Atlan - Die Abenteuer der Sol Nr. 514 Die Mausefalle
Stadt der Vergessenen von Hans Kneifel
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Atlan - Die Abenteuer der Sol Nr. 514 Die Mausefalle
Stadt der Vergessenen von Hans Kneifel
Kontakt mit den Rebellen von Mausefalle VII
Alles begann eigentlich im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefährten die SOL verließ und zur BASIS übersiedelte, nachdem er den Solgeborenen das Generationenschiff offiziell übergeben hatte. Seit dieser Zeit, da die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf große Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sind mehr als zweihundert Jahre vergangen, und niemand hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs gehört. Im Jahr 3791 ist es jedoch soweit – und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten entlassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert und sie einer neuen Bestimmung zuführt. Und das ist auch dringend notwendig. Doch bevor er das an Bord herrschende Chaos beseitigen kann, gilt es erst, die SOL, die in einem Traktorstrahl gefangen ist, zu befreien. Atlan und ein paar Gefährten versuchen das unmöglich Erscheinende. Vom Quader aus gelangen sie nach Mausefalle VII, wo sie den für den Traktorstrahl Verantwortlichen zu finden hoffen. Sie beginnen ihre Suche in der Robotstadt und setzen sie fort in der STADT DER VERGESSENEN …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan ‐ Der Arkonide in der Stadt der Vergessenen. Bjo Breiskoll, Joscan Hellmut und Gavro Yaal ‐ Atlans Begleiter. Akitar ‐ Ein Chailide. Brun, Uto Vanadis und Jyrdon Anussha ‐ Prominente Bewohner der Stadt der Vergessenen. Yʹ Man ‐ Eine mysteriöse Wesenheit.
1. Durstwirbel drehte sich rasend schnell, schwankte hin und her und nahm dann Kurs auf den einzeln stehenden Baum. Dort gab es Insekten, kleine, lose Rindenstücke und feuchte Blätter. Die Spuren der Feuchtigkeit waren es, die Durstwirbel am Leben erhielten. In diesem wasserlosen Land genügten winzige Reste von Wasser, dieses seltsame Wesen existieren zu lassen. Warmer Wind fuhr an den Flanken der schrägliegenden, korkenzieherartig gedrechselten Säule aus Sand und winzigen Staubpartikeln entlang und versetzte Durstwirbel in schnellere Drehung. Der hungrige Fuß des Gebildes rotierte über den Boden. Das kurze Gras, dessen staubigtrockene Halme ineinander verfilzt waren, raschelte und knisterte. Durstwirbel tanzte vorwärts und zurück, drehte auf der Stelle und huschte dann, neun Meter hoch und mit geringerem Durchmesser als die Hüften eines Mannes, nach Norden. Die Strukturen Durstwirbels gerieten in Unordnung. Das Staubwesen war nicht wirklich intelligent. Es wurde vom Wind umhertransportiert und »roch« Feuchtigkeit. Der fast kahle Baum auf dem übernächsten Hügel war das erste Ziel. Aber irgendwo dahinter gab es viel Feuchtigkeit. Sie war in mehreren Körpern gespeichert, die nach Westen wanderten. Mehr konnte Durstwirbel nicht feststellen. Aber dies war sein nächster Angriff,
wenn er sich an dem Baum gestärkt hatte. Der Sandwirbel ließ sich von der Brise treiben und zielte auf den Baum. Das uralte Gewächs, dessen weiße Äste mit kleinen, hellgrünen Blättern in den verhangenen Himmel des Planeten deuteten, war eine der wenigen auffallenden Unterbrechungen der kahlen Landschaft. Sie bestand nur aus dünner, steppenähnlicher Vegetation und winzigen Hügeln. Sie waren gerade so hoch, daß der Wind in ausreichender Weise gebrochen wurde und so die Voraussetzungen schuf, daß Durstwirbel jeden Tag ein paar Stunden leben konnte. Durstwirbel, eine der wenigen Lebensformen eines Planeten, der von fremden Wesen den Namen Mausefalle Sieben erhalten hatte, kannte die Bedingungen seiner eigenen Existenz nicht. Der Wind ließ ihn erwachen, wenn die Feuchtigkeit wieder aus den Partikeln geschwunden war. Dann trieb ihn der Wind hin und her, und nur der blinde Drang nach Feuchtigkeit, der durch Vergrößerung der Körpermasse noch verstärkt wurde, er möglichte es Durstwirbel, seine Bewegungen selbst zu bestimmen. Dies wußte Durstwirbel nicht, und er kannte auch den wirklichen Namen der Welt nicht, auf der er lebte. Genaugenommen ahnte er nicht einmal, daß die Fläche, auf der er sich bewegte, ein Ausschnitt der Oberfläche einer gigantischen Kugel war. Eines wußte der Wirbel: Bestimmte Temperaturunterschiede waren der Grund, daß Windströmungen entstanden und eine Menge Material hochwirbelten und verdichteten. Je geringer die gespeicherte Feuchtigkeit des Staubes war, desto größer – und hungriger! – wurde Durstwirbel. Er kannte einfache Lebensäußerungen, war in der Lage, zu »fressen« er nahm Licht und Dunkelheit und andere einfache Umweltreize wahr, und er vermehrte sich. Durstwirbel erreichte den Fuß des Hügels, auf dem der uralte Baum stand. Die dünnen Äste zitterten leicht unter dem Andruck des Windes, der den thrombenförmigen Wirbel den Hang aufwärts
trieb und vor den knochentrockenen Außenwurzeln anhalten ließ. Die unsichtbare Pfahlwurzel bohrte sich tief in den Boden und bezog den winzigen Rest an Feuchtigkeit, die den Baum am Leben erhielt, aus den Grundwasserströmen. Ein karges, lebloses Land erstreckte sich unter Durstwirbel, als sich die kondensierenden Wirbel um den Baum legten. Die ultratrockene Staubschicht fetzte die Insekten von den Blättern und aus der bröckelnden Rinde. Sie wurden zusammen mit Rindenstaub und der Feuchtigkeit aus den Blättern in den Wirbel eingesaugt. Binnen Sekunden wurden die Insekten jeglicher Feuchtigkeit beraubt und fielen in winzigen Stücken innerhalb des Schleiers zu Boden. Staub verband sich mit Feuchtigkeit und sank in schnellen Wirbeln abwärts. Trockener Sand wurde zwischen den Wurzeln hochgerissen und vergrößerte Durstwirbel. Die Blätter, eben noch grünlich und mit prallen Adern, wölbten sich an den Rändern auf und verloren ihr Aussehen. Als Durstwirbel merkte, daß es in der Umgebung des Baumes nichts mehr zu holen gab, ließ er sich vom Wind zur Seite tragen. Einige Augenblicke lang schwankte er neben dem Baumstamm hin und her und spürte, daß in nördlicher Richtung viel Feuchtigkeit war. Nicht sehr weit entfernt; einige intensive Windstöße würden ihn über die versteppten Hügel dorthin treiben. In vier großen, prallen Wesen schlummerte die Feuchtigkeit. Diese Wesen bewegten sich ebenfalls, allerdings langsamer als Durstwirbel, der jetzt den Hügel hinunterglitt und sein neues Ziel suchte. * »Verdammter Planet«, ächzte Joscan Hellmut und wischte sich den Staub aus den Augen. »Wie weit soll es noch bis zur vergessenen Siedlung sein?«
Atlan grinste und fühlte Staub zwischen den Zähnen. Seine Lippen waren rissig vor Trockenheit. »Zur Stadt der Vergessenen«, korrigierte er, »wie unser famoser Freund Kuno sagte. Ich weiß es nicht.« »Und dazu noch diese teuflische Anziehungskraft. Keine Sonne, kein Regen, nur eine unabsehbare Menge von identischen Hügeln. Nein. Dort drüben ist ein Hügel, auf dem ein Baum steht.« »Toll!« murmelte Gavro Yaal. »Wie aufregend.« Die vier Männer, hinter denen das grüne Tal voller Ruhe und Wasser lag, waren auf dem Weg zu der legendären Stadt. Sie wußten nur, daß sie im Westen lag, also dort, wohin sie seit einer kleinen Ewigkeit wanderten. »Immerhin werden wir in der Stadt Verbündete treffen!« sagte der Arkonide nach einer Weile. »Und vielleicht sogar Yʹ Man!« sagte Bjo Breiskoll. Es gab keinen Sonnenschein und in der Nacht keine Sterne. Nicht ein einzigesmal waren die niedrigen Wolken aufgerissen. Sie verbargen ebenso den Blick von der Planetenoberfläche, wie sie den siebenten Planeten vor den Optiken und den Ortungsinstrumenten der SOL versteckten. »Jedenfalls ist dieser einzelne Baum ausnahmsweise kein Nadelgewächs«, brummte Atlan und blieb zusammen mit seinen drei erschöpften und durstigen Weggefährten auf der Kuppe des Hügels stehen, den sie gerade keuchend erklettert hatten. Soweit sie sehen konnten, erstreckte sich von Horizont zu Horizont nichts anderes als ödes, völlig trockenes Land, ohne das geringste Zeichen von lebendigem Grün. Nachdenklich sagte Hellmut: »Ich bin kein Angsthase. Das wißt ihr. Aber mein Unbehagen auf diesem Planeten wächst von Stunde zu Stunde.« »Begreiflich«, brummte Atlan. »Wir sind nicht mehr in den Korridoren der SOL.« Sie brauchten sich nicht mehr zu unterhalten: jeder von ihnen wußte, daß die SOL weiter auf Mausefalle Sieben zu getrieben
wurde, daß die Gefahr bestand, daß das riesige Schiff zerstört werden konnte. Sie kalkulierten sogar die Möglichkeit ein, daß die Roboter von M VII mit der SOL ebenso verfuhren, wie sie es im Innern des Quaders gezeigt hatten. »Eines nicht zu fernen Tages«, warf Bjo ein und stolperte den Hügel hinunter, »werden wir drei zusammenbrechen. Ich bin noch am ehesten in der Lage, mich außerhalb des Schiffes aufzuhalten.« »Ich halte nichts davon, euch auf den Schultern zur Stadt der Vergessenen zu tragen!« »Dorthin«, spottete Yaal, »wo angeblich Verbündete auf uns warten.« »Genau dorthin«, bestimmte Hellmut. »Los, weiter, Freunde.« Sie wußten, es war sinnlos, etwas anderes zu versuchen, als das Ziel im Westen so bald wie möglich zu erreichen. Hin und wieder tauchten zwischen den Hügeln kleine Sandwirbel auf. Sie stoben hin und her und lösten sich auf, nachdem sie in schlängelnden Linien über das raschelnde Gras ein paar Dutzend Meter dahingeschleift waren. Schweigend setzten die vier Fremden ihren Marsch fort. Sie gingen zügig, aber nicht sonderlich schnell. Sie würden ihre Kräfte noch brauchen, denn die Stadt der Vergessenen war noch immer nicht aufgetaucht. Irgendwann sollte dort im Westen sich etwas zeigen. Ein Hügel, ein Berg oder ein Bild, das so aussah, als könnte es eine Stadt sein. Seit dem Augenblick, an dem die vier Fremden das Tal verlassen hatten, gab es für sie nichts anderes als Hitze, das ungewisse und schattenlose Licht der Sonne hinter den treibenden Wolken, die von Tag zu Tag tiefer zu hängen schienen. Je nach Tageszeit waren sie heller und dunkler, mit farbigen Rändern – ein ununterbrochen wechselndes Schauspiel der Formen und Farben. Einige trockene Büsche stellten sich den Wanderern in den Weg. Jeder Schritt wirbelte aus den Gräsern feinen, braunen Staub auf. Er legte sich gleichmäßig auf Haar, Haut und die lindgrünen
Bordanzüge der Wanderer. Er ließ die Augen tränen und knirschte zwischen den Zähnen. Überdies schmeckte er salzig und ätzend. Eine Stunde später krächzte Bjo Breiskoll, dessen katzenähnliche Bewegungen inzwischen schleppend geworden waren: »Ein Sandwirbel verfolgt uns!« »Unsinn!« gab Hellmut zurück. »Du siehst Gespenster, Bjo.« Immer wieder waren die Fremden von kurzen Stößen heißer Luft getroffen worden, die den Schweiß sofort verdunsteten und Staub mit sich brachten. Bjo deutete nach Süden. »Dort. Seht selbst. Schon seit einer Weile ist er hinter uns her.« Sie beobachteten den Wirbel aus den Augenwinkeln. Er glitt parallel zu ihrem Weg schwankend hin und her. Der Abstand zwischen ihm und ihnen betrug etwa hundert Meter. Das war die Distanz von etwa zwei Hügeln mit ihren kleinen Tälern. Der Sandwirbel war etwa zehn Meter hoch, sein Durchmesser betrug etwa fünfundsiebzig Zentimeter. Er wiegte sich hin und her wie eine Tänzerin, während er vom Wind nach Westen und unmerklich immer näher an die vier Fremden herangetrieben wurde. »Tatsächlich«, sagte Atlan und maß dem Wirbel keinerlei Bedeutung zu. »Aber er ist ungefährlich. Sandwirbel sind flüchtige Erscheinungen, die beim geringsten Hindernis zusammenfallen.« »Nicht dieser Wirbel«, widersprach einige Dutzend Schritte später Joscan Hellmut. »Er wirkt, als sei er lebend und intelligent.« Atlan legte in einer instinktiven Geste die Hand auf den Kolben der Waffe. Er war aus langer, einschlägiger Erfahrung mißtrauisch; selbst einem Sandwirbel gegenüber. Auf einer fremden Welt konnte etwas, das auf Terra ungefährlich war, von tödlichen Gefahren erfüllt sein – und umgekehrt. Trotzdem glaubte er nicht, daß diese flüchtige Erscheinung ihm und seinen drei Kameraden gefährlich werden konnte. Joscan, Bjo und Gavro hatten bisher die absolut fremdartige Umgebung weitaus besser vertragen, als er es sich hatte vorstellen können. Er wußte, daß der Aufenthalt auf einem Planeten für die
drei Männer, deren Leben fast ausnahmslos in der SOL verlaufen war, eine Belastung darstellte. Ab und zu zeigten sie es deutlich, dann wieder gab es lange Phasen, während denen sie sich verhielten, als ob eine Wanderung auf einem fremden Planeten ihr tägliches Brot darstellte. Der Arkonide selbst war in dieser Hinsicht außerordentlich belastbar. Sein Überlebenspotential war groß. Genau in dieser Sekunde wisperte sein Extrasinn: Sei nicht zu optimistisch, Arkonide! Dein Überlebenspotential mag sehr hoch sein, aber es schützt dich nicht gegen alle Gefahren. Mausefalle Sieben ist voller Überraschungen, selbst für dich, den Kristallprinzen der tödlichen Abenteuer! Atlan zog die Schultern hoch und folgte Bjo, der die kleine Karawane der Fremden in dieser Stunde anführte. Sie gingen in einem der niedrigen Täler zwischen zwei Hügeln entlang, die mit verdorrtem Gras bewachsen waren. In diesem Einschnitt gab es keinen Wind; die Hitze schlug wie mit Hämmern auf die Köpfe und Schultern der Wanderer. Schweigend und so schnell wie möglich eilten sie weiter. Immer wieder blickten sie nach links und versuchten zu erkennen, ob der Sandwirbel ihnen noch folgte. Der Arkonide wandte sich an Bjo und fragte: »Kannst du etwas spüren? Besitzt der Wirbel Intelligenz?« Der Katzer schüttelte seinen Kopf. »Ich habe es schon versucht. Nichts. Es geht nur eine Art sinnloses Brummen von ihm aus, nicht mehr.« Atlan und die drei ehemaligen »Schläfer« hatten einen kleinen Wasservorrat mitgenommen. In dem kleinen Tal wuchsen bambusähnliche Pflanzen mit großen, leeren Kammern. In diese hohlen Abschnitte hatten die Solaner kleine Löcher gebohrt und die Gewächse unter Wasser gedrückt. Das Loch wurde mit einem zugespitzten Holzstück verschlossen. Jeder von ihnen trug mehr als ein Dutzend etwa armlanger Stäbe wie einen Köcher auf dem Rücken. Fast die Hälfte der Kammern war bereits leer.
Atlan wischte mit dem Unterarm Sand von seinen Lippen, spuckte aus und blickte wieder in die Richtung des Sandwirbels. Der Wirbel drehte sich auf der Kuppe eines Hügels. Er schien einen Anlauf zu nehmen und bewegte sich zögernd hin und her. »Achtung!« sagte Atlan. »Das Ding hat etwas vor!« Die Wanderer zogen ihre staubige Spur gerade durch den Einschnitt zwischen den Hügeln, in dem verdorrtes Gras das Gehen erleichterte. Der Angriff des Sandwirbels kam völlig überraschend. Der Wirbel warf sich plötzlich mit der Schnelligkeit eines Raubtieres vorwärts. Gleichzeitig traf ein starker Windstoß die Fremden. Die schräg liegende Säule rotierte rasend schnell, ein hohles Pfeifen war zu hören, als sich das bräunlichgelbe Gebilde auf Gavro Yaal stürzte. Gavro machte einen weiten Satz und sprang auf die Flanke des Hügels hinauf. Atlan hatte seine Waffe in der Hand und feuerte auf den Fuß des Wirbels. Dort, wo die senkrecht verlaufende Kante der Windhose auftraf, riß sie Staub und kleine Grasfetzen in die Höhe und zerrte an den Halmen. Der Strahl schlug im Zentrum des Fußes ein, ein zweiter Schuß, von Bjo abgegeben, traf die Sandsäule etwa in der Mitte. Ein doppelter Explosionsdonner schlug an die Ohren der Männer. Die Detonation zerriß den Wirbel in drei Teile. Im Zickzack wich Gavro aus und rannte an Hellmut vorbei. Aus drei annähernd zylindrischen Abschnitten wurden fahnenartige Auswüchse herausgeschleudert. Der Wind packte sie und trug sie den Hang aufwärts. Dann lösten sich die Reste des Sandwirbels auf und bildeten eine kleine Wolke. Wie der Rauch eines Feuers wurde sie auseinandergefasert und verlor sich in der heißen Luft über der Hügelkuppe. Atlan sicherte die Waffe und steckte sie zurück. »Mehr als erstaunlich«, murmelte er. Kopfschüttelnd blickten Bjo, Joscan und Gavro den letzten Staubfahnen nach. »Es war ein gezielter Angriff!« brummte Breiskoll und fauchte verhalten. »Und auf leichte Art abzuschlagen. Ich habe nicht das
geringste spüren können.« »Ich spüre starken Durst«, sagte Hellmut und zog ein Pflanzenrohr aus seinem Bündel. »Und nicht weniger Hunger.« »In der Stadt der Vergessenen wird man uns fürstlich bewirten!« meinte Breiskoll sarkastisch. »Tatsächlich spüre ich einige verwaschene Impulse von dort.« »Wirklich?« erkundigte sich Atlan und leerte vorsichtig zwei Kammern eines Vorratsrohres. »Ohne Zweifel. Aber ich kann über die Natur der Impulse noch nichts aussagen.« »Immerhin gehen wir auf die Stadt zu!« bemerkte der Kybernetiker zu frieden. »Wie weit die Impulse entfernt sind – kannst du uns darüber etwas sagen?« »Nein. Für mich liegt sie hinter dem Horizont.« »Auch gut!« brummte Atlan und schob das leere Rohr zurück. Vielleicht brauchten sie Feuerholz für die Nacht; dann waren diese leicht brennbaren Lianenstücke nicht vergeblich mitgeschleppt worden. In den folgenden Stunden ihrer Wanderung nach Westen hielten sie immer wieder Ausschau nach großen Windhosen, die sie womöglich abermals angreifen wollten. Aber es gab nur kleine harmlose Exemplare, die nur wenige Sekunden lang lebten. Die Wolken über ihren Köpfen wirkten, als ob jederzeit ein Gewitter mit heftigem Regen ausbrechen würde, aber auch dies geschah nicht. Es gab keine Straße, kein Wegzeichen, keine einzige Unterbrechung in diesem kargen, trockenen Land. Die unsichtbare Sonne beschrieb ihren täglichen Weg über den Wolken. Ein Teil der Wolken begann sich im Westen dunkel und immer dunkler zu färben. Ein kühler Wind kam auf und trieb den Wanderern eine ungeheure Masse von Staub, Sand und Pflanzenresten entgegen. Bald mußten sie sich gegen den Sturm stemmen und gingen blinzelnd, hustend und mit weit vorgebeugten Körpern. Der warme Staub, der sie bedeckte und dessen Schicht auf
den Bordoveralls dicker wurde und in Fladen abfiel, schien der Haut die letzte Feuchtigkeit zu entziehen. Die Nasenschleimhäute verklebten, und das Gehen in der eineinhalbfachen Anziehungskraft wurde zu einer echten Strapaze. Die Gegend senkte sich unmerklich. Die Sohlen tappten jetzt nicht mehr auf Sand und trockenen Gräsern, sondern auf Kies, der immer größer wurde. Ab und zu tauchte aus den treibenden Staubwolken ein karger Busch auf. Der Sand und der Staub bildeten vor den Wanderern eine riesige Wolke, die sich dicht über den Boden wälzte und das breite Flußbett ausfüllte. Hier gab es kein Wasser mehr. Die Füße der Fremden knickten ein, als sie in der Mitte des breiten Streifens zwischen den großen, gerundeten Steinen umhertappten. Sie waren fast blind, husteten und sahen ab und zu schattenhaft über ihnen die Kante des ehemaligen Flußbetts. Sie ragte fast senkrecht vor ihnen auf, und unter ihr war eine Zone, in der es keinen Staub gab. Der Wind pfiff darüber hinweg. Die Fremden taumelten in diesen windstillen Raum hinein und stießen gegen den Hang. Sofort polterten Steine und trockenes Erdreich herunter und begruben sie bis zu den Knien. Atlan lehnte sich gegen die Wand und versuchte, die dicke Staubschicht auf seinem Gesicht loszuwerden. Er hustete ebenso würgend wie seine drei Begleiter. »Der Sturm … kann … die ganze Nacht … dauern«, stieß er hervor. Er opferte einen Rest seines Wasservorrats, um seine Augen und den Mund flüchtig zu säubern. »Schöne Aussicht«, keuchte Bjo. »Verdammter Sturm.« »Wenn es irgendwo regnet, verwandelt sich das trockene Flußbett in ein reißendes Gewässer«, meinte schließlich der Kybernetiker. »Wir haben nicht vor, hier zu übernachten«, meinte Yaal. Sie duckten sich tief in den Winkel hinein und warteten stumm. Eine halbe Stunde lang heulte und jaulte der Wind dicht über ihren Köpfen dahin. Immer wieder riß er gewaltige Mengen an Material
