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Sonne für „Großer Bär“ Axel Nord Mieken Raa trat in ihr Haus … Es war einstöckig. Auf der Erde hätte es sicher keinen Preis in einem Wettbewerb für schöne Häuser erhalten, aber hier auf Transpluto baute man eben noch nicht fürs Auge, sondern gegen die graubrodelnde Wolkendecke, die nie aufreißen wollte. Mieken Raa stammte aus dem Flämischen. Vor zwei Jahren war sie ihrem Mann 7000 Millionen Meilen weit durch das Weltall zum letzten und einsamsten Planeten des Sonnensystems gefolgt, zum Transpluto. Sie war in eine Umwelt geraten, die sie zuerst maßlos erschreckt hatte. Wenn man aus dem Weltall kam, mit Landungsraketen das Raumschiff verließ, und zur Oberfläche des Planeten herabkurvte, setzte man auf einem kreisrunden Hochplateau auf, von dem aus man über einen meilenlangen Grat zu einem gigantischen und wildzerissenen Hochland kam, vor dem die kosmische Stadt „Großer Bär“ lag. Früher war hier die Stadt der Uraniden gewesen. * ) Aber diese menschenähnlichen Geschöpfe, die hier eine regelrechte Militärmacht aufgebaut hatten, die bereits begannen, große Teile des Sonnensystems zu terrorisieren und die Erde anzugreifen, hatte Jim Parker vertrieben. Die Stadt selbst – nach den Vorstellungen der Erdenmenschen war es allerdings mehr eine gewaltige Zwingburg aus Hunderten von Einzelgebäuden, *
siehe UTOPIA-Kleinbände 54 „Die Kugeln der Uraniden“ und 56 „Geheimstadt ‚Großer Bär’“ 3
nur von Männern bewohnt, die sich dem unbarmherzigen Gesetz ihrer Machthaber beugten – war von einer geheimnisvollen Explosion fast völlig zerstört worden. Auf ihren Trümmern entstand seit zwei Jahren die erste kosmische Stadt der fernen Erde. „Großer Bär“. Von hier aus drangen die großen Kreiselschiffe der neugegründeten Raumfahrtorganisation „Andromeda“ bereits zu anderen Sonnensystemen vor. Mieken Raa, deren Mann in einer der Raumschiffswerften südlich der wachsenden Stadt arbeitete, interessierte sich wenig für ferne Sonnen. Als sie von der Erde kam, hatte sie wie ein kleines Kind, mit großen, furchtsamen Augen auf das rauhe, sturmgepeitschte und von Nebelschleiern eingehüllte Hochland gestarrt. Aber dann hatte ein bulliger, unschöner Schrauber sie in das von Osten her gegen den Grat heranbrodelnde Wolkenmeer geflogen. Sie durchstießen die Wolken, und eine andere Welt tat sich vor Mieken Raa auf. Ein Landstrich, der sechshundert Meter tiefer als die Stadt auf dem Hochland lag. Dreißig Meilen breit. Zwischen dem Massiv des Hochlandes und einem langen Gebirgszug, der einige Tausend Meilen weiter nördlich gegen ein großes Meer stoßen sollte. Viel freundlicher und heller war es hier, wenn auch über diesem Tiefland immer eine Wolkendecke lastete. Aber aus ihr breitete sich eine milchige und zerfließende Helle über Wiesen, die von einem satten Grün waren, und sanfte Hügel, über die sich eine rote, moosartige Flora schmiegte. Durch diese Landschaft, die man fast als idyllisch bezeichnen konnte, lief ein Wald aus kleinen, absonderlich geformten Bäumen weit in die Ferne hinein, die sich leicht anhob. Hier, in dieses grüne Tiefland, hatte man die Wohnsiedlung gelegt, da man den Frauen und Kindern der „Andromeda“Männer denn doch nicht zumuten wollte, sich mit den rauhen Widerwärtigkeiten des Hochlands abzufinden. 4
Freilich – mit der nie weichenden Wolkendecke mußten auch sie innerlich fertig werden. „Großer Bär“-Siedlung. Aus drei langen Reihen von quadratischen „Baukastenhäusern“, in denen immer zwei Familien wohnten, bestand bisher diese Siedlung. Dazu kamen noch ein Verwaltungsgebäude und ein Gemeinschaftshaus – das war alles – – 2100 Menschen wohnten hier. Mieken Raa zögerte einen Augenblick, bevor sie den untersten von drei Knöpfen drückte, die rechts neben der Tür auf einer kleinen Tafel angebracht waren. Ihr hübsches, volles Gesicht wurde von einer bangen Frage überschattet: Kommt Gordon Marlow heute abend? Hoffentlich kommt er nicht. * „Morning, Marlow!“ „Sie verwechseln die Tageszeiten“, sagte der Fachassistent für Kernantriebe unfreundlich, als er auf dem weiten Rund vor dem Hauptportal des Kommandogebäudes aus seinem Gleittorpedo stieg. Der andere, der ebenso wie Marlow und alle anderen Männer, Frauen und Kinder von „Großer Bär“ die wärmende Wulstkombination trug, trat ihm entgegen. Vor ihm reckte sich die gläserne Front, hell erleuchtet, rassig und von einer klaren, sachlichen Schönheit, gegen die ganze Trostlosigkeit des grauen Hochlands. Ein mächtiger Scheinwerferstrahl brach hundert Meter über ihnen das sturmdurchtobte Zwielicht dieses sonnenfernen Planeten auf. „Es ist möglich, daß ich mich in der Tageszeit irre, wenn man auch auf diesem lieblichen Stern zwischen Tag und Nacht nicht so leicht zu unterscheiden vermag“, sagte der andere 5
freundlich, „aber ich habe noch nie vergessen, wann mein Dienst anfängt …“ Gordon Marlow bückte sich, um den Düsenantrieb abzustellen, hielt jedoch in dieser Bewegung inne. „Was wollen Sie damit sagen, Harrison?“ „Daß Sie wieder einmal zu spät kommen, mein Lieber!“ „Wir leben hier nicht auf der Erde!“ „Dieser Umstand befreit uns nicht von einer unerläßlichen Selbstdisziplin,“ „Schöne Worte, Harrison!“ „Außerdem wäre es gut, wenn Sie sich gleich einer Blutprobe unterzögen.“ Marlow liebte solche Töne nicht. Er haßte sie sogar wie die Pest. Er fuhr hoch, und es sah aus, als wollte er sich auf Chefingenieur Harrison stürzen – aber es blieb bei der ersten impulsiven Bewegung. „Harrison – das verbitte ich mir!“ „Ach du lieber Himmel, regen Sie sich doch nicht auf“, lächelte der lange Harrison dünn, der diesen schönen Knaben nicht riechen konnte. „Wir wissen ja schließlich alle, daß Sie in Wernickes ‚Paradies der tausend Sternschnuppen’ so etwas wie Lokalverbot haben – aber man kann schließlich auch trinken, wenn man allein ist.“ Harrison ahnte nicht, was er anrichtete, als er das sagte. Er wunderte sich nur über das, was nun geschah … Marlow sah ihn an. Voll an, und mit einem Blick, den er nicht so rasch verarbeiten konnte. Eine Sekunde lang tat Marlow ihm sogar leid, aber das verging wieder. Dann wandte der Fachassistent sich schweigend ab und stieg wieder in seinen flachen, schnittigen Gleittorpedo. Ließ ihn anlaufen, wendete und jagte wieder die lange, gelbe Kunststoffstraße hinunter, die von hier aus in das Zentrum von „Großer Bär“ führte. 6
Chefingenieur Harrison hob die Schultern. Ging dann in die Vorhalle des Kommandogebäudes und meldete dem Wachoffizier der Sonderstaffel: „Marlow hat wieder seinen Vogel!“ „Kennen wir schon.“ * Hoffentlich kommt Marlow nicht. Mieken Raa drückte nun endlich den untersten der Knöpfe. Hinter ihr schwenkte die Doppeltür aus dem grünen Isolierstoff zu, mit dem sie hier alle der quadratischen Häuser gegen das feuchte Klima abschirmten. Das erste, was Mieken Raa in ihrem Haus hörte, war der Klimaregler, der leise im vorderen Wohnraum summte. In das Haus hinein führte eine helle und freundliche Diele. Vier große Räume gab es hier, die alles enthielten, was der Mensch der 2. Jahrtausendwende brauchte, um einigermaßen zeitgemäß leben zu können. Nur die Erde konnte das alles nicht ersetzen – die ferne, geliebte Erde – – Mieken Raa blickte auf die Zeitmesser. Sie befanden sich an der Dielenwand unter der endlosen Leuchtröhre, die durch alle Räume lief und ein mildes, gutes Licht verströmte, das alles enthalten sollte, was es in dem weichen Dämmerlicht des Tieflandes nicht gab. Die besten Experten hatten sich bemüht, den Siedlern mit diesem Röhrenlicht einen Ersatz für fehlende, gewohnte Sonnenstrahlung zu bieten – doch es blieb ein Ersatz, der nicht ausreichte. Die Zeitmesser waren für Mieken ein Anlaß, sich trüben Gedanken hinzugeben. Am besten war es, man ignorierte diese ovalen, flachen Dinger, über deren schwarzer Oberfläche verschiedene Ziffern und Buchstaben glitten. „EF 3“ zeigte der eine und „21.06“ der andere, und das bedeutete, daß sie hier die 7
dritte Nachmittagsstunde hatten, während auf der fernen Erde, in Westeuropa, ein sicher schöner und warmer Sommerabend unter dem ausgesternten Himmel dunkelte. Mieken Raa bat Hendrik immer wieder, doch wenigstens diesen selbstgebastelten Zeitmesser von der gelben Wand zu nehmen, der die westeuropäische Zeit anzeigte. Er tat es nicht. In vielen Dielen hingen zwei Zeitmesser. Die Uhrzeiten vieler Zeitzonen der Erde zeigten sie – – Die dritte Nachmittagsstunde in der Siedlung! Das bedeutete immer, daß die große Langeweile begann. Die Wohnräume waren versorgt, die Frauen, die rechts und links von ihnen wohnten, hatten sich schon mit ihr unterhalten, Gesprächsstoff gab es immer, oder auch nicht – man konnte es nehmen, wie man wollte. Mieken Raa ging rasch weiter. Sie wollte sich nicht unterkriegen lassen von der grauen Verlorenheit dieses Landes, von der Gewißheit, in den nächsten zehn Jahren die Erde nicht wiederzusehen. Sie wollte sich einen starken Kaffee bereiten. Vielleicht kam Alice noch auf eine Viertelstunde, oder … Doch Mieken Raa sollte heute keinen Kaffee trinken. Sie verließ die Diele und trat in einen Raum, der Küche und Wohnraum zugleich war. Durch ein großes Fenster konnte man auf ein sonderbares Gebilde sehen, das eine Meile vor der Siedlung in den Himmel ragte. Eine doppelmannstarke Säule stieg von dem grünen Wiesenboden auf. In einem starken Rot, das von der Verschwommenheit der Atmosphäre so stark abstach, daß es die Augen schmerzte. In sechzig Metern Höhe lief die Säule in einer weiten Spirale aus, die sich noch einmal sechzig Meter hoch in kühnen Kurven gegen den Himmel warf. Seit drei Monaten aber war das Gebilde für sie alle tabu … Ständig standen zwei Hubschrauber davor, und drei oder vier 8
Mann der Sonderstaffel Jim Parkers bewachten das Ding. Jim Parker war es auch, der den Siedlern versichert hatte, daß die Spirale vorerst nicht wieder aufglühen werde. Und nun – – Mieken Raa stürzte auf das Fenster, hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Scheibe, warf sich herum und rannte durch den Raum zurück. Sie schrie laut und schrill … * Noch hörte es keiner. Gordon Marlow kam von der Spirale her und ging durch die Siedlung. Er war sehr blaß, und noch immer juckten ihm die Fäuste. Harrison, wenn ich dich wiedersehe, bist du dran! Nur wenigen Frauen und Kindern begegnete er. Die Siedlung war tot und still um diese Tageszeit. Erst wenn nachher der zweite Schichtwechsel oben in der Stadt war und die Schrauber mit den Männern herabkamen, wurde es lebhafter. Männer traf er nicht, wenn man von dem alten Jeffer Wolm absah; aber der hatte sich nach fünfzehn Raumfliegerjahren zur Ruhe gesetzt und zählte nicht mehr mit. Er kam gerade aus der kleinen, schlichten Verwaltung und zwinkerte heftig. Sein fleischiges, rundes Gesicht mit den etwas vorstehenden Augen, war ein einziges Grinsen. „Wer hat denn Sie moralisch fertiggemacht?“ „Harrison“, kaute Marlow automatisch, und dann fragte er plötzlich: „Ist Alice drinnen …?“ Wolm ging nicht darauf ein. „So, Harrison“, dehnte er, und nun grinste er nicht mehr. „Dann wird er wohl auch seine Gründe gehabt haben, wie?“ „Wolm …“ 9
Wieder sah es aus, als wollte sich der Fachassistent auf einen stürzen, der es wagte, ihn zu kritisieren. Aber Wolm stand breit und gelassen vor ihm und zuckte nicht mit der Wimper. „Sie haben wieder getrunken, Marlow! Das ist klar! Seit Monaten geht es schon so! Man besucht aber nicht meine Tochter, wenn man …“ Er brach ab, sah über die breite, bräunliche Straße zu einem Haus hin, das ihnen schräg gegenüberlag. Eine Frau rannte auf das Haus zu. Sie trug einen gelben Wulstanzug. Als sie den Knopf drückte, mit dem jedes Haus von draußen zu öffnen war, zuckten die beiden Männer zusammen. Das war Raas Haus, und die Frau, deren gellendes Schreien durch die sich öffnende Tür drang, war sicher Mieken Raa, die blonde Belgierin. Jeffer Wolm wußte, was das bedeutete. Es kam in der letzten Zeit öfter vor, daß Frauen losschrien, und dann wurden sie gleich darauf in das Hospital der Organisation gebracht, das, weit von der Siedlung ab, im Tiefland lag. Alice mußte ’rüber! Wolm warf sich herum und wunderte sich, daß Gordon Marlow weiterging, ohne noch ein Wort zu sagen. Jeffer Wolm war das ganz recht. Er stürzte auf seine eigene Haustür zu, brüllte schon mit seiner mächtigen Stimme auf, und öffnete sie von draußen. Ein junges Mädchen kam ihm in der Diele entgegen. Es war mittelgroß und vollschlank, sein klares Gesicht war hübsch, und wer seine Augen sah, der wußte, daß er es mit einem ordentlichen und klugen Menschenkind zu tun hatte. Jeffer Wolm zeigte mit seinem Daumen über die Schulter. „Hörst du? Das ist Mieken Raa! Jetzt hat es sie auch erwischt!“ „Mein Gott, sie auch!“ stammelte Alice Wolm und rannte los. 10
* Alice Wolm war Krankenschwester. Sie arbeitete mit Dr. Irene Asmussen, der Ärztin der Siedlung, zusammen. Sie verließen Mieken Raa erst, als sie tobend und schluchzend und schreiend in das Hospital eingeliefert wurde. Eine Stunde später saß sie in dem gläsernen Kommandogebäude der „Organisation Andromeda“ dem Mann gegenüber, der für die Stadt und die Siedlung verantwortlich war. Captain Erik Asmussen, mit der schönen Dr. Asmussen verheiratet und neben dem technischen Stellvertreter Jim Parkers, Captain Tenfor, und dem Personalchef Dr. Ahlberger der wichtigste Mann von „Großer Bär“, dessen Kommandant er war. Der lange Däne rauchte seine Zigarette und sah sehr ernst aus. „Das war der 14. Fall in den letzten beiden Monaten.“ „Leider!“ „Wieder völliger Zusammenbruch?“ Alice Wolm nickte. „Mrs. Raa schrie, sie sehe die Spirale über der Säule aufglühen, und der Tod werde wieder nach der Siedlung greifen, Es ist nicht das erstemal, Captain, daß eine dieser Nervenkranken von dem Unglück phantasiert.“ „Das ist eine verdammte Sache …“ „Ich fürchte nur, die Siedler werden das nicht lange aushalten!“ Captain Asmussen sah aufmerksam auf das junge Mädchen und nickte trocken. „Genau das fürchte ich auch, Darling! Nachwuchs für Transpluto kriegen wir schon nicht mehr!“ Alice wußte nicht, was er damit sagen wollte; sie wartete, bis er fortfuhr. „Es steht nicht gut um die ‚Organisation Andromeda’, Darling! Sehen Sie, die Männer unserer Organisation sind abgebrühte Burschen, aber sie sagen sich, wenn wir schon auf diesem von allen Göttern verlassenen Transpluto heimisch werden 11
sollen, um von ihm aus in das absolute Nichts vorzustoßen, dann wollen wir wenigstens unsere Frauen und Kinder bei uns haben. Das ist der alte Nesttrieb, den selbst Raumflieger nicht ganz verleugnen können, von dem technischen Bodenpersonal ganz zu schweigen. Aber wer nimmt schon auf einen Planeten seine Familie mit, auf dem sie nichts als ewiges Zwielicht, eine gesundheitliche Gefährdung infolge der großen Sonnenferne und eine phantastische fremde Welt erwartet, in der über ihren Köpfen für immer eine dichte Wolkendecke liegen wird …“ „Das ist ein ernstes Problem.“ „Es ist das Problem, von dem das Fortbestehen der ‚Organisation Andromeda’ abhängt, Alice! Sie können mir glauben, daß es Jim Parker erhebliche Kopfschmerzen bereitet, überhaupt jetzt, wo das Projekt Quinn zusammengebrochen ist.“ „Vielleicht läßt es sich doch noch realisieren.“ „Nur wenn Parker den richtigen Mann finden sollte …“ * Gordon Marlow marschierte. Dort wo sich der grüne Wiesenboden des Tieflandes langsam anhob, war er schon, als die Dämmerung herabsank und auch hier ihre stille Melancholie ausbreitete. Gordon Marlow war ein ausgestoßener Hund … Sie wußten hier auf diesem nebelspuckenden Teufelsplaneten nicht, was alles hinter ihm lag. Keiner hat sich die Mühe gegeben, ihn zu verstehen – nur Alice war anders – – Vor ihm lag nichts als weite Einsamkeit. Wahrscheinlich würden sie ihn bald suchen, wenn er nicht zum Dienst im Institut erschien, und dann würden sie ihn jagen, aber er war entschlossen, nicht zurückzukehren. Die Schreie Mieken Raas hörte er noch. Sie ließen ihn nicht los. Das Feuer war vor 87 Tagen aus der 12
