor näherten sich drei hellgrün leuchtende Punkte dem eingeblen deten Koordinatenschnittpunkt. »Feindliche Projektile!« Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht des Waffenleitoffiziers. »Schutzschirmleistung verstärkt! Wir ha ben soeben die Startbasen der Planetarier ge ortet.« Im gleichen Augenblick zuckte ein Licht blitz durch die Zentrale. Ich schloß die Au gen. Danach hatten sich die Sichtblenden automatisch vor die Aufnahmeoptik gescho ben. In den Absorberaggregaten knisterte es. Die Skalen zeigten ein wahres Energiege witter an. »Schutzschirmbelastung liegt bei sechzig Prozent!« Ich drückte auf die Sprechtaste. »Gezieltes Abwehrfeuer auf die gegneri schen Startbasen. Punktbeschuß! Wir müs sen vermeiden, daß die Zivilbevölkerung da
19 von betroffen wird.« Akon-Akon war außer sich. »Vernichtet alles … nicht nur die Startba sen!«
* Es gab einen leichten Ruck. Die Energie anzeigen pegelten sich bei einem Durch schnittswert ein. Mehrere Glutbündel verlie ßen die Mündungen der Impulsgeschütze. Sie durchschnitten die Atmosphäre und en deten in den niedrigen Kuppelbauten, die knapp sechstausend Meter vom äußersten Ende des Raumhafens entfernt standen. »Denen wird die Lust vergehen, uns mit ihren Projektilen anzugreifen!« Aus den Kuppelbauten zuckten Feuerzun gen empor. Der Detonation sämtlicher Sprengköpfe folgte ein Flächenbrand. Pech schwarze Qualmwolken wälzten sich träge über das Land. Weißglühende Trümmerteile wurden vom Druck der Detonationen in die Luft geschleudert. »Das genügt nicht«, keuchte Akon-Akon. »Wir schmelzen die Stadt zusammen.« »Wozu sollte das gut sein?« fragte ich. »Noch einmal werden sie keine Raketen auf uns abfeuern. Wir haben ihren Feuerschlag beantwortet. Das dürfte die Fronten klären.« Akon-Akon gab sich damit nicht zufrie den. Er redete sich in Wut hinein. »Sie haben uns angegriffen! Dafür wer den sie büßen … ich muß sie alle vernich ten!« »Nein«, entgegnete ich bestimmt. »Fällt dir denn gar nichts auf? Hat der Haß dich so sehr verblendet, daß du nicht einmal mehr den Widerspruch dieser Attacke erkennst?« Akon-Akon wollte aufbrausen. Am liebsten hätte er mich auf die gleiche Weise ausgeschaltet wie Fartuloon. Doch er brauchte mich noch für seinen geplanten Ge genschlag. »Welchen Widerspruch meinst du, Arko nide?« Er weiß genau, daß dort unten etwas nicht stimmt, wisperte mein Extrasinn. Wenn du
20 verhindern willst, daß er die Grünpelze ein fach ausrottet, dann mußt du seine Aufmerk samkeit auf etwas anderes lenken. Erinnere dich an die ominöse Bio-Station, von der er vorhin noch sprach! Du mußt erreichen, daß er die Grünpelze als notwendiges Übel ak zeptiert. Ich deutete auf den Bildschirm. »Diesen Widerspruch meine ich!« Die gegnerischen Projektile waren dicht unter den Schutzschirmen der ISCHTAR ex plodiert. Ihre gesamte Vernichtungsenergie wurde dabei auf das Landefeld abgelenkt. In der Feuerlohe starben die Grünpelze, die zur Begrüßung der ISCHTAR hergekommen waren. »Die Grünpelze wurden bewußt geop fert«, fuhr ich fort. »Wer den Startbefehl für die Raketen gab, dem war es egal, wie viele dabei umkamen. Wenn ich recht habe, gibt es auf dem Planeten eine Gruppe, die mit al len Mitteln unsere Landung verhindern will. Diese Gruppe besitzt anscheinend die abso lute Macht über die Grünpelze.« Akon-Akon strich sich grübelnd über die Stirn. Man sah ihm an, daß er unsicher war. »Wir sollten den Tod dieser bedauerns werten Kreaturen für unsere Ziele ausnut zen«, hakte ich sofort nach. »Für meine Ziele«, stieß Akon-Akon her vor. Ich zuckte mit den Schultern und gab mich bewußt gelangweilt. »Na, gut … dann eben deine Ziele, AkonAkon! Aber ich habe keine Lust, daß ein Großteil meiner Besatzung bei den geplan ten Unternehmungen das Leben verliert. Wenn es uns gelingt, mit den Grünpelzen zu verhandeln …« »Verhandeln!« Akon-Akon schnaubte verächtlich. »Ja, ich meine, wir sollten mit ihnen ver handeln. Es kann ihnen nicht gleichgültig sein, daß jene Befehlshaber, die für den Start der Raketen verantwortlich sind, viele von ihren Artgenossen in den Tod schickten. Das ist der Anknüpfungspunkt für unsere Ge spräche mit ihnen.«
Dirk Hess Akon-Akon dachte kurz nach. Er sah auf dem Bildschirm, daß am Rand des Raumha fens weitere Loghanen aufgetaucht waren. Die Grünpelze starrten abwartend zur ISCH TAR herüber. Sie hatten alle das Ende ihrer Brüder miterlebt. Sie wußten jetzt, daß ihre wirklichen Feinde irgendwo auf KledzakMikhon saßen. Durch unsere Schutzschirme waren wir praktisch unangreifbar. Jeder wei tere Angriff von Seiten der Loghanen würde nur unnötige Opfer unter der Bevölkerung fordern. Wenn wir sie als Verbündete für unsere weiteren Unternehmungen gewinnen wollten, mußten wir die Grünpelze gegen die unbekannten Drahtzieher aufstacheln, die für den Tod ihrer Artgenossen verant wortlich waren. »Du hast vorhin keinen Kontakt mit der Bio-Station bekommen«, erinnerte ich den Jungen. »Ich nehme an, du willst jetzt den Grund für die Funkstille herausfinden.« Akon-Akon lächelte. Er hatte meine Ab sicht natürlich sofort durchschaut. »Natürlich bin ich an einer Aufklärung in teressiert«, begann er. »Willst du sofort mit deinen Nachfor schungen beginnen, oder startest du wie der?« »Nein«, stieß der Suggestor entschlossen hervor. »Ich habe die lange Reise nicht um sonst gemacht. Ich werde nicht unverrichte ter Dinge von hier verschwinden. Zunächst muß ich herauskriegen, warum sich die BioStation nicht meldet. Anschließend werdet ihr mich zum nächsten Großtransmitter brin gen.« Das war es also, erkannte ich. Er will das Raumschiff verlassen! »Du vermutest richtig«, sagte er grinsend. »Ich war lange genug euer Gast. Meine wei teren Pläne erfordern ganz andere Mittel.« »Deine weiteren Pläne?« fragte ich scheinheilig. »Nicht so neugierig, Arkonide! Du weißt jetzt, was ich vorhabe. Du sorgst dafür, daß alles reibungslos vonstatten geht.« Ich blickte noch einmal auf den Bild schirm. Die Menge der Loghanen hatte er
Sklaven aus der Retorte neut Zulauf bekommen. Inzwischen warte ten in sicherer Entfernung annähernd fünf tausend Grünpelze. Sie lauerten anscheinend nur darauf, daß wir die ISCHTAR verließen. Das riesige Schiff schwebte jetzt unmittelbar über dem Landefeld. Soweit ich erkennen konnte, waren die meisten Grünpelze be waffnet. Sie trugen kleine Handfeuerwaffen und blasterähnliche Karabiner. Das wird für die Besatzung ein wahrer Spießrutenlauf, orakelte mein Extrasinn. Ich wußte, daß es nicht viel nützen würde, wenn ich meine Besatzung schonen wollte. Akon-Akon würde nur eins gelten lassen: den absoluten Schutz seiner eigenen Person! »Bist du gegen Strahlwaffen gefeit?« fragte ich. Er schüttelte den Kopf. »Warum die Frage? Es genügt, wenn mich deine Leute schützen. Als Präventiv schlag vernichten wir alle Grünpelze in un mittelbarer Umgebung der ISCHTAR. Dann haben wir kaum Schwierigkeiten beim Ver lassen des Schiffes.« »Du kannst unmöglich alle Loghanen auf einmal ausrotten«, warf ich ein. »Es wird immer ein paar Überlebende geben, die uns das Leben schwermachen können. Willst du das Risiko wirklich eingehen?« Da Akon-Akon auf meine Bemerkung hin schwieg, wußte ich, daß ich gewonnen hatte. »Ich werde uns den Weg durch einen klei nen Trick ebnen«, schlug ich vor. »Gut«, sagte der Suggestor. »Aber du darfst keine Zeit mehr verlieren. Wenn dein Plan fehlschlägt, opfere ich die Besatzung der ISCHTAR. Ich habe keine Lust, mir noch mehr Ärger durch die Parasiten einzu handeln.«
* Snayssol zitterte, als er den Jungen er blickte. »Keine Angst, Grünpelz«, rief Ra dem Loghanen zu. »Du hast nichts zu befürchten. Wir brauchen deine Hilfe.« Akon-Akon wandte sich angewidert ab.
21 Aus dem Translator des Wesens ertönten schnaufende Laute. Das Gerät konnte den Sinn der bruchstückhaften Äußerungen nicht deuten. »Du hast mitbekommen, was draußen los war?« fragte ich den Loghanen. Snayssol blieb in der Nähe von Ra. Der Grünpelz schien zu dem Schwarzhäutigen am meisten Vertrauen zu haben. Wir waren – rein äußerlich gesehen – dem Suggestor am ähnlichsten. Snayssol nickte. »Dann weißt du auch, daß uns deine Art genossen vernichten wollten.« Der Erbe nickte erneut. »Begrüßt man bei euch Gäste immer auf diese Art?« fragte ich. Aus dem Translator ertönten erneut un verständliche Laute. Dann blickte Snayssol mich fest an. Ich erkannte sofort, daß sich der Grünpelz nur mühsam unter Kontrolle hielt. »Meine Brüder hätten euer Raumschiff niemals angegriffen«, sagte der Loghane in seinem schleppenden Tonfall. »Der Befehl dazu kam vom regierenden Triumvirat. Nie mand anders kann die Raketen aktivieren. Dazu bedarf es immer des Regierungsbe fehls.« »So ist das also«, sagte ich und strich mir nachdenklich übers Kinn. Snayssol hatte so eben meine Ahnungen bestätigt. Die Bevöl kerung von Kledzak-Mikhon traf also keine Schuld an dem Feuerschlag. Das erleichterte unsere Verhandlungen. »Wie groß ist die Anhängerschaft des Tri umvirats?« fragte ich. Snayssol machte eine nachdenkliche Ge ste. »Ich habe persönliche Gründe, die Rats mitglieder zu hassen. Sie wollten mich töten. Daher kann meine Meinung nicht repräsen tativ sein. Auf Kledzak-Mikhon gibt es kei ne funktionierende Untergrundbewegung. Das Triumvirat hat immer dafür gesorgt, daß keine Rebellengruppen entstehen konnten.« »Aber es gibt Unzufriedene«, unterbrach ich den Loghanen.
22
Dirk Hess
»Ja«, kam es aus dem tragbaren Transla tor. »Besonders nach den jüngsten Ereignis sen dürften die meisten Erben erfahren ha ben, daß die Ratsmitglieder im Interesse al ler Loghanen handeln. Das Begrüßungsko mitee wurde bewußt geopfert. Die Erben kennen die Vernichtungswirkung der Rake ten. Sie wußten also, daß die Loghanen ster ben würden, die sie uns entgegenschickten.« »Gut«, erwiderte ich. »Dann werden wir zwei jetzt hinausgehen, um mit deinen Art genossen zu reden. Wir werden sie von un serer Friedfertigkeit überzeugen. An deinem Verhandlungsgeschick liegt es, ob wir einen Waffenstillstand erreichen, oder ob sich das Triumvirat durchsetzen kann.« »Nein«, schrie Snayssol. »Sie werden uns töten.« Akon-Akon atmete tief durch. »Du gehst hinaus, Parasit«, stieß der Jun ge scharf hervor. »Warum habt ihr mir dann das Leben ge rettet?« rief Snayssol zitternd. Ich berührte die Schulter des Loghanen. Der seidige Pelz fühlte sich eigenartig elek trisierend an. Die Wunde war bereits völlig verheilt. Snayssol war wieder einsatzfähig. »Ich brauche deine Hilfe, Snayssol … du mußt mir vertrauen. Wenn wir beide aus der Schleuse treten, sind wir nicht schutzlos. Unsere Mannschaft wird sofort reagieren, wenn deine Brüder durchdrehen sollten. Au ßerdem gibt es noch ein paar technische Tricks, die uns im Notfall das Leben retten können.« Ich sah, daß ich den Loghanen nicht beru higen konnte. Aber mein Plan stand fest. Be vor ich die Besatzung der ISCHTAR in Ge fahr brachte, mußte der Grünpelz seinen Part leisten.
5. Tamoyl und Rassafuyl »Es war ein Fehler«, rief das alte Ratsmit glied aufgeregt, »die Erben auf den Raum hafen zu schicken. Jetzt weiß jeder auf Kledzak-Mikhon, daß wir sie bewußt in den sicheren Tod geschickt haben. Die Folge da-
von wird Aufruhr und Rebellion gegen uns sein.« Rassafuyl stieß ein häßliches Lachen aus. Er trug eine Überlegenheit zur Schau, die den alten Loghanen zutiefst erschreckte. »Wir starten einen Propagandafeldzug«, erklärte Rassafuyl zuversichtlich, »der unse re Position stärken wird. Das genaue Gegen teil Ihrer Befürchtungen wird eintreten, Ta moyl. Unsere Macht ist ungebrochen. Die Polizeistreitkräfte gehorchen uns. Schließ lich wird uns die ganze Bevölkerung als Retter des Planeten feiern. Wir behaupten einfach, die Ahnen wären zurückgekehrt, um uns zu vernichten. Damit rechtfertigen wir den Start der Raketen.« Das alte Ratsmitglied konnte die Zuver sicht seines Kollegen nicht teilen. »Wir haben gesehen, über welche Waffen die Ahnen verfügen«, begann er schwerfäl lig. »Sie vernichteten auf einen Schlag sämt liche Raketenbatterien in unmittelbarer Nähe des Raumhafens. Dabei wurde ihr Schiff nicht einmal angekratzt. Ich sage Ihnen, Rassafuyl, Ihre Entscheidung wird uns an den Rand des Abgrunds bringen. Wir sind wehrlos. Wir haben ihren Todesstrahlen nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.« Rassafuyl lachte wieder. Er wußte, daß es hier nicht nur um seinen persönlichen Machtkampf ging, sondern um die Zukunft des Planeten. Er wollte auf alle Fälle am Le ben bleiben und allein über die Geschicke Kledzak-Mikhon bestimmen. Er schlug auf die Tischplatte des Konferenzpults. »Die Ahnen können nicht ewig im Raum schiff bleiben. Sie müssen das Schiff einmal verlassen. Das kann heute aber auch erst in einigen Tagen passieren. Wir haben Zeit, Tamoyl …!« Rassafuyl strich sich den aufgeplusterten Pelz glatt. Seine Bewegungen wirkten eitel und beherrscht zugleich. »Und wenn sie zuerst einen Angriff auf die Stadt fliegen?« fragte der Alte ratlos. »Dann gebe ich Feuerbefehl für die restli chen Abwehrforts!« Das war eine eindeutige Feststellung.