mit und schleuderte es über das leere Flußbett und halbwegs auf die Köpfe der Wartenden. Ganz plötzlich riß der Sturm ab. Die riesige Staubmasse fiel aus der Luft und bedeckte das Gestein im Flußbett. Die Wolken hatten sich dunkel gefärbt und besaßen schmale weiße Ränder. Atlan stand auf und schüttelte sich. »Wir sollten trotzdem weitergehen«, sagte er halblaut. »Vielleicht finden wir einen geeigneten Platz zum Lagern.« »Hier ist es reichlich unbequem« bestätigte Bjo. »Es wird in weniger als einer halben Stunde völlig dunkel sein.« Atlan deutete nach Süden. Dort hatte er zwischen den einzelnen Sturmstößen ein niedrigeres Stück der Uferböschung erkennen können. Sie gingen hintereinander auf die Stelle zu, von ihren Körpern fiel bei jedem Schritt der Staub in langen Fahnen ab. Über eine schräge Fläche aus Geröll und losen Steinen kletterten sie aufwärts und sahen sich sofort wieder der staubigen, öden und leeren Landschaft gegenüber. Hinter den Wolken am westlichen Horizont sank die Sonne, dort klafften zwischen den treibenden Schleiern breite Streifen feuerroter Helligkeit. Im letzten vagen Licht des einunddreißigstündigen Tages liefen die Fremden weiter und erreichten eine unregelmäßige Grube, um die einige dürre Büsche wuchsen. Zwei kantige Felsbrocken schirmten das Loch im Boden nach Süden und Westen ab. Bjo deutete auf das Versteck und sagte: »Das Land scheint leer zu sein. Ich habe den ganzen Tag über kein Tier gesehen, die Insekten nicht eingerechnet. Vor Raubtieren sind wir vermutlich sicher.« »Ich habe meine Nächte auch schon komfortabler verbracht«, brummte Hellmut. »Aber, was sollʹs!« Sie setzten sich an den Rand der Grube und versuchten sich zu entspannen. Die lange Wanderung in der höheren Anziehungskraft hatte sie erschöpft. Mit so wenig Wasser wie möglich versuchten sie, die Staubspuren aus ihren Gesichtern zu wischen. Sand und Staub
rieselten auch aus ihrem Haar. Die leeren Lianenabschnitte wurden zerbrochen und zu einem kleinen Häufchen im Zentrum des Grabens aufgeschichtet. Binnen Minuten wurde es stockdunkel, und um die vier Männer erstreckte sich eine bewegungslose, flache Landschaft ohne jedes Licht, ohne Konturen und ohne Laute. Mit einem Schuß setzte Atlan das Feuer in Gang. Im Loch lagen einige losgerissene Büsche. Die Männer versuchten, das Feuer so klein wie möglich zu halten, damit ihr Holzvorrat länger reichte. Atlan sah deutlich, daß Breiskoll, Yaal und Hellmut immer stärkeres Unbehagen empfanden. Aber noch konnten sie sich beherrschen – noch hatten sie unter den Erlebnissen auf Mausefalle Sieben noch nicht so viel gelitten, daß ihr Drang, in die sichere Umgebung der SOL zurückzukehren, ihre Vernunft beeinträchtigte. »Ich nehme die erste Wache«, versicherte Bjo und zog vorsichtig den Stöpsel aus einer Kammer des Vorratsbehälters. Atlan machte es sich in einem Winkel der Vertiefung so bequem wie möglich, indem er aus Sand eine Art Lager zusammenschob. »Unsere Zeit wird immer knapper«, sagte er mißgelaunt. »Wenn die SOL sich jetzt noch nicht in der Demontagezone befindet, dann braucht sie jedenfalls nicht mehr viel Zeit dazu. Und wir haben praktisch noch nichts erreicht.« »Was hätten wir tun sollen?« fragte Joscan phlegmatisch. »Wir sind Fremde, und die Herren des Planeten haben wir nicht einmal von fern gesehen.« »Ich bin sicher, Jos«, meinte Bjo von der Flanke des Felsens her, »daß uns die Flüchtlinge aus der Stadt und vielleicht Yʹ Man weiterhelfen. Sie müssen annähernd dieselben Ziele haben wie wir.« Im flackernden Licht des winzigen Feuers leuchteten seine Katzenaugen grünlich phosphoreszierend auf. »Hoffentlich hast du recht«, antwortete der Kybernetik‐Spezialist gähnend. Sie verbrachten eine unbequeme Nacht, trotzdem gelang es ihnen, jeweils einige Stunden tief zu schlafen. Sie lösten einander ab; jeder
wachte etwa drei Stunden. Das einzige Geräusch kam vom Feuer, und ab und zu winselte ein Windstoß über die Grube hinweg. Später kamen der schwere Atem der Männer und die Schnarchtöne dazu. * Das erste Licht weckte sie fast gleichzeitig. Schweigend machten sie sich fertig. Ihre Muskeln schmerzten, sie waren ebenso unausgeschlafen wie mürrisch. Hunger und Durst plagten sie nicht weniger als die Ungewißheit, wann sie endlich die Stadt der Vergessenen erreichen würden. Atlan versuchte sie aufzuheitern und meinte: »Nach spätestens zwei Stunden werden unsere Muskeln locker und geschmeidig sein!« Er erntete nur finstere Blicke. Die Wanderer machten sich auf den Weg und warfen lange Blicke zum Himmel. Es gab keinen Unterschied zu den vorhergegangenen Tagen. Riesige Wolkenmassen wälzten sich in verschiedenen Farbschattierungen von West nach Ost und bildeten Wirbel, Strömungen und sackartige Ausbuchtungen zum Boden des Planeten. Wieder breitete sich vor den Fremden hügeliges Land aus. Diesmal waren die Hügel größer und von mehr einzelnen Steinbrocken durchsetzt. In den Einschnitten wuchsen verkrüppelte Bäume und dürres Gebüsch. Stundenlang verfolgten die Wanderer ihren Weg, und immer wieder kletterte einer von ihnen auf einen Hügel und starrte angestrengt nach Westen. Gegen Mittag legten sie eine kurze Rast ein. Das kostbare Wasser ging zur Neige, die meisten Lianen waren leer. Drei Stunden später stand Bjo auf der Kuppe eines Hügels und schrie zu ihnen herunter. »Ich sehe die Stadt! Kommt! Sie macht einen phantastischen
Eindruck!« Keuchend und schwitzend kletterten sie hinauf und blickten in die Richtung seines ausgestreckten Arms. »Tatsächlich!« staunte der Arkonide. »Es muß die Stadt der Vergessenen sein.« Hinter den Hügeln erhob sich ein Tafelberg mit steilen, scheinbar unbezwingbaren Flanken. Seine wahre Größe ließ sich von hier nicht ausmachen, aber zumindest war er nicht gerade gigantisch hoch. Auf dem glatten Plateau befand sich die eigentliche Stadt der Vergessenen; schlanke Türme stachen den Wolken entgegen, schimmernde große Gebäude standen zwischen ihnen, die von hier aus wie prächtige Paläste aussahen. Der Kybernetiker sagte aufgeregt: »Das muß die Stadt sein. Sonst ist nichts zu sehen, das diesen Namen verdient.« Das Licht, das aus Osten durch die Wolken gefiltert wurde, ließ alle Einzelheiten der Türme und Bauwerke plastisch hervortreten. Die Stadt auf dem Tafelberg, in strahlender Helligkeit, ließ die Fremden ihren Zustand vergessen. »Wie weit?« fragte sich Bjo laut. »Bis zum Abend müßten wir es geschafft haben«, antwortete der Arkonide nach einer Weile. »Aber dann stehen wir erst vor den glatten Abhängen.« Bjo deutete noch einmal auf den Tafelberg und erklärte mit Bestimmtheit: »Auf alle Fälle sind die Türme und Paläste voller Leben. Ich spüre es genau.« »Gehen wir. Weiter!« Sie hatten schlagartig neuen Mut geschöpft. Ihre Erschöpfung verging wie durch ein Wunder, der Blick schien ihnen neue Kräfte verliehen zu haben. Als sie das nächstemal auf einer Hügelkuppe standen und feststellten, daß sich die Entfernung verringert hatte, stieß Hellmut den Arkoniden an.
»Dort! Kannst du den Punkt erkennen? In der Mitte, ungefähr …« Schweigend blickten sie zur Stadt und sahen, daß sich von einem Gebäude unmittelbar an der Kante von Hang und Plattform ein großer, dunkler Punkt löste und durch die Luft schwebte. Der Logiksektor flüsterte: Ein Robotgleiter! Die Maschine blitzte in der Helligkeit kurz auf, als sie sich aus der Höhe des Plateaus herabsenkte und direkt nach Osten flog. Atlan sagte alarmiert: »Sicher ist sicher. Schnell! Wir verstecken uns!« »Zwischen den Steinblöcken«, rief Yaal unterdrückt und stürmte den Hügel hinunter. Zwischen zwei Abhängen erstreckte sich eine bewachsene Senke, die von einem halben Dutzend kantiger Felsen umrahmt war. Grünes, längst vertrocknetes Moos wuchs auf den Wetterseiten der Steine. Die Männer blickten, während sie in die Deckung rannten, auf das Objekt, das sich in rasend schnellem Flug dicht über den Hügeln auf ihren Standort zubewegte. Dann verschwanden die vier in dem Versteck. Nur ihre Köpfe schoben sich zwischen dürren Blättern und den scharfen Steinkanten hervor. »Das gilt uns!« knurrte Bjo und fauchte kurz. Atlan sah zu, wie der Gleiter hinter den Hügeln verschwand und wieder auftauchte. Der Flug der Maschine verlief in einem leichten Zickzackkurs, etwa zwanzig Meter über den Hügelkuppen. »Es ist jemand im Gleiter«, bemerkte Atlan, und als er sich halb herumdrehte, sah er, daß Breiskolls Körperhaltung mehr derjenigen einer lauernden Großkatze als der eines Terraners glich. Auch Bjo nickte; er hatte die Gestalt ebenfalls gesehen. »Er sucht uns«, meinte Hellmut. »Jetzt fliegt das Ding eine Schleife.« »Offensichtlich.« Nach der langen Zeit der ermüdenden Wanderung durch völlig leeres Land waren die Fremden plötzlich wie elektrisiert. Einige ihrer Vermutungen hatten sich bewahrheitet, obwohl die Zukunft
mehr als unsicher war. Im Gleiter saß tatsächlich eine Gestalt, deren Oberkörper menschenähnlich war. Der Gleiter beschrieb eine weite Kurve, ging tiefer und landete schließlich, ohne das Gras zu berühren, auf dem Hügel unmittelbar westlich der vier Fremden. Mit einem Satz sprang der Insasse auf den Boden. »Kein Roboter?« wollte Atlan wissen. Breiskoll schüttelte den Kopf. Der Fremde aus der Stadt stand etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt. »Nein. Ein organisches Wesen. Humanoid«, sagte der Katzer. Sie aktivierten die Translatoren an den Handgelenken. Der Ankömmling wirkte aufgeregt und nervös. Er rannte vor dem Bug des Roboters hin und her und spähte in alle Richtungen. Mehrmals starrte er wild gestikulierend in die Richtung der Menschen, aber er schien sie tatsächlich nicht zu sehen. Dann wieder hob er die Hände über die Augen und blickte in die Richtung, in der die Stadt und der Raumhafen sich befanden, nämlich nach Osten. Dann hob der schlanke, knapp zwei Meter große Fremde die Arme und schrie: »Atlan! Ich suche euch!« Verwundert wechselten der Arkonide und Hellmut einen schweigenden Blick. In der Helligkeit der weißen Wolkenfläche erkannten sie, daß der Humanoide eine kupferfarbene Haut mit grünlichen Reflexen hatte. Sie wirkte entfernt metallisch, aber an Bjos Erklärung zweifelte niemand. Das Haar des Besuchers reichte bis zur Mitte seines Rückens und war im Nacken durch ein Band oder eine Spange zusammengehalten. »Sollen wir uns zeigen?« flüsterte Gavro. »Wartet«, schlug Atlan vor. Wieder wandte sich der hochgewachsene Fremde mit kraftvollen, fast eleganten Bewegungen um und rief genau in Richtung auf das Versteck: »Ich weiß, daß ihr euch versteckt! Atlan! Ich soll euch in die Stadt
der Vergessenen bringen!« »Eine deutliche Auskunft«, sagte Joscan Hellmut entschlossen. »Es ist sicher einer der Flüchtlinge, nach denen wir suchen.« »In Ordnung«, entschloß sich Atlan. »Ich glaube es ihm.« Er hob den Arm und schob sich zwischen den Felstrümmern hoch. Zufällig blickte der Abgeordnete der Flüchtlinge in eine andere Richtung, als der Arkonide rief: »Hier sind wir.« Der schmale, knochige Kopf mit der auffallend kleinen, wie ein scharfer Vogelschnabel geformten Nase fuhr herum. Atlan sah, daß der Fremde angedeutete Lippen und dahinter ein strahlend gelbes Gebiß mit Raubtierzähnen hatte. Dieser Umstand paßte zu den fließenden Bewegungen, die in gewisser Hinsicht denen Breiskolls ähnelten. »Ich bin Akitar«, sagte der Fremde. »Ich suche euch. Kommt mit zur Stadt. Wo sind die anderen …?« Dann sah er über Atlans Schulter hinweg Bjo, Jos und Gavro. Sie kamen schnell, aber mit wachsamen Gesichtern und den Händen an den Griffen der Strahler. Atlan nannte ihre Namen und deutete auf seine Kameraden. Als Akitar in einer freundschaftlichen Geste die Hände bis in Schulterhöhe hob, entdeckten Atlan und die Solaner, daß er an überschlanken Händen jeweils fünf Finger und einen Daumen hatte. Aber sowohl seine Arme als auch die Beine waren etwas zu lang für den Rumpf. »Wir suchen Yʹ Man«, sagte Atlan. »Wir stecken in einer Notlage und haben nicht viel Zeit.« »Genau genommen haben wir überhaupt keine Zeit mehr«, setzte Breiskoll hinzu. »Überdies leiden wir unter Hunger und Durst«, stellte Joscan fest. »Wartet der Gleiterrobot auf uns?« Akitar zuckte mit einer absolut menschlichen Bewegung seine Schultern und deutete auf das summende Gefährt. Atlan sah Bjo in die Augen. Der Telepath versuchte, die Absichten Akitars zu
erkennen, und zwinkerte Atlan zu. Dann machte er eine beschwichtigende Geste. Atlan war beruhigt: Akitar lockte sie also nicht in eine Falle. Seine Reaktion war das Zeichen für Joscan und Gavro. »Steigen wir ein. Werden wir Yʹ Man treffen?« »Vielleicht kommt er, vielleicht kommt er nicht. Vielleicht werdet ihr ihn treffen. Ich vermag es nicht zu sagen. Ich, Akitar, der Chailide, weiß nicht sehr viel von ihm.« Sie stiegen in den Robotgleiter und ließen sich aufstöhnend in die Sitze fallen. Die Sitze waren genügend groß und nach den ausgestandenen Strapazen geradezu eine Wohltat. »Kennst du Yʹ Man?« fragte Atlan drängend. »Wie sieht er aus? Was ist er? Was bedeutet er für diese Welt? Und woher kommt Yʹ Man?« Der Roboter drehte den Gleiter auf der Stelle und steuerte das Gefährt über die Hügelkuppen westwärts, und nach einigen verlegenen Gesten erklärte Akitar mit einem breiten Grinsen seines gelben Gebisses: »Ich bin keiner der einflußreichen Bewohner der Stadt. Ich darf nichts sagen. Ihr sollt es wohl selbst herausfinden. Wer weiß? Vielleicht will Yʹ Man es euch selbst sagen, alle Fragen selbst beantworten. Wie auch immer: für euer leibliches Wohl wird gesorgt werden.« Fast geräuschlos und beachtlich schnell schwebte der Robot mit seinen fünf Passagieren auf den Tafelberg und dessen prächtige Gebäude zu. Hellmut murmelte: »Endlich! Eine Dusche! Essen, Ruhe, etwas zum Trinken … ich gestehe, daß ich im Moment an der wahren Natur Yʹ Mans auch nur zweitrangig interessiert bin.« »Mir geht es nicht anders«, sagte Atlan. »Trotzdem wachsen unsere Probleme mit jeder Stunde.« Sie gewöhnten sich schnell an den Anblick des hochgewachsenen Chailiden. Nicht nur Bjo Breiskoll wußte oder stellte fest, daß hinter
der raubtierhaften Fassade Akitars und seiner ausdrucksvollen Häßlichkeit andere, noch nicht feststellbare Werte schlummerten. Sein strenges Gesicht mit der hohen Stirn ließ nicht erkennen, ob Akitar klug oder einfältig war, die weit auseinanderstehenden Augen begegneten den prüfenden Blicken der Männer ruhig und gelassen. Es waren merkwürdige Augen, ganz anders als die schrägstehenden Katzenaugen Breiskolls. Sie waren von rauchgrauer Farbe, die Iris war so groß, daß so gut wie nichts vom Weiß der Augäpfel zu sehen war. Hellmut hob den Kopf und sagte nach einigen Augenblicken, in denen er die Felswände und die näherkommenden Gebäude musterte: »Der Zahn der Zeit hat lange an der Stadt genagt, Freunde. Das Gebäude dort vorn, beispielsweise, sieht recht mitgenommen aus.« »Du hast tatsächlich recht.« Je näher der Robotgleiter, der inzwischen höher geklettert war und seine Geschwindigkeit ebenfalls erhöht hatte, der Kante des Tafelberges kam, desto deutlicher wurden die Spuren der Zeit. Schweigend starrten die Flüchtlinge durch die Bugscheibe des Gefährts und waren enttäuscht. Die ersten Blicke auf die Stadt hatten ihnen vorgegaukelt, daß die Stadt der Vergessenen neu strahlend und herrlich wäre. Die Wahrheit sah ganz anders aus. »Ruinen!« Atlan sagte es fast angewidert. Auf alle Fälle war er enttäuscht. Die Türme, noch immer stolz und mächtig irgendwie glänzend, waren verfallen. Die Fenster oder Türöffnungen glichen den Eingängen zu bröckelnden Höhlen. Zwischen den Mauern lagen kleine und große Schutthaufen. Die Fassaden blätterten, die Verkleidungen hingen in Fetzen herunter. Das indirekte Licht, schattenlos und diffus, zeigte den Trümmerhaufen mehr als deutlich. An zahllosen Ecken und in Hunderten von Winkeln wucherten kleine und größere Gewächse. Es gab Rampen, Bogengänge und Terrassen, die den Eindruck machten, bei der
geringsten Erschütterung zusammenzubrechen. Als der Roboter das Tempo des Gleiters verringerte, sagte Atlan: »Es ist hoffentlich kein schlechtes Zeichen. Aber diese Stadt ist wirklich ›vergessen‹. Eine Ansammlung von heruntergekommenen Bauwerken.« »Es ist wahr«, sagte der Chailide. Synchron arbeiteten die scheibenförmigen Translatoren an den Handgelenken der Menschen. »Die Stadt ist die Zuflucht jener, die mit Hilfe der Mißgebauten‐Maschinen geflüchtet sind. Es sind sorgfältig ausgesuchte Flüchtlinge, die in der Stadt verantwortungsvolle Beschäftigungen haben.« »Ebenso wahr ist, daß wir erst ein mal mit Yʹ Man sprechen müssen.« Akitar drehte sich herum und blickte Bjo mit einem schwer zu deutenden Ausdruck an. »Ich sagte bereits, daß Yʹ Man selbst bestimmt, was mit ihm zu geschehen hat. Er ist unabhängig, nach allem, was ich weiß.« Der Gleiter schwebte unter einer erstaunlichen Konstruktion hindurch. Es war ein monströser Bogen, der sich in halber Höhe von der Seitenwand eines kantigen Turmes zu einem anderen spannte. Der steinerne Drittelkreis hing praktisch nur mit wenigen Verbindungen in der Schwebe; überall drohten löchrige, rostige Träger jeden Moment herunterzubrechen. Als die Maschine hindurchschwebte, rieselten an vier verschiedenen Stellen Staub und kleine Massen von Schutt zu Boden. Der Gleiter senkte sich auf einen Platz, der von zufällig kreisförmig gewachsenen Bäumen umrahmt und vom gröbsten Schutt befreit war. Die Maschine hielt an, mit einem kraftvollen Satz schwang sich Akitar hinaus. Er sagte einladend: »Ich bin sicher, daß ihr zuerst um euer eigenes Wohl sorgen wollt. Folgt mir. Wir haben selten Gäste, aber wir sind darauf eingerichtet.« Zögernd stiegen die Männer aus und folgten dem Chailiden, der
sich auf einem ausgetretenen Pfad zwischen Trümmern, Schutthaufen und kleinen Inseln aus höchst unterschiedlichen Gewächsen bewegte. Er steuerte auf einen verfallenen Eingang in einem pyramidenähnlichen Gebäude zu, das tausende einst runder, bullaugenartiger Öffnungen zeigte. Alle Fenster, die man sah, waren ohne Glas und blind, an den Rändern zerfallen und teilweise von wuchernden Pflanzen ausgefüllt. Ohne zu erschrecken, gingen die Fremden unter einem Pflanzenvorhang hindurch. Er hing von den Resten eines weit vorspringenden, pergolaähnlichen Daches herunter und bewegte sich in einem kühlen Windstoß leicht hin und her. »Deine Stadt macht einen ausgestorbenen Eindruck«, sagte Atlan zu Akitar. »Mehrere hundert Flüchtlinge leben hier. Sie stammen von den unterschiedlichsten Planeten«, erwiderte der Chailide bereitwillig. »Sie haben es sich so bequem wie möglich eingerichtet.« Die Ruinenstadt machte einen ausgestorbenen Eindruck. Die vier Fremden sahen auf ihrem Marsch vom Gleiter bis zum Eingang des verfallenden Hauses nur vier andere Wesen. Die Wege allerdings waren sauber und von Pflanzen freigehalten. »Woher kommen die Flüchtlinge?« wollte Gavro wissen. »Sie sind mit Hilfe der Mißgebauten den Robotern des Mausefalle‐ Planeten entflohen«, sagte der Chailide erwartungsgemäß. »Es gibt also auch Mißgebaute hier?« Eine leidlich gut erhaltene Rampe führte in eine Reihe von hohen aufgeräumten Sälen. Die Fenster zeigten auf den Platz hinaus, auf dem Atlan und seine Freunde gelandet waren. Innerhalb des Bauwerks herrschte Totenstille. Bjo Breiskoll glitt schnell durch die Räume und öffnete knarrende Türen. »Es ist alles da, was wir brauchen«, kam seine Stimme fauchend aus einem der angrenzenden Räume. »Ja«, beantwortete Akitar die zuletzt gestellte Frage. »Eine Handvoll der Maschinen halten sich in unserer Stadt auf.«
»Werden wir die Mißgebauten sehen können?« »Selbstverständlich. Aber zuerst solltet ihr euch erholen.« Atlan senkte den Arm, an dessen Gelenk er den Translator trug. Er würde dieses Gerät in den nächsten Tagen häufig brauchen. Er zwang seine sorgenvollen Gedanken zur Ruhe und entschloß sich am oberen Ende der Rampe für einen mittelgroßen Raum, in dem bunt zusammengewürfelte, teilweise unbekannte Einrichtungsgegenstände herumstanden. Mit sicherem Instinkt fand er ein Bad, das reichlich exotisch wirkte. Aber die Einrichtungen funktionierten. Ein Zeichen, sagte der Logiksektor, daß in den Ruinen eine gewisse Ordnung herrscht! Atlan sagte sich, daß er Yʹ Man auch in geduschtem und erholtem Zustand suchen konnte. Er war nach einer Stunde fertig und fühlte sich wieder wohl, und noch wohler fühlte er sich, als er im angrenzenden Raum auf dem Tisch ein Tablett mit einer einfachen, aber ausreichenden Mahlzeit stieß. Er setzte sich hin und widmete sich nach Tagen der Entbehrungen dem ungestörten Essen. Während er aß, faßte er schweigend seine Beobachtungen zusammen. Die zerfallende, von wenigen Flüchtlingen bewohnte Stadt, deren wichtigste Einrichtungen verblüffenderweise noch funktionierten, hatte zweifellos ihre Bedeutung. Aber ob du hier das Schicksal der SOL ändern kannst, ist fraglich! sagte der Logiksektor kommentierend. Nichts anderes dachte Atlan. Aber es gab für seine Freunde und ihn keine Alternative. Sie mußten es ununterbrochen weiter versuchen und jeder einzelnen Information nachgehen. Auch dann, wenn die Chancen gering schienen, mußte alles getan werden, um die Lage zu ändern. Während Atlan aß, kam Akitar in den Raum. Er setzte sich auf einen wackligen, verstaubten Sessel dem Arkoniden gegenüber und verzog sein Gesicht, als ob er lächelte. »Zufrieden?« fragte er.
