Tanz mit mir ins neue Jahr Myrna Temte
Julia Weihnchaten 1995
Gescannt von suzi_kay Korrigiert von almut k.
1.KAPITE...
10 downloads
612 Views
279KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Tanz mit mir ins neue Jahr Myrna Temte
Julia Weihnchaten 1995
Gescannt von suzi_kay Korrigiert von almut k.
1.KAPITEL „Sing es noch einmal, Wizabet", bat die zweijährige Charlotte Stone. Elizabeth Davis-Smythe musste lächeln. Das Kind schaffte es einfach nicht, ihren Namen auszusprechen. Sie warf einen Blick über die Schulter auf Charlotte und ihren fünf Jahre alten Bruder. Die beiden saßen fest angeschnallt in den Kindersitzen auf der Rückbank des Wagens, den sie in Jackson Hole gemietet hatte, doch nach drei Stunden Fahrt war es ihnen langweilig geworden. Elizabeth konnte es ihnen nicht verdenken. Aber im Moment konnte sie nichts anderes tun, als ihnen Lieder vorzusingen und zu beten, dass keines der Kinder auf den Topf musste, bevor sie die Farm ihres Onkels erreichten. Obwohl sie eine begeisterte Skiläuferin war, hatte sie noch nie einen so heftigen Schneefall erlebt. Und auch noch keine so schmale Straße kennengelernt. Außerdem war sie noch nie so lange gefahren, ohne einem anderen Menschen zu begegnen. Sie war zum ersten Mal in Wyoming, und je länger sie durch diesen Schneesturm fuhr, desto mehr sehnte sie sich nach dem belebten Connecticut zurück. Dort gab es geteerte Straßen, viele Tankstellen und geheizte Raststätten. „Na los, Lizbeth", drängte Nathan. „Ich möchte noch einmal ,Jingle Be lls' singen." „Okay, Nathan", erwiderte Elizabeth geduldig und begann mit dem Refrain. Der Scheibenwischer fegte den Schnee zur Seite, und Elizabeth glaubte, am Fuß des Hügels etwas erkennen zu können. Als die weiße Schicht ihr Sekunden später wieder die Sicht raubte, nahm sie den Fuß vom Gaspedal und beugte sich vor, um genauer hinzusehen, während der Wischer zurückwanderte. Es war ein Tier. Ein großes. „Sing schon, Wizabet", jammerte Charlotte. Es war schwer, beruhigend zu klingen, wenn man Angst hatte, aber Elizabeth versuchte es trotzdem. „Gleich, Liebling. Im Moment bin ich zu beschäftigt." Der Hang war lang und steil, und wenn sie auf die Bremse trat, reagierte der Wagen kaum. Elizabeth schaltete herunter und bremste heftiger. Das Tempo wurde langsamer, aber nicht langsam genug. Mit jeder Bewegung des Scheibenwischers wurde die Kuh - jedenfalls glaubte sie, dass es eine Kuh war - größer und bedrohlicher. „Wizabet! Sing mit uns!" „Nicht jetzt, Charlotte", sagte Elizabeth, und die Nervosität ließ ihre Stimme schärfer klingen, als sie beabsichtigt hatte. Sie schaltete noch einen Gang zurück und trat mehrmals hintereinander auf die Bremse. Das Heck des Wagens geriet ins Schleudern. Elizabeth hupte und blendete die Scheinwerfer auf. Das Tier stand einfach nur da, teilnahmslos und gelangweilt, wie die Gäste auf den Wohltätigkeitsgalas ihrer Mutter. Die Kuh war so groß, dass sie nicht um sie herumfahren konnte. Sie bremste und hupte und starrte immer wieder auf die Gräben links und rechts der Straße. Ausweichen kam nicht in Frage. Sie durfte nicht riskieren, dass der Wagen sich überschlug. „Beweg dich, du blödes Vieh", murmelte sie und versuchte, nicht daran zu denken, welchen Schäden ein Frontalzusammenstoß anrichten würde. Aber angesichts der bevorstehenden Katastrophe war die Vorstellung nicht zu verdrängen. Der Wagen war auf der Fahrerseite mit einem Airbag ausgerüstet, und die Kindersitze würden ihre kleinen Fahrgäste vor dem Schlimmsten bewahren, aber die arme Kuh würde die Kollision nicht überleben. O Gott, was sollte sie nur tun? Verzweifelt trat Elizabeth das Bremspedal bis zum Anschlag durch. Der Wagen drehte sich, und sie nahm den Fuß kurz von der Bremse. Bei der nächsten Drehung wiederholte sie das Manöver, bis die Reifen sich endlich durch den Schnee wühlten, den Schotter darunter berührten und den Wagen einen Meter vor der Kuh zum Halten brachten. Plötzlich war es absolut still. Elizabeth holte tief Luft und starrte in die Augen des widerspenstigen Tiers, das keinen Zentimeter zurückgewichen war. Erst als sie hinter sich ein
leises Schluchzen hörte, brach sie den Blickkontakt ab. Elizabeth drehte sich zu ihren Schützlingen um. Es fiel ihr schwer, denn ihre Finger hatten sich um das Lenkrad gekrallt. Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Krächzen. „Nathan? Ist dir und Charlotte etwas passiert?" „Ich ... Nein, ich glaube nicht", stammelte der kleine Junge. Die Angst in seiner Stimme riss Elizabeth aus der Erstarrung. Sie löste die verkrampften Finger vom Steuer, schnallte sich los und beugte sich nach hinten. Tränen glitzerten in Charlottes großen blauen Augen. „Ich ... will zu ... meiner Mommy!" Elizabeth hob das Mädchen aus dem Kindersitz und nach vorn auf ihren Schoß. „Ich weiß, Süße. Jetzt ist alles wieder gut. Bitte, hör auf zu weinen, Baby." Charlotte rieb sich mit winzigen Fäusten über die Augen und schob trotzig die Unterlippe vor. „Ich bin kein Baby mehr, Wizabet." „O ja, wie dumm von mir. Ich habe ganz vergessen, dass du längst ein großes Mädchen bist." Liebevoll strich Elizabeth dem Mädchen über die goldbraunen Locken. Nathan kletterte über die Lehne und kniete sich auf den Beifahrersitz. Elizabeth machte große Augen und tat entsetzt. „Du meine Güte, Nathan! Wie hast du es geschafft, dich aus dem Kindersitz zu befreien?" Er lächelte stolz. „Ich habe den Gurt aufgemacht, ganz allein!" Sie nahm Charlotte auf den linken Arm und zog den Jungen an sich. „Toll, aber du hättest dich verletzen können. Versprich mir, dass du dich nie wieder ohne Erlaubnis losschnallst, ja?" „Okay, ich verspreche es." Er drehte sich, bis er nach vorn schauen konnte. „Was sollen wir mit dem Stier machen, Lizbeth?" Elizabeth musterte das Rindvieh. „Woher weißt du, dass es keine Kuh ist, Nathan?" Der Junge warf ihr einen erstaunten Blick zu. „Es ist zu groß für eine Kuh und außerdem hat es... na ja, du weißt schon, diese Dinger, damit es mal Daddy werden kann. Onkel Jack hat es mir erklärt, als wir im letzten Sommer hier waren." Elizabeth unterdrückte ein verlegenes Lachen und strich ihm über den Kopf. „Gut beobachtet, Mr. Stone. Ich fürchte, ich habe nicht genau genug hingesehen, weil ich zu sehr beschäftigt war, einen Zusammenstoß zu vermeiden." Die „Dinger" des Tiers waren tatsächlich kaum zu übersehen, und außerdem stand das Rindvieh mit typisch männlicher Arroganz mitten auf der Straße, als würde es lieber sterben, als einer Frau den Weg freizumachen. Dir Vater und dieser Stier hatten viel gemeinsam. Jetzt, da die Gefahr vorüber war, funkelten Nathans Augen vor Begeisterung. „Ja, das war wirklich cool. Wie eine Fahrt mit der Achterbahn." Charlotte legte den Kopf an Elizabeths Schulter und seufzte. „Ich habe Hunger, Wizabet." „Wenn die Karte deiner Mutter stimmt, ist es nicht mehr weit bis zum Haus deiner Großmutter, Süße. Und wenn du und Nathan noch einmal auf die Hupe drückt, geht Mr. Stier vielleicht zur Seite." Die Kinder hupten. Das Tier reagierte nicht. Elizabeth half ihnen zurück in ihre Sitze und fuhr langsam an. Das störrische Rind blieb, wo es war. Sie kurbelte die Seitenscheibe herunter und schrie es an. Erfolglos. Die Vorstellung auszusteigen behagte ihr nicht. Der Stier sah zwar aus, als wären seine Hufe mit der Straße verwachsen, aber das war keine Garantie dafür, dass er sie nicht angreifen würde. Außerdem hatte es am Morgen in Jackson Hole noch nicht geregnet, und ihre Stiefel lagen im Kofferraum. Aber sie konnten nicht den ganzen Tag hierbleiben. Die Kinder würden irgendwann austreten müssen, und hungrig waren sie auch schon. Außerdem war fraglich, wie lange das Benzin noch reichen würde. Es ließ sich nicht ändern, sie musste etwas unternehmen. Elizabeth zog ihre Skijacke an, warf einen betrübten Blick auf ihre Designerschuhe und stieg aus.
Es war eisig kalt, und sie versank bis über die Knöchel im Schnee. Der Wind raubte ihr den Atem und riss ihr fast die Wagentür aus der Hand. Sie schaffte es, sie zu schließen, und wedelte mit den Armen, während sie auf das Tier zuging. „Na los, Stier! Verschwinde! Mach, dass du wegkommst!" Der Stier wirkte zwar ein wenig interessierter als zuvor, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Elizabeth klatschte in die Hände. „Fort mit dir! Husch! Die Kühe warten auf dich!" Er schnaubte, wich aber keinen Zentimeter zurück. Sie machte noch einen Schritt auf ihn zu. Guter Gott, wie riesig er war! Würde sie es wägen, ihm einen Klaps auf die Nase oder den Hintern zu verpassen, wie es die Cowboys im Film immer taten? Wo um alles in der Welt blieb der Rancher, aus dessen Herde das dumme Vieh entlaufen war? Wie aufs Stichwort tauchte plötzlich ein Mann aus dem dichten Schneetreiben auf. Er saß auf einem braunen Pferd, und Elizabeth war davon überzeugt, dass sie ha lluzinierte. Sie blinzelte und schüttelte den Kopf, aber er verschwand nicht. Im Gegenteil, er war ein Cowboy, wie sie ihn von der Kinoleinwand kannte, mit hohen Stiefeln, einer langen, gefütterten Jacke, einem Stetson-Hut und einem aufgerollten Lasso in der behandschuhten rechten Hand. Er sah so groß und muskulös aus ... so, wie man sich einen Cowboy eben vorstellte. Der Schnee klebte ihm an Augenbrauen und Schnauzbart. Wangen und Ohren waren von der Kälte gerötet. Seine Gesichtszüge waren so markant wie die Wind River Mountains im Osten. Das einzig Sanfte an ihm war das breite, freundliche Lächeln. „Wie geht's, Ma'am? Alle okay im Wagen?" Was für eine Stimme! Es konnte nur eine Halluzination sein. Männer, die so großartig aussahen und zugleich eine so tiefe, sexy Stimme besaßen, gab es nur in Hollywood. Er zügelte sein Pferd, stieg aus dem Sattel und kam auf sie zu, die Stirn in Sorgenfalten. „Ma'am? Sind Sie in Ordnung?" Elizabeth traute ihrer Stimme nicht und nickte nur. Er streckte die rechte die Hand aus. Automatisch ergriff sie sie. „Ich bin Jack Zorn. Das mit Buster tut mir leid." Er nickte zum Stier hinüber. „Sobald er eine Lücke im Zaun findet, bricht er aus und legt den Verkehr lahm." „Sagten Sie gerade Zorn?" Sie musterte ihn. Ja, er hatte dieselben blauen Augen wie Charlotte. Er musste der Bruder von Mary, ihrer besten Freundin, sein. Der Onkel Jack, der Nathan das mit den „Dingern" des Stiers erklärt hatte. „Genau richtig, Ma'am. Ich betreibe die Bar Z Ranch, nicht weit die Straße entlang." „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Zorn." Sein Handschlag war fest, und Elizabeth genoss ihn. „ Ich bin Marys Freundin, Elizabeth Davies-Smythe. Ihre Nichte und Ihr Neffe sitzen im Wagen." „Tatsächlich? Nennen Sie mich Jack, Elizabeth. Hier oben sind wir nicht so förmlich." Er ging zum Wagen und klopfte an die Scheibe. „Hallo, Kinder. Alles klar? Gut. Bleibt ruhig sitzen, ich kümmere mich um den alten Buster. Grandma wartet schon auf euch." Er ging zu Elizabeth zurück. Als er näher kam, verspürte sie ein leises Kribbeln. Ob vor Kälte oder Freude über sein offensichtliches Interesse, wusste sie nicht. Aber wenn sie Mary Zorn Stone das nächste Mal traf, würde sie ihrer Freundin ein paar harte Worte sagen. Die hatte nämlich nur erzählt, dass ihr Bruder allein mit seiner Mutter und einem alten Onkel auf der Ranch lebte, aber nicht, was für ein unglaublich attraktiver Mann er war. Mit einer lässigen Höflichkeit, die sie seit Jahren nicht mehr erlebt hatte, öffnete er die Wagentür, half ihr ans Steuer und schloss die Tür wieder. Sie kurbelte das Fenster herunter. „Sobald ich Buster von der Straße habe, fahren Sie einfach noch eine Meile und nehmen die erste Abzweigung auf der linken Seite", sagte er. „Sie können die Ranch nicht verfehlen." Er tippte sich an den Hut, führte das Pferd vom Wagen weg und schwang sich in den Sattel. Elizabeth seufzte bewundernd und musste lachen, als ihr aufging, dass sie sich wie der
jugendliche Fan eines Rockstars benahm. Ein schriller Pfiff ertönte, dann ritt Jack direkt auf den Stier zu. Buster besaß vor einem Pferd offenbar mehr Respekt als vor einem Wagen oder einer Frau, denn er machte gemächlich kehrt. „Na los, du alter Dickschädel, beweg dich!" rief Jack und schwenkte sein Lasso. Der Stier trabte los. Jack drehte sich um, lächelte Elizabeth zu und winkte auffordernd. Sie startete den Motor und fuhr vorsichtig an ihm und dem Rindvieh vorbei. Als der Schnee ihr im Rückspiegel die Sicht auf den Reiter nahm, seufzte sie bedauernd. „Bist du okay, Lizbeth?" fragte Nathan. „Mir geht es gut", beteuerte sie. Sie war keineswegs sicher, ob das stimmte. Um Warren Jameson III, dem hartnäckigsten unter den Heiratskandidaten, die ihre Eltern für sie ausgesucht hatten, zu entgehen, hatte sie Mary und deren Mann ihre Hilfe angeboten. Die beiden wollten für sechs Wochen nach Europa, und Elizabeth brachte die Kinder auf die Bar Z Ranch. Das letzte, was sie wollte, war eine romantische Verwicklung mit einem Mann, mochte er auch noch so attraktiv sein. Aber Jack ... Na ja, egal. Sie würde die Kinder abliefern, ihnen beim Auspacken helfen, ein wenig mit ihrer Großmutter plaudern und nach Jackson Hole zurückfahren. Morgen um diese Zeit würde sie schon auf Skiern die Hänge oberhalb von Teton Village hinabsausen, und Jack Zorn würde nichts weiter als eine nette Erinnerung sein. Sie hatte bisher unter den unzähligen wohlhabenden und gebildeten Männern, die ihre Eltern in den letzten zehn Jahren an der Ostküste für sie zusammengesucht hatten, nicht den Richtigen gefunden. Warum sollte es ihr ausgerechnet auf einer Ranch außerhalb von Pinedale im wilden Wyoming gelingen?
