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IN JEDES HAUS GEHORT DIESES WERK das ist das überzeugende Urteil von Presse und Rundfunk über die große, spannend geschriebene Weltgeschichte „ B i l d der Jahrhunderte" des Münchner Historikers Otto Zierer. Von ungeheurer Dramatik sind die Bände dieses neuartigen, erregenden Geschichtswerkes erfüllt. Hier sind nicht, wie in Lehrbüchern alter Art, die historischen Ereignisse mit trockener Sachlichkeit aneinandergereiht: die Vergangenheit w i r d vor dem Auge des Lesers in kulturgeschichtlichen Bildern zu neuem Leben erweckt. Menschen wie Du und ich schreiten über die wechselnde Bühne der Geschichte und lassen den Ablauf der Jahrhunderte, das Schauspiel vom Schicksal der Menschheit, ergriffen miterleben. Zierers „Bild der Jahrhunderte" ist ein Werk für die Menschen unserer Zeit, für die Erwachsenen wie für die Jugend. DER
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„Schüler, deren Eltern das Bild der Jahrhunderte zu Hause haben, sind die besten Geschichtskenner in meinen Klassen", schreibt ein bekannter Erzieher. Der Verlag hat die Beschaffung der Bücherreihe leicht gemacht. Um jeder Familie den Kauf dieses prächtig ausgestatteten Standardwerkes zu ermöglichen, werden günstige Zahlungserleichterungen eingeräumt. Das „Bild der Jahrhunderte" kann auf Wunsch bei sofortiger Lieferung ohne Anzahlung gegen zwanzig Monatsraten erworben w e r d e n : DM 10,90 für die RotleinenAusgabe, DM 13,75 für die Lux-Luxus-Ausgabe. Das Werk besteht aus zwanzig Doppelbänden, dem Band 41/44 und dem Historischen Lexikon; es umfaßt rund 8000 Seiten. 189 ausgewählte Kunstdrucktafeln, 500 Lexikonbilder und 124 historische Karten ergänzen den Text. Jeder Band enthält Anmerkungen, ausführliche Begriffserklärungen und Zeittafeln.
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MURNAU • MÜNCHEN - INNSBRUCK • ÖLTEN (SCHWEIZ)
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DIE S O N N E Atome heizen den Sonnenofen
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Große Protuberanz am Sonnenrand
Große Mutter Sonne Eines Tages kam Inuaho ins Haus gerannt, aufgeregt, etwas rufend, was ich zunächst nicht verstand. Sie winkte mich heraus — und dann begriff ich: die Sonne war wieder da! Wir konnten sie selbst nicht sehen, nur ihr Licht, das blaßgold auf den Felsenzinnen lag. Ich hatte ein beinahe unbezwingliches Verlangen, den Berg zu erklettern, um die Sonne zu sehen, doch ich wußte, daß sie verschwunden sein dürfte, bevor ich oben war. Zwei Tage später sahen wir sie tief und groß am Horizont. Alle eilten aus den Häusern, um sie zu begrüßen. Ein jeder zog, wie es der Brauch ist, Mantel und Handschuhe aus und streckte die entblößten Hände hoch über den Kopf. So standen wir, obgleich es bitter kalt war, barhäuptig der Sonne zugewandt, solange sie uns an diesem ersten Tag beschien. Die Kinder begannen zu weinen, aber niemand hatte Zeit, sich um sie zu kümmern, denn jeder wußte: derjenige, der Gesicht und Hände der Sonne am ersten Tage ihres Wiedererscheinens darbietet, wird zumindest bis zum nächsten Jahre um diese Zeit leben. Wer dies versäumt — keiner wäre so vermessen, vorher zu sagen, was in solchem Falle geschehen möchte. Der diese Lichtstunde in der Dämmerwelt des hohen Grön2
landnordens miterlebte, war ein Europäer, der in den monatelangen Polarnächten der Eskimos das Wiedererscheinen der Sonne ersehnte wie ein Wüstenwanderer den erfrischenden Quell der Oase. Was der Mensch der kunstlichtverwöhnten Städte zumeist verloren hat: die immer erneute Beglückung beim Aufstieg des Tagesgestirns und bei der Wiedererweckung ihrer wärmenden und alles belebenden Kraft, das gewinnt er wieder, sobald er einmal die eisstarrende Nacht eines Polarwinters durchlebt. Doch selbst noch in den lichtlosen Monaten der Arktiswinter wirkt die Sonne durch die Erwärmung der Lufthülle über dem Ewigen Eis. Die Sonne gehört lebensnotwendig zur menschenbewohnten Erde. Würde die Herrscherin des Himmels einmal für immer ihr Antlitz verhüllen, dann wäre es um alles Lebendige geschehen. Kein Wind würde mehr wehen, keine Wolken würden ziehen, kein Regen fallen, keine Bäche fließen. Ohne das Licht der Sonne könnte keine Pflanze mehr das Wasser und die Kohlensäure der Luft in Pflanzenstoffe verwandeln; mit den Pflanzen würden die Tiere dahinsterben, und auch der Mensch müßte vergehen. Die Sonne mit ihrem Licht, ihrer Wärme und ihren Strahlungen ist die Voraussetzung für alles Leben auf Erden, sein Entstehen, seine Entwicklung und seinen Fortbestand. Seit die Erde besteht, sind aus dieser riesenhaften Kraftzentrale unermeßliche Ströme unverbrauchter Energien auf die Erde niedergestürzt. Und noch in fernster Zukunft wird das Herdfeuer der „Großen Mutter" dem Menschen und allem Irdischen leuchten. Das wirklich bewiesene Wissen um die vielfachen Zusammenhänge zwischen den Vorgängen auf der Erde und der Sonnenzentrale besitzt der Mensch erst seit ein paar J a h r hunderten, seitdem die wissenschaftliche Naturforschung sich in stärkerem Maße von den mythischen Vorstellungen der Vergangenheit freizumachen begann; gefühlt und geahnt hat der Mensch seine Verknüpfung mit dem strahlenden Gestirn am Himmel schon in frühester Zeit. Dunkle Gefühle des Ausgeliefertseins und des Grauens vor dem dämonenhaften Himmelsfeuer wechselten seit der Frühzeit der Menschheit mit leidenschaftlichen Bezeugungen der Verehrung und des Dankes vor der lichten Segenspenderin des Tages. Kein Volk auf der Erde, in dessen religiös-weltanschaulichem Leben die große Weltleuchte nicht wenigstens zu irgendeiner Zeit Mittel3
punkt gläubiger Verehrung oder furchtgepeinigter Ergebenheit gewesen wäre. Jahrtausendelang konnten sich die Menschen nicht von der Vorstellung lösen, daß die Sonne am Himmelsgewölbe einherziehe. Die Täuschung durch den Augenschein war zu groß. Die Sonne schien sich ebenso im Halbkreis über die Erdscheibe zu bewegen wie in der Nacht die Sterne und der Mond. Die Erde als Scheibe oder Kugel, nicht die Sonne war das ruhende Element im Weltganzen. Gewaltig zwar und unnahbar, war sie dem festen Gefüge der Erde zugeordnet. Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts — längst war die Kugelgestalt der Erde erwiesen — begann der Umsturz des gesamten bisherigen Weltbildes. Im Jahre 1543 erschienen „die 6 Bücher von den Umlaufbewegungen der Himmelskörper" des Nikolaus Kopernikus, in denen der Sonne endlich ihr Recht wurde. Kopernikus hat die Sonne, die bis dahin im Mythischen schwebte, für die Wissenschaft eigentlich erst entdeckt. Seit des Kopernikus Zeit gehört die Sonnenforschung zu den großen Arbeitsgebieten der Astronomie. Heute ist dieser Fixstern unter Fixsternen ständiges Studienobjekt vieler sternkundlicher Institute in aller Welt. Die Sonne — ein Fixstern Die Sonne ist der nächste Sternnachbar der Erde. Keiner aus der Milliardenzahl der Fixsterne bietet uns die gleiche Chance unmittelbarer Beobachtung. Jeder andere Stern ist für das Auge nur ein Lichtblick, ein Blinklicht, ein Funke in der Garbe eines riesigen Feuerspiels. Der Ausdruck „Nähe" gilt jedoch nur in der Sprache der Astronomen, deren Maßstäbe ungeheuerlich sind. Nach den laienhaften Begriffen von Ferne und Nähe ist der Standort der Sonne riesig weit entfernt. Lange Zeit war es eine der wichtigsten Aufgaben der Sternkundigen, die Entfernung Erde — Sonne genau zu ermitteln; als man sie errechnet hatte, wurde diese Strecke zu einem Einheitsmaß der Himmelsvermessung, zur „Astronomischen Einheit" (AE), die in der Sternenforschung etwa die Stelle einnimmt, die das Metermaß im Meßverfahren „irdischer" Wissenschaften behauptet. Erstaunlich ist, daß schon im Altertum das Gewölbe über der Erdscheibe, an dem nach der Anschauung der Alten der Sonnenwagen dahinrollte, bereits von einigen fortschrittlichen Sonnenbeobachtern.auf4