Atlan nickte und fragte undeutlich zurück: »Ausgezeichnet. Woher habt ihr das Wasser?« Aus dem Translator kam die Antwort. »Das Wasser befindet sich in riesigen Zisternen, die tief in den Fels des Tafelberges eingegraben sind. Es handelt sich um uralte Anlagen. Die Mißgebauten haben es geschafft, einige Leitungen und die wichtigsten Pumpen wieder in Gang zu bringen. Sie schmuggeln auch Lebensmittel, die wir nicht selbst in den Wäldern finden oder als Wild erlegen können, hierher.« »Ich verstehe«, sagte Atlan und leerte den Krug in den Becher. Eine Flüssigkeit, die wohl einer Mischung zwischen Wasser, Tee und Wein entsprach, war darin. »Was gibt es noch an Fragen?« erkundigte sich der Chailide. »Jede Menge«, sagte Atlan. »Du kennst unser Problem?« »Nur teilweise. Berichte!« Atlan sah keinen Grund, warum er Akitar nicht die wichtigsten Erlebnisse erzählen und sein Problem schildern sollte. Er berichtete von dem Schiff, das hilflos auf den siebten Planeten des Mausefalle‐ Systems zutrieb, und er schloß seinerseits mit einer Frage. »Woher kommst du, Chailide?« »Ich kam nicht in meinem eigenen Raumschiff hierher. Deine Art der Raumfahrt ist bei uns Chailiden unbekannt.« Atlan trank den Becher leer und richtete sich gespannt auf. »Wie?« fragte er in berechtigtem Staunen. »Keine Raumfahrt?« Akitar lehnte sich in dem ächzenden und knarrenden Sessel zurück und schlug in einer Bewegung, die nicht anders als elegant zu nennen war, die langen Beine übereinander. »Du hast mir deine Geschichte erzählt«, fing er an und rieb mit drei Fingern den scharfen Rücken seiner Vogelschnabelnase. »Warum soll ich dir nicht auch vertrauensvoll meine Geschichte erzählen? Also – wir Chailiden versuchen, uns in Wesen von anderen Welten hineinzuversetzen. Es ist eine Art von geistiger Fortbewegung, die
man bei euch mit dem Namen Raumfahrt bezeichnen könnten. Ich selbst habe keine Erfahrungen mit dieser Bewegung. Ich bin ein junger Mann, nach dem Maßstab der Chailiden. Ich habe bisher meinen Körper geschult und mich noch nicht der geistigen Entwicklung widmen können. Ich bin von riesigen, körperlich sehr großen, meine ich, Raumfahrern mitgenommen worden. Sie strandeten auch hier – ich kenne ihr Schicksal nicht.« Atlan faßte zusammen: »Das Ziel der Chailiden ist es also, andere Welten, andere Orte zu besuchen, in der Form geistiger Raumfahrt. Raumfahrt ohne jeden Zeitverlust, nicht wahr?« »Das triffst es ziemlich genau.« Akitar breitete die sehnigen, von Muskelbündeln strotzenden Arme aus und machte eine unsichere Bewegung. »Ich habe wohl den Zeitpunkt, an dem ich mich der meditativen Verarbeitung meiner Gedanken widmen sollte, verpaßt. Ich hätte früher anfangen sollen. Aber es gibt niemanden, der es mich lehren könnte.« »Ein ähnliches Schicksal wie unseres«, sagte der Arkonide. »Was kannst du mir über die Chancen sagen, die wir haben? Wir, damit meine ich alle Raumfahrer. Alle, die gegen ihren Willen hierher geschleppt wurden.« »Du meinst wieder einmal Yʹ Man?« wollte Akitar wissen. »Für uns ist Yʹ Man die Schlüsselfigur.« »Sieh die Umstände, wie sie sind. So wie ich – ich nehme alles mit Gelassenheit. Eines Tages komme ich zurück zu meinem Heimatplaneten. Ich bin zwar an technischen Einrichtungen und an den vielen Problemen hier nicht interessiert, aber ich weiß, wie dringend sie sind.« Atlan fragte scharf: »Woran bist du interessiert?« »Den Herrn in den Kuppeln zu besiegen. Obwohl mich viele hier als Vertrauten von Yʹ Man bezeichnen, bin ich sehr daran
interessiert, die philosophische Seite dessen kennenzulernen, womit Yʹ Man den Herrn in den Kuppeln besiegen will.« Atlan stand auf und spürte, wie gut er sich in erstaunlich kurzer Zeit erholt hatte. »Dann haben wir dasselbe Ziel. Für dich steht nur deine eigene Person auf dem Spiel. Aber in der SOL sind es fast hunderttausend Raumfahrer, um deren Leben wir uns von Stunde zu Stunde mehr Sorgen machen.« Er machte eine Pause und warf einen langen, prüfenden Blick aus der leeren Fensterhöhle. »Daraus kannst du erkennen, Chailide Akitar, wie dringend unser Problem ist. Und auch, daß wir alles tun werden, um auf dem Weg über Yʹ Man das Schicksal unserer Leute zu ändern!« »Das verstehe ich!« bemerkte Akitar voller Verständnis. »Um so besser!« Bisher war Atlan der Ansicht gewesen, daß die Flüchtlinge in der Ruinenstadt ein beschauliches, stilles Leben führten, ein Leben von Zurückgezogenen. Inzwischen keimte in ihm der Verdacht, daß sie sich mit den Möglichkeiten des Kampfes gegen die Herren des Planeten beschäftigten. »Wir können uns ungehindert bewegen?« fragte er. Aus dem Fenster hatte er sehen können, daß im Norden der Stadt unmittelbar angrenzend an die steilen Hänge der Wald begann. Die hohe Luftfeuchtigkeit schien ihren Wuchs beeinflußt zu haben, denn die niedrigen Gewächse mit ihren weit ausgreifenden Kronen sahen frisch und berstend vor Saft aus. Es war durchaus wahrscheinlich, daß es unter den Zweigen von jagdbarem Wild nur so wimmelte. War auch diese Stadt einst von dem Herrn in den Kuppeln erbaut worden? Keines der vielen Gerüchte, die Atlan bisher gehört hatte, ließ sich bestätigen oder restlos von der Hand weisen. »Selbstverständlich«, antwortete Akitar bereitwillig. Atlan schnallte den Waffengurt um seine Hüften und ging zum Ausgang des Hauptraums.
»Führst du uns zu den anderen Flüchtlingen?« »Gern. Zuerst solltest du Brun, den Forscher treffen.« »Warum nicht?« Akitar und Atlan suchten die drei Solaner auf und fanden sie ebenfalls erholt und gesättigt. Der Kybernetiker hatte die Ruhe dazu benutzt, sich auf einer skurril geformten Couch hinzulegen und zu schlafen. Sie rüttelten ihn wach. »Wohin?« fragte er. »Zu Brun? Forscher? Hier in den Ruinen?« Atlan grinste und erwiderte: »Oft ist gerade das Leben in den Ruinen geheimnisvoll und angefüllt mit aufregenden Abenteuern.« Joscans Miene zeigte deutlich, was er von dieser Vorstellung hielt. Trotzdem verließen sie als Gruppe das Gebäude und folgten Akitar. Er brachte sie auf einem System breiter Pfade zwischen den Trümmern und entlang der ungehemmt wachsenden Pflanzen über die ehemaligen Gassen und bis zu einer doppelt mannsbreiten Platte. Sie spannte sich ohne Geländer von einem höher gelegenen Platz bis zu einem gedrungenen Rundturm, der fast direkt am westlichen Abhang der Siedlung stand. »Dort hinüber?« fragte Bjo mißtrauisch. »Der Steg kann unter unseren Sohlen zusammenbrechen.« »Das ist richtig. Schnelligkeit und Glück werden uns beistehen«, entgegnete der Chailide philosophisch. »Ich gehe euch voraus.« Sie warteten und erlebten ein Schauspiel, das sie lange nicht vergessen würden. Akitar holte pfeifend Luft und spurtete los. Die Entfernung zwischen dem Turm und den Männern betrug etwa zweihundertfünfzig Meter. Zuerst rannte er, immer schneller werdend, mit riesigen Schritten rund zwanzig Meter geradeaus. Über eine Stelle, die aus rostigem Metallgeflecht und einzelnen Brocken Baumaterial bestand, schnellte er sich in einem mindestens fünf Meter weiten Satz. Dann lief er im Zickzack, während die Platte unter ihm in langwellige Schwingungen geriet, eine längere Strecke auf einem schmalen Pfad,
der zwischen Schutt, Schmutz, Trümmern und Pflanzen sichtbar wurde. Viermal übersprang er kleine Hindernisse und breite Sprünge, die im Zickzack durch die Platte verliefen. Dreißig Meter unter dem Steg befand sich das Niveau der ehemaligen Gasse zwischen den Ruinen. Unter seinen Schritten begann die Platte zu dröhnen. »Ein schneller Läufer«, bemerkte Bjo. »Und ein Springer, der seinesgleichen sucht.« Wieder hatten er und seine Freunde gemerkt, wie sehr sich die Bewegungen Bjos und Akitars glichen. Beide handelten mit der kraftvoll‐eleganten Schnelligkeit von katzenartigen Raubtieren. Akitar war nach einem weiteren kurzen Rennen an einem kantigen Eingang angekommen, blieb stehen, drehte sich um und winkte. Sein heiserer Schrei, den die Geräte nicht übersetzten, drang herüber. Atlan hatte sich die Stellen gemerkt, die der Chailide betreten hatte. Er lief los und machte eine auffordernde Geste. Bjo wartete, bis Joscan und Gavro hinter Atlan waren, dann folgte er. Sie liefen über die schwankende Platte, die ächzende und knirschende Geräusche von sich gab. Ab und zu ertönte ein krachendes Poltern, mit dem sich Stücke aus der Armierung lösten und ins Geröll hinunterbrachen. Hart federte und schwang die Platte. Mit einem Sprung setzte Atlan über den Spalt und sah weit unter sich den geröllübersäten Boden. Aus einem Fenster blickte ein bepelztes Wesen zu ihnen hoch und schüttelte einige Tentakel in ihre Richtung. Vermutlich fühlte sich der Raumfahrer durch die Brocken gestört, die vor seinem Wohnraum zu Boden krachten. Schwer atmend kamen sie neben Akitar an. Die feuchte Luft und die Anstrengung machten sich wieder einmal bemerkbar. »Raffinierte Fußgängerüberführungen habt ihr hier«, meinte Yaal sarkastisch. »Es wird unter diesen Umständen nur wenig Besucherverkehr geben.« »Die Flüchtlinge fanden die Ruinen nicht als strahlend neue
Bauwerke vor. Wir behelfen uns, so gut es geht«, sagte Akitar, ohne auf den scharfen Tonfall einzugehen. »Kommt.« Hinter dem Eingang erstreckte sich im Zentrum des Turmes eine ausgetretene, schartige Wendeltreppe nach oben. Sie folgten ihr durch drei scheibenartige Stockwerke und gelangten in das vorletzte Plateau. Die Decke der obersten und der darunterliegenden Decke war unregelmäßig durchbrochen. Durch diese Öffnungen und eine Reihe von Schießscharten fiel Tageslicht in den Raum. Neben der Treppe hockte ein seltsames Wesen, ebenfalls einer der unzähligen gestrandeten Raumfahrer. Er richtete sich knackend und raschelnd auf. »Das sind Freunde. Auch sie flohen hierher. Du hast uns kommen sehen, Brun«, sagte der Chailide in einem fremden Dialekt. Die Translatoren übersetzten auch ohne Verzögerung, wie die Antwort ausfiel. »Willkommen! Ich erforsche Steuerungsmechanismen für Großroboter.« »Dazu dienen diese Instrumente?« wollte Hellmut wissen und wanderte zwischen den rund zwanzig Tischen entlang. Sie bestanden aus rohen Brettern und Steinen, die als Tischbeine aufgestellt waren. Hier lagen unzählige Zeichnungen, Schreibmaterial, kleine Bauteile, die aus Robotern stammen mochten und sich in allen Stadien der Reparatur oder Demontage befanden, überall hingen Gespinste aus verschiedenfarbigen Drähten und Kabeln, und immer wieder gab es primitive Meßgeräte dazwischen. »Du kennst den Ausdruck, weißt die Bezeichnung«, schrie Brun mit unangenehm schriller Stimme. »Du wärst der rechte Gehilfe für mich.« Joscans Blicke gingen zwischen den Arrangements hin und her. Er betrachtete sie so skeptisch, als sei er in eine Grobschmiede geraten. Zu diesem Eindruck paßte auch Brun, ein Wesen von zwei Metern Größe, knochendürr und geformt wie ein verdorrter Baum mit vier borkigen Wurzeln und vier Ästen. Die Stelle, an der die vielfach
verzweigten Arme aus dem Rumpf hervorwuchsen, war von Dutzenden dicker Knollen übersät. Dies waren die Sinnesorgane. Die immer dünner werdenden Ästchen und Zweige indessen ließen erkennen, daß Brun ein ungewöhnlich geschickter Bastler war. »Was willst du herausfinden?« fragte Atlan begierig. Fast jedes Instrument besaß eine Antenne, die aus der Öffnung einer Schießscharte hervorragte. »Wie der Herr in den Kuppeln von außen zu beeinflussen ist?« »Auch du«, schrillte es aus den Knollen und Rindenspalten des schwankenden Körpers. In fast jedem auslaufenden Zweig befand sich ein kleines Werkzeug. »Auch du! Endlich jemand, der etwas versteht! Seid ihr Freunde der Mißgebauten?« »Sie haben uns geholfen«, bestätigte der Arkonide. »Aber bevor wir dir zusagen, sehen wir uns noch in der Stadt um. Kann sein, daß unsere Begabungen an anderen Stellen besser eingesetzt werden können. Oder was meinst du, Gavro?« Gavro richtete sich hinter einer Versuchsanordnung auf und reckte Atlan eine Faust entgegen, den Daumen abwärts gerichtet. Die Raumfahrer verstanden. Es brachte nichts, hier das Heil aus der beklemmenden Situation zu suchen. »Später, Brun«, meinte Bjo. »Wir suchen zuerst Yʹ Man.« »Da werdet ihr wenig Glück haben. Akitar schirmt ihn ab. Yʹ Man weiß selbst nicht, was zu tun ist.« »Das werden wir mit ihm selbst besprechen«, erklärte der rotbraungefleckte Katzer. »Wir sind neu hier, wir kennen nichts und niemanden. Wir fürchten, daß die Roboter aus der Stadt uns hierher folgen werden. Deswegen müssen wir unseren Kampf so schnell wie möglich fortführen.« Brun, das baumartige Wesen, schüttelte seine astartigen Glieder und ließ sich hinter dem größten Experimentiertisch nieder, indem es die Spannung in seinen Wurzeln aufhob. Sein säulenartiger Körper setzte auf dem Boden auf. Mit winzigen, haarfeinen Astfortsätzen griff er nach seinen Geräten.
»Das verstehe ich gut«, kam es aus den Spalten des Körpers. »Mir erging es, als ich hierher kam, nicht anders.« »Dann wirst du uns entschuldigen«, ließ Atlan übersetzen und ging auf die Treppe zu. Joscan Hellmut sagte leise zu ihm und den anderen: »Er geht ganz geschickt vor. Aber seine Möglichkeiten sind gering. Er könnte vielleicht einen Teil eines Roboters oder einen Mißgebauten beeinflussen. Aber niemals eine größere kybernetische Einheit, denn dazu würde er einen ultrastarken Sender brauchen, eine riesige Energiemenge und vor allem ein entsprechendes Programm. Das alles hat er nicht, und deswegen werden seine Versuche weiterhin Versuche bleiben. Klar?« »Klar«, sagte Akitar. »Trotzdem spreche ich ihm immer wieder Mut zu. Eines Tages findet er vielleicht eine Lösung, die YʹMan akzeptiert. Hin und wieder experimentiert ein Mißgebauter mit ihm.« »Was uns nicht viel nützt«, sagte säuerlich Gavro Yaal und blieb neben dem Ausgang stehen. Langsam begann es zu dunkeln. Akitar deutete nach rechts und erklärte: »Eine weitere sehenswerte Flüchtlingsgruppe sind die Xochill. Sie arbeiten an einem nonverbalen Gesprächsdialog mit kybernetischen Persönlichkeiten.« Nonverbaler Dialog, das ist ein Widersinn, bemerkte Atlans Extrasinn ironisch. Der Arkonide beschloß, sich erstens überraschen zu lassen und sich zweitens jeden Weg und jedes Gemäuer in der Ruinenstadt zu merken. Wieder folgten sie Akitar über die gefährliche Brücke, kamen eine schräge, mit Moos bewachsene Ruinenfläche hinunter und turnten über eine niedergelegte Hausmauer hinunter in einen geräumigen Keller. Atlan sagte zu Breiskoll: »Hier spüre ich zwischen den Ruinen so etwas wie eine ordnende Hand oder ein Konzept.«
»YʹMan?« »Durchaus wahrscheinlich«, mischte sich Gavro ein. »Jemand sammelt Raumfahrer um sich, die anders als mit Körperkraft versuchen, ihre Lage zu ändern.« »Aber sie versuchen es mit höchst exotischen Mitteln«, pflichtete der Chailide bei. »Wie auch die Xochill.« Akitar schob vor ihnen einen Vorhang zur Seite. Sie kamen in einen aufgeräumt wirkenden Keller mit hellen Wänden. Eine Gruppe von etwa zwei Dutzend Flüchtlingen befanden sich in dem Raum. Er war voller Tafeln von jeweils zwei Quadratmetern Größe, die mit seltsamen Zeichen bedeckt waren. Zwischen den Tafeln huschten schwarze, zylindrische Gestalten hin und her. Sie hatten keine sichtbaren Fortbewegungsorgane, sondern haarartige Borsten unterhalb der Körper. Mit diesen raschelten sie über den Boden, der wie poliert wirkte und das Licht der vielen einfachen Lampen widerspiegelte. Im Mittelpunkt des Kellers stand unbeweglich ein Roboter, ein Mißgebauter. Langsam schob sich Akitar mit seinen neuen Freunden durch die Menge der knapp eineinhalb Meter großen Xochill. Die Wesen trugen an der oberen Kante ihres schwarzfelligen, zylindrischen Körpers die vielfältig gestalteten Sinnesorgane. Eine Reihe von verschieden großen Augen zog sich wie ein Band um den Rumpf. Die Wesen hatten keine wirklichen Arme, sondern schienen sie je nach Bedarf aus dem Körper auszustülpen. Die Raumfahrer waren verblüfft, in welch kurzer Zeit sie eine Unmenge von Variationen sehen konnten: zwei dünne Finger, eine geballte Faust, werkzeugähnliche Anordnungen von Gliedern und Muskeln, eine Art Zeichengerät, mit dem die Xochill auf ihren Tafeln schrieben. Ihre Sprache war knarrend und hart, und Bjo Breiskoll murmelte nahe Atlans Ohr: »Ich kann die Gedanken der fremden Raumfahrer leider nicht genau bestimmen. Ich vermag zwischen Ablehnung und
Wohlwollen zu unterscheiden. Aber mehr schaffe ich nicht.« »Mehr Information wäre schön«, erklärte der Arkonide. »Aber in den Ruinen, denke ich, haben wir keine Gegner.« »Wohl kaum. Und das ist also der nonverbale Dialog?« »Das muß er wohl sein.« Die Xochill testeten das Verhalten der selbständigen, intelligenten Robotkybernetik dadurch, auf welche Schlüsselsignale sie reagierte. Die Signale waren in langen Zeichenreihen und ‐gruppen auf den Tafeln zusammengestellt. Immer dann, wenn ein neues Zeichen dazukam, diskutierten die Xochill die Wirkung. Der Mißgebaute war nicht größer als ein Xochill, besaß drei Beine und einen Doppelkörper, der zwei ineinander verschlungenen Röhren entsprach, die von einem übergroßen, halbkugeligen »Kopf« überragt wurden. Die Schnittfläche des Kopfes befand sich oben. Der Kopf war von Linsen, blinkenden Lampen, Mikrophonen und Lautsprechern übersät. Ab und zu erklärte der Mißgebaute, was er empfand oder welchen Impuls er registrierte. In dem Kellerraum herrschte eine fieberhafte Beschäftigung. Nur einer der Xochill nahm von den Fremden Notiz. »Willkommen«, knarrte er. »Wir arbeiten viel. Interessantes Programm. Stört nicht. Wir können beim Essen reden, ja?« »Einverstanden«, meinte Hellmut. »Interessante Arbeit, wie?« »Möchte ich meinen«, schnarrte der Xochill. Der Eindruck bei Atlan und den Solanern, daß sich in den Ruinen eine Rebellenarmee geringer Stückzahl heranbildete, verstärkte sich. Daß diese unglücklichen Raumfahrer trotz ihrer Bemühungen wohl kaum jemals den Herrn der Kuppel besiegen oder dazu zwingen konnten, sie freizulassen, lag auf der Hand. Atlan machte eine Geste und deutete nach draußen. Akitar stimmte zu. Sie verließen die aufgeregt arbeitenden Xochill. Als sie über einen kleinen Platz gingen, der in völliger Dunkelheit lag, sagte Bjo plötzlich:
»Die Scheinwerfer dort drüben – was hat das zu bedeuten, Akitar?« Zwischen kantigen Mauerteilen und hohläugigen Löchern zogen Gestalten vorbei. Ihre Scheinwerfer warfen lange Lichtbalken und projizierten zuckende Schatten an andere Wandteile. Der Chailide winkte und führte die Flüchtlinge zum anderen Ende des Platzes. »Es sind unsere Jäger«, sagte er. Zwischen zwei halb geknickten Säulen stehend konnten die vier Menschen die etwa dreißig Raumfahrer beobachten. Die meist humanoid wirkenden Wesen trugen Körbe voller gesammelter Pilze oder Früchte, sie schleppten an langen Stangen erlegte Tiere mit sich, trugen ihre Jagdwaffen und stolperten hinter dem Lichtschein her. Sie verschwanden alle nacheinander in einer langen Karawane über eine abwärts führende Treppe im Subbasisgeschoß eines der höchsten Türme. »Dort unten ist die Nahrungsmittelzentrale«, bemerkte der Chailide. »Ihr werdet auch von dort aus versorgt. Jetzt bringe ich euch zu Uto Vanadis. Er ist unser Sammler.« »Was sammelt er?« »Informationen und Erkenntnisse, Neuigkeiten und alles andere. Er vermag es, alles und jedes miteinander sinnvoll zu verknüpfen und jedem, der nachsucht, einen guten Rat zu geben.« »Das bedeutet, daß er pausenlos unterwegs ist und mit jedem spricht?« fragte Gavro. »Tagsüber. Bei Anbruch der Dunkelheit aber zieht er sich in seine Höhle zurück. Einen Augenblick!« Er tastete unter einer Säule, öffnete ein Fach und nahm einen Gegenstand hervor. Er suchte in der Dunkelheit herum, dann klickte ein Schalter, und er hielt eine Fackel in der Hand; einen Stab, an dessen oberem Ende eine mehr als kopfgroße Kugel strahlend helles Licht abgab. Er führte die Flüchtlinge in den schmalen Gassen zwischen den Geröllbergen und den drohend aufragenden Mauern