2. KAPITEL „Nun mach schon, Buster", rief Jack, als sein preisgekrönter Hereford-Stier am Tor vorbeitrabte. „Du hast deinen Spaß gehabt." Buster trottete weiter, als hätte er nichts gehört. Jack knurrte verärgert und spornte Rebell, sein Quarterhorse, mit den Knien an. Nicht, dass der Wallach eine Aufforderung gebraucht hätte. Sie beide hatten Buster schon so oft eingefangen, dass sie alle seine Tricks kannten. Als der Stier endlich wieder auf der Weide war, schloss Jack das Tor und ritt zur Lücke im Zaun, um sie zu reparieren, bevor der alte Teufel einen neuen Fluchtversuch unternehmen konnte. Er warf einen besorgten Blick zum Himmel. Das Wetter war viel zu schlecht für die zweite Novemberwoche. Wenn es so kalt blieb, würden sie das Vieh zweimal am Tag füttern müssen, und das würde den ohnehin schon geringen Gewinn, den die Ranch abwarf, noch weiter schmalem. Auf dem Weg zum Haus sah er, dass Billy Zorn, sein Onkel, auf dem Pick-up stand und den ungeduldigen Kühen Heu zuwarf. Verdammt, er hatte dem alten Mann gesagt, dass er auf ihn warten sollte, aber Billy hatte wie immer nicht zugehört. „Wie ich sehe, hast du den alten Ausbrecher gefunden", rief er, als er auf den Hof ritt. „Ich habe das Hupen gehört. Wen hat er denn diesmal belästigt?" „Diese reiche Erbin, die Freundin von Mary, und die Kinder." Bill schnitt einen zweiten Ballen Heu auf. „Ach ja? Wie ist sie denn so?" Jack trieb die Kühe zurück, damit sein Onkel das Heu besser verteilen konnte. „Das, was ich von ihr sehen konnte, war ganz hübsch." „Ist sie hochnäsig?" „Ich glaube nicht. Sie hat langes schwarzes Haar und die grünsten Augen, die du dir vorstellen kannst." Billy runzelte die Stirn. „So eine ist nichts für dich, Jack." „Onkel Billy, du hasst die Frauen so sehr, dass ich an Altersschwäche sterben werde, bevor ich eine finde, die dir gefällt." „Ich hasse sie nicht", erwiderte Billy. „Aber diese Stadtmädchen sind einfach zu weich und haben kein Durchhaltevermögen." „Erzähl das Sam Dawson", sagte Jack. Sam besaß die Nachbarranch und hatte vor einigen Jahren eine Frau aus Chicago geheiratet. Sie hatte ihm bereits einen Sohn geschenkt und erwartete im Frühjahr das zweite Baby. „Hm. Dani Dawson ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt." Jack zuckte mit den Schultern. Onkel Billy war mit einer Frau aus Seattle verheiratet gewesen, aber sie hatte die harten Winter in Wyoming und das einsame Leben auf der Ranch nicht ertragen. Der alte Mann konnte ihr nicht verzeihen, dass sie ihn verlassen hatte. „So, das müsste reichen", sagte Billy nach einem Moment und warf die Forke auf die Ladefläche. „Ich will das Mädchen nicht mal sehen. Ich werde in meinem Wohnwagen essen." Jack nickte ihm zu und ritt in den Stall. Er versorgte den Wallach und ging ums Haus herum. Mit einem erfreuten Lächeln registrierte er, dass Elizabeths Wagen davorstand. Also war sie noch hier. Er sah zum Himmel hinauf, und sein Lächeln wurde breiter. Das Wetter kostete ihn Geld, aber es wäre nicht schlecht, wenn der Schneesturm Elizabeth für ein paar Tage auf der Bar Z festhielt. Onkel Billy hatte recht, eine Städterin war nichts für einen Rancher, aber er brauchte sich ja nicht in sie zu verlieben oder sie zu heiraten. Ein kleiner Flirt würde ihm völlig genügen. „Nun zieren Sie sich nicht, Elizabeth. Essen Sie noch einen Keks." Elizabeth lächelte. Die rundliche Großmutter der Kinder hatte sie mit ofenwarmen Schokoladenkeksen willkommen geheißen. Elizabeth hatte gar nicht gewusst, dass es solche Großmütter noch gab. Seit einer
halben Stunde schenkte Hazel Zorn ihr jetzt schon Kaffee nach und fragte sie über Marys Europareise aus. Und über Elizabeths Vorhaben, jeden Wintersportort in den Rocky Mountains zu besuchen, bevor sie die Kinder am 16. Dezember wieder abholte und nach Hause brachte. Wie ihre Tochter, so war auch Hazel vollkommen natürlich. Sie trug Jeans, ein ausgebeultes rotes Sweatshirt und ein Paar Hausschuhe, die wie zottelige Hunde aussahen. Ihre Einrichtung hätte jeden Innenarchitekten in Tränen ausbrechen lassen. Sie kochte den Kaffee in einer uralten Blechkanne und servierte ihn in billigen Steingutbechern. Aber das alte Haus und seine Bewohnerin verströmten eine Gemütlichkeit, die Elizabeth nicht ans Aufbrechen denken ließ. Die Hintertür ging auf, und Jack kam herein. Während er sich den Schnee von den Stiefeln klopfte, rückte Hazel ihm einen Stuhl zurecht. Er bückte sich, gab ihr einen Kuss auf die Wange und warf seinen Hut über einen Haken neben der Tür. Dann fuhr er sich mit der Hand durch das dichte blonde Haar und lächelte Elizabeth zu. „Kennt sie schon Ihre ganze Lebensgeschichte?" fragte er mit einem Blick auf seine Mutter. „Fast", erwiderte Elizabeth. „Hör auf, dich über mich lustig zu machen", sagte Hazel mit gespielter Strenge. „Und sprich leise. Charlotte liegt auf dem Sofa, und Nathan ist vor dem Fernseher eingeschlafen. Wo ist Billy?" „Er will heute in seinem Wohnwagen essen." Hazel schüttelte den Kopf. „Vielleicht ist es besser so. Der alte Griesgram wird immer ungeselliger." Jack zog die Jacke aus und hängte sie neben den Hut. Elizabeths Mund wurde trocken. Selbst ohne die dicke Jacke waren seine Schultern fast so breit wie die Tür. Er trug ein dunkelblaues Flanellhemd, und ein handgeflochtener Ledergürtel umspannte die schlanke Taille. Die perfekt sitzenden Jeans betonten lange, muskulöse Beine und ein weiteres Merkmal, über das Elizabeth lieber nicht nachdenken wollte. Hastig nippte sie an ihrem Kaffee, aber Jack Zorn setzte sich, und sie musste einfach wieder hinsehen, als er die Stiefel auszog. Sie wusste, dass er es nur tat, um den sauberen Fußboden seiner Mutter zu schonen, doch irgendwie hatte sie nicht erwartet, dass er es vor einer Fremden tun würde. Jack stellte seinen Stuhl an den Tisch und nahm Elizabeth gegenüber Platz. Hazel holte die Kanne vom Herd, nahm einen Becher aus dem Schrank und reichte ihm einen Kaffee. Elizabeth schüttelte den Kopf, als sie auch ihren Becher füllen wollte. „Nein danke, Hazel. Ich muss bald aufbrechen." „Sie sollten sich nach dem Straßenzustand erkundigen, bevor Sie losfahren", sagte Jack. „Bei dem Schneefall dürfte die Straße nach Jackson dicht sein." „Das Telefon steht dort drüben." Hazel zeigte auf einen alten Sekretär. „Die Nummer finden Sie am Brett." Elizabeth ging hinüber und wählte. Eine Tonbandstimme malte ein düsteres Bild von der Verkehrslage in ganz Wyoming. Die Straße zwischen Pinedale und Jackson stand in der Liste der gesperrten Straßen ganz oben. Sie legte auf und kehrte an den Tisch zurück. „Sie hatten recht, Jack. Können Sie mir in Pinedale ein Motel empfehlen?" „Unsinn", sagte Hazel. „Sie sind uns stets willkommen, ob die Straße nun offen ist oder nicht." „O nein, ich möchte mich nicht..." „Keine Widerrede", unterbrach Hazel sie. „Marys Freunde sind auch unsere Freunde, und Sie können mir helfen, die Kinder zu betreuen. Es ist lange her, dass ich welche im Haus hatte. Ich sehe besser mal nach den beiden." Sie ging hinaus. „Sie sind eine gute Autofahrerin", sagte Jack. „Sie haben mich gesehen?" fragte Elizabeth verlegen. Seine Augen funkelten belustigt. „O ja. Ich hatte gerade die kaputte Stelle im Zaun entdeckt,
als ich Ihr Hupen hörte. Wenn Sie nicht so beschäftigt gewesen wären, hätten Sie mich zum Tor galoppieren sehen." Er wurde ernst. „Buster wäre selbst schuld gewesen, wenn Sie ihn gerammt hätten." „Mir wäre fast keine andere Wahl geblieben", gestand sie. „Ich habe noch überlegt, ob ich in den Graben fahren soll, aber ..." Jack unterbrach sie mit einer Handbewegung. „Nein. Sie haben genau richtig gehandelt. Bei einer Nachbarin haben die Bremsen versagt, als sie Buster oben auf dem Hügel begegnete. Sie raste in den Graben, und ihr Pick-up überschlug sich zweimal." „Wurde sie schwer verletzt?" „Nein, nur eine Gehirnerschütterung. Aber wenn Becky nicht angeschnallt gewesen wäre, hätte sie getötet werden können. Ich hätte Buster schon damals verkaufen sollen." „Warum haben Sie es nicht getan?" Jack sah so lange zur Seite, dass Elizabeth fast nicht mehr mit einer Antwort rechnete. Aber dann lächelte er verlegen. „Wissen Sie, Buster ist ein guter Stier. Seine Kälber sind prächtig, und eigentlich ist er ganz friedlich. Er hasst es nur, eingesperrt zu sein, und sieht sich gern mal in der Welt um. Ich muss gestehen, ich bewundere seine Entschlossenheit." „Das klingt, als würden Sie auch gern einmal in die weite Welt hinaus." „Ja, früher habe ich oft daran gedacht, aber dann starb mein Dad. Mom und Onkel Bill schaffen es nicht allein, also bin ich noch immer auf der Ranch." Hazel kehrte mit Charlotte auf den Armen zurück. Nathan lief verschlafen neben ihr her. Doch als er Jack bemerkte, leuchteten seine Augen auf, und er rannte zu ihm. Jack packte den Jungen unter den Armen und warf ihn in die Luft. Fröhlich kreischend umarmte Nathan ihn. „Gut, dich zu sehen, Partner", sagte Jack und strich dem Jungen über das Haar, während er ihn auf den Schoß nahm. „Du bist ja seit dem Sommer ganz schön gewachsen. Womit füttert deine Mom dich?" „Gemüse." Nathan verzog das Gesicht. Jack lachte herzhaft. Es war ein tiefes, unbeschwertes Lachen, das Elizabeth ans Herz ging. Er zog den Teller mit den Keksen zu sich heran. „Hier, die schmecken dir bestimmt besser." Charlotte nahm den Daumen aus dem Mund. „Will zu Wizabet." Hazel reichte ihr das Kind, ging an den Herd und rührte in einem Topf Suppe. Elizabeth sah gerührt zu, wie das kleine Mädchen wieder am Daumen nuckelte und sich voller Vertrauen an sie schmiegte: Sie küsste Charlotte auf die zerzausten Locken. Hoffentlich wusste Mary, was für ein Glück es war, aus Liebe geheiratet zu haben und mit diesen großartigen Kindern beschenkt worden zu sein. Könnte sie selbst doch auch nur ... Elizabeth brach den Gedanken ab. Er war reine Zeitverschwendung. Sie hob den Kopf und sah, dass Jack sie aufmerksam betrachtete. Er blinzelte, lächelte schüchtern, und dann war der Moment vorüber. Sie fragte sich, ob er ihren wehmütigen Blick bemerkt hatte. Jack kam sich vor wie ein Idiot. Rasch sah er zur Seite. Was zum Teufel war los mit ihm? Mit sechsunddreißig hatte er schon eine ganze Menge Frauen reizvoll gefunden. Elizabeth war hübsch, und er konnte sich gut mit ihr unterhalten, da war es nicht erstaunlich, dass er sie anziehend fand. Aber als sie das Kind auf den Arm genommen hatte, war ein... ganz eigenartiges Gefühl in ihm aufgestiegen. Plötzlich fühlte er sich Elizabeth unglaublich nah, und einen Moment lang hatte er die verwegene Vorstellung gehabt, seine Zukunft vor sich zu sehen. Eine Zukunft mit Elizabeth und ihrem gemeinsamen Baby. Was für ein absurder Gedanke. Erstens wurden Elizabeth und er niemals ein so blondes Kind wie Charlotte bekommen. Zweitens kannte er die Frau noch nicht einmal gut genug, um sie zu küssen, geschweige denn, sie zur Mutter zu machen. Und drittens wusste er von Mary genug über Elizabeth, um sicher zu sein, dass er ihr nichts bieten konnte. Diese Frau lebte in einer Villa, machte in Europa Urlaub und verkehrte mit Filmstars, US-
Senatoren und Industriellen. Wahrscheinlich spendete sie in einem Jahr mehr Geld für wohltätige Zwecke, als er in zehn verdiente. Ein harmloser Flirt mit ihr war okay, aber auch nur daran zu denken, mit ihr ein Kind zu bekommen, war absolut verrückt! Jack sah wieder zu ihr hinüber. O nein. Sie hatte die Augen geschlossen und rieb ihre Wange an Charlottes weichen Locken. Alles, was er sah, war eine schöne Frau, süß, sexy und mütterlich zugleich. Und in diesem Moment begehrte er sie so sehr, dass es fast weh tat.
3. KAPITEL Es schneite die nächsten fünf Tage lang. Aber Elizabeth hatte so viel Spaß auf der Bar Z Ranch, dass es sie nicht gestört hätte, wenn der Schneesturm Monate gedauert hätte. Sie tollte mit den Kindern herum und bastelte mit Hazel Christbaumschmuck für den Kirchenbasar. Sie lernte die Pferde, die Stallkatzen und beide Hunde kennen. Sie erwies sich als begabte Pokerspielerin und schaffte es sogar, Marys mürrischem Onkel Billy ein Lächeln zu entlocken. Der alte Mann schien sie anfänglich nicht sehr gemocht zu haben, aber sie nahm ihn für sich ein, indem sie seine Lieblingsmelodien auf dem Klavier im Wohnzimmer spielte. An einem Nachmittag nahm der Sturm ein wenig ab, und Jack lud sie zu einem Ausritt über die Ranch ein. Für jemanden, der bisher nur in einem englischen Sattel gesessen hatte, war der große Westernsattel zunächst etwas ungewohnt. Aber die atemberaubende Landschaft ließ sie die Unbequemlichkeit bald vergessen, und sie freute sich, Jack mit ihren reiterlichen Fähigkeiten überraschen zu können. Als sie in den Stall zurückkehrten, bemerkte sie voller Begeisterung, dass Bridget, Hazels Irish Setter, in einer der Boxen ihre eben erst geborenen Welpen säugte. Ein besonders kleiner Bursche, dessen hungrige Geschwister ihn immer wieder zur Seite drängten, wuchs ihr sofort ans Herz. Obwohl Jack meinte, dass der Kleine die Nacht nicht überleben würde, bestand Elizabeth darauf, ihn mit ins Haus zu nehmen. Sie blieb die ganze Nacht auf, füllte ein für Augentropfen gedachtes Fläschchen mit warmer Milch und fütterte ihn. Er wurde immer kräftiger, und sie liebte ihren Schützling über alles. Die Zorns freuten sich mit ihr und halfen, wann immer sie konnten. Während dieser fünf Tage genoss Elizabeth die warme, entspannte Atmosphäre auf der Ranch in vollen Zügen. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich als Mensch akzeptiert, nicht nur als reiche Erbin. Falls die Zorns wussten, wie vermögend sie war, so erwähnten sie es nicht, und es schien sie auch nicht zu beeindrucken. Hazel bemutterte sie. Onkel Billy ließ seine Launen an ihr aus. Jack scherzte mit ihr und nannte sie Beth. Elizabeth gewann sie alle lieb. Aber am liebsten hatte sie Jack. Sie war noch nie jemandem wie ihm begegnet. Manchmal war seine Sprache irritierend direkt. Er besaß zu vielen Dingen eine feste Meinung und scheute sich nicht, sie von sich zu geben. Dennoch respektierte er die Ansichten anderer, und obwohl er alles andere als ein Muttersöhnchen war, verheimlichte er nicht, was Hazel ihm bedeutete. Zu den Kindern war er stets sanft und geduldig, und offenbar bereitete es ihm viel Freude, seine Zeit mit ihnen zu verbringen. Im Unterschied zu fast allen anderen Männern, die Elizabeth kannte, sprach Jack kaum über sich. Er hatte zwar nur die High School besucht, war aber äußerst belesen und besaß ein erstaunlich großes praktisches Wissen. Er fühlte sich wohl in seiner Haut, war selbstsicher, ohne arrogant zu sein, und auch ohne Designerkleidung, Nobelfriseur und Fitnessstudio geradezu sündhaft sexy. Er flirtete gern und verströmte dabei einen Charme, der Elizabeth nicht abschreckte, sondern ihr schmeichelte. Sollte sie sich jemals in der Wildnis verirren, Schiffbruch erleiden oder in Kriegswirren geraten, so wollte sie einen Mann wie Jack an ihrer Seite haben. Elizabeth gestand sich ein, dass sie für ihn schwärmte, behielt ihre Gefühle jedoch für sich. Nur wenn sie allein in ihrem Zimmer war, ließ sie der Phantasie freien Lauf. Je länger sie auf der Ranch blieb, desto schwerer fiel ihr der Abschied. Leider konnte es nicht für immer schneien. Am Abend des fünften Tags bei den Zorns legte sich der Sturm, die weißen Flocken fielen nicht mehr, und im Radio wurde verkündet, dass die Schneepflüge ausgerückt waren. Beim Essen blickte Onkel Billy von seinem Eintopf auf und lächelte Elizabeth zu. „Morgen
früh müsste die Straße nach Jackson frei sein. Schätze, du willst dich auf den Weg zu den Skipisten machen, was?" „Billy!" sagte Hazel streng. „Benimm dich, sonst kannst du im Stall essen." „Ich wollte nur ein Gespräch beginnen", knurrte der alte Mann. Hazel ignorierte ihn. „Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest, Elizabeth." „Danke, aber ich habe eure Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen." „Nun ja, das musst du selbst entscheiden. Ich weiß, dass du einen Skiurlaub geplant hast." Der Rest des Abends verlief wie alle anderen zuvor. Während Hazel die Küche aufräumte, badete Elizabeth Charlotte und Nathan und las ihnen drei Geschichten vor. Jack und seine Mutter halfen ihr, die beiden ins Bett zu bringen. Dann zog Hazel sich in ihr Zimmer zurück, und Elizabeth stand mit Jack auf dem Flur. Er hatte die Einladung seiner Mutter, länger auf der Ranch zu bleiben, nicht bekräftigt, und plötzlich machte seine Nähe Elizabeth verlegen. Hatte sie sich die bewundernden Blicke etwa nur eingebildet? Oder sie falsch gedeutet? Vielleicht hatte er es ebenso eilig wie sein Onkel, sie loszuwerden. Der Gedanke tat ihr weh. Sie rang sich ein Lächeln ab und ging an ihm vorbei. „Ich packe jetzt besser. Falls wir uns morgen früh nicht sehen, vielen Dank für alles. Es war wirklich schön, euch alle kennenzulernen." Jack hielt sie am Arm fest. „Komm nach unten, wenn du fertig bist. Ich mache dir einen Tee-Grog." Die sanfte Berührung, die heisere Stimme und das unverhüllte Verlangen in seinem Blick verrieten ihr, dass sie sich nichts eingebildet oder falsch gedeutet hatte. Sie sah ihm in die Augen, und bei der Vorstellung, von hier fortzugehen, ohne ihn geküsst zu haben, wurde ihr weh ums Herz. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, daher nickte sie nur und eilte in ihr Zimmer. Zwanzig Minuten später blieb sie oben an der Treppe stehen und atmete mehrmals tief durch, um ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Hoffentlich würde Jack nicht merken, dass sie mehr Zeit auf ihr Aussehen als auf das Packen verwendet hatte. Für eine erfahrene dreißigjährige Frau benahm sie sich kindisch. Schließlich wäre es nicht ihr erster Kuss, und außerdem stand gar nicht fest, dass Jack sie küssen würde. Aber sie wünschte es sich sehnlichst. Wenn ich nicht nach unten gehe, wird überhaupt nichts passieren, sagte sie sich und nahm ihren Mut zusammen. Als sie die Treppe herunterkam, war das Wohnzimmer fast dunkel. Nur in einer Ecke brannte eine kleine Lampe, und im Kamin flackerte ein Feuer. Aus dem Radio im Bücherregal drang leise Musik. Jack kam mit einem Tablett herein, auf dem zwei Becher und eine Warmhaltekanne standen. Sein Lächeln war freundlich und verführerisch. In Elizabeths Bauch breitete sich eine wohltuende Wärme aus. Sie war nicht die einzige, die sich zurechtgemacht hatte. Jack hatte saubere Jeans, Mokassins, ein Denimshirt und einen graublauen Pullover angezogen, der seine Augenfarbe betonte. Sein Haar sah noch ein wenig feucht aus, und sie hätte wetten können, dass er sich besonders sorgfältig rasiert hatte. Mit gespielter Unbeschwertheit setzte sie sich auf das Sofa. Er stellte das Tablett auf den flachen Tisch und setzte sich zu ihr. Dann erklärte er ihr, worauf es bei der Zubereitung eines richtigen amerikanischen Tee-Punschs ankam, reichte ihr einen Becher und stieß mit ihr an. „Auf die Freundschaft." „Auf die Freundschaft", wiederholte sie und sah ihn an, während sie den ersten Schluck nahm. Der mit Rum und Zimt gewürzte Tee schmeckte herrlich, und Elizabeth schloss genießerisch die Augen. Als sie sie wieder öffnete, stellte sie fest, dass Jack sie eindringlich betrachtete. Er rückte näher, legte die Füße auf den Zeitungsstapel auf dem Couchtisch und streckte den Arm hinter ihren Schultern auf der Lehne aus. Sie sah sich im Zimmer um und zog eine
Augenbraue hoch. „Sanftes Licht, sanfte Musik, Alkohol. Du versuchst doch nicht etwa, mich zu verführen?" Er ließ die Hand auf ihre Schulter gleiten. „Doch." Seine ehrliche Antwort ließ sie lächeln, während sie den zweiten Schluck nahm. „Glaubst du, du schaffst es?" „Ja." Jack stellte die Füße auf den Boden, stellte beide Becher auf den Tisch und drehte sich zu Elizabeth. Ihr Herz schlug schneller, als er sich vorbeugte, aber sie wich seinem ruhigen Blick nicht aus. „Was macht dich so sicher, Cowboy?" Er strich mit einem Finger über ihren Hals, und die zärtliche Berührung versetzte ihre Sinne in Aufruhr. Dann hob er mit der anderen Hand ihr Kinn an und sah ihr in die Augen, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Die Chemie", flüsterte er. „Fühlst du sie denn nicht?" Würde sie noch mehr davon fühlen, würde sie vermutlich dahinschmelzen. „Chemie kann gefährlich sein." „Kein Problem. Ich bin ein vorsichtiger Mensch." Das war er tatsächlich, jedenfalls zu Beginn. Er zog sie an sich, und wie ein Wissenschaftler, der mit hochexplosiven Stoffen hantierte, küsste er sie ganz sanft. Elizabeth blieb passiv, genoss die Wärme seines Mundes und seufzte vor Vergnügen, als sie das zaghafte Streicheln seiner Zunge spürte. Er zog sie noch fester an sich, und der Kuss wurde drängender. Sie legte die Hände auf seine Schultern und öffnete die Lippen. Er nahm die Einladung an, und als ihre Zungenspitzen sich berührten, lief es so ab, wie sie beide gehofft und insgeheim auch erwartet hatten. Es war tatsächlich wie eine chemische Reaktion, die sich in einem Sturm der Erregung entlud. Ein Kuss führte zum nächsten, bis sie ihr Verlangen kaum noch bremsen konnten. Das Bedürfnis, mehr voneinander zu schmecken, war überwältigend. Das Bedürfnis, einander auch mit den Händen zu Streichern. Das Bedürfnis, einander näher zu sein, bequemer, ohne die störende Kleidung, Körper an Körper, Haut an Haut. Noch nie hatte Elizabeth sich so begehrt, so bewundert, so ... verliebt gefühlt. Das Wort ,Liebe' vertrieb den sinnlichen Rausch, dem sie sich hinzugeben drohte, und bahnte der Vernunft den Weg. Es war alles so schnell gegangen, dass sie die Kontrolle über sich verloren hatte. Jack liebte sie nicht, und sie liebte ihn nicht. Sie war hingerissen, aber nicht verliebt. Hastig zog sie die Hände unter seinem Hemd hervor, das sie aus der Hose gezerrt hatte, brach den Kuss ab und schob Jack von sich. Er stöhnte protestierend auf, doch als sie nicht aufhörte, ließ er sie los. Atemlos starrten sie einander an. Obwohl keine drei Meter entfernt das Kaminfeuer prasselte, fehlte ihr Jacks Wärme, und sie fröstelte. Er hob die Hände, als wollte er nach ihr greifen, doch sie wich zurück, um die mühsam wiedergewonnene Vernunft nicht aufs Spiel zu setzen. „ Wow", sagte er und lächelte belustigt. „Was für eine Chemie, nicht wahr?" „Stimmt." Himmel, gehörte diese rauchige Stimme etwa ihr? „Davon habe ich geträumt, seit ich dich auf der Straße stehen sah und den alten Buster anschreien hörte." „Wirklich? Warum hast du so lange gewartet?" „Es wäre zu riskant gewesen." „Riskant?" „Ja. Ich wagte nicht, dich früher zu berühren, weil ich nicht wusste, wie lange der Schneesturm anhalten würde." Sie warf das Haar über die Schulter, wendete sich von ihm ab und schlug die Beine übereinander. „Ich fürchte, ich verstehe nicht."
