Herbert Oertel jr. Martin Bohle Ulrich Dohrmann StrSmuiigsiiiechaiiik
, Aus dem Programm. Stromungsmechanik
Technische StrSmungslehre von L. Boswirth StrSmungsinecliaiiik A - Z von H. Herwig Aerodynamik der stumpfeii KSrper von W.-H. Hucho Obungsbuch Strdmungsiinecliaiiik von H. Oertel jn, M. Bohle und U. Dohrmann PIANDTL - Fuhrer durch die StrSmungslehre herausgegeben von H. Oertel jr. Numerische Strdmungsmechanik von H. Oertel jn und E, Laurien
. wieweg,
Herbert Oertel jr. Martin Bohle Ulrich Dohrmann
Grundlagen, Grundgleichungen, Losungsmethoden, Softwarebeispiele
4., iiberarbeitete und erweiterte Auflage Mit 298 Abbildungen
Studium Technik
Bibliografische Inform,ation Der Deutschen, Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation, in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibUografische Daten sind im Internet iiber
abrufbar.
Die Autoren: Prof. Dr.-Ing. habil. Herbert Oertel jr. Ordinarius Institut fur Stromungsiehre, Universitat Karlsruhe (TH), KaiserstraBe 12, 76128 Karlsruhe Prof. Dr.~Ing. Martin Bohle, Universitatsprofessor Bergische Universitat Wuppertal, GauBstraBe 20, 42097 Wuppertal Dr.4ng. Ulrich Dohrmann, Akademischer Oberrat, Institut fur Stromungsiehre, Universitat Karlsruhe (TH), KaiserstraBe 12, 76128 Karlsruhe
1. Auflage 1999 2., iiberarbeitete und erweiterte Auflage Marz 2002 3., iiberarbeitete und erweiterte Auflage Juni 2004 4., iiberarbeitete und erweiterte Auflage Novemher 2006 AUe Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlag | GWV Fachverlage GmhH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Thom.as Zipsner Der Vieweg Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vieweg.de Das Werk einschheBlich aUer seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. lede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim.m.ung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fdr Vervielfaltigungen, tJbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Um,schlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, BerMn Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN40 3-8348-0206-9 ISBN-13 978-3-8348-0206-4
V
Vorwort Das Stromungsmechanik Lehrbuch gibt eine Einfiihrung in die Grundlagen, Grundgleichungen und Losungsmethoden der Stromungsmechanik. Es fiihrt systematisch in die Anwendung stromungsmechanischer Software ein, die der Entwicklungsingenieur in der Industrie vorfindet. Auf vielfachen Wunsch unserer Studenten haben wir in dem vorangegangenen Lehrbuch iiber die Methoden und Phanomene der Stromungsmechanik die stromungsmechanischen Grundlagen derart erganzt, wie sie an der Universitat Karlsruhe im 5. Semester gelesen werden. Die analytischen und numerischen Losungsmethoden der stromungsmechanischen Grundgleichungen fiir turbulente Stromungen bis hin zu praktischen Beispielen der Softwarenutzung folgen in erganzenden Vorlesungen im 6. Semester. Um Ingenieure, Naturwissenschaftler und Technomathematiker fiir den Lehrstoff der Stromungsmechanik zu gewinnen, wurde das einfiihrende Kapitel iiber Beispiele der Stromungsmechanik in Natur und Technik erganzt. Die Motivation, ein weiteres Lehrbuch der Stromungsmechanik zu schreiben, kam bei der Bearbeitung der 10. Auflage des Standardwerkes Prandtl - Fiihrer durch die Stromungslehre. Alle wesentlichen Gedanken und Ableitungen zu den Grundlagen der Stromungsmechanik finden sich bereits im Originaltext von Prandtl 1942. Wir haben den Versuch unternommen, den damaligen Lehrstoff in die heutige Sprache der Ingenieure und Naturwissenschaftler zu iibertragen. Dabei wurde beriicksichtigt, dass sich die Losungsmethoden stromungsmechanischer Probleme mit der Einfiihrung von Grofirechnern und stromungsmechanischer Software verandert haben. Das Lehrbuch wird erganzt durch das Ubungsbuch Stromungsmechanik. Darin findet der Student zu jedem Kapitel Ubungsaufgaben mit ausfiihrlichen Losungsbeispielen fiir die Klausurvorbereitung. Softwarebeispiele erganzen den Ubungsstoff, um sich friihzeitig mit dem Umgang an Rechnern vertraut zu machen. Dabei ist das eigenstandige Nacharbeiten des in der Vorlesung Erlernten unerlasslich fiir die Vertiefung des Lehrstoffes. Das Manuskript der Stromungsmechanik wurde gemeinsam mit meinem langjahrigen Assistenten und heutigen Universitatsprofessor M. Bohle ausgearbeitet. Es profitiert von zahlreichen Diskussionen und Anregungen unserer Studenten und Kollegen. Besonderer Dank gilt unseren Mitarbeitern U. Dohrmann, L. Huber, F. Sassenhausen und L. Ziircher fiir die Erstellung des Manuskripts und der Abbildungen. Dem Springer-Verlag danken wir fiir die Ubertragung der Methoden und Phanomene der Stromungsmechanik. Dem Vieweg-Verlag sei fiir die aufierst erfreuliche und gute Zusammenarbeit gedankt. Karlsruhe, JuU 1999
Herbert Oertel jr.
VI
Vorwort zur 4. Auflage Das Stromungsmechanik Lehrbuch hat sich als Standardwerk fiir Ingenieure, Naturwissenschaftler und Technomathematiker etabliert. Es gibt eine Einfiihrung in die Grundlagen, Grundgleichungen und Losungsmethoden der Stromungsmechanik und fiihrt systematisch in die Anwendung stromungsmechanischer Software ein. Die einfiihrenden Stromungsbeispiele aus Natur und Technik werden mit einem Lehrfilm erganzt, der von der Homepage www.herbert-oertel.de heruntergeladen werden kann. Vorlesungsbegleitende Experimente und Computersimulationen sowie Soft war ebeispiele zum Vorlesungsstoff findet man auf der Homepage des Instituts fiir Stromungslehre wwwisl. raach. uni-kar Isr uhe. de. Die Anwendung der stromungsmechanischen Software fiir Forschung und Entwicklung wird mit einem Einfiihrungs- und Trainingskurs unterstiitzt, der als Einstieg in die Numerische Stromungsmechanik gedacht ist. Das Software-Kapitel schHefit mit erfolgreich durchgefiihrten Beispielen von Industrieprojekten ab. In der Neuauflage wurden die Grundlagen der Stromungsmechanik iiberarbeitet, im Kapitel Grundgleichungen die gaskinetische Boltzmann-Gleichung erganzt, und der Trainingskurs um die Software-Verifikationsbeispiele der Aeroakustik und Magnetohydrodynamik erweitert. Die Zielgruppe des Lehrbuches sind Studierende der Fachrichtungen Maschinenbau, Chemieingenieurwesen, Verfahrenstechnik, Physik und Technomathematik an Universitaten, Technischen Hochschulen und Fachhochschulen. Besonderer Dank gilt U. Dohrmann und L. Huber fiir die bewahrte Manuskripterstellung. Dem Vieweg Verlag danken wir fiir die jahrelange aufierst erfolgreiche Zusammenarbeit. Karlsruhe, September 2006
Herbert Oertel jr.
VII
Inhaltsverzeichnis 1
2
Einfiihrung
1
1.1
Stromungen in Natur und Technik
2
1.2
Stromungsbereiche
29
1.3
Produktentwicklung
42
Grundlagen der Stroraungsmechanik
47
2.1
Eigenschaften stromender Medien
47
2.1.1
Transporteigenschaften
47
2.1.2
Thermodynamische Eigenschaften
53
2.2
2.3
2.4
3
Hydro- und Aerostatik
59
2.2.1
Hydrostatik
59
2.2.2
Aerostatik
63
Hydro- und Aerodynamik, Stromfadentheorie
67
2.3.1
Kinematische Grundbegriffe
67
2.3.2
Inkompressible Stromungen
76
2.3.3
Kompressible Stromungen
105
Technische Stromungen
130
2.4.1
Turbulente Stromungen
130
2.4.2
Impulssatz
144
2.4.3
Drehimpulssatz
151
2.4.4
Rohrhydrauhk
154
2.4.5
Stromungen Nicht-Newtonscher Medien
162
2.4.6
Stromungsablosung
166
2.4.7
Stromungen mit Warmeiibertragung
182
2.4.8
Stromungsmaschinen
193
Grundgleichungen der Stroraungsniechanik
202
3.1
Kontinuitatsgleichung (Erhaltung der Masse)
203
3.2
Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
205
3.3
3.2.1
Laminare Stromungen
205
3.2.2
Reynolds-Gleichungen fiir turbulente Stromungen
216
3.2.3
Turbulenzmodelle
224
3.2.4
Grobstruktursimulation
239
Energiegleichungen (Erhaltung der Energie)
244
3.3.1
244
Laminare Stromung
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.3.2 3.4
3.5
3.6 4
250
Grenzschichtgleichungen
254
3.4.1
Inkompressible Stromungen
254
3.4.2
Kompressible Stromungen
264
Potentialgleichungen
266
3.5.1
Potentialgleichung fiir kompressible Stromungen
266
3.5.2
Potentialgleichung fiir inkompressible Stromungen
271
Grundgleichungen in Erhaltungsform
273
Nuraerische Losungsraethoden
283
4.1
Analytische Vorbereitung
285
4.1.1
Dimensionsanalyse
285
4.1.2
Linearisierung
293
4.1.3
Stabilitatsanalyse
304
4.1.4
Strukturanalyse
312
4.2
5
Turbulente Stromungen
Diskretisierung
325
4.2.1
Galerkin-Methode
326
4.2.2
Finite-Elemente-Methode
336
4.2.3
Finite-Differenzen-Methode
341
4.2.4
Finite-Volumen-Methode
347
Stromungsmechanik Software
362
5.1
Einfiihrungskurs
369
5.2
Trainingskurs
370
5.3
Anwendungsbeispiele
391
Bezeichnungen
414
Ausgewahlte Literalur
417
Sachwortverzeichnis
421
1
Einfiihrung
Das Lehrbuch der Stromungsmechanik richtet sich an Studenten der Ingenieur- und Naturwissenschaften. Es vermittelt im Kapitel 2 die stromungsmechanischen Grundlagen, die fiir die Beschreibung und Analyse von Stromungen in Natur und Technik erforderlich sind. Bereits die eindimensionale Stromfadentheorie sowie der integrale Impuls- und Drehimpulssatz weisen einen ersten Weg zur Auslegung stromungstechnischer Gerate und Anlagen. Mit ihnen lasst sich z.B. die Abmessung einer Maschine in einem ersten Schritt schon recht genau ermitteln und eine Aussage iiber die auftretenden Stromungsverluste machen. Allerdings versagen diese Methoden bei der Optimierung von Maschinen z. B. wenn an die zu entwickelnden Gerate besondere Anforderungen gestellt werden wie leises Betriebsverhalten, guter Wirkungsgrad, kleine Abmessungen, stark gedampftes Schwingungsverhalten etc. Aufierdem kann fiir die meisten Anwendungsfalle mit den einfachen stromungsmechanischen Grundlagen das Betriebsverhalten einer Maschine nicht ausreichend genug bestimmt werden, so dass dafiir umfangreiche Experimente durchgefiihrt werden miissen, die sehr kosten- und zeitintensiv sein konnen. Das Gleiche trifft auch fiir die Vorhersage z.B. des Wetters, des Warmeaustausches in den Ozeanen oder des Schadstofftransportes in der Atmosphare zu. Hier sind weiterfiihrende Vorhersagemethoden auf der Grundlage der kontinuumsmechanischen Grundgleichungen dreidimensionaler Stromungen erforderlich. Dem wird in Kapitel 3 und 4 Rechnung getragen, die systematisch iiber die stromungsmechanischen Grundgleichungen und deren Losungsmethoden zur Anwendung stromungsmechanischer Software fiihren. In den letzten Jahrzehnten hat die Rechnertechnik erhebliche Fortschritte gemacht, so dass es bereits ohne allzu grofien Aufwand moglich ist dreidimensionale Stromungen auf Rechnern zu simulieren. Dadurch werden allmahlich aufwendige Versuche und Experimente durch die numerische Simulation von Stromungen ersetzt, wodurch die Entwicklungskosten und Entwicklungszeiten verringert werden. Mit diesem Buch sollen dem Studenten die Grundlagen dieser neueren Methoden der Stromungsmechanik vermittelt werden, die bereits in vielen Entwicklungsabteilungen Anwendung finden. Die Vorgehensweise der Stromungsmechanik beinhaltet die analytischen, numerischen und experimentellen Methoden. Alle drei werden, auch wenn die numerischen Methoden zunehmend die experimentellen ersetzen, zur Losung von stromungstechnischen Problemen benotigt. Das vorliegende Buch beschrankt sich auf die theoretischen, also auf die analytischen und numerischen Methoden. Sie sollen den Studenten nach dem Durcharbeiten des Buches dazu befahigen, die Grundgleichungen der Stromungsmechanik zu verstehen und die Stromungsmechanik-Software fiir technische Probleme anwenden zu konnen. Dabei werden die Grundbegriffe der analytischen und numerischen Verfahren in einem ersten Ansatz behandelt. Der Inhalt des Buches ist teilweise sehr theoretisch. Um wahrend der umfangreichen Herleitungen den Bezug zu den technischen Anwendungen nicht aus dem Auge zu verlieren, haben wir die Tragfliigelstromung von Verkehrsflugzeugen, die Kraftfahrzeugumstromung und Stromungen in Rohrleitungen verfahrenstechnischer Anlagen als reprasentative Beispiele ausgewahlt, anhand derer wir in diesem Buch die Grundlagen und Losungsmethoden
1 Einfiihrung
der Stromungsmechanik entwickeln. Um zunachst dem Studenten die Vielfalt stromungsmechanischer Anwendungen vor Augen zu fiihren und das Bewusstsein dafiir zu wecken, dass Stromungen in unserer technischen und natiirlichen Umwelt allgegenwartig sind, wollen wir in den folgenden einfiihrenden Kapiteln ausgewahlte Stromungsbeispiele beschreiben.
1.1
Stromungen in N a t u r und Technik
Stromungen sind verantwortlich fiir die meisten Transport- und Mischungsprozesse, wie sie zum Beispiel beim Transport von Schadstoffen in unserer Umwelt, bei industriellen Prozessen bis hin zu lebenden Organismen vorkommen. Die Verbrennung begrenzter fossiler Brennstoffe produziert heute den grofiten Teil der elektrischen Energie und Warmeenergie. Die Optimierung von Stromungen bei diesen Verbrennungsprozessen dient der Verringerung des 01- und Kraftstoffverbrauches bei gleichzeitiger Reduzierung der Schadstoffemissionen. Stromungen interessieren beim Antrieb von Flugzeugen, Schiffen und Kraftfahrzeugen, beim Pumpen von 01 und Gas durch Pipelines, bei der Herstellung von Materialien und deren Beschichtung. Sie ermoglichen Leben durch den Transport von Sauerstoff und Kohlendioxid im Organismus. Sie sind von Bedeutung beim Bau von widerstandsarmen Kraftfahrzeugen und Verkehrsflugzeugen, bei der Entwicklung von Tragerraketen und Raumgleitern fiir den Transport zur Raumstation, bei der Energie- und Umwelttechnik, bei der Verfahrens- und Prozesstechnik bis hin zur Simulation ganzer Produktionsanlagen, im Bereich des Bauingenieurwesens, in der Physik fiir die Geo- und Astrophysik, in der Meteorologie und Klimaforschung bis hin zur Medizin, wo Innovationen immer haufiger mit der stromungsmechanischen Optimierung von kiinstlichen Herzklappen, Herzen und Gefafiprothesen einhergehen. Wir beginnen mit der Beschreibung einiger Stromungsbeispiele unserer natiirlichen U m welt. Die Stromungen in der Erdatmosphare sind durch den Warmeaustausch zwischen den warmen Aquatorzonen und den kalten Polen gekennzeichnet. Wir nennen diese Stromungen mit Warmetransport Konvektionsstromungen. Am Aquator steigt die von der
^ i PolareZelle @ Polarer Jet ' rNX^ Ferrel Zelle C ^ ) @ Subtropischer ^ ^ Jet Ostwinde (Passate) ^ ^ Hadley Zelle
Abb. 1.1: Stromungen in der Atmosphare
1.1 Stromungen in Natur und Technik
senkrecht stehenden Sonne aufgeheizte Luft in die Atmosphare auf und fallt an den kalten Polen ab. Der Warmeaustausch zwischen dem Aquator und den Polen erfolgt durch grofiraumige Winde. Diese globale Luftzirkulation bestimmt das grofiraumige Wetter auf der Nord- und Siidhalbkugel der Erde. Die kleinskaligen Winde, die unser lokales Wetter bestimmen, spielen bei dieser grofiraumigen Luftstromung in der Atmosphare eine untergeordnete Rolle. Die stabilsten grofiraumigen Windsysteme sind die Passatwinde, die von der aufsteigenden Luft am Aquator angetrieben werden und zwei Ringwirbel um den Aquator bilden, deren meridionale Zirkulation im rechten Bild der Abbildung 1.1 Hadley-Zelle genannt wird. In den mittleren Breiten variiert die Stromung mit der Zeit. Es bilden sich Hoch- und Tiefdruckgebiete, die mit der West-Ost-Luftstromung wieder zerfallen und das Wettergeschehen in der Atmosphare bestimmen. In diesen Breiten ist der Temperaturgradient zwischen dem Aquator und den Polen am grofiten, so dass der Energie- und Impulsaustausch nicht durch ein einfaches Wirbelsystem bewerkstelligt werden kann, wie dies bei der Hadley-Zelle der Fall ist. Die Stromung wird instabil und der Energie- und Impulstransport erfolgt iiber mehrere grofiraumige Wirbelsysteme. Jedoch zeigt das Jahresmittel eine mittlere meridionale Zirkulation, die als gestrichelte Ferrel-Zelle in Abbildung 1.1 eingezeichnet ist. An den Polen bilden sich entsprechende schwache polare Zellen aus. Das lokale Gleichgewicht des Drehmoments verlangt zum Ausgleich der bisher dargestellten Ostwinde die entsprechenden Westwinde, die sich als Jetstrome in der hohen Atmosphare ausbilden. Diese verandern ebenfalls von Tag zu Tag ihre Lage, was z.B. fiir die Luftfahrt von Bedeutung ist, da sie von den Verkehrsflugzeugen als Riickenwind im transatlantischen Luftverkehr genutzt werden. Das linke Bild der Abbildung 1.1 zeigt im zeitlichen Monatsmittel die Lage der polaren und subtropischen Jetstrome auf der Nordhalbkugel. Diese Jet-Winde wurden 1999 fiir die erste Erdumrundung mit einem Heifiluftballon ausgenutzt. Der 8 Tonnen schwere und 54 Meter hohe Breitling Orbiter 3 Ballon benotigte 20 Tage fiir 42.000 Umrundungskilometer in 11.000 Metern Hohe. Die Abbildung 1.2 zeigt ein Tiefdruckgebiet auf der Nordhalbkugel, dessen West-OstBewegung durch den langen Wolkenschweif erkennbar ist. Es stellt sich die Frage, warum sich die Tiefdruckwirbel auf der Nordhalbkugel immer entgegen dem Uhrzeigersinn drehen. Bei der Erklarung hilft die Prinzipskizze der Abbildung 1.2. Am Ort der Betrachtung
Corioliskraft
A b b . 1.2: Tiefdruckgebiet auf der nordlichen Erdhalbkugel
1 Einfiihrung
zeigt die Druckkraft in Richtung des Zentrums des Tiefdruckwirbels. Demzufolge wird ein Luftelement in Richtung des Druckgradienten beschleunigt. Die Windrichtung andert sich jedoch unter dem Einfluss der durch die Erdrotation c3 verursachten Coriolis-Kraft. Dabei wird der Wind solange beschleunigt, bis sich ein Gleichgewicht zwischen Druck und CorioUs-Kraft einstellt. Daraus resultiert eine Windrichtung entlang der Isobaren des Tiefdruckgebietes. Beriicksichtigen wir in unserer Betrachtung die der CorioUs-Kraft iiberlagerte Zentrifugalkraft, so verursacht diese eine Krummung der Stromungsbahnen, die das typische Bild eines Zyklons entstehen lasst. Am Ort der Betrachtung sind CorioUsund Zentrifugalkraft mit der Druckkraft im Gleichgewicht. Die entsprechende Betrachtung auf der Siidhalbkugel der Erde zeigt, dass sich dort die Tiefdruckwirbel im Uhrzeigersinn drehen. Die Abbildung 1.3 zeigt die Satellitenaufnahme der Windgeschwindigkeiten iiber dem Pazifischen Ozean. Die Stromungslinien zeigen die Stromungsrichtungen der Windgeschwindigkeit an. Es sind mehrere Tiefdruckgebiete auf der Nord- und Siidhalbkugel zu erkennen. In entgegengesetzter Richtung drehen die dazugehorigen Hochdruckgebiete. In den spaten Sommermonaten heizt sich die Luft am Aquator derart stark auf, so dass die verstarkten Passatwinde innerhalb weniger Tage Wirbel mit einem Durchmesser von 500 bis 1.000 km und einer Rotationsgeschwindigkeit bis zu 300 km/h bilden. Diese Hurrikans bilden sich iiber den warmen Gewassern vor der afrikanischen Kiiste in der Nahe des Aquators, bewegen sich mit dem Hauptwind der Hadley-Zelle nach Westen und drehen in grofieren Breiten nach Osten, wo sie als Tiefdruckgebiete Europa erreichen. Sie erscheinen jahrlich am Ende des Sommers mit ihrer zerstorerischen Wirkung iiber den karibischen Inseln und rotieren, wie die Zyklone, aufgrund der Coriolis-Kraft auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn. Uber Land werden sie entsprechend ihrer Drehrichtung nach Osten abgelenkt und bewegen sich abgeschwacht iiber den Atlantik. Abbildung 1.4 zeigt die Satellitenaufnahme des Hurrikans Ivan im Sommer 2004 und die Bahnen der Hurrikans Charley und Ivan iiber den Karibischen Inseln. Die Energiequelle fiir einen Hurrikan ist die im Meerwasser gespeicherte Warme. In einem Wirbelsturm steigt,
A b b . 1.3: Windgeschwindigkeiten iiber dem Pazifischen Ozean
1.1 Stromungen in Natur und Technik
ahnlich wie in einer Gewitterwolke, feuchte warme Luft nach oben. Sobald sie eine kaltere Luftschicht erreicht, deren Temperatur dem Taupunkt fiir diese Luftschicht entspricht, beginnt der Wasserdampf zu kondensieren. Dieser Vorgang hat zwei Konsequenzen. Einerseits wird Warme frei, welche die umgebende Luft aufheizt. Die Kondensation erniedrigt gleichzeitig den Wasserdampf-Partialdruck in der Luft. Beide Vorgange verringern den Luftdruck, so dass noch mehr Meerwasser verdampfen und in grofie Hohen der Troposphare aufsteigen kann. Je mehr Meerwasser verdampft, desto mehr Energie gelangt in den Hurrikan. Auch Starke Scherwinde, z.B. an Gewitterfronten oder auftriebsbedingte Winde in der Wiiste, konnen kleinskaUgere Wirbel bilden. Sie sind als Tornados oder Windhosen bekannt, haben einen Durchmesser von bis zu 500 m und eine Lebensdauer von einigen Minuten. Ein entsprechender Warmeaustausch zwischen dem warmen Wasser der Aquatorregionen und dem kalten Wasser der eisbedeckten Pole findet in den Ozeanen statt, der wiederum Auswirkungen auf das Wettergeschehen in der Atmosphare hat. Die Stromungen in den Ozeanen werden durch die Kontinente begrenzt. Damit ist eine globale Zirkulation, wie wir sie in der Atmosphare dargestellt haben, nicht moghch. Die Ozeanstromungen werden zum einen von den grofiraumigen Winden angetrieben und zum anderen entstehen sie wie in der Atmosphare durch Konvektionsstromungen, die den Warmeaustausch zwischen dem Aquator und den Polen bestimmen. In Abbildung 1.5 ist wiederum im zeithchen Mittel die Zirkulation im Nord-Atlantik dargestellt. Die Scherwirkung der von der Hadley-Zelle verursachten Ostwinde verursachen im Pazifik nordlich des Aquators eine Oststromung, die vor Afrika umgelenkt wird und als warme Wasserstromung nach Westen stromt. Diese teilt sich vor den Westindischen Inseln auf. Ein Teil stromt in den Golf von Mexiko, der zweite Teil stromt entlang den Bahamas. Die beiden Teilstrome vereinigen sich vor der Kiiste Floridas und stromen als warmer Golfstrom entlang der Kiiste Georgias. Dieser nordatlantische Golfstrom hat eine hohe Stromungsgeschwindigkeit an der Wasseroberflache von 3 m/s und eine Ausdehnung von 100 km. Am Rande des Golfstroms steigt die Wassertemperatur um etwa 10 K an. Der Volumenstrom dieser Warmwasserrohre betragt betrachtliche 30 Millionen m^/s. Dieser machtige Golfstrom verlasst die Kiiste Nord-Amerikas am Kap Hatteras und stromt
Abb. 1.4: Hurrikan Ivan und Bahnen der Hurrikans Charley und Ivan 2004
1 Einfiihrung
ostwarts nach Europa, wo sein warmes Wasser fiir das milde Klima an der Britischen und Norwegischen Kiiste verantwortlich ist. Der zweite Teil des Golfstroms stromt entlang der Kiiste Nord-Afrikas und bildet die grofiraumige nord-aquatoriale Zirkulation. Die kalte Meeresstromung bewegt sich entlang der Nord- und Siidamerikanischen Kiiste vom Nordpol zum Aquator. Ein anderes Phanomen der Ozeane sind die Ausbreitung von Wasserwellen, die durch Erdbeben in der Tiefe des Ozeans erzeugt werden. Dabei entstehen langwellige Meereswellen, die man Tsunami nennt und der en Geschwindigkeit allein von der Wassertiefe ihrere Entstehung abhangt (siehe Abbildung 1.6). Treffen Tsunamis auf ihrem Weg durch ein Meeresbecken auf flachere Stellen, werden Sie abgebremst. Uber der Tiefsee werden sie wieder beschleunigt. Auf dem offenen Meer betragt die Wellenhohe eines Tsunamis bis zu einem halben Meter, wo er aufgrund der grofien Wellenlange von einigen Kilometern kaum bemerkt wird. Im flachen Kiistengewasser wird der Tsunami am Boden abgebremst, wahrend der obere Teil der Welle weitgehend ungestort weiterlauft. Dies fiihrt an der Kiiste zum Aufsteilen der Welle bis zu einer Hohe von 30 m. Jeder Tsunami besteht aus einem Wellenpaket, also mehreren Wellen, die im Minutenabstand an der Kiiste eintreffen konnen. In den meisten Fallen nahert sich zunachst ein Wellental. Als Folge davon zieht sich das Meer oft hunderte von Metern zuriick, bevor die Wellenfront iiber die Kiiste hereinbricht. Ein solcher Tsunami entstand 2005 durch ein Erbeben vor der indonesischen Kiiste in 2.300 m Tiefe. Dort schiebt sich aufgrund der Kontinentaldrift (siehe Abbildung 1.8) die Kontinentalplatte unter die Burma Platte. Die Entspannung der Verschiebung erfolgte innerhalb von 7 Sekunden, deren Vertikalbewegung den Tsunami ausloste. Dabei wurde die Inselgruppe der Nikobaren um 6 m und der Nordpol um 2 cm verschoben, was eine Verkiirzung der Erdrotation um einige /i5 zur Folge hatte. 15 5 nach dem Tiefseebeben erreichte die Welle Indonesien. Die an der Kiiste von Indonesien reflektierte Tsunami-Welle erreichte dann nach 3 bis 5 Stunden die Kiistengebiete von Thailand und Indien. Auch im Er dinner en sind es Konvektionsstromungen, die den Energie- und Impulstransport vom heifien Erdkern zum erstarrten Erdmantel bestimmen. Diese sind fiir das Erd-
Abb. 1.5: Meeresstromungen im Atlantik
1.1 Stromungen in Natur und Technik
magnetfeld und die Drift der Kontinente auf der Erdoberflache verantwortlich. Die Prinzipskizze der Abbildung 1.7 zeigt nicht mafistabsgetreu den heutigen Stand der Erkenntnisse im Schnitt durch die Aquatorebene. Die Erde ist kein starrer Korper, sondern sie hat elastische, plastische und fliissige Eigenschaften. Aufgrund des hohen Druckes besteht der Erdkern aus festen Eisenlegierungen. Mit zunehmendem Abstand vom Erdmittelpunkt schliefit sich eine elektrisch leitfahige Kernfliissigkeit an, deren Wirbelstromungen das Erdmagnetfeld verursachen. In etwa 3.000 km Tiefe geht der fliissige Erdkern in das zahplastische Mantelmaterial iiber, das als Asthenosphare bezeichnet wird. Auf den Mantelkonvektionszeflen der Asthenosphare driften etwa ein Dutzend starrer Lithospharenplatten. Die Kontinentalblocke sind in die Lithospharenplatten eingebettet und werden mitgefiihrt. Die Stromungsgeschwindigkeiten sind dabei um Grofienordnungen kleiner als in der Erdatmosphare und in den Ozeanen. Die Entstehungsgeschichte der Erde reicht 4.5 Milharden Jahre zuriick. Im Urzustand stromten aufgrund der radioaktiven Aufheizung geschmolzenes Eisen und Nickel in Form von Ringwirbeln zum Erdzentrum, ohne dass fiir diese Hypothese gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Man stellt sich aus heutiger Sicht den weiteren Verlauf der Evolution der Erde so vor, dass Silikate vom Erdinneren an die Oberflache transportiert wurden, wo sie aufgrund der Abkiihlung erstarrten und die Erdkruste bildeten. Etwa vor 200 Millionen Jahren begannen sich die Kontinente und Ozeane auszubilden, wie wir sie heute kennen.
Wellenhohe in tiefem Wasser 0.5 m
Wellenhohe am Ufer bis zu 30 m
20 m 50km/h 3500 m 650 km/h Bebenherd 7000 m 950 km/h
1
A b b . 1.6: Ausbreitung eines Tsunamis 2005
1 Einfiihrung
Malaiischer Archipel Indischer Ozean Pazifischer Ozean
•.-m-w
liKff..i.f
Afrikanischer Amerikanischer Kontinentalblock Kontinentalblock Atlantischer Ozean
Erdmagnetfeld
A b b . 1.7: Stromungen im Erdinneren
Gesichert ist die Erklarung der Kontinental-Drift auf der Erdoberflache, die durch die Konvektionsstromung in der Erdmantelschicht verursacht wird. Die Abbildung 1.8 zeigt, dass etwa vor 250 Millionen Jahren Siid-Amerika und Afrika ein Kontinent bildeten. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man die Landmassen unter Wasser mitberiicksichtigt. Diese beiden Kontinente driften bis heute in den Scherschichten der in Abbildung 1.7 skizzierten Konvektionsrollen der Asthenosphare auseinander. Die Driftgeschwindigkeit betragt heute bis zu 5 cm pro Jahr. In der Umgebung von Auftriebszonen der Konvektionsrollen in der Erdmantelschicht wird heifies Magma aus dem Erdinneren an die Erdoberflache transportiert. So entstand der
Anden Atlantik
A b b . 1.8: Drift der Kontinente
1.1 Stromungen in Natur und Technik
mittelatlantische Riicken. In den Abtriebszonen wird kaltes Erdkrustenmaterial ins Erdinnere transportiert, was den Graben im Pazifik zur Folge hat. Die Drift der siidamerikanischen Kontinentalplatte bildet vor dem Graben das Anden-Gebirge. Die Grofie der Konvektionsrollen in der Erdmantelschicht betragt etwa 700 km. Dies vermutet man deshalb, da fiir geringere Tiefen bisher keine Erdbebenzentren lokalisiert wurden. Ganz entsprechende Stromungen beobachten wir auch auf und in den Planeten unseres Sonnensystems bei veranderter Rotationsgeschwindigkeit der Planeten und anderer Gaszusammensetzung von deren Atmosphare. Die Stromungen in den Planetenatmospharen haben die gleiche Ursache wie die in der Erdatmosphare. Der Energie- und Impulsaustausch zwischen dem Aquator und den Polen erfolgt ebenfalls iiber grof^raumige Konvektionsstromungen. Diese hangen von der Rotationsfrequenz und der jeweiligen Hohe der Planetenatmosphare sowie deren Dichteschichtung und chemischen Zusammensetzung, der Bilanz der Sonneneinstrahlung und deren Reflexion auf der Planetenoberflache ab. Beobachten wir in Abbildung 1.9 die Jupiter-Atmosphare, so erkennen wir ganz entsprechende zonale Zellstrukturen, wie wir sie in Abbildung 1.1 fiir die Erdatmosphare beschrieben haben. Der Jupiter, der grofite Planet unseres Sonnensystems, besteht aus verdichtetem Gas und rotiert 2.4 mal so schnell wie die Erde. Er emittiert nahezu doppelt so viel Energie, als er von der Sonne aufnimmt. Dabei betragt die Temper at urdifferenz zwischen den Polen und dem Aquator lediglich 3 K, so dass der Warmetransport zu den Polen eine untergeordnete Rolle spielt. Die Oberflache ist in der Umgebung des Aquators in zwei Konvektionszellen hohen und niedrigen Drucks aufgeteilt. Diese bilden Bander von Gas-Jets entgegengesetzter Richtung, an deren Scherschichten sich grofiraumige Wirbel ausbilden. Die Windgeschwindigkeiten betragen dabei bis zu 500 km/h. In grofieren Breiten entstehen aufgrund der inneren Aufheizung ovale antizyklonische Wirbel ganz analog den Hurrikans in der Erdatmosphare. Diese wirken in der Jet-Stromung der Jupiter-Atmosphare wie Hindernisse, die im Nachlauf wiederum eine periodische Wirbelbildung zur Folge haben. Diese so genannten roten Flecken haben eine Ausdehnung von bis zu 22.000 km und sind bemerkenswert stabil. Sie zerfallen sehr langsam, so dass ihr Durchmesser vor 100 Jahren
Jupiter Abb. 1.9: Stromungen in Planetenatmospharen
Saturn
10
1 Einfiihrung
etwa doppelt so grofi war. Die Atmosphare des Saturns zeigt eine ganz ahnliche Struktur wie die des Jupiters, wobei die Saturnringe keine Stromungserscheinung sind, sondern im Gravitationsfeld des Saturns mitrotierende Materieringe darstellen. Auch die Granulation der Sonnenoberflache (Abbildung 1.10) ist ein Stromungsphanomen. Es sind wiederum Konvektionszellen mit einem Durchmesser von etwa 1.000 km und einer Lebensdauer von einigen Minuten. Das heifie Plasma des Sonnen-Fusionsreaktors stromt in den hellen Zonen an die Sonnenoberflache und stromt in den dunklen Zellzonen nach entsprechender Abkiihlung nach innen. Die Plasmastrome in den Zellen sind mit starken Magnetfeldern verbunden. Dies tritt insbesondere in der Umgebung von schwarzen Flecken in Erscheinung, wo sich in den kalteren Zonen der Sonnenoberflache die Konvektionszellen entlang des radialen Magnetfeldes zu langlichen Konvektionsrollen den sogenannten Fibrillen formen. Das rechte Bild der Abbildung 1.10 zeigt drei Schichten der solaren Oberflache, die mit speziellen Filtern des Sonnenteleskopes der Universitat Utrecht aufgenommen wurden. Die untere Schicht der Photosphare, also der Oberflache der optisch sichtbaren Sonne zeigt die bereits beschriebene Granulation der Sonnenoberflache sowie einen schwarzen Flecken, der die Grofie der Erde besitzt. Das mittlere Bild zeigt einen Bereich der unteren Chromosphare, der sich einige hundert Kilometer dariiber befindet. Das Muster ahnelt jenem in der Photospare, aber die Helligkeitsstufen sind vertauscht. Uber den hellen Granulationszellen erscheint die Chromosphare dunkel und iiber den Zwischenraumen hell. Dies deutet darauf hin, dass die Konvektionszellen eine umgekehrte Stromungsrichtung besitzen. In der Umgebung des schwarzen Fleckens treten die langlichen Fibrillen auf, die sich entlang der Magnetfelder orientieren. Einige tausend Kilometer hoher in der oberen Schicht der Chromosphare haben die langlichen Konvektionsrollen der Fibrillen die Ober-
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Abb. 1.10: Stromungen auf der Sonnenoberflache
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11
1.1 Stromungen in Natur und Technik
Abb. 1.11: Galaxie hand gewonnen. Dabei haben die meisten Magnetfeldlinien ihren Ursprung in der Region des Sonnenfleckens. Wir finden auch Wirbelsysteme im Kosraos (Abbildung 1.11). Die Galaxien bestehen aus hunderten Billionen einzelnen Sternen. Unsere Sonne bedurfte etwa 250 Millionen Jahre, um sich einmal um das Zentrum unseres Milchstrafiensystems zu bewegen, dessen Durchmesser etwa 75.000 Lichtjahre betragt. Im Weltall gibt es Billionen solcher rotierender Galaxien, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie im Wirbelzentrum eine hohere stellare Konzentration aufweisen, wo neue Sterne entstehen konnen. Diese astrophysikalischen Beispiele gehen jedoch weit iiber die kontinuumsmechanische Theorie der Stromungen hinaus, mit der wir uns in diesem Lehrbuch befassen werden. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Beispielen von Stromungen in der Natur befasst sich die Biostromungsmechanik mit Stromungen, die von flexiblen biologischen Oberflachen aufgepragt werden. Man unterscheidet die Umstromung von Lebewesen in Luft Oder im Wasser, wie den Vogelflug oder das Schwimmen der Fische und Innenstromungen, wie den geschlossenen Blutkreislauf von Lebewesen. Die Evolution hat in den vergangenen Jahrmillionen fiir die Fortbewegung der Lebewesen je nach Grofie und Gewicht das Kriechen, Laufen, Schwiraraen, Gleiten bzw. Fliegen
i^ \ Abb. 1.12: Haifisch
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1 Einfiihrung
entwickelt. Der fiir die Ortsveranderung notwendige Vortrieb erfordert eine angepasste Stromungskontrolle. Die Fortbewegung von Bakterien und Einzellern erfolgt bei vorherrschender Reibung mit Wimpern und Geifieln. Kaulquappen und Kraken nutzen die Tragheitskraft eines Strahlantriebs zur Fortbewegung. Aale bewegen sich wellenformig, Wale nutzen die Wirbelablosung der Schwanzflosse zum Vortrieb. Schnell schwimmende Fische, wie die Haie (Abbildung 1.12), weisen Langsrillen auf ihren Schuppen auf, die die viskose Unterschicht der Stromungsgrenzschicht derart beeinflussen, dass der Stromungswiderstand reduziert wird. Damit erreichen Haie kurzzeitig Spitzengeschwindigkeiten bis zu 90 km/h. In der Technik werden derartige Riefenfolien genutzt, um den Widerstand von Verkehrsflugzeugen und Hochgeschwindigkeitsziigen bzw. die Verluste in Pipelines zu verringern. Das Fliegen ist in der Natur in unterschiedlicher Weise bei den Insekten, Fledermausen und Vogeln zu beobachten. Da die Propellerrotation um eine Achse biologisch nicht moglich ist, wird der zum Fliegen erforderliche Auftrieb und Vortrieb durch die Hin- und Herbewegung eines Fliigelschlages erreicht. Der Vortrieb entsteht dadurch, dass der Abwartsschlag mit grofier Kraft und der Aufwartsschlag bei moglichst geringem Widerstand ausgefiihrt wird. Den grofiten Anteil des Vortriebes liefern beim Vogel die aufieren Telle des Fliigels, die den grofiten Tell der Vertikalbewegung zuriicklegen. Dabei wird die Anstellung verschiedener Profilschnitte des Fliigels im Verlauf einer Schwingungsperiode durch die Deformation des Fliigels verandert. Der innere Teil des Fliigels erzeugt im Wesentlichen den Auftrieb. Damit sind die Funktionen des Tragfliigels und Antriebpropellers eines Propellerflugzeuges im Vogelfliigel integriert. Allerdings wird dies damit erkauft, dass sich Auftrieb und Vortrieb im Verlauf einer Schwingung andern. Den damit verbundenen Stabilitatsproblemen wird durch aerodynamische Krafte der Schwanzflachen entgegengewirkt, die als horizontales Steuerruder die Schwingbewegung ausgleichen. Der grofite Wandervogel Albatros erreicht bei einer Spannweite von 3.8 m
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Abb. 1.13: Storch und Hangsegler
1.1 Stromungen in Natur und Technik
13
eine Spitzengeschwindigkeit bis zu 110 km/h und eine Gleitzahl, dem Verhaltnis von Auftriebskraft zu Widerstandskraft, von 20. Die erste erfolgreiche technische Umsetzung des Vogelfluges gelang Otto Lilienthal 1891 mit seinem manntragenden Gleitflugzeug (Abbildung 1.13). Der vogelahnliche Gleiter hatte einen starren Fliigel mit integrierten vertikalen und horizontalen Flachen, die fiir die Stabilitat sorgten. Die Flugkontrolle des Hanggleiters erfolgte durch Gewichtsverlagerung des Korpers unter dem Gleiter. Der Warme- und Stofftransport in Lebewesen erfolgt in Kreislaufen. Dazu gehoren die Atmung, der Blut- und Lymphkreislauf sowie der Wasserhaushalt. Allen biologisch bedingten Stromungen ist gemeinsam, dass die Bewegung von aufieren bzw. inneren hochflexiblen und strukturierten Oberflachen aufgepragt wird. Daraus resultiert eine aktiv kontrollierte Stromung, deren Verluste gering gehalten werden. Von der Vielzahl biologischer Stromungen wahlen wir die Blutzirkulation im raenschlichen Korper aus. Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehoren mit zu den haufigsten Erkrankungen der modernen Zivilisation. Ablagerungen in Arterienverzweigungen und an Herzklappen sowie Vernarbungen des Herzmuskels durch einen Herzinfarkt verandern das pulsierende Stromungsverhalten im Herzen und im Blutkreislauf. Uberschreiten die Stromungsverluste einen lebensbedrohlichen kritischen Wert, ist eine Operation unausweichlich. Um die Stromungsverluste im erkrankten Herzen vor und nach der Operation vorhersagen zu konnen, wurde ein virtuelles Herz zur Stromungssimulation entwickelt. Das Herz pumpt in jeder Minute etwa 5 / Blut in den Kreislauf. Die Pumpleistung kann sich bei korperlicher Belastung auf 20 bis 30 / pro Minute erhohen. Der Blutkreislauf besteht aus zwei getrennten, iiber das Herz untereinander verbundenen Teilkreislaufen. Man bezeichnet den einen als Korperkreislauf und den anderen als Lungenkreislauf. Der Gesamtkreislauf sichert den Gasaustausch zwischen dem Stoffwechsel im menschlichen Korper und der Luft der Atmosphare. Das Herz besteht aus zwei getrennten Pumpkammern, dem linken und rechten Ventrikel. Der rechte Ventrikel fiillt sich mit sauerstoffarmem Blut aus dem Korperkreislauf, um sich bei seiner Kontraktion in den Lungenkreislauf zu entleeren. Das in der Lunge reoxigenierte Blut wird vom linken Ventrikel in den Korperkreislauf befordert. Die vereinfachte Darstellung der Stromung wahrend eines Herzzyklus ist in Abbildung 1.14 gezeigt. Die Vorhofe und Ventrikel des Herzens sind durch die Atrioventrikularklappen getrennt, die das Einstromen in die Herzventrikel regulieren. Sie verhindern die Blutriickstromung wahrend der Ventrikelkontraktion. Wahrend der Ventrikelrelaxation verhindert die Pulmonalklappe den Blutriickstrom aus den Lungenarterien und die Aortenklappe den Riickstrom aus der Aorta in den linken Ventrikel. Die Ventrikel durchlaufen wahrend der Herzzyklen eine periodische Kontraktion und Relaxation, die den pulsierenden Blutstrom im Korperkreislauf sicherstellt. Dieser Pumpzyklus geht mit Anderungen des Ventrikel- und Arteriendruckes einher. Die jeweilige Druckdifferenz sorgt fiir das druckgesteuerte Offnen und Schliefien der Herzklappen. Beim gesunden Herzen ist die pulsierende Stromung laminar und ablosefrei. Defekte des Pumpverhaltens des Herzens und Herzinsuffizienzen fiihren zu turbulenten Stromungsbereichen und Riickstromungen in den Ventrikeln, die die Stromungsverluste im Herzen erhohen.
14
1 Einfiihrung
Fiir die medizinische Diagnostik ist die Kenntnis des instationaren dreidimensionalen Stromungsfeldes erforderlich. Die Abbildung 1.14 zeigt in vier Einzelbildern die Ergebnisse einer Computersimulation der Stromung im menschlichen Herzen. Das erste Bild zeigt die Stromlinien des Einstromvorgangs in den linken Herzventrikel. Die Mitralklappe ist geoffnet und die Aortenklappe geschlossen. Man erkennt den Einstromwirbel, der sich mit
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Einstromen Mitralklappe geoffnet
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Ausstromen
Ventrikelrelaxation
Aortenklappe geoffnet
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Stromungsberechnung im linken Herzventrikel, dem Vorhof und der Aorta Abb. 1.14: Stromung im menschlichen Herzen wahrend eines Herzzyklus
1.1 Stromungen in Natur und Technik
15
fortschreitender Zeit verzweigt und die Ventrikelspitze durchstromt. Bei der Ventrikelkontraktion sind Aorten- und Mitralklappe geschlossen. Der linke Ventrikel ist vollstandig mit Blut gefiillt und die berechneten Stromungsgeschwindigkeiten sind sehr klein. Beim Ausstromen ist die Mitralklappe geschlossen und die Aortenklappe geoffnet. Die Stromlinien zeigen den Ausstromjet in die Aorta. Bei der Ventrikelrelaxation sind beide Herzklappen geschlossen. Es beginnt das Einstromen in den linken Vorhof. Dies soil zunachst an einfiihrenden Stromungsbeispielen aus unserer natiirlichen Umwelt geniigen. Der interessierte Leser findet weitere Anregungen in den anschauhchen Biichern von M. Van Dyke 1982 und H. J. Lugt 1983. Wenden wir uns den technischen Stromungsbeispielen zu. Unsere Umwelt ist in vielfaltiger Weise von Stromungsphanomenen gekennzeichnet. So fiihrt die Optimierung von Stromungen zur Widerstandsverringerung von Verkehrsflugzeugen, Schienen- und Kraftfahrzeugen und damit zu Kraftstoffeinsparungen. Sie fiihrt in den Antriebsaggregaten zur Steigerung des Wirkungsgrades und der Reduktion der Schadstoffemission. Bei der Herstellung von Materialien aus der Schmelze bestimmt sie die innere Struktur und damit die Festigkeit und Belastbarkeit des Materials. In chemischen Produktionsanlagen und Pipelines verringert die Optimierung der Stromungen die Verluste und reduziert damit die fiir die Herstellung und den Transport der Fliissigkeiten und Gase erforderUche Pumpleistung. Die Entwicklung der Verkehrs- und Schienenfahrzeuge iiber die Jahrzehnte ist in Abbildung 1.15 dargestellt. Im Wesentlichen geht es darum, entsprechend der Transportgeschwindigkeit widerstandsarme Korperformen zu finden, um den Kraftstoffverbrauch der Triebwerke bzw. die elektrische Leistung der Antriebsmotoren moglichst gering zu halt en. Die Entwicklung der Verkehrsluftfahrt begann in den dreifiiger Jahren mit der legendaren Ju 52. Sie transportierte 17 Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h und wurde von drei Kolbenmotoren angetrieben. Das Bestreben moglichst schnell von einem Ort zum anderen zu fliegen, fiihrte zur Entwicklung der Diisentriebwerke, die es heute erlauben in einer Hohe von 10 km mit einer Geschwindigkeit von 950 km/h zu fliegen. Die Grofiraumjets transportieren dabei bis zu 555 Passagiere und in der nachsten Generation der Verkehrsflugzeuge bis zu 900 Passagiere. Der erste Vertreter dieser aerodynamisch neuen Generation von Verkehrsflugzeugen war die Boeing 707 (Bildmitte Abbildung 1.15). Die entscheidende aerodynamische Erfindung war dabei der Pfeilfliigel der Aerodynamischen Versuchsanstalten in Gottingen in den friihen vierziger Jahren, der erst einen widerstandsarmen Flug bei den so genannten transsonischen Geschwindigkeiten moglich machte. Ein Vertreter der neuen Generation von Verkehrsflugzeugen ist der Airbus A 340. Dabei ist der Rumpf fiir den Transport moglichst vieler Passagiere grower geworden. Dennoch erreicht man eine erhebliche Treibstoffersparnis gegeniiber der Boeing 707. Neben der verbesserten Aerodynamik des transsonischen Tragfliigels sind es leichtere Materialien und verbesserte Fertigungstechniken sowie neue Fan-Triebwerke und das automatisierte Zwei-Piloten-Cockpit, die zu dieser Kraftstoffeinsparung und damit zur Reduzierung der Schadstoffemission durch die Luftfahrt in der hohen Atmosphare gefiihrt haben. Die Fan-Triebwerke haben gegeniiber den urspriinglichen Diisentriebwerken einen deutlich grofieren Durchmesser. Ein Teil der vom Fan verdichteten kalten Luft wird am heifien Antriebsstrahl als Luftmantel vorbeigefiihrt. Dies hat den zusatzhchen Nutzeffekt, dass die Schallabstrahlung der Diisentriebwerke bei gleichzeitiger Steigerung des
16
1 Einfiihrung
Wirkungsgrades drastisch reduziert werden konnte. Die Zukunft des interkontinentalen Luftverkehrs gehort den Grofiraumjets. Der Airbus A 380 transportiert in der Grundausfiihrung 555 Passagiere bis zu 14.800 km. Dabei betragt das maximale Startgewicht 560 Tonnen. Die Neukonstruktion dieses Grofiraumjets besitzt eine Kabinenlange von 50 m bei einem Rumpfdurchmesser von 7 m. Die Fliigelspannweite von 80 m iibertrifft alle Spannweiten bisheriger Passagierflugzeuge. Bei den Schienenfahrzeugen ist eine ganz entsprechende aerodynamische Entwicklung iiber die Jahrzehnte zu beobachten. Da der Leistungsaufwand mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit und der Widerstand eines Fahrzeuges quadratisch mit der Geschwindigkeit wachst ergibt sich bei Reisegeschwindigkeiten iiber 100 km/h die Notwendigkeit, die aerodynamische Formgebung entsprechend anzupassen. Wahrend bei den herkommlichen Dampflokomotiven die Stromungsoptimierung lediglich mit seitlichen Windabweisern den
Abb. 1.15: Entwicklung der Verkehrsflugzeuge und Schienenfahrzeuge
1.1 Stromungen in Natur und Technik
17
Dampf vom Fiihrerhaus fern halt, wurde bei den IC-Ziigen eine widerstandsarme Formgebung der Lokomotive und Luftabweisern im Bereich der Rader der Fahrgastwagen in ersten Ansatzen verwirklicht. Erst beim ICE 3, der eine Reisegeschwindigkeit bis zu 330 km/h erreicht, wurde eine konsequente aerodynamische Formgebung technisch umgesetzt, wenngleich auch hier z. B. die Stromabnehmer einer aerodynamischen Verkleidung bediirfen. Auch bei den Schienenfahrzeugen ist die stromungsmechanische Entwicklung noch nicht am Ende. Derzeit sind Projekte in Rohren mit Reisegeschwindigkeiten bis zu 500 km/h in der Planung. In der Vergangenheit wurde die Aerodynamik von Verkehrsflugzeugen und Schienenfahrzeugen ausschhefihch im Windkanal entwickelt. Abbildung 1.16 zeigt das Windkanalmodell des Airbus A 340 in der Startphase. Dabei werden mit einer in der Halterung des Modells integrierten Waage sechs Komponenten der aerodynamischen Krafte gemessen. Da im Windkanal das ruhende Modell mit der dem Flug entsprechenden Windgeschwindigkeit von ca. 300 km/h angestromt wird, muss der Boden des Windkanals mit der entsprechenden Geschwindigkeit mitbewegt werden. Dies sind sehr aufwendige Experimente, die die Entwicklungszeit eines Verkehrsflugzeuges von bis zu 8 Jahren von der Definition der Anforderung (Fluggeschwindigkeit, Nutzlast) iiber den Entwurf bis zur Produkteinfiihrung entscheidend bestimmen. Diese sehr langen und damit kostenintensiven Entwicklungszeiten werden heute mit stromungsmechanischen Simulationsmethoden auf Grofirechnern deutlich verringert. Die Stromungssimulation erlaubt dabei recht einfache Variationen der Geometric und Stromungsparameter, ohne dass dafiir jeweils neue Windkanalmodelle gebaut werden miissen. In den zukiinftigen Projekten wird demzufolge die stromungsmechanische Software auf Grofirechnern neben dem Windkanal das Entwicklungswerkzeug fiir den Entwurfsingenieur sein. Dem Windkanalexperiment wird zunehmend die Rolle der Software-Verifikation zukommen. Die fiir die Produktentwicklung erforderlichen stromungsmechanischen Grundlagen sowie die mathematischen Methoden zur Losung der stromungsmechanischen Grundgleichungen auf Grofirechnern bis hin zur Handhabung der Software werden in diesem Lehrbuch bereitgestellt. Die widerstandsarme aerodynamische Formgebung eines Kraftfahrzeuges wurde bereits 1938 technisch gelost. Den fiir das Erreichen des Geschwindigkeitsweltrekordes auf der Strafie von Mercedes-Benz 1937 gebauten Rennwagen zeigt Abbildung 1.17. Der heute gelaufige Widerstandsbeiwert c^ (dimensionslose Widerstandskraft) betrug 0.365. Mit der
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Abb. 1.16: Modell des Airbus A 340 im Windkanal und Flugerprobung
18
1 Einfiihrung
Cw = 0,170
1938
c,,, = 0,365
1937
Abb. 1.17: Mercedes-Benz W125 im Windkanal
Versenkung des Fahrers in den Rennwagen und der Verkleidung der Rader wurde ein so genannter Stromlinienkorper (siehe Kapitel 2.3.2) verwirklicht mit der drastischen Widerstandsreduzierung auf einen c^-Wert von 0.17. Die Abbildung 1.18 macht deutlich, dass der optimal erreichbare aerodynamische Wert 0.12 betragt. Umso beachtlicher ist die Entwicklungsleistung der damaligen Mercedes-Benz Ingenieure. Wirklich beriicksichtigt wurde diese Erkenntnis bei Strafienfahrzeugen jedoch erst in den achtziger Jahren, nachdem das Bewusstsein der erforderlichen Kraftstoffeinsparung durch die Olkrise geweckt
1920
1960
Jahr
2000
Abb. 1.18: Entwicklung des Cw-Wertes von Kraftfahrzeugen
1.1 Stromungen in Natur und Technik
19
wurde. Heute hat sich die Kraftfahrzeugindustrie auf einen Kompromiss des Widerstandsbeiwertes von etwa 0.26 eingestellt, der es gegeniiber dem Stromlinienkorper erlaubt einen komfortablen Fahrgastraum mit dem erforderlichen Rundumblick zu realisieren. Obwohl die Aerodynamik des Kraftfahrzeuges seit mehr als 60 Jahren bekannt ist, kommt es dennoch zu aerodynamischen Fehlschlagen, wie die Abbildung 1.19 eindrucksvoll demonstriert. Beim 24 Stunden Rennen von Le Mans hebt 1999 einer der Rennwagen beim Uberfahren einer Kuppe ab und iiberschlagt sich mehrmals. OffensichtHch war der durch die Formgebung der Karosserie vorgegebene aerodynamische Anpressdruck auf die Strafie zu gering. An dieser Stelle sei unsere Einfiihrung stromungstechnischer Beispiele mit einer Anekdote erganzt. Der einzige fiir die aerodynamische Entwicklung von Kraftfahrzeugen in Deutschland betriebsbereite und mit einer entsprechenden Waage ausgeriistete Windkanal stand 1952 an Schlichtings Institut in Braunschweig. Es lag also nahe, dass das benachbarte Wolfsburger Werk die Volkswagentypen VWll und VWX2, der dem Stromlinienkorper sehr ahnlich war, im Braunschweiger Windkanal beziiglich des aerodynamischen Widerstandes vermessen liefi. Die Windkanalergebnisse sind in Abbildung 1.20 dargestellt. Fiir den Prototypen VWX2 wurde ein beachthch giinstiger Widerstandsbeiwert von 0.22 gemessen, wahrend der letztendlich produzierte VW-Kafer den sehr schlechten Widerstandsbeiwert von 0.4 aufweist. Uber die Ignoranz seiner Ergebnisse war Schlichting der art verargert, dass er die Ergebnisse der Abbildung 1.20 nicht gerade zur Freude der beteiligten Firma auf der nachsten internationalen Tagung vortrug. Ein weiteres technisches Anwendungsbeispiel der Bauwerksaerodynamik zeigt die Abbildung 1.21. Die inzwischen fiir ihre unsachgemafie aerodynamische Auslegung beriihmt gewordene Tacoma Narrows Briicke iiberspannte iiber eine Lange von 1810 m die Meerengen von Puget Sound im US-Bundesstaat Washington. Am 7. November 1940 wehte der
Abb. 1.19: Rennwagen beim 24 Stunden Rennen in Le Mans
20
1 Einfiihrung
Wind senkrecht zur Briicke mit einer Geschwindigkeit von ca. 68 km/h. Dabei setzte an der gegeniiberliegenden Seite der Briicke eine periodische Stromungsablosung ein, die man Karmansche Wirbelstrafie nennt. Die Eigenfrequenz der Briicke entsprach ungliicklicherweise der Frequenz der periodischen Stromungsablosung, so dass mechanische Eigenschwingungen angeregt wurden, die letztendlich zum Einsturz der Briicke fiihrten. Die Optimierung von Stromungen ist auch fiir die Auslegung von Verbrennungsraotoren von Bedeutung. In Abbildung 1.22 ist der bekannte Zyklus eines Otto-Motors dargestellt. Das Kraftstoff-Luft-Gemisch wird bei geoffnetem Einlassventil vom zuriicklaufenden Kolben angesaugt. Um eine moglichst homogene Durchmischung zu erreichen, iiberlagert man eine Drallstromung, den so genannten Tumble. Im zweiten Takt wird bei geschlossenem Ventil das Treibstoff-Luft-Gemisch derart verdichtet, dass nach der Ziindung der Verbrennung das expandierende heifie Gas den Kolben fiir den mechanischen Antrieb nach unten bewegt. Ist der Verbrennungszyklus abgeschlossen, werden im 4. Takt die Abgase durch das Auslassventil ausgestofien. Nach mehr als 100 Jahren Entwicklung von Verbrennungsmotoren sollte man meinen, dass die Stromungsvorgauge des Ansaugens,
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Abb. 1.20: Messung der Kraftfahrzeug-Widerstandsbeiwerte im Windkanal
21
1.1 Stromungen in Natur und Technik
Abb. 1.21: Aerodynamische Schwingungsanregung der Tacoma Briicke
der Verdichtung, der Verbrennung und des Austritts der heifien Abgase bereits optimiert sind. Schon die Notwendigkeit eines zusatzlichen Katalysators fiir die Verminderung der Schadstoffemissionen zeigt, dass dies bis heute nicht der Fall ist. Es werden intensive Bemiihungen unternommen, um die beim Dieselmotor iibliche Direkteinspritzung des Treibstoffs auch beim Otto-Motor zu verwirklichen. Davon verspricht man sich eine Treibstoffersparnis von etwa 10 % bei gleichzeitiger Erhohung des Wirkungsgrades. Die Abbildung 1.23 zeigt einen solchen direkteinspritzenden Otto-Motor. In der Kompressionsphase wird die vom Einspritzventil eingebrachte brennbare Gemischwolke iiber die Umlenkung in der Kolbenmulde direkt an der Ziindkerze zur Ziindung gebracht. Der Kraftstoff wird iiber eine Mehrlochdiise eingespritzt. Es bleibt jedoch die stromungsmechanische Aufgabe der Optimierung der Verbrennung beziiglich der Verringerung der Schadstoffemissionen. Stromungen mit Verbrennung werden technisch genutzt fiir den Antrieb von Flugzeugen, Schiffen und Kraftfahrzeugen. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt den grofiten Teil der elektrischen und Warmeenergie (Abbildung 1.24). Die Optimierung der
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Ansaugen
Verdichtung
Abb. 1.22: Zyklus eines Otto-Motors
Verbrennung
22
Auslassventil
1 Einfiihrung
Einlassventil
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Einspritzventil brennbare Gemischwolke
Abb. 1.23: Otto-Motor mit Direkteinspritzung {Bosch 1999)
Stromungen bei diesen Verbrennungsprozessen ermoglicht die Verringerung des Kraftstoffverbrauches sowie die Reduzierung der Schadstoffemissionen. Turbulente Verbrennungsprozesse sind durch ein breites Spektrum von Zeit- und Langenskalen charakterisiert. Die typischen Langenskalen der Turbulenz reichen von der Ausdehnung der Brennkammer bis hinunter zu den kleinsten Wirbeln, in denen turbulente kinetische Energie dissipiert wird. Die der Verbrennung zugrunde liegenden chemischen Reaktionen geben ein breites Spektrum von Zeitskalen vor. Abhangig vom Uberlappen der turbulenten Zeitskalen mit den chemischen Zeitskalen gibt es Bereiche mit einer starken oder schwachen Wechselwirkung zwischen Chemie und turbulenter Stromung. Eine vollstandige Beschreibung turbulenter Flammen muss deshalb die kleinsten und die
Brennkammer Abb. 1.24: Stromungen mit Verbrennung
Abgase
1.1 Stromungen in Natur und Technik
23
grofiten Skalen auflosen. Es werden Mittelungstechniken in Form von Turbulenzmodellen eingesetzt, die die technische Anwendung im Hinblick auf Mischung, Verbrennung und Schadstoffbildung realistisch beschreiben. So zeigt die Verbrennungsfront einer Flamme in Abbildung 1.25 abgeschlossene Bereiche von Frischgas, die in das Abgas eindringen. Dieser transiente Prozess kann mittels der direkten numerischen Simulation, die in Kapitel 3.2.4 beschrieben wird, zeitlich aufgelost untersucht werden und ist fiir die Bestimmung des Giiltigkeitsbereiches bestehender sowie die Entwicklung neuer Modelle zur Beschreibung der turbulenten Verbrennung von Bedeutung. In verfahrenstechnischen und chemischen Produktionsanlagen (Abbildung 1.26) sind es Rohrstromungen in Kriimmern und Verzweigungen, die Verluste verursachen. Bei Fliissigkeitsabscheidern sind Mehrphasenstromungen mit Tropfen und Blasen zu beriicksichtigen, die bei der Optimierung der Prozessablaufe eine Vielfalt stromungstechnischer Fragestellungen aufwerfen. Die M e h r p h a s e n s t r o m u n g e n (Abbildung 1.27) sind die am haufigsten auftretende Stromungsformen in Natur und Technik. Dabei ist der Begriff Phase im thermodynamischen Sinne als einer der Aggregatszustande fest, fliissig und gasformig zu verstehen, die in ein- oder mehrkomponentigen Stoffsystemen simultan auftreten konnen. Die mit Regentropfen und Hagelkornern driftenden Gewitterwolken, der schaumende Gebirgsbach, die abgehende Schneestaub-Lawine oder die Vulkanasche-Wolke sind eindrucksvolle Beispiele fiir Mehrphasenstromungen in der Natur. In der Kraftwerks- und chemischen Verfahrenstechnik sind Mehrphasenstromungen ein entscheidendes Mittel fiir Warme- und Stofftransport. Zweiphasenstromungen bestimmen das Geschehen in den Dampferzeugern, Kondensatoren und Kiihltiirmen von Dampfkraftwerken. Der niederfallende Regen des Kiihlwassers in einem Nasskiihlturm ist in der Abbildung 1.28 zu sehen. Die Wassertropfen geben ihre Warme durch Verdampfen an die sich erwarmende aufsteigende Luft ab. Mehrphasen-Mehrkomponenten-Stromungen werden bei der Gewinnung, dem Transport und der Verarbeitung von Erdol und Erdgas eingesetzt. Bei Destinations- und Rektifikationsprozessen der chemischen Industrie sind
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Abb. 1.25: Turbulente Flamme, (J. Warnatz\md
U. Riedel 2003)
24
1 Einfiihrung
Abb. 1.26: Produktionsanlage chemischen Verfahrenstechnik
in
der
diese Stromungsarten ebenso mafigeblich beteiligt. Sie treten auch als Kavitationserscheinungen an schnell umstromten Unterwassergleitflachen auf. Phanomene dieser Art sind in Stromungsmaschinen hochst unerwiinscht, da sie zu gravierenden Materialschadigungen fiihren konnen. Mehrphasenstromungen mit Verbrennung treten auch in Stromungsmaschinen auf. Als exemplarisches Beispiel sei das Fan-Triebwerk eines Verkehrsflugzeuges beschrieben. In der Abbildung 1.29 ist das Schnittbild eines modernen Fan-Triebwerks gezeigt. Die
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Abb. 1.27: Mehrphasenstromungen
25
1.1 Stromungen in Natur und Technik
vorderen Schaufelblatter bilden den so genannten Fan, der vornehmlich den Schub des gesamten Triebwerkes erzeugt. Der Fan wird von einer Gasturbine angetrieben, die sich im Inneren des Triebwerkes befindet (auch Core-Engine genannt). Ein geringer Anteil des Schubes wird durch den aus der Gasturbine austretenden Impuls des Abgasstrahles erzeugt. Die Blatter des Fans werden mit einer schallnahen Mach-Zahl von Moo = 0-8 angestromt. Infolge der Rotation der Blatter ist die Relativgeschwindigkeit zwischen den Blattern und der Stromung grower als die Schallgeschwindigkeit. Die Blatter werden also insbesondere auf grofieren Radien mit Uberschall angestromt und auf ihnen entstehen wie auf dem Tragfliigel eines Verkehrsflugzeuges Verdichtungsstofie, die nicht nur Verluste erzeugen, sondern zusatzlich akustische Probleme verursachen. Der Fan wird von der Core-Engine angetrieben. Diese wiederum besteht fiir so genannte Mehrwellentriebwerke aus einem Nieder- und Hochdruckkompressor, einer Brennkammer sowie einer Nieder- und Hochdruckturbine. Die durch die Fan-Stufe leicht vorverdichtete Luft stromt in die erste Stufe des Niederdruckverdichters. Da die Luft niedrige Temperaturen besitzt und infolgedessen die ortliche Schallgeschwindigkeit klein ist, wird bei den gangigen Drehzahlen des Kompressors der Rotor mit einer Uberschallstromung beaufschlagt. Die durch den Nieder- und Hochdruckkompressor verdichtete Luft stromt in die Brennkammer, in die Kerosin eingespritzt und verbrannt wird. Es entsteht eine Zweiphasenstromung, die aus fliissigem und gasformigem Brennstoff sowie aus Luft besteht. Der Einspritzvorgang des Kerosins muss so gewahlt werden, dass eine gute Durchmischung erzielt wird. Eine gute Durchmischung wiederum wird in einer Stromung mit hohem Turbulenzgrad erreicht. Die Giite der Durchmischung bzw. der Turbulenzgrad und die Turbulenzverteilung innerhalb der Brennkammer bestimmen auch die Schadstoffemission. Durch die Verbrennung wird der Stromung Energie zugefiihrt. Die Stromung wird heifi und tritt in die nachfolgende Hochdruckturbine ein, die den Hochdruckverdichter antreibt. Da das Gas heifi ist, ist die Schallgeschwindigkeit hoch, so dass die eintretende Turbinenstro-
A b b . 1.28: Nasskiihlturm
26
1 Einfiihrung
mung einer Unterschallstromung mit kleinen Mach-Zahlen entspricht. In der Hochdruckturbine wird das heifie Gas entspannt und tritt nachfolgend in die Niederdruckturbine ein, die den Niederdruckverdichter antreibt. Die Raurafahrt hat sich mit dem Transport von Satelliten und Raumstationen in den erdnahen Orbit in den letzten Jahrzehnten etabliert. Mit dem Ban der neuen Raumstation ISS und dem grower werdenden Bedarf geostationarer Satelliten in der Erdumlaufbahn wird die Entwicklung wiederverwendbarer Orbitaltransport- und Riickkehrsysteme immer notwendiger. Die historische Entwicklung des Orbitaltransports begann 1949 mit dem Start der ersten zweistufigen V-2 Rakete. Bei der Riickkehr der zweiten Stufe in die Erdatmosphare wurde erstmals in der Geschichte der Luft- und Raumfahrt die Mach-Zahl 5 iiberschritten. Ein Meilenstein der weiteren Entwicklung des Orbitaltransportes war das teilweise wiederverwendbare Orbitaltransportsystem Space-Shuttle in den siebziger Jahren, das bis heute im Einsatz ist (Abbildung 1.30). Die fiir den Start erforderlichen Feststoff-Raketenbooster werden wieder geborgen. Entgegen den Raumkapseln landet der Orbiter nach seiner Mission in einer erdnahen Umlaufbahn auf der Erde (Abbildung 1.31). Ledighch der Treibstofftank geht nach jedem Start verloren. Nachdem 1949 die Raketenspitze der zweiten Stufe der V-2 bei ihrem ballistischen Wiedereintritt in die Erdatmosphare aus 390 km Hohe vergliihte, folgte 1961 der erste bemannte Fan Core En2
Kompressor
Brennkammer
Turbine
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Abb. 1.29: Dreiwellen FanTriebwerk
27
1.1 Stromungen in Natur und Technik
A
..«^|1-Abb. 1.30: Start der V-2 Rakete und des Space Shuttles
Wiedereintritt in die Erdatmosphare mit einer Wiedereintrittskapsel. Beim Abbremsen der Kapsel in der Erdatmosphare wurden Mach-Zahlen iiber 25 erreicht. Das Gas vor der Kapsel wurde dabei iiber 10.000 K heifi, so dass die Wiedereintrittskapsel vor dem Vergliihen durch ein Hitzeschild geschiitzt werden musste. Es haben sich in der friihen Phase der Wiedereintrittstechnologie Ablationshitzeschilder aus beispielsweise faserverstarkten Kunstharzen als Hitzeschutz bewahrt. Dabei wird die teilweise Zerstorung der aufieren Wandschicht durch chemische Reaktionen, Sublimation, Verdunsten oder auch Schmelzfluss fiir die Warmeabfuhr genutzt. Nach jedem Wiedereintritt muss das Hitzeschild der Kapsel ersetzt werden. Erst in jiingster Zeit sind neue hitzebestandige FaserverbundC/SiC-Materidlien entwickelt worden, die mit einem entsprechenden Oxidationsschutz ein wiederverwendbares Hitzeschild moglich machen. Ein erster Ansatz eines wiederverwendbaren Hitzeschutzes wurde bereits beim Space Shuttle mit Kacheln realisiert. Die Stromungsbeispiele aus Natur und Technik lassen sich fortsetzen. Wenn der Student bis hier dem Text gefolgt ist, wird das Interesse geweckt sein, die Grundlagen und Methoden der Stromungsmechanik lernen zu wollen, um selbst die Fahigkeit zu erlangen, stromungsmechanische Probleme der Natur- und Ingenieurwissenschaften losen zu konnen. Die
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Abb. 1.31: Landung der Wiedereintrittskapsel und des Space Shuttles
28
Zusammenfassung des einfiihrenden Kapitels ist als Film Faszination unter www.herbert-oertel.de verfiigbar.
1 Einfiihrung
Stromungsmechanik
Wir mochten am Ende der Einfiihrung noch auf zusatzhche Literatur verweisen. Als erganzende Literatur zum Lehrstoff der Stromungsmechanik empfehlen wir fiir die Vertiefung der stromungsmechanischen Grundlagen das Standardwerk H. Oertel jr., Prandtl-Fiihrer durch die Stromungslehre 2002, in dem auch erganzende Gebiete der Stromungsmechanik wie die Aerodynamik, turbulente Stromungen, stromungsmechanische Instabilitaten, Stromungen mit Warme- und Stoffiibertragung, Stromungen mit mehreren Phasen und chemischen Reaktionen, Stromungen in der Atmosphare und im Ozean, biologische Stromungen sowie Stromungsmaschinen beschrieben sind. Die von technischen Problemen abgeleiteten stromungsmechanischen Phanomene finden sich in unserem Lehrbuch H. Oertel jr., M. Bohle 1995, 2005. Fiir die Vertiefung der analytischen und numerischen Losungsmethoden verweisen wir auf die Lehrbiicher H. Oertel jr., E. Laurien 1995, 2003 H. Oertel jr., J. Delfs 1996, 2005, H. Oertel jr. 1994, 2005. Die analytische Beschreibung der stromungsmechanischen Grundlagen und Methoden findet man in G. K. Batchelor 2005, H. Herwig 2006, J. H. Spurk 2006, F. M. White 2006 und die technische Anwendung der Grenzschichttheorie in H. Schlichting, K. Gersten 2006. Fiir die Vertiefung der mathematischen Grundlagen empfehlen wir das Buch von K. Meyberg, P. Vachenauer 2001.
1.2
1.2
29
Stromungsbereiche
Stromungsbereiche
Eine erste Beriihrung mit Stromungen kann jeder selbst z.B. am Wasserhahn erfahren. Halt man den Finger in den Wasserstrahl, so verspiirt man eine Kraft F , die die Stromung auf den Finger ausiibt. Diese Kraft nennen wir Widerstand, den ein Korper in einer Stromung erfahrt. Dieser Widerstand ist abhangig von der Geometrie des umstromten Korpers, der Oberflachenbeschaffenheit, dem stromenden Medium und den Stromungsvariablen. Der Widerstand wird einen unterschiedlichen Wert fiir einen Gasstrahl bzw. fiir den bisher betrachteten Wasserstrahl haben. Um Case und Fliissigkeiten nicht standig unterscheiden zu miissen, fiihren wir den Sammelbegriff des Fluids ein. Die Stromungsmechanik befasst sich mit dem kinematischen und dynamischen Verhalten dieser Fluide. Das stromende Fluid wird als Kontinuum betrachtet. Dies bedeutet, dass wir die molekulare Struktur des stromenden Mediums vernachlassigen, da die mittlere freie Weglange der Molekiile A = 6.8 • 10~^ m fiir Luft bei Normalbedingungen klein gegen die charakteristischen makroskopischen Abmessungen des Stromungsfeldes ist. Die charakteristischen physikalischen Grofien des Stromungsfeldes der Abbildung 1.32 wie der Geschwindigkeitsvektor v mit den Komponenten in den drei Raumrichtungen u^v^w, der Druck p, die Dichte p und die Temperatur T werden als kontinuierliche Funktionen des Ortes x = (x^y^z) und der Zeit t angenommen. Der zunachst betrachtete Finger im Wasserstrahl ist in der Abbildung 1.32 durch eine horizontale Platte ersetzt. Die vom Korper ungestorte Anstromung w^o zeigt in vertikale Richtung und wird mit dem Index oo versehen. Fiir die Beschreibung einer Stromung miissen die drei skalaren Feldgrofien p, p und T sowie die drei Komponenten {u,v,w) der vektoriellen Geschwindigkeit v als Funktionen der drei Koordinaten (x^y^z) und der Zeit t berechnet werden: ' p{x,y,z,t)
p{x,y,z,t)
T{x,y,z,t)
,
v{x,y,z,t)
u{x,y,z,ty v{x,y,z,t) I (1.1) w{x,y,z,t)
f
Abb. 1.32: Kraftwirkung einer Stromung
30
1 Einfiihrung
Fiir die Berechnung dieser sechs Stromungsgrofien stehen die kontinuumsmechanischen Grundgleichungen Masse-, Irapuls- und Energieerhaltung sowie die thermodynamischen Zustandsgleichungen zur Verfiigung, die in Kapitel 3 eingehend behandelt werden. In Abbildung 1.33 wird das Beispiel der umstromten horizontalen Platte weiter betrachtet, um einige grundlegende Begriffe der Beschreibung von Stromungen einzufiihren. Im linken Bild sind die Stromungsbahnen mit Aluminiumflittern sichtbar gemacht. Es fallt in der Mitte der Flatten ein ausgezeichneter Punkt auf, den wir Staupunkt nennen, in dem sich die Stromungslinien nach links und rechts verzweigen. Im Staupunkt eines Stromungsfeldes ist der Geschwindigkeitsvektor v gleich Null und man findet ein Maximum des Drucks p. Das rechte Bild der Abbildung 1.33 zeigt die Prinzipskizze der Stromung. An der Plattenoberflache gilt die Haftbedingung des Fluids. Es ist wiederum die Geschwindigkeit gleich Null, der Druck variiert jedoch im Allgemeinen entlang der Koordinate x. Die Geschwindigkeit senkrecht zur Platte variiert am betrachteten Ort vom Wert Null bis zur konstanten Geschwindigkeit der Aufienstromung. Damit haben wir eine erste Bereichseinteilung gefunden, die das Stromungsgebiet in eine Grenzschichtstromung und eine Aufienstromung aufteilt. Beriicksichtigen wir die Stoffeigenschaften des Fluids, wie z.B. die Zahigkeit /i (siehe Kap. 2.1), die fiir die Reibung in der Stromung verantworthch ist, so ist die Grenzschichtstromung der reibungsbehaftete Anteil des Stromungsfeldes und die Aufienstromung der reibungsfreie Anteil. Ursache fiir die innere Reibung sind die intermolekularen Wechselwirkungskrafte des Fluids. Zwei elastische Kugeln tauschen beim Stofi (Abbildung 1.34) Impuls und Energie momentan und vollstandig aus und weisen die in Abbildung 1.35 skizzierte unendlich grofie Wechselwirkungskraft auf. Im Gegensatz dazu ist die Wechselwirkung zwischen den Molekiilen des stromenden Fluids, je nach ihrem relativen Abstand r, durch eine abstofiende beziehungsweise anziehende Wechselwirkungskraft gekennzeichnet (siehe Kap. 2.1). Diese Wechselwirkungskrafte zwischen den Molekiilen bestimmen die Transporteigenschaften des Fluids, wie z.B. die Zahigkeit (Reibung), Warmeleitung (Energietransport), Diffusion (Massentransport). Fiir die unterschiedlichen Bereiche des stromenden Fluids gelten die entsprechenden 11 —
/// j \
1
\ \ \
— ^^
1
Staupunkt Abb. 1.33: Fliissigkeitsstrahl gegen eine horizontale Platte
Grenzschicht u —^^ —^ ^ ^ 1
^
1.2
31
Stromungsbereiche
vor dem StoB
^ re ^
^
u,
m,
nir
nach dem StoB
.£)
(
^
Abb. 1.34: Stofi zweier Kugeln (Punktmechanik)
Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik: Masse-, Impuls- und Energieerhaltung, die sowohl fiir die reibungsbehaftete Grenzschichtstromung also auch fiir die reibungsfreie Aufienstromung gelten und in Kapitel 3 behandelt werden. Eine ganz andere Einteilung der Stromungsgebiete erlauben die Stromungsgrofien Geschwindigkeit v und Dichte p. Wir sprechen von einer inkompressiblen Stromung, wenn die Dichte p im Stromungsfeld bei vorgegebener Temperatur konstant ist, wie z.B. bei Wasserstromungen. Die Stromung ist kompressibel, wenn die Dichte, wie z.B. bei Luftstromungen, sich im Stromungsfeld verandert. Ist der Geschwindigkeitsvektor v gleich Null, so sprechen wir fiir das ruhende Medium von der Hydrostatik {p = konst.) bzw. der Aerostatik {p variabel). Entsprechend bezeichnen wir die Gebiete des stromenden Fluids mit Hydrodynaraik und Aerodynamik. In Abbildung 1.36 sind Beispiele erganzt. So behandelt die Hydrostatik z.B. den Unearen
Abb. 1.35: Wechselwirkungskraft beim Stofi barter Kugeln
32
1 Einfiihrung
Ruhendes Medium
Beispiele
Stromung
Hydrostatik
Aerostatik
Hydrodynamik
Aerodynamik
inkompressibel
kompressibel
inkompressibel
kompressibel
stehende Wassersaule
nihende Atmosphare
stromende Fliissigkeit
stromendes Gas
Abb. 1.36: Einteilung der Stromungsgebiete
Druckverlauf in einer stehenden Wassersaule, die Aerostatik den Druck- und Temperatur(bzw. Dichte-) verlauf in der ruhenden Atmosphare, die Hydrodynamik die Wasserstromung um eine Platte und die Aerodynamik der Tragfliigelumstromung.
Tragfliigelurastromung Abbildung 1.37 zeigt den Fliigel des Airbus A 321. Das Flugzeug fliegt von links nach rechts. Im Windkanal wird der Tragfliigel von links mit der Mach-Zahl M^o (Verhaltnis der Anstromungsgeschwindigkeit u^o und der Schallgeschwindigkeit aoo) angestromt, wobei die Anstromung einer hohen Unterschall-Mach-Zahl Moo ~ 0.8 entspricht. Eine weitere dimensionslose Kennzahl charakterisiert den reibungsbehafteten Grenzschichtbereich der Fliigelumstromung, die Reynolds-Zahl RCL, die sich mit der Anstromung Uoo, der Fliigeltiefe L und der kinematischen Zahigkeit u {u = /i/p) berechnet: RCL = Uoo • L/u. Sie betragt fiir Verkehrsflugzeuge ungefahr RCL ~ 7 • 10^ Fiir diesen Flugzustand miissen die Stromungsverluste gering gehalten werden, damit das Verhaltnis von Auftrieb und Wider stand einen moglichst gr often Wert erreicht. Um dies zu erzielen, muss der Aerodynamiker die verschiedenen Stromungsphanomene kennen, um die Berechnungsmethoden gezielt und geeignet anwenden zu konnen. Die Tragfliigelstromung ist jedoch nicht nur fiir den Auslegungszustand in groften Flughohen von Interesse. Beim Entwurf muss gleichzeitig beriicksichtigt werden, dass der Tragfliigel auch bei Start und Landung, also im Langsamflug mit zusatzlichen Hochauftriebsmitteln ausreichend Auftrieb erzeugt. Ebenfalls ist bei der Entwicklung eines Flugzeuges zu beachten, wie der Rumpf und die Triebwerke die Tragfliigelstromung beeinflussen und wo z.B. der beste Ort fiir die Triebwerksanbringung ist.
1.2 Stromungsbereiche
33
Fiir all diese Fragen finden analytische und vornehmlich numerische Methoden ihre Anwendungen. Denn beim Entwurf ist man bestrebt, mit einigen wenigen Windkanalversuchen den Tragfliigel so zu entwickeln, dass die Entwicklungskosten und Entwicklungszeiten moglichst gering gehalten werden. Aufierdem ist z.B. eine Optimierung einer Airbus-Tragflache und eine Untersuchung des Auftriebs- und Widerstandsverhaltens bei verschiedenen Anstellwinkeln und Stromungsgeschwindigkeiten ohne moderne stromungsmechanische Methoden kaum denkbar. In Abbildung 1.38 sind die Stromungsbereiche in einem Profilschnitt des Tragfliigels, die dimensionslose Druckverteilung sowie die Sichtbarmachung der Stromung mit Teilchen dargestellt. Fiir die Diskussion benutzen wir den dimensionslosen Druckbeiwert Cp, der wie folgt definiert ist: 1 2 2 * Poo ' '^oo
p ist der Druck an einer beliebigen Stelle im Stromungsfeld, wobei die Grofien p^o, p,oo und Uoo fiir den Druck, die Dichte bzw. fiir die Geschwindigkeit der Anstromung stehen. In Abbildung 1.38 ist der —c^-Verlauf um den Tragfliigel gezeigt, um den Unterdruck auf der Oberseite (Saugseite) und den Uberdruck auf der Unterseite (Druckseite) des Tragfliigels gegeniiber der freien Anstromung hervorzuheben. Die freie Anstromung mit der Geschwindigkeit IXQO wird entlang der Staulinie verzogert. Auf der Vorderkante des Tragfliigels kommt die Stromung zum Stillstand und erreicht dort ihren maximalen Druckbeiwert Cp {—Cp minimal). Diesen Punkt auf dem Fliigel nennen wir Staupunkt. Vom Staupunkt aus verzweigt sich die Staulinie zur Saug- und Druckseite. Wir diskutieren zunachst den —c^-Verlauf entlang der Saugseite. Vom Staupunkt aus wird die Stromung entlang der Oberseite stark beschleunigt (der —c^-Wert wird grofier) und erreicht im vorderen Teil der Tragflache Uberschallgeschwindigkeiten. Weiter stromab wird die Stromung iiber einen Drucksprung, den wir Verdichtungsstoi^ nennen, wieder auf eine Unterschallgeschwindigkeit verzogert (sprunghafter Abfall des —c^-Wertes). Die Stromung wird weiter zur Hinterkante hin verzogert.
Abb. 1.37: Tragfliigel eines Verkehrsflugzeuges
34
1 Einfiihrung
Auf der Druckseite wird die Stromung ebenfalls vom Staupunkt aus beschleunigt. Die Beschleunigung ist jedoch im Nasenbereich nicht so grofi wie auf der Saugseite, so dass auf der gesamten Druckseite keine Uberschallgeschwindigkeiten auftreten. Ungefahr ab der Mitte der Tragflache wird die Stromung wieder verzogert, und der — c^-Wert gleicht sich stromab dem — c^-Wert der Saugseite an. An der Hinterkante sind die Druckbeiwerte der Druck- und Saugseite naherungsweise gleich grofi. Auf der Saug- und Druckseite bildet sich eine diinne Grenzschicht aus. Die saug- und die druckseitige Grenzschicht treffen sich an der Hinterkante und bilden weiter stromab die Nachlaufstromung. Sowohl die Stromung in den Grenzschichten als auch die Stromung im Nachlauf ist reibungsbehaftet. Aufierhalb der genannten Bereiche ist die Stromung nahezu reibungsfrei. Aus den Eigenschaften der Stromungsbereiche resultieren fiir die Berechnung der jeweihgen Stromungen unterschiedhche Gleichungen. Fiir die Grenzschichtstromungen gelten mit guter Naherung die Grenzschicht gleichungen. Mit mehr Aufwand hingegen ist die Berechnung der Nachlaufstromung und die Stromung im Hinterkantenbereich verbunden. Fiir diese Bereiche miissen die Navier-Stokes-Gleichungen gelost werden. Die reibungsfreie Stromung im Bereich vor dem Stofi ist mit der Potentialgleichung einer Berechnung zuganglich, was mit vergleichsweise wenig Aufwand verbunden ist. Die reibungsfreie Stromung hinter dem Stofi aufierhalb der Grenzschicht muss mit den Euler-Gleichungen berechnet werden, da dort die Stromung drehungsbehaftet ist. All diese stromungsmechanischen Grundgleichungen, deren Namen zunachst einmal genannt sein sollen, werden ausfiihrlich in Kapitel 3 behandelt.
> / / StoB
^ reibungsfreie Umstromung Grenzschicht Nachlauf
~:m:-^i^:.
Stromungssichtbarmachung
Abb. 1.38: Stromungsbereiche und Druckverteilung auf einem Tragfliigel
1.2
35
Stromungsbereiche
In Abbildung 1.39 sind erganzend Farbspuren der Stromungen auf dem Tragfliigel im Windkanalexperiment gezeigt. Wir erkennen, dass in einem grofien Bereich der Fliigelspannweite die Farbspuren geraden Linien folgen. In diesen Profilschnitten gelt en die Aussagen, wie wir sie bisher besprochen haben. In der Umgebung des Flugzeugrumpfes weichen die Stromungslinien jedoch von der geraden Linie ab und bilden einen "Wirbel" auf der hinteren Oberflache des Tragfliigels, den wir in den folgenden Kapiteln mit dem Begriff der Stromungsablosung verkniipfen werden, die einen wesentlichen Einfluss auf das Flugverhalten des Flugzeuges hat. Zum Abschluss des Tragfliigelbeispiels wird noch die Frage behandelt, warum der Fliigel eines Verkehrsflugzeuges im Gegensatz zu dem eines Segelflugzeuges gepfeilt ist. Dies hangt bei den hohen Flug-Mach-Zahlen von 0.8 mit der Mach-Zahlabhangigkeit des dimensionslosen Widerstandsbeiwertes c^ zusammen. Wir fiihren den Widerstandsbeiwert c^ mit ^W
(1.3)
^w
i'po
'A
ein, wobei Fw die Widerstandskraft und A die Querschnittsflache des Fliigels ist. Der Wider stand steigt bei transsonischen Stromungen stark an. Da man mit einem Verkehrsflugzeug moglichst schnell (hohe Mach-Zahl) fliegen will, aber bei moglichst geringem Wider stand den Treibstoffverbrauch moglichst gering halten will, nutzt man die Pfeilung des
Abb. 1.39: Stromungsspuren auf der Oberflache eines Tragfliigels im Windkanal
36
1 Einfiihrung
Fliigels von etwa cj) = 30° fiir die Widerstandsverringerung. Die geometrische Beziehung
verringert die lokale Mach-Zahl, mit der das Profil im jeweiligen Profilschnitt des Tragfliigels angestromt wird um den Wert cos((^) und halt um den entsprechenden Betrag den Widerstandsbeiwert gering. Damit fliegt das Verkehrsflugzeug bei der Stromungs-MachZahl Moo = 0-8 in z. B. 10 km Hohe mit einer Geschwindigkeit von 950 km/h. Kraftfahrzeugumstromung Einer der ersten Schritte bei der Entwicklung eines Kraftfahrzeuges beinhaltet die Festlegung der Fahrzeugkontur, die mehr vom Designer als vom Aerodynamiker bestimmt wird. Die Grenzen der Variationsmoglichkeiten an der Kontur (Abbildung 1.40), innerhalb derer der Aerodynamiker die Aufienhaut des Fahrzeuges mitbestimmt, sind gering. Unter Beriicksichtigung dieser Vorgaben optimiert der Automobil-Aerodynamiker vornehmlich die Kontur dahingehend, dass der Umstromungs wider stand moglichst klein wird. So sind in den letzten Jahren Fahrzeuge entwickelt worden, deren Widerstandsbeiwerte Cw kleiner als 0.3 sind. Die Minimierung des Umstromungswiderstandes ist jedoch langst nicht die einzige Aufgabe, die der Aerodynamiker beim Entwurf iibernimmt. Gleichzeitig miissen bei der Optimierung der Kontur alle Krafte und Momente, die durch die Luftstromung entstehen, mitberiicksichtigt werden. Dabei sind insbesondere die Auftriebskraft, die Seitenwindkraft und das Moment um die Hochachse des Fahrzeuges von Wichtigkeit, da sie am meisten die Fahrstabilitat beeinflussen. Des Weiteren gehort es zu den Aufgaben des Aerodynamikers dafiir Sorge zu tragen, dass die Windgerausche minimal sind, die Verschmutzung
reibungsfreie Umstromung Grenzschicht
Abb. 1.40: Umstromung eines Kraftfahrzeuges
1.2
37
Stromungsbereiche
der Scheiben bei der Fahrt gering bleibt, die Seitenspiegel im Hochgeschwindigkeitsbereich nicht vibrieren etc. Die Umstromung eines Kraftfahrzeuges kann mit guter Naherung, im Gegensatz zur bereits betrachteten Tragfliigelstromung eines Verkehrsflugzeuges als inkompressibel angenommen werden, da die Dichteanderungen klein sind. Wie beim Tragfliigel unterscheiden wir in Abbildung 1.41 Stromungsbereiche der reibungsfreien Umstromung, der Grenzschichtstromung und der reibungsbehafteten Nachlaufstromung. Die Druckkr aft vert eilung weist am Kiihler einen Staupunkt auf, in dem die Druckkraft einen maximalen Wert hat. Auf der Kiihlerhaube wird die Stromung beschleunigt, was einen Druckabfall zur Folge hat. Auf der Windschutzscheibe wird die Stromung erneut aufgestaut, was wiederum zu einem Druckanstieg fiihrt. Nach Uberschreiten des Druckminimums auf dem Dach wird die Stromung mit dem damit verbundenen Druckanstieg verzogert. Stromab des Kofferraums geht die Grenzschichtstromung in die Nachlaufstromung iiber. Wie die Visuahsierung der Stromung mit Hilfe von Ranch im Windkanalexperiment zeigt, bildet sich stromab des Fahrzeughecks ein Riickstromgebiet aus, das durch den schwarzen Bereich gekennzeichnet ist, in den keine Stromungsanzeiger (weifie Rauchpartikel) eindringen konnen. Die Unterbodenstromung konnen wir als eine Spaltstromung auffassen, deren obere Begrenzung rauh ist. Der Mittelwert der Rauhigkeitsspitzen betragt bei Personenkraftwagen bis zu ?^ 10 cm, so dass wir die Stromung in der unmittelbaren Umgebung der oberen Wand als verwirbelt annehmen miissen. Um diese Verwirbelungen zu vermeiden, werden bei vielen Personenkraftwagen Frontspoiler im unteren Bereich des Fahrzeuges vor dem Einlauf des Spaltes angeordnet. Damit reibungsfireie Umstromung Grenzschicht Nachlauf
Stromungssichtbarmachung im Nachlauf '0
©
Abb. 1.41: Stromungsbereiche und Druckkraft auf einem Fahrzeug
38
1 Einfiihrung
Abb. 1.42: Struktur der Nachlaufstromung eines Kraftfahrzeuges
wird erreicht, dass sich ein grower Teil der Stromung nicht unter dem Fahrzeug einstellt, wo infolge der Verwirbelungen eine Erhohung des Umstromungswiderstandes hervorgerufen wiirde. Die dadurch erzielbaren Einsparungen sind grower als die Verluste, die durch den Widerstand der Spoiler verursacht werden. Die Druckkraft auf der oberen Kontur ist in den meisten Bereichen wesentlich kleiner als unter dem Fahrzeug, so dass dieser Druckunterschied einen Auftrieb bewirkt. Bei der aerodynamischen Auslegung wird nun angestrebt, sowohl den Auftrieb als auch den Widerstand klein zu halten. Dazu werden, wie bereits bei der Darstellung der Unterbodenstromung erwahnt, in vielen Anwendungsfallen Konturanderungen vorgenommen und Spoiler eingesetzt, die die Stromung dahingehend umlenken, dass das Fahrzeug z.B. zusatzUchen Abtrieb erfahrt. In Abbildung 1.42 ist die Struktur der Stromung im bisher betrachteten Mittelschnitt des Kraftfahrzeuges skizziert. Wir erkennen das Riickstromgebiet mit einem Staupunkt auf der Kraftfahrzeugoberflache sowie einem Sattelpunkt im Stromungsfeld stromab, in dem die Stromungslinien sich in die Nachlaufstromung und das Riickstromgebiet verzweigen. Im rechten Bild der Abbildung 1.42 ist die dreidimensionale Struktur der Nachlaufstromung dargestellt. Man erkennt, dass sich im oberen Bereich des Kofferraumdeckels ein so genannter Hufeisenwirbel ausbildet, den man bei leichtem Schneetreiben im Heck des Fahrzeuges selbst beobachten kann.
Fliissigkeits-Darapfabscheider Ganz andere Stroraungsbereiche sind in chemischen Produktionsanlagen zu beriicksichtigen. Nehmen wir das Beispiel eines Fliissigkeits-Dampfabscheiders, so sind Fliissigkeitsstromungen in Rohrleitungen von Blasenstromungen, Tropfenstromungen bzw. Dampfstromungen zu unterscheiden. Derartige Fliissigkeits-Dampfabscheider findet man z.B. in RafRnerien zur Gewinnung schwerer Kohlenwasserstoffe aus Erdolbegleitgas.
1.2
39
Stromungsbereiche
Die Abbildung 1.43 zeigt die vereinfachte Prinzipskizze eines geothermischen Kraftwerkes zur Energiegewinnung nach dem Single Flash Prinzip. Dieses Prinzip findet Anwendung, wenn eine unzureichende Menge an Dampf bei entsprechendem Druck und entsprechender Temperatur vorliegt. Die Anlage besteht aus einem Drosselventil, dem Abscheider (Demister) , der Turbine zur Energiegewinnung aus dem Dampf und der Pumpe zur Druckerhohung der Fliissigkeit, die in die Verpressbohrung zuriickgefiihrt wird. Im Stromungsbereich 1 liegt eine inkompressible Fliissigkeitsstromung vor, die durch ein Drosselventil in den Stromungsbereich 2^ eine Zweiphasenstromung (Fliissigkeit und Dampf) iiberfiihrt wird. Bei einem adiabaten Drosselprozess wird durch ein in die Rohrstromung eingebrachtes Hindernis, z.B. ein Absperrorgan oder eine Messblende, ein Druckabfall Ap = pi — P2 mit p2 < Pi erzeugt, wahrend die Enthalpie h des stromenden Fluids konstant bleibt (log(p)-/i-Diagramm). Die dann vorliegende Zweiphasenstromung bei 2 wird anschliefiend einem Abscheider oder auch Demister zur isobaren Trennung von Fliissigkeit en und Dampf zugefiihrt. Nach der Trennung im Abscheider liegt im Stromungsbereich 3 eine kompressible Dampfstromung vor und im Stromungsbereich 5 eine inkompressible Fliissigkeit sstromung. Die Vorgange lassen sich auch im, aus der Thermodynamik bekannten log(p)-/i-Diagramm darstellen, in dem der Druck p logarithmisch iiber der Enthalpie h des stromenden Mediums aufgetragen wird. Im Zweiphasengebiet oder auch Nassdampfgebiet liegt ein Gemisch aus Fliissigkeit und Dampf vor, das links von der unteren Grenzkurve und rechts von der oberen Grenzkurve begrenzt wird. Beide Grenzkurven treffen sich im kritischen Punkt K. Die untere Grenzkurve stellt die Verbindungslinie aller Punkte des Verdampfungsbeginns dar und trennt die Fliissigkeit vom Zweiphasengebiet. Die obere Grenzkurve stellt die Verbindungslinie aller Punkte des Verdampfungsendes dar und trennt das Zweiphasengebiet vom Dampf. Die Variable X bezeichnet in der Thermodynamik gewohnlich den Dampfanteil im Nassdampf, so dass die untere Grenzkurve auch als X = 0 und die obere Grenzkurve als X = 1 bezeichnet werden kann. Durch unterschiedliche Wahl der Druckdifferenz Ap bei der Drosselung lassen sich unterschiedliche Stromungsbereiche 2 im Zweiphasengebiet realisieren, was durch die diinnen Linien im log(p)-/i-Diagramm angedeutet ist. Im Stromungsbereich 3 Uegt eine Dampf-
Pi \ Fliissigkeit
Turbine
6f
\j^ Flussigkeit 1 Dampf
Demister Drosselventil
\^
-a
j / ^
^
2
\ yfli 4 // Dampf ^ ^
Pumpe
A b b . 1.43: Prinzipskizze und Druck-Enthalpiediagramm eines Fliissigkeits-Dampfabscheiders
40
1 Einfiihrung
stromung vor. Als Dampf bezeichnet man ganz allgemein einen gasformigen Stoff in der Nahe der Grenzkurve. Durch die Turbine wird die kompressible Dampfstromung 3 entspannt. Das fiihrt dazu, dass der thermodynamische Zustand des stromenden Mediums nach der Turbine 4 ™ log(p)-/i-Diagramm wieder im Nassdampfgebiet liegt. Damit liegt erneut eine Zweiphasenstromung vor. Innerhalb der Pumpe, die die inkompressible Fliissigkeitsstromung vom Stromungsbereich 5 in den Stromungsbereich 6 iiberfiihrt, konnen durch die dort vorherrschenden Beschleunigungen der stromenden Fliissigkeiten starke Druckabsenkungen auftreten. Daher muss darauf geachtet werden, dass der minimale statische Druck Pmin der Fliissigkeit nicht unter den Dampfdruck po absinkt, was zu materialschadUchen Kavitationserscheinungen fiihrt, die die Pumpe zerstoren konnen. Der Stromungsbereich 1 sowie die Stromungsbereiche 5 und 6 sind typische Beispiele fiir die in technischen Anwendungen haufig vorkommenden inkompressiblen Stromungen durch gerade oder gekriimmte Rohre. Beim Durchstromen solcher Rohre sorgen Reibungseinfliisse fiir das Auftreten von Druckverlusten Apy, die es zu ermitteln gilt. Die Kenntnis dieser Druckverluste ist z. B. notig zur Auswahl geeigneter Pumpen mit entsprechender Leistung. Die Stromungsbereiche 2 und 4 der Zweiphasenstromung, bei denen das stromende Fluid in zwei Aggregatzustanden vorliegt, ist ein typisches Beispiel aus der Verfahrenstechnik. Der Stromungsbereich 3 dient als Beispiel fiir eine kompressible Stromung, bei der neben der Anderung des Drucks und der Geschwindigkeit zusatzlich auch
Dampfstromung
Flussigkeitsstromung X=0
SpriihStromung
Blasenstromung j . O
O
O
O
O
O
O
O
) ^
4
-^
RingStromung
Ring-Tropfchenstromung 1>X»0
PropfenStromung Blasenstromung
Dampfstromung X=l x-^^KS'
Rohrleitung A b b . 1.44: Stromungsbereiche einer Zweiphasenstromung
Fliissigkeitsstromung beheiztes Rohr
|
1.2 Stromungsbereiche
41
die Anderung der Zustandsgrofien Dichte p und Temperatur T zu beriicksichtigen ist. Zur Wirkungsgradverbesserung wird in der Technik die Anlage um eine zweite Entspannungsstufe mit Drossel und Abscheider erweitert. Eine solche Double Flash Anlage ist z. B. in La Bouillante auf Guadeloupe in Betrieb. In Abbildung 1.44 sind erganzend die Stromungsbereiche der Zweiphasenstromung skizziert. Wir unterscheiden in den jeweihgen Rohrleitungssystemen des Fliissigkeits-Dampfabscheiders die Fliissigkeitsstromung mit X = 0, die Blasenstromung eingebettet in die Fliissigkeit mit 0 < X < < 1, die Tropfenstromung mit Fliissigkeits-Filmen an den Rohrwanden mit 0 < < X < 1 und die Dampfstromung mit X = 1. Ganz ahnhche Stromungsformen treten im senkrechten beheizten Rohr auf. Aufgrund der Warmezufuhr tritt in der aufsteigenden Fliissigkeit Basensieden ein und der Bereich der Fliissigkeitsstromung wird von der Blasenstromung abgelost. Mit grofier werdenden Blasen spricht man von einer Pfropfenstromung. Weiter stromauf vollzieht sich im Ringstromungsbereich der Warmeiibergang iiber einen Fliissigkeitsfilm bis schliefilich die Tropfenverdampfung einsetzt und sich der Bereich der Dampfstromung anschliefit.
42
1.3
1 Einfiihrung
Produktentwicklung
Wahrend fiir den Naturwissenschaftler mit der mathematischen und physikalischen Beschreibung der Stromungsvorgange und damit mit der Herleitung der kontinuumsmechanischen Grundgleichungen in Kapitel 3 sein Ziel erreicht ist, gilt es fiir den Ingenieur, diese naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in neue Produkte umzusetzen. Dafiir sind die in Kapitel 2 beschriebenen Grundlagen der Stromungsmechanik aber auch die analytischen und numerischen Losungsmethoden sowie die zur Losung der Grundgleichungen erforderliche stromungsmechanische Software notwendig. Die Systematik der Vorgehensweise bei der Entwicklung eines neuen Produktes ist dabei immer die Gleiche. Verfolgen wir die Entwicklung des Tragfliigels eines Verkehrsflugzeuges, so muss zunachst die Festlegung der Anforderungen erfolgen. Das Flugzeug soil bei der Flug-Mach-Zahl Moo = 0.8 z.B. 250 Passagiere in einer Flughohe von 10 km iiber eine Distanz von 7.500 km befordern. Aus dieser Anforderung, die z.B. der Airbus A 300 erfiillt, folgt der erforderliche Auftriebsbeiwert (1.4) ^'
poo'Ul^'A^
mit der Auftriebskraft FA, der Anstromgeschwindigkeit u^o und der Fliigelflache Ap, die fiir den Transport der Nutzlast erforderlich ist. Dabei ist zu beriicksichtigen, dass das Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von etwa 250 km./h starten und landen muss. Dies verlangt die Integration von Hochauftriebsklappen in den Fliigeln, die die Fliigelflache bei Start und Landung entsprechend der verringerten Geschwindigkeit vergrofiern, um den erfor der lichen Auftrieb zu erreichen. Die Aufgabe des Entwicklungsingenieurs besteht darin, einen Tragfliigel zu entwerfen, der einen moglichst geringen Widerstand aufweist, um den Kraftstoffverbrauch der Triebwerke zu minimieren. Die Flug-Mach-Zahl von M^o = 0 . 8 fiihrt damit zu einem Pfeilwinkel des Fliigels von cj) = 30°. Weiterhin muss die Integration des Tragfliigels in den zylindrischen Rumpf gestaltet werden und die fiir den Schub erforderliche Anzahl der Triebwerke festgelegt werden. Die erste Aufgabe des Entwicklungsingenieurs ist entsprechend der Abbildung 1.45 der Vorentwurf. Dabei wird die Wolbung des Tragfliigelprofils mit einfachen Methoden, die wir im Kapitel 2 kennen lernen, vorlaufig festgelegt. Die in Abbildung 1.46 skizzierte Druckverteilung Cp muss dabei den geforderten Auftriebsbeiwert Ca erfiillen und gleichzeitig einen moglichst geringen Widerstandsbeiwert c^ aufweisen. Es folgt im zweiten Schritt die Nachrechnung des mit dem Profil entworfenen gepfeilten Fliigels, wobei die Verwindung des Fliigels und die Integration in den Rumpf mitberiicksichtigt werden. Dafiir benotigen wir die in Kapitel 3 hergeleiteten Grundgleichungen sowie deren Vereinfachungen in den unterschiedlichen Stromungsbereichen der Fliigelumstromung. Es handelt sich dabei um ein System von partiellen Differentialgleichungen, die numerisch naherungsweise gelost werden. Die dafiir erforderlichen numerischen Losungsmethoden und deren analytische Vorbereitung werden wir im Kapitel 4 behandeln und die Losungssoftware in Kapitel 5 bereitstellen. Die erste Nachrechnung des Tragfliigels wird im Allgemeinen nicht den geforderten Auftriebsbeiwert Ca erreichen, bzw. der berechnete Widerstandsbeiwert c^ wird noch zu grofi ausfallen. Damit wird ein erneuter Iterationsschritt erforderlich, der mit
43
1.3 Produktentwicklung
den berechneten Daten einen verbesserten Vorentwurf ermoglicht. Diese Entwurfsiteration wird in 2 bis 3 Schritten durchgefiihrt. Sind die geforderten aerodynamischen Beiwerte erfullt, erfolgt der zweite Schritt des Entwurfsprozesses, die Konstruktion und der Bau des Windkanalmodells. Dieses besteht im Allgemeinen aus Edelstahl und weist zahlreiche Druckbohrungen auf, die die Messung der Druckverteilungen in mehreren Profilschnitten des Fliigels ermoglichen. In Kapitel 2 wird gezeigt, dass das Integral dieser Druckverteilung die Berechnung der erforderlichen Krafte erlaubt. Das Fliigelmodell wird entsprechend der Abbildung 1.46 mit Modelltriebwerken versehen, so dass das Flugzeugmodell im Windkanal der Originalausfiihrung geometrisch ahnlich ist. In unterschiedlichen Windkanalen werden nunmehr umfangreiche Messreihen im Auslegezustand des Fliigels bei der Anstrom-Mach-Zahl M^ = 0.8 (950 km/h, 10 km Hohe) und bei verschiedenen Anstellwinkeln sowie in der Start- und Landephase mit ausgefahrenen Landeklappen, also vergrofierter Fliigelflache bei der reduzierten Geschwindigkeit von 250 - 300 km/h durchgefiihrt.
Vorentwurf
H
\ ^ Nachrechnung
Modell Konstruktion, Fertigung
Windkanal Messung Verifikation Validierung Produkt Konstruktion, Fertigung Abb. 1.45: Produktentwicklung
44
1 Einfiihrung
Aufgrund mathematischer und physikalischer Unzulanglichkeiten der numerischen Losungen der Nachrechnungen, die wir eingehend in Kapitel 4 behandeln werden, aber auch aufgrund von Messfehlern und Storungen im Windkanal, werden die Ergebnisse der Nachrechnung nicht auf Anhieb mit den Windkanalergebnissen ubereinstimmen. Im Entwurfszyklus folgt der wichtige Schritt der Verifikation und Validierung, der die ganze Ingenieurskunst des Entwicklers fordert. Dabei verstehen wir unter Verifikation den Vergleich der experimentellen mit den numerischen Ergebnissen sowie die Anpassung der numerischen Losungsverfahren und der Messtechnik im Windkanal. Die VaUdierung verlangt die Weiterentwicklung der physikaUschen Modelle in den Grundgleichungen der unterschiedhchen Stromungsbereiche. Dies ist ein zeitraubender Prozess, der entscheidend die Entwicklungszeit eines Flugzeuges bestimmt. In der Verifikations- und Vahdierungsphase wird entsprechend Abbildung 1.46 in drei bis vier Iterationsschritten die Nachrechnung verbessert bzw. der Vorentwurf korrigiert, bis die eingangs gestellten Anforderungen erfiillt sind. Bei jedem Iterationsschritt muss dabei ein neues Windkanalmodell gebaut werden und die zeitaufwendigen Messreihen in den Windkanalen wiederholt werden. Je weniger Iterationsschritte durchlaufen werden
Vorentwurf
Nachrechnung
Windkanalmessung
Abb. 1.46: Tragfliigelentwurf: Vorentwurf, Nachrechnung, Windkanalmessung, Verifikation und Validierung
45
1.3 Produktentwicklung
Abb.
1.47: Nachrechnung von Tragfliigel-Rumpf und Triebwerksintegration
miissen, umso erfolgreicher ist der Entwurfsprozess. Die Entwicklungsschritte eines Flugzeuges werden am Beispiel der Aerodynamik des Tragfliigels beschrieben. Ganz entsprechende Entwicklungszyklen sind fiir die aerodynamische Integration des Tragfliigels in den Rumpf, die Integration der Triebwerke und Leitwerke (Abbildung 1.47), die Struktur des Flugzeuges, die Entwicklung der Triebwerke, die Flugmechanik und die Systemintegration im Cockpit zu durchlaufen. In die einzelnen Entwurfszyklen greifen also mehrere Disziplinen ineinander. Bedenkt man, dass z.B. am europaischen Projekt Airbus (Abbildung 1.48) mehrere Firmen in unterschiedlichen Landern beteiligt sind mag man ermessen, wie komplex sich die Entwicklung eines Flugzeuges gestaltet. Das Gleiche gilt fiir die Entwicklung eines Kraftfahrzeuges, einer Stromungsmaschine oder einer Produktionsanlage der Verfahrenstechnik. Es ist immer der am Beispiel
cm Airbus France •H Airbus Deutschland ^M Airbus UK C3 Airbus Espana ED Belairbus ,,;^4 -X
•••1
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m •::^--"-.-Ti--n'j:^C::--:r?
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1'2).¥^-^'
:i M Abb.
1.48: Bauaufteilung beim Airbus A340
46
1 Einfiihrung
des Tragfliigels beschriebene Entwicklungszyklus fiir jede der beteiligten Disziplinen zu durchlaufen. Zum Abschluss der Entwicklungsarbeit steht die Verifikation des fertigen Produktes an. Beim Flugzeug ist dies der Erstflug und die darauf folgende Zulassung. Dabei muss sich das Flugzeug in festgelegten extremen Flugzustanden beweisen. Dabei konnen nur noch geringfiigige Anderungen am Flugzeug vorgenommen werden. Entwicklungsfehler, die beim beschriebenen Entwurfszyklus noch entdeckt wurden, konnen nur noch bedingt korrigiert werden. So hat man z. B. bei der Entwicklung des Airbus A 320 der Wechselwirkung der relativ grofien Triebwerke mit dem Rumpf nicht geniigend Beachtung geschenkt, mit dem Ergebnis, dass beim Aufstieg ein unangenehmes Brummen im Rumpf zu horen ist. Diese Erfahrungen der abschliefienden Verifikation im Freiflug fliefien in die Datenbanken der Flugzeughersteller ein und konnen beim Vorentwurf des nachsten Projektes bereits von Beginn an beriicksichtigt werden.
47
2
Grundlagen der Stromungsmechanik
Um die Stromungsbeispiele aus Natur und Technik des einfiihrenden Kapitels analytisch beziehungsweise numerisch behandeln zu konnen, miissen zunachst die stromungsmechanischen Grundlagen bereitgestellt werden. Dazu gehoren die mathematische Beschreibung der Eigenschaften der stromenden Medien, die Grundgleichungen der ruhenden Fluide, die kinematischen Grundbegriffe fiir die Beschreibung stromender Fluide sowie die eindimensionale Theorie der reibungsfreien und die zweidimensionale Theorie der reibungsbehafteten Stromung und deren Anwendung bei technischen Stromungsbeispielen.
