Tensor McDyke
Terra packt zu Ren-Dhark Heft Nr. 84
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Kleser: John Furrer
Personenverzeichnis: Ma...
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Tensor McDyke
Terra packt zu Ren-Dhark Heft Nr. 84
Scanned by: ichnein
Kleser: John Furrer
Personenverzeichnis: Major Al Jones ................ Kommandant der EAGLE
Capt. Soltau ..................... Navigator der EAGLE
Capt. Suratow .................. Stellv. Kommandant der EAGLE
Brom Tyddern ................. Erster Ingenieur der EAGLE
Leutnant Mossadec ......... Chef der Waffensteuerung
Leutnant O'Sullivan ......... Kopilot der EAGLE
Dr. Rubino ....................... Wissenschaftler der EAGLE
Colonel Janos Szardak .... Kommandant einer Ringraumer-Staffel
Mo Moku ......................... Kommandant der Utaren
Ing. Balt Shadri ................ Chef der Raumerproduktion
Terra packt zu Tensor McDyke Ren Dhark hat von der Sternenbrücke aus Erron-3 erreicht. Es entpuppt sich als Hauptarchiv der Mysterious. Hier ist das gesamte ungeheure Wissen dieser unbekannten Rasse gespeichert. Die Nogks haben im Leerraum zwischen der Milchstraße und der Andromeda ein einzelnes Sonnensystem entdeckt, das sie als neue Heimat in Besitz nehmen. Colonel Szardak und Huxley kehren nach Terra zurück. Sie stellen dem Chef des Forschungszentrums, Professor Monty Bell, alle Unterlagen über das Expect, das Spannungsfeld der Galaxis, dessen Eigenschaften von Szardak entdeckt wurden, zur Verfügung. Inzwischen sind auch die Arbeiten am Tofirit so weit fortgeschritten, daß bald mit dem Bau von Tofirit-Raumern begonnen werden kann.
Das Schweigen dauerte an.
Hier und da wurde es von keuchenden Atemzügen unterbrochen.
Sie waren am Leben, und Major Al Jones hatte sie sicher zu Boden gebracht.
Die letzten Minuten vor der Landung waren für alle die Hölle gewesen.
Die EAGLE, ein Kugelraumer der 200-Meterklasse, war mit Triebwerksschaden durch
das Weltall getaumelt und brauchte für die notwendige Reparatur dringend einen
Landeplatz.
Viel Auswahl hatte der Kommandant Al Jones nicht. Er steuerte den erstbesten Planeten
an und versuchte, die EAGLE zu Boden zu bringen.
Das Schiff war wie ein Stein in die Tiefe geschossen.
Verzweifelt, mit verzerrten Gesichtern, bemühten sich die Männer an Bord des
Kugelraumers Halt zu finden.
Ein Planet war auf sie zugerast. Eine Welt, in dunklen Wolken vergraben.
Vielleicht eine Hölle. Jedenfalls keine Sauerstoffwelt, wie die Instrumente anzeigten.
Aber Al Jones brauchte einen Landeplatz – die Mannschaft benötigte Ruhe – und die
Ingenieure viel Zeit für die Reparatur.
Die EAGLE war in die dunkle Wolkendecke hineingejagt.
Jeder hatte plötzlich das entsetzliche Gefühl der Panik in sich aufsteigen gespürt.
Ein Aufprall mußte sie alle töten – das Schiff zerbersten lassen, in ein Feuerwerk bunter
Eruptionen hüllen.
Aber Al Jones, der dunkelhäutige neunundzwanzigjährige Kommandant der EAGLE,
hatte auch in dieser Situation seine unerschütterliche Ruhe bewiesen.
Die Flüche Brom Tydderns, des zweiundvierzigjährigen 1. Ingenieurs der EAGLE, hatten
selbst die letzten Winkel des Schiffes erreicht. Der Schnauzkopf und Choleriker im
Maschinenraum wollte einfach nicht glauben, daß die Triebwerke, die er wie ein
neugeborenes Baby behandelte, ausfallen konnten.
Irgendwie war es Major Al Jones gelungen, den Steinfall der EAGLE zu bremsen.
Ein Ruck war durch das Schiff gegangen. Männer waren aus den Sitzen getaumelt und
hatten nach Halt gesucht.
Wie ein welkes Blatt im Wind zu Boden flattert, so sank die EAGLE in der letzten Minute
ab. Und dann war die Berührung mit der fremden Welt gekommen.
Danach Stille, tiefe, tödliche Stille.
Noch immer dauerte das Schweigen an.
Niemand wollte es glauben, daß sie lebten, daß sie ohne Verletzung davongekommen
waren, daß das Schiff nicht zerborsten war.
Das Gesicht des Kommandanten war eine undurchdringliche Maske. Sein kurzge schnittenes schwarzes Kraushaar, die dunklen, stechend schwarzen Augen, die kleine,
gerade Nase und der leichte Ansatz der Wulstlippen beherrschten dieses Gesicht.
Al Jones' Hände umspannten die Sessellehnen des Kommandantensitzes, als wollten sie
sie auseinanderreißen. Die Knöchel schoben sich weiß durch die Haut.
Bewundernd betrachtete der Kopilot seinen Kommandanten.
»Sie haben es geschafft, Major«, sagte Leutnant Jack O'Sullivan anerkennend.
Al Jones winkte müde ab.
»Wir haben es geschafft«, murmelte er zurechtweisend. »Wir alle. Jeder Mann an Bord
hat mitgeholfen. Und ich glaube, was wir jetzt brauchen, ist eine Mütze voll Schlaf. Legen
Sie sich hin, Leutnant. In fünf Stunden lösen Sie mich ab. Ich werde mit einer
Notmannschaft die Wache übernehmen.«
Jack O'Sullivan schüttelte unwillig den Kopf. Der Leutnant war erst neunzehn Jahre alt.
Fast auf den Tag genau vor sechs Monaten hatte er sein Leutnantspatent erhalten.
Ein Wunschtraum war für ihn in Erfüllung gegangen. Jahrelang hatte er nur für diesen
einen Tag gelebt, gearbeitet und gepaukt.
Er hatte dabeisein wollen, wenn die Menschheit den Weltraum erobert. Er hatte dabeisein
wollen – mit Ren Dhark, unter Ren Dhark, der das große Vorbild seines Lebens war.
Er hatte hinaus wollen, in die unermeßliche Weite des Universums.
Schon seine erste Fahrt unter Oberst Ma-Ugode war zu einem Abenteuer geworden.
Jack O'Sullivan war vielfach als Querkopf verschrien. Aber schon in diesen sechs
Monaten als Leutnant der Terranischen Flotte hatte er seine Hörner abstoßen müssen,
hatte begreifen müssen, daß man sich unterordnen mußte, daß Offiziere mit mehr
Erfahrung Vorbilder waren, zu denen man aufsehen konnte.
Einer von ihnen war Major Al Jones. Der junge Neger mit dem athletischen Körper, dem
scharfen, stechenden Blick und einer fast sprichwörtlichen Ruhe strahlte Sicherheit aus.
Und es gab niemanden an Bord, der es gewagt hätte, sich seinen Befehlen zu widersetzen.
Nur Brom Tyddern, der 1. Ingenieur, gab hin und wieder knurrige Antworten, obwohl
auch er im Grunde eine Seele von Mensch war – und vor allen Dingen ein Fachmann, ein
Ingenieur, der nur für seine Maschinen und Instrumente lebte. Jack konnte viel von ihm
lernen.
Der junge Leutnant war auf den ersten Blick als Ire zu erkennen. Rote Haare –
Sommersprossen, das waren seine äußeren Merkmale. Kaltes, aber leicht erregbares Blut
pulste in seinen Adern. Seine grauen Augen blitzten hin und wieder kalt auf.
Früher hatte er immer Lehrer und Ausbilder an den Rand der Verzweiflung getrieben.
Inzwischen hatte man dem jungen Leutnant so einige Unarten abgewöhnen können.
Der Kopilot der EAGLE nickte dem Kommandanten zu und verließ die Zentrale.
Major Al Jones gab seine Befehle über Vipho an alle Abteilungen bekannt:
»Jede Abteilung stellt einen Mann als Notwache zur Verfügung. Alle anderen Männer
bekommen fünf Stunden Schlafpause. Meldungen über die Notmannschaft an mich
persönlich.«
In der Waffensteuerung war es Leutnant Mossadec, der sich zur Wache meldete.
In der Funk-Z meldete sich Leutnant Hu-Lin zum Dienst.
Die Navigation übernahm Captain Soltau, der älteste Offizier an Bord. Der grauhaarige
Soltau war bereits fünfzig Jahre alt, aber, niemand wagte es, ihn einen Alten zu
bezeichnen. Soltau konnte dann fuchsteufelswild werden.
Als die Meldung von der Technischen Abteilung einging, daß Brom Tyddern selbst die
Wache übernehmen wollte, schüttelte Al Jones unwillig den Kopf.
»Sie legen sich schlafen, Tyddern. Sie sind jetzt seit achtundvierzig Stunden auf den
Beinen. Ich brauche Sie fit. Haben Sie verstanden?«
»Zum Teufel«, explodierte der Ingenieur, und das rußverschmierte Gesicht auf der
Viphoscheibe lief rot an. »Ich muß doch wohl selbst wissen, wie lange ich durchhalten
kann. Ich übernehme die Wache – und damit basta!«
Ohne sich um das kalte Blitzen der schwarzen Augen des Kommandanten zu kümmern,
drehte sich Tyddern vom Schirm ab und begann zu pfeifen. Durch alle Räume des
Schiffes konnte man die furchtbar falschen Töne eines Blues vernehmen. Bis AI Jenes die
Verständigung abstellte.
»Dickschädel«, hörte Soltau den Kommandanten brummen. Aber Al Jones war doch
irgendwie froh, daß Tyddern selbst die Wache in der Technischen Abteilung übernahm.
Niemand kannte die fremde Welt, auf der sie gelandet waren. Niemand wußte, ob sie
nicht schon in kurzer Zeit wieder startklar sein mußten.
Vielleicht bereit zur Flucht – zur Flucht ins Leben.
* Das Licht unsichtbarer Beleuchtungsquellen wurde tausendfach reflektiert. In der riesigen Montagehalle herrschte emsiges Treiben. Scooter huschten geschäftig von einem halbfertigen Kugelraumer zum anderen. Kommandos schwirrten durch die Lautsprecher. Hin und wieder heulte ein Aggregat schrill auf, bis das Geräusch von dem automatischen Pegelkontrolleur für das menschliche Ohr in annehmbare Lautstärke heruntergedrosselt werden konnte. So etwas wie Stolz blitzte in den Augen Henner Trawisheim auf. Im Namen Ren Dharks durfte er hier teilhaben am Erfolg der terranischen Wissenschaft. Die riesigen Panzerglasscheiben, die die gigantische Halle vom Befehlsstand trennten, dämpften wohl die vielen Arbeitsgeräusche, aber sie vermittelten trotzdem einen guten Eindruck von der dort herrschenden Tätigkeit. Hinter Henner Trawisheim schwiegen die Männer. Ein gutes Dutzend Abteilungsleiter war hier versammelt, und ihre Blicke huschten hin und wieder von Trawisheims Rücken hinüber zu dem schlanken, schwarzhaarigen Mann mit der braunen Haut, der mit einem allesumfassenden Blick jede Einzelheit des Arbeitsablaufs unter die Lupe zu nehmen schien. Trawisheim wandte sieh nun um. »Meine Herren«, sagte er mit seiner bekannten warmen Stimme, »ich möchte Sie mit Balt Shadri bekanntmachen. Der Ingenieur wird ab sofort die Leitung der gesamten
Raumerproduktion übernehmen.« Alle Blicke richteten sich auf Shadri. Der fünfunddreißigjährige Ingenieur lächelte flüchtig. Balt Shadri war ein schlanker Singhalesentyp, dessen markante Gesichtszüge eine geballte Ladung Energie verrieten. Shadri forschte in jedem einzelnen Gesicht. Er sah freundliche Zustimmung, erkannte aber auch frostige Ablehnung hier und da oder einfach Gleichgültigkeit. Shadri grinste schwach. »Neue Besen kehren gut, werden Sie denken, meine Herren«, sagte er freundlich. »Diese Idee von neuen Besen lassen Sie bitte gar nicht erst aufkommen. Ich werde hier im Sinne meines Vorgängers fortfahren. Sie sollen aber wissen, daß man mit mir Pferde stehlen kann, wenn alles reibungslos abläuft. Ich bin für jeden Spaß zu haben – aber alles zu seiner Zeit. Für mich kommen zuerst die Aufgabe, die Arbeit und der Erfolg. Erst viel später das Vergnügen. Ich hoffe, wir verstehen uns.« In manchem Wort kam das Eis zum Vorschein, das auch aus den Augen Shadris strahlte. Hart gegen sich selbst und gegen andere, das kennzeichnete diesen Mann. »Bitte, nehmen Sie Platz, meine Herren«, übernahm nun wieder Henner Trawisheim das Wort. »Wir werden Ihnen von einer grundlegenden Änderung im Ablauf des Raumerprogramms erzählen müssen.« Gespanntes Schweigen breitete sich aus. Sie alle wußten, wenn Trawisheim selbst mit Shadri erschien, so mußte das schwerwiegende Gründe haben. Hinter der Panzerglasscheibe spielte sich weiterhin das nie endenwollende Bild emsiger Tätigkeit ab. »Bisher haben wir unsere Kugelraumerhüllen aus Terrastahl gebaut«, fuhr Trawisheim fort. »Ich bin darin kein Fachmann, und die Einzelheiten wird Ihnen Balt Shadri nachher noch erzählen. Nur soviel: Terrastahl ist nicht mehr der Weisheit letzter Schluß. Unsere Forschung ist inzwischen noch einige Schritte weitergegangen. Dank der Arbeit Cir Monks, des Chefmetallurgs in den Res-Works F im Ural, haben wir ein neues Bearbeitungsverfahren des Tofirits entwickelt. Das Schwermetall Tofirit wird also ab sofort für den Raumerbau eingesetzt, da es in seinen Eigenschaften sogar Unitall übertrifft.« Die Abteilungsleiter erhoben ein erregtes Gemurmel. Trawisheim und Shadri lächelten sich an. Eine solche Mitteilung mußte natürlich Staub aufwirbeln. Aber wer wußte schon, welche Arbeit, wieviel Zeit, wieviel Schweiß, Kopfzerbrechen und welche ungeheure Geduld notwendig waren, um jetzt ganz einfach ein neues Verfahren anzukündigen. Der Erfolg gehörte natürlich Cir Monk, aber mit ihm waren auch andere Wissenschaftler am Endergebnis beteiligt. »Unsere Kugelraumer werden jetzt also aus Tofirit gebaut. Das wird die einzige Änderung im Arbeitsablauf sein. Die Grundkonzeption bleibt bestehen. Kommen wir nun zu Einzelheiten, meine Herren . .!« Balt Shadri verstand es, seine neuen Mitarbeiter zu begeistern. Mit nüchterner Sachlichkeit schlug er verbesserte Arbeitsmethoden vor, ließ darüber diskutieren und erweckte niemals den Anschein, nur befehlen zu wollen. Er wußte, was er sagte, und alle Abteilungsleiter waren sich einig, daß sie einen würdigen Chef bekommen hatten. Wenige Stunden später konnte die gesamte Bandfertigung der Raumschiffe schon auf das neue Schwermetall umgestellt werden.
Die Terranische Flotte hatte einen Schritt nach vorn getan. * Kommandant Al Jones wußte genau, wieviel er seinen Leuten zumuten durfte.
Er versammelte seine Wachmannschaft in der Zentrale und besprach die nächsten
Aufgaben.,
»Vor allem müssen wir wissen, wo wir uns befinden und ob wir hier sicher sind. Das
Leben geht vor. Sollte jemand von Ihnen müde werden, bitte ich um sofortigen Bescheid.
Das wäre fürs erste!«
Die Männer erhoben sich, suchten wieder ihre Arbeitsgebiete auf.
Al Jones ließ die Viphoverbindung mit allen Abteilungen bestehen, und so kam es, daß
Brom Tydderns Flüche im ganzen Schiff gehört werden konnten.
»Verdammt und zugenäht! Sterne und Boliden! Satansstück! Wirst du wohl dem alten
Tyddern sagen, was dir weh tut!«
Eine ganze Weile ließ Al Jones den 1. Ingenieur gewähren. Hin und wieder huschte ein
müdes Schmunzeln über sein Gesicht. Auch in anderen Abteilungen freute man sich über
Tydderns Selbstreden. Er hielt die Männer wach.
Die ersten Messungen wurden durchgeführt, die Folien der Meßergebnisse fielen in die
Auffangkörbe des Suprasensors.
»Schaffen Sie es, Tyddern?« erkundigte sich Al Jones. »Kriegen Sie die Triebwerke
wieder hin?«
Für einen kurzen Augenblick sah Brom Tyddern auf den Bildschirm. Seine Augen blitzten
kalt, und das Kinn schob sich aggressiv nach vorn.
»Bisher habe ich alles hingekriegt. Kümmern Sie sich um Ihre Aufgaben, Major. Ich sage
Bescheid, wenn ich Hilfe brauchen sollte. Okay?«
Er wartete eine Antwort gar nicht ab, sondern beschäftigte sich wieder mit einem Blues,
der völlig entstellt aus den Lautsprechern schrillte.
»Hier sind die ersten Ergebnisse, Major«, berichtete Captain Soltau. Er trat an den
Kommandanten heran und legte ihm die Folien vor.
»Wir befinden uns also im CF-456 System.«
»Ja. Unsere Landung erfolgte auf dem dritten Planeten. Entfernung zur Erde
Elftausendsechshundertachtundvierzig Lichtjahre.«
Al Jones wiegte bedenklich den Kopf.
»Keine Entfernung für ein hundertprozentig einsatzfähiges Schiff. Aber für uns ..«
»Sie haben recht, Major. Außerdem kommt hinzu, daß dieser Planet eine
menschenfeindliche Welt darstellt. Methangas. Kein Sauerstoff.«
Al Jones sah zu Soltau auf. Der Captain hätte gut und gern sein Vater sein können. Aber
niemals hatte Soltau auch nur den Versuch unternommen, dem jungen Major seine Jugend
vorzuhalten.
Der grauhaarige Captain begegnete dem Blick mit aller Ruhe.
»Meinen Sie, wir könnten Schwierigkeiten bekommen, Soltau?«
Soltau zuckte die Schultern und lächelte zuversichtlich.
»Bisher sind Sie mit jeder Schwierigkeit fertiggeworden, Major.«
»Das war keine Antwort auf meine Frage!«
Soltau kratzte sich den Kopf.
»Verzeihung, Major. Ich bin kein Hellseher. Aber eine Prognose wage ich nicht zu stellen.
Wir kennen diesen Planeten noch nicht. Vielleicht sollten wir erst einmal einen
Erkundigungs ...«
»Captain«, unterbrach Al Jones gereizt. »Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich wollte nichts
weiter als Ihre Meinung über diese Landung, über diesen Planeten. Sie besitzen genug
Weltraumerfahrung, um mir hin und wieder einen Tip zu geben.«
Soltaus Gesicht war anzumerken, daß er sich wieder einigelte, daß er sich wieder hinter
seinen buschigen Brauen verbarg. Er grüßte knapp und trat zurück an seinen Befehlsstand.
»Ich gebe Ihnen sofort weitere Meßdaten, Major.«
Al Jones sah ihm seufzend nach. Niemand wußte etwas Privates von Soltau. Er sprach nie
über seine Familie, nie über sein Zuhause. Er schloß sich auch von gemeinsamen
Unterhaltungen während der Freiwache aus, Soltau schien irgendeinen Komplex mit sich
herumzutragen. Dabei war er ein äußerst fähiger Offizier, und die Navigation beherrschte
er wie kaum ein anderer.
Al Jones griff nach den anderen Berichten anderer Abteilungen.
Sie brachten nichts Neues. Gespannt wartete der Major auf die weiteren Meßdaten
Captain Soltaus.
Der Navigationsoffizier trat schon wenige Minuten später wieder auf den Kommandanten
zu.
»Hier sind die ersten Berichte über diesen Planeten selbst, Major. Durchmesser 18.584
Kilometer, also bedeutend größer als Terra. Ich lasse die Daten für die Statistik der
Terranischen Flotte aufzeichnen. Bisher wurde dieser Planet noch nicht erfaßt.«
»Einzelheiten, Soltau«, forderte Al Jones.