Sklaven aus der Retorte Rassafuyl kannte die schwachen Punkte sei nes Planes. Er wußte aber auch, daß jeder zeit etwas Unvorhergesehenes passieren konnte. Aber er vertraute auf sein Glück. In diesem Moment betrat ein Bewaffneter den Konferenzsaal. »Was gibt's?« Der Polizist salutierte. Auf seinem schwarzen Kreuzgurt, den er quer über der Brust trug, schimmerte das Zeichen der Pa lastgarde. Ein stilisierter Blitz in der vier gliedrigen Faust eines Loghanen! »Die Schleuse des Raumschiffs hat sich geöffnet«, knurrte der Polizist. »Die Ahnen kommen ins Freie!« »Was?« stieß Rassafuyl aufgeregt hervor. »Warum erfahre ich das erst jetzt?« »Wir hatten Schwierigkeiten mit der Menge«, erklärte der Polizist. »Man kommt kaum noch zum Raumhafen durch. Überall Schaulustige. Es dürften inzwischen mehre re tausend sein, die sich dort versammelt ha ben. Der Tod jener Erben, die das Begrü ßungskomitee bildeten, läßt sich nicht länger geheimhalten.« »Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf. Sie sind dafür verantwortlich, daß kein Unbefugter in den Regierungspalast eindringt. Schirmen Sie das ganze Gelände hermetisch ab.« Der Polizist bestätigte den Befehl, salu tierte und machte auf dem Absatz kehrt. Rassafuyl trat vor die Bildschirmbatterie, die eine ganze Wandfläche des Konferenz saals einnahm, und drückte mehrere Tasten nieder. »Stellen Sie die Verbindung zu Hoylarn aus dem Geschlecht der Garfelys her«, sagte Rassafuyl langsam. Tamoyl sprang von seinem Platz auf. Der Alte zitterte am ganzen Leib. »Sie rufen den Mörder? Das dürfen Sie nicht tun, Rassafuyl! Sie haben schon genug Unheil angerichtet!«
* »Sie haben mich gerufen?«
23 Der Loghane, dessen Oberkörper auf dem Bildschirm erschien, war knapp vierzig Jah re alt. Sein Pelz glänzte dunkelgrün, und sein Kreuzgurt war mit zahlreichen Glitzer steinen verziert. »Sie sind nicht überrascht, Hoylarn?« Der Loghane schüttelte den Kopf. Er be saß einen breiten Oberkörper und muskulöse Arme. Seine Bewegungen erinnerten an einen Morgo-Morgon. »Es ist nicht das erste Mal, daß Sie meine Dienste in einer ungewöhnlichen Situation beanspruchen, Rassafuyl.« Rassafuyl kniff die Lider zusammen. »Es war abgemacht, daß wir darüber kei ne Worte mehr verlieren wollten. Halten Sie sich an unsere Abmachungen, Hoylarn … wenn nicht, dann kann ich Sie nicht mehr gebrauchen. Sie sind nur dann wertvoll für mich, wenn Sie präzise arbeiten und an schließend kein Wort mehr darüber verlie ren.« »Ja«, ertönte es aus dem Lautsprecher der Anlage. »Aber was ist mit dem da?« Hoylarn meinte das alte Ratsmitglied, das im Erfassungsbereich der Aufnahmeoptik stand. »Kümmern Sie sich nicht um ihn, Hoylarn. Er dient nur noch der äußeren Ver zierung meiner Amtsgeschäfte. Es soll alles ganz legitim wirken. Wenn wir mit der nöti gen Vorsicht vorgehen, werden wir alles ge winnen.« Hoylarn lachte gehässig. »Ich wußte, daß Sie sich nicht mit dem Drittelanteil an der Macht zufriedengeben würden …« Plötzlich summte die Rufanzeige des Funkgeräts. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines Polizisten. Der Pelz des Loghanen wurde vom Wind zerzaust. Un mittelbar dahinter erkannte man die Aufbau ten eines Gleiters. »Wir haben die Beobachtungskamera in stalliert, Rat!« »Blenden Sie das Bild ein«, befahl Rassa fuyl dem Polizisten. Übergangslos verwischten sich die Kontu
24 ren auf dem Bildschirm. Wenig später er schien das gelandete Kugelraumschiff im Blickpunkt. Es ruhte auf seinen ausgefahre nen Landestützen. Der Schutzschirm umgab das Raumschiff wie eine leuchtende Kugel. Doch ganz unten hatte sich ein Strukturriß geöffnet. Zwei Gestalten traten ins Freie. Rassafuyl stieß einen Wutschrei aus, als er den einen davon erkannte. »Das ist Snayssol! Der Bastard lebt also noch! Bei allen Schetans … wie hat er das nur angestellt?« Die Stimme des Polizisten kommentierte das Geschehen. Das Geschrei zahlreicher Loghanen bildete die Geräuschkulisse im Hintergrund. »Der Erbe Snayssol hat sich mit den Ah nen verbündet. Er erhebt schwere Anklagen gegen Euch. Er behauptet, Ihr hättet die Zu kunft des Planeten in der Hand …« »Alles Geschwätz«, preßte Rassafuyl zwi schen den Zähnen hervor. »Er hätte im Schiff der Ahnen bleiben sollen. Jetzt geht's ihm an den Kragen.« »Sollen wir eingreifen?« fragte der Poli zist unsicher. »Nein! Ihr haltet euch in Bereitschaft. In wenigen Minuten schicke ich euch einen Vertrauten. Er gibt euch alle weiteren An ordnungen. Haben Sie verstanden?« »Jawohl, Rat! Woran werden wir den Mann erkennen?« »Er besitzt eine Todesschleuder, und er wird sie einsetzen. Das ist sein Erkennungs zeichen!« Der Polizist schaltete sich aus dem Kom munikationsnetz aus. Hoylarn und Rassafuyl sahen sich über die Bildschirmverbindung an. »Ich glaube, ich kenne meinen Auftrag, Rat!« »Das wußte ich, Hoylarn! Sie haben alles mitbekommen. Es geht jetzt um Sekunden. Sie müssen sofort zum Raumhäfen fliegen und diesen Erben töten. Wie lange brauchen Sie von Ihrer Wohnung bis dorthin?« »Knapp fünf Minuten, wenn mein Gleiter nicht aufgehalten wird.«
Dirk Hess Rassafuyl nickte zufrieden. »Das ist das Äußerste, Hoylarn. Ich er warte, daß Sie mit der gewohnten Präzision arbeiten. Sie müssen Snayssol töten. Wenn Sie versagen, ist Ihr Leben nichts mehr wert …« »Ich verfehle den Erben Snayssol nicht«, erwiderte Hoylarn ungerührt. »Auf ganz Kledzak-Mikhon gibt es keinen besseren Schützen als mich. Sie waren in der Vergan genheit mit mir zufrieden. Sie werden es auch jetzt sein. Noch eine Frage, bevor ich aufbreche …« »Sie bekommen Ihren Lohn, Hoylarn. Ich werde Sie nicht enttäuschen.« »Das meine ich nicht«, kam es aus dem Lautsprecher. »Ich wollte fragen, ob ich den Ahnen auch erledigen soll.« Rassafuyl brauste zornig auf. Er mochte es nicht, wenn man Eigeninitiative zeigte. »Habe ich etwas davon gesagt? Sie erhiel ten den Auftrag, Snayssol zu töten. Habe ich etwa den Ahnen erwähnt?« »Nichts für ungut«, sagte der loghanische Scharfschütze beherrscht. »Ich wollte Ihrer Entscheidung nicht vorgreifen. Entschuldi gen Sie bitte! Selbstverständlich führe ich Ihren Befehl zu Ihrer vollsten Zufriedenheit aus. Der Erbe Snayssol ist schon so gut wie tot.« Rassafuyl drückte auf die »Aus«-Taste, und der Bildschirm erlosch. Er wußte, daß Hoylarn im gleichen Au genblick zum Raumhafen aufbrach. Er hatte ihn schon mehrfach eingesetzt, wenn es dar um ging, persönliche Feinde auszuschalten. Hoylarn war genau der richtige dafür. Er war verschlagen und schweigsam. Und er war ein Experte im Töten. Sollte Hoylarn jedoch wider Erwarten er folglos sein, so würde Rassafuyl die Polizi sten auf ihn hetzen. »Ich bin erschüttert«, preßte Tamoyl her vor. Der alte Rat hatte jedes Wort der Unter haltung mitbekommen. »Wie konnten Sie nur so tief sinken, Rassafuyl? Sie verstoßen nicht nur gegen die Gesetze des Triumvirats. Sie versündigen sich gegen die Grundsätze
Sklaven aus der Retorte unserer Kultur. Sie machen gemeinsame Sa che mit einem Mörder … Sie sind ein Ver brecher!« Tamoyl keuchte. Er griff sich an die linke Brustseite. Rassafuyl verzog keine Miene. Er näherte sich dem Alten und sah ihn durchdringend an. »Ihre Tage sind gezählt, alter Mann! Ich gebe Ihnen einen guten Rat, wenn Sie eines natürlichen Todes sterben wollen. Schwei gen Sie und fügen Sie sich bedingungslos meinen Anordnungen!« »Ich kann Ihrem Treiben nicht länger zu sehen, Rassafuyl!« »Dann tut es mir leid, Tamoyl! Es ist wirklich schade … aber ich verzichte nur ungern auf Ihre Mitwirkung. Aus Repräsen tationsgründen sind Sie unbezahlbar. Sie verleihen meinen Aktionen die Aura des Le gitimen. Sie hätten noch lange dabeisein können. Wirklich zu schade!« Rassafuyl zog einen kleinen Druckluftn adler aus seiner Gürteltasche. »Was … tun Sie da?« stammelte der Alte fassungslos. »Sie besitzen eine Waffe der Ahnen!« »So ist es«, erwiderte Rassafuyl unge rührt. »Ich setze voraus, daß Sie die Wir kung der Waffe kennen. Wenn ich abdrücke, bleibt keine Spur mehr von Ihnen übrig, Ta moyl.« Das alte Ratsmitglied schluckte hörbar. Die Wirkung eines Druckluftnadlers war furchtbar. Jedes der winzigen Geschosse be saß eine extrem komprimierte Luftfüllung. Beim Aufschlag detonierte die Kapsel und gab die Füllung explosionsartig frei. Jede Materie in unmittelbarer Nähe wurde sofort zerpulvert. Rassafuyl hob den Lauf des Nadlers und zielte auf Tamoyls Brustkorb. »Nein … bitte nicht«, flehte der Alte. Rassafuyl krümmte den zweiten Finger seiner viergliedrigen Klaue um den Abzug. Er lächelte kalt. »Nicht schießen, Rassafuyl … ich will nicht sterben!«
25 Rassafuyl senkte den Lauf der Waffe wie der. »Eine zweite Chance kriegen Sie nicht, Tamoyl. Ich erwarte jetzt von Ihnen, daß Sie mir bedingungslos gehorchen. Beim gering sten Verdacht, daß Sie gegen mich arbeiten, töte ich Sie. Haben wir uns verstanden?« Der Alte nickte nur. Er verharrte schwei gend am Konferenztisch, stützte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte und starr te nach unten. »Ich gestatte Ihnen hierzubleiben, Ta moyl. Wir werden auf dem Bildschirm mit erleben, wie Snayssol stirbt. Dem Ahnen wird nichts geschehen. Er soll sich in Si cherheit wiegen. Er soll wissen, daß wir die Gelegenheit hatten, ihn zusammen mit Snayssol zu töten. Das wird ihn unvorsichtig machen. Im geeigneten Augenblick schlagen wir zu. Kein einziger Ahne wird das Inferno überleben … und schließlich werde ich das Raumschiff besitzen! Dann bin ich mächti ger als jeder Loghane in der Geschichte von Kledzak-Mikhon!« Rassafuyl lachte kreischend auf. Mit weit ausholenden Schritten ging er zur Bild schirmbatterie hinüber und schaltete sämtli che Schirme ein. »Rede nur«, stieß der Rat düster hervor. Er meinte den Erben Snayssol, der im glei chen Augenblick viele Kilometer vom Re gierungspalast entfernt zu den Loghanen sprach. »Rede nur … es wird deine letzte Rede sein!« Tamoyl erkannte entsetzt, daß Rassafuyl von einem unbeschreiblichen Machtrausch erfaßt worden war.
6. Atlan Ohrenbetäubender Lärm umgab uns. Die bellenden Stimmen der Loghanen vereinig ten sich zu einem wahren Kreszendo. Ich zwang mich bewußt dazu, ruhig und gelas sen zu erscheinen. Niemand sollte merken, wie unsicher ich mich fühlte. Ich hatte keine Angst vor den Grünpelzen. Das war es nicht. Im Gegenteil!
26 Ich hätte nur zu gern mit einigen von ih nen den Kampf aufgenommen, um ihnen zu beweisen, daß ein Arkonide mit ihnen fertig werden konnte. Die nahezu unüberschaubare Menge verwirrte mich aber. Meine Rechte ruhte auf dem Kolben des schweren Blasters. Ich hob den Kopf. Der Translator hing vor mir. Ich verstand jedes Wort, das hier ge schrien, gebellt oder geknurrt wurde. »Brüder von Kledzak-Mikhon«, schrie Snayssol in das Mikrophon des Verstärkers. »Bewahrt Ruhe! Ich versichere euch, die Ahnen verfolgen keine bösen Absichten. Wenn sie wirklich gewollt hätten, gäbe es kein Leben mehr auf unserer Welt. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, über welche Waf fen sie verfügen …« Snayssols Stimme überschlug sich. Der arme Bursche gab sein Bestes. Sein grüner Pelz war verschwitzt. »Wir wollen Freundschaft mit den Ahnen schließen«, dröhnte Snayssols Stimme über das Landefeld. Zahlreiche Loghanen reckten die Fäuste empor. Sie fletschten mit den Zähnen und bedrohten uns unmißverständlich mit ihren Waffen. Sie geben sich kriegerischer als sie sind, analysierte mein Extrasinn die Situation. Bis jetzt hatten sie uns nicht angegriffen. Ich kannte aber ihre Mentalität nicht. Häufig konnte man bei fremden Rassen beobachten, daß sie sich durch Schreien und Gestikulie ren in einen Blutrausch versetzten. Wenn das hier genauso war, stand uns Schlimmes bevor. Ich hatte keine Ahnung, wie lange Snayssol seine Artgenossen noch in Schach halten konnte. Ein falsches Wort, und sie würden über uns herfallen. Fartuloon und Ra lassen dich nicht im Stich, pulste mein Extrasinn beruhigend. Ich wußte, daß meine Freunde an den Ge schützen saßen. Sie behielten die Meute seit unserer Ausschleusung ständig im Auge. Der Bauchaufschneider hatte sich relativ schnell von Akon-Akons Attacke erholt. Ich hatte ihn nachhaltig daran hindern müssen,
Dirk Hess daß er uns ebenfalls ins Freie folgte. Schließlich hatte er eingesehen, daß er mir an den Geschützen nützlicher war. Die ISCHTAR stand fünfzig Meter hinter uns. Der Energieschirm wies keine Lücke mehr auf. Sofort nach unserem Verlassen hatte Akon-Akon den Strukturriß wieder ge schlossen. Er wollte kein Risiko eingehen. Anscheinend befürchtete er immer noch, daß die loghanischen Herrscher einen Raketen angriff auf uns starteten. Wenn ich ehrlich war, war unsere Lage alles andere als rosig. Ein gegnerischer Angriff hätte dem Raumschiff nicht weiter geschadet. Aber Snayssol und ich wären von einer Sekunde zur anderen ausgelöscht worden. Snayssol stellte seinen Verstärker auf Höchstleistung. »Hört mich an, Brüder … Ihr müßt end lich einsehen, daß euch das Triumvirat zum Narren gehalten hat. Die Ratsmitglieder wußten genau, daß alle Erben, die für das Begrüßungskomitee zusammengestellt wur den, sterben mußten. Das war glatter Mord.« Snayssols Worte gingen im Lärm der Lo ghanen unter. Die grünbepelzten Leiber wogten auf und nieder. Es war eine Spring flut aus Körpern, die immer näher auf uns zukam. Schließlich hatten uns die Grünpelze umzingelt. Sie sind unsicher, teilte mir mein Extra sinn mit. Sie wissen nicht, was sie von euch halten sollen. »Wir wollen in Frieden mit euch verhan deln«, wiederholte Snayssol betont deutlich. »Die Ahnen werden wieder von unserer Welt verschwinden. Sie werden hier nichts verändern. Das haben sie mir versprochen.« Ein junger Loghane drängte sich in die er ste Reihe vor. »Seit wann verteidigt ein Loghane unsere Feinde?« schrie er. »Die Ahnen sind nicht unsere Feinde«, versuchte Snayssol sich zu rechtfertigen. »Die wahren Feinde unseres Volkes sitzen im Regierungspalast. Die Ratsmitglieder ha ben euch verraten.«
Sklaven aus der Retorte Der Verstärker ließ Snayssols Stimme grollend über das Landefeld schallen. Ich sah mich unauffällig um. Links von mir grenzte ein niedriger Gebäudekomplex an das Landefeld, rechts zwei Kugelbauten, hinter denen die Abschußanlagen der Rake ten gelegen hatten. Jetzt gähnten dort schwarze Krater im Boden. Vor mir, etwa zweitausend Meter ent fernt, erstreckte sich ein schmaler Waldstrei fen. Ganz hinten ragten die Wohntürme von Poal-To in den stahlblauen Himmel. Plötzlich wurde ich auf einen Lichtreflex aufmerksam. Die Entfernung betrug annä hernd drei Kilometer. Mit bloßem Auge konnte ich nicht erkennen, was sich dort ab spielte. Es hätte ein glänzendes Metallstück sein können, das sich in der Sonne spiegelte. Trotzdem ließ mir die Erscheinung keine Ruhe. Langsam winkelte ich meinen linken Unterarm an. Ich aktivierte den Armband sender mit den Lippen. Fartuloon meldete sich sofort. Ich ver stand seine Worte nicht, denn der Lärm um uns herum war zu stark. Doch die optische Anzeige des Gerätes zeigte die Sendebereit schaft an. »Hier Atlan«, flüsterte ich. »Sofort nach prüfen, was sich in westlicher Richtung tut. Distanz schätzungsweise dreitausend Me ter.« Ich ließ den Sender eingeschaltet. Inzwischen hatten sich fünf junge Logha nen unmittelbar vor mir aufgebaut. Sie wa ren genau wie ihre Artgenossen knapp ein Meter sechzig groß. Ich überragte sie um dreißig Zentimeter. In ihren Augen war ich ein Riese. Ich spielte bewußt mit dem schweren Blaster. Sie verstanden die Geste, doch das schien sie nicht zu beeindrucken. »Was wollt ihr von mir?« rief ich in das Translatormikrophon. Der eine stemmte beide Fäuste in die Hüf ten. »Uns interessiert, ob die Ahnen tatsäch lich so mächtig sind, wie Snayssol uns weis machen will.« »Echte Überlegenheit braucht nicht de
27 monstriert zu werden«, entgegnete ich ruhig. Die Loghanen lachten. In unmittelbarer Nähe verstummte das Schreien. Die Bepelz ten wollten mitkriegen, was der Ahne zu sa gen hatte. »Du hast Angst«, wollte mich ein Grün pelz reizen. Ich sagte nichts darauf. Plötzlich summte der Armbandsender. Fartuloon gab das vereinbarte Alarmzeichen durch. Hastig hob ich den Unterarm und drehte den miniaturisierten Lautsprecher so herum, daß ich ihn direkt ans Ohr pressen konnte. »Sofort in Deckung gehen«, vernahm ich die Stimme des Bauchaufschneiders. »Dort hinten zielt ein Grünpelz auf euch …« Die Loghanen vor uns hatten keine Ah nung, daß ich gerade einen Funkspruch aus dem Raumschiff erhalten hatte. Sie wollten mich packen und das merkwürdige Arm bandinstrument untersuchen. Der eine hielt mich am Arm fest. »Zeig her, was du dort versteckst!« Ich riß mich los und stieß Snayssol aus der Schußlinie. Im gleichen Augenblick orgelte unmittel bar über mir ein grellroter Schemen hinweg. Ein sengend heißer Luftschwall kam hinter her. Dann gab es einen mörderischen Schlag. Mehrere Loghanen brüllten vor Schmerzen auf. Ich sah beißenden Qualm auf mich zu kommen, dann rissen mich die fliehenden Grünpelze zu Boden. »Snayssol«, schrie ich entsetzt. »Die Meute trennt uns … kannst du zu mir durch dringen?« Der Loghane tauchte noch einmal kurz vor mir auf, dann wurde er ebenfalls von der panikerfüllten Horde zu Boden gerissen. Der Lärm wurde unbeschreiblich. Die fliehenden Loghanen achteten weder auf mich noch auf ihre Artgenossen. Sie stürmten wie in einer Stampede davon. Plötzlich krachte es erneut. Zwei Grünpelze verschwanden in einer Qualmwolke. Ihre Todesschreie erstarben
28 im Nachhall einer Explosion. Chemische Reaktionen, analysierte mein Extrasinn kühl. Treibsätze mit einer Spreng ladung, die auf chemisch-physikalischer Ba sis reagiert. Wenigstens keine radioaktive Verseu chung, sagte ich mir sarkastisch. Ich stieß mehrere Loghanen beiseite, die sich schreiend am Boden wälzten. Mir tat je der Knochen weh. Ich mußte fürchterlich aussehen. Da erblickte ich Snayssol. Der Grünpelz lag am Boden. Er umklammerte seinen lin ken Oberschenkel. Blut floß aus der Wunde. »Snayssol … hier bin ich!« Für ein paar Sekunden versperrten mir da vonhastende Loghanen den Weg. Dann sah ich den Erben wieder. Er kam mühsam hoch. »Ein Splitter hat mich erwischt, Atlan … wäre beinahe erledigt gewesen! Der Schütze muß mich aufs Korn genommen haben.« »Schon möglich«, stieß ich hervor. »Jetzt aber schnell weg von hier!« Ich riß den Loghanen hoch und stützte ihn. Er konnte nur noch humpeln. Doch er klagte nicht, sondern beherrschte sich ausge zeichnet. Die davonhastenden Loghanen hatten sich über das gesamte Lande- und Startfeld des Raumhafens verstreut. Dicht vor uns stand die ISCHTAR. Der Energieschirm war noch geschlossen. Ich preßte den winzigen Sende knopf meines Armbandfunkgeräts nieder. »Worauf wartet ihr noch? Öffnet den Strukturriß!« Es geschah nichts. Die EnergieSchirmfläche schimmerte wie geschmolze nes Erz. Darunter verschwammen die Kon turen der ISCHTAR. Die Rettung war zum Greifen nahe – und doch unerreichbar fern. Akon-Akon blockiert den Willen deiner Freunde, vermutete mein Extrasinn. Viel leicht will er auf diese Weise herauskriegen, wer hinter dem heimtückischen Angriff steckt. Er wird solange mit eurer Rettung warten, bis sich der Angreifer zeigt. Ihr zwei sollt die Lockvögel spielen.