und Türmen umher und kletterte schließlich über eine schiefe Ebene zu einem schwach beleuchteten Eingang hinauf. »Hier lebt Uto Vanadis, einer unserer klügsten Flüchtlinge, dessen Rat jeder sucht!« sagte Akitar und stieß eine grob gezimmerte Tür auf. Sie traten ein und blieben erstaunt stehen. Einige kleine Lampen standen entlang der Höhlenwände am Boden. Sie strahlten ihr Licht fast nur nach oben und nach den Seiten ab. Vor langer Zeit hatten unzählige dünne und dicke Rohre diesen Raum durchlaufen. Eine Druckwelle schien sie alle ausnahmslos zerfetzt und ihren Inhalt verkocht und vergast zu haben. Ein wirres Spinnenmuster aus verschiedenen phosphoreszierenden Farben bedeckte Decke und Wände der Höhle mit schillernden, stechend scharfen und lodernden Farbtönen. Die Reste der Röhren bildeten, ebenfalls von abenteuerlichen Farbschattierungen bedeckt, ein unregelmäßiges Gitter vor dem Fels oder den Mauern. Sie waren zerborsten und bis zur Unkenntlichkeit auseinandergerissen, verbogen und gekrümmt. Die Schatten der farbstrotzenden Rohrreste auf dem farbüberfluteten Untergrund bildeten ein weiteres verwirrendes Muster über dem Kopf des schweigenden Flüchtlings. Akitar machte eine zurückhaltende Geste und sagte: »Das, Uto, sind vier neue Flüchtlinge. Wir haben sie erwartet. Ihr Problem ist dringender als das anderer Ruinen‐Insassen.« »Was ist euer Problem?« fragte der breitschultrige Raumfahrer, der mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einer dicken Matte hockte. Gavro Yaal schilderte, während sie mit einiger Verblüffung den regungslosen Koloß betrachteten, das Problem der SOL. Vanadis war mindestens zweieinhalb Meter groß. Seine Schultern, rund und von eckigen Schuppen bedeckt, lehnten gegen die Wand. Sein Kopf war annähernd humanoid und besaß statt der Augen ein breites, gläsern aussehendes Band. Anstelle der Nase trug der scharf
vorspringende Schädel eine Membran. Die Lippen waren nur angedeutet, der Mund zog sich von einem der Fuchsohren zum anderen. Die Farbe der Haut und der Schuppen war strahlend weiß. Ruhig und schweigend hörte Vanadis zu und bewegte nur seine langen Finger, an deren Kuppen kugelrunde Enden saßen. »Wird euer Schiff auf den Planeten zugetrieben? Oder auf einen Punkt seiner Bahn um die Sonne, den Planet und Schiff irgendwann erreichen? Die Berechnung dürfte für Raumfahrer keine Schwierigkeiten bereiten.« Bjo versuchte, auf dem Umweg über den Translator zu erklären, daß es fast unmöglich war, den kosmischen Standort und die Bewegung der SOL zu bestimmen. »Vermutlich habt ihr mehr Zeit, als ihr denkt«, sagte Uto Vanadis. Er hatte eine unheimliche, tiefe Stimme. Ihr Grollen erfüllte die Höhle. »Natürlich wird die SOL eines Tages in die Zone driften, in der die Demontagegruppen aktiv sind.« »Auch du kannst uns nicht sagen, wie lange wir noch Zeit haben«, erklärte Atlan und hob die Schultern. »Nein. Aber es dauert länger, als ihr befürchtet!« »Möglicherweise hast du recht, Vanadis«, sagte Atlan und blieb dicht vor dem geschuppten Koloß mit dem tonnenförmigen Rumpf stehen. »Vielleicht finden wir bald ein Mittel, den Herrn der Kuppel zu zwingen. Aber ganz sicher läuft die Frist für unser Schiff schneller ab, als wir es erhoffen.« »Glaubt mir«, dröhnte Vanadis, »bald wird Yʹ Man reagieren. Ich weiß noch nicht, wie seine Reaktion ausfällt. Aber die Zeichen mehren sich.« »Optimist!« knurrte Hellmut. Die eigentümliche Form des Sehorgans rief den Eindruck hervor, als würde Vanadis jedem in die Augen starren – oder niemanden ansehen. Er rührte sich nicht und hockte unbewegt da wie ein weißer Buddha. Seine Kleidung mochte ein Raumanzug gewesen sein; jetzt war sie kaum mehr als solche zu erkennen. Aber
tatsächlich strömte von Uto Vanadis eine überzeugende Persönlichkeit aus, eine gefaßte Ruhe, die auch Bjo Breiskoll ergriff. Er lehnte sich gegen die schillernde Wand und sagte: »Reden und Nachdenken sind sicherlich lobenswerte Tugenden. Aber wir sind gezwungen, zu handeln. Vermutlich wird es in der Ruinenstadt demnächst einige Aufregung geben. Für heute danken wir für den aufmunternden Zuspruch, Uto.« »Wir werden uns noch darüber unterhalten, wie das Robotgehirn in tiefste Verwirrung zu stürzen ist!« »Gern, aber nicht mehr heute.« Akitar winkte den Solanern, und sie verließen die funkelnde und farbensprühende Höhle. Aus dem Kellergeschoß holten sie sich Vorräte für die nächsten Tage. Dann wanderten sie im Licht der seltsamen Fackel zurück in ihr Quartier und versuchten, mit den vielen, einander widerstrebenden Eindrücken in der Ruinenstadt fertig zu werden. Unabhängig voneinander hatte jeder von ihnen den Eindruck, als ob das Leben und Treiben in den Ruinen von einem Unsichtbaren beobachtet wurde. Hatte der sagenhafte Yʹ Man seine Augen auch in ihren Behausungen? 2. Atlan kauerte sich nieder, nahm einen scharfkantigen Stein und zog im Staub des Platzes einen Kreis. Mit einer senkrechten und einer waagrechten Linie teilte er ihn in vier Viertel. Die Männer von der SOL befanden sich ziemlich genau im Zentrum der Ruinenstadt. Während ihrer ersten Mahlzeit hatten sie das Problem diskutiert und waren zu einer Lösung gekommen. »Wenn alles zutrifft, was wir ahnen, finden wir einen Weg zu Yʹ Man«, sagte der pausbäckige Kosmobiologe entschlossen. »Wir sind
nicht hilflos.« »Ich nehme dieses südwestliche Viertel«, sagte Breiskoll, sprang auf und fauchte entschlossen. »Ich weiß, wonach ich zu suchen habe. Wir schaffen es, Freunde!« »Hoffentlich; unsere Zeitspanne schrumpft immer mehr, trotz der trostvollen Worte von Vanadis«, entschied Atlan. »Ich suche dort drüben.« Bisher hatte sich Akitar nicht blicken lassen. Die vier Männer benutzten diesen Umstand und wollten das Problem auf ihre Weise lösen. Sie trennten sich voneinander, und jeder ging in »seine« Richtung. Schon nach einigen Minuten waren sie zwischen Mauern und Trümmern verschwunden. Atlan tastete sich entlang eines schmalen Pfades. Es schien seit sehr langer Zeit schon Leben in der Ruinenstadt gegeben zu haben, denn es war ein richtiggehendes System von breiteren und schmaleren Wegen zu erkennen. Der Arkonide folgte dem breitesten Teil und kam an der Höhle der Xochill vorbei. Über eine ausgezackte Mauer turnte er schnell aufwärts bis zu einer Reihe kantiger Fensterhöhlen, aus denen er Lärm hörte. Als seine Gestalt in einer der Öffnungen erschien und sich zwischen die Helligkeit und das Innere des Raumes schob, riefen helle, scharfe Stimmen unverständliche Worte. Atlan aktivierte wieder den scheibenförmigen Translator. »Das muß einer der Neuen sein!« »Geh aus dem Licht!« »Störe uns nicht! Wir unternehmen eben einen neuen Versuch!« Atlan sprang in den tieferliegenden Raum hinein und stellte fest, daß er sich in einer durcheinanderquirlenden Masse aufgeregter Raumfahrer befand. Sie waren für ihn ebenso fremdartig wie er für sie, und von ihnen ging ein wahrer Schauer von Hektik aus. »Ich störe nicht«, sagte Atlan. »Was versucht ihr?« »Wir zielen auf Yʹ Man! Wir wollen ihn zwingen, uns zu helfen.« Atlan setzte sich auf einen Steinquader und sah zu, was die
unbekannten Flüchtlinge trieben. Es waren etwa ein Dutzend echsenartiger Wesen mit langen Reptilien schwänzen, Klauen und gelber Salamanderhaut. Sie hatten auf einer großen und mehreren kleinen Platten aus Stein eine komplizierte Versuchsanordnung aufgebaut. Seltsame Teile, möglicherweise ebenfalls aus defekten Robotern oder Mißgebauten, waren mit Kabeln verbunden. Einige Leitungen baumelten quer durch den Raum. Am vorderen Ende der Anlage aus Stangen, Holz, Schnüren und handgefertigten Schaltern und Meßgeräten befand sich ein schalenförmiger Projektor, der aus dem Mauerloch ragte. Der Versuch war in vollem Gang. Winzige Lichtbögen zuckten an den Verbindungen. Aus grob gebauten Kastenelementen ertönten summende Geräusche. Hin und wieder klickte und knisterte es irgendwo in dem farbenfrohen und undurchschaubaren Versuchsaufbau. Die Sendeantenne bebte unter dem Druck unbekannter Energien. Die Reptilwesen, die sich mit schnatternden, leisen Lauten unterhielten, bewegten sich wie ein Ballett um ihre Maschine herum und zwischen ihren Einzelteilen hindurch. Ununterbrochen schalteten, regulierten und maßen sie. Schließlich, als ein wahres Feuerwerk kleiner Blitze über sämtliche Schaltstellen huschte, kam ein Reptil auf Atlan zu. Die Reptilaugen musterten den Arkoniden, kleine halbkugelige Ohrschalen richteten sich auf ihn. Aus einem Schlangenrachen mit mehreren Reihen winziger Zähne schnellte eine zweispitzige Zunge, als der Raumfahrer halblaut ausführte: »Wir sind die Überlebenden der SHARSHILL«, sagte er. »Ich bin der Kommandant von uns Aruzil. Wir versuchen alles, um diesem verfluchten Planeten zu entkommen.« »Atlan ist mein Name«, antwortete der Arkonide und berichtete kurz von seinem Schicksal. »Die Schwierigkeiten, den Planeten auf eine noch zu findende Weise zu verlassen, scheinen mir gigantisch zu sein!« »Wir sind fast verrückt vor Wut. Wir sind hierher geflohen und
arbeiten buchstäblich mit jedem Mittel, um eine Veränderung zu bewirken. Notfalls hilft uns auch das Chaos.« Atlan zeigte auf die technische Anordnung und fragte kurz: »Chaos? Ihr hofft auf Erfolg?« »Natürlich. Sonst würden wir wahnsinnig werden. Irgendwo hier steckt Yʹ Man. Wir glauben, daß er mit dem Herrn dieser elenden Roboter in Verbindung steht. Unser Versuch zielt darauf ab …« »Ja?« »Wir wollen ihn herausfordern. Es gibt zwei Meinungen hier in der Stadt. Eine davon besagt, daß Yʹ Man und der Herr der Demontagerobots ein und dieselbe Person sind. Person? Ein schrottreifes Rechengehirn! Oder zwei Teile eines solchen. Kapiert?« »Keine Frage«, sagte Atlan, während das Summen und Heulen der Aggregate immer lauter und durchdringender wurde. »Denken andere so wie ihr Aruzil?« »Fast alle, die noch aktiv sind!« »Gibt es welche, die sich nicht wehren?« »Einige glauben, wir tun nur das, was Yʹ Man wirklich plant.« Sie mußten fast schreien, um sich verständlich machen zu können. Die Masse der Funken wurde zahlreicher, es begann nach schmorender Isolation zu stinken. An einigen Stellen zogen schwarze Rauchfäden in die Höhe. Die Projektorschale schwankte langsam hin und her. Ihre Energie bestrich einen großen Teil der Stadt und griff, wie Atlan leicht erkennen konnte, immer wieder hinaus nach Norden in die Richtung der Wälder. Einige Vögel oder fliegende Wesen, die sich wie Vögel bewegten, flatterten aus den riesigen Baumkronen auf. »Wißt ihr, wo Yʹ Man ist?« wollte Atlan wissen. »Wenn es jemand weiß, dann nur Akitar!« »Aber er hat es euch nicht gesagt.« »Wir zweifeln nicht daran«, schrie zischend der gelbhäutige Kommandant der längst auseinandergenommenen und verschrotteten SHARSHILL. »Aber er ist ein undurchsichtiger
Kumpan, er weiß mehr, als er sagt. Uns gegenüber war er stets ein Freund.« Wie du es vermutetest, sagte der Logiksektor. Die Ruinenstadt ist voller Geheimnisse. Jetzt vibrierte die kunstvoll arrangierte Anlage. Es brannte an mehreren Stellen. Hinter dem Rauch verschwanden die Gestalten der Aruzil. Sie wichen vor ihrem selbständig gewordenen technischen Kunstwerk zurück. Das Heulen war infernalisch laut geworden, der Ton bewegte sich bereits nahe der Schmerzgrenze. Die Vögel waren zahlreicher und aufgeregter geworden. Große und kleine Vögel stoben zwischen den Zweigen auf und formierten sich zu Ketten und zu kleinen Wolken, die vor dem Hang des Tafelberges hin und her flatterten. Mit einem peitschenden Geräusch zerbarsten Teile der Anlage. Das Heulen riß schlagartig ab. Auch die Lichtbögen erloschen. »Dein Versuch …«, wollte Atlan wissen, als das Sirren in seinen Ohren aufgehört hatte, »… meinst du, daß er gelungen ist?« Der Kommandant war entweder selbstsicher oder machte sich allzu viele Illusionen über den Versuch, aus der Blockade auszubrechen. »Wahrscheinlich hat er etwas bezweckt. Wir werden es sehen – vielleicht nicht heute.« »Euer Schiff ist demontiert. Mein Schiff nähert sich, und ich werde vor Angst halb unzurechnungsfähig, wenn ich an das Schicksal denke.« »Wir kennen die Geschichte der SOL«, sagte der Aruzil und schüttelte seinen runden Echsenschädel. »Was kannst du tun, um deine Lage zu ändern?« »Wenn ich das wüßte, wäre mir viel wohler«, gestand Atlan. »Ich versuche, etwas zu finden. Yʹ Man, eine Verbindung zu ihm, einen Mißgebauten, der mir weiterhilft … irgend etwas.« »Du wirst es nicht leichter haben als wir.« Jeder Bewohner der Ruinen sehnte sich danach, den Planeten so
bald wie möglich zu verlassen. Die Möglichkeiten waren so gut wie nicht vorhanden. Kein Schiff außer denen, die von den Robotern benutzt wurden, erreichte jemals die Oberfläche von Mausefalle VII. Und diese Schiffe handelten innerhalb bestimmter Grenzen wie selbständige, intelligente Robots; es war sinnlos, eines kapern und damit zu fliehen zu wollen. Aber andererseits waren sie im Gegensatz zu den Mißgebauten zu wenig intelligent, um gegen ihren Herrn zu revoltieren. Es gab für sie auch keinen Grund für Rebellion oder Streik. Atlan ergriff die schlanke, hornige Pranke des Raumfahrers, lauschte verwundert auf das gellende Geschrei der Vögel und sagte: »Sehen wir weiter. Vielleicht bin ich heute Abend klüger.« Er grüßte in den Raum hinein. Die Aruzil hatten angefangen, ihre Anlage abzubauen und schienen sie wieder neu aufbauen zu wollen. Mit diesem Sender wollten sie also Yʹ Man aus seiner Reserve locken? Sie gehörten demnach der Gruppe an, die nicht glaubte, unter dem unbekannten Befehl Yʹ Mans zu handeln. Aber niemand wußte, wer oder was Yʹ Man wirklich war! sagte sich Atlan verzweifelt und setzte seinen Weg durch die Ruinen fort. Einmal sah er schräg unter sich den weißen, schuppigen Höhlenbewohner Uto Vanadis. Die Vögel hatten sich gesammelt. Es waren mehrere tausend Exemplare, die wie eine Gewitterwolke um die höheren Gebäude und die Türme der Stadt kreisten und ihre Schreie ausstießen. Ein merkwürdiges Geräusch hallte in den Gassen wider, als Atlan vor dem Quartier einer anderen Gruppe stehenblieb. Er hörte einzelne, lange Sätze und nach einer Weile die Antwort oder die Fortsetzung. Die Membran des Translators war zu weit entfernt; das Gerät arbeitet noch nicht. Atlan wußte nur, daß er nach einer Chance suchte. Er hatte jede noch so winzige Begebenheit genau registriert und versuchte, aus seinen Beobachtungen etwas herauszufinden, das ihm ermöglichte, zu handeln. Umsonst! Er sah immer nur die seiner Meinung nach fragwürdigen Versuche anderer Unglücklicher, ihre
Lage zu verändern. Auch hier würde es nicht anders sein. Er trat durch einen hohen, schmalen Eingang in eine Halle, ein System von Treppen und Rampen, einst wohl der prunkvolle Eingang dieses Wolkenkratzers. Ähnlich wie in einer Arena oder einem Amphitheater saßen etwa fünfzig verschiedene Wesen in dem Raum verteilt. Atlans Translator gab die Frage, die ein kleiner, einem Schimpansen mit Flughäuten zwischen Armen und Körper ähnlicher Raumfahrer stellte. Er richtete sie an eine Gruppe von drei unterschiedlich konstruierten Mißgebauten, die im Zentrum der Arena saßen. Schweigend hörte Atlan zu. Er versuchte herauszufinden, welchen Sinn Fragen und Antworten ergaben. Sehr schnell merkte er, daß sich in diesem Raum eine geistige Elite versammelt hatte. Sie versuchte, mit der Hilfe von drei robotischen Einzelwesen ein viertes in die Enge zu treiben. Das vierte war der Herr in den Kuppeln. Natürlich war er unsichtbar. Aber jeder Raumfahrer verfolgt ein genaues Konzept. Niemals wurde ein Fragender unterbrochen. Stets gelang es ihm, eine lange Gedankenkette zu beginnen und zu Ende zu bringen. Jeder von ihnen versuchte, durch gezielte Fragen meist existentieller oder philosophischer Natur das Robotgehirn zu verwirren. Das Robotgehirn wurde versinnbildlicht durch die Kapazitäten dreier intelligenter Maschinen mit eigenem Willen. Vielleicht gab es auch geheime Kanäle (möglicherweise hörte der Herr in den Kuppeln auch diese Dialoge ab?), über die jedes Wort weitergeleitet wurde? Gelang es, die drei Mißgebauten zu verwirren, würde der Versuch, den »Herrn« zu verwirren, glücken können. Die Roboter antworteten. Die Mißgebauten schienen sich vor jeder Antwort unhörbar miteinander zu beraten. Dann sprach einer von ihnen. Bei ihnen war nicht das geringste Zeichen von Verwirrung zu erkennen. Immer
wieder versuchte der Kleine, durch gezielte Schlüsselfragen die Roboter zu einer unüberlegten Reaktion zu verleiten – vergebens. Sie haben sich als potentielle Opfer zur Verfügung gestellt, flüsterte der Extrasinn. Ein anderer Flüchtling winkte Atlan freundlich mit drei Tentakeln zu. Er bedeutete ihm, neben ihm Platz zu nehmen. Aber der Arkonide schüttelte den Kopf und machte eine höfliche Geste der Verneinung. Wenn es nämlich der geballten Geisteskraft der Raumfahrer gelang, die richtigen Schlüsselfragen zu stellen, bedeutete es den kybernetischen Wahnsinn oder die Selbstauflösung der drei Maschinen. Sie waren also auch Rebellen, die notfalls ihr eigenes Maschinenleben im Kampf gegen ihren einstigen Herren zu opfern bereit waren! Eine erstaunliche Einsicht, dachte der Arkonide und fragte sich, wie weit inzwischen die Geschöpfe dieses Planeten sich von der eigentlichen Idee entfernt hatten. Die Idee lautete schließlich, daß Maschinen einem übergeordneten Wesen gehorchten und dienten. Dieses Wesen war in jedem Fall der Erbauer jenes ersten Robots oder gehörte zum Volk der Erbauer. Oder er hatte nach dem Tod dieser Herrscher deren Platz eingenommen. Auf Mausefalle Sieben jedenfalls war dieses Abhängigkeitsgefüge wohl heillos aus den Fugen geraten. Weitere Fragen wurden in angemessenen Abständen gestellt. Sie beschäftigten sich jetzt mit der Philosophie eines Wesens, das andere Wesen zu einem Gefangenendasein verurteilte. Immer wieder versuchten die Flüchtlinge, die Roboter in die Enge zu treiben – ein sinnloses Unterfangen. Schließlich waren sie von einem klugen und gigantisch großen Gehirn erbaut und programmiert worden. Neben Atlan entstand lautlose Bewegung. Er fuhr herum und erkannte den riesigen Uto Vanadis, der ihm eine Hand kurz auf die Schulter legte und dann ebenfalls zuhörte. Etwa eine halbe Stunde verging, während draußen das Schreien
und Flügelschlagen lauter zu werden begann. Frage, Antwort, weiterführende Fragen, abermals Antwort und eine neue Frage lösten einander ab. Unerschütterlich redeten sich die Mißgebauten heraus. Für sie – und somit für den Herrn – war eine Änderung des Zustands sinnlos. Natürlich sprachen die drei Mißgebauten nicht ihre eigene Meinung aus, sondern argumentierten im Sinn des Verhaltens, das der Herrscher über M Sieben für richtig hielt. Atlan sagte leise zu Vanadis: »Du kommst herum! Etwas Neues?« »Es gärt«, erwiderte Uto zu seiner Überraschung. »Bald kommen Dinge in Bewegung. Ich meine, ihr seid die Katalysatoren.« »Unsinn. Niemals.« »Warte es ab, Freund.« Selbst wenn es der Plan Yʹ Mans wäre, mit Hilfe der Rebellen sich gegen den Herrn zu stellen, brauchte er die direkte Möglichkeit, den Herrn mit klaren Befehlen zu zwingen. Denn auch dieses Großgehirn war geschaffen worden, um zu dienen. Aber es erkannte nicht an, daß die Raumfahrer ihm Befehle geben durften, und noch viel weniger befolgte es sie. Dabei waren entsprechende Versuche sicherlich Hunderttausende Male gemacht worden. Wieder spürte Atlan den Griff der Ungeduld, der Furcht und der Frustration, zur Passivität verdammt zu sein. »Ich gehe«, sagte er. Tatsächlich schien Vanadis tagtäglich seine Runde zu machen und sich mit allen Flüchtlingen über jeden neuen Aspekt zu unterhalten. Er war also im besten Sinn eine wandelnde Nachrichtenstation der voneinander getrennten Gruppen. »Wir sehen uns heute Abend wieder!« Den Sinn der letzten Fragen im Kopf, noch skeptischer als am Anfang seiner Wanderung und voll tobendem Grimm gegen die
Robotzivilisation dieses Planeten verließ Atlan die Diskussionsstätte und wandte sich nach rechts. Hier führte ein schmaler Pfad durch ein kleines struppiges Wäldchen und durch einzeln liegende, kantenreiche Bauteile, die aus größerer Höhe heruntergestürzt waren und sich in den Boden gebohrt hatten. Er hob den Kopf und blickte nach den Vögeln. Sie jagten in breiten Schwärmen, inzwischen viel tiefer und wütender, um die Kuppeln und Nadeln der Häuser, rasten durch die Maueröffnungen und am anderen Ende kreischend wieder hinaus, aber sie griffen niemanden an. Das Gehirn braucht einen neuen Herrscher! stellte der Logiksektor fest. »Einen Herrscher, den es anerkennt!« murmelte Atlan und suchte in Durchgängen, hinter Säulen und Torbögen nach dem nächsten Raumfahrer auf seinem Erkundungsgang. Das bedeutet, daß ein Kampf stattgefunden haben muß! Wenn nicht einmal Joscan Hellmut einen Einfall hatte, wer dann? »Man kann nicht kämpfen und siegen, wenn es kein Ziel gibt«, knurrte Atlan und sah hinter den schmutzigen und zersplitterten Resten einer ehemals wahrhaft riesigen Scheibe ein Wesen, das äußerst bizarr wirkte. Er nahm einen Stein, ging zur Scheibe und klopfte mehrmals dagegen. Das Wesen, das sich ihm zuwandte, sah aus wie eine Konstruktion aus Glasstäben, an die sich viele riesengroße Insekten mit durchsichtigen Libellenflügeln klammerten. Zahllose Augen, die jeweils an abknickenden Teilen des Körpers saßen, zwinkerten synchron und flimmerten vielfarbig wie Facetten auf. Atlan hielt dies für ein Willkommenssignal. Vorsichtig trat er ein und duckte sich unter den zackigen Scheibensplittern, die scharf wie Dolche waren. Eine Stimme wie ein klapperndes Flüstern schlug an seine Ohren. Der lange Satz wurde von dem insektenhaften Flüchtling mit einem scharfen, kurzen Pfeiflaut beendet.