gesprengt worden war und die Sonne immer weiter von der Erde wegrückte. In Athen errechnete der Philosoph und Universalgelehrte Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus, daß die Sonne zwanzigmal weiter entfernt sein müsse als der Mond, zu einem ähnlichen Ergebnis kam einige Jahrzehnte später der griechische Astronom Aristarch in Samos. Wenn diese Messungen auch um das Zwanzigfache unter dem tatsächlichen Wert lagen, so behalten sie doch als kühne Einbrüche in die astronomische Vorstellungswelt der Antike ihren Platz in der Geschichte der Sonnenforschung. Von größerer Bedeutung für die spätere Astronomie war die Entfernungsmessung, die im 2. Jahrhundert n. Chr. der Weltgelehrte Ptolemäus aus Alexandria unternahm. Er hatte für die Sonnenentfernung 1200 Erdradien angenommen, und diese Zahl blieb in der Spätantike und im Mittelalter unangefochten. Wie man das „Weltsystem", das Ptolemäus zusammengefaßt hatte, nicht überprüfte, so wagte man auch nicht, an Einzelergebnisse seiner wissenschaftlichen Lehre zu rühren. Erst mit Johannes Kepler, dem Schwaben, der von 1571—1630 lebte und das Werk des Kopernikus fortsetzte, beginnt ein neuer Abschnitt in der Vermessung der Sonnenentfernung. Die ermittelten Maße wachsen nun sprunghaft an. War Kepler mit 3500 bis 7000 Erdhalbmessern noch weit hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben, so kam der Italiener Giovanni Cassini, Professor in Paris, dem wirklichen Maßwert schon ganz nahe. Im Jahre 1672 entsandte er eine Expedition nach Cayenne zur Beobachtung des erdnah gekommenen Mars. Die Sonnenentfernung, die er mit Hilfe der Marsbewegung fand, lag um etwa Vis über dem heute gültigen Maß. .1889 kamen Auvers und Gille mit Hilfe der Kleinen Planeten erstmals zu einer ziemlich genauen Zahl. Mit immer neuen und andersartigen Methoden konnte seither das Ergebnis verfeinert werden. Das Passieren der Venus vor der Sonnenscheibe („Venusdurchgänge"), die Ungleichmäßigkeiten im Mondlauf unter dem Einfluß der Anziehungskraft der Sonne, die Zeit, die das Licht zur Überbrückung der Entfernung Erde — Sonne braucht, der „Doppler-Effekt" sind die wichtigsten Anhaltspunkte für die modernen Meßverfahren. Die nach den verschiedenen Methoden zusammengestellten Werte haben folgendes Ergebnis: die mittlere Entfernung der Sonne von der Erde beträgt 149 670 000 km. 5
Diese Entfernung erscheint enorm; aber in den Weiten des Himmels ist sie nur ein Katzensprung. Die äußerste Geschwindigkeit, die möglich ist, ist die des Lichtes: Der Lichtstrahl legt 299 776 km je Sekunde zurück; um von der Sonne zur Erde zu gelangen, braucht das Licht 8V3 Minuten — ein Düsenflugzeug mit einer Stundengeschwindigkeit von 1000 km wäre zum Durchmessen dieser Strecke über 17 Jahre unterwegs.. Vom übernächsten Fixstern her — er heißt Proxima Centauri (Proxima = der Nächste) — hat der Weltraumbote Licht schon eine Wanderstrecke von fast 4 Jahren zurückzulegen. Die photographische Kamera gibt uns sogar noch Kunde von Weltkörpern, die fast eine Milliarde Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Ein solcher Blick in die Tiefe des Weltraumes läßt die Sonne fast zu einem Lämpchen vor unserer Tür zusammenschrumpfen. Aber aus dem irdischen Blickwinkel, aus dem wir zu sehen gewohnt sind, sind ihre Maße doch ungeheuer. Stände die Sonne dort, wo die Erde steht, so würde ihr Rand über die doppelte Mondentfernung hinausreichen. Der Mond hätte im Innern der Kugel überreichlich Platz, um seinen Umlauf zu vollziehen. 1 130 000 Erdkugeln wären notwendig, das Innere des Sonnenballes bis obenhin auszufüllen. Die Messung der Sonnengröße war leicht, sobald man die Entfernung der Sonne genau ermittelt hatte; wie man die Höhe eines Berges messen kann, wenn man den Abstand bis zu seinem Fuße kennt und dazu den Winkel, unter dem der Berg erscheint, so ließ sich auch die Größe der Sonne aus ihrer Entfernung und ihrem scheinbaren Durchmesser, der etwa dem des Mondes entspricht, nach trigonometrischen Regeln am Schreibtisch errechnen. Die Sonne hat einen Durchmesser von rund 1391000 km; das ist 109 mal der Durchmesser der Erde. Was wir jedoch normalerweise von der Sonne sehen, ist nicht ihr eigentlicher Körper, sondern nur ihre Hülle, eben jene Außenschicht, die die Ströme des Lichts ins Weltall sendet. Es ist die dünne Schicht der Photosphäre, der Lichthülle (griech.: phos = Licht, sphaira = Kugel, kugelförmige Schicht), die mit 300 km Dicke gegenüber dem Sonnenganzen kaum eine Schale genannt werden kann. Die Lichtfülle der Photosphäre ist so unerträglich, daß man sie mit bloßem Auge nicht ungestraft betrachten kann. Erst ein dunkles, dämpfendes Glasfilter erlaubt, die Sonne eingehend zu beobachten. 6
Schattenseiten Als man die Sonnenoberfläche zum erstenmal mit Fernrohr und Filter durchforschte, war das für die Menschen ein bestürzendes Erlebnis. Seit je galt die Sonne als das makellose Sinnbild des Reinen, des schattenlos Strahlenden, als das un-, getrübt klare Weltenauge; der Dichter fand in aller Welt kein bezeichnenderes Symbol für Echtheit, Wahrheit und Unverfälschtheit als das strahlende Weiß der fleckenlosen Sonne. Nun ergab sich in der Vergrößerung durch die Fernrohrlinsen, daß die Oberfläche des Sonnenkörpers von hellen und dunklen Punkten geradezu übersät war. Es war keineswegs so,, wie wenn man in eine Schüssel Milch blickte; die Schüssel war mit Reiskörnern gefüllt, zwischen denen sich feine dunkle Schatten dahinzogen. Wie eine roh verputzte Wand sah das aus, wie ein millionenfach gekräuseltes Wasser mit Lichtblitzen und Schattentiefen oder wie dichtgeäderter Marmor.
Die Sonnenoberfläche erscheint im Fernrohr gekörnt wie Reis. Diese Körnung (Granulation) wird durch das Auf- und Niederbrodeln der Gase der äußersten Sonnenschicht (Photosphäre) verursacht. Das Bild zeigt einen Teil der Sonne.
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Da die kleinsten auf der Sonne unterscheidbaren Flächen- I teilchen, die man mit den besten Fernrohren ausmachen kann, I etwa die Größe des Landes Bayern haben, muß es sich bei den „Reiskörnern" um gewaltige Gebilde handeln. Tatsächlich haben die einzelnen Körner Durchmesser von etwa 700 bis 1500 Kilometer, sind also immerhin so groß wie eines der Länder auf der Karte Europas. Alle paar Minuten verändert die'Körnung, die Granulation der Sonne, ihr Aussehen; Körner verschwinden in ihrer bisherigen Gestalt und tauchen an anderer Stelle in anderer Form wieder auf. Die Sonnenoberfläche erweist sich also wider alles Erwarten nicht als festgeschichtet, sondern als sehr unruhevoll, wie eine ständig bewegte Wasseroberfläche oder wie siedend aufdampfende Suppe; aufwallende Strömungen werfen heiße und darum hellere Gasblasen wolkenartig hoch, während die durch die Ausdehnung abgekühlten wieder nach unten sinken. Man weiß heute, daß der Temperaturunterschied zwischen den hellen und dunklen Stellen der Granulation. 100° beträgt. Die ständige Veränderung der Körnung wird mit Hilfe der Sonnenphotographie sehr sorgfältig verfolgt. Die Photoplatte hat den Vorzug, daß sie das Gesehene festhält und immer wieder die Möglichkeit zu Vergleichen und Messungen bietet. So kann keine neue Regung im Antlitz der Sonne der Forschung entgehen. Das scharfsichtige Fernrohr, dem die körnige Schattierung auf der Sonnenscheibe nicht entgangen war, mußte noch viel dunklere Schattenseiten des „vollkommensten Himmelslichtes" bloßlegen; der für so fleckenlos gehaltene Schild der Sonne weist nämlich noch weit gröbere Verunreinigungen auf als die Granulation: die Sonnenflecken. Chinesische Sternbeobachter sind wohl die ersten gewesen, denen die dunklen Gebilde aufgefallen waren. Auch aus dem frühen Mittelalter wird uns bezeugt, daß merkwürdige Schatten auf der Sonnenfläche gesehen wurden. Aber erst Galileis Fernrohr gab die Gewißheit, daß das Sonnenweiß zu gewissen Zeiten an vielen Stellen „beschmutzt" war. Zunächst dachte man an Gruppen von kleinen Planeten, die vor der Sonne vorüberzogen und ihren Glanz verdunkelten. Als sich manche Flecken aber wochen- ja mo- 3 natelang hielten, meinte man, daß es sich um ungeheure I Schlackenfelder handeln müsse, die aus den ausgebrannten Teilen der für flüssig gehaltenen Sonnenmasse gebildet seien 8
Flecken treten auf der Sonne nur in der Äquatorzone und in den mittleren Breiten auf. Sie wandern mit der rotierenden Sonnenoberfläche. Die Ost-WestBewegung der Flecken beweist, d a ß die Sonne sich um ihre Achse dreht.