2.1
Eigenschaften stromender Medien
Wir unterscheiden kinematische Eigenschaften des stromenden Fluids von Transporteigenschaften und thermodynamischen Eigenschaften des Fluids. Wahrend die kinematischen Eigenschaften Geschwindigkeit tJ, Winkelgeschwindigkeit c3, Beschleunigung 6, Wirbelstarke CDR, Eigenschaften des Stromungsfeldes und nicht des Fluids selbst sind, die wir im Kapitel 2.3.1 behandeln werden, sind die Transport eigenschaften Reibung, Warmeleitung und Massendiffusion sowie die thermodynamischen Eigenschaften Druck p, Dichte p, Temperatur T, Enthalpie /i, Entropie s, spezifische Warmen c^, Cy, Ausdehnungskoeffizient a Eigenschaften des Fluids, mit denen wir uns im Folgenden befassen werden. Dabei kommt es uns auf eine kurze Darstellung der Definition der Grundbegriff"e an. Fiir eine ausfiihrliche Darstellung empfehlen wir Prandtl - Fiihrer durch die Stromungslehre 2002 und Bird, Stewart, Lightfoot 1960. 2.1.1
Transporteigenschaften
Eine Transporteigenschaft, die wir bereits kennengelernt haben, ist die Reibung. Sie bestimmt den Impulstransport in den reibungsbehafteten Stromungsbereichen, der mit dem Gradienten des Geschwindigkeitsvektors v verkniipft ist. So benotigt z.B. schweres 01 Oder Teer eine lange Zeit zum Ausfliefien aus einem Behalter, wahrend leichtes 01 schneller ausfiiefit. Fiir die Einfiihrung der Scherrate Schubspannung r behandeln wir das eindimensionale Stromungsproblem der Abbildung 2.1. Zwischen einer ruhenden unteren Platte und einer mit konstanter Geschwindigkeit U bewegten oberen Platte stellt sich eine konstante Scherrate mit einem linearen Geschwindigkeitsprofil u{z) ein, die man Couette-Stromung nennt. Dabei gilt an den Plattenoberflachen als Randbedingung die Haftbedingung, die an der unteren Platte zu u = 0 und an der oberen Platte zu u = U fiihrt. Zur Aufrechterhaltung der konstanten Geschwindigkeit U ist aufgrund der Reibung eine konstante Kraft F erforderlich. Die aufzuwendende Kraft ist proportional der Schleppgeschwindigkeit \F\ r^ U, proportional der Plattenflache A, \F\ r^ A und umgekehrt proportional der Spalthohe H,\F\r^l/H. Daraus folgt die Kraft 1^1
U'A
48
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Oder mit einer Proportionalitatskonstanten /i /i-
U 'A
IT
/i ist eine Stoffkonstante des Fluids, die dynamische Zahigkeit (Viskositat) genannt wird. Sie hat die Dimension [F • T/L'^] mit der Kraft F , der charakteristischen Zeit T und der charakteristischen Lange L, bei unserem Beispiel die Spalthohe H und die Einheit
{Ns/m^}. Die Schubspannung r (Scherrate) ergibt sich mit U_ /i-
A
und der Einheit {N/rm?}. Fiir die Couette-Stromung gilt das Hneare Geschwindigkeitsprofil U
du d^
Daraus ergibt sich r = fi '
du d^
(2.1)
Gilt diese lineare Beziehung zwischen der Schubspannung r und dem Geschwindigkeitsgradienten du/dz, sprechen wir von einem Newtonschen Fluid. Beispiele Newtonscher Medien sind Wasser, leichtfliissiges 01 und Gase. Mit den bisher abgeleiteten Beziehungen konnen wir bereits eine wichtige technische Anwendung diskutieren. Luftlager zeichnen sich durch einen besonders geringen Reibungswiderstand aus. Bewegen wir z.B. eine Glasplatte auf einem 0.1 mm dicken Luftpolster mit der konstanten Geschwindigkeit von 0.1 m/s, so ergibt sich du d^
U
lO''
Abb. 2.1: Couette-Stromung, Definition der Schubspannung r
2.1 Eigenschaften stromender Medien
49
fiir Luft ist bei 20° C /i = 1.71 • 10"^ Ns/rri^, damit wird
Mit einer Plattenflache von A = 0.01 w? ergibt sich die geringe Kraft | F | = r - A = 1.71-10-^{Ar} . Im Allgemeinen wird die Stromung nicht, wie bisher angenommen, eindimensional sein. Dann sind es fiir jede Raumrichtung drei Schubspannungskomponenten, die die Reibung im dreidimensionalen Stromungsfeld charakterisieren, also insgesamt 9 Komponenten des Schubspannungstensors rij. In dieser Terminologie, die wir im Kapitel 3.2 eingehend behandeln werden, ist fiir die Couette-Stromung die Schubspannungskomponente TXZ fiir das lineare Geschwindigkeitsprofil u{z) mafigebend, x die Stromungsrichtung und z die Vert ikalko ordinate f du \ dz
dw dx
Fiir die eindimensionale Theorie, die wir im Kapitel 2.3 behandeln, geniigt es also, fiir w und dw/dx gleich 0 du dz
Txz = r = fi • —-
zu setzen. Im Gegensatz zu den Newtonschen Fluiden spricht man von einem Nicht-Newtonschen Fluid, wenn der funktionale Zusammenhang der Gleichung 2.1 nicht linear ist. Einige Beispiele Nicht-Newtonscher Fluide sind in Abbildung 2.2 dargestellt. Die Kurven fiir Fluide, die einer Scherrate nicht widerstehen konnen, miissen durch den Nullpunkt gehen. Sogenannte nachgebende Fluide zeigen eine endliche Schubspannung auch bei verschwindendem Geschwindigkeitsgradienten. Diese Fluide verhalten sich teilweise als feste Korper
Bingham Medium Pseudoplastisches Medium /Newtonsches Medium Dilatantes Medium
du/dz
Abb. 2.2: Schubspannung r fiir Newtonsche und Nicht-Newtonsche Fluide
50
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
und teilweise als Fluide. Die Kurve fiir pseudoelastische Fluide wie Schmelzen oder Hochpolymere zeigt bei wachsender Schubspannung eine Abnahme der Steigung. Im Gegensatz dazu zeigen dilatante Fluide wie Suspensionen ein Anwachsen der Steigung. Das Verhalten eines idealisierten Bingham Mediums zeigen z.B. Zahnpasta oder Mortel. Dem endlichen Wert von r bei du/dz = 0 folgt der lineare Verlauf eines Newtonschen Fluids. Hinzu kommt, dass einige Nicht-Newtonsche Medien eine Zeitabhangigkeit der Schubspannung aufweisen. Auch wenn die Scherrate konstant gehalten wird, andert sich die Schubspannung. Ein fiir Nicht-Newtonsche Medien oft verwendeter Ansatz ist K-
du d^
(2.2)
wobei K und n Stoffkonstanten sind. Fiir n < 1 ergibt sich das pseudoelastische Fluid, n = 1 mit K = /i ist das Newtonsche Fluid und n > 1 das dilatante Fluid. Man beachte, dass der Ansatz 2.2 fiir den Nullpunkt der Abbildung 2.2 unrealistische Werte liefert. Zahlreiche andere Gesetzmafiigkeiten werden fiir Nicht-Newtonsche Medien meist aus experimentellen Ergebnissen abgeleitet. Wir werden uns im Folgenden nicht weiter damit befassen und beschranken uns auf Newtonsche Fluide. Die Viskositat /i eines Newtonschen Fluids steht in direktem Zusammenhang mit den Wechselwirkungskraften zwischen den Molekiilen des stromenden Mediums. Betrachten wir die Wechselwirkungskraft zweier Molekiile der Luft (Stickstoff, Sauerstoff) in Abbildung 2.3, so ist diese bei grofiem Abstand r der Molekiile durch die negative Anziehung und bei geringen Molekularabstanden durch die positive Abstofiung gekennzeichnet. Die Anziehungskraft zwischen den Molekiilen resultiert aus der Van der Waals Wechselwirkung, deren Ursache mit den, durch die Verformung der Elektrohiillen verursachten Dipolmomenten zu erklaren ist. Die nahezu exponentielle Abstofiung hat ihre Ursache in der elektrostatischen Abstofiung der gleichgeladenen Elektronenhiillen der Molekiile. Bei einem durch die Eigenbewegung der Molekiile verursachten Stofi zweier Molekiile werden diese sich zunachst anziehen und dann entsprechend der exponentiellen Abstofiungskraft stark abstofien. Diese Wechselwirkung der 10^^ Molekiile pro Mol der betrachteten Luft verursacht neben der Reibung auch die Warmeleitung und Diffusion im stromenden Fluid. Da die Eigenbewegung der Molekiile und damit deren Stofiwahrscheinlichkeit von der Temper at ur T und Druck p abhangen, ergibt sich damit auch eine Temper atur- und
A b b . 2.3: Intermolekulare kungskraft F
Wechselwir-
51
2.1 Eigenschaften stromender Medien
^A Fliissigkeit
Gas A b b . 2.4: Temperaturabhangigkeit dynamischen Zahigkeit /i
der
Druckabhangigkeit der Zahigkeit /i. Die Abbildung 2.4 zeigt den qualitativen Verlauf der Temper aturabhangigkeit fiir Fliissigkeiten und Gase bei konstantem Druck. In Fliissigkeiten nimmt die kinematische Zahigkeit /i mit steigender Temperatur ab, wahrend sie in Gasen zunimmt. Die Zahigkeit von Fliissigkeiten und Gasen nimmt mit wachsendem Druck zu. An diesen kurzen Exkurs in die Molekiilphysik schhefit sich die Begriindung fiir die bereits eingefiihrte Randbedingung an festen Wanden an. Die Haftbedingung v = 0 ergibt sich aus dem Umstand, dass die Wechselwirkungskraft zwischen den Molekiilen des Fluids und dem Kristallgitter der festen Oberflache wesentlich grower ist als zwischen den Fluidmolekiilen untereinander. Damit bleibt bei kontinuumsmechanischen Bedingungen, die wir ausschliefilich in diesem Lehrbuch behandeln, jedes Fluidmolekiil beim Stofi mit einer festen Wand haft en.
Couette-Stromung
Warmeleitung
A b b . 2.5: Analogic zwischen Reibung und Warmeleitung
52
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
In Analogic zur Reibung lasst sich der Energietransport durch Warmeleitung entwickeln. Dem linearen Geschwindigkeitsprofil u{z) der Couette-Stromung entspricht in Abbildung 2.5 das lineare Temper at urprofil T{z) in einer ruhenden Fluidschicht zwischen zwei horizontalen Flatten mit der Temperatur Ti und T2. Der Schubspannung r entspricht der Warmestrom q, der die iibertragene Warmemenge pro Zeiteinheit Q pro Flache A ist.
Der Warmestrom q schreibt sich nach dem Fourierschen Gesetz 4 = -X'VT
.
(2.4)
Fiir den betrachteten eindimensionalen Fall entspricht dT/dz dem Geschwindigkeitsgradienten du/dz. Diese Analogic gilt nur fiir den eindimensionalen Fall. Fiir die dreidimensionale Stromung haben wir bereits ausgefiihrt, dass die Schubspannung rij ein Tensor mit 9 Komponenten, q jedoch ein Vektor ist. Fiihren wir die kinematische Zahigkeit mit ly =
—
P 5 J ein, so lasst sich mit der Temperaturleitfahigkeit a = X/{p • Cp) die die gleiche Dimension wie ly besitzt, cine dimensionslose Kennzahl einfiihren ^
ly
Pr = - . a Die Prandtl-Zahl Pr beschreibt das Verhaltnis von Impulstransport (Reibung) und Energietransport (Warmeleitung) im betrachteten Fluid. Gase haben die Prandtl-Zahl 0.71, Wasser 6.7, Ole einige Tausend. Ganz entsprechend lasst sich die Massendiffusion (Massentransport) im Fluid behandeln. Massendiffusion tritt ein, wenn sich zwei Medien mit den Partialdichten p[ (i = 1.2) aufgrund eines Konzentrationsgradienten durchmischen. Die Konzentrationen der beiden Komponenten sind dabei C[ = p[/p mit der Gesamtdichte p des Gemisches. In Analogic zur Reibung und Warmeleitung postulieren wir, dass der Massenfluss pro Zeiteinheit rhi sich fiir die Spezies i schreibt ^
= -D-V{PO
mit dem Diffusionskoeffizienten D[L'^/T]{m'^/s}. den Massenkonzentrationen C[
!^ = -D-v{p-co
, Das Ficksche Gesetz schreibt sich mit
.
Entsprechend der Prandtl-Zahl lassen sich fiir die Massendiffusion die dimensionslose Schmidt-Zahl Sc und die Lewis-Zahl Le definieren: Sc= — , Le= — . D a Die Schmidt-Zahl beschreibt das Verhaltnis Impulstransport und Massendiffusion, die Lewis-Zahl das Verhaltnis Massendiffusion und Energietransport.
2.1 Eigenschaften stromender Medien
2.1.2
53
Thermodynamische Eigenschaften
Die klassische Thermodynamik, die in der Grundvorlesung vermittelt wird, kann nicht ohne weiteres auf die Stromungsmechanik angewandt werden, da sich eine reibungsbehaftete Stromung nicht im thermodynamischen Gleichgewicht befindet. Jedoch ist bei den meisten technischen Anwendungen die Abweichung vom lokalen thermodynamischen Gleichgewicht so gering, dass sie vernachlassigt werden kann. Es gibt zwei Ausnahmen: Stromungen mit chemischen Reaktionen und sprunghafte Anderungen der thermodynamischen Zustandsgrofien, wie sie bei starken Verdichtungsstofien vorkommen, die wir in Kapitel 2.3.3 behandeln werden. Die wichtigsten thermodynamischen Grofien sind Druck p, Dichte p, Temperatur T, Entropie 5, Enthalpie h und die innere Energie e. Von diesen sechs Variablen geniigen zwei, um einen thermodynamischen Zustand eindeutig festzulegen, sofern diese thermodynamische Zustandsgrofien sind. Die wichtigsten Beziehungen, die wir in den folgenden Kapiteln benot igen, seien kurz erlautert. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik schreibt sich dE = dQ^dW
,
(2.5)
mit d ^ der Gesamtenergie des betrachteten Systems, dQ der zugefiihrten Warme und dW der am System geleisteten Arbeit. Fiir ein ruhendes Fluid schreibt sich bei infinitesimalen Anderungen dW = -p'dV
,
dQ = T'dS
,
mit dem Volumen V. Damit ergibt sich fiir 2.5 bezogen auf die Masseneinheit de = T • d5 + ^ • dp
.
(2.6)
Mit dem totalen Differential ergibt sich fiir die Anderung der inneren Energie de
^
de
OS
op
dp
und damit ^ = | i . .
p ' ^ '
de dp
Die Enthalpie ist per Definition h=e+P
. p
Mit (2.6) ergibt sich der erste Hauptsatz in der Form dh = T • ds ^— -dp P
(2.7)
54
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Die Temperatur T und 1/p berechnen sich dh
1
dh
Die therraische Zustandsgleichung fiir ideale Gase schreibt sich P = R'P'T
,
(2.8)
mit der stoffspezifischen Gaskonstanten R. Damit ergibt sich die Schallgeschwindigkeit a 2
dp I
K.'R'T
dp'
,
(2.9)
mit dem dimensionslosen Verhaltnis der spezifischen Warmen n Cr, ti Co,
dh,
de
^P ~ dT'' ^rrlv ^
''
^v — f^T'' r.rr\v '^ ' ^^
(2.10)
Fiir Stromungen mit Warmetransport wird der thermische AusdehnungskoefRzient a benot igt:
'-"
vliFiir ideale Gase ergibt sich 1 <^ =
7^
T Fliissigkeiten haben gewohnUch thermische Ausdehnungskoeffizienten, die kleiner als 1/T sind. Auch negative Werte kommen vor, wie z.B. in Wasser in der Umgebung des Gefrierpunktes. Mit dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten lasst sich die Abhangigkeit der Enthalpie vom Druck schreiben dh = Cp'dT^{l-a'T)-^
.
(2.12)
Fiir ein ideales Gas verschwindet der zweite Term und die Enthalpie hangt ausschliefilich von der Temperatur ab, /i = h{T). Bei Mehrphasenstromungen, die wir in Kapitel 1.2 kennengelernt haben, sind die thermodynamischen Zustande in der Umgebung des kritischen Punktes besonders zu beachten. Abbildung 2.6 zeigt die Isothermen eines Fliissigkeits-Dampf-Gemisches. Das unterschiedhche thermodynamische Verhalten der Fliissigkeits- bzw. Dampfphase lasst sich mit den unterschiedlichen intermolekularen Wechselwirkungskraften erklaren. Wird ein Gas isotherm komprimiert, bleibt die mittlere Translationsenergie der Molekiile konstant und der mittlere Abstand benachbarter Molekiile nimmt ab. Wird das spezifische Volumen 1/p des Gases so klein, dass der mittlere Abstand nur einige Molekiildurchmesser betragt, werden die anziehenden Krafte zwischen den Molekiilen signifikant. Unterschreitet die Temperatur einen kritischen Wert Tc, verursacht eine weitere Verringerung des spezifischen Volumens einen instabilen Zustand, indem die Molekiile sich aufierhalb des Bereiches
55
2.1 Eigenschaften stromender Medien
der intermolekularen anziehenden Wechselwirkungskrafte befinden und deshalb beginnen, Molekiilkluster zu bilden. Dieser Zwischenzustand zwischen Fliissigkeits- und Gasphase ist gegen kleinste Storungen instabil. Geringfiigige Erhohung des Drucks fiihrt entweder zur vollstandigen Kondensation in die homogene Fliissigkeit mit entsprechend grofier Dichte oder ein kleiner Druckabfall fiihrt in die homogene Dampfphase mit entsprechend geringer Dichte. Den nahezu konstanten Druck in der Ubergangsphase nennt man den gesattigten Dampfdruck. Bei Temperaturen oberhalb der kritischen Temperatur Tc wird die Translationsenergie der Molekiile so grofi, dass die Bildung von Molekiilklustern verhindert wird. Es ergibt sich ein kontinuierUcher tJbergang entlang der Isotherme von der Gasphase zur Fliissigkeitsphase bei geringer werdendem spezifischen Volumen. In diesem Temperaturbereich beschreibt die Van der Waals-Gleichung den thermodynamischen Zustand realer Gase: R'P'T
1
2
(2.13)
P
wobei b und c entlang der Isothermen Konstanten sind, die das Eigenvolumen der Molekiile und die Wechselwirkungskrafte zwischen den Molekiilen charakterisieren. Eine weitere Eigenschaft der Fluide ist die Oberflachenspannung a von Fliissigkeiten und die Grenzflachenspannung zwischen verschiedenen Fliissigkeiten bzw. Fliissigkeiten und Festkorpern. Die Temperaturabhangigkeit der Oberflachenspannung kann ebenfalls Stromungen verursachen. Das Auftreten der Oberflachen- und Grenzflachenspannungen erklart sich wiederum mit den Wechselwirkungskraften zwischen den Molekiilen. In Abbildung 2.7 sind die Krafte eines Molekiils in einer Fliissigkeit und eines Molekiils an der Grenzflache zwischen Fliissigkeit und Gas skizziert. Innerhalb der Fliissigkeit heben sich im Mittel die Krafte auf das betrachtete Molekiil auf, da es rundum von gleich vielen Partnermolekiilen umgeben ist. An der Fliissigkeitsoberflache ist die Wechselwirkung zwischen den Fliissigkeits- und Gasmolekiilen wesentlich geringer als zwischen den Fliissigkeit smolekiilen. Damit ergibt sich die resultierende Kraft R^ die die Oberflachenspannung a verursacht. Diese ist per Definition
Pi Isothermen kritischer Punkt Gas Fliissigkeit Dampf i/p
A b b . 2.6: Isothermen eines FliissigkeitsDampf-Gemisches
56
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Gas Fliissigkeit
Abb. 2.7: Oberflachenspannung
(2.14) mit der Oberflachenkraft F und der Lange der Oberflache L. Zum Beispiel ergibt sich fiir die betrachtete Grenzflache zwischen Wasser und Luft a = 7.1-10"^ N/m bei vorgegebener Temper atur. An einer zweifach gekriimmten Oberflache mit den Kriimmungsradien Ri und R2 ergibt die Kraftebilanz an der Oberflache einen Drucksprung A p =
+
^Ki
(2.15)
- ^
K2
Daraus resultiert ein hoherer Druck auf der konkaven Seite der gekriimmten Oberflache. Fiir eine Blase bzw. einen Tropfen ergibt sich mit Ri = R2 = r die Druckdifferenz iiber die Oberflache Ap:
2-cr
Eine Seifenblase mit einer inneren und aufieren Oberflache besitzt im Innern der Blase den erhohten Druck Ap:
4-cr
Diese Druckdifferenz in einem Tropfen verursacht z.B. das Auffiillen eines Loches in einer festen Oberflache mit der Fliissigkeit. Dabei wird das Loch nur gefiillt, wenn der Kontaktwinkel a zwischen der Fliissigkeit und der Oberflache kleiner als 90° ist. Gas
a > 90
a < 90
a ^ 0
Quecksilber
Wasser
01
Abb. 2.8: Kontaktwinkel zwischen Festkorper, Quecksilber, Wasser, 01 und Luft
57
2.1 Eigenschaften stromender Medien
Dieser Kontaktwinkel zwischen Fliissigkeit und fester Oberflache wird durch die Energie der Grenzflachen bestimmt. Er verursacht das Heben bzw. Senken der Fliissigkeit in einer Kapillaren. Betrachten wir in Abbildung 2.8 die Grenzflachen unterschiedlicher Fliissigkeiten z.B. auf einer Glasoberflache, dann tritt bei einem Quecksilbertropfen keine Benetzung auf. Der Kontaktwinkel a ist grower als 90° (etwa 150°) und die Oberflachenspannung a des Quecksilbers ist grower als die Adhasionskraft zwischen Quecksilber und Glas. Fiir einen Wassertropfen ergibt sich auf der Glasoberflache ein Kontaktwinkel a kleiner als 90° und damit Benetzung. Die Oberflachenspannung a des Wassers ist kleiner als die Adhasionskraft zwischen Wasser und Glas. Bei einem Wassertropfen auf einer Wachsoberflache tritt dagegen keine Benetzung auf und der Kontaktwinkel ist damit grower als 90°. 01 auf Glas benetzt nahezu vollstandig mit ce ^ 0. Die Oberflachenspannung des 01s ist verschwindend klein gegeniiber der Adhasionskraft zwischen 01 und Glas. Die Kontaktwinkel a zwischen festen Oberflachen, Fliissigkeiten und Gas berechnen sich mit der Youngschen Gleichung ^fest/Gas
C^fest/fliissig + ^Gas/fliissig * COs(a)
(2.16)
,
sofern die einzelnen Oberflachenspannungen bekannt sind. Aufgrund der Oberflachenspannung ist die Fliissigkeit bestrebt, Minimalflachen zu bilden. Dies lasst sich mit dem Experiment der Abbildung 2.9 nachweisen. In eine Seifenlaugenhaut wird ein Faden mit Schlaufe eingebracht. Durchstofit man die Seifenhaut innerhalb der Schlaufe, bildet sich momentan ein Kreis aus, so dass die verbleibende Fliissigkeit sob erflache eine minimale Flache aufweist. Gradienten der Oberflachenspannung Vcr verursachen Scherkrafte in den angrenzenden Medien A und B, wie z.B. in der Grenzflache zwischen Fliissigkeit und Gas Vcr =
TA
+
TB
.
Die Oberflache wird sich in Richtung der hoheren Oberflachenspannung bewegen und verursacht aufgrund der Schubspannungen TA und TB Stromungen in den jeweiligen Medien. Gradienten der Oberflachenspannung konnen durch Konzentrationsgradienten entlang der Oberflache verursacht werden. So bewegen sich Kampferstiicke auf einer Wasseroberflache sporadisch hin und her, da die Kampfermolekiile lokal die Oberflachenspannung
r Abb. 2.9: Minimalflachen
58
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
erniedrigen. Ein anderes Beispiel sind die Trdnen im Wein- oder Cocktailglas. Aufgrund der Konzentrationsgradienten im Wasser-Alkohol-Gemisch steigt die Fliissigkeit am Glas auf und fliefit als regelmafiige Tropfen wieder in die Fliissigkeit zuriick. Dabei verursacht die Verdampfung des Alkohols eine Erniedrigung des Alkoholgehaltes und damit eine Erhohung der Oberflachenspannung. Die Fliissigkeit wird kontinuierlich von der Mitte des Glases zum Glasrand transportiert. Temperaturgradienten verursachen ebenfalls Gradienten der Oberflachenspannung, womit wir wieder zu den thermodynamischen Eigenschaften der Fluide zuriickgekehrt sind. Heizt man eine mit Silikonol benetzte diinne Metallplatte mit einem heifien Stab von unten, entsteht an der beheizten Stelle ein Loch im Olfilm. Die Erhohung der Temperatur fiihrt zu einer Erniedrigung der Oberflachenspannung. Die Fliissigkeit sob erflache bewegt sich in Richtung der kalteren Zonen mit grofierer Oberflachenspannung. Ein Eisstiick auf der Oloberflache hat den entgegengesetzten Effekt. Der Fliissigkeitsfilm verursacht eine Beule in der kalteren Umgebung. Mit dem gleichen Effekt kann man Blasen in einer Fliissigkeit transportieren, die man z.B. von einer Seite beheizt. Die kalte Seite der Blase hat eine hohere Oberflachenspannung als die warme Seite. Sie zieht deshalb Oberflache von der warmen Blasenseite ab und bringt damit die Blase in Bewegung. Insekten nutzen die Oberflachenspannung um sich auf der Wasseroberflache fortzubewegen (Abbildung 2.10). Dabei profitieren sie von der fehlenden Benetzung ihrer Beine. Benetzungs- und Adhasionskrafte spielen eine grofie Rolle fiir die Selbstreinigung von Pflanzenblattern und technischen Oberflachen. Wenn die Adhasion eines Schmutzpartikels zur Oberflache grofi ist und Wasser dieses benetzt, so lauft das Wasser ab und der Schmutz bleibt auf der Oberflache haften. Ist die Oberflache wie bei vielen Pflanzenblattern durch Mikrorippen unbenetzbar, so konnen Schmutzpartikel von den dann abrollenden Regentropfen aufgenommen und entfernt werden. Diesen Selbstreinigungseffekt kann man z. B. bei der Autolackierung technisch nutzen.
Lotusblume
glatte genoppte Oberflache
*%.:...:
Insekt auf Wasser
Abb. 2.10: Benetzung in Natur und Technik
59
2.2 Hydro- und Aerostatik
2.2
Hydro- und Aerostatik
In diesem Kapitel werden die Eigenschaften und Grundgleichungen ruhender Fluide behandelt. Entsprechend der Einteilung in Kapitel 1.2 beschreibt die Hydrostatik inkompressible ruhende Fluide und die Aerostatik kompressible ruhende Fluide. Im Ruhezustand des Fluids treten keine Schubspannungen auf, so dass die auf ein herausgegriffenes Volumenelement wirkenden Krafte an jeder Stelle normal zu der jeweiligen Oberflache gerichtet sind. Damit konnen diese Krafte nur Druck- oder Zugkrafte sein. In einer Fliissigkeit treten ausschliefilich Druckkrafte auf. Da die Druckkraft Fp auf ein Flachenelement A der Oberflache mit der Grofie des Flachenelements wachst. Fiihrt man die skalare Grofie Druck p als Druckkraft pro Flacheneinheit ein P
A
mit der Dimension
F
1?
und der Einheit
N
(2.17)
Die Aufgabe der Hydro- und Aerostatik besteht darin, den Druck p(x, y^z) an den verschiedenen Stellen des ruhenden Fluids zu bestimmen. 2.2.1
Hydrostatik
Fiir die Berechnung des Druckverlaufs p{z) in einer ruhenden Wassersaule betrachten wir die Kraftebilanz an einem herausgegriffenen kubischen Fliissigkeitselement d ^ = dx-dy-dz (Abbildung 2.11). An der Unterseite des Fliissigkeitselements herrsche der Druck p, also die Druckkraft \Fp\ = p-dx-dy auf das Flachenelement dx-dy. Der Druck andert sich iiber die Hohe des Fluidelements dz. Die Druckanderung lasst sich als Taylor-Reihe darstellen, die nach dem ersten Glied abgebrochen wird. Damit ergibt sich fiir den Druck auf der Oberseite des Fluidelements (p + {dp/dz) • dz + ...) und fiir die Druckkraft {p + {dp/dz) • dz) ' dx ' dy. Die Druckkrafte auf die Seitenflachen des Fluidelements heben sich auf, da sie in horizontalen Schnitten rundum gleich grofi sind und jeweils senkrecht auf die Oberflachenelemente wirken. Zusatzlich wirkt die Gravitation \G\ = dm • g = p • dV • g = p • g • dx • dy • dz auf den Massenmittelpunkt des Fluidelements.
( p + —^dz)dxd7 ^ dz ^
G= pg dxdydz
p dxdy
Abb. 2.11: Kraftegleichgewicht am ruhenden Fluidelement
60
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Das Kraftegleichgewicht am ruhenden Fluidelement ergibt damit dp p ' dx ' dy — {p-\- -— ' dz) - dx - dy — p - g - dx - dy - dz = 0
.
Dividieren wir die Gleichung durch das Fluidelement d ^ = dx - dy - dz erhalten wir die Hydrostatische Grundgleichung fiir die durch die Gravitation hervorgerufene Druckanderung in einer Wassersaule dp :^ d^ =
(2.18)
-p'9
Dies ist eine gewohnliche Differentialgleichung 1. Ordnung, die nach einmaligem Integrieren die lineare Druckverteilung p{z)
-p- g-
z^C
liefert. Die Integrationskonstante C lasst sich mit der Randbedingung des gegebenen Problems bestimmen. Fiir den Fliissigkeitsbehalter der Abbildung 2.12 ergibt sich mit der Randbedingung p{z = 0) = po, C = po der lineare Druckverlauf P{z) =po-
p-g-
z
(2.19)
Aus dieser Beziehung lassen sich zwei wichtige Schlussfolgerungen ziehen. In Abbildung 2.13 sind drei Fliissigkeitsbehalter der gleichen Grundflache und Hohe dargestellt. Der Druck am Boden des Behalters po = poo -\- p - g - h ist in alien drei Fallen der Gleiche. Bei gleicher Bodenflache ist auch die Druckkraft identisch, obwohl das Gewicht der Fliissigkeit in den drei Behaltern verschieden ist. Diesen nach (2.19) selbstverstandlichen Tatbestand nennt man das hydrostatische Paradoxon. In kommunizierenden Rohren ist der Druck in beiden Schenkeln des Rohres gleich dem Aufiendruck poo- Damit miissen sich beide Fliissigkeitsspiegel auf gleicher Hohe befinden, da der Druck nach (2.19) eindeutig von der Hohe abhangt. Ein U-Rohr kann auch als Druckmanometer benutzt werden. Schliefit man im rechten Bild der Abbildung 2.13 das eine Ende des U-Rohres an einen mit Gas gefiillten Druckbehalter mit dem Uberdruck pi an, so stellt sich in den beiden U-Rohr-Schenkeln eine Hohendifferenz Ah der beiden Fliissigkeitsspiegel ein. Da die Dichte des Gases pc wesentlich kleiner als die Dichte der Fliissigkeit pp ist, schreibt sich mit (2.19) Pi=Poo^pF
Poo
Po
P
'g- Ah
Abb. 2.12: Linearer Schwerefeld
(2.20)
Druckverlauf
im
61
2.2 Hydro- und Aerostatik
V^^
^^^
Abb. 2.13: Hydrostatisches Paradoxon, kommunizierende Rohren, U-Rohr Manometer
Misst man Ah, kann der Uberdruck pi im Gasbehalter mit (2.20) berechnet werden. Aus der Losung der hydrostatischen Grundgleichung lasst sich eine weitere Schlussfolgerung Ziehen, die man das Archiraedische Prinzip nennt. Bei einera vollstandig in eine Fliissigkeit eingetauchten Korper des Volumens V K ist die Auftriebskraft |i^A| gleich dem Gewicht \G\ der verdrangten Fliissigkeit. Zur Ableitung dieses Satzes betrachten wir in Abbildung 2.14 ein kubisches Fluidelement der Grundflache dA und der Hohe A/i, das vollstandig in die Fliissigkeit der Dichte pp eingetaucht ist. Der Druck p2 an der Korperunterseite ist aufgrund der hydrostatischen Druckverteilung grofier als der Druck pi an der Korperoberseite. Aus der Differenz der zugehorigen Druckkrafte F2 und F i resultiert eine vertikal nach oben gerichtete Auftriebskraft FA- Der Betrag dieser Auftriebskraft berechnet sich d|FA| = IF2I - | F i I =p2'dA-pi-dA
= (p2 - Pi) ' dA
.
Mit der Losung der hydrostatischen Grundgleichung (2.19) P2 = Pi ^ PF • 9 • A/i folgt
k
V
P' 1
J
dA
\
dA
Ah]
V.
A
P„ F
•?. 1 J
Abb. 2.14: Prinzipskizze zur Auftriebskraft
62
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
pF' g- d^K = P¥'
d | F A | = PF • ^ • A / i . dA = pF • ^ • d^K
Q'VK
VK
(2.21)
Auftriebskraft | F A | = PF • 9 -VK
In einem mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit c«3 rotierenden Fliissigkeitsbehalter (Abbildung 2.15) wirkt neben der Gravitation G zusatzlich die Zentrifugalkraft Z.Diese hat zur Folge, dass die ohne Rotation horizontale Fliissigkeitsoberflache sich zu einer parabolischen Oberflache verformt. Dabei steht die Wasseroberflache immer senkrecht auf der wirkenden resultierenden Kraft. Fiir einen mitrotierenden Beobachter ist die Fliissigkeit in Ruhe, so dass die hydrostatische Grundgleichung (2.18) um die radial wirkende Zentrifugalkraft Z zu erganzen ist. Der Betrag der Zentrifugalkraft fiir ein Fluidelement d y ist \Z\=
p'dV'u'^-r
,
mit r^ = x^ + z^. Damit ergibt die Integration der hydrostatischen Grundgleichung fiir die gleichmafiig rotierende Fliissigkeit (2.22)
p = Po^ ^- pF-(^'^ •r'^ - p¥- 9- z
In vertikaler Richtung nimmt der Druck wie in einer nicht rotierenden Fliissigkeit linear mit der Hohe z ab. In horizontaler Richtung nimmt er quadratisch mit der Entfernung von der Drehachse zu. An der Fliissigkeitsoberflache ergibt sich mit p = po Po=Po^
-' PF'^^
-r^ - PF'9'
z
'
Daraus resultiert fiir die Fliissigkeitsoberflache die Gleichung eines Rotationsparaboloiden
^'9
Abb. 2.15: Druck in einer rotierenden Fliissigkeit
63
2.2 Hydro- und Aerostatik
2.2.2
Aerostatik
Als wichtigstes Beispiel der Aerostatik behandeln wir den Druck-, Dichte- und Temperaturverlauf in der Atmosphare. Der Abbildung 2.16 entnehmen wir, dass der Druck p in der Erdatmosphare mit wachsender Hohe kontinuierlich abnimmt. In den unterschiedlichen Atmospharenschichten nimmt die Temperatur zunachst auf —56° C ab, um dann aufgrund chemischer Prozesse der Luft wieder anzusteigen. In der hohen Atmosphare nimmt die Temper atur erneut mit der Hohe ab, um schUefiUch aufgrund der Sonneneinstrahlung in sehr grofien Hohen wieder anzusteigen. Den unteren Bereich der Atmosphare nennt man Troposphare, die sich je nach Jahreszeit bis 9 bzw. 11 km Hohe ausdehnt. Mit der Temperatur- und Druckabnahme ist nach der idealen Gasgleichung der Luft (2.8) eine Abnahme der Dichte verkniipft. Damit ist kalte, schwere Luft iiber der warmen, leichten Luft geschichtet. Diese Luftschichtung nennt man thermisch instabil. Sie fiihrt zum Ablauf des Wetters in der Troposphare. Es schUefit sich die Stratosphare in einer Hohe zwischen 11 und 47 km an, in der die Temperatur zunachst konstant bleibt und dann mit wachsender Hohe wieder ansteigt. In dieser Atmospharenschicht bildet sich die Ozonschicht aus, die die UV-Strahlung der Sonne absorbiert und damit zu einer Temperaturzunahme fiihrt. Die Stratosphare ist thermisch stabil, da sich jetzt warme, leichte Luft iiber der kalten, schweren schichtet. Dies ist der Grund, warum Verkehrsflugzeuge unabhangig vom Wettergeschehen in der stabilen unteren Stratosphare fliegen. Sie werden ledighch von den in Kapitel 1.1 beschriebenen Jet-Winden beeintrachtigt.
150
1
1
z/km -
/
100
/ Ausbruch desKrakataus
;(
. /stemschnuppe
p\ , Meteor
50
\ ^^•^
10
1
" Mt. 1 » Everest
K
0
°^\
^i/^H-Bombe \
1
V
-100
^ ^
100 10"^ 10"^
10"^ 10"^ 1
fA 10
^^^^ 1
yAtombombei
T,p
A b b . 2.16: Temperatur- und Druckverteilung in der Atmosphare
n Messballon
bemannter Ballon ( J Gewitterwolke
64
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
In Hohen zwischen 47 und 86 km verursacht die in der Mesosphare dominante Luftchemie erneut eine thermisch instabile Temperaturabnahme. Damit verbunden ist eine geringere Dichteabnahme der Luft mit zunehmender Hohe. In dieser relativ grofieren Luftdichte vergliihen kleine Meteore und werden als Sternschnuppen sichtbar. Auch der Staub von Vulkanausbriichen kann bis in diese Hohen aufsteigen, wo er die Luftchemie iiber Jahrzehnte beeintrachtigen kann. In Hohen grofier als 87 km folgt der Ubergang zur lonosphare, in der die hochenergetischen Sonnen- und Teilchenstrahlen zur lonisation der Luftmolekiile fiihren. Dies hat wiederum eine thermisch stabile Temper at urerhohung mit steigender Hohe zur Folge. Die stabile Temperatur- und Dichteschichtung der lonosphare sorgt letztendhch dafiir, dass die Erdatmosphare die Erde nicht verlafit. Die elektrisch geladenen Teilchen fiihren zu elektrischen Stromen in der lonosphare, die bekanntlich den kurzwelligen Funkverkehr betrachtlich storen konnen. Wir beschranken uns in diesem Kapitel auf die untere Atmosphare (Troposphare und untere Stratosphare), in der sich 99 % der Atmospharenmasse befindet und deren Temperatur-, Dichte- und Druckverlaufe als sogenannte US-Standardatmosphare im Internet abgerufen werden konnen. http://aero.stanford.edu/StdAtm.html Der standardisierte Temperaturverlauf ist in Abbildung 2.17 dargestellt. In der Troposphare nimmt die Temperatur linear ab (2.23)
T{z) = To + a • (z - zo)
mit To = 288.15 K am Erdboden ZQ = 0, der Konstanten a = —6.5 • 10 ^ K/m. und dem Luftdruck am Erdboden po = 1.013 • 10^ N/m'^. In der unteren Stratosphare wird die Temperatur als konstant angenommen T = Ti = 216.65 K = konst.
,
mit
p{z = zi = 11 km) = pi
.
(2.24)
z/km
T/K Abb. 2.17: Standardisierter Temperaturverlauf in der Troposphare und unteren Stratosphare (US-Standardatmosphare)
65
2.2 Hydro- und Aerostatik
Fiir die vorgegebene Temper at ur vert eilung liefert uns die Aerostatische Grundgleichung den dazugehorigen Druck- und Dichteverlauf p(z), p{z). Ausgangspunkt ist wiederum die hydrostatische Grundgleichung (2.18) dp d^
-p{z)
Die Dichte p ist nunmehr eine Funktion der Hohenkoordinate z. Mit der thermischen Zustandsgleichung idealer Gase (2.8) p = R.p.T
^
p{z) R • T{z)
piz)
'
folgt die aerostatische Grundgleichung dp
g
dz
(2.25)
Diese ist wiederum eine gewohnliche Differentialgleichung 1. Ordnung, die mit einer Randbedingung und vorgegebener Temperaturverteilung eindeutig losbar ist. Fiir den Temperaturverlauf der Troposphare (2.23) erhalt man dz=-'dT a
.
Substitution von dz in (2.25) und Integration der aerostatischen Grundgleichung ergibt
7
dp P
In
[dp
dT
g
fdT
R
R-a Po
Po
R-a
•In
To
T{z)\ To ;
p{z) PO
p{z) = Po
exp
T{z)
' '"'f^
R-a
T{z) To
R-a
(2.26)
p{z) folgt aus p{z) mit Hilfe der Zustandsgleichung fiir ideale Gase R
p{z) p{z) • T{z)
Po _ p{z) Po • To Po
Pjz) _ Po
(T{z) V ^0
p{z) • T{z) _ p{z) Po -To Po Tjz) To
'R-a
Tjz) To
To T{z)
(T{z) \ To
66
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
p{z) = po '
T{z)\-(^^')
(2.27)
To
Druck und Dichte nehmen in der Atmosphare fiir die vorgegebene lineare Temperaturverteilung mit zunehmender Hohe nach den Potenzgesetzen (2.26) und (2.27) ab. In der unteren Stratosphare ergibt sich fiir den isothermen Temper at urverlauf T = Ti (2.24) eine exponentielle A b n a h m e des Druckes. p
z
-'dp= - T T V • d^ ^ f-'dp
p
^
R'Ti
ln(^ Pi
J P
R'Ti
{z -
= - T T V / d z ^ [\n{p)]l = - ^ ^ \zY R'TiJ
^ ^^^^P'
p — = exp
zi)
R'Ti
R'Ti^
^^'
'
,
(z-zi)
Pi
p{z) = Pi ' exp
R'Ti
(2.28)
(z-zi)
Die Ergebnisse der Druckverlaufe sind in Abbildung 2.18 dargestellt. p{z) folgt aus p{z) mit der idealen Zustandsgleichung zu p{z) = p{z)/{R • T i ) ,
''<=' = 7 r k • ""•' -( «
^ ^ ' -
Stratosphare
- ^ i ) ) = Pi • exp {
- « ^ ' -
-^i))
Exponentialfunktion
Troposphare
A b b . 2 . 1 8 : Temperatur- und Druckverlauf in der S t a n d a r d a t m o s p h a r e
. (2.29)
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
2.3 2.3.1
67
Stromfadentheorie
Hydro- und Aerodynamik, Stromfadentheorie Kinematische GrundbegrifFe
Bevor wir uns der Berechnung von Stromungen im Rahmen der vereinfachten eindimensionalen Stromfadentheorie zuwenden, wollen wir die kinematischen Grundbegriffe fiir die mathematische Beschreibung der Stromungen bereitstellen. Die Kinematik einer Stromung beschreibt die Bewegung des Fluids ohne Beriicksichtigung der Krafte, die diese Bewegung verursachen. Das Ziel der Kinematik ist es, den Ortsvektor x{t) eines Fluidelements und damit dessen Bewegung in Abhangigkeit der Zeit t beziiglich des gewahlten Koordinatensystems x = (x, y^ z) fiir ein vorgegebenes Geschwindigkeitsfeld v{u^ V, w) zu berechnen. Verfolgen wir in Abbildung 2.19 die Bahn eines Fluidelements bzw. die Teilchenbahn eines der Stromung beigefiigten Teilchens mit fortschreitender Zeit, so wird der Ausgangsort der Teilchenbewegung zur Zeit t = 0 mit dem Ortsvektor x^ = (XQ, l/o, ^O) festgelegt. Zum Zeitpunkt ti > 0 hat sich das Teilchen entlang der skizzierten Bahnkurve an den Ort x{ti) bewegt und zum Zeitpunkt ^2 > ti zum Ort £(^2) usw. Die momentane Position x des betrachteten Teilchens ist also eine Funktion des Ausgangsort es XQ und der Zeit t. Die Teilchenbahn schreibt sich damit x = f{xo,t)
.
Die gewohnliche Differentialgleichung fiir die Berechnung der Teilchenbahn lautet fiir ein vorgegebenes Geschwindigkeitsfeld v{u^ v, w) dx
^/^ X
(2.30)
Dies ist nichts anderes als die wohlbekannte Definitionsgleichung der Geschwindigkeit. Fur die einzelnen Geschwindigkeitskomponenten lauten die DifFerentialgleichungen da; dt
u{x,y,z,t)
dy dt Teilchenbahn
Abb. 2.19: Teilchenbahn
v{x,y,z,t)
dz dt
w{x,y,z,t)
(2.31)
68
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Es handelt sich um ein System gewohnlicher Differentialgleichungen 1. Ordnung. Die Teilchenbahn berechnet sich durch Integration dieser Differentialgleichungen mit der Anfangsbedingung XQ = x{t = 0). Fiir eine stationare Stromung ergibt sich das Differentialgleichungssystem ohne Abhangigkeit von der Zeit t dx ~dt
v{x)
(2.32)
Dabei ist zu beachten, dass zwar d/dt = 0, aber das totale Differential d/dt ^ 0 ist. Eine weitere Moglichkeit, Stromungen zu beschreiben sind Stroralinien. Diese zeigen zu einem bestimmten Zeitpunkt in das Richtungsfeld des Geschwindigkeitsvektors v an (Abb. 2.20). Da die Tangenten an jedem Ort und zu jedem Zeitpunkt parallel zum Geschwindigkeitsvektor gerichtet sind, lautet die Bestimmungsgleichung fiir die Stromlinie t; X d;r = 0 .
(2.33)
Fiir die Geschwindigkeitskomponenten ergibt sich damit V • dz = w • dy w ' dx = u ' dz u • dy = V • dx
^
Daraus folgt das Differentialgleichungssystem 1. Ordnung fiir die Stromhnie dz
w{x,y,
z^t)
dy
v{x^y^z^t)
'
dz
w{x,y,
z^t)
dx
u{x^y^z^t)
'
dy
v{x^y^z^t)
dx
u{x^y^z^t)
(2.34)
Die Stromlinien berechnen sich wiederum durch Integration nach Trennung der Variablen. Damit sind sie Integralkurven des Richtungsfeldes des vorgegebenen Geschwindigkeitsvektors V.
y X
Abb. 2.20: Stromlinie
2.3 Hydro- und Aerodynamik, Stromfadentheorie
69
Im Experiment oder auch in einem berechneten Stromungsfeld lassen sich die Bahnlinien dadurch sichtbar machen, dass man ein Teilchen bzw. ein Fluidelement anfarbt. Fotografiert man das Stromungsgebiet mit langer Belichtungszeit, wird die Teilchenbahn sichtbar. Ganz entsprechend erhalt man ein Bild der Stromlinien, indem man viele Teilchen markiert und das Stromungsfeld mit kurzer Belichtungszeit fotografiert. Auf dem Bild sieht man dann eine Vielzahl von kurzen Strichen, der en Richtung das Tangentenfeld des Geschwindigkeitsvektors zum Zeitpunkt der Aufnahme wiedergeben. Die Verbindungslinien der einzelnen Striche sind die Stromlinien. Die dritte wichtige Moglichkeit der Beschreibung von Stromungen sind Streichlinien. Diese sind entsprechend der Abbildung 2.21 zum Zeitpunkt tn Verbindungslinien der Orte, die die Teilchenbahnen aller Teilchen erreicht haben, die zu irgendeinem Zeitpunkt to < tn alle den festen Ort XQ passiert haben. Gibt man am Ort XQ des Stromungsfeldes Farbe bzw. Ranch zu, so sind Momentaufnahmen der Farbfaden bzw. Rauchfahnen die Streichlinien. Die Gleichung der Streichlinie zum Zeitpunkt tn lautet x = x{xo,to,t)
,
(2.35)
to bezeichnet den Kurvenparameter und XQ den Scharparameter. Man erhalt eine parameterfreie Darstellung der Streichlinie, indem man den Kurvenparameter to eliminiert. Es sei zum Beispiel aus einer Berechnung der Teilchenbahnen die folgende Gleichung bekannt:
Gesucht sei die Gleichung derjenigen Streichlinie in der (x, y)-Ehene, die zum Zeitpunkt t = 0 durch den Punkt (xo,^o) = (—l^—1) geht. Setzen wir den Ansatz in Gleichung (2.35) ein, ergibt sich x = to' e"^° - 1
,
1/ = - t o • e^° - 1
=>
X + 1 = to • e"^°
,
Streichlinie
Teilchenbahnen
y
X
Abb. 2.21: Streichlinie
i/ + 1 = - t o • e^°
,
70
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
(x + l ) - ( y + l)
to = V-(.x + l)-{y + l)
to eingesetzt in x = to- e *» - 1 ergibt eine implizite Gleichung der gesuchten Streichlinie in der (x, y)-Ebene
Plattenumstromung
Tragflugelumstromung
Kraftfahrzeugumstromung
Abb. 2.22: Teilchenbahnen, Stromlinien, Streichlinien der stationaren Umstromung einer senkrecht angestromten Platte, eines Tragfliigels und Kraftfahrzeuges
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
71
Stromfadentheorie
Fiir stationare Stromungen fallen Teilchenbahnen, Stromlinien und Streichlinien zusammen. Bei instationaren Stromungen unterscheiden sich die jeweiligen Kurven. Kommen wir zu den Stromungsbeispielen des Einfiihrungskapitels 1.2 zuriick. Sowohl die Stromung um die waagerechte Platte als auch die Umstromung des Tragfliigels und des Kraftfahrzeuges wurden als stationare Umstromungsprobleme vorgestellt. Nun konnen
Teilchenbahn mhender Beobachter
Stromlinien mhender Beobachter
Stromlinien mitbewegter Beobachter
A b b . 2.23: Kugelumstromung, ruhender und mitbewegter Beobachter
72
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
wir die Stromungslinien der Abbildungen 1.32, 1.37 als Teilchenbahnen bzw. Stromlinien interpretieren. Der jeweiligen Stromung im Wasserkanal werden Aluminiumflitter beigegeben, deren Momentaufnahme mit entsprechend langer Belichtungszeit die Struktur der stationaren Umstromung charakterisieren. In Abbildung 1.40 wurde im Windkanal die Nachlaufstromung des Kraftfahrzeuges mit Ranch sichtbar gemacht, der in der Anstromung an einem festen Ort XQ der Stromung beigesetzt wurde. Alle Rauchteilchen haben den gleichen Ort durchlaufen, demzufolge sind Streichlinien in der Moment aufnahme visuahsiert. Die Abbildung 2.22 erganzt die Prinzipskizzen der Teilchenbahnen, Stromlinien und Streichlinien der drei Stromungsbeispiele, die fiir die stationaren Umstromungen zusammenfalien. Fiir instationare Stromungen unterscheiden sich die Teilchenbahnen von den Stromlinien und Streichlinien, was die Interpretation instationarer Stromungen schwierig gestaltet. Ein einfaches Stromungsbeispiel soil dies veranschaulichen. In Abbildung 2.23 bewegen wir eine Kugel mit konstanter Geschwindigkeit Uoo durch ein ruhendes Fluid. Die Teilchenbahn durchlauft beim Vorbeibewegen der Kugel eine Schleife, wahrend die Momentaufnahme der Stromhnien geschlossene Kurven zeigen. Dies ist das Stromungsfeld, das wir als aufienstehende, ruhende Beobachter sehen. Ganz anders sieht das Stromlinienbild aus, wenn wir uns mit der Kugel mitbewegen. Wir sehen dann die konstante Anstromung u^o auf uns zukommen und die Stromung wird zeitunabhangig. Statt der geschlossenen Stromhnien bilden sich stationare Stromlinien von links nach rechts verlaufend aus, die mit den Bahn- und Streichlinien zusammenfalien. Je nachdem in welchem Bezugssystem wir uns befinden, kann das Stromungsfeld also vollig anders aussehen. Physikalisch ausgedriickt heifit dies, Stromlinien und Teilchenbahnen sind nicht invariant beim Wechsel des Inertialsystems (Ortstransformation mit konstanter Translationsgeschwindigkeit). Zwei weitere Beispiele von Scherstromungen sohen diese Erkenntnis vertiefen. Betrachten
y ^^y^^i-XrO^^
^
^
^
^
^
^
Teilchenbahnen mhender Beobachter
Stromlinie ruhender Beobachter
Stromlinie mit der Welle mitbewegter Beobachter Abb. 2.24: Welle in einer Grenzschicht, ruhender und mitbewegter Beobachter
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
73
Stromfadentheorie
wir eine ebene Welle in einer Plattengrenzschichtstromung. Diese schreibt sich fiir die ix-Komponenten der Geschwindigkeitsauslenkung
mit der Amplitudenfunktion u{z), die ausschliefilich eine Funktion der Vertikalkoordinate z ist, der Wellenzahl a und der Kreisfrequenz co. Die Phasengeschwindigkeit c der Welle ist c = cj/a. Der ruhende Beobachter sieht Kreise als Teilchenbahnen und Stromlinien der Welle, wie in der Momentaufnahme der Abbildung 2.24 skizziert, mit der Phasengeschwindigkeit c an sich vorbeilaufen. Der mit der Welle mitbewegte Beobachter sieht die mit der Phasengeschwindigkeit c bewegte Platte und ein Stromlinienbild, das Katzenaugen ahnelt. Das dritte Beispiel einer Scherschichtstromung ist die Nachlaufstromung eines Zylinders, die wir bereits aus Kapitel 1.1 im Zusammenhang mit dem Einsturz der Tacoma Briicke als Karmansche Wirbelstrafte kennengelernt haben. Das Singen der Hochspannungsleitungen im Wind wird ebenfalls am zylindrischen Querschnitt durch die periodische Stromungsablosung der Karmanschen Wirbelstrafie verursacht. Die Abbildung 2.25 zeigt zunachst die Streichlinien, Teilchenbahnen und Stromlinien des mit der konstanten Geschwindigkeit IXQO durch das ruhende Fluid bewegten Zylinders fiir den ruhenden Beobachter. Der mit den periodisch stromab schwimmenden Wirbeln der Phasengeschwindigkeit c mitbewegte Beobachter sieht die Stor-Stromlinien wiederum als Katzenaugen. Die histori-
Streichlinien
i2'l^\__'C!^^jy^)
Teilchenbahnen
Stromlinien mhender Beobachter
Stromlinien mitbewegter Beobachter Abb. 2.25: Karmansche Wirbelstrafie, ruhender und mitbewegter Beobachter
74
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
schen Aufnahmen von Prandtl 1929 und Timme 1957 im Wasserkanal und die theoretisch berechneten Stromlinien von von Kdrmdn 1912 sind in Abbildung 2.26 erganzt. Beispiele von Streichlinien der Karmanschen Wirbelstrafie zeigen die Wolkenstrafien hinter der Insel Jan Mayen in Abbildung 2.27. Wie wir insbesondere an den Beispielen instationarer Stromungen gelernt haben, ist bereits die Beschreibung der Kinematik insbesondere instationarer Stromungen ein schwieriges Unterfangen. Es bedarf viel Ubung und Erfahrung, experimentelle Ergebnisse im Windkanal bzw. Stromungssimulationen auf dem Rechner physikalisch richtig zu interpretieren. Dennoch gibt gerade die kinematische Beschreibung der Stromung einen wichtigen Einblick in die Struktur einer Stromung, deren mathematische Behandlung wir in Kapitel 4.1.3 fortsetzen werden.
Streichlinien Prandtl 1929
Teilchenbahnen Timme 1957
berechnete Stromlinien von Kdrmdn 1912
Abb. 2.26: Streichlinien, Teilchenbahnen, Stromlinien der Karmanschen Wirbelstrafie
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
75
Stromfadentheorie
Abb. 2.27: Wolkenstrafien hinter der Insel Jan Mayen Nachdem wir festgestellt haben, dass das Stromungsbild vom Bezugssystem abhangig ist, gibt es fiir die mathematische Beschreibung einer Stromung grundsatzlich zwei Moglichkeiten. Bei der Eulerschen Betrachtungweise gehen wir vom ortsfesten Beobachter aus. Diese Beschreibungsweise entspricht dem Vorgehen beim Einsatz eines ortsfesten Messgerates zur Messung der lokalen Stromungsgroften, die wir auch bei der Ableitung der stromungsmechanischen Grundgleichungen in den folgenden Kapiteln ausschlieftlich benutzen werden. Die Lagrangesche Betrachtungsweise geht von einem teilchen- bzw. fluidelementfesten, also mitbewegten Bezugssystem aus. Der mathematische Zusammenhang beider Betrachtungsweisen ist z. B. fiir die Beschleunigung der Stromung b = dv/dt = d'^x/dt'^ das totale Differential des Geschwindigkeitsvektors v{u^v^w). Fiir die ix-Komponente u{x^y^z^t) des Geschwindigkeitsvektors gilt du
dt
dx
du ^ dy^—--dz az
dy
Damit ergibt sich fiir die totale zeitliche Ableitung von u du 'dt
du dt
du dx
dx dt
du dy
dy dt
du dz
dz dt
mit dx dt
d^ dt
dz dt
ist du du dt " at S L Dabei bedeuten
du ox
du ay K
du dz
(2.36)
76 S L K
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Substantielle zeitliche Anderung, Lagrangesche Betrachtung, Lokale zeitliche Anderung am festen Ort, Eulersche Betrachtung, Konvektive raumliche Anderungen infolge von Konvektion von Ort zu Ort, Einfluss des Geschwindigkeitsfeldes v = (u^v^w).
Fiir die Beschleunigung b des Stromungsfeldes, die in den Bewegungsgleichungen der folgenden Kapitel benotigt werden, erhalten wir dv dt
dv dt
dv dx
dv dy
dv dz
dv dt
,^
.^
(2.37)
mit dem Nabla-Operator V = {d/dx^ d/dy^ d/dz) und {v-V) dem Skalarprodukt aus dem Geschwindigkeitsvektor v und dem Nabla-Operator V. Fiir kartesische Koordinaten ergibt sich
l— \ dv
at dv
du I ,,, du
ox I ^,
, dw ^u-
ov 9v dy ow dy
dv
dw dx
dv
dz
+-ty
\dt J
und fiir {v • \/)v
tJ-V
dx
d_ dy
ox {v-V)v
\ yj
\
ox
ay
az
d_ dz
oy
ax oy dw \ u • ^^ + V • ^ ^ \ ax ay
oz oz
Im Falle einer stationaren Stromung gilt, dass alle partiellen Ableitungen nach der Zeit verschwinden d/dt = 0, wohingegen die substantielle Ableitung nach der Zeit d/dt durchaus ungleich Null sein kann, wenn konvektive Anderungen auftreten. Bei einer instationaren Stromung gilt sowohl d/dt ^ 0 als auch d/dt ^ 0.
2.3.2
Inkompressible Stromungen
Bevor wir uns in Kapitel 3 mit der Ableitung der stromungsmechanischen Grundgleichungen fiir die in Kapitel 1.3 eingefiihrte Nachrechnung allgemeiner dreidimensionaler und zeitabhangiger Stromungsprobleme mit t;(x, y^ z, t), p(x, y^ z, t), p(x, y^ z, t) und e(x, y^ z, t) befassen, leiten wir in diesem Kapitel die eindimensionale Stromfadentheorie zunachst fiir inkompressible Stromungen ab.
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
77
Stromfadentheorie
Stromrohre
Stromfaden
Abb. 2.28: Stromrohre und Stromfaden
Die Grundgleichungen und Methoden der eindimensionalen Stromfadentheorie werden auch heute noch in der Industrie entsprechend Kapitel 1.3 fiir den Vorentwurf neuer Produkte eingesetzt. Insofern lohnt es sich also, die eindimensionale Stromfadentheorie als Einstieg in die theoretische Behandlung von Stromungen abzuleiten. Die Losungssoftware des zu behandelnden algebraischen Gleichungssystems wird in Kapitel 5.1 bereitgestellt. Die eindimensionale Geschwindigkeitskomponente bezeichnen wir mit c{s), die ausschliefilich Funktion einer Koordinate s ist, die wir Stromfadenkoordinate nennen. Zur Einfiihrung dieser eindimensionalen Stromfadenkoordinate s ist es niitzlich, zunachst den Begriff der Stromrohre einzufiihren. Bilden die Stromlinien eine geschlossene Flache, nennt man diese Mantelflache Stromrohre (Abbildung 2.28). Beispiele von Stromrohren sind in Abbildung 2.29 dargestellt.
Dtise
Axialmaschine
Diffusor
Radialmaschine
Ausfluss
Abb. 2.29: Beispiele von Stromrohren
78
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Da die Stromlinien per Definition die Tangenten der Geschwindigkeitsvektoren sind, tritt durch den Mantel der Stromrohre keine Fluidmasse. Das bedeutet, dass durchstromte Kanale mit festen Wanden Stromrohren bilden. Sind die Anderungen der Stromungsgrofien iiber den Querschnitt der Stromrohre klein gegeniiber den Anderungen langs der Stromrohre, lassen sich die naherungsweise eindimensionalen Anderungen der Stromungsgroften entlang des abstrahierten Strorafadens berechnen. Die Koordinate langs des Stromfadens nennen wir Stromfadenkoordinate s. Langs eines Stromfadens gilt fiir die angenommene inkompressible und zunachst stationare Stromung c{s)
A{s)
P = P{s)
Alle Stromungsgroften sowie der Querschnitt A der Stromrohre sind ausschhefthch Funktionen der Stromfadenkoordinate s. Fiir ein Umstromungsproblem z. B. des Kraftfahrzeuges, lassen sich entsprechend der Stromrohre der Kanalstromungen Stroraflachen festlegen. Die Abbildung 2.30 zeigt eine solche Stromflache um das Kraftfahrzeug. Sind die Anderungen quer zur Stromflache klein gegeniiber den Anderungen langs der Stromlinien, wie dies z.B. im Mittelschnitt der Kraftfahrzeugumstromung der Fall ist, lasst sich wiederum ein Stromfaden festlegen, entlang dem sich die Stromungsgroften naherungsweise eindimensional andern. Die Grundgleichungen der eindimensionalen Stromfadentheorie schreiben sich fiir die Massenerhaltung: Der in eine Stromrohre eintretende Massenstrom rhi ist gleich dem aus der Stromrohre austretenden Massenstrom m 2 . Mit den Volumenstromen Vi und V2 ergibt sich rhi=
pi'Vi=
pi'Ci'
Ai=
p2'C2'
A2=
p ' C' A = konst.
p2' V2
m2
(2.38)
Abb. 2.30: Stromflache und Stromfaden
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
79
Stromfadentheorie
Impulserhaltung bzw. Bewegungsgleichung: Wir formulieren zunachst die Bewegungsgleichung fiir einen Stromfaden, der in die reibungsfreie Aufienstromung bzw. reibungsfreie Kernstromung eines Kanals gelegt wird. Bei der Kraftebilanz entlang eines ausgewahlten Stromfadenelements d ^ (Abbildung 2.31) kann in erster Naherung die Querschnittsanderung entlang des Stromfadens vernachlassigt werden. Die Bewegungsgleichung lautet Masse • Beschleunigung = Summe aller angreifenden Krafte. Fiir das Volumenelement d ^ gilt also dm • 6 = ^
Fi
(2.39)
Mit der Beschleunigung b haben wir uns bereits in Kapitel 2.3.1 befasst. Fiir den eindimensionalen Stromfaden schreibt sich Gleichung (2.37) dc
dc
dc
fiir die angenommene stationare Stromung c • (dc/ds). Die Masse des in Abbildung 2.31 betrachteten Volumenelements d ^ ist dm = p • dA • ds. Die am Volumenelement angreifenden Krafte sind die Druckkrafte und die Gravitation, deren Komponenten entlang der Stromfadenkoordinate ins Gleichgewicht gesetzt werden. Damit ergibt sich P'dA'ds-
dc dt
dp
P'dAcos((/?) = dz/ds Stromfaden
dc\
dc
P'dA'ds
dA — p • g • dA • ds • cos((/?)
P-
und Division durch p • dA • ds liefert die Euler-Gleichung fiir den
dc dc di "-di+'
dc
1 dp -9 P 'd^~
a^"
dz d^
(2.40)
Fur stationare Stromungen sind alle Gr6£en nur Funktionen von s und es folgt dc
di
d /c^\ ds \2 J
1 dp p ds
dz ds
'
1 , H— ' dp ^ g ' dz P
(p + | £ - d s ) d A \
OS
COS (p
pdA
p g d A ds
Abb. 2.31: Kraftebilanz am Stromfadenelement d ^
80
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Die Integration langs des Stromfadens s vom Ort 1 mit ci, pi und 5i, zi zum Ort 2 mit C2, P2 und 52, ^2 liefert P2
1
/* 1
- (C^ - C?) + / - . dp + ^ . (Z2 - ^l) = 0
.
Fiir die betrachtete inkompressible Stromung ist p = konst., so dass der Faktor 1/p vor das Integral gezogen wird. Man erhalt die Bernoulli-Gleichung fiir inkompressible stationare reibungsfreie Stromungen. Die Dimension ist Energie pro Masse: P2
^9-
Pi
Z2
-\- g ' zi = konst.
(2.41)
Alternativ dazu wird haufig auch die Bernoulli-Gleichung der Dimension Energie pro Volumen angewandt 1 2 1 p ' cl -\- p ' g ' zi = P2 + - • P • C2 + p • ^ • ^2 = Pi + -
(2.42)
konst.
An einem beliebigen Ort lautet die Bernoulli-Gleichung fiir stationare Stromungen p-\--'P'C^-\-p'g'Z
= konst.
oder
- + ^ + ^ • z = konst. p
.
(2.43)
2
Die Konstante fasst dabei die drei bekannten Terme an einem Ausgangszustand zusammen. Sie hat fiir alle Punkte langs s eines Stromfadens den gleichen Wert, kann sich jedoch von Stromfaden zu Stromfaden andern. Die Bernoulli-Gleichung ist eine algebraische Gleichung und liefert den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Druck. Fiir ins t a t i o n a r e Stromungen muss die partielle zeitliche Ableitung dc/dt der Euler-Gleichung ebenfalls langs des Stromfadens s integriert werden. Dabei ist die Integration bei fester Zeit t von si bis 52 durchzufiihren. Es ergibt sich die Bernoulli-Gleichung fiir instationare eindimensionale Stromungen
p-
dc ^ I -— •ds^p2^
1 2 -• p-C2^
p- g • Z2 =
konst.
(2.44)
Anwendung der Bernoulli-Gleichung Eine Vielzahl von Anwendungsbeispielen der Bernoulli-Gleichung sind im tJbungsbuch zu diesem Lehrbuch erlautert. Wir wollen vier Beispiele herausgreifen, die in der Praxis
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
81
Stromfadentheorie
angewandt werden. Mit dem Venturi-Rohr der Abbildung 2.32 kann man iiber die Messung des Drucks am engsten Querschnitt mit der Bernoulli-Gleichung (2.41) den Massenstrom bestimmen. Die Querschnittsverengung verursacht eine Beschleunigung in der Diise und entsprechend der Bernoulli-Gleichung den damit verbundenen Druckabfall (Diise). Die Querschnittserweiterung hat eine Verzogerung der Stromung mit dem entsprechenden Druckriickgewinn zur Folge. Misst man den Druck p am engsten Querschnitt A, berechnet sich bei bekanntem ci und pi die Geschwindigkeit c mit
+P
konst.
p
2
Da bei diesem Beispiel zi = z ist, fallt der Schwerkraftterm weg. Der gesuchte Massenstrom ermittelt sich bei bekannter Querschnittsflache A am engsten Querschnitt P'C'
m
A
Die Anwendung der Bernoulli-Gleichung (2.41) ermoglicht es also, aus einem gemessenen Druck p die Stromungsgeschwindigkeit c zu ermitteln. Dies nutzt man z.B. beim Flugzeug, um mit dem Prandtl-Staurohr die Fluggeschwindigkeit zu bestimmen. Bevor wir auf die Funktionsweise des Prandtl-Rohres eingehen, miissen wir zunachst verschiedene Druckbegriffe einfiihren. Betrachten wir die Bernoulli-Gleichung (2.42) 1
2
p ' g ' z = konst.
bezeichnen wir p = pstat als statischen Druck und (1/2) • p • c^ = pdyn als dynamischen Druck. Der statische Druck Pstat ist derjenige Druck den man misst, wenn man sich mit der
Diise Beschleunigung Druckabfall
Diffusor Verzogerung I Druckruckgewinn
AC I Pi
.^_P_^^'
Abb. 2.32: Venturi-Rohr
82
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Stromungsgeschwindigkeit c im Fluid mitbewegt. Er ist folglich fiir die Druckkraft, die auf einen umstromten Korper wirkt, verantwortlich. Der dynamische Druck pdyn kann als ein Mafi fiir die kinetische Energie pro Volumen eines mit der Geschwindigkeit c stromenden Volumenelements des Fluids betrachtet werden. Fiir Schichtenstromungen, wie z. B. die Grenzschichtstromung um einen Tragfliigel, ist z\ = ^2- Damit fallt der Schwerkraftterm p-g • z aus der Gleichung heraus. Die Konstante auf der rechten Seite der Bernoulli-Gleichung kann von Stromlinie zu Stromlinie variieren. Sie ist eine Eigenschaft der jeweils betrachteten Stromlinie und wird durch geeignete Bezugswerte bestimmt. Solche Bezugswerte konnen z.B. die bekannten Werte der ungestorten Anstromung wie Poo und CQO sein. Im Falle der Tragfliigelumstromung kann die Konstante auf der sogenannten Staustromlinie, die von der Anstromung im Unendlichen iiber einen variablen Punkt 1 zum Staupunkt 0 auf dem Tragfliigel fiihrt, festgelegt werden (Abbildung 2.33). Auf der Staustromlinie lautet die Bernoulli-Gleichung 1
2
Poo + 2 * ^ * ^ ^
1 Pi
' P'CJ
Po = konst.
Im Staupunkt gilt c = 0, daher existiert dort kein dynamischer Druckanteil. Die Variable Po bezeichnet den Druck im Staupunkt, fiir den auch die Bezeichnungen Ruhedruck oder Gesamtdruck gebrauchlich sind. Es gilt folglich Po = Pges = PRuhe = Pstat + Pdyn
(2.45)
Den dynamischen Druck der Anstromung (l/2)-p-c^ haben wir bereits in den einfiihrenden Kapiteln fiir den dimensionslosen Druckbeiwert Cp P-Poo 2
r
^oo
benutzt. Die unterschiedHchen Druckbegriffe sind in Abbildung 2.34 zusammenfassend dargestellt. Die Driicke lassen sich mit den klassischen Methoden der Hydrostatik messen. Messung des statischen Druckes PstatDas einfachste Messprinzip zur Bestimmung des statischen Druckes Pstat besteht aus einer Wandanbohrung und dem in Kapitel 2.2.1 eingefiihrten U-Rohrmanometer. Der statische
Staupunkt Abb. 2.33: Druckbegriffe bei der Tragfliigelumstromung
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
83
Stromfadentheorie
Abb. 2.34: Die verschiedenen Druckbegriffe statischer Druck Pstat, dynamischer Druck Pdyn, Gesamtdruck pges
Druck
Druck pstat der Aufienstromung ist der Grenzschicht aufgepragt, d.h. er ist innerhalb der Grenzschicht konstant in Wandnormalenrichtung. Mit einer Wandanbohrung wird folglich der statische Druck der Aufienstromung gemessen. Es gelten die Zusammenhange der Abbildung 2.35 zwischen Druckdifferenz Ap und Steighohe Ah im Manometer mit PL Dichte der Luft, pp Dichte der Fliissigkeit und Pref Referenzdruck. Die Abbildung 2.36 zeigt das Windkanalmodell eines Tragfliigels. Die Druckmessbohrungen, denen wir z.B. die Druckverteilung der Abbildung 1.37 entnommen haben, sind so fein, dass sie auf der Abbildung nicht zu erkennen sind. Lediglich die Druckrohrchen im Innern des Fliigelmodells, die zu den Druckaufnehmern fiihren (heute PiezoquarzDruckaufnehmer statt den klassischen U-Rohrmanometern), deuten deren Existenz an. Der statische Druck Pstat lasst sich auch mit einer Sonde messen, die in die Stromung gehalten wird (Abbildung 2.37). Sie arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie die Wandbohrungen, diese sind bei der Sonde in Form von Bohrlochern zur Abnahme des statischen Druckes auf den Umfang der Sonde verteilt. Auch hier bildet sich iiber der Sondenspitze eine Grenzschicht aus, der der statische Druck der Aufienstromung aufgepragt ist. Um Messfehler zu minimieren, miissen die Bohrlocher einen hinreichenden Abstand von der Sondenspitze und vom Sondenschaft besitzen, damit die dadurch hervorgerufenen StorunJD
—
sta1
^
i
s '' n
1
^stat \
M
h
Pref
1^ Ail
1 ^^=^
sehr haufig gilt: pi, • g • h ^ pF • g • Ah =>
i
i
'[
Pstat ^ pL'g'h= Pref ^ pF ' 9 ' Ah Pstat - Pref = pF ' 9 ' Ah - pi^ - g - h Ap=
Pstat - Pref = pF ' 9 ' Ah
,
' Abb. 2.35: Messung des statischen Druckes Pstat
84
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
gen abgeklungen sind und bei der Messung nicht miterfasst werden. Messung des Gesamtdruckes Pg^g bzw. Ruhedruckes po: Die Messung des Gesamtdruckes pges bzw. Ruhedruckes po geschieht mit einem sogenannten Pitot-Rohr. Stellt man dieses in die Parallelstromung, so wird sich das Rohr fiir einige Momente solange mit Luft fiillen, bis die Luft iiberall im Rohr zur Ruhe gekommen ist. Dies gilt auch fiir den Eintrittsquerschnitt, in dem sich der Staupunkt mit c = 0 einstellt. Daraus folgt, dass innerhalb des Pitot-Rohres iiberall der Gesamtdruck pges herrscht, der wiederum mit dem U-Rohrmanometer gemessen wird. Messung des dynamischen Druckes PdynZur Messung des dynamischen Druckes pdyn wird eine Kombination aus statischer Sonde und Pitot-Rohr verwendet, das Prandtlsche Staurohr, das den dynamischen Druck als Differenzdruck aus Gesamtdruck und statischem Druck bestimmt. Damit lasst sich die Geschwindigkeit aus dem gemessenen dynamischen Druck bestimmen. -Pclyn _ p-pF-g-Ah
PL
y
^2^^^^
PL
Das Beispiel eines Prandtl-Staurohres, wie man es an jedem Flugzeug beobachten kann, ist in Abbildung 2.38 gezeigt. Mit der Bernoulli-Gleichung kann man bei vorgegebener Geometriekontur eine erste Berechnung der reibungsfreien Aufienstromung eines Modell-Kraftfahrzeuges durchfiihren. Wir kommen auf dieses Berechnungsbeispiel im Softwarekapitel 5.1 zuriick. Die Abbildung 2.39 zeigt den berechneten Druckbeiwert Cp stromab des Staupunktes. Auf der
Abb. 2.36: Statische Druckmessbohrungen in einem Tragfliigelmodell
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
85
Stromfadentheorie
Kiihlerhaube wird die Stromung beschleunigt, was mit einem Druckabfall einhergeht. Nach Uberschreiten des Druckminimums auf dem Dach des Kraftfahrzeuges wird die Stromung
Stat
Statischer Druck Pstat PL' g'h<^ PF' g- Ah Pref
is
A p = Pstat - Pref = pF ' 9 ' Ah
rA= ^4=^. c = 0.
Gesamtdruck p^^^ Pges = Pref ^ pF ' 9 ' Ah
^5=^
^ Dynamischer Druck Pdyn Pges = Pstat ^ pF' g-
Ah
Pdyn ^ Pges Pstat Pdyn = ^' pL'C^ = PF ' gC= ^
i'
Ail
/2-pdyn
Ah
/2-pF-g-Ah V
PL
)*=^ Abb. 2.37: Messung des statischen Druckes Pstat? des Gesamtdruckes pges und des dynamischen Druckes pdyn
86
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Abb. 2.38: Prandtl-Staurohr verzogert. Mit der Bernoulli-Gleichung berechnet man den damit verbundenen Druckanstieg bis zur Hinterkante. Im Nachlauf des Kraftfahrzeuges versagt die reibungsfreie Stromfadentheorie, da in diesem Stromungsbereich entsprechend Abbildung 1.40 die Reibung beriicksichtigt werden muss. Dem Diagramm der Abbildung 2.39 entnehmen wir, dass der Staupunkt Cp = {p — Poo)/(0-5 • Poo • c^) = 1 falsch berechnet wird. Hier versagt die eindimensionale Stromfadentheorie, da die StromHnienverzweigung im Staupunkt nur mit der zwei- bzw. dreidimensionalen Theorie berechnet werden kann. Diese wird in Kapitel 3 abgeleitet. In Bezug auf die Ergebnisse beim Venturi-Rohr lasst sich mit der BernoulU-Gleichung das Phanomen der Kavitation erklaren. In einer mit Fliissigkeit durchstromten Diise der Abbildung 2.40 sinkt im Bereich der Querschnittsverengung aufgrund der Beschleunigung der Stromung der Druck ab. Sinkt der Druck unterhalb des Sattigungsdruckes der Fliissigkeit entstehen Dampfblasen (siehe Abbildung 1.44). Wird die Stromungsgeschwindigkeit im weiteren Verlauf des Diffusors aufgrund der Vergrofierung des Stromungsquerschnittes wieder verrringert, verbunden mit steigendem Druck, kondensieren die Blasen bei Uberschreiten des Sattigungsdruckes schlagartig. In der Stromung konnen sich Blasen zu grofieren Blasen vereinigen, was den Druckstofi vergrofiert, der bei der Kondensation entsteht. Diesen Vorgang nennt man Kavitation. Diese kann z. B. in Leitungsverengungen, Pumpen oder Warmetauschern Storungen und Schaden verursachen.
Abb. 2.39: Berechnete reibungsfreie Druckverteilung auf einem Modell-Kraftfahrzeug
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
Verdampfung
87
Stromfadentheorie
Kondensation der Blasen
Bildung groBerer Blasen
Sattigungsdruck Beginn der Kondensation Beginn der Verdampfung 0
1
Abb. 2.40: Kavitation in einer Diisenstromung
s/L
Kraftebilanz senkrecht zum Stromfaden Bisher haben wir Stromungsbeispiele behandelt, bei denen per Definition die Anderungen langs des Stromfadens grofi gegeniiber den Anderungen quer zum Stromfaden waren. Im einfiihrenden Kapitel 1.1 haben wir jedoch Stromungsbeispiele kennengelernt (z.B. Abbildung 1.2 Tiefdruckgebiet, Abbildung 1.4 Hurrikan), bei denen die Anderungen der Stromungsgrofien senkrecht zum Stromfaden grower sind als langs des Stromfadens. Dies legt es nahe, fiir den reibungsfreien Aufienbereich dieser stationaren Wirbelstromungen die Kraftebilanz am Volumenelement d ^ senkrecht zum Stromfaden entlang der Normalenrichtung n durchzufiihren. s bezeichnet jetzt die Bogenlange des Stromfadens, r ist der lokale Kriimmungsradius. Die Bewegungsgleichung normal zum Stromfaden lautet dm • 6„
E^i.
dn)dA
Abb. 2.41: Kraftebilanz am Volumenelement senkrecht zum Stromfaden
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Das Massenelement dm berechnet sich zu dm = p • dV = p • dA • dn. Bezeichnet c die Geschwindigkeit langs der Stromfadenkoordinate 5, so berechnet sich der Betrag der Beschleunigung hn aus dem Quotienten des Betrags der Zentripetalkraft Fz und dem Massenelement dm. Es gilt also dm • c^
\K\
r dm Diese Beschleunigung hn halt das Massenelement auf der gekriimmten Bahn, ihre Richtung weist also auf den lokalen Kriimmungsmittelpunkt hin, der Richtung von n entgegen. Als aufiere Krafte treten Druckkrafte sowie eine Komponente der Schwerkraft p • dA • dn • g auf (Abbildung 2.41). Damit ergibt sich fiir die Bewegungsgleichung P' dA
dp P- an
dA -\- p • dA • dn • g • sm{cp) r nach Division durch {—p • dA • dn) und mit sm{cp) = -dz/dn folgt dTTi 'hrn = p • dA • dn •
c^ _ 1 dp r p dn
dz dn
(2.47)
Fiir eine ebene Schichtenstromung bei z = konst. ergibt sich wegen dz = 0 1 dp p dn
(2.48)
In Richtung der aufieren Normalen n bzw. bei ebenen Kreisstromungen in radialer Richtung r, steigt der Druck an. Druckkraft und Zentripetalkraft halten sich das Gleichgewicht. Wirbelbewegungen auf konzentrischen Kreisbahnen lassen sich mit der gewohnlichen Differentialgleichung (2.48) berechnen. So lassen sich z.B. die Druck- und Geschwindigkeitsverteilung eines Tornados (Abbildung 2.42) naherungsweise mit der eindimensionalen Stromfadentheorie ermitteln. Die Stromlinien sind konzentrische Kreise. Fiir den Geschwindigkeitsbetrag c gilt auf Kreisbahnen c{r) = Cr/r mit der Umfangsgeschwindigkeit c{Ro) = CQ
mm.
Abb. 2.42: Stromungen auf Kreisbahnen in einem Tornado
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
89
Stromfadentheorie
am festgelegten Radius RQ und der Konstanten c^ Chung (2.48) ^^2 _ 1 dp ^3 p dr
Co ' RQ. Mit n = r schreibt sich Glei-
(2.49)
'
Die Integration dieser gewohnlichen Differentialgleichung 1. Ordnung ergibt mit der vorgegebenen Randbedingung an einem festgelegten Radius RQ, p{Ro) = po p(r) = Po
P'cl
1
1
Rl
(2.50)
Dies kann in der folgenden Form geschrieben werden
V{r)^^-c\r)
P
2
Po + - • Co
konst.
(2.51)
Damit haben wir die Bernoulli-Gleichung fiir Wirbelstromungen auf konzentrische Kreise iiber die Kraftebilanz senkrecht zum Stromfaden abgleitet. Man kann zeigen, dass die Stromung auf konzentrischen Kreisen wirbelfrei ist, mit V x c = 0. Die Abbildung 2.43 zeigt fiir r > RQ die mit Gleichung (2.50) berechnete Druckverteilung sowie die angenommene Geschwindigkeitsverteilung c = Cr/r. Druck und Geschwindigkeit verhalten sich entsprechend der BernoulU-Gleichung (2.51) mit wachsendem r gegenlaufig. Fiir r < RQ wiirde fiir den Potentialwirbel die Geschwindigkeit beliebig anwachsen. Da dies nicht der physikalischen Realitat entspricht, wird fiir Pi
i
p
u ^ Re
Starrkorperrotation Potentialwirbel
Abb. 2.43: Druck- und Geschwindigkeitsverteilung in einem Potentialwirbel
90
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
r < Ro die Differentialgleichung der reibungsfreien Wirbelstromung (2.49) durch die Differentialgleichung der reibungsbehafteten Stromung abgelost, die wir gegen Ende dieses Kapitels behandeln werden. Auch hier bestatigt sich wieder die in Kapitel 1.2 eingefiihrte Einteilung der Stromungsbereiche. Im Wirbelkern stellt sich die reibungsbehaftete Starrkorperrotation mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit uur und der linearen Geschwindigkeitsverteilung c = uur - r ein. Der Druck fallt fiir r < RQ weiter ab und erreicht fiir das ausgewahlte Beispiel des Tornados Werte zwischen 20 und 200 mbar. Energieerhaltung Die dritte Grundgleichung, die fiir die vollstandige mathematische Beschreibung der Stromungen mit Warmetransport oder bei der Beriicksichtigung der Arbeitsleistung von Stromungsmaschinen zu behandeln ist, ist die Energieerhaltung. Fiir die Ableitung der Energiebilanz erganzen wir die Prinzipskizze der betrachteten Stromrohre und des Stromfadens der Abbildung 2.28 um eine zusatzliche spezifische Warmemenge q (Abbildung 2.44). Allgemein gilt fiir die Energieerhaltung einer stationaren und reibungsfreien Stromung, dass die Anderung des Energiestroms im betrachteten Volumenelement dV gleich der Leistungen der angreifenden Krafte und des Warmestroms ist. Damit berechnet sich der Energiestrom E in der Einheit Watt {W} = {J/s} zu E:
e+ y )
'P'C'A
p ' dV bezogenen inneren Energie e und der masmit der auf das Massenelement dm senspezifischen kinetischen Energie ^/2. Fiir die beiden Querschnitte Ai und A2 der betrachteten Stromrohre folgt mit der Kontinuitat m = konst.. ^1
Eo
^^ + y
ei + ^
^^ + ¥
^^ + ¥
) • Pi-ci-
Ai
P2' C2
Die Leistungen der angreifenden Krafte (Druckkrafte und Schwerkraft) sowie der Leistung des Warmestroms q • m fiihren bei Vernachlassigung der Reibung zu einer Anderung des
Abb. 2.44: Stromrohre und Stromfaden mit spezifischer Warmemenge q
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
91
Stromfadentheorie
Energiestromes von 1 nach 2 gemafi der folgenden Bilanzgleichungen E2 - El = pi ' Ai ' ci - p2 ' A2 ' C2 ^ g ' {zi - Z2) ' rh ^ q ' rh
62 +
• m
2J
ei
V
rfi = Pi' Ai ' ci -p2'
2
A2 ' C2^ g ' {zi - Z2)
'rh^q'Th
Nach Division durch rh = pi - ci - Ai = p2 - C2 - A2 folgt
^^ + S + ^-^^
Pi ^2 = e i H Pi
1 2 h - • Ci + ^ • z i ^
Mit der Definition der massenspezifischen Enthalpie h = e-\- p/p ergibt sich Z2 = hi
h2
-g-
zi
Fasst man darin die drei Grofien /ii, ci und g • zi am Querschnitt Ai als gegebene Grofien nach hi -\- (1/2) ' Ci -\- g ' zi = konst. zu einer Konstanten zusammen und betrachtet die Grofien am Querschnitt A, so erhalt man (2.52)
h-\- - • c -\- g • z — q = konst.
Wird keine Warme zu- oder abgefiihrt und damit die innere Energie nicht verandert, so sind der Energiesatz und die Bernoulh-Gleichung identisch. Dies gilt ausschhefihch fiir die in diesem Kapitel betrachtete inkompressible Stromung. Fiir Stromungen mit mechanischer Energiezufuhr (Pumpe) oder mechanischer Energieabnahme (Turbine), wie sie z.B. in einem Nachtspeicher-Kraftwerk der Abbildung 2.45
V
u
Wasserschloss ;>
^ 2
Pumpe ^
^
^
Turbine
^^^^^^ xxS.
Abb. 2.45: Speicherkraftwerk
_
y U W ^'
z,ci:
92
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
vorkommen, erganzt man den Energiesatz (2.52) bzw. bei Vernachlassigung der Warmeverluste in der Pumpe und Turbine um den Term der spezifischen Arbeit Alp/p der Pumpe. Entsprechendes gilt fur die Turbine mit der spezifischen Arbeit Al^/p (Einheit der volumenspezifischen Arbeit Al {J/m^}). Beim Speicherkraftwerk stromt tagsiiber zu den Zeitpunkten der Spitzenleistungen das Wasser vom Stausee der Hohe Z2 die Druckleitung hinab zum Auffangbecken der Hohe zi und treibt die stromerzeugende Turbine. Nachts wird bei geringer Netzbelastung das Wasser mit der nun als Pumpe wirkenden Turbine von der Hohe zi zur Hohe Z2 hinauf gepumpt. Bei dem Pumpeinsatz wird dem Fluid auf dem Weg von 1 nach 2 Energie zugefiihrt. Der Energiegehalt pro Volumen {J/m^} des Fluids ist somit bei 2 grofier als bei 1 1
2
1
2
P2^-'P'C2^P'g'Z2>pi^-'P'C^^P'g'Zi
.
Mit der volumenspezifischen Arbeit der Pumpe Alp > 0 lautet die Bernoulli-Gleichung (Stromungsrichtung von 1 —> 2) 1 2 P2^ -• P-C2^ p- g- Z2=pi^
1 2 -• p-c^^
p- g-
zi^Alp
(2.53)
Stromt das Fluid von 2 nach 1 und treibt dabei die Turbine an, so wird dem Fluid auf dem Weg von 2 nach 1 Energie entzogen. Der Energiegehalt des Fluids ist somit an der Stelle 1 kleiner als an der Stelle 2 1 2 1 Pl^-'P'C^^P'g'Zi
2 .
Definiert man die volumenspezifische Arbeit, die eine Turbine in elektrische Energie umwandelt ebenfalls positiv A / T > 0, so lautet die Bernoulli-Gleichung in diesem Fall (Stromungsrichtung von 2 —> 1)
Pi^
1 2 -• p-c^^
p- g- zi=p2^
1 2 -• p-C2^ p- g- Z2-
Ah
(2.54)
Man beachte, dass sich beim Ubergang vom Anwendungsfall Pumpe zum Anwendungsfall Turbine die Stromungsrichtung geandert hat. Aus den angefiihrten volumenspezifischen Arbeiten Al fiir die Pumpe bzw. Turbine erhalt man deren Leistung L in {W} = {J/s} durch Multiplikation mit dem Volumenstrom V = A'czu L = Al'V
.
Zusammenstellung der reibungsfreien Grundgleichungen der Strorafadentheorie Damit lassen sich die Grundgleichungen der eindimensionalen Stromfadentheorie fiir die inkompressible und reibungsfreie Stromung zusammenfassen:
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
93
Stromfadentheorie
Masseerhaltung
(2.55)
p ' c ' A = konst.
Impulserhaltung Integral der Euler-Gleichung ^ Bernoulli- Gleichung
Energieerhaltung
s 1 C/O
T)
c^ ^g-
/iH
1
z-q
= konst.
(2.56)
A/ == konst.
(2.57)
p
2
Dies sind 3 algebraische Gleichungen zur Bestimmung der Stromungsvariablen c, p, h. Sie werden erganzt durch die thermodynamischen Beziehungen h = Cr,'T
Q
A-q
A'\
ar
m
ds
Die volumenspezifische Arbeit der Stromungsmaschinen A/ miissen mit den allgemeinen Grundgleichungen in Kapitel 3 berechnet bzw. gemessen werden. Die Losung der algebraischen Gleichungen (2.55) bis (2.57) erfolgt entweder mit den bekannten Methoden der Algebra oder, wenn moglich, analytisch. Fiir die numerische Losung wird in Kapitel 5.1 das Softwarepaket K A P P A (Karlsruhe Parallel Program for Aerodynamics) Strorafaden bereitgestellt, das wir bereits bei der Berechnung der Kraftfahrzeugumstromung benutzt haben. Beispiele analytischer Losungen sind im Ubungsbuch Stromungsmechanik in Kapitel 2.3 zusammengestellt. Navier-Stokes-Gleichung Zum Abschluss dieses Kapitels iiber inkompressible Stromungen gilt es, die zweidimensionale Impulserhaltung bzw. Bewegungsgleichung der reibungsbehafteten Stromung in der Umgebung von fest en Wanden zu erganzen. Wir legen nunmehr die Stromflache und den Stromfaden z.B. der Abbildung 2.30 in den Bereich der Grenzschichtstromung bzw. des reibungsbehafteten Nachlaufs der Kraftfahrzeugumstromung. Wir greifen entlang des Stromfadens wiederum ein zylindrisches Volumenelement heraus und betrachten fiir die reibungsbehaftete Stromung die Stromrohre der Abbildung 2.46. Hierbei wird ein zylindrisches Ringelement der Lange ds und der Stirnflache dA = 2 • TT • r • dr betrachtet. Die Geschwindigkeit c ist nicht mehr nur eine Funktion von s und gegebenenfalls von t, sondern zusatzlich von der Radialkoordinate r abhangig. Da dc/dr 7^ 0 fiir r 7^ 0 gilt, treten in der Kraftebilanz Schubspannungsanteile auf. Fiir die Bewegungsgleichung dm • 6 = ^
Fi
ergibt sich mit der Masse dm = p • dA • ds = p • 2 • TT • r • dr • ds, der Beschleunigung hg = dc/dt-\-C'{dc/ds) und den angreifenden Kraften F^, Druckkraften, Schubspannungen
94
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
und der Komponente der Schwerkraft langs s ^
'dc
dc
^ dc
dc
* at
as
p ' 2 ' IT' r ' dr ' ds ' ( T ^ + C - ^ —
"^"^•[di + '-dS
p ' 2 ' IT' r ' dr-
dp p -\- — • ds \ ' 27r' r ' dr — p ' g ' 27r' r ' dr ' ds ' cos{(p) — r • 2 • TT • r • ds-\dr r + —- • d r I • 2 • 7r(r + dr) • ds
,
cos{(p) = dz/ds und Division durch (p • 2 • TT • r • d r • ds) liefert bei Vernachlassigung von Termen der Ordnung (dr)^ und mit dem Ansatz T = p • (dc/dr) sowie u = p/p die N a v i e r - S t o k e s - G l e i c h u n g in Zylinderkoordinaten
dc
dc ds ~
1 dp p ds
dc dr
n \r
d^c\ dz dr^ J -'•dS
(2.58)
Dabei handelt es sich u m eine partielle Differentialgleichung 2. Ordnung. Im Gegensatz zur Euler-Gleichung (2.40) beriicksichtigt die Navier-Stokes-Gleichung zusatzlich den Reibungseinfluss durch die Anderungen der Schubspannungen, die die zweiten Ableitungen der Geschwindigkeiten verursachen. Die linke Seite der Navier-Stokes-Gleichung charakterisiert wiederum die Grundgleichung der Kinematik (2.36) fiir die eindimensionale Stromung, die jetzt u m die Druck-, Reibungs- und Schwerkraft erganzt wurden. Fiir die Stromfadenkoordinaten s und n lautet die Navier-Stokes-Gleichung
dc dt
1 dp - ^ ^ — ds P ds
dz
d^c
dc
+ c
^ly
dn^
-9
(2.59)
— ds
Die einzelnen Terme bedeuten:
(T+-^)dr.27i(r+dr)d5 or
(p+^^ds)'2nrdr OS
2nrdr
plnrdr
A b b . 2.46: Kraftebilanz am Stromfadenelement d ^ fiir die reibungsbehaftete Stromung
2.3 Hydro- und Aerodynamik, Stromfadentheorie
dc dc 7— + c • 7— at as
Tragheitskrafte pro Masse,
1 dp p ds
Druckkraft pro Masse,
ly ' 7 - ^
Reibungskraft pro Masse,
95
dz g ' -— Schwerkraft pro Masse. ds Wir machen die Navier-Stokes-Gleichung mit geeigneten charakteristischen Grofien des Stromungsfeldes dimensionslos. Die dimensionslosen Grofien werden mit einem hochgestellten Stern gekennzeichnet. Alle auftretenden Ortskoordinaten 5, n und z werden auf eine charakteristische Lange L bezogen und die Geschwindigkeit c auf eine charakteristische Geschwindigkeit Coo- Der Quotient L/coo stellt eine charakteristische Zeit dar, mit deren Hilfe die Zeit t entdimensioniert wird. Der Druck p wird mit dem doppelten Wert des dynamischen Druckes, also mit p • c ^ entdimensioniert. L
'
L
'
L
'
Coo
'
L
'
p' cl^ 'oo
Setzt man die Grofien in die dimensionsbehaftete Navier-Stokes-Gleichung (2.59) ein, so erhalt man c2^ L
f)^* dc* dt*
^2 ;^ * c ^ . ^dp* Coo cl^ ^ dc* 11 Pn •. r'^ ^^^ .C* .^-= - - . f-—^ ^ j y .- ^
L
^5*
p
L
Nach Multiplikation mit dem Faktor L/c^ dc* dt*
,
d^__dp^ ds* ds*
^5*
d'^c* 5n*^
L^
g
L dz L ds*
folgt V d^_gjj^ Coo • L dn*'^
c^
dz^ ds*
Die vor den letzten beiden Termen stehenden Kombinationen charakteristischer Grofien entsprechen jeweils dem Kehrwert der mit der charakteristischen Lange L gebildeten Reynolds-Zahl RCL = (coo • L)/u und der mit der Lange L gebildeten Froude-Zahl F'f^L = c ^ / ( ^ • L)^ die wir bereits in den einfiihrenden Kapiteln benutzt haben. Die dimensionslose Navier-Stokes-Gleichung lautet dc* dt*
^ dc* _ ds*
dp* ds*
1 RCL
d'^c* dn*'^
1 FTL
mit den dimensionslosen Kennzahlen dc _ . ry ^ ^ rn Traghcltskraft ^ •^ ^^ Froude-Zahl: F r ^ = = ^ = ^^^ , Schwerkraft ^ . dz n •L ^ d^ "^ dc T> i j ry ui D Traghcltskraft c-^ Coo • i^ Reynolds-Zahl: RCL = :p^-Tr ]—w = ^ = Reibungskraft d c ly dn^
dz* ds*
(2.60)
96
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Fiir Fr-Zahlen FVL > 1 dominiert die Tragheitskraft der Stromung und die Schwerkraft kann vernachlassigt werden. Fiir i?e-Zahlen RCL > 1 dominiert ebenfalls die Tragheitskraft. Der Reibungseinfluss beschrankt sich auf eine diinne wandnahe Reibungsschicht, die wir bereits als Grenzschicht kennengelernt haben. Fiir die in Abbildung 2.47 auf die Lauflange L bezogene Grenzschichtdichte S gilt die Beziehung 1
(2.61)
y^R^i
Der statische Druck innerhalb dieser Grenzschicht entspricht dem statischen Druck der reibungsfreien Aufienstromung, er wird der Grenzschicht aufgepragt. Fiir i?e-Zahlen RCL < 1 dominiert die Reibungskraft im gesamten Stromungsfeld. Dies ist der Bereich der schleichenden Stromung (Abbildung 2.47), in der eine Bereichsaufteilung in reibungsfreie Aufienstromung und wandnahe reibungsbehaftete Stromungsschicht nicht mehr moglich ist. Die Grofienordnungen der Reynolds-Zahlen, die bei Lebewesen und in der Technik auftreten, sind in der folgenden Tabelle in Bezug auf die Fortbewegungsarten zusammengestellt.
Natur
i^e^
Forth ewegung
Bakterien
10-^
Reihung dominiert Fortbewegung ^ Wimper
Einzeller (Geifieln)
10-3
Kaulquappen
102
Tragheitskraft dominiert => Strahlantrieb
Aal
10^
wellenformige Fortbewegung
Mensch
10^
grofie i^e^-Zahlen Wirbelablosung zur Fortbewegung
Blauwahl
10^
=>
Schwanzflosse
Technik
Kraftfahrzeug Flugzeug
10^
Verbrennungskraftmaschinen
Unterseeboot
10^
Schiffspropeller
Integrieren wir die dimensionslose Navier-Stokes-Gleichung 2.60 zu einem festen Zeitpunkt
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
97
Stromfadentheorie
t langs der Stromkoordinate s, ergibt sich
at*
d5* +
•d5*
1
•d5*
J as*
^5*
RCL
J on*'^
.
(2.62)
Die Gleichung (2.62) erganzt in der KAPPA-Softwarezusammenstellung die BernoulliGleichung (2.56) um den Reibungsterm (I/RCL) • /(a^c*/an*^) • ds*, der im Softwarepaket KAPPA-Stromfaden (Kapitel 5.1) fiir die Berechnung der Reibungsschichten beriicksichtigt wurde. Es ist dann nicht mehr von der eindimensionalen Stromfadentheorie zu sprechen, vielmehr haben wir die Uberleitung zu der allgemeinen Formulierung der stromungsmechanischen Grundgleichungen fiir dreidimensionale Stromungen gefunden. Fiihren wir die Berechnung der Druckverteilung auf dem Modell-Kraftfahrzeug der Abbildung 2.39 in der reibungsbehafteten Grenzschicht mit Gleichung (2.62) durch, dann verursacht die Reibung einen grofieren Druckabfall auf dem Kraftfahrzeug (Abbildung 2.48). Die Ursache dafiir kann man mit einer durch die Reibungsschicht veranderten fiktiven Geometriekontur des Kraftfahrzeuges deuten. Diese ist mit dem Begriff der Verdrangungswirkung der Grenzschichtstromung verkniipft. Die Grenzschicht verdrangt Masse, die eine veranderte reibungsfreie Aufienstromung zur Folge hat. Die Berechnung der reibungsfreien Aufienstromung der reibungsbehafteten Umstromung eines Korpers kann also Coo
- ^ Coo
^ *\ ^
c(n)
^ L
^
Re^ « 1
Abb. 2.47: Plattengrenzschichtstromung und schleichende Stromung um einen Zylinder
98
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
P-P ; i Poo ^2
1 [
0 I
i
-0.5 mit Reibung
^ s/L Abb. 2.48: Berechnete reibungsbehaftete Druckverteilung auf einem Modell-Kraftfahrzeug
der art erfolgen, dass man an jedem Ort der urspriinglichen Kontur eine Verdrangungdicke S* hinzufiigt, die einen neuen Modellkorper definiert (Abbildung 2.49). Die Verdrangungsdicke 6* berechnet sich aus dem urspriinglichen Grenzschichtgeschwindigkeitsprofil c/coo mit
Grenzschichtstromung
Verdrangungsdicke der Grenzschicht
Abb. 2.49: Verdrangung der reibungsfreien Aufienstromung durch die Verdrangungsdicke der Grenzschicht
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
99
Stromfadentheorie
Analytische Losungen der Navier-Stokes-Gleichung Es sind drei analytische Losungen der Navier-Stokes-Gleichung angefiigt. In einem Rohr mit Kreisquerschnitt des Radius R stellt sich ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil c{r) ein (Abbildung 2.50). Es handelt sich dabei um eine stationare dc/dt = 0 und ausgebildete dc/ds = 0 Rohrstromung. Damit andert sich das Geschwindigkeitsprofil entlang der Koordinate s nicht, womit {1/p)-dp/ds = konst. sein muss. Es handelt sich um eine horizontale Schichtenstromung mit dz = 0, damit fallt die Schwerkraft g-dz/ds = 0 weg. Fiir diese Voraussetzungen ergibt die Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten (2.58) d^c 1 dc - • -— + -—r = konst. r dr dr^
(2.63)
wobei die konstante Zahigkeit u dem konstanten Druckgradienten (1/p) • dp/ds zugeschlagen wurde. Da die Geschwindigkeit c{r) ausschliefilich eine Funktion der Radialkoordinate r ist, erhalten wir eine gewohnliche Differentialgleichung 2. Ordnung. Mit den zwei Randbedingungen c{R) = 0
r = R und der Nebenbedingung dc dr
0
,
r=0
lasst sich die Differentialgleichung (2.63) mit einem Potenzreihenansatz fiir c{r) losen c(r) = ^'
— ^ . ^ . ^ 1 - ^ 4-p-p ds \ i?2
Mit der niaximalen Geschwindigkeit Cmi Rohrstromung c{r) = c„
-{R^/{4: • V • p)) • (dp/ds) ergibt sich fiir die
i?2
(2.64)
Fiir die ebene stationare Kanalstromung, die man Poiseuille-Stromung nennt, erhalt man ebenfalls ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil c{n) (Abbildung 2.51). Die zu 15sende Navier-Stokes-Gleichung (2.59) schreibt sich mit dp/ds = konst. und dz = 0 fiir die ausgebildete Kanalstromung dc/ds = 0 d^ dn^
konst.
(2.65)
R ^mn\
Abb. 2.50: Hagen-Poisseuille-Rohrstromung
100
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
2H
-4c(h)
c^m = — c max ^ "^
T(n)
"]
Abb. 2.51: Poiseuille-Kanalstromung
Nach zweimaliger Integration ergibt sich mit den Randbedingungen n = ±H
,
c{±H) = 0
das parabolische Geschwindigkeitsprofil c{n)
H 2-vp
dp ds
I_ \^
n" m)
-^---(,1
H^
(2.66)
Die Schubspannung dieser reibungsbehafteten Kanalstroniung berechnet sich mit (2.1)
Wir erhalten also die in Abbildung 2.51 gezeigte lineare Verteilung der Betrage der Schubspannungen.
Abb. 2.52: Couette-Stromung
2.3 Hydro- und Aerodynamik, Stromfadentheorie
101
Fiir die Couette-Stroraung der Abbildung 2.52 ergibt sich im Kanal mit der unteren ruhenden Wand und der mit der konstanten Geschwindigkeit U bewegten oberen Wand mit der zusatzlichen Voraussetzung dp/ds = 0 fiir die Navier-Stokes-Gleichung (2.59) d^c Nach zweimaliger Integration erhalt man mit den Randbedingungen n = ±H
,
c{-H) = 0
,
c{^H) = U
das lineare Geschwindigkeitsprofil c(n) = ^ - ( l + | : )
.
(2.68)
Widerstandsbeiwerte Nachdem wir die Grundlagen der reibungsfreien und reibungsbehafteten Stromungsbereiche bereitgestellt haben, konnen wir an die einfiihrenden Beispiele in Kapitel 1.2 ankniipfen und den Widerstand umstromter Korper bestimmen. Der Gesamtwiderstandsbeiwert Cw (12) W 1 2 /I 2 * Poo ' CQO • A
'
mit der Widerstandskraft W auf den Korper, der Anstromung CQO und einer charakteristischen Querschnittsflache A setzt sich entsprechend der reibungsfreien und reibungsbehafteten Bereiche des Stromungsfeldes aus zwei Anteilen zusammen: (2.69)
Cd + Cf,g
den durch die Druckverteilung Cp verursachten Formwiderstand bzw. Druckwiderstand F D und den Reibungswiderstand F R . Die zugehorigen Widerstandsbeiwerte schreiben sich Cd =
1
1
:
2
/I
,
'
Cf
'^ ~
1
2 / 1
2 * ^ ^ * ^oo * ^
2 * Poo • CQO • ^
Die Druckkraft F D berechnet sich aus dem Druckbeiwert Cp (1.1) _
P-Poo 2 * Poo '
CQQ
und die Reibungskraft F D aus dem lokalen Reibungsbeiwert c/
2 * Poo '
CQO
102
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
mit der Schubspannung r^ an der Wand, jeweils durch Integration entlang der Wandstromlinie s. Damit ergibt sich der Gesamtwiderstand W eines umstromten Korpers der Lange L mit der Bogenlange der Korperoberflache Ls • Ls
c
/ Cp^o ' sin(ceo) - ds — / c^^u • sin(ceu) • ds
w
0
0
Ls,o
+
/
Ls,u
C/,o • COs(ao) • d 5 +
/
C/,u • COs(au) * ^ 5
• - • Poo * C ^ * ^
,
(2.70)
dabei bedeuten o und u die Oberseite bzw. Unterseite des Korpers und B eine charakteristische Tiefe mit A = L - B. Die Integration erfolgt entlang der jeweiligen Oberflachen. Bei der Aufspaltung in Druck- und Reibungswiderstand geht man davon aus, dass zwar der Druckwiderstand stark von der Form des Korpers abhangt, dass aber der Reibungswiderstand im Wesentlichen nur von der Grofie der Korperoberlache abhangt und nicht von der Form der Oberflache. Die Abbildung 2.53 zeigt den Druckwiderstandsbeiwert Cd und lokalen Reibungsbeiwert Cf fiir ein mit CQO angestromtes symmetrisches Profil. Dabei ist zu beachten, dass wir entgegen dem Beispiel in Kapitel 1 jetzt von einer inkompressiblen Stromung geringer StromungsMach-Zahl ausgehen, wie wir sie z. B. beim Segelflugzeug vorfinden. Die Abbildung 2.54 fasst die Widerstandsanteile umstromter Korper zusammen.
Abb. 2.53: Druckbeiwert Cp und Widerstandsbeiwert Cf der symmetrischen Profilumstromung
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
103
Stromfadentheorie
Reibungswiderstand c
Stromung
i^
Druck widerstand c^
langsangestromte ebene Platte
Tragfliigelstromung
Kreiszylinderstromung
querangestromte ebene Platte
Abb. 2.54: Anteile von Druckwiderstandsbeiwert c^ und Reibungswiderstandsbeiwert Cf^g umstromter Korper
Der Grenzschicht der langs angestromten Platte wird der Druck aufgepragt, wie wir in Kapitel 3.4 beweisen werden. Damit ist der Druckwiderstandsbeiwert Cd gleich Null und der Gesamtwiderstandsbeiwert c^ besteht ausschliefilich aus dem Reibungswiderstandbeiwert Cf^g, dessen lokale Reibungsbeiwerte langs der Platte in Abbildung 2.55 dargestellt
s/L
Abb. 2.55: Reibungsbeiwert Cf der Plattengrenzschicht
104
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
sind. Ein schlankes Profil hat entsprechend der kleinen Querschnittsflache A nur einen geringen Druckwiderstand (Abbildung 2.54). Es dominiert der Reibungswiderstand. Beim umstromten Zylinder kehrt sich das Verhaltnis der Widerstandsanteile um und es dominiert der Druckwiderstand. Die quer angestromte Platte hat praktisch nur Druckwiderstand und der Reibungswiderstand ist verschwindend klein. Kommen wir zur Fragestellung des Korpers mit geringstem Gesamtwiderstand c^ zuriick. Bei der Auslegung des Rennwagens der Abbildung 1.17 mit einem Cw~\Vert von 0.17 wurde die Idealgeometrie bereits 1938 gefunden. Es sind Stromlinienkorper, wie sie in Abbildung 2.56 dargestellt sind, die den geringsten Widerstand aufweisen. In Kapitel 2.4.5 werden wir jedoch sehen, dass selbst diese geringen Widerstandsbeiwerte durch geeignete Beeinflussung der Wandschubspannung r^ noch weiter verringert werden konnen.
O o
Abb. 2.56: Stromlinienkorper in freier Anstromung (Zeppelin) und in Bodennahe (Kraftfahrzeug)
2.3 Hydro- und Aerodynamik, Stromfadentheorie
2.3.3
105
Korapressible Stromungen
Die kompressible Stromung wird mit der Grofie der Kompressibilitat K charakterisiert _
relative Volumenanderung _ erforderliche Druckanderung
d^ V
1 dp
(o 7^\ '
Da die Druckanderung dp > 0 bei gleichzeitiger Volumenanderung d ^ < 0 ist, wird in der Definition von K ein Minuszeichen erganzt, damit K selbst positive Werte annimmt. Der Zahlenwert z.B. fiir Wasser ist KHSO = 5 • 10~^ bar~^. Fiir Gase gilt bei konstanter Temperatur das Boyle-Mariotte-Gesetz p = konst. • m V
(2.72)
'
^ m ^^ . m dV V = konst. • — ^ —— = —konst. • -^ p dp
7
konst.) folgt fiir K K -
dV dp
1 •
V
^
m
— Konst. •
p
2 '
p"^ m • konst.
K =
1 p
Der Zahlenwert fiir Luft ist bei p = 1 bar, KLuft = ( V P ) = ^ bar~^. Ein Vergleich der Medien Luft und Wasser liefert ^ 5 ^ = 20000
.
Luft ist also etwa 20000 mal so kompressibel wie Wasser. Davon haben wir bereits friiher Gebrauch gemacht, dass im Allgemeinen Wasserstromungen inkompressible Stromungen sind und Gasstromungen bei entsprechend hoher Stromungsgeschwindigkeit als kompressible Stromungen behandelt werden miissen. Erganzend zu den charakteristischen Kennzahlen des vorangegangenen Kapitels tritt jetzt die Mach-Zahl M j^ ^ c ^ a
Stromungsgeschwindigkeit Schallgeschwindigkeit
als zusatzliche dimensionslose Kennzahl auf. Die Schallgeschwindigkeit a entspricht der Ausbreitungsgeschwindigkeit kleiner Storungen der Zustandsgrofien (z.B. Druckstorungen dp) in einem ruhenden kompressiblen Medium (Abbildung 2.57). Die Schallgeschwindigkeit ist eine Signalgeschwindigkeit, mit der Storungen im Stromungsfeld iibertragen werden. Das Gas, iiber das die Schallwelle hinweg gelaufen ist, weist eine Druckstorung dp, eine Dichtestorung dp und eine Storung der Geschwindigkeit dc auf. Fiir den mit —a mitbewegten Beobachter ruht die Schallwelle, und er sieht hinter der Schallwelle die Geschwindigkeit dc — a. Beschranken wir uns auf die reibungsfreie Aufienstromung, lassen sich fiir die ruhende Schallwelle die Kontinuitatsgleichung rh = p ' c ' A = konst.
^
(p-\- dp) • (—a -\- dc) • A = —p - a - A
=^ p
— = — a
,
106
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
und die Bernoulli-Gleichung schreiben p
(? 2
f dp
p-\-dp
^
( - a + dc)2
f
h / — = konst. J p
p
dp _ (-a)2
0
0
? dp 0
dp
a ' dc
P Die Schallgeschwindigkeit a ist folglich mit der Druck- und Dichteanderung im Medium gekoppelt. Kleine Storungen breiten sich verlustfrei, d.h. isentrop aus, daher lasst sich fiir das Quadrat der Schallgeschwindigkeit schreiben dp d~p Dies entspricht der Definitionsgleichung (2.9). Mit Hilfe der Gleichung der isentropen
Zustandsanderung P_ ^ I P_ Pi
(2.74)
\pi
folgt dp dp
[ P\ \pij
^ pi
Pi pi
\Pi _P_ \Pi
Pi P P n' — • — = n' P Pi P
und mit der idealen Gasgleichung (2.8) P
a^-- = n
leicht gestorte StromungsgroBe
c?--=
1
P
K
mhendes Gas
R T
,
a^-- =
n
K
•T
(2.75)
M
Ausbreitungsvorgang (eindimensional, stationar)
a
p+dp P+* dc
P c =0 Schal welle
leicht gestorte
ungestorte
StromungsgroBe
StromungsgroBen
p+dp
-a
P +dp - a + dc Schallw elle mht
P P - a
mit -a bewegtes Bezugssystem
Abb. 2.57: Ausbreitung einer Schallwelle im ruhenden und mitbewegten Bezugssystem
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
107
Stromfadentheorie
mit der allgemeinen Gaskonstanten IZ = 8.314 J/{mol-K) und der Molmasse M {g/mol}. Fiir die Schallgeschwindigkeit a ergeben sich damit die folgenden wichtigen Proportionalitaten a
r\j
Vf ,
a
r\j
f
nr
(2.76)
Die Zahlenwerte fiir Luft sind J kg-K
a = 343.20 - = 1235.5 ^ s h Schallwellen sind in unserem natiirlichen und technischen Umfeld allgegenwartig. Ein eindrucksvoiles Beispiel ist der Peitschenknall. In Abbildung 2.58 sind vier Momentaufnahmen des Peitschenschnurendes gezeigt. Bei 1 ist das Peitschenschnurende kurz vor dem Umkehrpunkt. Bei 2 plustert das Schnurende auf, und es entsteht dabei die Knallwelle S, die nicht mehr als kleine Storung betrachtet werden kann. Die Schallwelle steilt zu einem Verdichtungsstoi^ auf, den wir als lauten Knall horen. In den weiteren Momentaufnahmen 3 und 4 breitet sich die Knallwelle in der kompressiblen umgebenden Luft aus. 1.4
R = 287
T = 293.15 K
Betrachten wir in Abbildung 2.59 die Schallwellen, die von einer ruhenden bzw. bewegten Schall-St or quelle (Beispiel Peitschenknall) ausgehen. Fiir die ruhende Schallquelle breiten sich die Schallwellen als konzentrische Kugelwellen aus. Bewegt sich die Schallquelle mit einer Geschwindigkeit Uoo kleiner als die Schallgeschwindigkeit aoo{Moo < 1), verdichten
Abb. 2.58: Peitschenknall
108
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
sich stromauf die Kugelwellen. Ein aufienstehender Beobachter hort zunachst eine hohere Frequenz (hoher Ton) und nach dem Vorbeibewegen der Schallquelle eine tiefere Frequenz (tiefer Ton). Bewegt sich die Schallquelle mit einer Geschwindigkeit Uoo grower als die Schallgeschwindigkeit aoo(^oo > 1), bleiben die Schallwellen innerhalb eines charakteristischen Kegels, dem sogenannten Mach-Kegel, mit dem Kegelwinkel sin(ce) = aoo/^oo zuriick. 1st die Schallquelle ein Uberschallflugzeug, so steilt sich dieser Mach-Kegel wiederum zu einem Verdichtungsstofi (Kopfwelle) auf, dessen Druckverteilung am Boden in Abbildung 2.60 skizziert ist. Der Verdichtungsstofi erzeugt am Boden den Drucksprung Ap, den wir als Knall horen. Um hinter dem Uberschallflugzeug den ungestorten thermodynamischen Zustand der Luft Poo wieder erreichen zu konnen, ist ein weiterer Verdichtungsstofi erforderlich (Schwanzwelle), der die Druckerhohung der Kopfwelle wieder riickgangig macht. Deshalb horen wir am Boden bei einem iiberfliegenden tJberschallflugzeug immer einen Doppelknall. Mach- Z ahlb er eiche Neben der Charakterisierung reibungsbehafteter Stromungen mit der Reynolds-Zahl RCL, Stromungen mit Warmetransport mit der Prandtl-Zahl Proo, dem Einfluss der Erdschwere mit der Froude-Zahl F r ^ , gibt uns nunmehr die Mach-Zahl Moo die Moglichkeit, die Bereiche inkompressibler und kompressibler Stromungen abzugrenzen. Von inkompressiblen Unterschallstromungen mit dp/ds
Moo<«oo
ao,At
Moo>«oo
ao,At aa,At
ruhende Schallquelle
bewegte Schallquelle
Abb. 2.59: Wellenausbreitung einer Storquelle
bewegte Schallquelle
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
Stromfadentheorie
109
Moo>l transsonische Stromung (Verkehrsflugzeug) Uberschallstromungen mit dp/ds > dc/ds, fiir Moo > 1 Uberschallstromung (Uberschallflugzeug Concorde) Wir sprechen von Hyperschallstromungen mit dp/ds ^ dc/ds fiir Moo > 1 Hyperschallstromung (Wiedereintrittsflugzeug, Space Shuttle) Dabei verlassen wir im Bereich der Hyperschallstromungen den Giiltigkeitsbereich der thermodynamischen Zustandsgleichungen fiir ideale Gase. Es miissen in diesem MachZahlbereich die chemischen Reaktionen heifier Luft mitberiicksichtigt werden, die wir in unserem Lehrbuch Aerothermodynamik H. Oertel jr. 1994, 2005 behandeln. Dabei gilt z.B. fiir die Mach-Zahl Moo = 10 1 dp 1 dc - • / - 100 . - . — p as c as und es dominiert der Einfluss der Kompressibilitat.