»Jawohl, Sir. Wie schon gesagt, besteht die Hülle des Planeten aus Methangas. Im
Augenblick geht draußen gerade ein Methanregen nieder. Was mich noch beunruhigt, ist
der unwahrscheinliche Sturm, der draußen herrscht. Mittlere Geschwindigkeit des Windes
nach meiner Messung mindestens 200 Stundenkilometer. Also mehr als Orkanstärke.«
»Kann uns der Sturm etwas anhaben?«
»Im Augenblick noch nicht. Trotzdem würde ich raten, einen geschützten Landeplatz zu
suchen. Wenn der Wind höhere Geschwindigkeiten erreicht, liegen wir denkbar
ungünstig.«
»Halten Sie mich auf dem laufenden, Captain.«
»Aye, aye, Major!«
Aus den Lautsprechern kam immer noch das irrsinnig falsche Gepfeife Brom Tydderns.
Al Jones lächelte nur darüber.
»Schalten Sie mal die Bildschirme auf Tele, Captain. Vielleicht können wir etwas aufs
Bild bekommen.«
Die Bildflächen erhellten sich mit einem Lichtblitz. Aber nichts als ein schmutziges Grau
wurde sichtbar. Eine Welt, die sich schämte, ihr Antlitz zu zeigen.
Nur die Geräuschmikrofone brachten die Laute des Planeten an das Gehör der Männer.
Ein grausiges Säuseln lag in der Luft, hin und wieder von böenartigem, turbulentem
Rauschen unterbrochen.
Alle Zuhörer begriffen, daß die Abstände zwischen den Ruhepausen mit jeder Minute
kleiner wurden.
Soltau warf dem Kommandanten einen besorgten Blick zu.
»Nach meiner Messung herrscht auch in einer Höhe von zweihundert Kilometern dieser
Sturm. Die Windgeschwindigkeiten nehmen zu.«
»Keine Angst, Captain. Unsere Schiffshülle hallt ganz andere Dinge aus.«
»Ich habe keine Angst wegen unserer Außenhülle, Major. Ich beobachte die Temperatur.
Wenn es hier friert, vielleicht noch ein Beben dazukommt, und wenn die Methanmeere
über die Ufer steigen, dann stecken wir mitten im Methaneis. Sich da herauszuarbeiten
dürfte kein reines Vergnügen sein.«
Soltau drehte sich brüsk ab. Eine ganze Weile sagte er gar nichts. Aber als er sich wieder
seinem Kommandanten zuwandte, besaßen seine Augen einen fiebrigen Schimmer. Er
schien plötzlich um Jahre gealtert.
»Ich habe die Hölle einer Methaneiswelt schon erlebt, Major«, sagte er, und seine Stimme
klang heiser. »Sie schien am Anfang friedlich. Nicht so stürmisch wie dieser Planet.«
Soltau stockte. Mit einer müden Handbewegung strich er sich über die Augen.
Al Jones erhob sich aus seinem Kommandantensitz. Er trat zu dem Captain und legte ihm
die schlanke, nervige Hand auf die Schulter.
»Ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten, Soltau. Wenn Sie nicht darüber reden wollen...«
»Aber ich will reden, verstehen Sie? Ich muß es mal loswerden. Trage dieses verdammte
Bild seit Jahren mit mir herum.«
Al Jones reichte ihm ein Zigarillo aus seinem Etui. Jedermann an Bord wußte, daß dieses
Angebot ein Freundschaftsbeweis war.
»Danke, Major«, sagte Soltau rauh. Er rauchte eine Zeitlang still und schien durch den
Bildschirm hindurchzusehen.
»Es ist fünf Jahre her. Damals war ich Chef einer wissenschaftlichen Expedition. Sollten
neue Planeten erschließen. Nahm meine ganze Familie mit, weil die Reise Jahre dauern
konnte. Meine Frau und zwei Kinder, Junge und Mädchen ...« Soltau räusperte sich, dann
fuhr er fort: »Sie kamen um. Auf einem Methanplaneten wie hier. Der Winter überraschte
uns. Wir bauten uns eine Höhle ins Eis, wollten dort eine bessere Zeit abwarten, glaubten
uns sicher. Aber der Planet wehrte sich. Ehe wir uns versahen, hatten wir die Hölle. Ein
Beben nach dem anderen. Die Höhlen stürzten ein. Unser Raumschiff, sowieso an triebsunfähig, wurde zerschmettert. Mich hat man irgendwie bergen können. Ich weiß
nicht mehr viel. Ein Bergungskommando fand mich und brachte mich nach Terra zurück.
Soltau schwieg. Und Al Jones konnte nur schweigend dastehen und dem Rauch seines
Zigarillos nachsehen.
Der Weltraum hatte schon so manche Tragödie gesehen. Er forderte seinen Tribut.
»Verstehen Sie jetzt, warum ich diese Methanwelten hasse?«
»Jeder wird das verstehen, Captain. Es tut mir leid, wegen Ihrer Familie, meine ich. Sie
haben Schlimmes durchmachen müssen.«
Soltau wandte sich ab. Er starrte die Wand an, und dann sagte er plötzlich:
»Machen wir weiter«, und versuchte, seiner Stimme eine gewisse Festigkeit zu geben.
»Diesmal soll er niemanden bekommen. Ich hasse den Weltraum und alles, was damit
zusammenhängt. Aber ich komme nicht davon los.«
Al Jones nickte. Das konnte er verstehen. Wer einmal Blut geleckt hatte, kam auf den
Geschmack. So erging es allen Weltraumfahrern. Ihm auch.
»Schalten Sie Infrarot ein. Vielleicht können wir dem Planeten doch ein Geheimnis
ablauschen.«
Soltau gehorchte. Mit Hilfe des Tele bekam man nun einen kleinen Überblick über die
fremde Welt, die für einige Tage die Heimat der EAGLE sein würde.
Hohe Gebirge breiteten sich in einiger Entfernung vor dem Kugelraumer aus. Die
Messungen ergaben, daß sie fast 18 Kilometer hoch waren. Schroff, bizarre Gebilde.
Der Teil eines Meeres wurde sichtbar. Das Methanmeer wurde vom Sturm gepeitscht.
Raumschiffhohe Wellenberge wälzten sich auf den Kontinent.
Das Land selbst machte einen wüstenähnlichen Eindruck. Von irgendeinem Leben keine
Spur.
Al Jones schüttelte sich.
Der Planet III war eine schauerliche Welt. Aber trotzdem mußte er den Befehl geben, daß
eine kleine Expeditionsmannschaft sie betrat. Nichts durfte dem Zufall überlassen werden.
Immerhin war er für das Schiff und für die Mannschaft verantwortlich.
Eine Gefahr, die man kennt, ist nur eine halbe Gefahr. Dieser Leitsatz der Raumfahrer, an
jeder Kadettenschule gelehrt, wollte auch Major AI Jenes beherzigen.
Er war entschlossen, nach Ablauf der fünf Stunden Ruhepause eine Mannschaft hin auszuschicken.
Jack O'Sullivan sollte sich seine ersten Sporen verdienen.
* Die Ruhepause war um.
Jack O'Sullivan betrat die Zentrale. Ein Rundblick überzeugte ihn davon, daß während
seiner Abwesenheit nichts Aufregendes passiert zu sein schien.
Soltau saß über seinem Instrumentenpult gebeugt, der Major hatte die Beine hoch geworfen und seinen Nacken in die Lehne gestützt. Er starrte die Decke der Zentrale an.
»Ausgeschlafen?« fragte er um sein rauchendes Zigarillo herum.
»Fühle mich wie neugeboren«, bestätigte der junge Leutnant und warf sich in den
Kopilotensitz. »Gibt's was Neues?«
»Arbeit gibt's«, knurrte Al Jones. »Damit Sie hier nicht in Ihrem Sessel einschlafen,
können Sie sich ein paar Männer zusammensuchen und draußen einen kleinen Spa ziergang machen.«
Jack richtete sich erfreut auf.
»Wie ist denn die Luft da draußen?«
Sein Blick richtete sich auf die Außenbildübertragung. Sein Optimismus erhielt sofort
einen kleinen Dämpfer.
»Was, nur mit Hilfe von Infrarot? Mist. Schon Leben entdeckt?«
Soltau lachte gezwungen auf.
»Das einzige Leben auf diesem verdammten Planeten existiert in der Kugelzelle eines
notgelandeten Raumschiffes.«
»Na prima«, gab Jack heiter zurück. Er erhob sich und reckte die Schultern. »Dann kann
uns ja nicht viel passieren.«
Al Jones grinste.
»Haben Sie schon mal den Fuß auf einen Methanplaneten gesetzt?«
»Einmal ist es immer das erstemal, Major.«
»Einmal kann schon einmal zuviel sein«, orakelte der Kommandant müde. »Beim
Suprasensor finden Sie alle bisher gesammelten Daten, Leutnant. Sehen Sie sich die
Folien vorher genau an. Und merken Sie sich folgendes: Sie sind nicht hier an Bord, um
Abenteuer zu erleben. Wir haben ernsthaft zu arbeiten. Solange die Ingenieure die
Triebwerke nicht hinkriegen, liegen wir hier brach und müssen uns notfalls unserer Haut
wehren.«
»Ich denke, es gibt außer uns kein Leben . . .«
»Im Umkreis von einigen Meilen nicht. Dafür gibt es etwas anderes. Stürme, von denen
Sie wie eine Feder fortgeblasen werden. Wir sind auf einer Hölle gelandet, O'Sullivan. Sie
wurden mir als Kopilot zugeteilt, damit Sie lernen, welche Aufgaben ein Kommandant zu
erfüllen hat. Vielleicht werden Sie eines Tages selbst ein solches Raumschiff durchs
Universum zu steuern haben. Verantwortung tragen, O'Sullivan, heißt dreimal überlegen,
bevor man eine Entscheidung trifft. Ach, was rede ich denn da. Ich bin müde. In meiner
Abwesenheit übernimmt Captain Suratow. Melden Sie sich mit Ihrer Mannschaft in zwei
Stunden bei ihm zurück. Verstanden? Zwei Stunden, keine Minute länger.«
»Okay, Major.«
Al Jones erhob sich. Er trat an Soltau heran und tippte auf dessen Schulter.
»Hauen Sie sich in die Falle, Captain. Sie müssen wieder fit sein, wenn die Triebwerke
laufen.«
Soltau übergab seinen Platz einem jungen Leutnant, der genau wie Jack O'Sullivan bisher
nur wenige Raumflüge verbuchen konnte.
Der Riese Suratow übernahm die Zentrale.
Suratow war ein Schweiger. Wenn er gelegentlich sprach, redete er in abgehackten
Worten, benutzte nur Stichworte, und wehe, wenn jemand nicht gleich verstand, was er
eigentlich wollte. Sobald die dicke rote Ader auf seiner Stirn zu schwellen begann, konnte
man getrost in Abwehrstellung gehen.
Bevor Al Jones die Zentrale verließ, rief er noch einmal nach Brom Tyddern.
»Wie weit sind Sie, Tyddern?«
»Verdammtes Miststück«, schimpfte der Ingenieur. »Ich habe noch nie vorher erlebt, daß
unter diesen Händen eine Maschine ihr Leben aushaucht.«
Das ölverschmierte Gesicht Tydderns erschien auf dem Bildschirm. Fast verwundert
blickte er auf seine von Schwielen und Flecken übersäten Hände.
»Machen Sie Schluß. Legen Sie sich hin. Nach ein paar Stunden Schlaf geht's vielleicht
viel besser.«
Normalerweise hätte jetzt eine brummige Antwort kommen müssen. Statt dessen nickte
Tyddern, und Al Jones runzelte verwundert die Stirn.
Brom Tyddern schien zum erstenmal besiegt zu sein.
»Ich hau mich hin, Major. Bis später.«
Auf dem Bildschirm sah man Tyddern schleppenden Schrittes den Raum verlassen.
Auch Soltau und der Kommandant verließen die Zentrale.
»Aufgabe bekannt?« knurrte Suratow.
»Aufgabe bekannt, Captain«, gab Jack O'Sullivan ebenso kurz angebunden zurück. Er trat
an die Bordverständigung und bestellte sich eine Gruppe von Leuten, mit denen er die
aufgetragene Besichtigung des Planeten durchführen wollte.
»M-Anzüge!« bellte Suratow.
»Wozu?« fragte Jack, der sich gerade in Soltaus Aufzeichnungen vertiefte.
Suratow stieß nur ein warnendes Knurren aus.
»Schon gut«, lenkte Jack O'Sullivan ein. »Ich werde dafür sorgen, daß alle Leute M-
Anzüge tragen, Captain. Noch einen Wunsch?«
Suratow stemmte sich aus seinem Sitz. Er überragte Jack fast um einen ganzen Kopf.
Hinter seinem Rücken hätte man bequem einen ganzen Flash verbergen können. Die
wasserhellen Augen Suratows zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen.
»Knirps«, stieß er hervor. »Witzig, wie? 'raus jetzt. Uhrenvergleich. Keine Sperenzien.
Funkkontakt halten. Keine Sonderschau. Kapiert?«
»Kapiert, Captain!« erwiderte Jack. »Sonderkommando O'Sullivan trifft sich an der
Hauptschleuse.«
Der junge Leutnant verließ die Zentrale. Sieben Männer sollten ihn begleiten, um die
nächste Umgebung der EAGLE zu untersuchen.
Jack machte sich nichts vor. Aus den Meßdaten Soltaus ging einwandfrei hervor, daß sie
auf einer menschenfeindlichen Welt gelandet waren, daß hier Bedingungen herrschten, die
ein Mensch ohne schützenden Raumanzug nicht aushalten konnte.
Was jedoch nicht aus den Aufzeichnungen hervorging, waren die Druckverhältnisse des
Planeten.
Jack wandte sich vor Eintritt in die Luftschleuse noch einmal an seine sieben Begleiter. Er
hatte sich alles junge Raumfahrer ausgesucht, die ihm ohne. Murren folgen würden.
»Schalten Sie Ihre Funkgeräte auf Frequenz F 307. Wir bleiben dicht beisammen.
Niemand geht auf eigene Faust, verstanden? Wer das nicht beherzigt, den lege ich
anschließend Captain Suratow zum Fraß vor. Und nun los.«
Acht Männer betraten die Hauptschleuse der EAGLE. Das Innenschott schloß sich. Der
Sauerstoff wurde abgesaugt.
Jacks Herz begann schneller zu schlagen. Er empfand es als eine große Aufgabe, als erster
Mensch einen unbekannten Planeten zu betreten. Auch wenn die anderen diese Welt als
Hölle bezeichneten.
Für Jack O'Sullivan war es die schönste Welt, die im Augenblick existierte.
Erwartungsvoll blickte er auf das Außenschott.
Jeden Moment mußte das Tor aufgleiten.
»Infrarotsicht klarmachen«, befahl er.
Die Männer schalteten.
Die rote Warnlampe über dem Außenschott begann zu flackern.
»Achtung«, stieß Jack über Helmfunk hervor.
Das Schott glitt auf, und Jack konnte auch schon den Boden erkennen. Geröll, Gestein,
Wüste. Über allem lag das Gewaber fremder Atmosphäre. Der Außenlautsprecher
übertrug das Peitschen des Sturms.
Alles das nahm Jack O'Sullivan im Bruchteil einer Sekunde wahr.
Völlig unvorbereitet packte ihn jedoch das fremde Gravitationsverhältnis. Es zwang ihn in
die Knie, als hätte man eine gewaltige Last auf seinen Schultern abgestellt.
Jack begann zu keuchen. Sein Herz begann dumpf und ungleichmäßig zu pochen. Die
Lunge in der Brust drohte zu zerreißen.
Jack O'Sullivan war einer Ohnmacht nahe.
Obgleich er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, begann nun auch noch sein Kopf
zu dröhnen.
Er bemerkte noch, wie seine Begleiter neben ihm in die Knie gingen, sah verzerrte
Gesichter, angstvoll aufgerissene Augen.
Da erreichte eine Stimme sein Ohr.
»Schwerkraftausgleich, O'Sullivan!«
Da begriff Jack. Es dauerte einige Zeit, ehe er seine Hand an den Einstellknopf bringen
konnte. Der Arm war so schwer, als müßte er sich durch eine zähe, dickflüssige Masse
arbeiten.
In seiner Wut drehte Jack O'Sullivan ein wenig zuviel auf. Das Anzeigegerät tanzte auf 10
Gravos.
Jack wurde wie ein Spielball nach oben gegen die Decke der Schleuse geschnellt. Hastig
schaltete er zurück. Bei 6 Gravos berührten seine Beine wieder den Boden. Er fühlte sich
noch immer leicht wie eine Feder.
Vor allem seinen Kameraden mußte er helfen.
»Schalten Sie auf 5,6 Gravos«, sagte er zu seinen Männern.
Taumelnd betraten acht Männer den Boden des Planeten III, noch immer ein wenig
benommen, aber durch die korrekte Druckausgleichschaltung konnten sie sich wie nor male Menschen bewegen.
Auf diesem Planeten wog jeder Mensch das 5,6fache. Und doch wurden die acht Männer
von einer Sturmbö gepackt und gleich zehn Meter weit vom Schiff fortgetrieben.
Das kann ja heiter werden, dachte Leutnant O'Sullivan und ahnte nicht, daß er recht hatte.
Wie vorgesehen meldete Jack O'Sullivan sich nach zwei Stunden mit seiner Ex peditionsgruppe zurück und war erstaunt, beim Betreten der Zentrale das verkehrte
Pfeifen Brom Tydderns aus den Lautsprechern zu vernehmen.
Der Erste Ingenieur hatte es in seiner Koje nicht ausgehalten.
»Vom Einsatz zurück«, meldete Jack sich und zog seinen M-Anzug aus.
»Und?« fragte Suratow.
»Nichts! Überhaupt nichts! Wüste, nichts als Wüste. Dieser Planet ist der reinste Friedhof.
Nur der Sturm läßt langsam nach.«
»Temperaturunterschiede?«
»Nichts festgestellt.«
»Welche Art Gestein?«
»Die geologische Abteilung untersucht zur Zeit die Proben, die Sergeant Miller mit gebracht hat!«
Der junge Leutnant der Ortung stieß plötzlich einen Schreckensschrei aus.
Alle Blicke flogen zu ihm herum.
»Energiequelle«, brachte er schließlich heraus.
Suratow jagte aus seinem Sitz, mit einer Geschwindigkeit, die Jack ihm niemals zugetraut
hätte. Überhaupt schien sich der ganze Mann mit einemmal zu verändern. Die
Gleichgültigkeit fiel von ihm ab, das Staunen fror ein in dem vernarbten Gesicht, und
seine wasserhellen Augen bekamen einen gefährlichen Glanz.
Zum erstenmal erlebte Jack O'Sullivan den stellvertretenden Kommandanten in Aktion.
»Windstärke?«
Jack warf einen schnellen Blick auf das Meßgerät.
»Null«, sagte er erstaunt.
Wie aus heiterem Himmel hatte der Sturm nachgelassen, und völlige Windstille breitete
sich um die EAGLE aus.
»Da, sehen Sie doch«, erregte sich der junge Leutnant an der Ortung.
Mit ausgestreckten Händen wies er auf den Schirm, auf dem sich ein sonnenheller Fleck
mit rasender Geschwindigkeit näherte.
Suratow wirbelte herum. »Leutnant O' Sullivan, geben Sie Alarm!«
*
Die Sirenen heulten durch alle Winkel der EAGLE.
Männer taumelten aus ihren Kojen, griffen nach den M-Raumanzügen, schalteten die
Bildverbindung zur Zentrale ein.
Als einer der ersten erschien Kommandant Major Al Jones. Niemand sah ihm an, daß er
nur knapp zwei Stunden Schlaf nach mehr als vierundzwanzig Stunden konzentrierter
Arbeit gefunden hatte.
Mit einem alles umfassenden Blick erkannte er, was sich inzwischen ereignet hatte.
Captain Suratow sah ihm erwartungsvoll entgegen.
Was würde der Kommandant entscheiden?
Starten konnten sie nicht.
An Flucht war also nicht zu denken. Wenn es sich um ein Raumschiff handelte – um ein
Schiff einer fremden Intelligenz –, konnten sie nur hoffen, daß die Begegnung friedlich
ausging.
Wenn nicht...
Niemand wagte daran zu denken.
Die EAGLE lag hier wie ein weidwundgeschossenes Tier.
Sie würden die Zähne fletschen. Das stand fest. Aber ebenso fest stand auch, daß sie im
Falle eines Angriffs untergehen würden. Mit fliegenden Fahnen.
Al Jones durchschritt in aller Ruhe die Zentrale.
Nichts in seinem Gesicht deutete auf Erregung oder gar Furcht hin.
Al Jones nahm in seinem Sessel Platz. Er beugte sich leicht vor. Die Bordverständigung
war auf Rundspruch geschaltet. In allen Abteilungen sah und hörte man ihn.
»Hier spricht der Kommandant. Ich habe wieder das Kommando übernommen. Achtung!