„Komm schon, Beth, wir flirten seit dem ersten Tag miteinander. Der einzige Grund, aus dem wir nichts daraus gemacht haben, ist der, dass wir keine ernsthafte Beziehung beginnen können. Da du morgen abreist, bleibt nicht genug Zeit, mehr zu tun, als wir unter diesen Umständen tun können. Also dachte ich mir, es wäre endlich ungefährlich, unsere Chemie zu testen." „Oh, jetzt verstehe ich", sagte sie und hätte ihm am liebsten den Rest ihres Drinks über den egoistischen Kopf gekippt. „Du dachtest, wir könnten eine Nacht miteinander verbringen, und das war es dann." „Das habe ich nicht gesagt", widersprach er. „Das brauchtest du gar nicht." Sie stand auf. „Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, aber dieses chemische Experiment ist beendet." Jack erwiderte ihren wütenden Blick. „Ich habe nicht erwartet, dass du mit mir schläfst. Alles, was ich wollte, waren ein paar angenehme Küsse." „Angenehm? Was glaubst du, wäre passiert, wenn ich dich nicht aufgehalten hätte?" Er murmelte etwas Unverständliches, griff nach ihrem Handgelenk und zog sie wieder neben sich auf das Sofa. „Hör mal, ich bin kein grüner Junge, der sich nicht beherrschen kann. Und ich bin nicht gewalttätig. Du bist vollständig bekleidet. Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?" Elizabeth riss sich los und rückte von ihm ab. Ihr wurde bewusst, dass er recht hatte. Sie reagierte wirklich übertrieben und ärgerte sich über ihre mangelnde Selbstbeherrschung, nicht über seine. Sie schlug die Hände vors Gesicht. „Du hast recht, Jack. Es tut mir leid. Vergiss, was ich gesagt habe." „Nein, ich vergesse es nicht", antwortete er leise. „Elizabeth? Komm schon, Honey, sprich mit mir." Sie schluckte und drehte den Kopf zur Seite, als er ihr Kinn anzuheben versuchte. Schließlich sah sie ihn an und atmete mühsam durch. „Was ist los mit mir, Jack?" „Absolut nichts. Du bist eine schöne Frau, und ich wollte dich gern küssen, das ist alles." „Warum kommt dann für uns eine ernsthafte Beziehung nicht in Betracht?" Er seufzte, und sie sah, wie er sich den Nacken rieb. „Du kennst die Antwort. Ich bin alles andere als reich, aber ich habe meinen Stolz. Ich könnte dir nicht einmal die Hälfte von dem bieten, was du gewöhnt bist." Sie lachte bitter. „Habe ich es mir doch gedacht. Es ist immer dasselbe." „Was?" „Mein Geld. Ich habe fast mein ganzes Erwachsenenleben damit verbracht, Männern aus dem Weg zu gehen, die sich nur dafür interessieren. Und jetzt finde ich endlich einen, dem ich glaube, dass er mich und nicht mein Vermögen mag, da will er von mir nicht mehr als ein paar ,angenehme' Küsse." „Es ist nicht nur das Geld, Elizabeth", beteuerte er. „Ich mag dich, und ich halte dich für eine faszinierende Frau, aber wir haben nicht viele Gemeinsamkeiten." Elizabeth stand auf, ging ans Fenster und sah in die Dunkelheit hinaus. „Vielleicht ist es nicht nur das Geld, Jack, aber es ist vor allem das Geld. Viele Paare beginnen Beziehungen, ohne viel gemeinsam zu haben." Jack stellte sich hinter sie. „Das ist wahr, aber wir sollten realistisch sein. Ich habe kein College besucht, nur wenig von der Welt gesehen und bin an diese Ranch gebunden. Du bist ein Großstadtmädchen, vom Kopf bis zu deinen hübschen Zehennägeln. Ich bezweifle, dass du sehr lange mit mir glücklich sein könntest." „Und ich habe nichts zu sagen? Wer gibt dir das Recht zu entscheiden, was mich glücklich macht?" fragte sie aufgebracht. „Ach, komm schon. Das Leben hier draußen ist für dich etwas Neues, aber denk nach. Ich würde dich in kürzester Zeit nur noch langweilen." Elizabeth war da ganz anderer Meinung, aber sie wollte nicht um seine Zuneigung betteln.
Auch sie hatte ihren Stolz. „Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen", sagte er. „Das weiß ich." Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. „He, wir sind doch noch Freunde, oder?" „Natürlich, Jack." Sie lächelte, obwohl ihr nicht danach zumute war. „Bitte, zerbrich dir nicht den Kopf über das, was geschehen ist. Vielleicht ist es gut, dass ich morgen früh abreise." Er beugte sich hinab und küsste sie auf die Wange. „Na schön, Elizabeth." Er umarmte sie. „Fahr weg, lauf Ski und vergiss mich. Diese Chemie ist viel zu gefährlich für uns beide." Nach einer langen, schlaflosen Nacht schleppte Jack sich vor Tagesanbruch aus dem Bett. Er duschte und zog Jeans, ein frisches Flanellhemd und besonders warme Unterwäsche an. Dann ging er nach unten in die Küche und kochte Kaffee. Gegen den Schrank gelehnt wartete er darauf, dass er den ersten Becher trinken konnte, und dabei durchlebte er zum hundertsten Mal den gestrigen Abend mit Elizabeth. Sie hatte zwar versucht, es vor ihm zu verbergen, aber er hatte genau gemerkt, wie aufgewühlt sie noch war, als sie auseinandergingen. O Mann, er hätte auf Onkel Billy hören und die Finger von dieser Frau lassen sollen. Erst recht hätte er sie nicht küssen dürfen. Er hatte mit dem Feuer gespielt und sich schwer verbrannt. Natürlich begehrte er sie so sehr, dass es fast schmerzte, aber es war mehr als Sex. Verdammt, er mochte Elizabeth wirklich. Mehr, als er sollte. Na gut, viel mehr, als er sollte. Doch egal, wie lange er darüber nachdachte, die Vorstellung dass jemand, der bisher nur knapp , dem Bankrott entgangen war, sich ernsthaft mit einer vielfachen Millionärin einließ, war und blieb verrückt. Sie hatte behauptet, dass sie an ihm interessiert sei, aber das konnte nicht ihr Ernst gewesen sein. Ganz abgesehen vom fehlenden Geld war er keineswegs so attraktiv, dass die Frauen ihm die Tür einrannten. Und wenn schon, dachte er, denn jetzt, da er Elizabeth geküsst hatte, fragte er sich, ob er je mit einer anderen Frau zufrieden sein würde. Nun ja, in ein paar Stunden würde sie fort sein. Er würde sich an die Arbeit machen und so weiterleben wie immer. Früher oder später würde er zur Vernunft kommen. Aber bis es soweit war, würde er Elizabeth entsetzlich vermissen. Seine Mutter kam nach unten und begann, Frühstück zu machen. Onkel Billy betrat die Küche, und die Kinder rannten im Schlafanzug durchs Haus. Zehn Minuten später erschien Elizabeth in einem leuchtend roten Skipullover und einer schwarzen Reiterhose. Offenbar will sie keine Minute länger als nötig bleiben, dachte Jack, als er bemerkte, dass sie ihre Reisetasche mit nach unten gebracht hatte. Da sie außerdem so aussah, als hätte sie nicht besser geschlafen als er, wurde sein schlechtes Gewissen noch stärker. Beim Frühstück sprach sie wenig, aß noch weniger und würdigte ihn keines Blicks. Verdammt, er wollte allein mit ihr reden und sich entschuldigen, aber wahrscheinlich würde sie gar nicht zuhören. Und selbst wenn sie es tat, würde er vermutlich das Falsche sagen. Die Straßen waren zwar geräumt, aber die Fahrt nach Jackson würde anstrengend werden. Dass Elizabeth sie allein bewältigen musste, gefiel ihm nicht, erst recht nicht nach dem gestrigen Abend. Nein, es war richtig, sich auf seinen Instinkt zu verlassen. Das Beste, was er für Elizabeth tun konnte, war, ihr bei der Abreise zu helfen. Jack stand auf, zog die Jacke an und nahm die Wagenschlüssel, die sie neben ihre Handtasche gelegt hatte. Sie bemerkte es nicht einmal. Er ging hinaus, fegte den Schnee von ihrem Wagen und füllte den Tank aus der Tonne, in der er das Benzin für die Ranchfahrzeuge lagerte. Dann fuhr er den Mietwagen zurück zum Haus und ließ den Motor laufen, damit es im Inneren angenehm warm war, wenn sie einstieg. Da er wenig Lust hatte, in die Küche zurückzukehren, ging er in die Garage und holte einen Schneeschieber heraus. Warum sollte er die Zeit nicht nutzen, um die Hintertreppe zu fegen und einen Weg durch die Schneewehen zwischen dem Haus und der Einfahrt zu schaffen? Als
er fertig war, stellte er den Schneeschieber zurück und suchte nach dem Streusalz. Am Fuß der Treppe befand sich eine heimtückische Eisfläche, und er wollte nicht, dass Onkel Billy stürzte und sich eine Hüfte brach. Er hörte, wie die Hintertür geöffnet wurde und seine Mutter Elizabeth bat, vorsichtig zu fahren. Jack ging zum Garagentor, um die beiden Frauen vor dem Eis zu warnen. Ein Aufschrei ertönte, und er rannte los. Es war bereits zu spät. Er sah gerade noch, wie seine Mutter vor der Treppe ausrutschte und stürzte. Als er sie erreichte, kniete Elizabeth schon neben Hazel. „Hazel! Hazel, kannst du mich hören?" rief sie. Jack kniete sich ebenfalls hin und nahm die Hände seiner Mutter. „Mom! Mom, sag etwas!" Ihre Lider zuckten, dann öffnete sie die Augen. Sie stöhnte,. schüttelte den Kopf und stöhnte noch einmal. „Was ist? Was ist passiert?" „Du bist gefallen, Hazel", sagte Elizabeth. „Versuch nicht, dich zu bewegen." „Wo tut es dir weh, Mom?" fragte Jack. „Ich weiß es nicht. Es fühlt sich alles so taub an." Jack warf Elizabeth einen entsetzten Blick zu und rief so gelassen wie möglich nach Onkel Billy. Der erschien sofort in der Tür, ein Kind auf jedem Arm, und hätte sie vor Schreck fast fallen gelassen. „Hol ein paar Decken", sagte Jack. „Wir müssen sie warm halten." Billy setzte die Kinder ab und eilte davon. Nathan und Charlotte pressten die Nase gegen die Glasscheibe der Sturmtür. „Nathan", rief Elizabeth, „deine Grandma ist gestürzt und hat sich weh getan. Du musst dich jetzt um Charlotte kümmern." Der kleine Junge öffnete die Tür. „Das mache ich, Lizbeth. Wird Grandma wieder gesund?" „Wir tun unser Bestes für sie, Honey." Elizabeth drehte sich wieder zu Hazel um, und was sie sah, ließ ihr den Atem stocken. Jack warf ihr einen fragenden Blick zu, und sie zeigte auf die Beine seiner Mutter. Am linken Bein breitete sich unterhalb des Knies ein Blutfleck aus. Er beugte sich vor und ihm wurde fast übel, als er feststellte, dass das gebrochene Schienbein durch die Haut gedrungen war und die Jeans abstehen ließ. „Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen", sagte Elizabeth. „Soll ich einen Rettungswagen rufen?" „Nein, ich fahre sie selbst nach Pinedale." „Aber wenn sie eine Rückenverletzung hat, sollten wir sie nicht bewegen." „Wir dürfen sie nicht hier liegenlassen, der Boden ist gefroren. Ich kann es in fünfundzwanzig Minuten zu unserem Hausarzt schaffen. Wenn du gleich dort anrufst, kann der Rettungswagen sie dort abholen." Hazel stöhnte auf. „Mein Bein fängt an zu schmerzen, Jack." „Ich glaube, es ist gebrochen, Mom. Sobald Billy uns die Decken bringt, fahre ich dich in die Stadt." „Aber wer wird sich um die Kinder kümmern?" „Ich, Hazel", versprach Elizabeth. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde bleiben, solange ihr mich braucht." Sie sah Jack an. „Nimm meinen Wagen. Er ist schon warm." „Danke", erwiderte er, froh darüber, dass sie einen klaren Kopf behielt und ihnen half. Onkel Billy kam mit einem Stapel Wolldecken. Während die beiden Männer Hazel darin einwickelten, eilte Elizabeth ins Haus und kehrte mit alten Zeitungen und einem in Streifen geschnittenen Geschirrtuch zurück. Sie gab sie Jack, damit er Hazels Bein provisorisch schienen konnte, nahm die Kindersitze aus dem Wagen, kehrte ins Haus zurück und packte für Hazel ein paar Sachen zusammen. Obwohl die Männer sehr vorsichtig waren, schrie Hazel vor Schmerz auf, als sie sie anhoben. Als sie sie auf den Rücksitz legten, war sie bereits ohnmächtig geworden. Jack setzte sich ans Steuer und fuhr so schnell wie möglich in die Stadt.
Verdammt, dachte er und schaute in den Rückspiegel. Sie würde operiert werden müssen. Zum Glück hatte er die Versicherungsbeiträge bezahlen können. Und zum Glück war Elizabeth da, um die Kinder zu betreuen. Warum hatte er die Treppe nicht schon gestern gefegt? Natürlich wünschte er seiner Mutter nichts Schlimmes, aber er war insgeheim froh, dass Elizabeth noch blieb, auch wenn es ihn um seinen inneren Frieden bringen würde.
4. KAPITEL Zutiefst erschöpft hielt Jack zwölf Stunden später auf der Ranch. Er stieg aus und atmete die kühle Abendluft ein. Seine Mutter hatte die Operation gut überstanden. Es würde zwar eine Weile dauern, bis der Bruch vollständig verheilt war, aber der Arzt hatte ihm versichert, dass kein bleibender Schaden zurückbleiben würde. Jack schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel und betrat das Haus. Statt der leckeren Düfte, die ihn sonst in der Küche begrüßten, empfing ihn ein scharfer Geruch nach verbranntem Essen. Onkel Billy und Elizabeth standen vor dem Herd und stritten sich so laut, dass sie sein Kommen gar nicht zu bemerken schienen. „Warum hast du es nicht selbst gemacht, wenn du ein so toller Koch bist?" fragte Elizabeth. „Weil Kochen Frauensache ist", erwiderte Billy. „Kein Wunder, dass du eine alte Jungfer bist, wenn du nicht besser kochen kannst." „Alte Jungfer!" „ Genau. Und glaub ja nicht, dass du dir meinen Neffen schnappen kannst. Ein Rancher braucht eine Frau, die kräftig zupacken kann, nicht so ein zartes Großstadtmädchen." „Das reicht, Onkel Billy", sagte Jack. „Du hast kein Recht, so mit Elizabeth zu reden." „Kein Recht!" Mit einem verächtlichen Schnauben riss Jack seine Jacke vom Haken. „Probier du doch mal den Fraß. Sie kann nicht einmal Wasser kochen, ohne es anbrennen zu lassen. Ich sag dir eins, mein Junge, diese Großstadtmädchen sind wie Christbaumschmuck, hübsch anzusehen und ganz schön zum Spielen, aber elf Monate im Jahr verdammt nutzlos." Der alte Mann drängte sich an Jack vorbei und knallte die Tür hinter sich zu. Elizabeth kehrte ihm den Rücken zu und starrte betrübt auf das angebrannte Essen. Jack hängte seine Jacke auf, nahm den Hut ab und zog die Stiefel aus. Dann ging er zu Elizabeth und massierte ihr behutsam die verkrampften Schultern. „Das mit Billy tut mir leid. Hör nicht auf ihn." Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Wangen waren gerötet, ob vor Entrüstung oder Scham, wusste er nicht, aber der Schmerz in ihren Augen brach ihm fast das Herz. „Warum nicht?" sagte sie. „Er hat recht, weißt du. Ich bin mit Dienstboten aufgewachsen und habe nichts Nützliches gelernt." „Das ist nicht wahr", widersprach Jack. „Du hast Mom heute morgen sehr geholfen und kannst großartig mit den Kindern umgehen." Sie lächelte matt. „Danke, aber wenn du dich in der Küche nicht besser auskennst als ich, werden wir verhungern, bevor Hazel nach Hause kommt. Wie geht es ihr?" „Als ich ging, wieder ganz gut. Sie hat eine Schwester in Jackson, die sie regelmäßig besuchen wird." Charlotte kam in die Küche gerannt und reichte Elizabeth eine farbenfrohe Zeichnung. „Ich bin fertig, Wizabet. Und jetzt habe ich Hunger." Jack hob die Kleine auf und presste seine kalte Nase gegen ihren Hals. Sie strampelte kichernd. „Nicht, Onkel Jack, das kitzelt." „Okay, wenn du mir auch noch so ein Bild malst, können wir bald essen, einverstanden?" Charlotte nickte und rannte wieder ins Wohnzimmer. Als er Elizabeth ansah, starrte sie auf die zahlreichen Töpfe und Pfannen, die über dem Herd hingen. „Was sollen wir den Kindern bloß kochen?" „Pizza." „Sag bloß, wir können hier irgendwo welche bestellen?" fragte sie hoffnungsvoll. „Nein." Jack sah in den Ofen, stellte ihn an und holte eine Schachtel aus dem Gefrierfach des Kühlschranks. Er öffnete sie, nahm die Pizzen heraus und legte sie auf das Backblech. Elizabeth betrachtete die Schachtel. „Fred's?" las sie. Jack lächelte. „Eine Firma, die Tiefkühlkost vertreibt. Hin und wieder kommt der
Lieferwagen vorbei, und Mom kauft alles mögliche, weil es so einfach zuzubereiten ist. Man braucht nur die Anweisungen auf der Schachtel zu befolgen." Seufzend zeigte Elizabeth auf das Chaos auf dem Herd. „Tut mir leid, dass ich all das Essen ruiniert habe." Jack schloss die Ofenklappe und zog Elizabeth an sich. „Das macht nichts." Als sie schluchzte, sah er ihr ins Gesicht. „ Komm schon, Beth, sei nicht so streng zu dir. Du hast es versucht, und ich weiß es zu schätzen. Mir ist nicht klar, was ich heute morgen getan hätte, wenn du nicht geblieben wärst." Mit Tränen in den Augen lächelte sie ihn noch einmal an, bevor sie sich abwandte. Jack konnte nicht widerstehen, er legte die Hand an ihre Wange, drehte das Gesicht zu sich und küsste sie. Was als Geste des Trosts begonnen hatte, verwandelte sich rasch in einen Ausbruch von Leidenschaft, der ihm den Atem raubte. Sie war so warm und hingebungsvoll, und seit gestern Abend träumte er davon, sie in den Armen zu halten. Elizabeth seufzte vor Vergnügen und schmiegte sich an ihn. Er wollte mehr von ihr spüren, ließ die Hände über ihre Hüften nach hinten gleiten und preßte sie an sich, bis sie seine Erregung fühlen konnte. Es war so herrlich, sich an ihren Brüsten zu reiben, ihr süßes Seufzen zu hören und ihren Mund zu schmecken. Mit ihr in den Armen dachte kein Mann mehr an Essen. Als die Uhr am Ofen summte, riss Elizabeth sich los, als hätte sie einen Stromschlag versetzt bekommen. Jack fuhr sich mit der Hand durchs Haar und holte die Pizzen heraus. „Wie lange wird deine Mutter in Jackson bleiben müssen?" fragte Elizabeth mit heiserer Stimme. „Im Krankenhaus noch vier Tage. Danach bleibt sie mindestens zwei Wochen bei Tante Reggie. Anfang Dezember dürfte sie wieder hier sein." Er versuchte zu lächeln, schaffte es jedoch nicht. „Warum? Bereust du deinen Entschluss hier zu bleiben?" „Vielleicht wäre es für alle leichter, wenn ich die Kinder mit nach Connecticut nähme. Sie könnten bei mir bleiben, bis Mary und Lawrence aus Europa wiederkommen." Er wusste, dass ihr Vorschlag vernünftig war. „Ich wünschte, du würdest es nicht tun, Beth. Wir sehen die Kinder nur selten, und es würde Mom das Herz brechen, wenn sie früher abreisten. Sie hat jetzt schon ein schlechtes Gewissen, weil sie dir den Urlaub verdorben hat." Elizabeth musterte ihn einen Moment. „Der Urlaub war nur eine Ausrede, um einer unangenehmen Situation mit meinen Eltern zu entgehen. Ich könnte bleiben, aber ..." „Diese Sache mit der Chemie beunruhigt dich." „Ein wenig. Sie scheint ziemlich gefährlich zu sein." Jack schmunzelte. „Ich werde meine Hände bei mir behalten, wenn du dich dann wohler fühlst. Ich werde dich wie Mary behandeln, einverstanden?" „Einverstanden. Ich habe mir immer einen Bruder gewünscht." Elizabeth verließ die Küche, und Jack hörte, wie sie den Kindern half, sich die Hände zu waschen. Während er die Pizzen auf Teller legte, sagte er sich, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Auch wenn sie ihm nicht gefiel. Er fühlte sich einfach nicht wie ihr Bruder. Sie länger als zwei Wochen nicht berühren zu dürfen würde die reine Qual werden. Verdammt, er hätte sie nicht küssen dürfen. Während der darauffolgenden Woche durchlebte Elizabeth eine häusliche Katastrophe nach der anderen. Ihr war absolut rätselhaft, wie Hausfrauen es schafften, nicht den Verstand zu verlieren. Sie war fest entschlossen, Billy Zorn zu beweisen, dass sie nicht so nutzlos wie Christbaumschmuck war, und gab sich große Mühe, den Haushalt einigermaßen ordentlich zu führen. Leider ohne Erfolg. Jack hatte ihr die Kochbücher seiner Mutter gegeben, aber sie hätten ebensogut in russischer Sprache sein können. Und selbst wenn sie den Inhalt verstanden hätte, wäre ihr kaum Zeit zum Kochen geblieben, weil Charlotte und Nathan fast ihre ganze Aufmerksamkeit