Boden
Abb. 2.60: Uberschallflug und Druckverteilung am Boden
no
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Stromfadentheorie korapressibler Stromungen Die Ableitung der eindimensionalen Stromfadentheorie kompressibler Stromungen kniipft an die Euler-Gleichung (2.40) an. Wir betrachten im Folgenden eine stationare Schichtenstromung der reibungsfreien Auf^enstromung bzw. der reibungsfreien Kernstromung einer Diise. Fiir die Schichtenstromung ist dz = 0 und die Euler-Gleichung schreibt sich fiir die Stromfadenkoordinate s dc d^
1 dp p ds
1
1 dp dp p dp ds
dc _
1
~c'~ds
~~Jdl
1 dp p ds
-M^(X)
p ds
\:c^
1 dp p ds
1 dc ds
c
mit (1/p) • (dp/ds) der relativen Dichteanderung und (1/c) schwindigkeitsanderung.
(2.77)
(dc/ds) der relativen Ge-
Im Unterschall gilt M^ «C 1, daher ist die relative Dichteanderung bei Unterschallstromungen sehr viel kleiner als die relative Geschwindigkeitsanderung und kann bei sehr kleinen Mach-Zahlen oftmals vollig vernachlassigt werden. Im Uberschall ist dieses Verhalten gerade umgekehrt. Wegen M^ ^^ 1 gilt bei Uberschallstromungen, dass die relative Dichteanderung sehr viel grower ist, als die relative Geschwindigkeitsanderung. Wird eine tJberschallstromung beschleunigt, dc/ds > 0, so ist diese Beschleunigung wegen des Vorfaktors —M^ mit einer betrachtlichen Dichteabnahme des Mediums, dp/ds < 0, verbunden. Uberschallstromungen benotigen also Raum. Aufgrund der Kontinuitatsgleichung muss bei einer beschleunigten tJberschallstromung wegen der starkeren relativen Dichteabnahme der Querschnitt A langs s zunehmen. Bei transsonischen Stromungen gilt M^ ^ 1 und alle Anderungen, relative Dichteanderung sowie relative Geschwindigkeitsanderung, sind von gleicher Grofienordnung. Das Integral der Euler-Gleichung ergibt wiederum die Bernoulli-Gleichung fiir die kompressible Stromung. Gehen wir vom Integral entlang des Stromfadens s von der Stelle 1 zur Stelle 2 unter Vernachlassigung der Erdschwere mit zi = Z2 aus, ergibt sich P2
1(4
cD+/^=0
Fiir die Anderung der Zustandsgrofien gelten die Gleichungen der isentropen Zustandsan-
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
111
Stromfadentheorie
derungen (2.74) (nicht fiir Verdichtungsstofie!), 1 \Pi
Pi 1X
P2
J
P
Pi
PJ
P
P2 P2
Pi
1
J
Pi
n-1
.p
dp
P2 hi-1
\P2
.p
n
1
P2
n
Pi
Pi
Pi
P
Pi
P2"
n - 1
-Pi'
Pi pi
Pi
Damit lautet die Bernoulli-Gleichung fiir kompressible Stromungen -
^ P2 1 2 , ^ n —1 •— P2 = -2 • c i + n — 1
'Co
Pi
— Pi
K.
p
:^ • c" +n — 1 • -p = konst.
=>
. (2.78)
Mit a^ = K' {p/p) folgt
-
'Co
-
n-1
2
-Ci
konst.
2-^+^31
n-1
(2.79)
Mit Hilfe der Zustandsgleichung fiir ideale Gase (p/p) = R - T = {cp — Cy) • T und dem Isentropenexponent K. = {cp/cy) folgt K,
p
Cp
1
K.-1
P
Cy
7^-1
Cp'T2^-'cl
= Cp'Ti^-'cl
h.
/ii
{cp-Cy)-T
= Cp-T
(? = konst.
Cp'T
=>
= h
h^— • c^ = konst.
(2.80)
(2.81)
die ohne Beriicksichtigung des Warmestroms und der Schwerkraft der Energiegleichung (2.52) entspricht. Die Festlegung der Konstanten der Bernoulli-Gleichung erfolgt mit den Ruhewerten des Gasreservoires (Kessel) oder den sogenannten kritischen Werten. Fiir die Ruhewerte im Kessel po? Po? ^o? ^0 gilt mit c = 0 Gleichung (2.79)
K — \
K — \
a-,-.M^
1+ ^
n — 1I • M2
n—1 '
112
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
mit o? = ti- R-T
und a1 = ti- R-T^ folgt T
1
^0
1+ ^
(2.82) . M2
'
T ist immer kleiner als TQ, da stets gilt M ^ > 0. Mit der Isentropenbeziehung
folgt fiir die Ruhedichte po p
^0
1
(2.83)
(l^t^.M^'
'
p ist mit Af^ > 0 kleiner als po- Mit der Isentropenbeziehung
Po
\To
folgt fiir den Ruhedruck po p_
(2.84)
i^^.M^y-'
Po
Mit der Gleichung (2.82) kann ebenfalls die Ruhetemperatur TQ im Staupunkt eines Flugkorpers bestimmt werden. Gehen wir von einer Stromungstemperatur T = 300 K aus, so ergibt sich im Staupunkt (c = 0) fiir eine Flug-Mach-Zahl von Moo = 2 die Staupunkt temper at ur To = 540 K. Der Staupunkt des Uberschallflugzeuges Concorde heizt sich also wahrend des Fluges auf. Bei Moo = 5 betragt die Staupunkttemperatur bereits To = 1.800 K. Bei derart hohen Temperaturen ist jedoch die Voraussetzung der isentropen Zustandsanderung und des idealen Gasgesetzes nicht mehr gewahrleistet. Fiir die Bestimmung der Konstanten der Bernoulli-Gleichung kann man auch die kritischen Werte nutzen (Index *). Als kritische Werte bezeichnet man diejenigen Werte, die die Stromungsgroften aufweisen, wenn gerade die Schallgeschwindigkeit M = 1 erreicht wird p(M = l ) = p *
,
T(M = 1 ) = T *
a{M = 1) = a*
,
,
p(M = l) = p* ,
c{M = 1) = c* = a*
.
Es gilt also 2 Oder
n-1
2
n-1
\2
n-lj
2-(/c-l)
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
113
Stromfadentheorie
mit a
/c . i? . T* = ^ . (cp - c^) . T* = Cp . (/c - 1) . T* ^
1
+ Cp • T = i • cp •
= \-c,-{n-l)-T*
(K
- 1) • T* + cp • T* =
+ \-c^-T*=c,-^-T*
.
Es existiert ein Zusammenhang zwischen den Ruhewerten (Index 0) und den kritischen Werten (Index *). Dazu muss man die Mach-Zahl M in Gleichung (2.82) und (2.84) M = 1 setzen, variable Grofien mit einem * indizieren, wahrend die Ruhewerte unverandert bleiben. Man erhalt rp^
n~~
2 " K+1
1 . - 1
p* Po
'
(
U
IU +^i ; Y^'
P* Po
+ iyI ^ ^
(2.85)
Speziell fiir Luft mit dem Wert n = lA ergibt sich T* — = 0.833 To
p* — Po
,
Pi
0.634
0.528
Po
Stromfadentheorie bei veranderlichem Querschnitt A(s) Bei variablem A{s) lautet die Kontinuitatsgleichung m = p{s) ' c{s) ' A{s) = konst.
.
Logarithmiert man die Kontinuitatsgleichung, so erhalt man \n{p{s) ' c{s) ' A{s)) =
HP{S))
+ ln(c(5)) + HA{s))
= ln(konst.)
,
die Differentiation d/ds liefert 1
dp
1 dc
1
dA
Mit der Euler-Gleichung (2.77) lasst sich der Dichte-Term aus der logarithmierten Kontinuitatsgleichung eliminieren und man erhalt c
ds
^
^
1 dc 1 M 2 - -1 c d^ "
A 1
'J
ds dA ds
(2.86)
Aus Gleichung (2.86) folgt, wie der Querschnitt A{s) einer Diise geformt sein muss, um das Gas kontinuierlich von Unterschall-Mach-Zahlen M < 1 auf Uberschall-Mach-Zahlen M > 1 zu beschleunigen (Abbildung 2.61). Kontinuierliche Beschleunigung verlangt dc/ds > 0.
114
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
1st die Mach-Zahl M < 1, erfordert dies eine Querschnittsverengung dA/ds < 0. 1st die Mach-Zahl M > 1, ist eine Querschnittserweiterung dA/ds > 0 fiir die Beschleunigung des Gases erforderlich. Fiir die Mach-Zahl M = 1 hat die Differentialgleichung (2.86) eine Singularitat. Um dc/ds > 0 sicherzustellen, muss dA/ds = 0 gelten. Will man also kontinuierlich vom Unterschall in den Uberschall beschleunigen, muss die dafiir erforderliche Diise zunachst eine Querschnittsverengung und stromab des engsten Querschnitts eine Querschnittserweiterung aufweisen. Die dazugehorige Diise ist in Abbildung 2.61 skizziert. Man nennt sie . Laval-Diise. Am engsten Querschnitt stellen sich bei der Mach-Zahl M = 1 die zuvor eingefiihrten kritischen Werte (Index *) der Gleichung (2.85) ein. Das divergente Diisenteil im tJberschall kann man auch anschaulich erklaren, wenn man sich vor Augen halt, dass die relative Dichteabnahme im tJberschall viel starker ist als die relative Geschwindigkeitszunahme. Aus diesem Grund muss zur Aufrechterhaltung eines konstanten Massenstromes rh = p ' C' A = konst., der Querschnitt A{s) langs s zunehmen.
Im Folgenden wird die Differentialgleichung abgeleitet, die die relative Querschnittsanderung {I/A)' (dA/ds) mit der relativen Mach-Zahlanderung (1/M) • (dM/ds) in Beziehung setzt. Der Logarithmus der Definitionsgleichung fiir die Mach-Zahl c = M - a ergibt ln(c) = ln(M) + ln(a)
.
dc > 0 , M<1 d^ dA < 0 ds dc > 0 , M>1 d^ dA > 0 ds dc nicht singular, M= I d^ dA :0 ds
M<1
M=\
M>\
Abb. 2.61: Laval-Diise
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
115
Stromfadentheorie
Die Differentiation d/ds fiihrt auf 1 dc _ 1 c ds M
dM ds
1 da a ds
(2.87)
Logarithmieren von a^ = n • (p/p) liefert 2 • ln(a) = ln(/c) + ln(p) — ln(p). Differentiation d/ds ergibt 2 da _ 1 dp a ds p ds
1 dp p ds '
Im nachsten Schritt muss der Ausdruck dp/ds auf dp/ds zuriickgefiihrt werden a = -— dp
dp ^ 2 . ^ ^ . ^ . ^ ds ds p ds 1 dp K. dp p ds p ds
dp = a ' dp
=>
Man erhalt 2 da . , 1 dp - • — = (/>:-1) • - • — a d5 p ds
,
mit der Euler-Gleichung folgt 1 da _ K.-1 a ds 2
-M^ c
dc ds
Diese Gleichung eingesetzt in Gleichung (2.87) unter Beriicksichtigung von Gleichung (2.86) liefert 1 M^-1
1 A
dA ds
1
1 M
dA
dM ds
/1 +
l^
(/c-l)(-M2)
^ - M 2 \
M2 - 1
J
1 1 M2 - 1 A
dA ds
1 dM ~ M "d7
(2.88)
Dies ist eine gewohnliche Differentialgleichung erster Ordnung zur Bestimmung von M{s) bei gegebenem Querschnittsverlauf A{s). Mit der Randbedingung M = M* = 1 fiir A = ^min = A* bei M* = 1 lautet die Losung K+1
A A*
1
f1+^
\
. (M^ --1 ) )
2.(^-1)
(2.89)
mit Gleichung (2.89) ist die Mach-Zahl implizit als Funktion des vorgegebenen Querschnittsverlaufs A{s) gegeben, wenn an der engsten Stelle A* Schallgeschwindigkeit herrscht. In diesem Fall lasst sich der Massenstrom rh durch die Diise als Funktion der kritischen Werte bestimmen m = p • c • A = p* • c* • A* = p* • a* • A* = konst.
.
116
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Fiir die Diskussion der Losungskurven der Gleichung (2.89), betrachtet man das Richtungsfeld der gewohnlichen Differentialgleichung (2.88). Dazu losen wir Gleichung (2.88) zunachst nach dM/ds auf dM_ ds ~
^ '
dA / l + ^ 2 ^ - M ^ ^ ds '[ M2 - 1
A'
dM
~di
M\s) = f{M,A,s)
Die Ableitung der Mach-Zahl M^{s), ist also eine Funktion f der Mach-Zahl M{s), des vorgegebenen Querschnittsverlaufs A{s) und der Koordinate s. Durch die Beziehung M\s) = f(M, A, 5) wird jedem Punktepaar (5,M) in der (5,M)-Ebene eine Richtung zugeordnet. Besonders ausgezeichnete Richtungselemente ergeben sich am engsten Querschnitt Amin der Abbildung 2.62. Fiir M 7^ 1 ergibt sich mit dA/ds = 0 dM
0
~d7
also horizontale Tangenten. Fiir M = 1 ergeben sich, solange dA/ds Tangenten mit dM
^ 0 ist, vertikale
00
~di
Der singulare Punkt am engsten Querschnitt A^[^ mit dA/ds = 0 und bei der Mach-Zahl 1 ist ein Sattelpunkt. Der singulare Punkt ist dadurch gekennzeichnet, dass keine eindeutig definierte Richtung vorgegeben ist. Es sind zwei Fortschreitungsrichtungen moglich.
M
dM ds
dM ds
\-\-\-*
M=1
00
1
M =\
Abb. 2.62: Richtungsfeld der Laval-Diisen-Differentialgleichung
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
Stromfadentheorie
117
Mit diesen drei Grenzfallen lassen sich die mathematisch moglichen Losungskurven der Gleichung (2.89) in Abbildung 2.62 eintragen. Davon sind nicht alle Losungskurven fiir die angenommene kontinuierliche Beschleunigung in der Laval-Diise physikalisch relevant. Der Bereich der Stromungsumkehr fallt weg, so dass sich die relevanten Losungskurven in Abbildung 2.63 darstellen. Welche Losungskurve sich letztendlich in der Laval-Diise einstellt, hangt vom Gegendruck Poo cim Diisenende gegeniiber dem Ruhedruck po im Kessel ab. Je nach Anwendungsfall, hoher Gegendruck PA bzw. geringen Gegendruck PE, erhalten wir unterschiedliche Stromungsformen, die im Folgenden behandelt werden. Fiir einen hohen Gegendruck pA erhalten wir die reine Unterschalldurchstromung M < 1 der Laval-Diise. Im Bereich der Querschnittsverengung wird die Stromung beschleunigt (Diise). Im Bereich der Querschnittserweiterung wird die Stromung fiir M < 1 wieder verzogert. Hier wirkt die Laval-Diise als Diffusor. 1st der Gegendruck pe, wird gerade die Mach-Zahl 1 im engsten Querschnitt erreicht und es stellen sich die kritischen Werte (Index *) ein. Im querschnitterweiternden Bereich der Laval-Diise wird wiederum eine Unterschallstromung erreicht und die Stromung wird verzogert. Unterschreitet der Gegendruck diesen kritischen Wert PB , so tritt beim Gegendruck pc die Beschleunigung in den tJberschall M > 1 ein, jedoch ist eine stetige Durchstromung der Laval-Diise nicht mehr moglich. Es stellt sich im Uberschallteil ein Verdichtungsstoi^ ein, der einen Sprung der Stromungsgrofien verursacht. Die Losungskurve springt am Ort
c=0
Po M<\ Po ^—'
;/l,, ^
Abb. 2.63: Mach-Zahlverlauf in der Laval-Diise in Abhangigkeit des Gegendruckes p am Diisenausgang
118
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
s vom tJberschall M > 1 in den Unterschall M < 1. Erniedrigt man den Gegendruck am Diisenende auf den Wert PD? wandert der Verdichtungsstofi ans Diisenende. Erst beim Diisengegendruck PE sprechen wir von einer ideal angepassten Laval-Diise. Die kontinuierliche Beschleunigung der Stromung folgt der oberen Losungskurve in Abbildung 2.63 vom Unterschall M < 1 bis in den Uberschall M > 1. Am Diisenende stellt sich der in Abbildung 2.64 skizzierte, dem Umgebungsdruck poo angepasste Freistrahl ohne Verdichtungsstofi ein. Fiir Gegendriicke zwischen p^ und PE erhalt man schiefe Verdichtungsstofie am Diisenende gefolgt von sogenannten Expansionsfachern. Diese Stromungsform schiefer Verdichtungsstofie gefolgt von Expansionsfachern setzt sich im Freistrahl periodisch fort, so dass eine charakteristische Knotenstruktur entsteht. Diesen Uberschallfreistrahl nutzt man z.B. beim Schneidbrenner zum Schneiden von Metall.
PD
PD
> Po^>
PE
> Poo> PE
PE
=POO
Abb. 2.64: Stromungsformen am Laval-Diisenende in Abhangigkeit des Gegendruckes p
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
119
Stromfadentheorie
Senkt m a n den Gegendruck a m Diisenende weiter auf pp a b , verschwinden die schiefen Verdichtungsstofie. Es stellt sich eine Expansionsstromung ohne Verdichtungsstofie a m Diisenende ein, die als Freistrahlglocke sichtbar wird. Diese kann z. B. beim Raketenflug in grofien Hohen beobachtet werden (Abbildung 2.65). In Abbildung 2.66 ist die Massenstromdichte in der Laval-Diise erganzt. Die Massenstromdichte ist der Quotient aus Massenstrom rh u n d der durchstromten Querschnittsflache A m ~A
P'C
Fiir die mit Uberschall durchstromte Laval-Diise ergibt sich mit den kritischen Werten a m engsten Querschnitt A* = Amin rh = konst.
=>
p • c- A = p* • c* • A*
=>
P'C
A*
p"" • d"
A
Da der Querschnitt A in einer Laval-Diise bis auf den engsten Querschnitt Amin = A* iiberall grower als A* ist, gilt A*
p-c
A
p* ' c^
< 1
.
Die dimensionslose Massenstromdichte {p-c)/{p* -c*) nimmt also am engsten Querschnitt der Laval-Diise Amin = ^ * ihren maximalen Wert {p - c)/{p* • c*) = 1 an.
geringe Hohe Abb. 2.65: Raketenantriebsstrahl der Saturn-Rakete
groBe Hohe
120
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
U = 1
M(s)
_PjC_
Abb. 2.66: Verlauf der Mach-Zahl und der Massenstromdichte in der Laval-Diise
VerdichtungsstoJ^ Als Verdichtungsstofi bezeichnet man ganz allgemein eine nahezu sprunghafte Anderung der Stromungsgrofien Geschwindigkeit tJ, Druck p, Dichte p und Temperatur T. Diese Anderungen treten in einer extrem diinnen Schicht des Gases auf, die von der Grofienordnung einige mittlere freie Weglangen des Gases betragen. Die mittlere freie Weglange bezeichnet die Strecke, die ein Molekiil bzw. Atom im statistischen Mittel zwischen zwei Zusammenstofien mit einem anderen Molekiil zuriicklegt. Fiir Luft betragt die mittlere freie Weglange A unter Normalbedingungen A = 10~^ m. In diesem Grofienordnungsbereich treten sehr starke Gradienten der Zustandsgrofien auf, weshalb es gestattet ist, den Verdichtungsstofi im Rahmen der Kontinuumsmechanik durch eine sprunghafte Anderung zu modellieren. Die Bezeichnung Verdichtungsstofi erklart sich durch die sprunghafte Zunahme der Dichte p iiber den Stofibereich. Neben der Dichte steigen auch die Temperatur T und der Druck p, wahrend der Betrag der Geschwindigkeit | v \ sinkt. Ein Verdichtungsstofi kann sich grundsatzlich nur im Bereich einer Uberschallstromung
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
121
Stromfadentheorie
einstellen. Der Spezialfall des senkrechten Verdichtungsstofies, bei dem Anstromrichtung und Stofifront einen rechten Winkel bilden, fiihrt immer von Uberschall auf Unterschall. Bei einem schiefen Verdichtungsstofi, der beispielsweise durch den Machschen Kegel bei der Umstromung des Uberschallverkehrsflugzeuges Concorde dargestellt wird, bilden Anstromrichtung und Stofifront den Machschen Winkel ce, den wir bereits zu Beginn des Kapitels kennengelernt haben. In diesem Fall kann der Stofi auch von tJberschall auf Uberschall fiihren, wobei die tJberschallgeschwindigkeit nach dem Stofi kleiner sein muss als diejenige der Anstromung vor dem Stofi. Abbildung 2.67 zeigt auf der linken Seite die Verhaltnisse schematisiert in einem Schnitt des Tragfliigels. Das Uberschallgebiet auf dem Tragfliigel ist hier durch die Mach-Zahl M > 1 gekennzeichnet. Dieses Gebiet wird stromab durch den Verdichtungsstofi abgeschlossen und es herrscht Unterschallgeschwindigkeit mit M < 1. Der Stofi ist leicht gekriimmt und im Bereich kurz oberhalb des Aufsetzens auf die Grenzschicht nahezu senkrecht. Fiir einen solchen senkrechten Verdichtungsstofi schreiben wir nachfolgend die Stofigleichungen an. Entsprechendes gilt fiir den Verdichtungsstofi in der Laval-Diise. Wir gehen ganz allgemein von einer stationaren, reibungsfreien Uberschallanstromung aus. Diese ist gekennzeichnet durch die gegebenen Werte fiir ci, pi, pi und Ti. Mit Hilfe der Schallgeschwindigkeit (2.75) ai = ^/K. - pi/pi wird die Mach-Zahl der Anstromung Ml = ci/ai festgelegt. K. bezeichnet darin das Verhaltnis der spezifischen Warmen Cp/cy. Beim Durchgang durch die Stofiflache in Richtung der Flachennormalen erfahren diese Werte sprunghafte Anderungen. Wir interessieren uns fiir die Stromungsgrofien C2, P2, P2 und T2 stromab der Stofiflache. Die Geschwindigkeit C2 ist dann kleiner als die Anstromgeschwindigkeit ci, wahrend die anderen Zustandsgrofien zunehmen. In Abbildung 2.67 rechts ist dies durch einen kiirzeren Geschwindigkeitsvektor fiir C2 hinter dem Stofi dargestellt. Die Zustandsanderungen iiber den senkrechten Verdichtungsstofi konnen mit den Erhaltungssatzen fiir Masse, Impuls und Energie einer eindimensionalen, stationaren und reibungsfreien Stromung vor und nach dem Stofi beschrieben werden. Wir gehen von den Gleichungen der eindimensionalen Theorie aus:
StoB SchalUinie ^ - • \ StoB M <\
/
M >\ Pi
Pi
^1
P2
P2
^2
Abb. 2.67: Verdichtungsstofi auf einem transsonischen Profil und Zustandsanderungen iiber den senkrechten Verdichtungsstofi
122
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Masse:
Pi
• C l :=
Impuls:
Pi+Pi
Energie:
^i + i •cl-
•c\-
(2.90)
P2-C2
= P2+
P2-cl
(2.91)
--C2
(2.92)
= h2 +
z
z
Fiir die Enthalpie /i gilt die kalorische Zustandsgleichung V
V
P
P
Lost man die Grundgleichungen (2.90) - (2.92) nach den vier unbekannten Grofien hinter dem Verdichtungsstofi C2, P2, P2 und T2 auf, erhalt man die Stoi^gleichungen. Unter Beachtung der thermischen Zustandsgleichung fiir ideale Case p/p = R-T kann die Enthalpie h in Abhangigkeit der folgenden Grofien geschrieben werden: I R
p P
V P
f Cy \Cp — Cy
\
p J P
n p K, — 1 P
a^
Damit lautet der Energiesatz (2.92) Pi
n — 1 pi
, 1 2 - 2 ' Ui =
^
P2
1
n — 1• p2 ^ o 2•
2 '^2
Im Zusammenhang mit den Erhaltungsgleichungen fiir Masse (2.90) und Impuls (2.91) erhalten wir ein System von drei algebraischen Gleichungen zur Bestimmung der drei gesuchten Grofien C2, P2 und p2 hinter dem Stofi. Die ebenfalls gesuchte Temperatur T2 kann dann mit der thermischen Zustandsgleichung aus p2 und p2 bestimmt werden. Unter Annahme gegebener Ausgangswerte ci, pi und pi lasst sich das Gleichungssystem nach den gesuchten Wert en auflosen. Wir erhalten
C2 _
pi 2_
P2
M _
i^'Pi
1 + ^2^.(4^
Bei vorgegebenen Anfangswerten vor dem Stofi liefert das Gleichungssystem zwei Losungen. Die obere Losung mit dem Wert 1 ist die Identitat fiir den Fall, dass kein Stofi auftritt. Die untere Losung ist hingegen die Stofilosung, die wir gesucht haben. Mit Hilfe der Schallgeschwindigkeit ai = \//^' Pi/pi und der Mach-Zahl Mi = ci/ai konnen wir die Stofigleichungen in eine Form bringen, in der auf der rechten Seite nur die Mach-Zahl Ml > 1 der Anstromung als Parameter steht
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
123
Stromfadentheorie
(2.93)
(2.94)
(2.95)
(2.96) Die Stofigleichungen (2.93) - (2.95) liefern die Werte nach dem senkrechten Verdichtungsstofi in Abhangigkeit der Anstrom-Mach-Zahl. Wahrend Druck und Temperatur nach dem Stofi mit zunehmender Anstrom-Mach-Zahl behebig steigen konnen, strebt das Dichteverhaltnis P2/pi fiir Mi -^ 00 dem Wert (/>: + 1)/(/T: — 1) zu. Fiir Luft mit K. = IA steigt die Dichte nach dem Stofi hochstens auf den 6-fachen Wert der Anstromdichte. Allerdings gilt diese Abschatzung nur unter der Annahme eines idealen Gases. Wir wollen einen bestimmten Zusammenhang zwischen p2 und p2 nach dem Stofi bestimmen und eliminieren hierzu C2 in den Gleichungen (2.90) - (2.92). Nach einigen Rechenschritten erhalten wir eine Beziehung, die eine gleichseitige Hyperbel in der (pi/p2,P2/pi)Ebene darstellt. Damit kann man die thermodynamisch moglichen Anderungen der Zustandsgrofien pi und pi iiber den Stofi hinweg leicht verfolgen. Diese Hyperbel tragt den Namen Hugoniot-Kurve und sie lautet t^-l
P2
/>: + !
n^l K.-1 Pi p2
Pi p2 i^-l n^l
(2.97)
Einen weiteren Zusammenhang erhalt man, wenn man eine Beziehung fiir P2IV1 ^Is Funktion von pi/p2 lediglich aus Masseerhaltung (2.90) und Impulserhaltung (2.91) ableitet ohne Beachtung des Energiesatzes. Dann erhalten wir die kinematisch moglichen Zustandsanderungen, die durch eine Geradengleichung beschrieben werden. Diese Gerade heifit Ray leigh- Gerade P2
1
-K. • Ml
Pi_ P2
Pi
(2.98)
1
Die Rayleigh-Gerade hat die Steigung -K.' Mf, die mit der Hugoniot-Kurve zwei Schnittpunkte aufweist, die Identitat mit p2 = pi sowie p2 = pi und die Stofilosung hinter dem Stofi (Abbildung 2.68). Die Flachen im Hugoniot-Diagramm lassen sich als Energien deuten. So reprasentiert die Flache unterhalb der Rayleigh-Geraden A' B' C D die innere Energie e des Stores Pi Pi
2
1 - ^
\Pi
P2
ABCD
+1
1 - ^ P2
A'B'CD
124
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Die Dreieckflache A C D oberhalb der Rayleigh-Geraden reprasentiert die kinetische Energie ell2 Pi
Pi
Pi
P2
ACD so dass die Gesamtflache A' B' C D die Erhohung der Gesamtenergie im Stofi darstellt. Vor einem stumpfen Korper in einer Uberschallanstromung Mi > 1 stellt sich die in Abbildung 2.69 gezeigte Kopfwelle ein. In der Umgebung der Staustromlinie kann die Kopfwelle naherungsweise als senkrechter Verdichtungsstofi betrachtet werden. Die Temperatur im Staupunkt Ts berechnet sich mit der Energiegleichung (2.92) und der kalorischen Zustandsgleichung h = Cp -T Cp-Ts
Mit Ml = c i / a i , al = n- R'T, Cp temperatur Ts
= Cp-Ti^
^
.
R und K. = Cp/cy ergibt sich fiir die Staupunkt1^-1
Ti
Mf
(2.99)
Fiir den Uberschallflug mit Mi = 2 haben wir bereits Ts = 540 K berechnet. Fiir den Hyperschallflug mit Mi = 10 stellt sich die Staupunkttemperatur Ts = 6.300 K ein, was letztendlich Hitzeschildmaterialien wie Keramik-Kacheln fiir den Warmeschutz erforderlich macht. Da der Warmeiibergang vom Kriimmungsradius abhangt und fiir grofie Radien,
I Hugoniot - Kurve
K-1 K+1
1
P/P^
Abb. 2.68: Hugoniot-Diagramm
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
Stromfadentheorie
125
Abb. 2.69: Kugelkopfwelle also stumpfe Korper relativ gering ist, resultiert die Auslegung von Wiedereintrittsflugzeugen wie sie z. B. beim Space Shuttle realisiert wurde. Die Abbildung 2.70 zeigt den Space Shuttle im tJberschallwindkanal. Die Kopfwelle ist in der Umgebung der Staustromlinie nahezu ein senkrechter Verdichtungsstofi, der in den schiefen Stofi der Kopfwelle iibergeht. Wir haben bereits erwahnt, dass die Abstrom-Mach-Zahl hinter einem schiefen Stofi M > 1 sein kann, so dass der Fliigel des Space Shuttle wiederum mit Uberschall angestromt wird, was eine zweite Kopfwelle vor dem Fliigel zur Folge hat. Die Abbildung 2.71 fasst die moglichen Stromungsformen von der Unterschall- bis zur
Abb. 2.70: Kopfwellen vor dem Wiedereintrittsflugzeug Space Shuttle, Mi = 3
126
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Uberschallanstromung um ein Fliigelprofil nochmals zusammen. Bei einer Unterschallanstromung kleiner als Moo = 0-75 erreicht die Beschleunigung auf dem Profil keine Uberschall-Mach-Zahlen M > 1, so dass sich eine reine Unterschallumstromung einstellt. Bei der transsonischen Mach-Zahl M^ = 0.81 erhalten wir das bereits in Kapitel 1.2 (Abbildung 1.38) diskutierte tJberschallgebiet auf dem Profil, das von einem nahezu senkrechten Verdichtungsstofi abgeschlossen wird. Fiir die Unterschall-Mach-Zahlen grower als 0.85 tritt auch an der Unterseite des Profils ein Verdichtungsstofi auf, der fiir UnterschallMach-Zahlen nahe 1 gemeinsam mit dem oberen Stofi in die schiefen Verdichtungsstofie der Schwanzwelle iibergehen. Fiir Uberschallanstrom-Mach-Zahlen Moo > 1 tritt zunachst eine abgeloste Kopfwelle vor dem Profil auf. Fiir die tJberschallflug-Mach-Zahl Moo = 2 stellt sich ein anliegender schiefer Stofi als Kopfwelle ein, der gemeinsam mit der Schwanzwelle den in Abbildung 2.60 diskutierten Doppelknall des tJberschallflugzeuges zur Folge hat. Schiefe Verdichtungsstofte berechnen sich mit den Grundgleichungen des senkrechten Verdichtungsstofies (2.90) - (2.92) und (2.93) - (2.96) sofern man diese auf die Normalkomponenten der Geschwindigkeiten anwendet. In Abbildung 2.72 ist die Richtungsanderung des Geschwindigkeitsvektors c = (cn,Ct) iiber einen schiefen Verdichtungsstofi mit den Normalkomponenten Cn und den Tangentialkomponenten ct skizziert. Mit Meo,Mi
0.75
0.81
\
0.98
1.4
Abb. 2.71: Stromungsformen um ein Fliigelprofil von Unterschall- bis Uberschallanstromung
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
127
Stromfadentheorie
Abb. 2.72: Schiefer Verdichtungsstofi
Cn,i = ci • sin(ce)
,
Cn,2 = C2 • sin(ce - (3) ,
Ct,i = Ci • cos(ce)
,
Ct,2 = C2 • cos(ce - (3) ,
schreiben sich die Grundgleichungen des schiefen Verdichtungsstofies (2.90) - (2.92) Masse:
Impuls:
(2.100)
Pi • Cn,l = P2 • Cn,2
P i + P i - C n i =P2 + p2-c^o
,
Pi ' Cn,l • Ct,l = P2 + P2 • Cn,2 ' Ct,2
schiefer VerdichtungsstoB
a 90°
abgeloste Kopfwelle
0°
0°
PG = 50°
Abb. 2.73: Stofiwinkel a schiefer Verdichtungsstofie
P
(2.101)
128
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Energie:
(2.102)
fti + - . c
(2.100) und (2.101) ergibt fiir die Tangentialkomponenten Ct,l = Ct,2
(2.103)
.
Gleichung (2.102) ergibt mit c^ = c^^ cl /ii +
-n,l
ho
(2.104)
-n,2
Es gelten also die Stofigleichungen des senkrechten Verdichtungsstofies fiir die Normalkomponenten der Geschwindigkeiten vor und nach dem Verdichtungsstofi mit der Zusatzbedingung, dass die Tangentialkomponenten ct,i und Ct,2 gleich sein miissen. Tragt man in Abbildung 2.73 fiir unterschiedliche Anstrom-Mach-Zahlen Mi die moglichen Stofiwinkel a auf erkennt man, dass jenseits eines bestimmten Grenzwertes (3Q des Abstromwinkels (3 kein schiefer Verdichtungsstofi mehr moglich ist. Es stellt sich fiir (3 > (3Q die bereits diskutierte abgeloste Kopfwelle ein. Instationare Verdichtungsstofte erzeugt man mit einem StoJ^rohr. Das Stofirohr besteht aus einem Hochdruckteil und einem Niederdruckteil, die durch eine Membran getrennt sind. Fiillt man in den Hochdruckteil das Treibgas mit tJberdruck bis zum Bersten der Membran ein, bewegt sich in den mit dem Testgas gefiillten Niederdruckteil des Stofirohres ein instationarer Verdichtungsstofi mit der konstanten Geschwindigkeit Cg entsprechend dem Weg-Zeit-Diagramm der Abbildung 2.74. In den Hochdruckteil lauft die entsprechende Verdiinnungswelle. Bewegen wir uns mit der konstanten Stofigeschwindigkeit Cs mit dem Verdichtungsstofi mit, konnen fiir die Berechnung der Zustandsanderungen StoB Verdlinnung
Verdichtung
Ruhe
Abb. 2.74: Stofirohr, Weg-Zeit-Diagramm des Verdichtungsstofies und der Verdiinnungswelle
2.3 Hydro- und Aerodynamik,
129
Stromfadentheorie
iiber den instationaren Stofi die Grundgleichungen (2.90) - (2.92) und (2.93) - (2.96) des senkrechten Verdichtungsstofies mit ci
C2 =
C2
angewendet werden. Korapression und Expansion Das Verhalten von Uberschallstromungen an konkaven und konvexen Wanden ist verschieden. An konkaven Wanden laufen die Kompressionslinien zusammen und bilden einen Verdichtungsstofi. Bei konvexen Wanden bildet sich ein Expansionsfacher mit einem kontinuierlichen Verlauf der Stromungsgrofien. Diese kontinuierliche Expansion wird PrandtlMeyer-Expansion genannt. Bei einer scharfen konkaven Ecke erhalt man einen schiefen Verdichtungsstofi, der bereits in Abbildung 2.72 gezeigt wurde. Die konvexe Ecke hat wiederum einen kontinuierlichen Expansionsfacher zur Folge, wobei die Expansionswellen in der Ecke konzentriert sind (Abbildung 2.75).
Uberschall-Kompression Druckanstieg VerdichtungsstoB
Uberschall-Expansion Druckabfall Expansionsfacher
Mi>l
konkave Ecke
konvexe Ecke
Abb. 2.75: Kompression und Expansion von Uberschallstromungen
130
2.4 2.4.1
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Technische Stromungen Turbulente Stromungen
Die meisten in Natur und Technik vorkommenden Stromungen sind bei entsprechend grofien Reynolds-Zahlen turbulent. Im Gegensatz zu den bisher behandelten laminaren Stromungen zeichnen sich turbulente Stromungen durch Schwankungen der Stromungsgrofien aus, die einen zusatzlichen Querimpuls- und Energieaustausch verursachen. Daraus resultieren volligere zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsprofile verglichen mit den laminaren Profilen in Grenzschichten, Kanalen und Rohren. Die Abbildung 2.76 zeigt die bereits diskutierten laminaren Geschwindigkeitsprofile im Vergleich mit den Profilen turbulenter Grenzschicht- und Rohrstromungen, die sich bei Uberschreiten einer sogenannten kritischen Reynolds-Zahl Re^ einstellen. Bringen wir in Abbildung 2.77 einen Farbfaden in die Stromung ein, so erhalten wir fiir die stationare laminare Stromung eine gerade Streichlinie, wie wir sie bereits in Kapitel 2.3.1 kennengelernt haben. In der turbulenten Stromung zerfleddert der Farbfaden aufgrund der iiberlagerten Schwankungen und dem damit verbundenen zusatzlichen Querimpulsaustausch. Der laminar-turbulente Ubergang erfolgt in einer Stromung nicht abrupt sondern iiber mehrere Zwischenzustande, die in Abbildung 2.78 fiir die Grenzschicht stromung dargestellt sind. Die Reynolds-Zahl u^o • ^/^ wird hier mit der Grenzschichtdicke 6 und der Geschwindigkeit Uoo aufierhalb der Grenzschicht gebildet. Bei umstromten Korpern ist die Grenzschichtdicke in der Nahe der Staulinie sehr diinn. Die Stromung ist zunachst laminar und wird stromab, beim Uberschreiten einer kritischen Reynolds-Zahl, turbulent. Die Dicke der laminaren Grenzschicht der Platte wachst mit y^ an. Dabei ist x der Abstand von der Vorderkante. Die mit x gebildete kritische Reynolds-Zahl der Plattengrenzschicht betragt: Ren
/Uoo^\
5-10^
Die Berechnung der kritischen Reynolds-Zahl erfolgt mit der Stabilitatstheorie, die wir in u(z)
L
u(z, y, z, t)
laminar turbulent Grenzschichtstromung
u(r)
u(x, r, cp, t)
laminar turbulent Rohrstromung
Abb. 2.76: Laminare und turbulente Geschwindigkeitsprofile in Grenzschichten und Rohrstromungen
131
2.4 Technische Stromungen
laminar
turbulent
Farbe
u(x, r, cp, t)
Abb. 2.77: Reynolds-Experiment: laminare und turbulente Rohrstromung, Reynolds 1883
Kapitel 4.1.3 behandeln. Die kritische Reynolds-Zahl der Rohrstromung hingegen betragt 2300. Die laminare Grenzschichtstromung wird bei der kritischen Reynolds-Zahl Rcc von zweidimensionalen Storwellen iiberlagert, die nach Tollmien-Schlichting benannt sind. Welter stromab iiberlagern sich dreidimensionale Storungen, die eine charakteristische AWirbelbildung mit lokalen Scherschichten in der Grenzschicht zur Folge haben. Der Zerfall der A-Wirbel verursacht Turhulenzflecken, die den Ubergang zu einer turbulenten Grenzschichtstromung einleiten. Bei Ret ist der Transitionsvorgang abgeschlossen, stromab ist die Grenzschicht turbulent.
laminar
transitionell
turbulent
0 stabile, laminare Stromung 1 instabile Tollmien-Schlichting-Wellen
0
12
3
4
5
2 dreidimensionale Wellen, A -Wirbel 3 Wirbelzerfall 4 Bildung von Turbulenzflecken 5 turbulente Stromung
Abb. 2.78: Laminar-turbulenter Ubergang in einer Grenzschicht
132
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Wie aus Abbildung 2.78 zu ersehen ist, wachst die Grenzschichtdicke beim laminarturbulenten tJbergang stark an, was mit einer Widerstandserhohung einhergeht. Turbulente Stromungen sind grundsatzlich dreidimensional und zeitabhangig. Damit verlassen wir den Bereich der eindimensionalen Stromfadentheorie und kehren wieder zu den Bezeichnungen der Stromungsgrofien v{x^ y^ z, t), p(x, y^ z, t), p(x, y^ z, t) zuriick. Es gelten die Grundgleichungen fiir dreidimensionale Stromungen, die wir in Kapitel 3 behandeln werden. Die mathematische Beschreibung turbulenter Stromungen leitet sich von den experimentellen Erkenntnissen der Abbildung 2.77 ab. Reynolds zog aus seinem Experiment die Schlussfolgerung, dass sich die Stromungsgrofien, wie z.B. die ix-Komponente der Geschwindigkeit, als Uberlagerung der zeitlich gemittelten Geschwindigkeiten u{x^y^z) und der zusatzlichen Schwankungen u'{x^y^z^t) darstellen lassen (Abbildung 2.79). Der Reynolds-Ansatz fiir turbulente Stromungen schreibt sich: v{x, y, z, t) = v{x, y, z) + v{x, y, z, t)
(2.105)
Die Definition des zeitlichen Mittelwertes am festen Ort lautet fiir das Beispiel der Geschwindigkeitskomponente u 1
ix = - • / u{x,y,z,t)
'dt
(2.106)
.
T ist dabei ein geeignet grofies Zeitintervall von der Form, dass eine Zunahme von T keine weitere Anderung des zeitlich gemittelten Wertes u mehr ergibt. Aus der Definition des zeitlichen Mittelwertes lasst sich ableiten, dass die zeitlichen Mittelwerte der Schwankungsgrofien verschwinden, d. h. es gilt fiir die Geschwindigkeitsschwankungen i7 = o
,
^ = 0
,
1(7 = 0 .
Der Nachweis erfolgt fiir die ix-Komponente Geschwindigkeit T
T
T
ix = - • / u{x, y,z,t)'dt=-'j{u^u')'dt=-'jU'dt^-'ju''dt
1 T
u ' dt
1 'U' T
T
, T
dt 0
-^-tLj u=u+u
Abb. 2.79: Reynolds-Ansatz fiir die uKomponente der Geschwindigkeit
2.4 Technische Stromungen
133
T
u = u^u'
=> u^ = 0 = — '
u^' dt
.
0
Zur Charakterisierung turbulenter Stromungen fiihrt man den dimensionslosen Turbulenzgrad Tu ein, der im Zahler die Wurzel aus dem zeitlich gemittelten Quadrat der Schwankungsgrofien und im Nenner die zeitlich gemittelte Stromungsgeschwindigkeit an einer betrachteten Stelle enthalt. Fiir die Geschwindigkeitskomponente u in Hauptstromungsrichtung x lautet der Turbulenzgrad ^ ( ^
Tu
Da turbulente Stromungen dreidimensional sind, folgt fiir die dreidimensionale Verallgemeinerung des Turbulenzgrades an einer betrachteten Stelle im Stromungsfeld
Tu=^
^
^
- = ^ — ^ = = = = Vu'^ -\- v'^ -\-
.
(2.107)
Aufgrund der Schwankungsbewegungen u\ v' und w' in einer turbulenten Stromung kommt es zu einem zusatzlichen Beitrag zum Stromungswiderstand. Dieser zusatzliche Anteil hat jedoch nichts mit der molekularen Viskositat JJL ZU tun, sondern ist auf die zusatzlichen Quer- und Langsimpuls-Austauschprozesse zuriickzufiihren, die in einer turbulenten Stromung auftreten. Sie werden im Folgenden mathematisch beschrieben. Ausgangspunkt ist die Navier-Stokes-Gleichung (2.59). Beim Ubergang vom StromfadenKoordinatensystem s und n zu einem kartesischen (x, y^ z)-Koordinatensystem wird die Geschwindigkeit c entlang des Stromfadens durch die Variable u ersetzt, s durch x und n durch z. Man erhalt du dt
du dx
1 dp p dx
d^u dz'^
dz dx
Diese Gleichung gilt prinzipiell auch fiir turbulente Stromungen, muss jedoch um die konvektiven Beschleunigungen in y- und z-Richtung und in Kapitel 3.2.2 um die 2. und 3. Navier-Stokes-Gleichung fiir die v- und i(;-Komponenten der Geschwindigkeiten erganzt werden. Es ergibt sich damit die erste Navier-Stokes-Gleichung du dt
du dx
du dy
du dz 1 dp p dx
f d'^u \dx'^
d'^u dy'^
d'^u\ dz'^ J
dz dx
Bei einer inkompressiblen Stromung mit p = konst. handelt es sich bei den turbulenten Stromungsgroften, die in der Gleichung (2.108) auftreten, um die Geschwindigkeitskomponenten u, v, w und um den Druck p. Unter Anwendung des Reynolds-Ansatzes (2.105)
134
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
fiir die Geschwindigkeiten u = u -\- u\ v = v\ w = w' und den Druck p = p -\- p' entlang des Stromfadens erhalt man
^ ^, ^ + ^ + ^0 • -^—- + ^' • -^—- + ^' • -^—ot
1 p
ox d{p-\-p^) dx
oy d'^{u-\-u^) dx'^
oz d'^{u-\-u^) dy'^
d'^{u-\-u^) dz'^
dz dx
Unter Beachtung der Rechenregeln fiir die zeitliche Mittelung und einer ebenen Stromung u = u{x^z) folgt daraus ,_ ,, dlu^u') (u + u') ox
, dlu^u') h v' oy
, h w'
dlu^u') = oz 1 dp d'^u p dx dz'^
d'^u dx'^
dz dx
Dabei ist zu beachten, dass d{u + u')/dt = 0 nur fiir Stromungen gilt, die im zeitlichen Mittel stationar sind. Dafiir fiihren wir den Begriff der quasi-stationaren turbulenten Stromung ein. Die zeitliche Mittelung der nichtlinearen Tragheitsterme auf der linken Seite der Gleichung bedarf einer besonderen Betrachtung. Es gilt ,_
,, dlu^u') ox d(u + u')
_ du ox du
, du ox du'
, du' ox
_ du ox
, du' ox
= ^ • ^ + ^ • ^- = ^ • ^-
^ ' -^ , d(u oy -\- u')
^
^
_ du' ox du'
, oydu
, oy du'
, oydu'
= '^ ^ ^~ + '^ ^ ^~ = '^ ^ ^~
oy oz oz oz Fiir den Summanden u' • {du'/dx) gilt insbesondere T
dx
T
J
dx
T
0
J dx\
2 J
dx \ T
0
_a_ {u^\ _ d{u')^ dx \ 2 I dx
J
\
2
0
, du^ dx
Entsprechend gilt fiir die Summanden v' • (du'/dy) und w' • {du'/dz) ^ du' dy
d{u' ' v') dy
^ dv' dy
'
^ du' dz
d{u' • w') dz
^ dw' dz
Die zeitlich gemittelte Navier-Stokes-Gleichung lautet dann du dx
d(u')'^ dx
d(u' ' v') dy
d(u' • w') dz
^ du' dx 1 dp p dx
^ dv' dy d'^u dx'^
^ dw' dz d'^u dz'^
dz dx
2.4 Technische Stromungen
135
Verwendet man jetzt die Kontinuitatgleichung aus Kapitel 3.1 setzt den Reynoldsansatz wiederum ein, multipliziert sie mit der Schwankungsgeschwindigkeit u' und mittelt sie zeitlich ergibt sich
ox
oy
oz
ox
oy
oz
Die zeitlich gemittelte Navier-Stokes-Gleichung lautet somit du dx
d(u'Y dx
d(u'' v') dy
d(u' • w') dz 1 dp ^ p dx
d'^u dx'^
d'^u dz'^
dz dx
(2.109)
Multipliziert man diese Gleichung mit der konstanten Dichte p und schreibt Druck- und Schwerkraftterm auf die linke Seite, so ergibt sich du dx
dp dx
dz dx
-
-
^xx
^zx
J-
f
'xx
J-
y^
^^
Auf der rechten Seite der Gleichung befinden sich diejenigen Terme, die fiir den Widerstand der Stromung verantwortlich sind. Neben den Schubspannungen fxx und f^a^aufgrund der Reibung erhalt man bei einer turbulenten Stromung zusatzliche Widerstandsanteile aufgrund der Geschwindigkeitsschwankungen, die hier mit Index ' als r^^, r'y^ und r^^ bezeichnet werden. Allgemein erhalten die bei turbulenten Stromungen zusatzlich auftretenden Spannungsanteile T' den Namen Reynoldssche scheinbare Normal- und Schubspannungen, da sie durch turbulenten Langs- und Querimpulsaustausch und nicht durch die molekulare Viskositat /i verursacht werden. Fiir die unteren Doppelindizes an der Spannungsvariablen r gelten die gleichen Konventionen, die auch in der Festkorpermechnik iiblich sind. Der erste Index gibt die Normale des Schnittufers an und der zweite Index die Richtung, in der die zugehorige Kraft wirkt. Im allgemeinen dreidimensionalen Fall (siehe Kapitel 3.2.2) ist r' ein Spannungstensor mit 9 Komponenten, bestehend aus 6 scheinbaren Schubspannungen und 3 scheinbaren Normalspannungen (Spur des Schubspannungstensors) -p • u' • u' —p • v' • u' —p • w' • u' ^yx^yy^yz
| =
| -p'U^
' v' -p
' v' ' v' -p
-p • u' • w' —p-v'- w'
' w' - v'
|
.
(2.110)
—p-w'-w\
Im Spannungstensor gilt aufgrund des Momentengleichgewichts die Gleichheit zugeordneter Schubspannungen, d.h. es gilt zB. r'^y = r^^ oder —p-u'-w' = —p-w'- u' etc. Die zeitlich gemittelten Produkte der Schwankungsgrofien und mithin die Komponenten des Spannungstensors r' sind nicht bekannt und miissen mit Modellgleichungen beschrieben werden.
136
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Boussinesq machte angeleitet vom Newtonschen Ansatz laminarer Stromungen die Annahme, dass die unbekannten Schwankungsterme auf die bekannten zeitlich gemittelten Grofien der Grundstromung zuriickzufuhren sind, unter Einfiihrung eines unbekannten Proportionalitatsfaktors /it, der als 'turbulente Viskositat' bezeichnet wird. Mit Hilfe der Boussinesq-Annahme ergeben sich unter anderem die folgenden Beziehungen du dx —
du dx)
du dx
/ du
dw
(2.111)
Dabei ist /it eine zu bestimmende Funktion und nicht wie die molekulare Viskositat /i eine Stoffkonstante. Ein moglicher Ansatz zur Bestimmung von /it ist der Prandtlsche Mischungswegansatz. In Abbildung 2.80 gehen wir davon aus, dass eine turbulente zweidimensionale Grenzschichtstromung in der (x, z)-Ebene vorliegt. Der Reynolds-Ansatz ergibt u = u{z) -\- u' w = w' .
,
Bewegen wir ein Fluidelement mit der Schwankungsgeschwindigkeit vom Niveau ZQ zum Niveau ZQ -\-1, erhalt man fiir die Anderung von u mit u{zo -\-1) > u{zo) und der TaylorEntwicklung u{zo)
- u{zo + 0 = ^ ( ^ o ) -
I ^(^o) +
-7-
d^^
^/ + dz2
Unter Vernachlassigung der Terme hoherer Ordnung folgt u{zo) - u{zo + /) = - / •
Stromungselement
u(z)
du I dz
Abb. 2.80: Prinzipskizze zum schen Mischungswegansatz
Prandtl-
2.4 Technische Stromungen
137
Diese Untergeschwindigkeit —/ • {du/dz\zQ) im Niveau ZQ + I fasste Prandtl als Geschwindigkeitsschwankung dz ,, im Niveau ZQ + 1 auf. Aus Kontinuitatsgriinden folgt fiir w': w = I ' -— dz
.
Die Mischungsweglange / ist dabei definiert als diejenige Weglange, die ein Stromungselement zuriicklegt, bis es sich mit seiner Umgebung vollstandig vermischt hat und seine Identitat verloren ging. Damit sind die Geschwindigkeitsschwankungen u^ und w^ auf die Mischungsweglange / und das gemittelte Geschwindigkeitsprofil u{z) zuriickgefiihrt und die scheinbare Schubspannung r^^ = —p • u' • w' kann berechnet werden /
—,
7
f
1 dix\
, du
o
fdu^
Da eine zweidimensionale turbulente Grenzschichtstromung mit iD = 0 vorausgesetzt wurde, gilt auch (dw/dx) = 0 und aus der Boussinesq-Annahme (2.111) folgt ^L=Mf^
.
(2.112)
Damit erhalt man eine Bestimmungsgleichung zur Ermittlung der gesuchten Grofie /it, denn es gilt -p-u'-w'
= p-l
2 /'du\ •[-
du =^,--
und somit ^t= P'l
2 du ' —dz
(2.113)
Darin ist die Mischungsweglange / noch unbekannt. Sie muss aus Experimenten ermittelt werden, die zu empirischen Naherungsformeln fiir die Berechnung von / fiihren. Kehren wir nach diesen grundsatzlichen Betrachtungen turbulenter Stromungen zur turbulenten Plattengrenzschichtstromung der Abbildung 2.76 zuriick. Die Grofienordnung der turbulenten Scheinviskositat /it erlaubt eine Bereichseinteilung turbulenter Plattengrenzschichten (Abbildung 2.81). In unmittelbarer Wandnahe gilt /it <€. /i. Dies ist der Bereich der viskosen Unterschicht, die von besonderer technischer Bedeutung fiir die Widerstandsreduzierung mit sogenannten Riblets ist, die wir zum Abschluss dieses Kapitels behandeln werden. Im Bereich der viskosen Unterschicht sind die Geschwindigkeitsschwankungen u^ und w^ sehr klein und fiir die Mischungsweglange gilt / -^ 0. Die gesamte Schubspannung fges in der betrachteten turbulenten Stromung lautet du u' dz
—. p'w ' w
138
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Wegen u^ • w^ ^ 0 folgt daraus fiir die Wandschubspannung r^ in der viskosen Unterschicht /i-
dz
nach Trennung der Veranderlichen erhalt man eine gewohnliche Differentialgleichung fiir das gesuchte Geschwindigkeitsprofil du = — ' T^ ' dz
.
Die Integration liefert zunachst z
-7
du
Tw • dz
/^ J also eine lineare Geschwindigkeitsverteilung u{z) bei einer konstanten Schubspannung r^ u{z) = — 'z\
.
(2.114)
Eine Erweiterung mit der konstanten Dichte p liefert uiz) = — ' — ' z = — • — p
/i
p
ly
Definiert man als neue Grofie die sogenannte Wandschubspannungsgeschwindigkeit Ur zu Ur = \/T^I p-t SO erhalt man u{z)
Ur • Z
v+
(2.115)
|it»|i
Ubergangsbereich:
l^t*!^
viskoseJJnterschicht:
|i ^<|i
Abb. 2.81: Bereichseinteilung der turbulenten Grenzschichtstromung
139
2.4 Technische Stromungen
mit der neuen dimensionslosen Koordinate z+ = {ur • z)/u. Im Bereich der Wandturbulenz aufierhalb der viskosen Unterschicht, aber immer noch in Wandnahe, gilt ebenfalls noch die Konstanz der Wandschubspannung f^ = konst.. Prandtl nahm an, dass sich die Wandschubspannung in folgender Weise mit der Mischungsweglange I = k' z dls Uneare Funktion von z ansetzen lasst (k bezeichnet darin eine Konstante)
p-f
du
du\^ \dzj
p-k'-z2 ^2 ^ " ^
^dzj
Daraus folgt die Differentialgleichung zur Bestimmung von u{z) zu du dz
1 k'z
^
du = —^ ' - ' dz k z
Die unbestimmte Integration Uefert u{z) = -^-ln{z) u{z)
•In
+ Ci
+ C,
k
,
k
\u^
+ Ci
Fasst man die letzten beiden Summanden zu einer neuen Integrationskonstanten C zusammen, so erhalt man als Endergebnis ein logarithmisches Geschwindigkeitsprofil im Bereich der Wandturbulenz u{z)
i . ln(z+) + C
(2.116)
Die zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsprofile (2.114) - (2.116) in Wandnahe sind in Abbildung 2.82 dargestellt. Die viskose Unterschicht erstreckt sich iiber den Bereich
u
freie Turbulenz
Wandturbulenz 1 — u^
log. Wandgesetz viskose Unterschicht u(z)
1
5
viskose Ubergang Unterschicht Abb. 2.82: Turbulentes Grenzschichtprofil
30
z+
Wandturbulenz
140
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
< 30 bis zum logarithmi-
0 < z+ < 5. Es schliefit sich der Ubergangsbereich 5 < schen Bereich fiir 30 < z+ < 350 an.
Charakteristische GroKen der Turbulenzgradverteilung in Wandnahe sind in Abbildung 2.83 dargestellt. Der Turbulenzgrad (2.107), die turbulente kinetische Energie K' = k'^ = + w'^)/2 (3.64) und die Quadrate der Geschwindigkeitsschwankungen sind mit {u12 der Wandschubspannungsgeschwindigkeit Ur entdimensioniert. Die grofiten Schwankungen weist die ix'^-Komponente auf, deren Maximum im Ubergangsbereich bei z+ = 20 liegt. Der laminar-turbulente Ubergang fiihrt zu einer Erhohung des Reibungswiderstandes Cf, der in Abbildung 2.84 in Abhangigkeit der mit der Lauflange x gebildeten Reynolds-Zahl Rcx dargestellt ist. Fiir den lokalen Reibungsbeiwert Cf(x) gilt:
0.664
laminare Grenzschichtstromungen
^fRe~x
. (2.117)
Cf(x)
0.0609
turbulente Grenzschichtstromungen
Der Ubergang von der laminaren zur turbulenten Grenzschichtstromung erfolgt entsprechend Abbildung 2.78 nicht schlagartig, sondern iiber einen Transitionsbereich. Aus den lokalen Widerstandsbeiwerten Cf (x) lassen sich die dimensionslosen integralen Reibungswiderstandsbeiwerte Cf^g berechnen. Diese sind definiert als Wandreibungskraft Fji bezogen auf das Produkt aus dynamischem Druck und Plattenoberflache A = L - b, b bezeichnet dabei die Tiefe der Platte senkrecht zur Zeichenebene und x die Lauflange:
® Tu+ ® K+ ® 11^ ® ^ (D ^2 +
0
50
100
Abb. 2.83: Turbulenzgradverteilung in Wandnahe
z^
bezogen auf "t
141
2.4 Technische Stromungen
rw(x) = /i •
du dz
Cf(x) =
y
FR = b
' P'Ul
1^
T^{x) 'dxt 1^
FR Cf,i
P'ul^'L'h
• dx
Fiir den integralen Reibungswiderstandsbeiwert Cf^g gilt im Abstand L von der Vorderkante der Platte FR Cf,i
\'
- ' I Ci{x) 'dx
P'ul^'h'L
1.328
laminare Grenzschichtstromungen
. (2.118)
0.074
- turbulente Grenzschichtstromungen I (i?ei)* Der Reibungswiderstand einer laminar umstromten Platte ist damit kleiner als der Reibungswiderstand einer vollstandig turbulent umstromten Platte unter sonst gleichen Bedingungen, so dass gilt: Cf,gt > Cf,gi
.
Das unterschiedliche Aufdickungsverhalten der Grenzschichtdicke 5 der laminaren und einer turbulenten Grenzschichtstromung entnimmt man der Abbildung 2.85. Ausgangspunkt ist die fiir eine laminare Grenzschichtstromung giiltige Beziehung (2.61)
0.003 0.002 ^
0.001 10^^
i
10^
X
10^
10^
turbulent
10^
Re^ \&^
Abb. 2.84: Reibungswiderstand Cf der laminaren und turbulenten Plattengrenzschicht
142
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
s
1
Bei der laminaren Blasius-Grenzschicht lautet der Proportionalitatsfaktor 5
L
VWL
Multiplikation niit \JReh liefert (5 / R
S_ e-L
U^
U^-L
ly-L
Fiir eine turbulente Grenzschichtstromung gilt die Beziehung 1
(2.119)
{RCLY^
Multiplikation mit \/ReL ergibt f/. Z/-L
i?e|
U^ ly-L
Re 0.3
Durch Beeinflussung der turbulenten Wandschubspannung r ^ lasst sich der Reibungsbeiwert Cf der turbulenten Grenzschichtstromung verringern. Die Idee dafiir liefert die Natur. Schnellschwimmende Haie (bis zu 90 km/h) zeigen mikroskopisch feine, in Stromungsrichtung verlaufende Rillen auf den Schuppen. Die vergrofierte Aufnahme der Abbildung 2.86 macht die Langsrillen und Stege auf den einzelnen Schuppen eines blauen Haies deutlich. Es drangt sich die Vermutung auf, dass an Oberflachen mit Langsrillen weniger Reibung entsteht als an glatten Oberflachen. Setzt man diese Erkenntnis in die technische Nutzung um, entstehen Folien mit Langsrillen, sogenannte Riblets, der Hohe (2.115) z~^ = 500
IvL
laminar
turbulent
5-10^
Rer
Abb. 2.85: Grenzschichtdicke 6 der laminaren und turbulenten Plattengrenzschicht
143
2.4 Technische Stromungen
•
•
"
"
%
.
UQQ
\ )
100 |im Haifisch-Schuppen
Riblet-Folie
Abb. 2.86: Haifisch-Schuppen und RibletFohe
und mit Abstanden von y^ = 100 (60 fim), die man auf die glatte Oberflache aufbringt, deren Reibungs wider stand verringert werden soil. Als Ergebnis wird die Schwankung der Querstromung v^ und damit der Querimpulsaustausch in der viskosen Unterschicht der Grenzschicht verhindert. Die dunklen Bereiche der Abbildung 2.87 zeigen hohe Schwankungen der Geschwindigkeit in der Umgebung der Oberfiache und die hellen Bereiche geringe Schwankungen. Das Resultat ist eine Verringerung des Reibungswiderstandsbeiwertes Cf^g um 8 %. Bei einem Verkehrsflugzeug betragt der Reibungswiderstandsbeiwert Cf,g mehr als 50 %. Da nicht alle Flugzeugteile mit der Riblet-Folie beklebt werden konnen, betragt das reale Potenzial der Widerstandsreduzierung 3 %. Nachgewiesen wurden 1 % Treibstoffersparnis bei einem Airbus A 340, der zu 30 % mit Riblet-Folien iiberklebt wurde. Die widerstandsverringernden Folien konnen auch bei Schnellziigen der nachsten Generation sowie
Abb. 2.87: Struktur der Schwankungsgrofien in der viskosen Unterschicht der Grenzschicht
144
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
in Rohrstromungen und Pipelines zur Verringerung der Verluste eingesetzt werden. Die Natur zeigt noch eine andere Moglichkeit der Verringerung der Wandschubspannung. Die Schleirahaute der Delfine dampfen aufgrund ihrer flexiblen welligen Struktur den laminar-turbulenten tJbergang in der Grenzschicht und verringern zusatzlich durch Zugabe von Polymeren an der Oberflache der Haut den Reibungswiderstand um mehr als 50 %. Diesen Effekt hat man z. B. bei der Alaska-Pipeline genutzt und durch Zugabe von nur einigen millionstel Polymeranteil in 01 eine Reduktion der Pumpleistung von 30 % erreicht. 2.4.2
Irapulssatz
Der Impulssatz ist eine Bilanzaussage an einem Kontrollvolumen V und dient der direkten Bestimmung gesuchter integraler Kafte bei bekannten Stromungsgrofien am Rand des Kontrollvolumens V. Der Impuls dl eines Massenelementes dm = p • d ^ ist definiert als Produkt aus Massenelement und Geschwindigkeitsvektor v dl = dm • V = p • V • dV
dl
dm '
'dV
Da bei kompressiblen Stromungen die Dichte p zeitabhangig sein kann, p = p(t), muss aus Griinden der Masseerhaltung m = p{t) •V{t) = konst. das betrachtete Volumen V ebenfalls zeitabhangig als V{t) angesetzt werden. Der Impuls der Gesamtmasse m bzw. des betrachteten Gesamtvolumens berechnet sich aus dem differentiellen Impuls d l des Massenelementes durch Integration iiber das Volumen V{t) 'Ix p • V•dV
P'
V{t)
dV
V{t)
Der Impulssatz besagt, dass die totale zeitliche Anderung d/dt des Impulses gleich der Resultierenden aller aufteren Krafte ist. Als aufiere Krafte treten Massenkrafte F M und Oberflachenkrafte F A auf: dl d^
_d j dt
P'V'dV
^ F M
+
^ F ,
V{t)
/dh\ ' dt ^ di, dt
Im Folgenden wird die zeitUche Ableitung des Integrals naher betrachtet. Da hierbei sowohl das Integrationsgebiet V als auch der Integrand p • v von der Zeit abhangen, kommt
2.4 Technische Stromungen
145
man am einfachsten zum Ziel, wenn man die Ableitung d/dt als Grenzwert des Differenzenquotienten bildet
!
'
•
'
Vit)
(
y(t+At)
I
v(t)
p(t + At) . v(t + At) . dy - I p(t) . v(t) . dy
0
0
Fiir den ersten Summanden gilt die Additivitat des Integrals y(t+At)
p{t + At) • v{t + At) • d y 0
v{t)
Vy(t+At)
/ p{t + At) • v{t + At) • d y +
/
p{t + At) • v{t + At) • dV
.
y(t)
Eine Taylor-Entwicklung mit Abbruch nach dem linearen Term liefert fiir den Integranden p{t + At) • v{t + At) = p{t) ' v{t) + - ^ ^ ^ • At + • • •
.
Setzt man die letzten beiden Gleichungen in den Differenzenquotienten ein, so erhalt man
ih''
'dV
Vit)
Vit)
^
y(t+At)
\
1 I f d{p_v)_ . ^^ . ^ y ^
I
^(^ ^ ^^) . ^(^ + At) • dy
Vit)
)
.
Im nachsten Schritt geht es darum, das Volumenintegral iiber die Differenz V{t^/\t) — V{t) auf ein Integral iiber die Oberflache A{t) des Volumens V{t) zuriickzufiihren. Entsprechend der eindimensionalen Stromfadentheorie gilt fiir den Massenstrom m die Beziehung 771 = p • C- A
^
777/
— = V = C'A
.
p Bei einer Verallgemeinerung auf dreidimensionale Stromungen berechnet sich der Volumenstrom V als Oberflachenintegral iiber das Skalarprodukt {v • ft) aus dem Geschwindigkeitsvektor v = (u^v^w) und dem aufieren Oberflachennormalen-Einheitsvektor n = {n:,,ny,n^)
V =
f{v'n)'dA A
146
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Fiir den Volumenstrom gilt weiterhin y(t+At)
V{t + At) - V{t) V = lim At
'dV =
lim -— At^O At
V{t)
f
{v'n)'dA
A{t)
Die totale zeitliche Ableitung des Impulses ergibt -^ [ P'V'dV dt J ^
=
V{t)
JimJ^-
j
^ ^ - d ^ ^
j
p{t^At)-v{t^At)-{v-n)-dA
Nach dem Grenziibergang erhalt man den Impulssatz d l _ _d fP'V'dV= ~d!t ~ ~dt
f^^^^'dV^
jp'V'(v'fi)'dA
(2.120)
Der erste Summand beschreibt die lokale zeitliche Anderung des Impulses im Innern des betrachteten Kontrollvolumens. Um dieses Integral auswerten zu konnen, ist die Kenntnis der Stromungsgrofien im Innern des Kontrollvolumens erforderlich. Bei stationaren Stromungen gilt (d/dt) = 0. Der zweite Summand beschreibt den konvektiven Impulsstrom durch die Oberflache des Kontrollvolumens. Zur Berechnung dieses Integrals sind nur Stromungsdaten auf dem Rand des Kontrollvolumens erforderlich. Fiir stationare Stromungen lautet der Impulssatz dJ dt "= —
p-v-dV
=
V
p-v-{v-n)-dA
= Y,FM
+
Y,^^
(2.121)
A
Mit Fu p ' V ' {v ' fi) ' dA
=^
p ' \ V \ {v ' fi) ' dA w
Fi,y
Fu ergibt sich ^I + ^ ^ M + ^ ^ A
= 0
'FA,.
(2.122)
147
2.4 Technische Stromungen
Der Impulskraftvektor Fi verlauft parallel zum Geschwindigkeitsvektor v, die Richtung von Fi ist stets auf das Innere des Kontrollvolumens gerichtet. Die Druckkraft F D , die zu den Oberflachenkraften F A zahlt, ist definiert als
FD
p ' fi' dA
•dA
Da der Druck p eine positive skalare Grofie ist und n den aufieren Normalen-Einheitsvektor der Oberflache darstellt, weist die Richtung der Druckkraft F D , wegen des Minuszeichens, ebenfalls stets auf das Innere des Kontrollvolumens.
Wenden wir im Folgenden den Impulssatz (2.122) auf die laminare Grenzschichtstroraung an. Damit lasst sich die Funktion f bestimmen, die die Grenzschichtdichte 6/L mit der Reynolds-Zahl RCL verkniipft (2.61) S_
KR^L)
Als Kontrollvolumen wird in Abbildung 2.88 ein Quader der Lange L, der Hohe 6{L) und der Tiefe b in ^/-Richtung ausgewahlt. Der Druck p wird der Grenzschicht von der Aufienstromung aufgepragt (dp/dz) = 0 und ist im Falle der Plattengrenzschicht im Aufienraum konstant. Daraus folgt, dass der Druck auch in der Grenzschicht konstant ist und somit heben sich alle auftretenden Druckkrafte gegenseitig auf. An der Stelle 3 wird aus Griinden der Vereinfachung ein lineares Geschwindigkeitsprofil u{z) angenommen, da es gegeniiber dem Blasius-Grenzschichtprofil analytisch zu integrieren ist. Fiir u{z) gilt dann u{z)
S{L) • z
-•I
Abb. 2.88: Krafte am Kontrollvolumen V fiir die laminare Plattengrenzschicht
148
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Am linken Rand an der Stelle 1 wird der Querschnitt Ai = b - 6{L) mit der konstanten Geschwindigkeit Uoo durchstromt. Die Impulskraft Fi^x^ lautet somit P ' Uoo ' {v ' n) ' dAi
Fi^xi = -
-P'Uool
0
•
0 \ •Ai=p-ul^-Ai=p-ul^-b-
6{L)
Fiir die Impulskraft Fi^^^ folgt mit dAs = b - dz Fi. X3--
I P' u{z) '{v'fi)'
dAs
As 5(L)
/...,.,. (t').[o).a.,
-p. 6. I u\z) 'dz
Die Impulskraft Fi^^^ weist somit in +x-Richtung und Fi^^^ in —x-Richtung. Die Berechnung des Integrals liefert fiir Fi^^^ 5{L)
F,^,,=-p-b-
I
-p^b-
5{L)
u\z)^dz
= -p^b^
^
I
-^yz'.dz P'b'ul^'
6^L)
6{L)
.
0
Vor der Berechnung des Impulskraftvektors Fi^ wird zunachst die Massenerhaltung genutzt. Der durch die Flache Ai = b • 6{L) eintretende Massenstrom rhi berechnet sich zu nil = p • Uoo • Ai = p • Uoo • b • ^(^)
•
Fiir den durch die Flache As austretenden Massenstrom rhs ergibt sich 5(L)
^3 — P '
5(L)
^i^) ' ^^3 = P ' b ' / u{z) ' dz = p ' b
S{L)
z ' dz
5(L)
p-b-
S{L)
2"
-' p'Uoo'b'
S{L)
.
Da rhs < nil und die Platte undurchlassig ist, muss durch die Flache A2 = b - L der Differenzmassenstrom rfi2 = rfii — rhs austreten: rh2 = rhi - rhs = p ' Uoo ' b ' H^) - 1^ ' P ' Uoo ' b - S{L) = -• p-Uoo-b-
S{L)
.
Die Grenzschicht hat folglich eine Verdrangungswirkung und das Durchstromen der Flache A2 ruft dort eine Impulskraft Fi^ hervor. Fiir die Geschwindigkeitskomponente, mit
149
2.4 Technische Stromungen
der der Massenstrom rh2 senkrecht durch die Flache A2 austritt, wird die zunachst unbekannte Komponente W2{x) > 0 in +z-Richtung angenommen. Weiterhin gilt fiir W2{x) die Nebenbedingung W2 ^C Uoo- Die Geschwindigkeit des Fluids in x-Richtung langs der Flache A2 betragt iXoo- Per Definition berechnet sich der Impulskraftvektor Fi^ zunachst ganz allgemein zu
Fi^ = - I p • V • {v • fi) • dA2
0 A2
P' \ A2
•dAo
W2{x)
\^2(^),
0
I
'W2{x)'dA2
\^2(^),
Fiir die x-Komponente Fi^x2 ^^^ Impulskraftvektors Fi^ erhalt m a n somit Fi,x2 = - ^ 0 0 '
P' W2{x) ' dA2 = -Uoc 'rh2 = --'
p'ul^'b'
6{L)
.
A2
Die z-Komponente Fi^z2 i^^ wegen W2{x) vom Betrag her klein, weist in negative zRichtung und spielt fiir den weiteren Verlauf der Betrachtung keine Rolle. Die Wandreibungskraft Fw,x ist diejenige Kraft, die die Anstromgeschwindigkeit Uoo auf den Wert Null an der Plattenoberfiache verzogert. Sie weist daher in negative x-Richtung und es gilt wegen du/dz > 0 1^
Fw,x = -b-
du I \ r^ \ -dx = -b • I 1^ ' -^ 0
• dx = —b • iJ,
x)
• dx
0
Die Impulsbilanz in x-Richtung liefert I Fi^xi I ~ I ^1,2:2 I ~ I ^1,2:3 I ~ I Fw,x 1= 0 , L
P'ul^'b'
1 6{L) - -' P'ul^'b'
1 6{L) - -- p-ul^-b-
/* 1 6{L) - ^ - b - u^o - / ^ 7 ^ • dx = 0 , 0
1^
-' p'Uoo' HF) = 1^ •
5{x)
• dx
P_i 6 •/i
J S{x)
Differenziert m a n die letzte Gleichung auf beiden Seiten nach x und beriicksichtigt die Beziehung u = / i / p , so erhalt man UQO
6 • z/
dS{x)
dx
1 S{x)
S{x) ' dS =
• dx
.
150
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Die Integration liefert 5(L)
S-dS
/
5{L)
Q-v
dx 5^
12-v-L
6\L)
Q-v
•5'
12-z/
L2
UQQ
' L
12 UQQ
V
• L
12 ReL
Fiir die urspriinglich gesuchte Funktion bjL = i{Rei}) ergibt sich 3.464
12 L
^/R^
Der Faktor 3.464 ist eine Folge der vereinfachenden Annahme eines linearen Geschwindigkeitsprofils u[^z). Der exakte Wert unter Verwendung des realen Blasius-Profils fiir die Grenzschicht lautet 5, so dass gilt (5
5.0
Die Auftriebskraft |A| und die Widerstandskraft \W\ eines Tragfliigelprofils konnen bei bekannten zeitlich gemitteltem Nachlaufprofil u{^z\ p{z) ebenfalls direkt mit
iI A —•'^^^'^^ 1
\ !G
\
\ ^»> u(z)
f/cc
(00)
n^ FD
n
Fj
(N)
Abb. 2.89: Krafte am Kontrollvolumen V fiir die Profilumstromung
2.4 Technische Stromungen
151
dem Impulssatz (2.122) bestimmt werden. Dabei werden im Windkanal die zeitlich gemittelten Geschwindigkeits- und Druckverteilungen am festgelegten Kontrollvolumen V gemessen und daraus mittels numerischer Integration die Impuls- und Druckkrafte bestimmt. Die Impulsbilanz in x-Richtung schreibt sich mit den Bezeichnungen der Abbildung 2.89 (Profil frei geschnitten) I,N
+ i^i,. + | i ^ D ^ | - | i ^ D , N | - | V ^ | = 0
,
(2.123)
dabei bezeichnet der Index N die zeitlich gemittelten Profile im Nachlauf, oo die ungestorte Anstromung und Fj, F D die Impuls- und Druckkrafte, die durch die Verdrangungswirkung des Tragfliigelprofils verursacht werden. Das Minuszeichen vor der Widerstandskraft riihrt daher, dass der Widerstand als Reaktionskraft in die Bilanzgleichung eingeht. Die Impulsbilanz in z-Richtung ergibt Fi,,^\Fj,\-\A\=0
.
(2.124)
Die Gleichungen (2.123) und (2.124) bieten eine in der Windkanaltechnik iibliche Methode, aus den gemessenen Geschwindigkeits- und Druckprofilen die Widerstands- und Auftriebskrafte umstromter Korper ohne Losen der stromungsmechanischen Grundgleichungen direkt zu bestimmen. Das Gewicht G muss in einer gesonderten Bilanz der Massenkrafte beriicksichtigt werden. 2.4.3
Drehimpulssatz
Fiir viele Anwendungen, vor allem aus dem Bereich der Stromungsmaschinen, ist eine zum Impulssatz vollig analoge Aussage iiber die M o m e n t e von Bedeutung. Mit Hilfe des Drehimpulssatzes lassen sich z.B. die Angriffspunkte der Impulskrafte bestimmen oder die abgegebene bzw. aufgenommene Leistung beim Durchstromen eines Laufrades. Der Drehimpuls L ist ein Vektor, der senkrecht auf der von einem Abstandsvektor r und vom Impuls vektor I = m - v aufgespannten Ebene steht. Fiir den Drehimpuls gilt L = rxl={rxv)'m
,
^y 'W-Tz
• V U-Tx w -Ty ' U Tr 'V
Tz
Der differentielle Drehimpuls dZ eines Massenelementes dm = p • d ^ ergibt dZ = {r X v) ' dm = p • {r x v) • dV Der Drehimpuls eines Volumens V{t) ist somit vit) L =
/ p' {r X v) ' dV 0
.
.
152
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Der Drehimpulssatz sagt aus, dass die totale zeitliche Anderung d/dt des Drehimpulses L gleich der Summe aller angreifenden aufteren Momente ^M^ ist. Diese aufieren Momente Yl ^a resultieren aus den beim Impulssatz besprochenen Massenund Oberflachenkraften J2^M + XI ^ A , die hier an einem Hebelarm r angreifen. Es gilt ^ M , = ^(rxFM) + ^(rxFA)
.
Der Drehimpulssatz lautet V{t)
dL _ _d
I p • {r X v) • dV = y^ M,
(2.125)
Die Bildung der totalen zeitlichen Ableitung erfolgt vollig analog zu dem beim Impulssatz beschriebenen Vorgehen. Man erhalt: —— = —
dt
p ' (r X v) ' dV
dt J ^ ^
'
V
I
d{p • (f X v)) 'dV dt at
V
/ p' {r X v) ' {v ' fi) ' dA = ^^ M. A
Genau wie beim Impulssatz fallt auch hier bei stationaren Stromungen {d/dt = 0) das Volumenintegral fort und man benotigt nur das Oberflachenintegral und die Stromungsdaten auf dem Rand des Kontrollbereiches
l,.if.v).iv.n).^A
= Y.M,
Bei einem stationar durchstromten ruhenden Kontrollvolumen in einem ruhenden Koordinatensystem ist die Voraussetzung einer stationaren Stromung automatisch erfiillt. Eine Stromungsmaschine mit einem rotierenden Laufrad in einem ruhenden Koordinatensystem erzeugt jedoch eine instationare Stromung. Hierbei ist zunachst ein Wechsel des Bezugssystems in ein mit dem Laufrad mitrotierendes Koordinatensystem vorzunehmen, um eine stationare Stromung zu erzeugen. Definiert man das Impulsmoment Mi analog zur Definition der Impulskraft als Tragheitsmoment zu Ml
p' {r X v) ' {v ' fi) ' dA
so erhalt man den Drehimpulssatz
(2.126)
153
2.4 Technische Stromungen
Der Impulsmomentenvektor M j liegt lokal parallel zum Vektorprodukt (f x tJ), denn das Skalarprodukt {v • n) liefert lediglich einen Beitrag zum Vorzeichen und zum Betrag des Impulsmomentes. Zur Verdeutlichung des Drehimpulssatzes wird nachfolgend ein Anwendungsbeispiel betrachtet. In der Abbildung 2.90 ist ein Rohrkriimnier gezeigt, der an einem Rohr angeflanscht ist. Der Rohrkriimmer lenkt die Stromung von der vertikalen Stromungsrichtung in die horizontale Stromungsrichtung um. Am rechten Ende des Kriimmers tritt die Stromung in die freie Umgebung aus. Wir behandeln die Fragestellung wie grofi ist das Moment Mk, das von dem Rohrkriimmer auf die Flanschverbindung ausgeiibt wird. Dabei wird vorausgesetzt, dass das Abmafi / (Abbildung 2.90), die Stromungsgeschwindigkeit c, die Dichte p des Fluids und die Querschnittsflache Ai bekannt sind. Wird das Integral Ml = -
p' {r X v) ' {v -fi) ' dA
(2.127)
fiir die in Abbildung 2.90 gezeigte Kontrollflache ausgewertet, so erhalt man fiir den skalaren Wert der y-Komponente des Vektors Mi M^1,2/
-P'l' c^ ' Ai
.
(2.128)
Zur Auswertung der Gleichung (2.127) soil Folgendes angemerkt werden. An der Stelle 1 stromt das Fluid iiber die Berandung des Kontrollraumes. Der Ausdruck unter dem Integral in Gleichung (2.127) ist gleich dem Nullvektor fiir diesen Abschnitt der Kontrollflache, da f X t; = 0 ist. Fiir die Stelle 2 hingegen ergibt das Kreuzprodukt einen Vektor, der in positive y-Achsenrichtung zeigt. Er zeigt in die Zeichenebene hinein. Das Skalarprodukt t; • n ist postiv fiir die Stelle 2 und betragt c- A\. Unter Beriicksichtigung dieser Einzelheiten erhalt man fiir die y-Komponente von Mi den in Gleichung (2.128) formulierten skalaren Wert.
Abb. 2.90: Rohrkriimmer
154
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Ansonsten wirken auf die Kontrollflache keine resultierenden Krafte die ein Moment erzeugen. Der Kriimmer iibertragt auf das Fluid das Moment — Mk- Die Drehrichtung von M k wird zunachst positiv angenommen. Die endgiiltige Drehwirkung wird mittels der Rechnung ermittelt. Gemafi der Gleichung
erhalt man die folgende Gleichung fiir — M k = Yl ^ a -P'l'C^
' Al-
M]^^y = 0
=>
M]^^y = -p'l'C^
' Al
.
Vom Fluid wird also ein Moment auf den Kriimmer ausgeiibt, das in negative Richtung wirkt.
2.4.4
Rohrhydraulik
Ziel dieses Kapitels ist die Bestimmung der Geschwindigkeitsverteilung u{r) und in Erganzung zu Kapitel 2.3.2 des Druckverlustes Ap sowie des Reibungsverlustes Cf fiir laminar und turbulent durchstromte Kreisrohre. Ausgangspunkt ist die stationare laminare Hagen-Poiseuille Rohrstroraung der Abbildung 2.50. Die Stromung ist ausgebildet, d.h. das Geschwindigkeitsprofil u{r) hangt nur von der Radialkoordinate r ab und andert sich langs x nicht, (du/dx) = 0. Die Stromung wird angetrieben von einer konstanten Druckdifferenz in Stromungsrichtung x, also gilt (dp/dx) = konst. < 0. Wir kennen bereits das daraus resultierende parabolische Geschwindigkeitsprofil u{r) (2.63) als analytische Losung der Navier-Stokes-Gleichung (2.62). Wir wollen als Einstieg in das Kapitel Rohrdynamik das gleiche Ergebnis erneut mit der in Abbildung 2.91 skizzierten Kraftebilanz an einem zylindrischen Volumenelement d ^ = ir-r'^ -dx ermitteln. Bei der ausgebildeten Rohrstromung treten keine resultierenden Impulskrafte auf, so dass ausschliefilich Druckkrafte wirken. Die Druckkraft an der Stelle 1 lautet (pi > P2) ^D,
pi
' TT' r
p ' IT ' r
Abb. 2.91: Kraftebilanz fiir die Hagen-Poiseuille Rohrstromung
2.4 Technische Stromungen
155
Die Druckkraft an der Stelle 2 ist 2_ /. dp ^ ^ ^ ^ 2 I ^ D , 2 1= P2 • TT • r = ( p + -— • dx I • TT • r Die Reibung lautet | F R I= | r I•2.7rT-dx
.
Da die Geschwindigkeitsverteilung u{r) von einem maximalen Wert in der Rohrmitte iXmax iiberall (du/dr) < 0. Damit auf den Wert Null an der Rohrwand abnimmt, gilt fmr^O gilt fiir den Betrag der Schubspannung I
I
d^
Fiir das Kraftegleichgewicht folgt |-FD,1 | - | ^ D , 2 | - | F R | = 0
^
,
„2 f^ , dp . ^ \ 2 p ' TT' r — P + - — - d x - T T - r —
dx
\
|r|-2-7r-r-dx = 0
J
— —— • TT • r^ =1 r I -2 • TT • r dx
^
dp
r
dx
2
I r ( r ) 1—= . — =^
du 1 dp r — ^ — .— . — dr /i dx 2
Diese Gleichung entspricht der gewohnlichen Differentialgleichung erster Ordnung (2.62) zur Bestimmung der gesuchten Geschwindigkeitsverteilung u{r). Nach Trennung der Veranderlichen und unbestimmter Integration erhalt m a n zunachst u(r) = 4 • /i
• -— • r^ + C dx
.
Die Integrationskonstante C bestimmt sich mit Hilfe der Randbedingung u{r = R) = 0 zu
4 • /i
dx
Fiir das Geschwindigkeitsprofil u{r) folgt damit / N
1 dp 4 • /i dx
/A
2
1 dp 4 • /i dx
^
2
dp
u(r) = — • -;— • ^ ^ ^ 4 - / i dx
2
1 dp 4 • /i dx
/^i
^^
• 1 — T^ V ^
2 , D2X
(2.129)
Es folgt also eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung fiir u{r) mit der Maximalgeschwindigkeit 1 4 • /i
dp 2 i?" dx
156
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Fiir den Volumenstrom V im Rohr folgt R
y =
R
u{r) ' dA = / u{r) • 2 • A
TT
• r • dr =
0
u \ 1 - - ^ I • 2 • TT • r • dr max
0
r - - , . d r
2 • IT • Ur,
iR
V = 2'7r'Ur,
2 • TT • IXmax ' J '
4 ' ^
•^•R'
' A = Urn' A
^
.
Fiir den volumetrischen Mittelwert Um der Rohrgeschwindigkeit gilt folglich dp 1 •R' 8 • /i dx
1 2
Der Volumenstrom lasst sich damit in der folgenden Weise angeben V = Urr, ' A
1
TT
'A
8 ' fi
^P
,-^A
(2.130)
dx
Damit gilt fiir die laminare Hagen-Poiseuille Rohrstromung die Proportionalitat an der Stelle X = L V r^Ap = L
dp dx
V r^ R^
(2.130) verdeutlicht die charakteristischen Abhangigkeiten des Volumenstroms. Er ist proportional zum Druckverlust Ap = pi — P2 und proportional zur 4. Potenz des Radius R. Es interessiert die Frage nach der Grofie des Druckverlustes Ap bei vorgegebenem Volumenstrom. Dieser Druckverlust ist eine Folge des Reibungseinflusses. Aus (2.130) V
^
^P
p4
Ap = p i - p2
folgt fjL • L
A ^y 8-ll-L o2 8-/i-L Ap = V ' ^ ; ^ = Um ' TT ' R ' TT'R^ TT'R^
u^
' 8 ' p ' ly ' L
R^
R^
Im Folgenden wird der Term auf der rechten Seite von Ap in der Weise erweitert, dass charakteristische Grofien der Stromung zusammengefasst werden konnen A
1
n
16 • u • L
1
2
16-iy-L
m
1
L
o • P • ^m • T :
64
157
2.4 Technische Stromungen
Definiert man die mit dem Rohrdurchmesser D gebildete Reynolds-Zahl Reo = {um-D)/u und fasst den Faktor QA/RCD ZU einem VerlustkoefRzienten Aiam zusammen, so erhalt man die folgenden Gleichungen zur Berechnung des Druckverlustes 1 Ap= -'
'§-
p'u:
64 lam
'^lam
(2.131)
Reo
Diese Gleichungen gelten fiir laminare Rohrstromungen, d.h. fiir Reynolds-Zahlen kleiner als die kritische Reynolds-Zahl Rcc u 'D Reo = -^ < Rcc = 2300 Fiir die ausgebildete turbulente Rohrstromung gilt fiir die zeitlich gemittelte Geschwindigkeit (du/dx) = 0, so dass wiederum im zeitlichen Mittel Impulskrafte auftreten. Wenden wir in Abbildung 2.92 den Impulssatz auf ein Kontrollvolumen V = ir - R^ - L mit dem Rohrradius R an, ergibt sich fiir die Druckkraft an der Stelle 1 {pi > P2) \Fu,i\=Pi'7r'R^
.
Die Druckkraft an der Stelle 2 lautet | ^ D , 2 \=p2'7r'R^
.
Die Wandreibungskraft berechnet sich |^R,w hlTwl - 2 . ^ . 7 ? . ^
.
Fiir das Kraftegleichgewicht folgt | ^ D , l I - |^D,2 | - | ^ R , w 1=0 pl'TT'
R'^ -p2'7r'
R^-
,
I fw I -2 • TT • i ? • L = 0
(Pl - P2) • TT • i?2 = A p • TT • i?2 =1 fw I -2 • TT • i? • L
,
Ap=|f,
2-L
KJ rh
IT,J
Abb. 2.92: Kraftebilanz am Kontrollvolumen V fiir die turbulente Rohrstromung
158
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Fiir die Wandschubspannung | f^ | existiert kein theoretischer Ansatz. Man hilft sich daher durch einen empirischen Ansatz, der die Druckverlustgleichung Ap analog zum laminaren Fall ermittelt -2
1 rw 1= I 1 -'
Ap=
p-
-2
^
'^t
A
=>
X
2
At = \{ReD)
^t
1
Z ' 1J
aus Experiment en,
A-
2
(2.132)
RCD =
Aus experimentellen Ergebnissen folgt fiir den Druckverlustbeiwert At das BlasiusGesetz 0.3164
At
giiltig fiir 3 • 10^ < Reo < 10^
(2.133)
und die implizite Darstellung von Prandtl 1
2 • logio R(^D ' V A
/A:
0.^
(2.134)
giiltig fiir RCD < 10^
Bei rauhen Rohren lassen sich die Werte fiir At aus dem N i k u r a d s e - D i a g r a m m der Abbildung 2.93 ablesen. Die Rauigkeit K^ ist dabei der raumliche Mittelwert der Oberflachenrauhigkeit der Rohrwande. Einige Werte fiir unterschiedliche Materialien sind in Abbildung 2.94 aufgelistet. Das Nikuradse-Diagramm folgt aus Messungen die an sandrauhen Rohren durchgefiihrt wurden. Fiir technisch rauhe Rohre sind die Werte fiir At in dem sogenannten M o o d y - D i a g r a m m (L. F. Moody 1944) iiber der Reynolds-Zahl RCD
i
D
12 10
\f /rauh
30 120
1 1
\
2.5
\
L
\
\
^ ^
1
*^ \
^^•^^i.,..,,,.,^^^^^
1 \ 1 \ 1 \ 1 ^
\
10^
Abb. 2.93: Nikuradse-Diagramm
Prandtl
Blasius
\ \
500
^
glatt^^''^:^
L
10^
1
10^
-^*
Re,
W
159
2.4 Technische Stromungen
aufgetragen. Der Unterschied zum Nikuradse-Diagramm besteht darin, dass der tJbergang vom hydraulisch glatten Rohr bei kleinen Reynolds-Zahlen zum vollkommen rauhen Rohr bei grofien Reynolds-Zahlen allmahlicher verlauft. Die aus Experimenten ermittelte Erweiterung der impliziten Gleichung (2.134) ergibt fiir rauhe Rohre 1 /At
2-log 10
2.51 Re D /At
K, 3.71'D
(2.135)
Fiir Reynolds-Zahlen RCD > 10^ wird der Verlustbeiwert At unabhangig von der ReynoldsZahl, da dann samtliche Rauigkeitselemente aus der viskosen Unterschicht der turbulenten Rohrgrenzschicht herausragen. Damit besteht der Rohrwiderstand im Wesentlichen aus dem Formwiderstand fiir den die quadratische Abhangigkeit von der Geschwindigkeit Um gilt. Abbildung 2.95 erganzt At fiir unterschiedliche runde und rechteckige Rohrquerschnitte. Fiir A = 0 entartet der Druckverlust At des Rohres mit Kreisquerschnitt zum Grenzfall der ebenen Kanalstromung mit At • RCD^H = 96. Die Kreisringgeometrie zeigt fiir geringe Werte von A, dass sich der Druckverlust nur wenig andert. Daraus kann man schliefien, dass der Kriimmungseffekt des Rohres nur einen geringen Einfluss hat. Der starke Abfall der Rechteckgeometrie in der Umgebung von A = 0 deutet darauf hin, dass die Seitenwande den Druckverlust stark beeinflussen. Fiir A = 1 Hegen die Grenzfalle Kreis- bzw. quadratischer Rohrquerschnitt vor. Jetzt zeigt der Kreisringquerschnitt in der Umgebung von A = 1 einen star ken Abfall des Druckverlustes. Dies bedeutet, dass auch ein kleines Innenrohr aufgrund der Haftbedingung einen starken Einfluss auf das Geschwindigkeitsprofil im Rohrquerschnitt hat.
Fiir die Berechnung des zeitlich gemittelten turbulenten Geschwindigkeitsproflls u{r) ist
glatt
rauh
Glas, Kupfer, Messing ^ H Faserzement Holz Slahl Gusseisen Bclon Mauerwerk Erdmaterial
10"'
10""
10"'
1
10 K^ \&
Abb. 2.94: Rauigkeiten unterschiedlicher Materialien
\&
160
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
der Ausgangspunkt der Ansatz fiir die Wandschubspannung r^ At 1 2-P-^m-^
Mit Hilfe der Blasius-Gleichung (2.133) 0.3164
At
0.3164
{Reoy folgt unter Beachtung der beiden Proportionalitaten R r^ D und u^ ^ ^^max der Zusammenhang P • ^max • (^max)
P- (^^max)^ - i ?
^ ' R~
4 .i/4
.
Beschrankt man sich bei der Bestimmung von u{r) zunachst auf die Wandnahe fiir r ^ i? und fiihrt die Substitution z = R — r ein, so lasst sich fiir das Geschwindigkeitsprofil u{r) in Wandnahe ein Potenzsatz mit einem noch unbekannten Exponent en m in folgender Weise aufstellen U(r) = IXmax • ( - ^ ) ^max =
R^
U{r)
7-m
(^max)^ =U^{z)
'R ^
_
7-m
'Z
Fiir die Wandschubspannung folgt damit
I fw 1^ p • u^{z)
7-m
1
' R^^~^ ' z
7-m 1 4 . 1/4
Prandtl und von Karman haben die Hypothese aufgestellt, dass | f^ | bei einer turbulenten Rohrstromung unabhangig vom Rohrradius R sein sollte, d.h. der Exponent von R soil verschwinden 7-m
1
4
4
0
1 m
X{Re
0
0.2
0.6 A=H/B,
1.0 A=(D-d)/D
Abb. 2.95: Druckverlust At bei unterschiedlichen Rohrquerschnitten
161
2.4 Technische Stromungen
Nach der Riicksubstitution auf r erhalt man das (l/7)-Potenzgesetz der turbulenten Rohrstromung (2.136)
U{r) = IXmax • (^ ~ ; D ) '
Fiir m = (1/7) gilt fiir die mittlere Geschwindigkeit Um die Beziehung: Um = 0.816 • iXmax
•
Der Giiltigkeitsbereich des Gesetzes ist der Gleiche wie bei der Blasius-Gleichung (2.133), Ren < 10^ Zwei unphysikalische Nachteile dieses Profils seien erwahnt. An der Rohrwand ergibt sich ein unendlich steiler Geschwindigkeitsanstieg du\ Dies ist jedoch unbedeutend, da das Gesetz in der viskosen Unterschicht keine Giiltigkeit hat. In der Rohrmitte tritt ein Knick auf, {du/dr){r = 0) ist nicht definiert. Das parabolische Geschwindigkeitsprofil der laminaren Rohrstromung (2.129) sowie das zeitUch gemittelte Geschwindigkeitsprofil der turbulenten Rohrstromung (2.136) sind in Abbildung 2.96 bei gleichem Volumenstrom V gegeniibergestellt. Verbleibt zum Abschluss dieses Kapitels noch die Aufgabe, die Dicke der viskosen Unterschicht A zu bestimmen. Mit dem Ansatz 1
_2
At
fdu
erhalt man innerhalb der viskosen Unterschicht A den linearen Anstieg der Geschwindigkeit vom Wert Null an der Wand auf den Wert 0.5 • ix^ bei z = A, also gilt
m.
2
"TQ
du
o * ^m
1
-2
At
A
Abb. 2.96: Geschwindigkeitsprofile der laminaren und turbulenten Rohrstromung
162
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Fiir die Dicke A der viskosen Unterschicht folgt somit A
4-z/ u^' Xt
A D
4 Xt
z/ u^' D
RCD
' At
Unter Beachtung des Blasius-Gesetzes (2.133) 0.3164
At
{ReoY folgt A ^
2.4.5
12.64 "
(2.137)
{RCD)'
Stromungen Nicht-Newtonscher Medien
Die Fliefieigenschaften Nicht-Newtonscher Medien haben wir in Kapitel 2.1.1 eingefiihrt. Der Potenzansatz (2.2) K
du d^
mit den stoffspezifischen Konstanten K und n beschreibt fiir n < 1 pseudoplastische und fiir n > 1 dilatante Fluide. Fiir n = 1 erhalt man mit K = /i den Grenzfah Newtonscher Medien. Die treibende Kraft der ausgebildeten Rohrstromung ist die konstante Druckdifferenz Ap. Wie bei der Stromung einer Newtonschen Fliissigkeit ist der Druckgradient langs des Rohres konstant dp/dx = —Ap/L Zur Bestimmung der Losung kommt die Kontinuitatsgleichung fiir inkompressible Medien V • t; = 0
(2.138)
und die Navier-Stokes-Gleichung fiir stationare Stromungen ohne Schwerefeld (2.58) P'{v'
\/)v = -Vp + V • T
(2.139)
zur Anwendung. Mit dem Losungsansatz in ZyUnderkoordinaten r, Lp und x Vr = ^ ,
'u^ = 0
,
'u^ = u{r)
,
p = p{x)
(2.140)
ist die Kontinuitatsgleichung erfiillt und die Hnke Seite von (2.139) ist gleich Null, r hat nur zwei nicht verschwindende Komponenten. Fiir r^x = Txr folgt mit (2.2): K
du dr
du dr
(2.141)
Damit liefert allein die x-Komponente der Gleichung (2.139) einen Beitrag: dp dx
1 d , r dr
,
(2.142)
163
2.4 Technische Stromungen
Die r- und die (/?-Komponente der Gleichung (2.139) sind identisch erfiillt. Aus Gleichung (2.142) erhalt man durch Integration: dp dx
^^
r 2
Ci r
'
Die Schubspannung Trx hat fiir r = 0 einen endlichen Wert. Daraus folgt, dass die Integrationskonstante Ci gleich Null sein muss. Mit dem Ansatz (2.141) ergibt sich: K-
du dr
n-l
du dr
dp dx
r 2
Da der Druck in Richtung der x-Achse abnimmt, ist dp/dx = —Ap/l negativ. Damit muss auch du/dr negativ sein: du dr
Ap 2'K 'I
Durch Integration folgt: u{r)
n+1
Ap V2-K-/
n+ l
• r " ^ +C2
C2 bestimmt sich aus der Haftbedingung an der Wand u{R) = 0, mit dem Rohrradius R. Es ergibt sich: u{r)
n+ l
R n+l 2-K
Ap /
©^
(2.143)
Fiir n = 1 stimmt (2.143) mit dem Geschwindigkeitsprofil einer Newtonschen Fliissigkeit iiberein. Fiir n < 1 ergibt sich an der Wand ein steilerer Geschwindigkeitsgradient, der in
Abb. 2.97: Geschwindigkeitsverteilung einer Nicht-Newtonschen Fliissigkeit im Kreisrohr
164
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Abbildung 2.97 dargestellt ist. Der Volumenstrom V berechnet sich mit (2.143) zu: 2-7T R
y = / / u{r) ' r ' dr ' dip 0
0
" '"'(Af
3-n + l
(2.144)
Daraus erhalt man fiir die mittlere Geschwindigkeit u V TT'R^
n 3-n + l
f R V2-K
Ap /
Fiir n = 1 und K = /i ergibt sich das Hagen-Poiseuillesche Gesetz fiir die Rohrstromung einer Newtonschen Fliissigkeit.
Weissenberg-EfFekt Bei Scherstromungen hoch-molekularer Fliissigkeiten treten Nicht-Newtonsche Effekte auf, die den Normalspannungen zugeordnet werden konnen. Als Beispiel soil der WeissenbergEffekt betrachtet werden. Ein Nicht-Newtonsches Fluid bewegt sich zwischen zwei konzentrischen Zylindern mit den Radien Ri und R2 (Abbildung 2.98), von denen der Innere mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit uu rotiert. Die Fliissigkeit hat eine freie Oberflache, auf die der Umgebungsdruck wirkt. Die Hohe der Fliissigkeitssaule ist so grofi, dass die Stromung am Boden des Zylinders keine Auswirkung auf die Form der freien Oberflache hat. Fiir Zylinder-Koordinaten ist allein die (/?-Komponente der Geschwindigkeit v<_p{r) von Null verschieden. Zwischen den beiden Zylindern hegt also eine Scherstromung vor. Der Druck ist nur von r abhangig. Der Spannungstensor des Nicht-Newtonschen Fluids soil
Abb. 2.98: Stromung zwischen zwei konzentrischen Zylindern, der innere Zylinder rotiert
2.4 Technische Stromungen
165
die folgende Form haben: / 0 Tr^ 0 \
(2.145) a^^ und Trip sind nur von r abhangig. Aus der Navier-Stokes-Gleichung fiir stationare Stromungen (2.139) folgt fiir die r- und (/?-Komponente: _ ^ . i = _ ^ _ ^ r dr r
,
(2.146)
Die z-Komponente der Gleichung (2.139) ist identisch erfiillt. Unter Verwendung des Newtonschen Ansatzes in Zylinder-Koordinaten fiir die Schubspannung r^^ = /i • {dv^/dr — v^/r) ergibt sich aus Gleichung (2.147):
Hieraus kann durch Integration die Geschwindigkeitsverteilung bestimmt werden. Diese ist identisch mit der entsprechenden Geschwindigkeitsverteilung einer Newtonschen Fliissigkeit: v^(r) = A - r + B - -
.
(2.149)
Mit den Randbedingungen v^{r = Ri) = ou - Ri und v^{r = R2) =^ 0 erhalt man fiir die Konstanten: A = - ^2
02
und
B=
^ ^ /
.
Aus Gleichung (2.146) folgt die Gleichung fiir den Druck: dp dr
d{ln{r)) dr
dp d{ln{r))
a^^ r
v^ r
Oder dp
2
(2.150)
Formal kann a^p^p durch die Normalspannungsdifferenz a^p^p — arr ersetzt werden. Voraussetzungsgemafi wirkt auf die freie Oberflache der konstante Aufiendruck. Damit ist die Anderung der Fliissigkeitshohe h proportional zum Druckgradienten: dr
p'g
dr
Bei hoch-molekularen Fliissigkeiten ist a^^ — arr > 0- Aus den Gleichungen (2.150) und (2.151) folgt fiir entsprechend grofie Werte der Differenz der Normalspannungen, dass der Fliissigkeitsspiegel h am drehenden inneren Zylinder hoher ist als am ruhenden aufieren Zylinder. Dieses Hochsteigen der Fliissigkeiten am rotierenden Innenzylinder wurde von Weissenherg 1947 als Normalspannungseffekt beschrieben und kann bei vielen viskoelastischen Fliissigkeiten beobachtet werden.
166
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Abb. 2.99: Strahlaufweitung eines Fliissigkeitsstrahls Strahlaufweitung Ein anderer Normalspannungseffekt tritt auf, wenn eine viskoelastische Fliissigkeit als Freistrahl aus einer Diise oder der Miindung eines zylindrischen Rohres austritt. Der aus einem vertikalen Rohr (Abbildung 2.99) nach unten austretende Strahl verbreitert sich im Fall einer Nicht-Newtonschen Fliissigkeit, bevor er sich aufgrund der Schwerkraft wieder zusammenschniirt. Geht man davon aus, dass am Miindungsquerschnitt eine ausgebildete Hagen-Poiseuille-Stromung vorliegt, reduziert sich die Navier-Stokes-Gleichung in radialer Richtung auf :
=
• [O^cficfi — CTrr)
•
(2.152)
dr r Mit (2.152) in Verbindung mit einer Impulsbilanz im Miindungsbereich und den Normalspannungsfunktionen kann wie beim Weissenberg-Effekt die Strahlaufweitung mit den Normalspannungen des Nicht-Newtonschen Fluids in Zusammenhang gebracht werden. Die Strahlaufweitung ist dabei umso grower je kleiner der Rohrradius ist. Dies entspricht beim Weissenberg-Effekt dem Tatbestand, dass das Aufsteigen der Fliissigkeit am rotierenden Stab umso grofier ist, je kleiner der Durchmesser des inneren Zylinders gewahlt wird. 2.4.6
Stromungsablosung
Bei Umstromungsproblemen, in Rohrkriimmern und Rohrverzweigungen kommt es zur Stromungsablosung, die uns in den vorangegangenen Kapiteln bereits mehrfach begegnet ist. Je nach Grofie der Reynolds-Zahl kann die Stromungsablosung stationar oder instationar erfolgen. Betrachten wir zunachst die Umstromung einer Kugel. In Abbildung 2.100 ist im linken Bild zunachst die laminare, stationare Stromungsablosung bei geringen Reynolds-Zahlen skizziert. Die Ablosung der Grenzschicht auf der Kugel fiihrt zu einem Riickstromgebiet. Der Druck p auf der Kugeloberflache nimmt aufgrund der Beschleunigung stromab des Staupunktes stark ab und geht im Riickstromgebiet in einen konstanten Wert iiber. Die Stromungsablosung der turbulenten Grenzschicht erfolgt bei entsprechend grofieren Reynolds-Zahlen weiter stromab auf der Kugeloberflache. Aufgrund der Verzogerung der Stromung steigt der Druck p jenseits des Scheitelpunktes auf der Kugeloberflache zunachst wieder an, um dann in den konstanten Wert des turbulenten Riickstromgebietes iiberzugehen.
167
2.4 Technische Stromungen
Die Stromungsablosung auf der Kugel kann man sich mit der folgenden Betrachtung plausibel machen. Die Ablosung einer Stromung von der Wand tritt dann ein, wenn das aufgrund der Haftbedingung in Wandnahe verzogerte Grenzschichtfluid ins Innere der Stromung transportiert wird. Bei einem Druckanstieg der Aufienstromung stromab ist das innerhalb der Grenzschicht abgebremste Fluid wegen seiner geringen kinetischen Energie nicht mehr in der Lage, stromab in das Gebiet hoheren Druckes zu stromen. Die Grenzschicht lost sich vom Korper ab und bildet ein Riickstromgebiet. Da die turbulente Grenzschichtstromung durch einen zusatzlichen Langs- und Querimpulsaustausch gekennzeichnet ist und eine hohere kinetische Energie besitzt, kann die turbulente Grenzschicht weiter stromab an der Kugeloberflache haften. Dabei verjiingt sich das Riickstromgebiet und damit die Nachlaufstromung, so dass der Gesamtwiderstand c^ sich deutlich verringert. Fiir die mathematische Beschreibung des Ablosekriteriuras gehen wir von einer zweidimensionalen laminaren oder turbulenten Grenzschicht z.B. auf einem Zylinder aus. Aufgrund der Haftbedingung an der Wand u = 0 und w = 0 fiir r = R mit dem Zylinderradius R bzw. z = 0 folgt aus der Navier-Stokes-Gleichung in kartesischen Koordinaten (2.65) dp dx
(2.153) z=0
laminar
0°
X 90°
turbulent
cp
_L 180°
0°
-L 90°
cp
_L 180°
Abb. 2.100: Stromungsablosung und Druckverteilung der Kugelumstromung
168
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Anhand von Gleichung (2.153) und Abbildung 2.101 konnen wir die Entwicklung der Grenzschichtstromung in Abhangigkeit des Druckgradienten diskutieren. Nimmt der Druck in x-Richtung ab, d.h. ist dp/dx negativ, so wird die Stromung aufierhalb der Grenzschicht stromab beschleunigt. Damit ist auch {d^u/dz^) < 0, folglich ist die Kriimmung des Geschwindigkeitsprofils u{z) an der Wand negativ. Wegen der Beschleunigung der Stromung wachst die Geschwindigkeit am Grenzschichtrand, was dazu fiihrt, dass du/dz mit zunehmender Stromabkoordinate x anwachst. Wegen r^ = ji- {du/dz)z = 0 steigt damit auch die Wandschubspannung r^ mit zunehmendem x an, folglich gilt (dr^/dx) > 0. Im Falle (dp/dx) = 0 wird mit Gleichung (2.153) auch d'^u/dz'^ an der Wand Null. Das Geschwindigkeitsprofil u{z) hat dann an der Wand einen Wendepunkt. Die Geschwindigkeit am Grenzschichtrand bleibt wegen des nicht vorhandenen Druckgradienten konstant. Innerhalb der Grenzschicht wird die Stromung jedoch durch die vorhandenen Reibungskrafte verzogert. In Wandnahe nimmt dadurch der Geschwindigkeitsgradient du/dz mit zunehmender Stromabkoordinate x ab. Dies fiihrt zu einer Verringerung der Wandschubspannung Tw in x-Richtung mit (dr^/dx) < 0. Die Stromungsablosung von der Korperkontur beginnt an dem Ort, an dem die stromauf positive Wandschubspannung r^ soweit abgesunken ist, dass sie erstmals den Wert Null annimmt. Dies ergibt das Kriterium fiir den Beginn der Stromungsablosung (2.154)
0
Ablosekriterium :
Fiir die turbulente Grenzschichtstromung ist der zeitlich gemittelte Wert der Wandschubspannung fw = 0 anzunehmen. In Abbildung 2.101 ist die Prinzipskizze der Grenzschichtablosung fiir den Fall eines positiven Druckgradienten (dp/dx) > 0 gezeigt. Ein positiver Druckgradient fiihrt zunachst dazu, dass die Stromung auf^erhalb der Grenzschicht in x-Richtung verzogert wird. In der Abbildung ist dies dadurch verdeutlicht, dass die Geschwindigkeitspfeile am Grenzschichtrand mit zunehmender x-Koordinate kiirzer werden. Wegen (dp/dx) > 0 gilt nach Gleichung (2.153) fiir die Kriimmung des Geschwindigkeitsprofils an der Wand {d'^u/dz'^) > 0. In grofierem Wandabstand ist die Kriimmung des
du >0 dz
du >0 dz
dz
:0
Abb. 2.101: Prinzipskizze der Grenzschichtablosung
du
<0
169
2.4 Technische Stromungen
Geschwindigkeitsprofils u{z) grundsatzlich negativ. Daher muss bei positiver Kriimmung an der Wand mit {d'^u/dz^) > 0 an mindestens einer Stelle innerhalb der Grenzschicht gelten, {d'^u/dz^) = 0. Diese Stelle ist ein Wendepunkt des Geschwindigkeitsprofils u{z). Im Vergleich zum Beginn der Ablosung, bei der sich der Wendepunkt an der Wand befindet, wandert der Wendepunkt stromab des Ablosebeginns ins Grenzschichtinnere. In Abbildung 2.100 lassen sich die Konsequenzen eines positiven Druckgradienten (dp/dx) > 0 verfolgen. In diesem Fall wird die Grenzschichtstromung nicht nur durch Reibungs- sondern auch durch die Druckkrafte verzogert und die Kriimmung an der Wand ist stets positiv. Die Wandschubspannung r^ nimmt in x-Richtung ab und bei TW = 0 beginnt die Ablosung. Im zweidimensionalen Fall ist dies gleichbedeutend mit (du/dz) = 0. Im weiteren Verlauf stromab wird die Wandschubspannung negativ. Dies bedeutet eine Umkehr der Stromungsrichtung in Wandnahe mit (du/dz) < 0 und somit Riickstromung. Die Riickstromung fiihrt stromab des Ablosepunktes zu einem Rezirkulationsgebiet. Auf einer gekriimmten Oberflache unendlicher Ausdehnung fiihrt die Stromungsablosung zu einer zweidimensionalen Abloseblase (siehe Abbildung 2.102). Die Staustromlinien verzweigen an der Abloselinie und treffen an der Wiederanlegelinie erneut auf die Wand. Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei einer dreidimensionalen Stromungsablosung. In Abbildung 2.102 ist das Stromungsbild eines Hufeisenwirbels dargestellt, wie er bei der Umstromung eines Zylinders in Bodennahe entsteht (siehe auch Abbildung 4.23). Das Ablosegebiet ist stromab nicht begrenzt. Auch die Trennstromflache ist stromab nicht geschlossen und deshalb auch stromauf offen. Die Abloselinie bildet nicht mehr wie im zweidimensionalen Fall stromauf die Begrenzung des Ablosegebietes. Deshalb gilt auch nicht mehr das zweidimensionale Ablosekriterium r^ = 0. Die Abloselinie der dreidimensionalen Stromungsablosung lasst sich mathematisch als Konvergenzlinie der Wandstromlinien beschreiben. In Kapitel 4.1.4 wird gezeigt, dass die Bedingung TW = 0 lediglich
Wirbelkem
;elinie Abloselinie Abb. 2.102: Formen der Ablosung bei ebenen und raumlichen Stromungen
170
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
in SO genannten singularen Punkten gilt. Diese sind in Abbildung 2.102 mit Si und S2 bezeichnet. Nachdem das Ablosekriterium fiir die Grenzschichtstromung bekannt ist, kehren wir zur Kugelumstromung zuriick und diskutieren die Reynolds-Zahl-Abhangigkeit des Widerstandsbeiwertes c^ = c^{ReD) mit dem Kugeldurchmesser D. Wir beginnen die Diskussion der Reynolds-Zahl-Abhangigkeit von c^ zunachst fiir Reynolds-Zahlen RCD < 1- Bei solchen Reynolds-Zahlen iiberwiegen die Reibungskrafte die Tragheitskrafte bei weitem. Es handelt sich um die schleichende Stromung, die analytisch beschrieben werden kann. Fiir die Widerstandskraft W einer bei Reo < 1 stationar umstromten Kugel lautet die analytische Losung der Navier-Stokes-Gleichung W = 6.^./i.-.|Xoo
.