Alarm bleibt bestehen. Alle Offiziere sind dafür verantwortlich, daß ihre Be satzungsmitglieder ihre vorgeschriebenen Plätze einnehmen. Vollzugsmeldung an Captain
Suratow. Anfrage an As-Onen-Triebwerke: Wie weit ist die Reparatur?«
Tydderns Gesicht tauchte auf. Ratlos, wie die Männer in der Zentrale betroffen fest stellten.
Brom Tyddern zuckte ein wenig hilflos die Schultern.
»Es ist wie verhext, Major. Nie vorher in meinem Leben habe ich ...«
»Sie schaffen es nicht, Tyddern?«
Der Ingenieur stieß einen herzhaften Fluch aus.
»Nein, zum Teufel«, stieß er hervor wurde aber gleich darauf leiser. Sein Gesicht wirkte
fast komisch, als er kleinlaut fortfuhr: »Mein Latein ist am Ende, Major.«
Al Jones merkte man die Verzweiflung nicht an. Tydderns Worte mußten für alle eine
Welt zum Einsturz bringen. Der große Brom Tyddern! Hilflos wie ein kleines Kind!
Ungläubig starrte Jack O'Sullivan zur Bildscheibe empor. Sein Verstand konnte nicht
fassen, daß Tyddern mit seinem Eingeständnis der Mannschaft einen erneuten Dolchstoß
versetzte.
Und Al Jones lächelte.
In dieser Situation.
»Lassen Sie nicht den Kopf hängen, Tyddern. Sie haben Zeit. Viel Zeit. Fangen Sie von
vorn an. Ich weiß, daß Sie uns nicht im Stich lassen werden. Wir alle bauen auf Sie. Wenn
Sie in irgendeiner Form Hilfe brauchen, Tyddern ...«
»Ich melde mich, Major«, sagte der Ingenieur rauh. »Es tut mir leid, daß gerade in dieser
Situation... Vielleicht habe ich noch eine bessere Idee!«
Man sah dem Gesicht des Ingenieurs an, daß er in diesem Augenblick gerade von einem
Geistesblitz getroffen wurde.
Im nächsten Moment war er vom Bildschirm verschwunden, und einige Männer atmeten
auf.
Al Jones wandte sich an Captain Soltau, der inzwischen wieder seinen Platz einge nommen hatte.
»Wie sieht es aus?«
»Ein Schiff befindet sich im Orbit um den Planeten. Daran gibt es keinen Zweifel.«
»Peilen Sie es an. Versuchen Sie es auf den Sichtschirm zu bringen. Funk-Z! Halten Sie
notfalls Funkkontakt mit den Fremden bereit!«
»Verstanden, Major«, gab Leutnant Hu-Lin nüchtern zurück.
Die Spannung im Schiff stieg.
Wie würde der Fremde reagieren?
Genausogut wie die EAGLE das fremde Raumschiff orten konnte, mußte auch der
Fremde die Anwesenheit des reparaturbedürftigen Terraners festgestellt haben,
Jones Blick saugte sich am Orterschirm fest.
Noch immer war darauf der Lichtpunkt sichtbar.
Aber Captain Soltau bekam das fremde Schiff nicht auf die Sichtschirme. Er murmelte
etwas Unverständliches vor sich hin. Bis er schließlich die Feineinstellung fahren ließ und
sich den Schweiß aus der Stirn wischte.
»Nichts zu machen, Major.«
Al Jones nickte und starrte weiterhin den Lichtpunkt an.
Totenstille herrschte an Bord der EAGLE.
Kam der Fremde? Kam er nicht?
Leutnant Mossadec in der Waffensteuerung hielt seine Hände in unmittelbarer Nähe der
Zielerfassung.
Die EAGLE würde aus allen Antennen feuern.
Sie sollten glühen.
Aber es würde keine Ausweichmanöver geben.
Kann sich eine lahme Maus gegen die Fänge eines Raubvogels wehren? fragte sich
Mossadec.
Wieso überhaupt Raubvogel? Wer sagte denn, daß der Fremde an Waffentechnik
überlegen sein würde? Vielleicht herrschte dort an Bord die gleiche Angst vor einer
Begegnung.
In die tödliche Stille an Bord der EAGLE hinein platzte ein Fluch Brom Tydderns,
»Donner und Granaten, Sie Trottel. Hallen Sie das Ding fest. Haben Sie zwei linke
Hände?«
Einige Leute schmunzelten flüchtig.
Tyddern schien wieder obenauf zu sein. Tatsächlich bewies er es wenig später mit spitzen
Lippen. Furchtbar falsche Pfeiftöne klangen aus den Lautsprechern.
Auf jeden Fall ließ sich Brom Tyddern von dem fremden Raumschiff in keiner Weise
stören.
Al Jones durfte aufatmen.
Wenn auch die Gefahr eines Angriffs durch die Fremden nach wie vor bestand.
»Stellen Sie eine To-Funkverbindung mit Cent Field her, Leutnant Hu-Lin!«
»Sofort, Major!«
Der Kommandant wandte sich an Soltau.
»Für alle Fälle soll Terra wissen, wer uns das Grab schaufelt, wenn ... Geben Sie alle
Meßergebnisse über den Fremden an den Suprasensor!«
Es dauerte nicht lange, dann stand der To-Richtstrahl zwischen der EAGLE und dem Stab
der Terranischen Flotte in Cent Field.
Kommandant Major Al Jones erstattete einen kurzen Bericht an seine Einsatzleitung.
Er war mit seinem Bericht kaum zu Ende, da riß Captain Soltau den Kopf herum.
»Der Fremde ist weg!«
Die Blicke flogen hinüber zum Ortungsschirm.
Tatsächlich.
Der Lichtblitz war verschwunden.
Im Leitstand hielten alle den Atem an.
Eine Finte? Eine Falle? Sollten sie sich in Sicherheit wiegen? Oder hatten die Fremden
den To-Funk aufgefangen?
Nach anfänglicher Stille an Bord setzten die Gespräche wieder ein. Prognosen wurden
angestellt.
Aber Major Al Jones ließ den Alarmzustand noch weiter bestehen. Er wußte selbst nicht,
was von dem Verschwinden des fremden Schiffes zu halten war.
»Wie sieht es draußen aus?«
»Völlige Windstille, Major.«
»Wie lange mag sie anhalten?«
Soltau setzte wortlos den Suprasensor in Tätigkeit. Wenig später fiel eine Folie in den
Auffangkorb.
»Schätzungsweise noch 18 Stunden, Major.«
»Das reicht«, rief da Brom Tyddern mit mächtiger Stimme in die Stille hinein.
Sein lachendes Gesicht stand auf dem Schirm, ölverschmiert, die Zähne blitzten, die
Augen triumphierten.
»Reicht wofür, Tyddern?«
Der Ingenieur lachte.
»Zum Henker mit unserer Unbeweglichkeit, Major. Wir haben soeben fünf R-Jett
einsatzbereit gemacht!«
* Al Jones kam langsam aus seinem Sitz hoch.
Er stellte sich genau vor den Schirm hin und sah Brom Tyddern fragend an.
»Was heißt das?«
Tyddern kratzte sich den Schädel.
»Die Triebwerke der EAGLE brauchen etwas Zeit, Major. Damit wir aber nicht so
unbeweglich bleiben und notfalls auch einen Ausreißversuch unternehmen können, haben
wir fünf R-Jett umgebaut.«
»Tauglich für diesen Methanplaneten?«
»Tauglich, Major. Sofort einsatzfähig. Gut, daß wir die neuen Dinger kurz vor dem Start
bekommen haben. Ich habe sie umrüsten lassen.«
Al Jones nickte dem Ingenieur dankbar zu.
»Eine gute Idee, Tyddern. Aber jeder Jett faßt nur sechs Personen.«
«Wenn Sie Leute brauchen, die freiwillig an Bord der EAGLE bleiben – ich bin einer von
ihnen.«
»Danke«, sagte der Kommandant einfach.
Er drehe sich um und sah einmal kurz in die Runde. Plötzlich schien ihm noch etwas
einzufallen.
»Sie kennen die Gravitationsverhältnisse dieses Planeten. Vielleicht könnte man . . .«
»Wofür halten Sie mich?« grollte Brom Tyddern und grinste zufrieden. »Schon alles
erledigt, Major. Ich habe die A-Gravleistungen direkt für diese Hölle passend einrichten
lassen.«
Al Jones nickte nachdenklich.
»Lassen Sie mir ein paar Minuten Zeit zum Überlegen«, murmelte er, setzte sich wieder
und steckte sich ein Zigarillo in Brand.
Der dunkelhäutige Kommandant war dankbar für jede Möglichkeit, die sich ihm, dem
Schiff und der Besatzung bot.
Er dachte an den fremden Raumer, der wie ein Spuk aufgetaucht und wieder ver schwunden war. Er stellte immer noch eine Gefahr dar, auch wenn ihn die Ortung ver loren hatte. Genauso plötzlich, wie er vom Orterschirm verschwand, konnte er wieder
auftauchen.
Fünf R-Jett mit je sechs Mann Besatzung machten dreißig Leute. Ein verschwindend
kleiner Teil der Besatzung, die damit eine Überlebenschance erhielten. Ein zu kleiner
Prozentsatz.
Al Jones dachte in diesem Moment nicht an sich.
Achtzehn Stunden Norm-Zeit bis zum nächsten Methansturm!
AI Jones Entschluß stand fest.
»Hier spricht der Kommandant!«
An Bord wurde es totenstill.
»Der Alarm bleibt für Ortung, Funk-Z, Zentrale und Waffensteuerung bestehen. Unsere
Ingenieure versucht weiterhin, die As-Onentriebwerke hinzukriegen. Alle anderen
Einheiten holen den Schlaf nach, den sie versäumt haben. Wir haben fünf R-Jett
einsatzbereit. Ein Jett bleibt für den Notfall an Bord. Für die anderen vier benötige ich
sofort Besatzungen. Freiwillige vor!«
Noch ehe Al Jones aussprechen konnte, stand Leutnant Jack O'Sullivan neben dem
Kommandanten.
»Leutnant O'Sullivan stellt sich als Pilot zur Verfügung.«
Al Jones sah zu dem rothaarigen Leutnant auf. Jacks graue Augen strahlten. Er konnte
sich überhaupt nicht vorstellen, daß ihn der Kommandant ablehnen könnte.
»Pilotenerfahrung haben Sie ja wohl«, sagte der Major mit einem Anflug eines Lächelns.
»Sie dürfte ausreichen, Major.«
Obwohl er sich nie damit brüstete, wußte doch jeder Mann an Bord, daß Jack O’Sullivan
mit seiner Hurrikan das erste Jett-Rennen der Welt gewann.
Wer ihn damals am TV-Schirm beobachtete, wußte auch, daß dieser Junge ein tollkühner
Pilot war, ein nervenstarker Flieger.
»Sie übernehmen R-Jett Nummer vier, Leutnant!«
»Danke, Major!«
Jack O'Sullivan trat zurück. Eine feine Röte stand in seinem Gesicht. Der Stolz über diesen Auftrag schimmerte in seinen Augen. Soltau nickte ihm zu. Er wußte, daß Jack voller Tatendrang steckte. Hin und wieder verglich er den jungen Leutnant mit seinem eigenen Sohn. Jim war ruhiger gewesen, in sich gekehrter, hatte sich oft hinter Büchern vergraben. Aber er mußte im gleichen Alter gewesen sein. – damals, als er in der Methanwüste umkam. Die Besatzungen der R-Jett wurden zusammengestellt. Jeder Jett wurde mit einem Piloten, Waffentechniker, Navigator, Funker, Ingenieur und einem Experten der wis senschaftlichen Abteilung besetzt. »Nehmen Sie einen Moment Platz, meine Herren«, sagte der Kommandant, als er die Besatzungen zusammengestellt und in der Messe um sich gesammelt hatte. Erwartungsvoll sah man zu ihm auf. »Die EAGLE liegt hier wie auf dem Präsentierteller. Völlig ungeschützt. Durch den Umbau der R-Jett wurden wir in die Lage versetzt, zweigleisig zu fahren. Unsere Ingenieure bemühen sich weiterhin um die Triebwerke, aber wenn die Arbeiten zu lange dauern, benötigen wir unter Umständen einen Fuchsbau. Diesen Fuchsbau sollen Sie ausfindig machen. Ihnen bleiben ungefähr achtzehn Stunden Norm-Zeit, bis der nächste Methansturm einsetzt. Bis dahin müssen Sie eine Höhle gefunden haben, in der sich die EAGLE verstecken kann.« »Verstecken?« fragte Captain Suratow. »Richtig, verstecken. Wir sind wohl lahm, aber nicht ganz unbeweglich. Immerhin gebe ich zu, daß dieser Versuch mit einem großen Risiko verbunden ist. Unser Ringwulst könnte beim Start abgerissen werden – und damit das ganze Schiff zerstören. Aber wir brauchen Schutz – für uns alle. Captain Suratow, Sie werden den Befehl über die R-Jett übernehmen. Sie fliegen Nummer 1. Die anderen Piloten stellen ihren Funkbetrieb dementsprechend auf Nummer l ein. Keine Extraeinlagen, meine Herren!« »Keine Sorge«, versprach ein Leutnant. Al Jones grinste kurz, war gleich darauf wieder völlig ernst und undurchdringlich. »Es geht um uns alle. Wir halten mit R-Jett l Funkkontakt. Sollte inzwischen ein Angriff auf die EAGLE erfolgen, handeln Sie nach eigenem Ermessen. Verstanden?« Suratow antwortete nicht. Niemand antwortete. Wahrscheinlich dachte jeder daran, daß er den andern nie im Stich lassen würde. »Hals- und Beinbruch«, wünschte Al Jones seinen Männern, reichte noch einmal jedem die Hand und begab sich zurück in die Zentrale, um von dort die Ausschiffung der vier RJett zu beobachten. Vierundzwanzig Männer betraten den riesigen Hangar. Die startbereiten R-Jett reflektierten das Licht der unsichtbaren Beleuchtungskörper. Die Männer stiegen an Bord. Ein Scherzwort flog noch von einer Besatzung zur anderen, dann kehrte wieder Stille ein im Hangar. Turbopumpen saugten die Luft aus dem großen Raum. Die rote Warnleuchte über der Ausfallschleuse begann zu flackern. »X-Zeit minus dreißig«, sagte Al Jones in die Stille hinein. Dreißig Sekunden vergingen. Vier R-Jett glitten hinaus. Unternehmen Fuchsbau lief an.
*
Jack O'Sullivan fühlte sich in seinem Element.
Der Sitz im Cockpit war bequem, aber völlig anders angelegt als in den Ziviljett, die er
eine Zeitlang geflogen hatte.
Genau vor ihm breitete sich in Griffnähe das kompakte Instrumentenfeld aus.
Kaskadenartige Lichter huschten über die Konsole. Skalen schlugen aus, das Klicken
einiger Relais erinnerte an alte Zeiten.
Jack brauchte nur den Blick zu heben, um die Bildscheibe vor sich zu haben.
»Zusammenbleiben«, kam die Stimme Captain Suratows über Funk.
Jack korrigierte die Flugrichtung.
Ein Warnsignal ertönte.
Der Autopeiler machte auf eine Erhebung aufmerksam.
»Infrarot eingeschaltet?«
»Infrarot drin, Leutnant!«
Aus dem Grau der Planetenatmosphäre tauchte ein schwarzer Schatten auf. Der Navigator
drehte an der Feineinstellung.
Ein Gebirgszug sprang die Jett an.
Bizarre Felsen, zerrissene und zerklüftete Zacken schossen auf ihn zu.
Ungläubig blickten die Piloten auf den Höhenmesser.
Mehr als dreizehn Kilometer zeigte er an.
Im selben Augenblick kam auch schon Suratows Befehl.
»Hoch die Kisten. Über 10.000 Meter!«
Finger glitten über die Instrumentenknöpfe. Vier R-Jett steckten ihre Nase steil nach oben.
Fliegen konnten diese Piloten.
Suratow mußte sie genau im Bild haben. Er ließ ein beifälliges Knurren vernehmen.
»Maschine pariert auf jeden Fingertip«, wandte sich der rothaarige Leutnant an seine
Besatzung. »Alles klar dahinten?«
»Alles klar, Chef«, lachte ein blutjunger Fähnrich, der sich für eine Spezialausbildung als
Funker gemeldet hatte.
»Lassen Sie die Witze«, gab Jack verärgert zurück. »Den Chef sparen wir uns besser.«
Der Scheitel des ersten Gebirgszuges lag unter den Jett. O'Sullivan ließ die Optik kreisen.
Er schüttelte sich. Das Land unter ihm machte einen noch schrecklicheren Eindruck, als
sie es schon von der Zentrale der EAGLE aus beobachten konnten.
»Nummer 2, suchen Sie dieses Gebiet ab!« befahl da Captain Suratow.
»Aye, aye, Captain. R-Jett 2 empfiehlt sich.«
»Funkkontakt aufrecht erhalten!«
»Verstanden, Captain!«
Der Jett zog in einer Schleife aus der Formation und sackte schnell ab.
Der nächste Gebirgszug tauchte unvermittelt auf. Er schien noch höher zu sein, noch
furchterregender.
Suratow gab eine Kurskorrektur bekannt.
Wenig später heulten die drei R-Jett direkt über dem Scheitelpunkt des Gebirges dahin.
»Wenn es darin Höhlen gibt, heiße ich Jenas«, sagte ein Mann.
»Warum sollte es keine Höhlen geben«, erwiderte ein anderer. »Fragt sich nur, wie der
Major die EAGLE hineinbringen will.«
»Der schafft alles, was er sich vornimmt.«
Ortungsstrahlen tasteten weiterhin den Boden ab.
Da kam Suratows neuer Befehl. »Nummer drei dieses Massiv kontrollieren. Eins und vier
weiter!«
Eine Minute später dehnte sich ein riesiges Meer unter ihnen aus. Spiegelglatt. Ohne jede
Bewegung. Eine ölige, schimmernde Fläche. Schmutziggrau.
Dahinter schob sich schroff und übergangslos ein neues Gebirge in die Höhe.
»Jett l bleibt hier«, knurrte Suratow. »Nummer 4 versucht das nächste Gebirge zu
erreichen. Aber keine Extratouren. O' Sullivan. Befehl lautet: Fuchsbau suchen. Kapiert?«
»Verstanden, Captain!« Suratows Jett blieb zurück und raste auf die Meeresfläche zu.
Offenbar wollte der Captain langsam zusammen mit dem Gebirge aufsteigen.
Jack ließ R-Jett 4 an Höhe gewinnen, und bald tauchte eine neue Erhebung vor ihm auf.
»Zielpunkt erreicht, Captain«, meldete er.
»Suchen«, rief Suratow zurück.
Jack O'Sullivans Suche nach dem Fuchsbau begann. So langsam es die Triebwerke zu ließen, begann er jeden Winkel des Gebirges abzusuchen. Die Männer hinter ihm gerieten
in Schweiß. Eine Verschnaufpause ließ der junge Leutnant nicht zu.
Der Navigator stieß plötzlich einen Ruf aus.
»Eine Öffnung!«
Jack reagierte blitzschnell. Der Jett machte eine Wendung. Eine zerfressene Felswand
schnellte auf sie zu.
Ein dunkles, gähnendes Loch tat sich auf. Riesengroß.
Jack überlegte fieberhaft.
Sollte er zuerst einen Probeeinflug wagen? Oder lieber den Befehl dafür abwarten? Die
Versuchung war riesengroß.
Aber das Pflichtbewußtsein siegte.
»R-Jett 4 an 1. Fuchsbau entdeckt.«
»Wo?« schrie Suratow.
»Höhe 4200 Meter. Grün 22:07,21; Rot 61:22,56. Höhleneingang 800 Meter Durch messer. Tiefe unbekannt. Bitte um Anweisung, einzufliegen!«
Captain Suratow zögerte mit seiner Entscheidung.
»Einverstanden, O'Sullivan. Erkundigen Sie nur, ob die EAGLE Landeplatz findet. Sofort
wieder rauskommen. Kapiert?«
»Verstanden, Captain!«
Jetzt konnte der junge Leutnant sein ganzes Können unter Beweis stellen.
Der R-Jett flog auf die dunkle Öffnung zu.
»Hoffentlich sperrt nicht irgend so ein Ungeheuer seinen Rachen auf«, stöhnte der
Navigator.
»Das wird sich die Zähne an uns ausbeißen«, lachte O'Sullivan. »Achten Sie auf
Ortungsanzeigen!«
Totenstille breitete sich aus. Langsam verschwand R-Jett 4 in der Öffnung. Sie war breit
genug, um auch die EAGLE einzulassen.
Jack brauchte nicht lange zu suchen. Einige hundert Meter tiefer befand sich der
Höhlengrund.
Metalladern zogen sich durch das Gestein. Aber dafür interessierte sich der Leutnant
nicht. Er führte seinen Befehl aus und ließ durch den Navigator die Höhlengröße messen.