erforderten. Elizabeth nahm sich vor, Hazel als erstes zu fragen, wie man Eiweiß vom Eigelb trennte. Sie füllte das falsche Pulver in den Geschirrspüler. Die Kinder hatten großen Spaß mit dem Schaum, der aus der dämlichen Maschine quoll, und als Elizabeth endlich einfiel, sie einfach auszuschalten, bedeckte die klebrige Masse bereits den halben Fußboden. Als sie keine sauberen Handtücher mehr hatten, zeigte Jack ihr, wie die Waschmaschine und der Trockner funktionierten. Elizabeth war überzeugt, endlich eine Aufgabe gefunden zu haben, die sie bewältigen konnte, und sammelte die schmutzige Wäsche zusammen. Als sie mit dem Waschen fertig war, waren zwei ihrer Pullover eingelaufen und Jacks zuvor weiße Unterwäsche grün. Irgendwann beschloss sie, die Badezimmer zu säubern, und ging Hazels Reinigungsmittel durch, wobei sie die Gebrauchsanweisungen so sorgfältig las, dass sie sie fast auswendig kannte. Bewaffnet mit Papiertüche rn und einer Scheuerbürste machte sie sich an die Arbeit. Als sie anschließend voller Stolz auf ihre Leistung in den Spiegel schaute, bemerkte sie die hässlichen Flecken, die der scharfe Wannenreiniger auf ihrem nagelneuen Cashmere-Pullover hinterlassen hatte. Elizabeth wollte lieber nicht darüber nachdenken, warum der Staubsauger plötzlich gestreikt hatte, fand es jedoch erstaunlich, was für einen Schaden ein herumliegendes Stück Malkreide anrichten konnte. Während Jack freundlich und verständnisvoll reagierte, hielt Billy ihr jeden Fehler vor, den sie beging. Sie hatte immer geglaubt, ein gesundes Selbstbewusstsein zu besitzen, aber es wurde von Tag zu Tag schwächer. Sie hatte sich auch für einen optimistischen Menschen gehalten, doch der einzige Lichtblick, den sie noch entdecken konnte, war die Tatsache, dass Hazel in zwölf Tagen heimkehren würde. Natürlich würde Hazel noch ihre Hilfe brauchen, aber wenigstens wäre jemand da, den Elizabeth um Rat fragen konnte, wenn die Männer draußen arbeiteten. Und es wäre jemand da, der als Puffer zwischen ihr und Jack fungieren konnte. Ein Puffer, den sie ihrer Meinung nach dringend benötigten. Wie versprochen hatte er sie nicht wieder geküsst, und wenn er sie berührte, dann mit brüderlicher Zuneigung. Aber die erotische Spannung zwischen ihnen nahm nicht ab. Im Gegenteil. Und wenn Jack und sie abends mit einem mühsamen Lächeln auseinander gingen, schlich Elizabeth in ihr Zimmer und versank immer tiefer in Depressionen. Egal, wie erschöpft sie war, es dauerte Stunden, bis sie endlich einschlief. Und davor fragte sie sich unaufhörlich, ob sie wirklich so nutzlos war, wie Billy behauptete. Nein, sie war nicht nutzlos, sie hatte nur ihre wahre Berufung noch nicht gefunden. Seufzend drehte Elizabeth sich auf die Seite und presste das Kopfkissen an die Brust. Sie konnte eine elegante Party so perfekt planen wie ihre Mutter. Sie konnte Geld so gewinnbringend investieren wie ihr Vater. Sie konnte sogar so gut Klavier spielen wie mancher Konzertpianist. Aber was den Alltag betraf, so hatte Billy recht. Für einen Mann wie Jack war sie wirklich so nutzlos wie Christbaumschmuck. Am Tag nach Thanksgiving saß Jack am Küchentisch und wartete darauf, dass Elizabeth Charlotte die Tomatensuppe von Gesicht und Händen wusch, damit sie endlich weiterreden konnten. Wenn er das Chaos, das sie seit dem Unfall seiner Mutter angerichtet hatte, nicht selbst gesehen hätte, würde er es nicht glauben können. Sie kümmerte sich liebevoll um die Kinder und ihr Hündchen und gab sich beim Kochen und der anderen Hausarbeit große Mühe, aber je mehr sie sich anstrengte, desto schlimmer wurde alles. Jack half ihr, wann immer er konnte, doch das Wetter hatte sich wieder verschlechtert, und die Ranch und das Vieh erforderten mehr Zeit als sonst. Außerdem schien sie sich über seine Vorschläge mehr zu ärgern als zu freuen. Onkel Billy kritisierte Elizabeth immerzu, und das machte sie noch nervöser und, falls das
überhaupt möglich war, noch ungeschickter. Wenn Jack sie in Schutz nahm, wurde Billy nur noch ausfallender. Der alte Mann war nicht blind und spürte die Spannung zwischen Jack und Elizabeth, und wahrscheinlich hatte er eine höllische Angst davor, dass sein Neffe den gleichen Fehler beging wie er und sich in eine Städterin verliebte. Jack hatte nicht die Absicht, das zu tun. Er war ein praktisch denkender Mann, und es war nicht zu übersehen, dass Elizabeth keine Frau für einen Rancher war. Vermutlich zählte sie die Minuten, bis sie endlich abreisen konnte. Trotz der Spannungen und Streitigkeiten wünschte er, sie würde bleiben. Sie mochte die unfähigste Haushälterin der Welt sein, aber für Jack blieb sie eine faszinierende Frau. Er liebte ihre sanfte, zärtliche Art und ihre Geduld im Umgang mit den Kindern. Er mochte es, außer seiner Mutter und Onkel Billy noch jemanden zum Reden zu haben. Jemanden, der Zeitung las und wusste, dass die Welt größer war als Pinedale, Wyoming. Er liebte es, wenn sie nach dem Abendessen auf dem alten Klavier spielte. Dabei wurde ihr Gesicht jedesmal so wehmütig, und Jack vergaß für eine Weile seine Sorgen und fühlte Dinge, die er nicht mit Worten ausdrücken konnte. Elizabeth gab seinem Leben eine neue Dimension, und er wusste, wie sehr er sie vermissen würde. Elizabeth hob Charlotte aus dem Kinderstuhl, sah ihr nach und drehte sich mit kämpferisch funkelnden Augen zu Jack um. „Vergiss es. Ich bin nicht interessiert." „Komm schon, Elizabeth", drängte er und schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. Ohne Erfolg. „Ich bin nicht in der Stimmung für eine Weihnachtsparty." Sie räumte die Teller vom Tisch und stellte sie ins Spülbecken. „Außerdem habe ich nichts anzuziehen." „ Niemand putzt sich heraus. Wir helfen den Johnsons einfach nur, ihr Haus zu schmücken. Du musst mal andere Menschen sehen, hier fällt dir die Decke auf den Kopf." „Mir geht es gut, Jack. Du kannst gern ohne mich gehen." Jack rieb sich den Nacken und murmelte etwas Unverständliches. Die Schatten unter ihren Augen und die hängenden Schultern zeigten ihm, dass es ihr alles andere als gut ging. Es war ihm nicht gelungen, sie aufzumuntern, daher hatte er Ginny Johnsons Einladung nur zu gern angenommen. Ginnys Partys waren bekannt für ihre fröhliche Ausgelassenheit. Leider blieb Elizabeth so stur wie Buster, wenn er einen seiner Ausflüge unternahm. Bei ihr half zwar kein Klaps mit dem aufgerollten Lasso, aber Jack war entschlossen, nicht aufzugeben. Er stand auf und folgte ihr zur Spüle. „Ich bin es leid, dir zuzusehen, wie du dich bemitleidest." „Ich bemitleide mich nicht", widersprach sie. „Nein? Wie würdest du es denn nennen?" Sie seufzte verärgert. „Hör zu, Jack, ich weiß, dass ich keine so gute Hausfrau wie deine Mutter bin, aber ich war mit den Kindern beschäftigt." „Deine hausfraulichen Qualitäten sind mir vollkommen gleich. Ich mache mir Sorgen um dich und die Kinder. Die beiden müssen auch mal unter Menschen, und bei den Johnsons werden sie mit vielen and eren Kindern spielen können. Wir gehen auf diese Party, ob es dir gefällt oder nicht!" Sie salutierte. „Ja, Sir!" „Gut", antwortete er und hatte Mühe, nicht zu lächeln. „Ich bin um vier zurück und erwarte, dass ihr drei dann aufbruchbereit seid." Sie salutierte wieder. Er konnte nicht widerstehen und küsste sie auf den Mund. „Warum hast du das getan?" flüsterte sie, als er sie losließ. Sie sah so erschöpft und verletzlich aus. Er schob ihr eine Locke hinter das Ohr. „Weil du zu hart gearbeitet hast und ich es nicht ertrage, dich so traurig zu sehen. Du brauchst etwas Spaß, Beth. Ginny ist ein großartiger Mensch, und ich weiß, dass du die anderen auch mögen wirst."
Sie rang sich ein Lächeln ab. „Okay. Wir werden bereit sein, wenn du zurückkommst." Elizabeth brauchte nicht lange, um zu verstehen, warum Jack Ginny als großartigen Menschen bezeichnet hatte. Die große blonde Frau empfing sie an der Tür, mit einem rotweißen Weihnachtsmannhut auf dem Kopf, einem Säugling im Tragegurt und einem kleinen Mädchen an der Hüfte. „Kommt herein, kommt herein", rief sie lächelnd. Nachdem Jack ihr Elizabeth und die Kinder vorgestellt hatte, steckte Ginny zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Dann machte sie sie mit den anderen bekannt und befahl allen, dafür zu sorgen, dass die drei Fremden sich wie zu Hause fühlten. Zu Elizabeths Erstaunen taten alle genau das, und bald legte sich ihre Nervosität. Sie lernte die Sinclairs, zwei Dawson-Familien, Ginnys Mann Andy, seine Eltern und seinen Großvater, die Bakers, die Jordans und noch einige andere kennen. Wie Jack versprochen hatte, waren zahlreiche Kinder da, beaufsichtigt von zwei Teenagern namens Kim und Tina und einer freundlichen alten Lady, die alle nur Grandma D nannten. Was den Weihnachtsschmuck betraf, so erlegte Ginny sich keinerlei Zurückhaltung auf. Selbst der Elchkopf an der Wohnzimmerwand trug eine Lichterkette am Geweih, eine rote Kugel an der Nase und ein grüne Sonnenbrille. Nachdem alle sich mit Chilli con Garne, selbstgebackenen Brötchen und Weihnachtskeksen gestärkt hatten, lehnte Hank Dawson sich zurück und lächelte Andy Johnson, dem örtlichen Sheriff, zu. „ Und wann wirst du Ginny erlauben, das Haus auch von außen zu schmücken?" Der Sheriff legte sich seinen drei Monate alten Sohn an die Schulter. „Bring sie bloß nicht auf neue Ideen, Hank. Sie hat mit Ellie und dem kleinen Bill genug zu tun." Ginny stand hinter ihrem Mann. Sie zwinkerte Hank zu, flüsterte „nächstes Jahr" und beugte sich hinab, um And y auf die Wange zu küssen. Als sie sich wieder aufrichten wollte, hielt er sie fest und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. „Hört auf, ihr zwei", sagte Sam Dawson schmunzelnd. „Ihr schockiert uns." „Bei den vielen Kindern, die ihr alle in den letzten Jahren produziert habt, bezweifle ich das", erwiderte Andy. Alle lachten, und Elizabeth bemerkte, wie so mancher Mann den Arm um seine Frau legte und mit ihr zärtliche Blicke austauschte. Die Freundschaft und Zuneigung, die in dieser Gruppe herrschte, war etwas, das sie selbst bisher nur mit Mary erlebt hatte. Diese Menschen konkurrierten nicht miteinander, und keiner stellte seinen Status oder Wohlstand zur Schau. Sie genossen das Zusammensein und vertrauten einander genug, um freimütig über ihre Sorgen und Enttäuschungen wie auch über ihre Hoffnungen und Träume zu sprechen. Irgendwann scheuchte Ginny ihre Gäste wieder an die Arbeit. Elizabeth half beim Abräumen der Tische. Emily Dawson nahm Bart und Jessica, ihre zweieinhalb Jahre alten Zwillinge, auf den Schoß. Becky Sinclair und Dani Dawson setzten sich zu ihr und luden Elizabeth ein, sich der kleinen Gruppe anzuschließen. „ Gönn dir eine Pause, Elizabeth. Wir sind noch gar nicht dazu gekommen, euch auf der Ranch zu besuchen", sagte Dani. „Ja, wie läuft es denn auf der Bar Z?" fragte Becky Sinclair. Elizabeth setzte sich zu ihnen. „Wir können es kaum abwarten, dass Hazel wiederkommt." „Macht Bill dir das Leben schwer?" meinte Becky mitfühlend. „Woher weißt du das?" antwortete Elizabeth überrascht. „Er ist ein Frauenfeind, seit ich mich erinnern kann. Grandma D sagt immer, wer wie Hazel jahrelang einen solchen Schwager erträgt, muss einfach in den Himmel kommen." „Also ist er nicht nur auf mich böse?" „Aber nein." Dani schüttelte betrübt den Kopf. „Mit mir hat er erst gesprochen, als ich schon fast zwei Jahre mit Sam verheiratet war." „Und ich dachte, er kann mich nicht ausstehen, weil ich nicht kochen kann und keine sehr
gute Hausfrau bin." „Brauchst du Hilfe?" fragte Emily. Elizabeth lächelte den Kindern auf Emilys Schoß zu. „Ich glaube, du hast genug um die Ohren. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie ihr das alles bewältigt." „Tun wir das? Nein, Elizabeth, wir sind es einfach nur gewöhnt, du nicht, das ist alles. Aber wir helfen dir gern", bot Becky an. „Für ein paar Ratschläge wäre ich wirklich dankbar." „Ich wohne ganz in der Nähe von der Bar Z. Weißt du was, ich komme morgen Vormittag bei dir vorbei, und du zeigst mir, was dir Schwierigkeiten bereitet." Bevor Elizabeth ihr danken konnte, kam Hank in die Küche und nahm seiner Frau Bart ab. „Was ist das hier, ein Frauentreffen? Ginny sagt, ihr sollt alle ins Wohnzimmer kommen und Weihnachtslieder singen." Als Elizabeth mit den anderen hinüberging, winkte Jack sie zu sich. Sie setzte sich neben ihn auf den Fußboden, und Charlotte kletterte auf ihren Schoß, steckte den Daumen in den Mund und schlief ein. Nathan kuschelte sich an Jack. Der weihnachtliche Gesang erfüllte Elizabeth mit einer Sehnsucht nach einem Zuhause, einer Familie und einem Freundeskreis wie diesem. Jack sah ihr in die Augen, und sein warmes, • intimes Lächeln ging ihr ans Herz. Es war so einfach, zu einfach sogar, sich vorzustellen, dass sie vier eine glückliche Familie wie die anderen waren. Elizabeth wollte ein anderer Mensch sein. Ein ganz normaler, gewöhnlicher Mensch. Aber das ging natürlich nicht. Selbst wenn sie ihr ganzes Vermögen einem wohltätigen Zweck spendete, blieb sie doch Elizabeth Davies-Smythe. Sie war von Geburt an dazu erzogen worden, die Frau eines reiches Mannes zu werden. Ihr Misserfolg als Haushälterin der Zorns bewies nur, dass es keinen Sinn machte, sich gegen dieses Schicksal zu wehren. Elizabeth unterdrückte ein resigniertes Seufzen und sah Dani Dawson an. Die freundliche Frau hatte angeboten, ihr zu helfen. Ob Dani es schaffen würde, aus einer verwöhnten Erbin eine Hausfrau zu machen, die Billys Respekt verdiente? An diese Hoffnung klammerte Elizabeth sich den Rest des Abends. Als sie nach Hause kamen, half Jack ihr, die Kinder zu Bett zu bringen, und schaute kurz nach Onkel Billy. „Möchtest du noch einen Drink?" Jack erwartete sie am Fuß der Treppe und legte den Arm um ihre Schultern. „Gern", erwiderte sie. Er führte sie zur Küchentür, blieb stehen und zeigte lächelnd nach oben. Sie folgte seinem Blick und bemerkte den am Rahmen befestigten Mistelzweig. „Den habe ich bei Ginny mitgehen lassen ", sagte er und drehte Elizabeth zu sich. „Ist es nicht gefährlich, die Frau des Sheriffs zu bestehlen?" „Sie wird ihn nicht vermissen. Nein, das hier ist viel gefährlicher." Er legte die Hände an ihre Taille, zog sie an sich und küsste sie. Ja, es ist gefährlich, dachte sie, während aus Zärtlichkeit Leidenschaft wurde. Es war herrlich erregend, und sie wünschte, sie hätte Jack nie entmutigt. Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände, wärmte seine kalten Ohren und seufzte enttäuscht, als er sie abrupt losließ. Einen atemlosen Moment lang sahen sie einander in die Augen. Dann schüttelte er den Kopf. „Es tut mir leid, Beth", sagte er leise. „Ich weiß, du wolltest nicht, dass ich das tue." „Doch, das wollte ich", gestand sie und blickte zur Seite, damit er ihr nicht ansah, wie sehr sie es gewollt hatte. „All die glücklichen Paare ..." „Es lässt einen wünschen, selbst dazuzugehören, nicht wahr?" beendete er ihren Gedanken. „Mir ging es ebenso." Sie schaute ihn an. „Warum hast du nie geheiratet, Jack?" Er schob sie in die Küche und mixte ihnen einen Tee-Punsch. „Ich war immer mit dieser
Ranch verheiratet. Als ich nach Dads Tod herausfand, wie verschuldet wir waren, musste ich jeden Gedanken an eine Frau und eine Familie zurückstellen. Ich hatte ohnehin kein Geld, um mit einer Frau auszugehen, also stürzte ich mich in die Arbeit." „Aber jetzt ist die Ranch schuldenfrei, nicht wahr?" Er winkte sie an den Küchentisch. „Ja, das ist sie. Aber ich werde die schlaflosen Nächte nie vergessen." „Jetzt könntest du heiraten." Sie setzte sich und nahm den Becher, den er ihr reichte. „Ach, ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe den richtigen Zeitpunkt verpasst. Die Mädchen in meinem Alter sind alle längst verheiratet, und welche Frau würde schon mit Mom und Onkel Billy zusammenleben wollen?" „So übel sind die beiden gar nicht." Lächelnd nahm er ihr gegenüber Platz. „Vielleicht nicht. Aber ich bin wohl zu alt und eigensinnig, um einen guten Ehemann abzugeben. Was ist mit dir, Beth? Du hast bestimmt schon viele Heiratsanträge bekommen, was?" „Wie gesagt, die Männer sind meistens mehr an meinem Geld interessiert als an mir", antwortete sie. „Was macht dich da so sicher?" fragte er nachdenklich. „In den Kreisen meiner Eltern gibt es kaum andere Männer. Die beiden sind im Moment sehr unzufrieden mit mir." „Warum?" „Sie wollen, dass ich einen Geschäftspartner meines Vaters heirate, und erwarten, dass ich mich entscheide, wenn ich nach Hause komme." „Aber du liebst ihn nicht?" „Ich könnte es schlimmer treffen. Warren ist ein netter Mann, und wir kennen uns seit Jahren. Aber zwischen uns ... stimmt die Chemie nicht." Er starrte auf ihren Mund. Sie hielt den Atem an, und ihre Lippen prickelten, als sie die erotische Spannung spürte. Sie begehrte Jack. Und er begehrte sie, das sah sie ihm an. Würde er sie jetzt an sich zie hen, gäbe es kein Halten mehr. Doch das tat er nicht. Stattdessen senkte er den Blick, leerte den Becher und stellte ihn in die Spüle. „Bestimmt dauert es nicht mehr lange, bis du den Richtigen findest." Das habe ich bereits, dachte sie. Und fast hätte sie es sogar ausgesprochen. Es war die Wahrheit. Sie wusste es seit Tagen, hatte sich jedoch dagegen gewehrt. Was sie für Jack empfand, war viel, viel mehr als sexuelles Verlangen oder mädchenhafte Schwärmerei. Elizabeth war in ihn verliebt.