(2.155)
Ein Drittel dieser Widerstandskraft W hat seinen Ursprung im Druckgradienten und zwei Drittel in den Reibungskraften. Bemerkenswert ist ferner, dass die Widerstandskraft W im Bereich schleichender Stromungen proportional der ersten Potenz der Anstromgeschwindigkeit Uoo ist. Unter Beriicksichtigung der Definition des Cw-Wertes erhalten wir aus Gleichung (1.3) eine Beziehung fiir c^ = c^{ReD)' Es gilt
i'P'ulo'j'D^
''•^ P'^oc'D
'' RcD
(2.156)
Die Beziehung c^ = (2A/ReD) wird auch als Stokessches W i d e r s t a n d s g e s e t z bezeichnet und ist giiltig im Reynolds-Zahl-Bereich Reo < 20. Bei einer Erhohung der Reynolds-Zahl bis zu einem Wert von Reo = 280 stellt sich stromab der angestromten Kugel der Zustand stationarer Stromungsablosung ein. Die Fluidteilchen in unmittelbarer Wandnahe verlieren durch die starken Reibungskrafte derart an kinetischer Energie, dass sie nicht in der Lage sind, den Druckanstieg in der hinteren Halfte der Kugel zu kompensieren. Die Folge ist eine Stromungsablosung in der Umgebung des Kugelaquators. Man erhalt ein stationares Riickstromgebiet im Nachlaufbereich unmittelbar hinter der Kugel. Bei der Berechnung der stationaren Nachlaufstromungen konnen die Tragheitsterme nicht mehr vernachlassigt werden und es sind die vollstandigen Navier-Stokes-Gleichungen des Kapitels 3 zu losen. Eine weitere Steigerung der Reynolds-Zahl bis zu einem Wert von Reo = 3000 fiihrt erstmals zur Bildung einer instationaren periodischen Wirbelablosung der laminaren Grenzschicht auf der Kugeloberflache mit einer laminaren Nachlaufwirbelstral^e. Es bilden sich zwei schraubenformige Ringwirbel, die sich periodisch im Nachlauf fortsetzen. Die dimensionslose Ablosefrequenz betragt Str = 0.185 — 0.220. Fiir Reynolds-Zahlen grol^er als Reo = 3000 bis etwa Reo = 3-10^ erfolgt der Ubergang zu einer turbulenten Nachlaufstromung. Zunachst bilden sich diskrete turbulente Ringwirbel, die eine Wirbelstrafie formen. Im Reynolds-Zahlbereich 10^ < RCD < 4 • 10^ werden die diskreten Ringwirbel durch die periodische Ablosung rotierender Ringwirbel abgelost, die einen helixartigen wellenformigen Nachlauf bilden.
171
2.4 Technische Stromungen
Rej^ < 20
keine Ablosung
20 ^ Rej^ ^ 280 stationare Ablosung
280 < Rej^ < 3 -lO' periodische Ablosung zweier schraubenformiger Ringwirbel
3 -10' ^ Rej^ ^ 10"
^
turbulente Ringwirbel
CD
10"
Rej^ < 4-10-^ rotierende Ablosung helixartige wellenformige WirbelstraBe
w ^
10 2
10'
10" 10^
10^
10^
Widerstandsbeiwert
10^
Rer A. Naumann 1953
A b b . 2 . 1 0 3 : Stromungsformen und Widerstandsbeiwert c^ der Kugelumstromung in Abhangigkeit der Reynolds-Zahl Reo = (^^oo • D)/u
172
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Im Reynolds-Zahl-Bereich 3 • 10^ < RCD < 4 • 10^ wird die Grenzschichtstromung auf der Kugel turbulent. Der Ablosebereich verlagert sich auf der Kugeloberflache stromab und hat eine Verjiingung der Nachlaufstromung zur Folge. Damit verbunden ist ein drastisches Absinken des c^-Wertes von 0.48 auf 0.12, wie in Abbildung 2.103 gezeigt. Bei einer turbulenten Grenzschicht ist der Reibungswiderstand grofier, also erfolgt der Abfall des Cw-Wertes durch die Verringerung des Druckwiderstandes. Das Stromungsbild zeigt im zeitlichen Mittel eine hufeisenformige Ablosung einer Wirbelflache. Im Bereich 4 • 10^ < Reo < 10^ wandert der laminar-turbulente Ubergangsbereich auf der Kugeloberflache nach vorne, wodurch der Reibungswiderstand ansteigt, wahrend der Druckwiderstand weitgehend konstant bleibt. Dadurch steigt der Cw-Wert wieder an. Im Reynolds-Zahl-Bereich RCD > 10^ ist die Grenzschicht auf der Kugeloberflache stromab des vorderen Staupunktes turbulent, wodurch die AblosesteUe festliegt und sich bei einer weiteren Steigerung von RCD nicht mehr andert. Daher wird auch der Cw-Wert der Kugel unabhangig von RCDDie Abhangigkeit des Widerstandsbeiwertes von der Reynolds-Zahl nutzt man beim Golfball aus. Es ist das Bestreben des Golfspielers, beim Abschlag dem Golfball eine moglichst hohe Anfangsgeschwindigkeit und damit hohe Reynolds-Zahl zu verleihen um moglichst weit zu schlagen. Je geringer der Widerstand des Golfballes ist umso weiter geUngt der Abschlag. Die Diskussion des Cw-Wertes zeigt uns, dass dies besonders erfolgreich gelingt, wenn dabei eine Reynolds-Zahl grofier als 4-10^ erreicht werden. Dem entspricht eine Abschlagsgeschwindigkeit von mehr als 100 m/s. Da diese auch vom besten Golfspieler nicht erreicht werden, ist man bestrebt, durch geeignete Beeinflussung des laminar-turbulenten Uberganges der Kugelgrenzschicht die Verjiingung der turbulenten Kugelnachlaufstromung bei kleineren Reynolds-Zahlen zu erzielen. Dies gelingt mit einer
Abb. 2.104: Beeinflussung der Ubergangs-Reynolds-Zahl des Golfballs
2.4 Technische Stromungen
173
Lochverteilung (Dimple) auf der Oberflache des Golfballes. Diese verursacht den laminarturbulenten Ubergang in der Kugelgrenzschicht bei geringeren Reynolds-Zahlen und reduziert den Stromungswiderstand. Im Windkanalexperiment (Abbildung 2.104) wird der Wert RCD = 10^ gemessen. Dem entspricht eine Abschlaggeschwindigkeit von 35 m/s, die von Spitzenspielern erreicht wird. Den gleichen Effekt der Nachlaufverjiingung und Widerstandsreduzierung erzielt man mit einem Stordraht in der laminaren Kugelgrenzschicht. Dieser verursacht den laminarturbulenten Ubergang in der Grenzschicht bei kleineren kritischen Reynolds-Zahlen als diese von der Theorie vorhergesagt werden. Die Wirkung des Storeffektes in der Grenzschicht entspricht damit den Dimples beim Golfball. Ein ganz entsprechendes Verhalten zeigt der Widerstandsbeiwert c^ in Abhangigkeit der Reynolds-Zahl RCD fiir die Zylinderurastromung. In Abbildung 2.105 sind alle bekannten experimentellen Werte c^ mit den gemessenen reziproken Werten der dimensionslosen Ablosefrequenz 1/Str dargestellt. Dieses sind die Werte fiir die bereits in Kapitel 1.1 beschriebene Karmansche Wirbelstrafie. Die Abbildung 2.106 erganzt die Stromungsbilder der Zylinderumstromung fiir den Bereich der stationaren Stromungsablosung im Reynolds-
Abb. 2.105: Widerstandsbeiwert c^ und reziproke Werte der dimensionslosen Ablosefrequenz 1/Str fiir die Zylinderumstromung
174
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Zahl-Bereich 3 < RCD < 40 und den Bereich der laminaren Karmanschen Wirbelstrafie fiir 40 < Reo < 200. Bei der Reynolds-Zahl RCD = 73 ist zusatzlich die Struktur der Karmanschen Wirbelstrafie gezeichnet, sowie sie in Kapitel 4.1.4 eingefiihrt wird. Die periodische Wirbelablosung der Karmanschen Wirbelstrafie setzt bei der Reynolds-
Prandtl 1927 .SE-"":
Anfahren des ZyUnders aus der Ruhe, Ausbilden der Karmanschen Wirbelstrafie iiber Zwischenzustande
Ren
Homann 1936 Konstante Anstromung des Zyhnders
Wirbelstruktur
Abb. 2.106: Stationare Zyhnderumstromung und laminare Karmansche Wirbelstrafie
175
2.4 Technische Stromungen
Zahl RCD = 40 ein. Mit steigender Reynolds-Zahl fallt 1/Str stark ab, die Ablosefrequenz nimmt entsprechend zu, um bei Reynolds-Zahlen zwischen 10^ und 10^ nahezu konstante Werte von Str = 0.21 anzunehmen. Mit dem Ubergang zu turbulenten Grenzschichtstromungen auf den Zylinder fallt 1/Str entsprechend dem Abfall des Widerstandsbeiwertes Cw stark ab. Fiir Reynolds-Zahlen grofier 10^ stellt sich in der turbulenten Nachlaufstro-
c
O QQ-
Q-
o
0.47
0.39
0.42
0.59
0.81
h \y ^
h
u
o c 0 0
O
0.50
<
c
c
1.17
==^^^^^^^^^
*^^^^^^^"
0.26 . ^ ^
1.20
1.16 ••"
1.50 :
1
1.17
1.40
....::•
•
~
^
^
1.20
1.55 < \
1.17
0.012
g||^^^^
1.60
>
3
w
1.98
2.00
10^ c 2.30
10 1.38
1.10
dreidimensionale Korper
>
n
2.20
1 2.00
zweidimensionale Korper
Ellipsoid Stromlinienkorper
10-'
Kugel
10-^ 10"^
10^<7?^^<10' Abb. 2.107: Widerstandsbeiwert c^ stumpfer Korper
10
10^
10^ Re 10^
176
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
mung bei konstantem c^-Wert auch eine konstante Ablosefrequenz ein, da der laminarturbulente Ubergang in der Zylindergrenzschicht bis in den Staupunkt gewandert ist und sich bei weiter wachsender Reynolds-Zahl keine Veranderung der turbulenten Stromung ergibt. Die Widerstandsbeiwerte c^ im Reynolds-Zahl-Bereich von 10^ bis 10^ sind in Abbildung 2.107 fiir unterschiedliche dreidimensionale und zweidimensionale Korperformen zusammengestellt und die Reynolds-Zahl Abhangigkeit erganzend fiir unterschiedliche Rotationskorper dargestellt. Stromungsablosung tritt auch bei der Tragfliigelurastromung stromauf der Hinterkante des Fliigels und im Bereich des Verdichtungsstofies auf. Kniipfen wir an Abbildung 1.38 des einfiihrenden Kapitels 1.2 an und diskutieren in Abbildung 2.108 den Einfluss des Anstellwinkels a des Fliigels auf den Auftriebsbeiwert Ca zunachst fiir ein vorgegebenes Unterschall-Profil. Der Auftrieb wachst mit steigendem Anstellwinkel linear an, solange die Stromung anliegt. Auch fiir den Anstellwinkel ce = 0° erhalt man aufgrund der Unsymmetrie des Profils einen positiven Auftriebsbeiwert. Der Auftriebsbeiwert durchlauft bei einem kritischen Anstellwinkel c^krit ^in Maximum und fallt fiir grofiere Anstellwinkel stark ab. Die Momentaufnahme der Stromung zeigt in Abbildung 2.108, dass dann die Stromung auf der gesamten Oberseite des Profils instationar ablost. Mit dem Zusammenbruch des Auftriebsbeiwertes geht ein Anwachsen des Profilwiderstandes einher. Beim transsonischen Tragfliigel wird das Uberschallgebiet auf dem Fliigel, wie wir bereits aus Abbildung 1.38 wissen, durch einen Verdichtungsstofi abgeschlossen. Dieser Verdichtungsstofi verursacht in der Tragfliigelgrenzschicht einen Drucksprung, der wiederum zur Stromungsablosung fiihren kann, sofern das Grenzschichtfluid den Druckanstieg des Ver-
Stromungsablosung
«krit
20°
anliegende Stromung Abb. 2.108: Stromungsablosung am Tragfliigelprofil
177
2.4 Technische Stromungen
dichtungsstofies nicht iiberwindet. Die Verhaltnisse, die aufgrund der Stofi-Grenzschicht-Wechselwirkung zur Stromungsablosung fiihren, sind in Abbildung 2.109 dargestellt. Es sind die Geschwindigkeitsprofile in der Grenzschicht u{x,z), die Schalllinie M = 1, die Druckverteilung p an der Wand und die Wandschubspannung f^ sowie die Mach-Zahlverteilung auf dem Profil dargestellt. Im Uberschallbereich vor dem Stofi stellt sich bereits innerhalb der turbulenten Grenzschicht eine Uberschallstromung ein. Unterhalb der gestrichelt gezeichneten Schalllinie befindet sich der Bereich, in dem Storungsausbreitungen stromauf moglich sind. Weiterhin ist gezeigt, wie der Verdichtungsstofi im Fufipunkt durch den Grenzschichteinfluss in einzelne schwachere Kompressionsbereiche aufgefachert wird. Hinter dem Stofi wird der Druck in der turbulenten Grenzschicht so grofi, dass die Wandschubspannung f^ zu Null wird. Damit beginnt die Ablosung auf dem Tragfliigelprofil. Weiter stromab nehmen die Wandschubspannung und die Geschwindigkeit negative Werte an. Es kommt in Wandnahe zu einer Riickstromung. Im Ablosungs- und Riickstromungsbereich ist der Druck erheblich grofier als ohne Ablosung. Dies hat Folgen fiir den Auftrieb und den Widerstand. Wahrend der Widerstand ansteigt, nimmt der Auftrieb ab. Aufgrund der weiteren Beschleunigung der Stromung auf dem Profil und dem Abklingen der durch den Verdichtungsstofi verursachten Druckerhohung in der turbulenten Grenzschicht liegt die Stromung nach einer bestimmten Lauflange wieder an. Die Wandschubspannung wird dort erneut Null und nimmt weiter stromab wieder positive Werte an. Auf dem Tragfliigel bildet sich folglich ein begrenzter Ablosebereich aus. Eine Ahnlichkeitsbetrachtung fiir die Lange / des Ablosebereiches in Stromungsrichtung fiihrt zu dem Ergebnis, dass grofiere
M>1
Mach-Zahlverteilung auf dem Profil
Ablosung
Wiederanlegen
Abb. 2.109: Stofiinduzierte Stromungsablosung auf einem transsonischen Fliigelprofil, Druckverteilung und Wandschubspannung
178
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Reynolds-Zahlen die Lange / verkleinern, eine ansteigende Mach-Zahl hingegen zu einer Vergrofierung von / fiihrt. Stromungsablosung tritt auch bei der inkompressiblen Kraftfahrzeugumstroraung auf. Wahrend die Stromungsablosung auf dem Tragfliigel zur Aufrechterhaltung des Auftriebs vermieden werden muss, stellt sie beim Kraftfahrzeug eine wesentliche Komponente bei der Widerstandsreduzierung der Kraftfahrzeugumstromung dar. Einen ersten Eindruck der Ablosebereiche einer Kraftfahrzeugumstromung hatten wir bereits im einfiihrenden Kapitel 1.2 in Abbildung 1.41 gewonnen. Beim Kraftfahrzeug mit Stufenheck rechnen wir mit Stromungsablosung auf der Heckscheibe und an der Abreifikante des Kofferraumdeckels. Mit unserem jetzigen Kenntnisstand konnen wir dieses Stromungsverhalten der Abbildung 2.110 sofort verstehen. Positive Druckgradienten dp/dx fiihren zur Stromungsablosung und Riickstromung. Die auf dem Fahrzeugheck ablosende Grenzschicht erzeugt nach dem Passieren der Abreifikante des Kofferraumdeckels als freie Scherschicht einen Teil der Nachlaufstromung des Kraftfahrzeuges. Es bildet sich ein Hufeisenwirbel, in dem die Randwirbel und die Riickstromung am Kofferraumdeckel ineinander iibergehen. Dem wird ein zweites Riickstromgebiet iiberlagert, das von der Diffusorstromung zwischen Strafie und Kraftfahrzeug gespeist wird. Diese Struktur der Nachlaufstromung haben wir bereits in Kapitel 1.2 diskutiert. Die mathematische Beschreibung der Struktur dieser dreidimensional abgelosten Stromung wird uns in Kapitel 4.1.4 weiter beschaftigen. Da die Reynolds-Zahl die Grofienordnung 10^ hat, wissen wir inzwischen, dass die Nachlaufstromung des Kraftfahrzeuges instationar und turbulent ist und Abbildung 2.110 ein zeitlich gemitteltes Bild der Stromungsstruktur dar stellt. Auch in Rohrleitungen oder Diffusorstromungen kann Stromungsablosung auftreten. Wir kniipfen an das vorangegangene Kapitel 2.4.4 an und betrachten die Stromungsablo-
Abb. 2.110: Stromungsablosung am Kraftfahrzeugheck
179
2.4 Technische Stromungen
sung in gekriimmten Rohrleitungen. Die Stromungsablosung verursacht auch hier zusatzliche Verluste und aufgrund der Zentrifugalkraft eine Sekundarstromung. Wir betrachten den Kriiranier in Abbildung 2.111, der eine vertikale Stromung in eine horizontale Stromung umlenkt. Wir setzen im geraden vertikalen Rohrstiick eine stationare ausgebildete Rohrstromung voraus, in der ein treibender Druckgradient in Stromungsrichtung vorherrscht. In radialer Richtung quer zur Stromung wird konstanter Druck vorausgesetzt. Die Bernoulli-Gleichung fiir gekriimmte Stromfaden liefert die Aussage, dass der Druck in radialer Richtung ansteigt, um der Fliehkraft das Gleichgewicht zu halten. Es baut sich ein Druckgradient quer zur Stromungsrichtung auf, der zu einem Druckanstieg an der Aufienwand und zu einem Druckabfall an der Innenwand des Kriimmers fiihrt. Dies wirkt dem Druckabfall langs der Stromlinienkoordinate s an der Aufienwand entgegen und verstarkt ihn an der Innenwand. Die Stromlinienkoordinate s bezeichnet die Bogenlange eines betrachteten Stromfadens und wird stromab positiv gezahlt. Bei den letzten Beispielen hatten wir bereits mehrfach festgestellt, dass ein Druckanstieg in Stromungsrichtung zur Stromungsablosung fiihrt. Daher setzt die Ablosung zuerst an der Aufienwand im Punkt A ein. Beim Austritt aus dem Kriimmer gleicht sich der Druck quer zur Stromungsrichtung wieder aus. Dadurch steigt der Druck an der Innenwand und fallt an der Aufienwand wieder ab. Dies fiihrt zu einem Wiederanlegen der Stromung A^ an der Aufienwand und zum Beginn der Stromungsablosung im Punkt B an der Innenwand. Auch an der Innenwand legt sich die Stromung mit zunehmender Bogenlange s in einiger Entfernung nach Passieren des Kriimmers im geraden horizontalen Rohrstiick B^ wieder an. Dort herrscht wieder ein negativer Druckgradient dp/ds, der den Reibungskraften das Gleichgewicht halt. Der Druck quer zur Stromungsrichtung ist in diesem nicht gekriimmten Teilabschnitt wieder konstant. Wir erkennen in Abbildung 2.111, dass sich stromab der Ablosepunkte A und B sowohl an der Aufien- als auch an der Innenwand Rezirkulationsbereiche ausgebildet haben, die einen zusatzlichen Energieverlust der Stromung bewirken. Im unteren Bild der Abbildung 2.111 ist der Druckverlauf im Rohr fiir zwei Stromlinien im Aufien- und Innenwandbereich iiber
auBen
ohne Ablosung Abb. 2.111: Prinzipskizze der Stromungsablosung im Kanalkriimmer
mit Ablosung
180
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
der Stromlinienkoordinate s aufgetragen. Die fallende Gerade zeigt den linearen Druckabfall in einem geraden Rohrstiick an. Die durch Reibung hervorgerufenen Energieverluste der Stromung aufiern sich auch ohne Ablosung durch einen Druckverlust in Stromungsrichtung. Oberhalb der Geraden gibt die durchgezogene Kurve den Druckverlauf einer Stromlinie im Aufienwandbereich an, wie er sich ohne Ablosung einstellen wiirde. Unterhalb der Geraden findet sich die entsprechende Kurve fiir eine StromUnie im Innenwandbereich. Die Ablosung in den Punkten A und B tritt jeweils im Bereich ansteigender Driicke auf. Der zusatzliche Stromungsverlust durch Ablosung zeigt sich im Diagramm dadurch, dass die gestrichelten Druckverlaufe an der Aufien- und Innenwand des Kriimmers unterhalb derjenigen ohne Ablosung verlaufen. Neben der Stromungsablosung tritt im Kriimmer eine Sekundarstromung auf. Diese wird entsprechend der Abbildung 2.112 der Hauptstromung in Richtung der Stromlinienkoordinate s iiberlagert und verursacht Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zur Hauptstromung. Ursache dieser Sekundarstromung ist die Kriimmung des Rohres, sowie die Verzogerung der Stromung durch Reibungskrafte an der Wand. Die Geschwindigkeit ist an der Innenseite des Kriimmers grower als an der Aufienseite. Das in Wandnahe stromende Fluid hat aufgrund der Reibung eine geringere Geschwindigkeit als das Fluid in der Mitte des Kriimmers. Die Zentrifugalkrafte, die in der Mitte des Kriimmers grower sind als an den Seitenwanden, verursachen die Bewegung nach aufien. Dies ist aber aus Griinden der Kontinuitat nur moglich, wenn an den Wanden des Kriimmers eine Bewegung in umgekehrter Richtung einsetzt. Es bildet sich folglich ein Doppelwirbel aus, der der Hauptstromung iiberlagert ist. Auch die Sekundarwirbel fiihren zu Stromungsverlusten. Ein eindrucksvolles Beispiel einer Sekundarstromung im Kriimmer mit Verzweigungen ist die pulsierende Blutstromung in der menschlichen Aorta. Wir haben im einfiihrenden Kapitel die Stromung im menschlichen Herzen eingefiihrt. Die periodische Kontraktion und Relaxation des linken Ventrikels befordert das in der Lunge reoxigenierte Blut mit dem iiber einen Herzzyklus erzeugten Druckpuls in den Korperkreislauf. Der Korperkreislauf beginnt mit der Aorta, die sich in die Kopf-, Bein- und Schliisselbeinarterie aufteilt. Die Reynolds-Zahlen der Blutstromung in den Arterien liegen zwischen einhundert bis mehreren tausend. Der Stromungspuls des Herzens verursacht in den kleineren Arteri-
Abb. 2.112: Sekundarstromung im gekriimmten Rohr
2.4 Technische Stromungen
181
en eine periodische laminare Stromung und in den grofieren Arterien eine transitionelle Stromung. Der Ubergang zur turbulenten Arterienstromung wird dabei von temporaren Wendepunktprofilen eingeleitet. Deren Instabilitaten treten wahrend der instationaren Riickstromung in der Nahe der Arterienwand in der Relaxationsphase des Herzens auf. Sie konnen sich jedoch wahrend eines Herzzyklus zeitlich nicht ausbilden. In der Aorta bilden sich aufgrund der Zentrifugalkraft, wie wir inzwischen wissen, Sekundarstromungen aus. Dabei entsteht eine Geschwindigkeitskomponente senkrecht zu den Stromhnien, die eine Zirkulationsstromung in Richtung der Aufienwand verursacht. Diese wirkt ebenfalls stabihsierend auf den Transitionsprozess. Die kritische Reynolds-Zahl des zeitUch gemittelten Geschwindigkeitsprofils wachst von 2300 fiir das gerade Rohr auf bis zu 6000 des gekriimmten Rohres an. Die Peak-Reynolds-Zahlen stellen sich beim gesunden Menschen so ein, dass die Sekundarstromung in der Kriimmung des Aortenkanals unter stationaren Bedingungen das Einsetzen der Turbulenz verhindern. In Wirklichkeit erfolgt die beschriebene instationare transitionelle Stromung in der wandnahen Grenzschicht wahrend der Abbremsphase des Pumpzyklus. Die dabei auftretenden Instabilitaten werden jedoch nach kurzer Zeit durch die zeitliche Anderung des Geschwindigkeitsprofils gedampft. Der Druckpuls erzeugt in der elastischen Aorta eine Arterienerweiterung von etwa 2 %. Hinzu kommt eine Auslenkung der Aorta, die der Ausbildung der Sekundarstromung entgegen wirkt. Die Abbildung 2.113 zeigt das Momentbild der Stromung in der Aorta. Zu Beginn der Kontraktionsphase des Herzens erreicht die Stromung an der Innenseite der aufsteigenden
Abb. 2.113: Stromung in der menschlichen Aorta
182
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Aorta ein Maximum. Nach dem Durchlaufen des Kriimmungs- und Verzweigungsbereiches verlagert sich das Geschwindigkeitsmaximum an die Aufienseite des Aortenbogens. Aufgrund der Zentrifugalkraft entstehen zwei Sekundarwirbel, die bis in die Relaxationsphase des Herzens bestehen bleiben. Aufgrund des Druckpulses der Blutstromung erfolgt eine radiale Ausweichbewegung der Aorta, die die Amplitude der Sekundarstromung abschwacht und ein Drehen der Sekundarwirbel in der absteigenden Aorta bewirkt. Wahrend der Relaxationsphase des Herzens flachen die temporaren Geschwindigkeitsprofile ab und zeigen in der aufsteigenden Aorta eine erste Riickstromung bis schliefilich die Aorta in ihre Ausgangslage zuriickgekehrt ist. Mit zunehmendem Alter lasst die Elastizitat der Arterienwande nach. Dies fiihrt zu Ablagerungen an den Innenwanden der verzweigenden Arterien und des Aortenbogens, die in Abbildung 2.113 schwarz gekennzeichnet sind. Die Ablagerungen fiihren zur temporaren Stromungsablosung, die trotz ausgebildeter Sekundarstromung eine pulsierende turbulente Stromung in der Aorta zur Folge hat. 2.4.7
Stromungen mit Warmeiibertragung
Im einfiihrenden Kapitel haben wir zahlreiche Beispiele von Stromungen mit Warmeiibertragung in Natur und Technik kennengelernt. Man spricht von einer freien Konvektionsstromung, wenn die Stromung von Temperatur bzw. Konzentrationsgradienten verursacht wird. Die damit verbundenen Dichteunterschiede haben die Konvektionsstromungen zur Folge. Beispiele freier Konvektionsstromungen sind beheizte Zylinder und Flatten. Von e r z w u n g e n e n Konvektionsstromungen spricht man, wenn der Stromung zusatzhch eine aufiere Kraft, z.B. ein Druckgradient aufgepragt wird. Ein Beispiel dafiir sind beheizte oder gekiihlte Rohrleitungen wie sie z.B. in Warmetauschern benutzt werden. Warme- und StofFaustauschvorgange findet man z.B. im Ozean oder bei zahlreichen Frozessen der chemischen Verfahrenstechnik, wie Absorption, Adsorption, Extraktion und Destination. Verdunstet Wasser an der Oberflache der Ozeane, so verbleibt eine hohe Salzkonzentration und es entsteht eine instabile Dichteschichtung. Die Ausbreitung von Substanzen in Losungsmitteln oder das Trennen von Substanzen in Zentrifugen sind weitere Beispiele. Beispiele fur biologische St offaustauschvor gauge sind die Versorgung des Blutes mit Sauerstoff und die Nahrungsaufnahme im Korper. Beheizte vertikale Platte Als Beispiel einer freien Konvektionsstromung wird die vertikale beheizte Flatte der Abbildung 2.114 behandelt. Die Wandtemperatur T^ ist grower als die Umgebungstemperatur Too. Die von der Flatte auf das Fluid iibertragene Warme fiihrt zu einer Temperaturerhohung des Fluids in Wandnahe und wegen der Temperaturabhangigkeit der Dichte zu einer Veranderung der Dichte. Nimmt die Dichte mit steigender Temperatur ab, so entstehen in Wandnahe Auftriebskrafte und warmeres Fluid steigt langs der Flatte auf. Der Einfluss der Flatte bleibt auf die Wandgrenzschicht beschrankt. Das Verhaltnis der Dicke der Reibungsgrenzschicht 5 zur Dicke der Temperaturgrenzschicht 5T verhalt sich wie ^/Pr.
183
2.4 Technische Stromungen
Die Geschwindigkeits- und Temper at ur profile der laminaren Grenzschichtstromung sind in Abbildung 2.114 fiir Luft mit der Prandtl-Zahl 0.71 dargestellt. Die von der Wand pro Flacheneinheit und Zeiteinheit iibertragene Warmemenge betragt: ^w = /^-(Tw-Too)
.
(2.157)
h ist der WarmeiibergangskoefRzient, T^ die Wandtemperatur und Too die ungestorte Aufientemperatur. Die dimensionslose Kennzahl, die den Warmetransport charakterisiert, ist die Nuftelt-Zahl : NUL
h'L
Qw ' L
(2.158)
^ ' [Tw — Too)
Sie beschreibt das Verhaltnis des Warmeiiberganges der Warmeleitung und Konvektion, bezogen auf die Warmeleitung des ruhenden Fluids. Da fiir die freie Konvektionsstromung zunachst keine vorgegebene Bezugsgeschwindigkeit existiert, muss statt der Reynolds-Zahl eine fiir die Konvektionsstromung charakteristische Kennzahl gefunden werden. Man wahlt die: Grr
a- g- {T^ -Too) ' L^
(2.159)
mit dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten ce, u der kinematischen Zahigkeit und der Lauflange z = L. Die Verkniipfung mit der Prandtl-Zahl \Jvjk ergibt die Rayleigh-Zahl: Ra = Pr'Gr
.
Abb. 2.114: Laminare Konvektionsstromung an der beheizten vertikalen Platte
(2.160)
184
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Bei Vorgabe des Warmestroms von der Wand in das Fluid schreibt sich die Grashof-Zahl GTL
(2.161)
Z/2.A
Bei der beheizten vertikalen Platte verandern sich aufgrund der Aufdickung der thermischen Grenzschicht der Warmestrom q^ und der Warmeiibergangskoeffizient h proportional L-i/4. In Abbildung 2.115 sind die laminaren Geschwindigkeits- und Temperaturprofile an der vertikal beheizten Platte bei konstanter Wandtemperatur T^ iiber der dimensionslosen Koordinate X f GTL V= - ' z
gezeigt. Die charakteristische Bezugsgeschwindigkeit Wo
^/a- g- L'{T^
-T^)
(2.162)
ergibt sich aus dem Vergleich der Grashof-Zahl mit dem Quadrat der Reynolds-Zahl Rej^ = WQ ' L^/z/^. Als Parameter wurde die Prandtl-Zahl des Fluids gewahlt. Fiir Pr < 1 ist die Reibungsschicht S und die thermische Grenzschichtdicke ST etwa gleich grofi. Fiir P r > 1 beschrankt sich die thermische Grenzschicht auf eine wandnahe Schicht. Der Warmeiibergang an der Wand folgt aus:
-Hl)=-M..-...4.(f)
(2.163)
mit der Konstanten C.
_x
,Gr 1/4
ri-J-i—)
Abb. 2.115: Geschwindigkeits- und Temperaturprofile der beheizten vertikalen Platte bei konstanter Wandtemperatur T^
185
2.4 Technische Stromungen
Die lokale Nufielt-Zahl bei konstanter Wandtemperatur T^ h'L A
NUT
fGr
dT\
(2.164)
ist in Abbildung 2.116 in Abhangigkeit der Prandtl-Zahl aufgetragen. Die Losungskurve kann durch die Beziehung NuL
_
0.676 • P r 2
GTLV
~ (0.861+ P r ) i
(2.165)
approximiert werden. Neben der lokalen Nufielt-Zahl an der Stelle z = L interessiert die mittlere Nufielt-Zahl: 0.902 • Pr2
NUT
^ ^ Y
(2.166)
(0.861+ Pr)^
Gibt man den Wdrmestrom q^ statt der Wandtemperatur T^ vor, ergibt sich die veranderte Randbedingung (dT/dx) = q^{z)/X. Fiir die Grenzschichtdicke 6 ergibt sich dann S r^ z/2/5 jj^ Vergleich zu (5 ^ y^ bei vorgegebener Wandtemperatur T^. Der Giiltigkeitsbereich der bisher beschriebenen laminaren Grenzschichtstromung mit Warmetransport beschrankt sich auf 10^ < RaL = GVL • Pr < 10^. Fiir Rayleigh-Zahlen kleiner 10^ trifft die Grenzschichtapproximation nicht mehr zu und fiir Rayleigh-Zahlen grofier 10^ vollzieht sich der Ubergang zur turbulenten freien Konvektionsstromung. Berechnet man das Einsetzen des laminar-turbulenten Uberganges mit der in Kapitel 4.1.3 beschriebenen Stabilitatstheorie erhalt man die kritische Grashof-Zahl G^rkrit = 3 • 10^ fiir den Beginn der thermischen Instabilitaten in Luft bei der Prandtl-Zahl 0.71. Diese ist wesentlich kleiner als der im Experiment bestimmte Abschluss des Transitionsprozesses Grt von 10^. Dies deutet darauf hin, dass im Experiment die Storwellen kleiner Amplituden nicht erkannt werden und lediglich stromauf der Abschluss des Transitionsprozesses
10 NUr
(Gr^/4) 1/4 10" 10
-2
10
-2
10
1
10
Pr
10
Abb. 2.116: Lokale Nufielt-Zahl an der beheizten vertikalen Platte bei konstanter Wandtemperatur Tw
186
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
gemessen wird. Die Abbildung 2.117 zeigt ein Differentialinterferogramm in Luft der laminaren Konvektionsstromung der vertikalen Platte bei konstanter Wandtemperatur T^ fiir die Grashof-Zahl 8 • 10^, die im Experiment stabil ist. Die Interferenzstreifen zeigen naherungsweise Linien gleicher Temperatur gradient en. Fiir Grashof-Zahlen grofier als 10^ ist die turbulente Grenzschichtstromung der beheizten vertikalen Platte vollstandig ausgebildet. Das turbulente Grenzschichtprofil ist in Abbildung 2.118 skizziert. Es lasst sich in drei Bereiche einteilen. In ausreichender Entfernung von der Wand findet man den Bereich ausgebildeter Turbulenz. In unmittelbarer Wandnahe ist der in Kapitel 2.4.1 eingefiihrte Bereich der viskosen Unterschicht. Dazwischen befindet sich ein Ubergangsbereich, in dem sich die Geschwindigkeit nur wenig verandert. Entsprechend dem Boussinesq-Ansatz berechnet sich die turbulente Wandschubspannung mit
(M + M*)-(Sx=0
(2.167)
und der Warmestrom an der Wand: dT ^w = (A + At) . ( —
(2.168) x=0
Die auftriebsbedingte Turbulenzproduktion verursacht einen deutlich verbesserten Warmeiibergang. Dies gilt fiir Fluide grofier Prandtl-Zahlen. Fiir Medien kleiner PrandtlZahlen wie z.B. in Luft ist die auftriebsbedingte Turbulenzproduktion naherungsweise zu vernachlassigen. Die Abhangigkeit des lokalen Warmeiibergangs vom laminaren in den turbulenten Bereich fiir Luft und Wasser ist in Abbildung 2.119 gezeigt. In der Praxis haben sich zur Abschatzung des Warmeiibergangs der beheizten vertikalen Platte Interpolationsformeln eingebiirgert. Fiir den gemittelten Warmestrom ergibt sich
Abb. 2.117: Differentialinterferogramm der beheizten vertikalen Platte, GTL = 8 • 10^ Pr = 0.71
187
2.4 Technische Stromungen
w(x,z) A
Abb. 2.118: Turbulentes Geschwindigkeitsprofil an der beheizten vertikalen Platte
im Bereich 0 < P r • GVL < 10^^:
NUL = 0.825 +
10
10^^ PrGr^ Luft Pr=0.71
10^^
0.387'(Pr-GrL)-^
10
(2.169)
10^1 PrGr^ Wasser Pr=6J
Abb. 2.119: Lokaler Warmeiibergang an der beheizten vertikalen Platte
10^^
188
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Rohrstroraung Erzwungene Konvektionsstroraungen unterliegen neben den Auftriebskraften zusatzlich aufieren Kraften. Die Rohrstromung mit Warmeiibergang ist, erganzend zu Kapitel 2.4.4, ein Beispiel einer erzwungenen Konvektionsstromung mit Druckgradient. Die Abbildung 2.120 zeigt die Ausbildung des parabolischen Geschwindigkeitsprofils im Einlauf der laminaren Rohrstromung sowie die Ausbildung des Temperaturprofils bei isotherm gekiihlter Rohrwand. Im Einlaufbereich hangt die Geschwindigkeits- und Temperaturverteilung von der Radialkoordinate r und von x ab. Fiir den viskosen Einlauf kann bei gleichmafiiger Zustromung L ^ 0.05 • RCD angenommen werden. Das Verhaltnis der thermischen zur viskosen Einlauflange hangt wiederum von der Prandtl-Zahl des Fluids ab. Bei fliissigen Metallen ist wegen ST ^ S der thermische Einlauf gegeniiber dem viskosen Einlauf vernachlassigbar. Bei hochviskosen Olen ist dies wegen ST ^ S umgekehrt. Bei der erzwungenen Konvektionsstromung entspricht die Reynolds-Zahl Reo der GrashofZahl GrL, die die freie Konvektionsstromung charakterisiert. Fiir die ausgebildete Rohrstroraung stellt sich das parabolische Geschwindigkeitsprofil ein: u
1
ry
(2.170)
'RJ
mit dem Rohrradius R, der Maximalgeschwindigkeit iXmax = Ap • R^/{A: • JJL • L) = 2 • u^ und dem konstanten Druckgradienten Ap/L. Das thermisch ausgebildete Temperaturprofil berechnet sich mit der Energiegleichung in Zylinderkoordinaten, die in Kapitel 3.3.1
viskose Einlaufstrecke L
viskos ausgebildet
\T(r)
1 thermische Einlaufstrecke Lj
thermisch ausgebildet
Abb. 2.120: Entwicklung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils der gekiihlten Rohrstromung
2.4 Technische Stromungen
189
abgeleitet wird: dx
r
dr \
dr J
'
Die mittlere Geschwindigkeit Um und die mittlere Temperatur T^ ergeben sich mit: R 7ZK ' I '2 ' TT' r ' u ' dr
Um =
0 R Um-TT
• R^
J
Fiir den Fall konstanter Warmeiibertragung q^ = h- (T^ — T^) ist bei der thermisch ausgebildeten Rohrstromung der WarmeiibergangskoefRzient h konstant: A
/
d
(2.172)
(Tw — Tm) ist konstant. Daraus resultiert: dT dx
dTw dx
dT^ dx
In die Energiegleichung (2.171) eingesetzt, ergibt sich: 7--7^ = - - ^ - r.— fiir ^w = konst. . 2.173 k dx r or \ or J Den Fall konstanter Warmestromdichte findet man bei vielen technischen Anwendungen, wie z.B. bei der elektrischen Heizung, nuklearer Heizung oder bei Warmetauschern. Fiir die thermisch ausgebildete Rohrstromung gilt bei vorgegebener Wandtemperatur Tw dT dx
T^-T Tw - T^
dTn, dx
Damit ergibt sich fiir die Energiegleichung (2.171) u
fT^-T\
k\T:;-f:.)'^
dT^
I
d
[
= -r'Yr'\:'^)
dT\
_..
rj.
^"^
Tw = konst. .
,
,
,o17.^
(2.174)
Abbildung 2.121 zeigt den Verlauf der Temperatur und des Warmestroms. Im Falle q^ = konst. ist die Temperaturdifferenz (T^ —T^) = konst.. Im Fall T^ = konst. nimmt (T^ — Tni(x)) mit der Rohrlange x ab, da T^{x) aufgrund der Energiezufuhr anwachst. Fiir q^ = konst. ergibt sich die NuMt-Zahl Nu = 4.36 und bei T^ = konst. der Wert Nu = 3.66. Beriicksichtigt man die Einlaufstromung der Abbildung 2.120, so erhalt man die lokale Nufielt-Zahl entlang des Rohres mit dem Durchmesser D = 2 - R. Die Abbildung 2.122
190
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
q =konst.
r„=konst.
Abb. 2.121: Verlauf der mittleren T^ und Wandtemperatur T^ sowie des Warmestroms q^ bei beheizter Rohrwand zeigt den Verlauf der lokalen Nufielt-Zahl NUL fur q,^ = konst. und T^ = konst. mit den Grenzfallen der hydrodynamischen und thermisch ausgebildeten Rohrstromung fiir das Medium Luft mit Pr = 0.71. Man erkennt, dass die thermische Einlaufstrecke L mit ^
(2.175)
^ 0.05 • Ren • Pr
angenahert werden kann. Fiir das Verhaltnis der Einlaufstrecken gilt LT/L ^ Pr. Hochviskose Ole haben demzufolge grofie thermische Einlaufstrecken. Der WarmeiibergangskoefRzient ist im Einlaufbereich grower als im ausgebildeten Bereich. Dies ist verstandlich, da die Grenzschicht im Einlaufbereich anwachst und demzufolge der lokale Warmeiibergang abfallt. Der Vergleich mit Experimenten ergibt bei grofieren Temperaturdifferenzen Abweichungen. Diese haben ihre Ursache in den bisher als konstant vorausgesetzten Stoffwerten. Bei grofien Temperaturdifferenzen variieren die Viskositat und Warmeleitfahigkeit iiber ii 100 Nu, ^
q = konst.
10 0
0.001
^ 4.36 ' 3.66
7^ = konst.
1—^»>
0.01
0.1
_ x/D
1.0
Abb. 2.122: Lokale Nufielt-Zahl in der Einlaufstrecke einer Rohrstromung, Pr = 0.71
191
2.4 Technische Stromungen
dem Rohrradius. Die Abbildung 2.123 zeigt den Einfluss veranderlicher Viskositat auf das Geschwindigkeitsprofil. Fiir /iw > /^m wird aufgrund der Zunahme der Viskositat in Wandnahe bei Kiihlung einer Fliissigkeit bzw. Heizung eines Gases das Geschwindigkeitsprofil schlanker. Fiir /i^ < /^m ist die Reibung in Wandnahe fiir beheizte Fliissigkeiten bzw. gekiihlte Gase geringer, so dass das Geschwindigkeitsprofil volUger wird. Ein ahnliches Verhalten haben wir bereits bei der Rohrstromung Nicht-Newtonscher Fluide in Kapitel 2.4.5 kennengelernt. Die turbulente Rohrstromung ohne Warmezufuhr wurde bereits in Kapitel 2.4.4 Rohrhydraulik beschrieben. Fiir die rotationssymmetrische Rohrstromung konstanten Querschnitts gelten die folgenden Vereinfachungen fiir die turbulente Schubspannung r{r): r(r) = r^ ' ^ = -j^ ' -^ ^ P ' u' ' v' = - ( / i + p • e^) • — mit r^ q{r)
,
(2.176)
— {dp/dx) ' R/2 und fiir den Warmestrom ergibt sich: "^ • q __2^.l^.r.dr
f
~dT = X---p-c,-T'-v'
= iX +
p-c,-e^)
dT dr
(2.177)
mit den turbulenten Austauschgrofien e^- und eq. Mit der vereinfachten Annahme vorgegebenen Warmestroms q^^ = konst. an der Rohrwand und damit der Vernachlassigung der konvektiven Terme in der Energiegleichung, benotigt man keine Information iiber das zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsprofil. Es verbleibt die Losung der vereinfachten Energiegleichung, die wir in Kapitel 3.3.2 noch genauer kennenlernen werden: -(A + p - C p -eq) •
dT dr
-jl'Cp
1 Pr
+V•
Prt
dT dr
(2.178)
Mit den dimensionslosen Variablen r • Ur
T+
{T„-T)-p-
cp
(2.179)
und empirischen Ansatzen fiir Prt und e^ erhalt man die Temperaturverteilungen der ausgebildeten Rohrstromung in Abbildung 2.124 fiir vorgegebenen Warmestrom „ = konst.
Abb. 2.123:Einfluss veranderlicher Viskositat auf das parabolische Geschwindigkeitsprofil
192
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
0.5
0.1
x/D 1
1
10
100
1000
z^'Pr
Re^=lO~
Rc^=lO^
Abb. 2.124: Temper at ur profile der ausgebildeten turbulenten Rohrstromung fiir q^ konst. Im logarithmischen Bereich des zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsprofils ist der molekulare Austausch naherungsweise gegeniiber dem turbulenten Austausch vernachlassigbar. Dieser Bereich riickt mit wachsender Prandtl-Zahl immer naher an die Rohrwand. Die viskose Unterschicht wird diinner. Damit erhoht sich der Widerstand gegeniiber der Warmeleitung und die Temperaturprofile werden volliger, womit der Warmeiibergang demzufolge zunimmt. Die Abhangigkeit der gemittelten Nufielt-Zahl Nu = (l/L) • J^ Nux • dx von der Reynolds-Zahl RCD und der Prandtl-Zahl Pr ist in Abbildung 2.125 dargestellt. In der Literatur gibt es eine Reihe von empirischen Beziehungen fiir die Nufielt-Zahl, die sowohl fiir konstanten Warmestrom q^ als auch fiir konstante Wandtemperatur T^ verwendet werden. Ein Beispiel einer solchen Beziehung ist:
10^ Nu 10^
10^
10^
10^
,^6
5
10-^
10 Re D
Abb. 2.125: Nufielt-Zahl der ausgebildeten turbulenten Rohrstromung fiir q^ = konst.
193
2.4 Technische Stromungen
(Reo - 1000) • Pr • - ^ ^ Nu--
1+ 1 + 12.7- , / ^ ^ yp'^m
i:)
(2.180)
• (Pri - 1 )
mit Tw = (dp/dx) • i?/2.
2.4.8
Stromungsmaschinen
Stromungsmaschinen lassen sich in zwei Gruppen von Maschinen einteilen. Die P u m p e n und Verdichter gehoren zu der einen, die Turbinen zu der anderen Gruppe. Mit Pumpen bzw. Verdichtern wird dem Fluid Energie zugefiihrt. Turbinen entziehen dem Fluid Energie. Radialmaschine
Axialmaschine
radiales Laufrad
axiales Laufrad
t)iiE
Abb. 2.126: Pumpe mit radialem und axialem Laufrad
194
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Die Bauformen der Stromungsmaschinen sind sehr mannigfaltig und es wiirde den Rahmen dieser Einfiihrung sprengen, wenn alle Bauformen beschrieben wiirden. Dennoch gibt es sowohl fiir die Turbinen als auch fiir die Pumpen und Verdichter zwei wesentlich unterschiedliche Bauformen. Die erste Bauform entspricht der Axialmaschine, die das Gegenteil von der zweiten Bauform der Radialmaschine ist. Beide Bauformen gibt es fiir druckerzeugende Maschinen (Pumpen und Verdichter) sowie fiir Turbinen, in denen der Druck in Stromungsrichtung abgebaut wird. In der Abbildung 2.126 sind eine radiale und axiale Pumpe gezeigt. Die radiale Maschine entspricht einer Ghedergehausepumpe. Sie wird z.B. in der Kraftwerkstechnik als Kesselspeisepumpe eingesetzt. Radiale Maschinen erzeugen im Vergleich zu den axialen Maschinen einen hohen Druck und setzen vergleichsweise wenig Masse durch. Die axialen Maschinen besitzen einen grofien Massenstrom und erzeugen einen im Vergleich zu den radialen Maschinen geringen Druck. In der Abbildung 2.126 ist das axiale Laufrad einer Kiihlwasserpumpe gezeigt, die ebenfalls in der Kraftwerkstechnik eingesetzt wird.
Funktionsweise der axialen Stromungsmaschine In der Regel besteht eine Stromungsmaschinenstufe aus einem Laufrad (rotierende Komponente) und einem Leitrad (feststehende Komponente). Bei den druckerzeugenden Stromungsmaschinen folgt in Durchstromungsrichtung das Leitrad dem Laufrad (Abbildung 2.127). In Turbinen ist die Anordnung umgekehrt. Zunachst wird die Funktionsweise der Axialpumpe bzw. des Axialverdichters beschrieben. Der Einfachheit halber wird dabei eine inkompressible Stromung vorausgesetzt. In der Abbildung 2.127 sind ein Seitenschnitt durch die Maschine (Meridianschnitt) und die Abwicklung des mittleren koaxialen Schnittes gezeigt. Es wird vorausgesetzt, dass der mittlere koaxiale Schnitt ein Reprasentant der gesamten Stufe ist. Relativ zum Gehause bewegt sich die Stromung mit den Geschwindigkeiten c, die als Absolutgeschwindigkeiten im Stromungsmaschinenbau bezeichnet werden. Die Indizes 1, 2 und 3 kennzeichnen die
® Laufrad
Leitrad
^
^
u C^=Cra
n n
u
1
1
^
cT^^' 1^2 ^ ^ ^
Abwicklung des koaxialen Schnittes Abb. 2.127: Stufe einer Axialmaschine mit Abwicklung eines koaxialen Schnittes
2.4 Technische Stromungen
195
Ebenen vor dem Laufrad, zwischen Lauf- und Leitrad sowie hinter dem Leitrad. Das Laufrad bewegt sich mit der Umfangsgeschwindigkeit U. Relativ zum Laufrad stromt das Fluid mit den Geschwindigkeiten w, die als Relativgeschwindigkeiten bezeichnet werden. Das Laufrad wird also mit der Relativgeschwindigkeit wi und unter dem Winkel (3i angestromt. Im Laufrad wird die Stromungsrichtung der Relativstromung vom Winkel (3i auf den Winkel (32 umgelenkt und verzogert, da die axiale Geschwindigkeitskomponente Cm der Absolut- und Relativgeschwindigkeit in den Ebenen 1, 2 und 3 gleich ist. Die axiale Geschwindigkeitskomponente, die als Meridiangeschwindigkeit bezeichnet wird, bestimmt den Massenstrom durch die Maschine. Durch die Verzogerung der Relativgeschwindigkeit im Laufrad von wi auf W2 wird ein Druckanstieg in dem Fluid bewirkt. Hinter dem Laufrad besitzt die Absolutstromung eine Umfangskomponente (Drall). Im nachfolgenden feststehenden Leitrad wird die Absolutstromung in axiale Richtung umgelenkt und dabei verzogert. Die Verzogerung bewirkt einen weiteren Druckanstieg des Fluids. Der gesamte Druckanstieg in einer Stufe der Axialpumpe bzw. des Axialverdichters wird also durch die Verzogerung der Relativstromung im Laufrad und der Absolutgeschwindigkeit im Leitrad bewirkt. Es gibt noch eine Vielzahl von Besonderheiten der Axialmaschine, die bei der Auslegung der Maschine beriicksichtigt werden miissen. Das wesentliche Funktionsmerkmal der Axialmaschine ist jedoch das Verzogern der Relativgeschwindigkeit im Laufrad und der Absolut geschwindigkeit im Leitrad. Im Gegensatz zur Axialmaschine wird in der Radialmaschine der Druckanstieg vornehmlich durch ein anderes Funktionsprinzip bewirkt, das nachfolgend beschrieben wird. Funktionsweise der radialen Stroraungsmaschine In der Radialmaschine stromt das Fluid vornehmlich in radialer Richtung. Infolge des Radienwechsels nimmt die Umfangsgeschwindigkeit vom Eintritt zum Austritt zu. Um die Funktionsweise der Radialmaschine zu verstehen, werden die Krafte betrachtet, die auf ein Fluidelement in Stromungsrichtung wirken. In Abbildung 2.128 sind diese Krafte an einem Fluidelement dargestellt. Fiir die Diskussion dieser Stromung ist nicht die Geschwindigkeit c der Absolutstromung (Stromung relativ zum Gehause), sondern die Relativgeschwindigkeit w in Bezug auf das Laufrad von Interesse. Wir wollen zunachst nur das Wesentliche der Laufradstromung verstehen und betrachten dazu ein Fluidelement auf einer Stromlinie der Relativstromung vom Eintritt bis zum Austritt eines Schaufelkanals. Auf das Fluidelement wirken die folgenden Krafte: • Tragheitskraft dm • w • dw/ds infolge der Beschleunigung in Richtung des Stromfadens (nicht eingezeichnet). • Druckkrafte infolge des Druckgradienten entlang bzw. senkrecht zum Stromfaden. Es sind nur die Druckkrafte eingezeichnet, die in Stromungsrichtung wirken. • Zentrifugalkraft dFz = dm • r • cj^ infolge der Rotation der gesamten Stromung um die Drehachse des Laufrades.
196
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
• Zentrifugalkraft dFz/ infolge der Kriimmung der Stromlinie. • Corioliskraft dFc infolge der Relativgeschwindigkeit des Teilchens und der Rotation der gesamten Stromung um die Drehachse des Laufrades. • Reibungskrafte, die wegen der Ubersichtlichkeit nicht eingezeichnet sind. Aufgrund der Rotation des Kanals wirken auf das Fluidelement die Zentrifugalkraft dFz und die Corioliskraft dFc. Wenn wir uns zunachst auf eine reibungslose Stromung beschranken, dann konnen wir gemafi der eingezeichneten Krafte die BernouUigleichung im rotierenden System herleiten. Gemafi eines Kraftegleichgewichtes in Stromungsrichtung erhalten wir die folgende Euler- Gleichung: -dm • w ' — \- p ' A— (p-\- dp) ' A -\- dm - uj'^ - r - cos((/?) = 0 (2.181) ds Mit dm = p • A- ds und cos((/?) = dr/ds sowie der Integration der Gleichung (2.181) vom Eintritt bis zum Austritt, erhalten wir die BernouUigleichung fiir die Relativstromung. dm steht fiir die Masse des Teilchens, A steht fiir die Querschnittsflache des Fluidelements. Sie lautet: ^P• ( ^ 2 ^ - ^ f ) - ( P 2 - p i ) + ^P- c . ^ - ( r 2 ^ - r f ) = 0
(2.182)
Wenn wir Gleichung (2.182) umformen und dabei beriicksichtigen, dass U2 = oj • r2 und Ui= uj 'Ti gilt, erhalten wir die endgiiltige Gleichung P2-pi = 2 - ( C ^ 2 - t / i ^ ) - § - K - < )
Fluidelement
(p + dp)-A
Stromfaden
Abb. 2.128: Krafte auf Fluidteilchen ini Radiallaufrad
•
(2.183)
197
2.4 Technische Stromungen
Die Stromung erfahrt im Pumpenrad einen Druckanstieg, da U2 grower als Ui ist. Die Relativstromung wird in dem Schaufelkanal vom Eintrittswinkel f3i auf den Austrittswinkel (32 umgelenkt, wobei sich die Stromungsgeschwindigkeit w kaum andert. Der Druckanstieg wird also vornehmlich durch den Unterschied der Umfangsgeschwindigkeiten Ui und U2 bewirkt und weniger durch die Verzogerung der Relativgeschwindigkeit, wie es bei der Axialmaschine der Fall ist.
Eulersche Turbinengleichung Die Eulersche Turbinengleichung ist die fundamentale Gleichung des Stromungsmaschinenbaus, die wir nachfolgend herleiten. Sie basiert auf dem Drehimpulssatz, der in Kapitel 2.4.3 dieses Buches eingefiihrt wurde. Wir wenden den Drehimpulssatz Mi + ^ M a = 0 , Ml = — / p • {r X v) • {v • fi) • dA A
auf das in Abbildung 2.129 gezeigte radiale Laufrad an, so dass gilt: 0 = | M i | + ^ | M a | = M i , i + M i , 2 + Ms
(2.184)
.
Die am Eintritt und Austritt auf die Kontrollflache wirkenden Druckkrafte sind radial gerichtet und verursachen kein Moment. Ms entspricht deshalb dem Antriebsmoment mit entgegengesetztem Vorzeichen, also M s = — MAntrieb
•
Geschwindigkeitsdreiecke an den Stellen
®
Kontrollflache
Abb. 2.129: Grofien am Radiallaufrad
®
198
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Fiir die Impulsmonente Mj i und Mj 2 am Eintritt bzw. Austritt gilt: Mi^i
= -p
• Cm,i ' Ai-ri'
Cu,i
,
Mi^2 = P ' Cm,2 • ^ 2 • r2 • Cu,2
•
Ms, Mi^i und Mi^2 eingesetzt in Gleichung (2.184) ergibt: - M A n t r i e b - P ' Cm,l ' Ai - Vi - Cu,l + p ' 0^,2 ' A2 ' r2 ' Cu,2 = 0
.
Beriicksichtigen wir weiterhin die Kontinuitatsgleichung rh = P' Cm,l ' Ai=
P' Cm,2 ' ^ 2
,
mit dem Massenstrom m durch das Laufrad, erhalten wir die Eulersche Turbinengleichung: MAntrieb = TH - {r2 ' 0^,2 - Ti ' Cu,l)
.
(2.185)
Fiir die Antriebsleistung L des Laufrades gilt: L = MAntrieb ' CJ = CJ • m • (r2 ' Cu,2 - Ti • Cu,l)
bzw. 1 = 771' {U2 •Cu,2 -
f^l - C u , ! )
.
Die pro Masseneinheit abgegebene Arbeit, die im Stromungsmaschinenbau auch als spezifische Arbeit Aa = Al/p bezeichnet wird, berechnet sich mit Aa=
— = U2' Cn,2 - Ui ' Cn,l
.
(2.186)
771
Anhand der Gleichung (2.186) wird wieder der Unterschied zwischen der Axial- und Radialmaschine deutlich. Fiir die Axialmaschine gilt Ui = U2 = U, so dass die spezifische Arbeit auf einem koaxialen Schnitt einer Axialmaschinenbeschaufelung nur durch den Unterschied der Umfangskomponenten Cu,2 und Cu,i bewirkt wird. In der Radialmaschine wird der Unterschied der Umfangsgeschwindigkeiten zwischen U2 und Ui ausgenutzt. Auswahl der Bauforra rait der spezifischen Drehzahl ng Neben dem Radial- und Axiallaufrad gibt es noch zusatzlich das halbaxiale Laufrad. Diese Laufradform entspricht einer Kombination aus der radialen und axialen Bauform. Es ist in Abbildung 2.130 zusammen mit dem radialen und axialen Laufrad dargestellt. Die spezifische Drehzahl, die nachfolgend hergeleitet wird, bestimmt die Form des Laufrades. Zur Herleitung der spezifischen Drehzahl wird ein spezielles Laufrad betrachtet, das fiir den Volumenstrom V und fiir die Forderhohe H ausgelegt ist und das mit der Drehzahl n arbeitet. Nachfolgend wird davon ausgegangen, dass das Laufrad drallfrei angestromt wird (also Cu,i = 0), dass die Stromungsverluste im Laufrad unabhangig von V, Aa = g • H und n sind und, dass der Abstromungswinkel (32 hinter dem Laufrad konstant ist. V^ H und n stehen fiir den Volumenstrom, die Forderhohe bzw. die Drehzahl des Laufrades.
199
2.4 Technische Stromungen
Gemafi der Gleichung (2.186) ist die spezifische Arbeit Aa und damit auch H proportional dem Quadrat der Umfangsgeschwindigkeit U2. Mit der Vergrofierung von U2 vergrofiert sich gemafi ahnlicher Geschwindigkeitsdreiecke auch Cu,2- Es gilt: Aa = g'Hr^Ui
r^{n' ^2)^ H n
Do
(2.187)
Wird nun die Drehzahl des Laufrades von der Auslegungsdrehzahl n auf die Drehzahl rii geandert, so gilt gemafi der Beziehung (2.187): H n
^
^
711=71'
(2.188)
Hi steht fiir die Forderhohe, die sich bei der Drehzahl ni einstellt. Fiir die Herleitung der Gleichung zur Berechnung der spezifischen Drehzahl wird neben der Gleichung (2.188) eine weitere Gleichung fiir den Volumenstrom benotigt. Dazu gilt: V r^
DI
• Cm,l r^
DQ
• Do • 71 r^
DI
• 71 .
Unter Ausnutzung der Gleichung (2.187) folgt weiter: V r^ D^
H D^
Dl
V
bzw. V
Vi
s/Th
Vi=V
fHl
(2.189)
H
Vi und Hi stehen fiir den Volumenstrom bzw. die Forderhohe, die sich beim Drehzahlwechsel von n auf ni einstellen.
D^ ^ D^ \ radiales Laufrad
r halbaxiales Laufrad
zunehmende spezifische Drehzahl n ^ Abb. 2.130: Radiales, halbaxiales und axiales Laufrad
axiales Laufrad
200
2 Grundlagen der Stromungsmechanik
Unter der spezifischen Drehzahl n^ versteht man die Drehzahl, bei der eine Laufradform (radiale, halbaxiale bzw. axiale Form) einen Volumenstrom von 1 m^/s fordert und eine Forderhohe von 1 m erzeugt. Die absolute Grofie des Laufrades ist fiir diese Definition nicht entscheidend. Dabei interessiert nicht, ob das Laufrad einen Durchmesser von 10 cm Oder 1 m besitzt sondern die Laufradform. Es werden also geometrisch ahnliche Laufrader vorausgesetzt. Zur Berechnung der spezifischen Drehzahl ng • wird zuerst die Drehzahl von n geandert, so dass das Laufrad eine Forderhohe von Hi = 1 m erzeugt (s. Gleichung (2.188)). • Danach wird das Laufrad unter Beibehaltung der geometrischen Ahnlichkeit und der Forderhohe Hi = 1 m verkleinert bzw. vergrofiert, so dass es einen Volumenstrom von 1 m^/s fordert. Der erste Schritt ist mit Gleichung (2.188) und (2.189) beschrieben. Wenn wir die Einheiten fiir die Forderhohen und Volumenstrome vernachlassigen gilt:
Beim Durchfiihren des zweiten Schrittes muss beriicksichtigt werden, dass sich die Abmafie (z. B. die Durchmesser) quadratisch mit dem Volumenstrom andern. Zusatzlich miissen die Geschwindigkeitsdreiecke erhalten bleiben, d.h. bei der Verkleinerung bzw. Vergrofierung muss die Drehzahl entsprechend vergrofiert bzw. verkleinert werden, damit sich die Umfangsgeschwindigkeiten nicht andern. Es gilt deshalb:
1
(2.191)
D?
bzw. mit den Gleichungen (2.190) ni'^Vi
= ^ ' \ l ^
=^
ns = n . ^
.
(2.192)
In die Gleichung (2.192) werden der Volumenstrom, die Forderhohe und die Drehzahl mit den Einheiten m^/s, m bzw. 1/min eingesetzt. Zusatzliche Informationen beziiglich der Verwendung von unterschiedlichen Einheiten sowie anders formulierter Radformkennzahlen findet man bei C. Pfleiderer, H. Petermann 2005. In Abbildung 2.131 ist der zu erwartende Wirkungsgrad r] einer Laufradform in Abhangigkeit von der spezifischen Drehzahl ng und dem Volumenstrom V dargestellt. Zusatzlich sind die Bereiche fiir radiales, halbaxiales und axiales Laufrad gekennzeichnet. Die Ubergange sind fliefiend. Bei der Auslegung eines Laufrades sind in der Kegel die Grofien Volumenstrom V, Forderhohe H und die Drehzahl n vorgegeben. Der Ingenieur berechnet mit den zuletzt genannten Grofien die spezifische Drehzahl und erhalt damit bereits einen Eindruck von der Laufradform. Zusatzlich kann er mit der Abbildung 2.131 den Wirkungsgrad der Maschine abschatzen.
201
2.4 Technische Stromungen
r]IVo I 100
80
2200 mVh 13 m^/h
60
40
25 Radiales Laufrad
50 100 Halbaxiales Laufrad
Abb. 2.131: Wirkungsgrad r] in Abhangigkeit der spezifischen Drehzahl n^ und des Volumenstroms V Um die Kennlinie einer Stromungsmaschine zu erhalten wird die Forderhohe H in Abhangigkeit des Volumenstromes V fiir eine konstante Drehzahl n aufgetragen. Durch die Variation der Drehzahl erhalt man das Kennfeld der Maschine. In Abbildung 2.132 ist ein solches Kennfeld schematisch dargestellt. Zusatzlich sind dort die Linien konstanten Wirkungsgrades r] eingetragen. Zur Auslegung einer kompletten Anlage, tragt man in dieses Kennfeld die sogenannte Anlagenkennlinie ein. Die Schnittpunkte zwischen der Anlagenkennlinie und den Kennlinien der Stromungsmaschine ergeben die moglichen Betriebspunkte der Anlage.
' ri = konst,
Abb. 2.132: Kennfeld einer Stromungsmaschine
202
3
Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Nachdem die eindimensionale Theorie der reibungsfreien inkompressiblen und kompressiblen Stromung sowie die zweidimensionale Theorie der reibungsbehafteten Stromung und deren technische Anwendungen im vorangegangenen Kapitel behandelt warden, gilt es in diesem Kapitel die allgemeinen Grundgleichungen der dreidimensionalen Stromung bereitzustellen. Diese bilden die Grundlage fiir die numerischen Losungsmethoden im folgenden Kapitel 4, die heute in kommerzieller Stromungsmechanik Software genutzt werden. Sowohl der Naturwissenschaftler als auch der Ingenieur nutzen diese Software in der Praxis z.B. fiir die Wettervorhersage, die Berechnung des Erdmagnetfeldes, die Vorhersage von Erdbeben oder die Auslegung von Flugzeugen, Kraftfahrzeugen und Stromungsmaschinen. Wir betrachten zur Ableitung der stromungsmechanischen Grundgleichungen die im vorigen Kapitel beschriebene Tragfliigelstromung bzw. die Kraftfahrzeugumstromung und stellen uns erganzend zur eindimensionalen Stromfadentheorie die Aufgabe, die Grundgleichungen aufzustellen, mit denen diese Stromungen berechnet werden konnen. Mit der Berechnung der Stromung sollen die drei Geschwindigkeitskomponenten u, v, w des Geschwindigkeitsvektors tJ, die Dichte p, der Druck p und die Temperatur T der Stromung in Abhangigkeit von den drei kartesischen Koordinaten x, y und z ermittelt werden. Es gelten die Erhaltungssatze fiir Masse, Impuls und Energie. Wir betrachten ein infinitesimal kleines Volumenelement, dessen linke vordere untere Ecke sich an einer beliebigen Stelle im Stromungsfeld mit den Koordinaten (x, y^ z) befindet und dessen Kanten jeweils parallel zu den entsprechenden Koordinatenachsen sind (Abbildung 3.1). Das betrach-
Kontrollvolumen Grenzschicht
kompressible Stromung
Kontrollvolumen Grenzschicht
Nachlauf
M.
inkompressible Stromung A b b . 3.1: Volumenelement in einer Tragfliigel- und Kraftfahrzeugumstromung
203
3.1 Kontinuitatsgleichung (Erhaltung der Masse)
tete Volumenelement ist raumfest, d.h. seine Begrenzungen bewegen sich nicht mit der Stromung mit. Wir setzen voraus, dass das Fluid homogen ist, so dass es als Kontinuum behandelt werden kann. Nacheinander werden nun die zeitlichen Anderungen von Masse, Impuls und Energie innerhalb des Volumenelements betrachtet. Wir beginnen mit der Betrachtung der zeitlichen Anderung der Masse und stellen als erste Gleichung die Kontinuitatsgleichung auf.
3.1
Kontinuitatsgleichung (Erhaltung der Masse) Die zeitliche Anderung der Masse im Volumenelement = Y^ der einstromenden Massenstrome in das Volumenelement — Y^ der ausstromenden Massenstrome aus dem Volumenelement
In der Abbildung 3.2 ist das Volumenelement grofi dargestellt. Seine Kanten besitzen die Langen dx, dy und dz. Durch die linke Oberflache des Volumenelements mit der Flache dy-dz tritt der Massenstrom p-u-dy-dz ein. Die Grofie p-u andert ihren Wert von der Stelle X zur Stelle x + dx in x-Richtung um {d{p • u)/dx) • dx, so dass sich der durch die rechte Oberflache dy • dz des Volumenelements austretende Massenstrom mit dem Ausdruck ip-u^
^^'^^ ox
. dx)
-dy-dz
angeben lasst. Fiir die y- und z-Richtung gelten die analogen Grofien auf den entsprechenden Oberflachen dx - dz und dx - dy. d(p-w)
{^p 'w-\
dz A
p • u 'dydz
,
X .
,
• dz) • ax • ay . i^p-v-^
5(p•v)
(p- u -\-
Abb. 3.2: Ein- und ausstromende Massenstrome
. -dyj-dx-dz
-dx) - d y d z dx
204
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Die zeitliche Anderung der Masse innerhalb des betrachteten Volumenelements entspricht nach der Erhaltung der Masse der Differenz aus eintretenden und austretenden Massenstromen. Der Term dip • dx • dy • dz)
dp
^
^
^
entspricht dem mathematischen Ausdruck fiir die zeitliche Anderung der Masse im Volumenelement. Gemafi der vorigen Uberlegungen gilt
dp
'di
dx • dy • dz
. d(p'u) p ' u — [p ' u -\
, A , • dx) j ' dy ' dz-\-
p ' V — {p ' V -\
• dy) ] ' dx ' dz-\-
dy
. dip- w) ^ ^ , ^ p ' w — [p ' w -\ • dz) ) ' dx ' dy Damit erhalt man die Kontinuitatsgleichung dp dt
d{p • u) d{p ' v) + dy dx
d{p ' w) dz
(3.1)
Fiir ein inkompressibles Fluid vereinfacht sie sich zu du dx
dv dy
dw dz
(3.2)
In koordinatenfreier Vektorschreibweise lauten die hergeleiteten Gleichungen dp
'di
+ V • (p • tJ) = 0
bzw.
V • t; = 0
(3.3)
Mit dem Operator V- ist die Divergenz des jeweiligen Vektors bezeichnet, auf den der Operator angewendet wird. Der Nabla-Operator V enthalt die folgenden Komponenten d d d ^dx^ dy^ dz
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
3.2 3.2.1
205
Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses) Laminare Stromungen
Die zeitliche Anderung des Impulses im Voluraenelement = Y^ der eintretenden Impulsstrome in das Volumenelement — Y^ der ausstromenden Impulsstrome aus dem Volumenelement + Y der auf das Volumenelement wirkenden Scherkrafte, Normalspannungen+ Y der auf die Masse des Volumenelements wirkenden Krafte.
Wir kommen wieder auf das in Abbildung 3.2 gezeigte Volumenelement im Stromungsfeld zuriick und betrachten nun in analoger Weise zur Herleitung der Kontinuitatsgleichung die zeitliche Anderung des Impulses innerhalb des Volumenelements. Der Impuls entspricht dem Produkt aus Masse und Geschwindigkeit. Das Fluid innerhalb des Volumens besitzt also den Impuls p - dx - dy - dz - v, dessen zeitliche Anderung sich mit dem Ausdruck
beschreiben lasst. Wir wollen zunachst nur eine Komponente des Impulsvektors p- dx - dy - dz -v betrachten und zwar die Komponente, die in x-Richtung zeigt. Ihre zeitliche Anderung lasst sich wie folgt ausdriicken d{p-dx-dy-dz-u)^d{^^^^^^^^^^
^3_^^
Es stellt sich nun die Frage, wodurch sich der Impuls bzw. die Impulskomponente innerhalb des betrachteten Volumenelementes zeithch andert. Ahnlich wie bei der Betrachtung der Massenstrome tritt pro Zeiteinheit durch die Oberflachen des Volumenelements ein Impuls in das Volumen ein bzw. aus. Bei der Herleitung der Kontinuitatsgleichung verwendeten wir die Grofie p (Masse pro Volumen). Nun benutzen wir die Grofie {p • u) (Impuls pro Volumen) und konnen mit dieser Grofie, analog zur Herleitung der Kontinuitatsgleichung, die ein- und ausstromenden Impulsstrome angeben. Wir betrachten dazu wieder das Volumenelement, das zusammen mit den Impulsstromen in der Abbildung 3.3 dargestellt ist. Weiterhin beschranken wir uns zunachst, wie bereits gesagt, auf die x-Richtung der zeitlichen Anderung des Impulses p - dx - dy - dz - v. Durch die linke Oberflache dy • dz des Volumenelements tritt der Impulsstrom {p ' u) ' u ' dy ' dz = p ' u ' u ' dy ' dz
(3.6)
ein. Die Grofie p • u • u andert ihren Wert in x-Richtung um
2 £ ^ . d .
,
(3.7)
206
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
SO dass sich der auf der rechten Oberflache dy • dz des Volumenelements austretende Impulsstrom mit dem Ausdruck , ip'U'U-\
dip' U' u) ^ , ^ • dx) ' dy ' dz ox
(3.8)
bezeichnen lasst. Weiterhin tritt der in x-Richtung wirkende Impuls p • u auch iiber die verbleibenden Oberflachen dx • dz und dx • dy ein bzw. aus, allerdings stromt er jeweils mit der Geschwindigkeitskomponente v bzw. w durch die Oberflachen.
p-wu-^
d(p-wu) — dx p-vu ^
p-w
, dx d(p-vu) + -^ dx
dx
d(p-u-u) p- u- u-\dx
p- wv-\
d(p-wv)
, dy
dy P'v-v-\-^-^ p-u-v+
p-WW-\
d(p-ww) :
dy
d{p-u-v)
dy dy
,
dz
p-vw+-^
dz d(p-u-w)
p- u • w +
A b b . 3.3: Ein- und ausstromende Impulsstrome
dx
Jz
dz dz
207
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
Fiir die y- und z-Richtungen gelten die analogen tJberlegungen, so dass sich insgesamt auf jeder Oberflache drei Impulsstrome angeben lassen (Abbildung 3.3). Nun sind die ein- und ausstromenden Impulsstrome nicht die alleinige Ursache fiir die zeitliche Anderung des Impulses innerhalb des Volumenelements. Der Impuls innerhalb des Volumens wird zusatzlich durch die am Volumen angreifenden Krafte geandert. Zu diesen Kraften gehoren
I'yy
tyz
^zy + •
dT zy
dz 4x + -
A b b . 3.4: Normal- und Schubspannungen
dz
dz dz
208
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
• Normal- und Schubspannungen: Sie sind in Abbildung 3.4 dargestellt. Ihre Grofien andern sich in x-, y- und z-Richtung, so dass an den Stellen x + dx, y ^ dy und z -\- dz jeweils ihre Grofien plus der entsprechenden Anderungen eingezeichnet sind. Beziiglich der Bezeichnung und des Vorzeichens der Normal- und Schubspannungen treffen wir die folgenden Vereinbarungen: Der erste Index gibt an, auf welcher Oberflache die Spannung wirkt. Zeigt die Normale der Oberflache, auf der die betrachtete Spannung wirkt, z.B. in x-Richtung, so wird dies mit einem x als erst em Index gekennzeichnet. Der zweite Index gibt dann an, in welche Koordinatenrichtung die aus der Spannung resultierende Kraft wirkt (Abbildung 3.4). Eine Kraft zeigt zur Herleitung der Gleichungen in positive Koordinatenrichtung, wenn die Normale der Oberflache in positive Koordinatenrichtung zeigt, sie zeigt in negative Richtung, wenn die Normale in negative Koordinatenrichtung weist. • Volumenkrafte: Volumenkrafte sind die Krafte, die auf die im Volumen befindliche Masse wir ken. Zu ihnen gehort die Schwerkraft. Es konnen auch andere Volumenkrafte, wie z.B. elektrische und magnetische Krafte, auf eine Stromung wirken. Wir bezeichnen sie mit k = (kx.ky.kz). Die Einheit der Volumenkraft ist {N/m^}. Entsprechend unseres Leitsatzes gilt
Die zeitliche Anderung des Impulses im Volumenelement = Y^ der eintretenden Impulsstrome in das Volumenelement — Y^ der ausstromenden Impulsstrome aus dem Volumenelement + Y der auf das Volumenelement wirkenden Scherkrafte, Normalspannungen+ Y der auf die Masse des Volumenelements wirkenden Krafte.
Daraus resultiert die Gleichung fiir die zeitliche Anderung des i^-Impulses auf. Gemafi des angegebenen Satzes und den in Abbildung 3.3 dargestellten Impulsstromen, sowie den in Abbildung 3.4 dargestellten Normal- und Schubspannungen, ergibt sich fiir die zeitliche Anderung des Impulses p - dx - dy - dz - u die folgende Gleichung: dip -u) dt
^ ^ ^ ( dx ' dy ' dz = [p-u-u V
, — [p-u-u-l
. P'U'V — [P'U'V-\
dip -u-u) dx dip- U'v)
. .\ , • dx) \ - dy - dz-\^, . ^ • dy) ) • dx • dz-\-
. dip ' u ' w) ^ , . ^ P'U'W — [P'U'W-\ • dz) ) • dx • dy-\kx ' dx ' dy ' dz-\+ {jxx + - ^ dTy_
'dx)\
-Tyx + {jyx + ^^^^ 'dy)] dy
'dy- dz+ 'dx'
dz+
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
209
-r,, + (r,, + ^
. dzU 'dx'dy
.
(3.9)
Mit Vereinfachung der Gleichung (3.9) erhalten wir die erste vorlaufige ix-Impulsgleichung fiir die x-Richtung. Sie lautet d{p ' ^) ^ d{p'U' u) ^ d{p'U'v) dt dx dy
^ d{p'U' w) ^ ^ ^ ^Zxx_ ^ dTy^ ^ dr^ dz ^ dx dy dz '
'
Fiir die y- und z-Richtung erhalten wir mit einer analogen Rechnung die entsprechenden Gleichungen. Sie lauten wiederum djp'v) dt
d{p-v • u) dx
d{p'V'v) dy
d{p'V'w) dz
d{p'w) dt
d{p'W ' u) dx
d{p'W ' v) dy
d{p'W -w) _ ^ ^ dr^^ ^ dry^ ^ dr^z dz dx dy dz
_ . ^
^^xy dx
^Tyy dy
dr^y dz
Diese Gleichungen beinhalten bereits die gesamte Physik beziiglich der Anderung des Impulses im Volumenelement. Jedoch stellen sich nun noch die folgenden Fragen: • In welchem Term finden wir die Grofie des Fliissigkeitsdruckes bzw., wenn wir ein Gas betrachten, den thermodynamischen Druck wieder? • Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Spannungen r und den Geschwindigkeitskomponenten u, v und w? Ein ahnlicher Zusammenhang, allerdings nicht so umfangreich, ist uns bereits mit dem Newtonschen Reibungsgesetz r = fi • (du/dz) bekannt. Wir diskutieren zunachst die erste Frage. In einer reibungfreien Aufienstromung verschwinden alle Schubspannungen und es wirken nur noch die Normalspannungen, die wiederum alle gleich sind und dem Fliissigkeitsdruck bzw. im Falle eines Gases, dem thermodynamischen Druck entsprechen. Deshalb ist es zweckmafiig, den Druck wie folgt zu definieren
p = _T^^±Jyy±I^
.
(3.11)
o
Das Minuszeichen beriicksichtigt, dass der Druck als negative Normalspannung wirkt. Die drei Normalspannungen TXX, ^yy und TZZ werden jeweils in zwei Anteile aufgespalten und zwar in einen Anteil p, der als Druck bezeichnet wird und in einen weiteren Anteil, der mit den Reibungseffekten des Fluids zusammenhangt und den wir nachfolgend, entsprechend der jeweiligen Richtung, mit a^x, (^yy bzw. CFZZ bezeichnen werden. Driicken wir dies formelmafiig aus, erhalten wir ^xx
^
^xx
~ P
1
^yy
^ ^yy
~ P
i
^zz
^
^zz
~ P
•
(o.lzj
Setzen wir TXX^ ^yy und TZZ gemafi der Gleichungen (3.12) in die entsprechenden Gleichungen ein, ergibt sich d{p • u) dt
d{p ' V?) dx
d{p • u • v) dy
d{p • u • w) dz
210
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
dp , da:,:, , dry:, . dr^x
^
i_ _^
dx d{p ' v) dt
d{p • w) dt
d{p • V • u) dx
d{p • w • u) dx
d{p ' v'^) dy
^^ ^
y± ^
t±
(3.13)
dy
dz
^
d{p • v • w) dz ^ _dp^dr^^day^^dr^ ^ dy dx dy
dz
^ ^
d{p • w • v) dy
dx
d{p • w^) dz j^^_dp^dr^^dry^^da^ dz dx dy
dz
^ '
'
Es bleibt nun noch iibrig die zweite Frage zu beantworten. Wir suchen also den Zusammenhang zwischen den Spannungen a bzw. r und den Geschwindigkeitskomponenten u, v und w. Es geht um die Erweiterung des Newtonschen Reibungsgesetzes T = fi • (dix/dz), das einen linearen Ansatz zwischen den Geschwindigkeitsgradienten du/dz und der Schubspannung r postuliert. Der nun folgende weiterreichende und fiir dreidimensionale Stromungen anzuwendende Stokessche Reibungsansatz, auf den wir nicht weiter eingehen wollen, beinhaltet das Newtonsche Reibungsgesetz. Er lautet
/ dv
du dx
2 ?>
f du \dx
dv dy
dw dz
dv dy
2 3
/ du \dx
dv dy
dw dz
dw
2
fdu
dv
dw^.
du\
f dw
' du
dw \
^dz
dx J
, _^ .
dv
Der Stokessche Reibungsansatz erfiillt die folgende Symmetriebedingung (3.17) Eine Moglichkeit zum Nachweis dieser Symmetrie kann mit dem Aufstellen eines Momentengleichgewichts fiir die im Volumenelement enthaltene Masse erfolgen. Diese Betrachtung wird im Buch von H. Schlichting, K. Gersten 2006 erlautert, in dem auch der Stokessche Reibungsansatz erklart wird.
211
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
Setzen wir die Normal- und Schubspannungen gemafi der Gleichungen (3.16) in die Impulsgleichungen (3.13), (3.14) und (3.15) ein, erhalten wir die Impulsgleichungen in Form der Navier-Stokes Gleichungen. Sie lauten d{p • u) d{p ' u^) dt dx du d_ /i. 2 dx dx d{p ' v) dt d_ dx
11-
d{p • u • v) dy
d{p • u • w) dz du dv + dy 11- dy dx
(V-tJ)
d{p • V • u) dx du dv dy dx
d{p ' w) ^ d{p • w • u) dt dx dw du\ d_ dx dz J dx
d{p • v^)
d{p • V • w) dz dv (V-tJ) 2 dy
dy d_ dy
/i.
d{p • w • v) dy
f dv \dz
d_ dy
dp dx d_ dz
/i-
dw dx
du dz
dv dz
dw dy
dp dy d_ dz
dp d{p • w'^) OZ dz , ^ dw 2 . „ ^, dw d_ M.(2.---.(V..) dy dz
Der Ausdruck V • v entspricht der Divergenz es Geschwindigkeitsvektors tJ, d.h. ^
du dx
dv dy
dw dz
Wir wollen nun noch mit einer einfachen Rechnung die linke Seite der ersten Navier-Stokes Gleichung anders schreiben. Auf analoge Weise lassen sich die linken Seiten der restlichen Navier-Stokes Gleichungen umschreiben. Mit der Anwendung der Produktregel erhalten wir fiir die linke Seite der ersten Navier-Stokes Gleichung
d{p ' u) dt
d{p ' u^) dx du
d{p • u • v)
dp
dip' v) ay ' du dt dp dt
d{p • u • w) dz
dy
dip • u)
du ay du dx d{p ' u) dx
dip' w) az du dy
d{p ' v)
+
du
dy
du dz d{p ' w) dz
du az
212
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Der letzte Klammerausdruck verschwindet wegen der Kontinuitatsgleichung (3.1), so dass gilt d{p • u) dt
d{p ' u^) dx
d{p • u • v) dy
d{p • u • w) dz ' du dt
du dx
du dy
du\ dz J
Fiir die linken Seiten der restlichen Navier-Stokes Gleichungen gilt entsprechend d{p • v) dt
d{p ' w) dt
d{p • V • u) dx
d{p • w • u) dx
d{p ' v'^) dy
d{p • w • v) dy
d{p • v • w) dz ' dv
dv
dv
dt
dx
dy
dv\
dz J ^
d{p • w'^) dz ' dw dt
dw dx
dw dy
dw dz
Die Navier-Stokes Gleichungen lauten also in ihrer endgiiltigen Form fiir eine instationare dreidimensionale und kompressible Stromung f du p' \ dt
du dx
du dy
(^ 9u
d dx d dy
f du \dy
du\ dz J
2 ,_ ^\] dv\ dx J
dp dx
^
+
d r dz [
/ dw \dx
du \ dz J
1
(3.18) f dv p' \ dt
dv dx d dx
dv dy l" du \dy
d dy
dv\ dz J dv\ dx J
^
dp dy
+ d dz
/ dv \dz
dw \ dy J
-)
213
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
f dw p' \ dt
dw dx
dw dy
d dx d dy
dw\ dz J
/ dw
du \
\dx
dz J
( dv
dp dz
+
dw \
d dz
(
dw
-|-(v..i)'
Die Navier-Stokes Gleichungen bilden zusammen mit der Kontinuitatsgleichung (3.1) und der Energiegleichung, die noch hergeleitet wird, die Grundgleichungen der Stromungsmechanik. Aus ihnen lassen sich weitere vereinfachte Gleichungen zur Berechnung von technisch interessierenden Stromungen ableiten, von denen die wichtigsten in diesem Lehrbuch noch beschrieben werden. Wir beschranken uns zunachst auf Newtonsche Medien (/i ^ f(r)) und auf inkompressible Stromungen. Die Gleichungen (3.18) vereinfachen sich dann auf die folgenden Gleichungen (gemafi der Kontinuitatsgleichung (3.2) gilt V • t; = 0) P'
P'
du 'dt dv
du ^v dx dv ^v dx 'di dw dw ~dt ^u- dx
du du dy dz dv dv dy dz dw dw dy -\- w ' dz
f^x
dp dx dp dy dp dz
Q2. fd^U d^ u a u \dx^ fd^v d^v d^v\ /i\dx^ f d^w d'^w d'^w /i \ dx^ ' dy^ ' dz^ /i
(3.19)
die wir in koordinatenfreier Schreibweise der Vektoranalysis wie folgt zusammenfassen konnen: P-
-
+ (..V).
k — Vp + /i • At;
(3.20)
In Gleichung (3.20) steht Vp fiir den Gradienten von p und {v-V) fur das Skalarprodukt aus Geschwindigkeitsvektor und Nabla-Operator. Dies ergibt den Konvektionsoperator, der auf jede Komponente des Geschwindigkeitsvektors v angewandt wird. At; steht fiir den auf V angewandten Laplace-Operator. Fiir diese Abkiirzungen gelten gemafi der Schreibweise der Vektoranalysis die folgenden Vereinbarungen Vp
dp dp dp\ dx^ dy^ dz) At; :
t;-V =
dx^
d^ dy'^
dx ^v
d_ dy
d_ w dz
(3.21)
d^ dz^
Die Gleichungen (3.19) bilden zusammen mit der Kontinuitatsgleichung (3.2) V-t; = 0
(3.22)
ein Gleichungssystem, bestehend aus vier skalaren partiellen nichtUnearen Differentialgleichungen von zweiter Ordnung, fiir die vier Unbekannten u,v,w und p, das fiir vorgegebene
214
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Anfangs- und Randbedingungen gelost werden muss. Auf die Losungsmethoden wird in diesem Buch spater noch eingegangen. Die Bedeutung der einzelnen Terme der Navier-Stokes-Gleichung (3.20) sowie deren Vereinfachungen fiir Stromungsbeispiele, die in Kapitel 2 behandelt wurden, sind in Abbildung 3.5 dargestellt. Dabei werden die Volumenkrafte k vernachlassigt. Die linke Seite der Navier-Stokes-Gleichung beschreibt die lokale und konvektive Beschleunigung, die wir bereits in Kapitel 3.3.1 kennen gelernt haben. Auch bei einer stationaren Stromung mit dv/dt = 0 erfahrt die Stromung eine konvektive Beschleunigung aufgrund der sich mit dem Ort andernden Stromungsgrofien. Die Ursache der Stromungsbeschleunigung sind die Druck- und Reibungskrafte. Bei einer stationaren ausgebildeten Rohrstromung findet keine Beschleunigung s t a t t . Die Druckkraft ist konstant und m a n erhalt in Zylinderkoordinaten Gleichung (2.63). Die ebene Kanalstromung fiihrt nach zweimaliger Integration auf das parabolische Geschwindigkeitsprofil (2.66) der Poiseuille-Stromung. Fiir die stationare Plattengrenzschichtstromung wird der Druck von aufien aufgepragt und es ergibt sich die vereinfachte Navier-Stokes-Gleichung der Blasius-Grenzschicht p ' {v ' \/)v
= /i • At;
.
Bei der stationaren Zylinderstromung ist die Druckkraft zusatzlich zu beriicksichtigen und es gilt die Navier-Stokes-Gleichung p ' {v ' \/)v
= — V p + /i • At;
.
Fiir die Berechnung der periodischen Wirbelablosung der Karmanschen Wirbelstrafie sowie
_9v dt
Stromung
lokale Beschleunigung
+
p
vWv
konvektive Beschleunigung
Rohrstromung
-Wp
^Av
Druck
Reibung
V
s/
Plattengrenzschicht
V
Zylinderumstromung
y
s/
s/
s/
Karmansche WirbelstraBe
s/
V
V
s/
Profilumstromung
v
s/
s/
V
A b b . 3 . 5 : Vereinfachungen der Navier-Stokes-Gleichung der inkompressiblen Stromung
215
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
der instationaren Ablosung am Profil sind alle Terme der Navier-Stokes-Gleichung (3.20) zu beriicksichtigen. Analytische Losungen der Navier-Stokes-Gleichung existieren fiir die Stromungsbeispiele nicht. Man ist auf numerische Naherungslosungen angewiesen, die in Kapitel 4.2 beschrieben werden. Betrachten wir ein Fluidelement, dann ist unmittelbar ersichtlich, dass Druckkrafte das Fluidelement in Richtung der Kraft verschieben und dabei verformen. Die Schubkrafte fiihren dagegen zu einer zusatzlichen Drehung des Fluidelementes. Dies ist fiir eine Grenzschicht in Abbildung 3.6 skizziert. In der reibungsfreien Aufienstromung wird dem Fluidelement keine Drehung iiberlagert, wahrend die Stromung in der reibungsbehafteten Grenzschicht drehungsbehaftet ist. Der Drehvektor cD berechnet sich aus dem Geschwindigkeitsvektor mit (Jj = \/ X V
,
mit den Komponenten in Kartesischen Koordinaten
^
dw oy du dz dv dx
dv az dw dx ^ du dy '
Integriert man ou iiber eine vorgegebene Oberflache O erhalt man die Zirkulation der Stromung in diesem Bereich vds
cjdO
Wird die Oberflache co von einer Linie L umschlossen, lasst sich das Oberflachenintegral mit dem Satz von Stokes in ein Linienintegral iiberfiihren. Die Zirkulation Gamma charakterisiert die Drehung im Stromungsfeld. 1
^^
U •-2
^^
U '-3
^"
reibungsfreie AuBenstromung
A b b . 3.6: Drehung einer Stromung in einer Grenzschicht
t.M
216
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Betrachten wir ein korapressibles Fluid, so haben wir als zusatzliche Unbekannte noch die Dichte p zu beriicksichtigen. Dazu benotigen wir dann noch eine weitere Gleichung und zwar die Energiegleichung, deren Herleitung noch erlautert wird. Kompressible Stromungen mit Warmeiibergang, die wir in Kapitel 2.4.6 kennengelernt haben, konnen unter Voraussetzung der Boussinesq-Annahme mit der Navier-StokesGleichung (3.20) berechnet werden. Dabei wird die Dichteanderung infolge Druckanderung vernachlassigt. Infolge der Warmeausdehnung andert sich die Dichte jedoch mit der Temperatur. Bei Konvektionsstromungen ist dies die Ursache fiir die Auftriebskraft p{T) • g. Im Rahmen der Boussinesq-Approximation wird die Dichteanderung nur im Auftriebsterm beriicksichtigt und in alien anderen Termen vernachlassigt. Dabei ist der Ansatz fiir die Dichte: p(T)=po-(l-ce.(T-To))
,
(3.23)
mit dem Warmeausdehnungskoeffizienten ce, einer Bezugsdichte po und einer Bezugstemperatur TQ. Die Zahigkeit wird als konstant angenommen. Zusatzlich wird die Dissipation vernachlassigt. Unter diesen Voraussetzungen erhalt man die Navier-Stokes-Gleichung p- l — ^{v-\/)v\
=-\/p^fi'Av-p-g
.
(3.24)
Hinzu kommt die Energiegleichung, die in Kapitel 3.3.1 behandelt wird. 3.2.2
Reynolds-Gleichungen fiir turbulente Stromungen
In den vorigen Abschnitten haben wir die Navier-Stokes Gleichungen fiir laminare Stromungen hergeleitet. Diese Gleichungen sind, zumindest aus der Sicht des Ingenieurs, als exakt anzusehen. Wenn wir sie mit analytischen oder numerischen Methoden fiir alle technischen Probleme losen konnten, so konnten wir an dieser Stelle das Kapitel Grundgleichungen der Stromungsmechanik beenden und zu den Losungsverfahren iibergehen. Die Gleichungen sind aber fiir die Mehrzahl der technischen Probleme nur naherungsweise losbar und deshalb gibt es eine Reihe von modifizierten und vereinfachten Gleichungen, mit denen man das Wesentliche der Stromungsphysik erfassen und berechnen kann. Als Ingenieur muss man lernen, ein Stromungsproblem zu beurteilen um auf dieses die geeignet vereinfachten Gleichungen anzuwenden, so dass die Stromung genau berechnet bzw. mit der entsprechenden Software (Kapitel 5) auf einem Rechner simuliert werden kann. Wir denken in diesem Zusammenhang an die in Kapitel 2 diskutierten Stromungsprobleme. Auf dem Tragfliigel sind die Grenzschichten und die Nachlaufstromung fiir ReynoldsZahlen grower 5 • 10^ turbulent. Die Stromung um ein Kraftfahrzeug wird ebenfalls durch grofie turbulente Stromungsbereiche bestimmt und bei der Rohrstromung konnen wir davon ausgehen, dass die Stromung nach einer charakteristischen Lauflange fiir ReynoldsZahlen grofier 2300 turbulent ist. In diesem Abschnitt wollen wir uns mit den modifizierten Navier-Stokes Gleichungen zur Berechnung von turbulenten Stromungen auseinandersetzen. Die vereinfachten Grundgleichungen werden dann in den nachfolgenden Abschnitten hergeleitet und deren Anwen-
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
217
dungen erlautert. Bevor wir nun die modifizierten Gleichungen zur Berechnung von turbulenten Stromungen herleiten, miissen wir uns erganzend zu Kapitel 2.4.1 nochmals den Grundlagen turbulenter Stromungen zuwenden und erganzend zur Reynolds-Mittelung die Favre-Mittelung fiir turbulente kompressible Stromungen einfiihren.
Korapressible Stromungen Wir betrachten wieder die Tragfliigelstromung an zwei verschiedenen Stellen (Abbildung 3.7). Die erste Stelle, sie wird mit dem Index 1 gekennzeichnet, liegt im hinteren turbulenten Teil der Grenzschicht, an der die Stromung quasi-stationar (im zeitlichen Mittel stationar) ist. Weiterhin betrachten wir die Stromung an der Stelle mit dem Index 2 im turbulenten Nachlauf, wo die Stromung ebenfalls turbulent ist und zusatzlich im zeitlichen Mittel instationar. In der Abbildung 3.8 sind die zeitlichen Verlaufe des Betrages einer Stromungsgrofie f (z.B. Geschwindigkeit, Druck etc.) an den Stellen 1 und 2 dargestellt. An beiden Stellen andert sich die Stromung mit der Zeit, also sind streng genommen beide Stromungen als instationar anzusehen. Allerdings besitzt die Stromung an der Stelle 1 einen zeitlichen Mittelwert f, der iiber die Zeit konstant ist und die betrachtete Stromungsgrofie / schwankt mit nur kleinen Ausschlagen f' um diesen gemittelten Wert. Eine solche Stromung bezeichnet man als quasi-stationar. Ihren Mittelwert f konnen wir mit der Gleichung
(3.25)
berechnen. Dabei gilt weiterhin
(3.26)
An der Stelle 2 hingegen andert sich der Mittelwert f mit der Zeit und die Stromung wird dort als turbulent und instationar bezeichnet. Wir benutzen zur Definition wieder
£ p KontroUvolumen
Moo
Abb. 3.7: Tragfliigelstromung
218
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
die bereits verwendete Gleichung 1 T
(3.27)
f'dt
Jedoch miissen wir das Mittelungsintervail [0, T] geeignet grofi wahlen. Wird es zu grofi gewahlt, so wird der instationare Verlauf herausgemittelt. Wird es zu klein gewahlt, so reprasentiert der berechnete Wert nicht den tatsachlichen Mittelwert. Die Grundgleichungen der Stromungsmechanik, die wir in den vorigen Abschnitten hergeleitet haben, beinhalten auch die Physik der Schwankungsbewegungen. Um diese allerdings fiir technische Probleme mit numerischen Verfahren berechnen zu konnen, miissten Rechner mit einer sehr grofien Speicherkapazitat und Rechenleistung zur Verfiigung stehen, um die zeitlichen Verlaufe und raumlichen Strukturen der turbulenten Schwankungen ausreichend auflosen zu konnen. Solche Rechner wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben, so dass man gezwungen ist, fiir die Berechnung von technischen Stromungen die Schwankungsbewegungen mit sogenannten Turbulenzmodellen naherungsweise zu modellieren. In diesem Abschnitt wollen wir nun die Grundgleichungen der Stromungsmechanik dahingehend modifizieren, dass in ihnen die Turbulenzmodelle beriicksichtigt werden konnen. Dazu werden wir die Grundgleichungen zeitlich mitteln. Die Turbulenzmodellierung, die immer noch ein Aufgabengebiet der Forschung ist, wird in einem nachfolgenden Abschnitt in ersten Ansatzen ausgefiihrt. Wir fiihren zunachst die folgenden massengemittelten Grofien ein p' u
p ' V
P'T
p' w
P
^^ P
.
(3.28)
Mit dem Uberstreichen der Produkte, z.B. von p • u, ist gemafi der Gleichung (3.25) (bzw. gemafi Gleichung (3.27)) die zeitliche Mittelung
p•u
f i
lini , _ T^oo I T
statistisch gemittelt stationar
(3.29)
{p • u) • dt
f k
statistisch gemittelt instationar
r
Stelle © A b b . 3.8: Zeitlich gemittelte Grofien
f
Stelle (2)
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
219
gemeint, die man auch Favre-Mittelung nennt. Die Grofien u, v usw. lassen sich nun aus den zeitlichen Mittelwerten gemafi den Gleichungen (3.28) und einer Schwankungsgrofie, die wir nachfolgend mit zwei Strichen kennzeichnen, zusammensetzen. Dabei werden der Druck p und die Dichte p (trivialerweise) nicht massengemittelt. Ihre Schwankungsgrofien werden mit nur einem Strich gekennzeichnet. Wir definieren also die folgenden Grofien P = P^p' u = u^u''
, ,
p = p^p' V = v^v''
, ,
w = w^w''
,
(3.30)
Es ist wichtig zu vermerken, dass die zeitlich gemittelten Grofien von i" {i" steht fiir eine beliebige Schwankungsgrofie um u^ v, usw.), also f'^ nicht Null sind. Hingegen ist die Grofie p • f'^ wie nachfolgend gezeigt, Null. Um dies zu zeigen, betrachten wir das Produkt p ' u. Gemafi der eingefiihrten Definition gilt p ' u = p ' {u -\- u'') = p ' u -\- p ' u^^ Durch das zeithche Mitteln des Ausdrucks erhalten wir p • u = lim
^'
J{P'U^P'U'')'dt\
T^oo
lim T^oo
-\- p ' w^ = p ' u -\- p ' w' Also ist p 'u p
^
p • u" p
Vergleichen wir diese Gleichung mit der Definitionsgleichung fiir u^ so erkennen wir, dass gilt: p • u" = 0. Weiterhin gelten die folgenden Rechenregeln fiir zwei beliebige Grofien f und g (dem Leser wird empfohlen, die Rechenregeln selbst nachzuvollziehen) ~di
di
Mit den nun bekannten Rechenregeln ist es moglich, die Grundgleichungen zeitlich zu mitteln. Wir beginnen mit der zeitlichen Mittelung der Kontinuitatsgleichung, d.h wir wollen herausfinden, wie sich die Gleichung verandert, wenn wir sie nicht nur fiir einen Zeitpunkt betrachten, sondern fiir ein Zeitintervall. Da wir die Gleichungen fiir eine instationare Stromung mitteln wollen, muss das Zeitintervall [0,T], wie bereits diskutiert.
220
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
geeignet grofi gewahlt werden (deshalb steht in den nachfolgenden Gleichungen nicht mehr liniT^oo).
Die zeitliche Mittelung schreibt sich fiir die Kontinuitatsgleichung wie folgt T
1 T
f fdp J \dt
^ d{p ' u) ^ d{p'v) dx dy
^ d{p'w)\ dz
^^^^
0
Oder dp ot
dip • u) ox
dip • v) oy
dip • w) oz
/
^x
Setzen wir in die Gleichung (3.32) die Grofien ix, v und w gemafi der Gleichungen (3.30) ein, so konnen wir mit den Rechenregeln (3.31) und mit p - f^^ = 0 die folgende Rechnung durchfiihren dp dt
d[p • {u + ix'O] dx
9[P ' (^ + ^'0] dy
9[P ' (^ + ^'0] dz
dp dt
d[p • {u + ix'O] dx
9[P ' (^ + ^'0] dy
9[P ' (^ + ^'0] dz
dp ^ d[p ' {uj + < ) ] ^ ^ dt dxi Der zweite Summand beinhaltet die abkiirzende Schreibweise fiir die drei Koordinatenund Geschwindigkeitsrichtungen (i = 1 , . . . , 3). Fiir ihn gilt weiterhin d[p > {u, + < ) ] ^ d{p > uQ ^ d{p • < ) ^ d{p • u,) dx[ dx[ dx[ dx[ Die zeitlich gemittelte Kontinuitatsgleichung lautet also dp dt
d{p ' u) dx
d{p ' v) dy
d{p ' w) dz
(3.33)
Sie hat sich gegeniiber der urspriinglichen Kontinuitatsgleichung rein aufierlich kaum verandert und enthalt jetzt nicht mehr die Grofien p und U[, sondern p und U[. Es folgt nun die zeitliche Mittelung der Navier-Stokes Gleichungen, die in analoger Weise wie die Mittelung der Kontinuitatsgleichung durchgefiihrt wird. Dabei beschranken wir uns wieder auf die Gleichung fiir die x-Richtung und schreiben (s. dazu Gleichung (3.13)) d{p • u) dt
d{p • u^) dx
d{p • u • v) dy
d{p • u • w) — dz
f^x
dp_ dx
da^x dx
dTyx dy
mit ^ij
f du[ \ dxj
du^ \ dx[ J
dTzx dz
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
221
Mit den eingefiihrten Rechenregeln (3.31) erhalten wir 9{p' u) ^ d{p-u^) dt dx
^ djp'U' v) ^ djp'U' w) ^ j^ _ dp_ ^ da^^ ^ dry^ ^ dr^ dy dz ^ dx dx dy dz ' '
Gemafi der Definition von u ist 'p^Ti = p-u, so dass in der Gleichung (3.34) alle Summanden der linken und rechten Seite gemittelt bekannt sind, aufier drei Summanden der linken Seite, die die raumlichen partiellen Ableitungen enthalten. Sie wollen wir nachfolgend weiter betrachten, indem wir in diese Glieder iiir u,v und w die entsprechenden Ausdriicke gemafi der Gleichungen (3.30) einsetzen. Wir erhalten dy
dx d{p • 1x2) dx
dz
a(p • u^^^) dx
d(2- p-u- ix'O dx
d{p ' u ' v) dy
d{p ' u ' v") dy
d{p ' u ' w) dz
d{p ' u ' w") dz
d{p ' u^) dx
d{p ' u" ) dx
d{p ' u" ' v) dy d{p ' u" ' w) dz
d{p • u • v) dy
d{p • u^^ • v^^) dy d{p • u^' • w^') dz
d{p • u" • v") dy
d{p • u • w) d{p ' u" • w") dz dz Setzen wir das Ergebnis der Rechnung in die Gleichung (3.34) ein, erhalten wir die Reynolds-Gleichung fiir die x-Richtung. Sie lautet d{p ' u) dt .
_ ^ dx
d{p • V?) dx ddxx dx
d{p ' u ' v) dy
dryj, dy
d{p ' u ' w) dz
dr^j, _ / d{p - u" ) dz \ dx
d{p • u" • v'') dy
d{p • u" • w'') \ dz J '
Fiir die zeitlich gemittelten Normal- und Schubspannungen a^^, Tyx und TZX erhalten wir mit einer einfachen zusatzlichen Rechnung die erganzenden Gleichungen
^.. = / . . ( 2 . - - - . ( v . . ) j + / . . ( 2 . — - - . ( v - M J
,
(3.36)
Die Ausdriicke y • ^ und y • '^'^ stehen fiir die Divergenzen du dx
dv dy
dw dz
'
du'' dx
dv" dy
dw" dz
Die Gleichung (3.35) enthalt im Vergleich zu der Navier-Stokes Gleichung auf der rechten Seite zusatzliche Glieder, mit denen die Schwankungsbewegungen der Stromung beriicksichtigt werden. Diese Glieder sind Tragheitsglieder, denn sie riihren von den konvektiven nichtlinearen Termen her.
222
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Die durch die Schwankungen verursachten Tragheitskrafte in der Stromung erwecken den Eindruck, dass in der Stromung eine zusatzliche Reibung wirksam ist. Deshalb werden diese Schwankungsterme auch als zusatzliche Reibungsglieder interpretiert, obwohl sie direkt nichts mit den Reibungseffekten gemeinsam haben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von turbulenter Scheinreibung. Weiterhin haben die Schwankungsbewegungen einen Einfluss auf die zeithch gemittelten Normal- und Schubspannungen, wie wir es jeweils an dem zweiten Summanden der Gleichungen (3.36) und (3.37) erkennen konnen. Diese zuletzt genannten Summanden werden jedoch bei der Berechnung von Stromungsfeldern vernachlassigt, da ihr Einfluss auf die Ergebnisse der Stromungsberechnungen bekannterweise gering ist. Die zusatzlichen Terme in der Gleichung (3.35) miissen fiir turbulente Stromungen geeignet modelliert werden (fiir laminare Stromungen sind sie verstandlicherweise Null). Dazu gibt es Turbulenzmodelle. Nachfolgend werden nun alle drei Reynolds-Gleichungen fiir die x-, y- und z-Richtung angegeben. Sie lauten d{p ' u) dt
d{p ' V?) dx
+ -dx +
dr^. dy + dz
d{p • V • u) dx
d{p - u - w) dz
~ ^
dp dx (3.38)
dr,,
da^r.
d{p ' v) dt
d{p ' u ' v) dy
d{p ' u" ' v^^)
d{p ' u"^) dx
d{p ' v'^) dy
dy
+
d{p ' u" ' w^^) • dz
d{p • v • w) ~ dp dz ^ dy (3.39)
df^xy
day
+ -dx
+
dy
df.^zy
d{p ' v" ' u") dx
dz
d{p • w) d{p • w • u) + dt dx
d{p • w • v) dy
d{p ' v"^)
d{p ' v" ' w") dz
dy
d{p • w^) ^ dz
dp OZ
(3.40) dr^
dx
dTyz
da
dy
dz
d{p ' w" ' u") dx
d{p ' w" ' v") dy
d{p ' w^'^) + dz
mit
/ <7u =
^ij =
dui
2 ,
~\
(^ du'.'
M•
M•
\ dxj
dx\ J
\ dxj
dx\ j
-|-(v-."))
.
(3.41)
(3.42)
223
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
Inkorapressible Stromungen Fiir inkompressible Stromungen {p = konst.) vereinfachen sich die Gleichungen (3.28) und (3.30) U = U
^
V = V
u = u -\- u'
,
^
W = W
V = V -\- v'
,
^
w = w -\- w'
,
p = p -\- p'
(3.43)
Die Kontinuitatsgleichung lautet du dx
dv dy
dw dz
(3.44)
Die zeitlich gemittelten Navier-Stokes Gleichungen lauten
l"du \ dt
d{u • v) dy
d{u • w)\ dz J
dTyx , dTzx dy dz
I du' dx
du^ dx
^
dp dx (3.45)
da^r + -dx
f dv \ dt
d{v • u) dx
dv^ dy
d{v' w)\ dz J
d{u' ' v') dy
-
d{u' • w') dz
dp dy
^
(3.46) dTxy dx
dw dt
9ayy dy
d{w • u) dx
I d(v' • u') dx
dTzy dz
d{w • v) dy
dw^\ dz J
dv'
d(v' • w') dz
dy
^
dp dz (3.47)
dr^z dx
dTyz dy
da^z dz
P'
d{w' ' u') dx
d{w' ' v') dy
d{w' ) dz
224
3.2.3
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Turbulenzmodelle
Mit dem Herleiten der Reynolds-Gleichungen haben wir erreicht, dass wir bei der Berechnung von turbulenten Stromungen die Schwankungsbewegungen beriicksichtigen konnen, ohne sie dabei detailliert zeitlich und raumlich auflosen zu miissen. Die zusatzlichen Terme, die die Schwankungsgrofien beinhalten, werden mit Turbulenzmodellen bestimmt. In diesem Abschnitt werden wir lernen, wie wir mit zusatzlichen Modellvorstellungen die Schwankungsterme fiir die jeweiligen technischen Stromungsprobleme ermitteln konnen. Die Gleichungen (3.38) bis (3.40) konnen wir mit der folgenden vektoriellen Schreibweise zusammenfassen d{p ' v) ^ P'{V ' \J)V = dt
(3.48)
k-\jp^\J'T^\J'Tt
mit ^xx fya: f,^ \ fxy ^yy f,y\ "TXZ
^yz O-zz I
I ,
Tt =
-P • U"'^ -p
y_p
• v" • u"
-p -p
' U" - v" -p • v"^
-p
. ^ff . y^ff _ p . ^ / / . yff
- u" - W - v" - w"
\
• (3.49)
_ p . ^//2
In der Gleichung (3.48) ist auch der Ausdruck {v - \y)v ein Vektor. Die meisten fiir technische Stromungsprobleme anwendbaren Turbulenzmodelle basieren auf der Boussinesq-Annahme, die wir bereits in Kapitel 2.4.1 kennengelernt haben. Boussinesq schlug bereits im Jahre 1877 vor, die Schwankungsgrofien im rechten Tensor (3.49) mit einem Ansatz zu modellieren, der analog zur Berechnung der Normal- und Schubspannungen des Hnken Tensors (3.49) ist. Fiir die Schubspannungen fij gilt gemafi der Gleichung (3.42), wenn wir den zweiten Summanden dieser Gleichung (er ist sehr klein) vernachlassigen
Die Boussinesq-Annahme geht davon aus, dass die Schwankungsgrofien —p • u[^ • uy^ in Analogic zur Gleichung (3.50) ermittelt werden konnen, so dass gilt (3.51) /it wird als Austauschgrofie oder als turbulente Viskositat bezeichnet. Diese steht in keinem direkten Zusammenhang mit der molekularen Zahigkeit, obwohl der Begriff 'turbulente Viskositat' darauf hindeutet. Wir haben bereits gelernt, dass die Terme des rechten Tensors (3.49) Tragheitsterme sind. Turbulenzmodelle, die auf der Boussinesq-Annahme basieren, beschranken sich auf die Modellierung der Austauschgrofie /if Sie beinhalten Gleichungen, mit denen die Austauschgrofie in Abhangigkeit von den mittleren Stromungsgrofien p, u usw. berechnet werden
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
225
kann. Es gibt je nach Stromungsproblem vergleichsweise einfache Turbulenzmodelle, die mit algebraischen Gleichungen die Austauschgrofie angeben und wiederum kompliziertere, bei deren Anwendung partielle Differentialgleichungen gelost werden miissen. Turbulenzmodelle werden in der Literatur gemafi der Anzahl der partiellen Differentialgleichungen, die ein Modell beinhaltet, geordnet. So spricht man bei den algebraischen Turbulenzmodellen von Null-Gleichungsmodellen. Enthalt ein Turbulenzmodell zur Beschreibung der Austauschgrofie eine partielle Differentialgleichung, so wird dieses als ein Ein-Gleichungsmodell bezeichnet. Ein Zwei-Gleichungsmodell besitzt demzufolge zwei partielle Differentialgleichungen und stellt bei der Anwendung auf technische Probleme beziiglich des Aufwandes eine obere Grenze dar, insbesondere dann, wenn die Turbulenz von dreidimensionalen Stromungen modelliert wird. Bei der Auswahl eines Turbulenzmodells zur Berechnung einer turbulenten Stromung miissen immer die beiden folgenden Punkte beachtet werden: • Ein Turbulenzmodell ist in der Regel nur fiir eine bestimmte Stromung anwendbar. So gibt es z.B. Turbulenzmodelle fiir Stromungen mit starken Druckgradienten, kleinen Reynolds-Zahlen, fiir freie Scherstromungen und fiir Stromungen an rauhen Oberflachen usw.. Vor der Anwendung muss geklart werden, welche Art von Stromung berechnet werden soil. • Jedes Turbulenzmodell basiert auf experimentellen Ergebnissen, die wiederum fiir festgelegte Reynolds- und Mach-Zahlbereiche sowie zusatzliche Parameter ermittelt wurden. Die in dem Turbulenzmodell enthaltenen Konstanten beziehen sich auf diese experimentellen Ergebnisse. Vor der Berechnung der Stromung muss also gepriift werden, ob die im Turbulenzmodell enthaltenen Konstanten passend fiir die zu berechnende Stromung sind. Wir werden nun nacheinander die einfachen (Null-Gleichungsmodelle) und die aufwendigeren (Ein- und Zwei-Gleichungsmodelle) kennenlernen. Alle basieren auf der BoussinesqAnnahme und setzen isotrope turbulente Stromungen voraus. Einfache algebraische oder Null-Gleichungsmodelle Zunachst beschranken wir uns auf eine zweidimensionale Grenzschichtstromung, um eine Vorstellung von der Methode der Turbulenzmodellierung zu erhalten. Eines der erfolgreichsten Turbulenzmodelle fiir eine Grenzschichtstromung ist von Prandtl im Jahre 1920 vorgeschlagen worden. Es beinhaltet das Mischungswegkonzept, das bereits im Kapitel 2.4.1 beschrieben wurde. Fiir detaillierte Ausfiihrungen verweisen wir auf die Biicher von L. Prandtl - Fiihrer durch die Stromungslehre, H. Oertel jr. 2002, H. Schlichting, K. Gersten 2006, B. E. Launder, D. B. Spalding 1979 und von J. Piquet 2001. Daraus resultiert die Gleichung fiir die Berechnung der turbulenten Schubspannung /it llt = P'l^
'
du dz
(3.52)
226
3 Grundgleichungen
der Stromungsmechanik
mit der Mischungsweglange /. Sie ist eine Funktion der Wandnormalenkoordinate und wird fiir die unterschiedlichen Turbulenzmodelle verschieden angegeben. Fiir die Berechnung der Tragfliigelstromungen wahlen wir das Turbulenzmodell von B. S. Baldwin, H. Lomax 1978 aus, das nachfolgend beschrieben wird (s. dazu auch T. Ceheci, A. M. 0. Smith 1974). Es basiert auf der Boussinesq-Annahme und nutzt zur Modellierung der Austauschgrofie fir im wandnahen Bereich das Prandtlsche Mischungswegkonzept. Baldwin und Lomax teilen die turbulente Prandtl-Grenzschicht in einen inneren und aufieren Bereich ein. Die Austauschgrofie /it wird fiir den inneren Bereich gemafi des Prandtlschen Mischungswegkonzeptes berechnet und im aufieren Bereich mit einer algebraischen Gleichung, die auf Ergebnissen von Grenzschichtuntersuchungen beruht. Fiir /it gilt also die folgende Aufspaltung der Abbildung 3.9 I
v/^tjinnen
^ *^ ^cross
I v/^waufien
/q
ro\
^ ^ Across
Across steht fiir die Wandnormalenkoordinate, die die Grenze zwischen dem inneren und aufieren Bereich bildet. Baldwin und Lomax haben die Gleichung (3.52) fiir dreidimensionale Grenzschichtstromungen erweitert. Sie berechnen fiir den inneren Bereich die Austauschgrofie mit der Gleichung ( / i t ) i n n e n = P ' l^' \ OJ \ \
•
(3.54)
/ steht wiederum fiir die Mischungsweglange und uu fiir die Drehung der Stromung. Die Mischungsweglange wird mit der Prandtl-Van-Driest-Gleichung 1 = K'Z' [ l - e x p ( - — ) ] berechnet, wobei (3.55) /i
z Ji
^J ^J
^*J ^-7 —^y (^t)au6en cross
^ ^ ^ ^ ^ ^^ p ^ ^
^
^ innen
^^ " / ^e
A b b . 3.9: Bereichseinteilung der turbulenten Grenzschicht
227
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
ist (Index w fiir Grofien auf der Kontur bzw. Wand). Fiir die Drehung gilt (s. dazu Abbildung 3.10)
UJ
du dy
dv\ dx J
f dv \dz
dw dy
dw dx
dz
Die Drehung uj unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Gradienten du/dz^ da alle Gradienten im Vergleich zu du/dz klein sind. Fiir die Anwendung des Balwin-Lomax-Modells benotigt man nicht die Dicke der Grenzschicht, was wiederum bei der Anwendung anderer Turbulenzmodelle der Fall sein wird und die Durchfiihrung von Rechnungen erschwert. Die Gleichungen zur Berechnung der Mischungsweglange beinhalten die Konstanten ti und A+. Sie sind in der Tabelle 3.1 angegeben. Die Austauschgrofie (/^t)aufien berechnet sich gemafi den Angaben von Baldwin und Lomax mit der algebraischen Gleichung (^t)aufien — P • K • Ccp •
^^WAKE
•
^KLEB
(3.56)
K und der Clauser-Parameter Ccp sind Konstanten (Tabelle 3.1). i^KLEB(^) ist die Intermittenzfunktion von Klebanoff, die eine Funktion der Wandnormalenkoordinate z ist. Die Grofie FwAKE berechnet sich mit der Gleichung i^WAKE = m i n ( F i , F 2 )
,
-^1 ^ ^max * -^max ->
F2 = C w K • ^max * 7^
•
(3.57)
^max ist das Maximum der Funktion F{z) = z-\Co\-[l-eM-^)] das an der Stelle z
,
(3.58)
auftritt. Die Grofie [/DIP berechnet sich mit der Gleichung
[ / D I P = {Vy^^V^^W^)ma^
- {^/u^
^ V^ ^ W^)r_
(3.59)
Stromlinie (reibungsfrei)
Querstromungsprofil
Abb. 3.10: Dreidimensionales Grenzschichtprofil
228
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
(Index max bzw. min fiir grofiten bzw. kleinsten Wert in der Grenzschicht). Der zweite Summand der Gleichung (3.59) wird fiir die Modellierung der Turbulenz in Grenzschichten Null gesetzt. Fiir die Modellierung der Turbulenz von Nachlaufen muss die vollstandige Gleichung (3.59) verwendet werden. Die Intermittenzfunktion von Klebanoff FKLEB lautet 1 + 5.5-
^KLEB(^)
CKLEB • ^
(3.60)
Es bleibt noch die Frage offen, ab welcher Stelle z in der Grenzschicht von dem Wert (/^t)innen zum Wcrt (/^t)aufien ubergegangen werden muss. Die Stelle z = Across ist die Stelle, wo bei zunehmenden z zum ersten Mai gilt: (/it)innen — (/^t)aufien* Dem Leser des Buches stellt sich sicherlich die Frage, mit welchen Uberlegungen sich die Konstanten und Gleichungen des Turbulenzmodells von Baldwin und Lomax begriinden. Die Gleichungen und Konstanten basieren grofitenteils auf experimentellen Ergebnissen. Es wiirde bei weitem den Rahmen dieses Lehrbuches sprengen, alle Gleichungen ausfiihrlich zu diskutieren. Wir haben das Turbulenzmodell von Baldwin und Lomax nur deshalb so ausfiihrlich in diesem Buch beschrieben, da wir dem Leser einen Eindruck von der praktischen Anwendung eines einfachen algebraischen Turbulenzmodells geben wollen. Zudem werden wir in diesem Buch noch numerische Rechnungen zur Tragfliigelstromung, bei denen die Turbulenz mit dem Modell von Baldwin und Lomax beriicksichtigt wurde, vorstellen. Zur Berechnung der kompressiblen Tragfliigelstromung benotigen wir nicht nur die zeitlich gemittelten Impulsgleichungen, sondern zusatzlich die zeithch gemittelte Energiegleichung, die wir in Kapitel 3.3.2 behandeln werden. In dieser Gleichung treten auch Schwankungsgrofien auf, die entsprechend modelliert werden miissen. In Gleichung (3.109) sind die Terme u • {dp/dx-^) und A • {dT"/dxi) klein im Vergleich zu den Termen 5(— • p • T" • u'-')Idx\. Entsprechendes gilt fiir die Gleichung (3.110). Die Terme crkk • {du'^jdx^ und rij • {du'(jdx-^ sind im Vergleich zu den Gliedern ^kk • {du]^/dx]^) bzw. fij • {du[/dx^) zu vernachlassigen. Die Turbulenzmodellierung beziiglich der Energiegleichung beschrankt sich also auf die Glieder d (cp-p-T"-<) dx\
(3.61)
die den zusatzlichen Warmefluss infolge der turbulenten Schwankungsbewegungen beschreiben.