Spirale herausgesaust und hatte Menschenleben ausgelöscht. Vor 87 Tagen. Mit selbstquälerischer Sorgsamkeit zählte er die Tage, die seither vergangen waren. Gordon Marlow marschierte. Die Ferne war endlos. * „Kommen Sie gut ’runter, Alice!“ Alice nickte und schüttelte Asmussens Hand. Dann verließ sie das Kommandogebäude, um wieder in die Siedlung zurückzukehren. Erik Asmussen ging nicht wieder an seinen Schreibtisch, nahm die gepolsterte Haube von der Stuhllehne und machte sich flugfertig. Wenn es draußen noch so ungemütlich war, in der Dämmerung des Planetentages – er mußte einmal raus – – Er sah schwarz für die Zukunft von „Großer Bär“. Die Sprechanlage summte auf. Asmussen legte einen kleinen Hebel um und meldete sich. Chefingenieur Harrison war es. Seine Stimme hatte schon freundlicher geklungen. Dieser verdammte Säufer und Schürzenjäger von einem Gordon Marlow sei nicht zum Dienst erschienen, meldete er, wahrscheinlich, weil er ihm am Nachmittag seine Meinung gesagt habe. „Lassen Sie ihn in seinen Wohnräumen suchen“, sagte Asmussen stirnrunzelnd. „Wenn Sie ihn dort nicht finden, benachrichtigen Sie das Sicherheitskorps.“ Dann ging er endlich. Draußen stieg er mit seinem Schrauber auf und kreiste einigemale über „Großer Bär“. Asmussen war stolz auf die großen, strahlenden Kästen aus glasartigen Baustoffen, in denen Erdenmenschen 7000 Millionen Meilen von der Erde entfernt dabei waren, neue interstellare Raumschiffe zu entwerfen und zu bauen. Eine Wunderwelt hatten sie hier förmlich hochgezaubert, auf den Trümmern der düsteren, ura13
nidischen Militärstadt. Es hatte verdammt viel Schneid und Selbstvertrauen dazu gehört, aber zum Glück waren sie hier alle keine weichen Knaben! Auch Marlow nicht – was mochte nur mit ihm los sein? Asmussen warf noch einen Blick zu dem riesigen „Feld A“ hin, das weit draußen vor der Stadt lag und mit seinen hellerleuchteten Hallen, die das Startfeld der Raumschiffe im Halbkreis umstanden, wie ein herabgefallenes Sternendiadem aussah. Asmussen hatte oft solche romantischen Anwandlungen. Er steuerte den Schrauber auf den Grat hinaus und ließ ihn aufhellend die Wolkendecke des Tieflands durchstoßen. Auch unten in der Siedlung brannten die Leuchtröhren. Hinter den länglichen, doppelt gesicherten Fenstern der Baukastenhäuser und in hängenden Kuppeln an einigen markanten Punkten der Siedlungsstraßen … Ob Mieken Raa durchkommen würde? Diese völligen Zusammenbrüche waren gefährlich. Mieken Raa würde nicht die letzte sein! Dunkel wie eine geheimnisvolle fremde Pflanze wuchs vor ihm die Spirale in die Dämmerung. Mieken Raa hatte sie leuchten und brennen sehen. Das war natürlich nur in ihrer Vorstellung so gewesen. Die Spirale war kalt und tot, seit sie den armen Thomas Quinn und seine beiden Assistenten verschmorte und verbrannte. Erik Asmussen kam ins Grübeln, als er sie so vor sich sah. Vor zehn Monaten war von der Erde her ein Mann gekommen, der dort zu der wirklichen Elite der Wissenschaft gehörte. Der Schweizer Thomas Quinn, der sich damit beschäftigte, die Sonnenstrahlung in jene Gebiete des Sonnensystems zu tragen, die weitab vom Zentralgestirn in ewiger Dämmerung lagen. Es war klar, daß die drei großen Raumfahrtorganisationen der Erde in Thomas Quinn einen überaus wichtigen Mann sahen, und da die Sorge der Verantwortlichen von „Großer Bär“ vor zehn 14
Monaten so groß war wie heute, hatte Jim Parker den Mann kurz entschlossen kommen lassen. Thomas Quinn hatte die Spirale gebaut. Das Prinzip, nach dem er arbeitete, war nur einer Handvoll Männer verständlich, die sich mit diesem ausgesprochenen Spezialgebiet beschäftigten. Asmussen wußte aber, daß die Spirale ausreichen sollte, einem Gebiet von 200 bis 300 Quadratmeilen einen klaren Himmel zu geben, der wie ein Sonnenhimmel in gemäßigten Zonen der Erde war, und auch eine Sonnenbestrahlung von entsprechender Intensität. Ein leuchtender Sonnenschein sollte sich über das Land ergießen. Das Geheimnis dieses großen Wunderwerks lag in der Beschaffenheit der Spirale, die die Kraft der fernen Sonne, die sie über zwei Raumschiffe im Gebiet zwischen Transpluto und Jupiter, die in bestimmten Zonen des Weltraums ständig kreisen mußten und deren Besatzungen regelmäßig ausgewechselt werden sollten, in mächtigen Impulsen erhielt, zurückverwandelte. Wahrscheinlich hatte das Projekt noch Schwächen, aber man konnte nicht länger warten. Es war daher so etwas wie eine welterschütternde Katastrophe für „Großer Bär“, als an einem frühen Morgen die Spirale, die sie in einigen Wochen aus Teilstücken montiert hatten, die von der Erde in sorgsam gehüteten Spezialtransporten herbeigeschafft worden waren, plötzlich aufglühte. Aus dem intensiven Glühen wurde für Sekunden ein Flammen, das aber ebenso rasch wieder erlosch. Die Flammen alarmierten die Einwohner der „Großen-Bär“-Siedlung, die aus dem Schlaf gerissen wurden und ins Freie stürzten. Draußen wartete ein schauriges Bild auf sie. Eine Gestalt rannte die glühende Spirale herunter und schrie etwas. Ihr folgten zwei andere. Sie erkannten, daß es Quinn mit seinen Mitarbeitern war. Quinn taumelte, schlug lang hin, und 15
aus dem Schreien wurde das Todesbrüllen der gequälten Kreatur. Seine Mitarbeiter blieben bei ihm. In diesem Augenblick geschah das Furchtbarste. Wieder stieg aus der Spirale eine mächtige, blutrote Flamme hoch, riß den Himmel auf, schleuderte einen Kranz von Flammenstrahlen von sich, die alles vernichteten, was sie trafen. Drei Häuser, aber auch siebzehn Frauen und Kinder. Sie waren die ersten Opfer von „Großer Bär“. Das schreckliche Phantom erlosch in wenigen Minuten. Die Spirale reckte sich so kalt und glatt hoch, als sei nichts geschehen. Aber zwanzig Menschen waren nicht mehr. Darunter Thomas Quinn und seine beiden Assistenten – und auf die wäre es jetzt angekommen. Denn nur diese drei hätten über die Ursache des Unglücks eine Auskunft geben können. Mit Mühe wurden die Siedler davon abgehalten, die Spirale aus dem Boden zu reißen. Sie begannen das Ding zu hassen, das ihnen Erleichterung, Sonnenschein und klaren Himmel bringen sollte. Jeffer Wolm hatte seine Schwester zu beklagen, es war verständlich, daß er sich zum Sprecher der Aufrührer machte. Jim Parker beruhigte die Aufgebrachten, so gut er es vermochte, und nur seiner Autorität war es zu danken, daß es wieder ruhiger wurde. Doch ein Gerücht hielt sich hartnäckig. Kurz vor dem Unglück sollte ein Mann aus der Sonnenspirale gekommen sein. Er sollte eine Wulstkombination getragen haben, wie es hier in „Großer Bär“ üblich war. Erkannt hatte ihn niemand … * Hendrik Raa mußte sich beugen. Seine blonde Mieken sah die Erde nicht wieder, und auch 16
nicht die hellen Wohnräume ihres Hauses. Es war für den netten Belgier ein Schicksalsschlag, der ihn erbarmungslos zusammenhämmerte, aber dieser zehnmal verfluchte Planet wollte seine Opfer haben. Mieken Raa starb nach elf Tagen an einer Herzlähmung. Der völlige Zusammenbruch hatte ihre Kräfte verzehrt. „Planetenpsychose“, sagten die Ärzte, und Dr. Irene Asmussen fügte noch hinzu: „Mieken hatte außerdem Halluzinationen! Sie sah die Sonnenspirale in Flammen, und es war ihr nicht auszureden.“ Im isolierten Hospital lagen noch zehn andere Frauen und drei Kinder. Auch sie zwischen offenem Toben und schweren seelischen Depressionen schwankend. „Planetenpsychose!“ Die Männer der „Organisation Andromeda“ wurden wieder unruhig. In ihren Gehirnen dämmerte die Ahnung, daß diese weißlichtige Helligkeit stärker sein würde als sie. Gewiß, das Tiefland war schön, die Wiesen waren grün und die Hügel von sanfter Lieblichkeit, aber – die Sonne fehlte … Die Sonne war unendlich fern. Als sie Mieken Raa beigesetzt hatten und sich allmählich wieder aus der Erstarrung lösten, mußten Dr. Asmussen und Alice Wolm wieder drei Frauen mit Nervenzusammenbrüchen zum Hospital fliegen. Und der ruhige und besonnene amerikanische Landwirt George Smith, der hier die Möglichkeit eines Getreideanbaus erforschen sollte, sagte bedächtig: „Das halten wir nicht durch! Die Sonne kann uns nichts ersetzen! Wir sind Geschöpfe, die in ihrer Nähe aufgewachsen sind – –“ Captain Erik Asmussen rief die Verantwortlichen zu einer Sitzung im Kommandogebäude zusammen. Sie waren sehr ernst. „Das Schicksal der ‚Organisation Andromeda’ steht und fällt mit der Möglichkeit, Transpluto zu besiedeln.“ „Es gibt für uns zwei Wege, Captain!“ 17
„Nämlich?“ „Aufgeben, oder – notfalls gegen den Willen der Siedler – das Projekt der Sonnenspirale doch noch verwirklichen …“ „Der Kommodore ist auf der Erde! Soviel ich weiß, hat er in Orion-City Verbindung mit Ingenieur Orrigon aufgenommen, der zu Quinns früheren Mitarbeitern gehört haben soll! Ich bin auch dafür, daß wir versuchen, das Projekt zu realisieren …“ * Der Zentralfunk der Erde nahm auf. Der verschlüsselte Funkspruch aus der Tiefe des Alls wurde nach Orion-City weitergegeben, wo er dem Kommodore von der Großfunkstation gleich durchgesagt wurde … Captain Asmussen beschönigte nichts. „… die Lage ist so, daß wir in einigen Monaten die Siedlung aufgeben müssen, wenn nicht bis dahin für die Einwohner tragbare Lebensbedingungen geschaffen werden …“ Jim Parker zerriß das Papier, wie es seine Art war, wenn er solche Meldungen erhielt. Dann ging er in den strahlenden Junitag hinaus, in den Garten seines Hauses in Orion-City. Kawa wartete draußen auf ihn. Seine großen Hundeaugen waren voll Eifer und voll Freude, als er sich gegen seine Beine drängte. Jims Rechte strich über den Kopf des Wolfshundes. „Wenn du dich anständig beträgst, kannst du mitkommen.“ Kawa lechzte leise und versprach, sehr anständig zu sein. Sie stiegen beide in den grün-weißen Sportwagen, den Jim immer noch hatte, obwohl er nicht mehr ganz modern war. In OrionCity lächelte man verstohlen und hielt das für die Marotte eines berühmten Mannes, aber Jim wußte, was er an dem Wagen hatte. Sie fuhren über den Jupiter-Boulevard. Orion-City fieberte noch hektischer als sonst. Früher war es die einzige große Forschungsstadt der Erde und das Herz der ir18
dischen Raumfahrt gewesen, heute gab es mindestens drei weitere ernst zu nehmende Organisationen, die Raumfahrt betrieben. Der Verkehrspolizist am Zentral-Park salutierte, als er Jim Parker sah. Praktisch salutierte er vor einem Konkurrenten, denn auch Jim hatte sich mit seiner „Organisation Andromeda“ selbständig gemacht, wenn auch die Bindungen zum amerikanischen „Staatlichen Atom-Territorium“ noch sehr eng waren. Ein blauer Jaguar folgte ihm und überholte. Ein Mann saß am Steuer, mit dem Jim gleich sprechen wollte, und neben ihm ein sehr gut aussehendes junges Mädchen. Sie hielten bereits vor dem Portal der Hauptverwaltung und als der Kommodore das Mädchen vor sich sah, schüttelte er den Kopf, und streckte ihm schon aus dem Wagen beide Hände entgegen. Das Mädchen lief auf ihn zu und strahlte ihn an. „Ich freute mich schon auf Ihr Gesicht, Kommodore!“ „Besonders geistreich ist es nicht, was?“ grinste Jim und stieg rasch aus. „Das kommt davon, wenn man ausgerechnet vor diesem Papierladen ein reizendes Wesen begrüßen kann, das man zuletzt auf dem Transpluto gesehen hat. He, Orrigon – Sie scheinen eine gute Nase zu haben!“ Skay Orrigon stand wartend daneben. Jim hatte ihn vor einigen Tagen in Paris aufgetrieben, wo er in einem Institut der „Europäischen Forschungs-Union“ arbeitete. Als er von Quinns Unglück hörte, das die „Organisation Andromeda“ bisher geheimgehalten hatte, war er Jim sofort gefolgt. „Vor allen Dingen gute Augen“, zwinkerte er zurück. „Ich hatte das Glück, Miss Flemming gestern abend im GloriaTheater kennenzulernen.“ „Prima! Dann wissen Sie wenigstens, daß es auf Transpluto auch Lichtblicke in der ewigen Dämmerung gibt. Sie haben sich direkt um unsere Sache verdient gemacht, Ellen!“ Ellen Flemming wurde etwas rot und lachte wieder. „Ich – es – es war wirklich nur Zufall! Vielleicht entsinnen Sie sich noch, 19
daß ich für Pa wichtige Familienangelegenheiten auf der Erde zu regeln hatte, und dabei wollte ich auch einmal Orion-City kennenlernen …“ „Das war sehr vernünftig von Ihnen!“ „Wie geht es Pa, Kommodore?“ fragte sie plötzlich in einem sehr veränderten Ton, während sie gemeinsam die Stufen hinaufgingen zur großen, offenen Vorhalle mit ihrer weltberühmten leuchtenden Darstellung des Planetensystems. „Ich habe zuletzt vor drei Monaten mit ihm gesprochen“, sagte Jim und grüßte einen hohen S.A.T.-Beamten, der an ihnen vorbeiging. „Er ist sehr zäh, doch auch ihm würde es guttun, wenn Mr. Orrigon es schaffen könnte.“ „Mr. Orrigon soll …?“ Sie blickte überrascht erst auf den schlanken Ingenieur und dann auf Jim. Der Kommodore nickte. „Er soll mit zum Transpluto“, sagte er kurz und leise. In Ellens Augen strahlte es auf. Das sahen sie aber nicht. * Nach zwei Stunden war es abgemacht. Der S.A.T.-Generaldirektor Ted S. Cunningham war bei der Konferenz anwesend gewesen, ferner der Sekretär des Weltamtes für Astronautik, Herk Bryland, und ein Vertreter der europäischen Organisation. Ellen wartete in einem der weiten Empfangsräume der S.A.T.-Hauptverwaltung. Sie löffelte ihre Eiskrem, aber sie dachte daran, wie sehr sich jetzt die Leute von „Großer Bär“Siedlung danach sehnen würden, auch wieder einmal in einem tiefen, bequemen Sessel mitten in einer brausenden und kraftvoll pulsierenden Großstadt sitzen zu können – – Und die Sonne zu sehen! 20
Die Sonne, die draußen am lachenden, tiefblauen Junihimmel stand und deren Strahlen von den grünen Filterfenstern des eleganten Empfangsraums geschwächt wurden. Welch ein Gegensatz: Hier schwächte man die Sonnenstrahlung ab, und auf Transpluto betete man, ein Wunder möge sie auch in jene dämmerige Ferne bringen. Konnte Skay Orrigon dieses Wunder erzwingen? Ellen Flemming sah ihren Vater vor sich, den schmächtigen alten Mann mit dem weißen Haar und den aufmerksam und klug blickenden Augen, der Jim Parker das Versprechen gegeben hatte, nie von seinem Posten als Verwaltungsdirektor und Vertrauensmann von „Großer Bär“-Siedlung zu weichen. Dabei war er gesundheitlich nicht sehr stark. War es wirklich nur ein Zufall, daß sie gestern abend Skay Orrigon kennenlernte? Als sie den Becher ausgelöffelt hatte, brauchte sie nicht mehr lange zu warten. Aus der Tiefe des Empfangsraums traten Jim Parker und Skay Orrigon auf ihren Tisch zu. Ellen fiel auf, daß die beiden sehr viel Ähnlichkeit miteinander hatten; beide waren sie schlank und hochgewachsen, beide strahlten jene zuverlässige, ruhige Männlichkeit aus, die auf eine große Selbstzucht zurückgeht. Jim beugte sich gleich zu ihr herab, und seine Hände legten sich kameradschaftlich auf ihre Schultern. „Wenn Sie wollen, können Sie übermorgen mit uns zurückfliegen!“ Ellen Flemming richtete sich auf. Ihr schönes Gesicht mit dem straffen, zu einem Knoten zurückgekämmten schwarzen Haar leuchtete. „Können Sie es schaffen, Mr. Orrigon?“ Skay Orrigon wußte, daß seine Lebensaufgabe auf ihn wartete. „Ich werde es versuchen, Miss Flemming!“ * 21
„Zentral-Funk Erde …“ In der Raumfunkstation in der Nähe des Kommandogebäudes von „Großer Bär“ nahm einer der hochqualifizierten Raumfunker der Organisation den Spruch auf, der durch das Weltall zum Transpluto gehämmert wurde. „… an Captain Asmussen, an Captain Asmussen …“ Die breiten, behaarten Hände des Raumfunkers ruhten bewegungslos auf den Geräten. „… werden Projekt Quinn wiederaufnehmen. Zurückkehre mit Orrigon und Ellen Flemming. Fliegen im Strömungsfeld III. Eintreffen in fünf Wochen. Noch geheimhalten …“ Der Raumfunker gab die Meldung gleich an Captain Asmussen weiter, der mit seiner Frau in der hellen Geborgenheit seines Arbeitszimmers saß. Asmussens Sorgen wuchsen jetzt von Dämmerung zu Dämmerung, denn immer wenn das fahle Tageslicht wich, konnte es geschehen, daß irgendwo eine Frau aufschrie und zusammenbrach. Dr. Irene Asmussen nickte, als sie die Meldung las. „Flemming wird sich freuen, daß Ellen endlich zurückkehrt. Es geht ihm nicht sehr gut und …“ Sie brach ab, als wieder die Sprechanlage aufsummte. Eine harte, mißmutige Männerstimme kam gleich darauf. „Die Jungen vom Sicherheitskorps scheinen blind und taub zu sein, Captain. Nun sind sie schon wochenlang hinter Gordon Marlow her und haben wieder alles bis auf 800 Meilen von hier abgesucht …“ „Und – wieder nichts?“ „Natürlich nicht!“ * Dabei waren sie ihm ganz nahe gewesen. Gordon Marlow hockte in einer Höhle, die nicht tief in den 22