Dirk Hess »Fartuloon!« schrie ich in das Sendermi krophon. Doch es rührte sich nichts. Snayssol stöhnte leise. Seine Wunde schi en ihm mehr zuzusetzen, als ich angenom men hatte. Um uns herum sah es chaotisch aus. Die toten Loghanen lagen dicht neben einander. Der unbekannte Schütze hatte also ein ganz bestimmtes Areal unter Beschuß genommen. Die Stelle, an der ihr gestanden habt, deutete mein Extrasinn an. Das Geschrei der Grünpelze verhallte im Hintergrund. Plötzlich konnte ich das leise Säuseln des Windes wieder hören. Von We sten wehte eine frische Brise heran. Sie trug den Geruch nach verfaulendem Laub mit sich. Ich atmete tief durch. Meine Haltung entspannte sich. Doch plötzlich war da noch ein anderes Geräusch. Ein Gleiter, warnte mich mein Extrasinn. Ich riß den Blaster aus der Gürtelschlaufe und sah angestrengt in den Himmel. Vor mir war der Luftraum frei. Ebenso links und rechts. Ich fuhr herum. Im gleichen Augen blick erkannte ich den tropfenförmigen Schatten eines schnellen Gleiters, der in weitem Bogen die ISCHTAR umrundete. Der Kerl hat eine Schleife geflogen, er kannte ich sofort. Deshalb sind wir in den letzten Minuten nicht beschossen worden. Ein raffinierter Bursche. »Das ist Hoylarn, der Scharfschütze«, wimmerte Snayssol. »Wir sind verloren, wenn deine Freunde uns nicht ins Raum schiff zurücklassen!«
* Ich erkannte den muskulösen Loghanen ganz deutlich. Er stand auf der Plattform des Gleiters und hielt eine schwere Waffe in der Armbeuge. Der Gleiter war nur noch fünfzig Meter von uns entfernt. Wenn der Kerl aus dreitausend Meter Ent fernung so gut treffen konnte, durchzuckte
Sklaven aus der Retorte es mich, dann erledigt er uns aus dieser Di stanz im Handumdrehen. Ich riß den Blaster hoch. Im gleichen Augenblick zuckte ich wie unter einem mörderischen Schlag zusam men. Akon-Akons Gedankenstimme durch pulste mein Innerstes. Nicht so schnell, lauteten die Gedanken. Du verdirbst uns das Schauspiel, Kristall prinz! Laß den elenden Grünpelz ganz dicht an dich herankommen. Und vergiß eines nicht … ich will ihn lebend haben. Er muß uns alles über seine Auftraggeber verraten. Hast du verstanden? Ich preßte ein zorniges »Einverstanden« hervor, dann war Akon-Akon aus meinem Bewußtsein wieder verschwunden. Ich ver mutete jedoch, daß der Junge seine Gedan kenfühler weiterhin nach mir ausstreckte. Der Gleiter verlangsamte seine Fahrt. Seit seinem Auftauchen waren nur ein paar Se kunden vergangen. Doch sie kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Deutlich sah ich, wie der Loghane seine Waffe auf mich richtete. Jetzt pulste mein Extrasinn mit schmerz hafter Intensität. Ich sah die Waffe des Loghanen aufblit zen. Es gab einen lauten Knall. Geistesge genwärtig warf ich mich zu Boden und riß Snayssol mit mir. Wir rutschten ein paar Meter weit über den rissigen Bodenbelag. Unmittelbar hinter uns gab es eine Explosi on. Ein glühend heißer Luftschwall traf mich im Nacken, und anschließend prassel ten kleine Steine auf uns herab. Die Antriebsaggregate des Gleiters heul ten auf. Ich sah, wie der Loghane zum Sturz flug auf uns ansetzte. Ich riß den Blaster hoch, zielte kurz und versuchte abzudrücken. Doch irgendeine ge heimnisvolle Kraft verlangsamte die Druck kraft meines Zeigefingers. Ich wußte sofort, daß Akon-Akon dahintersteckte. Jetzt rutschte der Waffenkontakt in die schmale Vertiefung. Der Energiestrahl zuckte mit der Verzögerung vom Bruchteil einer Sekunde aus dem Lauf. Ich sah, wie er in der rechten Seite des Gleiters einschlug, sich durch die
29 Metallhülle fraß und weiter hinten wieder austrat. Ich hätte den Kerl desintegriert, schoß es mir durch den Kopf. Der verdammte Bengel spielt mit meinem Leben! Jetzt lachte der Schütze höhnisch auf. Ob wohl sein Gleiter heftig schlingerte, konnte er die Restfahrt aufheben und das Fahrzeug noch weiter absenken. Er raste haarscharf über unsere Köpfe hinweg und setzte nicht weit von uns auf. Teile aus der Seitenver kleidung des Gleiters wirbelten durch die Luft. Funken tanzten über dem freiliegenden Aggregat, dann verdunkelten Rauchwolken die Sicht. »Hoylarn wird kämpfen, bis wir tot sind«, keuchte Snayssol. Er hinkte nach links da von. »Hierher, Atlan … wir müssen in den toten Winkel kommen. Er nimmt uns sonst unter Dauerfeuer.« Snayssol wollte halb um die ISCHTAR herumlaufen. Wenn uns der Schütze jetzt aufs Korn nehmen wollte, mußte er die Deckung seines Gleiters verlassen. Ich kam nicht weit. Zwischen den auseinandertreibenden Qualmwolken sah ich den Oberkörper des Schützen. Der Loghane zielte auf mich. Vielleicht auch auf Snayssol, denn wir stan den nur ein paar Meter auseinander. Ohne lange nachzudenken, riß ich meinen Blaster hoch und schoß. Wir hatten fast gleichzeitig abgedrückt! Der Glutstrahl meines Blasters erwischte die Sprengkapsel auf halbem Weg zwischen uns. Plötzlich stand ein greller Feuerball in der Luft. Dem Explosionsknall folgte eine starke Druckwelle, die uns zu Boden schleu derte. Aus dem Gleiterwrack schlugen me terhohe Flammen. Die Glut wurde vom Westwind entfacht. Das Feuer fraß sich rasch in die Plastikverkleidung des Fahr zeugs. Nicht länger zögern, forderte mich mein Extrasinn auf. Akon-Akons Aufmerksamkeit muß sich jetzt auf mehrere Dinge gleichzei tig richten. Er muß die Schiffsbesatzung un ter Kontrolle halten und hier draußen dafür
30 sorgen, daß alles in seinem Sinn geschieht. Schieß jetzt! Das ist deine letzte Chance, heil aus der Sache herauszukommen. Warum beeinflußte Akon-Akon den lo ghanischen Schützen nicht? Warum zwang er ihn nicht dazu, die Waf fe einfach wegzuwerfen und sich zu erge ben? Narr, meinte mein Extrasinn dazu. Der Junge verabscheut die Grünpelze so sehr, daß er sich nicht dazu überwinden kann, in ihr Innerstes einzudringen. Ich durfte nicht länger zögern. Blitz schnell riß ich den Blaster hoch und drückte ab. Halb im Liegen sah ich, wie sich der iri sierende Glutstrahl in den Gleiter fraß. Me tallbruchstücke wirbelten durch die Luft. Glutende Entladungen blitzten grell auf. Dann blockierte Akon-Akons Suggestivkraft meine Hand. Der Blaster rutschte mir aus den Fingern und polterte auf den Boden. Es ist aus, durchzuckte es mich, und ich preßte das Gesicht auf den kalten Bodenbe lag des Raumhafens. Du hast meinen Befehl mißachtet, peitsch te Akon-Akons Gedankenstimme durch mein Bewußtsein. Du hast den Grünpelz ge tötet. Ich ruckte hoch und sah, wie die ausge glühten Reste des Gleiters in sich zusam mensanken. Funken sprühten hoch, dann er innerte nur noch ein schwarzer Schlackehau fen an die Existenz des Fahrzeugs. Der Log hane war in den Flammen verschwunden. »Hätte ich mich etwa erschießen lassen sollen«, schrie ich. Ich wußte, daß AkonAkon mich telepathisch überwachte. »Hätte ich sterben sollen, nur weil du zu feige warst, den Schützen zu beeinflussen? Er bärmlicher Bastard! Nur weil du dich vor den Loghanen ekelst, sollte ich sterben. Das kannst du wirklich nicht erwarten. Du bist nicht nur feige, sondern auch unehrlich …« Ein rasendes Brennen durchzuckte mein Innerstes. Akon-Akon wollte mich für meine Worte quälen. Er konnte mich töten. Das war mir spätestens bei Fartuloons Bestra fung klargeworden.
Dirk Hess »Ich sterbe wenigstens im Bewußtsein, daß du dich als Feigling entlarvt hast«, hörte ich mich schreien, dann wurde mir schwarz vor Augen. Akon-Akon hatte mich durch einen Suggestivimpuls außer Gefecht ge setzt.
* Fartuloon reichte mir ein Glas mit kaltem Wasser. »Trink das, Atlan … das hilft dir wieder auf die Beine.« Ich lag in der Zentrale der ISCHTAR. Vor meinen Augen drehte sich alles. Ich fühlte mich wie gerädert. Aber ich lebte. Das war die Hauptsache. Snayssol kauerte dicht neben mir. Er wag te nicht, den Kopf zu heben. Den Grund da für kannte ich sofort. Akon-Akon stand in der Mitte der Zentra le. Sein Blick war durchdringend, und seine Lippen bildeten zwei schmale Striche. »Jeden anderen hätte ich dafür getötet«, kam es tonlos über seine Lippen. »Soll ich vor dir auf die Knie fallen und mich dafür bedanken, daß du mich geschont hast?« Fartuloon berührte meine Schulter. Ich verstand die Geste des Bauchaufschneiders. Ich durfte den Jungen nicht unnötig reizen. Akon-Akon befand sich in einem inneren Widerstreit. Einerseits wollte er mich wegen der Befehlverweigerung bestrafen, anderer seits wußte er aber auch, daß ich ihn durch schaut hatte. Er wußte selbst, daß sein Ekel vor den Loghanen so groß war, daß er mich bedenkenlos in den Tod geschickt hätte. »Vergessen wir das Ganze«, stieß ich mühsam beherrscht hervor. »Es hat keinen Sinn, wenn wir uns die Köpfe einschlagen. Wir sind aufeinander angewiesen. Also ver suchen wir's im Guten.« Akon-Akon starrte mich verblüfft an. Er hat mit jeder Reaktion gerechnet, nur nicht mit einem Versöhnungsversuch. »Ist das dein Ernst, Arkonide?« »Ich sage immer nur das, was ich auch
Sklaven aus der Retorte wirklich meine.« Jetzt grinste der Junge. »Das dürfte wohl etwas übertrieben sein, Kristallprinz. Hättest du das getan, wärest du nicht mehr am Leben.« Ich nickte. Wir sahen uns kurz an. Jeder wußte, was der andere in diesem Augenblick dachte. Dazu brauchte man kein Gedanken leser zu sein. »Warum müssen wir Gegner sein?« fragte ich den Jungen. Er sagte nichts darauf. Er wollte seine wahren Gefühle vor uns verbergen. Doch in nerlich wußte ich, daß er unsere Freund schaft suchte. So absurd das nach unseren bisherigen Erfahrungen mit ihm klingen mochte – ich war mir dessen ganz sicher. Akon-Akon war sehr einsam. Sein angebo rener Stolz ließ keine andere Verhaltenswei se zu. Er mußte Abstand zu uns wahren. Das war im Grunde die Tragik des Jungen. Wenn er sich nicht änderte, würde er ewig ein ein sames Wesen bleiben. Ich räusperte mich. Fartuloon sah mich fragend an. »Wir sollten jetzt etwas unternehmen«, begann ich langsam. »Unser Auftritt dort draußen hat der Bevölkerung gezeigt, daß wir zu allem entschlossen sind. Aber was noch viel wichtiger ist: die Grünpelze wis sen jetzt, daß wir nicht als Eroberer gekom men sind. Vielleicht geben sie Ruhe. Ich er warte zwar nicht, daß sie uns um den Hals fallen … aber vielleicht haben sie genügend Respekt vor uns bekommen.« Snayssol warf einen scheuen Blick auf Akon-Akon, dann blickte er zu mir hoch. Ich sah, wie er sich innerlich zu einer Ent gegnung überwinden mußte. Die Angst vor einer Bestrafung durch den Jungen blockier te den Loghanen in seinen Äußerungen. »Du willst uns etwas sagen, Snayssol?« Der Grünpelz nickte bedächtig. Er strich mit seiner viergliedrigen Klaue über das Ge häuse des Translators. »Mein Volk ist im Grunde sehr friedlich«, kam es aus dem Übersetzungsgerät. »Die Ratsmitglieder sind für den Tumult verant
31 wortlich. Sie schickten auch Hoylarn, den Scharfschützen.« Ich strich mir nachdenklich übers Kinn. Wenn Snayssol recht hatte, mußten wir mit weiteren Attacken rechnen. Das Triumvirat der Loghanen würde die Bevölkerung gegen uns aufhetzen. Das bedeutete weitere Aus einandersetzungen und Tote. »Wir verlassen die ISCHTAR«, forderte Akon-Akon kurz und bündig. »Je länger wir warten, desto geringer werden unsere Chan cen, den Großtransmitter zu erreichen. Wir bilden einen Stoßtrupp und bemannen einen Gleiter. Die ISCHTAR hält uns den Rücken frei. Alle Mann bleiben auf Gefechtsstation. Wenn sich die Grünpelze wieder rühren soll ten, schmelzen wir die Stadt zusammen.« »Wer soll am Stoßtrupp teilnehmen?« fragte ich. Akon-Akon deutete auf mich und Fartu loon. »Ihr zwei … Ra, Vorry, Karmina Artha min und dieser stinkende Grünpelz. Ich brauche seine Ortskenntnisse.« Snayssol hatte die Worte des Jungen über die Translatorschaltung verstanden. Er äu ßerte sich jedoch nicht dazu. Er hatte sich anscheinend damit abgefunden, daß er in Akon-Akons Augen nur eine Kreatur nieder ster Art war. »Und du?« wandte ich mich erneut an den Jungen. »Bleibst du hier?« Akon-Akon neigte den Kopf leicht vor. Er hob seine Hände, so daß wir das geheimnis volle Leuchten der Sternensymbole sahen, die in seine Handflächen eintätowiert waren. »Ohne mich hätte der kleine Ausflug kei nen Sinn!«
7. Gemmno Las-Therin Ich weiß jetzt, daß irgend etwas nicht stimmt! Das Leben geht weiter. Ich kann nicht sterben. Doch ich kann auch nicht wirklich leben. Die Maschinerie, die meinen Körper konserviert, hält meinen Geist wach. Ich kann denken und mich erinnern. Ich weiß,
32 weshalb ich hier bin. Ich weiß, wie meine Umgebung aussieht. Ich kann Vermutungen darüber anstellen, in welche Richtung sich die Versuchskreaturen fortentwickelt haben. Aber ich bin unfähig, das alles durch meine Augen zu sehen. Ich bin in meinem Körper gefangen. Ich bin im Grunde nur ein Geist, der an die organische Substanz meines Körpers ge fesselt ist. Ich heiße Gemmno Las-Therin. Ich bin ein Meter fünfundneunzig groß. Meine Haut ist dunkel, fast bronzefarben. Meine Haare sind tiefschwarz. Ich trage auf der Stirn das Zeichen eines Bio-Inspektors. Der schmale Silberreif hält einen winzigen Schwingkristall fest, der meine persönlichen Daten enthält. Aber sind diese Daten nicht längst hinfäl lig geworden? Ich werde den Verdacht nicht los, daß ich mich während der langen Zeit verändert ha be. Wie sehe ich aus? Meine Gedanken schmerzen mich. Die Angst steigt wie ein schwarzes Gespenst in mir auf. Es ist die Angst vor körperlichen Veränderungen. Ich wurde dazu erzogen, mich selbst und die akonische Rasse als die Verkörperung des Perfekten anzusehen. Da her halte ich mich selbst für perfekt und un fehlbar. Wie sehe ich aus? Als ich zum letzten Mal aufgeweckt wur de, besaß ich die glatte, makellose Haut ei nes Dreißigjährigen. Kein Fältchen war zu erkennen. Mein Haar war glatt und seidig. Meine Bewegungen verrieten nichts über den Aufenthalt in der Lebenserhaltungsauto matik. Aber wie sehe ich jetzt aus? Ich kann es mir nicht vorstellen. Nein, ich will es mir auch nicht vorstellen. Der Ge danke, daß ich körperlich degeneriere, ist für mich unerträglich. Meine Angst vor körperlichen Verände rungen war fast größer als die Furcht vor dem geistigen Verfall.