A+
Ccp
CKLEB
CwK
K
K
Pr
Pn
26
1.6
0.3
0.25
0.4
0.0168
0.72
0.9
Tab. 3.1 : Konstanten des Turbulenzmodells von Baldwin und Lomax
229
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
Fiir diese Glieder wird in Analogic zur Boussinesq-Annahme der folgende Warmeleitungsansatz gemacht. Er lautet dT
(3.62)
At steht fiir die turbulente Leitfahigkeit. Sie steht in keinem direkten Zusammenhang mit der molekularen Warmeleitfahigkeit A, sondern ist, wie die turbulente Viskositat /it, als eine Austauschgrofie zu verstehen. Um sie berechnen zu konnen, wird die turbulente Prandtlzahl eingefiihrt, die wie folgt definiert ist
Pn
/it •
kt
(3.63)
Pn
Verwenden wir den Ausdruck fiir kt in Gleichung (3.62), haben wir eine Berechnungsmoglichkeit fiir die Schwankungsgrofien p -T" ' u'l^ vorausgesetzt wir kennen die turbulente Prandtlzahl. Gemafi vieler gebrauchlicher Turbulenzmodelle wird die turbulente Prandtlzahl Pr^ mit einem Wert nicht wesentlich kleiner eins, z.B. mit Pr^ = 0 . 9 , angenommen. Experimente, die fiir Wandgrenzschichten durchgefiihrt wurden zeigen jedoch, dass die turbulente Prandtlzahl am aufieren Rand ?^ 0.6 — 0.7 betragt und nach innen bis auf den Wert 1.5 zunimmt. Ein typisches Anwendungsbeispiel fiir das Baldwin-Lomax-Turbulenzmodell ist die Umstromung eines transsonischen Tragfliigels, dessen Profilschnitt in Abbildung 3.11 gezeigt ist. Das Turbulenzmodell der kompressiblen Grenzschichtstromung wird an der Hinterkante des Profils in die Nachlaufstromung iibergefiihrt. Die Vorteile der algebraischen Turbulenzmodelle hegen auf der Hand. Sie sind einfach in numerische Verfahren zu integrieren und verursachen bei ihrer Anwendung wenig Rechenzeit, da nur einfache algebraische Gleichungen und keine komplizierten gewohnlichen oder partiellen Differentialgleichungen gelost werden miissen.
drehungsfreie AuBenstromung
Nachlauf
Abb. 3.11: Anwendungsbeispiel fiir das Baldwin-Lomax-Turbulenzmodell
230
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Andererseits werden die turbulenten Austauschgrofien /it und kt nur in Abhangigkeit von den ortlichen Geschwindigkeitsprofilen berechnet. Bei der Berechnung wird nicht das turbulente Verhalten der Stromung stromauf oder stromab beriicksichtigt. Aufierdem beschreiben die algebraischen Modelle, die auf dem Prandtlschen Mischungswegkonzept basieren, die Turbulenz an Stellen mit (du/dz) = 0 falsch. Experimente zeigen, dass z.B. in der turbulenten Rohrstromung die Turbulenz auf der Mittellinie des Rohres nicht verschwindet. Aus diesen Griinden sind kompliziertere Turbulenzmodelle entwickelt worden. Ein-Gleichungsraodelle Wir beschranken uns nachfolgend auf die Turbulenzmodellierung von inkompressiblen Stromungen. Die nachfolgend beschriebenen Modelle konnen mit Zusatztermen auf kompressible Stromungen entsprechend erweitert werden. Ein-Gleichungsmodelle beinhalten in der Regel eine partielle Differentialgleichung fiir die Turbulenzenergie. Die Turbulenzenergie k^ ist wie folgt definiert K =k
= - ' [u ^v
(3.64)
^w)
Wir fiihren noch zusatzlich die zeitlich gemittelte Turbulenzenergie ein. Die Gleichung dazu lautet 1
^ + W'^) ] 'dt=^'
{U^'' + V^'' + W^'')
(3.65)
Die Turbulenzenergie ist ein Mafi fiir die Intensitat der Turbulenz. Wir werden nun eine partielle Differentialgleichung fiir die zeitUch gemittelte Turbulenzenergie k aufstellen. Auf ihr basieren die Ein- und Zwei-Gleichungsmodelle. Die Navier-Stokes Gleichungen fiir inkompressible Stromungen konnen wir abgekiirzt wie folgt aufschreiben dp /i-
(3.66)
dxj
Mit X[ bzw. Xj sowie U[ bzw. u^ sind jweils die Koordinatenrichtungen x, y, z bzw. die Geschwindigkeitskomponenten u, v, w gemeint. Der Index i = 1,2,3 kennzeichnet die jeweilige Gleichung fiir die entsprechende Koordinatenrichtung. Mit dem Index j = 1,2,3 ist ein Summationsindex gemeint. So ist mit den in eckigen Klammern stehenden Gliedern konkret Folgendes gemeint
E
j=i
du[ J
dxj
j=i
J
Wir behalten nachfolgend diese abkiirzende Schreibweise bei, um die Herleitung iibersichtUcher aufzuschreiben.
231
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
In der Gleichung (3.66) ersetzen wir die Geschwindigkeit U[, u^ und den Druck p durch die zeitlichen Mittelwerte U[, u^ bzw. p plus der entsprechenden Schwankungsgrofie u[, ixj bzw. p' und multiplizieren sie auf beiden Seiten mit der Schwankungsgeschwindigkeit u{. Wir erhalten
;(%+.;)-2%^^;
•u[
=
a{p+p']
• u[
. (3.67)
Durch zeitliches Mitteln der Gleichung (3.67) und die anschliefiend durchgefiihrte Rechnung gemafi den Rechenregeln (3.31) erhalten wir die folgende Gleichung
d^{u\ + ix[)
/,
^ ( P + PO
5x?
du[
du'-
9x/"'-"j+"'-"j
dx; dp'
,
(3.68)
dxf
Beachte weiterhin, dass der Index j in der Gleichung (3.68) einen Summationsindex darstellt. Beriicksichtigen wir die Identitaten
dt "
dt
dxj
dxj
dx?
"'
d / dudxj \dxj
du[
(3.69)
dxj
in Gleichung (3.68), erhalten wir schhefilich
P-
dC^-uC) dt
P-
_ d^uf)
, du; ^ ^ , 9(i-<) axj
dx\ dp'
1
J
,
du'-^
dx\
,
axj /i-
dx\
(3.70)
Gleichung (3.70) beinhaltet drei Gleichungen (i = 1,2,3) fiir die drei Koordinatenrichtungen. Wenn wir diese drei Gleichungen addieren, erhalten wir eine partielle Differentialgleichung fiir die zeitlich gemittelte Turbulenzenergie k'^ = K (siehe Gleichung (3.65). Die
232
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Differentialgleichung lautet dK d^K
dK' dp'
,
= )•
/i-
(3.71)
M-
In Gleichung (3.71) sind sowohl i als auch j Summationsindizes. Es stehen also in der genannten Gleichung Doppelsummen. Beriicksichtigen wir in dieser Gleichung noch die Identitat dx\
(P.ixO
P
dx\
du' dx
dv' dy
dw' dz
dx[
erhalten wir die endgiiltige Form der Differentialgleichung fiir die zeitlich gemittelte Turbulenzenergie pro Masse K (die Grofie f steht fiir p und K). Sie lautet dK
dK'
= .
d'^K c) ' — [p' ' u[ ) - dx'^ d:^
BK' _dx^ ' ' • " ! " a ^
•
«
!
-11-
(3.72)
(du'-X
Da wir bereits mit der Herleitung der stromungsmechanischen Gleichungen vertraut sind, erkennen wir sofort die physikalische Bedeutung der einzelnen Terme. Auf der linken Seite der Gleichung (3.72) stehen die zeitHche Anderung der Turbulenzenergie pro Masse in dem raumfesten Kontrollvolumen dx • dy • dz und die konvektiven Terme, mit denen die Bilanz des Transports von Turbulenzenergie in bzw. aus dem Kontrollvolumen beschrieben wird. Auf der rechten Seite stehen Ausdriicke, die wir nur zum Teil sofort interpretieren konnen. Der erste und zweite Term sowie der zweite Ausdruck in der eckigen Klammer der rechten Seite beriicksichtigen die Diffusion der Turbulenzenergie. Der letzte Term der rechten Seite beschreibt die Dissipation der Turbulenzenergie. Fiir die Produktion der Turbulenzenergie steht der erste Ausdruck in der eckigen Klammer. Wir kommen auf die Ermittelung der Glieder der rechten Seite der Gleichung (3.72) im Folgenden zuriick. Es stellt sich nun die Frage, wie wir die Gleichung (3.72) zur Berechnung von Stromungen anwenden. Prandtl und Kolmogorov haben 1940 die Annahme vorgeschlagen, dass die turbulente Viskositat /it mit der Beziehung flt=p'le
(3.73)
berechnet werden sollte. le ist ein Langenparameter, der der Mischungsweglange ahnlich ist, jedoch nicht gleich dieser ist. Wir werden den Zusammenhang zwischen der Mischungsweglange / und dem Langenparameter l^ noch angeben. Der Ansatz von Prandtl und Kolmogorov (3.73) basiert auf der Dimensionsanalyse, auf die wir in Kapitel 4.1.1 zu sprechen kommen werden.
233
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
physikalische B e d e u t u n g
Terme der Gl. (3.72) dK
d^K dz^
zeitliche Anderung von K
dK'
Pd dz ^
Konvektion von K O'W'
—
— p ' U'
J du 7— oz
W'
Modellterme
Diffusion von K
-K)
Produktion von K
"•(W
d \( dz
Li,\
dK]
fduV
Dissipation von K
Tab. 3.2 : Gleichungen zur Berechnung der rechten Seite der K-Gleichung Bei der Berechnung von turbulenten Stromungen losen wir zusatzUch zu den ReynoldsGleichungen die partielle Differentialgleichung (3.72) zur Ermittelung von K und berechnen mit der Prandtl-Kolmogorov-Annahme die turbulente Viskositat jii. Die Berechnung der GUeder der rechten Seite der Gleichung (3.72) basiert auf experimentellen Ergebnissen und Modellvorstellungen. Die Berechnungsformeln geben wir nachfolgend an. Alle anderen Turbulenzmodelle, auch Turbulenzmodelle, die nicht auf der Boussinesq-Annahme aufbauen, beinhalten zur ModelUerung der Turbulenz experimentelle Ergebnisse. Wie sich aus den Experimenten die weiter unten angegebenen Gleichungen ableiten, sollte sich der Leser nach dem Durcharbeiten des vorliegenden Lehrstoffes mit Spezialvorlesungen und zusatzlicher Literatur aneignen. Ebenfalls kann er in weiterfiihrenden Vorlesungen auch Turbulenzmodelle kennenlernen, die nicht auf der BoussinesqAnnahme basieren und noch zu den Forschungsaufgaben der Stromungsmechanik gehoren. Zur Modellierung der Turbulenz von Innenstromungen (Kapitel 2.4.4) konnen wir die Gleichung (3.72) dahingehend vereinfachen, dass wir alle Gradienten der rechten Seite in Stromungs- und Umfangsrichtung vernachlassigen, da sie im Vergleich zu den Gradienten iiber der Hohe des Kanals klein sind (s. dazu Abbildung 3.12). Wir gehen weiterhin davon aus, dass auch die Gradienten dv dz
dw dz
im Vergleich zu dem Gradienten du/dz klein sind. Die getroffenen Annahmen sind ohne weiteres zulassig. Wir werden dies im nachsten Abschnitt besser verstehen konnen, wenn wir die Vereinfachungen zur Herleitung der Grenzschichtgleichungen diskutieren werden. Die Gleichung (3.72) vereinfacht sich also auf die Gleichung
234
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
dK dt
_ dK dx /i-
_ dK dy d^K 2 dz
dK dz d
-^{P'-W'
^ P'W^'
fl
•
dz
K')
+
7 ^^ p ' U' W' ——-
dz
+
oz dw' dz
. (3.74)
Die Summanden der rechten Seite, von denen jeder einen physikalischen Vorgang zur zeitlichen Anderung der Turbulenzenergie pro Masse beschreibt, werden mit Ausdriicken berechnet, die auf zusatzlichen Modellvorstellungen und Messungen basieren. Sie sind in der Tabelle 3.2 angegeben. Die endgiiltige Gleichung zur Simulation der Turbulenzenergie lautet demnach
(3.75)
CD ist eine weitere Konstante. Sie besitzt den Wert C D = 0.08... 0.09. Gleichung (3.75) gilt nicht fiir den wandnahen Bereich, sondern nur fiir den raumlich wesentlich grofieren voll turbulenten Bereich (Abbildung 3.13). Fiir den wandnahen Bereich z+ < 30 (s. Gleichung (3.55)) muss die Turbulenz weiterhin mit dem Prandtlschen Mischungswegansatz berechnet werden. Die Gleichung (3.75) geht fiir den wandnahen Bereich unmittelbar in den Ansatz des Prandtlschen Mischungsweges iiber, wie wir nachfolgend zeigen werden. Experimentelle Ergebnisse zeigen, dass in unmittelbarer Wandnahe die konvektiven und diffusiven Glieder der Gleichung (3.75) verschwinden. Wenn wir diese experimentelle Kenntnis auf die Gleichung (3.75) anwenden, also die konvektiven und diffusiven Glieder vernachlassigen, erhalten wir die nachfolgende Gleichung die zum Ausdruck bringt, dass im wandnahen Bereich die Dissipation gleich der Produktion der Turbulenzenergie ist. Die Gleichung lautet
Li Abb. 3.12: Koordinatensystem fiir die Kanalstromung
235
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
/it •
du dz
(3.76)
I.
Ersetzen wir auf der rechten Seite K mit der Prandtl-Kolmogorov-Annahme, erhalten wir die Gleichung CB'P
1
/it /it
(3.77)
'P'l'e
Wenn wir Gleichung (3.77) mit Gleichung (3.52) vergleichen, erkennen wir, dass gilt 1 = 1'
(3.78)
A7 Cr
Wir benotigen fiir die Anwendung der Differentialgleichung (3.75) noch geeignete Randbedingungen. Gemafi der Boussinesq-Annahme gilt rt = /it • {du/dz). Beriicksichtigen wir diese Annahme in der Gleichung (3.77), erhalten wir fiir K die folgende Gleichung:
^l
1
p-h-n
(3.79)
.
Ersetzen wir weiterhin /it auf der linken Seite gemafi der Prandtl-Kolmogorov Annahme, erhalten wir die folgende Gleichung
p
1
'^i'^=\c^
K{x,y,z)
P'll-n
n
(3.80)
P'VCB
Mit Gleichung (3.80) konnen wir die Randbedingung fiir K berechnen. Ab der Stelle z = Across sind die konvektiven und diffusiven Glieder nicht mehr vernachlassigbar. Fiir z < Across gilt das Prandtlsche Mischungsweggesetz und fiir z > Across wird /it gemafi der partiellen Differentialgleichung (3.75) berechnet. rt in Gleichung (3.80) wird mit dem Prandtlschen Mischungswegansatz berechnet. Mit der partiellen Differentialgleichung (3.75) fiir die Turbulenzenergie haben wir erreicht, dass wir bei der Berechnung der Turbulenz an einer festen Stelle im Stromungsfeld den Einfluss der Turbulenz stromauf und stromab mitberiicksichtigen konnen. Allerdings ist wandnaher Bereich voll turbulenter Bereich OSS
^»^l
Abb. 3.13: Bereichseinteilung der turbulenten Innenstroniung
'y
236
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
die partielle Differentialgleichung immer noch abhangig von einer ortlichen algebraischen Gleichung fiir die Lange le. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Turbulenzdissipation e = /i • {du'-JdzY^ ahnlich wie die Turbulenzenergie K, von dem turbulent en Verhalten der Stromung an Stellen stromauf und stromab abhangig ist. Um die Turbulenzmodellierung beziiglich dieser physikalischen Vorstellung zu vervollstandigen, sind die Ein-Gleichungsmodelle auf die Zwei-Gleichungsmodelle erweitert worden. Zwei-Gleichungsmodelle Eines der bekanntesten Zwei-Gleichungsmodelle, das haufig in numerische Verfahren implementiert ist, ist das K — e Modell. Es besteht aus der partiellen Differentialgleichung (3.75) und einer weiteren Differentialgleichung, die die Turbulenzdissipation beschreibt. Wir nehmen wieder Bezug auf die Gleichung (3.74) und fiihren die vereinfachte Komponentenschreibweise ixi, x^ bzw. iXj, Xj mit i, j = 1, 2, 3 fiir ix, v^ w und x, y, z ein: dK
dK d'^K
d
dui —
'^•a^-a^^^'"''-^-
J
. 1^. . ^.
dx^
^
dK'
J
. . ^.
-U
dx^
J
"(Sji
p-«i'
Wir interessieren uns zunachst fiir den letzten Term auf der rechten Seite. Gemafi der vorausgegangenen physikalischen Interpretation steht er fiir die Dissipation der Turbulenzenergie K. Man beachte, dass sowohl der Index i als auch der Index j der Gleichung einem Summationsindex entspricht. Im vorangegangenen Abschnitt ist dieser Term mit einer algebraischen Gleichung modelliert worden. Nachfolgend wollen wir eine zweite partielle DifFerentialgleichung fiir die Dissipation der Turbulenzenergie entwickeln. Diese Gleichung beschreibt ausfiihrhcher die Dissipation als die bisher betrachtete algebraische Gleichung. Sie ermoglicht damit eine weiterfiihrende Modellierung der turbulent en Schwankungsgrofien. Die Dissipation e ist wie folgt definiert:
(3.82) Im Folgenden werden die Summenzeichen weggelassen. Zunachst entwickeln wir die Gleichung fiir die Schwankungsgroften. Dazu ersetzen wir in der Navier-Stokes-Gleichung wieder die Geschwindigkeiten U[ durch einen Mittelwert U[ und eine Schwankungsgrofie u[. Es gilt: Ui = Ui^u[
.
(3.83)
i steht wieder fiir die jeweilige Raumrichtung (i = 1, 2, 3). Setzt man die Gleichung (3.83)
237
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
in die Navier-Stokes-Gleichung, erhalt man: d{p -\- p')
(iXj + U\)
dx^
dx[
+ /i'
d\u,^u{) dx?
. (3.84)
Der Index j entspricht einem Summationsindex und i kennzeichnet die jeweilige NavierStokes-Gleichung fiir die entsprechende Raumrichtung. Durch einfaches Ausmultiplizieren und Umstellen der Gleichung erhalt man: du[ dt
dx J J dp
du[ , du\ , dw ^ dx^ ^ dx^ ^ dx^\ d'^Ui dp' d'^u[ dx? dx\ J
(3.85)
Subtrahiert man von dieser Gleichung die zeitlich gemittelte i-te Navier-Stokes-Gleichung, erhalt man die folgende Gleichung fiir die Schwankungsgroften: P'
dv{ dx\
dx\
""'+>•• 5 dxi dx\ dxf + " " :'••"•'
^ (3.86)
Die Gleichung (3.86) entspricht einer Transport gleichung fiir die TurbulenzmodelUerung. Eine Gleichung fiir die Dissipation der Turbulenzenergie erhalt man, indem die folgenden Schritte auf die Gleichung (3.86) angewendet werden: • Anwendung des Operators d/dx^ auf die i-te Gleichung. • Multiplikation mit du\/dx-y • Zeitliche Mittelung der resultierenden Gleichung. Mit der Durchfiihrung dieser Schritte erhalten wir die gesuchte partielle Differentialgleichung fiir die Dissipation e: de
^'ydt^^''
de
d
dx-J
dx;
J^
, du[ d^Uj J dx\ dx; ' dx\
du^ dx\
2 • /i du'- dp' p dx\ dx\ du^ du^ \ dx[ dx\
du'^ du'^ du'^ dx\ dx; dx; j = l,2,3
,
1 = 1,2,3
.
Die Grofte e' steht fiir du'^ du'^ dx; dx;
/ \
de
dx; du[ du[ dx^ dx^
d'^u'-^ dx; • dx^
(3.87)
238
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Die Gleichung (3.87) entspricht der exakten Gleichung fiir die Dissipation e. Es ist zu erkennen, dass sie nicht direkt gelost werden kann, da die zeitlichen Mittelwerte der rechten Seite nicht bekannt sind. Man ist also wieder darauf angewiesen, die rechte Seite durch passende Vereinfachungen zu modellieren. Das erste und zweite d i e d in der ersten runden Klammer auf der rechten Seite beschreibt die turbulente Diffusion von e. Die molekulare Diffussion von e wird durch das letzte GUed in der ersten Klammer ausgedriickt. In der zweiten Zeile der Gleichung (3.87) stehen die Gheder fiir die Produktion der Dissipation und in der letzen Zeile die Glieder fiir den Abbau der Grofie e. Die turbulente Diffusion von e (gemeint sind die ersten beiden Terme innerhalb der ersten runden Klammer auf der rechten Seite) wird in der Regel durch den Ausdruck C . ' ^ ^ ^ e dx\
(3.88)
modelliert, so dass gilt:
J
2 • /i du\ dp' p dx^ dx^
^
K^ de e dx[
Die Produktionsterme und Terme fiir die Vernichtung von e werden entsprechend der Fachliteratur mit -Gel ' —
'U['U^
K
^ dx
bzw. mit
c '" angegeben, so dass die Gleichung (3.87) in vielen Fallen durch die Gleichung 'de _ de ^ • ' at ' "'' dxi d f^
K^
de
de\
^
e
dui
^
e^
,^ „„,
mit j = 1, 2, 3 modelliert wird. Ce, Gel und Ce2 basicrcn auf experimentellen Untersuchungen. Sie sind nachfolgend wie folgt angegeben: Ce = 0.07...0.09
,
Gel = 1.41...1.45
,
Ge2 = 1.90...1.92
.
Die Herleitung der Gleichung (3.87) basiert auf den Navier-Stokes-Gleichungen. Durch die Modellierung der rechten Seite durch einfachere Ausdriicke verliert die Gleichung ihren Bezug zu den Navier-Stokes-Gleichungen und entspricht nur noch einer Gleichung der Turbulenzmodellierung bzw. der Modellierung der Dissipation e. Der Leser stellt sich
239
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
sicherlich die Frage, auf welchen tJberlegungen die Ausdriicke der rechten Seite der Gleichung (3.90) basieren. Diese Fragestellung gehort zu dem weiterfiihrenden Thema Turbulenzmodellierung und ist Gegenstand der Fachliteratur (siehe z. B. J. Piquet 1999). Wir beenden an dieser Stelle die Einfiihrung in die Turbulenzmodellierung. In diesem Abschnitt des Buches sollte der Leser einen ersten Eindruck von der Denkweise der Turbulenzmodellierung vermittelt bekommen. Wir haben gelernt, dass Turbulenzmodelle auf einfachen empirischen Vorstellungen und umfangreichen Experimenten beruhen. Die weitere Vertiefung dieser Kenntnisse insbesondere im Hinblick auf nichtlineare Mehrgleichungsmodelle und die direkte Stromungssimulation mit der sogenannten Large-EddySimulationsmethode ist Gegenstand des folgenden Kapitels (siehe auch H. Oertel jr., E. Laurien 2003).
3.2.4
Grobstruktursimulation
Die bisher beschriebenen Turbulenzmodelle gehen von einer Stromung isotroper Turbulenz aus. Darunter versteht man, dass die homogene turbulente Stromung keine Vorzugsrichtung oder Orientierung aufweist. Im Gegensatz dazu zeigt die Momentaufnahme der inhomogenen anisotropen turbulenten Stromung der Abbildung 3.14 mehrere miteinander gekoppelte Langenskalen, die gleichzeitig angeregt sind. Das Bild eines turbulenten Wasserjets illustriert Wirbelstrukturen unterschiedlicher Grofienordnungen mit zunehmender Komplexitat. Derartige turbulente Stromungen lassen sich mit den bisher
homogen isotrop Abb. 3.14: Turbulente Stromungen
inhomogen anisotrop
240
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
beschriebenen Turbulenzmodellen nicht berechnen. Auch ist der Reynolds-Ansatz (3.30) nicht mehr giiltig. Dies fiihrt zur direkten Simulation turbulenter Stromungen, die das vollstandige Spektrum turbulenter Stromungsstrukturen numerisch auch ohne Turbulenzmodell simulieren. Dabei werden die Navier-Stokes-Gleichungen (3.18) bzw. (3.20) ohne Turbulenzmodell gelost. Jedoch wird dies auch in Zukunft nur fiir einfache Geometrien und niedrige ReynoldsZahlen moglich sein. Daher scheidet diese Methode zur Durchfiihrung von praxisorientierten Berechnungen von Stromungen grower Reynolds-Zahlen aus. Sie kann lediglich zur Entwicklung und Uberpriifung von Turbulenzmodellen beitragen. Unterteilt man die turbulenten Strukturen von Stromungen hoher Reynolds-Zahlen in zwei Anteile, die grofiraumigen und die feinskaligen, so kommt man zu einer anderen Berechnungsmethodik. Die grofiraumigen Strukturen einer turbulenten Stromung werden in ihrer zeitlichen und raumlichen Entwicklung direkt simuliert und nur die feinskaligen Strukturen werden modelliert. Diese Methode wird als Grobstruktursimulation (Large-Eddy-Simulation) bezeichnet. Sie ist stets instationar und erfordert daher zeitgenaue Berechnungsmethoden, die in Kapitel 4.2 behandelt werden. Die raumhche Diskretisierung des Rechengebietes sowie die zeitliche Auflosung miissen geniigend fein gewahlt werden, so dass die Wirbelstrukturen aufgelost werden konnen. Man kann davon ausgehen, dass die grofiten Strukturen im Stadium ihrer Entstehung etwa den charakteristischen Abmessungen des Stromungsgebietes entsprechen und im Verlauf ihrer Weiterentwicklung zunehmend kleinere Strukturen erzeugen, welche in noch kleinere zerfallen. Die Bedeutung der grofiraumigen Strukturen fiir den turbulenten Austausch bleibt dabei erhalten. Misst man die Geschwindigkeitsfluktuationen in einer turbulenten Stromung an einem festen Ort mit hoher zeitlicher Auflosung, so enthalt das Signal die unterschiedlichen charakteristischen Zeitskalen aller in der Turbulenz enthaltenen Wirbel. Dieses Signal kann mit Hilfe einer Fourieranalyse in seine einzelnen Frequenzanteile aufgespalten werden (Abbildung 3.15). Bei dem so definierten Energiespektrum ist auf der horizontalen Achse die Frequenz / und auf der vertikalen Achse der zugehorige Energieinhalt aufgetragen. Die Frequenz / kann auch durch eine Wellenzahl a (Anzahl der Wellen oder Wirbel pro Langeneinheit) ersetzt werden, da die hochfrequenten Schwankungen von kleinen und die niederfrequenten Schwankungen von grofien Wirbeln erzeugt werden. Damit ist eine Grundlage fiir die Aufteilung in grof^e und kleine Wirbel gegeben. Ein typisches Turbulenzspektrum bei hohen Reynolds-Zahlen wird in Abbildung 3.15 in verschiedene Bereiche unterteilt. Der Bereich niedriger Frequenzen oder Wellenzahlen wird durch die grofiraumigen energietragenden Wirbel hervorgerufen. Hier findet die Erzeugung der Turbulenz statt. Diese Strukturen beinhalten auch die starkste Anisotropic, da sie im Stadium ihrer Entstehung eng mit der Geometric des Stromungsgebietes verbunden sind. Diese Strukturen werden bei der Grobstruktursimulation direkt, also ohne Turbulenzmodell, simuliert. Der Bereich mittlerer Frequenzen oder Wellenzahlen wird als der Tragheitsbereich bezeichnet. Hier findet der weitere Zerfall in immer kleinere Strukturen statt. Man kann zeigen, dass dafiir die nichtlinearen Tragheitsterme verantwortlich sind. Die Reibung ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Wahrend des Zerfalls wird die Turbulenz mehr
241
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
und mehr isotrop und die Geometrie des Stromungsgebietes tritt in den Hintergrund. Die Theorie isotroper Turbulenz besagt, dass die Energie E mit der Wellenzahl a wie E r^ a~^/^ abnimmt. Dies ist fiir zahlreiche Stromungen experimentell bestatigt worden. Der Tragheitsbereich ist umso ausgedehnter, je grower die Reynolds-Zahl ist. In diesem Bereich befindet sich die Grenze zwischen grofiraumigen und feinskaligen Strukturen im Sinne einer Grobstruktursimulation. Im Bereich hoher Frequenzen oder Wellenzahlen geht der Tragheitsbereich allmahhch in den Dissipationsbereich iiber, in dem der Abfall der Energie mit der Wellenzahl auf E r^ a -7/3 vom Betrag her zunimmt. Hier findet der Zerfall weiterhin statt. ZusatzHch spielt die turbulente Dissipation eine Rolle, da mit abnehmender Wirbelgrofie die Reibungseinfliisse gegeniiber den Tragheitseinfliissen mehr und mehr hervortreten. Dieser Grofienbereich wird nicht numerisch aufgelost sondern hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die grofiraumigen Strukturen mit Hilfe eines Feinstruktur-Turbulenzmodells modelliert. Eine Grobstruktur-Simulation beginnt, ausgehend von einer Anfangsbedingung, mit einer zeitlichen Phase der Stromungsausbildung in der grofiraumige Strukturen im Stromungsfeld instationar gebildet werden und dieses nach und nach ausfiillen. Danach wird die Stromung statistisch stationar. Das bedeutet, dass die zeitlichen Mittelwerte der Stromungsgrofien an jedem Ort im Stromungsfeld nicht mehr von der Grofie des Mittelungsintervalls abhangen. Das Ergebnis kann zeitlich gemittelt werden.
4
\
Steigung -5/3 1
—^\i Bereich der grol3raumigen Strukturen
<'
1
CD
O
PQ
r |
1 1 i | 1 1 1 1 Simulation
1
o 1 -^ 1
-
^i i\i\
Modell \j
1 1 1
1 1 1
\ i» 1
L
1
!
Abb. 3.15: Energiespektrum der Turbulenz
1^
242
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
GROBSTRUKTUR-TURBULENZ
FEINSTRUKTUR-TURBULENZ
wird von der mittleren Stromung erzeugt abhangig von Stromungsfeldgeometrie geordnet erfordert deterministische Beschreibung inhomogen anisotrop langlebig diffusiv schwierig zu modellieren
wird von der Grobstruktur-Turbulenz erzeugt universell stochastisch kann statistisch modelliert werden homogen isotrop kurzlebig dissipativ einfacher zu modellieren
Abb. 3.16: Eigenschaften der Grobstruktur- und der Feinstrukturturbulenz
Vergleicht man in Abbildung 3.16 die Grobstruktur-Turbulenz mit der FeinstrukturTurbulenz, so erkennt man, warum die Simulation der ersten und die Modellierung der zweiten methodisch giinstig ist. Die Schwierigkeit die geometrieabhangigen, inhomogenen und anisotropen Grobstrukturen zu modellieren wird durch ihre Simulation umgangen. Das Feinstrukturmodell ist einfacher und genauer als ein Turbulenzmodell, welches das gesamte Turbulenzspektrum modelliert. Die Feinstrukturturbulenz kann als universell homogen und isotrop sowie kurzlebig angesehen werden. Fiir die Beschreibung der Methode betrachtet man die raumUche Verteilung eines Messsignals f(t) entlang einer Koordinate x (Abbildung 3.17). Die Skizze lasst erkennen, dass sowohl grofiraumige als auch feinskalige Strukturen vorhanden sind. Zur Trennung dieser Strukturen nehmen wir eine mathematische Filterung vor. Diese bedeutet, dass an jeder
f(t)k
Abb. 3.17: Filterung einer Stromungsgrofie
3.2 Navier-Stokes Gleichungen (Erhaltung des Impulses)
243
Stelle X die Stromungsgrofie f mit einer Filterfunktion G(x') multipliziert und anschliefiend iiber Ax integriert wird: Ax 2
f(x,i) = ^ -
f i{x-x',t)-G{x-x')-dx'
.
Ax 2
Dabei ist x^ die zugehorige Integrations variable. Das gefilterte Signal entspricht der gestrichelten Linie. Es handelt sich nicht um eine stationare Grofie, wie bei der ReynoldsMittelung, sondern der gefilterte Wert ist selbst eine Funktion der Zeit. Die feinskaligen Schwankungen wurden jedoch herausgefiltert. Es sind unterschiedliche Filterfunktionen vorgeschlagen worden, von denen hier nur der Gaufi-Filter betrachtet werden soil (andere Filterfunktionen fiihren auf entsprechende Ergebnisse). Die Filterung wird in alien drei Raumrichtungen vorgenommen und die Filterfunktionen miissen bestimmten Anforderungen geniigen. Der Unterschied zur Mittelung besteht darin, dass vor der Integration noch mit der Filterfunktion multipliziert wird. Wie bei der Reynolds-Mittelung (3.30) wird nun jede lokale Stromungsgrofie als Summe von gefiltertem Wert und Schwankungswert aufgefasst. Z. B. erhalt man fiir die Geschwindigkeitskomponenten: Um{x, t) = Um{x, t) + u'^{x,
t)
,
wobei der gefilterte Wert iiberstrichen dargestellt ist. Im Unterschied zur Mittelung verschwindet die gefilterte Fluktuation nicht:
Unter Beachtung dieses Unterschiedes, kann die Herleitung der Grundgleichungen der Grobstruktursimulation nun analog zur Herleitung der Reynolds-Gleichungen durchgefiihrt werden. Das Ergebnis der gefilterten Grundgleichungen sowie Ansatze der Feinstrukturmodelherung finden sich in unserem weiterfiihrenden Lehrbuch Numerische Strdmungsmechanik Eine Einfiihrung in die Theorie der Grobstruktursimulation wird in dem Buch von P. Sagaut 2001 gegeben.
244
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
3.3 3.3.1
Energiegleichungen (Erhaltung der Energie) Larainare Stroraung
Die zeitliche Anderung der inneren und kinetischen Energie im Volumenelement = Y^ der durch die Stromung ein- und ausflieJ^enden Energiestrome + Y^ der durch Warmeleitung ein- und ausfliei^enden Energiestrome + Y der durch die Druck-, Normalspannungs- und Schubspannungskrafte am Volumenelement geleisteten Arbeiten pro Zeit + der Energiezufuhr von auJ^en + Arbeit pro Zeit, die durch das Wirken der Volumenkrafte verursacht wird. Wir leiten nun die Energiegleichung her. Dazu betrachten wir die zeitliche Anderung der Gesamtenergie E in dem infinitesimal kleinen Volumenelement. Die im Volumenelement befindliche Energie setzt sich aus der inneren Energie p - e - dx - dy - dz {e{J/kg}) und der kinetischen Energie p• {V'^/2) -dx-dy -dz = (1/2) • p• (ix^ -\-v'^ -\-w'^) • dx • dy • dz des Gases zusammen {v • v =: V'^). Die zeitliche Anderung der im Volumenelement befindlichen Energie lasst sich wie folgt ausdriicken: d p • ( e + Ky- I • dx • dy • dz dt
d P'[e^y^ dt
dx'dy-dz
.
(3.91)
Die im Volumenelement befindliche Gesamtenergie wird durch die nachfolgend aufgelisteten Vorgange geandert: • Durch die mit der Stromung in das Volumenelement hinein- und heraustransportierte innere und kinetische Energie pro Zeit. Wir bezeichnen diesen Anteil der Anderung nachfolgend mit d^. • Durch den Transport von Energie, die pro Zeiteinheit durch Warmeleitung in das Volumen ein- bzw. austritt. Diesen Anteil der Anderung bezeichnen wir nachfolgend mit dQ. • Durch die am Volumenelement durch die Druck-, Normalspannungs- und Schubspannungskrafte geleistete Arbeit pro Zeit. Wir bezeichnen diesen Anteil der Anderung nachfolgend mit dA. • Durch Energie pro Zeit, die von aufien dem im Volumenelement befindlichen Gas zugefiihrt wird. Dies kann z.B. durch Strahlung und/oder durch im Gas ablaufende Verbrennungsprozesse erfolgen. Wir bezeichnen diesen Anteil bzw. diese Anteile bezogen auf die im Volumenelement befindliche Masse zusammenfassend mit qs{J/{kg • s)}. • Durch die Arbeit, die am Volumenelement durch das Wirken der Volumenkraft k{N/m^} pro Zeit geleistet wird. Zu den Volumenkraften zahlen die Schwerkraft sowie magnetische und elektrische Krafte, die ggf. auf die Stromung wirken. Die zeitliche Anderung der Energie des im Volumenelement befindhchen Gases, die durch die Kraft k - dx - dy - dz bewirkt wird, entspricht der Leistung {k - v) - dx - dy - dz.
245
3.3 Energiegleichungen (Erhaltung der Energie)
Wir beginnen mit der Betrachtung von dE. In der Abbildung 3.18 sind die ein- und ausfliefienden Energiestrome dargestellt. Mit einer analogen Betrachtung wie bei der Herleitung der Navier-Stokes Gleichungen erhalten wir fiir den Term dE
dE^
P- \e+—]
-u
P- \e+—
-^ ox
] -u-
V
dx
) \
d{p.[e+y^\v) P-[(^ + —]
•«
p. (e + — ) •« +
• dy • dz-\-
dy
dy
• dx ' dz-\-
V P- \e+—
\ -w
'dz
dz
Ej, = p- [e^
Ey = p • ( e H
—- ] -u-dy
• dx ' dy
-dz
] • V • dx • dz
E^ = p ' ( e ^ —- ] ' w ' dx ' dy
p.^e + -yu+
•t^xAx
dx
dy • dz
J
\
f p.|e+^j-. +
E;vAy
^ - ^
V oz
V A b b . 3.18: Konvektive Energiestrome
• dx • dz
J d{p-{e+^)-w)
E.z,dz
d,
\ ' dx • dy
.
246
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Durch Vereinfachung erhalt man u)
d{P' d^
v)
d{p • e +
dx
dy
dip-
• w)
• dx • dy • dz
dz
(3.92)
/
Wir stellen nun die Gleichung fiir den Anteil dQ auf. Gemafi des Fourierschen Warmeleitungsgesetzes fliefit die Warmeenergie in Richtung abnehmender Temperaturen. Z.B. gilt fiir ein eindimensionales Warmeleitungsproblem die Gleichung ^ = — A • (dT/dx). q steht fiir den Warmefluss pro Flache {W/w?} und A fiir die Warmeleitfahigkeit {W/{m • K)}^ die im Allgemeinen von dem jeweiligen Fluid, dem Druck und der Temperatur abhangig ist. Wenden wir das Fouriersche Warmeleitungsgesetz zur Berechnung des Anteils dQ an, so erhalt en wir fiir den gesamten Energiefluss durch Warmeleitung in bzw. aus dem Volumenelement den nachfolgenden Ausdruck dQ
dT -A--— dx dT -A--— dy dT -A--— dz
dT dx dT dy — dz
d_ dx d dy d_ dz
-f)
• dx
• dy • dz+
-f)
'^y\
• dx • dz+ • dx • dy
OZ
.
(3.93)
Durch Vereinfachung erhalt man dx \
dx J
dy \
dy J
dz \
dz
' dx ' dy ' dz
(3.94)
Nachfolgend werden wir nun die Beziehungen fiir die durch die Druck-, Normalspannungsund Schubspannungskrafte am Volumenelement geleisteten Arbeiten aufstellen. Auf jeder Oberflache des Volumenelements wir ken drei Spannungen, die auf die Reibung zuriickzufiihren sind und der statische Druck. Die durch den Druck und die Spannungen resultierenden Krafte leisten Arbeit an dem Volumenelement. Die Arbeit pro Zeit, die wir auch als Leistung bezeichnen, ergibt sich jeweils aus dem Produkt der Geschwindigkeit und der Kraft, die in Richtung der jeweiligen Geschwindigkeitskomponente wirkt. Eine Arbeit pro Zeit wird mit einem positiven Vorzeichen beriicksichtigt, wenn die Geschwindigkeitskomponente in Richtung der Druck-, Normalspannungs- bzw. Schubspannungskraft zeigt. Trifft dies nicht zu, wird die Arbeit pro Zeit mit einem negativen Vorzeichen versehen. Wir wollen uns zunachst nur auf die Leistung dA^ beschranken, die dem Volumenelement iiber die beiden Oberflachen mit dem Flacheninhalt dy • dz zu- bzw. abgefiihrt wird. Fiir die verbleibenden Leistungen dAy und dA^ erhalten wir analoge Ausdriicke (s. Abbildung 3.4). Wir erhalten fiir dA^ gemafi der folgenden Rechnung den Ausdruck d{p ' dy ' dz ' u) dAx = p ' dy ' dz ' u — [ p - dy - dz - u -\• dx dx
247
3.3 Energiegleichungen (Erhaltung der Energie)
(7xx • dy • az • u^
/
T^cy'dy-dz'V^ A
A
1 1 d((7xx • dy • dz • u) a^x • dy • dz • u ^ ;; • dx dx d{rxy 'dy-dz'v) [r^cy'dy'dz'V • dx dx
, /
A
A
, ^(^^^
'dy-dZ'W)
^xz ' dy ' dz ' w -\- Txz ' dy ' dz ' w -\
;; dx
(3.95)
• dx
Durch Vereinfachung erhalt man d{p . u) , d{axx ' u) ^ d{rxy • V) ^ d{rx^ '-^Y y ^^ , ^^ , ^^ dx dx dx dx
dAx =
(3^^^)
Fiir die y- und z-Richtung erhalten wir entsprechende Ausdriicke fiir dAy und dAz- Sie lauten
djj>^^d{ry,^^^d{ayy^^djry^
dA„
dA,
dy
dy
dy
d(p' w) dz
d(rzx ' u) dz
dlTzy • v) dz
^^^^^ dy
d(azz ' w)\ dz
,
,
,
,^ ^r.^
dA ergibt sich nun aus der Summe von dAx, dAy und dA^. Wir konnen nun die Energiegleichung in ihrer vorlaufigen Form aufstellen. Der Leitsatz dazu lautet Die zeitliche Anderung der inneren und kinetischen Energie im Volumenelement = Y^ der durch die Stromung ein- und ausflieftenden Energiestrome + Y^ der durch Warmeleitung ein- und ausflieftenden Energiestrome + Y der durch die Druck-, Normalspannungs- und Schubspannungskrafte am Volumenelement geleisteten Arbeiten pro Zeit + der Energiezufuhr von aui^en + Arbeit pro Zeit, die durch das Wirken der Volumenkrafte verursacht wird. Gemafi des Leitsatzes und den Gleichungen (3.91), (3.92), (3.94), (3.96), (3.97), (3.98) sowie den Ausdriicken {p - q^) - dx - dy - dz und {k - v) - dx - dy - dz lautet der Energiesatz in seiner vorlaufigen Form (der Term dx - dy - dz kiirzt sich auf beiden Seiten heraus)
dip- e +
)
dt ^d{p-
•u) u)
6»aC
d{p '
[e + Jf dy
•v)
—+
d{p' e + dz
• w)
248
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
d_ dz dx [ dx u)_ d{rxy • v) d{p' u) dx dx dx d{ay V) d{p ' v) d{ryx ' u) dy dy ^ dy d{p ' w) d{Tzx ' u) d{Tzy ' v) dz dz dz
— \\
—
d_
— + dz d{rx^ • w) dx
— dy ^
dy
^ d(Ty^ ' W)
dy k'V^
dz
(3.99)
P'Qs
Die Gleichung (3.99) beinhaltet bereits die vollstandige Physik und es bleibt nun die Aufgabe iibrig, die Energiegleichung in eine fiir das weitere Arbeiten geeignetere Form zu iiberfiihren und fiir die Normal- und Schubspannungen die entsprechenden Ausdriicke gemafi des Stokesschen Reibungsgesetzes (3.16) einzusetzen. Zuerst werden wir die Gleichung (3.99) in eine andere Form bringen. Durch Umformen und Differenzieren erhalten wir die folgende Gleichung dp dt de_ dx
y^
e+ de dt
+
d{p ' u) d{p ' v) dx dy de_ de_ dy + w • dz +
d{p ' w) dz
y:-^\ ~T
(f,(v ~T dt dT d_ Adx dx
+ dy
p • (V • tJ) -
dp dx
dx
^xy ' k'V^
d_
dr,yx
dr.
dy
dz
dr.j.
dcJzz
dx + dy dv dv o "•" ^yy ' o dx dy P'Qs
A-
dz "rTzy
-\- w •
dy
dx dT dy dp dy
dz
d_ dT Adz dz dp dz + dr xy
^V-
+
dx du
~r O'xx ' T ;
da.yy
dT: zy
dy
dz
OX
dv dz
du dz
du ~r Tyx ' Tr~
oy
dw dx
dw dz +
dw dy
(3.100)
.
Der erste Summand in der Gleichung (3.100) ist wegen der Kontinuitatsgleichung (3.1) gleich Null. Ebenfalls konnen wir den dritten Summanden der linken Seite der Gleichung (3.100) und die Terme dp dx dr^xy dx
dp ay
dp az dr
dy
+
zy_
dz
ddxa
dx w
dr.
+
dr dz
dy
dTxz
dr.yz
dcFzz
dx
dy
dz
k 'V
249
3.3 Energiegleichungen (Erhaltung der Energie)
herausstreichen. Die fiir diese Vereinfachung dazugehorige Rechnung soil hier nicht vorgefiihrt werden. Sie wird nachfolgend nur kurz beschrieben. • Man multipliziert die erste Gleichung (3.13) mit u, die zweite Gleichung (3.14) mit V und die dritte Gleichung (3.15) mit w. • Danach addiert man die so erhaltenen Gleichungen und erhalt eine resultierende Gleichung, die man von der Gleichung (3.100) wiederum subtrahiert. Dabei fallt der Term k • v heraus. Wenn wir die genannte Rechnung mit Gleichung (3.100) durchfiihren, erhalten wir die folgende Energiegleichung P'
de
de
de
dt
dx
dy
d r _d_ r dT^ dx dy dx du du ox -r, dw dv
de w •
dT^ dy du
dz d r dz
dT^ dz dv dy
dv
dw oy
''''
dv dz^
dw oz
(3.101)
Es bleibt nun nur noch iibrig, in die Gleichung (3.101) die Normal- und Schubspannungsterme gemafi des Stokesschen Reibungsgesetzes (3.16) einzusetzen. Mit einer weiteren einfachen Rechnung erhalt man dann die Energiegleichung in der endgiiltigen Form. Sie lautet de
de
de
de
dt
dx
dy
dz (3.102)
d dx
dT' dx
d dy
dT' dy
d dz
dT' dz
- p • (V • tJ) + p • ^s + /i • ^
mit der Dissipationsfunktion ^ $ = 2-
r+ l" dv\
f dw \
' /du\
f dv \dx
du^ \ dyj '
f dw \dy
dv \ dz J . (3.103)
/ du
\dz
2 / du dx J " 3 ' \ dx
dw \
dv dy
dw \ dz J
Diese enthalt nur quadratische Glieder und ist deshalb an jeder Stelle im Stromungsfeld grower als Null. Sie bedeutet physikalisch die Umwandlung von Reibungsverlusten in Warmeenergie, die aufgrund der quadratischen Terme irreversibel ist. Bei der Herleitung der Energiegleichung haben wir bis jetzt noch keine Einschrankungen gemacht. Sie gilt noch vollkommen allgemein und beschreibt den Energiehaushalt in
250
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
einem kleinen Volumenelement auch fiir Stromungen, in denen z.B. chemische Prozesse ablaufen oder, was gleichbedeutend ist, Verbrennungsprozesse stattfinden. Wir haben nur vorausgesetzt, dass die Stromung homogen ist (es diirfen also z.B. keine Rufipartikel in der Stromung vorhanden sein) und, dass das Fluid ein Newtonsches Medium ist. Nachfolgend werden wir nun die Energiegleichung speziell fiir kalorisch perfekte Gase aufstellen. Fiir ein kalorisch perfektes Gas sind die spezifischen Warmekapazitaten Cp und Cy keine Funktion der Temperatur und es gelten die folgenden thermodynamischen Beziehungen /i = e + P
Cv'T
Cp'T
oder p
Cn'T
(3.104)
P Mit Gleichung (3.102) und (3.104) erhalt man nach einer kleineren Rechnung unter Ausnutzung der Kontinuitatsgleichung (3.1) die Energiegleichung fiir ein kalorisch perfektes Gas rOT \dt
^
(dp , \dt ^ ^
i-
dT dx
dT dy
dp , dx ^ ^
dp , dy ^ ^
dT' dx
dT\ dz J dp\ dz)
d dy
\dx
, ^
dT' dy
(3.105) d dz
dT' j + p • ^s + /i • ^ . dz
Mit der Boussinesq-Approximation, die wir fiir Stromungen mit Warmetransport in Abschnitt 3.2.1 eingefiihrt haben, erhalt man die Energiegleichung in der folgenden Form: A-AT
3.3.2
(3.106)
Turbulente Stromungen
Als Nachstes wollen wir nun die Energiegleichung zeitlich mitteln. Dabei beschranken wir uns auf kalorisch perfekte Gase und kommen wieder auf die Gleichung (3.105) zuriick. Bevor sie zeitlich gemittelt wird, werden wir ihre rechte Seite noch modifizieren. Durch Erweitern der linken Seite der Gleichung (3.105) durch die Unke Seite der Kontinuitatsgleichung (3.1) und die anschliefiende Zusammenfassung erhalten wir (der Index i steht wieder fiir die drei Raum- bzw. Geschwindigkeitsrichtungen) dT p-Cp
dT P'Cp
dx[
-T-u,)
d{P' dt
dx[
dt
^ dx[J
^
\dt
dx[
251
3.3 Energiegleichungen (Erhaltung der Energie)
Die Energiegleichung kann also wie folgt geschrieben werden d{p ' Cp ' T)
d{p ' Cp ' T ' u)
+
dt dp dt
dp dx dT d_ Adx dx
d_ dy
d{p • Cp -T • v)
d{p • Cp -T • w)
+
dy
dx dp dy
dz
dp dz
A-
dT d_ Adz dz
dT dy
(3.107)
^
P'Qs
^ ist die Summe der folgenden Produkte (vgl. dazu (3.101)) du
du
du
dw dx
dw dy
dw dz
dv
dv
dv
Wir mitteln nun die Energiegleichung und setzen dafur in die Energiegleichung die Grofien u, V, w, p und T gemafi den Gleichungen (3.30) ein. Dadurch erhalten wir die folgende Gleichung (wir verwenden wieder die abkiirzende Schreibweise) , a ( p . c ^ . ( T + T^0-(^i + O ) dx\
d{p-Cp-{T^T^)) dt
^^-•^-""••^)M^
A-
d{f + T'O
+ (P + P O - ^ S + ^ . ( 3 . 1 0 8 )
dx\
Mit der Anwendung der bereits bekannten Rechenregeln erhalten wir die zeitlich gemittelte Energiegleichung fiir kalorisch perfekte Gase d{p'Cp'T)
^ d{p'Cp'T'u)
dt
d{p'Cp'T'v)
dp ox
dp ay
d L dx \
dT dx
dT' dx
d I
dT
, dT"
d dT dT" A • ^ ^ + A • dz \ dz dz—
d{p'Cp'T'w)
dy
dx
dp at
^
dp oz
„ dp ox -
dz „ dp ay
,, dp oz
(3.109)
^ — — — - \
\ Cp'P'T"
'W"\^p'q^^^
mit du]^ du[ _ du]^ du'^ _ du[ c^kk • T; \- Tij • T— = CTkk • T; h crkk • T; h TIJ • ox\ axk oxy^ ox\ axk
du" . h rij • —— ox\
(3.110)
252
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Fiir die zeitlich gemittelten Normal- und Schubspannungen crkk bzw. rij gelten die Gleichungen (3.41) und (3.42). Die Gleichung (3.109) enthalt auf der rechten Seite drei zusatzliche Terme. Weiterhin hat sich die Anzahl der Glieder von ^ im Vergleich zu ^ verdoppelt. Es ist nicht schwer, die Herkunft der zusatzlichen Ausdriicke nachzuvollziehen. Der Term d{cp • p -T'' • u'-^)/dx-^ riihrt wieder von den nichtlinearen, konvektiven Ghedern her. Er beschreibt in der Energiegleichung den zusatzUchen Energietransport, der durch die turbulenten Schwankungsbewegungen hervorgerufen wird. Bevor wir diesen Abschnitt beenden, wollen wir noch die zeitUch gemittelte Energiegleichung fiir inkompressible Stromungen angeben. Zur Berechnung der Stromungsgrofien u^ V, w und des Druckes p reichen die Gleichungen (3.44) bis (3.47) vollstandig aus. Ist jedoch dariiberhinaus die Temperaturverteilung im Stromungsfeld von Interesse, so muss zusatzhch die Energiegleichung gelost werden. Bei der Berechnung von inkompressiblen Stromungen ist die Energiegleichung von der Kontinuitatsgleichung und den Impulsgleichungen entkoppelt, d.h. man kann zuerst die Gleichungen (3.44) bis (3.47) losen und benutzt anschUefiend mit der Kenntnis von u, v, w und p die Energiegleichung zur Bestimmung des Temperaturfeldes. Die Energiegleichung fiir ein inkompressibles Medium lautet mit c = c^ P'C-
d /
dT ~dt dT
d{T . u) dx
d{T . v)
——-\
dy
d /
dT
ai ^-a^-^-^-^'-^'
p-(ls
d{T • w) dz dT
——-
(3.111)
m
Wir kommen nun auf unser urspriingliches Problem zuriick, das wir uns am Anfang dieses Kapitels gestellt haben. Es sollten die Gleichungen zur Berechnung der inkompressiblen Fahrzeugstromung sowie der kompressiblen Tragfliigelstromung aufgestellt werden. Nachfolgend wollen wir die Anwendungen der Gleichungen auf die genannten Probleme erlautern. • Die inkompressible Fahrzeugumstromung Mit der Kontinuitatsgleichung (3.2) und den Navier-Stokes Gleichungen (3.19) haben wir vier Gleichungen fiir die vier Unbekannten u, v, w und p zur Verfiigung. Die Zahigkeit /i setzen wir als bekannt und nicht abhangig von der Temperatur voraus. Die Navier-Stokes Gleichungen (3.19) sind nichtlinear und von zweiter Ordnung. Die Losungsverfahren dieses Systems partieller Differentialgleichungen werden in Kapitel 4. erlautert. • Die kompressible Tragfliigelstromung Bei der Berechnung von kompressiblen Stromungen muss neben den Grofien u, v,
3.3 Energiegleichungen (Erhaltung der Energie)
253
w und p noch die Dichte p in Abhangigkeit von den drei Koordinaten x, y und z berechnet werden. Mit der Kontinuitatsgleichung (3.1), den Navier-Stokes Gleichungen (3.18) und der Energiegleichung (3.105) haben wir fiinf Gleichungen fiir die fiinf Unbekannten u, v, w, p und T zur Verfiigung. Die Dichte konnen wir nach der Berechnung der zuletzt genannten Grofien mit der thermischen Gasgleichung p=
P'R'T
berechnen. Auch diese Gleichungen sind, wie die Gleichungen fiir inkompressible Stromungen, nichtlinear und konnen in der Regel fiir technische Probleme nur mit numerischen Verfahren auf leistungsfahigen Rechnern gelost werden. Die Losungsmethoden werden wiederum in Kapitel 4. behandelt. Insbesondere bei der Berechnung von kompressiblen Stromungsfeldern muss die Stromungsphysik mitberiicksichtigt werden. So wissen wir bereits, dass in kompressiblen Stromungen Verdichtungsstofie auftreten konnen, iiber die sich die Stromungsgroften unstetig andern. Jedoch sind unsere aufgestellten Differentialgleichungen an der Stelle solcher Unstetigkeiten nicht giiltig, so dass sich nun die Frage stellt, wie man an diesen Stellen die Stromung berechnen kann. Es gibt in der numerischen Stromungsmechanik geeignete Techniken, Unstetigkeiten im Stromungsfeld zu beriicksichtigen. Diese Techniken werden spater einfiihrend vorgestellt. • Die heiJ^e korapressible Stromung Das Gas der kompressiblen Tragfliigelstromung kann als kalorisch ideales Gas angenommen werden. Wird jedoch die Zustrom-Mach-Zahl groft (Moo > 2) oder sogar sehr groft (Moo > 5), so verhalt sich das Gas nicht mehr kalorisch perfekt. Diese Falle treten z.B. bei der Umstromung von Uberschallflugzeugen (z.B Concorde) und Raumfahrtfluggeraten (z.B. Space Shuttle) auf, die die Erdatmosphare verlassen oder wiedereintreten. In solchen Fallen kann die Energiegleichung (3.105) fiir kalorisch perfekte Gase nicht mehr angewendet werden. Es muss dann die allgemeingiiltigere Energiegleichung (3.102) zur Losung des Problems herangezogen werden. Weitere Beziehungen fiir die innere Energie e sowie fiir die Werte der Zahigkeit /i und der Warmeleitfahigkeit A miissen der Thermodynamik entnommen werden. Hier beginnt das interessante Gebiet der Aerothermodynamik, das die Stromungsmechanik idealer Gase mit der Chemie heifier Gase verkniipft. Fiir viele Probleme der Aerothermodynamik reichen die hier aufgestellten Gleichungen wegen der Hochtemperatureffekte nicht mehr aus und sie miissen deshalb fiir die Aufgaben und Fragestellungen der Aerothermodynamik erweitert werden (s. dazu H. Oertel jr. 1994, 2005). • Stromungen mit Warmeiibertragung Fiir die freie und erzwungene Konvektionsstromung, die wir in Kapitel 2.4.7 eingefiihrt haben, kann die Boussinesq-Approximation angewendet werden. Sie besagt, dass die Stoffgrofien als konstant vorausgesetzt werden und lediglich die Temperaturabhangigkeit der Dichte (3.23) p{T)=po-[l-a-{T-n)] im Auftriebsterm beriicksichtigt wird. Daraus resultieren wiederum fiinf vereinfachte nichtlineare Differentialgleichungen fiir die fiinf unbekannten ix, v, w, p und T.
254
3.4
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Grenzschichtgleichungen
Ludwig Prandtl hat im Jahre 1904 in seiner beriihmten achtseitigen Arbeit (vgl. L. Prandtl 1961) nachgewiesen, dass sich bei der Umstromung von Korpern bei grofien ReynoldsZahlen {RCL > 10^) die Reibungseffekte auf eine sehr diinne Schicht um den Korper beschranken. Aufierhalb dieser Schicht, die wir Grenzschicht nennen, kann die Stromung als reibungsfrei angenommen werden. Die Dicke der Grenzschicht ist abhangig von der Reynolds-Zahl. Bei der Profilumstromung besitzt sie z.B. bei einer Reynolds-Zahl von RCL = p • u^o • L/fi ^ 10^ — 10^ an der Hinterkante eine Dicke von ungefahr 5% der Profillange L vorausgesetzt, dass die Grenzschicht stromung turbulent ist. Eine laminare Grenzschicht ist wesentlich diinner. Fiir die Stromung aufierhalb der Grenzschicht vereinfachen sich die Navier-Stokes-Gleichungen auf die Euler-Gleichungen, da die Reibungsglieder fiir diesen Teil der Stromung verschwinden. Die Navier-Stokes Gleichungen lassen sich ebenfalls fiir die Grenzschichtstromung vereinfachen. Wie wir nachfolgend sehen werden, konnen wir fiir die Grenzschichtstromung in den Navier-Stokes-Gleichungen gewisse Terme vernachlassigen, da sie im Vergleich zu den iibrigen Ghedern der Gleichungen eine Grofienordnung kleiner sind.
3.4.1
Inkompressible Stromungen
Um die Grenzschichtgleichungen aus den Navier-Stokes-Gleichungen ableiten zu konnen, fiihren wir eine Grofienordnungsabschatzung der einzelnen Glieder der dimensionslosen Navier-Stokes-Gleichungen durch. Wir wollen uns zunachst mit der Grofienordnungsabschatzung vertraut machen und betrachten dazu die horizontale Geschwindigkeitskomponente u* = u/uoo der Plattengrenzschichtstromung (Abbildung 3.19). Wir gehen zunachst davon aus, dass die Grenzschicht stromung zweidimensional, inkompressibel und stationar sei. Spater betrachten wir dann das komplexere dreidimensionale Stromungsproblem. Die dimensionslosen Stromungsgrofien ix*, w"^ und p* erfiillen zusammen die nachfolgenden dimensionslosen Navier-Stokes-Gleichungen und die KontiT-T^ T -T
L''' 1
y
—r^
^
^ n ^T
\J.J L/
—
L
Abb. 3.19: Plattengrenzschichtstromung
U
3.4 Grenzschichtgleichungen
255
nuitatsgleichung (s. Gleichung (3.165)). Die Gleichungen lauten unter Vernachlassigung der Volumenkrafte k[ dx*
5x*
dz*
(3.112)
dz* dp* 5x*
1 RCL
dp* 5z*
RCL
d^u*
d^u*
5x*
5z*
1
(3.113)
(3.114)
mit -) .* =
=-4 • '
P'Uoo
' L
RCL
w =
^ '^oo
, '^oo
L entspricht der Lange der Platte und
IXQO
p p
/2
steht fiir die Anstromgeschwindigkeit.
Bei der Durchfiihrung der Grofienordnungsabschatzung interessiert uns nicht, ob die einzelnen Glieder sich durch einen Faktor von drei, vier etc. unterscheiden. Wir wollen die Unterschiede in den Grofienordnungen (Faktor zehn oder mehr) der einzelnen Glieder herausfinden. Um mit der Grofienordnungsabschatzung vertraut zu werden, betrachten wir den Differentialquotienten du*/dx*, der in den Gleichungen (3.112) und (3.113) steht. Betrachten wir z.B. die Stellen 1 und 2 in Abbildung 3.19, an denen die Grofie u* ungefahr 1.0 (Stelle 1) bzw. 0.1 (Stelle 2) ist, so lasst sich der Differentialquotient du*/dx* wie nachfolgend gezeigt abschatzen I du* f),,* I
dx*
^
I 00. 11 -- 11 I
0.5-0
1.8
.
Die Grofie du* /dx* nimmt also im dimensionslosen Rechengebiet Zahlenwerte zwischen 1 und 10 an. Sie ist also von der Grofienordnung Eins. Bei unserer weiteren Abschatzung gehen wir davon aus, dass die Grenzschichtdicke 8 klein und von der Grofienordnung e ist, wobei e fiir eine kleine Grofienordnung steht. Diese Annahme ist insofern richtig, als wir im Experiment beobachten konnen, dass bei grofien Reynolds-Zahlen i?e > 10^ die Grenzschichtdicke 5 sehr viel kleiner als z. B. die Profillange L ist. Mit dieser Kenntnis konnen wir nun den zweiten Differential quotient en dw* /dz* in der Kontinuitatsgleichung abschatzen. Die Grofie z* kann in der Grenzschicht nur Werte der Grofienordnung e annehmen. Da du* /dx* die Grofienordnung Eins besitzt und deshalb auch dw* /dz* von der Grofienordnung Eins sein muss (sonst kann die Kontinuitatsgleichung nicht erfiillt sein), muss auch die Grofie w* von der Grofienordnung e sein. Wir
256
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
erhalten also die folgende Abschatzung aix* dx* 1
+ a^* 5z* e e
Die Geschwindigkeitskomponente w* ist also sehr klein und die Kontinuitatsgleichung bleibt fiir die Grenzschichtstromung weiterhin unverandert bestehen. Wir konnen nun dazu iibergehen, die Glieder der Navier-Stokes Gleichungen abzuschatzen. Gemafi unserer vorigen Uberlegungen erhalten wir die folgende Abschatzung (unter den Gleichungen sind jeweils die Grofienordnungen der einzelnen Glieder angegeben)
1
1 e • - = e
1
2o
/
1
1
-Q-^ e 1
e e
29
/ e ( V I
)
•
(3-116)
e c2
Beziiglich der Abschatzung ist Folgendes zu erganzen: • Wir setzen voraus, dass die Reynolds-Zahl so grofi ist, dass der Ausdruck mindestens von der Grofienordnung e^ klein ist.
I/RCL
• In der Gleichung (3.116) besitzt der Druckgradient dp*/dz* die Grofienordnung e, da alle anderen Glieder in der Gleichung von dieser Grofienordnung sind. • Wir konnen also Gleichung (3.116) bei der Berechnung der Grenzschichtstromung streichen und davon ausgehen, dass sich der Druck p in z-Richtung kaum andert. Es gilt also fiir die Berechnung p ^ f{z). • Der Druckgradient {dp*/dx*) = (dp*/dx*) besitzt die Grofienordnung Eins. Betrachten wir die Gleichung (3.115) fiir den Bereich des Grenzschichtrandes, wo die reibungsbehaftete Stromung in die reibungslose Stromung iibergeht, so konnen wir die Reibungsglieder vernachlassigen. Da die Gleichung (3.115) auch am Grenzschichtrand erfiillt ist und die linke Seite die Grofienordnung Eins besitzt, ist auch der Druckgradient dp*/dx* von der Grofienordnung Eins. • Aus der Grofienordnungsabschatzung fiir die Gleichung (3.115) geht hervor, dass die zweite Ableitung in x*-Richtung sehr klein ist und in der Gleichung vernachlassigt werden kann.
257
3.4 Grenzschichtgleichungen
Wir gehen wieder zu den dimensionsbehafteten Grofien iiber und nutzen die Kenntnisse der Grofienordnungsabschatzung zur Formulierung der Grenzschichtgleichungen. Sie lauten fiir eine zweidimensionale, inkompressible und stationare Grenzschichtstromung (Abbildung 3.20) du dx
f
'/=0 oz
dw dz
(3.117)
du
du\
dp dx
d^u dz'^
.
(3.118)
(3.119)
Der Druckgradient dp/dx kann in der Gleichung (3.118) als bekannt vorausgesetzt werden. Weiter unten wird beschrieben, wie er ermittelt werden kann. Die Grenzschichtgleichungen (3.117) und (3.118) sind also zwei Gleichungen fiir die zwei Unbekannten u und w^ wenn wir die Gleichung (3.119) nicht mitberiicksichtigen. Um den Druckgradient en dp/dx zu ermitteln, betrachten wir eine Stromlinie entlang des Grenzschichtrandes einer Profilumstromung (Abbildung 3.20). Da auf dem Grenzschichtrand die Reibungseffekte verschwinden, gilt in einer gewissen Umgebung die eindimensionale Euler-Gleichung. Sie lautet entsprechend Kapitel 2.3.3 P'U,
dU, dx
dp dx
(3.120)
UQ = u{8) steht fiir die Geschwindigkeit am Grenzschichtrand. Sie berechnet sich mit der Theorie der reibungsfreien Aufienstromung, auf die wir im nachfolgenden Abschnitt zu sprechen kommen. Zur Berechnung der Grenzschichtstromung benotigen wir noch geeignete Randbedingungen fiir die partiellen Differentialgleichungen (3.117) und (3.118). Auf der Kontur, also fiir z = 0, gilt die Haftbedingung ix(z = 0) = 0 und w{z = 0) = 0. Am Grenzschichtrand nimmt die ix-Geschwindigkeitskomponente den Wert UQ an die, wie bereits erwahnt, mit der Theorie fiir reibungslose Stromungen berechnet wird. Die Grenzschichtdicke 5 ist schwer definierbar, da sich die Grofie u bekanntlich asymptotisch in z-Richtung dem Wert UQ annahert. Deshalb wird beziiglich dieser Randbedingung des ofteren in der Literatur die mathematische Formulierung
Stromlinie (reibungsfrei)
Abb. 3.20: Zweidimensionale, inkompressible Grenzschich
258
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
lim u{x, z) =
UQ{X)
verwendet. Mit den Gleichungen (3.117) und (3.118) konnen wir das Stromungsproblem vollstandig losen. Fiir die Berechnung der T e m p e r at urgrenzschicht benotigen wir jedoch noch eine weitere Grenzschichtgleichung, die wir wiederum durch eine Grofienordnungsabschatzung der einzelnen Glieder der Energiegleichung (3.111) erhalten. Da wir weiterhin eine zweidimensionale inkompressible und stationare Grenzschicht betrachten, vereinfacht sich die Gleichung entsprechend. Wir vernachlassigen wieder die Volumenkrafte k[ und den Warmestrom q. Um die Grofienordnungsabschatzung durchfiihren zu konnen, iiberfiihren wir die Gleichung (3.111) in die nachfolgende dimensionslose Form. Dazu fiihren wir die zusatzliche dimensionslose Grofie 0 ein, die wie folgt definiert ist T —T Troo
Tw und Too stehen fiir die Temperatur der Platte bzw. fiir die Temperatur der Anstromung. Die entsprechende dimensionslose Form der Energiegleichung lautet (der Leser sollte die entsprechende Rechnung dazu selbst durchfiihren) , 9 0 ax*
,
dO az*
Die Grofien Re, Pr und Ec stehen der Reihe nach fiir die Reynolds-, Prandtl- und EckertZahl. Sie sind wie folgt definiert D
p'Uoo'
ReL =
L
Cp' fi
,
Proo = - ^
/^
^
,
Ec = 2'
^
To -
Too
—-
.
-i-w ~ -l-oo
In der Gleichung zur Definition der Eckert-Zahl Ec steht To fiir die Gesamttemperatur. Beachte beim Durchfiihren der Rechnung zur Uberfiihrung der Energiegleichung in die dimensionslose Form, dass gemafi des Energiesatzes der Thermodynamik die Gleichung rp
rp
P
gilt. ^* ist die dimensionslose Dissipationsfunktion. Sie lautet entsprechend ^* = 2 -
—+2- — + ' dx* J \ dz* J \ dx*
dz*
Bei der Grofienordnungsabschatzung gehen wir wieder davon aus, dass I/RCL von der Grofienordnung e^ ist und, dass die Prandtl- und Eckert-Zahl von der Grofienordnung Eins sind. Es gibt Anwendungen, bei denen die Prandtl- oder Eckert-Zahl eine Grofienordnung
259
3.4 Grenzschichtgleichungen
grofier oder kleiner als Eins sein konnen. In der Mehrzahl der Anwendungen treffen unsere Annahmen jedoch zu. Mit den getroffenen Annahmen erhalten wir nun die folgende Grofienordnungsabschatzung fiir die Energiegleichung (3.121) dO
,
1 e • e
1
Ec 1
dO
(
* dp dz
* ^P*
1
=
+ RcL
d^O
1 ' Pro
dx*
1
1
^ )
Fiir den letzten Summanden der rechten Seite erhalten wir die nachfolgende Grofienordnungsabschatzung Ec
.^*
Ec
2-
dx*
+2.
dz""
dx*
+2
• dx*
h dz* 1
V dz* 1
Die Grofienordnungsabschatzung fiir den Differentialquotienten 86/dx"" erfolgt in analoger Weise zur Abschatzung von du* /dx*. 6 besitzt auf der Kontur den Wert 1 und am Grenzschichtrand fiir die Plattenstromung den Wert 0. Gemafi der Grofienordnungsabschatzung erhalten wir aus der Energiegleichung fiir die Temperaturgrenzschicht die nachfolgende Gleichung. Sie schreibt sich mit den dimensionsbehafteten Grofien wie folgt p
Cp
f ("
dT dT\ dx + w dz)
d^T dp = u dx + A dz'^ + /i-
/(97/,^
[dz, )
2
(3.122)
Fiir die Gleichung (3.122) benotigen wir noch zwei Randbedingungen fiir die Grofie T. Betrachten wir eine Kontur mit einer bekannten Temperatur T^, so lauten die beiden Randbedingungen T(x, z =
0)=T^
lim T(x, z) = Te
Betrachten wir hingegen eine Kontur, in die ein bekannter Warmestrom q fliefit, so lauten die Randbedingungen entsprechend dT dz
z=0
A
lim T(x, z) = Te
Die Temperatur TQ am Grenzschichtrand wird mit der reibungslosen Theorie ermittelt, auf die wir im nachfolgenden Kapitel eingehen werden.
260
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Von den Grenzschichtgleichungen der Stroraungen mit Warraeubertragung haben wir bereits in Kapitel 2.4.7 Gebrauch gemacht. Fiir die freie Konvektionsstromung der beheizten vertikalen Platte fuhrt man die Grenzschichttransformation ein:
7/
•Gr
^g-a-L-iT^-T^)
1
tn
^
^g • a-L • {T^-T, OO J
Damit werden die Grenzschichtgleichungen unabhangig von der Rayleigh- bzw. GrashofZahl. Es ergibt sich mit der Boussinesq-Approximation und unter Vernachlassigung der Dissipation das Gleichungssystem: 5ix*
dw''
5x*
5z*
dx* dT* dx*
. • w
0
dz* dT* dz*
dx*^ 1 a^T* Pr OO dx*'^
Der Energie- und Impulsausgleich ist iiber die Temperatur T* im Auftriebsterm gekoppelt. Die Temperaturverteilung der freien Konvektionsstromung erzeugt demzufolge die Geschwindigkeitsverteilung. Fiir die erzwungene Konvektionsstromung der beheizten langs angestromten Platte der Abbildung 3.19 vereinfachen sich die Grenzschichtgleichungen (3.119) und (3.122) unter der Voraussetzung der Boussinesq-Approximation und Vernachlassigung der Dissipation: dx*
dz*
aix*
^ aix*
dx* dT* dx*
dz* dT* dz*
,
0
,
dp*
1
a^ix*
dx* RCL dz""^ 1 d^T* Pr OO • RGL dz""
Statt der Grashof-Zahl charakterisiert bei der erzwungenen Konvektionsstromung die Reynolds-Zahl die Grenzschichtstromung mit Warmeiibertragung. Fiir die Giiltigkeit der Grenzschichtgleichungen muss zusatzhch zu RCL > 1, RCL • Proo > 1 gefordert werden. Die Kontinuitats- und Impulsgleichungen sind jetzt von der Energiegleichung entkoppelt. Damit kann die Stromungsgrenzschicht unabhangig von der Temperaturgrenzschicht berechnet werden. Bis jetzt haben sich unsere Betrachtungen auf zweidimensionale laminare Grenzschichten beschrankt. Nachfolgend werden wir die entsprechenden Erweiterungen der Gleichungen auf turbulente zweidimensionale Grenzschichten diskutieren. Um die Gleichungen zur Berechnung einer turbulent en Grenzschicht aufzustellen, miissen wir eine Grofienordnungsabschatzung fiir die einzelnen Terme der Reynolds-
261
3.4 Grenzschichtgleichungen
Gleichungen durchfiihren. Diese lauten fiir eine zweidimensionale Grenzschicht unter Vernachlassigung der Volumenkrafte in dimensionsloser Form (Gleichungen (3.44) bis (3.47)) dx*
+w dp* 5x*
5x*
dz*
(3.123)
0
aix* dz*
dh
+ Rer
dx*
+ 5z*
a(ix*'")
a(ix*'-^*o
5x*
5z*
(3.124)
5z*
d\ 5z*
5x*
RCL
d\
0
d{u*
a(^*'")
5x*
5z*
5z*
(3.125)
IX*, !(;* und p* in den Gleichungen (3.123) bis (3.125) sind dimensionslose und zeitlich gemittelte Grofien. Alle Geschwindigkeiten, einschliefilich der Schwankungsgeschwindigkeiten, sind mit der Zustromgeschwindigkeit u^o dimensionslos gemacht worden. Die Grofie p* steht fiir p/{p- ul^). Die Kontinuitatsgleichung (3.123) bleibt, wie im laminaren Fall, gemafi der Grofienordnungsabschatzung unverandert. Damit wir die zeitlich gemittelten Navier-StokesGleichungen abschatzen konnen ist es unumganglich, experimentelle Ergebnisse fiir die Grofien ix*' und u""' • w''' heranzuziehen. In der Abbildung 3.21 sind diese Grofien iiber der Koordinate normal zur Oberflache dargestellt (siehe auch Abbildung 2.83). Wie wir der genannten Abbildung entnehmen konnen, verschwinden die Schwankungsgrofien am Grenzschichtrand und infolge der Haftbedingung ebenfalls auf der Oberflache. Die Schwankungsgrofien u*' und
0.0
0.4
0.8
1.2
Abb. 3.21: Schwankungsgrofien in der turbulenten Grenzschicht
z/6
262
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
innerhalb der Grenzschicht um einen Faktor der nicht grower als zehn ist, d.h. sie sind von gleicher Grofienordnung. Die Grofienordnung dieser Glieder betragt e. Mit dieser Kenntnis konnen wir nun die Grofienordnung der Terme der Schwankungsgrofien abschatzen. Wir beginnen mit der Grofienordnungsabschatzung fiir die Schwankungsgrofien der Gleichung (3.124). Diese ergibt d{u'''
'Ud{u*' • w''')
e 1
e e
Wir erkennen, dass nur der zweite Summand von der Grofienordnung Eins ist und deshalb in der Gleichung (3.124) erhalten bleibt. Abschliefiend miissen noch die Grofienordnungen der Ausdriicke der Gleichung (3.125) bestimmt werden. Die nachfolgende Grofienordnungsabschatzung ergibt
dx* 1
w
dz*
e 1
e e
dp* 5z*
1 dz*
dx*
RCL
d{u*' • w*') dx* e 1
e 1
1
d{w*' ) dz*
Alle Glieder der Grofienordnung Eins bleiben erhalten. Der Druckgradient dpt" jdz* ist also im Gegensatz zur laminaren Grenzschicht von der Grofienordnung Eins. Die entsprechende dimensionsbehaftete Grenzschichtgleichung fiir die z-Richtung lautet also dp
Yz=-f"
(3.126)
dz
Fiir die Berechnung der Grenzschicht konnen wir die Gleichung (3.126) allerdings vernachlassigen, da der Druck vom Grenzschichtrand bis zur Oberflache nur um einen Wert der Grofienordnung e variiert. Nach der Herleitung der Grenzschichtgleichungen mittels einer Grofienordnungsabschatzung durch dimensionslose Kennzahlen gehen wir nun wieder zu dimensionsbehafteten Gleichungen iiber. Die Gleichungen fiir eine stationare, zweidimensionale und turbulente Grenzschichtstromung konnen wir also wie folgt aufschreiben, wenn wir den Druckgradienten dp/dx^ wie bereits beschrieben, gemafi der eindimensionalen Eulergleichung beriicksichtigen du dx
dw dz f
du
(3.127) du\
,,
df/e
d'^U
ax
oz"^
d{u' • w') - ' — d ^
•
(3.128)
Das Uberstreichen der einzelnen Grofien soil auf die zeitlich gemittelten Grofien hinweisen.
263
3.4 Grenzschichtgleichungen
Fiir die Berechnung der turbulenten inkompressiblen Temperaturgrenzschicht benotigen wir die gemafi einer Grofienordnungsabschatzung vereinfachte Energiegleichung. Da wir das Wesentliche zur Herleitung der Grenzschichtgleichungen bereits diskutiert haben und da sich auch bei der Vorgehensweise zur Vereinfachung der Energiegleichung nichts andert, geben wir diese Gleichung ohne Herleitung wie folgt an. Sie lautet
(3.129)
Die Gleichungen fiir eine turbulente Grenzschichtstromung besitzen auf der rechten Seite fiir die Schwankungsgrofien nur Differentialquotienten beziiglich der z-Richtung. Die entsprechenden Differentialquotienten in Hauptstromungsrichtung (x-Richtung) sind vernachlassigbar klein. Die in den Grenzschichtgleichungen stehenden Schwankungsgrofien miissen mit geeigneten Turbulenzmodellen, auf die wir im vorigen Abschnitt eingegangen sind, entsprechend modelliert werden. Im verbleibenden Teil dieses Abschnittes wollen wir die aufgestellten Gleichungen auf dreidimensionale Grenzschichten erweitern. Eine dreidimensionale Grenzschichtstromung, so wie sie z.B. bei der Kraftfahrzeugumstromung auftritt, ist in Abbildung 3.22 dargestellt. Die Gleichungen fiir eine inkompressible und turbulente Grenzschichtstromung sind nachfolgend angegeben. Sie basieren, wie die Gleichungen fiir die zweidimensionalen Grenzschichtstromungen, auf einer Grofienordnungsabschatzung der Reynolds-Gleichungen und beinhalten deshalb beziiglich ihrer Herleitung nichts wesentlich Neues. Auf den dreidimensionalen Stromungszustand kommen wir noch zu sprechen. Die Gleichungen lauten du dx
dv dy
dw dz
(3.130)
Stromlinie (reibungsfrei)
Querstromungsprofil Abb. 3.22: Dreidimensionale mung
Grenzschichtstro-
264
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
p-
(
du
du dy
du\
dp dx
d^u dz'^
du'' w'
/
dv
dv dy
dv\ dp 'd'z) ~~ dy
d'^v dz'^
dv' • w'
(3.131)
(3.132)
Die Druckgradienten dp/dx und dp/dy lassen sich mit der Theorie der reibungslosen Stromungen berechnen, die wir im nachsten Abschnitt kennenlernen werden. Fiir die Berechnung von laminaren Grenzschichten entfallen die Schwankungsglieder auf der rechten Seite der Gleichungen (3.131) und (3.132). Die Grofien u, v, w und p sind dann nicht als zeitlich gemittelte Grofien aufzufassen. Es ergeben sich die bereits abgeleiteten Gleichungen (3.117) bis (3.119) fiir laminare Grenzschichten. Die Randbedingungen fiir die Gleichungen (3.130) bis (3.132) lauten gemafi der Haftbedingung der Stromung auf der Wand und der freien Aufienstromung wie folgt: u{z = 0) = 0 , lim u =
3.4.2
UQ
,
v{z = 0) = 0 lim V =
w{z = 0) = 0
VQ
Kompressible Stromungen
Die Herleitung der Gleichungen fiir eine dreidimensionale kompressible Grenzschichtstromung basiert auf analogen Uberlegungen, die wir bereits bei der Herleitung der iibrigen Grenzschichtgleichungen kennengelernt haben. Allerdings ist ihr Umfang wesentlich grower, so dass wir die Gleichungen abschliefiend ohne Herleitung angeben werden. Die nachfolgenden Grenzschichtgleichungen beinhalten im Gegensatz zur Favre-Mittelung Stromungsgroften, die einfach zeithch gemittelt sind (s. dazu Gleichung (3.25)). Fiir eine dreidimensionale kompressible Grenzschichtstromung lauten diese Gleichungen d{p'u) dx
^ d{p'v) dy
^ d{p'w) dz
_^
(3.133)
_ f _ du \ dx
_ du dy
^ du\ dz J
dp dx
d^u dz'^
d{p ' u' • w') dz
(3.134)
_ f _ dv \ dx
_ dv dy
^ dv\ dz J
dp dy
d^v dz'^
d{p • v' • w') dz
(3.135)
Mit der Grofte w ist die Grofte p 'w
gemeint. Die vereinfachte Energiegleichung lautet fiir die dreidimensionale Grenzschicht-
265
3.4 Grenzschichtgleichungen
stromung wie folgt: dho dho dho P' [u- — ^v- — ^w • — — ox ay az
d dz
dho dz
— PVr.
p' Crp'W' '
T'^
(3.136) /i.
1
1 Pr.
_ du dz
_
dv\ dz J
p ' U ' W'
W — p ' V ' V'
W'
/lo steht fiir die Gesamtenthalpie pro Masse, die sich mit der Gleichung
berechnet. Die Randbedingungen fiir die Grenzschichtgleichungen lauten entsprechend ix(x,i/,z = 0) = 0 , p{x, y,z = S)= pe
v{x,y,z ,
ho{x,y,z
= 0) = 0
,
= S) = /io,e
w{x,y,z
= 0) = 0
,
•
Die Grofien am Grenzschichtrand und die Druckgradienten in den Gleichungen (3.134) und (3.135) werden mit der reibungslosen Theorie ermittelt, auf die wir im nachfolgenden Abschnitt eingehen werden.
266
3.5
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Potentialgleichungen
Im vorigen Abschnitt haben wir die Grenzschichtgleichungen kennen gelernt, fiir deren Anwendung wir die Stromungsgrofien am aufieren Grenzschichtrand kennen miissen. Wenn wir die Stromungsgrofien am Grenzschichtrand kennen dann wissen wir auch, welche Druckverteilung auf die Kontur wirkt, denn beim Herleiten der Grenzschichtgleichungen haben wir gelernt, dass innerhalb der Grenzschicht fiir den Druck die Bedingung {dp/dz) ^ 0 gilt. Die Kenntnis der Druckverteilung auf der Kontur ist eine notwendige Voraussetzung zur Beantwortung vieler technischer Fragen. So konnen z.B. Festigkeitsrechnungen am Flugzeug nicht ohne diese Kenntnis durchgefiihrt werden. Dies gilt ebenfalls fiir die Ermittlung von Verstellkraften bei Tragfliigelklappensystemen. In diesem Abschnitt werden wir die Gleichungen zur Ermittlung der Druckverteilung herleiten. Wir betrachten den Grenzschichtrand, der fiir grofie Reynolds-Zahlen ReL naherungsweise mit der Kontur iibereinstimmt. In Abbildung 3.23 ist ein Tragfliigelprofil dargestellt, das von links mit der Geschwindigkeit Uoo angestromt wird. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erlautert gehen wir davon aus, dass die Stromung aufierhalb der Grenzschicht nahezu reibungsfrei ist. 3.5.1
Potentialgleichung fur kompressible Stroraungen
Fiir die Berechnung der in Abbildung 3.23 gezeigten Stromung eignen sich die Kontinuitatsgleichung und die Euler-Gleichungen, die den bereits bekannten Navier-Stokes Gleichungen ohne Reibungsglieder entsprechen. Die Gleichungen lauten also, wenn wir wieder die Volumenkrafte vernachlassigen und davon ausgehen, dass die Stromung stationar ist d(p'u) - ^ ^ ox
d(p'v) + ^ ^ oy
+
d(p'w) ^V, oz
^ = 0
/^ .«„x 3.137
,
/ \
du dx
du dy
du\ dz J
dp dx ^
(o^oQ\
/
dv
dv
dv\
dp
,
dw dx
dw dy
dw\ dz J
/ \
dp dz
'
Abb. 3.23: Profilumstromung
.
267
3.5 Potentialgleichungen
Die in Abbildung 3.23 gezeigte Stromung beinhaltet neben der geringen Reibung noch eine weitere Eigenschaft, die die Berechnung vereinfacht. Wie wir unmittelbar einsehen werden, ist die Anstromung drehungsfrei. Nun kann mit dem bekannten Croccoschen Wirbelsatz (wir gehen auf ihn nicht gesondert ein) gezeigt werden, dass die Stromung auch weiter stromab drehungsfrei bleibt, wenn im Stromungsfeld keine Entropie- und Gesamtenthalpiegradienten auftreten. Da wir eine isentrope Stromung ohne Energiezufuhr bzw. -abfuhr betrachten, bleibt auch die in Abbildung 3.23 gezeigte Stromung weiter stromab drehungsfrei. Die Drehungsfreiheit ist fiir Stromungen ohne Energiezufuhr und -abfuhr nur dann nicht erfiillt, wenn die Stromung reibungsbehaftet ist (z.B. Grenzschichtstromung) oder wenn im Stromungsfeld ein gekriimmter Verdichtungsstofi auftritt, wie es z.B. bei einem stumpfen Korper in Uberschallanstromung der Fall ist (Abbildung 3.24). Zur Berechnung der Stromung des zuletzt genannten Stromungsproblems miissen die Gleichungen (3.137) bis (3.140) angewandt werden. Detaillierte Kenntnisse iiber diese Zusammenhange kann der Leser in Prandtl - Fiihrer durch die Stromungslehre, H. Oertel jr. 2002 erwerben. Wir wollen nachfolgend voraussetzen, dass die Stromung reibungs- und drehungsfrei ist. Unter diesen Voraussetzungen lasst sich das Gleichungssystem mit den Gleichungen (3.137) bis (3.140) auf ein einfacheres Gleichungssystem vereinfachen, das im Wesentlichen nur eine partielle Differentialgleichung beinhaltet. Diese Differentialgleichung wird als Potentialgleichung bezeichnet. Die Motivation fiir diese Namensgebung werden wir nachfolgend kennen lernen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Stromung drehungsfrei ist, dann gilt fiir das Stromungsfeld die Bedingung I d dx u
rott; = V X t;
j d dy V
k d dz w
(3.141)
Anders geschrieben lautet die Bedingung (3.141) 'dw
dy
dv\
dz J
-t fdu
dw
\dz
dx
Grenzschichtrand
+ /C'
dv dx
du dy
(3.142)
StoB Vxv^O
Vxv^O
Abb. 3.24: Drehungsbehaftete Stromungen
268
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
SO dass fiir das drehungsfreie Stromungsfeld an jeder Stelle die Gleichungen dw dy
dv dz
du dz
'
dw dx
dv dx
^
du dy
gelten. Die Bedingungen fiir die Drehungsfreiheit (3.143) kombinieren wir zunachst mit den EulerGleichungen (3.138) - (3.140). Wir betrachten dazu die Gleichung (3.138), die wir mit dem Differential dx multiplizieren. Wir erhalten f du ^ du ^ du ^ \ dp ^ p ' [ u ' —— ' ax -\- V ' —— ' ax -\- w ' —— - ax ] = — —— • ax \ dx dy dz ) dx
/0-...N (3.144)
.
Nun gelten gemafi der Drehungsfreiheit der Stromung die Gleichungen du dy
dv dx
du dz
'
dw dx
(3.145)
'
Setzen wir diese in die Gleichung (3.144) ein, erhalten wir die folgende Gleichung f du ^ dv ^ p' \u-^—-ax^v-^—-ax^w\ dx dx
dw ^ \ dp ^ —— - ax ] = ——- - ax dx J dx
oder f d u^
^
d v'^
^
d w'^
\
dp
^
/« . .^N
Mit einer analogen Rechnung beziiglich der Euler-Gleichungen (3.139) und (3.140) erhalten wir die nachfolgenden Gleichungen fiir die y- und z-Richtung. Diese lauten f d u^
^
d v'^
^
d w'^
\
dp
^
/« . .„N
f d u^
^
d v'^
^
d w'^
\
dp
^
/« . .^s
Durch die Addition der drei Gleichungen (3.146) bis (3.148) ergibt sich die Gleichung / S 1/2
a 1/2
Q y2
\
[dp
^
dp
^
dp
\
,^_^^,
mit V'^ = u^ ^ v'^ ^ w'^. Die Gleichung (3.149) enthalt auf der linken Seite das vollstandige Differential fiir das Geschwindigkeitsfeld und auf der rechten Seite das vollstandige Differential fiir das Druckfeld, so dass wir die Gleichung (3.149) auch wie folgt schreiben konnen - • p • d(y^) = —dp bzw.
p -V • dV = —dp
(3.150)
3.5 Potentialgleichungen
269
Mit der Gleichung (3.150) sind wir bereits aus der Stromfadentheorie vertraut. Jedoch lernten wir, dass diese Gleichung nur entlang eines Stromfadens giiltig ist. Diese Einschrankung haben wir nun bei ihrer Herleitung nicht getroffen, d. h. sie gilt fiir ein drehungsfreies Stromungsfeld nicht nur entlang eines Stromfadens, sondern auch in jeder beliebigen Richtung im Stromungsfeld. Die Gleichung (3.150) benotigen wir fiir die weitere Herleitung der Potentialgleichung. Zur Herleitung der Potentialgleichung benutzen wir die folgende Aussage der Vektoranalysis. Fiir eine differenzierbare skalare Funktion F gilt V X VF = 0
.
(3.151)
Es bleibt dem Leser iiberlassen, diese Aussage auf ihre Richtigkeit zu untersuchen, was mit wenig Aufwand durchfiihrbar ist. Da wir davon ausgehen, dass das Stromungsfeld drehungsfrei ist (es gilt also V x t; = 0), konnen wir den Geschwindigkeitsvektor v iiber eine skalare Funktion ^ angeben, so dass gilt V = CTad^ =
(3.152)
V^
Mit der Funktion ^ , die als Potentialfunktion bezeichnet wird, konnen wir die Geschwindigkeitskomponenten ix, v und w wie folgt angeben d^ — dx
d^ V ^
d^ w = — az
dy
(3.153)
Als nachstes Ziel wollen wir eine Bestimmungsgleichung fiir die Potentialfunktion ^ aufstellen. Wenn wir ^ ermittelt haben, konnen wir unmittelbar mit den Gleichungen (3.153) den Geschwindigkeitsvektor v berechnen und mit der Bernoulli-Gleichung den Druck. Um die Gleichung aufzustellen, betrachten wir die Kontinuitatsgleichung (3.137). Wir ersetzen die Geschwindigkeitskomponenten gemafi den Gleichungen (3.153). Durch Einsetzen und Differenzieren erhalten wir
d f
fd'^^ \ dx'^
d^\
d'^^ dy'^
d (
d'^^\ dz'^ J
d^\
d^ dx
dp dx
d f
d^ dy
d^\
dp dy
d^ dz
dp _ dz
Die Gleichung (3.154) lassen wir zunachst in ihrer jetzigen Form stehen. Als nachsten Schritt werden wir Ausdriicke fiir die Differentialquotienten dp/dx, dp/dy und dp/dz aufstellen, die wir anschliefiend in die Gleichung (3.154) einsetzen. Damit erreichen wir die Eliminierung der Grofie p aus der Gleichung (3.154). Wir kommen nun auf die Gleichung (3.150) zuriick und ersetzen die Grofie V'^ mit den Gleichungen (3.153) zu
270
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Wir erhalten dann mit der Gleichung (3.150) die folgende Gleichung
dp
••
2
i..d
/ ^^\ 2
/ ^ ^ \ 21
dy )
dx
(3.155)
dz
Da wir ein isentropes Stromungsfeld betrachten {s = konst.), gilt weiterhin fiir die Schallgeschwindigkeit o? dp 'dp
dp
dp= —
(3.156)
Wir ersetzen in der Gleichung (3.156) das Differential dp durch die Gleichung (3.155) und erhalten die Gleichung Ap-
s$\^
1 P_ 2
dy
a2
/s$^ ^ + a.
(3.157)
Diese Gleichung konnen wir speziell fiir die x-Richtung des Stromungsfeldes formulieren. Die Gleichung lautet dann d^ dy
1 _P_ _d_ 2 a^
dx
dx
dx
d^y 'd^J
oder, wenn wir auf der rechten Seite differenzieren p (d^ a^ \ dx
dp dx
d'^^ d^ dx'^ +' dy
d'^^ dydx
d^ +' dz
d'^^ \ dzdx J
(3.158)
Fiir die y- und z-Richtung erhalten wir die entsprechenden Gleichungen. Sie lauten dp _ dy
p fd^ a^ \dx
d'^^ dxdy
d^ dy
d'^^ dy^
dp _ dz
p fd^ a^ \ dx
d'^^ dxdz
d^ dy
d'^^ dydz
d^ dz
d^ dz
d'^^ \ dzdyJ
(3.159)
d'^^\ dz'^ J
(3.160)
Wenn wir nun in der Gleichung (3.154) die Differentialquotienten dp/dx, dp/dy und dp/dz gemafi den Gleichungen (3.158) - (3.160) einsetzen, erhalten wir die Potentialgleichung fiir eine dreidimensionale reibungs- und drehungsfreie Stromung. Sie lautet
»'-(§)• 2-
d^ dx
d^ dy
d^ dy
d^ dx'^
d^
d^ dz
+
d^ dz'^ . (3.161)
d^^ dxdy
2-
d^ dx
d^ dz
d'^^ dxdz
2-
d^ dy
d^ dz
d^^ dydz
271
3.5 Potentialgleichungen
Die Potentialgleichung (3.161) ist eine nichtlineare Differentialgleichung zweiter Ordnung. Sie enthalt als Unbekannte die Potentialfunktion ^ und die Schallgeschwindigkeit a. Fiir die Schallgeschwindigkeit gilt die Bernoulli-Gleichung (siehe Kapitel 2.3.3)
(3.162)
ao steht fiir die Schallgeschwindigkeit der Gesamt- oder Ruhegrofien (ao = V^ ' R'TQ, To = Gesamt- bzw. Ruhetemperatur). Sie ist fiir die Berechnung des Stromungsfeldes als bekannt vorauszusetzen. Mit K. ist der Isentropenexponent des Gases gemeint. Die Berechnung des Stromungsfeldes wird mit den Gleichungen (3.161) und (3.162) wie folgt durchgefiihrt: • Es werden die Gleichungen (3.161) und (3.162) unter Einhaltung von Randbedingungen gelost. Man erhalt ^ und a. • Mit den Gleichungen (3.153) werden die Geschwindigkeiten berechnet. • Danach wird die Mach-Zahl M = {y^u'^ -\-v'^ -\- w'^/a) berechnet. • Der Druck, die Temperatur und die Dichte berechnen sich mit den Gleichungen (Kapitel 2.3.3) T _
1
T^ ~ 1 , / c - 1 . M 2 1
1
1. Po P_ Po
1 1+
^ . M 2 ) ^
To, Po und Po sind die Gesamt- bzw. Ruhegrofien des Stromungsfeldes, die fiir die Berechnung bekannt sind. Die nichtlineare Differentialgleichung (3.161) lasst sich zusammen mit der Gleichung (3.162) fiir technische Probleme nur numerisch losen. Allerdings kann man sie fiir die Umstromung von schlanken Profilen linearisieren. Die linearisierte Form besitzt fiir Uberschallanstromungen eine analytische Losung. Wir kommen in dem Abschnitt 4.1.2 Linearisierung auf die Herleitung ausfiihrHch zu sprechen. 3.5.2
Potentialgleichung fur inkompressible Stromungen
Abschliefiend wollen wir noch den Grenzfall der inkompressiblen Stromungen betrachten. Fiir eine inkompressible Stromung gilt a ^ oo. Dividieren wir die Gleichung (3.161) auf
272
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
beiden Seiten durch o? und betrachten anschliefiend den Fall a Potentialgleichung fiir eine inkompressible Stromung. Sie lautet
oo, erhalten wir die
(3.163) Die Differentialgleichung (3.163) entspricht der Laplace-Gleichung. Sie ist linear und von zweiter Ordnung.
3.6 Grundgleichungen in
3.6
273
Erhaltungsform
Grundgleichungen in Erhaltungsform
Bevor wir uns mit den kontinuumsmechanischen Grundgleichungen in Erhaltungsform befassen, wollen wir zunachst die in den vorangegangenen Kapiteln abgeleiteten Modellgleichungen der Stromungsmechanik in einer Hierarchie ihrer Ableitung zusammenfassen (Abbildung 3.25). Die allgemeinste Form der mathematischen Beschreibung einer Stromung bietet die Gaskinetik, von der wir im einfiihrenden Kapitel 1.2 Gebrauch gemacht haben. Im Gegensatz zur Kontinuumstheorie wird hier die molekulare Struktur der Stromung betrachtet. In der kinetischen Gastheorie wird der Zustand des Systems durch die Angabe des Ortes und der Geschwindigkeiten aller Molekiile beschrieben. Die Molekiilpositionen werden im dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystem festgelegt. Dieser Raum wird physikalischer Raum genannt. Die Geschwindigkeiten der Molekiile, die sich im Volumenelement dV = dx ' dy ' dz befinden unterscheiden sich im Allgemeinen durch Grofie und Richtung. Zur Kennzeichnung der Geschwindigkeiten wird zusatzlich ein Geschwindigkeitsraum eingefiihrt. Beide Raume sind in Abbildung 3.26 dargestellt. Sie werden zu einem sechsdimensionalen Raum zusammengefasst. Ein Punkt in diesem Raum ist durch die Angabe der kartesischen Koordinaten x = {x,y,z) und den Geschwindigkeiten c = {cx,Cy,Cz) festgelegt und reprasentiert ein Molekiil. Ein Fluid mit N Teilchen wird demnach durch N Punkte im sechsdimensionalen Raum reprasentiert. Ein Mol eines Gases besitzt also 6 • 10^^ Bildpunkte. Wegen dieser hohen Partikelzahl empfiehlt sich die Einfiihrung einer stetigen Funktion zur Beschreibung der Teilchendichte im sechsdimensionalen Raum. Die Verteilungsdichtefunktion in diesem Raum wird durch
BOLTZMANN - GLEICHUNG Momentenbildung KONTINUUMSMECHANISCHE ERHALTUNGSGLEICHUNGEN
NAVIER - STOKES GLEICHUNGEN zeitliche Mittelung
Storungsansatz /
REYNOLDS GLEICHUNGEN
\ STORUNGSDIFFERENTIALGLEICHUNGEN
A b b . 3.25: Hierarchie der stromungsmechanischen Grundgleichungen
274
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
dN dx ' dc
f{x,c)
(3.164)
definiert. Sie beschreibt die statistische Verteilung der Partikel auf den physikalischen und den Geschwindigkeitsraum. Dabei ist dA^ die Anzahl der Bildpunkte im Volumenelement dx ' dy ' dz ' dc^ • dcy • dc^ an der Stelle x^ c und dc = dc^ • dcy • dc^. Aus der Integration der Verteilungsfunktion iiber alle Geschwindigkeits- und Ortskoordinaten ergibt sich als Summe aller Bildpunkte die Gesamtzahl der Teilchen
11
N
f{x,c,t)- dx
(3.165)
' dc
c X
Aus der Kenntnis der mikroskopischen Struktur der Stromung in der Form der skalaren Verteilungsfunktion f{x^c^t), konnen alle Fluideigenschaften in Abhangigkeit der Zeit abgeleitet werden. Im Geschwindigkeitsraum kann eine Verteilungsfunktion iiber die Beziehung dN = N- f{c) ' dc
(3.166)
definiert werden. Makroskopische Grofien werden zu einem bestimmten Zeitpunkt als Mittelwerte molekularer Eigenschaften aufgefasst. Die makroskopischen Grofien ergeben sich durch Mittelung der molekularen Grofien Q gewichtet mit der Verteilungsfunktion / ( c ) : Q
1
Q'dN N
und mit Gleichung (3.166): + 00
N
Q'N
+ 00
' f{c) ' dc :
•/(5)-dc
Abb. 3.26: Physikalischer Raum und Geschwindigkeitsraum
.
(3.167)
3.6 Grundgleichungen in Erhaltungsform
275
Die beschriebene Vorgehensweise wird als Bildung von Momenten der Verteilungsfunktion bezeichnet. Die wichtigsten Momente der Verteilungsfunktion sind die mittlere Stromungsgeschwindigkeit +00
S=
[ c-/(c)-de
,
(3.168)
I yc^-/(c)-dc
(3.169)
- 0 0
der Druck p +00
P=
m
2
- 0 0
und Temperatur T 2 3 'n 'k
+00
I
^-c^./(c)-de
,
(3.170)
mit der Teilchendichte n (Anzahl der Teilchen pro Volumen), der Teilchenmasse m und der Boltzmann-Konstanten k. Mit den Gleichungen (3.167) - (3.170) ist die Verkniipfung der mikroskopischen mit der makroskopischen Betrachtungsweise hergestellt. Fiir die Verteilungsfunktion / lasst sich eine Transportgleichung formulieren, die die statist ische Verteilung der Partikel im physikalischen und Geschwindigkeitsraum beschreibt. Diese gaskinetische Grundgleichung nennt man Boltzmann-Gleichung:
dt
dx
m
dc
(3.171)
\dt J ^^^^
Die linke Seite der Boltzmann-Gleichung stellt die substantielle Ableitung der Verteilungsfunktion / nach der Zeit im sechsdimensionalen Phasenraum dar, wobei der Term (F/m) • {df /dc) die Anderung der Verteilungsfunktion durch die Beschleunigung der Partikel aufgrund aufierer Kraftfelder F beschreibt. Die rechte Seite reprasentiert die Anderung der Verteilungsfunktion als Folge der Kollisionen der Partikel. Dieser Term ist ein Integralausdruck in dem die Verteilungsfunktion quadratisch erscheint: ^ )
= f I f(f'-f'^-f-f^y^r-b-db-de-dci
,
(3.172)
dabei bezeichnet c^ die Relativgeschwindigkeit der Partikel und b den Stofiparameter. Nachdem die Boltzmann-Gleichung eingefiihrt ist kommen wir zur Hierarchic der stromungsmechanischen Grundgleichungen der Abbildung 3.25 zuriick. Die kontinuurasraechanischen Erhaltungsgleichungen fiir Masse, Impuls und Energie ergeben sich mit der Momentenbildung aus der Boltzmann-Gleichung. Fiir Newtonsche Medien erhalt man mit der Stokes-Annahme die Navier-Stokes-Gleichungen fiir kompressible und inkompressible Fluide. Die zeitliche Mittelung fiihrte zu den Reynolds-Gleichungen turbulenter Stromungen. Die Berechnung kleiner Storungen im Stromungsfeld erfolgt iiber einen
276
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Storansatz mit den Storungsdifferentialgleichungen, die in Kapitel 4.1.3 benutzt werden. Aus den Navier-Stokes-Gleichungen leiten sich die in Abbildung 3.27 dargestellten vereinfachten Modellgleichungen ab. Fiir reibungsfreie Stromungen ergibt sich die EulerGleichung. 1st die Stromung zusatzlich drehungsfrei gilt die Potentialgleichung. Stromungen bei geringen Mach-Zahlen fiihren zu den Navier-Stokes-Gleichungen inkompressibler Fluide. 1st die Dichte des Fluids nur von der Temperatur und nicht vom Druck abhangig, ergibt sich unter Beriicksichtigung des hydrodynamischen Auftriebs die Boussinesq-Gleichung. Fiir Stromungen bei grofien Reynolds-Zahlen ist die Dicke der wandnahen Grenzschicht klein gegeniiber den geometrischen Abmessungen, daher konnen einzelne Terme innerhalb der Grenzschicht vernachlassigt werden. Dies fiihrt zu den parabolisierten Navier-Stokes-Gleichungen und den Grenzschichtgleichungen. Fiir die numerische Berechnung von Stromungen ist es von Vorteil die kontinuumsmechanischen Grundgleichungen fiir Masse (3.1), Impuls (3.13), (3.14), (3.15) und Energie (3.99) der vorangegangenen Kapitel in Erhaltungsform umzuschreiben. Dies bedeutet, dass in den Grundgleichungen die Erhaltungsgrofien Masse, Impuls und Energie als Divergenz dieser Grofien dargestellt werden. So enthalt die Kontinuitatsgleichung als Divergenz den Ausdruck V • (p • tJ), die Impulsgleichungen als Divergenz den Ausdruck V - {p - v - v) mit dem Tensorprodukt v-v = u\'Umj^ = l,2,3,m = 1,2,3 und letztlich die Energiegleichung als Divergenz den Ausdruck V-{p-E-v) mit der Gesamtenergie pro Masse E = e^{V^/2). Fiihrt man dimensionslose Grofien ein (Index *) ergibt sich fiir die dimensionslosen kartesischen Koordinaten ^ _ ^m ~
X^n T
1
_ 1 o q m — 1, Z, O
,
mit einer fiir das gesamte Stromungsfeld charakteristischen Bezugslange L. Dabei steht X* fiir X
NAVIER - STOKES - GLEICHUNGEN
Euler-Gleichung
inkompressible Navier-Stokes-Gleichung
parabolisierte Navier-Stokes-Gleichung
Potentialgleichung
BoussinesqGleichung
Grenzschichtgleichung
Abb. 3.27: Vereinfachte Modellgleichungen
3.6 Grundgleichungen in
277
Erhaltungsform
Die dimensionslose Zeit ist t • Ur.
t*
mit einer fiir das gesamte Stromungsfeld charakteristischen Bezugsgeschwindigkeit Uo Fiir die dimensionslosen Geschwindigkeiten ergibt sich -^
,
m = l,2,3
Dabei steht ix* fiir
Die dimensionslosen Zustandsgrofien fiir Dichte p*, Druck p*, Temperatur T* und innere Energie e* berechnen sich aus P Po
T
p
p
Poo 'K
mit fiir das gesamte Stromungsfeld charakteristischen Bezugsgrofien p^ und Too- Schliefilich werden die dynamische Zahigkeit /i und die Warmeleitfahigkeit A mit wiederum fiir das gesamte Stromungsfeld charakteristischen Stoffgrofien /ioo und Aoo dimensionslos gemacht //* /i
—
^
\* ,
^
A — -—
.
Die Grofien x^ und t* sind die vier unabhangigen Variablen in denen die Differentialgleichungen formuliert sind. Die abhangigen Variablen sind im Losungsvektor zusammengefasst p-ul
U*{xl,X)= I P*-u*^
(3.173)
P*-U*3
\p* -E* J mit den Komponenten p* • u"^ des dimensionslosen Impulsvektors pro Volumen p-ul
p •V p
•V
p* •U*2 Pco ' '^oo
und der dimensionslosen spezifischen Gesamtenergie pro Volumen p* • ^ *
P'E Poo 'K
des Fluids. Die Grofie E bezeichnet die Gesamtenergie pro Masse (innere Energie e + kinetische Energie (1/2) • V^).
278
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Die dimensionslosen Erhaltungsgleichungen fiir ein kompressibles laminares Fluid lauten in Erhaltungsforra (Masse-, Impuls- und Energieerhaltung) (3.174) Man spricht von Erhaltungsform oder konservativer Form, da das Differentialgleichungssystem (3.174) an einem raumfesten Kontrollvolumen hergeleitet wurde, so dass jede Gleichung direkt die Massen-, Impuls- oder Energieerhaltung ausdriickt. Der Losungsvektor (3.173) enthalt in jeder Zeile die zu erhaltenden Variablen (konservative Variablen), bezogen auf das Volumen, also Masse pro Volumen p*, Impuls pro Volumen p* • v und Gesamtenergie pro Volumen p* • E*. Im Gegensatz zu den konservativen Variablen stehen die primitiven Variablen Geschwindigkeit, Druck und Temperatur, die in den vorangegangenen Kapiteln benutzt wurden. Unter Vernachlassigung der Volumenkrafte k und der Energiezufuhr q^ ist in (3.174) F ^ der Vektor der konservativen Fliisse in Richtung m /
P* • <
\ (3.175)
p* 'Ul^'Ul^
5im ' P*
V <.(p*.F*+p*) J ((5ij = 1 fiir i = j ; (5ij = 0 fiir i 7^ j) und G ^ der Vektor der dissipativen Fliisse in Koordinatenrichtung m 'm / 0l \ 'm2 (3.176) 'm3 \1=1
mit der dimensionslosen inneren Energie F*
1
Y^
2
^^ 1 u ^
*2
dem dimensionslosen Druck p* = {K-l)-p*-e*
=
- ^ ^ ^ Poo ' '^00
der dimensionslosen Temperatur T
(/.-1)./..M2
den dimensionslosen Spannung 2
, ^awjj
.
5" g4'"
3.6 Grundgleichungen in Erhaltungsform
279
und dem dimensionslosen Warraestrom in Richtung m
a r * A* • K. ae*
A* ^^
(/.-l).M^.Proo
dx-^
Pr^
dx-^
'
Diese Gleichungen enthalten die StofFeigenschaften Proo = {cp -/iooj/Aoo Prandtl-Zahl, hi = (cp/cy) Verhaltnis der spezifischen Warmekapazitaten, /i* dimensionslose dynamische Zahigkeit, welche fiir Luft unter atmospharischen Bedingungen mit Proo = 0-71, /c = 1.4 und der Sutherland-Gleichung in dimensionsloser Form ,_ 3 1 + S* ^ " ^ ^ ' ' T * + S*
_ 11Q.4K Too
'
im Temperaturbereich von 170 K bis 1900 K gegeben sind. Die folgenden dimensionslosen Kennzahlen charakterisieren das Stromungsfeld Moo = ^ ^ Re\ = -^
Mach - Zahl —
Proo = ^^' ^°°
,
Reynolds — Zahl Prandtl - Zahl
, .