Abhang eines Hügels zurückwich, der in einem langgestreckten Wald lag. Die Bäume dieses Waldes waren klein und schienen alle einer Baumart anzugehören, denn wohin man auch sah, überall filterten seltsam geformte Doppelwipfel das Zwielicht. Diese Höhle hatte nicht die Natur geformt. Gordon Marlows Atombrenner hatte sich in den sandigen Abhang hineingeschnitten. Gordon Marlow war wirklich ein ausgestoßener Hund – er verkroch sich hier in der Einsamkeit. Und wälzte schwere Gedanken und große Pläne. Gut 300 Meilen lagen zwischen ihm und der Siedlung. Der Hubschrauber, den er an jenem Tage, an dem Mieken Raa so geschrien hatte, noch benutzte, lag im hohen, dschungelartigen Gestrüpp einer Seeniederung versteckt, und auch diese war schon 20 Meilen von ihm … Über ihm flogen sie davon. Gordon Marlow hockte wie ein Tier auf Knien und Ellbogen und starrte den Maschinen des Sicherheitskorps nach, die über dem Wald kurvten, herabstießen und wieder ein Stück weiterflogen. Deutlich konnte er die uniformierten Männer in den Bugkanzeln sehen. Einen erkannte er. Leutnant Snyder. Snyder war nach seiner Auffassung einer der wenigen sympathischen Kerle, die er hier getroffen hatte. Als der Verband weitergeflogen war, robbte er vorsichtig tiefer in die Höhle hinein: Die Einsamkeit sang um ihn – sie war fürchterlich, doch er hatte sich an sie gewöhnt. Auch an die grauen Vögel, die in den Bäumen lärmten und flöteten, wenn die Morgendämmerung unendlich fahl und traurig über den Horizont geschlichen kam. Er hatte auch ausreichend Lebensmittel bei sich, und er hoffte, daß sich seine Situation geändert haben würde, wenn die Ampullen und Dosen aufgebraucht sein sollten – – In dem hintersten Winkel seiner Höhle schaltete er vorsichtig seinen Handscheinwerfer ein. Er setzte sich auf ein abgelegtes 23
Kleidungsstück und zog aus einer seiner Taschen eine große Skizze hervor, die er schon so oft gebraucht hatte, daß sie an den Faltstellen unansehnlich geworden war. Mit einem Druckblei zeichnete er geometrische Figuren auf eine freie Stelle. „Du mußt es herausbekommen, Marlow“, redete er sich selber gut zu. „Das ist deine letzte Chance …“ Er fuhr zusammen und schaltete blitzschnell den Handscheinwerfer ab. Eine Frau schrie! Deutlich drangen ihre angstvollen Schreie aus der Einsamkeit des Waldes zu ihm hin. Aber dann beruhigte er sich wieder. Das war nur Einbildung! Er hatte Mieken Raa schreien hören … Wieder fiel der harte Lichtstrahl auf die Skizze. Sie zeigte die Sonnenspirale. * Mieken Raa schrie nicht mehr. Sie hatte das überwunden, was vielleicht die Frauen noch vor sich hatten, die sie in den nächsten Tagen wieder in das isolierte Hospital einliefern mußten. „Physisch und psychisch am Ende“, stellten die Ärzte fest. Die Ursache dieser Zusammenbrüche war klar: Fehlender Sonnenschein. Einige der Frauen schwebten in Lebensgefahr. Nach diesen Einlieferungen riß die Kette der Erkrankungen plötzlich ab, aber es ging kein Aufatmen durch die Siedlung. Wenn die Männer von ihrer Schicht kamen, sahen sie besorgt die an, die ihnen auf diesen Planeten gefolgt waren. Neue Gerüchte gingen um. „Die Sonnenspirale soll doch noch in Betrieb gesetzt werden. Jim Parker kommt mit einem neuen Mann.“ Arthur Flemming, der Verantwortliche in der Siedlung, schwieg. 24
Nach fünf Wochen kam das Raumschiff „Kosmos II“ jenseits der Atmosphäre an. Mit Jim Parker booteten sich Skay Orrigon, Ellen Flemming und zwei Assistenten des Ingenieurs aus. Die Posten vor der Sonnenspirale wurden verdoppelt. * „Alles in Ordnung, Wernicke?“ Der kleine Fritz Wernicke – „Commander“, wie er sich nennen durfte – schüttelte Jim Parker leicht geknickt die Hand. „Das allgemeine Stimmungstief in dieser Gegend wirkt sich auch auf den Besuch im ‚Paradies der tausend Sternschnuppen’ aus …“ „Dein Bumsladen interessiert mich nicht, Mensch!“ Fritz Wernicke war sehr beleidigt, aber er folgte Jim, Orrigon und einigen anderen Verantwortlichen doch in das Tiefland. Arthur Flemming hatte Anweisung erhalten, sich noch um nichts zu kümmern. Die verstärkten Wachen vor der Spirale fielen aber bereits auf. Jeffer Wolm stand mit einigen seiner Freunde vor der Siedlung und sah schweigend und mit zusammengezogenen Augenbrauen zu, wie drei Schrauber landeten und Captain Asmussen persönlich die große Hermetiktür zurückgleiten ließ, die in die Säule führte. „Wie gefällt es Ihnen hier, Orrigon?“ Skay Orrigons Gesicht war sehr düster. Der dicke Wulstanzug schloß sich eng um ihn und machte ihm das Atmen schwer, aber er konnte sich vorstellen, wie kläglich ihm erst zumute sein mußte, wenn er ihn nicht trug. „Lassen Sie, Parker – hier muß sich viel ändern …“ Jim nickte nur. Sie fuhren in einem Lift in der Säule hoch, 25
deren Wände ein blaues Licht ausstrahlten. Orrigon sah, daß rechts vom Lift eine dünne rote Röhre von oben nach unten ging, und er erkannte auch gleich ihre Bedeutung. Quinn hatte verdammt leichtfertig gehandelt, das hatte er schon nach fünf Minuten heraus. Diese wichtige Röhre mußte außerhalb der Säule heruntergeführt werden, sonst wurde die Arbeit für das Bedienungspersonal ein Selbstmordunternehmen ohne Ende. Auf das geheimnisvolle Aufflammen der Spirale allerdings hatte das keinen Einfluß … Als sie in dem hellerleuchteten, runden Bedienungsraum, achtzig Meter über dem grünen Wiesenboden, standen, mit seinen langen Kontrolltischen, seinen vier Schaltkästen auf einem kreisrunden Doppelsockel, seiner gläsernen Box für den Mann, der ständig in Verbindung mit den beiden Raumschiffen des Projekts bleiben mußte, machte sich Skay Orrigon an die Arbeit. Er untersuchte alles so genau, daß die Spannung der Männer, die danebenstanden, langsam einer Langeweile zu weichen begann. Aber Orrigon wußte, warum er sich soviel Zeit ließ. „Hier ist nach dem Feuer nichts berührt worden?“ fragte er wie ein Kriminalist. „Nichts“, antwortete Asmussen. „Was sollten wir auch anfangen!“ „Quinn hatte zwei Assistenten – wie ich – –?“ „Gewiß!“ „Nun“, sagte Orrigon und richtete sich vom Kontrolltisch C auf, „dann wird es Sie überraschen, daß hier vor dem Unglück vier Männer gewesen sind, die an diesem Kontrolltisch – und er ist der wichtigste – gearbeitet haben –“ „Das ist doch nicht möglich!“ „Es kann nicht anders sein.“ Ein Offizier der Sonderstaffel mischte sich ein. „Wie war es doch mit dem Gerücht, das von einem Mann sprach, der kurz vor dem Brand die Spirale verlassen haben soll?“ 26
„Wir sind dem Gerücht nachgegangen“, sagte Asmussen kurz. „Ohne Erfolg!“ Jim Parker nickte nur, winkte kurz ab und trat neben den Ingenieur. Seine Hand legte sich auf dessen Schulter. „Orrigon, nun sagen Sie es uns – könnten Sie mit einiger Aussicht auf einen baldigen Erfolg weiterarbeiten …?“ „Wen ich nach eigenem Ermessen arbeiten kann, ja!“ „Dann fangen Sie morgen an!“ * Jeffer Wolm fluchte … Er zeigte mit seinem ausgestreckten Arm auf die glasartige Außenwand des Bedienungsraums, dort oben, wo die eigentliche Spirale aus der Säule herauskam. Die Männer, die neben ihm standen, sahen es schon aufleuchten und sahen auch die Gestalten, die sich dort oben winzig klein bewegten. „Klar, was das bedeutet?“ „Damned, die wollen hier wieder zaubern“, nickte ein Mechaniker aus der Raumschiffswerft II, der auch einer von denen war, die sich Sorgen um ihre Frau machen mußten. In seinem mageren Gesicht zuckte es. „Sie meinen es ja gut, aber wenn es auch diesmal schiefgeht – wer weiß, vielleicht kommen wir dann erst recht in die Hölle.“ „Die Hölle haben wir hier schon“, rief eine von den Frauen herüber, die über das Feld herankamen, um sich ebenfalls anzusehen, was dort oben los war. „Sie sollten es ruhig wagen!“ Jeffer Wolm warf sich herum. Er stampfte los. Mit leicht vorgebeugtem Oberkörper. Früher war das für seine Raumflieger ein Zeichen dafür gewesen, daß dieser mächtige Bursche gleich mit Blitz und Donner aufbegehren würde. Heute war es nicht anders. Er ging über die soge27
nannte Nordstraße der Siedlung auf die Verwaltung zu. Sie und die Frauen waren nicht die einzigen, die auf die beleuchtete Spirale aufmerksam wurden. Immer mehr Frauen und Kinder, und auch einige Männer, kamen in ihren Wulstanzügen von den Häusern her … Sie gingen vor die Siedlung. Einige waren aufgeregt; sie redeten laut und zeigten zum Bedienungsraum hinauf. Was sie sagten, war abgehackt und atemlos. Ihre blassen Gesichter waren hart und seltsam maskenhaft im milchigen Zwielicht des späten Nachmittags. Jeffer Wolm brüllte schon, als er die Isoliertür zur Verwaltung aufstieß und ihm helles Mädchenlachen entgegenklang. Durch einen Vorraum konnte er in das Büro sehen, in dem Arthur Flemming saß und sich mit den beiden Mädels unterhielt, die sich eben begrüßt hatten – mit Alice und Ellen. Bei allen tollgewordenen Weltraumgespenstern – sah er denn nicht, was hier gespielt wurde? „Flemming!“ brüllte er. „Flemming, du sitzt hier und erzählst Witze, und draußen geht die Welt unter.“ „Wo?“ lächelte der Präsident der Siedler und wandte seinen grauen, feinen Kopf. „Ich spüre davon nichts …“ Jeffer Wolm spürte um so mehr. Seine Faust knallte auf eine braune Schreibtischplatte. Das tat ihm gut. Er konnte wenigstens wieder tief durchatmen. Alice wollte ihren aufgebrachten Vater bremsen, sie packte schon seine Oberarme, aber er machte sich unwillig von ihr frei. „Weißt du noch, wie Tante Vera von den verdammten Flammen umgebracht wurde?“ keuchte er, und seine Augen funkelten vor Zorn. „Wie sie in meinen Armen ihren letzten Atemzug tat? He …“ „Ja, Vater – gewiß – aber – –“ „Und das soll jetzt wiederkommen? Ich werde dem Kommodore schon sagen, was ich davon halte!“ 28
* Wieder rief die Erde … Jim Parker war noch nicht wieder von der Sonnenspirale zurück, als der Raumfunker in „Großer Bär“ eine Meldung aufnahm, deren Bedeutung ihm erst später klar wurde. „Mondobservatorium entdeckt gewaltiges neues Milchstraßensystem, das unvorstellbare Energien entwickelt und wie ein kosmisches Zyklotron wirkt …“ Klaus Vardell, einer der Astronomen der Organisation und ein Bruder von Dr. Asmussen, regte sich sogar gewaltig auf, als er das las. „Wenn das wahr ist, Müller“, sagte er zu einem seiner Kollegen, „wissen Sie, was es dann bedeutet?“ Auch der andere war plötzlich voller Unruhe. „Das kann praktisch nur bedeuten, daß das Zentrum dieses Systems mächtige Energieströme ausstrahlt, und ein riesiges Magnetfeld mit Elektronen höchster Energiestufe bildet.“ „So etwas ist noch nie beobachtet worden!“ „Das ist ungeheuerlich!“ Das helle Flutlicht im Bedienungsraum der Spirale blieb. Aber die Gestalten, die sich dort oben bewegten, verließen jetzt den Bedienungsraum. Die Einwohner sahen es, die sich um die Männer versammelten, bei denen vorhin noch Jeffer Wolm stand. „Sie kommen …“ „Der Kommodore ist dabei!“ Die Hermetiktür in der Säule öffnete sich, und dann sahen sie eine Gruppe von Männern, die auf sie zukam. Jetzt mußte der Kommodore es ihnen sagen. Sollten sie noch einmal durch das Ding dort gefährdet werden? Jim Parker sah, daß man von ihm ein offenes Wort erwartete. Sie kannten sich doch gut, er und die Menschen von „Großer Bär“. Noch hatten sie Vertrauen zu ihm. Er winkte ihnen zu. Sie 29
verstanden, daß sie sich alle um ihn versammeln sollten. Immer mehr kamen aus den Baukastenhäusern, immer mehr drängten sich in diese Front aus bunten Wulstanzügen und blassen, sonnenhungrigen Gesichtern hinein, die sich langsam zu einem Kreis um die Gruppe der Männer formte. Arthur Flemming kam heran. Neben ihm die Mädchen und Jeffer Wolm, der so lange mit den Armen ruderte und drängte, bis er neben Parker und Flemming stand. Er wartete nicht erst ab, was kam – er griff gleich an. „Kommodore, was bedeutet das?“ Jim sah den Zorn in seinen Augen, aber er war nicht der Mann, sich davon beeindrucken zu lassen. Er kümmerte sich noch gar nicht um den alten Raumkapitän. „Ich habe Ihnen allen was zu sagen“, rief er den Einwohnern von „Großer Bär“-Siedlung zu. Nicht weit von ihnen gingen einige Schrauber nieder. Sie gehörten Männern, die gerade von ihrer Schicht kamen und sahen, daß hier etwas Außergewöhnliches im Gange war. Von den Häusern hämmerten noch immer Stiefel heran. Hinter ihnen stieg die Sonnenspirale mit dem leuchtenden Bedienungsraum gegen den trüben Himmel. Und mit diesem trüben Himmel fing Jim an, als er seine Ansprache hielt, von der so viel abhing. Vielleicht die ganze interstellare Raumfahrt der Erde. Sie waren nicht begeistert von dem, was er ihnen mit lauter Stimme sagte. Der Himmel tötet uns langsam? Natürlich tut er das, Kommodore, diese weißwogende und oft auch grausträhnige Wolkendecke lastet sehr auf uns, hält noch das bißchen Sonnenlicht ab, das den Planeten vielleicht noch erreicht, verwandelt es zu dieser milchigen Dämmerung, und läßt die Frauen und Kinder schreien. Bisher nur noch die Frauen und Kinder. Wir wissen das, aber wir haben kein Vertrauen mehr zu dieser Sonnenspirale … 30
„Wir werden die Siedlung evakuieren müssen!“ „Auf wie lange?“ fragte Flemming laut und aufgeregt, während Jeffer Wolm mit zuckendem Gesicht danebenstand. Jim sah auf Skay Orrigon. Der Ingenieur hatte es schon ausgerechnet. „Wenn die Arbeiten einigermaßen reibungslos verlaufen und auch sonst keine unvorhergesehene Störungen eintreten, wird die Siedlung in einem Vierteljahr wieder bewohnt werden können.“ Unruhig und gespannt beobachteten Wernicke und Asmussen die Reaktion der Siedler. Nein, sie war noch nicht positiv, sie waren schockiert von dem Wort „Evakuierung“. Sonne wollten sie. Sonne! Das Wort fiel schon im Kreis. Eine große Sehnsucht nach ihr stand auf den blassen Gesichtern – aber was vorher kam – „Wohin sollen wir denn ausweichen, he?“ knurrte Jeffer Wolm, und wieder wollte der Zorn in seinem Blick den Kommodore festhalten. „Ich will Ihnen mal was sagen, Parker …“ „Später“, schnitt Jim ihm das Wort ab, und jetzt war seine Stimme erregt und beinahe fanatisch. „Jetzt spreche ich, Wolm! Wir haben die Wahl zwischen einer Aufgabe des Planeten und der Durchführung des Projekts der Sonnenspirale. Mr. Orrigon wird die Fehler vermeiden, die gemacht worden sind.“ „Welche Fehler?“ „Ich spreche, Wolm!“ Jim Parker sah sie alle an, sein Blick ging über die blassen Gesichter, die um ihn waren. „Als Chef der ‚Organisation Andromeda’ bestimme ich hiermit, daß die Siedlung evakuiert wird! Captain Asmussen wird das organisieren! Wer glaubt, die nun einmal damit verbundenen Strapazen nicht ertragen zu können, soll es uns sagen! Ich werde Raumschiffe von der Uranus-Basis anfordern, die für den Rücktransport zur Erde sorgen werden!“ Ein Schweigen lastete. „Anders geht es nicht! Wir müssen es wagen! Sonst wird bald das Ende von ‚Großer Bär’ gekommen sein! Denken Sie 31
bitte auch daran, daß Ihr Leben hier ganz anders aussehen wird, wenn erst ein richtiger blauer Sonnenhimmel über …“ Jeffer Wolm hielt das nicht aus. Er tat etwas, was so leicht keiner wagte, er packte mit seiner riesigen Faust den Kommodore an der Brust, als wollte er ihn schütteln. „Das sind Versprechungen, Parker – Sie treiben uns hier –“ „Loslassen, Wolm!“ sagte Jim leise und scharf. Wolms Faust löste sich. * Eine Frau kam noch über die Straße. Mrs. Warner war es. Sie hatte es eben erleben müssen, daß ihr Mann in der Diele ihres Hauses stöhnend zusammenbrach und dann wie ein Kind zu schluchzen begann … „Dr. Asmussen!“ rief sie laut, als sie der Menschenmenge näher kam. „Wo ist Dr. Asmussen?“ Irene war nicht da, aber sie wurden alle auf sie aufmerksam. Jim winkte einem Offizier zu, der außerhalb des Kreises stand, er sollte sich um Mrs. Warner bemühen. Die Frau war nicht mehr jung, und sie fürchtete sich grenzenlos davor, daß ihr Mann sie verlassen könnte. „Er krümmt sich am Boden und phantasiert, so wie es Mieken Raa tat, und – und – –“ Das gab den Umschwung. Warner war der erste Mann, den es traf. Das erschütterte sie alle so, daß sie auf der Stelle die Strapazen vergaßen, die auf sie warteten … Sie bewegten sich in einer großen Schlange zurück in die Siedlung. Jim unter ihnen. Sie sprachen mit ihm, während sie über die Straßen zu Warners Haus eilten. Einige lachten sogar. Aber der Schreck saß ihnen tief in den Knochen, und als sie den armen Warner stöhnen und schluchzen sahen, waren fast alle 32