Dirk Hess Diese Haltung läßt sich aus meinem Wer degang erklären. Wir Akonen haben einen Entwicklungs stand erreicht, in dem die natürliche Auslese unter den einzelnen Individuen praktisch nicht mehr existiert. Wir besitzen eine gei stige Reife, die den Kampf untereinander sinnlos macht. Wir kennen keine emotionel len Reaktionen mehr. Wir reagieren nach dem Prinzip der Effektivität. Alles ist nur auf den einen Zweck abgestimmt: Erhaltung und Perfektionierung der eigenen Rasse. Wenn wir Bio-Sklaven heranzüchten, sol len uns diese Wesen zumindest in dieser gei stigen Haltung ähnlich sein. Ihr körperliches Aussehen spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Nur die Herren dürfen ästhetisch opti mal sein. Ich erlebte die Vorbereitungen zum Pro jekt »Loghan« mit. Unsere Wissenschaftler erzeugten zwei künstliche Lebewesen. Sie wurden von der ersten bis zur letzten Zelle im Labor heran gezüchtet. Ihre Erbanlagen wurden von der leistungsfähigsten Positronik errechnet und auf ihren Organismus abgestimmt. Anschlie ßend verfrachtete man sie auf einen unbe wohnten Planeten – auf die Welt, auf der ich jetzt lebe! Da der Generationenzyklus in etwa dem akonischen entsprach, ließen die ersten kon kreten Ergebnisse lange auf sich warten. Doch unsere Wissenschaftler waren sich von vornherein darüber im klaren, daß es sich beim Projekt »Loghan« um ein sogenanntes Langzeitprojekt handelte. Erst in etwa tau send Jahren würden wir wissen, was aus den Versuchskreaturen geworden war. Sie mußten sich erst einmal fortpflanzen. Dann würden sie der Dynamik der natürli chen Auslese unterworfen werden. Alles Kranke, Schwache und Lebensunfähige mußte sterben. Nur der Starke durfte überle ben. Von einer Generation zur anderen wür den sich diese positiven Merkmale verfesti gen. Am langen Ende einer Kette von Genera tionen sollte der perfekte Sklave stehen. Nur
Sklaven aus der Retorte die Tüchtigsten würden den Sturm der Zei ten überstanden haben. Der ständige Kampf ums Dasein würde optimale Erbfaktoren entwickelt haben. Bessere jedenfalls, als wir sie mit der Positronik errechnen konnten. Die ersten Generationen deuteten einen positiven Ausgang des Experiments an. Die Versuchskreaturen breiteten sich in unseren Städten aus. Sie erlernten instinktiv die Funktion der zurückgelassenen Geräte. Sie durchstreiften die Wälder und Savannen des Planeten. Es dauerte nicht lange, und sie hatten sich zur vorherrschenden Lebensform entwickelt. Während meines letzten Kontrollbesuchs wurde ich auf ein Phänomen aufmerksam, dessen weitere Entwicklung ich unbedingt kontrollieren muß. Ich mischte mich im Schutz eines tragbaren Deflektorschildes un ter die Kreaturen. Die Wahrung meiner Identität war Voraussetzung für das Gelin gen sämtlicher Operationen. Ich entdeckte, daß die Versuchskreaturen eine selbständige Regierungsform ent wickelt hatten. Sie übertrugen alle Machtbe fugnisse auf das »Triumvirat«. Da sich im Laufe der Jahre Intelligenzunterschiede her auskristallisiert hatten, gab es eine Unterund eine Oberschicht. Zur Oberschicht zähl ten alle, die einen überdurchschnittlichen In telligenzquotienten besaßen. Sie nannten sich »Erben«. Jeder Erbe konnte praktisch in das Triumvirat gewählt werden. Und nur ein Erbe durfte über die Vergangenheit Be scheid wissen. Die Versuchskreaturen tilgten jede Spur ihrer »Ahnen« aus. Niemand sollte wissen, daß die Akonen Erzeuger ihrer Rasse waren. Das war einer seits ein psychologisches, andererseits ein existentielles Problem. Das Triumvirat konnte nur solange Macht auf die Bevölke rung ausüben, solange es sich als »Erbe« der Ahnen auswies. Indem sie sich unbewußt oder bewußt von ihrer Vergangenheit trennten, leiteten sie einen Prozeß ein, an dessen Ende ihre Selb ständigkeit stehen mußte.
33 Das konnte nicht im Interesse unserer Wissenschaftler liegen. Ich muß also unbedingt zu einem weiteren Kontrollbesuch aufgeweckt werden. Nur die regelmäßige Inspektion der Verhältnisse kann einen positiven Ausgang des Projekts gewährleisten. Ich will aufwachen! Ich konzentriere mich nur auf das eine: Ich will auf wachen!
8. Atlan Der Gleiter schoß dicht über den Baum kronen eines ausgedehnten Dschungelge biets hinweg. Das Blätterdach war so un durchdringlich wie ein Ozean. In der Ferne ragten die abgerundeten Bergkuppen eines Gebirges in den schiefergrauen Himmel. Während der letzten halben Stunde waren Wolkenfronten aufgezogen. Kalter Wind ließ die Außentemperaturen innerhalb kurzer Zeit auf fast fünf Grad absinken. »Hier im Westen von Sover-Kar«, sagte Snayssol über Translator, »beginnt jetzt die kalte Jahreszeit. Wenn wir noch weiter in diese Richtung fliegen, könnte es passieren, daß wir in Schneetreiben geraten.« Akon-Akon saß an den Kontrollen. Er hatte mehrfach einen Funkspruch abge strahlt. Doch unser Empfänger war stumm geblieben. »Das Wetter spielt keine Rolle«, ließ er vernehmen. »Wenn die Schleuse der BioStation noch funktioniert, brauchen wir nicht ins Freie zugehen.« Ich war einigermaßen erstaunt darüber, daß Akon-Akon auf eine Bemerkung des Loghanen reagiert hatte. Es war überhaupt überraschend, daß er Snayssol mitgenom men hatte. Traust du dem Jungen keine Einsichten zu? wisperte mein Extrasinn. Akon-Akon dürfte inzwischen eingesehen haben, daß Snayssol ein vollwertiger Partner ist. »Ist es noch weit?« wandte sich Fartuloon an den Jungen. »Meinen Berechnungen zufolge müßten wir unmittelbar vor der Bio-Station stehen.«
34 Ich warf einen Blick durch die Frontver glasung des Gleiters. Karmina Arthamin hielt am Beobachtungsschirm Ausschau nach der geheimnisvollen Station. Doch au ßer den mächtigen Baumkronen war nichts zu sehen. Der Himmel hätte sich inzwischen noch mehr verdüstert. Starke Windböen peitschen durch das Blattwerk, und an eini gen Stellen suchten Vögel Schutz vor dem nahenden Unwetter. »Gibt es hier Ansiedlungen deiner Artge nossen?« fragte Akon-Akon den Grünpelz, ohne ihn jedoch direkt anzuschauen. Snayssol stieß ein ratloses Knurren aus. Jedenfalls übersetzte der Translator seine Äußerung nicht. »Du weißt es also nicht!« »Keiner von uns ist so weit in den westli chen Dschungel vorgedrungen«, gab der Lo ghane zu. »Fleischfressende Pflanzen und gefährliche Sümpfe schirmen diesen Land strich nahezu völlig ab. Schon möglich, daß es hier ein paar Transmitterstationen gibt … ich kann es aber nicht mit absoluter Sicher heit behaupten.« »Warum sind wir nicht durch das Trans mittersystem gegangen?« fragte ich den Jun gen. »Soweit ich informiert bin, gibt es auf dem Planeten etwa vierzigtausend akonische Transmitter, die allesamt unter Energie ste hen. Wir hätten uns den gefährlichen Flug sparen können. Eine Rakete, und wir sind erledigt.« Akon-Akon dachte angestrengt nach. Dann sagte er. »Das Transmittersystem ist mir nur in groben Zügen bekannt. Ich weiß natürlich, wie man damit umgeht – aber ich weiß nicht, ob die Triumviratsmitglieder etwas daran verändert haben …« »Sie schalten die Geräte an und ab«, er klärte Snayssol. »Sie stellen sogar ganze Kettenverbindungen her, so daß man durch eine Reihe synchrongeschalteter Transmitter von einem Kontinent zum anderen gelangen kann. Aber ich glaube nicht, daß sie etwas daran verändert haben. Das könnten nur die Ahnen tun.«
Dirk Hess »Gab es Transmitterunfälle?« fragte Akon-Akon kurz. Snayssol runzelte die Stirn. Seine spitzen Ohren standen kerzengerade in die Höhe. »Natürlich gab es Unfälle! Die Opfer der Schwarzen Tore«, sagte er, wobei er die lo ghanische Bezeichnung für Transmitter ge wählt hatte, »leben in einer unterirdischen Station zusammen. Sie können niemals wie der in die Gemeinschaft der anderen zurück kehren. Sie sind dazu verdammt, in den Ka takomben ein unwürdiges Dasein zu fri sten.« »Wie kam es zu diesen Unfällen?« wollte ich wissen. »Ganz einfach«, antwortete Snayssol. »Wenn ein Schwarzes Tor nicht richtig funktioniert, der zu transportierende Körper aber dennoch entstofflicht wird, kommt es zu körperlichen Mißbildungen. Ich erinnere mich an einen besonderen Fall. Ein Loghane wurde zusammen mit einem Schetan entma terialisiert …« »Was ist das … ein Schetan?« Ich sah den Loghanen ratlos an. »Ein Parasit. Ein kleines Tier, das in der Kanalisation von den Abfällen lebt.« »Was ist mit dem Loghanen und diesem Schetan passiert?« drängte Karmina Artha min den Grünpelz. »Die Körperatome der beiden Wesen ver mischten sich während der Entstofflichung. Als sie aus dem Ankunftstor kamen, besaß der Loghane einen zweiten Kopf … einen Schetankopf! Es gibt noch viel schreckliche re Kreaturen. Ich habe sie selbst gesehen. Ich kenne sogar die Symboldaten des Schwarzen Tores, durch das man zu ihnen gelangen kann.« »Das lassen wir lieber sein«, meinte Far tuloon. »Mir reichen die normalen Grünpel ze voll und ganz.« Plötzlich summte der Massetaster unseres Gleiters. »Die Bio-Station«, rief Akon-Akon auf geregt. »Wir sind angekommen.« Auf dem Bildschirm des Ultraschall-Ta sters zeichneten sich zwei kuppelförmige
Sklaven aus der Retorte Gebäude ab, die tief unter dem Blätterdach des Dschungels verborgen lagen. »Ich will versuchen, die Schleuse über einen Funkimpuls zu öffnen«, sagte AkonAkon. Er tippte eine Symbolkette in den Sender und wartete ein paar Sekunden lang. Doch es rührte sich nichts. »Schade … aber dort unten scheint tatsächlich nichts mehr zu funktionieren.« »Warum schmelzen wir nicht einfach eine Lichtung in den Dschungel?« Akon-Akon sah mich zuerst unentschlos sen an. Dann stimmte er meinem Vorschlag zu. Ich drückte auf einen Knopf. Auf der Unterseite des Gleiters öffnete sich eine Klappe, und die Mündung eines Impuls strahlers wurde sichtbar. Auf einen weiteren Knopfdruck hin justierte ich die Abstrahl mündung. Dann gab ich Feuer. Ein breitge fächerter Glutstrahl zuckte auf die Baumkro nen herab. Die Flammen fraßen sich sekun denschnell durch das Unterholz, dann waren sämtliche Gewächse im Umkreis von fast hundert Metern zu Asche verkohlt. In der Mitte der qualmenden Lichtung er hoben sich zwei Stahlkuppeln. »Wir landen genau zwischen den Kup peln«, befahl Akon-Akon. Jede Kuppel war ungefähr zehn Meter hoch und fast ebenso breit. Genau zwischen den Gebäuden war Platz für einen Gleiter. Auf dem Boden zeichneten sich die Umrisse einer Schleuse ab.