»Atlan, der Mann von der SOL! Wenn du nach Yʹ Man suchst, kannst du von mir bestenfalls eine Sammlung von Halbwahrheiten und Gerüchten hören. Du siehst aus wie ein Kämpfer, zum Handeln wild entschlossen.« 3. Der Raumfahrer erklärte flüsternd: »Ich bin Jyrdon Anussha. Du würdest mich als Sprachwissenschaftler bezeichnen. Auch mein kleines Schiff wurde von dem Planeten angezogen und demontiert. Ich habe mich schon stets mit den Ausdrucksformen kybernetischer Strukturen beschäftigt. Deswegen meine ich, daß Yʹ Man ein Symbol ist. Piep.« Vor Anussha stand ein drei Meter breites Pult, auf dem eine Unmenge dünner Folien lagen. Sie waren eng mit Zeichen einer winzigen Schrift bedeckt. Während der Wissenschaftler mit Atlan sprach, schrieben andere Teile seines erstaunlichen Körpers auf den Folien weiter. »Jedermann hier im Versteck beschäftigt sich mit Fluchtversuchen!« sagte Atlan. »Wir von der SOL ebenso. Gibt es deiner Meinung nach eine Möglichkeit, bewußt mit Yʹ Man oder dem Herrn in den Kuppeln in Verbindung zu treten?« »Ja.« Wieder der grelle Schlußlaut. Atlan wurde für einen Moment abgelenkt. Von draußen kam das grelle Schreien eines angreifenden Vogelschwarms. Der Arkonide stürzte zum Ausgang und sah, wie Joscan Hellmut und ein Roboter, ein Mißgebauter, über den Pfad heranhasteten und wild um sich schlugen. Hellmut hatte die Strahlwaffe gezogen und feuerte wild nach den Vögeln. Neben ihm rannte ein spinnenförmiger Robot mit achtfach gegliedertem Kugelkörper. Atlan schrie Hellmut eine Warnung zu und riß seinen Lähmstrahler heraus. Der Kybernetiker duckte sich unter dem Angriff eines riesigen schwarzen Vogels, der
sich mit gespreizten Krallen auf seinen Nacken stürzte. Atlans Schuß traf das Tier in den Kopf und schleuderte es schräg in die Luft zurück, mitten in den Schwarm hinein. Der Robot kletterte durch das Loch in der Scheibe, Hellmut sprang geduckt hinterher. Atlan zog ihn am Arm in Sicherheit. Die Vögel prallten zum Teil gegen das Glas und erzeugten prasselnde Laute. »Woher kommen diese hysterischen Biester?« keuchte Hellmut. »Ich kann Bjo verstehen. Ihn macht dieser Planet fertig!« »Ein Versuch mit erheblicher Sendeenergie muß sie aufgescheucht haben«, sagte Atlan. »Sie sind überall und greifen jeden an, der sich zwischen den verdammten Ruinen bewegt«, erläuterte Joscan. »Wer ist das?« Atlan erklärte es ihm. Das Wesen, das aus unzähligen knochenähnlichen Teilen zusammengesetzt schien, fächelte sich selbst mit den kleinen, schwirrenden Flügeln Luft zu. Unzählige Augen starrten zwinkernd Hellmut, den Mißgebauten und Atlan an. Vor der Scheibe wirbelten einige Schwärme kleinerer Vögel vorbei und flatterten zwischen den Ruinen kreischend davon. Hellmut deutete auf den Mißgebauten und sagte halblaut, als ob er nicht sicher war, daß auch die Riesen‐Mehrfachlibelle mithören durfte: »Carmyhsel hier, mein neuer Freund, ist sicher, daß irgendwo in den Ruinen, in einem der obersten Geschosse eines der vielen Türme, ein uraltes Kommunikationszentrum existiert. Niemand weiß etwas Genaues.« »Das hieße«, überlegte Atlan laut, »daß die Flüchtlinge in der Ruinenstadt mit folgenden Möglichkeiten rechnen müssen: Sie werden von Yʹ Man belauscht, beobachtet und vermutlich gesteuert. Yʹ Man arbeitet entweder direkt mit dem Herrn der Kuppeln zusammen oder indirekt, er ist mit ihm identisch oder auch nur ein Werkzeug. Und darüber hinaus gibt es abgesehen von einer Menge geheimer und unbekannter Beobachtungsmöglichkeiten, sprich Kommunikationskanälen, sogar noch eine direkte Verbindung zu Yʹ
Man oder abermals zu dem Herrn in den Kuppeln. Es bleibt nicht mehr viel von der Illusion übrig, daß sich hier nur Flüchtlinge mit hohem Überlebenspotential befinden, nicht wahr?« Der Sprachwissenschaftler raschelte flüsternd: »Das ist es, was ich den anderen schon immer gesagt habe. Piep.« Der Mißgebaute, der mit einem seiner langen Spinnenarme sich am Ellbogen Hellmuts festgehakt hatte, schien Vertrauen zum Solaner gefaßt zu haben. Da Joscan Kybernetikspezialist war, bedeutete dies für Atlan keine große Überraschung. Wie es dazu gekommen war, würde ihm Jos berichten. Jetzt schaltete sich der Mißgebaute in die Unterhaltung ein. »Yʹ Man will den Herrn in den Kuppeln angreifen. Dazu braucht er euch und uns, die Kämpfer«, sagte er mit schlecht modulierter Maschinenstimme. »Auch das habe ich schon mehrmals erklärt!« sagte die bizarre Lebensform aus hellbraunen und gelben Teilstücken. »Mehrmals! Ich habe das Problem immer wieder und aus allen Blickwinkeln studiert. Alle Versuche, die hier unternommen wurden und werden, dienen nur einem einzigen Zweck: Kämpfer gegen den Herrn in den Kuppeln!« Atlan setzte sich wieder auf seinen Steinbrocken und dachte schweigend nach. In der letzten Stunde hatten ihn die neuen Einsichten teilweise verblüfft, teilweise überzeugt, und auf alle Fälle war er verwirrt. »Ich weiß jetzt, was mich in der Ruinenstadt stört«, sagte er grimmig. »Die hohe Schwerkraft und die mörderische Luftfeuchtigkeit?« wollte Hellmut wissen. »Nein. Etwas anderes. Viel Theorie und keine Praxis.« »Bravo! Piep!« rief knisternd der Linguist. »Neue Herrscher müssen dem Herrn in der Kuppel effiziente Befehle geben«, führte der Arkonide seine Gedanken aus. »Hier gibt es viele potentielle Kämpfer, die aber nur mit den Waffen des
Geistes arbeiten. Diese haben sich bisher als nicht wirkungsvoll genug erwiesen.« »Das wird sich bald ändern«, prophezeite Anussha. »Denn Yʹ Man hört, was wir sprechen!« Einige seiner Libellengliedmaßen deuteten nach oben. »Was das Robotgehirn nicht daran hindert, noch sturer und uneinsichtiger an seinem falschen Programm festzuhalten«, meinte Hellmut. »Dort oben gibt es eine Station? Ist sie noch intakt?« »Das kann ich nicht sagen«, erwiderte der Mißgebaute. »Ich weiß, daß jeder hier sein Geheimnis für sich behält. Nur winzige Informationssplitter werden weitergegeben, selbst an Vanadis.« Wieder rasten dicht vor der Scheibe flatternd aufgeregte Vögel vorbei. Sie wechselten mehrmals die Richtung und stoben dann wieder aufwärts. »Ich verstehe. Warum bist du eigentlich hier, in meinem Gebiet?« erkundigte sich Atlan. »Carmyhsel sagte mir, daß er eine Ahnung habe, wo das sogenannte Versteck ist. Er meint die vergessene Zentrale.« »Er führte dich hierher?« »Ja.« Atlan und Joscan Hellmut wechselten einen langen Blick. Atlan machte einige typisch »terranische« Gesten und hoffte, daß Hellmut verstand. Er meinte damit, daß sie in kurzer Zeit und mit der gebotenen Konsequenz selbständig handeln würden. Joscan hob die Faust, den Daumen nach oben. Joscan wandte sich an den einzelnen Raumfahrer, der mit einem Drittel seiner Gliedmaßen ununterbrochen auf den Folien geschrieben, Linien gezogen und rätselhafte Symbole gezeichnet hatte. Der Solaner fragte: »Wo erfahre ich, an welcher Stelle sich dieses Kommunikationszentrum befindet?« »Vermutlich erfährst du von mir am meisten«, antwortete Jyrdon Anussha. »Aber auch ich bin nicht im Besitz der einzigen Wahrheit.«
»Begreiflich. Wer ist das schon. In welchem Turm ist dieses einmalige Wunderwerk eines funktionierenden Büros?« »Im Zentrum der Stadt.« »Dort könnten wir tagelang suchen und nichts finden. Und wenn wir alle anderen Raumfahrer aufrufen und mitreißen, bricht genau jenes Chaos aus, das nur dem Gegner hilft. Und noch etwas: ich würde es begrüßen, wenn wir ab sofort die richtig nonverbalen Gespräche führen würden.« »Was mich betrifft, läßt es sich einrichten«, sagte das Libellenwesen und schlug raschelnd eine neue, leere Seite seiner Folien auf. Mit rasend schnellen Strichen begann er auf dem Blatt zu zeichnen. Auf faszinierende Weise entstand eine Art Panorama der Ruinenstadt und ihrer wichtigsten Hochbauten. Aus der Menge der Türme hob sich in kräftigen, charakteristischen Strichen ein kantiger, mehrfach abgestufter Turm hervor. Atlan erkannte ihn bereits, als die Zeichnung noch unvollkommen war. Es handelte sich um eines der höchsten Bauwerke unmittelbar neben einer brückenartigen Konstruktion in der Mitte der Stadt. Die Basis dieses Turmes war von Schuttmassen umgeben und von einigen Bäumen bewachsen, deren ausufernde Äste sich durch Lücken und Löcher bohrten. Der Raumfahrer beendete seine Zeichnung und schraffierte einen Abschnitt der hochragenden Konstruktion. Sein Kommentar klang endgültig, als er sagte: »Mehr weiß ich nicht.« Atlan und Hellmut nickten sich zu. Sie wußten, was zu geschehen hatte, selbst wenn sie irrten. Es war früher Nachmittag, also gab es an diesem Tag noch genügend Zeit. Atlan fragte aufgeregt: »Kannst du meine anderen Freunde herbeiholen, Carmyhsel?« »Ohne Schwierigkeiten. Aber es dauert eine Weile.« Der Arkonide zeigte auf die Zeichnung und sagte hart: »Wir treffen uns dort. Vielleicht hat Vanadis recht, wenn er meint, wir wären die Katalysatoren, die auslösenden Faktoren.«
Er wandte sich wieder an den Sprachwissenschaftler und schloß: »Viele Steine im Mosaik ergeben ein Bild. Vermutlich haben wir ein falsches Bild, aber mir scheint es komplett zu sein. Ich sehe in unserer Lage keinen anderen Ausweg. Wir handeln. Kommst du mit, Joscan?« »Sofort.« Piep! kommentierte der Raumfahrer und winkte mit mehreren seiner Glieder, während er in rasender Schnelligkeit seine Libellenflügel bewegte und in seinem Wohnraum eine Menge Staub aufwirbelte. Joscan und Atlan verließen durch die geborstene Scheibe das Gelaß und zogen, kaum daß sie drei Schritte auf dem Pfad gemacht hatten, ihre Waffen. Das Geschrei der Vogelschwärme war leise; die Tiere befanden sich an einer anderen Stelle der Ruinenstadt. Hinter den beiden Männern kletterte der Spinnenrobot durch die Scheibe und riß einige Splitter mit sich. Leise sagte Hellmut zu Atlan: »Hier weiß niemand, was der andere tut. Es herrscht Wirrwarr. Angeblich ziehen sie alle an einem Strick, aber sie wissen nicht, was sie tun. Vielleicht bringt unser Vorstoß wirklich die Wende.« »Mir schaudert allerdings bei der Vorstellung«, sagte Atlan, während sie auf das Zentrum der Stadt zu rannten, »daß der Herr der Kuppeln auf Selbstvernichtung programmiert ist. Chaos mag für entschlossene Naturen eine Möglichkeit zur Befreiung sein, aber dieses Debakel würde den gesamten Planeten in ein Tollhaus verwandeln. Dieses allerdings wäre für alle von uns eine tödliche Gefahr.« Der Umstand, daß die Translatoren bisher sämtliche sprachlichen Probleme mühelos bewältigt hatten, kam hinzu. Es bedeutete in der letzten Konsequenz nichts anderes, als daß die erste Programmierung bereits alle Sprachen sämtlicher Raumfahrerrassen enthielt. Dies wiederum ließ darauf schließen, daß der Planet seinen Namen Mausefalle Sieben wahrlich verdiente, weil seit undenklich vielen Jahren Raumfahrer hier gefangengehalten waren.
Joscan rief unterdrückt: »Wir versuchen es! Gleichgültig, wie die Folgen aussehen.« »Sie können eine Entwicklung, die im Sinn aller Gefangenen ist, nur beschleunigen – gleichgültig, wie unser Erfolg aussieht.« Sie kannten den Weg und rannten, vom Spinnenrobot gefolgt, entlang der Pfade und kamen schließlich am Fuß des ausgesuchten Turmes an. Sie duckten sich unter den weit ausfächernden Zweigen der niedrigen Bäume. Die Vögel, noch immer rasend von den Schwingungen des Sendeversuchs, bildeten weiterhin große Schwärme und rasten aufgeregt durch die Stadt. Aber sie jagten nicht mehr blind und halb besinnungslos nahe dem Boden, sondern kreisten genau dort, wo sich Atlan und seine Freunde in absehbarer Zeit befinden würden, nämlich im oberen Drittel der höchsten Türme. Vor den beiden Männern aus der SOL schwang sich die Brücke über den Platz, einst ein imposantes Bauwerk, jetzt eine Ruine. »Woher hast du deinen neuen Freund, Jos?« fragte Atlan. »Ich traf ihn am Rand des Tafelberges. Ich habe mit mindestens einem Dutzend Flüchtlinge gesprochen, ehe er sich an mich wandte. Er schien erkannt zu haben, daß wir Neuen entschlußfreudiger sind als alle anderen.« »Ein fragwürdiges Kompliment. Und weiter?« »Er sagte, jemand wie ich müßte unbedingt die Bekanntschaft des klügsten Wesens machen. Er führte mich zu dieser Multi‐Libelle.« »Der Rest ist bekannt«, erklärte Atlan und deutete mit dem Lauf des Strahlers auf den Spinnenrobot, der ihnen gefolgt war und jetzt auf ihren Unterschlupf zustolzierte. »Und du bist sicher, daß die Mißgebauten untereinander in Funkverbindung stehen?« »Nicht alle«, gab Hellmut zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn, »aber zumindest viele von ihnen.« Sie saßen auf den trockenen Nadeln der Bäume. Die abgefallenen Nadeln ergaben ein dickes und braunes Polster. Über ihnen lärmten die Vögel. Der Mißgebaute kam langsam näher und blinkte kurz mit
seinen Optiken. Dann ertönte seine Stimme: »Zwei andere Maschinen haben sich mit euren Freunden in Verbindung gesetzt. Ich muß euch warnen!« »Wovor?« »Akitar wird versuchen, euren Vorstoß zu unterbinden. Er ist der Vertraute von Yʹ Man und wird sicher etwas dagegen haben, wenn ihr versucht, die letzten Geheimnisse zu entschlüsseln.« »Ich denke«, bemerkte Atlan kühl, »daß wir auch ohne seine Zustimmung recht gut wissen, was wir zu tun haben. Was sagen deine Artgenossen?« »Eure Artgenossen sind auf dem Weg hierher!« entgegnete der Roboter. Atlan und Joscan unterhielten sich leise. Sie wußten, daß sie sich auf ein gewagtes Abenteuer einließen. Die Tatsache, daß sie im Innern eines Ruinenturms hochklettern würden, interessierte sie nicht sonderlich; dies war ein leicht zu bewältigendes Abenteuer. Vielmehr interessierten sie die möglichen Folgen ihrer Aktion. Sie brauchten sich mit keinem Wort mehr über die SOL und deren Schicksal zu verständigen. Sie wußten definitiv, daß sie in einer unbekannten Gegend des Universums für alle Zeiten gestrandet sein würden, wenn es den Robots gelang, das Schiff zu demontieren. Der Quader würde vielleicht inzwischen nicht mehr als Raumschiff, sondern in einer ganz anderen Form existieren; ebenfalls ein Wrack wie die Schiffe der unzähligen Opfer im Lauf so vieler Jahre. Joscan schob einige kräftige Äste zur Seite und sah nach dem Stand der Sonne. Sie war hinter den Wolken als hellere Zone zu erkennen. »Noch rund acht Stunden«, sagte er knapp. Atlan ignorierte seinen Appetit auf ein spätes Mittagessen und murmelte: »Vorübergehend scheint auch die Abneigung Gavro Yaals gegen dich abgeklungen zu sein?« Der Kybernetiker stieß ein sarkastisches Lachen aus und gab
zurück: »Laß uns erst einmal wieder an Bord der SOL und in normalen Verhältnissen sein! Darin brechen alle alten Wunden wieder auf.« »Verrückt!« brummte der Arkonide. Er schnippte mit den Fingern und rief: »Wo sind deine Freunde, Carmyhsel? Und mit ihnen unsere Freunde?« »Es dauert nicht länger als zwölf Minuten«, sagte die Maschine und federte auf ihren grazilen Beinen, »dann sind sie hier.« Atlan sprang auf und wandte sich nach rechts und links. »Du sagst ihnen, was wir vorhaben. Ich suche inzwischen einen Eingang in diesen Turm der Wunder. Einverstanden?« Jos nickte nur. Atlan blickte den regungslosen Roboter an, grinste Hellmut kurz und herausfordernd an und sprang nach rechts. Die Kantenlänge des Turmes betrug ungefähr fünfzig Meter. Der Arkonide kletterte über riesige Geröllbrocken, zwischen denen sich feiner Schutt angesammelt hätte. Auf dem Schutt hatten Pflanzen Fuß gefaßt und die Steine und den Mörtel zersetzt. Es wucherten Gräser, dicke Moospolster und kleine Bäume unter den dachartigen Kronen der Nadelgewächse. Kolonien von vielfarbigen Pilzen wuchsen an besonders feuchten Stellen. Neben Atlan ragten die Quader und die glatten Flächen der riesigen Konstruktion in die Höhe. In einigen Spalten hatten Gräser ihre Wurzeln hineingebohrt. In dem diffusen Licht, das eine zusätzliche Quelle der Nervosität war, erhielten alle Gewächse eine gleichmäßig langweilige Färbung. Die erste Seite des Turmes war glatt und ohne die geringste Spur eines Eingangs. Atlan bog schlitternd um die Ecke und sah sich wieder einer Gruppe von Jägern und Sammlern gegenüber. Sie bewegten sich müde durch eine schmale Gasse und trugen die Jagdbeute mit sich. Er verzichtete bewußt darauf, sich ihnen bemerkbar zu machen und tastete sich an der nächsten Wand des viereckigen Gebäudes entlang. Immer wieder blickte er in die Höhe.