plötzlich bereit, die Siedlung zu verlassen und das Experiment mit der Sonnenspirale zu wagen. Jim kniete vor Warner nieder und packte ihn. „Asmussen – Ihre Frau muß her – rasch – –“ „Sie kommt schon!“ Sie blieben alle in der Diele stehen oder drängten sich vor der Tür. Nicht aus Neugierde, nein das gewiß nicht. Sie gehörten irgendwie zusammen, das war es, und Jim – er hatte schon recht – – Jeffer Wolm war ihnen gefolgt. Er interessierte sich aber nicht für Warner, und er kümmerte sich auch nicht darum, daß Alice Jim Parker half, den Nervenkranken ruhig zu betten. Er winkte seinen Freunden, die sich neben ihm gehalten hatten. Sie gingen zu seinem Haus hinüber. Sorgfältig schloß er die grüne Doppeltür hinter sich und den Freunden und führte sie in den Wohnraum. Er hatte sich etwas beruhigt, aber er war entschlossen, das nicht mitzumachen. „Ich bin dagegen! Und wenn der Kommodore noch so schöne Worte gebraucht!“ brach er gleich wieder los. „Sie sollten lieber erst einmal Marlow einfangen, bevor sie Frauen und Kinder in die Wildnis schicken.“ „Sie haben ihn noch nicht, wie?“ „Sie kriegen ihn auch nicht“, schüttelte einer seiner Freunde den Kopf, steckte sich seine Pfeife an und horchte mißmutig nach draußen, wo von Warners Haus her das Gewoge der Stimmen und Schritte kam. Vier Männer hatte Jeffer Wolm hier neben sich, vier, die sie alle in der Siedlung gut kannten und schätzten: Corlin, einen jungen Raumkapitän, der erst vor wenigen Wochen mit dem ersten „Andromeda“-Geschwader zurückgekehrt war, dann noch drei von der technischen Verwaltung. Ihnen paßte verschiedenes nicht in „Großer Bär“. „Es ist mir unbegreiflich, daß sie diesen Marlow nicht aufstöbern! Ihr wißt jedenfalls, was mit ihm los ist …“ 33
„Natürlich!“ Nur Morlin sah sie fragend an. * Noch einmal sah er auf die Skizze. Der harte Schein des Handscheinwerfers ließ die Umrisse der Sonnenspirale klar von dem gefalteten Papier hervortreten. Einen Teil der eigentlichen Spirale hatte Marlow mit einem Kreis umzeichnet. Er nickte und stand auf. So mußte es gewesen sein. Er wußte nicht, daß sie in der Siedlung das Notwendigste zusammenpackten und daß der Bedienungsraum der Spirale hell erleuchtet war, aber er ahnte, daß bald etwas geschehen würde. Er verließ seine Höhle und marschierte los. Mit weitausholenden Schritten. Als das matte Licht des Tages verging, sah er in der Ferne die stillen Wasser der Seeniederung unwirklich und geheimnisvoll tief unter der großartigen Einsamkeit des Himmels aufleuchten. Der Boden unter seinen Füßen wurde weich und naß. Sicher war es nicht ungefährlich, hier zu gehen, aber Marlow kannte seinen Weg. Er wollte zu seiner Maschine. Er wollte zurück in die Siedlung. * Drei Mann sausten im Lift zum Befehlsraum hoch. Skay Orrigon und seine beiden Assistenten – der vergnügte Davis, der immer vor sich hinpfiff und so tat, als wäre es hier so schön wie in seiner kalifornischen Heimat, und der stille Fredy Harder. Ben Davis pfiff auch jetzt, aber er sah sich aufmerksam um, als sie oben ankamen. „Ein prächtiges Ding, Chef“, grinste er dann, „nur – es taugt nicht viel.“ 34
„Quinn hat Fehler gemacht“, sagte Orrigon ruhig und ging auf den Kontrolltisch C zu, „aber die lassen sich korrigieren. Die BTX-Röhre muß nach draußen verlegt werden, sonst haben wir hier ständig den Tod im Nacken …“ „Bestimmt, Chef! Was meinst du, Harder?“ Fredy Harder schnüffelte um den Doppelsockel mit den Schaltkästen herum und kam dann über den braunen Plattenboden auf die beiden zu. Sie breiteten bereits Pläne und Tabellen vor sich aus. Auch Harder wunderte sich. „Quinn hat nicht einmal an Gegenspiegel gedacht, mit denen wir schon in Paris arbeiteten …“ „Er war noch nicht soweit.“ „Aber es wäre doch paradox, unter diesen idealen Bedingungen ohne Gegenspiegel zu arbeiten“, fügte Harder mit seiner leisen Stimme hinzu. „Wir werden drei im Hochland anbringen“, nickte Orrigon, „und zwar zweckmäßigerweise an der Gratkante.“ Die drei wußten, was sie zu tun hatten. In Paris hatten sie sich zwei Jahre lang theoretisch und an größeren Modellen mit dem Projekt befaßt, das sie nun richtig anpacken sollten. Sie arbeiteten drei Stunden. Gesprochen wurde nicht mehr viel. Aber sie arbeiteten sich warm. Ben Davis pfiff laut und angriffslustig vor sich hin. Zum Teufel, das sollten sie doch schaffen können! Nach drei Stunden brummte es in einem kleinen Kasten an der Rundwand auf. Orrigon erhob sich und trat an die gläserne Wand. „Wir bekommen Besuch …“ Er versuchte hinauszusehen. Undeutlich konnte er erkennen, daß auf den Siedlungsstraßen allerhand los war. Gerade in diesem Augenblick landete dort unten ein Schrauberverband. „Das werden die Leute sein, die bei uns bleiben sollen“, vermutete Davis. 35
„Fünfzehn Mann wollte Parker uns schicken“, nickte Orrigon. „Die werden sich wundern …“ Er fuhr wieder im Lift nach unten und ließ die Schottür zurückgleiten. Fünfzehn Gestalten standen draußen neben den Wachtposten, aber man konnte nicht gut von fünfzehn „Mann“ sprechen, denn zwei von ihnen waren weiblichen Geschlechts. Orrigon schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand über die Augen, als habe er Sehstörungen. „Das ist doch …“ „Haben Sie etwas dagegen, daß wir beide auch hierbleiben?“ lächelte Ellen Flemming und reichte ihm die Hand. „Ich bin ausgebildete Funkerin, und die Leute sind hier sehr knapp.“ „Aber, Mädel, wir müssen damit rechnen, daß hier wochenlang alles mit QWV-Strahlen verseucht sein wird.“ „Wir sind nicht übermäßig ängstlich, Mr. Orrigon!“ „Kinder, hoffentlich nehmt ihr es mir später nicht übel, daß ich heute eure Mitarbeit nicht schlankweg ablehne.“ „Ach wo …“ „Verdammt und – na, denn rauf mit euch – –“ * Jim Parker wollte ihnen vorausfliegen. Er wollte den ersten Transport der Siedler in das Gebiet führen, das die „Abteilung Jörgensen“, die für die Erforschung des Transpluto zuständig war, als am günstigsten für einen längeren Aufenthalt bezeichnet hatte – wobei die Unterbringung allerdings in stabilen Klimazelten erfolgen mußte. Sein Hubschrauber stand mit laufendem Antrieb knapp zehn Meter über den Köpfen der Siedler, die sich vor der Verwaltung ballten. Jim sprach über einen Lautsprecher zu ihnen. „Wir haben vom Vortrupp die Klimazelte in dem Ihnen sicher bekannten Gebiet errichten lassen, das gut 350 Meilen süd36
lich von hier entfernt ist und als weites, gut übersehbares Land zwischen zwei bewaldeten Hügelketten liegt.“ Stimmen unterbrachen ihn. Viele Stimmen, die durcheinander zu ihm aufwogten. Eine rief laut: „Das ist in der Nähe der großen Seenplatte?“ „Von unserem Ausweichgebiet bis zur Seenplatte sind es noch gut 70 Meilen!“ Arthur Flemming, der neben Jim Parker stand, nickte. „Ich habe mir das Land angesehen, meine Freunde. Es ist denkbar günstig für unser Vorhaben. Die bewaldeten Hügelketten schützen es vor den Winden, die dort oft herrschen und die von dem fernen Meer kommen sollen …“ „Denn man los“, drängte ein junger Raumflieger ungestüm. „Vorwärts, Kommodore!“ Sie lachten, aber viele klatschten. Keiner achtete auf Jeffer Wolm, der mitten unter ihnen war und ein Gesicht zog, als wollte er sagen: Was seid ihr doch alle für Idioten! Nur Jim hatte einen Blick zu ihm hingeworfen und wunderte sich im stillen, daß der gute, alte Kapitän, der so eigenwillig auf alles zu reagieren pflegte, ebenso einen besonders dicken, hochgeschlossenen Wulstanzug trug wie alle anderen und seinen privaten Hubschrauber schon reisefertig vor seinem Haus stehen hatte. Jim beugte sich etwas vor und rief hinunter: „Es ist also jeder klar zum Abflug? Auch die, die noch bis übermorgen Zeit haben? Die erste der drei Transportgruppen startet gleich mit mir …“ Sie antworteten nicht, wenn auch einige nickten. Das Stimmengewirr hielt an. Sie waren alle sehr aufgeregt und fieberten dem großen Abenteuer entgegen, vor dem sie sich insgeheim doch fürchteten. Jim wußte, daß Streifen des Sicherheitskorps die Häuser vor dem Start der dritten und letzten Transportgruppe noch einmal kontrollieren würden. Jetzt sah er auf seinen Zeitmesser und hob die rechte Hand. 37
„Hat einer noch etwas zu sagen? Sonst startet die erste Gruppe!“ Arthur Flemming meldete sich. „Ich, Kommodore!“ sagte er ernst und wandte sich an die Einwohner von „Großer Bär“Siedlung. „Meine Freunde, vor uns liegt unberührtes Land ohne feste Häuser, in dem wir Monate werden verbringen müssen! Wir haben alles getan, um Ihnen den Aufenthalt dort so erträglich wie möglich zu machen, aber ich meine, es kann nicht schaden, wenn wir jetzt daran denken, daß es nicht bei uns liegt, ob wir zurückkehren werden …“ Sie nahmen die Hauben ab. * Dann startete die erste Transportgruppe. Über zwanzig große Spezialschrauber brummten tief und machtvoll hoch und nahmen in knapp hundert Meter Höhe Kurs auf das Gebiet, das sie aufnehmen sollte … Welch ein Auszug! Da hockten sie auf ihren Koffern, hielten die Kinder auf den Knien und sahen hinunter, was grün und beruhigend und doch noch so schrecklich fremd unter ihnen wegglitt. Nach zwei Stunden sahen sie in weiter Ferne ein hellerleuchtetes Gebäude – das Hospital, in dem die lagen, die das nicht mehr hatten ertragen können. Von „Großer Bär“ strahlten sie laufend leichte L-Tonbandmusik aus, die in den Schraubern abgehört werden konnte. Als sie das Hospital sahen, stellten auch die die Empfänger ab, die so etwas wie eine frohe Stimmung hervorzaubern wollten. Nein, froh waren sie nicht, aber doch irgendwie zuversichtlich. Mit Jim Parker und seinen Männern würde es schon klargehen. 38
Immer weiter brummte der Verband in die Einsamkeit hinein. Vögel schreckten vor ihm auf und stoben davon. * „Klar?“ Zwei Tage später betrat Captain Asmussen den großen halbrunden Sitzungsraum im Kommandogebäude auf dem Hochland. Captain Tenfor war da und noch sieben andere, hohe Offiziere und Wissenschaftler der beiden „Andromeda“-Geschwader. Sie konnten hier nicht weg, aber ihre Gedanken folgten den Evakuierten. Asmussen nickte. „Auch die zweite Transportgruppe ist gut angelangt. Der Kommodore muß jeden Augenblick kommen …“ Er hatte sich noch keine Zigarette angesteckt und Platz genommen in einem der roten Mattensessel, die vom sirianischen Planeten Fon stammten, als Jim Parker eintrat. Er trug die leichte stahlgraue Uniform seiner Organisation und begrüßte die Anwesenden mit Handschlag. „So, zwei Gruppen hätten wir ’rübergeschaft. Mit der dritten werden Sie wohl allein klarkommen! Vardell, was ist?“ Blitzschnell kam die Frage. Klaus Vardell war auf sie vorbereitet und wartete nur, bis Jim neben ihm saß und seine „Maza Blend“ rauchte, die hier bei der hervorragenden Klimaanlage des Kommandogebäudes so schmeckte wie auf der fernen Erde. „Professor Tiernack vom Mondobservatorium hat ein ganz neues Milchstraßensystem entdeckt, das ganz ungewöhnlicher Natur zu sein scheint.“ „Mit unseren Augen gesehen“, sagte einer der Anwesenden bescheiden. „Ich hörte bereits davon“, nickte Jim Parker kurz. „Bitte, Einzelheiten!“ Klaus Vardell umriß sie in fünf Sätzen. Jim sah auf die Hände 39
des Astronomen, und es war klar, daß er in diesen Minuten alles vergaß, was um ihn geschah, und daß er auch nicht an Skay Orrigon und seine Mitarbeiter dachte, die auf der Sonnenspirale fieberhaft arbeiteten. Nur noch der Raumflieger Jim Parker lebte, und der erkannte die ungeheure Bedeutung dieser Entdeckung. Unendlich weit ab von ihnen lag es, aber welch eine Fülle von Energieströmen, von kosmischen Urkräften mußten den Teil des Universums beherrschen, in dem man das Milchstraßensystem entdeckt hatte. In diesen Minuten, da Vardell, sachlich und doch mit spürbarer Erregung, berichtete, ahnte Jim Parker zum erstenmal, daß sein Leben einmal in jener kaum faßbaren Weite des Alls, in einer Welt brausender Energieströme, seine Erfüllung finden würde. Dann allerdings – und das erkannte Jim sogleich – würde es für ihn keine Rückkehr zu dem Sonnensystem seiner Heimat mehr geben. Die Hände Klaus Vardells verschwammen vor ihm. Er schloß die Augen, und er tat es nur, um den anderen die Ergriffenheit nicht zu zeigen, die die Worte des Astronomen in ihm hervorriefen, Jim Parker hatte oft gegrübelt. Immer und immer wieder, wenn er allein war. Wo soll das enden, was ich begonnen habe? Er wußte, daß die Woge seines Schicksals ihn einmal hinausführen würde zum großen Flug in das Unendliche, zu einem neuen Leben vielleicht, oder wenigstens zu seiner Erfüllung. Nun sah er seinen Weg vor sich. Vardell schwieg und wagte nicht aufzusehen. Über ihnen, auf der Kuppel des Kommandogebäudes, warf der mächtige Scheinwerfer die Planetendämmerung weit zurück, schickte einen harten, scharfen Lichtstrahl weit in das Weltall hinaus – zu den Sternen – – Jim nickte. Ein Lächeln war auf seinem Gesicht. Ein Offizier trat durch eine Selentür ein. Blieb stehen und winkte Asmussen zu. Der Captain ging zu ihm hin, sprach mit 40
ihm. Dann verließen beide den Sitzungsraum. Die Anwesenden hörten ein Wort: „Marlow!“ * „Wo bleiben nur die Burschen?“ „Vor vierzig Minuten hatte ich noch Verbindung mit Nekkaanen“, wandte sich der Funker der Ausweichsiedlung in der Weite des unberührten Landes an den Oberleutnant, der hier für die Sicherheit verantwortlich war. Er war nicht zu beneiden. Gewiß, die gut zweitausend verhielten sich noch diszipliniert. Sie bargen sich in den stabilen grünen und weißen Klimazelten vor dem Regen, der seit Stunden diese Einsamkeit der grauen Horizonte noch trauriger machte. Nach einigen Tagen oder Wochen würde es hier allerdings nicht mehr so ruhig sein. Dann konnten die Ärzte auch hier mit einer Psychose rechnen – überhaupt, wenn der scheußliche Regen noch lange anhalten sollte. Im Zelt der Verwaltung stand Arthur Flemming neben dem Oberleutnant des Sicherheitskorps. Sie waren ernst, sahen auf ihre Zeitmesser. Sie hatten auch einen schwerwiegenden Grund für ihre Sorge. Zwei Angehörige der „Abteilung Jörgensen“ und ein Soldat waren vor zwei Stunden aufgebrochen, um mit ihrem Schrauber in der Richtung auf die Seenplatte zu nach Trinkwasser zu suchen. Die Wasserversorgung war fürs erste gesichert, doch mußten für alle Fälle mehrere Versorgungsmöglichkeiten erschlossen werden. „Vor vierzig Minuten hatte ich sie noch“, wiederholte der Funker und sah von seinen Geräten auf. „Sie sollten sich alle halbe Stunde melden“, sagte der Oberleutnant kurz und zog den Reißverschluß seines Wulstanzuges hoch. „Das paßt mir nicht! Klingelhöfer!“ Arthur Flemming sah ihnen nach und hörte gleich darauf 41
zwei Schrauber hochbrummen. Der Funker rauchte, und der rothaarige Verwaltungssekretär Felici ordnete seine Papiere. Aber um sie war ein Warten, das das Atmen schwer machte. Zwei Frauen kamen, niedergedrückt, mit blassen Gesichtern. Wenn die in der Sonnenspirale sich doch beeilen würden, meinte die eine. Die selbsttätige Schreibmaschine des Sekretärs leuchtete kurz auf. Dann wieder nichts als der Regen, der noch stärker zu werden schien. Arthur Flemming trat vor das Zelt, sah die aus Kunststoffplatten gebildete provisorische Straße entlang, die durch die Zeltreihen in eine endlose graue Ferne zu führen schien. Er trat rasch wieder zurück. Nach zwei Stunden meldete sich der Oberleutnant über Sprechfunk. Flemming konnte mit anhören, was er sagte. „Eine schöne Schweinerei ist das! Ich habe sie gefunden! Sie sind ziemlich fertig!“ „Abgestürzt?“ „Weiß ich nicht! Die Maschine ist im Eimer – aber es kommt mir so vor, als hätte man die Schlafmützen überfallen – –“ * Westwärts raste ein schlanker Hubschrauber. Er flog nicht sehr hoch, und der Mann, der ihn lenkte, prüfte aufmerksam den Himmel, der hier in einem unruhig brodelnden Weiß über ihm dahinstrich. Ein feiner Regen stäubte leicht gegen die Sichtscheibe. In der Ferne leuchtete etwas auf. Der Mann sah gebannt darauf und pfiff laut und unschön. Was er aufleuchten sah, war der Bedienungsraum der Sonnenspirale. Der Mann hielt auf die Siedlung zu. Plötzlich änderte er jedoch die Richtung. * 42