und die nach einiger Zeit von dem Glutbrei, in dem sie schwammen, wieder überflutet würden. Heute wissen wir, daß die Flecken gewaltige Zyklonengebiete im Gasozean der Sonnenhülle sind. Schon mit einem einfachen Feldstecher lassen sich die Sonnenflecken erkennen, wenn man kurz vor Sonnenuntergang in den roten Feuerball hineinschaut. Einzelheiten sieht man jedoch erst mit dem Fernrohr: man erkennt, daß die Flecken in ihrer Größe außerordentlich verschieden sind. Die kleinsten bilden eine dunkle Pore von der Größe eines Granulums, 9
eines der Granulationskörnchen der Photosphäre. Viele von diesen Poren verschwinden wieder nach einiger Zeit. Nur einige vergrößern sich zu einem oder auch einer Gruppe von kleinen Flecken. Auch von diesen sind die meisten am nächsten Tage bereits wieder verschwunden; nur wenige entwickeln sich zu großen Flecken oder Fleckengruppen, die dann von ungeheurer Ausdehnung sein können. Flecken mit einem Durchmesser von 10 000 bis lOOOOOkmsind nicht selten; der größte bisher bekannte Flecken erschien im Jahre 1947, er hatte einen Durchmesser von über 300 000 km — 300 Erdkugeln wären nötig gewesen, um diesen Schatten zu bedecken. In vielen Formen treten sie auf; manche sind rund, andere oval, spiralig, in die Länge gedehnt, an den Rändern zerrissen. Schon früh erkannte man, daß ein besonders dunkles Gebiet, die „Umbra" (lat.: umbra = Schatten) den Kern eines solchen Flecken bildete. Unregelmäßig geformt, macht die Umbra den Eindruck eines Loches oder eines Trichters; bei Flecken, die nahe dem Sonnenrand stehen, glaubt man sogar schräg in das Innere solcher Trichter hineinblicken zu können. Die Flecken liegen in der Photosphäre, haben ihren Ursprung aber unter der Sonnenoberfläche; aus unbekannten"Tiefen werden Gasmassen aus dem Sonneninneren emporgestoßen, steigen auf, dehnen sich aus und durch die Ausdehnung kühlen sie sich um 1500° wieder ab und sinken zurück. Gegenüber der Temperatur der Photosphäre von 5700° (in einem späteren Zusammenhang wird diese Temperatur noch eine Rolle spielen) sind die niedersinkenden Gase kühl zu nennen. Sie erscheinen daher dunkel, obwohl sie in Wirklichkeit vieltausendmal heller sind als der Vollmond; •— aber auch ein rotglühendes Eisen erscheint uns dunkel, wenn wir es vor eine helle Glühbirne halten. Die Umbra ist von einem bedeutend helleren Gebiet, der Penumbra (lat.: penumbra = Halbschatten), umgeben, das man in seinem fadenartigen Aussehen etwa mit den Fransen eines Teppichs vergleichen kann. Diese Fäden, Filamente genannt, strahlen meist von dem Kern ab, wie etwa die Randblüten einer Sonnenblume. Zuweilen sind sie jedoch gekrümmt, so daß man erkennt, daß der Sonnenfleck ein gewaltiger Wirbel ist. Aus diesen Wirbelerscheinungen hat man Schlüsse auf die Vorgänge im Sonneninneren gezogen, das sich durch die Photosphärenschicht dem direkten Einblick entzieht. 10
Die Sonne dreht sich um ihre Achse Ist ein Sonnenfleck einmal zu einer gewissen Größe angewachsen, so hält er sich einige Zeit auf der Sonnenfläche. Im Durchschnitt haben die größeren Flecken eine Lebensdauer von 2 bis 3 Wochen, manche leben noch länger; historisch geworden ist ein Sonnenfleck aus dem Jahre 1840/41, der 18 Monate lang beobachtend verfolgt werden konnte. Ja, man kann sie verfolgen; denn die Flecken wandern. Ihre Wanderbewegung, die von Ost nach West gerichtet ist, war in der Vergangenheit der einzige Beweis dafür, daß sich die Sonne um ihre Achse dreht wie die Erde. Langlebige Flecke verschwanden nach einer Ost-West-Durchquerung der Sonnenscheibe am Westrand der Sonne und tauchten dann nach einiger Zeit am Ostrand wieder empor. Die dauerhaftesten umrundeten die Sonne sogar mehrere Male. Zwischen dem Verschwinden im Westen und dem Wiedererscheinen im Osten lagen etwa 14 Tage. Dabei ergab sich das Merkwürdige, daß Flecken in Äquatornähe schneller wieder am Ostrand hervorkamen als ein Fleck in höheren Breiten. Die Sonne dreht sich also am Äquator mit größerer Geschwindigkeit um ihre Achse als in äquatorfernen Zonen; und zwar beträgt die Umlaufszeit am Äquator 25 Tage und verringert sich nach den höheren Breiten hin immer mehr, so daß die Gebiete am 40. Breitengrad über 27 Tage für einen Umlauf brauchen. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß die Sonne zumindest in ihren äußeren Schichten kein fester Körper sein kann. (Die Tatsache der Sonnenrotation ist später noch auf einem anderen Wege erwiesen worden mit Hilfe des Doppler-Effektes.) Ist das Leben eines Sonnenflecks abgelaufen, so schieben sich die weißglühenden Massen der Umgebung wie Lichtbrücken in seine Trichter, zerteilen den Fleck und stoßen dann quer durch die Teile, bis das ganze riesige Gebilde von den hereinschießenden Glutgasmassen der Sonnenfläche gleichgemacht und die Narbe von der Granulationshaut überzogen ist, als sei nichts gewesen. Das „große Atemholen" Mit ihrem allmählichen Heranwachsen und Wiederabsterben deuten die Sonnenflecken auf eine lebhafte Tätigkeit der Materie im Innern der Sonne hin. Sie sind deshalb seit langem der Gegenstand sorgfältiger Beobachtung und Untersu11
chung. Der Apotheker und Astronom Schwabe in Dessau, der 20 Jahre lang die Sonne mit wissenschaftlicher Gründlichkeit beobachtet hatte, kam als erster zu der Feststellung, daß die Flekkenbildung nicht immer gleich stärk erfolgte, sondern periodisch an- oder abstieg. Rudolf Wolf in Zürich griff diese Feststellung auf, sammelte alles, was seit mehr als 200 Jahren über die Sonnenflecken bekannt geworden war, und fand heraus, daß die Höhe- bzw. die Tiefpunkte der Fleckentätigkeit der Sonne sich jeweils nach etwa 11 Jahren wiederholten. Spätere Untersuchungen haben Rudolf Wolf recht gegeben. Heute werden die Sonnenflecken täglich an vielen Orten der Erde gezählt und gemessen und die Ergebnisse an die Eidgenössische Sternwarte in Zürich gemeldet und dort bearbeitet. Aus den Beobachtungen ergibt sich, daß die Fleckenperiode durchschnittlich 11,3 Jahre beträgt, doch hat man Schwankungen zwischen 7,3 und 17,1 Jahren festgestellt. Man hat dieses periodische Auf und Ab das „große Atemholen der Sonne" genannt. Eine Zeitlang wurde es in Verbindung gebracht mit der etwa gleichlangen Umlaufzeit des J u piter. Aber heute glaubt man eher an einen inneren Tätigkeitsrhythmus der Sonne selbst. Zugleich mit der Fleckenbeobachtung werden seit langem auch die vermuteten Einwirkungen der Elf jahresperiode auf irdische Vorgänge sorgfältig untersucht: die Einwirkung der Flecken auf die Ionosphäre, auf den Ozongehalt der Hochatmosphäre, auf das Magnetfeld der Erde, den Radio-Kurzwellenverkehr, die Weiterbildung, das Pflanzenwachstum, den Lebenslauf von Mensch und Tier. Wenn auch manche irdischen Erscheinungen unzweifelhaft auf eine Abhängigkeit von der Fleckentätigkeit der Sonne hinweisen, so ist doch vieles bisher Vermutung geblieben und bedarf langwieriger Nachprüfungen, ehe es überzeugt. Neben den dunklen Flecken werden auf der Sonne noch Ansammlungen zahlreicher kleiner, besonders heller Stellen beobachtet. Diese sogenannten Fackeln erscheinen oft in der Nachbarschaft eines Sonnenflecks, doch sind nicht alle Fackelgebiete zugleich auch Fleckenbezirke. Verfolgt man die Fackeln bis an den Sonnenrand, so kann man sehen, daß sie über die Photosphäre bis in eine Höhe von 1000 km hinausreichen. Die Körner der Granulation, die Flecken und Fackeln sind also Erscheinungen auf der leuchtenden Sonnenoberfläche, der Photosphäre. Lange Zeit waren Flecken, Fackeln 12