Aber auch hier sah er nur glatte und meist fugenlose Mauern, die sich mindestens dreißig Meter hoch erstreckten. Erst in dieser Höhe gab es Reste von Terrassen, Balkonen und vorspringenden Simsen. Seine Unruhe wuchs, aber er sagte sich, daß es einen Eingang geben mußte. Und wenn einer existierte, dann würde er ihn finden. Auf der nächsten Seite mündete die Abzweigung der platzüberspannenden Brücke in eine kantige Öffnung. Sie befand sich etwa fünfzehn Meter über dem obersten Rand der Schuttmassen. Atlan kletterte entlang der dritten Wand und erkannte, an welcher Stelle sie in das Bauwerk eindringen konnten. Die ersten Meter boten keinerlei Schwierigkeiten. Er duckte sich unter den fast waagrechten Ästen des verkrüppelten Nadelgewächses, schwang sich um die letzte Kante und sah am anderen Ende der Schuttfläche Bjo Breiskoll hinter einem großen Mißgebauten auftauchen. »Hierher, Bjo!« rief er und lief auf dem schmalen, tief eingetretenen Pfad auf Hellmut und den Spinnenrobot zu. »Wo steckt Gavro?« Der Spinnenrobot hatte inzwischen, wohl als Zeichen seiner Zuneigung, seine Greifer auf die Schulter Hellmuts gelegt und antwortete bereitwillig: »Er ist auf dem Weg hierher. Aber wir wissen nicht, wo sich Akitar, der Chailide, aufhält.« »Es wird sich finden lassen«, tröstete ihn Atlan. Breiskoll ließ sich schwer atmend in den weichen Untergrund aus federnden Nadeln fallen und sagte resignierend: »Selbst die SOL in ihrem jetzigen Zustand wäre besser als dieser Planet.« Hellmut wurde noch am besten damit fertig, sich unter freiem Himmel bewegen zu müssen und alle anderen Einschränkungen zu ertragen, die das Leben außerhalb der schützenden Schiffszelle mit sich brachte. Breiskoll litt schwer darunter. Und gerade die Passivität, zu der sie die Ruinenstadt verurteilte, förderte das
Unbehagen. Jetzt aber würde die Spannung während ihres Versuchs auch den rotbraungefleckten Katzer mitreißen. »Vergiß es«, sagte Atlan. »Wir versuchen, unsere Lage zu verändern. Sage es ihm, Hellmut.« Der Mißgebaute, der Bjo begleitete, hatte starke Ähnlichkeit mit einer bronzefarbenen Gottesanbeterin. Seine eckigen Gliedmaßen befanden sich in unaufhörlicher Bewegung. Er blieb neben der kleinen Gruppe stehen. Hellmut, der Bjo gerade ihr Vorhaben erläuterte, deutete nach oben. »Bisher weiß der Herr in den Kuppeln, daß es unter den Flüchtlingen zwei Parteien oder Gruppen gibt.« Der Mißgebaute drehte seine Augen, unter denen zylindrische Richtmikrophone hervorragten, in Atlans Richtung und sagte: »Ihr seid die dritte Gruppe. Wir beide und mein Freund, der mit dem Fremden namens Yaal unterwegs ist, werden euch unterstützen.« »Einverstanden.« Sie hatten längst erkannt, daß in der Ruinenstadt keine einzige Gruppierung existierte, deren Ziele sich exakt bestimmen ließen. Die seltsamste Rolle von allen spielte wohl der Chailide. Atlan war fast sicher, daß auch er die Fremden jetzt, in diesem Moment, sehr genau beobachtete oder beobachten ließ. Kümmere dich nicht darum. Führt euer Vorhaben durch! mahnte der Logiksektor. »Dort kommt unser Kosmobiologe«, sagte Hellmut zufrieden. »Los! Brechen wir auf. Wo ist der Eingang?« Atlan zeigte nach links. Neben Gavro Yaal schwebte ein Robot, der wie ein buntschillerndes Stück Schrott aussah; es waren nur Fetzen, verkrümmte und verbogene Teile, scheinbar lockere Drähte und wirr auseinandergedrehte Teile zu erkennen. Einige ungewöhnlich gestaltete Elemente bewegten sich, als die beiden näherkamen. Auch Yaal wirkte reichlich mitgenommen. Atlan winkte und führte den kleinen Zug an. Sie betraten wieder
einen Pfad, der tiefe Spuren der Benützung aufwies und den kleinen Platz praktisch umrundete. Über ein großes Stück ehemaliger Fassade, die weit oben in einem anderen Gebäude fehlte und zerbrochen schräg am Rand der Brücke lehnte, kletterten sie auf den Steg. Minuten später standen sie am Eingang des kantigen Hochhauses. Atlan riskierte es, sich direkt an den bizarren Schrott‐Mißgebauten zu wenden. Er fragte: »Wir brauchen Scheinwerfer. Wo ist der nächste Vorratsbehälter?« »Ich bringe die Scheinwerfer. Aber diese beiden Maschinen verfügen über eingebaute Lichtquellen.« Er schwebte lautlos davon. Die beiden robotischen Begleiter blinkten mit den Scheinwerfern, die bisher unsichtbar in ihre Körper integriert waren. Hellmut nickte und schob sich an Atlan vorbei in das halbdunkle Innere des Bauwerks. Ein Mißgebauter folgte ihm und schaltete seinen Scheinwerfer ein. Ein greller Lichtkegel schnitt durch eine Staubbahn und heftete sich auf geröllübersäte Stufen; ein weiteres Zeichen dafür, daß in dieser Stadt einmal Wesen gewohnt hatten, die sich wie Terraner fortbewegt hatten. »Weiter!« sagte Atlan, winkte dem Mißgebauten und deutete auf die breite Treppe. Der Roboter bewegte sich neben dem Arkoniden über die Stufen aufwärts. Atlan stellte, während er den Geröllbrocken auswich und in gleichbleibendem Tempo hochkletterte, eine überschlägige Rechnung an. Bei einer Gebäudehöhe von hundert Metern würden sie tausend Stufen oder mehr klettern müssen. Sie stiegen schweigend etwa dreihundert Stufen in dem dunklen, feuchten Schacht aufwärts. Insgesamt fünf Durchbrüche führten in leere große Räume, die – abgesehen von Schmutz, angewehten Pflanzenabfällen und bleichen Pilzkolonien – verlassen waren. Nicht einmal Spuren irgendwelcher Einrichtungen, Installationen oder Einbauten waren zu entdecken. »Seltsam«, sagte Gavro und setzte sich auf eine leidlich saubere
Stufe. Das Treppensteigen erschöpfte schneller als der Marsch durch die Steppe. »Mehr als seltsam. Wie lange steht diese Stadt schon leer? Weiß es vielleicht einer unserer metallenen Freunde?« »Niemand weiß es. Aber die Stadt ist dem Herrn in den Kuppeln bekannt. In seinen Speichern gibt es vielleicht irgendwelche Erinnerungen.« »Ob es uns Akitar sagen kann?« murmelte Bjo. »Mit Sicherheit nicht, denn auch er ist ein gestrandeter Raumfahrer«, erklärte der bizarre Robot. »Wir sollten zurück sein, bevor es Nacht ist«, gab Atlan zu bedenken und schaltete den Schweinwerfer wieder ab. Er hatte einen der ausgestorbenen Säle untersucht. Sie kletterten weiter, und die Lichtbalken der Scheinwerfer beleuchteten das Geröll, die Sprünge in den Wänden, die zersplitterten Stufen und seltsame Linien, die sich entlang der Decke und der Wände hinzogen. Wieder folgten etwa zweihundert Stufen, die, jeweils in Gruppen von etwa einem Dutzend, unterbrochen von großen Absätzen, in rechten Winkeln aufwärts führten. Einst hatte sich ein Lift oder ein Antigravschacht in dem Gebäude befunden. Jetzt gab es nur noch zwei senkrechte Rohre, die bis zur Unkenntlichkeit von Staub bedeckt und voller Sprünge und Löcher waren. Nach einer endlos lang erscheinenden Zeitspanne endeten die Stufen in einem riesigen Saal. Mächtige Säulen aus rostigem Metall stützten die Decke ab. Die Eindringlinge befanden sich zwischen dem ersten und zweiten Drittel des Gebäudes. Atlan schaltete den Schweinwerfer ab und ging quer durch den Raum bis an eines der Fenster. Die recht gut erhaltenen Öffnungen umliefen alle vier Seiten. Mitten auf seinem Weg hielt Atlan an, stutzte und kauerte sich nieder. »Was ist los?« fragte Bjo und glitt mit katzenhaften Bewegungen näher. »Es kann sein, daß auch andere Raumfahrer hier gesucht haben.« »Spuren?«
»Ja. Abdrücke und ein Stück Gewebe, das nicht so verschmutzt wie die übrige Umgebung ist.« »Sehr interessant!« Sofort bildeten die sieben Eindringlinge einen Kreis und richteten sämtliches Licht auf die von Atlan bezeichnete Stelle. Außerhalb des Gebäudes war es genügend hell; der frühe Abend herrschte über diesem Teil der südlichen Hemisphäre. Aber hier waren sämtliche Flächen dunkel vor Staub und Verwitterung. Im rechten Winkel zu Atlans Fußabdrücken führte vom nächstgelegenen Fenster eine Schleifspur weiter in den Raum hinein. Ein Stück Stoff lag im Staub. Es war an drei Seiten ausgerissen, an der vierten befand sich eine breite Naht. Die Eindringlinge folgten der Spur. Sie war natürlich einige Zeit alt, aber weit weniger alt als der Staub darunter und daneben. Sie bewegte sich in einigen Schleifen durch den Raum und endete auf der entgegengesetzten Seite wieder unmittelbar vor einer Öffnung. Atlan richtete sich auf und erklärte mit einem kurzen Grinsen: »Ein flugfähiger Raumfahrer!« »Vielleicht ist sein Nest weiter oben«, warf Bjo ein und lief zurück zur Treppe. Atlan sah sich genauer um und erkannte, daß von diesem durchgehenden Stockwerk jeweils mehrere Rampen nach oben führten. Die Gruppe trennte sich und setzte ihre Suche fort. Auch im darüberliegenden Raum fanden sie nichts, das sie interessiert hätte. Ab und zu hörten sie das Schreien der Vögel. Zweimal zog ein kleiner Schwarm an den Fensteröffnungen vorbei. Aber die Tiere schienen längst weniger geworden zu sein, und für die Eindringlinge stellten sie wohl keine Gefahr mehr dar. »Suchen wir also das Nest des flugfähigen Flüchtlings«, schlug Joscan vor. Sie wateten durch den feuchten Staub und die bleichen Gewächse, die an einigen Stellen Fuß gefaßt hatten. Die Rampe, diesmal stufenlos, brachte sie ins nächste Geschoß. Aus den
Fensteröffnungen hatten Atlan und Breiskoll einen hervorragenden Blick auf den größten Teil der Stadt, auf die riesigen Wälder im Norden und die graubraune Steppe, die zwischen der Stadt und dem Tafelberg lag. »Hier gibt es keine neuen Spuren«, meinte Bjo, nachdem er den Raum einer genauen Überprüfung unterzogen hatte. Die Kantenlänge des Saales betrug etwa zwanzig Meter. Die Eindringlinge wußten, daß sie sich inzwischen innerhalb des ersten Absatzes befanden; ab dieser Ebene verjüngte sich das Gebäude um einige Meter. Wie eine kantige Säule ragte das letzte Stück in den wolkenverhangenen Himmel. Etwa sechzig Meter Höhe hatten sie geschafft, ohne auf das rätselhafte Versteck gestoßen zu sein. Müde kletterten die Eindringlinge weiter. Die Mißgebauten begleiteten sie, ohne irgendwie einzugreifen. Sie beantworteten jede Frage, so gut sie es konnten. Aber sie ließen nicht erkennen, ob sie definitiv von dem versteckten Kommunikationsraum wußten. Die Solaner befanden sich mittlerweile bereits im obersten Fünftel des Gebäudes und versuchten, ihre Müdigkeit zu ignorieren. Gerade, als Atlan ernsthaft erwog, den Versuch abzubrechen und sich selbst einzugestehen, daß sie einer verrückten Idee nachgelaufen waren, trafen sich beide Gruppen vor dem oberen Teil einer flach verlaufenden Rampe. Gavro zeigte auf den Boden der Rampe, der von zwei Scheinwerfern erhellt wurde. »Das könnte das Zeichen sein, Atlan!« sagte er aufgeregt. Schlagartig verschwanden Müdigkeit und Unsicherheit. Mitten über das schmale Band ohne Geländer verlief die Grenze. Bis dicht vor Yaals Stiefelspitzen war die Rampe mit den üblichen Abfällen, Staub und Geröll bedeckt. Ab dieser Linie weiter aufwärts war sie vor kurzer Zeit gereinigt worden. Nur eine dünne Schicht Flugsand ohne jede Spur darin bedeckte den dunklen, geriffelten Belag. »Du hast vermutlich recht«, sagte Atlan, zog seine Waffe und
entsicherte sie, nachdem er den Scheinwerfer in die linke Hand genommen hatte. Er ging langsam den schrägen Steg aufwärts und blieb stehen, als sich sein Oberkörper bereits im nächsthöheren Raum befand. Langsam drehte sich der Arkonide einmal herum und stieß dann hervor: »Niemand hier. Kommt! Ich glaube, wir sind an unserem Ziel.« Bjos zuckende Lider ließen die Spannung erkennen, unter der auch er stand. Mit einigen Sätzen war er neben Atlan und sah sich in dem Raum um. Wenn sie erwartet hatten, eine Konzentration von nachrichtentechnischen Geräten zu finden, waren sie enttäuscht worden. Nachdem sie flüchtig den Raum ausgeleuchtet hatten, sagte Bjo: »Der Boden und die wenigen Geräte sind sauber.« Die Mißgebauten folgten Yaal und Hellmut, die sofort in zwei Richtungen auseinandergingen und alles, was sie fanden, genau musterten. »Aber auch hier: eine hauchdünne Sandschicht und keine Spuren außer unseren eigenen«, rief Yaal aus einer Ecke. Eine Säule, nicht weniger breit als fünf Meter und ebenso tief, befand sich fast im Zentrum des Raumes. Langsam umrundete Atlan die Metallfläche und sah an jeder der vier Seiten eine dicke, erhabene Linie. Als er genauer hinsah und den Scheinwerfer ausrichtete, mußte er erkennen, daß es sich um einen quadratischen Rahmen mit abgerundeten Kanten handelte; um vier Rahmen. Bildschirme? fragte sich der Logiksektor. Diese Möglichkeit war nicht von der Hand zu weisen. Unregelmäßig verteilt standen auf dem Boden geometrisch stark vereinfachte große Gegenstände. Hier eine eineinhalb Meter große Kugel, dort eine zylindrische Säule, an anderen Stellen kleinere und größere Würfel, wieder eine Säule, eine Halbkugel mit der Wölbung nach oben, eine zweite mit der Schnittfläche schräg zu einem Fenster. Dazwischen war nichts. Etwa drei Dutzend dieser Gegenstände befanden sich hier. Die Anordnung wirkte wie eine
sparsame Dekoration auf einer großen Bühne. Langsam ging Atlan von einem dieser Dekorationsartikel zum anderen. Er versuchte, ihren Sinn zu erkennen. Schließlich wandte er sich an den Spinnenrobot und fragte einigermaßen ratlos: »Wir haben also das Versteck gefunden. Hier befindet sich das Kommunikationszentrum. Es wurde und wird benutzt. Richtig?« Der Roboter erwiderte, ohne zögern: »Alle meine gespeicherten Informationen ergeben eine höchste Wahrscheinlichkeit dafür.« Atlan deutete auf die verstreuten Elemente und fragte weiter. »Dies sind zweifellos Kommunikationselemente. Lautsprecher, Mikrophone, Bildschirme und ähnliches. Richtig?« »Richtig.« »Sie stammen aus der unbekannten Vorzeit der Stadt und sind bisher gewartet worden. Sie funktionieren also.« Er sprach absichtlich sehr laut und hoffte, dadurch irgendeine Reaktion der Anlage herauszufordern. »Zutreffend«, sagte der Robot. »Da wir keinerlei Bedienungselemente erkennen können«, rief Atlan, und seine Freunde kamen aus allen Teilen des Saales auf ihn zu und blieben zwischen der zentralen Säule, mehreren kleinen Zylindern und vor der Halbkugel stehen. Atlan zog seinen Strahler und zielte damit auf die Fläche, die seiner Meinung nach ein Bildschirm sein mußte. Unablässig fragte er weiter. »Da wir nicht wissen«, setzte er seinen Satz fort, »wie wir die Anlage in Gang bringen sollen, nehme ich an, daß Yʹ Man oder der Herr in den Kuppeln sie aktiviert. Habe ich recht?« »So ist es!« entgegnete ohne besondere Betonung das grazile, insektenhafte Metallgeschöpf. Atlans Stimme drückte seine Entschlossenheit aus, als er weitersprach. »Dann werde ich systematisch jedes Stück dieser Einrichtung zerstören, bis sich der Teilnehmer am anderen Ende dieser
Verbindung meldet. Mir ist gleichgültig, wer es ist. Es wird entweder das Ende der sinnlosen Geheimhaltung sein oder das Ende dieser Aggregate hier.« Er senkte den Lauf der Waffe, zielte auf die Ecke der zentralen Säule und feuerte. Eine Glutbahn röhrte auf und fraß sich funkensprühend in den Boden und in die metallene Kante des Bildschirmträgers. Plötzlich flammte rechts von der Gruppe, die gebannt auf die Einschlagstelle starrte, ein Bündel greller Scheinwerfer auf. Eine bekannte Stimme schrie: »Halt! Aufhören!« Atlan und die Solaner wirbelten herum. Die drei Maschinen, von denen sie begleitet wurden, rührten sich nicht. Über die Rampe kamen ein Dutzend identischer Mißgebauter. In ihrer Mitte hastete Akitar mit weiten Sätzen in den Raum und warf sich zwischen Atlan und die rotglühende Ecke der Metallkonstruktion. Die Roboter bildeten einen dichten Kreis um die Eindringlinge und schalteten ihre Schirmfelder aus. »Atlan! Mich schickt YʹMan«, rief Akitar. »Sage deinem Herrn, daß ich dieses Gerät als nächstes zu zerstören anfange!« schrie der Arkonide und versuchte, grimmig und wütend auszusehen. Akitar hob seine langen Arme und schrie beschwörend: »Hör auf. Was habt ihr vor? Warum seid ihr hier?« Jetzt nahm der Zorn auch in Atlan zu. Er spürte, daß eine Entscheidung dicht bevorstand, oder wenigstens die Möglichkeit, eine Entscheidung herbeizuführen. Er erklärte hart: »Wir sind hier, weil wir die einzigen sind, die mehr wissen als alle anderen. Mit viel Aufwand dirigiert und bespitzelt Yʹ Man seine Getreuen – aber nichts geschieht. Wir werden das zu ändern versuchen.« Denke an die Möglichkeit – nein, an die Wahrscheinlichkeit – daß YʹMan zuhört, riet der Logiksektor.
»Aber nicht dadurch, daß ihr die unersetzlichen Geräte zerstört!« wandte Akitar ein. Sie hatten ihn noch nie so aufgeregt und fassungslos gesehen. Die Maschinen bewegten sich auf den Kreismittelpunkt zu und verkleinerten ihre Schirmfeldflächen. Es war eine drohende Bewegung. Diesmal schaltete sich der Kybernetiker in die Diskussion ein. Er hob die Hand und fragte: »Sind dies eine Gefangennahme und ein Verhör? Dann müssen wir sicher sein, daß YʹMan uns zuhört. Meine Worte … unsere Worte … richten sich also mehr an ihn als an dich, Akitar. Wir haben viel gesehen, mit unzähligen Raumfahrern gesprochen und sind zu der Meinung gelangt, daß der Anführer der Mißgebauten selbst nicht weiß, was zu tun ist. Deshalb diese sinnlose Geheimhaltung, deswegen die bewußte Verwirrung und Desorientierung. Yʹ Man hat keinen Plan, was er wirklich gegen den Herrn der Kuppel zu unternehmen hat. Wir beschuldigen ihn, die Hoffnung der gestrandeten Raumfahrer schamlos und brutal auszunutzen. Wahrscheinlich ist Yʹ Man nichts anderes als ein Teil dieses Herrn in den Kuppeln. Ein Betrüger also.« Bjo Breiskoll setzte die anklagende Rede fort und glich seine Stimme der Lautstärke an, mit der Atlan und Jos gesprochen hatten. »Yʹ Man, wer immer er ist, experimentiert mit den Wesen in der Ruinenstadt. Das ist nicht nur eine sinnlose Spielerei, sondern eine Vergeudung wertvoller Kräfte. Darüber hinaus läßt er uns alle zappeln, denn er muß wissen, daß es das Ziel eines jeden Gestrandeten ist, von diesem Planeten fortzukommen, von dem aus man nicht einmal die Sterne sehen kann.« Atlan zeigte mit der linken Hand auf die Säule und rief unterdrückt: »Dort! Eine Reaktion!« Sie sahen von hier aus zwei Bildschirme, jeweils im schrägen Winkel. Die Bildschirme wurden heller und leuchteten gelb und
hellblau auf, ohne aber eine Darstellung oder ein Bild zu zeigen. Sie waren lediglich aktiviert worden. Vermutlich gehörten auch Linsen zu dieser Form der Übertragung. Sie würden an Yʹ Man ein merkwürdiges Bild vermitteln. Etwa fünfzehn Mißgebaute hatten einen oder mehrere Scheinwerfer in ihren Körpern eingeschaltet und konzentrierten die Strahlenbündel auf die Gruppe von vier Menschen und drei verschiedenen Maschinen. Hinter den Scheinwerfern flimmerten die Abwehrfelder der Robots. Neben einer schlanken, rund drei Meter hohen Säule, die im reflektierten Licht zu glühen schien. Atlan und seine Freunde drängten sich unwillkürlich zusammen. Jeder von ihnen hatte die Hand auf dem Kolben der Waffe, und der weißhaarige Arkonide zielte noch immer auf die Halbkugel. Aus Gavro Yaal brach es heraus: »Eine Gruppe der sinnlos beschäftigten Raumfahrer sucht nach vorwiegend friedlichen Mitteln. Die andere Gruppe beschäftigt sich mit der Planung eines Kampfes. Wir werden gezwungen, drastische Mittel anzuwenden, um überhaupt einige Informationen zu erhalten. Es gibt für uns nur zwei denkbare Wahrscheinlichkeiten! Die eine ist: Yʹ Man verfügt über eine zu geringe Menge intellektueller Kapazität. Die andere: er ist ebenso krank wie der Herr in den Kuppeln.« Grollend fügte Atlan sein Schlußwort hinzu: »Und wir, als zuletzt angekommene Raumfahrer, werden eine präzise Auskunft erzwingen!« Noch immer zielte seine Waffe auf die Halbkugel. Aber während die Bildschirme zu flackern anfingen, während aus allen Richtungen des Saales ein dünnes Knistern und Zischen an die Ohren der vier Männer drang, erhellte sich auch die Wand der Halbkugel. Sie wurde zunächst gelb, dann strahlend weiß, und schließlich wurde sie völlig transparent. Im Innern zeigten sich ineinander verschachtelte Bauteile. Schließlich ertönte eine dunkle, stark vibrierende Stimme.