„Die dritte Gruppe ist ’raus!“ In der Befehlsstelle „Siedlung und Ostland“ des Kommandogebäudes standen zwei Offiziere und nahmen die Meldung entgegen, die eben von der Siedlung aus durchgegeben wurde. „Dann können sie ja mit ihrer Zauberei anfangen.“ „Bin bloß gespannt, was dabei herauskommt!“ Sie schalteten einen Bildschirm ein und richteten den TVPeiler auf die östliche Kante des langen Grats. Was sie sahen, war für sie so ungewohnt und irgendwie auch überwältigend, daß sie beide näher an den Bildschirm herantraten und wie große, neugierige Jungen darauf sahen. Über der Gratkante standen drei schwere, bullige Schrauber, die eine Plattform trugen, von der aus sechs Männer eine große, rechteckige Tafel auf ein in den Felsboden gegossenes Fundament hinabließen. Das Ding war weiß und wie aus fein geriffeltem Glas. Es sah leicht und zerbrechlich aus, doch die beiden Offiziere wußten, daß es aus einem neuartigen – teilweise aus einem sirianischen Mineral gewonnenen – Stoff hergestellt war, das tatsächlich nur schweren Naturkatastrophen weichen würde, und sonst keiner anderen Gewalt. „Die Gegenspiegel …“ Wenn die erst standen, konnte Skay Orrigon mit seinen ersten, praktischen Versuchen beginnen … * Es war gut, daß Orrigon sich so beeilte. Der Oberleutnant des Sicherheitskorps, der in diesen Minuten mit seinem Hubschrauber in das Ausweichlager zurückkehrte, betete sogar darum. Im übrigen war er so erschüttert, daß Arthur Flemming ihn anstoßen mußte, als er im Verwaltungszelt vor ihm stand und gierig nach einer Zigarette langte. 43
„Man hat sie überfallen?“ „Ich verstehe das nicht, Sir – es ist mir unbegreiflich.“ „Oberleutnant, bitte …“ „Ich habe sie zum Hospital fliegen lassen. Sie leben, aber das ist auch alles. Wenn ich die Banditen erwische, die das …“ „So berichten Sie doch bitte.“ „Was soll ich viel berichten?“ begehrte der junge Offizier auf. „Wir fanden sie gleich. Sie lagen auf der Route, die wir abgesprochen hatten, gut 60 Meilen von hier. Die Maschine ist ein Haufen trauriger Überreste. Ich nehme an, daß man sie mit Strahlwaffen herabgeholt hat, wenn mir auch da noch manches unbegreiflich ist …“ „Und die drei?“ „Sie hatten schwere Verbrennungen, besonders an der linken Körperseite. Nekkaanen außerdem Stichwunden in der Brust. Er lag etwa zehn Meter von den anderen entfernt, und ich konnte Spuren finden, die auf ein Handgemenge hindeuten. Sein Gegner muß schließlich zu einem Dolch gegriffen haben. Nekkaanen ist am schlimmsten dran – innere Blutungen und so …“ Arthur Flemming wandte sich ab, wurde weiß im Gesicht und taumelte. Der Oberleutnant sprang hinzu, der Verwaltungssekretär fuhr ebenfalls hoch. Arthur Flemming ließ sich schwer auf einen Stuhl nieder und winkte ab. „Es geht schon wieder! Aber wer – um des Himmels willen – wer sollte hier einen Überfall unternehmen?“ „Trauen Sie Marlow so etwas zu?“ „Marlow?“ stieß der Präsident der Siedler hervor. „Den haben sie noch nicht – aber ich weiß nicht – –“ Auf einen Wink des Oberleutnants brach er ab. Im Zelteingang stand vor dem prasselnden Regen einer der Wachtposten. Aus der Höhe herab kam das hohe Singen vieler Antriebe. „Die dritte Gruppe ist da …“ 44
* An der Rundwand brummte es auf … Skay Orrigon hockte gerade vor einem der Schaltkästen und nahm ihn auseinander. Ben Davis war da, und etwas weiter zur Wand hin stand Alice Wolm. Die drei waren allein in der Sonnenspirale. Fredy Harder und die anderen vom Kommando, das Jim Parker für sie abgestellt hatte, waren in der menschenleeren Siedlung und am Grat. „Das wird einer von den Jungen sein“, sagte Alice und ging schon über den braunen Plattenboden. „Laßt euch nicht stören! Ich sehe nach!“ Skay Orrigon knurrte irgend etwas. Alice ging in den Vorraum und sauste im Lift nach unten. Passieren konnte nichts, denn nach der Siedlung zu stand eine Kette von Wachtposten. Außerdem gehörte sie nicht zu den ängstlichen Naturen. Sie fuhr aber doch etwas zurück und streckte wie zur Abwehr beide Arme aus, als die Hermetiktür wegsummte und Gordon Marlow vor ihr stand. Er sah nicht schön aus. Von seinen eingefallenen, schmutzigen Wangen aus wucherte ein Vollbart. Auf der Stirn klebte verkrustetes Blut. Er hatte nicht damit gerechnet, Alice wiederzusehen, aber in seinen tiefliegenden Augen zuckte es auf. „Du …?“ „Gordon!“ stieß sie leise und entsetzt hervor. „Um Gottes willen! Sie suchen dich!“ „Warum? Ich habe nichts ausgefressen!“ „Du versteckst dich wie ein – wie ein Verbrecher – –“ „Ich habe meine Gründe!“ Und dann trat er rasch in den engen Liftschacht und riß sie an sich. Alice wehrte sich, aber sie wehrte sich nur eine Minute lang. Dann legten sich ihre Arme um ihn. Sie preßte sich gegen ihn und stammelte immer nur 45
seinen Namen. Er sagte nichts, er stieß sie plötzlich von sich und stieg in den Lift. Sie konnte sich nicht rühren, sie weinte und wußte es selber nicht. Was nun kam, ging wie ein böser und unwirklicher Traum an ihr vorbei. Gordon Marlow fuhr allein nach oben. Sie hörte den Lift oben im Vorraum einklicken. Gordon! hämmerte ihr Herz. Gordon! Sie stand gegen die bläulichstrahlende Wand des Liftschachts gepreßt und zählte die Minuten. Zehn. Elf. Dann kam der Lift wieder herunter, nur, daß diesmal neben Gordon Marlow Skay Orrigon stand. Sie stiegen aus. Alice Wolm stand regungslos. Gordon mußte an ihr vorbei. Sein Gesicht war noch finsterer als eben. Leer war es, tot, wie ausgelöscht von einem schweren Schicksalsschlag. Skay Orrigon blieb stehen. Auch er war ziemlich blaß. Orrigon bediente die Hermetiktür. Sie glitt seitwärts weg und gab ein Stück der regennassen, dunklen Nacht frei, in die Gordon Marlow hinaustrat. Er tat ihr entsetzlich leid, sie wollte seinen Namen rufen und konnte es nicht – so hämmerte ihr Herz. Die Hermetiktür summte wieder zu. Orrigon atmete heftig. Er wandte sich zum Lift zurück, aber da sprang Alice vor. „Orrigon!“ schrie sie. „Orrigon, was – was soll das – was wollte er – –“ „Ach Sie, Alice“, sagte er erstaunt, als habe er sie noch nicht gesehen. „Kommen Sie …“ „Was wollte Marlow?“ bettelte sie. „Das geht Sie nichts an“, sagte er kurz. * „Dreiundzwanzig Maschinen!“ Der Oberleutnant nickte und sah auf einen maschinenge46
schriebenen Bogen, den er in der Hand hielt. „Dritte Transportgruppe! Dreiundzwanzig Maschinen stark! Stimmt!“ Die Gruppe kam geschlossen heran. Die Maschinen gingen auf dreihundert Meter, wie man es ihnen befohlen hatte, und kamen dann einzeln herunter. Endlich wurden die Menschen hier wach, endlich brach der Bann, der die Frauen und Kinder in den großen, unterteilten Zelten festhielt. Als die erste Maschine auf dem abgesteckten Feld neben dem Verwaltungszelt landete, hörte schließlich auch der Regen auf, und die frühe Dämmerung wich. Aus der lastenden Wolkendecke heraus, die etwas zu steigen schien, floß eine weiße, milchige Helligkeit über das Land und ließ die fernen bewaldeten Hügelketten in einem eigenartigen Zauber aufleuchten. Der Oberleutnant hatte keinen Sinn für die Schönheiten der fremden Planetenlandschaft. Die Maschinen landeten. Eine nach der anderen stieg ab. Sein Gesicht wurde immer länger, und er flehte, den anderen möge noch nichts auffallen. Aber sein Flehen wurde nicht erhört, und es gab erst ein Erstaunen und dann einen einzigen Aufschrei. „Jeffer Wolms Maschine fehlt!“ „Damned!“ murrte der Oberleutnant aus ganzem Herzen und sah sich mit glasigen Augen im Aufruhr der Siedler und SC-Männer um, der wie eine Brandung über ihm zusammenschlug. Nur zweiundzwanzig Maschinen waren angekommen. Arthur Flemming winkte ihn beiseite. Ein Sergeant raste an ihnen vorbei zum Funker. „Er kann verunglückt sein, Oberleutnant! Er flog allein! Alice ist in der Sonnenspirale geblieben!“ Der Oberleutnant sah sehr böse aus. Für ihn war dieser neue Zwischenfall ein Alarm! Er glaubte nicht mehr an Abstürze – er hatte eine gute Nase, und die hatte noch nie getrogen – – Er holte sich den Führer der dritten Transportgruppe und flog mit ihm die Route bis zur Siedlung ab. Kehrte wieder um. Hörte über Sprechfunk, daß sie bereits Jim Parker alarmierten. 47
„Auf der Route liegt er nicht!“ „Dann muß er ausgeschert sein.“ Hier im Gebiet der Siedlung regnete es noch. Ein feiner, sprühender Vorhang erschwerte ihnen die Suche. Sie mußten alle Scheinwerfer aufstrahlen lassen. Nach vier Stunden fanden sie Wolms Maschine. Sie schien ordnungsgemäß heruntergekommen zu sein und drückte sich bereits in den weichen Wiesenboden. Als sie die Kiste untersuchten, fanden sie allerdings an der Backbordseite tiefe Brennspuren, die nur von einer Strahlwaffe stammen konnten. „Der ist ebenfalls heruntergeholt worden“, grinste der Oberleutnant böse. Von Jeffer Wolm fehlte jede Spur. * „Dieselben Spuren, Oberleutnant?“ Wenige Stunden später mußte der geplagte Oberleutnant dem Kommodore berichten, der ihm mit Wernicke im Klimazelt der Verwaltung gegenübersaß. „Dieselben, Kommodore …“ „Brennstärke?“ „Zwischen 91 und 96!“ „Nicht schlecht! Nettes Kaliber, was, Fritz?“ Draußen drängten sich die Einwohner von „Großer Bär“Siedlung. Jeffer Wolm war verschwunden! Das war ein Schlag; denn sie hatten ihn alle gern, den brummigen Bären. Aber sie wußten auch bereits, daß man drei brave Jungen hatte ins Hospital schaffen müssen. Ein böses Wort wurde wach, sprang zu, wurde immer mächtiger: Gangster! Es war unfaßbar, und früher hätte man es unter allen Umständen zurückgewiesen – aber – war es doch so? Gangster auf Transpluto? 48
„Marlow! Marlow hat es getan! Der Bursche ist seit Monaten wie vom Teufel besessen – säuft und – –“ „Marlow! Warum fangen sie den Kerl nicht?“ Jim Parker kam aus dem Zelt. Er war ernst. Als er die Siedler sah, klopfte er rasch einigen auf die Schulter. Aber er sah viele mißmutige Gesichter – – Skay Orrigon – beeile dich! Die Suche begann. Von Wolms Haus und Marlows Wohnräumen ausgehend, und dann über das ganze Tiefland hin, auch über das Hochland. Jim Parker war der Motor dieser Aktion, die pausenlos lief. Sie suchten drei Wochen lang, aber sie hatten keinen Erfolg. Inzwischen wuchs das Werk: Die Gegenspiegel waren in die Fundamente an der Gratkante eingelassen und in ihnen befestigt worden. Zwei ferne Raumschiffe standen bereit zu einer großartigen kosmischen Energiesteuerung. Jim Parker suchte noch einmal die Siedlung durch. Er fand nichts. * „Sieh mal ’raus, Ellen!“ Drei Wochen rundeten sich zum ersten Monat. Heute sollte der A-Schirm übers Land um die Siedlung gelegt werden. Radioaktive, strahlende Dunstschleier würden sich als Vorboten der großen Umwandlung über die Siedlung und das Land breiten. Im Bedienungsraum der Sonnenspirale trugen sie bereits feste, weiße Schutzanzüge, in denen sie wie gespenstische Fabelwesen aussahen. Ellen Flemming trat an die gläserne Rundwand und sah zur Siedlung hin. „Das ist unheimlich“, sagte sie leise und bedrückt, „man weiß, daß irgendetwas im Gange ist – und sie fangen sie nicht – –“ Gegenüber von Jeffer Wolms Haus stand ein Posten des Si49
cherheitskorps, und daneben standen Raumflieger der Sonderstaffel. Auch sie trugen die weißen Schutzanzüge. Ellens Blick ging nach oben, wo aus der Wolkendecke ein rotes Glühen hervorbrechen und die erzwungene Umwandlung der Atmosphäre einleiten sollte. Sie wandte sich wieder Skay Orrigon zu, sah dann aber Alice Wolm eintreten. Alice machte eine verzweifelte Handbewegung zu ihr hin und trat gleich wieder in den Vorraum hinaus. Mit wenigen Schritten folgte Ellen. „Was ist denn, Kind?“ sagte sie warm und legte ihren Arm um die Freundin. „Du hast wieder nach unserem Haus rübergesehen, Ellen! Ich kann bald nicht mehr! Was ist mit Vater, und warum verfolgen sie Gordon Marlow?“ Ellen konnte ihr keine Antwort geben. Drinnen nahmen sie bereits die ersten Schaltungen vor. „Harder ist noch unten in der Siedlung“, knurrte Orrigon. „Er soll bald ’raufkommen!“ „Er weiß doch, wann wir anfangen!“ * Fredy Harder war nicht allein. Er ging im Schutzanzug durch dunkle Straßen und an leeren Häusern vorbei. Neben ihm einer, der leise und vorsichtig auf ihn einsprach. „Du mußt mir helfen, Harder!“ „Das habe ich dir versprochen!“ „Ich kann es nicht allein finden“, sagte sein Begleiter und sah sich scheu um. Der Wind seufzte in dieser Verlorenheit. Irgendwo summte es wie von einem atomaren Antrieb. Harder und sein Begleiter fuhren herum. Ein Hubschrauber schwebte wie ein großer Raubvogel mit roten und grünen Positionslichtern über ihnen und entfernte sich mit Ostkurs. 50
„Verdammt, wenn der uns gesehen hat!“ „Glaube ich nicht!“ beruhigte Harder den anderen, während sie an der Ecke zur Nordstraße stehenblieben und sorgsam um sich sahen. „In zehn Minuten kommt der A-Schirm! Der dort oben hat andere Sorgen! Hier ist kein Posten.“ „Es sind nur noch drei in der Siedlung!“ „Los!“ „Harder …?“ Skay Orrigon sah auf den roten Querbalken, der vor ihnen über den Schaltkästen über eine leuchtende Skala nach links auf eine Null zuglitt. „Noch nicht da …“ Orrigons Kopf fuhr herum. „Das gibt es doch gar nicht! Ellen, hol ihn ’ran!“ Ellen Flemming stellte bereits an ihrem Sprechfunkgerät, aber bevor sie Harders Frequenz hatte, hörte sie hinter sich einen scharfen, kurzen Ausruf von Ben Davis. Skay Orrigons Rechte schaltete in derselben Sekunde voll, in der der Querbalken auf die Null traf – – Der A-Schirm legte sich aus der Wolkendecke über das Land und die Siedlung. Sofort wurde jeder Funkverkehr unmöglich. Ellen hob die Schultern. * Die neue Kraft kam. Die dichte Wolkendecke wehrte sich, sie spürte, daß die großen Gebilde am Grat eine Kraft auszuströmen begannen, die sie vernichten, auflösen, wegwischen sollte. Von der fernen Sonne kam sie – – Der Hubschrauber, der eben die Siedlung passiert hatte, raste mit vollgeschaltetem Antrieb ostwärts. Die drei Mann in der 51
Bugkanzel wußten, warum sie sich so beeilten. Sie hatten gehört, daß es nicht gut sei für atmende Lebewesen, sich ohne festen Schutzanzug in einem, von einem A-Schirm bestrahlten, Gebiet aufzuhalten – und sie hatten sich etwas verspätet. Das aber war nicht der einzige Grund für ihre Eile. Sie sprachen nicht viel miteinander nur, als sich auch hier in der Bugkanzel einer der drei vom Sprechfunk abwandte und auf den kleinen Kontrollkreis zeigte, der nicht mehr leuchtete, fluchten sie auf. „Damned! Und zurück können wir nicht mehr!“ Hinter ihnen brach die Hölle los, die dieses Land befreien sollte. Dort herrschte jetzt Skay Orrigon über Gewalten, die er von der fernen Sonne herbeirief, und wußte, daß er die Tat seines Lebens vollbringen sollte … „Der Kommodore …“ Der Mann an der Steuersäule des Schraubers nickte und zog noch etwas an. Sie gingen auf vierhundert Meter hinab, um den Auswirkungen des A-Schirms zu entgehen. So rasten sie auf die Ausweichsiedlung zu, vor der sich zwei Masten mit strahlenden Signalballons erhoben – – Hier war so ziemlich alles auf den Beinen. Sie sahen nach Süden, wo die weißzähe Wolkendecke unter der furchtbaren roten Glut brach, die aus ihr hervorfingerte. Die Maschine setzte auf. Zwei Männer sprangen hinaus und rannten, an verdutzten Frauen vorbei, auf die Freunde zu, die mit Arthur Flemming auf einer hohen Plattform standen. Wernicke reichte gerade eine sicherlich nicht ganz harmlose Flasche herum. Jim Parker schüttelte den Kopf. Die beiden Ankömmlinge kletterten einfach die Leiter hoch. Ihre Schritte hämmerten kurz über Leichtmetallplatten. „Kommodore“, meldete einer der beiden knapp. „Wir glauben, in der Siedlung Marlow gesehen zu haben – wir wollten über Sprechfunk Alarm geben, aber – –“ 52