und Körner die wichtigsten Eigenheiten der Sonne, denen die Aufmerksamkeit der Astronomen bevorzugt galt. Niemand ahnte, daß das Tagesgestirn noch unerhörte Geheimnisse verborgen hielt, deren Entdeckung im Jahre 1842 ein neues Zeitalter der Sonnenforschung heraufführte. In jenem Jahre ereignete sich eine totale Sonnenfinsternis, die auch in Europa sichtbar war. Eine Totalverfinsterung ist immer ein überwältigendes Schauspiel: Der Himmel ist fahl und dämmerig, und da, wo sonst der helle Sonnenball leuchtet, hängt eine finstere, schwarze Kugel. Die irdische Landschaft liegt in einem geisterhaften Licht, und man begreift, daß Furcht die primitiven Menschen beschleicht und sie mit Lärm und Geschrei versuchen, den Dämon oder Drachen zu verscheuchen, der die Sonne dort oben verschlingt. Die verdeckte Sonnenscheibe selbst ist von einem herrlichen Lichtkranz umgeben. Dicht um ihren Rand liegt ein schmaler, rötlicher Ring, aus dem rote Flammenzungen nach außen schlagen; weiter außen ist dieser schwarze, rotgerandete Ball von einem zarthellen, vielzackigen Strahlenkranz, der Korona, umgeben. Sowie jedoch die Sonnenscheibe wieder hinter dem weiterwandernden Mond hervorkommt, verschwindet das eigenartig schöne Lichtwerk. Von dem erregenden Himmelsschauspiel des Jahres 1842 ist uns eine Schilderung des englischen Astronomen Francis Baily erhalten, der sich von London nach Turin begeben hatte, um hier die Verfinsterung unter den günstigeren Bedingungen des Südens besser verfolgen zu können. Er stand inmitten einer riesigen Menschenmenge, ganz mit dem Auszählen der Chronometerschwingungen beschäftigt, mit denen er die Phasen der Finsternis zeitlich festlegte. „In dem Augenblick, als der letzte Strahl verschwand", so schreibt Baily, „wurde ich fast betäubt von dem plötzlich ausbrechenden Beifalls- und Begeisterungsrufen der ungeheuren Menschenmassen. Ein Zittern läuft durch meinen Körper, und ergriffen richte ich meinen Blick auf die Sonne: Ich sehe das herrlichste Schauspiel, das man sich denken kann. Sonne und Mond, die beiden gewaltigen Himmelskörper, hängen aufeinander zwischen Himmel und Erde, ein tief schwarzer, runder Fleck, umgeben von einer helleuchtenden Strahlenkrone. Bei diesem Anblick hielt mich das Staunen gefesselt. Ich hatte auf Grund früherer Beschreibungen vermutet, um die Sonne noch ein gewisses 13
dämmerhaftes Licht wahrzunehmen; statt dessen sah ich eine helle Strahlenkrone, deren Glanz dicht am Rand des Mondes sehr lebhaft war, dann aber immer mehr abnahm und in einer Entfernung von ungefähr dem Durchmesser des Mondes verschwand. Ich preßte das Auge nach Wegnahme des dunklen Sehglases wieder ans Fernrohr, als eine neue Überraschung mich packte. Die Strahlenkrone, die den Mond umgab, war an drei Stellen von ungeheuren purpurfarbenen Flammen unterbrochen. Sie schienen stillzustehen und sahen aus wie die von den Strahlen der untergehenden Sonne angestrahlten Gipfel der schneeigen Alpen. Es war nicht zu unterscheiden, ob diese Flammengebilde Wolken oder Berge waren. Als ich noch beschäftigt war, fiel der erste Sonnenstrahl in die dunkle Umgebung. Er belebte mit einem Schlage die Natur von neuem, aber mich versetzte er in jene traurige Stimmung, die man empfindet, wenn man den Gegenstand seiner heißen Wünsche in dem Augenblick verschwinden sieht, wo man nahe daran ist, ihn zu erfassen." Der innere, rötliche Lichtring, den Francis Baily damals beobachtete und der die Sonne ständig umgibt, ist nach der Photosphäre die nächste Schicht rings um die Sonne. Die Chromosphäre, wie sie wegen ihrer Farbigkeit genannt wird (griech.: chroma = Farbe), ist etwa 8000 km hoch. Die Flammenzungen, die aus ihr bis zu Höhen von einigen hunderttausend Kilometern hervorlodern, sind die Protuberanzen (lat. = Verwölbungen). Der feine, helle Strahlenkranz schließlich ist die Korona (lat.: corona = Kranz), eine Schicht, die rund 1,8 Millionen km in den Raum hinausreicht. Sprache des Lichtes Wollen wir die geschilderten Vorgänge und die Schichtung der Sonnenumgebung begreifen, so müssen wir die Sprache des Lichtes verstehen lernen. Wir nannten das Licht den schnellfüßigen Boten, der uns Kunde bringt von den fernsten Gestirnen und dabei oft bis zu vielen Jahr-Millionen unterwegs ist. Was ist dieses Licht eigentlich? Vom Radiogerät her kennen wir den Begriff der Welle. Wir wissen, daß z. B. die Töne und Laute im Radiosender in elektromagnetische Schwingungen umgewandelt werden. Diese Schwingungen, vom Sender als Wellen ausgestrahlt, werden 14
vom Empfänger wieder aufgenommen und im Lautsprecher in Töne oder Laute zurückverwandelt. Die elektromagnetischen Wellen sind nichts Körperhaftes wie etwa die Wellen eines Sees, die einzeln gegen das Ufer rollen; es sind unkörperliche Äußerungen der Energie, die unter gewissen Verhältnissen von den Atomen der Stoffe ausgestrahlt werden. Die Skala des Radio-Apparates belehrt uns auch, daß die Wellen verschiedene Längen haben. Die Wellenlänge bestimmt nun, ob eine Strahlungsenergie unseren Sinnen erscheint oder ob sie erst umgewandelt werden muß, um erfaßt zu werden. Der Bereich der Wellenlängen ist sehr breit, er erstreckt sich von den mehrere tausend km langen Wechselstromschwingungen bis hinunter zu den Gamma-Strahlen des Radiums, die nur noch nach millionstel Millimetern gemessen werden. Besondere Längenmaßbezeichnungen sind nötig, um die kürzesten Wellen zu bezeichnen. Man spricht von einem Mikron = einem eintausendstel Millimeter (geschrieben [i), oder einem Millimikron=einem einmillionstel Millimeter (geschrieben (i|i), oder einer Angström-Einheit = Vio millionstel Millimeter. In der Breite des Wellenbereiches ist es das kleine Gebiet zwischen 380 und 760 nn (oder auch 3800 A bis 7600 A), dessen Wellen dem Menschenauge als Licht erscheinen, und zwar je nach der Wellenlänge in verschiedener Farbe. Die Wellen an der 760- ii|i-Grenze sehen wir als rotes Licht; mit kürzer werdender Wellenlänge ändern sich die Farben: Über Orange, Gelb, Grün, Hellblau, Dunkelblau geht es bis zum Violett an der 380- nn-Grenze. Unterhalb dieser Grenze sieht das menschliche Auge nichts mehr, während einige Tiere, z. B. die Bienen, auch noch die Wellen des Ultraviolett jenseits von 380 wahrnehmen. Auch mit bestimmten Photo-Platten können Dinge, die dem Menschenauge unsichtbar sind, sichtbar gemacht werden. Das helle Licht der Sonne ist kein einheitliches Licht, sondern eine Mischung von Licht der verschiedenen Wellenlängen. Dieses Lichtgemisch kann man nun sauber auseinander sortieren, wenn man es z. B. durch ein Glasprisma hindurchgehen läßt. In solchen Prismen werden die Lichtstrahlen je nach ihrer Wellenlänge verschieden stark von ihrem Weg abgelenkt, die roten am wenigsten, die violetten am stärksten, und so tritt der ehemalig weiße Lichtstrahl als ein breites, buntes Band, als Spektrum, aus dem Prisma heraus. Diese 15