5. KAPITEL Nachdem Jack und Billy am nächsten Morgen das Vieh gefüttert hatten, luden sie die Kinder in den Wagen und fuhren nach Jackson, um Hazel zu besuchen. Elizabeth winkte ihnen nach, goss sich einen Kaffee ein und trank ihn, während sie sich eine Liste der Fragen machte, die sie Dani Dawson stellen wollte. Millionen von Frauen erledigten jeden Tag all die Aufgaben, an denen sie immer wieder scheiterte. Sie hatte sich von Onkel Billy einreden lassen, dass sie unfähig war. Das stimmte nicht, sie war lediglich unerfahren. Sie war zwar keine Genie, aber sie hatte das Studium am schweren Wellesley College mit Auszeichnung abgeschlossen. Wenn alle anderen Frauen lernten konnten, zu kochen und einen Haushalt zu führen, konnte sie es aus. Und genau das würde sie, sei es auch nur, um sich selbst zu beweisen, dass sie nicht nutzlos war. Als Dani eintraf, war Elizabeth bereit für einen Blitzkurs in moderner Haushaltsführung. Dani erklärte ihr fröhlich und geduldig alles, was sie wissen wollte. Vom Sortieren der Wäsche bis hin zum Auswechseln des Staubsaugerbeutels. Mittags kehrten sie in die Küche zurück, wo Dani ihre einfachsten Lieblingsrezepte aufschrieb, während Elizabeth eine Dose Suppe öffnete und Thunfisch-Sandwichs machte. „Darf ich dir eine Frage stellen, Elizabeth?" sagte Dani und schob die Karteikarten mit den Rezepten über den Tisch. „Natürlich." Elizabeth lachte. „Schließlich hast du mir heute schon genug beantwortet." „Warum bist so versessen darauf, das alles zu lernen? Hat es mit Jack zu tun?" Elizabeth nickte. „Bist du dabei, dich in ihn zu verlieben?" „Sieht man mir das an?" Dani lächelte mitfühlend. „Sehr glücklich scheinst du darüber aber nicht zu sein." Das Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen, war so groß, dass Elizabeth ihrer neuen Freundin die halbe Geschichte erzählt, bevor ihr bewusst wurde, was sie tat. „Vermutlich hört sich das alles lächerlich an", schloss sie, nachdem Dani ihr auch den Rest entlockt hatte. Dani schüttelte den Kopf. „Keineswegs. Du versuchst, ihm zu beweisen, dass du in seine Welt passt. Das ist keine schlechte Idee, aber..." „Aber was?" „Aber zur Liebe gehört viel mehr als Kochen und Saubermachen. Eure Gefühle und die Art, wie ihr miteinander umgeht, sind wesentlich wichtiger." „Da hast du ganz recht", stimmte Elizabeth zu. „Aber Jack ist ein so praktisch denkender Mensch, dass er sich vermutlich gar nicht in mich verlieben kann, solange mir die Fähigkeiten einer guten Rancherfrau fehlen." „Er und Billy legen großen Wert auf so etwas, das stimmt", erwiderte Dani. „Und du kannst es alles lernen, Elizabeth. Aber wenn ich du wäre, würde ich es Jack nicht zu einfach machen." „Wie meinst du das?" „Ein Mann hat noch andere Bedürfnisse als warme Mahlzeiten und saubere Wäsche." Elizabeth entging das Funkeln in Danis Augen nicht. „Redest du von Sex?" „Vielleicht solltest du Jack ein wenig zeigen, was er sich entgehen lässt. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe, um Sam zu verführen." Fasziniert beugte Elizabeth sich vor. „Du hast ihn verführt?" „Ich hatte nur sechs Monate Zeit, um ihn davon zu überzeugen, dass wir richtig füreinander waren. Aber er war so blind, und ich musste etwas unternehmen." „Sechs Monate?" rief Elizabeth. „Mir bleiben nur noch drei Wochen, bis ich die Kinder wieder nach Hause bringen muss. Und ich ... na ja, ich könnte Jack nicht verführen." „Warum denn nicht? Er findet dich attraktiv, das habe ich gestern gesehen. Hat er noch
nichts versucht?" „Er hat mich ein paarmal geküsst, aber ... ach, vergiss es. Ich habe mehr Erfahrung darin, Männer abzuweisen, als darin, sie zu verführen." „Du könntest damit beginnen, dass du deine Stretchhose zu heiß wäschst", schlug Dani vor. „Aber dann läuft sie doch ein." Dani lächelte vielsagend. „Genau. Und du könntest etwas Parfüm auflegen und ihm die Schultern massieren, wenn er nach einem harten Arbeitstag heimkommt. Glaub mir, du wirst genügend Gelegenheiten finden, ihm deine Gefühle zu zeigen." „Der arme Sam wusste wahrscheinlich gar nicht, wie ihm geschah." „Er hat es genossen." Elizabeth seufzte. „Ich weiß nicht, ob ich das kann. Irgendwie würde ich Jack doch ... manipulieren." „Natürlich. Wenn ein Mann nicht begreift, was gut für ihn ist, muss man es ihm klarmache n. Die Rancher hier sind ein ziemlich störrischer Haufen. Wenn du Jack willst, wirst du um ihn kämpfen müssen. Du musst ihn wachrütteln, sonst ändert er sich nicht. Glaub mir, Elizabeth, ich weiß, wovon ich rede." „Ich werde darüber nachdenken", sagte die. „Aber erst muss ich beweisen, dass ich den täglichen Kampf ums Überleben bewältige." Sie griff nach den Rezeptkarten. „Welches davon ist das einfachste?" Anfang Dezember fühlte Elizabeth sich wie eine neue Frau. Dani hatte jeden Tag angerufen oder war vorbeigekommen, um ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Becky Sinclair und Ginny Johnson kümmerten sich vormittags um Charlotte und Nathan, und Elizabeth stellte begeistert fest, wie schnell sie die Hausarbeit schaffen konnte, wenn die Kinder sie nicht alle fünf Sekunden ablenkten. Sie fand Spaß daran, einfache, nahrhafte Gerichte zu kochen, und daran, dass im Haus ein wenig Unordnung herrschte, würde Billy sich eben gewöhnen müssen. Jack gezielt zu verführen brachte sie nicht fertig, aber sie zeigte ihm auf ganz natürliche Weise, was sie für ihn empfand. Wenn ihr danach war, ihm ihre Hand auf die Schulter zu legen, tat sie es einfach. Wenn sie beim Fernsehen neben ihm sitzen wollte, tat sie es. Wenn sie ihm nach der Arbeit über das Haar streichen oder den Nacken massieren wollte, tat sie auch das. Jack beschwerte sich nicht. Im Gegenteil, er schien sogar nach Gelegenheiten zu suchen, ihre Berührungen zu erwidern. Elizabeth sah ihre Rolle im Haus der Zorns viel entspannter, und da auch Jack lockerer wurde, konnten sie beide endlich wieder Freude aneinander finden. Abends, wenn die Kinder im Bett lagen und Billy in seinen Wohnwagen gegangen war, saßen sie am Kamin und redeten über ihre Familien, ihre Vergangenheit, ihre Enttäuschungen und ihre Träume. Zwischen ihnen herrschte eine intime Nähe, die nichts mit Sex, aber alles mit Gefühlen zu tun hatte. Elizabeth genoss die ruhigen Stunden mit ihm. Es wäre äußerst leicht gewesen, auch körperlich miteinander intim zu werden. Elizabeth spürte ein tiefes Verlangen und war sicher, dass es Jack ebenso erging. Doch zwischen ihnen bestand die stillschweigende Übereinkunft, zuerst alles Wissenswerte übereinander zu erfahren. Für Elizabeth war es ein wunderbares Erlebnis. Sie war noch keinem Menschen, weder Mann noch Frau, so nah gewesen wie Jack. Was sie noch vor einer Woche für Liebe gehalten hatte, verblasste gegenüber dem, was sie jetzt für ihn empfand. Ob er bereit war, es zuzugeben, oder nicht, sie hatten eine ernsthafte und intensive Beziehung. Als seine Mutter am 2. Dezember nach dem Frühstück anrief und ihre Heimkehr auf den folgenden Montag verschob, musste Jack sich auf die Zunge beißen, um keinen Jubelschrei auszustoßen. Er liebte seine Mutter, aber mit Beth allein zu sein war herrlich, und er wollte nicht, dass es schon endete. Lächelnd erzählte er Onkel Billy und Elizabeth die Neuigkeit.
Sie lächelte zurück und belud den Geschirrspüler. „Wir könnten sie überraschen und am Wochenende das Haus für Weihnachten schmücken." „Gute Idee", sagte Jack. „Zieh die Kinder nach dem Mittagessen warm an, dann marschieren wir alle los und suchen einen Christbaum aus." Bewundernd starrte er auf ihren süßen Po in der engen Stretchhose. Er war nicht sicher, warum Elizabeth sich seit der Party bei den Johnsons verändert hatte, aber was immer der Grund war, er freute sich darüber. Sie war wieder fröhlich und sexy und zuversichtlich, und der Haushalt schien ihr keine Probleme mehr zu bereiten. Wenn sie nur nicht so verdammt reich wäre... „Willst du den ganzen Tag herumsitzen und träumen, oder wollen wir den Traktor reparieren?" fragte Billy. Der alte Mann ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Jack zog seine Jacke an und folgte dem Griesgram in die Werkstatt. Dort nahm er einen Schraubenschlüssel und wedelte damit seinem Onkel zu. „Was ist los mit dir, Billy? Kannst du nicht mal versuchen, ein wenig nett zu sein? Elizabeth kommt jetzt besser zurecht, und..." „Sie kommt besser damit zurecht, dich an die Angel zu kriegen", erwiderte Billy. „Und du bist in sie verschossen wie ein grüner Junge." „Das geht dich gar nichts an. Und ich bin es leid, zuzusehen, wie du sie behandelst. Das hat sie nicht verdient", sagte Jack verärgert. „Hm." Billy riss ihm den Schraubenschlüssel aus der Hand und warf ihn auf die Werkbank. „Sie spielt dir die glückliche kleine Hausfrau vor, merkst du das nicht? Sie ist scharf auf dich, das ist alles. Aber was glaubst du, wie lange sie das Klo schrubben und Wäsche waschen wird, wenn der Reiz des Neuen weg ist?" „Halt den Mund, Onkel Billy." „Nein, das tue ich nicht. Eine Frau wie sie wird mit dem Leben hier niemals zufrieden sein. Wenn du nicht aufpasst, wickelt sie dich um den Finger und bringt dich aus der Ruhe." „Wenn sie das tut, ist es mein Problem, also halte dich heraus." „Gern. Sobald du anfängst, mit dem Kopf zu denken, und nicht mit ... du weißt schon. Um Himmels willen, wenn du unbedingt eine Frau brauchst, such dir eine, die auch bei dir bleibt." „Wo soll ich die denn finden?" fragte Jack. „In einer Bar vielleicht? Nein danke." „Du wirst dich lächerlich machen und dir das Herz brechen lassen", beharrte Billy. „Ja, das kann sein", gab Jack zu. „Aber wenigstens weiß ich dann, dass ich am Leben bin." „Mit dir ist nicht zu reden. Ich fahre in die Stadt. Weine mir nichts vor, wen sie dich sitzenlässt, mein Junge." Der alte Mann ging davon. „Keine Sorge, das werde ich nicht", murmelte Jack und griff nach dem Schraubenschlüssel. Normalerweise beruhigte ihn die Arbeit mit den Händen, aber nicht heute. Der Traktor war so widerspenstig wie sein Onkel. Jack fand, dass Onkel Billy die harten Worte verdient hatte, aber trotzdem bereitete ihm der Streit ein schlechtes Gewissen. Der alte Brummbär meinte es gut und hatte genauso schwer wie Jack gearbeitet, um die Ranch schuldenfrei zu machen. Doch seit letzter Woche sah Jack sein Leben mit anderen Augen, und was er sah, gefiel ihm nicht. Er war es leid, sich für die Ranch aufzuopfern und immer nur das zu tun, was die anderen von ihm erwarteten. Er war es leid, allein zu sein. Von Tag zu Tag wuchs seine Bewunderung für Elizabeth. Für eine verwöhnte Erbin konnte sie kräftig zupacken. Sie liebte die Kinder, und Nathan und Charlotte liebten sie. Sie mochte Tiere. Sie verstand sich mit den Ehefrauen seiner Freunde und kam großartig mit seiner Mutter zurecht. Und obwohl sie schon eine ganze Weile hier war, schien ihr die Großstadt nicht zu fehlen. Hank und Emily Dawson hatten damals auch nicht besser zueinander gepasst als er und Elizabeth, aber sie hatten sich zusammengerauft und waren ein glückliches Paar. Dasselbe
ließ sich über Ginny und Andy Johnson, Sam und Sani Dawson und Becky und Pete Sinclair sagen. Warum sollte er sich also nicht in Elizabeth verlieben? Es war nicht ihre Schuld, dass sie so reich war, und solange er keinen Cent ihres Geldes anrührte, brauchte ihn ihr Vermögen doch nicht zu stören. Vielleicht sollte er endlich aufhören, pessimistisch zu sein, und an eine ernsthafte Beziehung mit ihr denken.
6. KAPITEL Mit Charlotte auf dem Arm und Nathan neben ihr sah Elizabeth bewundernd zu, wie kraftvoll und zielsicher Jack mit der Axt zuschlug. Sie waren über eine Stunde durch den bewaldeten Teil der Bar Z Ranch gestreift, um nach einem Weihnachtsbaum zu suchen. Jack hatte einen alten Schlitten aus der Garage geholt und die Kinder gezogen. Die zwei Meter hohe DouglasTanne, die er jetzt fällte, war in Elizabeths Augen die Anstrengung wert. Allein die Landschaft hatte den Fußmarsch gelohnt. Elizabeth hatte Wyoming immer für eine kalte Einöde gehalten. Es war noch immer kalt und einsam, aber nirgendwo anders war ihr das Wunder der Schöpfung so bewusst geworden wie hier. Majestätische Berge ragten in den tiefblauen Himmel. Es war ein Ort, der Dichter und Komponisten inspirierte und Maler daran verzweifeln ließ, dass man solche Schönheit einfach nicht auf einem Bild festhalten konnte. Elizabeth war dankbar, dies alles sehen, zu können, und noch dankbarer dafür, dass sie es gemeinsam mit Menschen tun konnte, die sie liebte. Dieses raue Land allein zu erkunden hätte sie nicht gewagt, aber Jacks ruhige Gelassenheit nahm ihr alle Ängste vor den Gefahren, die die nahezu unberührte Natur mit sich brachte. In ihren Schneeanzügen, Stiefeln und Handschuhen sahen die Kinder aus wie kleine Bären. Die rosigen Wangen und leuchtenden Augen spiegelten ihre Begeisterung wider. Und ihr Vertrauen in die Erwachsenen, die ihnen Schutz und Geborgenheit gaben. Dies war ein Abenteuer. Sie hatten sich zu viert in den eisigen Winter hinausgewagt und nach einem Schatz gesucht. Wie eine Familie. Elizabeth fühlte sich geliebt, sie war verliebt und fühlte sich tief verbunden mit diesen Menschen und der Natur. Sie war glücklich. „Der Baum fällt!" Nathans aufgeregter Ausruf ließ Elizabeth lachen. Auc h Jack lachte, als er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Sie sahen einander in die Augen, und einen herrlichen Moment lang wusste sie, dass er dasselbe dachte wie sie. Ja, dies ist etwas ganz Besonderes, sagte sein Blick. Dies ist einer der schönsten Momente in meinem Leben, und ich bin froh, dass du ihn mit mir teilst. Sie lächelte, und er zwinkerte ihr zu. Das Traurige an schönen Momenten war, dass sie viel zu schnell vorübergingen. Der Wind wurde schneidender, während Jack den Baum auf den Schlitten band. Charlotte war müde und quengelte. Nathan wollte nicht mehr laufen, aber auf dem Schlitten war kein Platz, und die Erwachsenen konnten ihn nicht tragen. Als sie das Haus erreichten, waren alle durchgefroren und erschöpft. Charlotte schlief ein, bevor Elizabeth ihr den Schneeanzug ausziehen konnte. Sie brachte das Mädchen zu Bett, und als sie danach in die Küche kam, waren Jack und Nathan gerade dabei, heiße Schokolade zu machen. Der kleine Junge schlief über seinem Becher ein. Jack legte ihn aufs Sofa und deckte ihn zu. Dann kehrte er an den Küchentisch zurück, streckte die Beine aus und schloss die Augen. „Hörst du das?" Elizabeth lauschte. „Ich höre nichts." „Genau. Ist diese Stille nach dem heulenden Wind nicht herrlich?" „Ja, das ist sie." Er öffnete ein Auge. „Findest du, dass wir die Suche nach dem perfekten Baum ein wenig übertrieben haben?" „Vermutlich. Ich glaube, Eltern müssen erst lernen, was sie ihren Kindern zumuten können. Aber der Hinweg hat Spaß gemacht." „Ja, großen Spaß." Sie lächelten einander zu, und Jack schien etwas sagen zu wollen. Doch dann stand er auf. „Ich stelle den Baum in den Ständer und hole ihn herein, damit er warm ist, wenn wir ihn schmücken. Danach sehe ich nach dem Vieh."