Yʹ Man sprach! 4. »Hebt die Sperre auf. Verlaßt alle das Kommunikationszentrum. Dies gilt auch für die Begleiter der Männer von der SOL. Nur Akitar soll bleiben.« Atlan senkte die Waffe. Das Extrahirn wisperte: Du hast riskiert und gewonnen! Atlan dachte voller Skepsis zurück: Was habe ich wirklich gewonnen? Die sogenannte Freiheit für die bedrohte SOL etwa? Fast synchron schalteten sämtliche Mißgebauten ihre Abwehrfelder aus, dann schwenkten die Maschinen herum und bewegten sich auf den Ausgang zu. Die drei bisherigen Begleiter der Solaner folgten ihnen. Einige Sekunden lang geisterten noch die Lichtstrahlen ihrer Scheinwerfer durch den großen Raum, dann waren die metallenen Geschöpfe verschwunden. Langsam kam der Chailide heran und blieb mit schwer zu deutendem Gesichtsausdruck vor Atlan stehen. Es dauerte noch einige Zeit, bis Yʹ Man weitersprach. »Ich bin tatsächlich Yʹ Man«, sagte die Stimme, nun etwas leiser geworden. Atlan schob seine Waffe wieder zurück und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. »Ich bin kein Teil des Robotgehirns, das allgemein der ›Herr in den Kuppeln‹ genannt wird. Die Anschuldigung, eine zu geringe Menge intellektueller Kapazität zu besitzen, werde ich im folgenden Gespräch gegenstandslos werden lassen.« Joscan Hellmut schluckte sichtlich eine dementsprechende sarkastische Äußerung herunter und schwieg während der nächsten Antworten und Fragen. Er hörte konzentriert zu; vielleicht entdeckte er zusätzliche Informationen. »Es trifft demnach zu«, wagte sich Atlan vor, »daß du ratlos bist,
Yʹ Man?« »Ich habe mich, da eure Vorwürfe ein nicht mehr tolerierbares Gewicht erreichten, entschlossen, auf eure Fragen zu antworten. Ich bin tatsächlich ratlos. Aber selbstverständlich muß ich alles vermeiden, was auf eine gewaltsame, kriegerische Auseinandersetzung mit dem Robotgehirn hinausläuft. Chaos und Zusammenbruch einer Zivilisation und Kultur wären die unmittelbare Folge. Ich habe nicht vor, die Zerstörung dieser Zivilisation einzuleiten oder zu gestatten.« »Begreiflich«, sagte der Arkonide. »Aber es muß etwas geschehen! So schnell wie möglich!« »Ganz recht. Ich unterstütze die sogenannten Rebellen unter den Flüchtlingen sogar bewußt. Es ist nicht meine Absicht, sie in einen Kampf zu schicken. Deswegen der Mangel an Informationen. Ich muß verhindern, daß sich eine Gruppe zu weit vorwagt, ohne den sicheren Erfolg in der Tasche zu haben. Dies würde bedeuten, daß das Robotgehirn wertvolle potentielle Kämpfer in einer sinnlosen, blutigen Schlacht vernichtet.« »Also willst du die Verhältnisse auf Mausefalle Sieben verändern?« fragte Atlan. »Nichts anderes! Ich habe eine genügend große Menge an Informationen gesammelt, um folgendes sagen zu können: Im Grund ist der Herr in den Kuppeln ein friedliches, keineswegs entartetes Robotgehirn. Darüber hinaus ist es einsam; ich verwende einen Begriff der Terminologie organischer Wesen, die der Gemeinschaft bedürfen. Dies gilt mit veränderten Vorzeichen auch für diesen kybernetischen Mechanismus. Es ist dem Gehirn nicht bewußt, daß es gegenüber den Raumfahrern grausam handelt. Es realisiert nicht, daß die Gestrandeten zu Gefangenen geworden sind. Es versucht mit aller Kraft, einen Sinn für die Existenz zu finden. Dieser Selbstfindungsversuch läuft seit der Zeit, als keine Kapazität mehr für den Aufbau dieser Zivilisation benötigt wurde. In gewisser
Weise sucht und bettelt das Gehirn voller Verzweiflung mit jeder seiner Handlung, auch wenn sie noch so abstrus erscheinen mag, nachdrücklich um Hilfe.« Joscan schaltete sich wieder ein und erklärte: »Unsere Hilfe könnte darin bestehen, daß wir dem Hirn die negativen Formen seines Handelns und darüber hinaus einen moralischen Kodex vorführen.« »Der Großrobot wendet falsche Methoden an, wie wir wissen. Er ist Argumenten nicht zugänglich. Bisher ist jeder Versuch fehlgeschlagen. Weil wir unentwegt nach weiteren Schlüsselfragen oder nach einer sinnvollen und Erfolg versprechenden Methode suchen müssen, ermögliche ich intensiv die Flucht derjenigen Raumfahrer, die bei der ersten Prüfung gut abschnitten. Wer diese Prüfung bestand, dem gelang auch die von mir wohlwollend beeinflußte Flucht aus der Stadt. Ich hoffte seit langer Zeit, durch diese Fluchtbewegung das Gehirn nachdenklich zu machen. Eine inzwischen zahlenmäßig große Menge Raumfahrer ist diesen Weg gegangen. Aber die Informationen über die teilweise dramatischen Umstände während der Flucht vermochten den Herrn in den Kuppeln nicht zu einer Änderung seines Verhaltens zu bringen. Deswegen bin ich ratlos.« Der Arkonide stieß ein kurzes, sarkastisches Lachen aus. Eine solche Erklärung hatten sie undeutlich vermutet, aber dennoch verblüffte und erschreckte sie die Bestätigung dieser Wahrheit. »Die Wirkung der von dir gesteuerten Fluchtversuche war also gleich Null!« wiederholte Bjo. »Welche Möglichkeiten, den verwirrten, nach Lebenssinn suchenden Robot zu beeinflussen, haben wir noch?« »Ich wiederhole: ich bin ratlos. Das Gehirn vermag die Gefahr nicht zu erkennen, die in der Zusammenballung von Hunderten und Tausenden verzweifelter Raumfahrern besteht und entstanden ist, und die sich ständig vergrößert. Ich hoffe, daß experimentierende Gruppen wie jene Gestrandeten
in der Stadt der Vergessenen eines nicht zu fernen Tages eine Möglichkeit herausfinden, ohne einen ernsthaften Kampf eine Beeinflussung vorzunehmen. Deshalb wird sich an den Verhältnissen in der Ruinenstadt nicht viel ändern. In dem Augenblick, da eine Erfindung von nachweislich durchschlagender Wirkung gemacht wird, ist das Problem so gut wie gelöst.« Die Bildschirme stellten ihr Flackern ein und verblaßten langsam. Atlan stellte eine letzte Frage. »Das ist also das Ende deiner Offenbarungen, Yʹ Man?« »Es gibt nichts mehr zu sagen. Alles andere wäre sinnlose Konversation.« »Dein Name … hat er wirklich etwas mit Freiheit und Würde zu tun? Hat der Sprachwissenschaftler damit richtig getippt?« »Beides ist richtig. Mein Eigenname bedeutet in der Robotsprache sinngemäß Würde und Freiheit. Sicher besteht ein gewisser Zusammenhang.« »Was sollen wir tun?« fragte Hellmut aufgeregt. »Mit mehr Einsatz weiterforschen wie bisher. Die Zeit drängt.« Die Halbkugel verlor ihre Durchsichtigkeit. Das Arbeitsgeräusch der Lautsprecher hörte auf. Akitar legte Atlan kameradschaftlich die Hand auf die Schulter und sagte: »Gehen wir. Es ist nicht mehr lange bis zur Dunkelheit. Ihr werdet müde und hungrig sein.« Atlan nickte. Eine Überlegung ging ihm nicht aus dem Sinn. Er glaubte, ohne sagen zu können, wie er zu dieser Ansicht kam, daß Yʹ Man eindeutig im Einverständnis mit dem Herrn in den Kuppeln handelte. Von dieser Überlegung war es nicht mehr weit bis zum Verdacht, daß Yʹ Man (auch dies hatten sie schon vermutet!) entweder ein Teil des großen Robotgehirns oder gar das Robotzentrum selbst war. Dann sprach Atlan, mehr für den Kybernetikspezialisten, seinen letzten Gedanken in dieser Richtung aus.
»Möglicherweise ist das Robotgehirn auf merkwürdige technische Weise schizophren, also spaltungsirre. Als ›Herr in den Kuppeln‹ handelt es so, und als Yʹ Man handelt es anders. Eine Erklärung, die vielleicht eine erfolgversprechende Lösung hervorbringen kann?« Gavro Yaal knurrte: »Ich bin Kosmobiologe, aber nicht Robotpsychiater! Leider kann ich keine Vorschläge machen, wie robotische Geisteskrankheiten zu heilen sind.« Hellmut stöhnte auf. »Ich auch nicht!« Sie brauchten fast eine Stunde, bis sie wieder auf der geröllübersäten Brücke außerhalb des Gebäudes standen. Es herrschte ein melancholisch stimmendes Zwielicht, das einige der Wolkengebilde plastisch hervortreten ließ, als würden sich jeden Moment gigantische Spalten öffnen und endlich die Sterne zeigen. Akitar brachte die vier enttäuschten Raumfahrer auf verschlungenen Pfaden in die Nähe jenes Gebäudes, in dessen Subbasis die Nahrungsmittelzentrale der Vergessenen Stadt war. »Dort unten ist es hell, dort werdet ihr alles finden, was ihr für euer leibliches Wohl braucht«, sagte er und zog Gavro und Bjo mit sich. »Wir haben uns ein gutes Essen wirklich verdient.« Atlan, der wieder einmal an die SOL dachte und an die verlorene Zeit, verspürte keinen Appetit. Aber als er den ledernen Vorhang zurückgeschlagen und einen langen Blick in den Saal geworfen hatte, kam der Appetit zurück. * Ein großes Gewölbe voller Tische und Sitzgelegenheiten war zu sehen. Mehrere Dutzend kleiner Lampen, die an farbigen Kabeln in unterschiedlicher Höhe von der Decke hingen, strahlten Licht in mehreren Farben aus. Mehr als hundert Wesen befanden sich hier
im Zentrum. Alle schienen gleichzeitig zu reden. Wenn auch keiner schrie, so beherrschte doch das Pfeifen und Zirpen, ein Zwitschern, Summen, Fauchen und Dröhnen den Raum. Ähnliches hatten die vier Freunde zuletzt, wenn auch nicht in solch gedrängter Form, in der Robotstadt gesehen, entlang der scheinbar lebenden Straße. Bjo stieß Atlan an und murmelte: »Dort gibt es einen freien Tisch.« »Die Ecke sieht aus, als würden wir einigermaßen bequem sitzen«, gab Yaal zurück und bahnte sich vorsichtig einen Weg vom Eingang bis zu dem freien Tisch. Im Hintergrund des Raumes, entlang einer sauberen Wand, waren die Teile eines Büfetts aufgebaut. Atlan fand keine andere, entsprechende Bezeichnung für dieses bemerkenswerte Arrangement. Er sagte sich, daß es jetzt wieder einmal sinnlos geworden war, an die SOL zu denken und an die ständig knapper werdende Zeit. Er konnte weder seine eigene Lage noch die Zwangslage des Schiffes von hier aus ändern. Akitar hatte sich an ihnen vorbei geschoben und winkte, als er auf einem Hocker Platz genommen hatte. »Jeder holt sich, was er will«, sagte er. »Achtet darauf, nicht etwas zu nehmen, das für euch giftig ist.« »Wir werden es versuchen!« Hellmut trocken. »Hunger ist genug vorhanden.« Unweit von ihnen saß Brun, das zwei Meter große Baumwesen. Seine Gehwerkzeuge, die vier Wurzeln, und mehr als die Hälfte seiner astähnlichen Arme und Finger tauchten tief in einen Bottich ein. Der Behälter bestand aus einem uralten, rostigen Faßabschnitt und war mit einer bräunlichen Brühe halb gefüllt. Atlan vermutete sicher nicht zu Unrecht, daß der stechende Geruch von dieser Flüssigkeit ausging. Die gestrandeten Raumfahrer saßen in Gruppen beieinander. Sie unterhielten sich aber auch mit Hilfe ihrer Translatoren mit den Wesen an den Nachbartischen. Offensichtlich wurden hier viele Ergebnisse der täglichen Versuche diskutiert. Trotz aller Exotik und Aufregung herrschte hier eine
freundschaftliche, entspannte Atmosphäre. Atlan ging zwischen den Tischen bis zum Anfang der langen Platte. Überall waren die Zeichen der Improvisation zu erkennen. Aber die Versorgung schien tatsächlich hervorragend organisiert zu sein. Keine Überraschung, denn echte Raumfahrer waren es gewöhnt, stets das Beste aus den vorhandenen Möglichkeiten zu machen. Am Kopfende des überraschenden Angebots an Nahrungsmitteln und einigen riesigen Krügen voller verschiedenfarbiger Flüssigkeiten hockte Uto Vanadis schweigend da und zerriß wie ein hungriger Alligator mit spitzen Reptilzähnen einen Fleischbrocken, der ebenso wie der große Knochen nicht mehr ganz frisch aussah. Aber dem zufriedenen Schmatzen und den rollenden Augen nach zu schließen, schien es Vanadis zu schmecken. Ab und zu griff er zu einem bauchigen Krug und stürzte einen Schluck dampfendes, gelbes Zeug hinunter. »Mahlzeit!« sagte Atlan grinsend und fand einen Stapel Plastikbehälter, die nach Gebrauch weggeworfen wurden. Ebenso sah er Löffel und Gabeln, deren letzte Zacke einen geschliffenen Rand hatte. Vanadis grunzte wohllüstig und antwortete: »Wir sind klüger geworden, wie?« »Dank unserer aufopfernden Hartnäckigkeit«, sagte der Arkonide und betrachtete mißtrauisch die gebratenen Fleischbrocken, die in einer fetten Soße schwammen. Er löffelte einige davon auf seinen napfartigen Teller. Er suchte einige Früchte heraus, die er bereits kannte und fand auch ein Gericht aus Pilzen und kleinen Würstchen, das er schon gegessen hatte, ohne Probleme zu bekommen. Schließlich hatte er sieben verschiedene Bestandteile ausgesucht und goß sich einen Becher mit einer Art warmem Tee voll. Langsam schob er sich durch Lärmen, miteinander streitende Gerüche und die vielfältigen Gestalten an den Tischen zu seinen Kameraden zurück.
Vor Akitar standen mehrere Näpfe; er aß mit sichtlichem Behagen und nickte dem Arkoniden zu. »Es gibt auch einige Notquartiere hier. Dort hinten, über der Rampe. Wir müssen nicht in der Dunkelheit durch die Ruinen stolpern.« »Eine hervorragende Idee«, sagte Atlan und sah zu, wie Bjo und Hellmut mit vollen Näpfen zurückkamen. An einem langen, schmalen Tisch saßen die Aruzil‐Raumfahrer von der SHARSHILL. Die echsenhaften Wesen schienen lebende Insekten oder Ähnliches zu essen. Atlan blickte weg, weil sein Magen zu revoltieren begann. Hastig nahm er einen Schluck des seltsamen Getränks. »Zufrieden?« erkundigte sich der Chailide kauend und ließ seine Blicke durch den überfüllten Raum schweifen. »Womit?« fragte Breiskoll und setzte sich. Er stöhnte erleichtert auf; endlich gab es Ruhe und Erholung von der dauernden körperlichen Höchstanspannung. »Mit Yʹ Mans Erklärungen?« wollte Akitar wissen. Ungerührt und mit bestem Appetit aß er weiter. Auch die Solaner aßen und tranken, allerdings eine Spur weniger begeistert. Es schmeckte ihnen trotzdem. »Ja und nein«, antwortete Atlan. Wieder blickte er hinüber zu den Aruzil. Die Echsenwesen fauchten und schnatterten miteinander. Jetzt hatten sie die kleinen, zuckenden Tiere gegessen, nun kamen Schalen mit kleinen, golfballrunden Eiern in einer giftgrünen Soße auf den Tisch. Dazu tranken die Aruzil aus hohen, schlanken Holzbechern mit schnabelförmig geschnitzter Tülle ein Getränk, das gelblich schillerte und auffallend stark dampfte. Wieder einmal überwältigte ihn der falsche Eindruck; hier in der Ruinenstadt ließ es sich gut und zwanglos leben. Sie hatten inzwischen die Wirklichkeit kennengelernt: Wenn es im Belieben des Robotgehirns stand, würde die Stadt vernichtet und die entflohenen Raumfahrer wieder eingefangen werden. Ein Zufall, eine verwirrte Regung des Herrn in den
Kuppeln genügte, um die Verhältnisse umzukehren. »Ja und nein – das ist eine undeutliche Antwort«, meinte der Chailide und hob seinen Becher. »Ebenso undeutlich wie die Erkenntnisse. Wir haben viel erfahren und können trotzdem nicht sicher sein. Dein Freund Yʹ Man ist wahrscheinlich nicht das, was du selbst glaubst, Akitar!« sagte Joscan Hellmut. Er hielt Atlan seinen Becher entgegen und sagte mit müdem Grinsen: »Schmeckt wie dünnes Bier, Atlan. Es ist der gelbe Krug dort hinten.« »Eine gute Idee. Spülen wir unseren Ärger hinunter«, knurrte der Arkonide. Jyrdon, das Multilibellenwesen, saß buchstäblich über einem kleinen Tisch. So wie er teilweise geredet, zum anderen Teil gezeichnet und geschrieben und noch andere Arbeiten ausgeführt hatte, versorgte Jyrdon Anussha jetzt seinen Metabolismus. Ein Teil seines klappernden Körpergestänges benutzte lange Trinkrohre, mit deren Hilfe er aus runden Kalebassen trank, die wieder andere Greifer oder Klauen hielten. Mit einem Dutzend biegsamer, rüsselartiger Fortsätze trank oder saugte er aus großen, vielfarbigen Blüten. Sein skelettartiger Körper war in ständiger Unruhe, ebenso wie seine winzigen Libellenflügel, deren Bewegungen nicht mehr zu erkennen waren. Sie trieben die neblige Luft des Raumes hin und her. Die Solaner sahen fasziniert zu, wie dieses Wesen im Winkel des Saales aufragte und schweigend gleichzeitig so unterschiedliche Handlungen ausführte. Atlan holte einige leere Becher und den Krug an den Tisch der kleinen Gruppe. Er hatte vorübergehend seinen Translator abgeschaltet. Wieder einmal blieb er stehen und betrachtete eine Gruppe von fremden Wesen. Sie wirkten wie riesige Pflanzen. Nebeneinander saßen sie auf einer niedrigen Stufe, vor sich hatten sie Behälter aus dünnen Stäben, deren Seitenwände aus luftdurchlässigem Gewebe bestanden.
Immer wieder hob eines der grünen, bambusähnlich aussehenden Wesen den Behälter hoch. In der grünen und gelben Blattkrone des Wesens öffneten sich zwei halbkreisförmige Lippen. Sie glänzten intensiv, an ihren Rändern erhoben sich Kolben und Stengel, die mit einer klebrigen Substanz überzogen waren. Fleischfressende Pflanzen! wisperte der Logiksektor erklärend. Atlan begriff. Er sah zu, wie dicke Fliegen oder ähnliche Insekten aus den kleinen Käfigen geschüttelt wurden und sich in den klebrigen Fallen fingen. Der Vorgang wiederholte sich in großer Geschwindigkeit immer wieder, die Insekten wurden von den klebrigen Insekten ebenso schnell verdaut. Atlan kannte unzählige fremdartige, exotische und auch abstoßende Dinge, die er zwischen den Sternen erlebt hatte. Diese Art der Ernährung von intelligenten Lebewesen war ihm neu. Er hob die Schultern und ging, zutiefst nachdenklich, zurück zum Tisch. Schweigend goß er die Becher der Solaner voll. »Auf das Wohl der SOL«, sagte Breiskoll. Sie lehnten sich zurück und nahmen den Eindruck dieses Treffpunkts in sich auf. Er besaß Seltenheitswert. Hellmut und Yaal erklärten, welche Raumfahrer sie auf ihrem Erkundungsgang kennengelernt hatten. Akitar kannte alles und hörte zu, gab hin und wieder eine Erklärung und sagte schließlich: »Das Nachrichtensystem funktioniert, Freunde. Inzwischen weiß jedermann von unserer Unterhaltung mit Yʹ Man. Ihr seid die Helden.« Atlan sagte sarkastisch: »Man sieht es. Wir werden mit Ehrungen überschüttet. Geradezu lästig.« »Ihr habt eben ein kritisches Publikum!« fauchte Akitar und grinste mit seinem gelben Raubtiergebiß. Die Solaner hoben die
Becher. In der engen Gasse zwischen den Tischen und Bänken tappte Brun vorbei, leicht schwankend und möglicherweise nicht nur satt, sondern guter Laune. Er winkte leutselig mit seinen raschelnden Ästen den Aruzil und den Orchideenwesen zu und riß beim Hinausgehen beinahe den Vorhang aus Lederstücken ab. »Die Runde ist ärmer geworden, seit er gegangen ist«, bemerkte Bjo traurig nach einer Weile. »Sie wird förmlich austrocknen, wenn wir uns erst zurückziehen«, knurrte Atlan und leerte seinen Becher. Die geheimnisvolle Flüssigkeit schmeckte tatsächlich irgendwie nach Bier, und aufgrund unbekannter chemischer Reaktionen schien sie immerhin spürbare Prozente an Alkohol zu enthalten. Bjo fauchte auf und goß seinen Becher wieder voll. »Überall wäre ich lieber als hier!« bemerkte er düster. »Ich auch«, sagte Atlan. »Was hilftʹs?« Ihre Stimmung hatte vorübergehend einen Tiefpunkt erreicht. Seit ihrer Landung auf dem wolkenverhangenen Planeten versuchten sie mit allen ihren Kräften, die SOL zu retten. Immer wieder wurden sie von undurchsichtigen Machtverhältnissen zurückgeworfen. In ihren Gedanken tickte sozusagen die Zeit, und jedes Problem, das mit der Annäherung der SOL an den Demontage‐Planeten zusammenhing, kannten sie und hatten sie bis zum letzten und tiefsten Punkt diskutiert. Sie haßten diesen Zustand. Er machte ihnen jegliches Handeln, vernünftig oder nicht, absolut unmöglich. Diesem Umstand war es zuzuschreiben, daß sie mindestens einen Becher dieses nichtschäumenden Mausefalle‐Sieben‐Ruinenstadt‐Bieres zuviel tranken und versuchten, auf vordergründige Weise ihre Laune zu bessern. Der Arkonide erfaßte diese Stimmung und meinte schließlich, als sich der Saal zur Hälfte geleert hatte: »Ich meine, wir sollten uns zurückziehen und schlafen. In den vergangenen Tagen haben wir verblüffend viel erreicht. Viel, das meine ich im Vergleich. Bisher sind wir nur wie die Halbblinden
umhergestolpert. Ich für meinen Teil habe genug von diesem Pseudobier.« Er stand auf, stützte sich auf der Tischplatte ab und fragte den Chailiden: »Und wo sind deine luxuriösen Aufenthaltsräume? Wir kommen fast um vor Müdigkeit!« Überraschend friedlich, obwohl auch bei Akitar der Alkohol seine Wirkung erkennen ließ, sagte der Chailide: »Ich bringe euch hin. Noch etwas: ich bin unruhig. Es kann sein, daß überraschende Ereignisse eintreten.« »Wer wird uns vor ihnen warnen?« fragte Gavro. »Ich habe keine Ahnung von technischen Dingen«, wiederholte Akitar. »Ich interessiere mich auch nicht dafür. Aber ich kenne in der Ruinenstadt sozusagen jeden größeren Schuttbrocken. Wir haben einige Späher und Ausguckposten, die in kurzen Abständen abgelöst werden. Möglicherweise sind ihre Methoden ein wenig barbarisch, aber sie sind wirkungsvoll. Die Stadt der Vergessenen ist ein gefährliches Pflaster.« »Ein unsicheres allemal«, fügte Yaal hinzu und stand schwankend auf. Der Chailide führte sie im Zickzack durch den Raum. Nur noch wenige Raumfahrer saßen hier und unterhielten sich. Die vier Solaner gingen die Rampe hinauf und fanden nach etwa hundert Schritten viele wabenartige Räume, die sich oberhalb des Erdbodens befanden. Ihre Öffnungen, zugleich Fenster und Türen, gingen auf den Platz hinaus. Es war zwischen den Bauwerken so dunkel wie in einem Schacht im Mittelpunkt des Planeten. Akitar fand wieder in einem Fach einen Scheinwerfer und half seinen Freunden. Waren es seine Freunde? War er der Freund der Fremden? Ohne sich auszuziehen, warfen sich Atlan und die drei Freunde auf die kargen Lager. Sie schalteten die Translatoren ab und zogen die Stiefel aus, und ihre Gürtel legten sie griffbereit neben sich. »Gute Nacht«, murmelte Atlan im Selbstgespräch, griff nach dem
Zellaktivator und schloß die Augen. * Blitze zuckten durch die Dunkelheit. Donnernde und krachende Geräusche kamen aus allen Richtungen. Das Echo verstärkte sie und warf sie vervielfachend zurück. Licht flammte auf und erlosch wieder. Kalte Finger mit scharfen Krallen griffen nach der Haut der Schlafenden. Ein teuflischer Lärm ertönte, Erschütterungen ließen den Boden schwanken und rissen Teile des Verputzes und Steintrümmer aus den Flanken der hochragenden Türme. Eine Sirene gellte. Summer ertönten. Stählerne Gestalten, riesengroß wie Häuser, stapften näher und verschossen aus grell leuchtenden Augen lange, vielfarbige Strahlen. Atlan riß die Augen auf. Er schien einen Alptraum gehabt zu haben. Ein schmaler Streifen der treibenden, wirbelnden Wolken im Osten hatte sich hell gefärbt. Die Konturen der spiraligen, ineinander verdrehten Wolkenfelder wurden durch grelle Kanten gefärbt: gelb, purpurn und feuerrot. Atlan sprang auf die Füße und wußte, daß es fast zu spät war. Sein Herz schlug wie rasend. Die Wirkungen des schwachen Alkohols waren binnen einer Sekunde verflogen. Vor ihm stand Akitar, leuchtete mit seinem Handscheinwerfer in Atlans Gesicht und rüttelte ihn am Oberarm. »Schnell!« fauchte er und deutete nach Osten. »Alarm! Unsere Posten haben gesehen, daß sich Roboter aus der Stadt nähern.« »Roboter?« stotterte Atlan. Also doch eine Reaktion des Robotgehirns! Der Chailide war schon zur Nachbarkammer unterwegs und schrie Bjo an. Binnen einer halben Minute waren die Solaner wach und schlüpften in ihre Stiefel.