Lichtzerlegungsmethode mit dem Spektroskop — einem Gerät, dessen Hauptbestandteil Prismen sind — stellt ein wichtiges Hilfsmittel für die Erforschung der Sterne dar. Mit ihr erst erfahren wir etwas über die chemische Zusammensetzung, Energieverteilung, über die Strömungen, Wirbel und Magnetfelder der Sterne, zu denen ja die Sonne gehört, und ihres Lichtes. Um dieses Hilfsmittel in geeigneter Weise auszunützen, braucht man Fernrohre, die ein möglichst großes Sonnenbild liefern und mit umfangreichen spektroskopischen Apparaten versehen sind. So ist für die Sonnenforschung ein ganz neuer Sternwartentyp entwickelt worden: das Turmteleskop. Die Abbildung Seite 17 führt im schematischen Querschnitt durch das Turmteleskop von Potsdam, den „Einstein-Turm". Das lange Fernrohr ist senkrecht im Innern eines Steinturmes aufgestellt. Die Sonnenstrahlen werden mit Hilfe eines motorbetriebenen Spiegelgerätes, das dem Lauf der Sonne ständig folgt, in das Fernrohr gelenkt. Drunten im temperaturbeständigen Keller des Gebäudes werden die Strahlen dann über einen Spiegel durch die umfangreiche Spektral-Apparatur geleitet und in das farbige Band des Spektrums zerlegt. So können sie ungestört von atmosphärischen Einwirkungen in allen Einzelheiten genau betrachtet oder photographiert werden. Da „liegt" nun das Sonnenlicht, das oben als ein heller Strahl in das Rohr eintrat, zu dem breiten, bunten Band der Regenbogenfarben auseinandergeblättert vor den Augen der Forscher, die jetzt darangehen, den stummen Boten über den riesigen Himmelskörper dort draußen im Weltraum auszufragen. Streifchen für Streifchen des breiten Bandes fallen auf ein Bolometer, einen warmeempflndlichen Strahlungsmesser, mit dem noch Temperaturunterschiede von zehnmillionstel Grad nachgewiesen werden können. Mit dem Gerät wird die unterschiedlich starke Energie der verschiedenen Streifen, d.h. also der verschiedenen Lichtwellenlängen, gemessen; nicht nur in dem für uns sichtbaren Wellengebiet des Spektrums, sondern auch in den Wellenlängenbereichen jenseits von Rot und Violett. Wenn man die erhaltenen Energiewerte zeichnerisch darstellt, dann ergibt sich eine Kurve, die erkennen läßt, daß der Energieanteil im Ultraviolett gering ist, dann aber über Violett bis ins Blau hoch ansteigt und von dort, weniger steil, über die anderen Farben bis weit ins Infra16
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Aufbau eines Turmteleskops (Potsdam) 1 K u p p e l , 2 Drehring für Spiegel, 3 Spiegel 4 Nebenspiegel, 5 Objektiv, 6 Holzgerüst 7 Umlenkspiegel, 8 Spalt, 9 Prismen, 10 Beu gungsgitter, 11 Photokamera
rot hinein absinkt. Diese Kenntnis der Energieverteilung im Sonnenspektrum bietet die Möglichkeit, mit Hilfe verschiedener physikalischer Gesetze die Temperatur der Photosphäre zu bestimmen; so gelangte man zu dem Ergebnis von 5713 Grad Celsius, das in einem früheren Abschnitt schon genannt wurde. Das Sonnenspektrum besteht aber nicht nur aus dem breiten, farbigen Band, in dem jede Farbe allmählich in die benachbarte übergeht; das Band des Sonnenspektrums ist auch von einer großen Zahl dunkler Linien quer durchzogen. Als erster hat diese Linien der Engländer" Wollaston im Jahre 1802 entdeckt. Die auffälligsten nennt man jedoch „Fraunhofersche Linien", weil der deutsche Physiker Fraunhofer im 17
Jahrel814 über 500 dieser Linien beschrieben hat. Das Rätsel der Linien wurde aber erst 1859 von den beiden Deutschen Kirchhoff und Bunsen gelöst. Sie stellten folgendes fest: Das breite, farbige Band, das Kontinuum (das „Zusammenhängende"), wird von einem glühenden f e s t e n oder f l ü s s i g e n Körper hervorgerufen; g l ü h e n d e Gase bilden ein Spektrum, das hauptsächlich aus einzelnen hellen Linien auf dunklem Hintergrund besteht. Die schwarzen Fraunhoferschen Linien dagegen entstehen dadurch, daß sich vor einem glühenden festen oder flüssigen Körper eine kühlere Gasschicht befindet, die alle jene Anteile des Lichtes verschluckt, die die Gasschicht selbst aussenden würde, wenn sie glühend wäre. Mit dieser Deutung des Spektrenbildes haben die beiden Gelehrten auf viele Zweige der Naturwissenschaft befruchtend gewirkt; den Astronomen haben sie ein ganz neues Gebiet ; erschlossen: die Kunde vom Bau der Sternatmosphären. Man begann zunächst einmal im Laboratorium die Linien- , Spektren der verschiedenen auf Erden vorkommenden Elemente zu ermitteln. Diese Spektren wurden mit den über 20 000 Linien des Sonnenspektrums verglichen und dabei festgestellt, daß in der Sonne die gleichen Elemente vorhanden sind wie auf der Erde: Zwar wurden bisher nicht alle 92 irdischen Elemente in der Sonne erkannt, sondern mit Sicherheit nur die 57 häufigsten. Doch darf daraus nicht geschlossen werden, daß die übrigen erdhaften Elemente in der Sonne nicht vorkommen. Andererseits ist in der Sonne kein Element festgestellt worden, das auf der Erde nicht vorkommt. Atome heizen den Sonnenofen Kirchhoff und Bunsen hatten zwar die Bedeutung der Spektrallinien erkannt, für das Zustandekommen der Linien war aber eine Erklärung erst möglich, als man Einblick in den Aufbau der Atome gewonnen hatte. Wie wir wissen, ist ein Atom die kleinste chemische Einheit eines Elementes; es setzt sich aus verschiedenen Baubestandteilen zusammen. Da ist der Atomkern, der aus Protonen — elektrisch positiv geladenen Teilchen — und Neutronen — nichtelektrische Teilchen — besteht (außer dem Wasserstoffkern, der nur ein einziges Proton enthält); um diesen Kern kreisen auf einer oder auf mehreren Bahnen ein bis zweiundneunzig elektrisch negativ geladene 18
Elektronen. Jedes Element weist eine andere Zahl von Kernbestandteilen und Elektronen auf. Durch eine dem Atom innewohnende Energie werden die Elektronen auf bestimmten Bahnen gehalten. Wird diesem ausgeglichenen Atomgefüge zusätzlich Energie zugeführt, z. B. wenn wir Licht verschiedener Wellenlängen in ein Gas hineinschicken, so nimmt jedes Gasatom bestimmte Wellenlängen dieses Lichtes in sich auf; durch den Energiezuwachs wird eines oder werden mehrere Elektronen aus ihrer Bahn heraus auf eine andere energiereichere gehoben. Der aufgenommene Wellenanteil bestimmter Länge ist also vom Atom verschluckt worden und gelangt zunächst nicht mehr in unser Auge. Nun behält allerdings das Atom die ihm zugeführte Energie nicht lange, sondern gibt sie nach einer hundertmillionstel Sekunde wieder als Licht ab; die angehobenen Elektronen fallen in ihre alten Bahnen zurück. Das abflutende Licht strahlt aber jetzt nicht mehr in einer Richtung, sondern wird nach allen Richtungen hin zerstreut. Wenn viele Gasatome dieses Spiel vom Verschlucken und Wiederausstreuen ausführen, entsteht im farbigen Lichtband eine dunklere Linie. Je mehr Gasatome daran beteiligt sind, desto kräftiger wird die dunkle Linie. Deshalb verrät sie uns z. B. nicht nur, welche Elemente, sondern auch, in welcher Häufigkeit sie auf der Sonne vorkommen. Dabei ergibt sich, daß das weitaus häufigste Element in der Sonne der Wasserstoff ist. Er ist 30mal so häufig wie Helium und Sauerstoff und 60mal so häufig wie die Metalle, Kohlenstoff und Schwefel zusammengenommen. Überraschend ist der immerhin starke Anteil des Heliums, da es hier auf Erden eines der seltensten Elemente ist. Die Atomphysik konnte auch dieses Rätsel lösen; denn der Heliumvorrat in der Sonne hängt eng mit der Frage zusammen, woher eigentlich der riesige Sonnenofen sein Heizmaterial nimmt. Was die Sonne an Energie in den Weltraum hinausstrahlt, ist uns heute genau bekannt. Zunächst bemühte man sich, die Gesamtstrahlung, die auf. die Erde fällt, zu ermitteln. Als Maß schuf der französische Physiker Pouillet 1837 den Begriff der „Sonnenkonstante". Darunter versteht man die Menge an Strahlungsenergie, die ein Quadratzerrtimeter Erdoberfläche in jeder Minute erhält; gemessen wird die eingestrahlte Sonnenenergie in Wärmeeinheiten, Kalorien (1 Kalorie ist die 19