Sie reichte aus für einen Landeplatz des Raumschiffes der Jäger-Klasse.
Als Jack den R-Jett wieder herumriß und den Höhleneingang passierte, warteten die drei
anderen Jett bereits auf ihn.
»Landeplatz gefunden«, berichtete der Leutnant.
»Einordnen zum Rückflug!«
Unternehmen Fuchsbau hatte ein positives Ende gefunden.
* Der dunkelhäutige Kommandant mit dem kurzen schwarzen Kraushaar verriet keinerlei
Erregung, als Captain Suratow seinen Bericht erstattete. Nur die Augen Al Jones
leucheten triumphierend auf.
»Entfernung?« fragte er.
»Bis zur Höhle sind es etwa 180 Kilometer.«
Jones sah zur Bordverständigung hinüber, auf dessen Schirm Brom Tydderns Gesicht
stand.
»Meinen Sie, daß wir es schaffen?«
Tyddern wiegte bedenklich den Kopf.
»Welche Höhenunterschiede?«
»Mehr als 13 Kilometer«, berichtete Suratow,
»Verdammt unangenehm«, brummte der Ingenieur.
Alle Besatzungsmitglieder der EAGLE hörten diesem Gespräch zu. Jeder Mann an Bord
wußte, daß es ein gewagtes Unternehmen sein würde, das hier geplant wurde. Aber sie
brauchten einen sicheren Unterschlupf, um im Schutz der Berge vor jedem
Überraschungsangriff sicher zu sein.
»Wie lange wird Ihrer Meinung nach die Reparatur noch dauern?« erkundigte sich Al
Jones bei Tyddern.
Der Ingenieur zuckte die Schultern.
»Zum Henker, woher soll ich das wissen? Vielleicht eine Woche, vielleicht auch Monate.
Kommt ganz auf diesen verdammten Hirnkasten hier an.«
Er tippte sich gegen die Stirn, und Suratow grinste ironisch.
»Dann dauert es Jahre!«
Al Jones schoß ihm einen vernichtenden Blick zu. Schließlich befahl er Leutnant
O'Sullivan, alle Offiziere in der Messe zu versammeln.
Minuten später stand er ihnen gegenüber.
»Als Kommandant dieses Schiffes«, sagte er mit ernster Miene »habe ich die alleinige
Befehlsgewalt. Aber Sie wissen, daß es hier um die Existenz dieses Schiffes und damit um
das Leben aller geht. Eine Verlegung des Landeplatzes birgt die Gefahr in sich, daß wir
mehr am Schiff zerstören, als uns recht sein kann. Dem gegenüber steht die
Notwendigkeit, Ruhe zu bekommen – Ruhe vor irgendwelchen Fremden, Schutz unseres
Lebens. Ich bitte um Ihre Meinung, meine Herren!«
Zunächst meldete sich niemand zu Wort. Jeder versuchte sich darüber klarzuwerden,
welche Entscheidung er selbst an Stelle des Kommandanten gefällt haben würde.
Doch Al Jones ließ seinen Männern nicht viel Zeit zum Überlegen.
»Ich bitte um Handzeichen, wer für die Verlegung des Landesplatzes ist und damit für die
Sicherheit der Höhle.«
Zögernd kamen ein paar Hände hoch. Suratow, Soltau, Tyddern, Hu-Lin und Mossadec
stimmten sofort für die Höhle.
Neben Dr. Rubino, dem Chef der wissenschaftlichen Abteilung, schien auch die
Medostation mit Dr. Afgani gegen die Verlegung des Landeplatzes zu sein.
»Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, meine Herren«, sagte Al Jones leise. »Jeder hat das
Recht auf freie Meinung. Aber das Verhältnis steht 5:2. Meine Herren. Tyddern! Wir
starten in zehn Minuten. Uns bleibt nicht viel Zeit vor dem nächsten Methansturm. Das
war's, meine Herren!«
Man ging auseinander.
Stille kehrte ein an Bord der EAGLE.
Die Entscheidung war gefallen.
Bedrückte Mienen kennzeichneten die Furcht der Männer vor einer Katastrophe. Wenn
die EAGLE noch schwerer beschädigt wurde, gäbe es kaum eine Chance, diesen Planeten
wieder zu verlassen.
Und was das bedeutete, konnte sich jeder ausmalen.
In der Zentrale nahm jeder Offizier seinen vorgeschriebenen Platz ein.
Al Jones strahlte eine Ruhe aus, als handelte es sich um eine ganz gewöhnliche
Startvorbereitung.
Seine Befehle kamen knapp, mit ruhiger Stimme, ohne jede Nervosität.
»X-Zeit minus 300«, verkündete er über Bordverständigung.
Jetzt mußten die As-Onentriebwerke anlaufen.
Eine leichte Erschütterung lief durch den Ringraumer.
Überall hielt man den Atem an.
Auf dem Instrumentenfeld gerieten Meßzeiger in Bewegung, Skalen flammten auf,
schlugen über den Grünbereich hinaus in die rote Markierung.
Aber Al Jones saß da wie aus Erz gegossen, und kein Muskel regte sich in seinem
Gesicht. Er wußte, welch ungeheure Verantwortung er trug.
Um ihn herum bleiche Gesichter. Hin und wieder huschte ein Blick hinüber zum
Kommandanten, aber Al Jones schien die Gefahr einfach zu mißachten.
Die Anzeigemesser für die Triebwerke vollführten einen wilden Tanz. Sie kamen nicht
zum Stillstand.
Brom Tyddern schrie wie ein Besessener in der Triebwerk-Zentrale. Er warf seinen
Leuten und den Maschinen Flüche zu, aber jeder wußte, daß er diese Wutanfälle einfach
brauchte, daß sie nicht ernst gemeint waren.
»X-Zeit minus hundert«, sagte Al Jones beherrscht.
Der Start stand unmittelbar bevor.
Obwohl mehrere Kontrolleuchten rotes Warnlicht gaben, schob Al Jones den Haupthebel
langsam auf den Startpunkt.
Jack O'Sullivan saß da und starrte den Kommandanten an.
Verdammt, hatte der Mann Nerven.
Jeden Augenblick konnte der Raumer explodieren, aber Jones schien zu einem
Routineflug zu starten.
Jack gestand sich ein, daß er ein wenig Angst hatte. Er war machtlos dagegen. Sie kroch
langsam in ihm hoch und begann seine Kehle einzuschnüren. Er hätte viel dafür gegeben,
wenn er wüßte, daß Al Jones von dem gleichen Gefühl gepackt wurde.
Aber der Major schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein.
Angst, hatte einmal ein Freund Ren Dharks, der Warenexperte Anthony Parr, zu ihm
gesagt, hat nichts mit Feigheit zu tun. Man darf ruhig Angst haben. Jeder Mann hat Angst.
Irgendwann einmal im Leben.
Hatte auch Al Jones Angst?
»X-Zeit minus zehn«, durchbrach die Stimme des Kommandanten Jacks Gedankengänge.
Alle konzentrierten sich auf ihre Aufgaben.
Die sehnige Hand des Majors hielt den Starthebel locker umfaßt. Mit leichtem Druck
schob er ihn näher und näher an den Startpunkt heran.
Die As-Onentriebwerke spuckten. Man merkte es an den unregelmäßigen Erschüt terungen, die das Schiff durchliefen.
»X-Zeit!«
Die Hand am Hebel ruckte nach vorn.
Die EAGLE hob ab.
Sekunden vergingen. Sekunden der Stille, Augenblicke der Angst.
Dann schrie Brom Tyddern etwas, das niemand verstand.
Al Jones biß die Zähne zusammen, und seine Kiefern mahlten. Er achtete nicht auf seine
Umgebung. Er sah nur das Instrumentenpult an.
Die EAGLE bockte wie ein ungebändigter Stier. Aus dem Lautsprecher heulte ein
Aggregat in schrillem Diskant.
Aber sie gewannen an Höhe. Der Landeplatz fiel von ihnen ab. Langsam, viel zu langsam.
»Mehr Saft«, rief da Al Jones ins Mikro.
»Woher nehmen?« brüllte Tyddern zurück.
Der Schweiß lief in Bächen von seiner Stirn, vermischte sich mit öl und Ruß und ließ sein
Gesicht zu einer teuflischen Maske werden.
Aber die Augen, diese hellen, klaren Augen, sprühten von unbändigem Feuer.
Der 1. Ingenieur kannte keine ruhige Minute während dieses Höllenfluges.
Das erste Gebirge tauchte vor der EAGLE auf.
Seelenruhig schob Al Jones einen Hebel nach unten.
»Komm«, sagte er leise. »Schön brav!«
Die As-Onentriebwerke streikten. Der Raumer begann plötzlich zu tanzen, und in einigen
Abteilungen warfen die ersten Männer die Hände vors Gesicht.
»O'Sullivan!« donnerte Jones plötzlich. »Vollster Einsatz A-Grav!«
Jack warf sich herum. Er begriff.
Mit Hilfe des A-Grav konnten die Triebwerke unterstützt werden. Die EAGLE konnte
wenigstens gegen die mörderischen 5,6 Gravos angehen und somit die Triebwerke ein
wenig entlasten.
Der Tanz legte sich ein wenig.
Das Gebirge tauchte bedrohlich nahe vor der EAGLE auf. Aber sie schafften es.
Irgend jemand jubelte.
Aber Brom Tyddern fluchte weiter.
Der nächste Gebirgszug stand vor ihnen. Wie eine vom Sturm getriebene Möwe schwebte
der Kugelraumer dicht darüber hinweg.
Dann lag das Meer unter ihnen.
Aber das Ziel lag noch Kilometer entfernt.
Endlich – endlich, nach endloser Zeit wurde die Höhlenöffnung von der Bildschirmanlage
erfaßt.
Als wollten sich die reparaturbedürftigen Triebwerke dagegen wehren, begannen sie
immer wilder zu spucken. Eine Erschütterung nach der anderen ließ die EAGLE taumeln.
Aber Al Jones war fest entschlossen, sein Ziel zu finden.
Welch eine ungeheure Anspannung dazu gehörte, den Kugelraumer der Jägerklasse an
schroffen Felsen, zerrissenen Graten und bedrohlich nahe kommenden Zacken vor beizuführen und ins Ziel zu bringen, konnte nur der richtig ermessen, der die ganze Zeit
auf den Bildschirm blickte.
Al Jones merkte man die Anspannung nicht an.
Nur seine Augen und seine Hände waren in Bewegung.
Ein Meister seines Fachs. Das war er. Und jeder durfte stolz sein, unter Al Jones das
Steuern eines Raumschiffes zu lernen.
Der schwierigste Teil kam noch.
Der Einflug in die Höhle.
»Kollisionskurs!« durchbrach Captain Soltaus Stimme die Stille.
»Danke«, erwiderte Al Jones ungerührt und korrigierte den Flug.
Die EAGLE sackte plötzlich ab.
Den Offizieren blieb das Herz stehen.
Ein häßliches Knirschen deutete an, daß die Raumerhülle mit dem Fels in Berührung
gekommen war.
Aber der A-Grav stand auf Vollast. Daran konnte es nicht liegen.
Schon erkannte man auf dem Bildschirm das Innere der Höhle, sah bereits den Lan deplatz, der Schutz und Ruhe bot.
Da trat die Katastrophe ein.
Eine Explosion erschütterte das Schiff. Ein nervenzerfetzendes Inferno kreischenden
Metalls brach aus den Lautsprechern. Hervorgerufen durch den Ausfall mehrerer As-
Onenaggregate im Triebwerkswulst.
Brom Tydderns Stimme überschlug sich.
Männer schrien.
»Medo! Medo!« bellte Tyddern dazwischen.
Jetzt geriet Major Jones in Bewegung. Er stemmte sich aus seinem Sitz, und seine Augen
fraßen sich an den Instrumenten fest, als wollte er sie zwingen, sich seinem Willen
unterzuordnen.
Die Backenknochen traten deutlich hervor. Die dunklen Augen glühten wie feurige
Kohlen. Seine Hände umspannten die Hebel, als könnte er mit der Kraft seiner sehnigen
Arme allein das riesige Schiff im Gleichgewicht halten.
Aber irgendwie schafften sie es.
Die EAGLE tauchte durch die Öffnung.
Jack O'Sullivan verstand es, den A-Grav so zu dosieren, daß die noch arbeitenden
Triebwerke genügend Unterstützung fanden, den Landeplatz zu suchen.
Die Landung selbst glich niemals der normalen, vorgeschriebenen, federleichten Landung,
die jeder Raumschiffkommandant perfekt zu beherrschen hatte.
Die EAGLE setzte sehr unsanft auf halb ausgefahrenen Teleskopbeinen auf, federte
wieder nach oben und legte sich stark zur Seite.
Al Jones behielt die Nerven.
Er brachte sie trotz heulender Aggregate noch einmal vom Boden ab und gab dem
Kopiloten mit ruhiger Stimme Dosierungsanweisungen für den A-Grav.
Die EAGLE stand nun waagerecht.
Mit einem Griff riß der Kommandant den Haupthebel herum.
Das schrille Heulen brach unvermittelt ab. Die Lichter auf dem Instrumentenfeld er loschen.
Stille trat ein. Nur das Atmen der erregten Männer blieb zurück. Und das heftige Pochen
ihrer Herzen, das Dröhnen in ihren Ohren, als müßte der Kopf platzen.
Al Jones' erste Sorge galt der Explosion und ihren Folgen.
»Tyddern«, sagte er mit fester Stimme. »Was ist passiert? Ist irgend jemand verletzt
worden?«
Der 1. Ingenieur der EAGLE trat langsam und müde vor die Bordverständigung. Die
Haare standen ihm zu Berge. Er wirkte um Jahre gealtert.
»Der Arzt kümmert sich schon um Miller und Simon. Werden durchkommen. Masel ist
tot. Ist durch den Wulst geschlagen.
Eine Minute länger hätten wir nicht durchgehalten. Major.«
Tyddern wartete keine Antwort ab. Er drehte sich um, und gleich darauf hörte man seine
helle Stimme:
»Und nun, ihr Halunken und Nichtskönner, legt ihr euch in die Falle. Wer hier vor sechs
Stunden Pause wieder auftaucht, den prügele ich persönlich ins Bett zurück. Ab mit euch.
Schlafen, das ist ein Befehl, verstanden?«
Al Jones wischte sich müde über die Stirn, aber als er sich an die Offiziere in der Zentrale
wandte, sah ihm niemand die Müdigkeit und die Resignation an.
»Das gleiche gilt auch für Sie, meine Herren. Wir haben alle eine Pause verdient.
Leutnant Renzo, Sie übernehmen hier die Sitzwache.«
Er nickte ihnen zu und wartete, bis auch der letzte seinen Platz verlassen hatte.
Nachdenklich stand Jones von seinem Sessel auf und blickte auf die Anzeigetafeln.
Ein leises Geräusch am Eingang ließ ihn herumfahren.
»Ich hatte gesagt... Ach, Sie sind es, Tyddern.«
Der Ingenieur wankte auf einen Sitz zu und ließ sich ächzend hineinfallen. Leutnant
Renzo beachtete er nicht.
»Mist verdammter«, murmelte er. »Wäre beinahe schiefgegangen.«
Al Jones lächelte schwach.
»Wir haben es ja noch geschafft. Rauchen Sie?«
Er hielt Tyddern sein Zigarilloetui hin. Tyddern griff zu.
»Jetzt können wir beruhigt aufatmen«, fuhr Jones fort, als sie unter Dampf standen.
»Unsere Planetologen haben eben festgestellt, daß sich über uns ein starkes Erzfeld durchs
Gebirge zieht. Dadurch wird es für eine Fremdortung bedeutend schwieriger, uns
auszumachen. Die Pause wird uns allen gut bekommen, hoffe ich.«
»Worauf Sie sich verlassen können«, brummte der Ingenieur träge. »Hier muß alles
abgeschaltet werden, Major. Nur die lebenswichtigen Aggregate dürfen laufen, damit wir
in aller Ruhe versuchen können, die Triebwerksschäden zu beseitigen.«
»Sie werden es schon schaffen, Tyddern.«
«Ihren Optimismus möchte ich haben«, grollte Tyddern. Er erhob sich und wankte aus der
Zentrale.
Al Jones blieb zurück. Allein mit sich und seinen Gedanken.
In ihren Kojen schnarchten die ersten Männer.
Ruhe trat ein.
Bevor der Major die Zentrale verließ, schaltete er die Verständigung auf seine Kabine um.
An der Tür wandte er sich noch einmal zur Ortung zurück.
Noch einmal nahm er in seinem Sessel dahinter Platz und schaltete die Distanz-Ortung
ein. Er ließ sie kreisen und beobachtete den Schirm,
Seine Stirn umwölkte sich.
Zum erstenmal bemerkte er, daß sie in einer Höhle gelandet waren die hier noch gar nicht
zu Ende war.
Die EAGLE lag nur in einer Vorhöhle.
Der Einschnitt in das zerknüftete Gebirge lief weiter.
Die Distanz-Ortung zeigte es ganz genau.
Die Höhle mußte sich noch einige hundert Kilometer tief in vielen Kurven durch das
Gebirge ziehen.
* Der Raumhafen Cent Field lag im letzten Licht der untergehenden Sonne. Die fernen Berge schimmerten golden auf. Die Unitallhüllen geparkter Ringraumer blitzten unter den Sonnenstrahlen. Fünf S-Kreuzer erhielten Starterlaubnis. Es handelte sich um erbeutete Ringraumer aus der Robotflotte. Sie flogen unter dem Befehl Colonel Janos Szardaks. Szardak selbst befand sich an Bord der B-301, mit der er vorher schon den Exodus der Nogks begleitet hatte. Nach diesem Flug hatte er dem Chef des Forschungszentrums unter Alamo Gordo, Professor Monty Bell, alle Unterlagen über das Expekt zur Verfügung stellen können. Das Expekt – das Spannungsfeld der Galaxis, dessen physikalische Eigenschaft Terra vor neue Probleme stellte. Das Expekt – das bedeutete steigender Energieverbrauch und zugleich horrender Abfall der Transitionsleistungen, je weiter man sich vom Rand der Milchstraße entfernte. Colonel Janos Szardak war es auch, der mit eben dieser B-301 weiter als die Evakuierungsflotte der Nogks in den Leerraum auf Andromeda vorstieß, um sich nochmals zu überzeugen, daß bei weiteren Transitionen, die ihn von der heimatlichen Milchstraße entfernten, der Energieverbrauch noch höher stieg und die Leistung dagegen noch weiter nachließ. Das Expekt! Dieses Phänomen war auch der Grund des neuen Starts der B-301 unter Colonel Szardak. Die fünf Schiffe sprangen den Himmel an. Noch einmal tauchten sie ins helle Licht der Sonne und verschwanden dann in der unermeßlichen Weite des Universums. An Bord der fünf Schiffe befanden sich komplette Teams von Experten, die das Expekt außerhalb der Milchstraße erforschen sollten. »Sie sollen ergründen, meine Herren«, hatte Monty Bell beim Abschied gesagt, »warum im Leerraum zwischen den Galaxien der Energieverbrauch hochschnellt und im gleichen Wert die Transitionsleistung der Schiffe abfällt. Es ist eine große Aufgabe, meine Herren. Wir sind sie unserer Flotte schuldig. Ihre Untersuchungsergebnisse dienen einem großen Ziel.«
Monty Bell hatte eine Pause eingelegt und war dann fortgefahren: »Aufgrund Ihrer
Erkenntnisse sollen Triebwerke gebaut werden, die vom Expekt nicht mehr beeinflußt
werden können.«
Die Wissenschaftler wußten also, worum es ging.
Daß man einen so erfahrenen Kommandanten wie Colonel Janos Szardak mit der Leitung
der Expedition beauftragte, unterstrich die Bedeutung dieser Reise.
Der ehemalige 2. Offizier der GALAXIS, der Mann mit dem starren, ausgeprägten
Pokergesicht, er nahm jede Aufgabe wichtig. Manche nannten ihn einen Pedanten.
Vielleicht war er einer. Aber seine Berichte kennzeichneten jedes kleinste Detail. Auch
wenn es noch so unwichtig schien.
Janos Szardak saß in seinem bequemen Sessel in der Zentrale der B-301 und nahm die
Meldungen der andern vier Schiffe halbstündlich entgegen.
Die nächsten Transitionsvorbereitungen wurden getroffen.
»B-303!« rief Szardak ein wenig ärgerlich. »Wo bleibt Ihre Meldung?«
Die drei anderen Schiffe hatten bereits die Klarmeldung durchgegeben.
B-303 schwieg.
Nur ein Knattern drang aus dem Lautsprecher und das Rauschen der Statik.
»B-303! Captain Bishop! Was ist los?«
Keine Antwort.