Aoo
Darin ist aoo = V^ • R ' ^oo eine charakteristische Schallgeschwindigkeit. Es handelt sich bei den Erhaltungsgleichungen um ein System von fiinf gekoppelten nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung. Da die Zeit als unabhangige Variable enthalten ist und raumlich gerichtete Transportmechanismen vorherrschen, sind die Gleichungen parabolisch. Sind stationare Stromungen von Interesse, so werden die Zeitableitungen weggelassen. Die Gleichungen sind dann elliptisch in Unterschallgebieten und hyperbolisch in Uberschallgebieten. Man bezeichnet sie daher auch als von gemischtem Typ. Die folgenden Randbedingungen sind zu beriicksichtigen: An einer festen Wand gilt die Haftbedingung tJ* = 0
(3.177)
sowie entweder die Temperatur-Randbedingung der isothermen Wand T* =T^
,
(3.178)
mit der vorgeschriebenen dimensionslosen Wandtemperatur T^ oder der TemperaturRandbedingung der adiabaten Wand dT* ^ = 0 mit der dimensionslosen Koordinate n* in Wandnormalenrichtung.
(3-179)
280
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Ein weiterer Rand ist der Fernfeldrand, welcher das Rechengebiet bei Umstromungsproblemen nach aufien hin begrenzt. Ist der Fernfeldrand weit genug vom umstromten Korper entfernt, herrscht dort die ungestorte Aufienstromung Uoo, bzw. die Randbedingung der reibungsfreien Stromung. Falls es nicht moglich ist, den Fernfeldrand so festzulegen, dass Reibung keine Rolle spielt, beispielsweise wenn eine Grenzschicht, eine Abloseblase oder eine Nachlaufstromung das Integrationsgebiet verlasst, so kann keine mathematisch exakte Randbedingung angegeben werden. In diesem Fall behilft man sich mit der Extrapolation von Stromungsgrofien im Stromungsfeld auf den Rand. Der Losungsvektor bei t = to = 0 wird durch die Anfangsbedingung C/*(x*,0) = C/S(x*)
(3.180)
festgelegt. Das Anfangs-Randwertproblem der reibungsbehafteten Erhaltungsgleichungen besteht aus den Differentialgleichungen (3.174)-(3.176), den Randbedingungen (3.177)-(3.179) und der Anfangsbedingung (3.180). Fiir die Berechnung von turbulenten Stromungen gelten die zeitlich gemittelten Grundgleichungen fiir Masse (3.33), Impuls (3.38) - (3.40) mit (3.41) und (3.42) und Energie (3.109) mit (3.110). Wir wollen diese Gleichungen ebenfalls in Erhaltungsform darstellen. Um diese Grundgleichungen dimensionslos zu machen, verwenden wir fiir die mit der Favre-Mittelung zeitlich gemittelten Grofien und fiir die Schwankungsgroften die gleichen Bezugswerte wie fiir die Stromungsgroften. Es gilt damit fiir eine dimensionslose Grofie f* £ * _ £ * ! £*'' Der zeitlich gemittelte Losungsvektor der abhangigen Variablen ist / _ ^
U\xl,X)
\ (3.181)
Die dimensionslosen Erhaltungsgleichungen fiir ein kompressibles turbulentes Fluid lauten damit in Erhaltungsform (Masse-, Impuls- und Energieerhaltung)
(3.182)
Diese Gleichung (3.182) besitzt eine zu der Erhaltungsgleichung fiir laminare Stromungen (3.174) analoge Form. An die Stelle der konservativen Variablen treten zeitlich gemittelte Variablen und alle Terme der Gleichung sind zeitlich gemittelt zu verstehen. Als Folge der Mittelung ist der Term i^* hinzugekommen
3.6 Grundgleichungen in
281
Erhaltungsform
Die in Gleichung (3.182) unter Vernachlassigung der Volumenkrafte k und der Energiezufuhr Qs vorkommenden Terme sind F*^ der Vektor der zeitlich geraittelten konvektiven Fliisse in Koordinatenrichtung m
F\
(3.183)
((5ij = 1 fiir i = j ; (5ij = 0 fiir i 7^ j), G*ni der Vektor der geraittelten dissipativen Fliisse in Koordinatenrichtung m
_o
(
'
G\
\
ml
(3.184)
r*m3 3 _ \1=1
/
und der hinzugekommene Vektor fiir das algebraische Turbulenzmodell / (3.185)
i^* 3
V^
E
1=1
' ^ 1=1
3
E 1=1
mit der Enthalpie /i* = e* + (p*/p*) und
^* = e* + V -^- + A:* 1 m=l
k*
(3.186)
2
E
(3.187)
Darin wird /c* die zeitlich gemittelte Turbulenzenergie genannt. Die in dem zusatzUchen Term IV vorkommenden Schwankungsgrofien sind unbekannt, ebenso wie die zeithch gemittelten abhangigen Variablen des Losungsvektors, deren Berechnung unser Ziel ist. Das Gleichungssystem hat wie bereits besprochen mehr Unbekannte als Gleichungen. Es ist also nicht geschlossen. Es ist die Aufgabe der Turbulenzmodelherung (s. Kapitel 3.2.3), dieses System durch empirische Annahmen iiber die Grofie dieses zusatzlichen Terms IV fiir das jeweilige Stromungsproblem zu schliefien.
282
3 Grundgleichungen der Stromungsmechanik
Durch Vernachlassigung der Reibung, d. h. Vernachlassigung von C* in Gleichung (3.174) erhalt man die Erhaltungsform der dimensionslosen reibungsfreien Grundgleichungen
(3.188)
Gegeniiber den reibungsbehafteten Grundgleichungen in Erhaltungsform (3.174) und (3.182) haben die reibungsfreien Erhaltungsgleichungen den Vorteil, dass sie unter erheblich geringerem Aufwand numerisch gelost werden konnen. Die Berechnung von zweiten Ableitungen entfallt, da diese nicht mehr in den Gleichungen enthalten sind.
283
4
Numerische Losungsmethoden
In diesem Kapitel werden wir die Methoden zur Losung der in Kapitel 3 hergeleiteten Grundgleichungen kennenlernen. Sie lassen sich in analytische und numerische Methoden einteilen (Abbildung 4.1). Die analytischen Methoden sind bereits Anfang des letzten Jahrhunderts entwickelt worden als es noch keine Rechner mit grower Speicherkapazitat und hoher Rechengeschwindigkeit gab und dienen heute der analytischen Vorbereitung numerischer Losungen. Es gibt analytische Berechnungen die z. B. beinhalten, dass ein Tragfliigel die Zustromung nur geringfiigig stort (diese Vereinfachung werden wir in Kapitel 4.1.2 kennenlernen), dass ein Schaufelprofil eine geringe Dicke besitzt oder auch, wie wir es bereits bei der Herleitung der Grenzschichtgleichungen kennenlernten, dass Glieder kleinerer Grofienordnung vernachlassigt werden konnen. Dies fiihrt zur Linearisierung der Grundgleichungen und damit zu einer Vereinfachung der numerischen Losung. Mit den numerischen Verfahren hingegen ist man bestrebt, die in Kapitel 3 hergeleiteten Gleichungen fiir ein Stromungsproblem unter Einhaltung von Rand- und Anfangsbedingungen moglichst genau naherungsweise zu losen, ohne dass man irgendwelche gravierenden Vereinfachungen oder Annahmen treffen muss. Fiir die Berechnung von technischen Stromungen (z. B. Tragfliigelstromung, Kraftfahrzeugumstromung) konnen diese Methoden in der Regel fiir komplexe und beliebige Geometrien angewandt werden. Fiir ihre Anwendung sind Rechenanlagen mit umfangreichen Programmen und Auswertesoftware erforderlich, die heute verfiigbar sind. Ein grower Nachteil der numerischen Verfahren ist allerdings, dass mit ihnen die Abhangigkeit des Ergebnisses von einer eingehenden Grofie nur mit aufeinander folgenden Rechnungen bestimmt werden kann, wobei von Rechnung zu Rechnung die eingehenden Grofien passend variiert werden miissen. In den folgenden Kapiteln werden wir lernen, dass die numerischen Methoden durch die analytischen Methoden erganzt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn wir herausfinden wollen, wie gut die Genauigkeit eines numerischen Verfahrens ist. Zur analytischen Vorbereitung gehort grundsatzlich die Dimensionsanalyse des vorgegebenen Stromungs-
A b b . 4.1: Analytische und numerische Losungsmethoden
284
4 Numerische Losungsmethoden
problems, um sich einen ersten tJberblick iiber die eingehenden Parameter zu verschaffen. Die Auswertung der umfangreichen numerischen Daten dreidimensionaler Stromungsprobleme verlangt zusatzlich eine Strukturanalyse (Kapitel 4.1.4) des berechneten Stromungsfeldes, um eine physikalische Interpretation des Stromungsfeldes zu ermoglichen.
reibungsfreie Umstromung Grenzschicht Nachlauf
Problemdefinition
Auswahl der Grundgleichungen physikalische Modelle
dU dt
3
9^m
m=l
1
3
•E
9^m
m=l
Transitionsmodell - Turbulenzmodell
Auswahl der Losungsmethoden CAD-Modell Diskretisierung numerisches Modell
iz Auswertung der Naherungslosung Widerstand
Stabilitat
Verifikation im Windkanal
Abb. 4.2: Berechnung einer Stromung und deren Verifikation im Windkanal
4.1 Analytische Vorbereitung
285
Die Vorgehensweise zur Berechnung einer Stromung ist in Abbildung 4.2 zusammengefasst. Man beginnt mit der Problemdefinition. Im nachsten Schritt werden die dem Problem angepassten Grundgleichungen und Modelle ausgewahlt. Es folgt die Auswahl der den Grundgleichungen angepassten Losungsmethoden bis hin zur Auswertung und Bewertung der numerischen Naherungslosung. Diese Prozedur der numerischen Stromungssimulation bedarf beziiglich der Auswahl der Grundgleichungen und Losungsmethoden umfangreicher Ingenieurerfahrung, die an zahlreichen Stromungsbeispielen erworben werden muss. Jede numerische Losung ist fehlerbehaftet. Zum einen sind es numerische Fehler, die durch die mathematische Diskretisierung und Rundungsfehler auf der Rechenanlage entstehen, zum anderen sind es Fehler der verwendeten physikalischen Modelle. Die Problematik der Auswahl von Turbulenzmodellen haben wir bereits in Kapitel 3.2.3 beschrieben. Aus diesem Grund muss fiir jede behandelte Geometrieklasse die numerische Losung im Experiment oder sofern moglich mit analytischen Losungen verifiziert werden, um sie dann fiir Parametervariationen in der ausgewahlten Geometrieklasse (Kraftfahrzeug, Flugzeug, Stromungsmaschine etc.) nutzen zu konnen. Wir kommen auf diese zu erlernende Ingenieurkunst im Softwarekapitel 5.2 zuriick. In weiterfiihrenden Vorlesungen iiber die numerische Stromungsmechanik wird auch erlautert, wie die analytischen Ergebnisse in die numerischen Verfahren einfliefien (siehe H. Oertel jr., E. Laurien Numerische Stromungsmechanik, 2003). In dem vorliegenden Lehrbuch wird dazu eine Einfiihrung gegeben.
4.1 4.1.1
Analytische Vorbereitung Diraensionsanaly se
Die Dimensionsanalyse ist der erste Schritt einer analytischen Vorbereitung, unabhangig davon ob wir eine Stromung analytisch bzw. numerisch berechnen oder experimentell ausmessen wollen. Mit der Dimensionsanalyse erreichen wir eine Reduktion der unabhangigen Grofien des Problems, indem wir die Dimensionen der einzelnen Grofien behandeln. Um zu verdeutlichen was damit gemeint ist, betrachten wir wieder die Kraftfahrzeugumstromung. In der Abbildung 4.3 ist ein Kraftfahrzeug gezeigt, das mit der Geschwindigkeit Uoo angestromt wird. Wir wollen nun die Widerstandskraft F^^ in Abhangigkeit der das Problem bestimmenden Grofien ermitteln. Wir wissen bereits, dass der Widerstand Fw von der Anstromgeschwindigkeit [/QO, der
Abb. 4.3: Kraftfahrzeugumstromung
286
4 Numerische Losungsmethoden
Dichte Poo, der Zahigkeit /ioo und der Grofie des Kraftfahrzeuges, die durch die Lange L festgelegt ist, abhangt. Wir setzen dabei voraus, dass die Grofie des Kraftfahrzeuges variiert, die Form sich jedoch nicht andert (alle betrachteten Fahrzeuge sind geometrisch ahnlich). Die Abhangigkeit der Zielgrofie F^^ von den zuletzt genannten Grofien konnen wir mit der Funktion Fw = f(f^oo 7 P o o ?
P'OO?
L) (4.1) angeben. Mit der Anwendung der Dimensionsanalyse vereinfacht sich der funktionale Zusammenhang (4.1) auf eine andere Funktion f, die nur noch eine Veranderhche beinhaltet. Diese lautet: cw = f(i^eL)
,
cw = TZ—^o—T^
'
^^L =
.
(4.2)
Sowohl der funktionale Zusammenhang f als auch f sind unbekannt und miissen durch numerische Rechnungen bzw. Messungen oder aus einer Kombination der genannten zwei Moghchkeiten ermittelt werden. Wird der Zusammenhang z.B. experimentell herausgefunden, so benotigt man zur Ermittelung von f nur eine Messreihe und kann fiir alle Kombinationen von Uoo, Poo, /^oo und L die Widerstandskraft Fw angeben. Zur Ermittelung des funktionalen Zusammenhangs (4.1) hingegen sind erheblich mehr Messungen durchzufiihren. Es stellt sich nun die Frage, wie wir den funktionalen Zusammenhang (4.1) auf die Form (4.2) vereinfachen und womit sich diese Vereinfachung begriindet. Wie bereits angedeutet, werden dazu die Dimensionen der Grofien, die das Problem bestimmen, betrachtet. Jede physikalische Grofie wird durch eine Mafizahl und eine Einheit angegeben. Weiterhin kann jeder physikaUschen Grofie eine Dimension und eine Einheit zugeordnet werden. So kann z.B. der Druck p in einem Behalter 50 N/w? betragen. In diesem Fall ware die Zahl 50 die Mafizahl und N/w? die fiir den Druck entsprechende Einheit. Die Dimension gibt an, wie mit den Mafizahlen der Grundgrofien die Mafizahl der abgeleiteten Grofie bestimmt wird. Betrachten wir dazu weiterhin den Druck p als Grofie, so wird zur Bestimmung seiner Mafizahl die Mafizahl einer Kraft durch die Mafizahl einer Flache dividiert. Die Dimension des Druckes, wir bezeichnen sie mit [p], schreibt sich also b] = ^
•
(4-3)
F und L stehen fiir die Grundgrofien Kraft bzw. Lange. Wir unterscheiden zwischen dem technischen und dem physikahschen System. Beim technischen System setzen sich die Dimensionen aller physikahschen Grofien der Mechanik aus den Grundgrofien Kraft, Lange und Zeit (F, L,T) zusammen. Im physikahschen System werden alle Dimensionen mit den Grundgrofien Masse, Lange und Zeit (M^L^T) angegeben. In beiden Fallen haben wir drei Grundgrofien zur Verfiigung, mit denen wir die Dimensionen der das Stromungsproblem beschreibenden Grofien ausdriicken konnen. Wenn wir Stromungsprobleme mit Temperatureinfluss betrachten, z.B. ein stromendes Gas (Tragfliigelstromung), dann ist es notwendig, zusatzlich die Temperatur als vierte Grundgrofie miteinzubeziehen.
287
4.1 Analytische Vorbereitung
Wir werden nun nachfolgend zeigen, dass wir die Dimension jeder mechanischen Grofie X mit der folgenden Potenzschreibweise darstellen konnen. Diese lautet, wenn wir als Grundgrofien das physikalische System wahlen: [x] = M ^ i . L^2 . T °
(4.4)
Der Zusammenhang (4.4) ist uns nicht unbekannt. Alle uns bekannten mechanischen Grofien, wie z. B. die Geschwindigkeit |t;i|, setzen sich aus den Grundgrofien M, L und T gemafi der Gleichung (4.4) zusammen. Fiir die Dimension Lange dividiert durch Zeit der abgeleiteten mechanischen Grofie |t;i| nehmen in der Gleichung (4.4) die Exponenten cei, a2 und as die folgenden Werte an: ai =0, a2 = I und as = —1. Wir kommen auf den Zusammenhang (4.4) spater zuriick. Um mit der Dimensionsanalyse vertraut zu werden, betrachten wir den nachfolgenden funktionalen Zusammenhang F , der die Abhangigkeit der Mafizahl x einer abgeleiteten Grofie von den iibrigen Mafizahlen x i , . . . ,Xn eines stromungsmechanischen Problems angibt. Er lautet X=
F(xi,...,Xn)
(4.5)
Um ihn besser verstehen zu konnen, nehmen wir wieder Bezug auf die bereits betrachtete Kraftfahrzeugumstromung (siehe dazu Abbildung 4.4 hnks). Fiir das Beispiel der Kraftfahrzeugumstromung ist die Zahl x die Mafizahl der Widerstandskraft Fw, die auf der linken Seite der Gleichung
steht. Die iibrigen Mafizahlen entsprechen demzufolge in der Gleichung (4.1) den Mafizahlen der Geschwindigkeit f/oo, der Dichte poo, der Zahigkeit fi^o und der Lange L. Unsere Mafizahlen gelten in Verbindung mit den Einheiten N fiir die Kraft Fw, m/s fiir die Geschwindigkeit f/oo, kg/m^ fiir die Dichte poo? ^ fur die Lange L und N • s/m'^ fiir die Zahigkeit /iooZusatzlich betrachten wir eine weitere Kraftfahrzeugumstromung. Das umstromte Kraftfahrzeug ist dem Kraftfahrzeug der zuerst betrachteten Umstromung geometrisch ahnlich (siehe Abbildung 4.4 rechts). Es ist allerdings nicht gleich grofi. Weiterhin wird es mit einem anderen Fluid angestromt, das sich in seiner Dichte poo2 und seiner Zahigkeit /ioo2 von dem Fluid des ersten Beispiels unterscheidet. Die Zustromgeschwindigkeiten der beiden Umstromungen [/QOI und [/oo2 sind ebenfalls verschieden. Fiir die zweite Umstromung gilt auch der funktionale Zusammenhang (4.5). Nur stehen in ihm nicht die Mafizahlen x i , . . . ,Xn, sondern die Mafizahlen fiir die zuletzt betrachtete
^OOl
^001
U
00 1
A b b . 4.4: Zwei verschiedene Kraftfahrzeugumstromungen
288
4 Numerische Losungsmethoden
Kraftfahrzeugumstromung. Diese Mafizahlen bezeichnen wir mit y bzw. y i , . . . ,yn- Auch y und y i , . . . , yn gelten in Verbindung mit den Einheiten, die wir bereits fiir das zuerst beschriebene Umstromungsproblem erwahnten. Der funktionale Zusammenhang lautet also y = F(yi,...,yn)
.
(4.6)
Wenn wir nun in unseren beiden Beispielen die Einheiten wechseln (z.B. die Lange nicht mehr in Meter m, sondern in Kilometer km angeben) und dabei die physikalischen Grofien nicht andern, so verandern sich unsere Mafizahlen von den Werten x i , . . . , Xn auf x'^,..., x[^ bzw. von y i , . . . , yn auf y'^,..., y^. Ebenfalls verandern sich die Mafizahlen der abgeleiteten Grofien von x auf x' bzw. von y auf y^ Zwischen den Grofien Xi und x[ (i = 1 , . . . , n) sowie yi und y( (i = 1 , . . . , n) gelten die Zusammenhange x( = Ci • Xi
,
y( = Ci • yi
,
(4.7)
wobei c i , . . . , Cn den Zahlenwerten entsprechen, mit denen die Mafizahlen den neuen Einheiten angepasst werden. Wir haben nur die Einheiten geandert und nicht die physikalischen Grofien. Die physikalischen Grofien sind unabhangig von dem verwendeten Mafisystem und deshalb bleibt das Verhaltnis von den abgeleiteten Grofien beim Wechseln der Einheiten erhalten. Bezeichnen wir X und Y als die zu den Mafizahlen x und y zugehorigen physikalischen Grofien, so gilt X _ X _ x'
Y"y"? oder unter Ausnutzung der Gleichung (4.5) und (4.6) F(xi,...,x„) _ F ( x i , . . . , x ; ) F(yi,...,y„) F(yi,...,y;)
(4.8)
Ersetzen wir in der Gleichung (4.8) die Werte x[ und y( durch die entsprechenden rechten Seiten der Gleichungen (4.7), erhalten wir F ( x i , . . . , X n ) _ F ( c i - X i ^ . ^ . ^ C n • Xn)
F(yi,...,yn)
F(ci •yi,...,Cn-yn)
F ( c i • Xi, . . . , Cn • Xn) = F ( c i • y i , . . . , Cn ' y n ) ' ^ .
^' " ' ' "x
•
(4.9)
r ( y i , . . . ,ynj Mit der Gleichung (4.9) fiihren wir nun den nachfolgenden mathematischen Formahsmus durch. Durch partielles Differenzieren der Gleichung (4.9) nach ci unter Anwendung der Kettenregel erhalten wir a F ( c i 'Xi,...,Cn'Xn)
""''
a(ci.xi)
^
-^''
a F ( c i > y i , . . . , C n ' yn)
a(ci.yi)
F(xi,...,Xn)
'F(yi,...,yn)
.
'
.
^ ' ^
Betrachten wir nun weiterhin den Sonderfall ci = 1 (i = 1 , . . . , n), dann gilt ^ aF(xi,...,Xn) _ yi ^ aF(yi,...,yn) xi F(xi,...,Xn) dxi F(yi,...,yn) ^yi
(4.11)
4.1 Analytische Vorbereitung
289
Da die linke Seite nur von x i , . . . ,Xn und die rechte Seite nur von y i , . . . ,yn abhangig ist, sind sowohl die linke als auch die rechte Seite gleich einer Konstanten, die wir mit ai bezeichnen. Es gilt also
F(xi,...,Xn)
^^
dxi
a,
.
(4.12)
Durch partielles Integrieren iiber xi erhalten wir F(xi,...,Xn)=Ci(x2,...,Xn)-X?^
.
(4.13)
Ci(x2,... ,Xn) ist eine weitere Funktion, die wir zunachst nicht kennen. Wir konnen die gezeigte Rechnung auch fiir eine beliebige Mafizahl Xi durchfiihren. Dann erhalten wir als Ergebnis F ( x i , . . . , X n ) = C i ( x i , . . . , X i _ i , X i + i , . . . , X n ) ' X^"^
.
(4.14)
Wenn wir alle n Losungen miteinander kombinieren, dann lautet die Gesamtlosung x = F(xi,...,Xn)=C.x?^.x^^...x-"
,
(4.15)
wobei C nun keine Funktion von irgendeiner Mafizahl ist. C ist eine Konstante, die wir ohne Einschrankung der Allgemeinheit C = 1 setzen konnen indem wir fordern, dass x = 1 ist, wenn alle Xi = 1 (i = 1 , . . . ,n) sind. Fiir den Zusammenhang zwischen der Mafizahl einer abgeleiteten Grofie und den Mafizahlen der Grundgrofien gilt also (4.16) Mit der Gleichung (4.16) begriindet sich auch die Dimensionsformel (4.4), denn die Dimension einer abgeleiteten physikahschen Grofie ist so definiert, dass sie angibt wie die Mafizahlen der Grundgrofien miteinander kombiniert werden, um die Mafizahl der abgeleiteten Grofie zu berechnen. Gleichung (4.16) zeigt uns wie die Mafizahlen kombiniert werden. Wir gehen nun davon aus, dass eine funktionale Beziehung von n physikahschen dimensionsbehafteten Grofien Q i , . . . , Qn existiert. Diese konnen wir mit der impliziten Schreibweise wie folgt angeben F(Qi,...,Qn) = 0
.
(4.17)
Der funktionale Zusammenhang (4.17) konnte z.B. der Beziehung (4.1) entsprechen. Wenn die Gleichung (4.17) fiir ein mechanisches Problem steht, dann gilt fiir alle Dimensionen der physikahschen Grofien Q i , . . . , Qn die Dimensionsgleichung [Qi] = M ^ i ' ^ • L^2,i . 7^^3,1
(4^1g)
Oder, wenn wir zu den Basisgrofien Kraft, Lange, Zeit (F, L, T) iibergehen, [Qi] = F^i'^ . L^2'^ . T^3'^
.
(4.19)
290
4 Numerische Losungsmethoden
Weiterhin kann jede MaJ^zahl der physikalischen Grofien Qi,. ., Qn mit der Gleichung (4.16) ausgedriickt werden. Es kann gezeigt werden, dass sich der funktionale Zusammenhang (4.17) auf n — m dimensionslose Grofien vereinfacht. m ist in der Regel die Anzahl der Grundgrofien, die fiir mechanische Probleme mit M^L^T bzw. mit F , L , T m = 3 ist. Bei der Betrachtung von Stromungen mit Temperatureinfluss ist die Temperatur eine weitere Grundgrofie und m ist in diesem Fall m = 4. Dieser Zusammenhang ist als das H-Theoreni von Buckingham bekannt, das wir in diesem Buch nicht beweisen wollen. Seine Richtigkeit ist z.B. sehr ausfiihrlich in dem Buch von P. W. Bridgman 1932 erklart, das dem interessierten Leser als vertiefende Lektiire zu empfehlen ist. Wir wollen nachfolgend lernen, wie wir das H-Theorem zur Vereinfachung von funktionalen Zusammenhangen anwenden konnen. Zusammenfassend lautet das E-Theorem von Buckingham Gegeben ist der funktionale Zusammenhang F(Qi,...,Qn) = 0
(4.20)
mit n-dimensionsbehafteten physikalischen Groften Q i , . . . , Qn und m Grundgroften (z.B. M, L, T bzw. F, L, T). Dann gibt es einen weiteren funktionalen Zusammenhang
F(ni,...,nn-r) = o
(4.21)
mit n — r dimensionslosen Groften H i . . . Iln-r. Fur r gilt in der Regel r = m. Der Zusammenhang (4.21) beschreibt vollstandig die Losung des Problems. Es stellt sich nun die Frage, wie die n — r dimensionslosen Grofien gebildet werden. Dazu betrachten wir die Dimensionen der n physikalischen Grofien, die wir mit den m Grundgroften A i , . . . , Am wie folgt ausdriicken konnen [Qi]=A^^.A° (4.22)
Die dimensionslosen Groften ni(i = 1 , . . . , n — r) konnen wir wie folgt angeben ni = A ? . A ^ . . A ^ = [Qi]k^.[Q2]^^...[Qn]'"
.
(4.23)
Setzen wir in die Gleichungen (4.23) fiir [Qi],..., [Qn] die entsprechenden Ausdriicke gemaft der Gleichungen (4.22) ein, erhalten wir
[A;'^'^
. A2''' • • • A^-'i]^^ . [A;'^'^ . A2''' • • • A^-'2]^2 . . .
[A;'^'"
. A2''" • • • A^-'"]^"
. (4.24)
4.1 Analytische Vorbereitung
291
Durch einen Vergleich der Exponenten der linken und rechten Seite der Gleichung (4.24) erhalten wir das folgende Gleichungssystem. Es lautet 0^1,1 ' ki + cei,2 • k2 H
h cei,n • kn = 0
! Q^m,l • k i + am,2
!
!
h Q^m,n ' k n = 0
• k2 H
(4.25) .
Die Gleichungen (4.25) bilden ein homogenes Gleichungssystem bestehend aus m Gleichungen fiir die n Unbekannten k i , . . . , kn (m < n). Aus der linearen Algebra ist bekannt, dass ein homogenes Gleichungssystem genau r linear unabhangige Losungen besitzt, wobei r der Rang der KoefRzientenmatrix / ai^i ...
ai^n \
:
:
•..
(4.26)
\ a n i , l • • • Q^m,n/
des Gleichungssystems (4.25) ist. Der Rang r der Matrix (4.26) entspricht der Anzahl der Zeilen und Spalten der Determinante mit der grofiten Zeilen- und Spaltenanzahl, deren zugehorige Matrix in (4.26) als Teilmatrix enthalten und deren Determinante von Null verschieden ist. In der Mehrzahl der Falle ist bei der Anwendung der Dimensionsanalyse der Rang r der Matrix (4.26) gleich der Zeilenanzahl m, die der Anzahl der Grundgrofien entspricht. Die Bestimmung der dimensionslosen Koeffizienten E i . . . Iln-r erfolgt nun entsprechend der nachfolgenden Vorgehensweise: • Bestimmung der n physikalischen Grofien der funktionalen Beziehung (4.20). • Festlegung der Grundgrofien (fiir mechanische Probleme F , L, T bzw. M, L, T). • Aufstellen der KoefRzientenmatrix (4.26) und Ermittlung ihres Ranges. • Berechnung der n — r linear unabhangigen Grofien und der mit ihnen korrespondierenden dimensionslosen Grofien H i . . . Iln-r (in den meisten Fallen ist r = m). • Aufstellen des neuen funktionalen Zusammenhangs F ( n i . . . Iln-r). Wir kommen auf das Beispiel der Kraftfahrzeugumstromung zuriick. Den ersten Schritt unserer Vorgehensweise haben wir bereits zu Beginn dieses Abschnittes durchgefiihrt als wir die Beziehung (4.1) aufstellten. Der zweite Schritt erscheint uns bereits trivial. Wir wahlen als Grundgrofien die Grofien F , L, T aus. Mit den ausgewahlten Grundgrofien konnen wir die KoefRzientenmatrix (4.26) aufstellen, die wir gemafi der Tabelle 4.1 aufschreiben. Eine Teilmatrix, deren zugehorige Determinante von Null verschieden ist, ist z.B. die Matrix /
0
1
0\ (4.27)
292
4 Numerische Losungsmethoden
Fw 1 0 0
F L T
Uoo
Poo
0 1 -1
1 -4 2
L 0 1 0
/^oo
1 -2 1
Tabelle 4.1 : Dimensionstabelle
so dass wir gemafi dieser Teilmatrix die GroJ^en f/oo, Poo und L als neue Grundgrofien auffassen und mit ihren Dimensionen die Dimensionen der verbleibenden GroJ^en Fw und /ioo entsprechend des Potenzansatzes ausdriicken konnen. Es gilt also (4.28)
Oder F^ 'L^ 'T^ = (F° • L^ • T-^)^'
• (F^ • L'^ • T^)^^ . (^o . ^ i . ^o^)k3
(4.29)
Durch einen Vergleich der Exponenten der linken und rechten Seite der Gleichung (4.29) erhalt man das folgende Gleichungssystem fiir die Unbekannten ki, k2 und ka. Es lautet F: L: T :
1 = k2 0 = ki - 4 • k2 + ka 0 = - k i + 2 • k2 .
Die Losung des Gleichungssystems ergibt: ki = 2, k2 = 1, dimensionslose GroKe Ei entsprechend der Gleichung (4.28) Hi Po
Fw 'Ul-L^
2, so dass die erste
(4.30)
lautet. Die zweite dimensionslose Grofie 112 berechnet sich analog, indem die Dimension der Grofie /ioo niit den Dimensionen der neuen GrundgroKen [/QO, Poo und L ausgedriickt wird. Man erhalt als zweite dimensionslose Grofie 1
1^0
Uo
Poo • UQQ ' L
(4.31)
RCL
SO dass der neue funktionale Zusammenhang wie folgt lautet Fw Poo • "^oo
L2
f(n2)
Oder cw
Fw Poo
2
"^oo
•L2
f{ReL)
so wie wir es bereits zu Anfang dieses Abschnittes kennenlernten. Um das Verstandnis fiir die Dimensionsanalyse abzurunden, wollen wir abschliefiend noch die Frage diskutieren, wie wir liberhaupt die Einflussgrofien fiir den funktionalen Zusammenhang (4.20) ermitteln konnen. Dazu ist zu sagen, dass es keine Vorgehensweise gibt,
4.1 Analytische Vorbereitung
293
mit der man die fiir das technische Problem relevanten Grofien bestimmen kann. In der Kegel setzt der erste Schritt der Dimensionsanalyse eine gewisse Erfahrung beziiglich des technischen Problems voraus. So konnten wir z. B. beziiglich der Kraftfahrzeugumstromung der Meinung sein, dass der Luftdruck po einen Einfluss auf den Widerstand Fw hat. Wiirden wir ihn mit in die Beziehung (4.1) aufnehmen und anschliefiend die Dimensionsanalyse gemafi unserer gelernten Vorgehensweise durchfiihren, dann wiirden wir die weitere dimensionslose Grofie Ha = Pol {poo ' U^) erhalten. Der vereinfachte funktionale Zusammenhang wiirde dann c^ = f{ReL^ \ ^
)
(4.32)
Poo 'U^
lauten. Wenn wir anschUefiend z.B. mit Windkanalversuchen den funktionalen Zusammenhang (4.32) ermitteln, werden wir feststellen, dass die Grofie Fw unabhangig von der Grofie Pol {poo ' U^) ist. In diesem Fall wiirden wir die Grofie Po/{poo ' U^) wieder aus der Beziehung (4.32) streichen. Wie bereits gesagt, ist die Dimensionsanalyse der erste Schritt zur Losung eines stromungsmechanischen Problems. Wenn man mit der Stromungsmechanik gut vertraut ist, dann wird das Bestimmen der wesentlichen Einflussgrofien keine Schwierigkeiten bereiten. Dazu ist jedoch anfanglich viel Ubung erforderlich.
4.1.2
Linear isierung
Die in Kapitel 3 hergeleiteten Differentialgleichungen sind nichtlineare Gleichungen und konnen im Allgemeinen nur numerisch gelost werden. Ein lohnender Zwischenschritt kann es sein, die das Problem beschreibenden Differentialgleichungen zu linearisieren und anschliefiend zu losen. Wir werden uns in diesem Abschnitt mit der Linearisierung der Gleichung (3.161) auseinandersetzen. Die Vorgehensweise, die wir dabei lernen, ist auf viele andere Stromungsprobleme iibertragbar. Die Anwendungen der linearisierten Gleichung (3.161) zur Berechnung von technisch interessierenden Stromungen werden als linearisierte Theorie und als Theorie kleiner Storungen bezeichnet. Diese Bezeichnungen werden uns bei der Herleitung der linearisierten Gleichungen verstandlich werden. Wir betrachten wieder die Tragfliigelstromung und setzen voraus, dass die Reynolds-Zahl der Zustromung Re = Uoo • {L/iy^o) sehr grofi ist. Die Grenzschichten auf dem Tragfliigel sind also diinn und wir beschranken uns auf die Berechnung der reibungsfreien Aufienstromung, wie wir das bereits in Kapitel 3 bei der Diskussion der Potentialgleichung (3.161) getan haben. Wir werden nun weiterhin annehmen, dass das Tragfliigelprofil schlank ist und dass es deshalb die ungestorte Zustromung mit der Geschwindigkeit [/QO nur geringfiigig stort (siehe Abbildung 4.5). Die Zustromung ist parallel zur x-Achse. Den Geschwindigkeitsvektor vi konnen wir in zwei Anteile zerlegen, wobei der erste Anteil der ungestorten
294
4 Numerische Losungsmethoden
Zustromung entspricht und der zweite Anteil gleich einem Storanteil ist, der durch das schlanke Tragfliigelprofil hervorgerufen wird. vi schreibt sich also wie folgt (4.33)
Vl
Die Geschwindigkeitskomponenten u\ v' und w' fassen wir als Storgrofien auf, die im Vergleich zur ungestorten Zustromgeschwindigkeit Uoo klein sind. Diese sind nicht zu verwechseln mit den Schwankungsgrofien turbulenter Stromungen. Den Geschwindigkeitsvektor vi konnen wir mit der Potentialfunktion (4.34)
^ = f/oo • X + (/?
angeben, mit der wir durch Differenzieren nach x, y und z die Geschwindigkeitskomponenten IX, V und w berechnen konnen. In Gleichung (4.34) steht ip fiir ein unbekanntes Storpotential, das wir spater mittels der Unearisierten Gleichung (3.161) bestimmen wollen. Durch Differenzieren der Gleichung (4.34) nach x, y bzw. z erhalten wir gemafi der Gleichung (3.153) die entsprechenden Geschwindigkeitskomponenten ix, v und w. Sie lauten ^^
rr
^^
OX
_d^ _dip _ dy dy d^ oz
rr
ox
dip oz
,
(4.35)
,
Wir benotigen weiterhin fiir die Gleichung (3.161) die zweiten Ableitungen von ^ nach x, y und z. Diese lauten d^^ dx'^
d^cp dx'^
d'^^ aV
du' dx
Qy2
dv'
a^^
av
dw'
Qy
dz^
dz'^
dz
Qy2
(4.36)
Durch Einsetzen der ersten und zweiten Ableitungen von ^ gemafi der Gleichungen (4.36) und (4.36) in die Gleichung (3.161) erhalten wir {a' - Ul
^ TT
/
/2x du'
, o
,2, dv'
, o
,2,
dw'
A b b . 4.5: Stromung um einen schlanken Fliigel
295
4.1 Analytische Vorbereitung
2 • (f/oo + U') • V'
2-{U^+u')-w'-^-2-v'-w'-^ az
dy
az
0
(4.37)
Weiterhin gilt fiir das Stromungsfeld die Bernoullische Gleichung. Wenden wir sie entlang eines Stromfadens von der ungestorten Zustromung bis zu einer beliebigen Stelle im Stromungsfeld an, so gilt entsprechend Kapitel 2.3.3 2
U,oo 2
n-1
([/oo+ixO'+^' + ^ ' n-1
Oder umgeformt 2
a
2
=a^
^-^.(2.[/oo-ix' + ix''+^''+^'')
(4.38)
.
ttoo steht fiir die Schallgeschwindigkeit in der freien Zustromung. Ersetzen wir in der Gleichung (4.37) a^ durch die rechte Seite der Gleichung (4.38) und dividieren anschhefiend die resultierende Gleichung durch a ^ , erhalten wir die folgende Gleichung /2
u
1 - ^ . M 2
,
/2
I
/2
-\- V -\- w [/2
Ml-2-Ml
Mi
l _ ^ . M i
C/2
. ^
M2
C/2
OO
7-72
'-^oo
dv!_ dx
dy (4.39)
/2
u
l - ' ^ . M l
2.M2
2-Mi
. ^ . ^ - 2 . M 2
'u' • !(;' [/2
I
/2
I
/2
-\- V -\- w f/oo
C/2
du' dy
u' • w'
du'
M
• oo
7-72
dw' dz
'-^oo
dv' dz
^oo = f/oo/«oo steht fiir die Anstrom-Mach-Zahl. Die Gleichung (4.39) enthalt keine Vereinfachungen. Sie gilt fiir jede drehungsfreie isentrope Stromung. Wir haben in unseren Gleichungen auch noch nicht mit einfliefien lassen, dass wir eine Stromung betrachten wollen, die durch das Tragfliigelprofil nur schwach gestort wird. Gleichung (4.39) gilt deshalb sowohl fiir grofie als auch kleine Storgeschwindigkeiten u\ v' und w'.
296
4 Numerische Losungsmethoden
Mit einer einfachen Umformung konnen wir die Gleichung (4.39) wie folgt schreiben du'
dv'
dw'
( i - ^ i ) - dx^ + i^ dy + dz^ Mi
(« + l)- — +
/2^
+
[/2
2
/2 ,
'
1^-1
2
Mi
2
dv' dy
+
[/2
2
Mi Mi
+
[/2
V'
1
v' • w' f dw' V dy U^
f/o
5ix' dy
/2 ,
5'u' \ dx J
/2
dz
[/2
w^ Uoo
du' dz
1 + U^
dw'' dx
dv' dz
(4.40)
Bei der Umformung von Gleichung (4.39) auf Gleichung (4.40) haben wir dabei die Beziehungen dv' dz
dw' dy
du' dy
dv' dx
du' dz
dw' dx
ausgenutzt, die durch die Voraussetzung der Drehungsfreiheit der Potentialstromung geUefert werden. Die Unke Seite der Gleichung (4.40) ist linear hinsichtlich der Storungsgeschwindigkeitskomponenten u', v', w' und ihren Ortsableitungen. Hingegen enthalt ihre rechte Seite nur nichtlineare Terme, da hier Produkte der Storungsterme untereinander auftreten. Wir beschranken uns auf den Fall, dass der Tragfliigel die Zustromung nur geringfiigig stort. Es gilt also
u
<1
u
<1
u
(4.41)
<1
Wenn wir nun den ersten Summanden der linken Seite der Gleichung (4.40) (1 -
M^) du' dx
mit dem ersten Summanden der rechten Seite
M'i
u
K^l
W
/2
j K, — 1
Ul.
dvf_ dx
vergleichen so stellen wir fest, dass der Betrag des letzteren fiir Unterschallstromungen bei einer Zustrom-Mach-Zahl M^ im Bereich von 0 < M^ ^ 0.5 wesentlich kleiner als
4.1 Analytische Vorbereitung
297
der Betrag des zuerst genannten Summanden der linken Seite ist. Dieses trifft auch fiir Uberschallanstromungen zu vorausgesetzt, dass die Zustrom-Mach-Zahl sich von Moo = 1 unterscheidet (Moo > ~ 1-2). Wir konnen weiterhin auf der rechten Seite von Gleichung (4.40) den zweiten, dritten und vierten Summanden vernachlassigen, wenn die Bedingungen (4.41) erfiillt sind. Allerdings ist dies nur dann moglich, wenn die Mach-Zahl nicht zu grofi wird. Fiir Zustrom-MachZahlen Moo > ~ 5 nimmt die rechte Seite der Gleichung (4.40) allmahlich Werte an, die verglichen mit den Wert en der linken Seite von gleicher Grofienordnung sind. Nach Durchfiihrung der Linearisierungsschritte und Abschatzungen bleibt somit nur die linke Seite von Gleichung (4.40) erhalten, wahrend die rechte Seite den Wert Null annimmt. Wir erhalten als Ergebnis eine lineare Gleichung, in der die Storungsgeschwindigkeiten nur in der erst en Potenz vorkommen. Unter Beachtung von Gleichung (4.36) konnen wir Gleichung (4.40) in einer Form darstellen, die als einzige Unbekannte nur noch das Storpotential Lp enthalt. Die Gleichung (4.40) lasst sich also auf die linearisierte Potentialgleichung f 1 - M^ ) • — - H
H
(4.42)
vereinfachen (beachte die Gleichungen (4.36)), wenn • der Tragfliigel schlank ist und deshalb die Bedingungen (4.41) gelten. • die Zustrom-Mach-Zahl Moo < ~ 5 ist und sich von Moo = 1 deutlich unterscheidet, d.h. Gleichung (4.42) gilt nicht fiir den Bereich ^ 0.5 < Moo < ~ 1-2. Die Randbedingungen fiir die Uneare Differentialgleichung (4.42) werden fiir die ungestorte Zustromung im Unendlichen und fiir die gestorte Stromung am Grenzschichtrand formuliert. In der ungestorten Zustromung verschwinden die Storgeschwindigkeiten u', v' und w'. Es gilt also x^-oo:
ix' = - ^ = 0 , ox
^' = - ^ = 0 , ay
^' = - ^ = 0 . az
(4.43)
Am Grenzschichtrand des Profils zeigt der Geschwindigkeitsvektor in tangentiale Richtung (siehe Abbildung 4.6) und besitzt folglich an jedem Ort der Tragfliigeloberflache die gleiche Steigung wie die Grenzschichtkontur. Es gilt also an jeder beliebigen Stelle xs, ys und zs der Grenzschichtberandung (zs = zs{x^y) steht fiir die Flache der Grenzschicht) die
Abb. 4.6: Randbedingungen fiir einen schlanken Fliigel am Grenzschichtrand
298
4 Numerische Losungsmethoden
Randbedingung: (7oo + u^
ox
oy
v'
In der ersten Gleichung der Randbedingungen (4.44) beriicksichtigen wir die Linearisierungsvoraussetzung Uoo > u' und zusatzlich die Gleichungen (4.36). Wir erhalten dann die endgiiltigen Randbedingungen. Sie lauten
" = "^ '
y = y' '
' = ''-'
dz5
1
^
= uZ'^
dcp
dz5
'
-^
a^ = W
.
.
• ^'-''^
dy
Der Giiltigkeitsbereich der linearisierten Differentialgleichung (4.42) unterliegt wesentlich restriktiveren Bedingungen als der fiir Gleichung (3.161), wie wir bereits lernen konnten. Weiterhin gilt die Differentialgleichung nicht fiir den Staupunktbereich, da dort die Storungsgeschwindigkeiten von gleicher Grofienordnung wie die Anstromgeschwindigkeit Uoo sind. Trotz dieser Einschrankungen haben die Anwendungen der Differentialgleichung (4.42) in der Aerodynamik eine weite Verbreitung gefunden. Fiir Uberschallstromungen {M^o < 5) kann die Differentialgleichung analytisch gelost werden. Die Herleitung dieser analytischen Losung wird weiter unten beschrieben. Weiterhin basieren auf der Gleichung (4.42) fiir Unterschallstromungen Korrekturformeln zur Beriicksichtigung des Kompressibilitatseinflusses. Darunter ist Folgendes zu verstehen: Eine mogliche Vorgehensweise zur Berechnung der Druckverteilung auf einem Tragfliigel in einer kompressiblen Stromung besteht aus der Berechnung der inkompressiblen Druckverteilung auf dem Tragfliigel mit einer anschliefienden Korrektur fiir den Kompressibihtatseffekt. Zu den bekanntesten Korrekturen zahlt die Prandtl-Glauert-Regel (siehe H. Oerteljr., 2002). In Abbildung 4.7 ist der dimensionslose Druckbeiwert P-Poo ^'
Poc'U^
iiber der Lange des ausgewahlten NACA0012-Tragfliigelprofils entsprechend der Ergebnisse mehrerer Stromungsberechnungen aufgetragen. Die erste Teilabbildung 1 zeigt einen Vergleich zwischen der Druckverteilung, die gemafi der nicht linear en Potentialgleichung (3.161) berechnet wurde und der Verteilung, die man unter Anwendung der linearisierten Potentialgleichung (4.42) erhalt. Die Zustrom-Mach-Zahl betragt Moo = 0-4. Obwohl im vorderen und hinteren Staupunktbereich die Storgeschwindigkeit u^ von gleicher Grofienordnung wie die Zustromgeschwindigkeit Uoo ist, stimmen beide Losungen gut iiberein. Damit ist gezeigt, dass die linearisierte Potentialgleichung das Stromungsfeld fiir den Fall der von uns gewahlten Unterschallanstromung mit Moo = 0-4 in guter Naherung beschreibt. Da wir voraussetzen, dass die Grenzschichtdicken bei den vorherrschenden hohen FlugReynolds-Zahlen gering sind, ist der Einfluss der Grenzschichten auf die gesamte Druckverteilung gering, wenn wir den Hinterkantenbereich bei unserer Betrachtung nicht mitberiicksichtigen. Die so berechneten Druckverteilungen stimmen folglich bereits recht genau
299
4.1 Analytische Vorbereitung
mit den realen Druckverteilungen der Aufienstromung iiberein. Sie konnen deshalb zur Bestimmung des Auftriebs herangezogen werden. In Teilabbildung 2 ist das Ergebnis der linearisierten Potentialgleichung im Vergleich mit einer Berechnung gemafi der Reynolds-Gleichungen fiir die transsonische Flug-Mach-Zahl M = 0.82 von Verkehrsflugzeugen dargestellt. Zur Ermittlung des zuletzt genannten Ergebnisses wurde eine numerische Losungsmethode angewandt, die wir in Kapitel 4.2.4 vorstellen werden. Dieses Ergebnis reprasentiert am Genauesten die reale Druckverteilung. Die Losung gemafi der linearisierten Potentialgleichung hat nahezu iiberhaupt keine Gemeinsamkeit mit der Losung der Reynolds-Gleichungen, womit die Giiltigkeitsgrenze M ^ 0.5 der Gleichung (4.42) verstandlich wird.
1.2 0.6 0.0 0.6
®
f^^^^
r ^ 1
1 O J
1 Mo = 0.4
1
0.2
1
0.4
1
0.6
1
x/L
^
1.0
0
nichtlineare Potentialgl. — — linearisierte Potentialgl.
0.4
0.6 x/L
1.0
Reynolds-Gleichung linearisierte Potentialgl.
0.2
0.4
0.6 x/L
1.0
Anstellwinkel a = 1.25°
-1.2
0.2
0.4
0.6 x/L
1.0
Reynolds-Gleichung nichtlineare Potentialgl.
A b b . 4.7: Losung der Reynolds-Gleichungen (Kapitel 4.2.4), der nichtlinearen Potentialgleichung und der linearisierten Potentialgleichung fiir das NAG A 0012 Profil
300
4 Numerische Losungsmethoden
In Teilabbildung 3 sind die numerischen Losungen der Reynolds-Gleichungen (vgl. Kapitel 4.2.4) und der nichtlinearen Potentialgleichung (3.161) im Vergleich dargestellt. Die zuerst genannte Losung reprasentiert wieder am Genauesten die reale Druckverteilung. Sie unterscheidet sich immer noch deutlich von der Losung der nichtlinearen Potentialgleichung, obwohl diese bereits realistischere Werte liefert als die linearisierte Potentialgleichung. Ein gravierender Unterschied ist in der Lage der Stofie auf der Saug- und Druckseite erkennbar. Wiirden wir die Druckverteilung gemafi der Losung der nichtlinearen Potentialgleichung als Grundlage zur Berechnung des Auftriebs verwenden, ware der berechnete Auftrieb fehlerbehaftet. Allerdings ist dieser Fehler nicht so grofi, dass der so ermittelte Auftrieb nicht als Abschatzung dienen konnte (der Fehler betragt ungefahr 10%). Zur Berechnung des Widerstandes eines Profils ist ein solches Vorgehen jedoch unzulassig, da aufgrund fehlender Reibungsterme in den Potentialgleichungen eine Widerstandsberechnung grundsatzlich nicht moglich ist. Bevor wir auf die Herleitung analytischer Losungen fiir Uberschallstromungen eingehen, wollen wir noch den unterschiedlichen Charakter der Differentialgleichung (4.42) fiir Unterund Uberschallstromungen diskutieren. Fiir Stromungen mit einer Anstrom-Mach-Zahl Moo < 1 nennen wir die Differentialgleichung elliptisch, fiir Anstrom-Mach-Zahlen Moo > 1 hyperbolisch. Aus der Mathematik ist bekannt, dass elliptische Differentialgleichungen einen ganzlich anderen Charakter besitzen als hyperbolische Differentialgleichungen und, dass sich die Verfahren zur Losung elliptischer und hyperbolischer Gleichungen unterscheiden. Der Ubergang von einer Unter- in eine Uberschallstromung korrespondiert mit einem Wechsel der Eigenschaft der Differentialgleichung (4.42) von elliptisch auf hyperbolisch und ist in dem unterschiedlichen stromungsphysikalischen Verhalten von Storungen in einer Unter- und Uberschallstromung begriindet. In einer Unterschallstromung beeinflusst eine an einer beUebigen Stelle im Stromungsfeld eingebrachte Storung das gesamte Stromungsfeld, da sich z.B. die Ausbreitung von Druckstorungen mit Schallgeschwindigkeit vollzieht, die groJ^er ist als die Stromungsgeschwindigkeit. Bei einer Uberschallstromung hingegen konnen die eingebrachten Storungen das Stromungsfeld nur stromab und nicht stromauf beeinflussen, da alle Storungen mit der Stromung schneller stromab transportiert werden als die Ausbreitung der Storungen im Medium mit Schallgeschwindigkeit stromauf geschieht. Zur Berechnung schallnaher Stromungen mit Moo ~ 1 konnen wir die Gleichung (4.40) nicht in der Weise vereinfachen, wie wir es zur Herleitung der Gleichung (4.42) bereits durchgefiihrt haben. Wenn wir nochmals die Vorfaktoren fiir du' jdx auf der linken und rechten Seite der Gleichung (4.40) miteinander vergleichen (diese Gleichung beschreibt exakt alle isentropen drehungsfreien Stromungen), so konnen wir fiir Anstrom-Mach-Zahlen im Bereich von ?^ 0.5 < Moo < ~ 1-2 nur die quadratischen Glieder der Storgeschwindigkeiten vernachlassigen und miissen die Unearen Glieder der Storgeschwindigkeiten stehen lassen. Wir erhalten zur Berechnung von Stromungen mit Anstrom-Mach-Zahlen im Bereich von ?^ 0.5 < Moo < ~ 1.2 die folgende Gleichung
1-M^
^--^'^'ht d^LD
d^LD
dx'^
dy'^
— - ^—-
d^LD
^—-
dz'^
= 0
(4.46)
4.1 Analytische Vorbereitung
301
Die Gleichung (4.46) ist eine nichtlineare Differentialgleichung, mit der wir reibungsfreie transsonische Tragfliigelstromungen berechnen konnen. Sie basiert ebenfalls auf der Theorie kleiner Storungen und kann deshalb nur fiir Stromungen um schlanke Tragfliigel angewandt werden. Im verbleibenden Teil dieses Abschnittes werden wir noch die analytische Losung der Gleichung (4.42) fiir Uberschallanstromungen mit M^ > 1 herleiten. Wir setzen dabei voraus, dass die Stromung iiberall parallel zur x, z-Ebene verlauft, so dass wir nur eine ebene Stromung betrachten miissen. Wir suchen also eine Losung fiir die Differentialgleichung ^ ' • ^ - ^ = 0
'
A= y M ^ ^
,
Moo>l
.
(4.47)
Die Differentialgleichung (4.47) entspricht dem Typ der Wellengleichung, fiir die die allgemeine Losung (/? = f(x - A • z) + g(x + A • z)
(4.48)
gilt, f und g stehen jeweils fiir eine Funktion, die von dem Argument x — \ - z bzw. X + A • z abhangig sind. Die Richtigkeit der allgemeinen Losung (4.48) kann durch Einsetzen der Ableitungen in die Gleichung (4.47) iiberpriift werden (siehe dazu Ubungsbuch Stromungsmechanik iJ. Oertel jr., M. Bohle, U. Dohrmann 2006). Wir betrachten zunachst den Sonderfall g = 0. Aus der allgemeinen Losung (4.48) geht hervor, dass auf Linien x — X- z = konst. der Stromungszustand konstant ist (Abbildung 4.8), d. h. eine Storung, die an der Stelle 1 eingebracht wird, breitet sich entlang dieser Linie aus. Die Linie, fiir die x — X - z = konst. gilt, wird als Mach-Linie oder auch als Charakteristik bezeichnet. Um ihre physikalische Bedeutung verstehen zu lernen, denken wir uns eine kleine Storquelle, die sich mit einer Geschwindigkeit u^ schneller als die ortliche Schallgeschwindigkeit tts durch ein Gas bewegt (Abbildung 4.9). Die Storungen, die sie wahrend ihrer Bewegung verursacht, breiten sich mit der Schallgeschwindigkeit ag aus und beeinflussen nur den Bereich innerhalb des in Abbildung 4.9 gekennzeichneten Kegels. Wie wir bereits aus Kapitel 2.3.3 wissen, wird dieser Kegel Mach-Kegel genannt. Den Winkel a' zwischen der Horizontalen und der Kegelbegrenzung konnen wir wie folgt angeben (Abbildung 4.9): a' = arcsin ( - ^ 1 = arcsin ( —— 1
.
(4.49)
A b b . 4.8: Stromung um einen schlanken Fliigel
302
4 Numerische Losungsmethoden
Wir wollen nun wieder den Winkel a zwischen der Mach-Linie und der Horizontalen in Abbildung 4.8 betrachten. Fiir die Steigung dz/dx der Linie gilt dz I 1 = tan(ce) . -— = — = —, dx A ^M2^-l Fiir den Winkel a zwischen der Horizontalen und der Linie ergibt sich damit: a = arctan
—,
= arcsin ( —-— I
.
(4.50)
Durch einen Vergleich der Gleichungen (4.49) und (4.50) sowie der beiden zuvor diskutierten Sachverhalte erkennen wir die physikalische Bedeutung der Mach-Linie. Wir kommen nun zuriick auf die analytische Losung der Gleichung (4.47) und beschranken uns weiterhin auf den Sonderfall g = 0. Durch Differenzieren der Gleichung (4.48) und unter Beriicksichtigung g = 0 erhalten wir fiir die Storgeschwindigkeiten u' und w' die folgenden Gleichungen. Sie lauten
f' steht fiir die Ableitung von f nach dem Argument x — X-z. Aus den beiden Gleichungen (4.51) folgt unmittelbar, dass zwischen u^ und w^ der Zusammenhang w' = -X' u'
(4.52)
besteht. Als nachsten Schritt beriicksichtigen wir die Gleichung (4.52) in der kinematischen Stromungsbedingung. Diese lautet tan(e) = ^
'
(4-^3)
wenn 6 der Winkel zwischen der Tangente an der oberen Grenzschichtseite und der Horizontalen ist (Abbildung 4.10). Beriicksichtigen wir weiterhin, dass das Profil schlank ist, so konnen wir mit guter Naherung annehmen, dass gilt: tan(B) ?^ B
,
u' <^U^
,
Storquelle Mach-Kegel
^ ^
A b b . 4.9: Mach-Kegel
303
4.1 Analytische Vorbereitung so dass sich die Gleichung (4.53) auf die Gleichung
e
w
(4.54)
vereinfacht. Setzen wir in die Gleichung (4.54) fiir w^ die rechte Seite der Gleichung (4.52) ein, erhalten wir
e
-A-
(4.55)
A
f/o
Mit der Gleichung (4.55) konnen wir die Storgeschwindigkeit u^ auf der Kontur in Abhangigkeit von dem Konturwinkel 6 berechnen. Mit der Gleichung (4.52) erhalten wir dann die Storgeschwindigkeit w\ Damit ist uns der Geschwindigkeitsvektor am Grenzschichtrand vollstandig bekannt. Den Druck konnen wir anschliefiend mit der Bernoulli-Gleichung fiir kompressible Stromungen ermitteln. Die Herleitung der Gleichung (4.55) basiert auf dem Spezialfall g = 0 (Gleichung (4.48)) d. h., dass die Gleichung (4.55) nur fiir linkslaufige Mach-Linien giiltig ist. Die Begriffe links- und rechtslaufige Mach-Linien sind in der Abbildung 4.10 erklart. Wir konnen die Herleitung auch fiir den Spezialfall f = 0 durchfiihren. In diesem Fall wiirden wir die Storgeschwindigkeiten an den Stellen des Grenzschichtrandes berechnen, von denen eine rechtslaufige Mach-Linie ins Stromungsfeld hineinlauft. Bei der Tragfiiigelstromung liegen diese Stellen auf der Unterseite. Die Gleichung fiir u^ lautet dann (4.56)
A
so dass wir zusammenfassend fiir die Storgeschwindigkeit u^ die folgende Gleichung angeben konnen: (4.57)
A
Das Pluszeichen steht fiir die rechtslaufigen, das Minuszeichen fiir die linkslaufigen MachLinien. Gleichzeitig miissen wir beriicksichtigen, dass auch 6 positive und negative Werte annehmen kann. Winkel in Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn sind positiv.
linkslaufige Mach-Linie
rechtslaufige Mach-Linie
Abb. 4.10: LinksMach-Linie
und
rechtlaufige
304
4 Numerische Losungsmethoden
Fiir den dimensionslosen Druckbeiwert P-Poo
kann ebenfalls eine linearisierte Gleichung aufgestellt werden. Wir wollen auf ihre Herleitung in dem vorliegenden Buch verzichten, da sie in dem Ubungsbuch H. Oertel jr., M. Bohle, U. Dohrmann 2006 als Ubungsaufgabe mit Losung formuliert ist. Dem Leser wird empfohlen, diese Ubungsaufgabe selbst zu losen, um mit der Linearisierung besser vertraut zu werden. Fiir Cp erhalt man gemafi der genannten Ubungsaufgabe Cp = - 2 - - ^
.
(4.58)
Setzen wir die rechte Seite der Gleichung (4.57) fiir u^ in die Gleichung (4.58) ein, erhalten wir fiir Cp die endgiiltige und einfach anzuwendende Gleichung 2-e _
2-e
(4.59)
Wie wir lernen konnten, konnen wir mit der Theorie kleiner Storungen einfache Differentialgleichungen aufstellen, deren Anwendung uns die Berechnung von Druckverteilungen auf schlanken Profilen bei Unter- und Uberschallzustromungen mit moderaten Mach-Zahlen ermoglichen. Allerdings bleibt diese Theorie auch auf diese Anwendungen beschrankt. Verdichtungsstofie, die in jeder Uberschallumstromung auftreten, werden bei der Anwendung der linearisierten Theorie vernachlassigt. Die Ergebnisse beschranken sich auf die reibungsfreie Aufienstromung der Tragfliigel-Profilumstromung. 4.1.3
Stabilitatsanalyse
Nachdem wir in Abschnitt 4.1.2 die Methode der Linearisierung kennen gelernt haben, wollen wir in diesem Abschnitt iiber die Methode der Stabilitatsanalyse eine Anwendung der Storungsberechnung behandeln. Entsprechend ihrer Namensgebung liegt die Aufgabe der Stabilitatsanalyse darin, die zeitliche oder raumliche Entwicklung von Storungen zu bestimmen, die einer gegebenen Laminarstromung iiberlagert sind. Die entscheidende Frage dabei ist, ob die aufgebrachten Storungen anwachsen oder abklingen. Klingen die Storungen ab, so bezeichnen wir die gegebene laminare Grundstromung als stabil. Wachsen die Storungen jedoch an, so setzt ein Transitionsprozess ein und wir nennen die Grundstromung instabil. Ziel der in diesem Abschnitt vorgestellten stabilitatsanalytischen Methoden ist die Berechnung einer mit der Lauflange x gebildeten kritischen Reynolds-Zahl Rec, oberhalb derer eine gegebene Laminarstromung instabil wird und in den turbulenten Stromungszustand iibergeht. Um die mathematische Methode der Stabilitatsanalyse ableiten zu konnen, kniipfen wir an Kapitel 2.4.1 an und behandeln den laminar-turbulenten tJbergang in einer Grenzschichtstromung (Abbildung 4.11). Bei einer Grenzschichtstromung vollzieht sich der Ubergang
305
4.1 Analytische Vorbereitung
von einem laminaren in einen turbulenten Stromungszustand unter Ablauf eines sogenannten Transitionsprozesses, der sich als Folge einer stromungsmechanischen Instabilitat einstellt. Von den Transit ions vorgangen in der dreidimensionalen Tragfliigel-Grenzschicht untersuchen wir in einem ausgewahlten Volumenelement den laminar-turbulenten Ubergang, der stromab mit Tollmien-Schlichting-Wellen (TS) einsetzt. Auf die ebenfalls dargestellte Querstromungsinstabilitat (QS) gehen wir hier nicht naher ein, sondern wir verweisen auf unser Lehrbuch iiber die stromungsmechanischen InstabiUtaten, H. Oertel jr., J. Delfs 1995, 2005. Wir beginnen die StabiUtatsanalyse, indem wir aus dem in Abbildung 4.11 gezeigten Stromungsfeld im Bereich der Tollmien-Schhchting-Wellen (TS) ein lokales Volumenelement herausgreifen, in welchem wir den laminar-turbulenten Ubergang erwarten und machen die folgenden vereinfachenden Annahmen: Zunachst vernachlassigen wir die Kriimmung des Tragfliigels stromab und gehen davon aus, dass sich die Grenzschichtdicke iiber dem betrachteten Volumenelement nur geringfiigig andert. Dies ist die Aussage der Parallelstroraungsannahme. Damit haben wir das Stabilitatsproblem der Tragfliigel-Grenzschicht auf die Transition in einer Plattengrenzschicht reduziert, die wir zur weiteren Vereinfachung als inkompressibel annehmen wollen (vgl. Abbildung 4.12). Den stationaren, zweidimensionalen laminaren Grundstromungszustand, den wir auf Stabilitat untersuchen wollen, kennzeichnen wir im Folgenden durch einen tiefgestellten Index 0. Diese Laminarstromung steht dabei unter der Einwirkung kleiner Storungen in den Geschwindigkeitskomponenten u und w sowie des Druckes p, die z.B. durch Wandrauhigkeiten oder auch vorhandene Unregelmafiigkeiten im Anstromzustand verursacht werden konnen. Die Storungsgrofien werden mit einem an der jeweiligen Variablen angebrachten Strich gekennzeichnet. Abbildung 4.12 deutet den Fall an, dass eine vorhandene harmonische Storungsgeschwindigkeit w' (eine TS-Welle) am gleichen Ort in ihrer Amplitude zeitlich anwachst.
X Turb.-Flecken
laminar
transitionell
turbulent
L im^,:;^^^i^mw^Mm.^^m-. Abb. 4.11: Laminar-turbulenter Ubergang in einer Tragfliigel-Grenzschicht
306
4 Numerische Losungsmethoden
Jede physikalisch mogliche Stromung, ob gestort oder ungestort, muss zunachst notwendigerweise die Kontinuitatsgleichung und die Navier-Stokes-Gleichungen erfiillen, die wir zu Beginn der mathematischen Analyse fiir eine zweidimensionale inkompressible Stromung gemafi Gleichung (3.20) in koordinatenfreier Vektorschreibweise schreiben (4.60)
\7 'V = 0
1 --VPP
V • Av
(4.61)
Die stationare inkompressible Grundstromung, die wir auf Stabilitat untersuchen wollen, setzen wir in gewohnter Schreibweise, lediglich mit einem tiefgestellten Index 0 versehen, in der Form vo = (ixo(^),0,0)^. -X
(VPo), =x
(4.62)
konst.
als bekannt voraus. UQ bezeichnet dabei die Geschwindigkeitskomponente in Stromabrichtung X und der Index x = X bedeutet, dass wir das gegebene Geschwindigkeitsprofil VQ und den ebenfalls bekannten Druckgradienten yPo an einer fest vorgegebenen Position X = X in Stromabrichtung auswerten und somit eine lokale Analyse der Grundstromung betreiben. Mit der Voraussetzung, dass UQ ausschliefilich von der Wandnormalenkoordinate z abhangt und, dass die beiden anderen Geschwindigkeitskomponenten verschwinden, haben wir die Parallelstromungsannahme angewandt. Dieser bekannten Grundstromung '^0? VPo werden Storungen v^ = (u^^O^w^), \/p' = {dp'/dx^{)^dp'/dz) iiberlagert, deren Entwicklung wir untersuchen wollen. u' und w' bezeichnen Storungsgeschwindigkeiten in X- bzw. z-Richtung und p' die Druckstorung. Der Ausdruck physikalisch moglich bedeutet hierbei, dass die aus Grundstromung und Storstromung zusammengesetzte Gesamtstromung dx V =
VQ^V
VP = VPo + VP
+ dx
\^7 +
(4.63)
dp' I
Abb. 4.12: Laminar-turbulenter Ubergang in der Plattengrenzschicht
307
4.1 Analytische Vorbereitung
ebenfalls die Navier-Stokes-Gleichungen zu erfiillen hat. Die Storungsgrofien nehmen wir als zweidimensional und zeitabhangig an, sie haben folglich die Gestalt
u' {x^ z^t)
w\x,
z^t)
p'{x,z,t)
(4.64)
Die Storungsgrofien nach Gleichung (4.64) sind als infinitesimal klein anzunehmen. Daher werden wir im weiteren Verlauf unserer Uberlegungen lineare Storungsdiff'erentialgleichungen erhalten, da wir quadratische Glieder der Storungsbewegungen gegeniiber den linearen Gliedern vernachlassigen konnen. Wir setzen nun die aus Grundstromung und Storanteilen zusammengesetzte Gesamtstromung gemafi Gleichung (4.63) in die Kontinuitatsgleichung (4.60) und die Navier-Stokes-Gleichungen (4.61) ein. Wir erhalten also der Reihe nach zunachst aus der Kontinuitatsgleichung
du' dx
dw' dz
(4.65)
In den folgenden Navier-Stokes-Gleichungen schreiben wir die Terme, die ausschliefilich Grundstromungsanteile mit dem tiefgestellten Index 0 enthalten, auf die rechte Seite und vernachlassigen des Weiteren die in den Storungsgliedern quadratischen Terme, so dass folgt dv!_ dt -uo
duo dz
dx
1 dp^ p dx
dh .
•
(
\ dx^
+
d^u' dz^
1 dpo_ dx
p
dz'^ (4.66)
~dt
dw' dx
^UQ
1 dp' p dz
&"w dx^
1 dpo
&"w dz^
p
dz
(4.67)
Da die stationare Grundstromung aus Gleichung (4.62) fiir sich alleine die Navier-StokesGleichungen erfiillt, werden die rechten Seiten der Gleichungen (4.66) und (4.67) identisch zu Null. Somit verbleiben drei lineare Differentialgleichungen zur Ermittlung der drei Storungsgrofien u'^w' und p' in der Form des Stordiff'erentialgleichungssystems:
du' dx du'
dw' dt
dw' dz
= 0 , du'
,
dp' dx
/d^u' \ dx^
d^u'\ dz^ J
1 dp'
fd^w' \ dx'^
d^w'\ dz'^ J
duQ
1
dz
p
dw' dx
P
dz
(4.68)
Die Storungsgrofien miissen weiterhin bestimmte Randbedingungen erfiillen, u m aus der Mannigfaltigkeit der moglichen Losungen des Storungsdifferentialgleichungssystems diejenigen Losungen zu bestimmen, die unser Stabilitatsproblem eindeutig charakterisieren. Im Falle einer festen Wand mit der Koordinate z = z^ bedeutet dies, dass alle Storungsgeschwindigkeiten aufgrund der Haftbedingung an der Wand verschwinden
u'{x^z
,t)=0
w'{x^z
,t)=0
(4.69)
308
4 Numerische Losungsmethoden
und, dass bei einer Stromung mit Grenzschichtcharakter die Storung nicht bis ins Unendliche wirkt v\x^z
^ oo^t) = 0
,
p\x^z
^ oo^t) = 0
.
(4.70)
Die nach Gleichung (4.64) als zweidimensional und zeitabhangig vorausgesetzten Storungsgrofien werden durch den Exponentialansatz u\x, z,t)-- = ^(^)• exp(—i
• CJ
• t). exp(i • a x)
w\x ,z,t) = w{z) • exp(—i • uo •t) • exp(i • a -x)
, ,
(4.71)
p'{x, z,t)-- = P{Z)' exp(—i • UJ • t)- exp(i • a • x) modelliert, der auch als Wellenansatz bezeichnet wird. In Gleichung (4.71) bedeutet i die imaginare Einheit und somit stellt jede Storungsgrofie eine in Anstromrichtung x fortschreitende Welle dar, wodurch sich der Name Wellenansatz erklart. Die mit einem Dach gekennzeichneten Grofien bezeichnen die Amplitudenfunktionen der jeweiligen Wellen, die nur von der Wandnormalenkoordinate z abhangen. Dieser Ansatz fiir die Amplituden erklart sich dadurch, dass auch die Grundstromung UQ ebenfalls nur von z abhangt. UJ steht fiir die Kreisfrequenz der Welle wohingegen a die Wellenzahl in Fortschreitungsrichtung X darstellt. Diese Wellenzahl a berechnet sich mit der Wellenlange A mit a = 2 • TT/A. Im Rahmen einer Einfiihrung in die Stabilitatstheorie setzen wir die Wellenzahl a als reelle Grofie voraus was bedeutet, dass die Storungsgrofien raumlich periodische Wellen darstellen. Die Kreisfrequenz uo hingegen ist eine komplexe Grofie, die wir in Real- und Imaginarteil zerlegen, so dass fiir uj gilt: uj = cjr + i • ^i- Dieses Vorgehen wird sofort verstandlich, wenn wir im Wellenansatz fiir die Storgrofien das Additionstheorem der Exponentialfunktion anwenden. Betrachten wir beispielsweise in Gleichung (4.71) den Faktor u{z) • exp(—i • UJ -t) und beriicksichtigen aufierdem die Euler-Darstellung der e-Funktion so folgt u{z) • exp(—i' UJ -t) u{z) ' exp ( - i • (cjr + i • ^i) • t) = (4.72) u{z) • exp(cji • t) • exp(—i • uj^ -t) u{z) ' exp(cji • t) ' (cos(cJr • t) — i • sin(cjr • t)) Anhand der letzten Darstellung von Gleichung (4.72) konnen wir nun sofort eine Aussage iiber die zeitliche Entwicklung einer aufgebrachten Wellenstorung mit vorgegebener Wellenzahl a machen. Wir betreiben somit eine zeitliche Stabilitatsanalyse. Wenn fiir den Imaginarteil uj[ der Kreisfrequenz die Beziehung uj[ > 0 erfiillt ist, so wachsen die mit einem Dach gekennzeichneten Storungsamplituden exponentiell mit der Zeit an und die zu untersuchende Stromung ist instabil. Fiir Werte uj[ < 0 wird der Exponent negativ was dazu fiihrt, dass die Storungsamplituden zeitlich gedampft werden und abklingen. In diesem Falle ist die auf Stabilitat zu untersuchende Grundstromung stabil gegeniiber aufgebrachten Storungen. Der Grenzfall uj[ = 0 bedeutet neutrale indifferente Storungen, die ihren urspriinglichen Amplitudenwert zeitlich nicht verandern. Nun konnen wir den Wellenansatz aus Gleichung (4.71) in die Storungsdifferentialgleichungen (4.68) einsetzen und anschliefiend die beiden Exponentialfaktoren exp(—i -uj -t) -
4.1 Analytische Vorbereitung
309
exp(i' a ' x) kiirzen. Wir erhalten a • u = \- —— , dz I . . . dixo . 1 . , . ( 2 [a-U{)—uj) • u — \-—^—-w^ — - a - p + i-z/- a &z p \ -—^i' . ly '( { a2 (a ' uo — uj) ' w = i' 1- ' dp p dz \
- d^ixX -u —^ dz^y ^^ --w —^ dz^ J
, .
(4.73)
Die zugehorigen Randbedingungen aus den Gleichungen (4.69) und (4.70) nehmen nach Kiirzen des Exponentialfaktors die Form u{z = Zw) = 0 v{z ^ oo) = 0
, ,
w{z = Zw) = 0 , p{z ^ oo) = 0
(4.74)
an. Die Gleichungen (4.73) beschreiben gemeinsam mit den Randbedingungen (4.74) ein vollstandiges Differentialgleichungssystem, das sich zu einer einzigen Differentialgleichung zusammenfassen lasst. Wir beginnen, indem wir den Storterm u eliminieren. Dazu formen wir die erste Gleichung aus (4.73) nach u um, setzen das Ergebnis in die zweite Gleichung aus (4.73) ein. Wir erhalten mit , . dw [a ' UQ — uj) dz
^ duo^ ' '" dz
^^
^
^''^
^^
eine Gleichung, in der nur noch die Storungsgrofien w und p vorhanden sind. Die gleichen Storungsgrofien befinden sich auch in der dritten Gleichung aus (4.73), so dass es sich anbietet, aus diesen beiden verbliebenen Gleichungen die Druckstorung p zu eliminieren. Dazu leiten wir Gleichung (4.75) zunachst nach z ab und erhalten ,
, d'^w
^ d'^uo]
-o? p
dp dz
/ 2 d^w \ dz'^
d'^w\ dz^
,^ ^^,
Um den Druck vollstandig zu eliminieren, miissen wir jetzt noch die dritte Gleichung aus (4.73) mit dem Faktor {—\-o?) multiphzieren und anschhefiend zu Gleichung (4.76) hinzuaddieren. Nach einer zusatzlichen Erweiterung mit der imaginaren Einheit i ergibt sich , [a-
UQ
, d^w / 2 s d^uo\ ^ a ' ijJ - a - UQ - a - ——r- \ 'W ^ dz^ +' \^ - -- dz2 (d^w 9 d?w A ^\ i - MV: jdz4 - r - 2 - a 2 - : Tdz2 -^+a^-^ =0
- CJ) ' -—r
.
(4.77)
In der resultierenden Gleichung (4.77) finden wir als einzige verbhebene Storungsgrofie die Amplitude w der Storungsgeschwindigkeit w'. Zu Beginn dieses Kapitels, im Abschnitt 4.1.1 iiber die Dimensionsanalyse konnten wir lernen, wie es durch die Einfiihrung dimensionsloser Kennzahlen gelingt zu einer wesentlichen Reduktion der Einflussparamter zu kommen, welche ein Problem charakterisieren. Daher werden wir in Gleichung (4.77)
310
4 Numerische Losungsmethoden
unter Verwendung einer charakteristischen Geschwindigkeit Us und einer charakteristischen Lange d dimensionslose Grofien einfiihren. Als charakteristische Geschwindigkeit Us wahlen wir zweckmafiigerweise die Stromungsgeschwindigkeit am oberen Rand der Grenzschicht an der zu untersuchenden Stelle x = X in Stromabrichtung. Die charakteristische Lange L steht mit der Lauflange x = X im Zusammenhang: d = ^/u • X/Us. Alle Grofien mit der Dimension einer Lange werden mit der charakteristischen Lange d gemafi Abschnitt 3.4 entdimensioniert und alle Geschwindigkeiten mit der charakteristischen Geschwindigkeit Us' Die Kreisfrequenz cj, welche die Dimension Zeit~^ besitzt, wird mit dem Quotienten d/Us entdimensioniert. Unter Beibehaltung der bisherigen Bezeichnungen fiir die einzelnen physikahschen Grofien erhalten wir somit eine einzige dimensionslose Differentialgleichung 4. Ordnung, welche die Wellenzahl a, die Kreisfrequenz uo und die Reynolds-Zahl Red = Us • d/u als Parameter enthalt. Dies ist Gleichung (4.78), die in der Literatur unter dem Namen OrrSommerfeld-Gleichung bekannt ist. la-io- -a
-u,-—^) (4.78)
1 Red
fd^w \dz'
dz^
w]=0
Da die Orr-Sommerfeld-Gleichung die Storungsamplitude w in der vierten Ableitung enthalt, miissen wir zur eindeutigen Bestimmung vier Randbedingungen fiir w erfiillen. Zwei Randbedingungen konnen wir unmittelbar aus den Gleichungen (4.74) iibernehmen indem wir fordern, dass die Storung w an der Wand und im Unendlichen verschwunden ist. Um die beiden anderen Randbedingungen zu erhalten, betrachten wir die erste Zeile der Gleichungen (4.73). Wir wissen bereits, dass auch die andere Storungskomponente u an der Wand zu Null wird. Das bedeutet aber, dass die Ableitung dw/dz auf der rechten Seite der Gleichung ebenfalls an der Wand den Wert Null hat. Vollig analoge Uberlegungen fiihren uns zur vierten Randbedingung wenn wir bedenken, dass nach Gleichung (4.74) die Storkomponente u im Unendlichen ebenfalls zu Null wird. Wir konnen nun die Randbedingungen fiir w wie folgt zusammenfassen: w =0
,
—— = 0 dz
fiir
z = z^
und
w=0
,
—— = 0 dz
fiir
z ^ oo
.
(4.79)
Damit ist es uns gelungen, die lokale zeitliche Stabilitatsanalyse des von uns vorausgesetzten Grundstromungsprofils in ein Eigenwertproblem der Differentialgleichung (4.78) und der Randbedingungen (4.79) zu iiberfiihren. Wir hatten bereits festgestellt, dass die Frage nach Stabilitat oder Instabilitat der Grundstromung vom Verhalten des Vorzeichens des Imaginarteils oui der komplexen Kreisfrequenz cj = cjr + i • ^i beantwortet wird, wobei cji < 0 Stabilitat und cji > 0 InstabiUtat bedeutet. Die komplexe Kreisfrequenz ou stellt den Eigenwert des Eigenwertproblems dar und die Storungsamplitudenfunktion w{z) die zugehorige Eigenfunktion. Um eine lokale zeitliche Stabilitatsanalyse durchfiihren zu konnen, benotigen wir als gegebene Grofien das Profil der Grundstromung uo{z), die ReynoldsZahl Red und die Wellenzahl a der Storungen. Das sich ergebende Eigenwertproblem, das numerisch gelost werden muss, liefert dann einen komplexen Eigenwert co und eine Eigenfunktion w{z).
4.1 Analytische Vorbereitung
311
Als numerische Losungsmethode fiir das Eigenwertproblem wird ein Spektralverfahren eingesetzt, welches eine Funktion durch einen Reihenansatz approximiert. Aus den bekannten Spektralverfahren wahlen wir die Tschebyscheff-Spektralmethode aus, da mit ihrer Hilfe auch nichtperiodische Funktionen durch einen Polynom-Ansatz mit TschebyscheffPolynomen approximiert werden konnen. Besonders geeignet zur Losung des Eigenwertproblems ist die Tschebyscheff-Matrixmethode, die eine Variante der TschebyscheffSpektralmethode darstellt. Wir kommen in Kapitel 4.2.1 darauf zuriick. Die Losungen des Eigenwertproblems werden in Form von Stabilitatsdiagrammen dargestellt. Das Stabilitatsdiagramm wird erstellt, indem die Wellenzahl a iiber der ReynoldsZahl Red aufgetragen wird. Fiir ein jeweils gegebenes Wertepaar (Rcd^a) wird die Nullstelle des Imaginarteils cji = 0 des komplexen Eigenwertes co im Diagramm eingetragen. Diese Neutralkurve trennt die stabilen von den instabilen Storungen. Sie wird auch Indifferenzkurve genannt, da im Falle cji = 0 die Storungsamplituden ihren urspriinglichen Wert beibehalten. Im Gebiet innerhalb der Indifferenzkurve gilt cji > 0, was Instabilitat bedeutet. Im Bereich aufierhalb der Indifferenzkurve nimmt uj[ negative Werte an und die zu untersuchende Grundstromung ist somit bei der betrachteten Reynolds-Zahl stabil gegeniiber aufgebrachten Storungen mit der links an der Ordinate abzulesenden Wellenzahl. Somit sind wir in der Lage eine kritische Reynolds-Zahl Rcc anzugeben, oberhalb derer eine gegebene Laminarstromung instabil wird und in den turbulenten Sromungszustand iibergeht. Dazu miissen wir in Abbildung 4.13 eine Parallele zur a-Achse legen und diese Parallele, beginnend bei Red = 0 soweit nach rechts verschieben, bis sie tangential an der Indifferenzkurve anliegt. Der Schnittpunkt dieser Tangente mit der Abszisse gibt den Wert der gesuchten kritischen Reynolds-Zahl Rcc an. Fiir eine Blasius-Grenzschicht betragt der mit der Lauflange L gebildete Wert der kritischen Reynolds-Zahl Rec = (^^^]
= 5 . 10^
.
(4.80)
Mit der kritischen Reynolds-Zahl Rcc = 5-10^ korrespondiert die kritische Wellenzahl ttc, die in diesem Fall den Wert GC = 0.31 annimmt. Dividieren wir die dimensionslose Wellenzahl ac durch die ebenfalls mit der Lauflange x gebildete charakteristische Lange d = y^u • x/Us, so erhalten wir die dimensionsbehaftete Wellenzahl a = 2 • TT/AC, aus der sich sofort die kritische Wellenlange Ac der aufgebrachten Storungen berechnen lasst. Physikalisch bedeutet dies, dass die laminare Grundstromung fiir Reynolds-Zahlen kleiner Rcc a A
stabil (o<0
Re^
Re^
Abb. 4.13: Stabilitatsdiagramm
312
4 Numerische Losungsmethoden
adiabat 0.2
0.1
0
^ 500
^ 1000
^ 1500
^Re^
Abb. 4.14: Stabilitatsdiagramm der kompressiblen Plattengrenzschicht, Moo = 0.8
gegeniiber Storungen beliebiger Wellenlange stabil ist, da in diesem Reynolds-Zahlbereich uj[ < 0 gilt, fiir alle moglichen Wellenzahlen a. Bilden wir die kritische Reynolds-Zahl mit der charakteristischen Lange d ergibt sich der Wert Re, = fl^^]
= 302
.
(4.81)
Diese Bildung ist sinnvoll, wenn man mit der Instabilitat kompressibler Grenzschicht vergleichen will (Abbildung 4.14). So ergibt sich fiir das Einsetzen der Tollmien-Schlichting Welle in einer kompressiblen Grenzschichtstromung bei adiabater Wand ebenfalls Re, = 302. Unterschiede ergeben sich erst bei isothermen Berandungen. So berechnet man bei der Mach-Zahl Moo = 0.8 die kritische Rayleigh-Zahl 500. Fiir ein tieferes Verstandnis der Stabilitatstheorie sowie fiir erganzende Beispiele stromungsmechanischer Instabilitaten empfehlen wir das Buch von D. D. Joseph 1976 und das Lehrbuch von H. Oertel jr., J. Delfs 1996, 2005 sowie H. Oertel jr. 2002 in denen verschiedene Anwendungen der Stabilitatsanalyse ausfiihrlich beschrieben werden. 4.1.4
Strukturanalyse
Die Strukturanalyse geht von einem vorgegebenen Geschwindigkeitsfeld aus dx , , — =u = u{x,y,z,t)
,
^=v
,
= v{x,y,z,t)
dz , , — =w = w{x,y,z,t)
(4.82) .
Mit den kinematischen Grundgleichungen (4.82) bestimmen wir die Struktur der Stromung. Dabei verstehen wir unter der Struktur das Aufsuchen und die Klassifizierung sogenannter kritischer Punkte des Geschwindigkeits-Vektorfeldes sowie deren Beziehungen untereinander. Davon haben wir bereits in Kapitel 2.3 bei der Beschreibung von Stromungen Gebrauch gemacht. In diesem Kapitel sollen nunmehr die theoretischen Grundlagen fiir die Bestimmung der kritischen Punkte wie Sattelpunkt, Knoten, Fokus usw. fiir ein vorgegebenes Stromungsfeld gegeben werden. Dies fiihrt zu der Aufgabenstellung
4.1 Analytische Vorbereitung
313
die Eigenwerte und Eigenfunktionen zu bestimmen. Dariiber hinaus konnen auch das Wirbelstarkefeld oder das Gradientenfeld der kinematischen Grundgleichungen (4.82) des Druckes einer solchen Strukturanalyse unterzogen werden. Die Theorie der kritischen Punkte (xo,yo,zo) geht von dem dreidimensionalen Geschwindigkeits-Vektorfeld v{x, y, z) = {u, v, w)^ aus. Es wird vorausgesetzt, dass dieses stetig und zweimal differenzierbar ist. Die Integralkurven (Stromlinien) des Vektorfeldes sind entsprechend Kapitel 2.3.1 so definiert, dass ihr Linienelement iiberall dem momentanen Geschwindigkeitsvektor gleich gerichtet ist. Daraus folgt die Definitionsgleichung der Stromlinie dx/dy/dz = u/v/w
.
(4.83)
Ein kritischer Punkt zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm das Richtungsfeld der betrachteten vektoriellen Grofie unbestimmt ist. Betrachten wir im Folgenden den Geschwindigkeitsvektor V so bedeutet dies, dass in einem kritischen Punkt der Betrag der Geschwindigkeit verschwindet und, dass den Integralkurven (Stromlinien) gemafi Gleichung (4.83) in diesen Punkten keine Richtung zugeordnet ist. Eine nahere Untersuchung der unmittelbaren Umgebung eines kritischen Punktes ist jedoch moglich, wenn das Vektorfeld durch die Reihenentwicklung (4.84) um den Punkt (xc^o^^o) angenahert wird. Dabei wird im Folgenden ohne Beschrankung der Allgemeinheit angenommen: (xo,^o,^o) = (O^O^O)- In den kritischen Punkten sind die Komponenten des Geschwindigkeitsvektors v analytische Funktionen der Ortskoordinaten N
± = ix = ^
N-iN-i-j
^
^
[/ij,k.x^i/J.z^^ + O i ( N + l )
,
^i'J'k-x^i/J.zk + 02(N + l)
,
i=0 j=0 k=0 N N-iN-i-j
?/ = ^ = E E
E
(4.84)
i=0 j=0 k=0 N N-iN-i-j
^= ^ = E E
E
i=0 j=0
^i'J'k-X^I/J.zk + 03(N + l) ,
k=0
mit ^i+j+k^ ^i'j'k -
;|
-I
u | • Q^i
Q.,i
Q^k
I '
a^+J+k^
^i'J'k
i! • j ! • k! dx' ' dyi • dz^ ' ''J' i! • j ! • k! dx' • dyi • dz^ _ 1 a^+j+^^ ^'"^' i! • j ! • k! dx^ • dy^ • dz^
'
0[ sind dabei Fehlerfunktionen, die durch Terme der Ordnung N + 1 bestimmt sind. Zunachst wird der Fall eines kritischen Punktes in der freien Stroraung betrachtet. Hier geniigt es, die Reihenentwicklung aus Gleichung (4.84) bis zur Ordnung N = 1 vorzunehmen. Dies fiihrt auf das Differentialgleichungssystem erster Ordnung
a i l CLi2 a i 3
«21 «22 «23 I • I ^2 I asi as2 CL33,
.
(4.85)
314
4 Numerische Losungsmethoden
Die Koeffizienten aij sind dabei die Komponenten der Gradienten des Geschwindigkeitsvektors dxi/dx-^^ xij = {x,y,z). Die Trajektorien des Gleichungssystems(4.85) sind im allgemeinen Fall die Bahnlinien des Stromfeldes, welches im stationaren Fall mit den Stromlinien identisch ist. Zur Betrachtung von kritischen Punkten auf festen Wanden wird im Folgenden angenommen, dass die Geschwindigkeit v in wandnormalen Koordinaten mit z als wandnormale Richtung vorliegt. Im Gegensatz zu Punkten in der freien Stromung ist die Bedingung t; = 0 auf einer festen Wand kein hinreichendes Kriterium fiir die Existenz eines kritischen Punktes, weil diese dort aufgrund der Haft bedingung t; = 0 identisch erfiillt ist. Zur Identifikation eines kritischen Punktes ist jedoch die Unbestimmtheit der Richtung der Integralkurven des Vektorfeldes entscheidend. Da das Richtungsfeld der Geschwindigkeit im Grenzfalle verschwindenden Abstandes z zur Wand in das Richtungsfeld des Wandschubspannungsvektors r ^ iibergeht, ist also r ^ nunmehr die mafigebliche Grofie. Kritische Punkte auf der Wand erfordern also das Verschwinden der Wandschubspannung Aus der Haftbedingung folgt, dass die Grofie v/z mit z ^ 0 einem konstanten Wert zustrebt und, dass das Vektorfeld dieser Grofie dieselben Integralkurven besitzt wie das Feld der Wandschubspannung. Nach dem Satz von L'Hospital gilt lim — = lim ^— rs^ Tw z^O Z
z^O
.
dz
Es ist deshalb zweckmafiig den kritischen Charakter der Flache z = 0 zu umgehen und nunmehr die Taylorentwicklung der Grofie v/z zu betrachten. Mit x'^ = x^/z fiihrt Gleichung (4.85) mit N = 2 auf folgende Reihenentwicklung x' = ujz = [/i,o,i • X + [/o,i,i • y + [/o,o,2 • z + Oi(N + 1) , y' = v/z = ^1,0,1 • X + Vb,i,i • y + Vo,o,2 • z + Oi(N + 1) , z' = w/z = Wo,o,2 • z + Oi(N + 1) .
(4.86)
Die Haftbedingung ist hierbei aufgrund der Beziehung f/i,j,o = M,j,o = ^i,j,o = 0 beriicksichtigt. Im Gegensatz zu Gleichung (4.85) gehen nunmehr auch Ableitungen zweiter Ordnung des Geschwindigkeitsfeldes ein. Beschrankt man sich in Gleichung (4.86) auf die hnearen Terme in den Raumrichtungen X[ = (x, y^ z), erhalt man in volhger Analogie zum Falle der freien Stromung wiederum ein Differentialgleichungssystem erster Ordnung mit allerdings veranderter KoefRzientenmatrix A
ail ^12 ^13
«21 «22 «23 I • I 1/ I
.
(4.87)
«31 «32 «33
Mit dem Wirbelstarkenvektor cD = (cji,6^2,^3)^ und unter Beriicksichtigung der NavierStokes-Gleichung lassen sich die Koeffizienten a^ wie folgt bestimmen:
315
4.1 Analytische Vorbereitung
an
duj2
dx
«21
«31
'
dx 0
,
«12 =-
duj2
dy
, «22 =
«32 == 0
dy ,
'
1 dp = 2 dx
'
1 dp = 2 dy
'
«13 =
, «23 =
«33 ==
1 2 V ^1/
(4.88) _ ^^2
dx
Die Gleichungen (4.88) gelten in den kritischen Punkten auf einer festen Wand, d.h. in Punkten mit r^ = 0. Sie wurden erstmals von Oswatitsch 1974 angegeben. Bei ihrer Herleitung wird nur vorausgesetzt, dass die dynamische Zahigkeit allein eine Funktion der Temperatur T(x, i/, z) ist, wie dies bei idealen Gasen und den meisten Fliissigkeiten der Fall ist. Sie gelten demnach gleichermafien fiir kompressible und inkompressible Stromungen. Die Klassifizierung kritischer Punkte im vorgegebenen Stromungsfeld ist damit auf die Untersuchung singularer Punkte gewohnlicher Differentialgleichungen mit konstanten KoefRzienten zuriickgefuhrt, deren mathematische Theorie entwickelt ist. Der Unterschied kritischer Punkte in der freien Stromung zu solchen auf festen Wanden liegt einzig in der zu untersuchenden Koeffizientenmatrix A (Gleichung (4.85) bzw. (4.87)). Die Berechnung der Eigenwerte dieser Matrix gemafi det[A rakteristische Polynom
A J] = 0 fiihrt auf das cha-
A^ + P - A 2 + Q - A + R = 0
(4.89)
mit den drei reellwertigen Invarianten der Matrix
Q = 5-P
-Spur(A) = -(A1+A2 + A3)
(4.90)
Spm{A^
(4.91)
Ai • A2 + A2 • A3 + A3 • Ai
Reelle Eigenwerte
Abb. 4.15: Reelle und komplexe Eigenwerte des charakteristischen Polynoms (4.89)
316
4 Numerische Losungsmethoden
R = - d e t ( A ) = -Ai • A2 • A3
(4.92)
Die Losungen der kubischen Gleichung (4.89) lassen sich zunachst anhand der Determinante D einteilen, mit D = 27 •
R2
+ (4 • P^ - 18 • P • Q) • i? + (4 • Q^ - p2 ')
(4.93)
Fiir D > 0 erhalt man einen reellwertigen sowie ein Paar konjugiert-komplexer Eigenwerte, fiir D < 0 drei reelle Eigenwerte die in Abb. 4.15 dargestellt sind. Die Flache D = 0 teilt den durch die drei Invarianten P, Q und R aufgespannten Raum in zwei Halbraume. Einen ersten Uberblick iiber das Stromungsverhalten in der Umgebung kritischer Punkte erhalt man iiber die Betrachtung der Eigenvektoren fiir die zweidiraensionale Stromung in der Ebene R = 0 (siehe Abbildung 4.16). Die zugehorige charakteristische Gleichung A^ + P • A + Q fiihrt auf die vereinfachte Diskriminante A = 4 • Q — P^. Diese trennt in der P-Q-Ebene das Gebiet komplexer Eigenwerte in Form einer Parabel und zeigt in Abbildung 4.17 in der P-Q-Ebene die den kritischen Punkten zugeordneten Eigenvektoren. Die zu den jeweiligen Eigenwerten zugehorigen Eigenvektoren bestimmen die Richtung der Tangenten an die in den kritischen Punkten ein- bzw. auslaufenden Stromlinien. Bei negativem Vorzeichen der reellen Eigenwerte bzw. des Realteils der komplexen Eigenwerte laufen die Trajektorien auf den kritischen Punkt zu, bei positivem Vorzeichen von ihm weg. Liegen zwei reelle Eigenwerte mit unterschiedlichem Vorzeichen vor (Q < 0), so miinden zwei Tangenten der Eigenvektoren in den kritischen Punkten ein und zwei laufen aus ihm heraus. Es handelt sich also um einen Sattelpunkt. Bei positivem Q liegt fiir A > 0 ein zweitangentiger Knoten mit zwei reellen Eigenwerten gleichen Vorzeichens vor. Fiir A < 0 erhalt man einen Strudelpunkt oder Fokus mit zwei konjugierten komplexen Eigenwerten. Auf den Grenzlinien der verschiedenen Bereiche, d.h. den Achsen P = 0 oder Q = 0 sowie der Parabel P^ = 4 • Q finden sich entartete Falle, wie zum Beispiel Wirbel, Senken
Abb. 4.16: Projektionen der reellen und komplexen Eigenwerte auf die P = 0 und R Ebenen (zweidimensionale Stromung)
4.1 Analytische Vorbereitung
317
und Quellen (entartete Knoten). So sind fiir P = 0 nur Sattelpunkte (Q < 0) oder Wirbelpunkte (Q > 0) kinematisch moglich. Fiir P = 0 und Q = 0 ist der kritische Punkt degeneriert, so dass fiir seine Beschreibung weitere Terme der Entwicklung (4.86) herangezogen werden. Fiir die dreidimensionale Stromung sind den Eigenwerten der Abbildung 4.16 ebenfalls Stromungszustande zuzuordnen. Die Abbildung 4.18 zeigt einige ausgewahlte Beispiele. So sind Kombinationen von Knoten, Sattel und Foki, sowie Knoten einer dreidimensionalen Senken- bzw. Quellenstromung dargestellt. Ein instabiler Wirbel erganzt die Vielfalt der kinematisch moglichen Stromungsstrukturen. Liegen drei unterschiedliche reelle Eigenwerte vor, so existieren drei Ebenen, welche durch die Eigenvektoren der Matrix A aufgespannt werden. Diese Ebenen sind gegeniiber alien anderen moglichen Ebenen dadurch ausgezeichnet, dass sie als Einzige in der Umgebung des kritischen Punktes Losungskurven des Differentialgleichungssystems (4.85) bzw. (4.87) enthalten. Alle anderen Losungskurven nahern sich diesen Ebenen asymptotisch an. Die drei durch die Eigenvektoren aufgespannten Ebenen enthalten entweder Sattel- oder Knotenpunkte. In jeder dieser Ebenen finden sich also Verhaltnisse, wie sie in Abbildung 4.17 fiir den zweidimensionalen Fall dargestellt sind. Ein kritischer Punkt im dreidimensionalen Fall mit rein reellen Eigenwerten ist also durch eine Dreier-Kombination von SattelKnotenpunkten gekennzeichnet. Moglich ist dabei die Kombination dreier Knotenpunkte oder zweier Sattelpunkte und eines Knotenpunktes. Im Falle eines reellen und eines Paares konjugiert komplexer Eigenwerte existiert nur eine Ebene, welche in der Nahe des singularen Punktes Losungstrajektorien enthalt. Diese bilden in dieser Ebene einen Strudel- oder Wirbelpunkt. Bei positivem Vorzeichen
Sattelpunkt
Abb. 4.17: Eigenvektoren der kritischen Punkte fiir die R Stromung)
0 Ebene (zweidimensionale
318
4 Numerische Losungsmethoden
des reellen Eigenwertes laufen die Trajektorien auf den kritischen Punkt zu, bei negativem von ihm weg. Im allgemeinen Fall einer instationaren, kompressiblen Stromung sind zunachst alle Kombinationen von P, Q und R kinematisch moglich. Beschrankt man sich jedoch auf inkompressible Stromungen, so fordert die Kontinuitatsgleichung V • t; = 0. Dies ergibt im Falle eines kritischen Punktes in der freien Stromung gemafi Gleichung (4.85) und Gleichung (4.90)
Die Tatsache, dass das Vektorfeld der Geschwindigkeiten die Kontinuitatsgleichung erfiillen muss, schrankt also die Lage der kinematisch moglichen singularen Punkte im P-Q-RRaum erheblich ein. Die Diskussion dreidimensionaler kritischer Punkte erfolgt daher sinnvoller Weise nicht anhand der in Abbildung 4.15 gezeigten Flache R = 0 sondern besser anhand der Flache P = 0, wie sie in Abbildung 4.19 gezeigt ist. Auch hier teilt eine charakteristische Linie die Q-R-Ebene in Gebiete mit unterschiedlichem Charakter der kritischen Punkte. In diesem Fall ist dies die Kurve 27 • R^ + 4 • Q^ = 0 gemafi Gleichung (4.93) mit P = 0. Fiir 27 • R^ + 4 • Q^ > 0 erhalt man Strudel- oder Wirbelpunkte, sonst Sattel-KnotenKombinationen. Im Einzelnen lassen sich die folgenden Kombinationen identifizieren: Sattel-Knoten-Kombinationen l a stabiler Knoten / Sattel / Sattel, l b instabiler Knoten / Sattel / Sattel,
Knoten-Fokus
Sattel-Fokus
Knoten
Instabiler Wirbel
Knoten-Sattelpunkt
Knoten
Abb. 4.18: Beispiele der Struktur dreidimensionaler Stromungen
319
4.1 Analytische Vorbereitung
Ic 2a 2b
stabiler Knoten-Sattel / instabiler Knoten-Sattel (Staupunkt) stabiler Sternknoten / Sattel / Sattel, instabiler Sternknoten / Sattel / Sattel.
Foki (Strudelpunkte) 3a stabiler Strudelpunkt, 3b instabiler Strudelpunkt, 3c Wirbelpunkt. Im Falle eines kritischen Punktes auf einer festen Wand fiihrt die Einschrankung V • t; = 0 aufgrund der KoefRzientenmatrix A aus Gleichung (4.88) zu den folgenden Beziehungen «33
a n + a22 ^31 = ^32 = 0
.
Damit gilt fiir kritische Punkte auf einer festen Wand fiir die Invarianten P, Q und R P - Q + 2-P^ + R = 0 . Nach dieser analytischen Vorbereitung auf der Basis der kinematischen Grundgleichungen (4.82, 4.83), die die Elemente einer Stromungsbeschreibung bereitstellen, ist die Struktur eines Stromungsfeldes festgelegt. Im Folgenden werden zur Veranschaulichung Stromungsbeispiele des einfiihrenden Kapitels 1 beziiglich der Stromungsstruktur analysiert.
s
f
m
1 2a stabiler Sternknoten / Sattel / Sattel
s Q3
r
G3
^ ^ ^
m
1 R lb instabiler Knoten / Sattel / Sattel
Abb. 4.19: Ebene P = 0 im P-Q-R-Raum
320
4 Numerische Losungsmethoden
Kraftfahrzeugumstromung Wie wir bereits kennen gelernt haben, beeinflusst die Nachlaufstromung in starkem Mafie die aerodynamische Giite eines Kraftfahrzeuges (Widerstand, Auftrieb, Seitenwindempfindlichkeit). Dieser Effekt kann gut bei Autorennen beobachtet werden. Fahrt ein Fahrzeug in den Windschatten eines vorfahrenden Wagens, so verringert sich die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Wagens und der hintere Wagen nutzt die geringere Anstromung zur Beschleunigung. Anscheinend hat also eine Stromungsbeeinflussung hinter dem Fahrzeug eine signifikante Auswirkung auf die Struktur der Nachlaufstromung. Die folgende Strukturanalyse basiert auf experimentellen Ergebnissen im Windkanal. Die Auswertung der Nachlaufstruktur aus numerischen Ergebnissen wird in Kapitel 4.2.4 (Abbildung 4.44) erganzt. Beide Vorgehensweisen liefern beziiglich der Struktur der Nachlaufstromung das gleiche Ergebnis. Im Mittelschnitt Al der Abbildung 4.20 identifiziert man im Nachlauf des Kraftfahrzeuges drei Halbsattel S^ (Abloselinien und Staulinien am Heck) sowie einen Sattelpunkt S im Stromungsfeld. Das Stromungsfeld ist durch zwei Foki F gekennzeichnet. Legt man
Abb. 4.20: Struktur der Nachlaufstromung eines Kraftfahrzeuges
321
4.1 Analytische Vorbereitung
Es + ^-ES'
t) Abb. 4.21: Topologie der Kraftfahrzeugumstromung im Mittelschnitt
die Schnittflache A2 senkrecht zu Al in den Nachlauf des Kraftfahrzeuges erkennt man einen Fokus F, einen Sattelpunkt S und einen Knoten K. Die dreidimensionale Struktur der Nachlaufstromung erhalt man durch tJberlagerung von Al und A2. Das Bild sieht zunachst sehr verwirrend aus und man benotigt einige Erfahrung um die charakteristischen Stromflachen zu erkennen, die letztendlich die dreidimensionale Struktur der Nachlaufstromung charakterisieren. Die abschliefiende Interpretation der dreidimensionalen Struktur nimmt auch nicht das auf der Strukturanalyse basierende Softwarepaket ab, das lediglich die singularen Punkte im Stromungsfeld liefert. Die abschliefiende Interpretation der Nachlaufstruktur ist im vierten Bild der Abbildung 4.20 skizziert. Am Kofferraumdeckel des Kraftfahrzeuges bildet sich ein Hufeisenwirbel aus, der sich in die Nachlaufstromung fortsetzt und sich weiter stromab zu einer Wirbelschleppe vereint. Die Scherschicht zwischen Strafie und Unterboden des Kraftfahrzeuges bildet den Bereich der Riickstromung, der stromab durch den Sattelpunkt S im Stromungsfeld (Schnittflache Al) begrenzt wird. Fiir das Aufsuchen der Singularitaten bzw. zur Kontrolle der Auswertung kann die folgende topologische Regel niitzlich sein. Betrachten wir erneut den Mittelschnitt des Kraftfahrzeuges in Abbildung 4.21 und summieren die Anzahl der Sattelpunkte S (Halbsattel S'), dann gilt
(Ex+j-EK')-(Es+i-Es'
(4.94)
Diese topologische Regel lasst sich in Abbildung 4.21 durch Abzahlen der singularen Punkte auf der Kraftfahrzeugoberflache und im Nachlauf nachvollziehen.
Tragflachenumstromung Das zweite Beispiel beschreibt die Stromungsstruktur eines angestellten Deltafliigels, den man bei tJberschallflugzeugen vorfindet. Der aerodynamische Auftrieb wird im Wesentlichen durch den Unterdruck im Kern der an der Vorderkante des Fliigels abgelosten Wir-
322
4 Numerische Losungsmethoden
F S'
S'
Abb. 4.22: Wandstromlinien und Struktur der Umstromung eines angestellten Deltafliigels bel erzeugt. Die Abbildung 4.22 zeigt die primare Wirbelablosung (Foki) sowie die Wiederanlegelinien auf dem Fliigel, die durch die Konvergenz der Wandstromlinien sichtbar werden. Stromab der primaren Vorderkantenablosung entsteht aufgrund der dreidimensionalen Querstromung auf dem Fliigel eine Sekundarablosung, die auf jeder Fliigelhalfte zu zwei weiteren Foki F und einem Sattel S fiihrt. Die Struktur der Stromung weist also auf der Oberseite jedes Halbfliigels insgesamt drei Foki, einen Sattel und die Halbsattel der Ablose- und Wiederanlegelinien auf. Die Abstromung iiber dem Deltafliigel verursacht einen weiteren Sattelpunkt S. Die Wirbelstarke der Sekundarablosung ist jedoch gering gegeniiber den Primarwirbeln, so dass von diesen die aerodynamischen Eigenschaften des Deltafliigels im Wesentlichen bestimmt werden.
Zylinderurastromung Ein Beispiel der Gebaudeaerodynamik soil das Kapitel der Strukturanalyse abschliefien. Die Struktur der Umstromung eines runden Gebaudes in Bodennahe idealisiert als Zylinderurastromung ist in Abbildung 4.23 dargestellt (siehe auch Abbildung 2.102). In Bodennahe bildet sich aufgrund der Haftbedingung an der Wand ein Hufeisenwirbel aus, der sich entlang der MittelUnie am Boden als Sattelpunkt S, Knoten K und vor dem ZyUnder erneut als Sattelpunkt S und Halbsattel S' im Staupunkt darstellen lasst. Dieser Hufeisenwirbel geht im Nachlauf in zwei Foki F iiber. Im unmittelbaren Nachlauf des ZyUnders bilden sich am Boden ein Sattelpunkt S, zwei Foki F, ein Knoten und zwei weitere Sattelpunkte S aus. Diese fiihren zu den Sekundarwirbeln Fs. Die dreidimensionale Stromungsablosung auf dem Zylinder wird durch zwei Knoten eingeleitet, die in die vier Foki F der Nachlaufstromung iiberfiihren. Je nach Reynolds-Zahl ist entsprechend der Ausfiihrungen in Kapitel 2.4.6 das Wirbelsystem stationar oder instationar. Die Stromungsstruktur der instationaren Wirbelablosung in freier Anstromung ohne Einfluss eines Bodens haben wir bereits als Karmansche Wirbelstrafie in Abbildung 2.106 kennengelernt. Im Stromungsfeld wechseln sich Sattelpunkte und Foki periodisch ab.
323
4.1 Analytische Vorbereitung
Wirbelsystem
—^^—
^
Wi \ —^—-^k\\ *
-k/m
- * ^ ~~M^(\
M' ^
Wandstromlinien Abb. 4.23: Umstromung eines Zylinders in Bodennahe Stroraung ira menschlichen Ventrikel Ein anderes Beispiel einer instationaren periodischen Stromung ist die pulsierende Stromung im menschlichen Herzventrikel, die wir im einfiihrenden Kapitel in Abbildung 1.14 beschrieben haben. Die Abbildung 4.24 zeigt vier Momentaufnahmen eines Herzzyklus. Beim Einstromen in den linken Herzventrikel durch die Mitralklappe entsteht ein Einstromjet, der von einem Ringwirbel begleitet wird. Dieser aufiert sich im Langsachsenschnitt durch den Ventrikel durch zwei Foki. Aufgrund der Ventrikelbewegung wahrend der Fiillphase wird der Ringwirbel asymmetrisch verformt und es entsteht ein Sattelpunkt mit zwei Halbsatteln im oberen Bereich des Ventrikels. Mit fortschreitendem Fiillvorgang verzweigt sich der asymmetrische Ringwirbel und die Durchstromung der Ventrikelspitze wird eingeleitet. Dabei bildet sich im Langsachsenschnitt ein weiterer Fokus verkniipft mit einem weiteren Sattelpunkt und zwei Halbsatteln. Der Ausstromvorgang in die Aorta bei geoffneter Aortenklappe sorgt fiir ein Ausspiilen der Foki aus dem Herzventrikel in wohl geordneter zeitlicher Abfolge.
324
4 Numerische Losungsmethoden
Aortenklappe
Mitralklappe
p0\O
Ringwirbel Eintromvorgang
asymmetrische Verformung
Verzweigung A b b . 4 . 2 4 : Stromung im menschlichen Ventrikel wahrend eines Herzzyklus
325
4.2 Diskretisierung
4.2
Diskretisierung
In diesem Abschnitt wollen wir die Grundlagen numerischer Losungsmethoden zur naherungsweisen Losung der stromungsmechanischen Grundgleichungen erarbeiten, die wir in Kapitel 3 vorgestellt haben. Unser Ziel ist es, eine erste Einfiihrung in die Vorgehensweise bei der numerischen Losung eines stromungsmechanischen Problems zu geben. Dabei werden wir wichtige Begriffe aus der numerischen Mathematik im Rahmen unserer Lehrbuchreihe an dieser Stelle erstmahg einfiihren, sowie einen UberbUck iiber die in der Stromungsmechanik gangigsten numerischen Losungsverfahren geben. Wir verzichten bewusst auf die ausfiihrhche Beschreibung der mathematischen Details der numerischen Algorithmen und der hnearen Algebra. Dem an den mathematischen Einzelheiten interessierten Leser empfehlen wir z.B. die Lehrbiicher von E. Stiefel 1970 und L. Lapidus, G. F. Finder 1999. Beziiglich einer detaillierten Beschreibung numerischer Methoden in der Stromungsmechanik und ihrer Anwendungen bei praktischen Stromungsproblemen verweisen wir auf unser Lehrbuch H. Oertel jr., E. Laurien 2003 und auf das Fachbuch von J. H. Ferziger, M. Feric 2002. Grundsatzlich existieren zwei unterschiedliche Klassen numerischer Losungsmethoden, die sich in der praktischen Anwendung erganzen. In der einen Klasse wird bereits vor der Durchfiihrung der Naherungsrechnung von einem Losungsansatz fiir eine gesuchte Grofie ausgegangen. Diese Grofie wird dabei in Form einer endhchen Reihe approximiert, wobei der Reihenansatz nach einer bestimmten Anzahl von Reihengliedern entsprechend der gewiinschten Genauigkeit abgebrochen wird. Zu dieser Klasse von Losungsmethoden gehoren z.B. das Galerkin- und das Spektralverfahren mit dem besonderen Vorteil, dass die einzelnen Ansatzfunktionen die Randbedingungen des zu losenden Stromungsproblems exakt erfiillen. Der Nachteil dieser ansonsten sehr genauen Losungsmethoden liegt darin, dass z.B. fiir eine vorgegebene Kraftfahrzeug- oder Flugzeugkonfiguration keine geeigneten
Lattice-Boltzmann-Methode (LBM) Finite-Elemente-Methode (FEM) Finite-Volumen-Methode (FVM) Finite-Differenzen-Methode (FDM) Spektral-Methode (SPM)
^^^^^
^
Genauigkeit A b b . 4.25: Genauigkeit und Flexibilitat numerischer Losungsmethoden
326
4 Numerische Losungsmethoden
Ansatzfunktionen gefunden werden konnen. Deshalb haben sich fiir die erwahnten Stromungsprobleme diejenigen numerischen Losungsmethoden durchgesetzt, die nach einer Diskretisierung des Integrationsgebietes direkt die partiellen Differentialgleichungen naherungsweise losen und dabei ohne vorher auszuwahlende Ansatzfunktionen auskommen. Je nachdem wie die Diskretisierung des Stromungsfeldes erfolgt (in strukturierte bzw. in unstrukturierte Gitter) und wie die Erhaltungssatze fiir die jeweiligen Volumenelemente erfiillt werden, lassen sich eine Vielzahl numerischer Losungsalgorithmen ableiten, von denen wir ledighch die wichtigsten auf die von uns in Kapitel 1 ausgewahlten Stromungsprobleme anwenden werden. Abbildung 4.25 fasst die in den folgenden Abschnitten beschriebenen numerischen Losungsmethoden beziighch ihrer Genauigkeit und Flexibihtat zusammen. Die Galerkin- und Spektralverfahren (SPM) sind entsprechend der gewahlten Ansatzfunktionen und je nach Anzahl der Reihengheder sehr genau, lassen sich jedoch nicht auf komplexe Geometrien anwenden. Spektralverfahren beruhen auf global definierten Funktionensystemen, die jedoch nur fiir sehr einfache Geometrien bekannt sind. Aber z.B. der Transitionsprozess in der Tragfliigelgrenzschicht lasst sich in einem ausgewahlten Volumenelement mit Hilfe des Spektralverfahrens sehr genau berechnen. Die Finite-Differenzen-Methode (FDM) diskretisiert das Stromungsfeld in orthogonale Gitter und ersetzt die Differentialquotienten der Grundgleichungen durch die entsprechenden Differenzenquotienten. Fiir die Berechnung der Stromung um ein Kraftfahrzeug bzw. der Tragfliigelstromung ist vor der Anwendung des Differenzenverfahrens jeweils eine aufwendige Transformation der komplexen Konfiguration auf ein Rechteckgebiet erforderlich. Diese Transformation erspart man sich bei den Finite-Volumen-Methoden (FVM) und bei den Finite-Elemente-Methoden (FEM), die sich inzwischen in der Praxis durchgesetzt haben. Die Finite-Volumen-Methode erfiillt die diskretisierten Erhaltungssatze iiber jedes Volumenelement im Stromungsfeld wahrend bei den Finite-Elemente-Methoden der numerische Fehler mit geeigneten Ansatzfunktionen und der Formulierung eines Variationsproblems in jedem Volumenelement minimiert wird. Finite-Elemente-Methoden besitzen eine hohe Flexibihtat, da sie auf sehr flexiblen unstrukturierten Netzen aufbauen. Die hochste Flexibihtat beziiglich der Rechennetze weist die Lattice-Boltzmann-Methode (LBM) auf. Es werden keinerlei Anforderungen an das Rechennetz gestellt. In beliebig vorgegebenen Volumenelementen werden die Bewegungen und Stofie einer vorgegebenen Anzahl von Modellpartikeln simuliert. Die makroskopischen Stromungsgrofien erhalt man dann durch den in Kapitel 3.6 vorgegebenen Mittelungsprozess. Die Lattice-Boltzmann-Methode wird aus Griinden der Vollstandigkeit angesprochen, aber in den folgenden Kapiteln nicht weiter behandelt.