* Wärmemenge, die 1 ccm Wasser um 1 Grad C erwärmt). Die genaue Messung der Sonnenwärmestrahlung ist nicht einfach, da die Lufthülle der Erde einen Teil der Strahlung verschluckt, bevor sie die Erde selbst erreicht. Das ist deutlich zu erkennen, wenn man die Meßergebnisse in verschiedenen Höhenlagen miteinander vergleicht. In Kolberg, 5 m über Meereshöhe, beträgt die Sonnenkonstante 1,41 Kalorien; in Davos, 1600 m hoch, 1,59 Kalorien; auf dem Mount Whitney, 4420 m, 1,72 Kalorien, und in einem Ballon in 22 000 m Höhe wurden 1,89 Kalorien gemessen. Bei Berücksichtigung aller Fehlerquellen nimmt man heute an, daß die Wärmestrahlung der Sonne 1,9 Kalorien je Quadratzentimeter in der Minute beträgt. Die gesamte Energie, die auf die Erde auftrifft, läßt sich also ermitteln, sie beläuft sich, wenn man die Kalorien in elektrische Leistung umrechnet, auf 170 Billionen Kilowatt. Nun strahlt die Sonne aber nicht nur auf die in astronomischer Sicht so winzige Erde, sondern auch ringsum in den Raum, so daß der Gesamtbetrag der Sonnenstrahlung gewaltig ist. Auch diese absolute Leuchtkraft der Sonne hat man gemessen; es ergab sich der Betrag von 400 000 Trillionen Kilowatt. (Es gibt Sterne, deren Strahlung noch um das Hunderttausendfache größer ist als die der Sonne.) Aus welchen Quellen speisen die Himmelskörper die ungeheure, seit Tausenden von Millionen Jahren andauernde Strahlung? Bestände der Sonnenkörper aus Steinkohle, so wäre sie schon in 25 000 Jahren zu Asche verbrannt, tot und wärmelos. Ihre Heizstoffe müssen also viel ergiebiger sein. Man dachte eine Zeitlang, die Energiezufuhr erfolge durch das ständige Hereinregnen von Meteoriten aus dem Weltraum. Aber diese Zufuhr reicht bei weitem nicht aus, um die riesige Energieerzeugung der Sonne zu erklären, und sie kann nur als verschwindend kleiner Beitrag gelten. Später glaubte man •— diese Ansicht wurde noch bis vor wenigen Jahrzehnten vertreten —, die Sonnenwärme stamme aus der Zusammenschrumpfung des Sonnenkörpers. Man berechnete danach den Zeitpunkt, an dem die Sonne einmal zu strahlen aufhören und damit das Leben auf Erden erlöschen werde. Das gleiche Schicksal sah man für alle Sterne voraus; einmal werde im ganzen Weltall alle Materie verstrahlt und jede Bewegung und jedes Leben zu Ende sein. Der in die Zukunft voraus20
eilende Menschengeist war mit dieser Schau bis zum vermeintlichen Ende aller Dinge vorgestoßen. Die Enträtselung des Energiegeheimnisses des Sonnenriesen ist — so merkwürdig es klingt — dem Fortschritt in der Erforschung des „Allerkleinsten" zu danken. Seit der Jahrhundertwende wurde mit dem Eindringen in den Aufbau der Atome zugleich auch der Blick tiefer ins Weltall hinein geöffnet. Nur in den Atomen konnten jene Energien stecken, die allein das gewaltige, unerschöpflich erscheinende Kraft-Wärmezentrum Sonne möglich machten. Atome waren das Heizmaterial der Sonne, und zwar fast ausschließlich jene freien Atomkerne, die den Glutofen der Sonne ohne Elektronenhüllen in unermeßlicher Ballung ausfüllen. Diese Theorie vertrat als erster der deutsche Atomphysiker Hans A. Bethe, Professor an der Cornell-Universität (USA). Nach seiner Darstellung, die inzwischen die Zustimmung der astronomischen Wissenschaft gefunden hat, erfolgen die energieerzeugenden Vorgänge in den Atomen des Sonneninneren in einem ununterbrochenen Kreislauf (Bethe-Kreislauf). Das am einfachsten gebaute Atom ist das des leichten Wasserstoffs, es besteht aus einem Proton, um das ein Elektron kreist. Das Atom des nächst höheren Elementes ist das des Heliums. Es besteht aus 2 Protonen und 2 Neutronen im Kern, der von zwei Elektronen umkreist wird; und so geht es immer komplizierter in der Reihe der Elemente hinauf. Es gibt in der Natur einige Elemente, deren Atomaufbau von selbst zerfällt und die sich dabei in einfacher gebaute Elemente umwandeln; das bekannteste ist das Radium. Man kann sich vorstellen, daß auch der umgekehrte Weg möglich ist, daß sich aus einfacheren Elementen kompliziertere aufbauen •— und das ist auch tatsächlich der Fall. Allerdings nicht hier auf Erden, sondern auf der Sonne; dort wird der einfache Wasserstoff in einem höchst interessanten Stufenprozeß zu dem höheren Element Helium zusammengesetzt. Das geht folgendermaßen vor sich: Die gewaltige Temperatur von mehreren Millionen Grad im Innern der Sonne bringt die Atome der verschiedenen Elemente mit Geschwindigkeiten von mehreren Tausend Metern pro Sekunde wild durcheinander. Im allgemeinen stoßen sich zwei Atome ab, wenn sie bei diesem Durcheinander zusammenprallen. Doch es kann sich auch etwas anderes ereignen. Es kommt nämlich vor, daß ein 21
"*• £
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Die Sonne heizt sich ständig auf, indem sie aus Wasserstoffkernen Heliumkerne aufbaut; bei den lang wahrenden Einzelprozessen übernehmen Kohlenstoffatome die Rolle des Vermittlers, ohne d a ß sie sich selbst verzehren. Bei diesen Prozessen „fallt" laufend Strahlungscnergie a b : die w ä r mende Kraft der Sonne.
Proton, d. h. ein Wasserstoffkern, in den Kern eines Kohlenstoffatoms eindringt. Dadurch wird das Kohlenstoffatom, dessen Kern 6 Protonen und 6 Neutronen enthält (sein Atomgewicht ist deshalb 12), in ein Stickstoffatom verwandelt. Genauer gesagt:in die Stickstoff abart N 13,ein sogenanntes Isotop;denn das Atomgewicht ist durch den Zuwachs um das eine Proton nur auf 13 erhöht worden, während das Atomgewicht des normalen Stickstoffs 14 (7 Protonen und 7 Neutronen) beträgt. Das Stickstoffisotop N 13 ist nicht beständig; das eingedrungene Proton verwandelt sich vielmehr unter Abgabe eines Positrons (d. i. eines Elektrons mit positiv elektrischer Ladung) in ein Neutron. Dadurch wird das Stickstoff-Atom wieder zu einem Kohlenstoff-Atom mit dem Atomgewicht 13 (6 Protonen und 7 Neutronen), also zu einem Kohlenstoffisotop. Es trifft sich, daß dieser Kohlenstoff C 13 wieder einen aufprallenden Wasserstoffkern, ein Proton, in sich aufnimmt und sich dadurch in normalen Stickstoff N 14 verwandelt. Auch dieser nimmt zu irgendeinem Zeitpunkt in dem tobenden Atomgewühl des Sonneninnern einen Wasserstoffkern auf und wird dadurch zu dem Sauerstoff isotop O 15, das, wie vorher das Stickstoffisotop, unbeständig ist und sich unter Abgabe eines Positrons in das Stickstoffisotop N 15 (7 Protonen und 8 Neutronen) zurückverwandelt. Stickstoff N 15 stößt irgendwann im Laufe langer Zeiträume mit einem vierten Wasserstoffkern zusammen; doch diesmal wird das aufprallende Proton nicht in den Atomverband aufgenommen; die drei zuvor aufgenom22
menen Atomkerne werden jetzt vielmehr in Form eines Protons und zweier Neutronen wieder ausgestoßen und vereinigen sich mit dem vierten zuletzt hinzugekommenen Wasserstoffkern zu einem Heliumkern, der aus 2 Protonen und 2 Neutronen besteht; aus dem Stickstoffisotop N 15 ist durch die Abgabe der drei Kernbestandteile wieder ein normales KohlenstoffAtom C 12 geworden, von dem der Kreislauf ausgegangen ist. So ist also aus vier Wasserstoffkernen ein Heliumkern aufgebaut. Helfer war das Kohlenstoff-Atom, das am Schluß des Prozesses wieder unverändert daraus hervorging. Es hat überraschenderweise selbst nichts von seiner Masse weggegeben, aber ohne seine Anwesenheit wäre der ganze Vorgang unmöglich gewesen; es hat, wie der Chemiker sagt, als Katalysator gewirkt. Wo erfolgt nun in diesem Kreislauf die Abgabe der Energie, der wärmenden Sonnenstrahlung? Das Atomgewicht eines Wasserstoff kerns beträgt 1,008, die vier Wasserstoff kerne, die an dem Umwandlungsprozeß beteiligt waren, haben zusammen demnach das Atomgewicht 4,032 — das Atomgewicht des Endproduktes des Prozesses, des Heliums, steht aber nur mit 4,003 zu Buch. 0,029 Atomgewichtseinheiten sind also während der Umwandlung abhanden gekommen. Sie sind aber nicht verloren gegangen; die Masse hat sich vielmehr während des Kreislaufs beim jedesmaligen Eindringen eines Wasserstoff kerns in den Kohlenstoffkern in Strahlung verwandelt; es ist jene Strahlung, die wir als Sonnenlicht und Sonnenwärme alltäglich wahrnehmen. Zwar erstreckt sich der Aufbau eines Heliumatoms in der Sonne über mehrere Millionen J a h r e ; da jedoch die Heliumbildung in dem riesigen Sonnenkörper ständig vor sich geht, werden in jeder Sekunde 564 Millionen Tonnen Wasserstoff in 560 Millionen Tonnen Helium und damit 4 Millionen Tonnen Masse in strahlende Energie umgewandelt. Seit ihrem Bestehen hat die Sonne von ihrem Wasserstoffvorrat gelebt, und sie wird auch noch sehr lange davon zehren können. Das Innere der Sonne Hier drängt sich uns die Frage auf, wie denn schauungen der Astronomen das Sonneninnere Nach sein'em Spektrum müßte der Sonnenball fester oder flüssiger Körper sein. Eine Zeitlang