Von rechts brüllte Gavro: »Roboter! Das bedeutet, daß wir den Herrn in den Kuppeln nervös gemacht haben. Er verfolgt uns.« »Schon möglich. Fliehen wir?« »In größter Eile!« Zwischen den Mauern der Häuser und Türme war es noch dunkel. Die geringe Helligkeit aus dem Osten ließ erst die Umrisse hervortreten. Atlan und die Solaner zogen in rasender Eile ihre Stiefel an und schnallten sich die Gürtel fest. Atlan und Hellmut erfaßten im Halbschlaf, daß sie instinktiv vor dem Einschlafen die Übersetzungsgeräte wieder eingeschaltet hatten. Die Helligkeit vor den Löchern in der Mauer nahm um eine Winzigkeit zu. Atlan sprang geduckt ins Freie und packte den harten, sehnenstrotzenden Unterarm des Chailiden. »Was ist tatsächlich los?« Akitar wirkte ausgeruht und voller Spannkraft. Er stieß, fauchend wie ein Jaguar, hervor: »Von der Stadt und aus der Gegend des Raumhafens nähern sich in rasender Schnelligkeit riesige Mengen von Robots. Ich habe sie nicht selbst gesehen. Aber unsere Posten lügen nicht. Ich bin sicher, daß der Herr in den Kuppeln sich entschlossen hat, die Rebellenstadt anzugreifen und die Geflohenen wieder einzufangen.« »Dein Seelenbruder Yʹ Man hat ihn wohl nicht davon abhalten können«, knurrte Atlan. »Und was geschieht jetzt?« Akitar rief unterdrückt: »Wir fliehen.« »Wohin?« »Nach Norden. In die Wälder.« »Das bedeutet«, meinte Yaal, »daß wir durch die halbe Stadt bis zum Abhang rennen müssen. Schaffen wir das, ehe die Roboter hier sind?« »Nicht, wenn wir hier lange stehen und debattieren«, gab der
Chailide zurück. »Los. Die Zeit drängt!« Sie waren inzwischen wach geworden und hatten die letzten Spuren der Müdigkeit von sich abgeschüttelt. Da Akitar ihnen gegenüber mehrmals betont hatte, daß er jeden Winkel der Ruinenstadt kannte, überließen sie sich willig seiner Führung. Er spurtete davon. Sie dachten nicht daran, seine harmonischen, schnellen und kraftvollen Bewegungen zu bewundern, sondern versuchten, ihm so schnell wie möglich zu folgen. Zuerst umrundeten sie die Basis des Gebäudes und rannten auf dem breiten Pfad quer über den Platz. Sie merkten, daß die Geräusche und Bilder ihres Traumes nicht ganz falsch gewesen waren. Dutzende der Raumfahrer schwirrten, rannten und flatterten zwischen den Hausmauern hin und her. Eine Sirene wimmerte klagend, und aus allen Ecken zuckten Lichtsignale auf. Einige Stimmen schrien, heulten und zirpten: »Es sind Roboter aller Arten! Auch Gleiter voller Kampfmaschinen!« »Rettet euch in die Wälder!« »Sie kommen rücksichtslos näher und schwärmen aus!« »Sie wollen uns wieder einfangen!« Die Männer hasteten und turnten hinter dem Chailiden her. Die Pfade, über die er sie führte, wanden sich im Zickzack und in wilden Windungen zwischen Mauern, Geröll und wuchernden Pflanzen hindurch, die jetzt in der ersten Wärme der Morgendämmerung stechende Gerüche von sich gaben. Raschelnd und knackend peitschten die Zweige den Nachfolgenden in die Gesichter und gegen die Körper. Von vorn schrie Akitar etwas zu ihnen zurück, und mit kurzer Verzögerung gaben die Translatoren den Sinn der Warnungen wieder. »Wir versuchen, die Notblasen zu erreichen!« Atlan donnerte von ganz hinten: »Was, zum Satan, sind die Notblasen?« »Ein Rettungssystem. Ich habe es gefunden. Es stammt von den
Vorgängern der heutigen Gestrandeten.« »Hoffentlich ist es nicht eingerostet!« Am östlichen Rand der Ruinenstadt waren die ersten Robotkommandos gelandet. Die Geräusche von Strahlerschüssen und weithin hallende, laute Kommandos wirbelten als Echos zwischen den Mauern hin und her. Schrille Schreie gellten auf. Vielleicht waren deine Manipulationen ungeschickt, unpassend oder aufreizend. Jedenfalls reagiert der Herr in den Kuppeln schnell und hart, flüsterte der Logiksektor. Die vier Raumfahrer rannten, so schnell sie konnten. Sie dachten nicht an die höhere Anziehungskraft des Planeten. Mit weiten Sätzen sprangen sie über Spalten, turnten entlang von Mauerkanten und setzten über Trümmer aus scharfkantigem Geröll, duckten sich unter den zitternden Ästen der Bäume und unter überhängenden Bögen, Durchgängen und Toren, deren morsche Teile sich im labilem Gleichgewicht befanden. Rechts von ihnen, also tatsächlich auf der Ostseite des Tafelbergs, nahmen die Geräusche zu. Einzelne Strahlerschüsse dröhnten und kennzeichneten den Ernst der Lage. »Verdammt!« schrie Bjo, der noch am besten mit Akitar Schritt zu halten vermochte. »Die Maschinen machen Ernst. Sie greifen an!« »Und unsere Freunde wehren sich!« schrie Hellmut zurück. So wie man ihnen nach der Prüfung ihre Waffen belassen hatte, so würden auch die Aruzil, die Arundeel oder Wesen wie Brun oder Vanadis ihre Bewaffnung behalten haben. »Es wird nicht viel nützen. Die Maschinen sind in der Überzahl!« rief Akitar. Vor ihnen tauchten zwischen den Gebäuden immer wieder die ersten Blicke auf den Rand auf, auf die Kante zwischen der Ebene und den Hängen des Tafelberges. Über den nördlichen Wäldern geisterten dünne, flächenhafte Nebelschwaden. Von Minute zu Minute wurde es heller. Mit einem Anflug von Galgenhumor dachte Atlan daran, daß es von den Robotern des Herrn ziemlich rücksichtsvoll gewesen war, sie ausschlafen zu lassen und erst im
Morgengrauen anzugreifen. »Vielleicht haben wir tatsächlich direkt mit dem Robotgehirn gesprochen – gestern!« rief Joscan. »Darüber unterhalten wir uns später!« fauchte Bjo und spurtete weiter. Rechts von ihrem Fluchtweg sahen sie, von der waagrecht einfallenden, durch die Wolken gefilterten Helligkeit deutlich gemacht, die Roboter aus der Stadt. Sie griffen tatsächlich an. In der Luft befanden sich große Gleiterrobots, und die kleineren Maschinen landeten und bildeten eine Kette. Vermutlich versuchten sie, in einer Zangenbewegung das Plateau zu umschließen und jeden, der sich in den Ruinen befand, gefangenzunehmen. »Schneller!« Über die Trümmer krochen die eckigen Roboter. Sie schoben sich durch die kleinen Gebüsche und tappten schnell unter den schirmartigen Baumkronen entlang. Immer wieder gab es gezielte Schüsse. Sie ließen Teile der Fassaden abplatzen. Riesige Fahnen aus Steintrümmern und staubähnliche Materialien fielen nach unten und machten das Bild undeutlich. Die fünf Raumfahrer hetzten weiter. Atlan sagte sich, daß die Person Akitars noch mehr an Zweideutigkeit gewann, wenn seine, Atlans, Vermutungen auch nur halbwegs richtig waren. War er der Vertraute Yʹ Mans, und war Yʹ Man ein schizophrener Teil des Herrn in der Kuppel, dann handelte jetzt der andere Teil dieses womöglich spaltungsirren Robot ganz entgegengesetzt zu der Auffassung der Kunstfigur Yʹ Man. Diese Überlegungen waren jetzt nicht nur unwichtig, sondern gefährlich. Bisher schienen die Robots diese kleine Flüchtlingsgruppe noch nicht gesehen zu haben. Und wenn man sie geortet hatte, dann griffen die Robots hier, etwa in der Mitte der Stadt, noch nicht ein. Der Arkonide gab sich keinerlei falschen Hoffnungen hin: wenn er einen Robot entdeckte, dann hatte ihn die
Maschine vermutlich schon längst gesehen. Der Pfad wand sich entlang einer Hausmauer, verschwand unter einem Straßenübergang, führte unter einigen Nadelbäumen hindurch und mündete auf eine freie Fläche. Noch immer führte Akitar die Gruppe an. Er schien tatsächlich jeden Fleck der Ruinenstadt genau zu kennen, denn er zögerte keinen Augenblick lang. Der Rand der Felsabstürze kam schnell näher. Dahinter erstreckten sich die nördlichen Wälder. Wie weit sie sich ausdehnten, wußten die Solaner nicht. Aber sie waren sicher, daß sie auch als gehetzte Flüchtlinge im unregelmäßigen Gebiet und im Schutz der merkwürdig flachen Baumkronen sicherer waren als in den Ruinenverstecken. Also hatte der Chailide den denkbar besten Fluchtweg eingeschlagen. Man konnte ihm also vertrauen. »In dieses Haus dort, Freunde!« schrie Akitar, deutete kurz nach links und stob davon. In rasendem Zickzacklauf rannten und sprangen sie hinter ihm her durch eine unwirkliche Passage, die von einzelnen Quadern gebildet wurde. Sie hatten sich von der Oberkante eines der randnächsten Hochbauten gelöst und waren in den Boden eingeschlagen. Der Pfad hörte unmittelbar auf, jetzt befanden sie sich auf Moos und trockenem Gras. Akitar rannte, ohne zu stocken, eine schräge Fläche hinunter und verschwand im Dunkel eines Tiefgeschosses, von dem eine ganze Mauerseite fehlte. Die Tritte hallten in dem Gewölbe wider. Der Chailide rief über die Schulter zurück: »Keine Sorge. Wir sind auf dem richtigen Weg. Jetzt geht es nach links und wieder abwärts.« »Verstanden!« Sie rannten nach links und durch einen Schacht tiefer hinunter. Der Schacht wurde schmaler und dunkler, und nach einer Reihe von kurzen, dicken Säulenelementen weitete sich der Raum wieder. Sie kamen in einem Keller heraus, der feucht und modrig roch. Vor
ihnen befanden sich breite Schlitze in der massigen Mauer. Eine nasse Treppe führte abwärts. »Diesen Teil der Stadt kenne, denke ich, nur ich allein«, sagte der Chailide und lief die Stufen hinunter. Schweigend, aber mit zitternden Knien und schweißüberströmt, folgten ihm Atlan und die Solaner. In dem kleinen Raum, in dem sie sich jetzt befanden, klaffte vor ihnen die Öffnung eines runden Rohres. Es ragte einige Meter aus der Wand hervor. Akitar zeigte kurz auf die gegenüberliegende Wand. Hier waren rostige Türen oder Schotte zu sehen. An ihren Rändern sickerte Wasser heraus, sammelte sich auf dem Boden und floß durch das Rohr ab. Das Wasser roch frisch. »Jeder nimmt einen solchen Ball!« erklärte Akitar. Er schien sich mit dieser Fluchtmöglichkeit schon vor einiger Zeit beschäftigt zu haben, denn er legte eine erstaunliche Sicherheit an den Tag. »Das wird uns in der SOL niemand glauben!« brummte Breiskoll. Später stellte sich heraus, daß auch Akitar nicht einmal ahnte, zu welchen Zwecken diese seltsamen Gegenstände einst gedient haben möchten. Es waren riesige Bälle aus hartem, ledrigem Material, die eine Ähnlichkeit mit den getrockneten Schalen von Riesenkürbissen hatten. Eine Kalotte war angeschnitten worden. Ihr Durchmesser erreichte ungefähr die Hälfte von dem des Rohres. »Es geht«, sagte Atlan fatalistisch, nachdem er begriffen hatte, was Akitar wollte, »offenbar schneller als an Seilen oder über Stufen des Hanges.« »Und vor allem sieht uns niemand. Schnell! Sie kommen näher!« drängte Akitar. Bjo Breiskoll kletterte in einen der Bälle. Er hielt sich an der Kante des offenen Randes fest und ließ sich von den anderen ins Rohr hineinschieben. Hellmut folgte, dann zwängte sich Yaal in die dritte Kugel. Das Rohr lag auf den ersten Metern waagrecht, die Riesenkürbisse schaukelten leicht im plätschernden Wasser hin und her.
»Du mußt die Riegel aufschießen!« bedeutete Akitar dem Arkoniden. »Hier. Diese beiden Stellen. Der Rost ist dick, die Platten werden leicht aufbrechen.« »Hoffentlich.« An der Rückwand des Gelasses waren etwa dreißig dieser seltsamen Dinge aufgereiht gewesen. Atlan und Akitar rollten zwei davon heran und stellten sie vor dem Rohr auf. Während Akitar in das weiter entfernte hineinkletterte, sagte er drängend: »Ihr müßt die Luft anhalten, so lange wie möglich. Es dauert nicht lange, das Rohr verläuft in sehr starkem Gefälle, aber nicht senkrecht. Ich habe einen Versuch mit einem leeren Ballon angestellt.« »Hoffentlich schaffe ich es leicht, die Zuhaltungen zu durchtrennen«, sagte Atlan in das zustimmende Murmeln der anderen hinein. »Fertig?« Akitar fauchte kurz und sagte: »Wir warten nur auf dich!« Atlan kippte die Öffnung des Ballons nach vorn, kletterte hinein und zielte mit dem Strahler auf die Riegel. Der Riesenkürbis schwang leicht hin und her. Dann krümmte sich Atlans Zeigefinger um den Abzug. Die Schüsse schlugen in das Metall ein, das dick von Rost bedeckt war. Atlan feuerte auf die Zuhaltungen der beiden Metallflächen. Durch das Dröhnen der Abschüsse hörte er das Zischen verstärkt ausströmenden Wassers und das Knirschen, mit dem sich die Platten dehnten. Dann, kurz bevor der Wasserdruck der uralten Zisterne die Türen aufsprengte, wurde das Wasser schäumend parallel zur Wand herausgepreßt. Atlan schaffte es gerade noch, die Waffe zu sichern und in den Gürtel zu schieben, dann duckte er sich. Die riesigen Metallplatten sprangen auf und fielen flach zu Boden. Das Wasser, das in zwei rechteckigen Bahnen in den Raum drang, schäumte auf und erstickte das donnernde Geräusch des Metalls auf
den Platten. Noch ehe die Bälle zu schwimmen beginnen und hochgerissen werden konnten, schlug das Wasser gegen Atlans Kürbis. Er warf ihn, halb herumgedreht und mit der kleinen Öffnung zum dunklen Rohrinneren, gegen das Rettungsgerät des Chailiden. Dieser Ball stieg wuchtig gegen den nächsten, und dann schoß das Wasser gurgelnd an den Kürbissen vorbei, riß sie mit sich, begann das Rohr auszufüllen und stürzte nach unten. Drehend und hüpfend, immer wieder gegen die Wände des Rohres prallend, kippten die fünf Blasen aus dem geraden Stück des Rohres in die abwärts führende und rasten drehend und taumelnd abwärts. Je mehr Wasser die Röhre füllte, desto weniger hart wurden die Stöße. Atlan schloß die Augen und hielt die Luft an. Wasser drang durch die Öffnung ein und durchnäßte ihn binnen kurzer Zeit. Er versuchte die Sekunden zu zählen. Aber das Zischen und Fauchen und die pausenlosen Stöße ließen sein Denkvermögen vorübergehend ausfallen. Als er die Augen wieder öffnete, schwamm seine Kugel in hellem Licht, die Stöße hatten nach einem mehrmaligem Überschlag aufgehört. Die Öffnung befand sich nicht mehr oben, sondern lag waagrecht. Zu einem guten Drittel war die Blase mit angenehm warmen Wasser gefüllt. Atlan sah, daß sich die Äste von Nadelbäumen in einem bewegten Wasserspiegel zeigten. Er streckte den Kopf aus der Öffnung und verlagerte dadurch den Schwerpunkt seines Rettungsgeräts. Ehe es umkippte und ehe er notgedrungen aus dem Loch schwimmen mußte, sah er mehrere Kugeln in seiner Nähe auf den Wellen tanzen. Sie waren also in einem kleinen See oder in einem ruhigen Stück Fluß herausgekommen. Er schlug seine Knie an, als er zur Wasseroberfläche auftauchen wollte und sich von den riesigen Kieseln des Bodens abstemmte. Prustend tauchte er auf. Das Wasser war nur hüfttief. Sein erster Griff nach der Waffe bewies ihm, daß er sie nicht verloren hatte. Er
sah sich um und schob die Waffe wieder in die Schutztasche zurück. Zuerst schob sich Bjos triefender Oberkörper durch den Wasserspiegel. Neben den Wurzeln eines Baumes endete das Rohr, aus dem noch immer Wasser hervorsprudelte. Der winzige Teich war fast leer gewesen, das Wasser war durch eine Barriere aufgestaut worden, die sich quer über das schmale Bett eines periodischen Baches erstreckte. Hellmut und Akitar kamen an die Oberfläche, dann bewies eine Kugel, die sich heftig drehte, daß auch der letzte ihrer Gruppe den langen Fall ohne Schaden überstanden hatte. Wie auf ein unhörbares Kommando blickten sie alle gleichzeitig nach oben. Neben ihnen erstreckte sich eine fast senkrechte, zerklüftete Felswand mehrere hundert Meter bis zum Rand des Tafelbergs. Nur eine gerundete Kante, nur ein kleines Stück von dem nächsten Bauwerk war darüber zu sehen. Die waagrecht ausgebreiteten Äste eines Baumes berührten fast die Wand, und in dem schmalen Ausschnitt sahen die Flüchtlinge, wie ein Gleiterrobot eine Kurve zog und wieder außer Sicht verschwand. »Das war knapp!« sagte Akitar und watete schnell zum überwucherten Rand des Baches. »Wir haben keine andere Wahl. Diese Richtung! Dort ist Norden.« Atlan schüttelte sich und wischte das Wasser aus seinem Haar. Er stapfte durch das ablaufende Wasser und fragte: »Gibt es im Norden ein neues Ziel, Akitar?« »Nein«, sagte der Chailide. »Nur größere Sicherheit vor den Robotern. Wir müssen entweder ein hervorragendes Versteck finden oder uns möglichst weit entfernen.« Er streckte die Hand aus und zog Atlan über die Böschung hoch. Hellmut und Bjo folgten. Gavro Yaal suchte im Wasser und kam dann fluchend wieder hoch, seine Lähmwaffe in der Hand. Die abgestorbenen Nadeln klebten nach den ersten Schritten an den Stiefeln und den Hosenbeinen. Das Gewebe begann bereits an
einigen Stellen zu trocknen, aber die Stiefel gaben quietschende Geräusche von sich. Das Wasser behinderte ihre Flucht, aber auch diesem Umstand konnten sie keine Bedeutung mehr zumessen, als über ihnen ein Summen ertönte. »Ein Gleiter!« »Haltet euch dicht an die Stämme. Da ist die Deckung besser«, riet Akitar und huschte mit seinen eleganten Raubtiersprüngen von Baum zu Baum. So schnell wie möglich folgten Atlan und Bjo. Unter ihren Sohlen federten die dicken Schichten der abgeworfenen Nadeln. Ab und zu flatterte über ihnen ein Vogel durch die Äste. Wieder heulte in rasend schnellem Flug ein Gleiter über sie hinweg. Das Geräusch verlor sich im Westen. Wahrscheinlich rechneten die Maschinen damit, daß ihnen einige Raumfahrer entkommen waren. Logischerweise waren sämtliche Informationen im Robotgehirn gespeichert. Obwohl die kleinen Maschinen unabhängig voneinander operierten, war es mehr als wahrscheinlich, daß sie entsprechend mit Informationen gefüttert worden waren. »Es wird erst dann richtig gefährlich, wenn sie Maschinen absetzen«, rief Akitar unterdrückt und mit langen Pausen zwischen den Wortgruppen, »die sich auf dem Boden bewegen können. Das Blätterdach ist für die Gleiter noch zu dicht.« »Ich verstehe«, sagte Atlan grimmig. »Die Jagd auf uns geht weiter.« Vielleicht hatten sie diese Wendung ihres persönlichen Schicksals selbst herbeigeführt. Ob dies zutraf oder nicht: sie rannten und hetzten über den Waldboden, durch Schatten und Lichtflecken, und die hohe Schwerkraft zerrte an ihren Muskeln. Wieder waren sie auf der Flucht, und es sah aus, als ob in kurzer Zeit Tausende von Robotern allein diese verzweifelte Gruppe einkesseln und hetzen würden. Verdammter Planet! ENDE
Der Überfall auf die Stadt der Vergessenen galt zweifellos Atlan und seinen Gefährten. Kein Wunder daher, daß der Arkonide und die Solaner sich schleunigst in Sicherheit zu bringen suchen. Was Atlan und seine Begleiter dabei erleben, das erzählt Wilfried Hary im Atlan‐Band der nächsten Woche. Der Roman erscheint unter dem Titel: DIE FLUCHT DER SOLANER