Szardak schaltete die Verbindung zur Funk-Z ein.
»Wieso antwortet die B-303 nicht, Leutnant?«
»Keine Ahnung, Colonel. Unser Spruch kommt jedenfalls an. Kontrolle zeigt Grün!«
Janos Szardak versuchte es noch ein paarmal.
Endlich durchbrach eine kaum verständliche menschliche Stimme das Rauschen der
Statik. .
».. . gut verstehen . . . eigener Funk ... Fehler!«
»Auch das noch«, brummte der Colonel. »Ich habe verstanden, Bishop, daß Sie uns gut
verstehen, aber im eigenen Funk eine Fehlerquelle haben. Sorgen Sie für sofortige
Behebung und achten Sie auf meine Befehle. An alle: Transition wie vorgesehen in drei
Minuten.«
Die Suprasensoren wurden entsprechend gefüttert.
Nichts stand dem Sprung mehr im Wege.
Von einem Augenblick zum andern mußten die fünf Schiffe eine Distanz von mehr als
fünfzigtausend Lichtjahren überbrücken. Für die meisten Raumfahrer war dieser Vorgang
immer mit etwas Unheimlichem verbunden. Der Verstand konnte nicht fassen, daß sich
ein Gegenstand, ein Mensch, ein ganzes Raumschiff mit vielköpfiger Besatzung praktisch
ohne Zeitunterbrechung von einem Ort zum andern befördern ließ.
Man schloß hier die Augen und öffnete sie wieder fünfzigtausend Lichtjahre entfernt.
»Achtung!« rief Szardak.
Die S-Kreuzer sprangen.
Die Konstellation der Sterne hatte sich verändert. Tausende von Diamanten glitzerten in
der samtenen Schwärze des Alls.
Die Navigations-Ortung klickte.
Und dann hob der Chef-Navigator überrascht den Kopf.
»Was ist los, Captain Saragossa?«
»Ich verstehe nicht, Colonel. Entweder stimmt unsere Berechnung nicht, oder ...«
Er beugte sich nochmals über sein Gerät.
Verwirrt schüttelte er den Kopf.
»Der Sprung, Colonel. . . wir haben nur eine Entfernung von 3500 Lichtjahren hinter uns
gebracht.«
»Aber, das ist doch unmöglich!«
Janos Szardak kümmerte sich höchstpersönlich um die Angaben. Von allen Schiffen kam
die Bestätigung.
Nur von der B-303 ging ein verstümmelter Spruch ein. Captain Bishop und seine Leute
gingen sofort an die Reparatur ihrer Funkantennen.
Es gab jedoch keinen Zweifel. Der vorgesehene Großsprung war mißglückt.
Janos Szardak rieb sich seine Nase aus Plastikmaterial. Die biologischen Haftschalen vor
seinen Pupillen verrieten nichts vom Blitzen seiner Augen.
»Wo befinden wir uns?«
»Einen Moment, Colonel«, bat Saragossa der die Speicherdaten des Bordgehirns abrief.
Nachdem die Folie ausgestoßen worden war, warf er einen Blick darauf und sagte dann
erregt: »Wir befinden uns in relativer Nähe von Esmaladan, dem Planeten der Utaren.«
»Esmaladan . . .?« wiederholte Szardak verwundert und schüttelte den Kopf. Sein
Ringraumer-Verband sollte sich einen Fehlsprung geleistet haben?
Noch einmal erlebte er die Einleitung der Transition.
Sie flogen mit 0,8 Licht. Die Sprung-Koordinaten lagen fest, ebenso der Eintauchpunkt
ins normale Universum. Die beiden Intervalle waren abgeschaltet worden – die
Transitions-Bremse. Die M-Konverter im Schiff wurden superpromptkritisch. Der
steuernde Suprasensor, das Bordgehirn, hatte auf Sternensog geschaltet. Das un definierbare Pfeifen im Schiff war lauter und durchdringender geworden. Und dann
erfolgte der Sprung.
Er sollte über eine Distanz von 50.000 Lichtjahren gehen. Tatsächlich hatten sie nur
knapp 3.500 Lichtjahre zurückgelegt,
Szardak zuckte mit den Schultern. Die Ursache für diesen unerklärlichen Fehlsprung
hatten die Experten so schnell wie möglich zu finden, oder der gesamte Einsatz mußte
abgebrochen werden. Er stand sowieso unter einem Unstern. Die B-303 unter Captain
Bishop hatte Funkschaden. Ebenfalls eine Seltenheit auf Schiffen der TF.
Diese Sorge lenkte ihn vom Fehlsprung kurzfristig ab. Colonel Szardak beugte sich zu den
Sprechrillen vor und rief über die Funk-Z die B-303 an.
»Wie weit sind Sie, Captain Bishop? Bald fertig mit der Reparatur?«
Einen Augenblick später kam Bishops Stimme klar aus den Lautsprechern.
»Es dauert noch eine Weile, Colonel. Geben Sie uns noch eine halbe Stunde, bitte!«
»Einverstanden, Bishop. Inzwischen werden sich unsere Wissenschaftler den Kopf
zerbrechen, warum unser Sprung mißglück ...«
»Colonel! Ein Funkspruch«, unterbrach die Stimme des leitenden Offiziers aus der Funk-
Z Janos Szardak. »Verschlüsselt, Colonel. Ausgangspunkt Esmaladan.«
»Her damit!«
Szardak warf sich in seinen Sitz. Alle Blicke richteten sich auf ihn, und gespanntes
Schweigen setzte ein.
Die Entschlüsselungsautomatik trat in Tätigkeit. Endlich konnte Janos Szardak die
gestanzte Folie dem Auffangkorb entnehmen.
Die Meldung kam von Mom, der Hauptstadt der Utaren. Sie enthielt eine Warnung.
»Terraner«, hieß es, »hütet euch vor den schwarzen Raumschiffen. Sie machen sich
unsichtbar und tauchen nur für Augenblicke aus ihrer Unsichtbarkeit auf. Sie sind mal
hier, mal dort. Aus ihrem vollkommen arbeitenden Deflektorschutz eröffneten sie ein
gigantisches Feuer. 18 unserer glorreichen Pyramidenschiffe wurden bisher von ihnen
vernichtet. Wir warnen euch!«
»Hm«, brummte Szardak.
Es gehörte zu seiner Pflicht, die Besatzungen zu informieren. Immerhin bestand Gefahr
für die fünf S-Kreuzer, urplötzlich von diesen mysteriösen unsichtbaren Raumschiffen
angegriffen zu werden.
»Stellen Sie eine To-Funkverbindung mit Mom her, Leutnant. Ich möchte einige
Rückfragen stellen. Saragossa! Welche Entfernung bis Esmaladan?«
»192 Lichtjahre, Colonel.«
Die Verbindung mit den Utaren kam schnell.
Der Entschlüsseler mußte wieder in Tätigkeit treten.
»Wir danken für eure Warnung«, funkte Janos Szardak. »Gebt uns bitte die genaue
Koordination bekannt, wo eure Schiffe vernichtet wurden.«
Gespannt wartete er auf die Antwort. Unruhig beobachtete er den Eingang des Spruchs
und trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf das Pult, bis endlich die Folie in den
Korb fiel. Er riß sie an sich.
»Koordinaten Gelb 18:02,61; Rot 01:55,22; Grün 84:07,81.«
Szardak wedelte die Folie hin und her.
»Wo ungefähr ist das, Saragossa?«
Der Chef-Navigator betätigte ein paar Tasten. Als seine Antwort kam, klang seine Stimme
rauh und belegt.
»In unmittelbarer Nähe des CF-456 Systems, Colonel. Genau gesagt, 13 Lichtjahre
entfernt.«
»CF-456 .. . CF-456«, murmelte Szardak unruhig. »Wo habe ich denn dieses System in
den letzten Tagen ... die EAGLE!«
Es war fast ein Schrei.
Entsetzt starrte Janos Szardak auf die Folie, die diese Nachricht enthielt.
Die Vernichtung der Pyramidenraumer der Utaren war in nur 13 Lichtjahren Entfernung
von dem Planeten geschehen, von dem der Funkspruch über die Notlandung der EAGLE
gekommen war.
Möglicherweise bedeutet das Gefahr für Major Al Jones und seine Männer.
Vor Janos Szadaks innerem Auge spielte sich in diesem Augenblick noch einmal der
Kampf der Nogk-Schiffe und der Ringraumer mit der unbekannten Gefahr ab. Die
Erinnerung daran war noch zu frisch, um etwas von ihrer furchtbaren Dramatik verloren
zu haben.
Colonel Janos Szardak erkannte, daß er mit seinem zahlenmäßig schwachen Verband bei
einem Kampf mit diesem unbarmherzigen Gegner unterlegen sein mußte.
Aber die EAGLE brauchte notwendig Hilfe.
In diesem Augenblick zählte das Expekt nicht.
Das Leben ging vor.
Das Leben der Menschen.
Auch das Leben der Utaren.
Die kleinen Fremden mußten doch daran interessiert sein, den Feind zu stellen und zu
verhindern, daß weitere Angriffe auf Pyramidenraumer erfolgten.
Gemeinsam konnten sie möglicherweise diese grausame Intelligenz, die gnadenlos und
aus dem Dunkel heraus wahllos Leben vernichtete, zur Strecke bringen.
Vereint schlagen, das mußte die Devise sein.
»Funk-Z! Bitten Sie die Utaren, uns eine Landeerlaubnis zu erteilen. Wir wollen beraten.
Noch etwas! Keine Verbindung mit Terra herstellen. Die Fremden könnten mög licherweise die Position der Erde feststellen. Auch jetzt noch nicht die EAGLE anfunken.
Verstanden?«
»Verstanden, Colonel!«
Die Utaren erteilten Landeerlaubnis.
Fünf Ringraumer steuerten Mom an, die Hauptstadt Esmaladans.
* Esmaladan sprang die Männer an.
Der Planet wurde schnell größer. Ein faszinierendes Bild bot sich den Augen der fünf
Ringraumerbesatzungen.
Fast besaß Esmaladan ein wenig Ähnlichkeit mit Terra.
Die Vergrößerungsoptiken brachten Ausschnitte näher heran.
Reizvolle Täler breiteten sich aus, bewaldete Hügel. Die Farbe des Blattwerks war jedoch
fremdartig und bewies, daß man sich nicht Terra näherte.
Von dem Bericht des ersten Besuchs eines Menschen auf diesem Planeten kannten die
meisten Raumfahrer Esmaladan. Wenigstens vom Hörensagen. Außerdem war Major
Neeps Bericht Unterrichtsstoff auf allen Kadettenschulen.
Gelbgrüne Grasflächen leuchteten auf, hin und wieder mit einem auffälligen Stich ins
Blaue. Einzelne Bauwerke wurden sichtbar, aber sie lagen so unter Buschwerk versteckt,
daß man ihre Form nicht ausmachen konnte.
Glitzernde Flüsse und Seen lockerten das Panorama auf.
Und dann tauchte die Landebahn auf.
Sie war nicht, wie auf Terra und allgemein auf den von Menschen besetzten Planeten eine
Landebahn auf der Oberfläche des Planeten gebaut, sondern diese Piste befand sich
mehrere Meter über der Oberfläche und bot eine kreisrunde Fläche aus schimmerndem
Metall als Parkplatz an.
Kreisrund – das war die geometrische Grundform der Utaren. Schon Major Neep hatte
davon berichtet.
»Landen und abwarten«, befahl Colonel Szardak. »Alle Männer bleiben an Bord.
Niemand verläßt ohne meinen ausdrücklichen Befehl die Schiffe.«
Jeder konnte sich aus Major Neeps Bericht in etwa vorstellen, wie die Utaren aussahen,
mit denen zusammen sie nun eine Jagd auf unsichtbare Raumschiffe zu machen
gedachten.
Und doch war jeder Mann an Bord der S-Kreuzer neugierig, die kleinen Humanoiden zu
Gesicht zu bekommen.
Die Schiffe landeten. Niemand ließ sich blicken. Offenbar wurden die S-Kreuzer nun erst
einmal genau unter die Lupe genommen.
Eine technisch begabte Intelligenz, wie sie die Utaren nun einmal darstellten, besaßen
Mittel und Wege, auch das Innere geschlossener Raumschiffe genau abzutasten.
Die Geschichte der Raumfahrt lehrte auch, daß sich schon manchmal ein Kuckucksei
unter seinen eigenen befand.
Colonel Janos Szardak beobachtete die kreisrunde Landefläche ganz genau.
Endlich begann sich das Metall zu verfärben.
Sie kamen!
Der Boden an der verfärbten Stelle tat sich zu einer kreisrunden Öffnung auf.
Ein A-Gravlift.
Keine Ungeheuer traten hervor. Keine Riesen oder scheußlich anzusehende Fremde, die
dem Menschen schon auf den ersten Blick Furcht einjagten.
Sechs Utaren traten hervor.
Kaum größer als einen Meter. Liliputaner.
Gelassen und hoheitsvoll blickten sie aus ihren dunkelblau strahlenden großen
Knopfaugen zu den Schiffen herüber.
Szardak machte sich für den Ausstieg bereit.
Wenig später stand er den Utaren allein gegenüber.
Alles war menschlich an den Utaren, nur die Augen harmonierten nicht mit ihrer
Körpergröße. Aber gerade diese dunkelblau strahlenden, leicht oval geformten
Knopfaugen gaben ihrem Gesicht eine unbeschreibliche Ausdruckskraft.
Die sechs Utaren standen da und rührten sich nicht. Die Arme hingen herunter, aber die
Innenseiten ihrer Handflächen waren den Terranern zugekehrt Alles an ihnen war blau.
Das Gesicht, die vierfingrigen Hände und auch das kurzgeschnittene Haar besaß einen
Stich ins Blaue.
Colonel Janos Szardak zeigte ihnen ebenfalls die Innenseiten seiner Hände. Er wußte, daß
diese Geste eine Höflichkeitsfloskel der Utaren war.
Die Utaren schienen für Schockfarben zu schwärmen. Ihre enganliegende Kleidung war
bis hinauf zum Hals geschlossen und mit reichlichen Ornamenten und geometrischen
Figuren besetzt. Diese Aufdrucke leuchteten in den verschiedensten Farben. Auf dem
linken Unterarm befanden sich zwei blutrote Kreisflächen.
»Die Kleine Weisheit grüßt Sie, Colonel Szardak«, sagte der Kleine am linken Flügel.
»Darf ich die Bitte aussprechen, mir zu folgen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehten sich die Utaren um und schritten auf den A-
Gravlift zu. Janos Szardak folgte ihnen ohne Bedenken.
Er schwebte mit den sechs Fremdlingen in der Minus-Sphäre nach unten.
Eine farblose Wand wich geräuschlos zurück, und Szardak fand sich in einem riesigen
Saal wieder, der eine Art Kongreßhalle darzustellen schien.
Zehn schwarzgekleidete Utaren erwarteten Szardak.
»Die Große Weisheit dankt für den Besuch der Terraner. Die Kleine Weisheit möge sich
zurückziehen. Ich bin Ya Yaki, der Sprecher der Großen Weisheit.
Ya Yakis Knopfaugen strahlten den Colonel an.
Szardak deutete eine leichte Verbeugung an.
»Ich danke für die Ehre, empfangen zu werden. Können wir ausnahmsweise einmal auf
alle Höflichkeitsfloskeln verzichten und zur Sache kommen? Ich nehme an, Sie befinden
sich in Alarmzustand.«
Ganz gegen seine Erwartung stimmte die Große Weisheit sofort zu, obwohl aus dem
Unterrichtsmaterial Major Neeps hervorging, daß die Utaren mit ihrer übertriebenen
Höflichkeit jeden normalen Menschen fast zur Weißglut treiben konnten.
»Die Große Weisheit hört den Vorschlag des Terraners. Colonel Szardak möge sofort zur
Sache kommen.«
»Danke. Der Funkspruch enthielt die Nachricht, daß 18 Ihrer Pyramidenraumer von einem
unsichtbaren Feind vernichtet wurden. Da ich die Qualität Ihrer eigenen Raumschiffe
kenne, muß dieser Gegner über unwahrscheinliche Kräfte verfügen ..«
»Die Große Weisheit dankt für die Anerkennung unserer Technik.«
Szardak winkte ab.
»Ich selbst verfüge im Augenblick nur über fünf kampfkräftige Raumschiffe. Wir be fanden uns auf einer Expedition. Aber das nur nebenbei. Ich möchte Ihnen gern helfen.
Nicht nur weil Terraner und Utaren Freunde sind, sondern auch deshalb, weil sich
möglicherweise ein terranisches Raumschiff in Not befindet.«
»Wie wollen Sie uns helfen?« »Sie stellen mir einen kampfkräftigen Verband zur
Verfügung, und gemeinsam wird es uns gelingen, den mörderischen Gegner zur Strecke
zu bringen.«
»Fünf Utarenschiffe und fünf Terra-Schiffe«, sagte Ya Yaki.
Janos Szardak schüttelte unwillig den Kopf.
»Ich darf die Position Terras nicht verraten. Deshalb kann ich keinen Funkspruch
abschicken, um unsere Flotte in Marsch zu setzen. Aber Sie können mir einen Verband
zur Verfügung stellen.«
»Zehn Schiffe, Colonel Szardak«, sagte Ya Yaki.
Der Colonel geriet ins Schwitzen.
»Große Weisheit. Wir könnten hier noch Stunden sitzen und feilschen. Ich brauche nicht
fünf, nicht zehn und auch nicht hundert Schiffe. Wenn der Gegner sich unsichtbar machen
kann, schlägt er aus dem Dunkeln zu, und wir haben das Nachsehen. Unsere Stärke wäre
die zahlenmäßige Überlegenheit. Ich brauche tausend Pyramidenraumer.«
Der blaue Ton der Gesichtshaut des Sprechers der Großen Weisheit änderte sich. Er
wurde kräftiger. Das Funkeln der Knopfaugen wurde intensiver.
»Unmöglich«, stieß Ya Yaki hervor. »Ich muß die Weisheit um Rat fragen.«
»Fragen Sie«, brummte Szardak ungerührt.
Ya Yaki verließ den Saal, und Szardak machte sich schon auf eine lange Wartezeit gefaßt.
Der Utare kam jedoch schneller wieder als erwartet.
Er nahm wieder in seiner typischen Hockstellung Platz und bewegte die Arme in seiner
typischen Haltung. Die Handflächen wiesen auf den Colonel.
»Wir geben den Startbefehl für einen Verband, Colonel Szardak. Der Rest unserer Flotte
bleibt zum Schutz der 1,2 Milliarden Utaren auf Esmaladan, da die Weisheit alles
daranzusetzen hat, unser Volk in Frieden leben zu lassen.«
»Völlig verständlich«, gab Szardak zu. »Zur Verteidigung des Planeten im Falle eines
Angriffes muß etwas getan werden. Wie stark ist ein Verband?«
»Hundertfünfunddreißig Schiffe!«
»Was?« begehrte der Colonel auf. »Nur hundert. . . Geben Sie mir fünf Verbände!«
Ya Yaki erhob sich zum Zeichen, daß die Unterredung als beendet anzusehen war.
»Der Verband hat bereits Startorder. Ich würde Ihnen raten, ebenfalls zu starten, Colonel.«
Janos Szardak knurrte etwas Unverständliches vor sich. Lumpige hundertvierzig Schiffe
gegen einen unsichtbaren Gegner!
Aber mit Worten wäre er keinen Schritt weitergekommen.
Also machte er gute Miene zum bösen Spiel und ließ sich wieder nach oben begleiten.
Die GO-Sonne Yaga strahlte freundlich herab. Esmaladan befand sich 3724 Lichtjahre
von der Heimat entfernt und besaß eine Schwerkraft von 0,87 Gravos. Es ließ sich leben
auf Esmaladan.
Szardak verabschiedete sich von der Kleinen und Großen Weisheit und begab sich an
Bord seines S-Kreuzers.
»Wir bekommen Gesellschaft«, berichtete er über Vipho die Mannschaften der fünf
Kreuzer. »Ein Utaren-Verband begleitet uns. Funk-Z! Geben Sie an die EAGLE eine
Nachricht! Teilen Sie Major Jones mit, daß wir zur Hilfe kommen.«
»Sofort, Colonel!«
Szardak gab die letzten Startanweisungen.
Aber Al Jones, auf dessen Bestätigung der Colonel wartete, meldete sich nicht.
Die EAGLE schwieg.
»Start«, befahl Colonel Janos Szardak.
Der gemischte Verband hob von der kreisrunden Landepiste ab.
Szardaks Gedanken eilten schon weit voraus.
Lebten die Männer der EAGLE überhaupt noch?
* Sie lebten.
Major Al Jones versammelte nach der notwendigen Ruhepause seine Offiziere um sich.