nach den Anbeschaffen ist. ein glühender war das auch 23
die Meinung der Wissenschaft; neuere Überlegungen haben aber ergeben, daß das nicht möglich sein kann. An der Oberfläche der Sonne befinden sich bei einer Temperatur von 5700 Grad alle Stoffe in einem gasförmigen Zustand. Tiefer in der Sonne nimmt der Druck infolge des Gewichtes der Gasmaterie in Richtung auf den Sonnenmittelpunkt immer mehr zu — im Sonnenkern erreicht er den ungeheuren Wert von über 100 Milliarden Atmosphären. Zugleich steigert sich mit zunehmendem Druck die Temperatur in der Sonnenmitte bis auf 20 Millionen Grad. Es ist ausgeschlossen, daß unter solchen Verhältnissen ein Gas im gewöhnlichen Sinne noch gasförmig ist; Atome werden nämlich bei solchen Temperaturen und Drücken so dicht aneinander gepreßt, daß sie ihre Elektronen verlieren. Während die Dichte des Gases an der Sonnenoberfläche etwa die der Luft ist, steigt sie nach innen zu immer stärker an und erreicht im Sonnenkern den hundertzehnfachen Wert der Dichte des Wassers — 1 ccm Materie aus dem Sonnenkern würde also auf Erden 110 Gramm wiegen. Materie in einem derartigen Dichtezustand können wir uns nicht mehr vorstellen. Im Sonnenkörper herrscht bei allem Widerstreben der in ihm wirkenden Gewalten weitgehender Ausgleich der Kräfte. Den von den äußeren Schichten her lastenden Gasmassen setzt er von innen her den gewaltigen Strahlungs- und Gasdruck entgegen und verhütet so ein Zusammenbrechen seines inneren Aufbaues. Dabei werden die nach außen drängenden Gasteilchen und die nach außen strömende Strahlung fortwährend in höheren Schichten abgefangen, und ihr Druck wird benützt,, die nächst höheren und weiteren Schichten zu stützen. Zuletzt muß sich die gesamte Strahlungs- und Gasenergie, die im Innern erzeugt wurde, auf die ganze Sonnenoberfläche verteilen; die Oberflächentemperatur der Sonne beträgt deshalb „nur" noch 5700 Grad. Spiel der Linien Das Bild friedlicher Schichtung finden wir freilich oft genug gestört. Die schnellere Umdrehung der Sonne am Äquator gegenüber der langsameren an den Polen, die wir an der verschieden schnellen Bewegung der Sonnenflecken erkannt haben, wirkt zwangsläufig auch in das Sonneninnere und führt 24
hier notwendig immer wieder zu Reibungen und Strömungen. Stoßweise werden Gas und Strahlungs-Energien nach außen geworfen; die Flecken, Fackeln, Flocken, Pro tuberanzen und chromosphärischen Ausbrüche sind die äußeren Zeichen der inneren Unruheherde. Die ausgestoßenen leuchtenden Gasmassen, die noch die Hitze des Sonneninnern in sich tragen, strahlen aber nicht die dunklen Fräunhoferschen Spektrallinien aus, sondern nur leuchtende Linien. Alle Gase, die über eine Sonnenschicht hinausgelangen, die eine niedrigere Temperatur aufweist als die Gase selbst, zeigen helle Linien; dunkle Linien sind dagegen ein Beweis dafür, daß über der Sonne lagernde Gase „kühler" sind als die Sonnenschicht, über der sie sich befinden. Wenn man das farbige, überaus helle Lichtband der Sonne mit Prismen weit auseinanderzieht, sind die hellen Linien in ihrem vollen Glanz und die dunklen Linien in ihrer vollen Dunkelheit deutlich zu erkennen. Das Linienspektrum ist also ein durchaus geeignetes Mittel, die Sonne genau zu untersuchen. Im Jahre 1892 gelang es dem Amerikaner Haie in dem Spektroheliographen eine photographische Aufnahme-Apparatur zu schaffen, mit der beim Abtasten der Sonnenscheibe von jeder Stelle nur das in e i n e r Wellenlänge ausgestrahlte Licht auf die Photoplatte gelangte. Um das zu erreichen, ließ Haie das Sonnenlicht auf einen Spalt fallen, hinter dem mehrere Prismen das Licht sehr weit auseinanderzogen; mit einem zweiten Spalt sortierte er hinterher nur die gewünschte Wellenlänge heraus. Wurde der Apparat über das Bild der Sonnenscheibe hinweg bewegt, während gleichzeitig der zweite Spalt über die feststehende photographische Platte hinwegwanderte, so erhielt Haie ein Sonnenbild, zu dem nur eine Atomart, z. B. Wasserstoff oder Calzium, das Licht lieferte. Eine solche Aufnahme zeigt in hellen oder dunklen Linien alle Gasmassen an, in denen Wasserstoff oder Calzium Licht ausstrahlt oder in sich aufnimmt. Wenn man mehrere derartige Aufnahmen miteinander vergleicht, so erkennt man aus der Veränderung der Linien die Bewegungen der Gaswolken, ihr Erscheinen und Verschwinden, selbst wenn bei direkter Betrachtung der Sonne eine Beobachtung nicht möglich ist. Um den zum Teil sehr stürmische*n Vorgängen auf der Sonne entsprechend schnell folgen zu können, wurde der Spektroheliograph zum Spektrohelioskop verbessert: mit Hilfe eines Mo25
tors wird er so schnell über das Bild der Sonnenscheibe geführt, daß man wie mit dem Auge alle Stellen abtasten und nichts übersehen kann. Das unaufhörliche Brodeln auf der Sonnenoberfiäche, das oft von gewaltigen Ausbrüchen unterbrochen ist, spiegelt sich in den Spektrallinien wider. Auch die Entstehung und Entwicklung eines Flecken ist genau zu verfolgen. Oft schon mehrere Stunden vor dem Auftreten eines Sonnen-Flecken weisen Erscheinungen im Spektrum auf das bevorstehende Ereignis hin. Ein eigener Funknachrichtendienst gibt die Beobachtungen an die interessierten Stellen für Ionosphärenforschung und Funkwettervoraussage zur Auswertungweiter. Manchmal zeigen sich innerhalb einer Fleckengruppe gleichzeitig oder schnell hintereinander an mehreren Stellen Licht- und Gasausbrüche, die ebenfalls durch das Spektrum erkennbar sind. Durchschnittlich halten sie sich 20 Minuten, doch kann man sie gelegentlich auch stundenlang beobachten. Es sind Ausbrüche, die besonders im kurzwelligen Bereich sehr kräftig sind. Von diesen flächenmäßig nur sehr kleinen Gebieten von etwa einem Eintausendstel der Sonnenscheibe wird mehr ultraviolette Strahlungsenergie abgegeben als von der ganzen übrigen Sonnenscheibe selbst. Diese chromosphärischen Ausbrüche sind in der Regel von den purpurfarbenen Flammenausbrüchen der Protuberanzen begleitet, die bis zum Jahre 1930 nur bei totalen Sonnenfinsternissen gesehen werden konnten. Künstliche Sonnenfinsternisse Aber totale Sonnenfinsternisse sind selten, und die Expeditionen, die ausziehen, um sie zu beobachten, sind mühevoll und kostspielig. Das brachte den französischen Astronomen Bernard Lyot auf den Gedanken, totale Sonnenverfinsterungen künstlich zu erzeugen, indem er das Bild der Sonnenscheibe in. einem Spezialfernrohr, dem Koronographen, durch eine runde Blende abdeckte. Während aber der Mond bei einer natürlichen Sonnenfinsternis das Licht der Sonne wirklich abblendet, flutete bei der Fernrohrblende das Sonnenlicht weiterhin ungehindert durch die Luft. Um auch das Streulicht auszuschalten, errichtete Lyot seftie Beobachtungsstation auf einem hohen Berg in staubfreier Atmosphäre. Doch verblieb auch jetzt noch ein gewisser Streulichtbetrag; es gelang dem 26