Elizabeth schaute ihm schweigend nach und fragte sich, was er hatte sagen wollen. Den ganzen Nachmittag hindurch hatte sie die neue Wärme gespürt, die er ausstrahlte. Durfte sie zu hoffen wagen, dass er für sie das zu empfinden begann, was sie für ihn schon fühlte? Sie wollte es glauben. Leider hatte sie auf bittere Weise lernen müssen, wie sehr falsche Hoffnungen schmerzten. Wenn man nicht auf ein Wunder wartete, war man nicht enttäuscht, wenn keines eintrat. Doch im Laufe des Abends fiel es ihr immer schwerer, sich an die harten Lektionen der Vergangenheit zu erinnern. Onkel Billy blieb im Wohnwagen, und ohne ihn herrschte im Haus eine heitere Atmosphäre. Jack holte die Kartons mit dem Weihnachtsschmuck vom Dachboden. Elizabeth hatte in ihrer Wohnung nie einen Baum aufgestellt, und ihre Mutter überließ das Schmücken des Hauses stets einem Dekorateur. Jack war entsetzt, als Elizabeth ihm gestand, dass sie noch nie einen Baum geschmückt hatte, und bestand darauf, ihr alles genau zu erklären. Sie musste immer wieder auf die Leiter steigen, bis die Lichter endlich zu seiner Zufriedenheit arrangiert waren. Die Christbäume ihrer Mutter waren immer wahre Kunstwerke, gestaltet nach Vorbildern aus vergangenen Zeiten. Die einzige Tradition bestand darin, dass der Baum jedes Jahr einzigartig sein musste. Jacks Herangehensweise war das genaue Gegenteil. Für ihn gehörte der Baumschmuck zur Familiengeschichte. Die kleinen versilberten Glöckchen hatte eine Urgroßmutter auf dem Planwagen aus Ohio mitgebracht. Sein Großvater hatte die Spielzeugsoldaten geschnitzt und bemalt, als ein Knöchelbruch ihn an den Sessel gefesselt hatte. Das Rentier aus Pinienzapfen hatte Hazel in der Schule gebastelt. Jack wickelte jedes Stück behutsam aus, als wäre es ein alter und geschätzter Freund. Es war nicht einfach, sie alle am Baum unterzubringen, aber sie schafften es. Und dann kam das Lametta. Elizabeth behängte die Zweige voller Sorgfalt. Jack und Nathan gaben sich große Mühe, und selbst die kleine Charlotte half dabei, die glitzernden Fäden in den Baum zu hängen. Endlich war es soweit. Die bunten Lichter wurden eingeschaltet. Für ihre Mutter wäre der Baum ein geschmackloses Sammelsurium billiger Dinge, aber für Elizabeth repräsentierte ihr gemeinsames Werk all das, was sie bei den Festen ihrer Familie immer vermisst hatte. Wie immer die Zukunft aussehen mochte, dieses Weihnachtsfest würde sie niemals vergessen. Lachend kam Jack hinter dem Baum hervor. Jedes Jahr bat seine Mutter ihn, den Baum nicht so dicht an die Wand zu stellen, damit die Lichterkette sich einfacher einschalten ließ. Und jedes Jahr musste er unter den Zweigen hindurchkriechen, um den Stecker in die Dose zu schieben. Hazels Tadel gehörte schon fast so sehr zur weihnachtlichen Tradition wie der Baum selbst. Er blieb wie angewurzelt stehen, als er Elizabeths Gesicht sah. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, und sie starrte mit großen leuchtenden Augen auf die blinkenden Lichter. Dann lächelte sie ihm zu, und er fühlte sich so glücklich wie noch nie zuvor. Sie war so schön. Und er liebte sie. Er wollte sie an sich ziehen und küssen. Er wollte sie nach oben tragen, sie in sein Bett legen und ihnen Lust bereiten, bis sie vor Erschöpfung einschliefen. Und danach wollte er sie bitten, ihn zu heiraten, Kinder von ihm zu bekommen und für den Rest seines Lebens mit ihm den Weihnachtsbaum zu schmücken. So. Er hatte es sich eingestanden. Es machte ihm angst. Onkel Billys Warnungen waren nicht so einfach von der Hand zu weisen, und er wusste nicht, was Elizabeth wirklich für ihn fühlte. Sicher, sie fand ihn attraktiv und nett, aber liebte sie ihn auch? Genug, um mitten in der Einsamkeit in einem alten Ranchhaus zu leben? Vielleicht. Sie wirkte heute zufrieden und unbeschwert. Konnte er wagen, ihr einen
Heiratsantrag zu machen? Ehrlich zu sein und alle Karten auf den Tisch zu legen? Nein, noch nicht. Jack war ein vorsichtiger Mensch. Der Dezember hatte gerade erst begonnen, also blieben noch zwei Wochen, bis sie die Kinder zu ihren Eltern bringen würde. Genügend Zeit, um sie davon zu überzeugen, dass sie ohne ihn nicht leben konnte. Jedenfalls hoffte er das. Hazel kam am 5. Dezember nach Hause, lobte Elizabeths Haushaltsführung und gestand lachend, dass sie die Unterwäsche von Jacks Vater auch einmal verfärbt hatte. Billy blieb abends im Wohnwagen. Jack hielt sich in jeder freien Minute im Haus und bei Elizabeth auf. Er war aufmerksam und zärtlich zu ihr, sogar vor den Augen seiner Mutter. Er küsste Elizabeth bei jeder sich bietenden Gelegenheit, versuchte aber nie, mit ihr zu schlafen. Es gab Zeiten, da war sie wütend auf ihn, weil er ihre Leidenschaft weckte, ihr die Erfüllung jedoch verwehrte. Doch sie liebte ihn zu sehr, um ihm zu widerstehen. Trotz ihrer Ängste begann Elizabeth auf ein Wunder zu hoffen. Würde Jack sie doch nur bitten, ihn zu heiraten. Sie wäre glücklich, den Rest ihres Lebens auf der Bar Z zu verbringen. Sie vermutete, dass er mit dem Gedanken spielte, und eines Nachmittags bestätigte seine Mutter ihren Verdacht. Hazel saß am Küchentisch, das gebrochene Bein auf einem zweiten Stuhl, und bestreute Weihnachtskekse mit Puderzucker. „Hast du je daran gedacht, Klavierstunden zu geben?" fragte sie lächelnd. „Nein", erwiderte Elizabeth überrascht. „Warum fragst du?" „Ein solches Talent wie deins sollte nicht verschwendet werden. Du bist so geduldig mit den Kindern und wärst bestimmt gut. Donna Johnson hat mir gestern erzählt, dass unsere einzige Klavierlehrerin nach Oregon umzieht." Elizabeth legte die Keksform hin und sah Jacks Mutter an. „Was willst du mir wirklich sagen, Hazel?" „Du weißt ganz genau, was ich sagen will. Mein Junge ist in dich verliebt, und du sollst wissen, dass du nicht auf alles verzichten musst, wenn er dich bittet, ihn zu heiraten." „Das ist sehr nett von dir, Hazel, aber ..." „Ja, ja, ich weiß. Ich soll mich nicht einmischen. Aber ich muss dir sagen, dass du sehr gut für Jack warst." „Er war auch für mich gut." Elizabeth ging zu Hazel und umarmte sie. „Das wart ihr beide." „Liebst du ihn?" „Ja, ich liebe ihn. Aber ich weiß nicht, was er für mich empfindet. Wir haben noch nicht über die Zukunft gesprochen." Hazel tätschelte Elizabeths Hand. „Lass ihm Zeit, Honey. Die Männer der Zorns sind vorsichtig mit Versprechungen, aber wenn sie eine machen, kannst du sicher sein, dass sie sie auch halten." Elizabeth wusste, dass ihre Zeit in Wyoming zu Ende ging. In vier Tagen würde sie wieder in Connecticut sein. Aber sie ließ sich nicht entmutigen. Heute Abend würde sie mit Jack auf eine Party bei Becky und Pete Sinclair gehen. Vielleicht würde der Anblick all der glücklichen Paare ihn dazu bringen, ihr seine Gefühle zu offenbaren. Falls nicht, würde sie möglicherweise Dani Dawsons Vorbild folgen und ihn verführen müssen. „Heute Abend ist es soweit", murmelte Jack, während er den Rasierer und die Rasiercreme im Badezimmerschrank verstaute. Er wünschte, er müsste nicht zu dieser Party gehen. Viel lieber hätte er Elizabeth zu einem romantischen Abendessen eingeladen, aber er hoffte, dass das Glück der anderen Paare sie in die richtige Stimmung versetzte, bevor er ihr die entscheidende Frage stellte. Warum war er nur so nervös? Seine Hände zitterten so heftig, dass er froh sein konnte, sich beim Rasieren nicht die Kehle durchgeschnitten zu haben. Wenn sie ihn nun auslachte? Nein, das würde Elizabeth nie tun. Aber vielleicht würde sie nein sagen.
Wenn sie das tat, würde er ...Na ja, er wusste nicht, was er dann tun würde. Er wusste nur, dass er es nicht länger aufschieben durfte. Falls sie den Heiratsantrag annahm, hätten sie noch ein paar Tage Zeit, um Pläne zu schmieden, bevor sie die Kinder nach Hause brachte. Er nahm sich vor, positiv zu denken, zog sich hastig an und ging nach unten, um auf Elizabeth zu warten. Der Abend begann angenehm genug. Elizabeth trug das Haar offen, so wie er es mochte. Und sie trug auch seinen Lieblingspullover, den hellroten, der ihre Brüste so erregend zur Geltung brachte. Und es war ein gutes Gefühl, endlich einmal ohne die Kinder losfahren zu können. Im Wagen saß sie dicht neben ihm, und ihr Duft ließ erotische Bilder in ihm aufsteigen, während sie von Marys letztem Anruf erzählte. Dann entdeckte sie am Straßenrand ein Reh und legte Jack eine Hand auf den Oberschenkel. Es war eine spontane Geste voller Zärtlichkeit, aber sie lenkte Jack so sehr ab, dass er fast in den Graben gefahren wäre. Als sie auf der Party eintrafen, fühlte Jack sich schon zuversichtlicher. Da alle Gäste ihre Kinder zu Hause gelassen und die Sinclairs ihre beiden für den Abend bei Sam und Dani Dawson untergebracht hatten, war es leichter, ernsthafte Gespräche zu führen. Jack amüsierte sich gut, bis alle zum Essen Platz nahmen. Niemand machte so großartige Spaghetti wie Becky Sinclair, und Jack freute sich riesig, als Elizabeth ihre Gastgeberin um das Rezept bat. Doch dann verwickelte Pete Elizabeth in ein Gespräch. Peter Sinclair war ein hervorragender Arzt und ein natürlicher, freundlicher Mensch. Alle nannten ihn Doc, und kaum jemand dachte noch daran, dass er von der Ostküste stammte. Er und Becky führten ein so ruhiges und bescheidenes Leben, dass niemand ihnen ansah, dass der Arzt von seinem Großvater ein gewaltiges Vermögen geerbt hatte. Schon nach wenigen Minuten sprachen Pete und Elizabeth angeregt über gemeinsame Bekannte, Privatschulen, schicke Urlaubsorte und alle möglichen Dinge, von denen Jack keine Ahnung hatte. Die beiden waren nicht unhöflich, sie versuchten ihn und Becky und die anderen Gäste an ihrem Gespräch zu beteiligen. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der sie über ihre Welt sprachen, machte Jack klar, dass Elizabeth für ihn einige Nummern zu groß war. Ihr Geld war dabei nicht das Problem. Was sie voneinander trennte, war das interessante und abwechslungsreiche Leben, das der Reichtum ihr ermöglicht hatte. Er hatte noch nie einem Symphonieorchester zugehört oder ein Ballett gesehen, außer im Fernsehen, und dann schnell zur Fernbedienung gegriffen, um ein anderes Programm einzuschalten. Er war noch nie in Kanada gewesen, erst recht nicht in Europa. Elizabeth mochte die richtige Frau für ihn sein, aber er war nicht der richtige Mann für sie. Sie verdiente einen wohlhabenden, kultivierten Menschen wie Pete, nicht einen ungebildeten Cowboy mit Kuhdung an den Stiefeln und rauen, schwieligen Händen. Wie hatte er nur auch nur eine Sekunde lang glauben können, dass sie sich in ihn verlieben würde? Er hätte auf Onkel Billy hören oder selbst zur Vernunft kommen sollen, bevor er sich in sie verliebte. Jetzt hatte er sich ein gebrochenes Herz eingehandelt. Wenn Elizabeth abreiste, würde er zu den armen, traurigen Cowboys gehören, die in den Country Songs besungen wurden.
7. KAPITEL Elizabeth musste sich beherrschen, um nicht laut zu seufzen, als sie aus dem Wagen stieg und vor Jack die Stufen hinauf eilte. Die Party der Sinclairs war amüsant gewesen, aber Jack hatte sich auf der Rückfahrt benommen, als hätte er gerade seinen besten Freund zu Grabe getragen. Was um alles in der Welt war passiert? In der Küche zog sie sich die Stiefel aus, stellte sie auf die Matte neben der Hintertür und drehte sich zu Jack um. „Was ist los, Jack?" Ihm schien gar nicht bewusst zu sein, dass er seit zwanzig Minuten kein einziges Wort gesagt hatte. Er sah sie an und senkte hastig den Blick. „Nichts. Ich bin nur müde." „Das glaube ich nicht", erwiderte Elizabeth. „Hab ich dich heute Abend irgendwie blamiert?" „Natürlich nicht." Er hängte Jacke und Hut auf. „Warum behandelst du mich dann plötzlich wie eine Fremde?" „Ich möchte nicht darüber reden." Er wollte ins Wohnzimmer gehen, doch sie hielt ihn am Arm fest. „Aber ich, Jack. Falls ich dich irgendwie gekränkt haben sollte, möchte ich wissen, womit." Er rieb sich den Nacken und seufzte resigniert. „Na gut. Lass uns ins Wohnzimmer gehen." Elizabeth folgte ihm zum Sofa und erschrak, als er beim Hinsetzen fast einen halben Meter Abstand zu ihr hielt. Mit traurigem Gesicht starrte er auf das längst erloschene Kaminfeuer. Das Schweigen dauerte immer länger und wurde von Minute zu Minute unerträglicher. „Ich finde es schrecklich, dich so unglücklich zu sehen", sagte sie schließlich. „Bitte, sag mir, was los ist, Jack." „Mir ist auf der Party klar geworden, dass ich in einer Traumwelt gelebt habe." Mit einem bitteren Lachen sah er sie an. „D u wirst mir fehlen, wenn du am Freitag abreist." „Das klingt, als würden wir uns nie wiedersehen." „Nein, vermutlich nicht. Bis ich endlich einmal dazu komme, Mary zu besuchen, bist du längst verheiratet und hast fünf Kinder." „Ich dachte, wir kämen uns näher, Jack. Dass wir ... mehr als Freunde werden. Und wenn ich nun nach Wyoming zurückkehren möchte?" „Tu es nicht, Beth." Sein wehmütiges Lächeln ging ihr ans Herz, und als er ihr zärtlich über die Wange strich, kamen ihr fast die Tränen. „Was soll ich nicht tun?" flüsterte sie. „Fang nichts an, von dem wir beide wissen, dass wir es nicht bekommen können." „Etwas, das wir nicht bekommen können? Oder etwas, das du nicht willst?" „Oh, ich will dich, Honey. Das würde ich nie bestreiten. Aber ich bin nicht der Mann, den du brauchst", sagte er leise. „Das kannst du nicht wissen", widersprach sie aufgebracht. „Wenn ich bereit bin, das Risiko einzugehen..." „Nein." Jack nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und schüttelte langsam den Kopf. „Ich mag und respektiere dich zu sehr, um etwas zu beginnen, das dir unweigerlich weh tun wird." „Das hast du bereits, mit deinen Küssen und deinem Flirten und... Ich liebe dich, Jack. Bedeutet dir das denn gar nichts?" „Doch." Er schluckte, schloss die Augen, als könnte er sie nicht mehr anschauen, und ließ die Hände sinken. „O doch, es bedeutet mir sehr viel." „Dann schick mich nicht weg. Ich weiß, wir kennen uns noch nicht lange, aber..." „Das ist nicht das Problem, Beth", unterbrach er sie. „Selbst wenn wir uns seit zwanzig Jahren kennen würden, würde es nichts daran ändern, wer und was wir sind." „Ich will doch nur ein Teil deines Lebens sein. Ich will dich nicht ändern." „Ich will dich auch nicht ändern. Aber genau das würde gesche hen. Ich kann dir ein Leben, wie du es verdienst, nicht bieten. Selbst wenn ich das Geld hätte, könnte ich nicht lange genug
von der Ranch weg, um solche Reise zu machen, wie du sie heute Abend..." Wütend sprang Elizabeth auf und stemmte die Hände in die Seiten. „Also ist es schon wieder mein Geld. Verdammt, Jack, hast du denn nichts von Becky und Peter gelernt?" „Doch." Er stand auf. „Ich habe gelernt, dass du eine Vollblutstute bist und ich ein Ackergaul. Kein vernünftiger Mensch würde versuchen, sie miteinander zu kreuzen." „Die Sinclairs haben es getan. Peters Vermögen ist größer als meins, und er ist mit Becky glücklich. Sein Geld spielt dabei überhaupt keine Rolle." „Es ist anders, wenn der Mann das Geld hat." Empört hob Elizabeth die Hände. „O nein! Wie kannst du nur so altmodisch..." „Genau, ich bin altmodisch. Gib es auf, Beth. Es würde nicht funktionieren." „Es könnte, wenn du uns eine Chance geben würdest. Liebe hat mit Geld ebensowenig zu tun wie Weihnachten. Bei der Liebe geht es um Gefühle und um eine Million andere Dinge, die man mit Geld nicht kaufen kann. Glaub mir, Glück lässt sich nicht kaufen." „Versuch mal, eine Weile ohne Geld zu leben, und du wirst sehen, wie glücklich du bist." „Würde es etwas ändern, wenn ich das täte?" fragte sie. „Wie meinst du das?" „Ich kann mein Vermögen weggeben. Mit einem einzigen Anruf, gleich morgen früh." Er starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Nein. Denk nicht mal daran. Ich habe kein Recht, so etwas von dir zu verlangen." „Du hast es nicht verlangt. Ich habe es angeboten. Also sag mir, was los ist, Jack. Was steht wirklich zwischen uns?" Er sah sie lange an, dann schüttelte er betrübt den Kopf. „Ich verstehe", flüsterte Elizabeth. „Ich bin nicht die Frau, die du brauchst!" Sie drehte sich um und ging zur Treppe. „Elizabeth, es tut mir leid." Sie sah über die Schulter. „Es braucht dir nicht leid zu tun. Du hast mir nie etwas versprochen. Ich weiß deine Ehrlichkeit zu schätzen, Jack." Erhobenen Hauptes stieg sie die Stufen hinauf. Ihre Augen brannten, aber sie war zu stolz, um auch nur eine einzige Träne zu vergießen. Sie fühlte sich auch so schon erniedrigt genug. Sie weinte auch dann nicht, als sie ihre Zimmertür hinter sich schloss. Sie schlang die Arme um den Körper, ging ans Fenster und schaute in die Dunkelheit hinaus. Elizabeth war enttäuscht, aber nicht erschüttert. Hatte sie denn nicht insgeheim erwartet, dass es so enden würde? Es war höchste Zeit, erwachsen zu werden und der Wahrheit ins Auge zu sehen. Für sie würde romantische Liebe immer ein Traum bleiben, denn sie war einfach nicht Frau genug, um einen Mann dazu zu bringen, sich nur in sie und nicht in ihr Geld zu verlieben. Wenn sie Jack nicht bekam, konnte sie auch nach Hause fahren und Warren heiraten. Vielleicht würden sie ja irgendwann Respekt und Zuneigung füreinander entwickeln, dann würde sie wenigstens eigene Kinder haben, die sie lieben konnte. Wer bekam denn schon alles, was er sich wünschte? Niemand. Elizabeth war keine verwöhnte Prinzessin, die unfähig war, Kompromisse einzugehen, wenn die Umstände es erforderten. Vielleicht würde sie nie Leidenschaft erleben, die Jack ihr hätte bereiten können, aber sie konnte ihrem Leben einen Sinn geben. Und genau das würde sie tun. Sobald sie sicher war, dass der Schmerz in ihrem Herzen sie nicht umbringen würde. Eher würde sie sterben, als Jack oder irgend jemand anderen merken zu lassen, wie weh er ihr getan hatte. Jacks Kehle war wie zugeschnürt, als er Elizabeth die Treppe hinaufgehen sah. Er wollte sie zurückrufen und alles ungesagt machen, was er ausgesprochen hatte, aber er schwieg und schob die Hände in die Taschen. Am liebsten hätte er sich eingeredet, dass er nur ihren Stolz
verletzt hatte. Elizabeth verstand es, ihre Gefühle zu verbergen, aber er kannte sie gut genug, um die tapfer zur Schau getragene Fassade zu durchschauen. Verdammt. Hatte er gerade den größten Fehler seines Lebens begangen? Wenn Elizabeth nun die einzige Frau war, die er jemals lieben konnte? Diese Frage quälte ihn drei Tage lang. Elizabeth tat, als wäre nichts vorgefallen. Sie fuhr mit seiner Mutter zum Einkaufen nach Pinedale. Jedes Mal, wenn Jack die beiden lachen oder angeregt plaudern hörte oder Elizabeth mit den Kindern oder dem Hund herumtollen sah, kamen ihm Zweifel an seiner Entscheidung. Sie wirkte so zufrieden, als wäre sie stolz auf ihre neuen Fähigkeiten. Er sehnte sich danach, sie in den Arm zu nehmen und zu küssen. Nach den langen, ruhigen Gesprächen an den Abenden, während seine Mutter in Jackson gewesen war. Nach Elizabeths beglücktem Lächeln, wenn eins der Kinder etwas Komisches tat. Nach dem leisen Lachen, wenn Onkel Billy mal wieder maulte. Aber natürlich würde er all das nie wieder erleben. Er hatte sie zurückgestoßen und zutiefst verletzt. Wie konnte er ihr verdenken, dass sie ihn ignorierte? Verdammt, sie fehlte ihm, obwohl sie noch gar nicht fort war! Sie hatte sich in sein Herz eingeschlichen, und er wusste nicht, ob er sie jemals wieder hinausbekommen würde. Er bereute seine Entscheidung tausendmal, doch eins hinderte ihn daran, es ihr zu sagen. Elizabeth hatte damit recht, dass Liebe nichts mit Geld zu tun hatte, sondern mit Gefühlen. Aber es ging auch darum, für den Menschen, den man liebte, das Beste zu wollen. Und so sehr sie es beteuerte, er sah nicht ein, wieso der Verzicht auf alles Gewohnte und ein bescheidenes Leben mit ihm für sie das Beste sein konnte. Außerdem ließ sich der Schaden, den er angerichtet hatte, wahrscheinlich nicht mehr gutmachen. Am Donnerstagabend war Jack ein verzweifelter Mann. Elizabeth trug beim Essen den hellroten Pullover, und er schaffte es kaum, den Blick von ihr loszureißen. Es tat ihm weh, als sie das Spielzeug der Kinder und ihre eigenen Sachen einsammelte und zum Packen nach oben ging. Es tat noch mehr weh, daran zu denken, dass sie am nächsten Morgen abreisen und er sie nie wiedersehen würde. Verdammt, so konnte er sie doch nicht gehen lassen. Nicht ohne sich allein und ungestört von ihr verabschiedet zu haben. Der Abend kam ihm endlos vor. Nathan und Charlotte freuten sich auf den Flug und darauf, ihre Eltern wiederzusehen. Die beiden waren so aufgeregt, dass sie nicht schlafen gehen wollten. Jacks Mutter blieb in Elizabeths Zimmer und plauderte mit ihr, als fürchtete sie, nie wieder weibliche Gesellschaft zu haben. Erst gegen Mitternacht war Jack endlich mit Elizabeth allein. Er kam sich lächerlich vor, als er vor dem Badezimmer wartete, während sie sich die Zähne putzte, tat es aber trotzdem. Als sie herauskam, sah sie ihn fragend an. „Was gibt es, Jack?" „Würdest du eine Minute hereinkommen?" bat er sie und zeigte auf sein Schlafzimmer. Sie ging vor und zog eine Augenbraue hoch, als er die Tür hinter ihnen schloss. Jack räusperte sich, dann hob er hilflos die Hände, weil er die Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, vergessen zu haben schien. Schließlich sagte er einfach, was ihm als erstes einfiel. „Ich möchte nicht, dass du so gehst, Beth." „Wie?" „Im Streit. Ich wollte dir nicht weh tun, aber ich weiß, dass ich es getan habe." „Es geht mir gut." „Kann sein, aber mir nicht." Er rieb sich die Stirn. „Ich weiß nicht, was ich sagen kann, um es wieder gut zu machen." „Bedeute ich dir etwas, Jack?" „Natürlich, das weißt du doch." „Dann sag nichts mehr." Sie legte die Hände auf seine Brust. „Küss mich einfach." Ihr Duft stieg ihm zu Kopf. Sein Herz raste. „Wenn ich das tue, werde ich mich nicht mit
einem Kuss begnügen können." „Das sollst du auch nicht." Sie lächelte. „Wenn mir von dir nichts als eine Erinnerung bleibt, soll es wenigstens eine ganz besondere sein." Kein Mann hätte ihr widerstehen können. Jack versuchte es gar nicht erst. Mit vor Verlangen zitternden Händen zog er sie an sich und küsste sie.