»Vor einem Angriff von außen«, sagte er, »sind wir erst einmal sicher. Die kilome terdicken Metallschichten verhindern eine Ortung von oben. Aber ich bin gewillt, unsere
Nachbarschaft nach unten ein wenig zu erforschen. Daran wird auch die wissenschaftliche
Abteilung interessiert sein.«
»Natürlich, Major«, entgegnete Dr. Rubino. »Vielleicht könnten wir uns als Al tertumsforscher betätigen. Immerhin interessant zu wissen, ob hier jemals Intelligenzen
gewohnt haben.«
»Meine Sorge gilt unserer Sicherheit«, lächelte Al Jones. »Tyddern, Sie bleiben an Bord
und sorgen dafür, daß die Triebwerke wieder in Ordnung gebracht werden. Es kann lange
dauern, bis wir von Terra Ersatz bekommen. Ich schlage vor, wir bemannen R-Jett l und 2
und unternehmen eine kleine Reise in die Tiefe.«
»Hoffentlich nicht in die Hölle«, brummte Brom Tyddern.
»Unwahrscheinlich«, erwiderte der Kommandant. »Die Ortungen zeigen uns nur, daß die
Höhle in vielen Kurven tief ins Gebirge hineinzieht. Ich werde selbst mitfliegen. Leutnant
O'Sullivan, Sie übernehmen den Pilotensitz von R-Jett 1.«
»Jawohl, Major!«
»Ich selbst übernehme die Navigation in Nummer l, Leutnant Mossadec die Waf fensteuerung und Leutnant Hu-Lin den Funk. Sie, Dr. Rubino, übernehmen am besten den
freien Sitz des Begleiters. Wen schlagen Sie als Ingenieur vor, Tyddern?«
»Nehmen Sie Kapitanow mit. Der Bursche hat zwei linke Hände.«
»Gut. Nun zur Besatzung von R-Jett 2. – Ich glaube, Sie übernehmen die Maschine,
Captain Suratow. Captain Soltau bleibt zur Führung der EAGLE zurück.«
Die Männer waren einverstanden. Suratow bestimmte noch seine Crew, und dann
machten sich die Leute zum Unternehmen »Höllenfahrt«, wie sie Tyddern genannt hatte,
fertig.
Jack O'Sullivan war stolz darauf, R-Jett l fliegen zu dürfen. Er wollte dem Kommandanten
zeigen, daß man sich hundertprozentig auf ihn verlassen konnte.
Inzwischen war die Technische Abteilung schon längst wieder dabei, die so notwendige
Reparatur der Triebwerke fortzusetzen. Tydderns Flüche begleiteten die zum Aufbruch
bereiten Männer.
R-Jett l mit Major Al Jones an Bord übernahm die Führung. Die beiden Jetts verließen die
Schleuse der EAGLE und arbeiteten sich langsam zum Höhlengang vor.
Tiefe Finsternis herrschte hier unten.
»Scheinwerfer anstellen«, befahl Al Jones.
Von seinem Sitz hinter dem Navigationspult konnte er die beiden Strahler lenken.
Eine Stunde verging. Die beiden Jetts kamen langsam tiefer ins Gebirge hinein.
Aber die Fahrt wollte kein Ende nehmen. Die Scheinwerfer rissen immer wieder
tropfsteinartige Gebilde aus der Finsternis. Kilometerweit führte die Höhle stur geradeaus,
um dann plötzlich wieder nach einer eckigen Kurve in eine andere Richtung zu führen,
Der Funkkontakt mit der EAGLE stand. Alle zehn Minuten unterrichtete Leutnant Hu-Lin
das Schiff von der Position der beiden R-Jetts.
»Alles wohlauf. Keine besonderen Vorkommnisse!«
Einmal war Brom Tyddern in der Leitung.
»Na, Major, habt ihr die Hölle schon erreicht?«
»Von der Hölle keine Spur«, ließ Al Jones antworten. »Im Gegenteil. Hier herrscht
angenehme Ruhe. Landschaftlich nicht einmal schlecht. Aber wie sieht es mit den
Triebwerken aus?«
»Zum Teufel mit den Biestern. Fragen Sie in einer Woche nach, Major!«
Alles lachte.
Es gab auch keinen Grund zur Besorgnis.
Bis sie nach zwei Stunden Fahrt die nächste Kurve erreichten.
»Halt!« donnerte Al Jones plötzlich durch die Stille an Bord des R-Jett 1.
Jack O'Sullivan reagierte prompt. Er ließ den Jett nur mittels A-Grav schwerelos in dem
Höhlengang schweben, und Captain Suratow in Jett 2 blieb dicht hinter ihnen in der
gleichen Position.
Die Energie-Ortung hatte ausgeschlagen.
Verwirrt blickte Major Al Jones auf das Meßinstrument. Alle Blicke richteten sich auf
ihn.
»Vor uns steht eine Energiebarriere!«
Die Männer hielten den Atem an.
»Unmöglich«, rief Suratow aus dem Lautsprecher »Wo soll auf diesem gottverlassenen
Planeten eine Energiebarriere herkommen?«
»Was sagt Ihre Ortung?«
»Dasselbe, Major. Täuschung, nichts als Täuschung. Lassen Sie mich vor. Untersuche das
Ding.«
Al Jones warf einen Blick in die Runde. Er sah überall entschlossene Gesichter. Niemand
konnte sich vorstellen, daß es hier auf diesem Methanplaneten so etwas wie Leben geben
konnte. Und Energiebarrieren konnte nur Leben erschaffen haben.
»Vielleicht eine besonders starke Metallschicht«, wagte Jack O'Sullivan einzuwenden.
»Vielleicht«, gab Al Jones kurzangebunden zurück. »Wir werden der Sache auf den
Grund gehen. Weiter. Noch langsamer!«
Der Leutnant im Pilotensitz schob den Fahrthebel nach unten.
»Bleiben Sie zurück, Suratow«, befahl Al Jones. »Genügt, wenn einer von uns die Hölle
besucht.«
»Lassen Sie mich...«
»Das war ein Befehl, Suratow!«
Der Captain in R-Jett 2 gab eine knurrige Antwort, auf die niemand mehr hörte.
AI Jones biß sich auf die Unterlippe. Die Energiewand kam immer näher. Der Or tungsschirm zeigte deutlich an, daß die Wand einige hundert Meter dick sein mußte. Aber
über die Energiequelle sagte er nichts aus. Auch nicht über die Art der verwandten
Energie. Auf keinen Fall handelte es sich um eine auf Terra bekannte Strahlart.
»Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir mit unserem Leben spielen, meine Herren«,
wandte sich der Kommandant an seine Leute. »Es geht hier um einen freiwilligen Einsatz.
Wer aussteigen will, soll sich melden.«
Niemand antwortete darauf. Niemand.
»Ich wollte nicht an Ihren Mut appellieren, meine Herren. Ihre Meldung hat nichts mit
Feigheit zu tun. O'Sullivan?«
»Was ist?«
»Wollen Sie aussteigen? Ich übernehme den Pilotensitz.«
»Kommt nicht in Frage, Major. Ich bleibe.«
»Hu-Lin? Mossadec? Dr. Rubino? Kapitanow?«
Die Männer mimten emsige Betriebsamkeit.
»Okay. Langsam drauf zu!«
O'Sullivan bewies, daß er auch Gefühl besaß. Mit kleinster Fahrt ging R-Jett l in die
Kurve, und die Energie-Ortung schlug wie wild geworden aus.
Die Scheinwerfer rissen nichts als nackte Felswände aus der Dunkelheit, Sichtbar war die
Energiewand nicht.
Jacks Mund wurde trocken. Er wußte, daß sie alle mit ihrem Leben spielten und der Jett in
einer Sonne vergehen konnte.
Niemand sprach. Alle warteten auf irgend etwas.
Aber es geschah – nichts.
Der R-Jett schüttelte nur ein wenig. O' Sullivan hatte das Gefühl, von einem elektrischen
Schlag leicht getroffen zu werden.
Sonst nichts.
Ohne Aufforderung ließ er den Jett schneller durch die Energiewand fliege. Noch immer
schwiegen die anderen Männer hinter ihm. Nur im Spiegel konnte er die verzerrten
Gesichter sehen und die Entschlossenheit Leutnant Mossadecs, sein Leben so teuer wie
möglich zu verkaufen.
Der Waffenoffizier hielt die Zielsteuerung fest in der Hand.
Der Anzeigemesser der Energie-Ortung kippte langsam ab.
»Geschafft«, sagte Al Jones rauh. »Danke, meine Herren. Jetzt wird die Sache wieder
interessant. Wer hat die Energiewand aufgebaut? Und wofür? Die Antwort darauf werden
wir möglicherweise tiefer in der Höhle erhalten. Rufen Sie Suratow, Hu-Lin. Er soll
folgen.«
Leutnant Hu-Lin zuckte die Schultern nach ein paar Minuten.
»Suratow meldet sich nicht. Unser Spruch scheint nicht anzukommen.«
Major Al Jones warf sich in seinem Sitz herum. »Unser Funk in Ordnung?*
»Ja!«
»Rufen Sie die EAGLE!«
Hu-Lin versuchte es. Aber seine Schlitzaugen zogen sich nur noch mehr zusammen.
»Keine Antwort, Major. Könnte vielleicht die Energiewand ...«
»Bestimmt. Umkehren. Sofort. O'Sullivan!«
Jack gehorchte. Es bereitete ihm keinerlei Schwierigkeit, den R-Jett im geräumigen
Höhlengang zu drehen und erneut die Energiewand anzufliegen.
Wieder ein leichtes Schütteln des Jett. Kaum wahrnehmbar. Und wieder der leichte
Schauer, der nun allen über den Rücken fuhr.
Dann erreichten sie den R-Jett 2.
»Endlich«, stöhnte Suratow auf. »Wo haben Sie gesteckt, Major? Plötzlich war jede
Verbindung unterbrochen.«
»War bei Ihnen alles in Ordnung? Empfang und auch Sendung?«
»Natürlich. Ich habe schon die EAGLE unterrichtet. Was war los?«
Al Jones gab keine Antwort. Er ließ sich erst mit dem Kugelraumer verbinden. Soltau
bestätigte, daß keine Unterbrechung im Funkbetrieb eingetreten war, daß er nur plötzlich
weg gewesen sei.
»Die Energiebarriere ist schuld daran. Wir untersuchen weiter. Sie werden für einige Zeit
nichts von uns hören, Captain Soltau. Aber ich rate Ihnen, vorsorglich Alarmzustand
herzustellen. Die Tiefen der Höhle liegen unter einem absoluten Ortungsschutz. Wer
weiß, was wir dort noch erleben.«
»Alarmzustand hergestellt, Major«, erwiderte Soltau nüchtern.
R-Jett l und 2 nahmen wieder miteinander Verbindung auf. Al Jones befahl den
Weiterflug. Aber jeder Mann an Bord wußte nun, daß sie möglicherweise auf eine selt same Entdeckung stoßen würden.
Eine hochenergetische Schicht kam nicht einfach aus dem Nichts heraus. Irgend jemand
mußte sie aufgebaut haben.
Warum? Wofür?
Wer hatte sie aufgestellt?
Fremde?
Niemand wollte so recht daran glauben, daß es auf diesem Planeten Leben geben könnte.
Der Planet war tot. Eine Wüste. Voller Stürme, ohne jede Botanik.
»Was meinen Sie, Dr. Rubino?«
»Der Sache auf den Grund gehen, Major.«
»Sind alle der gleichen Meinung?«
Kopfnicken von allen Seiten.
»Gut. Weiter, O'Sullivan. Suratow, Sie folgen!«
Die beiden R-Jetts drangen weiter in das Höhlensystem vor. Kilometer um Kilometer
fraßen sie sich ins Dunkel vor.
Es wurde kaum gesprochen an Bord der beiden Jetts.
Jeder wartete auf irgendein Ereignis.
Rechts und links nichts als Felsen. Hin und wieder eine Metallader, die die Massen-
Ortung ausschlagen ließ. Ansonsten Feuchtigkeit, Tropfsteingebilde von bizarrer Gestalt –
und Dunkelheit. Tiefe Finsternis.
Die Scheinwerfer bohrten sich weiter ins Dunkel. Eine Kurve nach der anderen wurde
genommen, und der Höhenmesser zeigte bereits an, daß sie die normale Pla
netenoberfläche längst erreicht haben mußten.
Die Höhle nahm jedoch kein Ende.
Ganz unerwartet schlugen plötzlich jedoch Massen- und Distanz-Ortung aus. Und die
Werte der Distanz-Ortung veränderten sich. Mit anderen Worten: Vor ihnen bewegte sich
etwas:
Leben?
»Halt!« rief Al Jones sofort.
Die beiden Jett standen schwerelos im Höhlengang. Der Major versuchte sich darüber
klarzuwerden, was dieser erneute Beweis von irgend etwas Fremdem zu bedeuten haben
könnte.
»Es gibt Leben hier«, sagte er schließlich, selbst erschrocken über diese Tatsache.
»Unsinn«, begehrte Captain Suratow von R- Jett 2 auf. »Auf einem Methanplaneten mit
5,6 Gravos?«
»Es gibt keinen Zweifel. Wir sind auf Leben gestoßen. An alle: M-Anzüge schließen!
Vorbereiten auf Kontakt mit Fremden. Funkkontakt vorbereiten, Hu-Lin.«
Al Jones machte eine Pause und überlegte.
Dann gab er seinen entscheidenden Befehl:
»Wir fliegen weiter!«
* Die Entdeckung fremden Lebens auf einem bisher unbekannten Planeten reizt jeden
Raumschiffkommandanten.
Für eine solche Begegnung gab es auch ganz bestimmte Anweisungen der Terranischen
Flotte.
Jeder Kommandant mußte eigens dafür den Kursus Begegnung mit fremden Rassen und
unser Verhalten absolviert haben.
Al Jones wußte also, daß er zunächst die freundschaftliche Begegnung zu suchen hatte.
Jack O'Sullivan spürte den schalen Geschmack im Mund. Seine Handflächen wurden
feucht. Aber sein Wille, auch teilzuhaben an diesem Abenteuer, ließ ihn völlig nüchtern
handeln.
Einmal mußte die Begegnung mit einer fremden Macht kommen. Das hatte er gewußt,
und darauf hatte er seit Monaten gewartet.
Angst verspürte Jade in diesem Augenblick nicht. Nur Neugier.
Wie werden sie aussehen? Wie werden sie sich verhalten?
Vielleicht wußte man bereits von dem Kommen der beiden Jetts. Vielleicht verspürten die
Fremden in diesem Augenblick auch Angst und rätselten herum.
»Langsamer«, befahl Al Jones. »In die Hölle kommen wir noch früh genug!«
Es sollte scherzhaft klingen, aber der rauhe Unterton in der Stimme des Majors bewies
seine nervliche Anspannung.
Die Scheinwerfer fraßen sich durchs Dunkel.
Es gab kein Licht. Nirgends. Die Fremden steckten in völliger Finsternis.
Der verhältnismäßig schmale Höhlengang wurde ein wenig breiter.
Die Herzen der Männer in den beiden Jett klopften schneller, heller oder dumpfer, je nach
Mentalität.
Nur einer von ihnen hatte scheinbar überhaupt keine Nerven.
Mossadec. Leutnant Mossadec. Seine muskulöse Hand hielt die Zielsteuerung umfaßt, als
ginge es um Schnelligkeit.
»Vorsicht, Mossadec«, warnte Al Jones. »Sie handeln erst auf ausdrücklichen Befehl.«
»Natürlich, Major«, knurrte der Waffenoffizier.
Der Major schwenkte die Scheinwerfer.
Nichts als feuchtes graues Gestein ringsum.
Aber dann standen die Lichtstrahlen plötzlich auf etwas Beweglichem!
Zwölf Männer, die Besatzungen der beiden Jett, starrten das Lebewesen an, das die
Scheinwerfer messerscharf aus der Dunkelheit hervorholten und die Optiken auf die
Bildschirme bannten.
Es war einen halben Meter hoch, milchigweiß – und plump.
Es bewegte sich auf kleinen Gliedmaßen. Das Schweigen dauerte an.
Die meisten Männer hatten gehofft, irgend etwas Humanoides zu Gesicht zu bekommen.
Die Vorstellung der meisten Menschen, wenn sie einem Fremden begegnen, müßte er fast
so aussehen wie ein Mensch, wurde hier in Sekunden zunichte gemacht.
Sie sahen den Fremden. Sie hielten den Atem an. Niemand sprach.
Da schlug die Hölle zu.
* Captain Suratow starrte das Wesen an. Seine Männer in R-Jett 2 wirkten ebenfalls wie
hypnotisiert.
Betäubt und fasziniert blickte man das fremde Wesen an, das sich auf den vielen
Gliedmaßen aus der Reichweite des Lichts zu entfernen versuchte.
Die Strahlen wanderten mit. Unbarmherzig und gefühllos.
Sekunden der Faszination.
Da erschien auf dem Funkschirm der Blip.
Hu-Lin in Jett l hatte den automatischen Anruf in Tätigkeit gesetzt.
Kontaktaufnahme!
Suratow und seine Männer warteten gespannt, während sich die vorgezeichnete Botschaft
abspulte.
Es war ein langgezogenes Summen, metallisch, ohne Unterbrechung, das die Stille in
beiden Jetts donnergleich durchbrach.
Erst seit einigen Sekunden lief ihr Anruf.
Da gellte ein Alarm durch den kleinen Jett.
Es war ein klägliches Winseln im infernalischen Dröhnen des winzigen Schiffskörpers,
Ausdruck einer zerbrochenen Hoffnung im Geschrei der taumelnden Männer, Grabgesang
im Bersten des Jett 2.
Der Fremdling dort draußen hatte zugeschlagen. Blindlings und erbarmungslos. Un menschlich.
Der R-Jett 2 flog in einer grellen Stichflamme auseinander.
Sechs Männer starben.
* Die Finsternis verschwand so plötzlich, daß eigentlich niemand so schnell zu reagieren
vermochte.
Die Alarmsirene schnitt durch die Stille und rüttelte die Männer aus ihrer Starre.
Rings umher war die Hölle.
Ein Feuerwerk bunter Eruptionen.
In einer Sonne ging R-Jett 2 unter.
Das bekam man gerade noch mit.
Dort, wo sich das Fremdwesen befunden hatte, existierte mit einemmal ein Gewitter.
Vorm Bildschirm explodierte ein so grelles Licht, daß die Männer unwillkürlich die
Augen schlossen. Und dennoch drang die atomare Helligkeit durch die Lider.
»'runter«, konnte Al Jones gerade noch schreien, bevor die Detonation des R-Jett 2 aus
den Lautsprechern dröhnte.
Das Inferno schien die Trommelfelle platzen zu lassen.
Nur ein Mann reagierte prompt.
Er schien darauf gewartet zu haben.
Als das erste Licht aufflammte, flog seine Faust nach unten.
Mossadec.
Kalt bis ans Herz. Kein Warten auf einen Befehl. Der Selbsterhaltungstrieb riß ihn mit.
Er jagte den Knopf der Zielsteuerung nach unten, während sich der R-Jett l schüttelte und
wie ein welkes Blatt im Wind flatterte.
Alle Antennen feuerten gleichzeitig ihre geballte Ladung an Energie hinaus.
Die Helligkeit nahm kein Ende. Selbst im Innern des Schiffes glaubte man den Gestank
verbrannter Materie zu spüren.
Der Strahlorkan breitete sich aus, und der Fremdling, der so unbarmherzig zuschlug wie
die Hölle, verging in grellen Explosionen.
Jack O'Sullivan hörte nur Al Jones Stimme.
»'runter!«
Er riß den Fahrthebel nach unten, und R-Jett l machte einen gewaltigen Satz aus dem
Feuerorkan heraus.
Die Männer wurden in die Sitze gepreßt.
Jemand schrie. Ein anderer stöhnte.
Al Jones dachte nur an seine Mannschaft. Suratow und fünf andere waren nicht mehr.
Obwohl sie den freundschaftlichen Kontakt gesucht hatten.
»Unternehmen Höllenfahrt!«
Brom Tyddern hatte in seinem Spott die Zukunft vorausgesehen.
In dieser Hölle wohnten Teufel!
In einer reinen Reflexbewegung hatte lediglich Leutnant Mossadec fünf anderen das
Leben gerettet.
Al Jones biß die Zähne so fest zusammen, daß ihm die Kiefer schmerzten.
Sein Befehl hatte sechs Männern das Leben gekostet. Nebel umwallte seine Sinne. Der
Selbstvorwurf trieb ihn fast an den Rand der Verzweiflung.
Zum erstenmal in seinem Leben sah Leutnant Jack O'Sullivan die verheerende Wucht
energetischer Strahlen.
Der Orkan fauchte über sie hinweg.