Erfinder, auch diesen Rest durch einige optische Kunstgriffe zu beseitigen. Heute kann man mit dem Koronographen an jedem wolkenfreien Tag die Chromosphäre der Sonne mit den Protuberanzen und zum Teil auch den zarten Schleier der Korona beobachten, obwohl deren Lichtstärke eine Million mal schwächer ist als die der Sonne selbst. Zaubervoll ist das Schauspiel, das sich dem Betrachter im Koronographeh darbietet: um die schwarze verdeckte Sonnenscheibe schlingt sich der feine, rot leuchtende Ring der Chromosphäre, und aus ihm heraus wabern die verschiedenen Formen der Gasausbrüche. Da gibt es breite, stehende Flammen, wir-
Sonnenprotuberan2 3. Juni 1949
vom
belnd verdrehte Feuerhosen, schwebende feurige Wolken, leuchtende Girlandenbogen, niedrigere Sprudel und als großartigste Erscheinung springbrunnenartige Pro tuberanzen. Etwa 10 000 km dick ist solch eine Fontäne glühender Gase, und Hun* derttausende von Kilometern schießt sie in wenigen Stunden empor, spaltet sich, versprüht in Feuertropfen und fällt schließlich wieder zurück. Zuweilen aber ist der in ihr wohnende Schwung so gewaltig, daß sie immer schneller und höher emporrast und nicht mehr zur Sonne zurückkehrt, sondern mit Geschwindigkeiten von mehreren hundert Sekundenki^ometern in den Weltraum hinausfliegt. Was man am Rande der Sonnenscheibe als Feuerfontänen sieht, das sind auf dem Gesicht der Sonne die Fackeln und die Flocken, die oft mehrere Monate lang bestehen bleiben, sich zuweilen in ihrer Form verändern und schließlich meist wieder in die Sonne zurücktauchen. Auch sie unterliegen in ihrer Häufigkeit und Ausdehnung dem elfjährigen Rhythmus der Sonnenflecken. 17
Strahlungen Die Sonne sendet nicht nur Wärme zu uns hernieder; auch Strahlungen anderer Art gehen von ihr aus, für die wir kein Sinnesorgan besitzen und von denen wir nur auf Umwegen erfahren. Wir ärgern uns beim Radiohören über das Auftreten von Schwunderscheinungen; mitten in einem fesselnden Vortrag, mitten in einer frohen Musikdarbietung verringert sich plötzlich die Lautstärke. Ein paar Sekunden hören wir nichts mehr, bis der Ton wieder zurückkehrt und wieder zu alter Stärke anschwillt. Woher diese Erscheinung?
Reflexion der Funkwellen an tler Ionosphäre, die je nach der Einstrahlung der Sonne ihre Höhenlage verändert. Störungen im Rundfunkempfang sind die Folgen.
In der Abbildung ist ein Sendemast zu sehen, von dem * Rundfunkwellen ausgestrahlt werden. Ein Teil dieser Wellen wandert als „Bodenwellen" dicht über den Erdboden dahin, der andere Teil, die „Raumwellen", werden hoch in den Raum ausgestrahlt. Die Bodenwellen reichen nur einige hundert Kilometer weit, während die Raumwellen weitere Entfernungen überbrücken. Sie können aber nicht beliebig weit in den Weltraum hinauswandern, da sie in etwa 100 km Höhe auf eine elektrisch leitende Luftschicht (E-Schicht), die sog. Ionosphäre treffen, von der sie wieder nach unten gespiegelt werden. Die Ionosphäre bildet sich durch die Einwirkung ultravioletter Sonnenstrahlen und besteht zum größten Teil aus ionisierten Stickstoff- und Sauerstoffatomen der Atmosphäre. 28
Nordlichter (Polarlichter) bilden sich durch den Zusammenstoß v o n Elektronenmassen, die aus der Sonnenhülle ausgetrieben werden, mit den Sauerstoffund Stickstoffatomen der Luft. Das Bild zeigt die Nordlichterscheinungen vom 14. O k t . 1949 in der Zeit von 20.38 bis 20.47 U h r . Die Hauptflächen leuchteten tiefrot. Weiße und farbige sich kreuzende Strahlen belebten das Lichterspiel.
Steigen oder fallen die ionisierten Luftschichten in größere bzw. geringere Höhe, so werden die Radiowellen in geänderter Richtung gespiegelt und erreichen uns^ erst wieder, wenn die ionisierte Schicht in ihre Ausgangsrage zurückgekehrt ist. Kurzzeitige Ionisierungsschwankungen treten am Morgen und am Abend auf, wenn sich die Einstrahlung der Sonne stark verändert. Erst seit wenigen Jahren wissen wir, daß auch chromosphärische Ausbrüche Strahlungsquellen größter Stärke sind. Von der Ausbruchszone geht eine außerordentlich starke Radiostrahlung mit Wellenlängen von wenigen Zentimetern bis mehreren Metern aus, die sich auf der Erde durch ein stark anschwellendes Rauschen in den Rundfunkempfängern zu erkennen gibt. Heftige chromosphärische Eruptionen sind außerdem mit dem verstärkten Auftreten der „kosmischen Strahlung" verbunden, die auch als Ultrastrahlung oder Höhenstrahlung bekannt ist. Die kosmische Strahlung ist die energiereichste, die man kennt. Sie durchdringt mühelos als Schutz verwendete Bleipanzer und ist noch 300 Meter unter der Erdoberfläche und 700 29
Radioteleskop Empfangsgerät zur Aufnahme von Ultrakurzwellen des Senders Sonne.
Meter unter dem Meeresspiegel nachweisbar. Sie wird aus Protonen, also Atomkernbausteinen gebildet, die mit ungeheurer Bewegungsenergie durch den Weltraum schießen und beim Auftreten auf die irdische Gashülle mit Luftatomen und Luftatambestandteilen zusammenstoßen; zum Glück für den Erdbewohner machen sie dabei verschiedene Umwandlungsprozesse durch, bei denen sie einen großen Teil ihrer Energie verlieren. Selbst die Sonnenflecken sind Energiequellen von großer Reichhaltigkeit. In den zur Oberfläche gelangten sturmartigen Gaswolken, die uns als Flecken erscheinen, wirbeln 30
ionisierte Atomteilchen. Die gewaltigen Ausdehnungen und Geschwindigkeiten dieser Wolken von Energieträgern führen zu starken Magnetfeldern, unter deren Einwirkung sogar die Spektrallinien aufspalten. Diese kosmischen Magneten treiben zuweilen große Mengen von Elektronen durch die äußeren Schichten der Sonnenhülle hindurch, die auf die Planeten treffen und sie überfluten. Nach frühestens I6V2 Stunden gelangen die ausgetriebenen Elektronen auch auf die Erde. Das sind die hohen Zeiten der Nordlichterscheinungen, die zumeist um die magnetischen Pole spielen. Bei diesem Naturschauspiel bringen die eingedrungenen Elektronen durch Zusammenstoß die Sauerstoff- und Stickstoff-Atome der Lufthülle zum Leuchten. Außer den Elektronen sendet die Sonne aus ihren Flecken und Filamenten auch andere geladene Teilchen aus, die mit verschiedener Geschwindigkeit enteilen und wegen ihrer elektrischen Ladungen das gesamte Magnetfeld unserer Erde in Verwirrung bringen können. Es entstehen dann die großen ..magnetischen Stürme", bei denen die Magnetnadeln um mehrere Grade aus ihrer Ruhelage abgelenkt werden; die gewöhnlichen magnetischen Störungen geringeren Grades, die häufiger durch die Sonne veranlaßt werden, sind durch die „Stürme" jäh unterbrochen. Viele Ausströmungen aus den Energiequellen der Sonne entziehen sich wahrscheinlich bis heute noch unserer Beobachtung, weil die Aufnahmefähigkeit der menschlichen Sinne allzu begrenzt ist und weil die technisch-physikalischen Hilfsmittel noch nicht geschaffen sind, sie zu erfassen. Von den ewig wirkenden Kraftäußerungen des Sonnenballs und von ihren unheimlich durchdringenden Gewalten haben wir vielleicht erst wenige Tropfen eingefangen, indessen ein ganzer Strom wirkender Energien uns noch immer unbemerkt umfängt.
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