8. KAPITEL Ja, dachte Elizabeth, als sie sich dem Zauber von Jacks Umarmung hingab, so soll es sein. Wilde, stürmische Küsse. Kräftige Hände, die sie ungeduldig, aber zärtlich liebkosten. Ein Moment, in dem es weder Vergangenheit noch Zukunft gab, nur die Lust und die Freude, sie mit diesem Mann zu teilen. Sie wollte alles an ihm sehen und berühren, so wie er alles an ihr sehen und berühren sollte. Ohne dass ein Wort nötig gewesen wäre, legten sie mit der Kleidung auch alle Hemmungen ab. Jack zog Elizabeth auf das Bett, und sie erkundeten einander mit einem so fieberhaften Verlangen, als müsste die Liebe dieser Nacht für ein ganzes Leben reichen. Seine Bedürfnisse waren offen und natürlich, und indem er von ihr dieselbe Ehrlichkeit erwartete, gab er ihr die Freiheit, ihre Wünsche so auszudrücken, wie sie es noch nie getan hatte. Es war mehr als Lust, mehr als Sex, mehr als körperliches Vergnügen. Bei Jack fühlte Elizabeth sich schön und sexy, unbeschwert und leidenschaftlich und vor allem verstanden. Wie konnte ein Mann sie so zärtlich küssen und berühren, so uneigennützig die eigene Erfüllung hinausschieben, wenn er sie nicht liebte? Wie konnte er ihr ein so unvergessliches Erlebnis bereiten, wenn er nicht glaubte, dass sie und er zusammengehörten? Wie konnte er so tief in sie eindringen, in ihren Körper wie in ihre Seele, und sie am Morgen danach einfach gehen lassen? Elizabeth würde keine Sekunde der Zeit mit ihm vergessen. Sie würde nie aufhören, ihn zu begehren. Ihn zu lieben. Vielleicht würde sie diese Nacht eines Tages bereuen, aber um nichts auf der Welt hätte sie auf sie verzichten wollen. Erschöpft lagen sie schließlich nebeneinander. Mit den Fingerspitzen tastete sie langsam über sein Gesicht, als wollte sie sich jedes Detail unauslöschlich einprägen. Als sie seinen Mund erreichte, nahm er den Finger zwischen die Zähne und stöhnte auf. Lachend küsste sie ihn auf die Nase und zerzauste ihm mit der freien Hand das Haar. Er gab ihren Finger frei, zog sie an sich, bis sie ihre Herzen wie eins schlagen fühlen konnte, und küsste sie. „Ich wünschte, du müsstest morgen früh nicht abreisen." „Ich auch." Sie sah ihm in die Augen und wollte mehr sagen, doch sie wagte es nicht, weil sie diese wunderschöne Stimmung nicht zerstören wollte. Aber wenn auch nur die leiseste Hoffnung bestand, Jack davon zu überzeugen, dass sie zusammengehörten, musste sie es doch versuchen, oder nicht? Der Widerstreit ihrer Gefühle schien sich auf ihrem Gesicht widerzuspiegeln. „Was ist, Beth?" fragte er und streichelte ihre Wange. „Ich kann förmlich hören, wie es in deinem Kopf arbeitet." „Ich muss die Kinder nach Hause bringen", sagte sie und zögerte, bis sie Mut fand, weiterzusprechen. „Aber wenn du willst, nehme ich den ersten Flug zurück nach Wyoming, Jack." Sein Blick wurde ernst, und er rückte etwas von ihr ab. Die kleine, aber vielsagende Reaktion traf sie härter als ein Faustschlag. Sie presste die Decke gegen ihre Brüste, setzte sich auf und griff nach dem Bademantel, den sie am Fußende des Bettes abgelegt hatte. Er packte ihren Arm und hielt sie fest. „Beruhige dich, Beth", sagte er und stützte sich auf einen Ellbogen. „Natürlich möchte ich, dass du wiederkommst. Ich möchte es wirklich, aber ..." „Aber was?" „Aber vielleicht nicht gleich. Du musst erst gründlich über alles nachdenken. Sehr gründlich." „Du meinst, du musst gründlich nachdenken." „Das müssen wir beide tun. Ich rede nicht von einer Affäre, weißt du. Ich rede von einer Heirat. Und das ist keine Entscheidung, die wir spontan treffen sollten. Wir kennen uns erst seit zwei Monaten."
Obwohl Hoffnung in ihr aufkeimte, traute sie ihren Ohren nicht recht. „Ich weiß, was ich für dich empfinde, Jack. Daran wird sich nichts ändern." „Dann wird es nicht schaden, wenn wir uns für eine Weile trennen und über uns nachdenken, nicht wahr?" „Was nennst du denn eine Weile?" „Ich weiß es nicht. Vielleicht sechs Monate." „Du willst, dass wir sechs Monate nichts voneinander sehen oder hören?" Er sah zur Seite. „Ja. Ich glaube, es wird uns helfen, uns über unsere Gefühle klar zu werden." Als ihr bewusst wurde, was er wirklich meinte, zerstob ihre Hoffnung. „Ich verstehe." Sie stand auf und zog den Bademantel an. Er sprang vom Bett. „Mir gefällt nicht, wie du das gesagt hast. Was glaubst du zu verstehen?" Jack stand nackt vor ihr, und sie hielt den Bademantel zusammen, um die Hände nicht nach ihm auszustrecken. „Es ist sehr rücksichtsvoll von dir, es mir so schonend beizubringen, aber das ist nicht nötig." „Ich bringe dir gar nichts schonend bei, ich versuche nur, vernünftig zu sein." „Ich wäre einverstanden gewesen, wenn du zwei Wochen gesagt hättest. Oder sogar einen Monat. Aber sechs Monate?" Sie lachte leise und bitter. „Das ist nicht die Art von Trennung, die die Gefühle am Leben erhält, sondern die, die das Herz vergessen lässt." Er legte die Hände um ihre Schultern und drehte sie zu sich. Fest entschlossen, einen letzten Rest an Würde zu bewahren, hielt sie seinem Blick stand. „Das ist nicht wahr, Beth. Selbst wenn ich wollte, könnte ich dich nie vergessen." Sie verließ sein Zimmer und eilte über den Flur in ihr eigenes. Dort schloss sie die Tür, warf sich aufs Bett und wehrte sich verzweifelt gegen den grauenhaften Schmerz, bis sie ihn in einen dunklen, verborgenen Winkel ihres Herzens verbannen konnte. Dorthin, wo niemand ihn sehen würde. Wenn das der Preis dafür war, dass man sich verliebte, war jemand wie Warren besser für sie. Er würde ihr nie so unter die Haut gehen wie Jack, aber dafür würde er ihr auch nie das Herz brechen können. Und im Moment fand Elizabeth diese Vorstellung ungeheuer verlockend. Als es leise an der Tür klopfte, setzte sie sich auf und griff nach einem Koffer. „Herein", sagte sie und tat, als würde sie packen. Jack streckte den Kopf ins Zimmer. „Gib uns drei Monate, Elizabeth. Dann reden wir noch einmal über alles." „Entweder liebst du mich oder du liebst mich nicht, Jack", antwortete sie, ohne den Kopf zu heben. „Drei Monate ändern daran gar nichts." „Wir werden sehen. Ich rufe dich Ende März an." Die Tür fiel ins Schloss. Elizabeth warf einen wütenden Blick darauf und klappte den Koffer zu. Dieser egoistische Kerl! Er konnte sie anrufen, wann immer er wollte. Sie hatte nicht vor, diese elende Situation auch nur eine Sekunde länger als nötig zu ertragen. Mit etwas Glück würde sie in drei Monaten verheiratet und schwanger sein.
9. KAPITEL Fassungslos beobachtete Jack am nächsten Morgen, wie Elizabeth schweigend ihren Mietwagen belud. Wenn sie ihn so sehr liebte, wie sie behauptete, würde sie doch nicht ohne ein Wort der Versöhnung abreisen. Aber sie tat es. Während der folgenden sechs Tage rechnete er fest damit, dass sie anrufen würde, um sich mit ihm auszusprechen. Er glaubte fest daran und überlegte, mit welchen Argumenten er sie davon überzeugen konnte, dass er sie wirklich liebte. Doch sie rief nicht an. Kein einziges Mal. Hazel bereitete das Weihnachtsfest vor, als wäre nichts Ungewöhnliches geschehen. Onkel Billy machte seine gewohnte Arbeit und nahm die Mahlzeiten wieder im Haus ein, wobei er sich wie immer über das Wetter, die Fleischpreise und die Regierung aufregte. Jack gab sich die größte Mühe, sein altes Leben wiederaufzunehmen, und versuchte zu vergessen, dass Elizabeth Davies-Smythe jemals einen Fuß auf die Bar Z Ranch gesetzt hatte. Leider gelang es ihm nicht. Wann immer er in die Stadt fuhr, erkundigte sich mindestens einer seiner Freunde nach ihr. Jedesmal, wenn er Buster fütterte, die grüne Unterwäsche anzog oder den Weihnachtsbaum sah, musste er an Elizabeth denken. Egal, wie hart er tagsüber arbeitete, die Erinnerung an ihre Liebesnacht beherrschte seine Träume. Und ihr Vorwurf, dass ihm der Mut zu einer ernsthaften Beziehung fehlte, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Verdammt, er war kein emotionaler Feigling. Oder etwa doch? Natürlich nicht. Wenn man sich scheute, Verpflichtungen einzugehen, war man doch nicht feige. Und dieses ganze Gerede davon, dass sie einen Typen heiraten wollte, den sie nicht liebte, war nichts als der Versuch gewesen, ihn zu erpressen. Elizabeth würde es nicht tun. Oder etwa doch? Natürlich nicht. Sie war viel zu intelligent, um eine derartige Dummheit zu begehen, und würde ihre Liebe nicht an irgendeinen Trottel verschwenden, den ihre Eltern für sie ausgesucht hatten. Nachdem sie sich Jack hingegeben hatte, würde sie gewiss keinen anderen Mann in ihr Bett lassen, geschweige denn, ihn heiraten. Nein? Bestimmt nicht! Wenn sie ihn bis Weihnachten nicht angerufen hatte, würde er sie eben anrufen. Sie würden diese Sache klären, und dann würde alles gut werden. Er brauchte nur ruhig zu bleiben und ihr ein wenig Zeit zu lassen, damit sie sich beruhigen konnte. Am 22. Dezember jedoch machte seine kleine Schwester diesen Plan zunichte. Das Telefon läutete, als Jack nach dem Abendessen den anderen Kaffee einschenkte. Er stellte die Kanne auf den Herd, riss den Hörer von der Gabel und nahm ihn mit an den Tisch. „Hallo, Schwesterherz." Die Augen seiner Mutter und seines Onkels leuchteten auf, als sie hörten, dass Mary am anderen Ende der Leitung war. „Ja, deine Pakete sind gestern angekommen. Sie klingen wirklich interessant. Natürlich haben wir sie geschüttelt. Wie geht es Larry und den Kindern?" Marys Stimme verlor jeden Anflug weihnachtlicher Fröhlichkeit. „Denen ge ht es gut, aber ich habe nicht angerufen, um über meine Familie zu sprechen, Jack." „Was gibt es denn?" „Mit Elizabeth stimmt etwas nicht. Ich hatte gehofft, du könntest mir sagen, was..." „Was heißt das, mit ihr stimmt etwas nicht?" fragte er besorgt. „Ist sie krank?" „Nein", erwiderte Mary. „Sie benimmt sich nur so seltsam, wenn du weißt, was ich meine." „Nein, ich weiß nicht, was du meinst." Die neugierigen Blicke seiner Mutter waren nicht länger zu ignorieren, und er legte für einen kurze n Moment die Hand über die Muschel. „Sie redet von Elizabeth." Jack stand auf, nahm den Hörer mit in die Speisekammer und schloss die Tür hinter sich. Es
war wirklich unglaublich, zu welchen Mitteln ein Mann greifen musste, um in seinem eigenen Haus ungestört telefonieren zu können. „Was meinst du mit ,seltsam', Mary?" „Ich weiß nicht." Mary seufzte ungeduldig. „So habe ich sie noch nie erlebt." „Wie?" „Als wäre ihr alles gleichgültig." „Sie ist deprimiert?" „Nein, sie ist fröhlich, aber ich verstehe nicht, warum sie plötzlich alles tut, was ihre Eltern von ihr verlangen. Ich kann nicht glauben, dass sie diesen Warren Jameson wirklich heiraten will." „Wie bitte?" schrie Jack. „Sagtest du gerade ,heiraten'?" „Ja, das sagte ich. Sie wollen ihre Verlobung auf der Weihnachtsparty ihrer Eltern bekanntgeben. Ich finde, Elizabeth begeht einen schrecklichen Fehler." „Was macht dich da so sicher?" „Er ist arrogant, hat keinen Sinn für Humor, und das einzige, was ihn in Leidenschaft versetzt, sind die Aktienkurse. Ehrlich gesagt, ich hatte gehofft, du und Elizabeth würdet zusammenfinden", gestand seine Schwester verlegen. „Das haben wir auch." „Tatsächlich?" „Ja, tatsächlich. Und sie wollte mir drei Monate Zeit lassen." „Erzähl mir, was geschehen ist", forderte Mary Jack auf. „Und lass nichts aus." Der herrische Ton seiner Schwester gefiel ihm nicht, aber er berichtete ihr, was zwischen Elizabeth und ihm passiert war. „Hast du ihr gesagt, dass du sie liebst, Jack?" fragte Mary anschließend. „Deutlich?" „Ja, ich glaube schon." „Du glaubst es? Verdammt, wenn du bei Elizabeth auch so schwammig warst, ist es kein Wunder, dass sie es dir nicht abgenommen hat. Wie kann man nur so dumm ..." „Augenblick mal", unterbrach er sie. „Ich habe lediglich versucht, vernünftig zu sein. Ich meine, was zum Teufel hat jemand wie ich einer Frau wie ihr zu bieten?" „Das, was sie nie hatte, du Trottel. Liebe." „Ihre Eltern lieben sie, oder etwa nicht?" „Jack, ihre Familie ist nicht wie unsere. Für ihre Eltern ist Elizabeth nur etwas, das sie meistbietend an einen Geschäftspartner versteigern können. Sie wurde nie geliebt und erwartet gar nicht mehr, dass sie geliebt wird. Sie muss erst Vertrauen gewinnen." „Na, komm schon. So übel können ihre Eltern nicht sein." „Sie sind keine schlechten Menschen, aber sie selbst haben auch nicht aus Liebe geheiratet, also kennen sie es nicht anders. Elizabeth wehrt sich seit Jahren mit Händen und Füßen gegen ihre Verkupplungsversuche. Und jetzt, dank dir, hat sie offenbar aufgegeben." „He, das ist nicht allein meine Schuld", protestierte Jack. „Doch, das ist es", entgegnete Mary. „Und was ist mit dir, Jack? Du hockst seit ewiger Zeit mit Mom und Onkel Billy auf der Ranch. Mich wundert, dass du noch keinen Schimmel angesetzt hast. Wann willst du endlich dein eigenes Leben führen? Oder hast du auch aufgegeben?" „Du hast leicht reden, Mary. Von dir hat niemand erwartet, dass du auch nur einen Finger hebst, um diese Ranch vor dem Ruin zu bewahren. Was hätte ich denn tun sollen? Mom und Onkel Billy verhungern lassen?" „ Natürlich nicht, aber warum musstest du unbedingt den Märtyrer spielen? Larry und ich haben dir unsere Hilfe angeboten..." „Die Zorns wollen keine Almosen." „Du und dein idiotischer Stolz." „Wenn das alles ist, was einem geblieben ist, klammert man sich daran." „Und genau das tust du, nicht wahr? Deshalb willst du Elizabeth nicht. Weil sie reich ist."
„Na und? Glaubst du etwa, es ist lustig, ein männliches Aschenputtel zu sein?" sagte Jack. „Du bist kein Aschenputtel! Dein Kapital ist vielleicht nicht flüssig, aber die Ranch muss ein paar Millionen Dollar wert sein." „Richtig. Ich besitze viel Land, aber kein Bargeld. Zwei oder drei schlechte Jahre, und ich bin alles los, Mary." Seine Schwester seufzte verächtlich. „Elizabeth hat recht. Du bist nicht nur ein emotionaler Feigling, du bildest dir auch noch etwas darauf ein." „Das stimmt nicht." „O doch. Und wenn du nicht so ein verbitterter alter Mann wie Onkel Billy werden willst, solltest du in ein Flugzeug steigen und herkommen, bevor Elizabeth etwas Unverzeihliches tut." „Sie wird diesen Kerl nicht heiraten." „Nein? Ihre Eltern werde ihr keine Zeit lassen, es sich anders zu überlegen", ve rsicherte Mary. „Und es gibt noch etwas, das du nicht vergessen solltest, großer Bruder. Elizabeth denkt, du hättest sie zurückgewiesen, und sie besitzt mindestens soviel Stolz wie du. Jetzt bist du an der Reihe, ein Risiko einzugehen." Jack zückte zusammen, als seine Schwester den Hörer aufknallte. Fluchend stürmte er aus der Speisekammer und legte ebenso geräuschvoll auf. „Und?" fragte seine Mutter. „Was ist los, Jack?" Jack wusste, dass sie keine Ruhe geben würden, bis sie alles wusste, und erzä hlte es ihr. Hazel musterte ihn so tadelnd, dass er sich wie ein Zehnjähriger vorkam. Onkel Billy lehnte sich zurück und lächelte triumphierend. „Was habe ich dir gesagt, Jack? Ich wusste gleich, dass sie nicht die richtige Frau für dich ist. Du hättest auf mich hören sollen", sagte er. Jack starrte seinen Onkel an. Mary hatte recht. Billy war ein verbitterter alter Mann, der anderen kein Glück gönnte. Nein, so wie Billy wollte er nicht enden. Nein danke! „Ja, das hast du gesagt, Onkel Billy, aber du irrst dich gewaltig", antwortete Jack. „Elizabeth ist genau die richtige Frau für mich." Billy schlug mit der Hand auf den Tisch. „Hast du den Verstand verloren? Das Mädchen liebt dich nicht. Sie hat nicht lange gebraucht, um einen Mann aus ihren Kreisen zu finden, oder?" „Das stimmt, und ich bin selbst schuld daran." Jack beugte sich zu seinem Onkel hinab. „Sie liebt mich, und du wirst es mir nicht ausreden, nur weil du ein Frauenhasser bist." „Ich habe meine Lektion gelernt, Jack. Meine Ruth war genau wie sie, nur nicht so reich. Wenn die es hier nicht aushalten konnte..." „Woher weißt du das?" unterbrach Jack ihn. „Hast du versucht, ihr zu helfen? Bist du ihr nachgefahren und hast ihr gesagt, dass du sie liebst? Hast du sie gefragt, was ihr fehlte?" „Nein, zum Teufel." Der alte Mann straffte die schmalen Schultern. „Ich laufe keiner Frau nach, und wenn du einen Funken Stolz im Leib hast, tust du es auch nicht." „Nun ja, ich sehe, wie glücklich dein Stolz dich in all diesen Jahren ge macht hat, Onkel Billy." Mit zornrotem Gesicht stand Billy auf. „Werd nicht frech, mein Junge." „Ich bin kein Junge mehr", sagte Jack ruhig. „Es ist höchste Zeit, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe und meine eigenen Fehler mache." „Was soll das heißen?" „Das soll heißen, dass ich Elizabeth zurückholen und heiraten werde. Und du wirst sie mit Respekt behandeln, sonst kannst du von der Ranch verschwinden." „Dein Daddy würde sich im Grab umdrehen, wenn er hören könnte, wie du mit mir sprichst." „Nein, das würde er nicht, Billy." Hazel funkelte ihren Schwager an. „Er war dein
Gejammer so leid, dass er dich bitten wollte, die Ranch zu verlassen, aber er kam nicht mehr dazu. Die Bar Z war seine Ranch und jetzt ist sie Jacks, nicht deine." „Nach allem, was ich für euch getan habe ..." „Hör auf, Onkel Billy", unterbrach Jack ihn scharf. „Wir wissen, dass du hart gearbeitet hast, und sind dir dankbar dafür. Und wir haben dich dafür bezahlt. Aber du bist unerträglich, und ich habe genug von dir." „Diese Frau", schrie Billy kopfschüttelnd. „Diese verdammte Frau. Es ist alles ihre Schuld." „Es ist einzig und allein deine eigene Schuld", sagte Hazel. „Und vielleicht zum Teil auch unsere, weil wir dich und deine Art so lange ertragen haben." Billy gab nicht auf. „Also wollt ihr lieber diese nutzlose Erbin auf der Ranch als mich, was? Großartig. Und wer füttert das Vieh, während du ihr nachläufst?" „Sams Stiefsohn ist in den Collegeferien zu Hause und verdient sich bestimmt gern ein paar Dollar." Seufzend fuhr Jack sich durchs Haar. „Hör zu, Onkel Billy, so muss es nicht enden. Du kannst bleiben, wenn du dir Mühe gibst, freundlicher zu sein, vor allem zu Elizabeth. Aber nenn sie nie wieder nutzlos." „Sie will dich doch gar nicht mehr, Junge." „Das kann sein", gab Jack zu. „Aber ich werde es selbst herausfinden, anstatt für den Rest meines Lebens zu bereuen, dass ich es nicht wenigstens versucht habe. Wenn du das damals getan hättest, hättest du jetzt vielleicht Frau und Kinder." Billy marschierte zur Tür, zog Hut und Jacke an und drehte sich noch einmal um. „Hör mir gut zu, Jack. Du begehst den größten Fehler deines Lebens. Morgen früh bin ich weg." „Vergiss nicht das Geschenk, das Elizabeth dir unter den Baum gelegt hat", rief Hazel ihm trocken nach. Wortlos ging Billy hinaus. „Mach dir keine Gedanken um ihn", sagte sie zu Jack. „Er wird eine Weile in seinem Wohnwagen schmollen, aber er wird bleiben." „Vielleicht sollte ich das auch tun", erwiderte Jack mit einem nachdenklichen Blick aus dem Fenster. „Es soll heute Nacht wieder schneien, und..." Seine Mutter stieß ihm den Zeigefinger gegen die Brust. „Nein, mein Junge. Du packst jetzt deine Sachen und fährst nach Jackson, bevor die Straßen dicht sind. Und morge n früh nimmst du das erste Flugzeug." „Aber wenn ..." „Keine Widerrede, Jack. Sam und Colin werden mir helfen. Nun mach schon. Ich rufe den Flughafen an und reserviere dir einen Platz." „Du magst sie wirklich, nicht wahr, Mom?" fragte er leise. Hazel lächelte. „Ja, das tue ich. Und ich verspreche, ich werde mich niemals in deine Ehe einmischen. Wenn du möchtest, dass ich ausziehe, sag es einfach. Ich kann jederzeit bei Reggie wohnen." „Wir werden schon eine Lösung finden, Mom", versprach Jack. „Das weiß ich." Sie schob ihn zur Tür. „Jetzt beeil dich. Und vergiss nicht das Geschenk, das sie für dich hiergelassen hat. Mach es auf, bevor du packst, denn es ist etwas, das du brauchen wirst. Und bring mir meinen Schmuckkasten. Du kannst Grandma Elsies Verlobungsring mitnehmen." Voller Hoffnung eilte Jack mit Elizabeths Geschenk in sein Zimmer. Einen Koffer besaß er nicht, also begnügte er sich mit dem Beutel, den sein Dad in der Armee benutzt hatte. Er stopfte Socken, Unterwäsche und Jeans hinein und öffnete den Schrank, um Hemden herauszuholen. Verdammt, dachte er, als er seinen einzigen Anzug sah. Ein Mann sollte ordentlich gekleidet sein, wenn er heiratete, aber er würde den Anzug zerknüllen, wenn er ihn im Beutel mitnahm. Wahrscheinlich war er sowieso längst aus der Mode. Er würde Mary anrufen und sie bitten, ihm einen neuen zu kaufen. Er würde ihr das Geld wiedergeben, und sie wusste
bestimmt, was er tragen musste, um nicht allzu unangenehm aufzufallen. Jack setzte sich aufs Bett und betrachtete das Geschenk. Normalerweise riss er jedes Päckchen ungeduldig auf, doch diesmal zögerte er. Elizabeth hatte es liebevoll eingewickelt, und vielleicht war es das einzige Geschenk, das er jemals von ihr bekommen würde. Aber wenn Onkel Billy recht hatte... Nein, verdammt, daran wollte er nicht denken, sonst würde er den Mut verlieren. Jack atmete tief durch, wickelte die Schachtel aus und öffnete den Deckel. Dann starrte er lachend auf die strahlend weiße Unterwäsche. Laut las er, was auf der beigelegten Karte stand. Lieber Jack. Grün steht Dir einfach nicht. Fröhliche Weihnachten. In Liebe, Elizabeth. Er konnte nur hoffen, dass sie das mit der Liebe ernst meinte. Falls nicht, würde er sich gründlich blamieren. Na ja, es wäre nicht das erste Mal. Und Mary hatte vollkommen recht. Es war höchste Zeit, dass er etwas riskierte.