Getreu dem Befehl riß Jack den Jett nach unten. Die Teleskopbeine krachten zu Boden
und ließen das kleine Schiff wieder in die Höhe fliegen.
Die Finger krallten sich um die Hebel. Dank seiner Ausbildung als Testpilot ziviler Jetts
wußte er auch in diesen Sekunden angesichts des Todes instinktiv, was er zu tun hatte.
Die rechte Hand krallte sich um den Metallgriff des Leistungshebels. Das Triebwerk
heulte in schrillem Diskant auf.
Schweiß lief in Bächen von seiner Stirn.
Er ließ den Jett haarscharf an hervorspringenden Felszacken vorbeirasen.
Hinein in die Dunkelheit.
Hinein ins Leben.
Weg vom Inferno.
Erst viel später drang das entsetzliche Heulen des Triebwerks in sein Bewußtsein.
Da ließ die Anspannung nach.
Aus dem Heulen wurde ein beruhigender Summton. Vorsichtig setzte Jack O'Sullivan den
Jett zu Boden. Er wischte sich den Schweiß aus der Stirn und drehte sich um.
Mossadec starrte ihn an.
Fast lag ein Grinsen auf seinem Gesicht. Eine unerschütterliche Ruhe schien er zu haben.
Überhaupt keine Nerven.
Die andern regten sich ein wenig benommen in den Sitzen. Auch Major Al Jones.
Das scharfgeschnittene Gesicht des Negers wirkte schneeweiß. Die Augen glänzten wie
im Fieber. Al Jones sah seine Leute an, als blicke er durch sie hindurch.
»Was nun?« fragte Leutnant O'Sullivan.
Diese Frage schien den Major zu Besinnung zu bringen.
»Sie haben einen Orden verdient, Mossadec«, sagte er mit heiserer Stimme. »Auch wenn
Sie nicht auf Befehl handelten. Ihre Reaktionsschnelligkeit an den Strahlantennen hat uns
das Leben gerettet. Ich hoffe, Sie bleiben in Form, Mossadec!«
Den letzten Satz sprach er mit einer solchen Schärfe, daß Jack O'Sullivan unwillkürlich
ein kalter Schauer über den Rücken fuhr.
Die Worte bedeuteten nichts anderes als Rache!
Rache für das Leben von sechs Männern der EAGLE.
Aber die nächsten Worte bedeuteten genau das Gegenteil.
»Wir schießen trotzdem nur, wenn wir angegriffen werden. Vielleicht feuerten sie aus
Angst. Wir müssen noch einmal den freundschaftlichen Kontakt suchen.«
Jack verstand den Kommandanten nicht.
Wollte er, daß sie auch noch dran glauben mußten? Der Trotz regte sich in ihm.
»Wollen Sie diese Teufel noch schonen?«
Al Jones maß ihn mit einem langen Blick.
»Sie sind noch ziemlich jung, O'Sullivan. Deshalb verzeihe ich Ihnen dieses Wort. Wenn
Sie erst einmal mehr Erfahrung haben, werden Sie erkennen, daß man aus einer
verfahrenen Situation doch noch etwas machen kann. Starten Sie. Halten Sie sich genau
an meine Anweisungen.«
»Okay«, knurrte Jack widerwillig. »Ich hoffe nur, Mossadec hängt genauso an seinem
Leben wie ich auch.«
»Worauf Sie Gift nehmen können«, gab der Leutnant an der Waffensteuerung ungerührt
zurück.
Jack O'Sullivan brachte den R-Jett vom Boden ab. Draußen im Höhlengang herrschte
wieder tiefe Finsternis. Nur die beiden Strahlenbahnen der Scheinwerfer huschten hin und
her.
»Langsamer«, korrigierte Al Jones den Flug.
Alle Blicke waren auf den Schirm gerichtet.
Mossadecs harte Lippen umspielte ein leichtes Lächeln. Die dunklen Augen brannten wie
Feuer.
Jack O'Sullivan horchte auf das Singen des Aggregats. Die Maschinen liefen einwandfrei.
- Glücklicherweise. Er hatte schon befürchtet, daß sie bei dem Überfall der Fremden zu
Schaden gekommen sein könnten. Das hätte ihnen gerade noch gefehlt.
Langsam arbeitete sich R- Jett l durch den Höhlengang nach unten.
Irgendwann, das wußten sie alle, würden sie wieder auf die Fremden stoßen. Fragte sich
nur, ob sie dieses erneute Zusammentreffen überlebten.
Noch dachten die Männer an das Schicksal des R-Jett 2. Wenigstens war die Besatzung
sofort tot gewesen. Vielleicht hatten sie nicht einmal bemerkt, wie der Tod auf sie
zugerast war. Es war alles so verdammt schnell gegangen.
»Moment«, sagte Al Jones in die Stille hinein.
Jack reagierte mit einer Reflexbewegung.
Er riß den Leistungshebel zu sich heran und umklammerte ihn, als könnte er sich daran
festhalten.
Die beiden Scheinwerfer schwangen erneut herum. Diesmal vereinigten sieh die beiden
Strahlenbahnen auf einem Punkt dicht vor einer erneuten Kurve.
Die Blicke saugten sich an dem Bildschirm fest.
Da bewegte sich etwas.
Mitten im Gang, aus der absoluten Finsternis gerissen, hockten zwei Teufel.
* Colonel Janos Szardak war die Ruhe selbst.
Wer ihn genau beobachtete, mußte feststellen, daß der Colonel sogar heimlich vor sich hin
lächelte.
Die Utaren hatten ihn als Führer des Unternehmens anerkannt. Vielleicht hofften sie auch,
daß die Terranischen Schiffe die Angriffsspitze bilden würden.
Jedenfalls flog die B-301 als erstes Schiff in der Keilformation. Hinter dem S-Kreuzer
folgten die andern vier Raumschiffe Terras.
Die Pyramidenraumer der Utaren folgten wie gutdressierte Hunde.
Dabei schien niemand zu bemerken, daß Szardak den gemischten Verband direkt auf das
CF-456 System zuführte, wie es im terranischen Katalog verzeichnet war.
Ein Utare namens Mo Moku leitete den Verband der Utaren. Aber außer der einen
Begrüßung über Funk, nachdem sie gestartet waren, hatte Janos Szardak nichts von ihm
gehört.
Da die Schiffe der B-301 brav folgten, sah auch der Colonel keinen Anlaß, ein Gespräch
zu beginnen.
»Soll ich nochmals die EAGLE anrufen, Colonel?« erkundigte sich der Funk-Z-Offizier.
»Nein«, bestimmte Szardak. »Wir wissen nicht, wo der unsichtbare Gegner steht.
Womöglich verraten wir nicht nur uns, sondern auch das reparaturbedürftige Schiff. Aber
horchen Sie weiter. Vielleicht meldet sich irgendwann die EAGLE selbst.«
Die B-303 meldete sich.
»Wollte nur mitteilen«, kam Captain Bishops Stimme aus dem Lautsprecher, »daß unsere
Funkantennen wieder m Ordnung sind, Colonel.«
»Prima. – Saragossa! Wie weit noch bis zum Ziel?«
Der Captain am Navigationspult stellte eine kurze Berechnung an.
»Ungefähr eine Stunde Norm-Zeit, Colonel.«
»Dann haben wir es bald geschafft.«
Weitere Minuten vergingen.
Die Spannung an Bord der fünf S-Kreuzer nahm zu. Der Colonel hatte alle Leute der
Besatzung darüber informiert, was ihnen bevorstand.
Obwohl die Wissenschaftler zuerst protestierten und darauf drangen, daß der alte Kurs
eingehalten wurde, hatte Colonel Janos Szardak sie schließlich davon überzeugt, daß das
Raumgesetz einfach von ihnen verlangte, Hilfestellung zu leisten, wenn ein anderes
Raumschiff in Gefahr war.
»Das Expekt«, hatte er gesagt, »kann warten. Es wird uns nicht davonlaufen. Sie werden
noch früh genug damit zu tun bekommen. Aber was würden Sie sagen, wenn wir
irgendwo notlanden müßten, weil unsere Triebwerke ausfallen und ein unsichtbarer Feind
steckt in unmittelbarer Nähe? Würden Sie nicht den terranischen
Raumschiffkommandanten verfluchen, der dicht an Ihnen vorbeirast und vorgibt, eine
andere Aufgabe erfüllen zu müssen? Sie würden ihn vor das Raumgericht bringen –
wegen unterlassener Hilfestellung.«
Die Wissenschaftler hatten dazu geschwiegen.
Es gab auch überhaupt kein Argument gegen Szardaks Worte.
Ein Schiff war in Not und in Gefahr.
Vielleicht wußten die Leute der EAGLE nicht einmal, welche Gefahr sie bedrohte.
Szardak hoffte nur, daß er nicht zu spät kam.
In ungefähr einer Stunde Norm-Zeit wußten sie mehr.
»Ortung an Kommandant!« schrie eine Stimme in die Stille hinein.
Szardak riß seinen Oberkörper nach vorn. Das verzerrte Gesicht eines Offiziers erschien
auf der Scheibe.
»Was ist?«
»Sturkturerschütterungen auf Blau, 42: 03,04, Colonel.«
Die Männer in der Zentrale der B-301 wußten, was das zu bedeuten hatte.
Blau 42:03,04 – das war in unmittelbarer Nähe des Planeten III im CF-456-System.
Blau 42:03,04 – das Ziel ihrer Reise.
Die EAGLE war in Gefahr – in höchster Gefahr.
* Die beiden Scheinwerferstrahlen standen auf den beiden Fremden.
Ohne daß Al Jones den Befehl dazu geben mußte, hatte Jack O'Sullivan R-Jett l zum
Stillstand gebracht. Der Jett schwebte einen Meter über dem Höhlenboden, nur vom A-
Grav gehalten.
Sechs Männer starrten die beiden Wesen an.
Sie waren milchiggrau. Jack wurde unwillkürlich an Fische erinnert, die seit Tausenden
von Generationen in einem Höhlensee lebten und nie einen Lichtstrahl sahen.
Es gab keinen Unterschied zwischen Kopf und Körper. Die Männer sahen nur Kopf oder
nur Körper.
Ein Kopf auf handlangen, aber armdicken Stummelbeinen. Zwanzig und mehr.
Die Spannung stieg ins Unerträgliche. Die beiden Fremden machten keinerlei Anstalten
R-Jett l zu überfallen. Wie vorher.
Mossadec wartete nur auf das geringste Anzeichen.
Die sechs Männer konnten sich in aller Ruhe die Bewohner dieser Unterwelt ansehen.
Al Jones schüttelte sich.
Das Ganze sieht nach einer überdimensionalen Melone aus, dachte er angewidert. Nach
einer Melone, der man den Hutrand abgeschnitten hat.
Auf keinen Fall hatten sie es mit humanoiden Wesen zu tun.
Die Oberfläche der Fremden war von vielen hundert funkelnden Punkten übersät.
Dieses Funkeln konnte bedeuten, daß es sich um die Augen der Fremden handelte.
Die beiden Wesen schienen für Licht nichts übrig zu haben. Sie bewegten sich. Die
Stummelbeine trugen sie aus dem Bereich der Strahlen heraus, und als Major Al Jones die
Strahlenbahnen folgen ließ, erkannten sie, daß die beiden Wesen in einem Felsgang
verschwanden.
»Näher heran«, hauchte der Major.
Jack O'Sullivan fühlte die Feuchtigkeit seiner Hände. Aber er gehorchte. Lautlos ließ er
R-Jett l mittels A-Grav nach vorn schnellen.
Der Felsspalt war nicht größer als die Wesen selbst. Kein Durchkommen für den Jett.
Der Scheinwerfer versuchte noch, das Dunkel des Ganges zu durchbohren, aber die
Lichtstrahlen faßten nur nacktes Gestein von bizarrer Formation.
Der Spuk war verschwunden.
»Scheußliche Biester«, sagte Dr. Rubino ehrfürchtig.
»Himmel!« stieß da Hu-Lin hervor.
Der Leutnant am Funk fiel fast vom Sitz.
Entgeistert starrte er auf den Lautsprecher, aus dem plötzlich verworrene Laute drangen.
»Heranholen«, befahl Al Jones.
Hu-Lin faßte sich und begann mit der Intensität eines Pianisten an den Knöpfen zu
drehen.
»Auf UKW«, sagte er dabei verwirrt. »Sie funken auf UKW. Wird doch bei uns kaum
noch benutzt.«
Gespannt wartete der Major. Aber Hu-Lin zuckte nur verzweifelt die Schultern.
»Klarer ist es nicht hereinzuholen. Davon ist nichts zu verstehen.«
»Versuchen Sie es trotzdem«, beharrte Al Jones.
Hu-Lin gab sich die größte Mühe. Aber aus dem Lautsprecher drang nur ein un verständliches Zischen, von einigen Stöhnlauten unterbrochen.
Verstehen konnte man nichts. Al Jones glaubte auch nicht, daß diese Sendung für sie
bestimmt war. Vermutlich verständigten sich die Fremden miteinander über UKW.
Das1 bedeutete wiederum, daß man einige Intelligenz von ihnen erwarten durfte.
Was jetzt? fragte sich Al Jones.
Umkehren oder nicht?
Durfte er seiner Mannschaft überhaupt noch zumuten, weiterhin hier unten zu bleiben und
womöglich dem gleichen Schicksal entgegenzusehen, das die Männer in R-Jett 2 ergriff?
Al Jones entschloß sich schweren Herzens, den Rückzug anzutreten.
Er erteilte den Befehl zur Umkehr.
Jack O'Sullivan sah sich nach dem Major um und wechselte einen schnellen Blick mit
ihm.
Aber Al Jones Gesicht war wieder eine undurchdringliche Maske. Kein Muskel regte sich darin. »Ist das Ihr Ernst?« fragte Jack. »Mein vollster Ernst, Leutnant.« »Okay!« Jack ließ den Leistungshebel sanft nach unten rasten. Der Jett setzte sich in Bewegung. Jack grinste vergnügt. Einen Streich wollte er dem Major dennoch spielen. Die Neugier hatte ihn gepackt. Nur noch einmal hinter die nächste Kurve sehen, dachte er. Das muß einfach drin sein. Niemand protestierte, als Jack O'Sullivan den sonst leicht beweglichen Jett ziemlich schwerfällig zu wenden begann und dabei so dicht an die eckige Kurve heranglitt, daß die Scheinwerfer langsam in den Gang hineinhuschten und herumschwangen. Alle Männer an Bord der Jett l hatten sich schon seelisch und moralisch auf den Rückflug vorbereitet. Da fuhr Major Al Jones plötzlich kerzengerade aus seinem Sitz. »Halt«, donnerte er. Jack O'Sullivan zuckte erschreckt zusammen, gehorchte aber prompt. Der Jett stand. Die Blicke der Männer saugten sich am Bildschirm fest. Nichts als Fels, nacktes Gestein. Eine Metallader glitzerte im Licht. Der Strahl begann sich langsam zu bewegen, verlor sich für einen Moment im Nichts – und blieb schließlich auf einem seltsamen Gebilde stehen. Im ersten Augenblick wußte niemand etwas mit diesem Gebilde anzufangen. Außerdem war es zu weit entfernt, um richtig gedeutet werden zu können. Nun packte auch Al Jones die Neugier. Er leckte sich erregt mit der Zunge über die Lippen und sah sich fragend nach seinen Männern um. »Sind Sie alle einverstanden, wenn wir uns das da vorn noch ansehen?« Niemand antwortete. Aber auch niemand protestierte. Al Jones wußte, es war gegen alle Vernunft, noch tiefer in die Welt der Fremden einzudringen, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Mußte es nicht als feindliche Haltung angesehen werden? Als Angriff vielleicht? »Mossadec! Sind Sie in Form?« »In Top-Form, Major!« »Wenn Sie das nächstemal so reagieren wie vorhin, liegt unser aller Leben vielleicht in Ihrer Hand.« »Ich werde mir die größte Mühe geben«, gab Mossadec trocken zurück. »Also – dann!« Al Jones nickte Jack O'Sullivan zu. Der junge Leutnant konnte es kaum noch erwarten. Jetzt wurde ihre Reise doch noch zu einer wirklichen Entdeckungsfahrt. Sanft ruckte der Jett an. O'Sullivan konzentrierte sich ganz auf den Kurs. Al Jones ließ die Scheinwerfer behutsam über jede Einzelheit gleiten. Hu-Lin schüttelte immer noch den Kopf über den zunehmenden Funkverkehr auf UKW. Alle konnten die Laute aus den Lautsprechern vernehmen. Die Frequenzen schienen sich zu überschneiden.
»Sind alle M-Anzüge geschlossen?« fragte Al Jones zur Vorsicht nochmals an.
Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten.
Das Schicksal des R-Jett 2 war vergessen. Vergessen der Tod Captain Suratows und
seiner Männer. Das Fieber hatte Al Jones und seine Leute gepackt, das Fieber, das seit
Jahrtausenden immer wieder Männer ergriffen hatte, die für die Menschheit Großes
leisteten.
Die sechs Offiziere hatten auch vergessen, daß sie im Notfall keinen Kontakt mehr mit der
EAGLE erhalten konnten. Die Energiewand stand im Weg.
Sie alle dachten nur noch an das seltsame Gebilde, das langsam näher rückte und Form
annahm.
Eine bizarre Form. Beweglich. Metallstreben reflektierten das Licht der Scheinwerfer »Eine Industrieanlage«, sagte Major Al Jones heiser in die eingetretene Stille hinein.
Er konnte recht haben.
Der Jett steuerte einen gigantischen Höhlendom an, in dem sich die Scheinwerferstrahlen
verloren.
Jack O'Sullivan konnte es kaum erwarten, diesen Dom endlich erreicht zu haben. Er ließ
den Jett noch schneller auf das Ziel zurasen.
Ein verrücktes, schlangenförmiges Gebilde nahm fast die ganze Breite der Höhle ein.
Was die Männer im Jett in Erstaunen versetzte, war die Tatsache, daß rechts und links von
diesem sich bewegenden Schlangengebilde Melonen sich an winzigen Maschinen zu
schaffen machten.
»Halten Sie an«, befahl Al Jones.
O'Sullivan gehorchte widerstrebend.
Kaum hundert Meter von dem als Laufband erkenntlichen Schlangengebilde hielt der Jett.
Schwerelos hing er in der Höhle.
Jack kratzte sich den Kopf.
»Seltsam«, murmelte er. »Die 5,6 Gravos sind weg. Ich brauche bedeutend weniger
Druck.«
Die Gravos interessierten seine Begleiter im Augenblick gar nicht. Fasziniert betrachteten
sie die Fließbänder.
Aber keiner der an den winzigen Maschinen arbeitenden Fremden beachtete den Jett.
Unbekümmert arbeiteten sie weiter und ließen sich auch nicht durch den Lichtstrahl
irritieren.
Leutnant Hu-Lin horchte auf die Laute aus dem Sender. Er spielte immer wieder an der
Feineinstellung, um herauszufinden, ob man sich mit ihnen in Verbindung zu setzen
versuchte.
Es blieb beim Zischen und Stöhnen. Auf jeder Frequenz.
»Fliegen Sie langsam über das Laufband hinweg, O'Sullivan. Mossadec! Achtung!«
»Ich gebe ihnen Zunder«, erwiderte der Waffenoffizier ungerührt. Vorsichtig näherte sich
der Jett dem
Schlangenband. Im Scheinwerferstrahl glitzerten die vielen hundert funkelnden Punkte
der Fremdwesen.
Jack schüttelte sich.
»Vorne Augen und hinten Augen«, murmelte er. »Aber sie tun so, als existierten wir gar
nicht.«
Al Jones ließ einen Lichtstrahl nach oben gleiten. Das Bild wanderte mit.
Links und rechts an den Wänden, überall diese verwirrenden Schlangenbänder. Und an
den Seiten Melonen. Unzählige von ihnen. Aber kein Fremder reagierte. Weder feindlich
noch freundschaftlich. Die Wesen taten so, als wäre der Jett gar nicht vorhanden.
Al Jones ließ sich durch diese Unbekümmertheit nicht täuschen. Jetzt merkte man seinem
Gesicht doch eine gewisse Anspannung an. Der Mund war verkniffen, und die Augen
huschten argwöhnisch in die Runde.
»Da hinten scheint alles zusammenzulaufen, Major«, machte Dr. Rubino den Kom mandanten aufmerksam.
Die Blicke richteten sich auf eine Stelle ziemlich in der Mitte der Höhle, die eine
Sammelstelle darzustellen schien.
»Näher heran«, hauchte Al Jones.
Jack O'Sullivan wurde ein wenig unbekümmerter.
R-Jett l schnellte davon, dann schwebte er langsam über der Sammelstelle hinweg.
Es war ein faszinierendes Bild.