4.2.1
Galerkin-Methode
Wir beginnen ganz formal mit der Einfiihrung einer gesuchten Funktion g(x, y^ z), die von den drei Raumkoordinaten x, y und z abhangt. Diese Funktion g steht stellvertretend fiir eine jeweils gesuchte Grofie aus den Navier-Stokes-Gleichungen (3.19) fiir ein vorgegebenes stationares Stromungsproblem mit den dortigen Bezeichnungen v = {u,v,w),p,p und T. Gegeben ist ein Differentialoperator L der Gestalt L(x,l/,^,g,g^g'0=O
•
(4.95)
4.2 Diskretisierung
327
Gleichung (4.95) bedeutet, dass zwischen den drei unabhangigen Koordinaten x, y, z der abhangigen Grofie g, sowie ihrer ersten Ableitung g' und ihrer zweiten Ableitung g^' nach den unabhangigen Variablen eine Beziehung besteht, in der alle abhangigen und unabhangigen Variablen auf die hnke Seite der Gleichung geschrieben werden konnen, so dass die rechte Seite zu Null wird. Es handelt sich also lediglich um eine formalisierte Schreibweise fiir eine Differentialgleichung. Wir betrachten beispielsweise die Navier-Stokes-Gleichung in x-Richtung zur Bestimmung der Geschwindigkeitskomponenten u{x^y^z) fiir den Fall, dass alle anderen Grofien bekannt sind und schreiben alle Grofien auf die linke Seite du dx
du
du Vv
•
dy
h W .•
dz
1
dv
^ _ . _ L _- V '
p
dx
(dhi. —^ \dx^
In formaUsierter Schreibweise mit einem Differentialoperator L gemafi Gleichung (4.95) lautet Gleichung (4.96) X^y^Z^U^
,
,
5 o 9 ' o 9 ' o 9 l
•
y±.\j
()
OX ay az ax^ ay^ az"^ J Fiir gekoppelte partielle Differentialgleichungen 2. Ordnung, wie z. B. die vollstandigen Navier-Stokes-Gleichungen, bezeichnet L einen Matrixoperator. Das Prinzip des Galerkin-Verfahrens besteht darin, fiir die gesuchte Funktion g(x, y^ z) einen Losungsansatz in Form einer endlichen Reihe zu finden, der die Randbedingungen des Problems exakt erfiillt N
g(x, y,z)^^Ci-
Fi(x, y, z) = ci • Fi(x, y,z)^
h CN • FN(X, y, z)
.
(4.98)
1=
N bezeichnet die Anzahl der Reihenglieder, Ci sind die zu bestimmenden konstanten Koefhzienten und Fi die ausgewahlten Ansatzfunktionen. Das Ungefahrzeichen ^ erklart sich dadurch, dass die gesuchte Funktion g(x, y^ z) nur im Falle N ^ oo exakt durch ein vollstandiges, orthogonales Funktionensystem Fi wiedergegeben wird. Da wir nach einer endhchen Zahl N von Reihengliedern abbrechen, wird g(x, y, z) je nach der Grofie von N beliebig genau approximiert aber nicht exakt erreicht. Setzen wir den Ansatz (4.98) in die Differentialgleichung (4.95) ein, so erhalten wir
(
N
N
N
\
x,i/,z,^Ci.Fi(x,i/,z),^Ci.F((x,i/,z),^Ci.Fr(x,i/,z) i=l
i=l
i=l
=Ry^O
. (4.99)
/
In Gleichung (4.99) steht R fiir das Residuum, also einen Fehler der dadurch entsteht, dass fiir die Funktion g{x,y,z) ein Naherungsansatz eingesetzt wurde. Je kleiner das Residuum R ist, umso genauer entspricht der Naherungsansatz aus (4.99) der Losung der Differentialgleichung (4.95). Die gesuchten KoefHzienten Q miissen so bestimmt werden, dass das Residuum moglichst klein wird. Wir erreichen dieses Ziel, indem wir das Residuum R mit Gewichtungsfunktionen Gj multiplizieren und anschliefiend fordern, dass das iiber den Definitionsbereich gemittelte gewichtete Residuum verschwindet. Das Residuum muss hierzu linear unabhangig und orthogonal zu jeder der N Gewichtsfunktionen Gj sein. Grundsatzlich ist es mogUch, verschiedene Arten von Funktionen als Gewichtsfunktionen Gj einzusetzen. Das Charakteristikum eines Galerkin-Verfahrens besteht darin, dass als
328
4 Numerische Losungsmethoden
Gewichtsfunktionen Gj die jeweiligen Ansatzfunktionen Fj verwendet werden, d.h. beim Galerkin-Verfahren gilt Gj = Fj. In Formeln lauten diese Forderungen, die zur Minimierung des Fehlers R fiihren R-Fj-dy = 0
.
(4.100)
Wenn wir noch das Residuum R durch Gleichung (4.99) ersetzen, so erhalten wir die Galerkinschen Gleichungen zur Minimierung des Fehlers /
N
N
/ L I X, I/, z, ^ V
^
Ci • Fi(x, y, z), ^
i=i
Ci • F((x, y, z), (4.101)
i=i N
\
^Ci.Fr(x,i/,z)j .Fj.dy = 0 . Gleichung (4.101) stellt ein System von N algebraischen Gleichungen zur Bestimmung der N Unbekannten Ci dar, die mit den Methoden der linearen Algebra ermittelt werden. Die auf diese Weise erhaltenen Koeffizienten ci ergeben, eingesetzt in Gleichung (4.98), eine Naherungslosung fiir die gesuchte Funktion g(x, y, z). Wir sind bisher noch nicht auf die Auswahl der Ansatzfunktionen Fi eingegangen, da die Ansatzfunktionen entsprechend der unterschiedlichen Stromungsprobleme jeweils problemangepasst ausgewahlt werden miissen. Hierzu bedarf es einer gewissen Erfahrung. Bei der Auswahl der Ansatzfunktionen ist zu beachten, dass die Randbedingungen des Problems exakt erfiillt werden. Des weiteren miissen auch hohere Ableitungen von g(x, y^ z) durch die ausgewahlten Ansatzfunktionen dargestellt werden konnen. Im Falle der NavierStokes-Gleichungen wird von den Ansatzfunktionen gefordert, Ableitungen zweiter Ordnung problemlos zu modellieren. In unserem Ubungsbuch haben wir fiir die Berechnung der ebenen Kanalstromung trigonometrische Ansatzfunktionen gewahlt, die an den Kanalberandungen die Haftbedingung erfiillen. Als Anwendungsbeispiel der Galerkin-Methode haben wir die freie Konvektionsstromung in einem unten beheizten kubischen Behalter mit isothermen Berandungen gewahlt. Dabei wird im Rahmen der Boussinesq-Approximation die Dichteanderung lediglich im Auftriebsterm der Navier-Stokes-Gleichung beriicksichtigt und in alien anderen Termen vernachlassigt (siehe auch Kapitel 3.2.1 und 3.3.1). Der Ansatz fiir die Dichte ergibt p(T)=po-[l-ce.(T-To)]
,
mit dem Wdrmeausdehnungskoeffizienten ce, einer Bezugsdichte po und einer Bezugstemperatur TQ. Die Zahigkeit wird als konstant angenommen. Zusatzlich wird die Dissipation vernachlassigt. Beriicksichtigt man die dem Warmetransportproblem angepassten dimensionslosen Grofien *
XYT
T T- - T Tw — T
7
Poo ' ^oo * '^c
329
4.2 Diskretisierung
dann erhalt man mit (3.24) und (3.106) die dimensionslosen Boussinesq-Gleichungen: 0
V 'V
'0'
OV
(4.102)
] = Ra^ . T* . I 0 I - Vp* + At;*
( r . \/)v
Pr.
VT* = AT* mit der dimensionslosen Rayleigh-Zahl: •a-{T-T^)
Rdc
Der Zusammenhang mit der in Kapitel 2.4.7 eingefiihrten Grashof-Zahl ist durch die Beziehung Ra^o = PTOO • GTL gegeben. Die charakteristische Lange L ist der Hohe des Konvektionsbehalters h gleichzusetzen. Je nach Grofie der Prandtl-Zahl PTOO ist ein unterschiedliches stationares oder instationares Verhalten der Stromung zu erwarten. Ist Proo klein (z. B. 0.71 fiir Luft, 10~^ fiir fliissige Metalle), so ist die Stromung instationar. Ist Proo grofi (7 fiir Wasser, 10^ fiir 01), so erhalt man eine stationare Stromung in Form von Konvektionsrollen. Der instationare Term besitzt in diesem Fall nur einen geringen Einfluss, da er mit einem kleinen Faktor 1/Pr oo multipliziert wird. Zunachst berechnen wir das Einsetzen der stationaren Konvektionsstromung im kubischen Behalter (Abbildung 4.26) mit der in Kapitel 4.1.3 eingefiihrten Methode der Stabilitatsanalyse. Dazu werden mit der Galerkin-Methode die linearisierten StorungsDifferentialgleichungen gelost. Der Grundzustand ist der Warmeleitungszustand n{z)
= -z
,
t; = 0 .
(4.103)
Die Stromungsgrofien werden nach dem Grundzustand entwickelt: T = To^r
,
p = Po^p'
,
v =v
(4.104)
.
Damit ergibt sich fiir den Differentialoperator L der Gleichung (4.95): W 'V =0
,
0 = - Vp' + Av + Paoo • P ' • e^
-w' = Ar i i^
T,
K'
• ^*
ti
+1/2 / ^ ^ ' / /T^ h -1/2
(4.105)
,
,
2
X
Abb. 4.26: Thermische Konvektion im kubischen Behalter
1
z
330
4 Numerische Losungsmethoden
mit dem Einheitsvektor e^ = (0,0,1)^ und den Randbedingungen: tJ' = 0
,
T' = 0
.
(4.106)
Die linearisierten Storungs-Differentialgleichungen sind unabhangig von der Prandtl-Zahl und damit unabhangig vom Medium. Von den Ansatzfunktionen N
N
v' = Y.^,^v', ,
T'^Y.'^yT'.
i=l
(4.107)
j=l
wird gefordert, dass sie die Kontinuitatsgleichung und die Randbedingungen erfiillen. Sie sind als Vx des Funktionensystems darstellbar, so dass der Druckterm aus der NavierStokes-Gleichung eliminiert werden kann. Mit den Ansatzfunktionen (4.107) erhalten wir die Galerkinschen Gleichungen (4.101): N
M
^ A k i - a i + i^aoo-Xl^kj-bj = 0 i=l
j=l
N
M
^Cii.ai+
^Bij.bj=0
i=l
j=l
,
,
k = l,2,...,N
,
1 = 1,2,... ,M
,
(4.108)
mit den Integralen Aki = / '^k • ^'^i • dx . di/. dz
,
C^kj = / ('^k • ^z) • T[ -Ax-Ay-Az
,
Cn= [{vre,)-T{-dx-dydz Bij = / (Ti . ATj 'dx'dy-dz
, .
Damit erhalt man ein System von M + N homogenen linearen algebraischen Gleichungen fiir die KoefRzienten ai, Bj. Als Parameter tritt die Rayleigh-Zahl auf. Fiir die Berechnung des Einsetzens der Konvektionsstromung im kubischen Behalter versuchen wir es zunachst einmal mit jeweils einer Ansatzfunktion:
z-{l-xr'{i-y')'{i-z')
\
0 _^.(l_^2).(l_^2).(l_,2)2y
T' soil die gleiche Symmetrie wie w^ besitzen: T' = - a i . x . ( l - a : 2 ) . ( l - y 2 ) . ( l _ , 2 ) 2
(4.109)
331
4.2 Diskretisierung
Damit sind die Randbedingungen v^ = 0 und fiir die isotherme Berandung T' = 0 erfiillt. Mit W • v[ = 0 fallt der Druckterm aus der Navier-Stokes-Gleichung heraus. Mit den Galerkinschen Gleichungen (4.108) berechnet man ai = —12/217. Die Nullstelle der Determinante von (4.110) liefert die kritische Rayleigh-Zahl RGC = 7700. Lost man das Eigenwertproblem mit mehreren Ansatzfunktionen N, so zeigt die Abbildung 4.27, dass bereits mit einer Ansatzfunktion die kritische Rayleigh-Zahl Rac auf 10% genau berechnet wird. Sechs Ansatzfunktionen liefern die kritische Rayleigh-Zahl und die Eigenfunktionen bereits mit einer Genauigkeit im Promille Bereich. Mit der Galerkin-Methode lassen sich auch instationare Konvektionsstroraungen berechnen. Die KoefRzienten der Ansatzfunktionen (4.102) sind dann zeitabhangig: N
N
v^ = ^e.-M'v[
,
r = ^bj(t).T/
i=l
(4.110)
j=i
Damit ergeben die Galerkinschen Gleichungen ein System nichtlinearer gewohnlicher Differ entialgleichungen : ^Aki-ai(t)+i?aoo-^Ckj.bj(t)-^.^Dki-^^=0, dt
k = l,2,...,N
,
i=l
i=l N
j= l M
M
i=l
j=i
j=i
0
dt
,
1 = 1,2,---,M,
mit den zusatzlichen Integralen Dki =
/ Vk • Vi • d y
Fij=
[m-TrdV
En = -l{vi-e,)-Ty^-dV
.
7500
7000 _ l
I
I
10
I
I
I
N
1
_
20
Abb. 4.27: Kritische Rayleigh-Zahl Rac in Abhangigkeit der Ansatzfunktionen N
(4.111)
332
4 Numerische Losungsmethoden
Die Losung des Systems gewohnlicher Differentialgleichungen kann z. B. mit dem RungeKutta-Verfahren 4. Ordnung erfolgen, das in Kapitel 4.2.4 ebenfalls zur Losung instationarer Stromungsprobleme genutzt wird. Weitere Beispiele zur Galerkin-Methode aus dem Bereich der Stromungsmechanik finden sich in unserem Ubungsbuch H. Oertel jr., M. Bohle, U. Dohrmann 2006. Eine Vertiefung der Anwendung der Galerkin-Methode findet sich z. B. in dem Buch von C. A. J. Fletcher 1984.
Spektralmethode In Zusammenhang mit dem Galerkin-Verfahren gehen wir noch auf das Spektralverfahren ein, welches sich direkt aus dem Galerkin-Verfahren ableitet. Zur Minimierung des numerischen Fehlers wird jetzt ein Variationsproblem formuliert, bei dem als Ansatz- und Gewichtsfunktionen solche Funktionen Fk eingefiihrt werden, die beliebig oft differenzierbar sind. Auch hier wird das Problem der Fehler-Minimierung zuriickgefiihrt auf ein algebraisches Gleichungssystem zur Bestimmung der unbekannten KoefRzienten u\^. Beim Spektralverfahren benutzt man als Zahlvariable k, um Verwechselungen mit der hierbei haufig benotigten imaginaren Einheit i = \/^ zu vermeiden. Ganz analog zum Ansatz aus Gleichung (4.98) des Galerkin-Verfahrens wird eine gesuchte Funktion, beispielsweise eine Geschwindigkeit u{x,y,t), durch Funktionensysteme mit Hilfe eines Reihenansatzes approximiert N
u{x,y,t)
?^^iXk(l/,0 '^k{x) = uo{y,t) - Fo{x) ^ - "U^{y,t) k=o
• FN(X)
.
(4.112)
Der Index ' " ' auf den Koeffizienten soil darauf hindeuten, dass es sich im Falle periodischer Ansatzfunktionen Fk bei den u\^ um Fourier-Koeffizienten, also Wellenamplituden, handelt. Beliebig oft differenzierbare Funktionen Fk, sind beispielsweise Sinus- und Cosinusfunktionen. In Gleichung (4.113) fiihren die Ansatzfunktionen exp(i -k- a - x) auf die sogenannten Fourier-Spektralmethoden N
u{xj y^t) ^y
^ UkjVj t) ' exp(i -k- a - x)
.
(4.113)
k=o
Die Variable a steht fiir die Wellenzahl a = 2 • TT/A. Die Ansatzfunktionen stellen gemafi exp(i-k-a-x) = cos(k-a-x)+i-sin(k-a-x) Sinus- und Cosinusfunktionen dar. Die gesuchte Funktion u{x^y^t) wird dadurch in eine Fourier-Reihe in x-Richtung entwickelt. Die xAbhangigkeit von u{x^y^t) wird dabei in die Ansatzfunktionen iibernommen, wahrend u\^{y^t) die zugehorigen zu bestimmenden Fourier-Koeffizienten sind. Sie werden auch als Spektrum oder Wellenzahlenspektrum bezeichnet. Spektralverfahren konvergieren besonders schnell und sind sehr genau. Sie werden in der Stromungsmechanik insbesondere bei Stromungsproblemen mit periodischen Randbedingungen eingesetzt. Der Vorteil eines Spektralverfahrens macht sich vor allem bei der Approximation hoherer Ableitungen bemerkbar. Die p-te Ableitung der Fourier-Reihe aus
4.2 Diskretisierung
333
Gleichung (4.113) ist ebenfalls wieder eine Fourier-Reihe ^^^4^^^^yiP.kP.aP.|Xk(l/,t).exp(i.k.a.x)
(4.114)
.
k=0
Beim Programmieren eines numerischen Rechenverfahrens werden typischerweise nur die KoefRzienten u\^ anstelle der gesamten Funktionen im Rechner gespeichert. Nach Ende der Rechnung werden die gesuchten Funktionen durch Anwendung der Reihenentwicklung (4.112) aus den Spektral-KoefRzienten u\^ berechnet. Man spricht daher auch vom spektralen Raum (ki,k2,k3) im Gegensatz zum physikalischen Raum (x^y^z), wobei wir den eindimensionalen Ansatz mit ki = k und x vorgestellt haben. Soil eine nichtperiodische Funktion, z.B die Geschwindigkeitsverteilung einer Kanalstromung u{z) mit dem Spektralverfahren approximiert werden, so sind Fourier-Ansatze nicht geeignet. u steht fiir die Geschwindigkeit in Stromabrichtung und z fur die Kanalhohe. Legt man die Koordinate z = 0 in die Symmetrieebene des Kanals und normiert die Kanalhohe auf das Intervall — 1 < z < 1, so lassen sich als Ansatzfunktionen Tschebyscheff-Polynome verwenden, die genau auf diesem Intervall definiert sind. Tschebyscheff-Polynome sind nach der Gleichung ^k(^) = cos (k • arccos(z))
(4.115)
definiert. Die ersten vier Tschebyscheff-Polynome, die in Abbildung 4.28 dargestellt sind, berechnen sich fiir k = 0,1,2, 3 nach den Gleichungen k = 0:
To{z) = l
,
k = l:
Ti{z) = z
k = 2:
T2{z) = 2-z^-l
,
/c = 3 :
T^{z) = A-z^ - ?^ • z
.
(4.116)
Die weiteren Tschebyscheff-Polynome fiir k > 4 berechnen sich nach der Rekursionsformel Tk(z)=2.z.Tk_i-Tk_2
.
(4.117)
Abb. 4.28: Die ersten vier Tschebyscheff-Polynome
334
4 Numerische
Losungsmethoden
Die gesuchte Geschwindigkeitsfunktion u{z) wird dann approximiert durch die endliche Reihe N
(4.118)
^kW k=0
Als Anwendungsbeispiel des Spektralverfahrens behandeln wir die numerische Berechnung des Transitionsprozesses in einer kompressiblen Grenzschichtstromung (siehe Abbildung 4.11), und erganzen damit unsere stabilitatstheoretischen tJberlegungen in Kapitel 4.1.4. Wir verwenden das raumlich-periodische Modell, das den Transitionsprozess in der Grenzschicht auf eine zeitliche Entwicklung der Storwellen reduziert. Wir bewegen uns also mit dem betrachteten Volumenelement in der Grenzschicht stromab und berechnen ausgehend von den Tollmien-Schlichting-Wellen die zeitliche Entwicklung der A-Wirbelbildung und deren Zerfall bis hin zur turbulenten Grenzschichtstromung. Dabei benutzen wir raumlich periodische Randbedingungen u{x) = u{x + L^) und u{y) = u{y + Ly). Darin sind L^ und Ly die Langen des Transitionsbereiches in x- und i/-Richtung, fiir den die Simulationsrechnung durchgefiihrt wird. Nur mit den periodischen Randbedingungen lasst sich das Transitionsproblem mit dem Spektralverfahren berechnen. Wir hatten bereits in Abbildung 4.11 eine schematische Darstellung des Transitionsvorganges gezeigt. Dort waren A-Strukturen aufgefiihrt, auf die wir im Folgenden naher eingehen. Solche A-Strukturen sind in Abbildung 4.29 fiir die Plattengrenzschichtstromung und in Abbildung 4.30 fiir die dreidimensionale Fliigelgrenzschicht in ihrer raumlichen Anordnung
pSiiMi^liiil
^
^^m^^^^-^mm^^m^^^^ mi§;;:f^.mmmmmmsm&£:St.
3-dim.
^
^
^
^
^
55311111 •" ii--
ToUmien-Schlichting-Welle
TS
^
X Turb.-Flecken
dreidimensional
^liS'
' , ^ ^-IJ-^^j-g^::-^- ^^ ^,.^^^^r^^^^,.^.^^^^^^^ jgS^"^
laminar
transitionell
turbulent
?L-Stmktur
Abb. 4.29: Laminar-turbulenter Ubergang in der Plattengrenzschichtstromung
4.2 Diskretisierung
335
dargestellt. Die Fliigelebene ist ein Teil der x,y-Ehene, wobei die x-Richtung mit der durch einen Pfeil angedeuteten Anstromrichtung zusammenfallt und die i/-Achse mit der Spannweitenrichtung des Fliigels. Die Wandnormalenkoordinate z steht senkrecht auf der Fliigeloberflache. Die A-Strukturen bilden sich im Verlauf der fortschreitenden Instabilitat als stromabweisende pfeilspitzenartige Strukturen aus, die in der raumlichen Verteilung bestimmter Stromungsgrofien, wie z.B. des Betrags gleicher Drehung, sichtbar gemacht werden konnen. In Abbildung 4.30 sind die Isoflachen der Drehung ou = konst. der AStrukturen im Volumenelement eingezeichnet. Die Abbildung zeigt Simulationsergebnisse fiir die charakteristischen Kennzahlen Mach-Zahl Moo =0.62 und Reynolds-Zahl RCL = 26-10^ A-Strukturen sind Bereiche lokaler Scherung und Ubergeschwindigkeit in der Spitze. Dadurch wird das letzte Stadium der Transition zur ausgebildeten Turbulenz eingeleitet. Die A-Strukturen sind grundsatzlich spannweitig periodisch aufgereiht. Beim sogenannten fundamentalen Transitionstyp sind mehrere solcher Reihen von A-Strukturen periodisch hintereinander angeordnet. Mit der Entstehung der A-Strukturen ist das Auftreten hoher freier Scherschichten verbunden. Dies sind weit von der Wand abgehobene lokale Maxima der Schubspannung. Im weiteren Verlauf der Transition zerfallen die hohen Scherschichten in zunehmend kleinere Strukturen wodurch schliefilich der turbulente Endzustand erreicht wird.
Abb. 4.30: Laminar-turbulenter Ubergang in einer kompressiblen Fliigelgrenzschichtstromung, RCL = 26 • 10^
336 4.2.2
4 Numerische Losungsmethoden
Finite-Elemente-Met hode
Die Methode der Finiten-Elemente wurde urspriinglich in der Festkorper-Mechanik zur Berechnung von Strukturproblemen entwickelt. Ihre Anwendung bei Stromungsproblemen wurde in Zusammenhang mit der erforderlichen Diskretisierung des Integrationsfeldes mit unstrukturierten Netzen bei komplexen Konfigurationen wie dem Flugzeug oder dem Kraftfahrzeug attraktiv. Wir geben in diesem Kapitel eine vorlaufige Einfiihrung in das Finite-Elemente-Verfahren und verweisen beziiglich der mathematischen Details auf das Buch von E. Stein 1988. Zur Vereinfachung behandeln wir ein zweidimensionales Problem. Im ersten Schritt wird das Integrationsgebiet in der x, z-Ebene, das den Definitionsbereich einer gesuchten Funktion u{x^z) darstellt, in sich nicht iiberlappende geometrische Elemente gleicher Art unterteilt. Im zweidimensionalen Fall handelt es sich dabei meist um Dreiecke, bzw. im dreidimensionalen Fall um Tetraeder. Die Eckpunkte dieser Elemente heifien Knoten. Die Gesamtheit der Elemente und Knoten bildet ein Netz, welches das Integrationsgebiet diskretisiert (siehe auch Abbildung 4.34). Abbildung 4.31 zeigt die Diskretisierung eines Teils der x, z-Ebene in Dreieckelemente, die ein unstrukturiertes Netz bilden. Bei unstrukturierten Netzen kann ohne Riicksicht auf die Netzstruktur, lokalen Erfordernissen entsprechend, eine Netzverfeinerung vorgenommen werden. Im Vergleich zu strukturierten Netzen in der Ebene, bei der die Knoten und die Elemente durch ein Indexpaar definiert sind, werden die Knoten und Elemente bei unstrukturierten Netzen mehr oder weniger beliebig durchnummeriert. Das auf diese Weise diskretisierte Integrationsgebiet der Funktion u{x, z) bezeichnen wir als Rechengebiet ^. An die Stelle der kontinuierlichen Funktion u{x^z) treten nach der Diskretisierung als gesuchte Grofien die Werte von u in den Knotenpunkten von O. Eine sogenannte Zuordnungsmatrix stellt den Zusammenhang zwischen Knoten und Elementen her. Jedem Dreieckelement mit den lokalen Knotennummern A, B und C (im mathematisch positiven Drehsinn angeordnet) werden darin die globalen Elementnummern in der x, z-Ebene zugeordnet. Die Zuordnungsmatrix ist ebenfalls in Abbildung 4.31 gezeigt. In Abbildung 4.32 betrachten wir ein Dreieckelement mit den drei Knoten A, B und C. Die drei Knoten haElement-Nr. A B C 1
3 2 4
2
6 2 3
3
2 5 4
4
2 7 5
5
1 7 2
6
1 2 6
7
1 8 7
8
7 8 9
9
7 9 5
Abb. 4.31: Unstrukturiertes Finite-Elemente Netz
4.2 Diskretisierung
337
ben die bekannten Koordinaten (XA, ^A), (^B, ^B) und (xc, ^c)- Wir gehen nun dazu iiber, innerhalb eines jeden Elements lokale Koordinaten einzufiihren, die unabhangig von der tatsachlichen geometrischen Form des Elementes sind. Wir wahlen unter den verschiedenen Moglichkeiten fiir lokale Koordinaten die sogenannten Lagrange Flachenkoordinaten aus und betrachten erneut Abbildung 4.32. Durch einen beliebigen Punkt innerhalb des Dreiecks (A,B,C) wird der Flacheninhalt des vollstandigen Dreiecks unterteilt in drei Teilflachen Fi,F2 und F3, deren Summe wieder den Gesamtflacheninhalt FABC des Dreieckelementes ergeben muss. Die Lagrange Flachenkoordinaten ^^ lassen sich interpretieren als das Verhaltnis der Flache des j-ten Teildreiecks Fj zur Gesamtflache des Dreiecks (A,B,C) und sind somit definiert als Fj
gj = ^ 3f ^
EFj
Fj
Fj
= ^Fi +, F2 ; \ +^F3 = i ^ FABC
•
(4-119)
Jewells zwei Koordinaten verschwinden auf den Knoten des Dreiecks und jeweils eine auf den Seiten. Wandert der Punkt innerhalb des Dreiecks (A,B,C) aus Abbildung 4.32 beispielsweise in die Ecke A, so wird ^i = F I / F A B C = 1? wahrend F2 und F3 zu Null werden und somit ^2 und ^s verschwinden. Der Wert der Koordinaten ^^ liegt folglich zwischen Null und Eins und die Summe aller drei Koordinaten betragt immer Eins. Jeder Punkt innerhalb eines bestimmten Dreieckelementes (A,B,C) ist durch Angabe seiner Lagrange Flachenkoordinaten (
z = ZA-ei+^B-6 + ^ c - 6
1=
a
+ 6
+ 6 ,
(XAXBXC\
/CI\
,
(4.120)
Oder in Matrizenschreibweise c\
(4.121) Die Wertepaare (XA, ^A) etc. bezeichnen darin wieder die globalen Koordinaten der Knoten des jeweiligen Dreiecks (A^B^C) im Integrationsgebiet Q.
Abb. 4.32: Lokale Koordinaten im Dreieckelement
338
4 Numerische Losungsmethoden
Durch Einfiihrung der Finiten Elemente, in unserem Fall Dreieckelemente, wird das globale Integrationsgebiet Q der gesuchten Funktion u{x^z) inn einzelne lokale Integrationsgebiete QQ unterteilt. QQ entspricht dabei dem Gebiet eines Dreieckelementes, wobei der Index e die Zahlvariable fiir die Anzahl n der Elemente darstellt. Im zweiten Schritt der Finite-Elemente-Methode werden auf diesen Elementgebieten QQ in Abhangigkeit lokaler Koordinaten ^^ sogenannte Formfunktionen Nj((fi, (^2,
^^ den Knoten eines Elementes e approxi-
3 ^ e ( e i , 6 , 6 ) = I ^ ^ e J • N j ( e i , 6 , 6 ) = ^ e , l ' N i + IXe,2 ' N2 + lXe,3 ' N 3 j= l
.
(4.122)
Auch hier wird die Analogic zum Approximationsansatz des Galerkin-Verfahrens aus Gleichung (4.98) deutlich. Wir erkennen aber gleichzeitig die Unterschiede zum GalerkinVerfahren. In Gleichung (4.122) gilt der Reihenansatz mit den gesuchten KoefRzienten iXej und den Formfunktionen Nj nur fiir ein jeweils diskretes Element aus dem Integrationsbereich, wahrend das Galerkin-Verfahren ohne Diskretisierung des Integrationsbereichs in einzelne Elemente auskommt. Wegen der Ausblendeigenschaft der Formfunktion Nj (Nj = 1 im Knoten j , in den anderen Knoten Nj = 0) sind die AnsatzkoefRzienten iXej in Gleichung (4.122) auch gleichzeitig die Werte der Funktion i^e(
,
N2 = N B = 6
,
N3=Nc=6
.
(4.123)
Durch Summation iiber alle Elemente erhalten wir dann eine Approximation fiir die urspriinglich gesuchte Funktion u{x, z) n
n
3
u{x, z).
• N i + ^e,2 •N2 + ^e,3 •N3)
•Nj: e=lj=l
e=l
.
(4.124)
339
4.2 Diskretisierung
In Gleichung (4.124) bezeichnet der Summationsindex j die Summe iiber alle Knoten eines Elementes QQ. Im Falle der von uns behandelten Dreieckelemente lauft j von 1 bis 3. Der Index e bezeichnet die Summation iiber alle n Elemente QQ, in die der Integrationsbereich Q der gesuchten Funktion u{x^z) diskretisiert wurde. Die Bestimmung der unbekannten KoefRzienten iXej geschieht iiber die Formulierung eines Variationsproblems, wie wir es beim Galerkin-Verfahren im letzten Abschnitt bereits kennen gelernt haben. Der Approximationsansatz aus Gleichung (4.124) wird in die zu 15sende Differentialgleichung eingesetzt. Dadurch erhalt man, wie bereits in Gleichung (4.99) gezeigt, ein Residuum R aus der Differenz zwischen der exakten Losung u{x^z) und der Naherungslosung fiir u{x^z). Beim Taylor-Galerkin-Finite-Elemente-Verfahren wird das Residuum R mit Gewichtsfunktionen Nk multipliziert und anschliefiend gefordert, dass das Skalarprodukt aus Residuum R und Gewichtungsfunktionen Nk, integriert iiber den Integrationsbereich, verschwindet. Der Index k lauft dabei iiber die Anzahl der Knoten eines Elementes. Wegen der Diskretisierung in einzelne Elemente wird dieses Integral aufgesplittet in eine Summe von Integralen iiber die Elemente. Als Bestimmungsgleichungen fiir die KoefRzienten iXej erhalten wir n
Nk) df2 =
Nk) df2 == 0
.
(4.125)
n Die Gleichungen (4.125) sind wiederum ein lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der gesuchten KoefRzienten. In unserem Ubungsbuch Stromungsmechanik Rnden sich zwei Beispielaufgaben zur Kanalstromung, die einmal mit dem Galerkin-Verfahren nach Abschnitt 4.2.1 und einmal mit dem Galerkin-Finite-Elemente-Verfahren gelost werden. Desweiteren sind in den Musterlosungen fiir diese Aufgaben die einzelnen Losungsschritte vom approximierten Losungsansatz bis zur Formulierung des linearen Gleichungssystems ausfiihrlich beschrieben. Bei der Anwendung der Finiten-Elemente-Methode kommen wir auf die Tragfliigelstromung zuriick und zeigen in Abbildung 4.34 ein Rechennetz und eine numerische Losung fiir das Tragfliigelprofil. Das Rechennetz besteht aus unstrukturierten Dreieckelementen. Am Rand der Kontur und im Nachlaufbereich hinter dem Tragfliigel sind die Dreieckelemente erheblich dichter angeordnet als in einiger Entfernung vom TragfliigelproRl. Dies ist notwendig, um die Grenzschicht und die Nachlaufstromung mit ausreichender Ge-
Abb. 4.33: Lineare Formfunktionen im Dreieckelement
340
4 Numerische Losungsmethoden
nauigkeit auflosen zu konnen. Bei der Auswahl geeigneter Netze ist ein Verstandnis der Stromungsphanomene erforderlich, um eine geeignete lokale Verfeinerung der Netze vornehmen zu konnen. Wir kommen in Kapitel 5 auf die Stromungsphanomene zuriick. So muss im Bereich eines Verdichtungsstofies entsprechend dem lokalen Drucksprung das Netz verfeinert werden, um den Stofi numerisch auflosen zu konnen. Dazu verwendet man sogenannte adaptive Netze, fiir die unstrukturierte Elemente besonders geeignet sind. Unter der Netzadaption versteht man die Anpassung des Netzes an das Stromungsproblem. Die numerische Auflosung ist dort grofi, wo starke Gradient en der Stromungsgrofien vorhanden sind und dort gering, wo die Stromungsgrofien konstant sind oder sich nur schwach andern. Treten wahrend einer numerischen Berechnung starke Gradienten auf, so werden in diesen Gebieten zusatzhche Knoten eingefiigt, was zu einer Netzverfeinerung durch kleinere Elemente fiihrt. Fiir eine eingehende Beschreibung der Netzgenerierung und Netzadaption verweisen wir auf unser Lehrbuch 'Numerische Stromungsmechanik', H. Oertel jr., E. Laurien 2003. Die Abbildung 4.34 zeigt eine mit Finite-Elementen auf unstrukturierten Netzen berechnete Druckverteilung auf dem Profll im Vergleich mit einer experimentell gewonnenen Druckverteilung. Die Mach-Zahl betragt Moo = 0-79, die Reynolds-Zahl RCL = 6.5 • 10^ und der AnsteUwinkel des Profils a = 2.3°. Die obere Kurve zeigt die Druckverteilung auf der Oberseite des Tragfliigels und die untere Kurve die Druckverteilung auf der Unterseite. Die durch den Verdichtungsstofi verursachte Druckerhohung erscheint im —c^-Diagramm fiir die obere Tragfliigelhalfte als sprunghafte Abnahme des — c^-Wertes. Die Netzverfeinerung im Grenzschicht- und im Nachlaufbereich des Proflls ist deutlich zu sehen. Es wurden die Favre-gemittelten Reynolds-Gleichungen aus Kapitel 3.5.1 mit dem Baldwin-LomaxTurbulenzmodell aus Kapitel 3.5.3 gelost. Die Ubereinstimmung mit den Messwerten ist in beiden Fallen sehr gut.
0
0.5
— numerisches Ergebnis
x/L
I
• Experiment
Abb. 4.34: Rechennetz und berechnete Druckverteilung auf der Ober- und Unterseite eines Tragfliigelprofils, (NASA Langley Research Center 1990)
4.2 Diskretisierung
4.2.3
341
Finite-DifFerenzen-Methode
Die Finite-Differenzen-Methode geht ebenso wie die Finite-Elemente-Methode im ersten Schritt von einer Diskretisierung des Integrationsbereiches aus. Im zweiten Schritt werden die partiellen Differentialgleichungen jedoch ohne jeglichen Losungsansatz in den diskreten Gitterpunkten in Differenzengleichungen iiberfiihrt. Dies setzt ein orthogonales Rechennetz voraus. Wir beginnen mit der zeitlichen Diskretisierung eines instationaren Stromungsproblems fiir eine gesuchte Grofie u{t, x, y, z). Abbildung 4.35 zeigt die kontinuierliche Zeitachse t beginnend bei t = 0, die in eine bestimmte Anzahl von diskreten Gitterpunkten unterteilt wird, an denen die Funktionswerte u{t^x^y^z) naherungsweise berechnet werden sollen. Die kontinuierliche Zeit t wird also in aquidistante Zeitintervalle At unterteilt, an deren Intervallgrenzen die gesuchten Funktionswerte zu bestimmen sind. Ein beliebiger diskreter Zeitpunkt t" auf der Zeitachse ist dann bestimmt durch f = n-/\t
,
mit
n = 0,1,2,3, •••
.
(4.126)
Dabei ist n der Zahlindex fiir die Zeit. At bezeichnet das vorgegebene Zeitintervall und wird Zeitschrittweite genannt. t" steht damit fiir den n-ten diskreten Zeitpunkt, an dem der Funktionswert u{f^) berechnet wird. Fiir diesen Funktionswert u{f^) wird die abkiirzende Schreibweise u{f^) = u^ eingefiihrt. Die kontinuierliche Anfangsbedingung u{t = 0) = konst. eines Anfangswertproblems schreibt sich in der diskretisierten Notation in der Form u{t^ = 0) = ix^ = konst.. Die Bezeichnung u^ stellt den augenblicklichen Funktionswert zum Zeitpunkt t" dar, ix"~^,ix"~^, etc. bekannte Funktionswerte zu friiheren, vergangenen Zeitpunkten und u^^^ den Funktionswert, der fiir einen zukiinftigen Zeitpunkt t"+^ zu bestimmen ist. Nach der Diskretisierung des Integrationsbereiches erfolgt mit der Approximation der Differentialquotienten durch Differenzenquotienten der zweite Schritt bei der Anwendung einer Finite-Differenzen-Methode. Wir beginnen die Approximation der Differentialquotienten durch Differenzenquotienten mit einer Taylor-Entwicklung in der Zeit t fiir einen Funktionswert ix(to + At). Es gilt du At^ d'^u u{to + At) = u{to) + A t . — 1,=,, + — . — 1,^,^ + . . . u{to + At) = u{to) + A t . 1 ^ 1,=,, + 0(At2)
.
(4.127)
Der Ausdruck O(At^) macht eine Aussage iiber die Ordnung des Fehlers, wenn man die Taylor-Entwicklung fiir u{to + At) nach dem dritten Summanden abbricht. In diesem Fall
At
0
n-1
n
n+1
Abb. 4.35: Prinzipskizze der zeitlichen Diskretisierung
342
4 Numerische Losungsmethoden
machen wir einen Fehler 2. Ordnung, da die Grofie des Fehlers fiir At ^ 0 von der Grofie von (At)^ bestimmt wird. Losen wir Gleichung (4.127) nach dem Differentialquotienten auf, den wir approximieren wollen, so ergibt sich du, u{to + At) - u{to) 0{At) (4.128) \t=to dt''-'' At Schreiben wir Gleichung (4.128) fiir einen beliebigen Zeitpunkt t" auf und benutzen die folgende abkiirzende Schreibweise, so erhalten wir duif") dt
Vorwartsdifferenz:
dt
ix(t"+i)-ix(t") At
At
0{At)
0{At)
(4.129)
Gleichung (4.129) nennt man einen Vorwarts-Differenzenquotienten, da die Ableitung an der Stelle t = t^ mit einem Wert ix"+^ an einem zukiinftigen Zeitpunkt t"+^ approximiert wird. Umgekehrt fiihrt der Vorwarts-Differenzenquotient bei bekannter Ableitung an der Stelle t = t" auf eine explizite Finite-Differenzen-Methode, da es gelingt, Gleichung (4.129) explizit nach dem unbekannten Wert ix"+^ aufzulosen ix"+^=ix" + A t . ^
.
(4.130)
Von einer irapliziten Differenzen-Methode spricht man, wenn die rechte Seite der Differenzen-Approximation die unbekannten Werte ix"+^ enthalt: ,n+l
(4.131) dt Entsprechend der Abbildung 4.36 bedeutet dies grafisch, dass die exakte Funktion u{t) an der Stelle {t^,u^) durch die Tangente des Kurvenverlaufs u{t) im Punkt (t"+^, ix"+^) angenahert wird und (4.131) nicht nach ix"+^ aufgelost werden kann. Beim expliziten Verfahren ui
Euler-Vorwarts
•At-
.
r^^«ro
1+1
f^-y^
exakter Wert
n
^ f n+1
fn
explizit
f n
fn+1
implizit
Abb. 4.36: Grafische Interpretation der exphziten und impliziten Euler-Methode
343
4.2 Diskretisierung
wird die Tangente an den Punkt {t^,u^) angelegt. Die beschriebene Zeitdiskretisierung wird Euler-Methode genannt. Ableitungen nach der Zeit werden in der Stromungsmechanik in der Regel mit Hilfe von Differenzenverfahren approximiert auch dann, wenn die raumlichen Ableitungen mitt els anderer Verfahren diskretisiert werden, wie beispielsweise bei den Finite-Elemente oder den noch zu besprechenden Finite-Volumen-Methoden. Dies liegt darin begriindet, dass Differenzen-Methoden sehr effizient auf Transportvorgange, die nur in eine Richtung wirken, angewandt werden konnen. Bei Zeitableitungen ist das der Fall, da Informationen nur in einer Richtung entlang der positiven Zeitkoordinate t von der Vergangenheit in die Zukunft transportiert werden. Im Raum, in dem Transportmechanismen in alien Richtungen moglich sind, eignen sich neben der Vorwartsdifferenz auch andere Differenzenquotienten, die wir daher am Beispiel der Ortsableitungen erklaren wollen. Wir kommen jetzt zur Raumdiskretisierung, die genau wie die zeitliche ebenfalls auf einer Unterteilung der kontinuierlichen Koordinaten in aquidistante Gitterpunkte beruht. Die Abstande der Gitterpunkte, an denen die Funktionswerte gesucht sind, werden in raumlichen kartesischen Koordinaten x, y und z mit Ax, Ay und Az, bezeichnet. Die Zahlindizes entlang der Koordinatenrichtungen x^y und z lauten i,j und k. Die diskreten unabhangigen Ortsvariablen lauten somit Xi = i • Ax mit i = 0,1,2,3-•• , y^=yAy mit j = 0,1,2,3-•• , z\^ = k'Az mit k = 0,1,2,3-•• Die Abbildung 4.37 zeigt auf der linken Seite einen Ausschnitt aus einem zweidimensionalen Netz zur Diskretisierung der x, z-Ebene. Auf der rechten Seite ist die Diskretisierung im Raum dargestellt. Auch hier gilt die abkiirzende Schreibweise, die bereits bei der Zeitdiskretisierung verwendet wurde. Eine instationare dreidimensionale Grofie u{t^x^y^z), die in Raum und Zeit diskretisiert wurde, lautet in diskreter Notation ix(n-At,i-Ax,j ' Ay,k' i\
i-l,k •Az
i,k+l
c
z
\J
/
Az) = u(f,Xi,y^,z\^)
(4.132)
= ^J^j,k
i,j,k+l ij+l,k 1,
i,k
s
V,J
i-l,j,k
i+l,k
k-Az
KJ
y.k
i .i,k-l 1
i-Ax in der Ebene
i+l,i,k
O
^
i-Ax im Raum
Abb. 4.37: Prinzipskizze der ebenen und raumhchen Diskretisierung
344
4 Numerische Losungsmethoden
Zur Herleitung der weiteren Differenzenquotienten bedienen wir uns wieder einer TaylorEntwicklung. Einen Riickwarts-Differenzenquotient zur Approximation einer raumlichen Ableitung in x-Richtung erhalten wir durch eine Taylor-Entwicklung von u{xo — Ax^ yo^ ZQ) u{xo - Ax,yo,zo)
= u{xo,yo,zo) -Ax-
—\x=xo + O(Ax^)
.
(4.133)
Nach Umformung und Uberfiihrung in die diskretisierte Schreibweise folgt fiir den Riickwarts-Differenzenquotient zur Approximation der ersten Ableitung in x-Richtung (vgl. Abbildung 4.37) Riickwartsdifferenz:
y^ dx
= -^—-—^— Ax
0(Ax) ^ ^
(4.134)
Auch beim Riickwarts-Differenzenquotient ist der Fehler von 1. Ordnung. RiickwartsDifferenzen werden benotigt zur Erfiillung der Randbedingungen am Ende des Integrationsbereiches. Ist beispielsweise der i-te Funktionswert ixij,k eine vorgeschriebene Randbedingung, so lasst sich der Wert ixi-ij,k berechnen, indem entgegen der positiven x-Achse vom rechten Rand aus riickwarts in das Integrationsgebiet gerechnet wird. Neben dem Vorwarts- und Riickwarts-Differenzenquotient existiert noch der zentrale Differenzenquotient zur Approximation der ersten Ableitung. Dabei wird die Ableitung von ixij^k in Abhangigkeit der Funktionswerte unmittelbar diesseits und jenseits des betrachteten Punktes gebildet. Man bildet den zentralen Differenzenquotienten, indem man die Taylor-Entwicklung fiir u{xo — Ax^ yo^ ZQ) von derjenigen fiir u{xo-\-Ax^ yo^ ZQ) subtrahiert. Die Glieder mit Ableitungen geradzahliger Ordnung heben sich dann gegenseitig auf und wir erhalten
u{xo^ Ax,yo,zo)
- u{xo - Ax,yo,zo)
du (Ax} = 2 - Ax - —\x=xo H ^
d u •^\x=xo
H (4.135)
Gleichung (4.135) nach der ersten Ableitung aufgelost und auf die diskretisierte Schreibweise gebracht ergibt (vgl. Abbildung 4.33) Zentrale Differenz:
^^i,j,k __ '^i+l,j,k — '^i-l,j,k
dx
2 • Ax
- 0(Ax)2
(4.136)
Beim zentralen Differenzenquotienten ist der Fehler also von 2. Ordnung klein. Der Differentialquotient der ersten Ableitung wird mit einem zentralen Differenzenquotienten folglich genauer approximiert als mit denjenigen aus Gleichung (4.129) und (4.134). Den Differenzenquotienten fiir die zweite Ableitung erhalten wir, indem wir die TaylorEntwicklungen fiir u{xo -\- Ax, yo^zo) und u{xo — Ax, yo^zo) addieren. Jetzt heben sich alle Ableitungen ungeradzahliger Ordnung gegenseitig auf und nach Umformung bleibt iibrig: d^u
_ u{xo + Ax, I/O, zo)-2'
UJXQ, yp, zp)
+ ujxp - Ax, yp, zp)
^^ ^
^
//,IQ7N
4.2 Diskretisierung
345
In diskretisierter Schreibweise folgt fiir den Differenzenquotienten zur Approximation der zweiten Ableitung
Differenz 2. Ableitung:
^
^
= ^'+^-^-^ ~ ^/ "'•^•^ + ^'-^•^•^ - 0(Ax)^
(4.138)
Der Fehler ist bei Approximation der zweiten Ableitung ebenfalls von 2. Ordnung klein. Wir haben somit alle Differenzenquotienten hergeleitet, die zur Diskretisierung der stromungsmechanischen Grundgleichungen benotigt werden. Ableitungen nach den Variablen y bzw. z ergeben sich ganz analog zu den fiir die x-Richtung angegebenen durch Vertauschen des jeweiligen Laufmdexes. Wie bereits zu Beginn des Kapitels erlautert wurde, existieren unterschiedliche FiniteDifferenzen-Methoden, deren Bezeichnung sich daran orientiert, welche Methode benutzt wird, um einen unbekannten Wert ix"+^ zu einem zukiinftigen Zeitpunkt t"+^ zu berechnen, wenn u^ zum gegenwartigen Zeitpunkt t^ bekannt ist. Das explizite Finite-DifferenzenVerfahren aus Gleichung (4.130) tragt auch den Namen explizites Euler-Verfahren oder Euler-Vorwartsverfahren. Im Vergleich dazu erhalt man ein Euler-Riickwartsverfahren, wenn man die zeitliche Ableitung zum Zeitpunkt t = t"+^ mit einem Wert u^ des aktuellen Zeitpunktes t^ approximiert. Dies ergibt folglich einen zeitlichen RiickwartsDifferenzenquotienten
aix(t"+i)^ = ^ix(t"+i)-ix(t") { ^—^
—^dt
At
,
,
oderauch
aix"+i
--— dt
=
1x^+1-IX" At
.
...o^x
(4.139 ^ ^
Gleichung (4.139) fiihrt auf ein implizites Finite-Differenzen-Verfahren oder auch implizites Euler-Verfahren. Bei bekanntem Wert u^ zum aktuellen Zeitpunkt t^ gelingt es nicht, Gleichung (4.139) explizit nach den Wert en ix"+^ zum zukiinftigen Zeitpunkt t"+^ aufzulosen. Ein implizites Finite-Differenzen-Verfahren resultiert bei einem AnfangsRandwert-Problem in einem algebraischen Gleichungssystem. Gleichung (4.139) ist dann fiir jeden diskreten Punkt i der Ortsdiskretisierung aufzustellen, so dass man i Gleichungen fiir die i Unbekannten ix"+^ an den i Ortspunkten erhalt. Dieses Verfahren erfordert folglich einen hoheren Programmieraufwand als ein explizites Verfahren. Die Genauigkeit entspricht derjenigen eines expliziten Verfahrens, jedoch sind die Stabilitatseigenschaften, auf die wir am Ende des Kapitels zu sprechen kommen erhebUch giinstiger, d. h. ein numerischer Fehler verstarkt sich nicht, sondern wird abgeschwacht. Ein implizites Verfahren, bei dem die Genauigkeit und vor allem die Stabilitat erhoht wird, ist das Crank-Nicholson-Verfahren. Dieses Verfahren setzt sich aus den Gleichungen (4.129) und (4.139) zusammen, indem zur Bestimmung des unbekannten Wertes ix"+^ der arithmetische Mittelwert der jeweiligen linken Seiten der beiden Gleichungen eingesetzt wird. Es ergibt sich
2 \
dt
dt J
At
(4.140)
Ein erstes Anwendungsbeispiel zur Finite-Differenzen-Methode findet sich beziiglich der numerischen Berechnung einer Kanalstromung in unserem Ubungsbuch Stromungsmechanik.
346
4 Numerische Losungsmethoden
Wir wollen abschliefiend noch einige Bemerkungen zum Begriff der numerischen Stabilitat machen. Ein numerisches Losungsverfahren fiir partielle Differentialgleichungen wird prinzipiell von zwei verschiedenen Fehlerquellen beeinflusst: • Rundungsfehler CR: Der Rundungsfehler entsteht im Rechner selbst, da Gleitkommazahlen nur mit endlicher Genauigkeit abgespeichert werden. Beispielsweise der Bruch 1/3 wird bei einer Zahlendarstellung im Rechner nach einer endlichen Anzahl von 3 Ziffern nach dem Komma abgebrochen. Die Differenz dieser Zahl zum exakten Wert 1/3 ergibt den Rundungsfehler eR. • Diskretisierungsfehler e^: Die Differenz zwischen der exakten analytischen Losung einer Differentialgleichung und der rundungsfehlerfreien numerischen Losung der zugehorigen Differenzengleichung wird als Diskretisierungsfehler bezeichnet. Er entsteht folglich nicht im Rechner, sondern dadurch, dass bei einer Taylor-Entwicklung nach einer endlichen Anzahl von Summengliedern abgebrochen wird. Ein numerisches Verfahren wird als stabil bezeichnet, wenn ein vorhandener Fehler e bei der Berechnung der gesuchten Werte zum Zeitpunkt t"+^ aus zum Zeitpunkt t^ bekannten Wert en nicht anwachst. Fiir Stabilitat muss folglich gelten ^n+l
(4.141)
< 1
Vor allem wenn bei der Auswahl der Zeitschrittweite At in Kombination mit der Raumschrittweite z.B Ax bestimmte Bedingungen verletzt werden, stellen sich numerische Instabilitaten ein. Zur Verdeuthchung dieser Aussage betrachten wir Abbildung 4.38. Gezeigt ist ein Weg-Zeit-Diagramm, wobei x fiir eine Raumrichtung steht und t die Zeit bezeichnet. Bei einem expliziten Verfahren lasst sich an jedem raumlichen Punkt X[ ein gesuchter Funktionswert u^~^^ zum folgenden Zeitpunkt t"+^ ausrechnen. Dazu werden im gezeigten Fall bekannte Funktionswerte zum Zeitpunkt t" in den Punkten Xi_i, X[ und xi+i verwendet. Die beiden Geraden, die in Abbildung 4.38 zum Punkt (xi, t"+^) fiihren, schliefien
t
ii
n+1
instabil / ^
slabil
^ ^ instabil
O
t^
1
\
— \
Abb. 4.38: Zum Begriff der numerischen Stabilitat
^
347
4.2 Diskretisierung
" 4
"k
stabil
instabil
Abb. 4.39: Stabile und instabile Losung der Karmanschen Wirbelstrafie, RCD = 100 einen Sektor ein und haben die konstanten Steigungen 1/c bzw. — 1/c. Es gelten also die Beziehungen: (4.142) - ' Ax fiir X < X[ At: - • Ax fiir X > X[ c c Dieser Sektor bildet den Einflussbereich des physikalischen Informationstransportes. Als notwendige Bedingung fiir die Stabilitat eines numerischen Verfahrens muss gewahrleistet sein, dass der Einflussbereich des numerischen Informationstransportes den physikalischen Einflussbereich als Teilmenge enthalt. Dies ist dann erfiillt, wenn die Geraden, die den Sektor des numerischen Einflussbereiches bilden und zum Punkt (xi,t"+^) fiihren, eine geringere Steigung haben als 1/c bzw. —1/c. Fiir die Wahl des Zeitschrittes muss also gelten At
1 A . At (4.143) CFL< 1 At < - ' Ax bzw. c • —— Ax und Lewy als CFL-Zahl beDer Ausdruck c • {At/Ax) cwird nach Courant, Friedrichs zeichnet und bildet ein wichtiges Stabilitatskriterium.
Anhand der in Kapitel 2.3 vorgestellten Karmanschen Wirbelstrafie wird gezeigt, dass eine Verletzung der CFL-Bedingung (4.143) zu unphysikahschen Ergebnissen fiihrt. In Abbildung 4.39 ist der zeitliche Verlauf der ix-Komponente der Geschwindigkeit im Nachlaufgebiet eines mit der Reynolds-Zahl RCD = 100 angestromten Zylinders dargestellt. Erfiillt der gewahlte Zeitschritt die CFL-Bedingung stellt sich die oszillatorische Schwankung der Karmanschen Wirbelstrafie ein und die Amplitude der Geschwindigkeitsschwankung erreicht nach einer Einlaufzeit einen konstanten Wert. Wird ein zu grower Zeitschritt gewahlt, ist die CFL-Bedingung verletzt und das Verfahren wird instabil. Weitere Einzelheiten zur Finite-Differenzen-Methode und zum Stabilitatsverhalten numerischer Verfahren finden sich in den Biichern von R. Peyret, T. D. Taylor 1990 und D. P. Telionis 1981. 4.2.4
Finite-Volumen-Methode
Ahnlich wie bei der Finite-Differenzen-Methode wird auch bei der Finite-VolumenMethode das Integrationsgebiet mit Hilfe eines numerischen Netzes diskretisiert. Abbildung 4.40 zeigt die raumliche Diskretisierung des Integrationsgebietes um ein Tragfliigelprofil in Finite-Volumen. Im Unterschied zu der Finite-Differenzen-Methode werden hier
348
4 Numerische Losungsmethoden
jedoch nicht die Differentialquotienten in den Grundgleichungen durch Differenzenquotienten approximiert. Bei der Finite-Volumen-Methode werden die Erhaltungsgleichungen iiber das jeweilige Volumenelement in integraler Form erfiillt. Die Grundgleichungen werden also in integraler Form diskretisiert. Bei der Finite-Volumen-Methode wird der Ausdruck Zelle benutzt, im Unterschied zu dem Ausdruck Element bei der Finite-ElementeMethode. Diese Zellen besitzen im Zweidimensionalen die Form allgemeiner Vierecke mit vier Seitenflachen bzw. im Dreidimensionalen die Form allgemeiner Korper mit sechs Seitenflachen, sogenannte Hexaeder. Wir behandeln hier das Zellmittelpunkt-Schema, bei welchem die Diskretisierung in den Zellmittelpunkten vorgenommen wird und die Kontrollvolumina um die Zellmittelpunkte gelegt werden. In Abbildung 4.40 sind die jeweihgen Kontrollvolumenzellen gezeigt. Jeder Zellmittelpunkt besitzt die diskretisierten Koordinaten i, j und k, wobei i den Zellenindex in x-Richtung, j denjenigen in i/-Richtung und k den Zellenindex in z-Richtung bezeichnet. Durch die Integration der Grundgleichungen iiber die einzelnen Kontrollvolumina (Abbildung 4.36) entstehen Bilanzgleichungen, die eine konservative Diskretisierung gewahrleisten. Die konservative Form der Grundgleichungen erhalt man bekanntlich immer dann, wenn von einem raumfesten Kontrollvolumen ausgegangen wird, das sich nicht mit der Stromung mitbewegt. Wir kniipfen an die Grundgleichungen in Erhaltungsform aus Gleichung (3.173) an, mit dem Losungsvektor t/*, den zeitlich gemittelten konvektiven Fliissen F*, den dissipativen Fliissen G und dem Vektor des algebraischen Turbulenzmodells R^^ der mit G I ZU G*r ^ vereint wird: dU
E
dF
1
'
d&^'^
^-^^ dx*
(4.144)
Dies ist die differentielle Formulierung der kompressiblen turbulenten und dreidimenAusstromrand Femfeldrand
FlUgel
Nachlauf Abb. 4.40: RaumUche Diskretisierung der Tragfliigelumstromung in Finite-Volumen
4.2 Diskretisierung
349
sionalen Grundgleichungen in Erhaltungsform. Da die Finite-Volumen-Methode von einer Diskretisierung des raumlichen Integrationsgebietes V ausgehen, miissen wir Gleichung (4.144) zunachst in die entsprechende Integralform der Grundgleichungen bringen. Wir integrieren daher iiber das gesamte Volumen V des Stromungsfeldes und erhalten • dy= 0
.
(4.145)
Zur weiteren Umformung von Gleichung (4.145) benotigen wir den Gaufischen Integralsatz, der fiir eine beUebige Vektorfunktion f lautet fdiYf'dV= V
j V 'i'dV = jhfi'dO V
.
(4.146)
O
Dieser Satz besagt, dass das Volumenintegral der Divergenz einer Vektorfunktion f gleich ist dem Oberflachenintegral des Skalarproduktes aus der Vektorfunktion f und dem aufieren Oberflachennormalenvektor n der Oberflache O, also die durch die Oberflache des Volumens hindurchfliefienden Fliisse. O ist die Oberflache des Berechnungsvolumens und n = (ni,n2,n3) der nach aufien weisende Normalenvektor fi'dO
.
(4.147)
Da die Grundgleichungen in Erhaltungsform fiir ein raumfestes Kontrollvolumen aufgestellt wurden, ist das Integrationsgebiet V nicht von der Zeit abhangig. Dies bedeutet, dass die Zeitableitung in Gleichung (4.147) vor das Integral gezogen werden kann. Es folgt •n-dO
.
(4.148)
Der erste Schritt der Diskretisierung des kontinuierlichen Integrationsgebietes V besteht in der Unterteilung von V in einzelne diskrete Volumenzellen l^jk mit jeweils sechs Oberflachen Oi • ni, wobei 1 = 1, • • • ,6 den ZahUndex fiir die Oberflachen darstellt. 0\ bezeichnet den Betrag des Flacheninhaltes der 1-ten Oberflache und n\ = {n\x, n\y, n\z) die zugehorigen aufieren Normalen-Einheitsvektoren. Abbildung 4.41 zeigt ein diskretes Volumenelement ^ijk mit den sechs Normalen-Einheitsvektoren. Gesucht sind die Werte der Stromungsgrofien C/ijk in den Mittelpunkten der jeweihgen Volumenzellen Vi^\^. Der nachste Schritt besteht folglich in der Approximation der Grundgleichungen (4.148) fiir jede einzelne Volumenzelle l^jk- Wir erhalten d (4.149) m = l 1=1
^ m = l 1=1
-^
350
4 Numerische Losungsmethoden
Die Fliisse Fn und G^^^ werden nun im Mittelpunkt jeder Seitenflache approximiert. Zu ihrer Berechnung werden die konservativen Variablen zwischen den beiden an eine Flache angrenzenden Zellen gemittelt, z. B. fiir eine beliebige Variable ^
(^l=3)i,j,k
(^i,j,k + ^ i - l , j , k )
(^l=2)i,j,k
( ^ i + l , j , k + ^i,j,k)
,
(^i,j,k + ^ i , j - l , k )
(^l=4)i,j,k
( ^ i j + l,k + ^i,j,k)
, (4.150)
(^l=5)i,j,k= 9 •(^iJ,k + ^i,j,k-l)
(^l=6)i,j,k = ^ • ( ^ i J , k + l + ^i,j,k)
.
Bei Variablen, welche als Ableitungen vorkommen, z. B. bei der Berechnung der Schubspannungen und des Warmestroms in G^f, muss eine lokale Transformation fiir jede Seitenflache 1 vorgenommen werden. Die Richtungen der Gitterlinien mit konstanten Indizes i,j,k werden mit ^, r] und ( bezeichnet. Das totale Differential einer behebigen Variablen ^ ergibt dann
/dx dy dz\ d^ d^ d^
at
dx
dx dy dz df] df]
df]
dy
df]
[ dx dy_ d^ j \ dC dC dC I
(4.151)
\ ^^ I
wobei die darin vorkommende Matrix mit T\ bezeichnet wird {Transfornnationsnnatrix). Die Invertierung dieser Gleichung liefert ox dy
at dri
(4.152)
i,j-l,k i,j,k-l
Abb. 4.41: Volumenzelle und Normaleneinheitsvektoren
351
4.2 Diskretisierung
Die darin vorkommenden Differentialquotienten werden durch Differenzen der Losungsvariablen oder der Zellenmittelpunkte entlang der lokalen Richtungen
1=1
ijk
df] 1=1
ijk
1=1
ijk
^i-l,j,k
- • (^i,j + l,k + ^ i - l j + l,k) - - • ( ^ i , j - l , k + ^ i - l , j - l , k )
(4.153)
- • (^i,j,k+l + ^ i - l j , k + l ) - - • ( ^ i , j , k - l + ^ i - l , j , k - l )
Darin kann ^ entweder eine Losungsvariable oder eine Koordinate (x, y, z) sein. Als Endergebnis der Ortsdiskretisierung liegt ein System von gekoppelten gewohnlichen Differ entialgleichungen fiir jede Zelle i, j , k vor -T7^i,j,k + Q(f^i,j,k, f ^ i ± l , j ± l , k ± l ) = 0
,
(4.154)
mit dem raumlichen Diskretisierungsoperator Q{U), der die Koppelung enthalt. Die Gleichung (4.154) ist nichts anderes als Gleichung (4.149) dividiert durch das Volumen der Zelle l^jk. Dieses System muss nach der Zeit integriert werden. Dazu wahlt man das klassische explizite Runge-Kutta Verfahren. Dieses lautet mit C/^^^ = U^ fiir jede Zelle i,j,k (Zellenindizes weggelassen) U (1)
u
(0)
^ . g ( t / ( « ) ) + ^.i^(t/(«)) (4.155)
U (4)
u
(0)
+At.i)(C/^^0 • Die Losung zum neuen Zeitschritt ist dann U^^^ = U''^\ Dabei wird ein zusatzlicher Term D{U^ ^) hinzugefiigt, die zusatzliche numerische Dissipation. Die Einfiihrung einer zusatzlichen numerischen Dissipation hat folgende Griinde: • Die Runge-Kutta Finite-Volumen Methode besitzt nicht geniigend verfahrenseigene numerische Dissipation. Sie ware ohne den Zusatzterm D{U^^^) numerisch instabil. Diese Instabilitat aufiert sich durch Oszillationen der Stromungsgrofien mit der Gitterweite {hochfrequente Oszillationen). Der Erfahrung nach erreichen diese Oszillationen nur eine Amplitude von einigen Prozent und wachsen dann nicht weiter. Die Instabilitat ist also nur sehr schwach, dennoch muss sie mit Hilfe der Terms D gedampft werden.
352
4 Numerische Losungsmethoden
• In der Nahe von Verdichtungsstofien (Abbildung 4.42) treten sehr starke Oszillationen auf, die bei geniigender Stofistarke zum Abbruch der Rechnung fiihren (overflow). Durch einen zusatzlichen Gldttungsoperator in D wird der Stofi iiber eine bestimmte Anzahl von Zeflen verschmiert, d. h. die Diskontinuitat des Stores wird durch einen glatten tJbergang mit star ken Gradienten ersetzt. Diese Glattung wird nur dann eingeschaltet wenn sie notwendig ist, um nicht die Losung im gesamten Stromungsfeld zu verfalschen. Dies bezeichnet man als numerische Dissipation 2. Ordnung. Der Operator D\ (fiir die Seitenflache 1) besteht aus fiinf gleichlautenden Komponenten di = dii entsprechend den fiinf konservativen Variablen f/i, i = 1 . . . 5. Er lautet angewendet auf eine beliebige Variable ^ z. B. fiir die Seitenflache 1 = 1 di
1 .(2) .[6[^^(^i,j,k-^i-lJ,k) At - ef^ (-^i+i,j,k + 3 • ^ij,k - 3 • ^i-i,j,k - ^i-2,j,k
(4.156)
und fiir die Seitenflache 1 = 2: di = ^
• [ ^r (*i+i.j.k - $i,j,k) e\ ^ (^i+2,j,k - 3 • ^i+i,j,k + 3 • ^ij,k + ^i-i,j,k)]
(4.157)
Dieser Operator wirkt wie eine Glattung. Man bezeichnet ihn als numerische Dissipation 4- Ordnung. Er wird fiir die Seiten 1 = 1,2 in i-Richtung, fiir 1 = 3,4 in j-Richtung und fiir 1 = 5, 6 in k-Richtung angewendet. Darin ist .(2)
:0.25-max(z/i_ij,k,i^i,j,k)
(4.158)
der Vorfaktor der numerischen Dissipation zweiter Ordnung, welcher sich aus dem geeignet normierten Betrag der zweiten Ableitung des Druckes in den an die Seitenflache 1
exakter Druckverlauf
^^
fi
^AV mit zusatzlicher numerischer Dissipation 2. und 4. Ordnung
Abb. 4.42: Oszillation in der Nahe eines Verdichtungsstofies bei der Finite-Volumen Runge-Kutta Methode
353
4.2 Diskretisierung angrenzenden Zellen i — 1, j , k und i, j , k bestimmt |Pi+l,j,k -2>Pij^k+Pi-l,j,k| |Pi+i,j,k| + 2 - |pij,k| + |Pi-i,j,k|
^ij,k
(4.159)
Der Verdichtungsstofi wird also durch die zweite Ableitung des Druckes detektiert. Dies ist sinnvoll, da der Druck diejenige Grofie ist, die sich iiber einen Stofi hinweg am starksten andert. Weiterhin ist in Gleichung (4.157) .(4)
0.25 • max(0, ^ ' 256
.(2)
(4.160)
Diese Grofie ist also immer positiv und gleich dem Wert 1/256, wenn e^(2) = 0 ist, also fernab von St often. Wenn e[ ^ jedoch eine nennenswerte Grofte annimmt, also in der Nahe eines Stores, wird die numerische Dissipation vierter Ordnung ausgeschaltet. Dies ist notwendig, da ihr Operator in der Nahe eines starken Gradienten (Stofi) wieder neue Oszillationen hervorrufen wiirde. Die Auswirkung der zusatzlichen numerischen Dissipation in der Nahe eines Stores ist in Abbildung 4.42 schematisch gezeigt. Die Isolinien der Dissipation 2. und 4. Ordnung fiir die transsonische Tragfliigelumstromung sind in Abbildung 4.43 dargestellt. Die Technik der numerischen Dissipation 2. und 4. Ordnung kann nicht streng mathematisch begriindet werden, sondern hat sich durch numerisches Experimentieren als geeignet herausgestellt, siehe dazu A. Jameson, W. Schmidt und E. Turkel 1981. Sie hat sich seither in der Praxis bestens bewahrt. Bei der Berechnung inkompressibler Stromungen tritt die prinzipielle Schwierigkeit auf, dass das Druckfeld nicht bekannt ist. Es treten lediglich die Druckgradienten in den Quelltermen der Navier-Stokes-Gleichungen auf. Zur Berechnung von konsistenten Druck- und Geschwindigkeitsfeldern sind derzeit zwei prinzipiell unterschiedliche Vorgehensweisen iibHch.
Abb. 4.43: Numerische Dissipation 2. und 4. Ordnung im Stromungsfeld eines transsonischen Profils, M^ = 0.8, Rer = lO'^
354
4 Numerische Losungsmethoden
In der ersten Methode wird die Kontinuitatsgleichung zur Bestimmung einer kiinstlich eingefiihrten Dichte benutzt. Anhand einer Zustandsgleichung (z. B. der Zustandsgleichung fiir ideale Gase) kann dann wiederum der Druck bestimmt werden. Diese Vorgehensweise erlaubt es, dass alle bisher abgeleiteten Algorithmen fiir kompressible Stromungen auf inkompressible Stromungen iibertragen werden konnen. Die mathematischen Details sind in Kapitel 5 der Stromungsmechanik, H. Oertel jr., M. Bohle 1999 aufgefiihrt. Bei dieser Methode der kilnstlichen Kompressihilitdt wird zwischen Druck und Dichte eine willkiirlich schwache Kopplung angesetzt. Eine andere Methode zur Ermittlung des Geschwindigkeits- und Druckfeldes inkompressibler Stromungen ist eine auf den Druck bezogene Methode. Hierbei wird zum Abgleich von Impulsbilanz und Kontinuitat der Druck aus einer separaten Gleichung bestimmt, die aus der Navier-Stokes- und der Kontinuitatsgleichung resultiert. Bei diesen auf den Druck bezogenen Methoden sind unterschiedliche Losungsalgorithmen entwickelt. Im Folgenden wird das sogenannte Druckkorrekturverfahren und daraus resultierend der SIMPLEAlgorithmus beschrieben. Es wird zunachst ein vorlaufiges Druckfeld p* geschatzt. Mit Hilfe dieses geschatzten Druckfeldes konnen die Navier-Stokes-Gleichungen diskretisiert und gelost werden. Zur Diskretisierung der Navier-Stokes-Gleichungen (3.20) wird die in diesem Kapitel beschriebene Finite-Volumen Methode benutzt. Es resultiert ein algebraisches Gleichungssystem fiir die unbekannten Geschwindigkeitskomponenten ixf, v^ und w^ in den Knotenpunkten des Finite-Volumen-Netzes ^ •ut = Y^ aj^b • ^nb + b^ + (p*+i - p*_i) • Ai
,
nb 3
a.i - < = E a n b - ^ ' n b + b" + ( P H l - P ^ l ) - A j
,
(4.161)
nb nb 33
i* = I ] < b - ^ n b + b - + (p;j+i-p;j_i).Ak ar • t^r
.
nb
In diesen Gleichungen sind die aus der Diskretisierung der konvektiven und dissipativen Terme resultierenden Koeffizienten af, a-^ und a-^ bzw. aj^^^, a'^^ und a^^^ nach dem gerade betrachteten Knoten i des Finite-Volumen-Netzes bzw. den umliegenden Knoten sortiert und zusammengefasst. In den Koeffizienten b^, b^ und b^ sind alle Quellterme enthalten. Der Druckgradient wird durch die Druckdiff'erenzen in x-, y- bzw. z-Richtung multipliziert mit den entsprechenden Seitenflachen Aj, Aj, Ak abgebildet. Die Summation J2nb erfolgt iiber die umUegenden Knoten des betrachteten Knotens i. Das resultierende Geschwindigkeitsfeld v wird im Allgemeinen die Kontinuitatsgleichung nicht erfiillen. Ziel der weiteren Vorgehensweise ist daher die Verbesserung der Druckschatzung p*, so dass das Geschwindigkeitsfeld v die Kontinuitatsgleichung erfiillt. Dazu werden zunachst die Druck- und Geschwindigkeitskorrekturen p^ und u\ v' und w' (nicht zu verwechseln mit Stor- bzw. Schwankungsgrofien) eingefiihrt. Wird das korrekte Druckfeld p p = p*^p'
(4.162)
angenommen, dann ist zu untersuchen wie sich die Geschwindigkeitskomponenten ix, v
4.2 Diskretisierung
355
und w u = u*^u'
,
v = v*^v'
,
w = w*^w'
(4.163)
mit der Druckkorrektur p' verandern. Wird von der diskretisierten Navier-StokesGleichung fiir die exakte Geschwindigkeit u die diskretisierte Navier-Stokes-Gleichung fiir das vorlaufige Geschwindigkeitsfeld (Gleichung (4.161)) subtrahiert, ergeben sich Terme der Form u = u* — d'^{p{^i — p[_i), die als Geschwindigkeitskorrekturgleichungen bezeichnet werden. Abschliefiend bleibt aus der Kontinuitatsgleichung eine Gleichung fiir die Druckkorrekturen p' herzuleiten. Die auftretenden Geschwindigkeiten werden ebenfalls durch die Geschwindigkeitskorrekturgleichungen ersetzt und die entstehenden Terme schhefihch nach den unbekannten Druckkorrekturen p' aufgelost. Damit sind alle Gleichungen aufgesteht, die zur Berechnung einer inkompressiblen Stromung benotigt werden. Der Algorithmus zur Losung dieser Gleichungen wurde bereits 1972 entwickelt und ist in der Literatur als SIMPLE-Algorithmus (Semi-Implicit-Method for Pressure-Linked Equations, S. V. Patankar 1980) bekannt. Die einzelnen Schritte des SIMPLE-Algorithmus sind: • Schatzen des vorlaufigen Druckfeldes p*. • Losen der diskretisierten Impulsgleichungen fiir ix*, v* und w*. • Losen der Druckkorrekturgleichung fiir p\ • Korrigieren von Druck- und Geschwindigkeitsfeldern p = p* + p', u = ix* + ix', V = v"^ -\-v^ und w = w"^ -\- w\ • Losen der Gleichungen fiir andere Variablen wie Temperatur, Turbulenzgrofien, etc. sofern diese das Stromungsfeld beeinflussen. • Iterieren dieser Schritte bis eine konvergente Losung erreicht ist. Dieser Algorithmus ist in verschiedenen Formen in nahezu alien kommerziellen SoftwarePaketen enthalten und hat seit seiner Entwicklung zahlreiche Verbesserungen bzgl. seiner Konvergenzrate erfahren. Die Finite-Volumen-Methoden sind auf zahlreiche Stromungsprobleme angewandt worden. Bereits in Kapitel 4.1.2 hatten wir von einer Finite-Volumen-Losung der Reynoldsgemittelten Navier-Stokes-Gleichungen Gebrauch gemacht. Die Abbildung 4.6 zeigt den Vergleich der Finite-Volumen-Losung einer Profilumstromung bei der Anstrom-Mach-Zahl Moo = 0-82 mit der Losung der nichtlinearen Potentialgleichung. In den vorausgegangenen Kapiteln haben wir mehrfach dargestellt, dass die Losung der Navier-Stokes-Gleichungen die Druckverteilung um ein transsonisches Tragfliigelprofil am genauesten wiedergibt. Wir erganzen in diesem Kapitel Finite-Volumen-Losungen fiir die transsonische Tragfliigelund Kraftfahrzeugumstromung, fiir eine Stromungsmaschine und fiir die Stromung im menschlichen Herzen. Als erstes Beispiel ist in Abbildung 4.44 die Finite-Volumen Losung eines transsonischen Tragfliigels eines Verkehrsflugzeuges gezeigt. Zunachst ist die mit einem Finite-Volumen-Netz diskretisierte Geometric des umstromten Tragfliigels dargestellt. Deutlich zu erkennen ist die verfeinerte Auflosung im Bereich der
356
4 Numerische Losungsmethoden
Staulinie und im Nachlauf des Fliigels sowie im Bereich des Verdichtungsstofies. Das Ergebnis der Finite-Volumen-Rechnung fiir die Mach-Zahl Moo = 0-78, die Reynolds-Zahl RCL = 26.6 • 10^ und dem Pfeilwinkel (j) = 20° ist in Form von Isotachen, also Linien gleicher Mach-Zahl, dargestellt. Die Berechnung erfolgt mit der zuvor beschriebenen Finite-Volumen Methode und dem Baldwin-Lomax Turbulenzmodell von Kapitel 3.2.3. Die numerische Losung zeigt das Uberschallfeld und den Verdichtungsstofi, der dieses stromab abschliefit. Fiir den vorgegebenen Auftriebsbeiwert Ca = 0.0506 eines Modellfliigels des AIRBUS A 320 berechnen wir einen Widerstandsbeiwert c^ = 0.0184. Dies ist der Wert, den man erreichen kann, sofern es gelingt einen sogenannten transsonischen Laminarfliigel zu realisieren. Wir folgen unserem zweiten Anwendungsbeispiel in Kapitel 1.2 und zeigen numerische Ergebnisse einer Kraftfahrzeugurastromung, die mit Finite-Volumen-Verfahren gewonnen wurden. Hier ist es das Ziel, den Stromungswiderstand, den Auftrieb, das SeitenwindMoment und die Struktur der Nachlaufstromung numerisch zu berechnen. Wahrend beim Tragfliigelbeispiel die Favre-gemittelten kompressiblen Grundgleichungen numerisch gelost
— Rechnung • Experiment
1.0 x/L
Finite-Volumen-Netz, 8-10 Gitterpunkte
Druckverteilung
M=1.12
Isotachen
Mo = 0.78, Re^ 26.6 • 10^ Anstellwinkel a = 2°, Pfeilwinke^^ = 20° Abb. 4.44: Finite-Volumen-Diskretisierung, transsonischen Tragfliigels
Druck- und Mach-Zahlverteilung eines
357
4.2 Diskretisierung
wurden, werden jetzt die Reynolds-gemittelten Gleichungen benutzt. Als Turbulenzmodell wurde das K-e-Modell aus Kapitel 3.2.3 eingesetzt. In den Cp-Diagrammen der Abbildung 4.45 sind die dimensionslosen Druckverteilungen auf der Ober- und Unterseite des Kraftfahrzeuges fiir die Reynolds-Zahl RCL = 8 • 10^ (Uoo = 130 km/h) im Vergleich mit experimentellen Ergebnissen im Windkanal dargestellt. Im mittleren Teil der Abbildung 4.45 ist wiederum die Geometrie und Diskretisierung des umstromten Kraftfahrzeuges gezeigt. Im Vergleich zur Flugzeugumstromung des vorherigen Beispiels muss bei der Berechnung einer Kraftfahrzeugumstromung zusatzlich die Fahrbahn beriicksichtigt werden. Die Be-
p
Rechnung Experiment
Oberseite
0.5 0 -0.5 -1 0.25
0.5
0.75 x/L 1 Unterseite
0.25
0.5
0.75 x/L 1
Finite-Volumen-Netz, 3.8-10 Gitterpunkte
Druckverteilungen
Stromungsstruktur im Radhaus
Struktur der Nachlaufstromung
Abb. 4.45: Finite-Volumen-Diskretisierung einer Kraftfahrzeugumstromung und Druckverteilungen in der Symmetrieebene, (DaimlerChrysler 2001), Uoo = 130 km/h, RCL = 8-10^
358
4 Numerische Losungsmethoden
rechnung wird dann nach einem Wechsel des Bezugssystems vom bewegten Fahrzeug in ruhender Luft zum stehenden Fahrzeug in einer Anstromung durchgefiihrt. Daher muss die Fahrbahn ebenfalls diskretisiert werden, um Grenzschichteffekte zwischen Fahrzeugunterboden und der Fahrbahn in die Rechnung mit aufzunehmen. Als Randbedingung fiir die Fahrbahn ist dann die Geschwindigkeit der Anstromung vorzugeben, wahrend am Fahrzeugunterboden t; = 0 zu fordern ist. Die Bedingung der bewegten Fahrbahn ist im Windkanal schwer zu reahsieren, weshalb haufig auf ein vereinfachtes Prinzipexperiment im Windkanal mit ruhender Fahrbahn und ruhendem Kraftfahrzeug in einer Anstromung zuriickgegriffen wird. Daher wurden die Berechnungen im gezeigten Fall ebenfalls mit ruhender Fahrbahn und ruhendem Kraftfahrzeug durchgefiihrt. In Abbildung 4.45 erkennt man, dass die gemessenen und berechneten Druckverteilungen sehr gut iibereinstimmen. Die numerische Losung zeigt auch, dass die Struktur der Nachlaufstromung richtig wiedergegeben wird. Dazu werden die in Kapitel 4.1.4 beschriebenen singularen Punkte im Stromungsfeld analysiert und sichtbar gemacht. Der Vergleich mit Abbildung 4.20 zeigt erganzend, dass der Hufeisenwirbel stromab des Kofferraums zum einen von der Scherschicht an der Kofferraum-Abrisskante und zum anderen von der Diffusorstromung zwischen Kraftfahrzeugunterboden und der Strafie gespeist wird. Ein weiteres Beispiel der Anwendung der Finite-Volumen-Methode ist die Nachrechnung der in Abbildung 4.46 gezeigten Axialpumpe. Dabei ist insbesondere der Wirkungsgrad T] und die Forderhohe H von Interesse. Die Axialpumpe soil eine Forderhohe von 10 m erreichen. Die Geometrie der Beschaufelung wurde mit verschiedenen Auslegungsprogrammen entsprechend Kapitel 1.3 ermittelt und es bleibt durch die Nachrechnung zu iiberpriifen, ob die Schaufelgeometrie die gestellten Anforderungen erfiillt. Die Geometrie und das Rechennetz der Beschaufelung sind in Abbildung 4.46 dargestellt. Die Berechnung erfolgt im mitbewegten rotierenden Bezugssystem. Damit steht das Laufrad und das Gehause rotiert. Dies hat den Vorteil, dass die Rechnung stationar durchgefiihrt werden kann. In diesem Bezugssystem wird das Fluid beim Durchlaufen des Schaufelkanals umgelenkt und erfahrt dadurch eine Druckerhohung, die als Forderhohe der Pumpe bezeichnet wird. Bei der numerischen Losung der Reynolds-Gleichungen sind dabei zusatzhch die Zentrifugal- und Coriolis-Kraft zu beriicksichtigen. Die Auswertung der numerischen Rechnung zeigt, dass die Axialpumpe im Auslegungspunkt eine Forderhohe von H = 9.S m erreicht, was der geforderten Forderhohe von H = 10 m sehr nahe kommt. Durch wiederholte Berechnung der Stromung mit verschiedenen Randbedingungen kann nach Auswertung der Ergebnisse eine Kennlinie der Stromungsmaschine ermittelt werden (Abbildung 4.46). Dabei wird jeweils iiber dem Volumenstrom V der Wirkungsgrad r] aufgetragen. Durch die Geometrie der Beschaufelung wird das Fluid zunachst beschleunigt, wodurch der statische Druck abfallt. Anschliefiend wird wieder verzogert, was mit einem Druckanstieg verbunden ist. Bei dem angesprochenen Druckabfall kann es unter Umstanden dazu kommen, dass der Dampfdruck des Fluids unterschritten wird. Das Fluid kann also kurzzeitig verdampfen bevor es bei der anschliefienden Druckerhohung wieder verfliissigt wird. Dieses Phanomen wird als Kavitation bezeichnet und sollte vermieden werden, da es zur Beschadigung der Beschaufelung fiihrt. Herrscht vor der Axialpumpe ein geniigend grower Druck ist keine Kavitation zu erwarten. Der dafiir erforderliche Druck bzw. die damit gleichzusetzende erforderliche Zulaufhohe
359
4.2 Diskretisierung
1.0 • ^
•
•
0.2
0.5 Finite-Volumen-Netz, 2.8-10 Gitterpunkte
1.0
V(mVs)
Wirkungsgrad
Isobaren Abb. 4.46: Finite-Volumen-Diskretisierung einer Axialpumpe und Isobaren der Druckverteilung auf dem Laufrad, RCD = 1.4 • 10^
der Axialpumpe betragt fiir die gewahlten Bedingungen etwa 2.5 m. Ein Beispiel einer instationaren Stromung veranderlicher Geometrie und bewegter Rechennetze haben wir mit dem virtuellen Herzen in Kapitel 1.1 kennen gelernt. Die Erweiterung der Finite-Volumen-Methode auf bewegte Rechennetze haben wir zwar in diesem Kapitel nicht behandelt, dennoch wollen wir die Ergebnisse der Stromungssimulation der pulsierenden Blutstromung im menschlichen Herzen zeigen, um einen Anreiz fiir zukiinftige Stromungsberechnungen in der Biostromungsmechanik zu geben. Zunachst benotigt man ein zeitabhangiges Geometriemodell fiir einen zeitlich gemittelten
360
4 Numerische Losungsmethoden
Herzzyklus. Das Geometriemodell wird mit Bilderkennungs-Software von Bilddaten des gesunden menschlichen Herzens eines Magnet-Spin-Resonanz-Tomographen (MRT) abgleitet. Das Geometriemodell wird zu jedem Zeitpunkt aus 15 horizontalen und vertikalen Schnittebenen konstruiert. Ein Herzzyklus besteht aus 18 Zeitschritten. Das Geometriemodell der linken Herzhalfte besteht aus dem Ventrikel, dem Vorhof und der Aorta. Die druckgesteuerte Aorten- und Mitralklappe miissen erganzend modelliert werden. Die Aortenklappe besteht aus drei halbmondformigen Bindegewebstaschen. Sie verhindert
\
. s.
y
•
\
••••••••••••• - V
\
1 \
^=0.94
t = OM
t=034
t = OA^
A b b . 4.47: Finite-Volumen-Berechnung ReD,syst syst = 3.7 . 10^
f
des linken Herzventrikels und der Aorta,
4.2 Diskretisierung
361
wahrend der Relaxationsphase des Herzens die Blutriickstromung aus der Aorta. Wegen des hohen Druckes, dem die Aortenklappe wahrend der Kontraktionsphase ausgesetzt ist, sind die Klappentaschen wesentlich stabiler gebaut als die Segel der Mitralklappe. Im geoffneten Zustand legen sich die Taschen der Aortenklappe trotz des hohen Aortendruckes nicht an den Aortenbulbus an. Die Spitzen der Taschen werden umstromt und bilden zwischen Klappentasche und Aortenbulbus ein Riickstromgebiet, dessen Gegendruck das Ausbeulen der Taschen und das Anlegen verhindert. Die Abbildung 4.47 zeigt das Ergebnis der Stromungsberechnung mit der Finite-VolumenMethode und bewegten Tetraeder bzw. Hexaeder Netzen von 1.5 • 10^ Gitterpunkten. Die mit dem Durchmesser der Aorta gebildete Reynolds-Zahl betragt i?ei:)^syst = 3.7 • 10^ fiir die systolische Ausstromphase des Herzens. Die pulsierende Blutstromung ist laminar. Das erste Bild zeigt den Einstromvorgang in den linken Ventrikel bei geoffneter Mitralklappe. Es bildet sich ein Ringwirbel, dessen Drehrichtung bereits das Ausstromen durch die Aortenklappe vorbereitet. Im Laufe des Einstromvorgangs verzweigt sich der Wirbel, so dass auch die Ventrikelspitze durchstromt wird. Auch hier entspricht die Drehrichtung der Riickstromung dem folgenden Ausstromvorgang, der in Abbildung 4.48 skizziert ist. Uberschreitet der Blutdruck im Ventrikel einen bestimmten Wert, offnet sich die Aortenklappe und das Blut stromt als Jet in die Aorta. Am Ende der Kontraktionsphase ist bei vollstandig geoffneter Aortenklappe die Jet-Stromung ebenfalls vollstandig ausgebildet. In der Aorta verzweigt die Stromung in die einzelnen Arterien. Dabei vergrofiert die Aorta ihren Durchmesser, so dass sie zum einen das Volumenreservoir fiir den Kreislauf bildet und zum anderen die Sekundarstromung in der Aortenkriimmung abbaut. Dieser Effekt wird durch ein Auslenken der absteigenden Aorta unterstiitzt. Bei der anschhefienden Ventrikelrelaxation sind beide Herzklappen geschlossen und der Herzzyklus beginnt von neuem. Fiir die Auswertung der numerischen Ergebnisse ist die im Kapitel 4.1.4 durchgefiihrte Analyse der Stromungsstruktur (siehe Abbildung 4.24) eine ganz wesentliche Hilfe.
Abb. 4.48: Stromung im linken Herzventrikel
362
5
5 Stromungsmechanik
Software
Stromungsmechanik Software
Das Tatigkeitsfeld der Naturwissenschaftler und Ingenieure hat nicht nur im Bereich der Stromungsmechanik durch den verstarkten Rechnereinsatz und die Vernetzung der Rechner erhebhche Veranderungen erfahren. Neben den analytischen Fahigkeiten, stromungsmechanische Probleme zu losen, wird in der industriellen Praxis zunehmend der Umgang mit stromungsmechanischer Software gefordert. Um diese Entwicklung zu fordern, haben wir begleitend zu dem Lehrbuchtext tJbungs-Software bereitgestellt, die den Einstieg in die Nutzung kommerzieller Stromungsmechanik-Software erleichtern soil. Dabei ist es unumganglich, dass man den aktiven Umgang mit stromungsmechanischer Software auf vernetzten Rechnern fiir die spatere Berufspraxis selbstandig iibt. Das Internet bietet die Moglichkeit vorlesungsbegleitende Stromungsmechanik Software, abrufbar auf der Homepage des Institutes fiir Stromungslehre an der Universitat Karlsruhe, bereitzustellen und die Interaktion zwischen Studenten und Assistenten zu fordern. http://www-isl.niach.uni-karlsruhe.de Die das Lehrbuch begleitende Software gliedert sich entsprechend der Buchkapitel. Die Grundlagen der Stromungsmechanik in Kapitel 2 werden durch das Software-Modul KAPPA-Stromfaden http://www-isl.mach.uni-karlsruhe.de/LEHRE/SOFTWARE/stromfaden.html erganzt. Dabei werden die algebraischen Gleichungen der eindimensionalen Stromfadentheorie von Kapitel 2.3.2 und 2.3.3 sowie die zweidimensionale Navier-Stokes-Gleichung fiir die reibungsbehaftete Stromung iterativ fiir vorgegebene Beispiele gelost. Als Anwendungsbeispiele wurden die Kraftfahrzeugumstromung und Tragfliigelumstromung (inkompressibel), die Stromung durch eine Diise und im Stofirohr (kompressibel) ausgewahlt. Durch Anklicken der angebotenen Optionen lasst sich z. B. die stationare, kompressible, reibungsfreie Stromung durch eine Laval-Diise berechnen. Als Ergebnis erhalt man Druckund Mach-Zahl-Verlauf p{x) und M{x) langs der Diisenachse fiir ein jeweils gewahltes Druckverhaltnis von Gegendruck pA ^m Diisenausgang zu Ruhedruck po im Kessel, an dem die Diise angeschlossen ist. KAPPA-Stromfaden bietet somit die Moglichkeit, den Einfluss des Druckverhaltnisses auf die sich einstellende charakteristische Stromungsform in der Diise zu studieren. Beispielsweise erkennt man, dass bei einem Druckverhaltnis (PA/PO) = 0-98 iiberall in der Diise eine reine Unterschallstromung mit der maximalen Mach-Zahl am engsten Querschnitt von M^ax ~ 0-37 vorherrscht. Bei Absenken des Druckverhaltnisses auf beispielsweise (PA/PO) = 0.9 stellt sich stromab des engsten Querschnittes ein senkrechter Verdichtungsstofi ein, was man am sprungartigen Abfall der Mach-Zahl von M > 1 auf M < 1 erkennen kann. Bei einem geringen Druckverhaltnis von z. B. (PA/PO) = 0.1 erhalt man schliefilich eine kontinuierlich beschleunigte Stromung in der Laval-Diise, bei der die MachZahl langs der Diisenachse von anfanglich M ^ 0.22 um einen Faktor 10 auf etwa M ^ 2.2 ansteigt.
363
KAPPA - Stromfaden
inkompressibel
kompressibel
reibungsfrei
reibungsbehaftet
stationar
instationar
Kinematik:
Welle
Kraftfahrzeug:
Oberseite
Tragflugel:
Oberseite
Diise:
Dusenstromung
StoBrohr:
StoBausbreitung
Unterseite
Anstromgeschwindigkeit in km/h (Kfz) Anstrom-Mach- -Zahl (Tragflugel) Druckverhaltnis Gegendruck/Ruhedruck (Diise) Druck verbal tnis Treibrohrdruck/Laufrohrdruck (StoBrohr)
Rechnung starten
[
Eingaben loschen
Die analytischen und numerischen Losungsmethoden in Kapitel 4 werden fiir ausgewahlte Ubungsbeispiele (z. B. die Kanalstromung) mit einer Reihe von SoftwareBeispielen behandelt. Mathematische Methoden der Stromungsmechanik http://www-isl.mach.uni-karlsruhe.de/LEHRE/software.html Die Grenzschichtstroraungen des Kapitels 3.4 lassen sich mit den Software-Paketen Angewandte Stromungsmechanik http://www-isl.mach.uni-karlsruhe.de/LEHRE/software.html berechnen.
364
5 Stromungsmechanik
Software
Software - Lehre
Mathematische Methoden der Stromungslehre
•
Linearisierung
•
Stabilitatsanalyse
•
Stmkturanalyse
•
Galerkinverfahren
•
Finite-Differenzen-Methode
•
Finite-Elemente-Methode
•
Finite-Volumen-Methode
Software - Lehre
Angewandte Stromungsmechanik
Blasius-Grenzschicht Laminare Plattengrenzschicht Turbulente Plattengrenzschicht Orr-Sommerfeld-Gleichung - Eigenwertloser Profilumstromung Tragflugelumstromung Pulsierende Rohrstromung Pulsierende elastische Rohrstromung Ventrikelstromung
Die P r o g r a m m p a k e t e zu den einzelnen Themen bestehen jeweils aus einem Quellprogramm in der Programmiersprache F O R T R A N , grofitenteils aus einem zusatzlichen ParameterFile, sowie aus einem P r o g r a m m zur grafischen Aufbereitung der Ergebnisdaten. Sofern
365 die analytische Losung eines Problems bekannt ist, wird sie ebenfalls berechnet und zu Vergleichszwecken mit der Losung, die das numerische Naherungsverfahren liefert, in das gleiche Diagramm eingezeichnet. Durch Variation der Parameter im Parameter-File, z. B. die Anzahl der Ansatzfunktionen beim Galerkin-Verfahren, kann dann die Auswirkung auf die numerische Naherungslosung diskutiert werden. Die bisher beschriebene Software dient der Ausbildung und soil die Studenten systematisch an die Nutzung der kommerziellen Stromungsmechanik-Software heranfiihren. Folgen wir der Abbildung 1.45 in Kapitel 1.3, so wird mit den Methoden und der Software von Kapitel 2 der Vorentwurf einer Produktentwicklung durchgefiihrt. Die Nachrechnung erfolgt dann mit den Hochschulprogrammen bzw. der kommerziellen Software der Stromungsmechanik. Deren Verifikation fiir die Produktentwicklung in der Industrie wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.
Koramerzielle Stroraungsmechanik-Software Fiir die Stromungsberechnung in der Industrie stehen je nach Anwendungsfall unterschiedliche kommerzielle Softwarepakete zur Verfiigung. Die Diskretisierung erfolgt mit der Finite-Volumen (FVM), Finite-Elemente (FEM) bzw. Lattice-Boltzmann-Methode (LBM) (siehe Kapitel 4.2). Fiir die Generierung der Rechennetze stehen halbautomatische Netzgeneratoren fiir strukturierte und unstrukturierte Rechennetze zur Verfiigung. Die Finite-Volumen-Methode ist die in der Stromungsmechanik am haufigsten verwendete Methode. Sie hat den entscheidenden Vorteil, dass bei der Integration iiber die einzelnen Volumenelemente des Rechennetzes die Erhaltungsgleichungen fiir Masse, Impuls und Energie automatisch erfiillt sind. Sie stellt daher eine in sich mathematisch konsistente Losungsmethode dar. Die Finite-Elemente-Methode wird vorrangig in der Strukturmechanik eingesetzt. Die auf den Finite-Elemente basierende kommerzielle Software ist aus der Anpassung eines fiir die Strukturmechanik optimierten Losers auf die Stromungsmechanik entstanden. Sie bietet dann Vorteile, wenn die Stromungs-Struktur-Kopplung wie z. B. das Flattern eines Tragfliigels oder einer Steuerklappe zu beriicksichtigen ist. Wahrend die bisher genannten Losungsmethoden auf den kontinuumsmechanischen Grundgleichungen beruhen, ist die Lattice-Boltzmann-Methode auf der Basis der Boltzmann-Gleichung (siehe Kapitel 3.6) entwickelt worden. Diese Losungsmethode stellt beziiglich der Qualitat der Rechennetze die geringsten Anforderungen. Jedoch sind die stromungsphysikalischen Modelle wie z. B. die Turbulenzmodelle oder die Modellierung von Mehrphasenstromungen beziehungsweise die Modelle fiir Verbrennungsvorgange nicht so weit entwickelt wie bei den kontinuumsmechanischen Losungsmethoden. Aus der Vielzahl der kommerziell verfiigbaren Softwarepakete haben wir vier ausgewahlt, deren Losungsalgorithmen am besten verifiziert und deren stromungsphysikalischen Modelle am weitestgehenden validiert sind. Es handelt sich um die Softwarepakete STAR CD© von Computational Dynamics Ltd., FLUENT© entwickelt von Fluent Inc., ANSYS© CFX© von Ansys Inc. und POWER FLOW© von EXA-Corp. Alle Softwarepakete verfiigen iiber ein CAD-Geometriemodul und halb- bzw. vollautoma-
366
5 Stromungsmechanik Software
tische Rechennetzgeneratoren, Module, die das Pre- und Postprocessing also die Vorbereitung der Rechnung und Auswertung der Rechenergebnisse organisieren sowie Module, die das Berechnungsproblem definieren, die Anfangs- und Randbedingungen festlegen und die Losungsalgorithmen bereitstellen.
Software STAR CD ^ STAR DESIGN SAMM PROSTAR STAR Analysemodul
Diskretisierung Finite-Volumen Geometrieerzeugung Rechennetze Berechnungsproblem Pre- und Postprocessing Losungsalgorithmen
FLUENT®
Finite-Volumen
GAMBIT
Geometrieerzeugung Rechennetze
TGRID FLUENT
ANSYS® CFX® DESIGNMODELER CFX-MESH - ICEMCFD CFX-PRE - CFX-POST CFX-SOLVER POWER FLOW ® EXAPREP ANMESH - EXA DISC
Rechennetze Berechnungsproblem Losungsalgorithmen Pre- und Postprocessing Finite-Volumen Geometrieerzeugung Rechennetze Pre- und Postprocessing Berechnungsproblem Losungsalgorithmen Lattice-Boltzmann Geometrieerzeugung Preprocessing Rechennetze
EXACASE
Berechnungsproblem
EXASIM
Losungsalgorithmen
POWERVIZ - EXAVIZ
Postprocessing
STAR C D © besteht aus Modulen, die auf Systemebene unter UNIX, LINUX oder WinNT als unabhangige Prozesse ablaufen. STAR DESIGN ist ein einfaches CADProgramm zur Geometrieerzeugung und SAMM ein halbautomatisches Vernetzungspro-
367 gramm. PROSTAR beschreibt das konkrete Berechnungsproblem und stellt das Pre- und Postprocessing bereit: • Preprozessor zur Festlegung des Berechnungsproblems und der verwendeten Losungsalgorithmen, • Netzgenerator, • Eingabe von Anfangs- und Randbedingungen, • Definition der physikalischen Grofien, • Konvertierung von Dateien, Einlesen von Rechennetzen, • Postprozessor zur graphischen Auswertung der Ergebnisse. Das STAR Analysemodul legt die Losungsalgorithmen fiir vorgegebene Stromungsprobleme fest. Neben der VernetzungsmogHchkeit in PROSTAR oder PROAM (PROSTAR mit SAMM) konnen auch Netze von externen Netzgeneratoren verwendet werden. F L U E N T © unterteilt sich entsprechend dem Arbeitsablauf auf folgende Teilprogramme: • GAMBIT Geometrieerzeugung und Vernetzung, • TGRID alternatives Vernetzungsprogramm, • FLUENT Pre- und Postprocessing, Solver-Start. FLUENT vereint mit Ausnahme der Netzerzeugung alle Schritte unter einer einheitlichen Oberfiache. Die beiden Vernetzungsprogramme konnen alternativ oder erganzend eingesetzt werden. Aufierdem besteht die Moglichkeit Netze von externen Netzgeneratoren zu importieren. Die aktuelle Version von ANSYS© und CFX© wurde mit einer gemeinsamen Oberfiache, dem sogenannten Workbench versehen. Es ist allerdings weiterhin moglich, die beiden Pakete getrennt mit den bisherigen Benutzeroberfiachen zu nutzen. CFX teilt sich in die folgenden Module auf: DESIGNMODELER Modul zur Geometriemodellierung und CFX-MESH bzw. ICEMCFD zur Netzerzeugung, CFX-PRE zur Beschreibung des konkreten Problems sowie Pre- und Postprocessing: • Preprozessor zur Festlegung des Berechnungsproblems und der verwendeten Losungsalgorithmen , • Eingabe von Anfangs- und Randbedingungen, • Definition der physikalischen Grofien,
368
5 Stromungsmechanik
Software
CFX-SOLVER als Losungsmodul und CFX-POST fiir die Auswertung der Simulationsergebnisse und das Postprocessing. Die beiden Vernetzungsprogramme konnen alternativ oder erganzend eingesetzt werden. Aufierdem besteht die Moglichkeit Netze von externen Netzgeneratoren zu importieren. Das Softwarepaket P O W E R FLOW© basiert im Gegensatz zu den vorangegangenen kontinuumsmechanischen Softwarepaketen auf der Lattice-Boltzmann-Methode. Das Modul EXAPREP legt die Geometrie und die Oberflachennetze fest. Als Geometrienetz wird das einfache Dreiecksformat STL- oder auch Netze im NASTRAN-Format verwendet. EXACASE definiert das Berechnungsproblem: • Importieren der Geometrie und Festlegung der kubischen Volumenpixel (Rechennetz), • Eingabe von Anfangs- und Randbedingungen, • Definition der physikalischen Grofien. Fiir die instationare POWER FLOW©-Rechnung muss ein geeigneter Berechnungszeitrahmen gewahlt werden. Dazu muss darauf geachtet werden, dass sich die Stromung ausbildet und danach eine hinreichende Mittelungsdauer beriicksichtigt wird. Dabei kann der zeitliche Verlauf integraler Grofien im Stromungsfeld als Indikator fiir die Mittelungsintervalle und Mittelungsdauer verwendet werden. EXADISC, EXADECOMP und EXASIM werden unabhangig vom Benutzer gestartet und haben die Funktion, die Rechnung zu diskretisieren, fiir den Parallelrechner zu zerlegen und die Simulationsrechnung durchzufiihren. POWERVIZ dient als Postprocessing-Tool. Es bietet dem Benutzer eine Fiille von MogUchkeiten, die gemittelten Berechnungsergebnisse zu visualisieren.
5.1 Einfiihrungskurs
5.1
369
Einfiihrungskurs
Nachdem wir uns mit ersten Software-Beispielen der numerischen Stromungsmechanik vertraut gemacht haben, folgt die Einfiihrung in die kommerzielle Software zur Losung von stromungsmechanischen Problemen in Industrieprojekten. Der Einfiihrungskurs ist so aufgebaut, dass er begleitend zu unserem Lehrbuch der numerischen Stromungsmechanik H. Oertel, E. Laurien 2003 eigenstandig im Internet abgearbeitet werden kann, sofern die Lizenzen der Softwarepakete an den jeweiUgen Universitaten verfiigbar sind. Der Einfiihrungskurs kann iiber die Adresse http://www-isl.mach.uni-karlsruhe.de/einfiihrungskurs.html heruntergeladen werden. Der Einfiihrungskurs behandelt zunachst die Geometric- und Netzerstellung am Beispiel einer 45°-Diffusorstromung (Abbildung 5.1). Es folgt die Einfiihrung in die kommerzielle Software mit den Parametereinstellungen zunachst fiir die rotationssymmetrische Durchstromung des Diffusors. Dabei werden Beispiele zur Uberpriifung der Genauigkeit der numerischen Algorithmen und physikalischen Modelle bearbeitet. Dazu gehort die Vernetzung mit Hexa- und Tetraeder-Netzen sowie die Qualitatskontrolle der erzeugten Rechennetze. Die Stromungsberechnung erfolgt zunachst rotationssymmetrisch mit Symmetriebedingungen. Zum Abschluss des Einfiihrungskurses erfolgt die Berechnung der quasistationaren bzw. instationaren Stromungsablosung im Diffusor und die Auswertung der Ergebnisse. Die Handhabung der kommerziellen Software sowie das Erlernen geeigneter Parametereinstellungen wird mit den Stromungsbeispielen des Trainingskurses der Abbildung 5.2 erganzt.
CAD-Geometriemodell
Rechennetz Abb. 5.1: Stromungsbeispiel des Einfiihrungskurses
Stromlinien
370
5.2
5 Stromungsmechanik
Software
Trainingskurs
Mit dem Einfiihrungskurs werden die Grundlagen des Umganges mit stromungsmechanischer Software erarbeitet. Es folgt der Trainingskurs fiir Studenten der hoheren Semester, der die Voraussetzung fiir die Bearbeitung von Industrieprojekten schaffen soil. Bei der praktischen Anwendung der Stromungsmechanik-Software lernt man zuallererst, dass das Rechennetz und die anzuwendenden Modelle (z.B. Turbulenzmodell) sowie die Randbedingungen fiir jede Geometrieklasse neu zu erstellen sind bzw. neu angepasst werden miissen. Diese erste Phase der Softwareanpassung nennen wir Verifikation, die eine hoch ent-
stationare Umstromungen
stationare Innenstromungen
laminare Plattengrenzschicht
laminare Rohrstromung
turbulente Plattengrenzschicht (Turbulenzmodelle)
turbulente Rohrstromung (Turbulenzmodelle)
transsonisches Profil (RAE 2822)
riickwarts geneigte Stufe (Turbulenzmodelle)
transsonischer Tragflugel (ONERA M6)
Profil eines Axialverdichters
S AE-Kraftfahrzeugkorper
Radialpumpe
Prallstrahl mit Warmeiibergang
Konvektionsstromung
MHD-Stromung
instationare Umstromungen
instationare Innenstromungen
Rayleigh-Stokes-Problem
pulsierende Rohrstromung
laminare Karmansche WirbelstraBe
elastische Rohrstromung
turbulente Karmansche WirbelstraBe
Ventrikelstromung
Kugelumstromung
Staukorper
Aeroakustik Kugelumstromung
Aeroakustik Rohrstromung
Umstromungen
Innenstromungen
Abb. 5.2: Verifikationsbeispiele fiir stationare und instationare Stromungen
5.2 Trainingskurs
371
wickelte Ingenieurskunst verlangt und meist nur unter fachkundiger Anleitung zu leisten ist. Im Folgenden wollen wir im Trainingskurs einige Hilfestellungen geben, die unter der Adresse http://www-isl.mach.uni-karlsruhe.de/trainingskurs.html abgerufen und unter Anleitung selbstandig bearbeitet werden konnen. Bevor man mit der Bearbeitung des eigentlichen Industrieprojektes beginnt, durchlauft man mit dem Softwarepaket ausgewahlte Verifikationsbeispiele der Abbildung 5.2, die der jeweiligen Geometrieklasse angepasst sind. Dabei muss man zunachst festlegen, ob man ein Umstromungsproblem oder ein Innenstromungsproblem bearbeiten will. Die weitere Untergliederung erfolgt in stationare und instationare Verifikationsbeispiele.
Stationare Umstromungen Laminare Plattengrenzschicht In diesem ersten Verifikationsbeispiel wird die zweidimensionale laminare Plattengrenzschicht ohne Druckgradient betrachtet. Die Reynolds-Zahl, die mit der Plattenlange L und der ungestorten Anstromung Uoo gebildet wird, betragt RCL = 10^. Die Temperatur der freien Anstromung betragt Too = 293 K. VergUchen werden die numerischen Ergebnisse mit der analytischen Losung von Blasius 0.664 Cf[X)
fiir unterschiedliche rdumliche Diskretisierungen. Dabei ist Re{x) = p • Uoo • x//i die mit x gebildete lokale Reynolds-Zahl. Die Abbildung 5.3 zeigt den Verlauf der dimensionslosen Wandschubspannung Cf = r^/{{l/2) - p - U^). Fiir alle getesteten Diskretisierungsschemata ergibt sich eine sehr gute Ubereinstimmung der numerischen Ergebnisse mit der analytischen Losung der Blasius-Grenzschicht. analytische Losung numerische Losuns
0.025
0.015
0.005
0.2
0.4
0.6 ^/L
Abb. 5.3: Lokaler Reibungsbeiwert Cf der laminaren Plattengrenzschicht, RCL = 10 5
372
5 Stromungsmechanik
x/L
•
=\
Software
Experiment
— numerische Losuns
0.004 0.005
0
0.5
u/Uo,
0.002
1
0
0.25
Geschwindigkeitsprofile
0.05
0.75
x/L
lokaler Reibungskoeffizient
A b b . 5.4: Turbulente Plattengrenzschicht, RCL = 2 - 1 0 ^ Turbulente Plattengrenzschicht Die zweidimensionale turbulente Plattengrenzschicht ohne Druckgradient ist ein wichtiges Verifikationsbeispiel ftir die Anpassung von Turhulenzmodellen. Durch ein entsprechend feines Rechennetz kann der Einfluss des Diskretisierungsfehlers auf die numerische Losung sehr klein gehalten werden. Die Reynolds-Zahl betragt RCL = 2-10^ und die Temperatur der freien Anstromung Too = 293 K. Der Turbulenzgrad ist mit Tuoo = 0-5% vorgegeben. Die Transition wird bei einer mit der Impulsverlustdicke gebildeten Reynolds-Zahl von Res = 770 fixiert. Ftir diese P a r a m e t e r werden das mittlere Geschwindigkeitsprofil an der Stelle x/L = 1 und der Verlauf des Reibungsbeiwertes Cf entlang der P l a t t e in Abbildung 5.4 mit den experimentellen Daten verglichen. Die mit dem Standard K-e-Turbulenzmodell und dem quadratischen K-e-Modell berechneten zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsprofile sind geringftigig ftilliger als die gemessenen Profile. Dies h a t jedoch keinen Einfluss auf den berechneten Reibungsbeiwert Cf.
T r a n s s o n i s c h e s Tragflugelprofil ( R A E 2 8 2 2 ) Dieser Verifikationsfall ftir die Umstromung eines R A E 2822-Profils dient unter anderem der Verifikation der raumlichen Diskretisierung und des Fernfeldrandeinflusses auf die numerischen Ergebnisse. Ftir die Anstromdaten Mach-Zahl M^ = 0.73, Too = 300 K , Reynolds-Zahl RCL = 6-10^ und ftir den Anstellwinkel ce = 3° liegen experimentelle Daten vor. Unter Vorgabe dieser P a r a m e t e r , einer Fixierung der Transition bei x/L = 0.05 und mit dem Baldwin-Lomax Turbulenzmodell werden die berechneten Druckverteilungen auf der Ober- und Unterseite des Profils mit den experimentellen Ergebnissen verglichen. Der Turbulenzgrad der freien Anstromung betragt Tuoo = 0.3%. Die turbulente Langenskala wird tiber die molekulare Viskositat und den Prandtlschen Mischungswegansatz mit /i
It p-
, mit
J- ^ o o
* ^ ex.
5.2 Trainingskurs
373
0.8 x/L
Abb. 5.5: Druckverteilung Cp des transsonischen Tragfliigelprofils (RAE 2822), ReL = 6.5 • 10^ Moo = 0.73
abgeschatzt. Die Druckverteilungen der Abbildung 5.5 und die berechnete Stofilage stimmen sehr gut mit den experimentellen Werten iiberein. Der berechnete Auftriebsbeiwert Ca = 0.795 und der Widerstandsbeiwert c^ = 1.7-10"^ sind ebenfalls in Ubereinstimmung mit dem Experiment.
Transsonischer Tragfliigel (ONERA M6) Fiir die dreidimensionale stationare Stromung wird als Verifikationsbeispiel die transsonische Tragfliigelumstromung des Testfliigels ONERA M6 ausgewahlt. Der Tragfliigel weist einen Doppelstofi auf der Saugseite auf, der sich zur Fliigelspitze hin zu einem Stofi vereint. Im VeriflkationsfaU werden fiir die Anstromung M^o = 0.84, Temperatur Too = 293 K, Reynolds-Zahl RCL = 11.7-10^ und der Anstellwinkel a = 3.06° gewahlt. Die numerische Rechnung wird mit dem Baldwin-Lomax Turbulenzmodell durchgefiihrt. Der Turbulenzgrad wird mit Tu^o = 0.3% vorgegeben. Zur Bewertung der Losung werden die Ergebnisse mit experimentellen Daten in verschiedenen Schnitten des Tragfliigels in Spannweitenrichtung verglichen. In beiden Schnitten ist die Verschmierung der Verdichtungsstofie durch das verwendete Rechennetz deutlich zu erkennen (Abbildung 5.6). Aufgrund des zu groben FiniteVolumengitters wird die Stofivereinigung zu friih auf dem Fliigel erreicht. Im Bereich der Fliigelspitze y/s = 0.9 wird im Vergleich mit dem Experiment bis auf eine geringfiigige Stofiverschmierung die Druckverteilung gut wiedergegeben.