* Vorry sprang mit einem Satz aus dem Gleiter. Er landete auf seinen vier kurzen, beschuppten Beinen. Er schüttelte sich schnaufend. Es klang, als würde eine vor sintflutliche Dampfmaschine Dampf ablas sen. Jetzt reckte der Magnetier seine musku lösen Arme vor. Im Grunde sah er wie eine anderthalb Meter lange und etwa fünfund siebzig Zentimeter hohe Tonne aus. Aus dem »Tonnenkragen« ragte ein breiter, froschähnlicher Schädel mit faustgroßen Au genwülsten. Die Augen waren klein und
35 gelb. Wenn Vorry hungrig war – und wann war er das einmal nicht? –, dann leuchteten sie besonders intensiv. Der pechschwarze Magnetier gehörte seit unseren Abenteuern im Dreißig-Plane ten-Wall zu meiner Mannschaft. Er war Metallfresser. Sein breiter Rachen verschlang nahezu alles, was irgendwie nach Eisen oder Stahl aussah. Wenn Vorry »Morgenluft« witterte, war er kaum aufzu halten. Aus unseren Gesprächen hatte er ent nommen, daß die Schleuse ohne Gewaltein wirkung nicht zu öffnen war. »Laßt mich durch, Konzentratfresser«, grollte das tonnenförmige Wesen und zwängte sich an uns vorbei. »Es wird mir ein wahres Vergnügen sein, die Schleuse für euch zu knacken!« Ich blickte Akon-Akon fragend an. »Darf er?« Akon-Akon zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Wenn er nicht zu lange dafür braucht …« »Das erledige ich als Vorspeise!« Vorry schwang seinen schweren Körper herum. Er fegte mit den Armen die Aschen reste von der Schleusentür weg. Dann unter suchte er kurz die Abmessungen der Tür. »Es geht doch nichts über einen fein ge deckten Tisch«, kam es grollend aus Vorrys breitem Schlund. Fasziniert beobachteten wir den Magne tier bei seinen Vorbereitungen. Vorry stemmte seine kurzen Beine in die seitlichen Griffmulden der Schleuse. Er sammelte seine ganze Kraft und preßte seine Beine noch tiefer in die Mulden. »Das schafft er niemals«, rief Snayssol. »Das Schleusentor besteht aus Stahl. Kein Lebewesen ist stark genug, um Stahl mit den Händen zu bearbeiten.« »Abwarten«, meinte ich lächelnd. Jetzt bog sich die Schleusentür langsam nach unten durch. Vorry verstärkte seine Anstrengungen. Ein dumpfes Grollen kam aus seiner Kehle. Schließlich gab es einen Ruck, und die Stahltür knickte in der Mitte ein. Aus der elektronischen Verriegelung
36 lösten sich zahlreiche Kleinteile. Kiefer schnappten zu und hielten die Tür auf einer Seite fest. Haarfeine Risse erschie nen in der Türoberfläche. »Er schafft es«, stellte Akon-Akon ver blüfft fest. Vorry stemmte sich mit allen vieren ge gen die Schleuse. Dann gab es einen erneu ten Ruck, und er riß die schwere Tür aus dem Rahmen. »Guten Appetit«, schrie Ra begeistert. Vorry schien uns vergessen zu haben. Er knallte die Tür zu Boden und machte sich daran, sie zu zerkleinern. Ich beugte mich über den Schacht. Es war stockdunkel. Doch seitlich konnte man schmale Steigeisen in der Wand erkennen. »Wenn einer von euch leuchtet, können wir bequem 'runterklettern.« Fartuloon ging in den Gleiter zurück und holte mehrere Stablampen. »Willst du uns jetzt nicht endlich verra ten, was wir hier sollen?« fragte der Bauch aufschneider den Jungen. »Du bist doch si cherlich nicht zum Vergnügen hier.« »Ich kann nur vom Bio-Inspektor erfah ren, was sich während der vergangenen Jahrhunderte ereignet hat. Bevor ich durch den Großtransmitter gehe, will ich über alles informiert sein. Ich muß zielstrebig vorge hen, sonst ist meine Mission gefährdet.« »Deine Mission?« fragte ich und tat ab sichtlich unwissend. »Gebt euch mit dem zufrieden, was ich euch bis jetzt mitteilte. Ihr würdet mich doch nicht verstehen. Und warum sollte ich euch beunruhigen? Es ist besser, ihr kennt die großen Zusammenhänge nicht.« Ich wußte, daß es sinnlos war, weiter zu fragen. Akon-Akon konnte sehr starrsinnig sein. »Ich steige zuerst hinunter«, sagte ich, während Fartuloon den Lichtkegel seiner Stablampe auf die Schachtwand richtete. Während Vorry genüßlich die Schleusen tür zerkleinerte, kletterten wir hintereinander in die Tiefe. Ra und Karmina Arthamin klemmten sich die Lampen in die Gürtel-
Dirk Hess schlaufen. Jetzt fiel ihr Licht schräg an der Wand hinunter. Wir erkannten jede Uneben heit, und der Abstieg bereitete uns keine Schwierigkeiten. Die Luft war stickig und abgestanden. Ir gendwo ertönte das Summen eines Aggre gats. Ich glaubte sogar, den Geruch ver schmorter Isolationen wahrnehmen zu kön nen. »Hier ist lange niemand mehr gewesen«, sagte ich. »Es muß aber jemand hier sein«, hielt mir Akon-Akon entgegen. »Warum hat er dann nicht auf deine Funksprüche reagiert?« »Vielleicht ist er tot!« vermutete Ra lako nisch. Der Schacht war etwa fünfzig Meter tief. Als ich den Boden erreicht hatte, sah ich mich neugierig um. Fartuloon leuchtete den angrenzenden Raum mit seiner Lampe aus. Hinter einer niedrigen Plexisglas-Verklei dung erhoben sich schwere Maschinen blöcke. Dicke Kabelstränge führten von der Decke in den Boden. Auf den Kontrollpul ten flackerten Lichtanzeigen. »Dort hinten steht ein Gleiter«, flüsterte Fartuloon. Ich hatte noch nie ein solches Modell ge sehen. Die Spitze war abgeplattet und wider sprach jeder aerodynamischen Form. Seit lich ragten kleine Stummelflügel heraus, und am Heck erkannte man die Abstrahldüsen eines zusätzlich installierten Geräts. »Was ist das?« »Ein Deflektorschild«, antwortete AkonAkon sofort. Er schien die fremdartige Technik genau zu kenne. »Wozu ist das nötig?« Ich trat an den Gleiter heran. »Hatte der Besitzer dieses Fahrzeugs etwas zu verbergen?« »Die Versuchskreaturen durften nichts von seiner Anwesenheit ahnen.« Ich kratzte mich am Kinn. Akon-Akons Bemerkungen waren nicht gerade dazu ge eignet, das Rätselraten über die Bio-Station zu beenden. »Wenn der Gleiter noch hier ist«, fuhr ich
Sklaven aus der Retorte fort, »dann kann sein Besitzer auch nicht weit sein. Vielleicht hat er die Station gar nicht verlassen.« »Das befürchte ich auch«, meinte AkonAkon tonlos. Er führte uns durch einen schmalen Gang, der den Gleiterhangar mit den angrenzenden Räumen verband. Hier entdeckten wir kom plizierte Rechengehirne und andere Appara turen. »Das Rechengehirn sieht sehr leistungs stark aus«, meinte Fartuloon interessiert. »Dieses Gerät könnten wir in unserem Stütz punkt auf Kraumon dringend gebrauchen. Ich habe nicht einmal auf Arkon so differen zierte Anlagen gesehen.« Akon-Akon lächelte geheimnisvoll. »Ich sehe, du verstehst etwas von Positro niken, Bauchaufschneider. Ja, du hast richtig getippt. Das ist eine besonders leistungsfähi ge Positronik in Kompaktbauweise. Obwohl sie kaum größer als eure Schiffspositronik ist, leistet sie etwa zehnmal soviel.« Fartuloon pfiff anerkennend durch die Zähne. »Und zu welchem Zweck wurde das Ge hirn hier installiert?« »Folgt mir in den Nebenraum«, sagte Akon-Akon nach kurzem Zögern. »Das er spart mir langwierige Erklärungen.« Wir folgten dem Jungen bis zu einer Schiebetür. Seitlich ragte die Griffmulde ei nes Wärmeschlosses aus der Wand. »Kann man hier kein Licht machen?« fragte ich. Akon-Akon schüttelte mit dem Kopf. »Mit der Energieversorgung stimmt etwas nicht.« Er preßte die Handfläche gegen den Wär mesensor. Doch die Tür blieb verschlossen. »Wir müssen sie aufbrechen! Erledigt das mit einem Blaster … aber seid vorsichtig! Die darunterliegenden Einrichtungen dürfen nicht beschädigt werden.« Ich stellte meinen Blaster auf schwächste Bündelung ein. Dann drückte ich ab. Der Energiestrahl fraß sich durch die Tür. Nicht einmal fünf Sekunden später gähnte ein
37 dunkles Loch in der Oberfläche, dessen Ränder hellrot glühten. Ich nahm den Zeige finger vom Waffenkontakt. »Das reicht! Paßt auf, daß ihr euch nicht verbrennt.« Ich stieß mit der Stiefelspitze gegen das brüchig gewordene Metall. Ein schweres Stück löste sich und polterte nach innen. Fartuloon leuchtete in den dunklen Raum hinein. Zunächst erblickten wir nur ge schwungene Schaltpulte, mehrere Schalen sessel, wie sie auch in Raumschiffen üblich waren, und ein längliches Podest. »Leuchte doch mal dort 'rüber«, bat ich den Bauchaufschneider. Der Lichtkegel wanderte über den Boden und streifte die kompliziert wirkenden Ap paraturen. Schließlich blieb er auf dem Po dest stehen, dessen Oberseite durchsichtig wie Glas schimmerte. »Das ist doch …«, stieß ich überrascht hervor, »in dem Apparat liegt ein Mann!«
* Der Fremde war kein Arkonide. Seine Haut war samtbraun, und die kurzgeschnitte nen Haare waren pechschwarz. Ein dünner Silberring umgab seine hohe Stirn und hielt einen Kristall fest. Sein hochgewachsener, völlig unbekleideter Körper ruhte in einer öligen Flüssigkeit. Die Hände waren seitlich eng an den Körper gepreßt. Von den Schlä fen führten Elektroden in den Boden des Be hälters. »Wer ist das?« wollte ich wissen. »Das ist der Bio-Inspektor von KledzakMikhon«, erwiderte Akon-Akon gedanken verloren. Er hob den durchsichtigen Deckel des Behälters ab. Winzige Luftbläschen perlten aus der öligen Substanz und zerplatz ten an der Oberfläche. Ein merkwürdiger Geruch breitete sich aus. »Lebt er noch?« »Selbstverständlich«, sagte der Junge. »Er liegt im Tiefschlaf, nicht wahr?« »So könnte man es auch bezeichnen. Doch die Art der körperlichen Konservie
38 rung, die hier angewandt wurde, unterschei det sich grundlegend von allen bisher be kannt gewordenen Methoden.« Akon-Akon tauchte seine Rechte in die Flüssigkeit und berührte den Kristall auf der Stirn des Mannes. Seine Sternsymbole auf den Handflächen leuchteten plötzlich auf. »Er heißt Gemmno Las-Therin«, sagte er. »Er war dabei, als unsere Wissenschaftler die ersten Versuchskreaturen auf diesen Pla neten brachten. Später verließ er im Rhyth mus von hundert Jahren regelmäßig die Sta tion, um den Entwicklungsstand der Kreatu ren zu verfolgen. Er notierte sämtliche Ver änderungen und speicherte sie in der Po sitronik. Er leistete eine äußerst gewissen hafte Arbeit. Er kehrte immer wieder in die Bio-Station zurück und begab sich in den Konservierungsbehälter. Die Liga der Wis senschaftler hätte keinen besseren Mann mit der Aufsicht über das Projekt ›Loghan‹ be auftragen können …« Snayssol hatte sich im Hintergrund gehal ten. Ihm waren die verwirrenden Apparatu ren unheimlich. Dennoch behielt er seinen Translator eingeschaltet. Er bekam also je des Wort unserer Unterhaltung mit. Als Akon-Akon den Namen des akonischen Pro jekts erwähnte, zuckte der Grünpelz zusam men. »Projekt Loghan«, rief Snayssol erregt. »Hat das etwas mit unserem Volk zu tun?« Akon-Akon nahm die Hand von der Stirn des Konservierten. Ein verächtlicher Zug trat in sein Gesicht. »So ist es, Parasit … deine Artgenossen haben sich in maßloser Selbstüberschätzung Loghanen genannt. Aber wie könnt ihr auch wissen, daß ihr nichts weiter als künstlich erschaffene Kreaturen seid, denen die Fort pflanzungsfähigkeit verliehen wurde?« Snayssol krümmte sich jammernd zusam men. »Nein … sagt doch, daß dies nicht stimmt!« Ich berührte Akon-Akons Arm. »Stimmt das wirklich?« Der Junge drehte sich um. Er würdigte
Dirk Hess den wimmernden Grünpelz mit keinem Blick mehr. »Warum sollte ich euch anlügen? Die Grünpelze stammen aus der Retorte. Sie sind das Produkt eines Langzeitprojekts.« »Haben sie sich im Sinne ihrer Erzeuger entwickelt?« fragte Fartuloon, der das Ganze aufmerksam verfolgt hatte. Akon-Akon zuckte mit den Schultern. »Das könnte uns Gemmno Las-Therin vielleicht sagen. Aber ich befürchte, daß wir zu spät gekommen sind. Ein Fehler in der Wiedererweckungsautomatik hat ihn hier festgehalten. Er liegt sicher schon seit eini gen hundert Jahren im Behälter.« Akon-Akon ging um die Apparatur her um. Er betrachtete die Schaltpulte und wink te Fartuloon zu sich heran. »Leuchte mal hierher!« Fartuloon tat, wie ihm geheißen wurde. Im Lichtkegel erkannten wir zahlreiche An zeigeinstrumente. Einige standen unter Energie. Andere waren abgeschaltet. Akon-Akon legte beide Handflächen auf die Oberseite eines Schaltpults. Dabei leuch teten die Sternsymbole auf den Innenflächen seiner Hände auf. Die Haltung des Jungen war starr und unnatürlich. Er schloß die Au gen und murmelte Worte einer fremden Sprache. Im Innern der Schaltanlage summte es. Die Digitalanzeigen anderer Schaltpulte ver änderten sich. Plötzlich flammte die Leucht röhre an der Decke des Raumes auf. Ihr glei ßend helles Licht beleuchtete eine unwirkli che Szene. Akon-Akon murmelte fortwährend unver ständliche Worte. »Was treibt er da?« fragte Ra unruhig. »Keine Ahnung«, sagte ich. »Anscheinend überbrückt er irgendeinen Kontakt. Bei seinen ungewöhnlichen Fähig keiten halte ich langsam alles für wahr scheinlich.« Snayssol kauerte immer noch am Boden. Er hatte sich zusammengekrümmt und um klammerte mit beiden Händen die Fußgelen ke. Sein Wimmern brach nicht ab. Er schien
Sklaven aus der Retorte sich nicht damit abfinden zu können, daß er im Grunde ein Nachkomme künstlich er zeugter Kreaturen war. In ihm war ein Welt bild zusammengebrochen. Plötzlich ertönte ein quirlendes Saugen. Die ölige Flüssigkeit im Konservierungsbe hälter wurde langsam abgesaugt. Wenig spä ter lag der Körper des Bio-Inspektors frei da. Seitlich angebrachte Luftdüsen trockneten ihn, und winzige Greifarme massierten seine Arme und Beine. Die Metallplättchen lösten sich ruckhaft ab. Akon-Akon löste beide Hände von der Schaltanlage. Das geheimnisvolle Leuchten seiner Handflächen ließ nach. Schließlich öffnete er die Augen. »Er wird aufwachen«, sagte er laut und vernehmlich. »Sein langer Schlaf ist zu En de.« Es war mir rätselhaft, wie der Junge das fertiggebracht hatte. »Kannst du technische Defekte durch ein fache Berührung beseitigen?« Akon-Akon lächelte überlegen. Die Tat sache, daß er bei seinen Bemühungen er folgreich gewesen war, schien sein ohnehin sehr ausgeprägtes Selbstbewußtsein noch mehr zu steigern. »Ich habe ein ausgefallenes Relais über brückt. Da genügend Energiereserven vor handen sind, war das Ganze recht einfach.« Jetzt senkte sich eine mehrgliedrige Beat mungsapparatur von der Decke herunter. Die Haube legte sich über Mund und Nase des Tiefschläfers. Dann klappte seitlich eine Injektionsdüse herab. Es zischte, und das Medikament wurde in den Blutkreislauf des Bio-Inspektors geschossen. Gemmno Las-Therin atmete wieder. »Unglaublich«, murmelte Fartuloon ver blüfft. »Die Geräte arbeiten mit unwahr scheinlicher Perfektion. Keine arkonidische Tiefschlafmaschine kann einen Schlafenden so schnell aufwecken. Hätte es den Fehler in der Anlage nicht gegeben, so könnte man von einem perfekten Modell sprechen …« »Nichts ist perfekt«, gestand Akon-Akon ein. »Aber man kann nach Perfektionen stre
39 ben. Ich werde eines Tages perfekt sein. Das ist ein Teil meiner Mission.« Ich sah den Jungen nachdenklich an. Er erwähnte nur äußerst selten, daß er eine be stimmte Mission verfolgte. Wir waren ihm ausgeliefert. Solange er uns suggestiv beein flussen konnte, mußten wir ihm folgen. Vielleicht änderte sich dieser Zustand, wenn wir mehr über seine geheimnisvolle Mission wußten. Gemmno Las-Therin atmete jetzt regel mäßiger. Sein Gesicht zuckte, seine Hände bewegten sich. »Er wird überrascht sein, uns hier vorzu finden«, sagte Ra. »Das kann gut möglich sein. Er stammt noch aus der Zeit der Befreiungskriege.« Plötzlich öffnete der Bio-Inspektor die Augen. »Kann er uns sehen?« fragte Fartuloon. Akon-Akon beugte sich über den Schwei genden. Er redete ihn in jener Sprache an, die wir nicht verstehen konnten. Gemmno Las-Therin blinzelte in das Licht der Deckenleuchte. Seine Lippen be wegten sich, doch er brachte keinen Laut hervor. Akon-Akon schob seine Arme unter den Körper des Bio-Inspektors. Er hob ihn lang sam aus dem Behälter der Lebenserhaltungs automatik. »Braucht er Hilfe?« fragte ich. »Hat er in nere Schäden erlitten? Möglicherweise war das defekte Relais …« »Daran liegt es nicht«, sagte Akon-Akon unruhig. Er hielt den bebenden Körper des Bio-Inspektors fest. »Ich kann mir seinen Zustand nur so erklären, daß er während des Konservierungsschlafs von furchtbaren Alp träumen geplagt wurde.« »Das ist ungewöhnlich«, sagte ich. »Nein«, erwiderte der Junge. »Die Anlage beruht auf einem ganz anderen Prinzip, als ihr es kennt. Wenn ein Körper über sehr lan ge Zeit konserviert werden soll, und wenn dieser Körper in bestimmten Abständen wie derbelebt wird, dann muß sein Gehirn funk tionsfähig bleiben. Die Belastung seines Ge
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Dirk Hess
hirns ist ständig gleichgeblieben. Er konnte also durchaus merken, daß er nicht aufge weckt wurde.« Ich wurde nachdenklich. Wenn es stimm te, was Akon-Akon eben gesagt hatte, dann war der geheimnisvolle Bio-Inspektor durch das Martyrium eines endlosen Alptraums gegangen. Er wußte also, daß er hier lag, konnte aber nichts dagegen unternehmen. Das war schlimmer, als lebendig begraben zu sein. Plötzlich bäumte sich der Körper des BioInspektors auf. Akon-Akon wollte ihn fest halten, doch der schwere Mann entglitt sei nen Händen. »Helft mir doch!« Fartuloon und ich sprangen näher. Der Akone – ein Arkonide war er ganz bestimmt nicht – wälzte sich schreiend am Boden. Sein Stirnring löste sich, und der Kristall rollte unter die Instrumentenkonsole. Er schrie, als würde man ihn grausam foltern. »Wenn ihm einer helfen kann, dann bist du es, Akon-Akon!« »Schafft ihn nach oben!« befahl er.