10. KAPITEL Achtundvierzig Stunden später stieg Jack auf dem New Yorker La Guardia Flughafen aus der Maschine. Er hatte so oft umsteigen müssen, dass er sein Gepäck vermutlich abschreiben konnte. Aber er war selbst schuld. Wer machte sich schon zwei Tage vor Weihnachten auf die Reise an die Ostküste, wenn seine Reservierung nur bis Salt Lake City reichte? „Jack! Hier bin, Jack!" rief jemand. Jack entdeckte Lawrence Stone, seinen Schwager, und seufzte erleichtert. Larry verdiente sein Geld auf den internationalen Finanzmärkten. Viel Geld. Wie er das tat, wusste Jack nicht genau, aber Larry war Mary ein guter Mann und Nathan und Charlotte ein liebevoller Vater. „Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen", sagte Larry, als er und Jack sich die Hand reichten. „Wir müssen uns beeilen. Du bist so spät dran, dass wir es vielleicht nicht mehr rechtzeitig schaffen. Dein Gepäck lasse ich später abholen." Jack folgte ihm durch die Ankunftshalle, in der sich Fluggäste aus aller Welt drängten. Wenig später stiegen sie in eine langgestreckte schwarze Limousine, die vor dem Ausgang wartete. Der Verkehr war mörderisch? aber der Chauffeur fuhr sie in halsbrecherischem Tempo durch New York. Jack wünschte, er hätte noch Zeit, zu duschen und das neue Outfit anzuziehen, das Mary ihm gekauft hatte. Aber nach zwei Tagen, während er nur daran gedacht hatte, wie sein Leben ohne Elizabeth aussehen würde, spielte das keine Ro lle mehr. Wichtig war nur, dass er sie daran hinderte, etwas zu tun, das sie beide für immer bereuen würden. „Tu es nicht, Elizabeth." Elizabeth unterdrückte ein Seufzen, nahm ein Glas Champagner vom Tablett des vorbeikommenden Kellners und strich mit der freien Hand ihr Abendkleid aus rotem Samt glatt. „Warum nicht? Ich muss heute nicht mehr fahren." „Ich rede nicht von deinem Drink", erwiderte Mary ungeduldig. „Lass nicht zu, dass dein Vater die Verlobung bekannt gibt." Elizabeth rang sich ein Lächeln ab und sah ihre Freundin an. „Ich weiß, du meinst es gut, Mary, aber du wirst mich nicht davon abbringen." „Na schön, aber dann lad mich nicht zur Hochzeit ein", erwiderte Mary. „Denn wenn der Geistliche fragt, ob jemand einen gewichtigen Grund kennt, der gegen eure Heirat spricht, werde ich aufspringen und allen erklären, dass du einen besseren Mann verdient hast als diesen langweiligen Warren Jameson." Elizabeth lachte, ohne zu wissen, ob es am Champagner lag oder an der Vorstellung, Mary könnte ihre Drohung tatsächlich wahrmachen. Aber es war egal, warum sie lachte. Jetzt, da sie die Hoffnung auf Liebe für immer aufgegeben hatte, war ihr fast alles egal. Sie ließ den Blick durch das riesige Wohnzimmer ihrer Eltern wandern, über den geschmackvoll dekorierten Weihnachtsbaum und die elegant gekleideten Gäste, die sich angeregt zu den leisen Klängen des von ihrer Mutter engagierten Streichquartetts unterhielten. Verglichen mit Wyoming war hier alles so ... gedämpft. Elizabeth musste an Ginny Johnsons fröhliche Party denken. Wie gern wäre sie wieder in dem gemütlichen kleinen Haus mit dem bunten Weihnachtsschmuck, in dem die Leute so laut lachten und redeten, wie sie wollten, einander die Happen von den Tellern nahmen und Weihnachtslieder sangen, nicht in perfekter Harmonie, aber voller Freude. In dem Kinder mit klebrigen Fingern und verschmierten Gesichtern zwischen Erwachsenen herumtobten, die sie mit liebevoller Nachsicht umsorgten. In dem sie einen ganz besonderen Mann namens Jack gekannt und geliebt hatte. Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt, und das Herz tat ihr weh, als würde es von einer unsichtbaren Faust zusammengedrückt. Aber dies war weder der Ort noch die Zeit für derartige Erinnerungen. Jack wollte sie nicht. Warren wollte sie.
Obwohl Mary keine sehr hohe Meinung von ihm besaß, war Warren Jameson III gar kein so übler Mann. Er weckte zwar keine Leidenschaft in Elizabeth, aber er stieß sie auch nicht ab. Sein Humor war ein wenig unterentwickelt, dafür war er höflich und zuvorkommend. Und seine Geschäfte waren ihm so wichtig, dass er vielleicht nicht einmal die Zeit finden würde, sie zu betrügen. Jetzt legte er gerade den Arm um Elizabeths Taille, und als sie in das aristokratische Gesicht des Mannes blickte, dessen Heiratsantrag sie angenommen hatte, spürte sie wieder den schmerzhaften Stich in ihrer Brust. „Bist du bereit, Liebling?" fragte Warren, und seine wohlklingende, kultivierte Stimme kam ihr plötzlich unnatürlich vor. Bereit? Nein! Sie würde nie bereit sein, die Glückwünsche der Gäste entgegenzunehmen, denn dies war eher eine geschäftliche Verbindung als eine Heirat. Mary warf Elizabeth einen flehentlichen Blick zu, und ihre blauen Augen erinnerten sie an Jack. In dieser Sekunde wurde Elizabeth klar, dass sie diese Farce nicht mitmachen würde. Sie handelte aus Trotz, aus gekränkter Eitelkeit, wie die verwöhnte Erbin, als die Jack sie bezeichnet hatte. Warren zu heiraten war unfair, ihm, ihr selbst und den Kindern gegenüber, die sie sich so verzweifelt wünschte. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, lächelte Mary beruhigend zu und drehte sich zu Warren um. Doch bevor sie etwas sagen konnte, spielte das Quartett einen Tusch. Ihre Eltern postierten sich in der Mitte des Raums, und ihr Vater hob beide Arme, um die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich zu lenken. Elizabeth wollte ihn aufhalten, bevor die Situation noch peinlicher wurde, als sie bereits war. Sie machte zwei Schritte in seine Richtung, blieb jedoch stehen, als sie wütende Stimmen in der Eingangshalle hörte. Roberts, der englische Butler, der den Davies-Smythe diente, seit Elizabeth sich erinnern konnte, kam rückwärts ins Wohnzimmer, die Hände vor der Brust, als wollte er einen Angreifer abwehren. „Wirklich, Sir", stammelte Roberts. „Seien Sie doch vernünftig. Sie können hier nicht herein." „Natürlich kann ich das", erwiderte eine tiefe Stimme. Dann tauchte eine große, kräftige Gestalt auf, packte den Butler am Kragen seines strahlend weißen Hemds und stellte ihn zur Seite, als wäre er eine Scha ufensterpuppe. Die Gespräche verstummten, und sämtliche Blicke richteten sich auf den Eingang. Als Jack hereinstürmte, stand Elizabeth wie gelähmt da und konnte ihn nur anstarren. „Na endlich", hörte sie Mary flüstern, aber sie nahm es gar nicht richtig wahr, weil sie sich noch immer fragte, ob sie dies alles nicht nur träumte. In einem Raum voller Smokings wirkte Jack in Jeans, Stiefeln, dicker Jacke und mit einem Stetson auf dem Kopf wie ein Zebra in einer Herde Schimmel. Seine zu allem entschlossene Miene, die geballten Fäuste und die langen, energischen Schritte ließen die Gäste verängstigt zurückweichen. Niemand stellte sich ihm den Weg. Er blieb mitten im Zimmer stehen, stemmte die Hände in die Seiten und blickte in die Runde. „Elizabeth", rief er. „Wo zum Teufel steckst du?" Nervöses Gekicher ertönte und verstummte sofort wieder, als Jack in diese Richtung schaute. George Davies-Smythe trat vor. „Dies ist eine private Festlichkeit. Wer sind Sie und was wollen Sie von meiner Tochter?" Zu sehen, wie sich ihr Vater und der Mann, den sie liebte, feindselig voreinander aufbauten, riss Elizabeth aus der Erstarrung. Sie ignorierte Warrens Aufforderung, auf ihn zu warten, und drängte sich, so schnell das lange Kleid und die hohen Absätze es erlaubten, durch die Gäste. Der Raum war riesig und so voller Menschen, dass es ihr vorkam, als würde sie ein ausverkauftes Football-Stadion durchqueren.
„Mein Name ist Jack Zorn", hörte sie Jack sagen, als sie zwei beleibte Ladies zur Seite schob, die ihn anstarrten, als wäre er aus dem Zoo ausgebrochen. „Ich bin hier, um Ihre Tochter zu fragen, ob sie mich heiraten will." „Das ist unmöglich", erwiderte George. „Nein, das ist es nicht, Vater", rief Elizabeth. Aufgeregtes Getuschel erhob sich. Larry Stone erschien neben ihr und bahnte ihr einen Weg durch die Menge. Elizabeth hielt sich an seiner Jacke fest und folgte ihm dorthin, wo Jack und ihr Vater sich wie Boxer gegenüberstanden. Jack sah aus, als hätte er sich seit Tagen nicht mehr rasiert, und unter den Augen lagen tiefe Schatten. Er wirkte erschöpft und lächelte nicht, als sie ihn anschaute, aber sein Blick verriet dieselben Gefühle, die Elizabeth in diesem Moment beherrschten. Zärtlichkeit. Liebe? O ja, es war Liebe, die seine Augen glänzen ließ. Die Liebe zu ihr. „Elizabeth, kennst du diese Person?" fragte Marilyn Dayies Smythe streng. Elizabeth nickte. „Und? Wer ist er?" „Er ist Mary Stones Bruder. Ich habe auf seiner Ranch gewohnt, als ich in Wyoming war." „Was tut er hier?" wollte George wissen. Ein leises, sündhaft erotisches Lächeln glitt über Jacks Gesicht. „Das habe ich Ihnen bereits erklärt, Mister", sagte er, ohne den Blick von Elizabeth zu nehmen. „Ich bin hier, weil ich Beth bitten möchte, meine Frau zu werden." „Und ich habe Ihnen erklärt, dass das unmöglich ist", antwortete George und stellte sich neben seine Tochter. „Das stimmt", sagte Warren und postierte sich auf Elizabeths anderer Seite, um besitzergreifend den Arm um ihre Taille zu legen. „Wir werden heute Abend unsere Verlobung bekanntgeben. Ich fürchte, Sie kommen zu spät." Der Blick, den Jack ihm zuwarf, ließ Warren zusammenzucken. Hastig nahm er den Arm von Elizabeth. Jack lächelte grimmig. „Komme ich zu spät, Beth?" fragte er. Elizabeth räusperte sich. „Warum hast du deine Meinung geändert?" „Ich habe dich entsetzlich vermisst, Honey." „Und?" „Und ich möchte nicht so enden wie Onkel Billy. Er hat die Liebe seines Lebens seinem Stolz geopfert. Ich hoffe, ich bin klüger als er." „Was für eine Unverschämtheit!" zischte Marilyn. Elizabeth ignorierte ihre Mutter und trat vor. „Willst du damit sagen, du liebst mich?" „Verdammt richtig. Ich liebe dich. Punkt. Kein Aber. Kannst du mir verzeihen, dass ich mich wie ein Trottel benommen habe?" Sie machte noch einen Schritt auf ihn zu. „Wenn du mir verzeihen kannst, dass ich mich wie eine verwöhnte Erbin benommen habe." Ihr Vater ergriff ihre Hand und zog sie wieder an seine Seite. „ Sei doch vernünftig, Elizabeth. Dieser Mann hat ganz offenbar keine Zukunft. Das einzige, was er liebt, ist dein Bankkonto." Sie riss sich los und drehte sich zu ihm um. „Glaubst du wirklich, dass man mich nicht lieben kann, Vater?" „Mach dich nicht lächerlich." George warf Jack einen herablassenden Blick zu. „Frag ihn, ob er einen Ehevertrag unterschreibt, der eine Gütertrennung festlegt, dann wirst du sehen, wie sehr er dich Hebt." Jack lachte. „Ich werde alles unterschreiben, was Sie wollen, Mister. Mich schreckt Beths Vermögen eher ab, als dass es mich anzieht, aber ich nehme sie so, wie ich sie kriegen kann." „Wie wollen Sie denn für sie sorgen?" fragte Warren. „Eine Frau wie Elizabeth..." „Will so geliebt werden wie jede andere Frau", unterbrach Jack ihn. „Ich kann ihr vielleicht
nicht all das geben, was Sie können, aber ich gebe ihr das, worauf es ankommt." „Und das wäre?" „Ein Zuhause, eine Familie, die sie liebt, und die besten Freunde und Nachbarn, die sie sich wünschen kann." „Was für ein Zuhause?" fragte Marilyn. „Nun ja, Ma'am", erwiderte Jack und sah sich um. „Es ist nicht so schick wie das hier, das steht fest. Aber es ist warm im Winter und kühl im Sommer, und steht auf fünftausend Acres des schönsten Landes, das Gott je erschaffen hat. Wir haben saubere Luft und klares Wasser, reichlich Sonnenschein und einen fantastischen Blick auf die Wind River Mountains." Elizabeth bemerkte, wie die Miene ihrer Mutter sich bei jedem Satz Jacks mehr entspannte. „Lieben Sie sie wirklich, Mr. Zorn?" fragte Marilyn leise. „Ja, das tue ich. Ich werde gut auf sie aufpassen, Ma'am, und Sie sind uns jederzeit willkommen, wenn Sie uns besuchen möchten." Marilyn sah Elizabeth an. „Liebst du ihn, Liebes?" Bevor sie antworten konnte, mischte George sich ein. „Sie hat bereits versprochen, Warren zu heiraten, und ..." „Aber sie hat ihn noch nicht geheiratet, George", entgegnete seine Frau lächelnd. „Beruhige dich, sonst erleidest du noch einen Herzinfarkt." Jack nahm Elizabeths Hand und zog sie von ihrem schimpfenden Vater fort. „Du hast die Frage deiner Mutter noch nicht beantwortet. Liebst du mich, Beth? Genug, um mich zu heiraten?" Sie schaute ihm in die besorgt blickenden Augen und lächelte strahlend. „Worauf du dich verlassen kannst, Cowboy," Er warf den Kopf nach hinten und lachte, dann beugte er sich vor, legte einen Arm um Elizabeths Knie und hob sie an seine Brust. Sie hielt sich an seinem Nacken fest und küsste ihn mit all der Leidenschaft, zu der sie fähig war. Er vergaß, wo er war, als er den Kuss erwiderte und ihr ohne Worte erklärte, wie er sie liebte, begehrte und brauchte. Mary und Larry klatschten, und dann brandete der Applaus durch den Raum, als Jack Elizabeth hinaustrug. Roberts eilte hinterher, um ihnen die Haustür zu öffnen. „Danke, Roberts", sagte sie über Jacks Schulter hinweg. „Bitte lassen Sie meinen Wagen vorfahren." „Sofort, Miss Elizabeth." Der würdevolle Butler überraschte sie mit einem breiten Lächeln und einem Augenzwinkern. „Ich hoffe, Sie werden sehr glücklich." „Das werde ich, Roberts. Glauben Sie mir, das werde ich." Jack hielt sie auf den Armen, während sie auf den Wagen warteten. Sie legte den Kopf an seine Schultern und ließ die dicken, weichen Schneeflocken auf ihr Gesicht fallen. Dann sah sie Jack in die Auge n, und sie weinte vor Glück. „Danke für das Geschenk", flüsterte sie. „Ich habe dir doch gar nichts geschenkt", erwiderte er verwirrt. Sie strich ihm über die Wange. „O doch, das hast du. Und es bedeutet mir mehr als alles, was ich jemals besessen habe." „Was ist es?" „Deine Liebe." „Sie wird dir immer gehören, Liebling." „Ich weiß. Das macht sie so wertvoll." Er küsste sie. Zärtlich. Andächtig. Leidenschaftlich. In der Ferne läuteten die Glocken einer Kirche und verkündeten die Botschaft von Hoffnung, Freude und Versöhnung. Welche Schwierigkeiten die Zukunft für sie beide auch bereithalten mochte, Elizabeth war überglücklich, Jack Zorns Ehefrau zu werden, und nicht das schmückende Beiwerk an der Seite eines anderen Mannes. Und sie dankte dem Himmel für diesen großen, ungeschliffenen Cowboy, der sie ohne jedes
Aber aus tiefstem Herzen liebte. -ENDE-