„Marlow?“ „In Begleitung eines Assistenten von Orrigon! Wir hatten sie im Bildschirm.“ „Das ist …“, setzte Wernicke an und ließ in drei großen Schlucken über die Zunge rinnen, was verheißungsvoll in der Flasche gluckerte, „… das ist allerdings ein Grund, um gleich einmal nachzusehen, großer Häuptling, und …“ Jim war schon an der Leiter. „Komm, Wernicke!“ * Das Feuer siegte … Immer siegte dieses Element, wenn es von den Menschen kontrolliert und gelenkt wurde, wenn dahinter raffinierte Überlegungen der besten Wissenschaftler standen. Als Jim Parker und Wernicke über die Stufen nach unten kletterten, schossen aus der Glut, die von einem Punkt, der genau 85 Meilen südlich der Sonnenspirale lag, nach Osten und nach Norden lief, an drei weit voneinander gelegenen Stellen mächtige rote Blitze hervor und fuhren pfeifend herab. Sie schlugen tiefe Krater in den weichen Wiesenboden. Vom Bedienungsraum aus beobachteten sie atemlos die Veränderung der Natur, die draußen einsetzte. Der aufgerissene Boden warf sich in hohen Fontänen der Glut des brennenden Wolkenhimmels entgegen. Ein Grollen erhob sich, das seltsam dröhnend und unruhig in der Luft blieb – – Vor Skay Orrigon tanzten Zahlen. Er sah nichts von dem, was sich draußen im Flammentanz der schaurigen Verwandlung abspielte. In der Ferne startete ein Hubschrauber. Skay Orrigon sah nichts, aber sein Herz schlug stark und ruhig im Rhythmus des Geschehens. Es wurde aber unruhig, als 53
eine der Zahlen aus der Reihe zu tanzen begann. Die 36. Auf sie kam es jetzt an. Sie mußte sich drei Strich hinter dem Querbalken mit einer Null vereinen. Aber sie zögerte, sie wurde von der Sieben angezogen, die etwas weiter links stand. 36 war der errechnete Wert im Zentrum der Ausstrahlung, und das unruhige Pendeln dieser Zahl auf der Skala konnte nur bedeuten, daß die Strahlung. die konstant zu bleiben hatte, im Ausstrahlungspunkt selbst zu schwanken begann … Noch war keine unmittelbare Gefahr – noch nicht – – „Damned! Wir müssen die Schiffe haben …“ Ben Davis rannte zur Glasbox hin. * Das Dröhnen verging – – Der Mann des Sicherheitskorps, der auf einer der Siedlungsstraßen seine Wache schob und gegen das Grauen kämpfte, das ihn in dieser Verlassenheit ansprang, als der Himmel über ihm sich zu verwandeln begann, beugte sich plötzlich vor. In Wolms Haus flammte das Flutlicht auf. Er glaubte einige Herzschläge lang, es hänge irgendwie mit dem Einschalten des A-Schirms zusammen, aber dann stellte er fest, daß es hinter den Fenstern der anderen Häuser dunkel blieb. Der SK-Mann atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. Über ihm schloß sich wieder die Wolkendecke, aber um ihn begannen die Strahlungen zu wirken, die von der Sonne zum Transpluto geleitet wurden. Der SK-Mann spürte es noch nicht. Er raste los. Ein weißes Fabelwesen, das über die menschenleere Straße rannte, sich gegen die Tür von Wolms Haus warf, die abgesperrt war, sich dann besann, den Knopf drückte und noch nachhalf, als sie nicht schnell genug wegglitt. Er handelte zu unvorsichtig. 54
In der Diele stand einer, der etwas nach ihm zu werfen schien. Die Nacht krachte über ihm zusammen. * Der Transpluto rief – – Undeutlich kamen die Zeichen über den TTK-Funk an das Raumschiff „A-Q-A“, das in diesen Minuten 3 Millionen Meilen vom Planeten Uranus ab stand. Das Raumschiff hatte sechzehn Mann an Bord. Äußerlich unterschied es sich nicht von den meisten aerodynamisch geformten Raumschiffen für den innerplanetarischen Verkehr, nur daß es vorn am Bug zwei leuchtende Totenköpfe trug. Die sechzehn Mann erhielten mit die höchsten Gehälter, die in der irdischen Raumfahrt gezahlt wurden. Ihr Schiff, das sich immer in einer bestimmten Stellung zur Sonne, Uranus und Transpluto halten mußte, war nichts anderes als ein Labor im Weltall, das die Energien der Sonne mit einem raffinierten Röhrensystem aufnahm und über das Schwesterschiff „A-O-B“, das 528 Millionen Meilen ab stand, zum Transpluto weiterschickte. Von der Mitte an bis fast zum Heck besaß das Raumschiff eine durchsichtige Außenhaut, unter der der eigentliche Arbeitsraum lag. In ihm stand über einem System von dünnen roten und blauen Röhren eine Säule, die rasend zu rotieren begann, sobald von der Sonnenspirale auf Transpluto das Signal „MTX“ durchkam. Von dem Augenblick an war das Leben für alle sechzehn Mann an Bord eine sehr gefährliche Angelegenheit. Die rotierende Säule enthielt die Flüssigkeit „Tabu II“, die Chemiker des S.A.T. nach indischen Angaben geschaffen hatten und in der sich die Urkraft des Sonnensystems ballte. Wenn die 55
Säule zu rotieren begann, nahm „Tabu II“ die Sonnenkraft auf und vereinte sie mit den eigenen Energien. Das Signal war vor einer Stunde gekommen. * Wieder rief der Transpluto – – Kapitän Schneider stand gerade an der Elektronenoptik und überprüfte noch einmal den Abstand des Schiffes von der grauwogenden Oberfläche des Uranus – was an sich überflüssig war, da zwei Spezialisten an Bord das Raumschiff immer in seiner richtigen Position hielten –, als sein Nachrichtenmann aus der Funkkammer kam. Schneider sah, daß er sehr blaß war. „Was ist …?“ „Transpluto meldet eine Abweichung von 0,8“, sagte der Nachrichtenmann, und rannte auf den Mittelgang hinaus. Schneider stand für Sekunden regungslos und starrte ihm nach. Eine solche Abweichung war gefährlich. Die Ursache mußte bei ihnen liegen. Schneider wollte nach achtern. Er folgte dem Nachrichtenmann. Auch ihm war nicht wohl zumute. Auf dem Mittelgang blieb er plötzlich stehen und schnupperte wie ein junger Hund. Dann warf er sich geradezu vorwärts. Noch vor dem großen Mittelschott stolperten ihm zwei Raumflieger entgegen, die von achtern kamen und aussahen, als müßten sie sich jeden Augenblick übergeben. Schneider brüllte ihnen etwas zu. In diesem Augenblick brach die Katastrophe über die „A-Q-A“ herein. Einer der beiden vor ihm taumelte und brach in die Knie, preßte die Rechte gegen den Magen und fiel dann würgend vornüber. Die Atemluft, die über summende Luftverteiler kam, wurde süßlicher und nahm eine beißende Schärfe an. 56
Schneider kam noch zum großen Mittelschott, das geöffnet war. Er riß eine der Atemmasken an sich, die daneben hingen, und schloß es hinter sich. Die „Tabu II“-Strahlen würden durchdringen, aber es konnte Tage dauern, oder wenigstens Stunden. Die Atemmaske gab auch nur eine Galgenfrist, doch er stülpte sie über, während er sich der großen, ovalen Schleuse vor dem „Tabu II“ Raum entgegenwarf. Auch die Schleuse war offen. Vier Männer lagen bewegungslos in ihr. Das erste, was Schneider sah, als er auch die Schleuse hinter sich hatte, waren weitere acht Männer, die mitten im „Tabu II“Raum über dem Röhrensystem lagen, verkrümmt, mit weit zurückgeworfenen Köpfen, regungslos bis auf einen, der verzweifelt mit rudernden Armen nach Luft rang. Schneider warf sich flach zu Boden. Ich muß sie warnen! Wir sind erledigt, aber vielleicht können sie vorn noch aussteigen und den Kasten sprengen und noch einmal den Transpluto anrufen … Tut mir leid, Orrigon, aber sieh dir die Schweinerei an. Die „Tabu II“-Säule? Bitte, Orrigon – dort! Die Säule war geborsten. * Noch wußten sie es auf Transpluto nicht. Jim Parker und Fritz Wernicke versuchten, von ihrem Hubschrauber aus, der wie eine surrende Riesenlibelle über das Land jagte, die Sonnenspirale und auch das Hochland anzurufen, aber es war immer noch nicht möglich. Die Siedlung drehte sich heran. Jim steuerte. Wernicke hockte neben ihm und beugte sich weit vor, um die Häuser und die Siedlungsstraßen besser übersehen zu können. Sie gingen auf sechzig Meter hinunter. Die 57
Wolkendecke hatte sich wieder geschlossen, aber die späte Nacht wurde von einem seltsamen und unruhigen Zwielicht beherrscht. Rechts von ihnen glitt die Sonnenspirale schräg weg. Wernicke stieß Jim an. „Da!“ sagte er aufatmend und erstaunlich gelassen, „Wolms Haus ist hell …“ Jim sah es und reagierte richtig. Er setzte die Maschine auf die Straße. Wernicke riß seine Strahlwaffe heraus. „A-Q-A antwortete nicht …“ „Sie müssen doch antworten, Ben!“ „Zum Teufel, Boss – sie tun es aber nicht!“ Skay Orrigon sah die Zahlen tanzen. Noch hielt er den ASchirm auf vorgesehene Stärke, aber in einer Stunde würde automatisch die doppelte Stärke wirksam werden und würden sich auch die Gegenspiegel einschalten. Dann kam es darauf an. Aber die Zahlen – die verdammten Zahlen! „Wir können nicht mehr abbremsen“, sagte Orrigon leise und fast verzweifelt. Ben Davis kam heran und blickte ihm über die Schulter. Weiter zurück standen die vom Kommando – schweigend, nichts wissend und doch vieles ahnend … „Damned, Orrigon!“ Sie sahen sich an. * „Die Tür steht offen …“ Die hellerleuchtete Front des Wolmschen Hauses glitt zu ihnen hoch. Dann gab es einen Ruck. Wernicke war schon draußen und rannte auf die Tür zu – Die beiden trugen Schutzanzüge. Jim ließ den Antrieb laufen, blockierte aber die Startdüse und 58
folgte dem Commander. Die Straße herauf kamen zwei Gestalten, die die Abzeichen der Sonderstaffel trugen. Sie sahen gerade noch den Kommodore im Haus verschwinden und folgten ihm ohne weiteres. Sie bekamen die dickste Zigarre ihres Lebens. In der Diele beugten sich Jim Parker und Wernicke über den SK-Mann, der sich benommen aufstemmte. Über seine linke Schulter lief die Spur einer Strahlwaffe. Jim Parker sah nicht sehr freundlich aus. „Ihr habt einen gesunden Schlaf, meine Herren!“ „Kommodore“, sagte der eine atemlos, dessen Ärmel die Sergeantenringe trugen, „wir …“ Jim warf ihm einen Blick zu, der dem armen Teufel unruhige Nächte bereitete. Dann ging er die Diele entlang zu einem Wohnraum, zu dem die Tür offenstand. Die beiden von der Sonderstaffel folgten ihm, während Wernicke mißtrauisch auf das giftrote Glühen sah, das wieder in der Wolkendecke aufgeisterte. Jim sah sich im Wohnraum um. Er war leer, aber es war klar, daß es hier lebhaft zugegangen war. Die Möbel aus leichten Kunststoffen und der etwas schwerere Bücherschrank an der Wand, in dem Jeffer Wolm statt literarischer hochalkoholische Genüsse aufzubewahren pflegte, lagen in einem traurigen Durcheinander mitten auf dem blauen Teppich aus sirianischen Stoffen. Die Flutlichtröhre, die an der ebenfalls blauen Wand zu einem Kreis verlief, war vollgeschaltet. Jim Parker sah, daß hier zwischen Papieren gewühlt worden war, die zerrissen und zerknüllt zwischen den Möbeln herumlagen. Er sah aber noch mehr, und das erschütterte ihn so, daß er wie angewurzelt stehenblieb: Im benachbarten Schlafraum, dessen Tür ebenfalls offenstand, lag Jeffer Wolm neben einem niedrigen Ruhelager auf dem Rücken – er hatte anscheinend das Ruhelager nicht mehr erreicht. 59
Er trug den Wulstanzug, in dem Jim ihn kurz vor der Evakuierung gesehen hatte. Jim Parker blickte in das graue, grobe Gesicht, als er mit den beiden von der Sonderstaffel näher trat. Jeffer Wolm, was hat sich bei dir zugetragen? Jeffer Wolm antwortete nicht – er konnte es auch nicht mehr. Er hatte den letzten Atemzug getan. „Tot!“ sagte Jim leise – was dann geschah, ließ ihn das Wort „ermordet“ nicht mehr aussprechen. Draußen bellte der Abschuß einer Strahlwaffe. Wernicke rannte hinaus. * Das Glühen wurde stärker. Gleichzeitig breitete es sich rasend schnell ostwärts aus. Von der Ausweichsiedlung aus sahen sie es am Himmel heranlaufen … Wie ein unheimliches Phantom. Dr. Irene Asmussen lächelte und beruhigte die Frauen, die mit ihren Kindern am westlichen Ende der Siedlungsstraße standen und schweigend in die Nacht sahen, die bald in der ersten Morgendämmerung vergehen mußte. Als sie aber das Zelt der Verwaltung betrat, lächelte sie nicht mehr. „Es kommt direkt auf uns zu“, sagte sie mit belegter Stimme zu einem Leutnant. „Was bedeutet das?“ „Ich weiß es nicht, Doktor! Wir haben keine Funkverbindung mehr mit dem Westen …“ „DG-Anzeiger!“ Gleich darauf sahen sie es. Was vom Westen her am Himmel heranlief, war nichts anderes als der A-Schirm. Der Leutnant wich zurück, aber Irene packte seinen Arm. „Nichts sagen, Williams! Kein Wort! Um Gottes willen!“ 60
„Das ist der Tod!“ Irene sah ihn verzweifelt an. „Was tun wir nur?“ * Wernicke fluchte. „Essig und Milch über sie!“ Dabei rannte er die Straße hinunter, den beiden Gestalten nach. Vom Haus her kam Jim Parker. Die beiden vor ihnen hatten einen Vorsprung von einigen hundert Metern. Wieder feuerte Wernicke aus seiner Strahlwaffe über ihre Köpfe. Der Strahl zischte schräg zu den Dächern der Häuser hoch, die unter der Glut des Himmels zu brennen schienen. „Den linken kenne ich! Das ist Marlow!“ „Marlow!“ hallte es über die Straße. „Bleib stehen, oder wir halten tiefer!“ Jim Parker spurtete los, wie nur er es konnte. Der Schutzanzug hinderte ihn und trieb ihm den Schweiß aus allen Poren, aber er wollte Gordon Marlow haben – das war es – – Gordon Marlow spürte es. Sein rechter Arm schoß vor, packte Fredy Harder, der neben ihm dahinjagte, und hielt ihn zurück. „Laß! Keine Dummheiten mehr! Wir Idioten!“ Fredy Harder riß es beinahe zu Boden, er warf sich aber nach vorn und heulte fast vor Aufregung. „Laß mich los! Ich …“ Gordon Marlow wollte auf einmal nicht mehr. Er hatte genug. Und er war kräftiger als Harder. Als Jim Parker und Wernicke heran waren, standen die beiden ruhig da und nahmen die Arme hoch, ohne daß sie erst dazu aufgefordert wurden. „Ich stehe zur Ihrer Verfügung, Kommodore!“ sagte Marlow knapp. „Verhaltet euch beide ruhig! Ich nehme Sie fest unter dem dringenden Verdacht des Mordes an Jeffer Wolm!“ „Wir haben Wolm nicht ermordet!“ 61
* Skay Orrigon schrie auf. Es hörte sich so schrecklich an, daß Ellen Flemming vom Vorraum herankam. Sie sah noch, wie sich Skay Orrigon über einen der Schaltkästen beugte, und mit glasigen Augen und unsagbar dumm auf die rote Skala blickte. Der A-Schirm erhielt keine Impulse mehr. Seine Strahlen ballten sich in der Atmosphäre und entarteten – sie machten sich gewissermaßen selbständig und waren dann nicht mehr zu kontrollieren. Die von der fremden, mächtigen Kraft gepeinigte Wolkendecke würde den tausendfachen Tod über weite Gebiete streuen – und das in kurzer Zeit. So war das in diesen Sekunden. Skay Orrigon wußte, daß sie noch eine Chance hatten. „Schicke sie alle ’raus!“ sagte er hart und doch verhalten zu Ben Davis. „Verflucht – jag sie ’raus!“ Ellen Flemming ahnte vieles, begriff aber noch nichts. Sie begriff auch nicht, warum Ben Davis auf sie zukam, sie ohne ein Wort zu sagen packte und hochhob, um sie zur Schottür des Vorraums zu tragen, die sich bereits vor ihnen öffnete. „’raus! Alles ’raus!“ sagte er dabei. Skay Orrigon war entschlossen, die letzte Chance zu nutzen. Wenn sie ihm unter der Hand wegglitt, war die größte Katastrophe dieses Planeten nicht mehr aufzuhalten, die bereits 40 oder 50 Meilen von ihm entfernt begann, mit weißen, blendenden Blitzen den Wiesenboden zu peitschen. Davis kam wieder zurück. Sie verstanden sich. Schweigend lösten sie die Schaltkästen von den Streben, die sie über dem schräg in die eigentliche Spirale hineinführenden A-Schacht hielt. In dem Schacht leuchtete ein kleines rotes Ding auf – rund und scheinbar schwebend – – 62
„Sie können das nicht ’rausreißen, Boss“, warnte Ben Davis aufgeregt. „Es wird Sie verbrennen, Boss! Warten Sie …“ Aber Skay Orrigon griff schon in den Schacht. * „Wir haben ihn nicht umgebracht …“ Sie standen wieder im Wohnraum. Fredy Harder blickte scheu zu dem Toten hin, sah weg, schluckte krampfhaft und mußte doch wieder hinblicken. Gordon Marlow war härter. Jim Parker stand abwartend und aufmerksam an der Tür. „Ich nehme an, Sie haben mir einiges zu berichten.“ „Jeffer Wolm war bereits tot, als wir beide hier eindrangen.“ „So! Sie geben also zu, hier eingedrungen zu sein!“ „Das geben wir zu, Kommodore!“ „Sie haben sich in der letzten Zeit zu einem Abenteurer entwickelt, Marlow!“ „Kommodore, wenn Sie mich einige Minuten anhören …“ „Ich warte auf Ihre Erklärung“, sagte Jim Parker ruhig und sah zum Fenster auf die Straße hinaus, die in einem unruhigen, sich immer wieder lautlos und gespenstisch verwischenden roten Schein dalag, der ihm irgendwie nicht gefiel. Fredy Harder setzte sich auf einen umgestürzten Stuhl und sah auf seine Hände, die er auf die Knie legte. „Jeffer Wolm war ein Gangster“, fuhr Gordon Marlow fort. In Jims Augen glühte es. „Können Sie das beweisen?“ „Ich bleibe dabei! So leid es mir tut, denn ich liebe Alice Wolm sehr. Aber Wolm war ein gewissenloser Mensch! Das geht aus den Schriftstücken hervor, die ich hier fand. Wolm hat als Raumkapitän dunkle Geschäfte gemacht! Ich verstehe nicht, daß die Abwehr des Weltamtes für Astronautik nicht schon längst dahintergekommen ist! Aber das war für Harder und mich nicht wichtig.“ „Was war denn für Sie wichtig?“ 63