* Gemmno Las-Therin kauerte am Boden. Sein Atem ging stoßweise. Er senkte den Kopf. Obwohl der Himmel bewölkt war, be deckte er die Augen mit den Händen. An scheinend vertrug er das Licht nicht. Welch eine Ironie des Schicksals, dachte ich bei mir. Dieser Mann war dabei, als die ersten Loghanen aus dem Labor entlassen wurden. Er hielt sich für etwas Besseres, doch jetzt windet er sich genauso entsetzt am Boden wie Snayssol. »Wir bringen ihn in die ISCHTAR!« Im gleichen Augenblick hob Gemmno Las-Therin den Kopf. Langsam strich er sich über Gesicht und Oberkörper. Dann hob er die Hände prüfend vor die Augen. Scheinbar wollte er sich davon überzeugen, ob er tat sächlich wach war und nicht mehr schlief. Nein, pulste mein Extrasinn. Er weiß längst, daß er aufgeweckt worden ist. Er
spürt, daß eine unheimliche Veränderung mit ihm vor sich geht. Ich sah genauer hin. Plötzlich durchzuckte mich heißer Schrecken. Gemmno Las-Therins jugendliche Haut überzog sich von einem Augenblick zum an deren mit unzähligen Runzeln und Fältchen. Sie verlor ihren geschmeidigen Glanz, und der samtbraune Farbton wurde grau. Der Bio-Inspektor wollte aufstehen, doch seine Kraft reichte nicht dazu aus. Er knickte in den Knien ein und stürzte schwer zu Bo den. Fartuloon wollte ihm helfen, doch Akon-Akon drängte den Bauchaufschneider zur Seite. Wir verstanden nicht, was der Junge sag te. Doch wir nahmen an, daß er dem BioInspektor Mut zuredete. »Du hast ihn aufgeweckt«, wandte ich mich an ihn. »Also mußt du ihm auch helfen können.« Akon-Akon starrte mich sekundenlang wütend an. Doch dann senkte er den Blick. »Schweig, Arkonide … du hast nichts verstanden! Dieser Mann ist tausendmal mehr wert als jeder einzelne von euch. Wenn er stirbt, ist niemand mehr da, der das Projekt ›Loghan‹ weiterverfolgen kann.« »Ist das wirklich so schlimm?« warf ich ein. Akon-Akon knirschte mit den Zähnen. Ich erkannte, daß er nahe daran war, die Beherr schung zu verlieren. »Sei ehrlich«, wandte ich mich erneut an den Jungen. »Seit dieser Mann den Fortgang der Entwicklung nicht mehr überwachen konnte, haben sich die Loghanen zu einem autonomen Volk entwickelt. Sie haben nichts mehr mit den Laborkreaturen gemein, die einmal ihre Stammväter waren. Ist es nicht an der Zeit, daß man sie selbst über ih re Zukunft entscheiden lassen sollte?« Bevor Akon-Akon etwas darauf entgeg nen konnte, schrillte die Alarmglocke des Gleiters. Auf dem Sendepult blinkte ein Licht. »Notruf von der ISCHTAR«, rief Karmi na-Arthamin und sprang durch das offenste
Sklaven aus der Retorte hende Luk ins Innere des Fahrzeugs. Sie schlug auf die Aktivierungstaste und melde te sich. »Angriff durch zahlreiche Raketen«, er tönte die Stimme des leitenden Waffenoffi ziers. Der Lautsprecher übertrug sogar das Knistern und Dröhnen aus der Waffenleit zentrale der ISCHTAR. »Lassen Sie mich an den Apparat«, stieß ich aufgeregt hervor und drängte die Son nenträgerin beiseite. »Hier Atlan … geben Sie mir einen genauen Lagebericht.« Im Lautsprecher knackte es. Energetische Störungen überlagerten die Sendefrequenz. Mehrfach kam das Aufheulen der schiffsei genen Umformerbänke durch. In der ISCH TAR war die Hölle los. Das Raumschiff stand unter schwerstem Beschuß. Akon-Akon und Fartuloon wuchteten den Körper des Bio-Inspektors in den Gleiter. Vorry, der gerade die letzten Brocken der Schleusentür verspeiste, folgte den Männern mit einem Satz. Plötzlich ließen die Störgeräusche nach. »Die Grünpelze starten eine Angriffswelle nach der anderen«, ertönte die erregte Stim me des Waffenleitoffiziers aus dem Laut sprecher. »Lange können wir uns nicht mehr halten. Der Gegner verfügt über nahezu un erschöpfliche Waffenreserven. Beim letzten Angriff wurden die Schutzschirme mit über neunzig Prozent belastet …« Die Störgeräusche kamen wieder. Die Stimme des Arkoniden wurde leiser. Ich sah Fartuloon bedeutungsvoll an. »Sieht schlecht für die ISCHTAR aus, nicht wahr?« Ich verstärkte die Sendeleistung und zog das kleine Mikrophon aus der Pulthalterung. »Ortet die Startbasen … vernichtet die Anlagen!« »Das nützt nicht viel«, antwortete der Of fizier. »Die Startbasen sind über den ganzen Planeten verteilt. Wer ihre Lage nicht kennt, ist verloren. Jede Angriffswelle kommt aus einem anderen Winkel dieser verdammten Welt. Selbst wenn wir die Hälfte aller Start basen vernichten, bleiben noch genug übrig,
41 um uns zu vernichten. Die Schutzschirme können jeden Augenblick zusammenbrechen …« Akon-Akon war aufgesprungen. Er riß das Mikrophon an sich. »Sofort starten! Nehmt Kurs auf den Transmitter, dessen Lagekoordinaten ich euch jetzt durchgebe …« Akon-Akon schnurrte die Daten herunter und ließ sich das Bestätigungszeichen ge ben. Dann schaltete er den Sender ab. Er sah mich triumphierend an. »Diesmal geht's den Grünpelzen an den Kragen!« »Schaffen wir es überhaupt, heil durch das Inferno zu kommen?« fragte ich zwei felnd. »Ihr müßt es schaffen«, stieß der Junge aufgeregt hervor. »Ich vertraue auf eure Fä higkeiten. Der Großtransmitter kann unsere letzte Rettung sein.«
* Die ISCHTAR schwebte tausend Meter über der riesigen Transmitterhalle. Die Be satzung hatte erkannt, daß der feindliche Be schuß nachließ, je tiefer sie über der Stadt schwebten. Anscheinend wollten die Logha nen verhindern, daß ihre Stadt zu stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Fünf Raketen detonierten genau im Schei telpunkt des Schutzschirms. Die ISCHTAR verschwand in einer Feuerlohe. Die Überla dungsblitze zuckten nach allen Seiten davon. Dann jagten weitere Raketen heran. Sie ka men aus zwei Richtungen. Das Kugelraum schiff stand wie eine zweite Sonne über der Stadt. Plötzlich veränderte sich die Struktur des Schutzschirms. Ein Netzwerk durch schlagender Blitze traf die ungeschützte Ku gelzelle. An einigen Stellen entstanden Schmelzlöcher. Ich wußte, daß die ISCHTAR jede Sekun de explodieren konnte. »Gebt Warnschüsse auf die Stadt ab«, schrie ich in das Sendermikrophon, doch es kam keine Antwort von unseren Leuten.
42 »Sie empfangen deinen Funkspruch nicht«, sagte Akon-Akon leise. »Ich habe meine eigenen Pläne mit ihnen.« »Aber sie werden mit dem Schiff in einer Explosion verschwinden«, stieß ich hervor. »Nein!« Der Junge schüttelte den Kopf. »Solange die Grünpelze auf die ISCHTAR feuern, sind sie von uns abgelenkt. Etwas Besseres können wir uns gar nicht wün schen. Wir landen direkt vor der Transmit terhalle.« Ich wollte gegen den Befehl des Jungen aufbegehren. Doch seine suggestiven Impul se belehrten mich rasch, daß jeder Wider stand zwecklos war. Ich riß den Gleiter aus der Fahrtrichtung. Wir jagten ganz dicht über den Hochbauten von Poal-To hinweg. Ein Seitenblick zeigte mir, daß der BioInspektor fassungslos am Sichtfenster kauer te. Er konnte anscheinend nicht begreifen, daß die Loghanen zu solch kämpferischen Leistungen fähig waren. Er blieb auch dann stumm, als Fartuloon sich an ihn wandte. Er weigerte sich, den tragbaren Translator Snayssols umzuschnallen. Er wollte in Ruhe gelassen werden. Gemmno Las-Therin wirkte wie ein Acht zigjähriger. Seine Mundwinkel hingen schlaff herunter. Dunkle Tränensäcke wölb ten sich unter den Augen, und die Haare wa ren ihm größtenteils ausgefallen. Er zitterte. Speichel tropfte ihm aus dem Mund. Er ver weigerte jegliche Nahrung, denn er konnte nicht einmal mehr kauen. Seine Zähne hatte er kurz zuvor verloren. »Du darfst sie nicht zum Durchhalten zwingen«, schrie ich den Jungen unverhofft an. Die ISCHTAR stand vor der Vernich tung. Wir waren jetzt fünftausend Meter von unserem Raumschiff entfernt. Wir sahen in aller Deutlichkeit, daß bereits Teile der Ku gelzelle glühten. »Tut mir leid«, entgegnete Akon-Akon ungerührt. »Wir müssen heil zur Transmitt erstation durchkommen. Alles andere ist von zweitrangiger Bedeutung.« Ich wollte zornig aufbrausen. Doch ich wußte, daß es keinen Sinn hatte. Ich hatte
Dirk Hess jetzt alle Hände voll zu tun, um den Gleiter sicher durch das Inferno zu steuern. Während mehrere tausend Meter über uns eine Rakete nach der anderen explodierte, jagten wir im Höllentempo auf die Kuppel des Großtransmitters zu. Das Aufblitzen der Explosionen erfolgte in immer kürzeren Ab ständen. Ein unbeschreibliches Energiege witter bahnte sich an. Die Kuppel des Großtransmitters wurde rasch größer. Ich hielt genau darauf zu. Je schneller ich dort ankam, desto eher würde Akon-Akon die ISCHTAR freigeben. »Das Tor ist verschlossen«, schrie ich. Wir waren noch knapp achthundert Meter von dem Kuppelbau entfernt. Draußen herrschte ein unbeschreiblicher Lärm. Das Bersten der detonierenden Raketen übertön te alles andere. Akon-Akon strahlte einen Funkimpuls ab. Im gleichen Augenblick schoben sich die Torhälften auseinander. Der Transmittervor raum lag offen vor uns. Ich erkannte zahlrei che Loghanen, die nach ihren Waffen grif fen. Mehrere Kleintransmitter standen unter Energie. »Schnapp dir einen Strahler, Fartuloon«, rief ich. »Ich fürchte, die Grünpelze haben etwas gegen unseren Besuch.« Ich steuerte den Gleiter durch das Tor und bremste dann mit voller Kraft ab. Für einen kurzen Augenblick kamen die Beharrungs kräfte durch. Wir wurden in die Sitzpolster gepreßt. Ich spürte, wie mir die Luft aus den Lungen gedrückt wurde. Dann war alles vor bei. Die Druckpolster des Gleiters neutrali sierten die Schubkraft. Es gab einen Ruck, und wir standen mit ten in der riesigen Halle. Das seitliche Luk glitt auf. Draußen er kannte ich mehrere Loghanen, die in Stel lung gingen. Sie trugen dunkle Kreuzgurte. Einer besaß einen Funkhelm. Er stieß bel lende Laute aus. Fartuloon reagierte geistesgegenwärtig. Halb aus der Hocke feuerte er den Blaster auf die Grünpelze ab. Der Glutstrahl fauchte aus dem Gleiterluk und traf mehrere Logha
Sklaven aus der Retorte nen gleichzeitig. Verblüfftes Schreien gellte durch den mächtigen Kuppelbau. »Das hat gewirkt«, stieß der Bauchauf schneider hervor. Wir sprangen aus dem Gleiter. Jeder hatte einen schußbereiten Blaster in der Hand. Nur Vorry, Karmina Arthamin und der kraftlose Bio-Inspektor blieben im Schutz des Gleiters zurück. »Sie schicken Nachschub durch das Schwarze Tor«, warnte uns Snayssol. Das Leuchten des kleinen Transmitters spiegelte sich an den Stahlwänden. Der Energiebogen besaß eine helle Färbung. Er stand auf Empfang. Übergangslos erschie nen fünfzig schwerbewaffnete Loghanen vor dem Gerät. Der Durchgang der einzelnen Grünpelze erfolgte so rasch hintereinander, daß man annehmen konnte, sie würden alle auf einmal rematerialisieren. Du mußt die Programmeinheit des Trans mitters zerstören, riet mir mein Extrasinn. Sonst wimmelt es in einigen Minuten hier von Angreifern. Ich zögerte keinen Augenblick mehr. Das Transportfeld des Transmitters flackerte schon wieder auf. Ich hob den Blaster, vi sierte die niedrigen Schaltpulte an, die zum eingeschalteten Tor gehörten, und drückte ab. Es gab einen höllischen Schlag, als der Glutstrahl in das energetische Steuerzentrum traf. Eine heftige Detonation zerriß den Bo den. Überschlagblitze verschlangen zahlrei che Angreifer. Ich sah die Gestalten nur un deutlich durch die Flammenhölle wanken. Dann schleuderte mich eine Druckwelle zu Boden. Dort, wo eben noch ein funktionierender Kleintransmitter gestanden hatte, gähnte jetzt ein schwarzes Loch im Boden. Fartuloons Schrei ließ mich aufspringen. Unmittelbar hinter uns waren drei Logha nen aufgetaucht. Sie hielten kurzläufige Waffen in den Klauen. »Verschwindet!« rief ich ihnen zu. Doch sie verstanden mich nicht. Anscheinend hiel ten sie meinen Ruf für einen Kampfschrei. Der eine schoß auf mich. Ein glühender
43 Flammenstrahl fauchte über meine rechte Schulter hinweg. Ich spürte ein teuflisches Brennen auf der Wange. Ich reagierte augenblicklich. Die Grünpel ze vergingen in der Glut meines Blasters. Ich empfand dabei weder Triumph noch Be friedigung. Ich wußte, daß die armen Kerle von einigen fanatischen Loghanen gegen uns aufgehetzt wurden. Sie waren jetzt kei nen vernünftigen Argumenten mehr zugäng lich. Wenn wir überleben wollten, mußten wir uns mit allen Mitteln verteidigen. »Dort drüben sind noch mehr«, rief Ra, der unmittelbar vor dem Gleiter niederkau erte. »Nicht schießen«, rief Snayssol in den Translator. »Sie fliehen nach draußen! Schließt das Tor zum Riesentransmitter. Dann können sie euch nicht mehr angrei fen.« Ich drehte mich um. Snayssol hatte recht. Seine Artgenossen schienen erkannt zu ha ben, daß unsere Blaster mehr leisteten als ih re Flammenstrahler. In ungeordneter Flucht stürmten sie aus der Transmitterhalle. Akon-Akon kroch in den Gleiter zurück und strahlte die Funkimpulse zum Schließen des Tores ab. Wenig später rastete das Tor ein. Augenblicklich verstummte der mörde rische Kampflärm. Die Detonationen der Raketen schienen meilenweit entfernt zu sein. Im Schutz der großen Kuppel hörte sich das Knallen und Bersten wie das leise Raunen eines fernen Gewitters an. Ich wußte jedoch, daß wir längst nicht au ßer Gefahr waren. »Laß mich ans Funkgerät, Akon-Akon … die ISCHTAR muß augenblicklich aus der Gefahrenzone verschwinden!« »Das wird deine Leute auch nicht mehr retten«, erwiderte Akon-Akon. Er zuckte be dauernd die Schultern. »Ich wollte es dir vorhin nicht sagen. Du neigst zu unkontrol lierbaren Reaktionen, Arkonide. Deine Be satzung hat keine Chance mehr. Egal, in welche Richtung das Schiff startet. Die Ra keten werden es einholen …« Ich hätte den Jungen niederschießen kön
44 nen. Meine Wut war grenzenlos. Er hatte uns solange im Ungewissen gelassen, bis er sicher in der Transmitterhalle angelangt war. Trotzdem beherrschte ich mich. Als Sugge stor hätte er ohnehin jeden Angriff auf seine Person rechtzeitig abgeblockt. »Das Schiff muß in den Weltraum star ten«, schrie ich. »Gib ihnen den Befehl«, sagte AkonAkon leise. In seinen Augen war ein kaltes Funkeln. »Aber ich fürchte, sie schaffen das nicht mehr.« Ich sprang in den Gleiter zurück. Gemm no Las-Therin lag röchelnd am Boden. Kar mina Arthamin wollte ihm helfen, doch der Akone reagierte nicht auf ihre Berührung. Ich wußte, daß der Unglückliche den Tag nicht überstehen würde. Der Alterungspro zeß verlief so schnell, daß wir seinen Verfall in erschreckender Deutlichkeit verfolgen konnten. Hastig stellte ich die Verbindung zur ISCHTAR her. »Meldet euch!« schrie ich und hämmerte auf die Aktivierungstaste. »Antwortet doch … Hier spricht Atlan! Ihr müßt sofort in den Weltraum starten. Kümmert euch nicht um uns. Wir sind hier vorläufig in Sicherheit.« Ich stellte den Empfänger auf höchste Leistung. Aber die Antwort ließ trotzdem auf sich warten. Plötzlich spürte ich hinter mir eine Bewe gung. Ich erkannte Snayssol, der meinen vergeblichen Funkspruch mitbekommen hat te. »Vielleicht kann ich dir helfen«, erklang es aus dem Translator. »Ich danke dir, Snayssol«, erwiderte ich lächelnd. »Aber ich kann mir nicht vorstel len, was du für meine Leute in der ISCHT AR tun könntest. Die Lage an Bord ist aus sichtslos. Ich fürchte, daß inzwischen bereits viele von ihnen tot sind. Die Schutzschirme sind teilweise zusammengebrochen …« »Ich weiß, wer den Angriff auf die ISCH TAR leitet!« »Ja?« »Das Triumvirat gibt die Anweisungen.