SAE-Kraftfahrzeugkorper Die Verifikation der Software fiir eine inkompressible Kraftfahrzeugumstromung erfolgt mit dem SAE-Modellkorper (Society of Automotive Engineering), auf den sich die Kraftfahrzeugindustrie geeinigt hat. Dabei kann der Einfluss des Rechennetzes und der unterschiedlichen Turbulenzmodelle auf den Auftriebs- und Widerstandsbeiwert systematisch untersucht werden. Die mit der Lauflange gebildete Reynolds-Zahl betragt 1. • 10^, was
374
5 Stromungsmechanik
Software
einer ungestorten Anstromgeschwindigkeit von 36 m/s bzw. 130 km/h und einer Lange des Modellkorpers von L = 4.2 m entspricht. Die Turbulenzgrofien der verwendeten K-e-Turbulenzmodelle werden mit 1% vorgegeben. Das logarithmische Wandgesetz wird in die viskose Unterschicht der Grenzschicht fortgesetzt und entsprechend angepasst, so dass in einem ersten Ansatz die Berechnung der integralen Beiwerte auch ohne Auflosung der viskosen Unterschicht moghch wird. Eine Verbesserung insbesondere des berechneten Auftriebsbeiwertes erzielt man mit einem Zweischichten-Turbulenzmodell, das die viskose Unterschicht beriicksichtigt. Die Abbildung 5.7 zeigt die berechneten Isobaren und Druckverteilungen des Modellkorpers auf der Ober- und Unterseite jeweils im Mittelschnitt. Ausgehend vom Staupunkt {cp = 1) beschleunigt die Stromung auf der Oberseite bis zum Erreichen der vorderen Dachkante {cp = —2). Anschliefiend verzogert die Stromung und beschleunigt dann wieder zur Dachhinterkante. Schliefilich verzogert das Fluid Richtung Kofferraumdeckel. Auf
Cp=-0.05
y/s = 0.44
0.75 x/L 1
y/s = 0.90
0.75 x/L 1 A b b . 5.6: Druckverteilungen und Isobaren des transsonischen Tragfliigels (ONERA M6), RCL = 1.17-10'^, Moo = 0.84
375
5.2 Trainingskurs
der Unterseite beschleunigt die Stromung ausgehend vom Staupunkt und verzogert im Anschluss entlang des Unterbodens. Den Beginn des Diffusors erkennt man deutlich anhand der kleinen Saugspitze. Die Berechnungen mit unterschiedlichen Rechennetzen zeigen, dass sich die geforderte Unabhangigkeit vom Finite-Volumen-Rechengitter bei etwa 4 Millionen Zellen einstellt und die berechneten Druckverteilungen mit den experimentellen Werten iibereinstimmen, sofern die Windkanalgeometrie in der Rechnung beriicksichtigt und mit etwa 4.8 Millionen Zellen diskretisiert wird. Die in Kapitel 3.2.3 behandelten Zweigleichungs-Turbulenzmodelle ergeben bei optimiertem Rechennetz nur geringfiigige Abweichungen der berechneten Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte. Der berechnete Widerstandsbeiwert im Windkanal betragt Cw = 0.169 im Vergleich zu dem experimentellen Wert c^ = 0.165. Beim Auftriebsbeiwert sind die Abweichungen grower. Dem berechneten Wert fiir den Vorderachsenauftrieb c^ = —0.116 stehen gemessene c^ = —0.136 gegeniiber. Fiir den Hinterachsenauftrieb werden c^ = —0.036 berechnet und c^ = —0.051 gemessen. Dabei wurden bei den experimentellen Ergebnissen die iiblichen Windkanalkorrekturen wie Grenzschichtabsaugung und laufendes Band nicht beriicksichtigt. Die Bewertung der Verifikationsergebnisse ergibt, dass die numerischen Losungen der SAEKorperumstromung mit unterschiedlichen Turbulenzmodellen konsistent sind. Die Experimente im Windkanal sind aufgrund unterschiedlicher Windkanaleinfliisse als experimentelle Verifikationsdatenbasis nur geeignet, wenn mit dem SAE-Modellkorper der Windkanal mit berechnet wird.
Oberseite
-0.25
\.p
0,.--
0.25
/ A "~'^-^-x W i t e ^ r ' / ^ ! /.^ 9 '
' -0.25 '
Isobaren im Mittelschnitt
Druckverteilungen A b b . 5.7: SAE-Kraftfahrzeugkorper, Re^ = 1. • lO'^
376
5 Stromungsmechanik
Software
Prallstrahl mit Warmeiibergang Ein Beispiel einer Luftstromung mit War meiiber gang ist der auf eine horizontale beheizte Platte auftreffende runde Freistrahl. Der turbulente Freistrahl tritt aus einem Rohr der Lange L/D = 10 in einem Abstand von 2 • D von der horizontalen Platte mit einer Reynolds-Zahl Reo = 2.3 • 10^ aus. Die Umgebungstemperatur der Luft ist Too = 293 K. Die horizontale Platte wird mit einem konstanten Warmefluss von 200 W beheizt. Die Wand wird als adiabat vorausgesetzt. Dieses Verifikationsbeispiel ist ein besonders kritischer Testfall fiir die Auswahl der Turbulenzmodelle. So berechnet man mit dem Standard K-e-Turbulenzmodell von Kapitel 3.2.3 einen zu geringen Warmestrom. Im Vergleich mit den experimentellen dimensionslosen Warmestromen der Abbildung 5.8 ist die Berechnung des Warmestroms mit nichtlinearen Zweigleichungs-Turbulenzmodellen erforderlich, die in den kommerziellen Softwarepaketen verfiigbar sind. Das Ergebnis der Abbildung 5.8 wurde mit einem quadratischen so genannten Low-Reynolds-Zahl K-e-Turbulenzmodell erzielt, wobei eine sorgfaltige Netzanpassung in den betrachteten zwei Schichten der Plattengrenzschicht insbesondere in der Umgebung des Staupunktes erforderlich ist. Der Vergleich mit den experimentellen Ergebnissen zeigt, dass fiir grofie Abstande R die gemessenen und berechneten lokalen Warmestrome sehr gut iibereinstimmen. Lediglich in der Umgebung des Staupunktes sind Abweichungen zu erkennen, die zum einen von der Unzulanglichkeit des nichtlinearen Turbulenzmodells bzw. der Rechennetzanpassung oder zum anderen von der Abweichung der adiabaten Randbedingung im Experiment verursacht werden. Werden die Experimente mit einer isothermen horizontalen beheizten Wand durchgefiihrt, stimmen die berechneten und gemessenen Warmestrome im Staupunkt iiberein.
0.12
s
0.08
0.04
R/D
Abb. 5.8: Dimensionsloser Warmestrom der horizontalen Platte mit Warmeiibergang Re^ = 2.3-10^
5.2 Trainingskurs
377
Instationare Umstromungen Rayleigh-Stokes-Problera Zur Verifikation der Berechnung von instationaren laminaren Stromungen wird als Beispiel das Erste Stokessche Problem fiir die ebene Platte herangezogen. Zum Zeitpunkt t = 0 wird eine ruhende ebene Platte, die mit der (x, y)-Ehene zusammenfallt und oberhalb derer sich in wandnormalen-Richtung z ein ruhendes Fluid befindet schlagartig auf die konstante Geschwindigkeit Uoo gebracht. Durch den Reibungseinfluss wird das iiber der Platte befindliche Fluid mit fortschreitender Zeit in Bewegung versetzt. Die Verifikationsziele sind die korrekte Ermittelung des Ausbreitungsgesetzes der Grenzschichtdicke in Form einer Ahnlichkeitslosung fiir die Geschwindigkeitsverteilung und die damit verbundene Zeitechtheit. Die Ergebnisse der numerischen Berechnung werden mit der Ahnlichkeitslosung in Abbildung 5.9 (tJbungsbuch Stromungsmechanik Kapitel 3.4, 2006) vergHchen. Die Plattengeschwindigkeit zum Zeitpunkt t = 0 betragt Uoo = 20 m/s. Das berechnete dimensionslose Geschwindigkeitsprofil stimmt mit der analytischen Losung iiberein. Damit ist die Zeitgenauigkeit der Software nachgewiesen. Laminare Karmansche Wirbelstrafte Die Analyse der Zeitgenauigkeit der Software wird erganzend mit der laminaren Zylinderumstromung verifiziert. Dabei wird fiir die laminare Stromung eine mit dem Zylinderdurchmesser gebildete Reynolds-Zahl von Reo = 500 vorgegeben. Das Medium ist Luft mit der Temperatur Too = 293 K. Die Abbildung 5.10 zeigt die Momentaufnahme der Geschwindigkeitsverteilung und den zeitlichen Verlauf der ix-Komponente der Geschwindigkeit fiir die laminare Karmansche Wirbelstrafie im Vergleich zu der turbulenten Karmanschen Wirbelstrafie bei der Reynolds-Zahl Ren = 1.4 • 10^. Die berechnete Strouhal-Zahl Str = f • D/Uoo = 0.22 stimmt mit dem experimentellen Wert Str = 0.20 — 0.22 fiir die laminare Karmansche Wirbelstrafie iiberein. Der Widerstandsbeiwert berechnet sich in tJbereinstimmung mit dem Experiment zu c^ = 1.3. Damit ist der Nachweis der Zeitgenauigkeit der Software sowie der Widerstandsberechnung fiir die instationare Umstromung des Zylinders erbracht.
0
0.2
0.4
0.6
u/[/oo
1.0
Abb. 5.9: Geschwindigkeitsprofil der instationaren Plattengrenzschicht
378
5 Stromungsmechanik
Software
Turbulente Karmansche Wirbelstrai^e Mit der turbulenten Zylinderumstromung wird der Einfluss unterschiedlicher Turbulenzmodelle fiir instationare Stromungen aufgezeigt. Dabei wird eine Reynolds-Zahl von Reo = 1.4 • 10^ vorgegeben. Es werden verschiedene Zweigleichungs-Turbulenzmodelle fiir die instationare turbulente Stromung erprobt. Es zeigt sich, dass das Standard K-e-Turbulenzmodell aufgrund der vorausgesetzten Isotropie fiir die Berechnung der turbulenten Wirbelablosung nicht geeignet ist. Aus diesem Grund wird das quadratische K-e-Turbulenzmodell verwendet. Fiir den Turbulenzgrad wird Tuoo = 0.5 % und fiir das turbulente Langenmafi loo = 0-01 vorgegeben. Der berechnete Widerstandsbeiwert von Cw = 1.3 ist in Ubereinstimmung mit dem Experiment. Die berechnete Strouhal-Zahl Str = 0.235 ist 10 % grower als der experimentelle Wert Str = 0.2. Das liegt darin begriindet, dass der Ubergang von der laminaren Grenzschicht auf der Zylinderoberflache (siehe Kapitel 2.4.6) in den turbulenten Nachlauf vom quadratischen Turbulenzmodell nicht richtig modelliert wird. Die Berechnung der Wirbelstrafie bei der Reynolds-Zahl RCD = 5.25 • 10^ im Ubergangsbereich zur turbulenten Grenzschicht auf dem Zylinder ergibt iibereinstimmen der Werte der Strouhal-Zahl von Str = 0.21.
1.8
1.45
Momentaufnahme der Isotachen «/t4i 1 0.2 0.1
A A A
0 '
\
/
\
A /
\
/
\
. V V V' V '
laminar, i^e^ = 500
turbulent, Re^ = 1.4 • 10 "^
Abb. 5.10: Laminare und turbulente Karmansche Wirbelstrafie
379
5.2 Trainingskurs
Kugelumstroraung Die Verifikation der Software fiir die instationare Umstromung dreidimensionaler Korper erfolgt am Beispiel der Kugelumstromung, die in Kapitel 2.4.6 beschrieben ist. Bei der gewahlten Reynolds-Zahl von RCD = 5.25-10^ lost die Grenzschicht auf der Kugel transitionell ab und geht iiber einen Transitionsprozess in den turbulenten Nachlauf iiber. Deshalb bietet es sich an, die laminare Umstromung der Kugel bis zur Abloselinie mit den Navier-Stokes-Gleichungen und der Finite-Volumen-Methode zu berechnen und im turbulenten Nachlauf die in Kapitel 3.2.4 beschriebene Grobstruktursimulation der periodisch ablosenden turbulenten Ringwirbel anzuschliefien. Eine andere Moglichkeit der Berechnung bietet das zeitgenau Losen der ReynoldsGleichungen und die Anpassung eines geeigneten Turbulenzmodells. Fiir die Berechnung der Kugelumstromung werden das nichtlineare Low Reynolds-Zahl K-e- und Kcj-Turbulenzmodell ausgewahlt. Im laminaren Bereich der Grenzschichtstromung auf der Kugel wird bei der Reynolds-gemittelten Simulationsrechnung der vorgegebene Turbulenzgrad Tu^o = 1 % und die charakteristische Turbulenzlange /QO = 0.1 beibehalten. Das Rechennetz besteht aus 2.9 • 10^ Gitterpunkten.
u =1,0
u =0,85
0°
45°
90°
135°
180° cp
Isotachen
Druckbeiwert auf der Oberflache der Kugeln
Isoflachen der Quadrupol-Schallquellen
Stromlinien
quasistationare Stromungssimulation A b b . 5.11: Kugelumstromung, Reo = 5.25 • 10^
380
5 Stromungsmechanik
Software
Die Abbildung 5.11 zeigt die berechnete Druckverteilung in azimutaler Richtung auf der Kugel in Ubereinstimmung mit experimentellen Werten sowie die berechneten Isotachen und Stromlinien. Im Windkanalexperiment wird die Kugel mit einem Stab im Nachlauf gehalten. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die Stromungsablosung auf der Kugel vom quadratischen K-e-Turbulenzmodell zu spat und vom K-cj-Turbulenzmodell zu friih vorhergesagt werden. Dies fuhrt zu Abweichungen der Druckverteilung auf der Riickseite der Kugel. 1st man lediglich an den integralen Beiwerten der instationaren Kugelumstromung interessiert, besteht auch die Moglichkeit ohne zeitgenaue Auflosung direkt die quasistationare Losung zu ermitteln. Diese Ergebnisse sind in der Abbildung 5.11 dargestellt. Erganzend sind die aus der quasistationaren Losung ausgewerteten Isoflachen der QuadrupolSchallquellen gezeigt. Insofern konnen je nach Aufgabenstellung fiir die Berechnung der Umstromung dreidimensionaler Korper die beschriebenen drei unterschiedlichen numerischen Modelle angewandt werden. Aeroakustik der Kugelumstromung Das Schallfeld umstromter Korper kann sowohl aus der quasistationaren Losung als auch aus der instationaren Losung der Reynolds-Gleichungen ausgewertet werden. Die Auswertung der Schallquellen basiert auf akustischen Modellgleichungen {K. Debatin 1999), die in diesem Lehrbuch nicht behandelt werden. Bei der Berechnung aeroakustischer Schallquellen wird eine Formulierung gewahlt, die zwischen der Storungsausbreitung und den aeroakustischen Schallquellen unterscheidet. Die Quellterme der akustischen Modellgleichungen zeigen Anteile der zeitlich gemittelten Stromung, die Fluktuationsanteile der Turbulenz sowie Mischterme der beiden Anteile. Dabei lassen sich die Schallquellen auf Monopol-, Dipol- und Quadrupol-Schallquellen zuriickfiihren. Die Losung der ReynoldsGleichungen ermoglicht die Auswertung der Quadrupolquellen, die den Scherschichtlarm beschreiben. In Abbildung 5.11 sind die Isoflachen der Quadrupol-Schallquellen fiir die Umstromung der Kugel bei der Reynolds-Zahl Reo = 5.25 • 10^ dargestellt. Der Einfluss der Turbulenz wird dabei mit statistischen Modellen beriicksichtigt. Um jedoch die Wirkung der Monopol- bzw. Dipolquellen sowie die Schallausbreitung zu beriicksichtigen, ist eine direkte Simulation der Schwankungsgrofien der Losungen der Navier-Stokes-Gleichungen erforderlich. Eine direkte numerische Simulation (DNS) liefert hierfiir zwar den gesamten Langen- bzw. Energiebereich der turbulenten Kugelumstromung, allerdings verbunden mit einem grofien Rechen- und Diskretisierungsaufwand. Da das akustische Feld jedoch ohnehin durch die grofien Skalen der Wirbelablosung der Kugelumstromung (siehe Kapitel 2.4.6) bestimmt wird, kommt eine Detached Eddy Simulation (DES) zum Einsatz. Dieses Hybridverfahren verwendet die Grobstruktursimulation von Kapitel 3.2.4 auch Large Eddy Simulation (LES) genannt, in der eine direkte Berechnung der grofien Turbulenzskalen stattfindet, wahrend die kleinen Turbulenzskalen modelliert werden. Davon wird im folgenden Abschnitt der Aeroakustik der Rohrstromung Gebrauch gemacht.
381
5.2 Trainingskurs
Stationare Innenstromungen Laminare Rohrstromung In diesem Verifikationsbeispiel wird die laminare Rohrstromung in einem Rohr mit der Lange L/D = 50 und dem Durchmesser D betrachtet. Das Rohr ist hydrauhsch glatt. Die Reynolds-Zahl, die mit der mittleren Geschwindigkeit und dem Rohr durchmesser gebildet wird, betragt Reo = 660. Das Medium ist Luft mit der Temperatur Too = 293 K. Verglichen wird mit der analytischen Losung der Hagen-Poiseuille Stromung. Die Abbildung 5.12 zeigt die tJbereinstimmung der numerisch berechneten und analytisch vorhergesagten Geschwindigkeitsprofile. Turbulente Rohrstromung Wie bei der laminaren Rohrstromung wird ein hydraulisch glattes Rohr mit der Lange L/D = 50 betrachtet. Die Reynolds-Zahl wird mit der mittleren Geschwindigkeit und dem Rohrdurchmesser gebildet und betragt Re^ = 1-10^. Als Medium wird Luft mit der Temperatur Too = 293 K verwendet. Der Turbulenzgrad der Anstromung betragt 1 %. Zur Bewertung der numerischen Ergebnisse werden die Geschwindigkeitsprofile mit dem Prandtlschen logarithmischen Wandgesetz verglichen. Die Abbildung 5.12 zeigt wiederum eine Ubereinstimmung der numerisch berechneten und analytisch zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsprofile der turbulenten Rohrstromung. Das Standard K-e-Turbulenzmodell ist fiir die Berechnung der Rohrstromung ausreichend.
L/D =50
0
0.5 U/Umax 1 laminar, Re^ = 660
Abb. 5.12: Laminare und turbulente Rohrstromung
0.5 u/Umax 1 turbulent, Re^= I'lO"
382
5 Stromungsmechanik
Software
Riickwarts geneigte Stufe Das Wiederanlegen von abgelosten turbulenten Stromungen bei negativen Druckgradienten spielt bei vielen stromungsmechanischen Vorgangen mit Stromungsablosung eine wichtige Rolle und ist ein besonders kritischer Testfall fiir die Giiltigkeit der Turbulenzmodelle. Die riickwarts geneigte Stufe ist eine der einfachsten Geometrien, die die Untersuchung des Wiederanlegens der turbulenten Stromung zulasst. Die mit der Stufenhohe H gebildete Reynolds-Zahl betragt Ren = 3.7 • 10^ bei der Temperatur Too = 293 K. Die berechneten zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsprofile stimmen entsprechend der Abbildung 5.13 sehr gut mit den experimentellen Werten iiberein. Auch hat die Variation des logarithmischen Wandgesetzes keinen nennenswerten Einfluss. Dennoch variiert der berechnete Wiederanlegepunkt zwischen x/H = 5.4 und 6.1, je nachdem welches Turbulenzmodell verwendet wird. Dabei macht es kaum einen Unterschied ob das Standardoder nichtlineare quadratische K-e-Turbulenzmodell verwendet wird. Die Zweigleichungs-
x/H =2
0.2
0
0.5
u/Uo, 1
zeitlich gemittelte Geschwindigkeit
0.02
0.04
.
0.04
j^,Arr2^
turbulente kinetische Energie
Abb. 5.13: Turbulente Stromungsablosung hinter einer riickwarts geneigten Stufe, RCH 3.7-10^
5.2 Trainingskurs
383
Turbulenzmodelle basieren auf der Boussinesq-Annahme und der Isotropic der turbulenten Viskositat. In abgelosten Stromungen ist diese Isotropieannahme jedoch verletzt. Axialverdichter Die Auslegung einer Verdichterschaufel erfolgt im Allgemeinen in einem Gitterkanal in dem die Schaufelprofile optimiert werden. Ein solches Axialverdichter-Profil dient als Verifikationsbeispiel fiir die Auslegung und Nachrechnung von Einzelkomponenten einer Stromungsmaschine. Die Reynolds-Zahl betragt RCL = 3.5-10^. Der Anstromwinkel des Profils wird Pi = 44° gewahlt. Eine kritische Verifikationsgrofie ist der mit dem Standard-K-eTurbulenzmodell berechnete Abstromwinkel (32 des Profils. Die Auslegung wurde mit einem Abstromwinkel (32 = 32.8° durchgefiihrt. Berechnet wird in guter Ubereinstimmung mit dem Experiment (32 = 33.12°. Die Abbildung 5.14 zeigt dariiber hinaus, dass die berechneten und gemessenen Druckverteilungen auf der Ober- und Unterseite des Profils iibereinstimmen. Radialpurape Die Verifikation der Software im rotierenden System einer Stromungsmaschine erfolgt fiir das Laufrad einer Radialpumpe. Das Laufrad in einem Segment der mehrstufigen Radialpumpe hat sieben Schaufeln, das nachfolgende Laufrad 11 Schaufeln. Der Volumenstrom im Auslegepunkt betragt V = 9.2 • 10~^ m^/s bei einer Auslegungsdrehzahl von n = 49.2 s~^. Die mit der Umfangsgeschwindigkeit am Austrittsradius und dem Aufiendurchmesser gebildete Reynolds-Zahl betragt Reo = 1.4 • 10^. Im Ubergang zwischen Laufrad und Leitrad werden die Eingangs-Stromungsgrofien von den Stromungsgrofien am Laufradaustritt iibernommen. Die Berechnung erfolgt mit dem Standard-K-eTurbulenzmodell. Der Vergleich mit experimentellen Ergebnissen zeigt, dass das vereinfachte Ubergangsmodell zwischen Laufrad und Leitrad berechtigt ist. Fiir die Bewertung der Radialpumpe ist der integrale Wirkungsgrad die entscheidende Grofie. Die Abbildung 5.15 zeigt, dass der berechnete und gemessene Wirkungsgrad im Auslegepunkt beim Volumenstrom
Abb. 5.14: D ruck vert eilung eines Axialverdichter-Profils, RCL = 3.5-10^
384
5 Stromungsmechanik
Software
1
0.5
0.05
0.09
0.07
V/(m Vs)
Abb. 5.15: Wirkungsgrad einer Radialpumpe, RCD = 1.4 • 10^
V = 9.2 • 10 ^ m^/s iibereinstimmen. Abweichungen ergeben sich bei geringeren Volumenstromen.
Konvektionsstroraung Die thermische Zellularkonvektion in einem von unten beheizten rechteckigen Behalter dient als Verifikationsbeispiel einer laminaren Innenstromung mit Warmeiibergang. Die charakteristische dimensionslose Kennzahl ist die Rayleigh-Zahl. Sie betragt RaL = 5400, die Prandtl-Zahl des Fluids Proo = 1000 und die geometrische Ausdehnung des rechteckigen Behalters x/y/z = 10/4/1. Die Abbildung 5.16 zeigt die berechnete periodische dimensionslose Temperaturverteilung im Mittelschnitt des kubischen Behalters im Vergleich mit den experimentellen Ergebnissen. Die Anzahl der Konvektionszellen wird von der numerischen Berechnung richtig wiedergegeben. Die Abweichungen in der Temperaturverteilung werden eher der Genauigkeit
1
0.8 T
L Z* \# 0.6 L / V
•/ \* •/ \*
/ / •
0.4 0.2 0
2
4
x/L
Abb. 5.16: Temperaturverteilung der thermischen Zellularkonvektion, RaL = 5400
385
5.2 Trainingskurs
des Experiments zugeordnet und bewegen sich insbesondere in der Nahe der Behalterwand innerhalb der tomografischen Messgenauigkeit. Zusatzlich ist bei der numerischen Berechnung zu beachten, dass bei gleicher Rayleighund Prandtl-Zahl unterschiedliche Verzweigungslosungen existieren die zwar mathematisch moglich sind, sich aber im Experiment bei konstanter Anlaufbedingung nicht einstellen. Hier ist zu empfehlen, dass man bei der Berechnung der dreidimensionalen Zellularkonvektion von einer zweidimensionalen Anfangsverteilung ausgeht um die Temperaturverteilung der Abbildung 5.16 zu erhalten. MHD-Stromung Magnetohydrodynamische MHD-Stromungen, die durch die Wechselwirkung elektrisch leitender Fluide wie z. B. fliissige Metalle mit einem Magnetfeld B gekennzeichnet sind, spielen bei vielen metallurgischen Prozessen eine wichtige Rolle. Die Kenntnis von magnetohydrodynamischen Stromungen ist auch fiir die Entwicklung eines Fusionsreaktors von entscheidender Bedeutung, wo das Reaktorplasma von einem star ken Magnetfeld gehalten wird und fliissige Metalle fiir die Produktion von Tritium benutzt werden. Ein Veriflkationsbeispiel ist die ausgebildete MHD-Stromung im Rechteckkanal der dimensionslosen Tiefe 2 und der Hohe 0.5. Die dimensionslose Kennzahl ist die Hartmann-Zahl Ha = L ' B ' y^cr/{p • z/), mit der charakteristischen Lange L = 1, dem Magnetfeld B und der elektrischen Leitfahigkeit des Fluides a. Sie beschreibt den Einfluss des Magnetfeldes auf die Kanalstromung. Fiir grofie Hartmann-Zahlen bildet sich eine elektromagnetische Grenzschicht an den Kanalwanden aus, deren Ausdehnung in Abbildung 5.17 skizziert ist. Es gilt wie bei der Reibungsgrenzschicht das Rechennetz in der Hartmann-Grenzschicht entsprechend zu verfeinern. Das berechnete Geschwindigkeitsprofll zeigt im Vergleich mit der analytischen Losung, dass sich an der Seitenwand aufgrund der Hartmann-Grenzschicht ein Maximum der Geschwindigkeit einstellt. In der Kernstromung bildet sich eine reibungsfreie Stromung aus,
t^ 1 Z
3 I^Ha~
Ha
-1
U/UQ
2 5s ~ Ha~
Kernsti omung
__i T
*" 1
J
-
^
2L Hartmann Grenzschicht b^^, b^
V
0
0.7
0.8
Abb. 5.17: MHD-Stromung in einem Rechteckkanal, Ha = 500
0.9
y/L
386
5 Stromungsmechanik
Software
in der sich die elektromagnetischen Krafte und die Druckkraft im Gleichgewicht befinden. Die Rechnung zeigt, dass die Geschwindigkeit im Kernbereich konstant ist und sich nicht entlang der Magnetfeldlinien andert. Mit 25 bis 30 Gitterpunkten in den HartmannGrenzschichten erhalt man eine sehr gute Ubereinstimmung zwischen der analytischen und numerisch berechneten Losung.
Instationare Innenstromungen Pulsierende Rohrstromung Die Verifikation der Software fur die Berechnung der pulsierenden laminaren Stromung z. B. in Adern oder der Aorta erfolgt mit der ausgebildeten pulsierenden Rohrstromung mit dem Durchmesser der Aorta D = 2.2 - 10~^ m. Dabei wird der analytischen HagenPoiseuille-Stromung eine Sinusschwingung iiberlagert. Die mittlere Reynolds-Zahl betragt RCD = 3600 und die Schwingungsfrequenz uu = 8.3 5~^, die einem Pulsschlag von 80 pro Minute angepasst ist. Fiir die pulsierende Blutstromung wird eine effektive Zahigkeit von /iefT = 5.5 • 10~^ kg/{ms) angenommen. Die Abbildung 5.18 zeigt den periodischen Anteil einer Periode der berechneten momentanen Geschwindigkeitsprofile im Rohr ohne den stationaren Anteil der Hagen-PoiseuilleStromung, der mit der analytischen Losung iibereinstimmt. Elastische Rohrstromung Die Adernwande verformen sich elastisch mit dem Einfluss des periodischen Stromungspulses. Deshalb muss das Verifikationsbeispiel der pulsierenden Rohrstromung um die Stromungs-Struktur-Kopplung mit bewegten Rechennetzen erganzt werden. Fiir die pulsierende elastische Rohrstromung der Wandstarke d wird zusatzlich die Bewegungsgleichung der Strukturmechanik (siehe H. Oerteljr. Prandtl - Filhrer durch die Stromungslehre
A r/R 1
5^
44
11
1
i
^
• • •
••
{
1
i-
V
0.01
1
,
0.01 < •0.02
Z_ 4 1—•—a-i
-1( CO r = 0
I 1
CO r = 7 i / 4
1
1
0.01
i 1 ^
1
0.02
0.01
i
L
i
CO r = 7 i / 2
1
I 1 •0.02 • • •
•
CO r = 3 / 4 71
\
1
1
,
-0.01
^
i > 1
! CO ? =71
Abb. 5.18: Periodischer Anteil der Geschwindigkeitsprofile der pulsierenden Rohrstromung, Rei) = 3600
387
5.2 Trainingskurs
r/R • •-
0.01
T 0.02
0.01
• 1
0.01
S~~
*"^S
-^-^
•
Starr elastisch
I •
0.04
,K CO
t=0
od t =n
/4
od t =n
/2
CO r = 3 / 4 71
CO ? =71
Abb. 5.19: Periodischer Anteil der Geschwindigkeitsprofile der pulsierenden elastischen Rohrstromung, Ren = 3600 2007, Kapitel 12.4.1) gelost. Die elastische Rohrwand wird als diinn d/D
388
5 Stromungsmechanik
Betrag der Geschwindigkeit
^
Software
projizierte Stromlinien
i
171 1,2
W Einstromvorgang
0,6
•v::;
Ausstromvorgang Experiment
Simulation
Abb. 5.20: Stromung im Mo dell vent rikel des menschlichen Herzens, RCD = 3690, To 1.12 s dells und der Herzklappenmodelle als validiert. Das Geometriemodell, das zeitabhangige Rechennetz und eine ausfiihrliche Darstellung der Ergebnisse finden sich unter der Internet adresse des Trainingskurses.
Staukorper Als Verifikationsbeispiel fiir eine turbulente instationare Innenstromung wird die dreidimensionale Umstromung eines Staukorpers in der Rohrstromung gewahlt. Der Staukorper der Abbildung 5.21 wird von einer ausgebildeten turbulent en Rohrstromung angestromt. Das Durchmesserverhaltnis von Rohr zu Staukorper betragt D/d = 3.6. An der Rohrwand bildet sich um den Staukorper ein Hufeisenwirbel, der in die periodische Wirbelablosung im Nachlauf des Staukorpers iibergeht. Die Stromungsberechnung wird mit dem nichtlinearen low Reynolds K-e-Turbulenzmodell mit hybridem Wandgesetz und einer entsprechenden Netzverfeinerung in den Wandgrenzschichten durchgefiihrt. Es wird in der ausgebildeten Rohrstromung ein Turbulenzgrad von Tuoo = 5 % und die Turbulenzlange / = 0.01 m vorgegeben. Die Abbildung 5.21 zeigt den konstanten Wert der Strouhal-Zahl von Str = 0.237 in Abhangigkeit der Reynolds-Zahl. Die geringfiigige systematische Abweichung zwischen Simulationsrechnung und Experiment hegen innerhalb der Messfehlertoleranz von 5 %.
389
5.2 Trainingskurs
Str 0.25 • •
• • •
•
0.20
3
Re^lW
Abb. 5.21: Staukorper in der Rohrstromung
Aeroakustik der Rohrstromung mit Blenden Die Kenntnis der Entstehung und Ausbreitung stromungsmechanisch erzeugten Schalls in Rohrleitungssystemen ist bei der Auslegung der Klimatisierung von Gebauden, Kraftfahrzeugen und Flugzeugen ein entscheidendes Entwicklungsziel im Hinblick auf die Reduzierung aeroakustischer Schallquellen. Die Rohrstromung mit zwei Blenden wird als Verifikationsbeispiel der kommerziellen Software und der Lokahsierung der SchallqueUen gewahh.
Abb. 5.22: Aeroakustik der Rohrstromung mit Blenden
390
5 Stromungsmechanik
Software
In Abbildung 5.22 ist die geometrische Anordnung sowie das Ergebnis der Grobstruktursimulation (siehe Kapitel 3.2.4) dargestellt. Das durchstromte Rohr hat einen Durchmesser von D = 5 ' 10~^ m mit der Reynolds-Zahl RCD = 1.7 • 10^ bei der mittleren Geschwindigkeit u^ = 5 m/s. Der Innendurchmesser der Blenden betragt DB = 2.8 • 10~^ m. Die Blenden erzeugen jeweils eine periodische Wirbelablosung, die die gezeigten Frequenzspektren der Schallausbreitung verursachen. Es werden die turbulente kinetische Energie K = 0.1 und die turbulente Lange I = 0.1 • D vorgegeben. In Abhangigkeit des Abstandes L der beiden Lochblenden stellt sich nach dem Ablosen der Stromung an der ersten Lochblende eine charakteristische Interaktion und Reflexion mit der zweiten Lochblende ein. Neben dem klassischen Quadrupol-Rauschen der Scherstromung kommt hierbei auch eine tonale Komponente zum Vorschein. Abbildung 5.22 zeigt iiir L = D eine Momentaufnahme der Stromlinien im Rohrmittelschnitt. Zur weiteren aeroakustischen Auswertung wird an drei charakteristischen Stellen ein Frequenzspektrum des Druckes gezeigt. Ein Auswertungsort befindet sich dabei zwischen den Lochblenden. Die beiden anderen Auswertungsorte befinden sich im Abstand D vor der ersten bzw. nach der zweiten Querschnittsverengung. Die mit der Grobstruktursimulation ausgewerteten Frequenzspektren sind in Ubereinstimmung mit den im Experiment gemessenen Spektren.
391
5.3 Anwendungsbeispiele
5.3
Anwendungsbeispiele
Zum Abschluss beschreiben wir Anwendungsbeispiele von Nachrechnungen mit kommerzieller Stromungsmechanik Software, die bei der Durchfiihrung von Industrieprojekten zum Einsatz kommt. Entsprechend der durchlaufenen Verifikationsbeispiele behandeln wir zunachst praktische Anwendungsbeispiele von Urastroraungen. Transsonischer Tragfliigel mit B u m p Bereits in Abbildung 4.44 haben wir eine Finite-Volumen-Losung der Favre-gemittelten Grundgleichungen fiir den transsonischen Tragfliigel gezeigt. Wie wir im Kapitel 1 ausgefiihrt haben, ist das Entwicklungsziel beim Tragfliigel eines Verkehrsflugzeuges bei einem vorgegebenen Auftriebsbeiwert c^ einen moglichst geringen Widerstandsbeiwert c^ zu erzielen. Zunachst denkt man daran, die laminare Lauflange der Grenzschicht auf dem Fliigel zu vergrofiern. Dies fiihrt zu transsonischen Laminarfliigeln mit einem maximalen Pfeilwinkel von etwa ^ = 20°. Die Stabilitatsanalyse (siehe E. Oerteljr., J. Delfs 1996, 2005) zeigt jedoch, dass bei realistischen Pfeilwinkeln der Verkehrsflugzeuge von etwa ^ = 30° der Laminarisierungseffekt aufgrund des Auftretens so genannter Querstromungsinstabili-
Rechennetz, 1.2-10 Gitterpunkte
Isotachen, y/s =0.66 Mo = 0.96
Abb. 5.23: Transsonischer Tragfliigel mit Konturanderung (Bump)
392
5 Stromungsmechanik
Software
taten in den dreidimensionalen Grenzschichten verloren geht. Insofern ist man gezwungen nach anderen Mafinahmen der Widerstandsreduzierung zu suchen. Eine Moglichkeit ist der so genannte adaptive Fliigel, der sich dem jeweiligen Flugzustand optimal anpasst. Eine andere Moglichkeit ist die Bump, eine Konturveranderung der Fliigeloberflache im Stofibereich, die die Stofi-Grenzschicht-Wechselwirkung auf dem Fliigel derart beeinflusst, dass eine Widerstandsreduzierung bis zu 9 % moglich wird. Die Abbildung 5.23 zeigt die Wirkungsweise einer solchen Konturveranderung auf dem Fliigel. Zunachst ist das Rechennetz um einen Airbus A 320 Modellfliigel mit 1.2 • 10^ Netzpunkten gezeigt. Die Anstrom-Mach-Zahl betragt M^o = 0.78, die Reynolds-Zahl RCL = 26.6 • 10^, der Anstellwinkel a = 2° und der Pfeilwinkel ^ = 20°. Die Losung ohne Konturveranderung entspricht den Ergebnissen der Abbildung 4.44. Mit Konturveranderung zeigt der Ausschnitt der Losung im Stofi-Grenzschicht-Wechselwirkungsbereich, dass der Stofi auffachert und sich das grau schattierte Nachexpansionsgebiet einstellt. Dabei wird die Kontur im Bereich des Verdichtungsstofies derart verandert, dass die Aufwolbung der Stromlinien der Beeinflussung mit einer Druck-Ausgleichskammer vor und hinter dem Stofi entsprechen. Durch die Konturveranderung im Stofibereich wird aufgrund der Nachexpansion die Ablosetendenz verringert. Die Grenzschichtdicke wird reduziert und aufgrund der Auffacherung des Stores gleichzeitig der Wellenwiderstand verringert. Insgesamt erhalt man die gewiinschte Widerstandsreduzierung. Kraftfahrzeugumstromung Eine Basislosung der inkompressiblen Kraftfahrzeugumstromung wurde bereits in Abbildung 4.45 ohne Beriicksichtigung von Anbauten wie z. B. dem Spiegel gezeigt. Der Spiegel ist jedoch von Interesse, wenn es um die Aeroakustik des Kraftfahrzeuges geht. Aufgrund der Spiegelumstromung entstehen Gerauschanteile, die sich an der Seitenscheibe konzentrieren. Sie werden zum einen in das Fernfeld und zum anderen iiber die Seitenscheibe, und die Tiirdichtung in den Fahrgastraum des Fahrzeuges iibertragen. Die Abbildung 5.24 zeigt die CAD-Geometrie des Kraftfahrzeuges sowie die Prinzipskizze der Spiegel-Nachlaufstromung. In der Nahe der Kraftfahrzeugoberflache bildet sich aufgrund der Haftbedingung an der Wand ein Hufeisenwirbel aus. Oberhalb des Hufeisenwirbels erhalt man an der Abrisskante des Spiegels Scherschichten, die in die Riickstromung hinter dem Spiegel und die Nachlaufstromung stromab des Sattelpunktes iibergehen. In den Scherschichten des Hufeisenwirbels und der Nachlaufstromung entsteht ein hoher Schallpegel, dessen Ubertragung in den Fahrgastraum storend wirkt. Die numerische Berechnung der Spiegelumstromung erfolgt mit 3.2 • 10^ Gitterpunkten, der Anstromgeschwindigkeit von 140 km/h und der Reynolds-Zahl Reo = 5 • 10^. Von der Zylinderumstromung weifi man, dass bei der Reynolds-Zahl von 5 • 10^ keine dominante Ablosefrequenz der Karmanschen Wirbelstrafie auftritt. Die numerische Rechnung und die Experimente bestatigen diesen Sachverhalt fiir den Spiegel-Halbzylinder. In Abbildung 5.24 sind die aus der numerischen Rechnung ausgewerteten lokalen Schallpegel in zwei Ebenen senkrecht und horizontal zum Spiegel im Vergleich mit experimentellen Ergebnissen dargestellt. Die Messung der lokalen Schallquellen erfolgt dabei mit der aeroakustischen Holografie. Man erkennt deutlich, dass die hohen Schallpegel in den bereits diskutierten Scherschichten und als Quellanteile der Gestaltanderung der mittleren Stromung auftreten, die insbesondere im Sattelpunktbereich der Nachlaufstromung zu erkennen sind.
393
5.3 Anwendungsbeispiele Position der Ruckspiegel
Hufeisenwirbel
Scherschicht
Sattelpunkt Instabilitat CAD-Geometrie, Mercedes Benz CLK
Ruckstromgebiet
Prinzipskizze der Spiegel-Nachlaufstromung
niedriger Schallpegel
I
hoher Schallpegel
i Experimenteller Schallpegel
i i Numerisch berechneter Schallpegel
A b b . 5.24: Aeroakustik eines Kraftfahrzeug-Spiegels
Verfiigt m a n iiber die numerische Losung der Kraftfahrzeugstromung fiir die Aufien- und Innenstromung konnen aus den Detaillosungen z. B. im Radkasten, an Spoilern bzw. im Fahrgastraum lokale Schallquellen ausgewertet werden, die den akustischen und klimatischen Komfort mitbestimmen. Die Kenntnis der Stromungsstruktur im Nachlauf des Kraftfahrzeuges ermoglicht die Vorhersage der Verschmutzung des Kraftfahrzeughecks (siehe Abbildung 5.25).
Helmaerodynamik Die Berechnung der Umstromung eines Motorradfahrers mit Helm (siehe Abbildung 5.26) erfordert einen hohen Detaillierungsgrad der Erstellung der Rechennetze. Insbesondere die Auflosung der Umstromung der Kopf- und Halspartie des Fahrers fordern die automatisierten Rechennetzgeneratoren der kommerziellen Software her aus, die fiir dieses
394
5 Stromungsmechanik
Software
Anwendungsbeispiel eine manuelle tJberarbeitung erfordern. Im Nachlauf des Motorradfahrers bildet sich ein Hufeisenwirbel im Bereich zwischen Hals und Helm, der das Nachlaufgebiet zwischen Helm und Fahrer unterteilt. Helmspoiler haben den Vorteil der fixierten Ablosung. Damit bildet der Helm auch in Grenzbereichen eine fixierte Nachlaufstruktur aus. Berechnet man den Helm ohne Spoiler zeigen die Ergebnisse, dass unterschiedliche Turbulenzmodelle bei glatten Helmkonturen unterschiedliche Positionen der Abloselinie hervorrufen. Das nichtlineare K-cj-Turbulenzmodell in low Reynolds-Zahl-Formulierung wird entsprechend des Verifikationsbeispiels der Kugelum-
Nachrechnung
Windkanalexperiment
f Heckspoiler (Isoflachen des Totaldrucks)
,,...«—••••^^
Stromungsstruktur im Radhaus
Heckverschmutzung
.' • • • " ' S l i d , . , - : ' ' '
Klimatisierung des Fahrgastraumes
A b b . 5.25: Detaillosungen der Kraftfahrzeugstromung
395
5.3 Anwendungsbeispiele
Rechennetz, 3,6-10 Gitterpunkte
Isoflachen des Totaldruckes
Abb. 5.26: Motorradumstromung mit Fahrer und Helm stromung immer zu einer konservativen Aussage, also zu einer friiheren Ablosung fiihren. Das K-e-Modell berechnet eine spatere Ablosung. Mit Helmspoiler ist die Stromungsablosung fixiert und die unterschiedlichen nichtlinearen Turbulenzmodelle fiihren zu der gleichen fixierten Abloselinie. Lediglich bei der falschen Wahl der Spoilergeometrie kommt es zum Wiederanlegen der Stromung auf dem Helm, was entsprechend dem Verifikationsbeispiel der riickwarts geneigten Stufe zu unterschiedlichen Anlegelinien fiihrt. Das Anwendungsbeispiel der Motorradhelmaerodynamik macht dem Nutzer kommerzieller Stromungsmechanik-Software besonders anschaulich deutlich, welchen Einfluss die Generierung der Rechennetze und die Auswahl der Turbulenzmodelle auf die Stromungsstruktur des Nachlaufs und die Berechnung der integralen aerodynamischen Beiwerte haben. Es folgen Anwendungsbeispiele von Innenstromungen, die erfahrungsgemafi mit einem grofieren Aufwand zu berechnen sind, sofern die Behandlung bewegter Rechennetze im rotierenden System erforderlich werden. Coriolis-Drehratensensor Um in der Kraftfahrzeugtechnik Kippbewegungen von Kraftfahrzeugen ausgleichen zu konnen, wird die Messung der CorioUs-Kraft mit Mikro-Bewegungssensoren in ESPSystemen genutzt. Der Sensor besteht aus einem abgeschlossenen Behalter der Hohe
396
5 Stromungsmechanik
Software
240 iJ.m, in dem Finger im Mikrometerbereich gegeneinander mit der Frequenz / oszillieren. Dabei entsteht eine instationare Spaltstromung deren Stromungsverluste moglichst gering gehalten werden sollen. Also wird der Umgebungsdruck der periodisch oszillierenden Finger bis in den gaskinetischen Bereich abgesenkt. Die mit der Spalthohe H gebildete Ren ist so gering, dass sich dennoch die Haftbedingung an der Fingerwand einstellt. Im Verlauf der Nutzungsdauer des Bewegungssensors wird aufgrund der Ausgasungen der Druck im abgeschlossenen Sensorbehalter kontinuierlich ansteigen und sich die Dampfungscharakteristik des Bewegungssensors verschlechtern. Die Abbildung 5.27 zeigt die Momentaufnahme der Geometrie und des bewegten FiniteVolumen-Rechennetzes mit 8.5 • 10^ Gitterpunkten fiir einen Ausschnitt des Bewegungssensors. Die Spalthohe zwischen den oszillierenden und ruhenden Fingern betragt H = 2.7 /j.m. Bei der Oszillationsfrequenz / = 1450 s~^ ergibt sich die Reynolds-Zahl der Spaltstromung Ren = 0.01 bei einem Druck p = 0.01 bar. In Abbildung 5.27 sind die Isotachen in zwei Schnitten um die Vorder- und Hinterkante des mittleren oszillierenden Fingers zu einem vorgegebenen Zeitpunkt dargestellt. Man erkennt die dreidimensionale Umstromung der Vorderkante. In den Spalten zwischen den ruhenden und bewegten Fingern stellt sich die bekannte Spaltstromung ein. Die Dampfungskraft D setzt sich aus
oszillierende Finger
•I
Rechennetz, 8.5 -10 Gitterpunkte
I..
Geometrie
zAi-0.5
z/h=0.9
1
Dampfung D
t/T
U/UQ=0.9
U/UQ
Isotachen
Abb. 5.27: Spaltstromungen eines oszillierenden Coriolis-Drehratensensors
=0.4
397
5.3 Anwendungsbeispiele
den bekannten Anteilen der Druck- und Reibungskraft zusammen, die fiir eine Periode T dargestellt sind.
Dr ehschieb erpurap e Die Funktionsweise einer Drehschieberpumpe beruht darauf, dass wahrend der Drehbewegung die Lage des Schiebekolbens so verandert wird, dass die einzelnen mit Fluid gefiillten Kammern ihr Volumen von 0° bis 180° Drehwinkel beim Uberstreichen der Einlassschlitze kontinuierlich vergrofiern und nach Durchlaufen des Einlassschlitzes das Volumen kontinuierlich verkleinern bis das komprimierte Medium am Auslassschlitz austritt. Beim Durchlaufen des Kompressionsspaltes erhoht sich der Druck und die Temperatur des zu fordernden Fluids. Die Abbildung 5.28 zeigt die vereinfachte Geometric der Drehschieberpumpe sowie das Rechennetz der Spaltstromung. Es besteht aus einem Einlassring iiber den gesamten Winkelbereich und dem dazugehorigen Auslasselement mit den entsprechenden Winkeln. Das erste Segment hat die angezeigte Startposition, wobei die Zellen, welche iiber den Einlass ragen anfangs ausgeschaltet sind und im Verlauf der Rotation sukzessive zugeschaltet werden. Bei dieser Art der Berechnung wird der Interaktionseffekt durch Nachbarzellen in der Ansaug- und Ausstofiphase nicht beriicksichtigt. Die Netzbewegung wird beginnend mit einer Zellreihe am Einlass um je ein Grad pro Zeitschritt aufgepragt. In den ersten SchritEinlass
bewegtes Rechennetz der Spaltstromung LwScgnicnl Auslass %>??^:.^. .:.^Mfy Temperaturverteilung bei 200°, 260°, 320° Winkelstellung
600 K 360 K Abb. 5.28: Spaltstromung in einer Drehschieberpumpe
398
5 Stromungsmechanik
Software
ten werden sukzessive die Zellschichten aktiviert, bis das ganze Segment in Kontakt mit dem Einlass steht. Im Weiteren bewegt sich das Segment im Uhrzeigersinn bis die eine Zellreihe den Auslassrand erreicht. An diesem Zeitpunkt beginnend werden die Zellschichten sukzessive deaktiviert. In Abbildung 5.28 sind die Temperaturverteilungen bei drei verschiedenen Winkelstellungen des Schiebekolbens dargestellt. Die Einlasstemperatur des Fluids betragt 293 K und die Wandtemperatur der Pumpe 333 K. Im Einlassbereich erfolgt die Wirbelbildung bei der Umstromung des Schiebers. Im Auslassbereich ergibt sich eine jetartige Expansionsstromung in die Kammer. Die Temperatur der komprimierten Stromung im Spalt erhoht sich auf Werte bis zu 600 K und fallt im Expansionsbereich der Auslasskammer wieder stark ab.
Laubgeblase Bei der Auslegung eines Laubgeblases geht es um die aeroakustische Optimierung des Laubgeblases bei gleichzeitiger Optimierung des Volumenstroms. Es wird bei der Neuauslegung eine Schallreduktion um 10 dB bei gleichzeitiger Steigerung des Volumenstroms angestrebt. Dies fiihrt zu einer Neuauslegung des Liifterrades und der Luftfiihrung in der so genannten Spirale (Abbildung 5.29). Fiir die Nachrechnung des Entwurfs wird das rotierende Netz des Laufrades in das ruhende Netz der Luftfiihrung implementiert. Dabei ist die Geometric derart komplex, dass die Netzgenerierung sinnvollerweise in Teilnetze von Einzelgeometrien aufgeteilt wird. Die Abbildung 5.30 zeigt die Teilnetze fiir das Geblase, die Schaufelzustromung, die Schaufeln des Laufrades und die Spirale. Die Netzbewegung des rotierenden Laufrades kann auf zweierlei Weise erfolgen. Zum einen unterteilt man stehende und rotierende Bereiche. In den rotierenden Bereichen werden im mitbewegten Bezugssystem die Zentrifugalund Coriolis-Krafte beriicksichtigt. Das rotierende Bezugssystem (Laufrad) wird mit dem ruhenden Bezugssystem (Spirale) iiber die Randbedingungen an den Schnittstellen gekoppelt. Eine andere Moglichkeit besteht darin, dass das rotierende Netz des Laufrades im ruhenden Netz der Spirale direkt beriicksichtigt wird. Damit werden ohne Anderung
Abb. 5.29: Entwurf des Laufrades und der Spirale des Laubgeblases
399
5.3 Anwendungsbeispiele
Geblasezentrum
Schaufelzulauf
Schaufel
Spirale
A b b . 5.30: Teilnetze der Einzelgeometrien des Laubgeblases
des Bezugssystems der Einfluss der Zentrifugal- und Coriolis-Krafte beriicksichtigt. Die Nachrechnung des Laubgeblases erfolgt mit dem rotierenden Netz des Laufrades und geeignet gewahlten Randbedingungen an den Gleitflachen der rotierenden und ruhenden
= -0.3
A b b . 5.31: Isobar en im Laufrad und der Spirale des Laubgeblases
400
5 Stromungsmechanik
i y
Software
Ergebnis
220
mVh 180
[
j / ^ • ^iel
140 r 100 r 60 3000
y^ 1
# Ist-Zustand 1
5000
1
1
1
7000
1
^^
' Schallquellen
9000
Drehzahl 1/min Volumenstrom
50
60
dB 70
lokale Schallquellen
Abb. 5.32: Ergebnis der Geblaseentwicklung Rechennetze. Als Ergebnis erhalt man z.B. die Druckverteilung im Laufrad und in der Spirale sowie die Reibungsverluste (Abbildung 5.31). Zusatzlich kann man anhand der numerischen Ergebnisse lokale Scherschichten identifizieren, die letztendlich Mitursache fiir die lokale Schallentstehung sind. Das Ergebnis der Nachrechnung ist, dass zwar der Volumenstrom von 120 m^//i auf 180 m^ jh gesteigert werden konnte, dass aber die Schallreduzierung von 10 dB nur mit einer Absenkung der Drehzahl des Motors zu erreichen ist (Abbildung 5.32). Dies fiihrt zu einer Neuauslegung des Laufrades mit der Zielvorgabe den Volumenstrom der geforderten Luft bei der reduzierten Drehzahl erneut um 10 % zu steigern. Zylinderinnenstromung im Motor Ein anderes Anwendungsbeispiel der Kraftfahrzeugtechnik ist die Motor-Innenstromung im Zylinder. Fiir die Berechnung der Motorinnenstromung ist es also erforderlich, in der Ansaugphase die Durchmischung des Luft-Kraftstoff Gemisches, in der Kompressionsphase die Produktion der hohen turbulent en kinetischen Energie, nach der Ziindung die Verbrennung und die Expansionsphase und schUefiUch das Ausstofien der Verbrennungsprodukte physikalisch richtig zu modellieren. Das Problem ist dabei die Isotropieannahme der in den Softwarepaketen eingesetzten Turbulenzmodelle. Diese Voraussetzung ist jedoch im gesamten Zyklus der Zylinderinnenstromung zu keinem Zeitpunkt erfiillt. Letztendhch hilft hier nur die Large-Eddy-Simulation von Kapitel 3.2. Dabei werden die grofien Turbulenzstrukturen direkt berechnet und die turbulente Feinstruktur einschliefilich der Verbrennung modelliert. Eine Einfiihrung gibt das Kapitel Stromungen mit chemischen Reaktionen im Prandtl - Fiihrer durch die Stromungslehre, H. Oertel jr. 2002. Wir berechnen zunachst den Teilbereich der Ansaugphase eines 4 Ventil-Otto Motors. Dabei geht es um die Fragestellung, inwieweit die in der kommerziellen Software imple-
401
5.3 Anwendungsbeispiele
mentierten Turbulenzmodelle die Durchmischung des Luft-Kraftstoff Gemisches richtig wiedergeben. Die Abbildung 5.33 zeigt das Momentbild des Rechennetzes zu einem bestimmten Zeitpunkt der Kolbenbewegung in der Ansaugphase des Motors. Dabei gehen wir von einem mechanisch geschleppten Motor bei geoffneten Ventilen aus. Das Rechennetz wird entsprechend der Kolbenbewegung mit grower werdendem Zylindervolumen kontinuierlich vergrofiert. Es wird Symmetrie in der Mittelebene des Motors vorausgesetzt, so dass zwei Einlassventile beriicksichtigt werden. Fiir die Berechnung der Einlassphase und des Ladungswechsels der Zylinderinnenstromung wurden die Favre-gemittelten Erhaltungsgleichungen und die turbulenten Transportgleichungen der /c-e-Modellierung numerisch gelost. Die Ergebnisse zeigen die fiir die Saugrohreinspritzung typischen koharenten Wirbelstrukturen wie Drall- und Tumble-Stromung wahrend der Ansaugphase bis weit in die Kompressionsphase hinein. Die in Abbildung 5.33 gezeigte turbulente Durchmischung der Einlassstromungen beider Ventile (dunkel und hell dargestellt) zeigt jedoch keine Ubereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen. Der Antrieb fiir den turbulenten Impulsaustausch iiber die mittleren Geschwindigkeitsgradienten der Scherschichten wird in der Berechnung nicht genau genug erfasst. Die Umverteilung der turbulenten kinetischen Energie durch turbulente Diffusion aufgrund von Geschwindigkeits- und Konzentrationsgradienten einerseits und der Wirbelstarkekonzentration in den Hauptwirbeln andererseits wurde numerisch zu gering vorausgesagt. Bis weit in die Kompressionsphase hinein zeigt die numerische Simulation keine wesentliche Vermischung zwischen Frischund Altgas. Dies sind die Auswirkungen der im /c — e-Turbulenzmodell vorausgesetzten Isotropic, die fiir die drallbehaftete Einlass- und Kompressionsphase nicht gegeben ist. Fiir die genauere Berechnung der turbulenten Vermischung ist die Weiterentwicklung der Large-Eddy-Simulation erforderhch.
4^a^^
^i«a*ih.
Rechennetz mit variablen Gitterpunkten
/ Vermischungsfront
Turbulente Vermischung
Abb. 5.33: Turbulente Vermischung in der Ansaugphase eines 4-Ventil-Otto Motors
402
5 Stromungsmechanik
Software
Ventilstromung Die stromungsmechanischen Bauelemente eines ABS-Bremssystems sind neben HydraulikRohrleitungen die Pumpe und das Steuerventil, die die periodische Stotter-Bremskraft eines Kraftfahrzeuges bewirken. Wir behandeln im Folgenden die stationare dreidimensionale Stromung im Ventil bei einer vorgegebenen Ventilstellung. Dabei ist die numerische Berechnung der Kraft auf den Ventilkopf fiir die Dimensionierung der Riickstellkraft von Interesse. Die Geometrie und das Rechennetz des Hydraulikventils sind in Abbildung 5.34 dargestellt. Die Zustromung des Hydraulikfluides kommt von links iiber eine Drosselstelle hinweg durch einen Ringspalt, der durch den beweglichen Teil des Ventils (Schliefikorper) und den feststehenden Ventilsitz gebildet wird. Bis zu dieser Stelle ist die Konfiguration rotationssymmetrisch beziiglich der Achse der Zustrombohrung. Aufgrund der nach oben weisenden Abstrombohrung des Ventils, wird die Stromung in diese Richtung bin umgelenkt, so dass im Ventilraum eine dreidimensionale abgeloste Stromung erzwungen wird. Die berechneten Stromlinien und die aus den numerischen Ergebnissen ausgewerteten kritischen Punkte zeigen die dreidimensionale Struktur der Ventilstromung. Im Ventilraum bildet sich ein Wirbel um den Ventilkopf, der in das Abstromrohr fiihrt. Im vorderen Bereich des Ventilraumes erhalt man einen Sekundarwirbel und einen zusatzlichen Strudelpunkt im hinteren Bereich des Ventils, der mit einer diagonal verlaufenden Abloselinie auf dem Schliefikorper verbunden ist. Beginnt man die Rechnung mit einem groben Gitter, so erhalt man beim Ubergang auf das nachst feinere Rechengitter eine Umkehr der Orientierung dieses Strudelpunktes. In dem der Abstrombohrung abgewandten Seite entsteht also ein System aus insgesamt drei Strudelpunkten mit den entsprechenden Sattelpunkten an der festen Berandung. Die Ablosestelle in Form eines Fokus, welche auch auf dem grobsten Gitter zu verzeichnen ist, wandert mit zunehmender Auflosung des Rechengitters stromab. Uber die zuvor erwahnte diagonal verlaufende Abloselinie entwickelt sich im gezeigten feinsten Rechengitter ein System aus Sattel- und Knotenpunkten, welches nach
Rechennetz, 4-10 Gitterpunkte
Stromlinien
Abb. 5.34: Struktur der Stromung in einem Hydraulikventil
403
5.3 Anwendungsbeispiele vorne scharf begrenzt ist und den hinteren Teil des Schliefikorpers einnimmt.
Sowohl die drei Strudelpunkte im Bereich des Ventilraumes, als auch der Verlauf der Stromlinien im Abstrombereich legen den Schluss nahe, dass hier kein stationarer Stromungszustand vorliegt. Die Losung auf dem feinsten Gitter lasst eine gegenseitige Beeinflussung der Wirbelstrukturen erwarten, so dass statt einer stationaren Stromung eher mit einem periodisch variierenden Stromungszustand zu rechnen ist, was sich auch im Konvergenzverhalten der numerischen Losung widerspiegelt. Hier sind also die Grenzen der Interpretation der Struktur einer stationaren Stromung erreicht. Zunachst stellen wir fest, dass die berechnete Struktur der Stromung vom gewahlten Rechennetz abhangt. Selbst bei gleichem Netz fiihren unterschiedliche Turbulenzmodelle zu unterschiedlichen Strukturen der Stromung. Die verwendeten K-e-Turbulenzmodelle setzen die Isotropic der turbulenten Stromung voraus, die bei unserem Stromungsbeispiel nicht gegeben ist. Hinzu kommt, dass es auch fiir die Berechnung der integralen Krafte (Riickstellkraft des Ventils) nicht ausreicht bei einem instationaren Stromungsproblem, die quasistationare Losung zu erstellen. Vielmehr muss aus einer zeitgenauen Berechnung der zeitUche Mittelwert gebildet werden. Volumenstrora Messsonde Mit der periodischen Ablosefrequenz der Wirbel hinter einem stumpfen Korper kann man in einer Rohrstromung den Volumenstrom von Fliissigkeiten, Gasen und Dampfen messen. Die Volumenstrommessung beruht auf der ProportionaUtat zwischen der Stromungsgeschwindigkeit und der Ablosefrequenz des Staukorpers, die beim Verifikationsbeispiel im vorangegangenen Kapitel nachgewiesen wurde. Der Staukorper mit dem Durchmesser d im
geringe Wirbelstarke
^ hohe Wirbelstarke CAD - Geometrie
Rechennetz, 2.3-10 Gitterpunkte Abb. 5.35: Staukorper in der Rohrstromung
Wirbelstarke
404
5 Stromungsmechanik
Software
Rohr des Durchmessers D ist in Abbildung 5.35 dargestellt. Das Durchmesserverhaltnis betragt D/d = 4.3. Die Reynolds-Zahl wird auf die zeitlich gemittelten Anstrombedingungen der turbulenten Rohrstromung bezogen und hat den Wert Red = 6000. Die Finite-Volumen Rechnung wird zeitgenau mit einem Rechennetz von 2.3 • 10^ Gitterpunkten und dem nichtlinearen low Reynolds-K-r-Turbulenzmodell mit hybridem Wandgesetz durchgefiihrt. Die Abbildung 5.35 zeigt im horizontalen und vertikalen Schnitt sowie die dreidimensionale Ansicht des Wirbelstarkevektors. In den Momentaufnahmen der periodisch ablosenden Wirbel sowie in den turbulenten Grenzschichten an der Rohrwand treten hohe Wirbelstarken auf. Im horizontalen Schnitt ist wiederum die hohe Wirbelstarke der ankommenden Wandgrenzschicht zu erkennen, die aufgrund der Haftbedingung an der Wand in einen stationaren Hufeisenwirbel um den ZyUnder iibergeht. Der Einfluss der Wandintegration in das Rohr aufiert sich im Nachlauf des Zylinders durch einen charakteristischen Ausbreitungsbereich hoher Wirbelstarke. Stromab des Staukorpers bildet sich eine komplexe periodische Stromungsstruktur aus. Die berechnete Strouhal-Zahl von Str = 0.21 stimmt mit dem experimentellen Wert iiberein. Die Simulationsrechnungen geben einen Hinweis, an welchem Ort des Staukorpers die fiir die Frequenzmessung erforderliche Drucksonde am Besten angeordnet werden kann. Rauchdetektor Im Rohrleitungssystem der Beliiftung eines Verkehrsflugzeuges werden aus Sicherheitsgriinden Rauchdetektoren instalUert. Zum einen sollen sie die Besatzung bei Ranch im Flugzeug warnen, zum anderen ein selbsttatiges Ventil aktivieren, so dass Ranch abge-
./I t =0.2
t =0.4
Rechennetz, 2-10 Gitterpunkte
t =0.6
Abb. 5.36: Konzentrationsfronten im Bereich der Rauchdetektoren
5.3 Anwendungsbeispiele
405
saugt werden kann. Um die richtige Positionierung der Rauchdetektoren festzulegen, wird zunachst eine stationare Rechnung im Rohrleitungssystem durchgefiihrt. Dann soil ermittelt werden, ob die fiir das Ansprechen des Rauchdetektors benotigte Sattigung der Luft mit Rauchpartikeln an den jeweiligen Stellen erreicht wird. Um das System sicher auszulegen, werden in Redundanz zwei Detektoren in das System integriert. In Abbildung 5.36 sind die Einbauorte sowie das Oberflachennetz dargestellt. Das Rohrsystem wurde an den Stellen der Rauchdetektoren aufgeweitet, um mit den zylindrischen Aussparungen keine Versperrung in der Rohrleitung zu erzeugen. Das Oberflachennetz zeigt die Vernetzung um die Detektoren. Uber den Detektorbereich hinaus wurde in das Rechengebiet ein Absaugrohr mit einbezogen. Die Stromung ist bei der Reynolds-Zahl RCD = 2-10^ turbulent. Als Turbulenzmodell kommt das Standard K-e-Turbulenzmodell zur Anwendung. Die Turbulenzgrofien werden mit / = 0.001 m und Tuoo = 5 % am Eintritt in das Rechengebiet vorgegeben. Die Fluideigenschaften wurden denen der Kabinenluft in 11.2 km Hohe angepasst. Als Randbedingungen wurden ein fester Volumenzufluss von 120 l/s und am Auslass die Masseerhaltung vorgegeben. Das Ziel der numerischen Simulationsrechnung ist es, aus der stationaren Stromungsberechnung den geeigneten Ort der Rauchdetektoren im Rohrleitungssystem festzulegen und an diesem Auslegungsort eine geniigend hohe Rauchkonzentration fiir das sichere Ansprechen des Detektors sicherzustellen. Die Rauchverteilung wird mit einem passiven Skalar berechnet. Der Transport eines inerten, masselosen Ranches wird auf der Grundlage der stationaren Losung dargestellt. Dazu werden Stromlinien integriert die bei den masselosen schlupffreien Rauchteilchen den Teilchenbahnen entsprechen. Die Abbildung 5.36 zeigt die Momentaufnahmen der Rauchverteilung in der Umgebung des Detektors. Das Ergebnis der Simulationsrechnung ist, dass der Rauchdetektor innerhalb einer Sekunde anspricht.
Klimatisierung Unterhalb des Cockpits eines Verkehrsflugzeuges befindet sich das Avionic Compartment in dem die Elektronik des Flugzeuges untergebracht ist. Diese bedarf einer kontrollierten Kiihlung und Beliiftung. Dafiir wurde der Beliiftungskanal des Compartments neu ausgelegt. Um den Energieaufwand fiir die Beliiftung moglichst gering zu halten, soil ein vorgegebener Volumenstrom bei minimalem Druckverlust gefordert werden. In einem erst en Ansatz wurde dafiir eine Lochkonfiguration gewahlt. Das Ergebnis des mit einem Rechennetz von 3-10^ Gitterpunkten berechneten Beliiftungskanals mit Lochdiisen ist in Abbildung 5.37 dargestellt. Man erkennt die hohen Geschwindigkeitsbetrage in den einzelnen Offnungen. Insbesondere bei der vordersten Offnung kommt es zu sehr hohen Einstromgeschwindigkeiten, da dort die Offnungen kleiner sind als im hinteren Teil des Kanals. Die gewahlte Verteilung der Lochoffnungen gewahrleistet eine homogene Verteilung des Volumenstroms entlang des Beliiftungskanals. Die Folge der hohen Geschwindigkeiten sind jedoch hohe Einlassverluste mit starken ausgepragten Scherschichten, die Sekundarstromungen und Larm verursachen.
406
5 Stromungsmechanik
Software
hohe Geschwindigkeit
^erin^e Geschwindigkeit Abb. 5.37: Beliiftungskanal mit Loch- und Schlitzdiisen Eine Verbesserung bringt die Vergrofierung der durchstromten Flache mit Schlitzoffnungen. Durch die grofieren Schlitzoffnungen werden die mittleren Geschwindigkeitsbetrage herabgesetzt. Die verminderten Scherschichten und damit die Einstromverluste sowie die Larmbelastigung. Zusatzlich wird die Anzahl der Offnungen herabgesetzt. Der Druckverlust konnte mit den Schhtzen um 60% herabgesetzt werden. Mahgerat In einem Mahgerat fiir Strafienrandstreifen entstehen durch die hohe Rotationsgeschwindigkeit der Messerwelle Stromungen, die das Schnittgut mit sich reifien. Durch eine nicht stromungsoptimierte Auslegung zeigt das Mahgerat im Betrieb ein inhomogenes Auswurfbild. Aufierdem wird die Durchstromung des Gerates durch die Stromungsablosung im Inneren behindert. Zur Optimierung der Stromungsverhaltnisse im Gerat wird zunachst eine Nachrechnung des Istzustandes durchgefiihrt. Basierend auf den Ergebnissen der Istzustandssimulation werden Mafinahmen erarbeitet, die dann ins geometrische Modell integriert und ebenfalls nachgerechnet werden. Aufgrund der starken Asymmetric der Messerwelle muss die Stromung dreidimensional betrachtet werden. Da die Geometric sehr komplex ist, wird ein dreidimensionales, unstrukturiertes Tetraedernetz mit 2-10^ Zellen erzeugt. Die Rotation der Messerwelle wird durch ein rotierendes Bezugssystem beriicksichtigt. Das innere, die Messerwelle umschliefiende Netz wird im mitrotierenden System unter Beriicksichtigung der auftretenden Zentrifugal- und Corioliskrafte berechnet, wahrend das Gehause in einem stehenden Bezugssystem simuhert wird. Der sogenannte multi reference frame-Ansditz erlaubt die tJbergabe der Stromungsgrofien an der Gleitflache zwischen den Bezugssystemen. Die Rotationsgeschwindigkeit der Messerwelle betragt 2000 min~^. Die Rechnung wird quasi-stationar durchgefiihrt. Als Turbulenzmodell wird das Standard K-e-Modell mit logarithmischer Wandfunktion gewahlt. Die Abbildung 5.38 zeigt die Ergebnisse der Simulationsrechnung fiir die optimierte Geo-
407
5.3 Anwendungsbeispiele
metrie als projizierte Stromlinien im Vertikalmittelschnitt sowie die dreidimensionalen Stromlinien durch das Gerat. Bei der Optimierung des Mahgerates konnte nur die innere Geometrie des Gehauses geandert werden. Die aufieren Abmessungen sowie die Messerwelle mussten unverandert bleiben. Zur Vermeidung des vorlaufenden Wirbels unterhalb der Gehausenase, der den Einlaufquerschnitt versperrt, wird eine Verkleidung an der Nase des Gehauses angebracht. Am Auswurf werden die seitlichen Verkleidungen geschlossen. Die Messerwelle erhalt mitrotierende Endscheiben, um die Stromungsverluste zwischen den rotierenden Messern und der Gehausewand zu reduzieren. Der Vergleich mit dem urspriinglichen Mahgerat zeigt eine deutliche Verbesserung der Stromung im vorderen Bereich des Gerates. Der vor dem Einlauf stehende Wirbel kann fast vollstandig unterdriickt werden, wodurch der vor dem Gerat entstehende Wirbel auf ein Minimum reduziert wird. Der Auswurf im hinteren Bereich wird homogenisiert. Zur Verifikation der Ergebnisse wurde eine Pilotanlage mit der optimierten Geometrie gebaut und die Ergebnisse des Mahversuches mit der numerischen Losung verglichen. Die experimentellen Ergebnisse zeigen eine sehr gute Ubereinstimmung mit den numerischen Simulationen.
CAD - Geometrie
Optimiert
Rechennetz, 2.9-10 Gitterpunkte
Stromlinien
A b b . 5.38: Mahgerat
408
5 Stromungsmechanik
Software
Ejektor In vielen Unternehmen ist die Produktion weitestgehend automatisiert. Im Bereich des Material-Handlings und des Materialflusses miissen Produkte und Zubehor transportiert und gehandhabt werden. Besitzt das Produkt bzw. das Hilfsmittel ebene Flachen, konnen hierfiir Vakuum-Flachengreifsysteme zum Einsatz kommen. Sie bestehen aus einer Saugplatte und einem Vakuum-Erzeuger. Der Vakuum-Erzeuger dient dazu einen hohen Unterdruck zu erzeugen, mit dem es in Verbindung mit der Saugplatte dann moglich ist entsprechende Lasten zu heben. Zur Erzeugung des Unterdrucks kann unter anderem ein so genannter Ejektor verwendet werden. Er hat den groften Vorteil, dass er ohne mechanische Teile auskommt und damit wartungs- und verschleififrei ist. Im Ejektor wird der Unterdruck rein pneumatisch nach dem Prinzip einer Laval-Diise erzeugt. Durch eine Treibdiise die aus einer Querschnittsverengung und einer anschliefienden Querschnittserweiterung besteht, wird ein DruckluftStrom mit einem bestimmten Uberdruck gepresst. Der Uberdruck wird so gewahlt, dass die Stromung im engsten Querschnitt der Diise Schallgeschwindigkeit erreicht und im divergenten Teil infolge der Querschnittserweiterung weiter auf tJberschall beschleunigt wird. Dadurch sinkt der Druck bis zum Ende der Treibdiise extrem ab. Am Ende der Treibdiise tritt der Luftstrom iiber einen Spalt mit einer seitlich angeschlossenen Kammer in eine Empfanger diise ein, aus der die Luft dann in die Umgebung austritt. Im Spalt und in der Kammer entsteht der durch die Beschleunigung erzeugte Unterdruck am Ende der Treibdiise. Die Kammer wird schliefilich mit der Saugplatte verbunden, wodurch dort der Unterdruck erzeugt wird. In Abbildung 5.39 ist der Ejektor mit der Treib-, der Empfangerdiise und der Kammer als CAD-Geometrie gezeigt. Fiir die numerische Simulation der Stromung in einem Ejektor wurde ein hybrides Rechennetz mit Polyedern im Stromungsfeld und Zellschichten in der Grenzschicht mit ins-
- ^ ^ Un lord ruck Uberdruck
AlniDsphiircndruck j -
\
hohcr Trcibdnick
v_
/ CAD- - Geometric
^U
^ .'.>;
^134 I '' '^ 'i z-^^^^^;^
niedriger Treibdruck
" rs-^.
Rechennetz, 9-10 Gitterpunkte Abb. 5.39: Ejektor eines Handhabungsroboters
Druckverteilung
5.3 Anwendungsbeispiele
409
gesamt 9-10^ Gitterpunkten verwendet. Als Turbulenzmodell kam das Standard K-eTurbulenzmodell zur Anwendung. In Abbildung 5.39 sind die berechneten Druckverteilungen fiir einen hohen Treibdruck von 6 bar und einen niedrigeren Treibdruck von 3 bar gezeigt. Der Umgebungsdruck am Ende der Empfangerdiise wurde mit 0.956 bar vorgegeben. Beim hohen Treibdruck kommt es nach dem Austritt aus der Treibdiise zu einer weiteren Expansion der Stromung, die fiir eine zusatzHche Beschleunigung und damit zu einer weiteren Druckabsenkung fiihrt. In der Kammer entsteht somit ein Unterdruck von ca. 1.8-10"^ bar. Am Eintritt in die Empfangerdiise wird eine maximale Mach-Zahl von M = 3.9 erreicht. Man erkennt, dass der Strahl sich derart aufweitet, dass die Empfangerdiise durch ihn komplett ausgefiillt wird. An den Eintrittskanten der Empfangerdiise entstehen schiefe Stofie, die an den Wanden reflektiert werden und sich durch die gesamte Diise fortsetzen. Dabei wird der Druck wieder erhoht bis schhefihch am Austritt der Atmospharendruck erreicht wird. Beim niedrigeren Treibdruck kommt es nach dem Austritt aus der Treibdiise direkt zu schiefen Verdichtungsstofien die zu einer Verzogerung der Stromung und damit zu einem Druckanstieg fiihren. In der Kammer wird damit nur ein Unterdruck von ca. 2.4-10"^ bar erzielt. Die maximale Mach-Zahl von M = 2.9 wird deshalb schon im Bereich des Luftaustritts aus der Treibdiise erreicht. Der Strahl fiillt jetzt nicht mehr die ganze Empfangerdiise aus. Die schiefen Stofie am Austritt der Treibdiise werden am Strahlrand reflektiert und setzen sich in der Empfangerdiise fort bis schliefilich eine Unterschallstromung entsteht und am Austritt der Atmospharendruck erreicht wird. Der Vergleich der erzielten Unterdriicke mit Experimenten stimmt gut iiberein. Mit den Berechnungen lasst sich untersuchen, wie die Geometric des Diisenaustritts der Treibdiise bzw. der Empfangerdiise gewahlt werden muss, um einen moglichst hohen Unterdruck zu erzeugen.
Tiefenfilter Fiir die Reinhaltung von Gasstromungen zu Maschinen, Anlagen und Laboratorien werden Tiefenfllter eingesetzt. Fiir die Auslegung industriell eingesetzter Filtrationsanlagen muss man den zeitlichen Verlauf der Filtereigenschaften kennen. Diese andern sich mit zunehmender Staubeinlagerung. Fiir die Vorhersage des Langzeitverhaltens von Tiefenflltern wurde ein Modell entwickelt, das die Berechnung der Stromung bei sich zeitlich andernden inhomogenen Filtereigenschaften ermoglicht. Fiir die Berechnung wird ein Rechennetz im kubischen Gitterkanal mit einer Netzverfeinerung im porosen Material des Tiefenfllters benutzt. Die turbulente Stromung im Kanal wird mit dem /c-cj-Turbulenzmodell modelliert. Die charakteristischen Langenskalen im porosen Medium des Tiefenfllters sind derart klein, dass die Stromung dort als laminar angenommen werden kann. Die turbulenten Schwankungen der Zustromung werden beim Eintritt in das Filtermedium gedampft bis sich schliefilich die laminare Stromung einstellt. Die Abbildung 5.40 zeigt die berechnete Partikelkonzentration und die Partikeltrajektorien durch den Filter. Mit den Modellrechnungen lasst sich das zeitliche Verhalten der in den Filter eingelagerten Masse vorhersagen. Damit kann die Nutzungsdauer derartiger Tiefenfllter bestimmt werden.
410
5 Stromungsmechanik
Software
hohe Konzentration golinge Konzentration
Tiefenfilter
Staubkonzentration und Partikeltrajektorien
Abb. 5.40: Partikelablagerung im Tiefenfilter
Reinluftversorgung im Operationssaal In modernen Operationssalen kommen Reinluftdecken zum Einsatz, wie man sie z. B. von Reinraumen kennt. Eine laminare Vertikalstromung sorgt dafiir, dass dem Operationsbereich von oben standig keimfreie Luft zugefiihrt wird und eingebrachte Verunreinigungen vom Operationstisch entfernt werden. Hierzu wird iiber dem Operationsbereich gekiihlte Reinluft eingebracht, die unterhalb zur Seite abgesaugt wird. Die kaltere Luft sinkt mit geringer Stromungsgeschwindigkeit nach unten. Das fiihrt zum einen zur Ausbildung einer Scherschicht zwischen der normalen Raumluft und der keimfreien Reinluft und zum anderen zu einem Wegschwemmen im Operationsbereich eingebrachter Verunreinigungen. Die mafigebliche Grofie zur Beurteilung der Wirksamkeit ist die Reinluftkonzentration auf dem Operationstisch. Aufgrund der starken Asymmetric der Stromung durch die Anordnung der Operationsleuchten und Leuchtenhalterungen sowie der Luftabsaugung wird ein dreidimensionales hohe Konzentration
Rechennetz, 7.5-10 Gitterpunkte
geringe Konzentration
Reinluftkonzentration im Langsschnitt
Abb. 5.41: Reinluftkonzentration im Operationssaal
5.3 Anwendungsbeispiele
411
Netz des gesamten Operationssaales mit Operationstisch, Leuchten und Halterungen generiert. Da die Geometrie der Leuchtenhalterungen sehr komplex ist, wird ein unstrukturiertes Tetraedernetz mit 7.5-10^ Zellen erzeugt. Die Reinluft wird mit der Reynolds-Zahl RCD = 6100 und einer Temperatur von 291 K zugefiihrt. Die Raumtemperatur betragt 293 K. Die heifien Oberflachen der Operationsleuchten werden als isotherme Wande modelliert, deren Temper at ur vert eilung im Experiment ermittelt wurde. Die Temperaturausbreitung wird als konvektiver Warmetransport berechnet. Nach der Berechnung der stationaren Losung wird eine transiente Ausbreitungsrechnung fiir die Konzentration der keimfreien Luft analog dem Beispiel des Rauchdetektors durchgefiihrt. Die Abbildung 5.41 zeigt die Reinluftkonzentration im Langsschnitt des Operationssaales 30 s nach Beaufschlagung des Einlasses mit keimfreier Luft. Gebiete hoher Reinluftkonzentration sind hell, solche unreiner Luft dunkel dargestellt. Das Ergebnis der Simulationsrechnung zeigt, dass die Oberflache des Operationstisches zwar ausreichend mit Reinluft versorgt wird, die Stromungsbeeinflussung durch die Operationsleuchten aber nicht zu vernachlassigen ist.
Inkubator Fiir die Versorgung von Friihgeborenen werden Brutkasten, sogenannte Inkubatoren, eingesetzt. In einem Inkubator wird ein Mikroklima mit definierter Temperatur, Feuchte und Sauerstoff erzeugt. In iiblichen Inkubatoren wird das Mikroklima durch eine Haube geschiitzt, die durch mehrere verschliefibare Offnungen den Zugang zum Patienten ermoglicht. Um den freien Zugang zum Patienten auch ohne Abdeckhaube zu gewahrleisten, wurde ein frei zuganglicher Scherschichtvorhang entwickelt, der das Mikroklima aufrecht erhalt. Der Scherschichtvorhang wird durch umlaufende Diisen erzeugt, durch die warme und kalte Luft austritt (Abbildung 5.42). Die Luftstrahlen vereinigen sich iiber der Liegeflache und sorgen so entsprechend den Luftvorhangen an Kaufhaustiiren fiir eine Trennung zwischen Innen- und Aufienbereich. Gleichzeitig wird durch die Scherschichtstrahlen die Erzeugung des Mikrokhmas realisiert. Die Stromung stellt eine Herausforderung an die verwendeten physikalischen Modelle dar, da ein instabiler Scherschichtstrahl mit einer Austritts-Reynolds-Zahl von RCL = 250 auf ein ruhendes Medium trifft. Es muss von einer instabilen Scherschichtstromung ausgegangen werden.. Zur Behandlung dieser Stromung ist daher ein Turbulenzmodell erforderlich, das ausgehend von einem niedrigen Turbulenzgrad ein Wachstum der turbulenten Energie zulasst, wobei in Bereichen niedriger Scherraten die Turbulenz durch Dissipation unterdriickt wird. Als Turbulenzmodell wird das quadratische K-e-Modell gewahlt. Das Rechennetz umschliefit neben dem eigentlichen Inkubator die Umgebung des Gerats in einem Bereich bis zu 5 Bettlangen. Das Netz wird im Bereich der Scherschichten verfeinert, um dort entstehende Kelvin-Helmholtz-Instabilitaten auflosen zu konnen, deren Anfachung die Zerstorung der Scherflachen zur Folge hatte. Es wird eine Zeitdiskretisierung zweiter Ordnung verwendet. Die zeitliche Auflosung wird so gewahlt, dass sich eine Courant-Zahl von ungefahr 1 ergibt.
412
5 Stromungsmechanik
Software
-%. '%.
ohne Zugluft
mit Zugluft
Abb. 5.42: Scherschichtvorhang eines Inkubators
In Abbildung 5.42 sind die Scherschichtflachen des Inkubatorvorhangs dargestellt. Es zeigt sich, dass auch bei einer Storung durch einen Windstofi ein stabiles Mikroklima sich innerhalb von Sekunden zurtickbildet. Der Scherschichtvorhang erspart eine Abdeckhaube des Inkubators und ermoglicht den freien Zugang zum Patienten.
Kiinstliche Beatmung Bei der ktinstlichen Beatmung muss tiber einen Beatmungszyklus ein vorgegebener Uberund Unterdruck aufrecht erhalten werden. Dies erfolgt mit einem elektrisch angetriebenen dynamischen Verdichter, der tiber einen grofien Bereich der Drehzahl den Volumenstrom der nattirlichen Beatmung bereitstellen muss. Dies stellt hohe Anforderungen an die Auslegung des Verdichterlaufrades sowie der Luft- Zu und Abstromung. Bei der Auslegung und Nachrechnung des dynamischen Verdichterlaufrades profitieren wir von der Nachrechnung des Laufrades und der Spirale des Laubgeblases. Das dynamisch
413
5.3 Anwendungsbeispiele
rotierende Rechennetz des Laufrades wird in das ruhende Netz der Luftfiihrung integriert. Die Kopplung der Randbedingungen zwischen dem rotierenden System des Laufrades und dem ruhenden System der Luftfiihrung erfolgt wie beim Laubgeblase. Das Ziel der Neuauslegung der kiinstlichen Beatmung besteht in der Vermeidung der Stromungsablosung im Laufrad und in der Spirale in einem weiten Bereich des Beatmungszyklus. Die Abbildung 5.43 zeigt die Momentaufnahme der berechneten Stromlinien, die eine ablosefreie Stromung anzeigen.
Beatmungszyklus Abb. 5.43: Verdichterlaufrad der kiinstlichen Beatmung
Stromlinien
414
Bezeichnungen A a a a B, b C Cd Cf
Cf,g Cp Cp Cy
[m^] [m/s'^] [m/s] [m'^/s] [m]
[] [] [] [] [] [J/{kgK)] [J/{kgK)]
^w C
[]
D D, d e F
[m'^/s] [m] [J/kg] [N]
[m/s]
f F
f FA FB
Fi
Fr G Gr G 9 H, h h J K K' /vg
L L, / / M M Ml
m rh
[1/s] [N] [N] [N]
[] [N] [] [m/s'^] [m] [J/kg = m^/5^] [TTI^]
[J/kg] [J/kg] [m] [W] [m] [m] [] [Nm] [Nm]
M
[kg/s]
Flache Beschleunigung Geschwindigkeit, Schallgeschwindigkeit Temperaturleitfahigkeit Breite Massenkonzentration Druckwiderstandsbeiwert Reibungsbeiwert Reibungswiderstandsbeiwert Druckbeiwert spezifische Warmekapazitat bei konstantem Druck spezifische Warmekapazitat bei konstantem Volumen Widerstandsbeiwert Geschwindigkeit in Stromfadenrichtung, Absolutgeschwindigkeit DiffusionskoefRzient Durchmesser, Lange spezifische innere Energie Kraft Verteilungsfunktion konvektiver Fluss Frequenz Auftriebskraft Druckkraft Impulskraft Froude-Zahl Gewichtskraft Grashof-Zahl dissipativer Fluss Erdbeschleunigung Hohe spezifische Enthalpie Flachentragheitsmoment zeithch gemittelte Turbulenzenergie Turbulenzenergie mittlere Sandkornrauhigkeit Leistung Lange Mischungsweglange Mach-Zahl Moment Impulsmoment Masse Massenstrom
415 Nu n n n fi p Pr Q Q Q Q
R R, r Re Ra s s Str T T t U
[] m]
[] [i/s]
[]
Pa]
] m'^/s] [J] W] W/m^] \j/{kgK)] m]
[] [] J/{kgK)] m\
\] [K] [s] :^]
m/ s\
u u V V
m/ s\ m^] m/s]
V
m^ /s] m/s] m/ s\ m/ s\
V V
W w X X
y z a a A Aa Al Apv S ST
m/s] \\ m] TTl] TTl]
[] 1/^] TTl]
\j/kg] J/m^] N/m^] m] m]
Nufielt-Zahl Normalkoordinate Polytropenexponent Drehzahl Normalenvektor Druck Prandtl-Zahl Quellenstarke, Senkenstarke Warmemenge Heizleistung, Warmemenge pro Zeiteinheit, Warmestrom Warmemenge pro Flachen- und Zeiteinheit spezifische Gaskonstante Radius Reynolds-Zahl Rayleigh-Zahl spezifische Entropie Stromfadenkoordinate, Spaltbreite Strouhal-Zahl Temper at ur Periodendauer Zeit Geschwindigkeit eines Korpers in x-Richtung Anstromgeschwindigkeit Losungsvektor Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung Volumen Geschwindigkeit eines Korpers in i/-Richtung Anstromgeschwindigkeit Volumenstrom Geschwindigkeitskomponente in i/-Richtung Geschwindigkeitsvektor Geschwindigkeit eines Korpers in z-Richtung Anstromgeschwindigkeit Geschwindigkeitskomponente in z-Richtung Dampfgehalt kartesische Koordinate kartesische Koordinate kartesische Koordinate Winkel thermischer Ausdehnungskoeflftzient Dicke der viskosen Unterschicht spezifische Arbeit volumenspezifische Arbeit Druckverlust Grenzschichtdicke Temp er at urgrenzschicht dicke
416
e eta V n A A
[J/{m^s)]
[]
e
[m? /s] [] [] [W/{mK)] [Ns/m^ = kg/{ms)] [Ns/m'^ = kg/{ms)] [m'^/s] [m'^/s] [l/s^] [m'^/s] [N/m] [kg/m^] [s] [N/m^] [N/m^] []
(j) C
[] []
/i
/it ly
^ ^ ^ a P T T
^w UJ
' " *
oo
fl/sl
Dissipationsrate Wirkungsgrad Wirbelstarke, Zirkulation Verhaltnis der spezifischen Warme, Isentropenexponent Verlustbeiwert Warmeleitfahigkeit dynamische Viskositat turbulente Viskositat kinematische Viskositat Potentialfunktion Dissipationsfunktion Stromfunktion Oberflachenspannung Dichte charakteristische Zeit Schubspannung Wandschubspannung Winkel Drehung, Winkelgeschwindigkeit Winkel VerlustkoefRzient Schwankungsgrofie, Storgrofie massengemittelte Schwankungsgrofie kritische Grofie, dimensionslose Grofie zeitlich gemittelte Grofie zeitlich massengemittelte Grofie Anstromgrofie
417
Ausgewahlte Literatur B. S. Baldwin, H. Lomax: Thin Layer Approximation and Algebraic Model for Separated Turbulent Flows, AIAA 78-257 (1978) G. K. Batchelor: An Introduction to Fluid Dynamics, Cambridge Univ. Press, 2005 R. B. Bird, W. E. Stewart, E. N. Lightfoot: Transport Phenomena, Wiley, New York, 1960 P. W. Bridgmann: Theorie der physikalischen Dimensionen, Teubner Verlag, Berlin, 1932 A. V. Briko, G. R. Grek, A. V. Dovgal, V. V. Kozlov: The Origin of Turbulence in Near-Wall Flows, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2002 C. Canuto, M. Y. Hussaini, A.Quarteroni, T. A. Zang: Spectral Methods in Fluid Dynamics, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 1988 T. Cebeci: Analysis of Turbulent Flows, Elsevier, Amsterdam, 2004 C. T. Crowe, D. F. Elger, J. A. Roboson: Engineering Fluid Mechanics, John Wiley & Sons, New York, 2001 K. Debatin: Lokalisation aeroakustischer Quellen in scherschichtdominanten Stromungen, Dissertation, Universitat Karlsruhe, 1999 M. van Dyke: An Album of Fluid Motion, The Parabolic Press, Stanford, 2002 J. H. Ferziger, M. Peric: Computational Methods for Fluid Dynamics, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 2002 C. A. J. Fletcher: Computational Galerkin Methods, Springer Series in Computational Physics, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 1984 K. Gersten, H. Herwig: Stromungsmechanik : Grundlagen der Impuls-, Warme- und Stoffiibertragung aus asymptotischer Sicht, Vieweg Verlag, Braunschweig, Wiesbaden, 1992 H. Herwig: Stromungsmechanik, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2006 A. Jameson, W. Schmidt, E. Turkel: Numerical Solutions of the Euler Equations by Finite-Volume Methods using Runge-Kutta Time-Stepping Schemes, AIAA 81-1259 (1981)
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420
E. Stein (Ed.): Finite Element and Boundary Element Techniques from Mathematical and Engineering Point of View, Courses and Lectures, International Center for Mechanical Sciences, Springer Verlag, Wien, 1988 J. H. Spurk: Stromungslehre, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 2006 J. H. Spurk: Fluid Mechanics, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 1997 E. Stiefel: Einfiihrung in die Numerische Mathematik, Teubner Verlag, Stuttgart, 1970 D. P. Telionis: Unsteady Viscous Flows, Springer Series in Computational Physics, Springer Verlag, New York,1981 J. F. Wendt (Ed.): Computational Fluid Dynamics, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1992 F. M. White: Viscous Fluid Flow, 3. edition, McGraw-Hill, New York, 2006
421
Sachwortverzeichnis n-Theorem, 290 A-Struktur, 334, 335 /c-e-Modell, 236 Abloseblase, 169 Ablosefrequenz, 170, 173, 403 Ablosekriterium, 167 Abtrieb, 38 Adhasionskraft, 57, 58 Aeorakustik, Rohrstromung, 389 Aeroakustik, Kugelumstromung, 380 Aerodynamik, 31, 67 Aerostatik, 59, 63 Aerostatische Grundgleichung, 65 Anfangsbedingung, 280 Angewandte Stromungsmechanik, 363 Anisotropie, 240 Ansatzfunktion, 325, 328, 330, 338 Anstellwinkel, 176 ANSYS, 367 Anwendungsbeispiele, 391 Aorta, 180 Arbeit, 53 Arbeit, spezifisch, 92 Arbeit, volumenspezifisch, 92 Archimedisches Prinzip, 61 Asthenosphare, 7 Atmosphare, 63 Auftrieb, 12, 42, 321 Auftriebsbeiwert, 42, 176 Auftriebskraft, 61, 150, 216 Ausdehnungskoeffizient, 47 Ausdehnungskoeffizient, thermisch, 54 Aufienstromung, 30 Aufienstromung, reibungsfrei, 30, 79, 105 Avionic Compartment, 405 Axialmaschine, 194 Axialpumpe, 358 Axialverdichter, 383 Baldwin-Lomax-Turbulenzmodell, 226 Bauwerksaerodynamik, 19 Beatmung, kiinstlich, 412 beheiztes Rohr, 41 Bernoulli-Gleichung, 80, 110, 196
Beschleunigung, 47, 79 Bewegungsgleichung, 79 Bezugsgeschwindigkeit, 277 Bingham-Medium, 50 Biostromungsmechanik, 11 Blasenstromung, 38, 41 Blasius-Gesetz, 158 Blasius-Grenzschicht, 142, 214 Blutkreislauf, 13 Blutstromung, 180, 359 Blutzirkulation, 13 Boltzmann-Gleichung, 275 Boltzmann-Konstante, 275 Boussinesq-Annahme, 136 Boussinesq-Approximation, 216, 328 Boussinesq-Gleichung, 276, 329 Boyle-Mariotte-Gesetz, 105 Brennkammer, 25 Bump, 391, 392 CAD, 365 CFL-Zahl, 347 CFX, 367 Charakteristik, 301 Core-Engine, 25 Coriolis-Drehratensensor, 395 Coriolis-Kraft, 4, 196 Couette-Stromung, 47, 101 Courant-Zahl, 411 Crank-Nicholson-Verfahren, 345 Dampfdruck, 40 Dampfphase, 54 Dampfstromung, 38, 41 Deltafliigel, 321 Demister, 39 Dichte, 47, 53, 277 Differential, totales, 75 Differentialoperator, 326 Differenzenquotient, 341 Differenzenquotient, zentral, 344 Diffusion, 30, 50 DiffusionskoefRzient, 52 Diffusorstromung, 369 Dimensionsanalyse, 285
422
Diskretisierung, 325 Diskretisierung, zeitlich, 341 Diskretisierungsfehler, 346 Dissipation, 236 Dissipation, numerisch, 351 Dissipation, numerisch, 2. Ordnung, 352 Dissipation, numerisch, 4. Ordnung, 352 Dissipationsbereich, 241 Divergenz, 204, 211, 276 Double Flash Anlage, 41 Drehimpulssatz, 151, 152 Drehschieberpumpe, 397 Drehungsfreiheit, 267, 268 Drehzahl, spezifisch, 198 Drosselventil, 39 Druck, 47, 53, 80, 277 Druck, dimensionslos, 278 Druck, dynamischer, 81, 84, 85 Druck, statischer, 82 Druckbeiwert, 33, 82, 101 Druckkraft, 37, 38, 59, 79, 82, 88, 90, 95, 101, 195, 214, 244, 247 Druckseite, 33 Drucksprung, 56 Druckverlust, 154, 156, 157 Druckverlustbeiwert, 158 Druckwiderstand, 101 Druckwiderstandsbeiwert, 102 Eckert-Zahl, 258 Eigenfunktion, 331 Eigenschaft, kinematisch, 47 Eigenschaft, thermodynamisch, 47, 53 Eigenwert, konjugiert komplex, 317 Eigenwert, reell, 317 Eigenwertproblem, 331 Ein-Gleichungsmodell, 230 Einfiihrungskurs, 369 Einspritzung, 21, 25 Ejektor, 408 Elemente, finite, 336, 338 Energie, innere, 53, 90, 244, 247, 277 Energie, innere, dimensionslos, 278 Energie, kinetische, 82, 90, 244, 247 Energieabnahme, 91 Energieerhaltung, 30, 90, 244, 278
Energiegleichung, 188, 189, 216, 244, 249-251 Energiesatz, 91, 92, 122 Energiestrom, 90, 244, 247 Energiezufuhr, 91,189, 244, 247, 278, 281 Enthalpie, 39, 47, 53, 54, 91 Entropie, 47, 53 Entwurfsprozess, 43, 45 Erdatmosphare, 2 Erdinnere, 6 Erhaltungsform, 273, 276, 278, 280, 282 Erhaltungsgleichung, 278, 280 Erstes Stokessches Problem, 377 Euler-Gleichung, 79, 110, 276 Euler-Verfahren, explizit, 345 Euler-Verfahren, implizit, 345 Eulersche Betrachtung, 75, 76 Eulersche Turbinengleichung, 197 Expansion, 129 Fan, 25 Favre-Mittelung, 217, 219 Feinstruktur-Turbulenzmodell, 241 Fernfeldrand, 280 Ferrel-Zelle, 3 Ficksches Gesetz, 52 Filterung, 242 Finite-Differenzen-Methode, 341, 342 Finite-Elemente-Methode, 336, 365 Finite-Volumen-Methode, 347, 365 Fliegen, 12 FLUENT, 367 Fluid, 29 Fluid, dilatant, 50 Fluid, pseudoelastisch, 50 Fluidelement, 60-62, 67, 136, 215 Fluss, dissipativ, 278, 281 Fluss, konservativ, 278 Fluss, konvektiv, 281 Fliissigkeits-Dampfabscheider, 38, 41 Fliissigkeitsbehalter, rotierend, 62 Fliissigkeitsphase, 54, 55 Fliissigkeitsstromung, 38, 39 Fokus, 316, 319 Forderhohe, 198, 201 Formfunktion, 338 Formwider stand, 101
423
Fourier-Analyse, 240 Fourier-Spektralmethode, 332 Fouriersches Gesetz, 52 Fouriersches Warmeleitungsgesetz, 246 Froude-Zahl, 95 Galerkin-Methode, 326 Galerkinsche Gleichungen, 328 Gas, ideal, 54, 253 Gas, real, 55 Gasgleichung, ideal, 54, 63, 65, 66, 106, 111, 253 Gaskinetik, 273 Gaskonstante, 54, 107 Gasphase, 55 Gesamtdruck, 82, 84, 85 Gesamtenergie, 53, 124, 244, 276-278 Gesamtwiderstand, 102 Gesamtwiderstandsbeiwert, 101, 103 Geschwindigkeit, 47, 80 Geschwindigkeitsraum, 273 Geschwindigkeitsvektor, 29-31, 47, 78, 144, 145, 202, 213 Gewichtsfunktion, 327, 339 Glattungsoperator, 352 Gleichgewicht, thermodynamisch, 53 Gleitzahl, 13 Golfball, 172 Golfstrom, 5 Grashof-Zahl, 184 Gravitation, 59, 62, 79 Grenzflachenspannung, 55 Grenzschicht, 34, 96 Grenzschicht, turbulent, 260 Grenzschichtablosung, 168 Grenzschichtdicke, 96, 130, 141, 257 Grenzschichtgleichungen, 254, 260, 276 Grenzschichtstromung, 30, 37, 363 Grenzschichtstromung, laminar, 147 Grenzschichtstromung, turbulent, 254, 263 Grobstruktursimulation, 239, 240 Grofienordnungsabschatzung, 254, 255, 258, 259, 262 Grundgleichung, reibungsfrei, 282 Grundgleichungen, 92, 202, 273 Hadley-Zelle, 3
Haftbedingung, 30, 47, 279 Hagen-Poiseuille-Rohrstromung, 154 Hagen-Poiseuillesches Gesetz, 164 Hartmann-Zahl, 385 Hauptsatz der Thermodynamik, erster, 53 Helmaerodynamik, 393 Herz, 13 Herz, virtuell, 359 Herzstromung, 14 Herzzyklus, 13, 14, 387 Hochdruckgebiet, 3 Hochdruckkompressor, 25 Hochdruckturbine, 25 Hochdruckverdichter, 25 Hufeisenwirbel, 38, 169, 321, 322, 358, 394 Hugoniot-Kurve, 123 Hurrikan, 4, 87 Hydrodynamik, 31, 67 Hydrostatik, 31, 59 Hydrostatische Grundgleichung, 60 Hyperschallstromung, 109 Impuls, 144, 205, 208 Impulserhaltung, 30, 79, 205, 278 Impulssatz, 144, 146 Impulsstrom, 205, 208 Impulstransport, 47 Impulsvektor, 277 Industrieprojekt, 369 Inertialsystem, 72 Inkubator, 411 Innenstromung, 395 Innenstromung, instationar, 386 Innenstromung, stationar, 381 Instabilitat, 181, 305, 310, 312, 335 Instabilitat, numerische, 346, 351 Integralkurven (Stromlinien), 313 lonosphare, 64 Isentropenbeziehung, 112 Isentropenexponent, 111, 271 Jetstrome, 3 Kanalstromung, ausgebildet, 99 KAPPA-Stromfaden, 362 Karmansche Wirbelstrafie, 73, 173, 322
424
Karmansche Wirbelstrafie, laminar, 377 Karmansche Wirbelstrafie, turbulent, 378 Kavitation, 24, 40, 86, 358 Kelvin-Helmholtz-Instabilitat ,411 Kennlinie, 201 Kennzahl, 279 Kinematik, 67 Klimatisierung, 405 Knoten, 316 Kompressibilitat, 105, 109 Kompressibilitat, kiinstlich, 354 Kompression, 129 Kompressor, 25 Konstruktion, 43 Kontaktwinkel, 56 Kontinental-Drift, 8 Kontinuitat, 90 Kontinuitatsgleichung, 105, 113, 203, 204, 276 Kontinuum, 29 Konvektionsrolle, 8 Konvektionsstromung, 2, 6, 8, 9, 216, 384 Konvektionsstromung, erzwungen, 182, 188 Konvektionsstromung, frei, 182, 328 Konvektionsstromung, instationar, 331 Konvektionszelle, 10 Konzentration, 52 Kosmos, 11 Kraft, 29 Kraftebilanz, 87 Kraftegleichgewicht, 60 Kraftfahrzeug, 17 Kraftfahrzeugheck, 178 Kraftfahrzeugumstromung, 36, 178, 252, 320, 356, 392 Kreisfrequenz, 73, 308, 310 Kriimmer, 179 Kugelumstromung, 166, 167, 170, 379 Lagrange Flachenkoordinaten, 337 Lagrangesche Betrachtung, 75, 76 Laplace-Gleichung, 272 Laplace-Operator, 213 Large-Eddy-Simulation, 240 Lattice-Boltzmann-Methode, 326, 365
Laubgeblase, 398 Laval-Diise, 114 Leistung, 92 Lewis-Zahl, 52 Linearisierung, 293 Lithosphare, 7 Losung, analytisch, 99 Losungsmethoden, analytisch, 363 Losungsmethoden, numerisch, 283, 363 Losungsvektor, 277 Mach-Kegel, 108, 301 Mach-Linie, 301 Mach-Winkel, 108 Mach-Zahl, 32, 105 Mach-Zahlbereiche, 108 Mahgerat, 406 Masse, 79 Masseerhaltung, 30 Massendiffusion, 47, 52 Massenerhaltung, 78, 203, 278 Massenkonzentration, 52 Massenstrom, 78, 203 Massentransport, 30, 52 Meeresstromung, 6 Mehrphasenstromung, 23, 54 Mesosphare, 64 MHD-Stromung, 385 Minimalflache, 57 Mischungsweglange, 137, 226 Modell-Kraftfahrzeug, 84 Modellgleichungen, 276 Molmasse, 107 Moment, 151 Momente, 275 Moody-Diagramm, 158 Motor, 400 Nabla-Operator, 76, 204 Nachlaufstromung, 34, 170, 178, 320, 322 Nachlaufstromung, reibungsbehaftet, 34, 37 Nachrechnung, 42 Nassdampf, 39 Navier-Stokes-Gleichung, 93, 94, 99, 205 Netz, adaptiv, 340 Netz, unstrukturiert, 340
425 Netzgenerator, 366 Neutralkurve, 311 Newtonsches Fluid, 48, 50 Newtonsches Reibungsgesetz, 209, 210 Nicht-Newtonsches Fluid, 49 Niederdruckkompressor, 25 Niederdruckturbine, 25 Niederdruckverdichter, 26 Nikuradse-Diagramm, 158 Normalspannung, 205, 208 Normalspannung, scheinbare, 135 Normalspannungskraft, 244, 247 Null-Gleichungsmodell, 225 Nufielt-Zahl, 183 Oberflachenkraft, 56 Oberflachenspannung, 55, 57, 58 Operationssaal, 410 Orr-Sommerfeld-Gleichung, 310 Oszillationen, hochfrequent, 351 Otto-Motor, 20, 21, 400 Ozean, 5 Paradoxon, hydrostatisch, 60 Parallelstromungsannahme, 305 Partialdichte, 52 Pfeilwinkel, 391 Phasengeschwindigkeit, 73 Pitot-Rohr, 84 Planet, 9 Planetenatmosphare, 9 Platte, vertikal, beheizt, 182 Plattengrenzschicht, 103, 130, 142, 147, 371, 372 Plattengrenzschicht, laminar, 371 Plattengrenzschicht, turbulent, 372 Poiseuille-Stromung, 99 Postprocessing, 366 Potentialgleichung, 34, 266, 267, 271, 276 Potentialwirbel, 89 POWER FLOW, 368 Prallstrahl, 376 Prandtl-Glauert-Regel, 298 Prandtl-Staurohr, 81, 84 Prandtl-Zahl, 52, 183, 258 Prandtlscher Mischungswegansatz, 136 Preprocessing, 366
Produkt, 46 Produktentwicklung, 42 Produktionsanlage, 23 Produktionsanlage, chemische, 38 Profilumstromung, 355 Pumpe, 91, 193 Punkt, kritischer, 313 Quadrupol-Schallquellen, 380 Quelle, 317 Querstromung, 322 Querstromungsinstabilitat, 305, 391 Radialmaschine, 194 Radialpumpe, 383 Randbedingung, 279 Rauchdetektor, 404 Rauigkeit, 158 Raumdiskretisierung, 343 Raumfahrt, 26 Rayleigh-Gerade, 123 Rayleigh-Stokes-Problem, 377 Rayleigh-Zahl, 183 Reibung, 47, 96 Reibungsbeiwert, 101-103, 140, 142 Reibungskraft, 95, 96, 101, 196 Reibungsverlust, 154 Reibungswiderstand, 101 Reibungswiderstandsbeiwert, 103, 140, 143 Reinluftversorgung, 410 Residuum, 327, 328, 339 Reynolds-Ansatz, 132 Reynolds-Gleichungen, 216, 222, 275 Reynolds-Mittelung, 217 Reynolds-Zahl, 32, 95, 258 Reynolds-Zahl, kritische, 130, 311 Rezirkulationsgebiet, 169 Riblets, 142 RohrhydrauUk, 154 Rohrkriimmer, 153 Rohrleitung, 178 Rohrstromung, 39, 162, 188, 381, 389 Rohrstromung, ausgebildet, 99, 188 Rohrstromung, elastisch, 386 Rohrstromung, laminar, 381 Rohrstromung, pulsierend, 386
426
Rohrstromung, turbulent, 157, 191, 381 Riickstromgebiet, 37, 166, 167, 170, 178, 361 Riickwarts-Differenzenquotient, 344, 345 Ruhedichte, 112 Ruhedruck, 82, 84, 112 Ruhetemperatur, 112 Ruhewert, 111 Rundungsfehler, 346 Runge-Kutta Verfahren, 351 SAE-Kraftfahrzeugkorper, 373 Sattel-Knoten-Kombination, 318 Sattelpunkt, 38, 312, 316, 317 Saugseite, 33 Schallgeschwindigkeit, 105, 106, 300, 301 Schallquelle, 380 Schallwelle, 105-108 Scherkraft, 57, 205, 208 Schichtenstromung, 82, 88, 99 Schienenfahrzeug, 16 Schmidt-Zahl, 52 Schubspannung, 47, 94, 100, 135, 137, 155, 208, 224 Schubspannung, scheinbare, 135 Schubspannungskraft, 244, 247 Schwankungsgeschwindigkeit, 135, 261 Schwankungsgrofie, 132, 143, 224, 231, 236, 237, 261, 263 Schwerkraft, 88, 90, 94, 95 Schwimmen, 11 Sekundarstromung, 180, 181 Senke, 317 Signalgeschwindigkeit, 105 SIMPLE-Algorithmus, 355 Simulation, direkte, 240 Single Flash Prinzip, 39 Software, 362 Sonnenoberflache, 10 Spaltstromung, instationar, 396 Spannung, dimensionslos, 278 Speicherkraftwerk, 92 Spektralmethode, 332 Spektralverfahren, 311, 326, 332, 334 Storungsdifferentialgleichung, 276 Stabilitat, numerisch, 346 Stabilitatsanalyse, 304
Standardatmosphare, 66 STAR CD, 366 Statischer Druck, 85 Staukorper, 388 Staupunkt, 30, 112, 124 Staupunkttemperatur, 124 StaustromUnie, 82 Stoffaustausch, 182 Stoffeigenschaft, 279 Stoffiibertragung, 28 Stokesscher Reibungsansatz, 210 Stokessches Widerstandsgesetz, 170 Storpotential, 294, 297 Storungsgeschwindigkeit, 305, 306 Storungsgrofie, 305, 307, 308 Stofi-Grenzschicht-Wechselwirkung, 177, 392 Stofigleichungen, 122 Stofirohr, 128 Strahlaufweitung, 166 Stratosphare, 63 Streichlinie, 69, 71 Stromfaden, 78, 87 Stromfadenelement, 79, 94 Stromfadentheorie, 67, 76, 78, 92, 110, 113 Stromflache, 78 Stromlinie, 68, 71 Stromlinienkorper, 104 Stromrohre, 77, 78 Stromung, inkompressibel, 31, 37, 76, 213, 223, 254, 271, 353 Stromung, instationar, 72, 80, 329, 341, 359, 370 Stromung, kompressibel, 31, 105, 110, 212, 216, 217, 264, 266 Stromung, kompressibel, heifi, 253 Stromung, laminar, 205, 244 Stromung, Nicht-Newtonsch, 162 Stromung, reibungsbehaftet, 30, 93 Stromung, reibungsfrei, 34, 90 Stromung, schleichend, 96 Stromung, stationar, 68, 79, 90, 370 Stromung, transitionell, 181 Stromung, transsonisch, 108, 110 Stromung, turbulent, 130, 133, 216, 222, 250
427 Stromung, turbulent, anisotrop, 239 Stromungsablosung, 35, 166, 176, 395 Stromungsbereiche, 29, 33, 37, 38 Stromungsgebiet, 30, 31 Stromungslinie, 35, 38 Stromungsmaschine, 24, 193 Stromungsmaschine, axial, 194 Stromungsmaschine, radial, 195 Stromungsmechanik-Software, kommerziell, 365 Stromungswiderstand, 133 Strudelpunkt, 319 Strukturanalyse, 312 Stufe, riickwarts geneigt, 382 Sutherland-Gleichung, 279 System, rotierend, 196 Taylor-Entwicklung, 136, 341 Teilchenbahn, 67, 71 Teilchendichte, 275 Temperatur, 47, 53, 54, 277 Temperatur, dimensionslos, 278 Temperatur, kritisch, 55 Temperaturgrenzschicht, 258 Temperaturleitfahigkeit, 52 Theorie kleiner Storungen, 293 Tiefdruckgebiet, 3, 4, 87 Tiefenfilter, 409 Tollmien-Schlichting-Welle, 131, 305, 334 Tornado, 5, 88 Tragflachenstromung, 321 Tragfliigel, transsonisch, 355, 373, 391 Tragfliigelentwurf, 44 Tragfliigelprofil, transsonisch, 372 Tragfliigelumstromung, 32, 176, 252 Tragheitsbereich, 240 Tragheitskraft, 95, 96, 195 Trainingskurs, 370 Transformation, lokal, 350 Transformationsmatrix, 350 Transitionsprozess, 181, 304, 305, 326, 334 Transporteigenschaft, 47 Tropfenstromung, 38, 41 Troposphare, 63 Tschebyscheff-Polynom, 311, 333 Tsunami, 6, 7
Turbine, 91, 193 Turbulenz, isotrop, 239, 241 Turbulenzdissipation, 236 Turbulenzflecken, 131 Turbulenzgrad, 25, 133, 140 Turbulenzmodell, 23, 224, 372 Turbulenzmodell, algebraisch, 225 Turbulenzspektrum, 240 U-Rohrmanometer, 61, 82, 84 Ubergang, laminar-turbulent, 130, 132, 140, 172, 176, 304 tJberschall, 114, 117, 119 Uberschallstromung, 109, 110 Umstromung, 391 Umstromung, instationar, 377 Umstromung, reibungsfrei, 37 Umstromung, stationar, 371 Umwelt, 2 Unterbodenstromung, 37 Unterschall, 114 Unterschallstromung, 108, 117 Unterschicht, viskose, 137 US-Standardatmosphare, 64 Validierung, 44 Van der Waals-Gleichung, 55 Variable, konservativ, 278 Variable, primitiv, 278 Ventilstromung, 402 Ventrikel, 13, 360 Ventrikelstromung, 323, 361, 387 Venturi-Rohr, 81 Verbrennung, 21 Verbrennungsmotor, 20 Verbrennungsprozess, 22 Verdichter, 193 Verdichtungsstofi, 33, 107, 117, 120 Verdichtungsstofi, instationarer, 128 Verdichtungsstofi, schiefer, 126 Verdichtungsstofi, senkrecht, 121 Verdrangungswirkung, 97 Verfahren, implizit, 345 Verhaltnis der spezifischen Warmen, 54, 121 Verifikation, 44, 46, 370 Verkehrsflugzeug, 15
428
Verteilungsdichtefunktion, 273 Verteilungsfunktion, 275 viskose Unterschicht, 139 Viskositat, 48 Viskositat, turbulent, 224, 229, 232 Visualisierung, 37 Volumen, 53 Volumen, finite, 347 Volumen, spezifisch, 54 Volumenkraft, 244 Volumenstrom, 78 Volumenstrom Messsonde, 403 Vorentwurf, 42 Vortrieb, 12 Vorwarts-Diff'erenzenquotient, 342 Wand, adiabat, 279 Wand, fest, 279 Wand, isotherm, 279 Wandgesetz, logarithmisch, 140 Wandschubspannung, turbulent, 142 Wandtemperatur, 189 Wandturbulenz, 139 Wanstromlinie, 102, 322 Warme, spezifische, 47 Warmeausdehnungskoeffizient, 216, 328 Warmeaustausch, 182 Warmeleitung, 30, 47, 50, 52, 244, 247 Warmestrom, 52, 90, 185 Warmestrom, dimensionslos, 279 Warmetransport, 90, 183, 185, 250, 411 Warmeiibergang, 184, 186, 188, 216, 376 Warmeiibergangskoeffizient, 183, 184, 189 Warmeiibertragung, 28, 182, 253, 260 Warmeiibertragung, konstant, 189 Wechselwirkungskraft, 30 Weglange, mittlere freie, 29, 120 Weissenberg-Effekt, 164 Welle, eben, 73 Wellenansatz, 308 Wellengleichung, 301 Wellenzahl, 73, 240, 241, 308, 310, 311, 332 Wert, kritischer. 111 Widerstand, 29, 101 Widerstandsbeiwert, 17, 35, 101
Widerstandskraft, 17, 101, 150, 170 Wiedereintrittskapsel, 27 Windkanal, 17, 19, 32, 35, 43, 357 Windkanalexperiment, 17, 35, 37, 173 Windkanalmessung, 44 Windkanalmodell, 43 Winkelgeschwindigkeit, 47, 90 Wirbel, 316 Wirbel, energietragend, 240 Wirbelablosung, 96, 170 Wirbelstarke, 47 Wirkungsgrad, 201 Youngsche Gleichung, 57 Zahigkeit, dynamische, 48 Zahigkeit, kinematische, 51, 52 Zeitintervall, 219 Zellmittelpunkt-Schema, 348 Zellularkonvektion, 384, 385 Zentrifugalkraft, 4, 62, 179, 195, 196 Zentripetalkraft, 88 Zuordnungsmatrix, 336 Zustandsanderung, isentrop, 106 Zustandsgleichung, kalorisch, 122, 124 Zustandsgleichung, thermisch, 54 Zwei-Gleichungsmodell, 236 Zweiphasengebiet, 39 Zweiphasenstromung, 39 Zylinderinnenstromung, 400 Zylinderumstromung, 173, 322