* Dr. Irene Asmussen stürzte hinaus. Von irgendwoher kam Arthur Flemming. Beunruhigt wie alle, die es vom Osten her in der Wolkendecke rotglühend herankommen sahen. Sie packte seinen Oberarm und zog ihn hinter den Zelteingang. „Wir müssen ’raus“, hetzte es atemlos über ihre Lippen. „Das ist der A-Schirm, und er kommt auf uns zu – ich weiß aber nicht, wohin wir sollen …“ „Das ist nicht möglich, Irene“, schüttelte er den weißen Kopf und wollte das Hämmern des eigenen Herzens nicht spüren. „Wenn wir in Gefahr wären, hätte man uns vom Hochland aus gewarnt …“ Er brach aber ab, als ihm einfiel, daß es keinen Funkverkehr mehr gab. und daß die schnellste Maschine hinter dem heranfingernden Phantom zurückbleiben mußte. Diese Erkenntnis war wie ein harter Hieb in die Magengrube … Seine Stimme begann zu flattern, fing sich wieder. „Wir kennen aber die Richtung der Strahlung nicht …“ Die eigentliche Front der immer näher kommenden Glut war noch gut 140 Meilen entfernt, aber sie schickte ihren ersten Windstoß voraus – hart – knallend – ungut – – In ihm brach die Panik los. Die meisten Frauen und Kinder von „Großer Bär“-Siedlung und einige Männer standen am Ende der Zeltstraße, als der Windstoß sie traf. Sie duckten sich entsetzt. * „Was war für Sie wichtig?“ „Ich wollte mich davon überzeugen, daß Jeffer Wolm, und 64
nicht ich, das Aufbrennen der Spirale vor drei Monaten ausgelöst hatte …“ „Das sind ja phantastische Dinge“, sagte Jim ironisch, aber auch voller Aufmerksamkeit. Gordon Marlow sah ihn an. Gewiß, er sah nicht angenehm aus, er war schmutzig und roch auch so wie einer, der sich wochenlang in der Wildnis dieses Planeten verkrochen hatte – aber sein Blick war erstaunlich offen – „Ich habe vor acht Jahren in Paris bei Professor Quinn gearbeitet, ich und Skay Orrigon. Wir beide kennen uns gut. Quinn entwarf damals seine ersten Pläne für eine Sonnenspirale zur Übermittlung starker solarer Energien nach sonnenfernen Planeten. Seine Arbeiten steckten in den Kinderschuhen, aber er war ein sehr eigenwilliger Mensch, der sich von anderen nicht gern etwas sagen ließ. Ich erkannte, daß sein Projekt im Prinzip richtig war, in verschiedenen Details aber grobe Fehler aufwies. Als ich ihn einmal darauf aufmerksam machen wollte, verbannte er mich aus seiner Umgebung. Ich ging dann zur Raumfahrt und wurde vom S.A.T. an Ihre Organisation überwiesen, Kommodore …“ „Ich weiß.“ „Im stillen hoffte ich, von mir aus die Erschließung des Transpluto durch Sonnenenergie vornehmen zu können, aber es scheint mein Schicksal zu sein, immer zu spät zu kommen.“ „Sie werden theatralisch, Marlow“, wehrte Jim Parker ab, aber er sagte es ohne Ironie. „Als ich einige Monate hier auf Transpluto war, erfuhr ich, daß Quinn kommen und die Sonnenspirale bauen sollte. Ich hielt mich zurück, aber eines Tages traf ich ihn vor der Siedlung, ohne daß ich es wollte. Er hatte anscheinend seinen Groll überwunden und lud mich ein, seine Arbeiten zu besichtigen – er schlug mir sogar vor, wieder sein Assistent zu werden …“ „Warum gingen Sie nicht darauf ein?“ 65
„Weil ich neue Schwierigkeiten mit ihm voraussah, denn ich mußte bald feststellen, daß dieser Bau dieselben fehlerhaften Details aufwies wie seine ersten Modelle. Ich hatte inzwischen diese Probleme, die er anscheinend nicht ausreichend beachtete oder mit denen er nicht fertig wurde, selber gelöst. Ich schwindelte ihm irgend etwas vor, damit er sich nicht offiziell um mich bemühte. Als ich ihn schließlich in der fertigen Spirale besuchte, konnte ich mich nicht mehr halten. Ich zeigte ihm meine eigenen Entwürfe, die von anderen Voraussetzungen ausgingen. Er prüfte sie, verschlossen, ironisch, wie er dann immer sein konnte, und nahm schließlich zwei kleinere Schaltungen nach meinen Angaben vor. Dann aber brauste er plötzlich wieder auf, nannte mich einen verdammten Angeber und wies mich aus der Spirale …“ „Sie gingen …“ „Ich ging, aber ich hatte die Siedlung kaum erreicht, als das Unglück geschah. Sie können sich denken, Kommodore, wie mir zumute war.“ „Sie glaubten, das Unglück sei durch die zwei Schaltungen ausgelöst worden?“ „Es war natürlich unsinnig, aber es war so. Ich verlor mein Selbstvertrauen und rutschte einfach aus. Ich begann zu trinken, versäumte meinen Dienst, aber das wissen Sie ja, Kommodore! Es war nur ein Glück, daß einer der beiden Assistenten Quinns mir gesagt hatte, sein Chef sei mit Jeffer Wolm befreundet, und dieser habe schon dreimal heimlich die Spirale besucht. Als mir aber Chefingenieur Harrison einmal ziemlich schief kam, floh ich und vergrub mich in der Einsamkeit der Seenplatte. Ich wußte, daß ich unüberlegt und sinnlos gehandelt hatte, aber ich wollte Ruhe haben, um mit mir selber ins reine zu kommen.“ Gordon Marlow wandte sich ruckartig ab und starrte auf die Straße, die auf eine seltsame Art zu leben schien, unter der roten Glut des aufgerissenen Himmels. 66
„Weiter, Marlow!“ „Weiter?“ Gordon Marlow riß sich zusammen, sah aber immer noch zum Fenster hin. „Ich überprüfte in einer Höhle noch einmal meine eigenen Pläne und Berechnungen und fand heraus, daß sie gut waren und das Unglück nicht hatten auslösen können. Ich wollte mich rechtfertigen. Als ich in die Siedlung kam, war sie inzwischen evakuiert worden, und in der Sonnenspirale traf ich auf Skay Orrigon. Das war schon ein ziemlich harter Tiefschlag, aber als dann bei der Unterredung mit dem völlig überraschten Orrigon herauskam, daß er sich ebenfalls seit Jahren mit den Problemen befaßt hatte, die mich beschäftigten, und daß er eine Lösung gefunden hatte, die noch besser war als meine, verzweifelte ich – –“ Jim Parker ging auf Gordon Marlow zu, und nun geschah es, daß sich seine Rechte auf die Schulter des Fachassistenten legte – er glaubte ihm und verstand ihn auch. „Das ist bitter, Marlow, das verstehe ich! Aber warum sind Sie dann noch hier eingebrochen …?“ Wernicke kam herein. Er winkte kurz und rannte gleich wieder auf die Straße zurück. Jim Parker kümmerte sich nicht mehr um die beiden, die er eben noch gejagt hatte. Aber sie folgten ihm ohne weiteres. „Sie geben SOS“, sagte Wernicke rauh. Er stand draußen mit den beiden von der Sonderstaffel und sah zur Sonnenspirale hinauf. Jim befürchtete schon ein neues Aufglühen der Spirale. Aber sie stand weiß und mattglänzend gegen den Aufruhr planetenfremder Kräfte. „Sie geben SOS!“ Sie sahen, wie sie oben im Bedienungsraum die Flutlichtanlage ausschalteten, wieder einschalteten, wieder aus … „Sie können sich nicht mehr helfen! Da scheint so ziemlich alles hinüber zu sein!“ Gordon Marlow rannte los. 67
* Ein zweiter Windstoß jagte heran. Auch er prallte hart und trocken und mit aber tausend glühenden Nadeln gegen ihre Gesichter. Sie duckten sich noch tiefer. „Ich kann nicht mehr sehen“, wimmerte aus der Beuge heraus eine ältere Frau und sackte vornüber. „Ich bin blind! Ich bin blind!“ Sie war es nicht allein. Der radioaktive Wind blendete viele. Sie starrten aus großen, weitaufgerissenen Augen tierisch und angstvoll, und konnten doch nicht wahrnehmen, was vor ihnen war. Ein Vorhang fiel. Dunkel. Schwer. In den Schläfen dröhnte ein Schmerz auf. „Ich bin blind! Helft mir doch! Helft mir …“ Die ersten warfen sich herum und rannten los. Faßten die Kinderhände fester, hoben auf, was weinend und nichts verstehend neben ihnen trippelte – Irgendwo ein Ruf: „Rennt doch nicht so! Ihr rettet euch doch nicht! Das ist der Tod – den haben die Helden in der Sonnenspirale auf euch gehetzt.“ Der Ruf säte den Haß. Der Haß säte die Wut, nahm ihnen die Fähigkeit, vernünftig zu denken, und ließ sie zu Kreaturen werden, die nur noch leben wollten – – Sie rannten auf die Verwaltung zu. Der erste Aufruhr erschütterte die „Organisation Andromeda“ am Rande der irdischen Welt. Zwei traten ihnen entgegen. Arthur Flemming und Captain Asmussen. * 68
Gordon Marlow war als erster an der Hermetiktür. Still war es hier, in der Flammenouvertüre des nahenden Untergangs. Aber Leben mußte noch in der Spirale sein, denn hoch über ihnen rief das Flutlicht in gleichmäßigem Rhythmus sein SOS in die Nacht. Verdammt – wir kommen doch schon – – Marlow ließ die Hermetiktür weggleiten. Jim war neben ihm. Dahinter Wernicke, Harder und die beiden von der Sonderstaffel. Sie gehörten jetzt zusammen. Der Kommodore wußte, daß nur der blasse, heruntergekommene Mann neben ihm noch helfen konnte. Sie schenkten sich Worte. Nebeneinander erreichten sie den Lift, ließen sich hinaufgleiten. Die Atemluft war schlecht. Sie war dick. Sie füllte beißend und süßlich die ganze Spirale … Sie fuhren in die Hölle. Im Vorraum lagen sie alle, bis auf Skay Orrigon und Ben Davis. Auch Alice Wolm. Sie hielt Ellen Flemming umschlungen und war auf einem der Wandbetten zusammengerutscht. Ihre Gesichter waren weiß und leer, die Stirnhaut wie straff gespannt … Gordon Marlow drohte das Herz auszusetzen. Aber er stürmte weiter. In den Bedienungsraum. Es sah nicht schön aus. Auch Skay Orrigon nicht. Er stand bis zur Hüfte im A-Schacht. Er war nicht bewußtlos. Er stemmte sich verzweifelt. Die Augen unter der Sichtscheibe seines Schutzanzuges waren rot unterlaufen. Seine Arme knackten vor Anstrengung, aber die Kräfte im Schacht ließen ihn nicht los. Er brüllte, als er die Hereinstürmenden sah, brüllte, indes ihm das Blut aus dem Mund rann. Idioten nannte er sie. Selbstmörder, die lieber versuchen sollten, die Erde zu erreichen und sie von dem zu grüßen, was von ihm noch lebe. Helfen könnten sie ihm doch nicht mehr. Die verdammte Kraft hätte ihn schon zur Hälfte verbrannt – 69
Das brüllte Skay Orrigon – er war von Sinnen. Und der Tod breitete sich aus – wurde von der glühenden Wolkendecke nach drei Seiten über das Tiefland geworfen – das nördlich gelegene Gebiet verschonte er seltsamerweise. Im Hochland gaben sie Alarm. Sie sahen, daß die Siedler in der Ausweichsiedlung in größte Gefahr gerieten, doch die Verantwortlichen waren vernünftig genug, den Maschinen zu verbieten, sich in die Glut zu stürzen – sie mußten versuchen, hoch über ihr die Ausweichsiedlung anzufliegen. Über vierzig schwere Hubschrauber starteten von „Großer Bär“. Im Bedienungsraum rannten sie auf Orrigon zu. Ben Davis lehnte gegen die Rundwand. Konnte nicht mehr. Erbrach sich und gab doch noch immer mit dem Flutlichthebel SOS. Gordon Marlow rannte an ihm vorbei. „Wir müssen Orrigon ’raushaben, Kommodore!“ * „Halt!“ Captain Erik Asmussen hob die Strahlwaffen. Männer waren vor ihm. Aber auch angstgepeitschte Frauen und Kinder. Und er legte auf sie an. Das war so unanständig, daß es ihm kalte Schauer über den Rücken jagte, aber er wollte für Arthur Flemming einige ruhige Minuten erzwingen. Was dann kam, konnte er nicht mehr ändern … . Die vordersten stockten, als sie die schweren Strahlwaffen auf sich gerichtet sahen. „Los, Flemming!“ befahl der Captain kurz und scharf. „Sprechen Sie!“ Arthur Flemming wußte nicht, was er sagen sollte. Konnte hier noch ein Mensch Worte finden? Hier, 7 000 Millionen 70
Meilen von der Erde wie von höhnenden Göttern dem gewaltigen roten Dämon zum Fraß vorgeworfen, der den Himmel beherrschte und nach ihnen griff. In diesem Augenblick pfiff wieder ein Windstoß heran. Weit vor den letzten Klimazelten peitschte er die Planetenoberfläche, daß eine Fontäne roter, flockiger Wolken aufsprühte. Ein breiter, strahlender Blitz lief zackig über den Himmel und verschwand im Süden. Noch stockten sie, noch wimmerten sie nur. „Ich bin blind! Lieber Gott, laß mich gleich aufwachen, es ist doch nicht wahr!“ Arthur Flemming sah die Frau, die ihren Kopf gegen die Schulter eines jungen Mädchens preßte. Ihr Gesicht war von einer breiten Brandspur gezeichnet. Jim Parker, was soll werden, was … Dann wurde sein Blick vom Himmel festgehalten. Das Glühen wich etwas zurück … * „Marlow!“ Zwei hatten sich gegenseitig gepackt, spürten bereits ihre Sinne schwinden, brüllten sich ihre Namen in die Ohren und kämpften so gegen die unheimliche Kraft, im A-Schirm. Gordon Marlow lag auf den Streben über dem Schacht. Sein Arm hing hinein, und er fühlte an seinen Fingern das kleine rote Ding, das die Sonnenkraft auffing – – Jim Parker lag neben ihm und hielt seinen Körper. Aber Zentimeter um Zentimeter wurden sie wie von einem riesigen Magneten zum Schacht hinabgezogen. Hinter ihnen rannte Skay Orrigon hin und her und brüllte wie ein Tier. Vor Schmerzen oder vor Wut oder vor Irrsinn – sie wußten es nicht. 71
„Marlow!“ drängte Jim. Gordon Marlow starrte auf seine Finger, die das rote Ding abtasteten. Es war aus vielen kleinen Kugeln zusammengesetzt, die automatisch die Impulse zu verteilen hatten, die die Fernsteuerung aus dem Weltall ihnen gab. Aber die Raumschiffe halfen nicht mehr mit. Eine Menschenhand mußte es tun. Gordon Marlows Hand. Als sie drei der Kugeln gedreht hatte, wurde das Glühen des entfesselten A-Schirms schlagartig schwächer. Aber noch war der Tod für viele näher als das Leben – – „Ich kriege meinen Arm nicht ’raus“, sagte Marlow verbissen, „der ist hin.“ Jim packte noch fester zu. Er wußte, was ein Mensch in solchen Sekunden vermochte, und er kämpfte nicht zum erstenmal gegen die Urkräfte der Natur. Skay Orrigons Raserei wurde unerträglich, aber sie achteten nicht darauf. Wenn jetzt Gordon Marlow seinen Arm nicht aus dem Schacht zu ziehen vermochte, war alles aus … Ganz langsam zog er den Fachassistenten zurück. Nach sechs Minuten wußten sie, daß sie die erste Runde gewonnen hatten. Sie taumelten aus der gefährlichen Nähe des Schachts und rannten keuchend zur Rundwand hin. Ein Gefühl überströmender Dankbarkeit ließ Jim Parker Gordon Marlow an sich ziehen, doch der schüttelte mit trübem Lächeln im erloschenen und grauen Gesicht den Kopf. „Das bedeutet noch nicht viel, Parker …“ „Wir haben Luft“, stieß Parker hervor und fiel gegen die Rundwand. „Damned, das war etwas viel, aber wir können aufatmen für …“ „Für nicht lange, Parker! In drei oder vier Tagen …“ Ein schreckliches, tiefes Lachen ließ sie herumfahren. Skay Orrigon brach in die Knie und fiel dann wie ein gefällter Baum. Aber er war noch bei Bewußtsein und hatte anscheinend alles in 72
sich aufgenommen. Er lachte und rief, sie sollten sich bei allen Teufeln nichts vormachen. Sie hätten die Natur geschändet. Die Natur werde sie dafür töten. Ellen sei schon tot, und wenn in fünfzig Stunden die Entwicklung der in der Tieflandatmosphäre bereits aufgespeicherten Sonnenenergie so weit vorgeschritten sei, daß die Gegenspiegel ’ran müßten, komme es darauf an, von Bord der „A-Q-A“ neue „Tabu II“-Impulse zu geben, sonst würde sich die Hölle freuen! Und wer sollte das von der „A-Q-A“ aus tun, he? Wer wisse überhaupt, wo die „A-Q-A“ stecke, dieser verdammte Kasten – – „Er hat recht, wir müssen die ‚A-Q-A’ haben!“ „Wir haben keine Verbindung mehr mit dem Schiff!“ „Aber die ‚A-Q-B’!“ Sie rannten in die Funkbox. Jim mißhandelte die Instrumente, daß es ihm selber weh tat, aber nach einigen Minuten war es wieder möglich, in das Weltall hinauszufunken. Sie riefen die „A-Q-B“. „Wo ist ‚A-Q-A’? Wo ist …?“ * Gordon Marlows rechte Hand zitterte. Dann fiel sie plötzlich schwer und unbeweglich am Oberschenkel herab. Sie brannte, daß er die Zähne zusammenbiß, um nicht zu schreien, während Jim weiter die Funkgeräte folterte. „Wo ist ‚A-Q-A’? Wo ist …?“ Die Hand brannte. Aber es war gut, daß sie brannte, denn der rote Dämon, der die Wolkendecke zerriß und die Elemente den Urtanz des Kosmos tanzen ließ, wich zurück. Kraftlos noch nicht, doch die Glut des A-Schirms konzentrierte sich langsam wieder auf das Gebiet um die Siedlung. Im Zeltlager ließ Captain Asmussen die Strahlwaffen sinken, während Arthur Flemming aussah, als wollte er ein Dankgebet sprechen. Sie spürten alle auf einmal, wie die ungute Wärme 73