Dirk Hess Die Raketen können nur durch ihren aus drücklichen Befehl gestartet werden …« Ich verstand den Grünpelz. Wenn man die Vertreter des Triumvirats ausschaltete, wür de das gnadenlose Bombardement auf die ISCHTAR aufhören. »Aber wir haben keine Zeit mehr, um uns zum Triumvirat durchzuschlagen«, deutete ich den schwachen Punkt in Snayssols Über legung an. »Brauchen wir auch nicht«, meinte der Grünpelz geheimnisvoll. »Ich habe mit den Kerlen noch eine persönliche Rechnung zu begleichen. Laß mich nur machen. Ich ver spreche euch, daß es klappt!« Akon-Akon war mißtrauisch. Er befürch tete irgendeine List des Loghanen. »Ich hätte dich längst desintegrieren sol len, Kreatur!« Snayssol ignorierte den Jungen. Er wollte sich von seinem einmal gefaßten Entschluß nicht abbringen lassen. »Ihr habt mir einmal das Leben gerettet. Deshalb stehe ich in eurer Schuld. Wollt ihr, daß ich euch helfe?« Snayssol sah mich er wartungsvoll an. »Welchen Plan hast du entwickelt?« Snayssol verzog den breiten Mund und meinte: »Ihr erinnert euch an meine Geschichte über die Opfer der Schwarzen Tore?« Ich nickte. »Ja … aber fasse dich kurz! Viel Zeit bleibt der ISCHTAR nicht mehr.« »Ich kenne den Transmitteranschluß der Station, in der die Mißgestalten Zuflucht suchten. Sie lauern nur darauf, die Katakom ben verlassen zu können, um sich am Trium virat zu rächen …« Langsam dämmerte es bei mir. Snayssols Plan war einfach, aber genial. »Du willst die Kreaturen durch den Trans mitter locken, um sie in den Regierungspa last einzuschleusen, nicht wahr?« »Das schafft der Grünpelz nie«, höhnte Akon-Akon. »Die Programmierung einer Transmitterkette ist viel zu kompliziert.« Von draußen klang das Wummern der Detonationen gedämpft herein. Ich ballte
Sklaven aus der Retorte meine Hände so fest zusammen, daß die Knöchel weiß hervortraten. »Fang endlich an, Snayssol!« Er ist ein Erbe, wisperte mein Extrasinn. Er hat sich das ganze Leben lang mit der komplizierten Technik der Akonen beschäf tigt. Sein Wissen über die geheimen Zusam menhänge brachte ihn vor das Gericht der Ratsmitglieder. Er weiß genau, was er sagt. Fasziniert folgte ich dem Treiben des Lo ghanen. Snayssol programmierte die zwei übrigge bliebenen Kleintransmitter. Das erste Gerät schaltete er auf Empfang. Dann tippte er den Symbolkode der unterirdischen Station in die Tastatur. Nachdem dies geschehen war, schaltete er den zweiten Transmitter syn chron zum ersten. Erst dann gab er den Sen dekode für den Regierungspalast ein. Das Ganze hatte weniger als eine Minute gedauert. »In diesem Augenblick verlassen die miß gestalteten Rebellen das Versteck!« stieß er hervor. »Die Zeit der Gewaltherrscher ist endgültig vorbei!«
9. Tamoyl und Rassafuyl »Sie werden untergehen«, keuchte Rassa fuyl. »Ihr Raumschiff wird zerplatzen wie eine Sternschnuppe am Himmel. Das ist der Triumph meines Lebens. Ich bin stärker als die Ahnen.« Sein Gelächter gellte irre durch den Kon ferenzsaal des Regierungspalastes. Schaum stand auf seinen breiten Lippen, und sein Blick wanderte unruhig von einem Bild schirm zum anderen. Seine Hände verkrall ten sich im verzierten Kreuzgurt. Er merkte nicht, daß seine Fingernägel tiefe Kratzspu ren durch den seidigen Pelz zogen. Das Kugelraumschiff stand über der Stadt Poal-To. Nach der Explosion der achtund vierzigsten Raketenstaffel schwächte sich das Wabern des Energieschirms abrupt ab. Rassafuyl kannte zwar weder die techni schen Daten noch die Kapazität eines sol chen Schutzfelds, doch er wußte instinktiv,
45 daß schwerer Dauerbeschuß zum Zusam menbruch führen würde. »Ganz Kledzak-Mikhon wird mich als Retter feiern. Von heute an gibt es kein Tri umvirat mehr. Ich werde allein und uneinge schränkt über die Loghanen herrschen. Wie gefällt dir das, alter Mann?« Rassafuyl warf einen verächtlichen Blick auf das alte Ratsmitglied, das zusammenge krümmt im Konturensessel kauerte. »Antworte, wenn ich dich etwas frage!« Seit Rassafuyl sich seines Sieges über die Ahnen sicher war, verzichtete er auf alle Höflichkeitsfloskeln. Es machte ihm sogar Spaß, den Alten zu demütigen. »Das kann nicht gutgehen«, stotterte Ta moyl verschüchtert. »Die Ahnen haben uns bis jetzt verschont … aber wenn sie ihre furchtbaren Waffen einsetzen, wird unsere Zivilisation im Feuersturm untergehen.« Rassafuyl lachte gellend auf. Er war sich seiner Sache völlig sicher. »Schwächling«, preßte er hervor und zerr te den Alten am Kreuzgurt zu sich hoch. »Du wirst die letzten Raketenstaffeln star ten. Sei mir dankbar, daß ich dir diese Gunst erweise. Du sollst deine letzten Stunden nicht als Feigling, sondern als Held verbrin gen. In diesem Bewußtsein stirbt es sich leichter.« Rassafuyl lachte. Er schob den Alten bis dicht vor die Programmpulte, die unter den Bildschirmen angebracht waren. Die Akti vierungstasten der Funk-Fernbedienung der Abschußrampen leuchteten auf. Tamoyl sackte zusammen. Sein Greisen körper hielt der Anspannung nicht mehr stand. Außerdem kam er sich wie ein Verrä ter an seinem Volk vor. Er wußte, daß Ras safuyl nicht mehr bei Verstand war. »Das … darfst du nicht von mir verlan gen«, stammelte der Alte. »Ich kann es ein fach nicht tun.« Rassafuyl stieß den Loghanen mit unge stümer Wucht gegen die Schaltkonsole. Die Anzeigen flackerten auf. Ein Griff in die Gürteltasche, und er hielt den gefährlichen Druckluftnadler in der Hand. Die Mündung
46 zeigte genau auf Tamoyls Kopf. »Tu, was ich dir befohlen habe … oder ich drücke ab!« Der Alte atmete tief durch. Sein hagerer Körper straffte sich langsam. Er strömte auf einmal eine unbeschreibliche Ruhe und Ge lassenheit aus. Er hob den Kopf und blickte Rassafuyl fest an. Sein Blick verriet die Un beugsamkeit eines Mannes, der bisher als Feigling gehandelt hatte, sich aber im ent scheidenden Augenblick auf seine Verant wortung besonnen hatte. »Ich töte dich, Tamoyl!« »Drück ab, Wahnsinniger … der Tod kann nicht schlimmer als das Leben unter deiner Herrschaft sein. Ich habe keine Angst mehr, denn ich weiß, daß die Ahnen dich auslöschen werden.« Rassafuyl knirschte mit den Zähnen. Der Widerstand des Alten verblüffte ihn. Er hat te nicht mehr damit gerechnet. Langsam krümmte sich sein Zeigefinger um den Ab zug des Druckluftnadlers. Plötzlich ertönte draußen auf dem Gang Lärm. Das Getrappel schwerer Polizeistiefel dröhnte in den Saal. »Das ist erst der Anfang«, flüsterte Ta moyl. »Dein Untergang ist längst eine be schlossene Sache.« Das Fauchen der Thermostrahler war nicht zu überhören. Rassafuyl stürzte mit gezogener Waffe zur Tür hinüber. Im gleichen Augenblick schwangen die Türhälften auseinander. Zwei Polizisten taumelten in den Saal. Der eine hielt einen Thermostrahler in der Hand. Der andere war unbewaffnet. Als er auf den Bo den stürzte, war er bereits tot. Schreckliche Verletzungen bedeckten seinen Körper. Der andere konnte nur noch stammeln. »Was ist passiert?« schrie Rassafuyl un beherrscht. Er packte den Loghaner und riß ihn unsanft hoch. »Rede, Kerl … ich will wissen, was dort draußen los ist!« Der Polizist wimmerte und stieß wirres Zeug hervor. Sein Nacken war blutverkru stet. Es sah aus, als hätte ihn die Pranke ei nes wilden Tieres gestreift.
Dirk Hess Rassafuyl erkannte, daß er von diesem Loghanen nichts erfahren würde. Der Mann war wie von Sinnen vor Angst. Hastig ließ er ihn los und lief nach drau ßen. Mehrere Polizisten, die seiner Palast garde angehörten, stürmten im Eiltempo an ihm vorbei. Sie beachteten das Ratsmitglied überhaupt nicht, sondern sie rannten, als wä re der Leibhaftige hinter ihnen her. Rassafuyl blickte sich verstört um. Er konnte sich keinen Reim auf das Geschehen machen. Ob die Ahnen vielleicht einen Stoßtrupp in den Regierungspalast geschickt hatten? Er verwarf den Gedanken sofort wieder. Das hätte er durch seine vorgescho benen Posten sofort erfahren. Außerdem wä re ihm nicht entgangen, wenn ein Beiboot das Raumschiff verlassen hätte. Die Fensterscheiben im breiten Gang wa ren teilweise zerschlagen worden. Scherben und Steine lagen auf dem Boden. Irgendwo qualmte ein Schwelbrand. Rassafuyl warf einen Blick nach draußen. Sechs Meter unter der Fensterreihe er streckte sich ein gepflegter Zierpark. Blü hende Büsche begrenzten die Pfade, und kleine Springbrunnen lockerten das Gelände auf. Die ehemals sauber gestutzten Büsche waren jetzt zerfetzt, als hätte ein MorgoMorgon dazwischen gewütet. Irgendwo ra schelte etwas. Rassafuyl starrte angestrengt nach draußen. Doch im Zwielicht der begin nenden Nacht konnte er nichts erkennen. Im Nebengebäude schrien mehrere Loghanen, als würden sie bei lebendigem Leib zerrissen werden. Rassafuyl bekam auf einmal entsetzliche Angst. Sein seidiger Pelz glänzte vor Schweiß, und er fühlte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Er zögerte einen kurzen Augenblick lang. Sollte er in den Konferenzsaal zurückkeh ren, um den Beschuß auf das große Raum schiff fortzusetzen, oder sollte er sich zu nächst einmal in Sicherheit bringen. Er entschied sich für die Flucht. Der Treppenschacht war mit zerfetzten
Sklaven aus der Retorte Kreuzgurten, Waffen und anderen persönli chen Dingen bedeckt, die einmal den Polizi sten gehört hatten. In den Nischen stieß Ras safuyl auf sterbende Loghanen. Von ihnen würde er nichts erfahren. Sie waren genauso unfähig zum Sprechen, wie die beiden Poli zisten, die in den Saal gestürzt waren. Ich muß unbedingt zum Transmitter durchkommen, überlegte das Ratsmitglied. Vielleicht kann ich ungehindert eine Rake tenbasis erreichen. Von dort setze ich den Beschuß des Raumschiffs fort. Ein eigenartiger Geruch erfüllte den Trep penschacht. Rassafuyl blähte die Nasenflügel. Der Ge stank erinnerte ihn an den Schweiß wilder Tiere. Doch er konnte sich die Kreatur nicht vorstellen, die einen solchen Geruch ver strömte. Er ging langsam tiefer. Noch zehn Meter, und er würde vor dem Eingang zum Trans mittersaal stehen. Die Beleuchtung war aus gefallen. Anscheinend hatte ein Thermo strahl die Kabelstränge getroffen. Der Ge ruch verschmorter Isolationen ließ darauf schließen. Die Tür zum Schwarzen Tor steht offen, schoß es ihm durch den Kopf. Er wußte, daß nur Ratsmitglieder dort Zu gang hatten. Kein Polizist hätte es jemals ge wagt, in den Raum einzudringen. Da Kenyol längst tot war, und das alte Ratsmitglied Ta moyl noch im Konferenzsaal steckte, konn ten sich hier unten nur Fremde Einlaß ver schafft haben. Rassafuyl preßte sich eng an die Wand. Sein Atem ging kurz und stoßweise. Er hob den Druckluftnadler. Bei der geringsten Kleinigkeit würde er schießen. Er hatte einen Zustand erreicht, in dem er nicht mehr klar denken konnte. Dann schwang er sich herum und sprang mit einem Satz in den Transmitterraum. Er atmete verblüfft auf, als er den leuch tenden Energiebogen erblickte. Das schwarze Tor war eingeschaltet. Doch wer hatte für die Programmierung ge sorgt?
47 Plötzlich ging ein entnervendes Röcheln durch den Raum. Das Schleifen schwerer Körper ertönte. Es hörte sich an, als würden Schuppenglieder und hornige Krallen über den Bodenbelag schrammen. Rassafuyl stöhnte panikerfüllt auf. Seine Hände zitterten. Er spürte das heftige Po chen seines Herzens. »Wer seid ihr?« Das Röcheln steigerte sich zu einem grau envollen Heulen. »Ihr … seid keine Loghanen! Ihr seid Un geheuer!« Langsam ging Rassafuyl rückwärts. Er hatte jetzt den aktivierten Transmitter im Rücken. Er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Das Ganze ging über sei ne Vorstellungskraft. Plötzlich erblickte er die phosphoreszierenden Lichter am Ein gang. Sie wippten in unregelmäßigen Ab ständen auf und nieder. Rassafuyl wußte so fort, was die Lichter darstellten. Augen, dachte er entsetzt. Glühende Au gen starren mich an! Jetzt verließ eine Kreatur die Schatten. Das Leuchten des Transmitterbogens reichte aus, um den Loghanen in voller Deutlichkeit vor Augen zu halten, was da auf ihn zukam. Die mißgestalteten Opfer der Schwarzen Tore krochen, hüpften und wanden sich im mer näher auf ihn zu. Eines sah schreckli cher als das andere aus. Manche besaßen nur faustgroße Köpfe, andere hatten zwei Köpfe. Kein einziges Wesen glich dem anderen. Das einzige, was sie miteinander gemein hatten, war ihr Schicksal: Sie waren Logha nen gewesen, die durch den gnadenlosen Befehl der Ratsmitglieder durch defekte Transmitter geschickt worden waren. Als ih re Körperatome falsch zusammengefügt wurden, waren sie zu einem unwürdigen Le ben in einer unbekannten Transmitterstation verdammt worden. Sie wußten nicht, wer ih ren Transmitter eingeschaltet hatte. Sie frag ten auch nicht danach, denn sie dachten jetzt nur an Rache und Vergeltung für die erlitte nen Schmerzen und die unbeschreibliche Schmach.
48 Ein mißgestalteter Loghane, der sechs Armpaare und einen zierlichen zweiten Kör per am Unterleib besaß, kroch hastig näher. Beim Transmitterdurchgang hatten sich sei ne Körperatome mit den Atomen eines ande ren Artgenossen verbunden. Beide hatten nicht sterben können. Sie waren zum Wei terleben verdammt. »Rassafuyl«, dröhnte es mehrstimmig durch den Raum. »Das Ratsmitglied?« »Ja … der Hohe Rat Rassafuyl!« Rassafuyl drehte sich erschüttert um. Er konnte den Anblick der Mißgestalteten nicht länger ertragen. Er überwand die letzten Me ter zum rettenden Transmitter. Egal, wo ich 'rauskomme, pochte es in seinen Gedanken. Hauptsache, ich entgehe diesen schrecklichen Kreaturen. Rassafuyl sprang sofort in das schwarze Transmitterfeld. Als er statt der erhofften Entmaterialisation einen schmetternden Schlag verspürte, wußte er sofort, daß er niemals aus diesem Raum entkommen konn te. Er war zum Tode verurteilt. Der Trans mitter stand noch auf Empfang, und er hatte in der Aufregung vergessen, ihn auf Senden umzuschalten. Jetzt wußte er auch, wie die Kreaturen in den Regierungspalast gekom men waren. Jemand hatte sie durch den Transmitter hier eingeschleust. Rassafuyl lag schmerzgepeinigt am Bo den. Die Abstoßwirkung des schwarzen Feldes hatte ihn gelähmt. Seine Augen starrten hilf los in den weißen Energiebogen über dem schwarzen Entstofflichungsfeld. Er konnte sich überhaupt nicht mehr bewegen. Seine starren Finger umklammerten den Druck luftnadler. Er sah sich außerstande, den Ab zug zu betätigen. Plötzlich schoben sich die schrecklichen Gesichter in sein Blickfeld. Die Augen der unglücklichen Ausgestoßenen verrieten Wut, Enttäuschung und Schmerz. Als Miß gestaltete, die einer apokalyptischen Vision glichen, hatten sie keine Chance, jemals wieder in die loghanische Gesellschaft zu-
Dirk Hess rückzukehren. Rassafuyl wollte schreien, doch kein ein ziger Laut verließ seine Kehle. Er mußte bei vollem Bewußtsein mit ansehen, wie sich die schleimigen, teilweise beschuppten Klauen zu ihm herabsenkten. Dann wurde ihm schwarz vor Augen. Er starb als Verrä ter und Feigling. Die Geschichte von Kledz ak-Mikhon würde über ihn hinweggehen. Doch die Mißgestalteten würden der Bevöl kerung zeigen, daß sie sich nicht ungestraft quälen ließen. Vielleicht konnten sie die Ge schicke des Planeten ändern – vielleicht würde es von nun an keine Opfer der Schwarzen Tore mehr geben. Tierische Schreie gellten durch den Transmitterraum. Nach der vollzogenen Rache kam die Er nüchterung. Wer von diesen bedauernswer ten Wesen noch bei Verstand war, wußte, daß ihr dorniger Weg noch lange nicht zu Ende war.
10. Atlan Akon-Akon hielt den sterbenden BioInspektor fest. Der Junge war erschüttert. Er wußte, daß seine Kräfte nicht dazu ausreich ten, das Leben dieses Mannes zu retten. Er wechselte ein paar Worte in einer uns unverständlichen Sprache mit ihm. Es klang fast wie Altarkonidisch. Doch ich war mir dessen nicht ganz sicher. Gemmno Las-Therin war ein runzliger Greis, der keine Kraft mehr besaß. Seine Haut umspannte wie durchsichtiges Perga ment den Schädel. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Sie schimmerten wie matter Bergkristall. Tränen liefen über die runzli gen Wangen. Der Mann konnte nur noch stammeln. Aus Akon-Akons anschließender Erklä rung erfuhren wir, daß Gemmno Las-Therin das Projekt »Loghan« für gescheitert hielt. Die Grünpelze hatten sich in einer Art wei terentwickelt, die den akonischen Interessen zuwiderlief. Die einst künstlich herange züchteten Versuchskreaturen waren jetzt ei
Sklaven aus der Retorte ne eigenständige Rasse. Sie würden sich nur gewaltsam zu Sklavendiensten pressen las sen. Außerdem war inzwischen soviel Zeit vergangen, daß Gemmno Las-Therin nicht mehr wußte, ob sein Volk überhaupt noch etwas von diesem Projekt wußte. Er starb mit der schrecklichen Gewißheit, daß sein Leben verpfuscht war. Akon-Akon sagte wieder etwas zu dem Bio-Inspektor. Doch er sprach bereits zu ei nem Toten. Die dürren Greisenarme des un beschreiblich rasch Gealterten hingen seit lich herab. »Du kannst nichts mehr für ihn tun«, sag te ich kopfschüttelnd. Akon-Akon senkte den Kopf. Er wollte nicht, daß wir seine Tränen sahen. »Du hast getan, was in deiner Macht stand«, sagte ich leise zu ihm. »Es war aber nicht genug«, schrie er un vermutet. Seine großen, leuchtenden Augen starrten mich wild an. »Laß uns hinausgehen«, sagte Fartuloon. »Das Schießen wird schwächer. Ich glaube, Snayssols Plan hatte Erfolg.« »Das interessiert mich nicht mehr«, stieß Akon-Akon hervor. »Ich werde die Grünpel ze bestrafen. Gemmno Las-Therin verriet mir die Koordinaten eines Arsenals!« »Nein«, rief ich entsetzt. »Es muß endlich Frieden herrschen! Es sind schon zu viele gestorben!« Akon-Akon ließ niemanden an sich her ankommen. Er streckte uns seine Handflä chen entgegen und zeigte uns die leuchtenden Sternsymbole. Je nachdem, wie das Licht darauf fiel, desto intensiver leuchteten sie auf. »Zurück!« herrschte er uns an. »Keinen Schritt weiter, oder ihr bekommt meinen Zorn zu spüren.« Augenblicklich kehrten seine suggestiven Impulse in unsere Gedanken zurück. Das bohrende Zerren bestätigte meine Befürch tungen: Akon-Akon wollte uns eine weitere Kostprobe seiner Macht geben! Die Suggestivimpulse schirmten den Jun gen perfekt ab.
49 Niemand konnte ihn jetzt gegen seinen Willen angreifen. Es war völlig aussichtslos, gegen den hypnotischen Zwang anzukämp fen. Fasziniert beobachtete ich das seltsame Zeremoniell des Jungen. Akon-Akon stieß merkwürdige Beschwö rungen in seiner uns unverständlich klingen den Sprache aus. Dabei erhob er die Arme und beschrieb imaginäre Kreise mit den Händen. Die Sternsymbole auf den Innenflä chen seiner Hände leuchteten. Dann trat er an die Schalteinheiten des Großtransmitters heran. »Was will er am Riesentor?« fragte mich Snayssol verblüfft. Der Loghane wußte, daß es außer diesem einen Großtransmitter noch zwei andere auf Kledzak-Mikhon gab. Auf jedem Kontinent stand eines dieser giganti schen Geräte. »Keine Ahnung«, gab ich dem Grünpelz zu verstehen. Ich war genauso verblüfft über die Aktivität des Jungen. »Die Riesentore wurden während der gan zen Geschichte Kledzak-Mikhons noch nie mals eingeschaltet«, flüsterte Snayssol. »Das konnte keiner. Alle Versuche scheiterten.« »Wohin könnten sie führen?« fragte Far tuloon. »Genaueres weiß ich nicht«, gab Snayssol unumwunden zu, »aber einige Erben neh men an, daß man durch diese Großtore zu anderen Welten gelangen kann.« Fartuloon und Ra sahen mich durchdrin gend an. »Das würde erklären, weshalb er unbe dingt zu diesem Großtransmitter wollte«, stieß der Barbar hervor. Er könnte recht haben, meldete sich mein Extrasinn. Akon-Akon hätte die ISCHTAR nicht so in Gefahr gebracht, wenn er noch auf das Schiff angewiesen wäre. Er weiß al so genau, daß er auch durch den großen Transmitter ans Ziel gelangen kann. Draußen wurde noch gekämpft. Mehr als einmal ertönte das Wummern schwerer Ex plosionen. Ich hätte viel darum gegeben, wenn ich mehr über das Schicksal der
50 ISCHTAR gewußt hätte. Plötzlich flammten die energieführenden Säulen des Großtransmitters auf. Wir wirbelten herum. Ein eindrucksvolles Bild zeichnete sich vor der Plattform ab: Akon-Akon stand mit erhobenen Händen vor der roten Warnlinie. Seine schlanke Ge stalt hob sich geisterhaft vor den entfesselten Energieentladungen ab. »Er schafft es«, stellte Snayssol ungläubig fest. »Ich wußte, daß er über gewaltige Kräfte verfügt … aber ich hätte nie erwartet, daß er das Tor der Ah nen aktivieren kann!« Mit einem Schlag flammte der Transmit ter auf. Es gab einen ohrenbetäubenden Lärm. Donnernd fanden sich die grellweiß schimmernden Energiesäulen über den Ag gregatsockeln zu einem Torbogen zusam men. Der Bogen reichte bis unter die Decke. Man hätte bequem ein Beiboot der ISCHT AR durch das Entstofflichungsfeld schicken können. Narr, pulste mein Extrasinn. Der Trans mitter steht auf Empfang. Bevor ich recht wußte, was Akon-Akon dort bezweckte, flimmerte das schwarze Feld unter dem weißen Torbogen auf. Es roch stark nach Ozon. Die Energieblitze io nisierten die Luft. Plötzlich spie der Transmitter Dutzende von oval geformten Robotern aus. Sie waren etwa mannsgroß und besaßen elastische Waffenarme. Kampfroboter, wisperte mein Extrasinn. Die schlanken Körper besaßen keine Beinglieder. Sie schwebten mehrere Meter über dem Boden. Sofort nach ihrer Materia lisation formierten sie sich zum Angriff. Die ersten zwölf Roboter schossen auf die Tür zu. Einige kamen dicht an uns vorbei. Doch gegen uns schienen sie nichts zu haben. Wer immer sie programmiert hatte, mußte ihnen ein klares Feindbild vermittelt haben. Sekunden später öffnete sich das Tor der Transmitterhalle, und die Schar der Kampfroboter stürzte sich auf die wartenden Polizeieinheiten der Grünpelze.
Dirk Hess
* »Ich habe sie gerufen«, schrie Akon-Akon triumphierend, »und sie sind gekommen! Es hat funktioniert.« Auf einmal war er wieder ganz zugäng lich. Er verzichtete darauf, uns suggestiv zu beeinflussen. Seine großen Augen leuchte ten. Man sah ihm an, daß er sehr stolz auf sich war. »Dort!« rief Fartuloon und verließ die Deckung, die er wegen der aufgetauchten Kampfroboter eingenommen hatte. »Die ISCHTAR setzt zur Landung an. Unsere Freunde leben.« Akon-Akon schien gar nicht wahrzuneh men, was um ihn herum geschah. Er benahm sich, als wäre er im Rausch. Offenbar hielt er die erfolgreiche Aktivierung des Groß transmitters für eine Bestätigung seiner Macht. Die ovalen Kampfroboter zerschlugen die Polizeieinheiten nach einem kurzen, aber er bitterten Gefecht. Das Schießen hörte auf. In unmittelbarer Nähe des Großtransmitters herrschte Frieden. Langsam senkte sich die ISCHTAR auf ihren Antigravpolstern herab. Die Außenhülle wies an zahlreichen Stel len Beschädigungen auf. Schmelzlöcher und dunkel verfärbte Stellen kündeten vom erbit terten Kampf gegen die Raketen. Dennoch schienen die Maschinen des dreihundert Me ter großen Kugelraumers keinen Schaden genommen zu haben. Die Landestützen schoben sich aus den Öffnungen, und wenig später stand das Schiff regungslos vor dem Kuppelbau. »Kommt«, rief ich meinen Freunden zu. »Erlösen wir die Besatzung von der Unge wißheit, ob wir noch leben.« Fartuloon deutete mit dem Daumen auf Snayssol, der etwas abseits stand. »Ihm haben wir es zu verdanken, daß die ISCHTAR noch existiert.« Ich ging auf den Loghanen zu. Er hatte seinen Translator eingeschaltet und blickte
Sklaven aus der Retorte uns scheu an. »Ich danke dir, Snayssol!« »Gern geschehen«, entgegnete er. »Ich bin froh, daß ich im richtigen Augenblick das Richtige tat. Es war Zeit, daß die Vertre ter des Triumvirats in ihre Schranken gewie sen wurden …« »Aber damit sind die Schwierigkeiten für dein Volk noch lange nicht behoben«, sagte ich nachdenklich. »Nach dem Tod des BioInspektors seid ihr ganz auf euch allein an gewiesen. Niemand wird euch mehr beein flussen. Wenn die Energie des Transmitter systems erschöpft ist, müßt ihr euch nach anderen Transportmöglichkeiten umsehen müssen. Ihr werdet neue technische Appara te entwickeln müssen …« »Ja«, sagte Snayssol, und seine Augen leuchteten dabei. »Jetzt können wir bewei sen, was in uns steckt. Ich glaube, es spielt keine Rolle, ob wir einmal künstlich erzeugt wurden. Es ist egal, ob man das Produkt wissenschaftlicher Überlegungen ist, oder ob man durch das Zusammenspiel natürli cher Kräfte entstand. Wichtig ist allein, daß wir denken und fühlen können.« Fartuloon nickte dem Loghanen freund lich zu. »Ihr werdet es schon schaffen!« Dann gingen wir auf die ISCHTAR zu. Die untere Schleuse hatte sich geöffnet. Mehrere Männer und Frauen kamen heraus. Sie winkten uns erfreut zu. »Atlan! Bei allen Galaxien … wir hatten schon das Schlimmste befürchtet.« »Unkraut vergeht nicht«, rief ich. »Wie sieht's an Bord aus?« »Zwölf Mann sind tot«, sagte der Waffen leitoffizier bedrückt. »Es gab mehrere Brän de an Bord. Die Schutzschirme brachen teil weise zusammen. Doch wir konnten die Ag gregate im Griff behalten. Länger hätten wir's nicht ausgehalten. Plötzlich ließ das Bombardement nach …« »Das habt ihr diesem Grünpelz zu verdan ken«, sagte ich und deutete auf Snayssol. »Ihr habt genug Worte gewechselt«, un terbrach uns Akon-Akon.
51 Ein starker Suggestiv-Impuls traf mein Bewußtsein. Ich wollte mich instinktiv dage gen wehren, doch der Angriff kam so plötz lich, daß ich stöhnend in die Knie ging. »Was … was willst du denn noch von uns?« »Verabschiede dich von deinen Leuten! Versorge dich mit Ausrüstung, und nimm die fähigsten Männer und Frauen der Besat zung mit. Aber vergeude keine Zeit! Wir werden den Planeten durch den Transmitter verlassen.« Ich wußte sofort, daß es keine Aufleh nung gegen den Befehl des Jungen gab. Da her nickte ich dem Waffenleitoffizier zu. »Tun Sie, was er gesagt hat … starten Sie nach Kraumon! Irgendwie schaffen Sie das schon. Bringen Sie sich in Sicherheit … wir gehen mit dem Jungen!« Akon-Akon desaktivierte die Kampfrobo ter. Dann polte er den Transmitter um. Der Torbogen, der bis unter die Decke des Kup pelgebäudes ragte, schimmerte jetzt grün lich. Genau einundvierzig Personen standen unter der Raumschiffsschleuse. Darunter befanden sich Ra, Fartuloon, Vorry, Karmina Arthamin und ich. Jeder trug die arkonidische Standardausrüstung. Ra und Vorry besaßen Spezialkonstruktio nen, die auf ihre unterschiedlichen Körper maße abgestimmt waren. Auch Akon-Akon hatte um einen Schutzanzug gebeten. Das Ganze wurde mir immer unheimli cher. Was hatte der Junge vor? Wohin wollte er uns verschleppen? Ich warf einen letzten Blick auf die ISCH TAR. Die Schleuse schloß sich quälend langsam, dann schwebte das Schiff wieder in den Himmel von Kledzak-Mikhon. Meine Gedanken waren bei der restlichen Besat zung. Würde ich die Männer und Frauen je mals wiedersehen? »Folgt mir!« schrie Akon-Akon. Während meine Freunde auf die rote Warnlinie vor dem Riesentransmitter zugin gen, verabschiedete ich mich von Snayssol.
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Dirk Hess
»Leb wohl, Grünpelz! Ich beneide dich nicht um deine Aufgaben.« »Ich dich auch nicht, Atlan«, erwiderte der Loghane. »Ich hoffe, daß wir uns eines Tages wiedersehen werden. Vielleicht feiern euch meine Brüder dann als Befreier.« Ich nickte dem Loghanen noch einmal zu, dann folgte ich meinen Leuten in den Trans mitter. Das letzte, was ich noch mit vollem
Bewußtsein wahrnahm, war das grelle Leuchten des Entstofflichungsfeldes. Dann war ich Bestandteil der fünften Dimension. Die Reise ins Unbekannte hatte begonnen.
E N D E
ENDE