wich, und warfen sich herum. Nur die, die geblendet waren, stöhnten und jammerten weiter. „Es kommt nicht mehr zu uns!“ sagte der Präsident der Siedler aufatmend. „Es geht wieder zurück!“ Captain Erik Asmussen trat an die Straßenseite. „Ich verstehe, daß Sie erregt waren“, sagte er so laut und so herzlich, wie sie es alle an ihm kannten, „aber ich hoffe, die Gefahr ist gebannt! Wir werden versuchen, ‚Großer Bär’ anzurufen, und uns vor allem bemühen, die Verletzten ins Hospital zu schaffen.“ 27 Frauen, 3 Männer und 5 Kinder waren ihres Sehvermögens beraubt und hatten zum Teil auch Verbrennungen im Gesicht erlitten. Irene Asmussen tröstete sie und linderte ihre Schmerzen – mehr konnte sie vorläufig nicht tun – – Während der Funker sich noch an den knatternden und donnernden Geräten bemühte, trafen die Hubschrauber vom Hochland ein. Dann war auch plötzlich die Funkverbindung mit dem Hochland da. Kurz vor der Wende des Tages meldete „Großer Bär“: „Kommodore Parker und Gordon Marlow sind mit dem Raumschiff ‚Pluto’ gestartet und werden versuchen, von Bord der ‚A-Q-A’ die weitere Durchführung des Projekts zu sichern.“ Da wußten sie, daß die Lage weiterhin ernst war, aber sie änderten ihre Meinung über einen Mann: Gordon Marlow. * Captain Erik Asmussen flog nach „Großer Bär“. Die Lage war weiterhin sehr ernst für alle. Das mußte jeder feststellen, der hoch über dem Gebiet der Siedlung flog. Die Wolkendecke war aufgeklüftet von großen, roten, seltsam plastisch wirkenden Streifen. Es waren Strahlenbündel der Sonnenenergie, die träge in der Atmosphäre lagerten. Unheimlich und 74
drohend sahen sie aus. Der Begleiter Asmussens versicherte, daß spätestens in fünfzig Stunden diese ganze verharrende Strahlenballung wieder losbrechen würde und daß bis dahin alle guten Geister bei Parker und Marlow sein müßten, sonst … Asmussen nickte nur. Er konnte sich denken, was sonst passieren würde. Im Kommandogebäude aber wartete auf ihn eine Überraschung, die ihn die Sorgen um die kommenden Tage vergessen ließ: Ein Mann wurde ihm vorgeführt, den er kannte wie alle, die hier auf Transpluto lebten. Corlin, einer der jungen Raumkapitäne. „Wir haben ihn vor der Siedlung aufgegriffen! Er wollte flüchten!“ meldete der Leutnant der Sonderstaffel, der etwas betreten neben ihm stand, denn er hatte Corlin bisher zu seinen Kameraden gezählt. Jetzt aber war dieser junge Raumkapitän fertig – er wußte es und sah sehr finster vor sich nieder. „Es hat keinen Zweck mehr, euch noch etwas vorzumachen, Captain“, sagte er verbissen. und machte eine Handbewegung, als wische er sein eigenes Leben aus. „Wolm hatte uns alle an der Kandare! Wir mußten es tun.“ „Was?“ „Wir mußten die Maschine herunterholen, die vom Ausweichlager aus nach Wasser suchen sollte.“ „Wer noch?“ fragte der Captain eisig. „Perkins, ich und die anderen, die immer um ihn herum waren.“ „Lumpen!“ Corlin zuckte zusammen. „Ich weiß das, Captain! Aber ich bin früher unter Wolm geflogen und habe stillgeschwiegen, als er auf der Venus das Raumschiff eines abgestürzten Europäers ausplünderte. Perkins und die anderen sind noch früher zu ihm gestoßen. Woher sie kommen, weiß ich nicht. Wolm hatte von einer großen Macht der Erde, die sich wohl der internationalen Raumfahrtkonvention nicht angeschlossen hat, den Auftrag er75
halten, alles zu tun, um Jim Parker zur Aufgabe des Transpluto zu zwingen. Er sagte es nicht, er pflegte auch zu uns nur immer in den Phrasen des besorgten Einwohners der Siedlung zu reden. Aber wir wußten es. Irgendwie gewann er sogar Einfluß auf Professor Quinn. Das Unglück in der Sonnenspirale vor Monaten geht auf seine Sabotage zurück. Schließlich verlangte er von uns, wir sollten die Sonnenspirale sprengen, und zwar, nachdem man dort bereits die Sonnenenergie eingeschaltet hatte. Wir sollten uns dann mit einem Raumschiff in Sicherheit bringen und die anderen auf Transpluto der Vernichtung überlassen. Ich weigerte mich, und dabei kam es in seinem Haus zu einem Handgemenge, bei dem ich ihn erschoß …“ „Wir werden Ihre Angaben prüfen, Corlin. Eines ist mir nicht klar: Wer verursachte die Notlandung von Wolms Maschine bei der Evakuierung?“ „Er selber wollte es so, um euch zu täuschen. Wir mußten die Maschine von unten ankratzen.“ „Ihr seid feine Kerle …“ * „Raumschiff ‚Pluto’! Raumschiff ‚Pluto’!“ „Großer Bär“ rief das kleine, rassige Raumschiff, mit dem Jim Parker und Gordon Marlow das Gebiet ansteuerten, in dem sich die unglückliche „A-Q-A“ befinden mußte. „Gangstergruppe im Tiefland unschädlich gemacht. Chef war Wolm!“ Gordon Marlow lächelte hart, als Jim ihm den Eingangsstreifen zeigte. Er dachte an Alice. Er liebte sie, und daran würde sich nie etwas ändern. Jim ging wieder in den Kontrollraum hinunter zur Funkkammer. Sie standen im pausenlosen Verkehr mit dem Raumschiff „A-Q-B“, das aber auch nichts über das Schicksal seines Schwesterschiffes wußte. 76
In 45 Stunden würde die Sonnenenergie die Wolkendecke über dem Tiefland sprengen – – Da gab Jim Parker den Befehl, auch die Ausweichsiedlung zu evakuieren. * Wieder flogen Hubschrauberverbände. Doch diesmal nicht weiter in die Einsamkeit des unberührten Landes, sondern zum Hochland hinauf. Die Stadt nahm die Frauen und Kinder auf, die große, graue … Hier waren sie noch am sichersten. Zur Sonnenspirale brummten von „Großer Bär“ herab zwei schwere Maschinen. Aus einer der beiden stieg einer, dem die Glieder nicht gehorchen wollten, der sich jeden Schritt vorwärts mit der verbissenen Energie des Halbgelähmten erkämpfen mußte. Aber das war schon viel. Die Ärzte hatten ihm nicht einmal diese Chance mehr gegeben. Skay Orrigon hatte den Tod und den Irrsinn überwunden. Das konnte nur einer, der wußte, daß er nicht aufgeben durfte. Er kehrte zur Sonnenspirale zurück. Der A-Schacht lag noch offen in der Mitte des Bedienungsraums … Die Strahlenballungen in der Wolkendecke breiteten sich aus. Nach neun Stunden erhielten sie einen Funkspruch der „Pluto“: „Sichten ‚A-Q-A!“ * Sie erreichten die „A-Q-A“. Mit einem Raumgleiter setzten Jim und Marlow über. Sie mußten das Grauen unterdrücken, als sie an Bord gingen. Aus dem fliegenden Labor war ein Totenschiff geworden. Sie stellten fest, daß einer von denen, die vorn in den Sitzen der 77
Piloten hingen, noch versucht hatte, das Schiff auseinanderzusprengen. Es war gut, daß es ihm nicht gelungen war. Noch 29 Stunden Noch 29 Stunden. Captain Asmussen ließ auch das Hospital verlegen. Die Hubschrauber waren pausenlos unterwegs. Auch die, die nicht mehr sehen konnten. Die ältere Frau war unter ihnen, die als erste von dem radioaktiven Windstoß getroffen worden war. Über ihr eingefallenes Gesicht lief breit und rot die Brandspur. Man legte sie neben Ellen und Alice. Die Mädel hatten noch Lähmungserscheinungen, aber sie wagten bereits ihre ersten Gehversuche. Sie sahen die Frau scheu an. Als die Stunde O gekommen war, hörten sie einen lauten, hohen Aufschrei. Die Frau konnte wieder sehen. * Die Wolkendecke brach … Das Feuer der fernen Sonne wurde von der Spirale aus gegen die Gegenspiegel geworfen und von diesen in breiter Streuung über das Tiefland. Gleichzeitig breitete sich in gut achthundert Meter Höhe ein tiefblauer Himmel aus. Das größte Wunder aber war, daß alle wieder sehen konnten. Als Jim Parker und Gordon Marlow aus dem All zurückkehrten, kreisten sie gemeinsam mit Skay Orrigon über dem erwachenden Land, das hell und klar wie in einem schönen Erdensommer unter ihnen lag. Es war der Tag, an dem die Einwohner von „Großer Bär“Siedlung in ihre Häuser zurückkehren konnten! Die Flaggen der „Organisation Andromeda“ wehten über hellen Dächern und glücklichen Menschen. 78
Nur Skay Orrigon sah etwas bedrückt vor sich nieder. „Ich möchte zur Erde zurück, Kommodore! Ellen wird wieder gesund werden und dann können wir es wagen, auf der Erde von vorn anzufangen …“ „Warum?“ „Marlow hat mehr getan als ich! Wenn er nicht gewesen wäre …“ Gordon Marlow wollte heftig dazwischenfahren, aber Jim Parker legte seine Hände auf die Schultern der beiden. „Unsinn! Ihr habt beide so gehandelt, wie man es von Männern erwarten kann. Ich kann euch beide nicht entbehren, wenn wir aus Transpluto mit den Jahren eine zweite Erde machen wollen. Wir werden Sonnenspiralen an vielen Punkten errichten. Eine im Hochland. Eine am fernen Meer, das ich kennenlernen möchte! Skay, wie ist es?“ „Aber nur, wenn Marlow hierbleibt.“ „Ich habe mit Alice gesprochen“, nickte Gordon Marlow. „Sie hat nichts dagegen, wenn sie sich auch noch für ihren Vater schämt – aber das wird vergehen. Ich bleibe, aber nur, wenn Orrigon bleibt.“ Skay Orrigon blickte wieder auf. Das Sonnenlicht fiel auf die Siedlung. Ende
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DER Bollwerk gegen das Unverständnis Von Walter Ernsting
Im UTOPIA-Sonderband 1 wurde Ende 1955 die Gründung des SCIENCE FICTION CLUB DEUTSCHLAND (SFCD) bekanntgegeben. Wie viele mag es damals gegeben haben, die kopfschüttelnd murmelten: „Schon wieder so ein Club! Was soll das?“ All diesen zweifelnden Mitmenschen möchte ich verraten, daß dieser Club bereits wesentlich mehr als 400 Mitglieder zählt, darunter viele bekannte Persönlichkeiten aus Literatur und Technik. Aus dem ‚Clübchen’ wurde eine starke, lebensfähige Organisation, die ihre Ziele hat, und diese nach und nach auch verwirklicht. Es ist nicht Aufgabe dieses Artikels, über diese Ziele zu reden, sondern lediglich über die Existenzberechtigung des SFCD. Sie meinen, dazu müßte auch die Bekanntgabe der Ziele gehören? Nur bedingt, denn die Ziele sind bekannt, weniger jedoch die Wege der Verwirklichung. Und die Auswirkungen des Bestehens des Clubs! Der SFCD wurde am 4. August von dem amerikanischen Schriftsteller Raymond Z. Gallun, dem englischen SF-Freund Julian Parr, Walter Spiegl und, last not least, mir selbst gegründet. Pate stand Forrest J. Ackerman in Los Angeles und in gewisser Beziehung auch Hugo Gernsback, New York. Die ganze Last der Verantwortung jedoch lag und liegt noch heute bei mir. Natürlich sind die Mitglieder des Vorstandes bemüht, mir einen guten Teil dieser Bürde abzunehmen, aber es gibt genug zu tun. Es bleibt nicht bei der einfachen Gründung. Kaum war der erste Sonderband veröffentlicht, der restlosen Beifall fand, da erfolgten schon die ersten Meldungen zum Eintritt in den SFCD. Seitdem reißt der Zustrom nicht ab. Und so nach und 80
nach kamen auch jene, die immer noch zweifelten. Hier und da hatte einer die Entwicklung mit gewisser Skepsis betrachtet, wurde aber durch den Erfolg überzeugt. Selbst einzelne Verlage waren hellhörig genug, auf den SFCD aufmerksam zu werden, seine Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Es wurde nämlich allmählich so, daß die Mitglieder des Clubs erst durch dessen Mitteilungsblatt auf zum Teil noch unbekannte Literatur aufmerksam gemacht und zum Kauf angeregt wurden. Diese Verlage traten schließlich dem SFCD bei und erhielten damit die lang gesuchte Verbindung zu ihren Lesern. Ähnlich war es mit den Autoren. Bekannte Schriftsteller der utopischen Literatur fanden im SFCD endlich den Menschen, der ihre Romane las, und erhielten in offener und ehrlicher Kritik neue Anregungen. Selbst die stets mißtrauischen Wissenschaftler, die SF und Wissenschaft gerne getrennt wissen möchten, überwanden ihre Skepsis und wurden zu Freunden des SFCD. Sie hatten erkannt, daß nicht nur die nüchterne Formel, sondern auch die lebendige Erzählung aus der Zukunft in dem jungen Leser von heute das Interesse an technischen Problemen erweckt. Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, daß das Niveau der UTOPIA-Großbände seit Bestehen des SFCD ständig gestiegen ist. Warum? Weil die nun mittelbar ausgeübte Kritik den Herausgebern der Serie die Möglichkeit gibt, den Geschmack ihrer Leser zu berücksichtigen. Die Mitglieder des SFCD, und auch alle andern Leser, schicken ihre Meinung über UTOPIA an die Zentrale. Dort werden diese Meinungen sorgfältig ausgewertet und sortiert. Man mag sagen, daß die Meinung dieser verhältnismäßig wenigen nicht ausschlaggebend sei, aber immerhin hat der bisherige Erfolg bewiesen, daß dem doch so ist. Denn wenn es auch keine 10 000 Briefe sind, die bezüglich einer einzigen Kritik eingehen, so sind es aber sicher hundert. Und in diesen hundert Briefen spiegelt sich die Meinung von 30 000 81
Menschen wider. Man muß es nur verstehen, eine gerechte Aufteilung vorzunehmen. Es waren der Zweifler nicht wenige. Sie fanden zwischen dem sehr reichhaltigen Angebot an den Kiosken den UTOPIAGroßband und den Sonderband. Nur zögernd kauften und lasen sie. Neugierig fragten sie mich um die Bedingungen zum Eintritt in den SFCD. Sie erhielten diese, und traten bis auf wenige Ausnahmen bei. Und von dieser Sekunde an lasen sie auch regelmäßig UTOPIA, jene Perle, die sie zwischen den Erbsen gefunden hatten. (Andersdenkenden sei gesagt, daß dies kein Werturteil bedeuten soll, nur ein ungeschickter Vergleich.) Die Literaturgattung SCIENCE FICTION hat viele Feinde, einer der größten ist die konservative Lebensanschauung. Es gibt eben Menschen, die am Althergebrachten kleben wie Fliegen auf dem Leim. Sie sind durch nichts zu bewegen, das Neue anzuerkennen, ob es sich dabei nun um Jazz, abstrakte Kunst, Weltraumraketen oder SF handelt. Alles Neue ist für sie gleichbedeutend mit Unsinn. Diese Menschen kann man nur durch die in nächster Zukunft verwirklichten Pläne von heute überzeugen. Sobald die ersten Erdsatelliten kreisen, werden sie ihre Meinung einer ernsten Revision unterziehen müssen. Ein weiterer Feind ist das Unverständnis. Dagegen kämpft der SFCD und seine Mitglieder sehr oft, und er gewinnt diesen Kampf, wenn es sich bei dem Gegner um einen intelligenten und einigermaßen einsichtigen Menschen handelt. Denn zum Verständnis der SF gehört nicht nur Intelligenz, sondern auch ein wenig Nachsicht. Nachsicht mit sich selbst. Dann wäre da noch der Stolz zu nennen. Wie viele lehnen SF ab, weil das offene Bekenntnis dazu sie dem Spott einiger Besserwisser aussetzt. Sie sind zu stolz, diesen Spott gutmütig zu ertragen, vielleicht zu friedfertig, sich mit den Kritikern auseinanderzusetzen. Diesen Leuten will der SFCD im besonderen 82
Maße helfen. Im SFCD findet dieser „Sonderling“ seine ehrlichen und wahren Freunde. Und wie viele Freundschaften hat dieser SFCD bereits gestiftet. Freundschaften zwischen Lehrer und Schüler, zwischen Autor und Leser, zwischen Wissenschaftler und Laie. Freundschaften zwischen den Anhängern einer besseren und friedlicheren Zukunft. Das war es also, was ich heute ganz kurz nur streifen wollte. In Zukunft werden im UTOPIA-Magazin, das alle zwei Monate erscheint, regelmäßig kleine Berichte über den SFCD und seine Arbeit erscheinen. Und eine allgemeine Bitte kann auch auf diesem Wege erfüllt werden: Die Mitglieder lernen sich kennen – durch das Bild. Diese wenigen Seiten des SFCD sind ein Geschenk des Verlages Erich Pabel, ein Geschenk für jene Menschen, die zu seinen treuesten Lesern zählen. Und auch der Außenstehende, der dem Club aus vielen möglichen Gründen nicht beitritt und doch unser Freund ist, soll wissen, wie die Leute aussehen, die den SFCD leiten und UTOPIA „machen“. Und wie jene, die es lesen. Heute zwei Steckbriefe: Mr. Julian Parr, Düsseldorf, Rolandstraße 37. Beratendes Vorstandsmitglied des SFCD. Vermittelt Briefadressen aus aller Welt. Jeder, der gern in Briefwechsel mit einem Freund der SFLiteratur in irgendeinem Lande treten möchte, kann sich an Mr. Parr wenden. Julian Parr spricht und schreibt deutsch. Walter Ernsting, Orschenberg/Obb. 1. Vorsitzender des SFCD, Chefredakteur von UTOPIA (SF), gelegentlicher Schriftsteller utopischer Romane und bitterböser Gegner jeder ungerechtfertigten Kritik, was ihm schon manchen Ärger eingebracht hat. Ich hoffe, auf diese Art allen Lesern des UTOPIA-Magazins so nach und nach den Vorstand und auch einige bedeutende Mitglieder des SFCD vorstellen zu können. 83
Unser Hauptziel ist der Zusammenschluß der SF-Freunde Deutschlands, der Schweiz, Österreichs und des Saargebietes. Unsere Hauptaufgabe ist es, den Gedanken der utopischen Literatur zu verteidigen. Unser Hauptwunsch: Die Verwirklichung der Weltraumfahrt! Walter Ernsting, 1. Vorsitzender SFCD
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