Von unsichtbaren A-Gravbändern getragen, kamen von allen Seiten merkwürdige
Gegenstände herangesegelt. Sie verschwanden in einem großen Loch. Aber der Schein werfer, der sich auf diese Öffnung richtete, faßte ins Leere,
»Was wird da gebaut?« erkundigte sich Dr. Rubino interessiert.
»Keine Ahnung«, murmelte der Major. »Sehen Sie sich doch die Teile an. Völlig
verwirrend Aber an den Seiten hängen seltsame Fassungen.«
»Verbindungsstücke vielleicht«, ließ sich der Wissenschaftler wieder vernehmen. »Sehr
interessant. Könnte man nicht mal hinunter, um zu sehen, was aus diesen Einzelteilen
zusammengebaut wird?«
Der Wissenschaftler schien recht zu haben. Niemand an Bord des Jett vermochte sich
vorzustellen, was diese in verschiedenen Formen gebauten Einzelteile zu bedeuten hatten.
Sie mußten in einer anderen Höhle, die unter dieser Industrieanlage lag, zu einem großen
Ganzen zusammengefügt werden.
»Kreisen Sie noch mal um die Öffnung, O'Sullivan!«
»Okay, Major!«
Jack schob behutsam den Leistungshebel nach unten und ließ den Jett in eine sanfte Kurve
gehen.
Nichts hatte sich in der Höhle verändert. Die Schlangenbänder liefen nach wie vor ohne
Unterbrechung. Die Melonen arbeiteten emsig, ohne sich auch nur im geringsten um die
Eindringlinge zu kümmern.
Die A-Gravbänder trugen von allen Seiten verwirrende Metallkonstruktionen herbei.
Jett l kreiste direkt über der Öffnung.
Der Scheinwerfer tastete sich heran, und alle Blicke richteten sich auf den Bildschirm.
Da schlugen die Melonen zu.
* Es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Nicht einmal Leutnant Mossadec konnte so schnell reagieren, obwohl er die Zielsteuerung
die ganze Zeit umklammert hielt.
Der R-Jett erhielt einen Schlag, der ihn zuerst einige Meter emporwirbelte und dann wie
von der Sehne geschnellt nach unten taumeln ließ.
Jack O'Sullivan hatte schon einmal einen Höllenflug in einem störrischen Jett unter nommen. Damals beim Einfliegen der Hurrikan. Aber damals war ein Robone schuld
gewesen am Bocken der Maschine.
Dies war ganz anders.
Der junge Leutnant erkannte es sofort. Das heißt, zum Denken kam niemand mehr.
Es ging alles so rasend schnell, daß auch Al Jones gar keinen Befehl mehr erteilen konnte.
Jack riß zuerst den Leistungshebel zurück.
Half nichts.
Der Jett fiel wie ein Stein in die Tiefe.
Reaktoren aus!
Der Knopf knallte nach unten, daß Jacks Knöchel zu bluten begannen.
Rings um begann es zu heulen.
Andruckabsorber, durchschoß es Jack.
»Heilige Sonne!« Der Andruckabsorber hatte seinen Geist aufgegeben. Verdammt! War
durchgeschlagen.
Von hinten schrie jemand. Ein anderer folgte.
Befehle? Jack verstand kein Wort.
In seinem Kopf begann es zu rauschen wie in einem Wasserfall.
Da fiel jemand über Jacks Schulter.
Mit letzter Energie hatte sich der Kommandant nach vorn gearbeitet. Über Jack brach er
zusammen.
»A-Grav«, hörte ihn der junge Leutnant schreien.
Natürlich. A-Grav!
Jack zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Er rammte den A-Gravhebel bis zum
Anschlag nach unten.
Komm, bettelte er, du mußt nach oben!
Der Jett reagierte nicht.
Er fiel und fiel. Endlos scheinbar.
Wie lange fielen sie denn schon? Sekunden? Minuten? Stunden? Jack und mit ihm alle
anderen verloren das Zeitgefühl.
Wie tief war die Hölle?
Lichtjahre entfernt mußte sie sein.
Die Tränen der Wut liefen über Jack O'Sullivans Wangen. Auch das Fluchen half nichts
mehr.
Die Maschine schüttelte und pfiff wie eine alte Dampflok.
Alle Instrumente gaben ihren Geist auf.
Jack warf mit letzter Anstrengung einen Blick über die Schulter und suchte Mossadecs
Blick.
Der trommelte mit den Fäusten auf seine Zielsteuerung. Umsonst. Die Blaster schwiegen.
R-Jett l war waffenlos der Hölle ausgeliefert.
Jeden Augenblick mußte der Aufprall kommen.
Wie lange fielen sie denn schon? Sollte das ein ganzes Leben lang so weitergehen?
»Major!« flehte Jack O'Sullivan.
Er wollte leben. Wollte nicht zerschmettern, ohne noch einmal die heimatliche Sonne
gesehen zu haben.
Unten wartete der Tod.
»Teleskopbeine raus, Mann«, röchelte Al Jones und klammerte sich an O'Sullivans Sitz.
»Sind doch draußen, Major«, heulte Jack.
Man konnte kaum sein eigenes Wort verstehen. Das Rauschen dort draußen nahm an
Intensität zu, begann auch noch an den Nerven zu zerren, die ohnehin bald zerfetzten.
Jack packte nach Al Jones, bekam seinen Arm zu fassen und zerrte ihn hoch. Der Major
konnte sich ohne Halt des Sitzes kaum auf den Beinen halten.
Er drückte sich einfach neben den Leutnant in den Pilotensessel und starrte den
graugewordenen Bildschirm an, als müßte er von dort die Rettung erwarten.
Al Jones' Lippen zitterten, und Jack hörte ihn Worte murmeln, deren Zusammenhang er
nicht begriff.
»Ende ... unfähig, ein Schiff . . . versagt!«
»Major!«
Ein gellender Schrei hallte durch den Jett.
Dann kam das Ende.
Der Aufprall war furchtbar. Die Teleskopbeine, die eigentlich einen Fall abschwächen
sollten, das Schiff wieder in die Höhe federn lassen – sie knickten ein wie trockenes
Unterholz.
Der Aufprall schleuderte die Männer aus ihren Sitzen, aus den Haltegurten, nach oben
gegen die Decke.
Von dort fielen sie besinnungslos zu Boden.
R-Jett l lag zerschmettert am Boden einer Höhle.
Sauerstoff entwich zischend durch die Fugen nach draußen.
Methan strömte ins Kleinschiff.
* Major Al Jones war zäh.
Blinzelnd schlug er die Augen auf. Sofort spürte er den Schmerz in Kopf, Brust und in
den Beinen. Ein Messer schien in seinem Rücken zu stecken. Die erste Sekunde enthielt
Nebel.
Er wich nur langsam von ihm. Konturen traten schärfer hervor. Irgend jemand lag auf
ihm. Aber er konnte an dem Körper vorbeisehen und entdeckte Licht – das Licht eines
Scheinwerfers.
Es erschien Jones wie ein Hohn.
Alles hatte versagt. Aber dieser verdammte Scheinwerfer brannte. Einer nur.
Vorsichtig bewegte sich der Major.
Der Körper gehörte dem jungen Piloten. Schwer wie ein Ochse, dieser Bengel. Jones
begann zu keuchen.
Nach Luft ringend brachte Jones den Oberkörper hoch. Es gab nicht viel zu sehen. Das
Licht im Innern des Jett war ausgefallen. Nur durch die Fugen des zerborstenen Schiffes
konnte man den Lichtstrahl des Scheinwerfers sehen.
Er gab genug Helligkeit ab, um Jones das ganze Ausmaß der Katastrophe überblicken zu
lassen.
Mossadec lag zusammengekrümmt am Heck des Schiffes. Dabei war sein Platz gleich
hinter O'Sullivan gewesen.
Dann entdeckte der Kommandant auch den Funker. Hu-Lin hatte sich seinen Funktisch
übergestülpt. Nur die Beine schauten heraus. Aber glücklicherweise begann sich eines
dieser Beine nun zu bewegen.
Luft, durchzuckte es Al Jones. Herrgott, sie brauchten Luft. Methan mußte durch die
Risse des Jett geströmt sein.
Jetzt kam es darauf an, ob auch die M-Anzüge funktionierten.
Al Jones machte sich mit einiger Anstrengung von Jack O'Sullivan frei. Auf allen Vieren
kriechend untersuchte er dessen Luftzufuhr. Sie funktionierte. Auch der Puls war da.
Al Jones atmete auf.
»Freunde«, sagte er über Helmfunk mit einer Stimme, die ihm selbst fremd klang.
»Freunde, macht die Augen auf. Ihr lebt.«
Lebten sie wirklich alle?
Al Jones verbiß sich den Schmerz in Schläfen und Brust und schleppte sich hinüber Zu
Kapitanow.
Der Ingenieur schien die Natur eines Bullen zu haben. Als der Major sich über ihn beugte,
grinste Kapitanow. Ein wenig verzerrt zwar, aber er grinste.
»Hallo«, sagte er mit fremder, belegter Stimme aus Jones Lautsprecher.
»Sind Sie verletzt?«
»Mein Arm ist ein wenig gebrochen, Major. Diesen Schlitten werden wir nicht wieder
hinkriegen.«
»Macht nichts, Kapitanow. Irgendwie kommen wir wieder nach Hause.«
Nach Hause. Wie sich das anhörte. Aber Kapitanow legte nicht jedes Wort auf die
Goldwaage. Sein linker Arm hing schlaff herab. Mit Jones Hilfe konnte er sich aufrichten.
»Ich kümmere mich um den Jungen«, grollte er.
Während Al Jones weiterrobbte, um Hu-Lin von der Last des Funktisches frei zubekommen, kümmerte sich der Ingenieur um Jack O'Sullivan.
Der Funker lebte. Aber der schwere Funktisch hatte seine Rippen eingedrückt. Als ihn der
Major anrief, stöhnte Hu-Lin nur leise.
Dr. Rubino kam allein hoch. Zuerst blickte er ein wenig verwundert in die Runde, aber
dann brach er in einen Weinkrampf aus.
Kapitanow packte ihn am Gurt des M-Anzuges und schüttelte ihn hin und her.
»Kommen Sie zu Verstand, Mann. Sie leben. Das ist doch auch was wert, oder? Halten
Sie, gefälligst die Klappe, sonst schlage ich Ihnen die Zähne ein.«
Dr. Rubino beruhigte sich.
»Sie werden sich zu verantworten haben, Kapitanow. Wer sind Sie eigentlich, daß Sie sich
erlauben, in einem solchen Ton ...«
»Na, sehen Sie«, grinste der Ingenieur. »Jetzt werden Sie wieder vernünftig. Packen Sie
mit an. Hu-Lin kriegt keine Luft.«
Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den Funker unter dem Tisch hervorzuziehen. Sein
Gesicht war blau angelaufen.
Tatsächlich hatte die Luftzufuhr unter dem Druck des Funktisches gelitten.
Jack O'Sullivan, auf der Kadettenschule in Erster Raumhilfe ausgebildet und außer einem
verstauchten Fußgelenk heilgeblieben, ließ den Funker flach auf den Rücken legen.
Mossadec schraubte die Sauerstoffzufuhr ein wenig weiter auf, und der junge Pilot kniete
sich auf Hu-Lins Brust.
»Die Rippen, Mann«, fuhr Al Jones auf.
»Darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen, Major«, keuchte Jack. »Ich bin schon
vorsichtig. Die zerbrochenen Rippen liegen tiefer. Die Lunge braucht Bewegung.«
Zwei Minuten später schlug der Funker die Augen auf. Ein Schrei löste sich von seinen
Lippen.
Aber sein Gesicht nahm wieder Farbe an. Ein paar Tropfen Blut hingen in seinen
Mundwinkeln.
»Allein schafft er es nicht«, murmelte Mossadec. »Ich nehme ihn auf den Rücken. Sie
lösen mich ab, O'Sullivan.«
»Einverstanden.«
Al Jones sah jedem seiner Männer ins Gesicht. Was er bei der schwachen Beleuchtung
des einzigen noch funktionierenden Scheinwerfers sehen konnte, war die kalte
Entschlossenheit, solange zu kämpfen, bis man die EAGLE wieder erreicht hatte.
»Ich fühle mich schuldig«, sagte er einfach. »Schuldig am Tod der Männer in Jett l und an
dieser Katastrophe. Aber das werde ich nachher verantworten. Nehmt eure Blaster zur
Hand. Jetzt können wir keine Rücksicht mehr nehmen. Wir schießen auf alles, was sich
bewegt. Vorwärts. Suchen wir einen Ausgang.«
Die Schleuse klemmte.
Aber durch den Aufprall war eine neue Öffnung entstanden, durch die sie sich zwängen
konnten.
Der Major kletterte als erster ins Freie.
Wie zum Hohn beleuchtete der Scheinwerfer einen Teil einer Felswand, die nackt und
grau war.
Alle Männer sammelten sich um Al Jones. Mossadec hatte sich Hu-Lin über den Rücken
geworfen. Aber der schlanke Funker schien überhaupt keine Last darzustellen.
»Wir müssen nach Norden«, behauptete Dr. Rubino nach einem Blick auf seinen Anzug-
Kompaß.
Norden – das war der Teil der Höhle, der hinter ihnen im Dunkeln lag.
»Gut! Der Major faßte einen schnellen Entschluß. »Wenden wir uns nach Norden.
Irgendwie werden wir schon nach oben kommen. Waffen bereit?«
»Waffen bereit«, echote es von allen Seiten.
Mit einem letzten Blick auf den zerstörten Jett setzten sich die Männer in Bewegung.
Die Höhle war offenbar leer. Irgendwo mußte es jedoch einen Ausgang nach oben geben.
Hoffentlich nicht nur das Loch in der Decke, durch das sie heruntergefallen waren.
Da stutzte Al Jones.
Der Lichtstrahl seiner Notlampe ruckte zurück. Die Blicke der Männer folgten. Ihre
Schritte stockten.
Irgend etwas Metallisches hatte in der Ferne geschimmert.
Zuerst glaubte der Major an einen Spuk an eine Halluzination.
Dann löste sich jedoch ein Schrei von seinen Lippen.
»Flash!«
Jack O'Sullivan schüttelte benommen den Kopf. Er hatte diese Beiboote der POINT OF
während seiner Ausbildung als Raumkadett im Anschauungsunterricht zur Genüge
durchgekaut. Das, was sie da zu sehen bekamen, sah auch genauso aus.
Aber Flash, neun Stück an der Zahl – hier unten in der Hölle, im Besitz der Melonen?
Ohne daß Major Al Jones den Befehl zu geben brauchte, rannten die Männer auf die Flash
zu.
*
Sie kamen nicht weit.
Al Jones frohlockte bereits. Weit vor den anderen rannte er, als ginge es um sein Leben.
Hinter ihm keuchte Jack O'Sullivan, und daneben Mossadec, mit Hu-Lin auf der Schulter.
Der Funkoffizier stieß Verwünschungen in seiner alten Ahnensprache aus, die niemand
verstand.
Urplötzlich stürzte Major Al Jones.
Ein Gewicht sprang ihn an und drückte ihn zu Boden. Mit ihm wurden alle anderen zu
Boden gepreßt.
»5,5 Gravos«, stieß der Major noch hervor, bevor ihm die Sinne zu schwinden schienen,
Erstaunlicherweise war es diesmal Leutnant Hu-Lin, den Mossadec einfach von der
Schulter rutschen lassen hatte, der seine Zähigkeit unter Beweis stellte.
»Schwerkraftausgleicher an!« röchelte er.
Trotz seiner gebrochenen Rippen gelang es ihm als ersten, den Schwerkraftausgleicher im
M-Anzug hochzuschalten.
Taumelnd kam er auf die Beine und beugte sich über Leutnant Mossadec. Der Waf fenoffizier war am schwersten von dem Schwerkraftüberfall getroffen worden. Nicht nur
sein Gesicht vervielfachte sich mehr als fünfmal, sondern auch das des Verletzten, der auf
seiner Schulter gelegen hatte.
Nahezu besinnungslos lag er mit dem Gesicht am Boden. Hu-Lin ächzte und stöhnte, als
er ihn endlich herumgedreht bekam.
Mossadec sah den Funkoffizier verstört an, nachdem er sich von der Last der 5,6 Gravos
befreit fühlte.
»Sie?« fragte er erstaunt, »Ich dachte, Sie hätte es ganz schwer erwischt?«
»Kleiner Kratzer«, winkte Hu-Lin ab. »Aber Sie verstehen ja kein Wort, wenn man Ihnen
sagt, man kann alleine laufen. Das haben Sie jetzt davon.«
Mossadec schüttelte benommen den Kopf.
»Dann reden Sie das nächste Mal gefälligst in einer Sprache, die jeder versteht, zum
Teufel.« Er rappelte sich auf. »Was machen die anderen?«
Die anderen kamen langsam von alleine hoch.
Die Schwerkraftausgleicher der M-Anzüge arbeiteten einwandfrei. Zweifelnd wiegte
Major Al Jones den Kopf.
»Bei der Ausgabe dieser Anzüge warnte man uns, das Ding zu benutzen. Offenbar soll die
Strahlabschirmung nicht richtig funktionieren.«
»Darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen, Major«, knurrte Dr. Rubino. »Wir
müssen weiter. Aber ich glaube kaum, daß wir es bis zu den Flash schaffen.«
»Warum nicht?«
»Sehen Sie dort!«
Die Köpfe flogen herum. Im Lichtschein der Notlampe, die noch immer auf dem Boden
der Höhle lag, tauchten die merkwürdigen Fremden auf.
Einen Augenblick lang standen die sechs Männer wie erstarrt.
Langsam drehte sich Al Jones um.
Sie kamen von allen Seiten Das Funkeln der unzähligen Augen erinnerte an Glüh würmchen.
Melonen. Überall Melonen.
»Na dann«, sagte Mossadec ungerührt.
Er hielt plötzlich seinen Blaster in der Faust.
»Wiedersehen in der Hölle«, brummte er noch, bevor er Maß nahm.
Eine lodernde Energiebahn fauchte durch das Dunkel. Dort, wo eben noch ein
Fremdwesen herangetippelt kam, tobte sich nun eine grelle Explosion aus.
Die Finsternis der Höhle wurde jäh unterbrochen. Im Lichtschein der Explosion erkannten
die Terraner erst, welcher Übermacht an Melonen sie gegenüberstanden. Die ganze Höhle
schien mit ihnen bevölkert zu sein.
»Blaster weg – Schocker raus!« schrie Al Jones. »Rücken zusammen! Pyramide bauen!
Jeder eine Richtung. Sie fallen wie die Fliegen.«
Kaum ausgesprochen, benutzte der Major schon seinen Schocker.
Unnötiges Blutvergießen wollte er unter allen Umständen vermeiden. Man wußte nie,
wozu man diesen humanen Schachzug später noch einmal gebrauchen konnte.
Mossadec steckte knurrend seinen Blaster ein und benutzte ebenfalls den Schocker.
Rücken an Rücken stellten sich die sechs Männer zusammen und bildeten ein Ab wehrzentrum, das einer uneinnehmbaren Festung glich.
»Jeder Schuß ein Treffer«, jubelte Mossadec, der gehörig unter den Angreifern aufräumte.
Schon durch die schwächste Dosis wurden die heranstürmenden Melonen paralysiert und
kippten um wie die Fliegen.
Der Schweiß rann den Männern in Bächen von den Stirnen, aber die Zahl der Angreifer
wollte und wollte nicht geringer werden.
Schon hatten sie einen Wall besinnungsloser Melonen um sich herum aufgebaut, als
endlich Al Jones das Feuer einstellte.
»Jetzt«, rief er heiser. »Zu den Flash!«
Der Weg war frei.
Die Angriffswelle der Melonen war verebbt. Anscheinend heckten sie nun eine neue
Methode aus, den Terranern den Garaus zu machen.
Die Männer rannten um ihr Leben, noch immer die Waffen in den Fäusten.
Al Jones empfand es noch immer als einen Wink des Schicksals, daß sie ausgerechnet hier
und jetzt, als es gar keinen Ausweg zu geben schien, auf die neun Flash stießen.
»Jeder in einen andern Flash«, rief er seinen Leuten gehetzt zu.
»Aber wir kennen .. .«
»Macht nichts, O'Sullivan. Es gibt links vom Sitz einen roten Hebel. Nach unten drücken.
Er stellt die Bild- und Sprechverbindung her. Alles weitere innen. Los!«
Jeder suchte sich einen Blitz, und wenig später befand sich kein Mensch mehr in der
Höhle.
Jetzt konnten die Melonen kommen.
»Alle auf Empfang? Schnell, Meldung.«
Jeder einzelne meldete sich.
»Gut. Mit der Steuerung möchte ich Sie nicht erst vertraut machen. Das dauert einen
ganzen Tag. Diese Maschinen besitzen eine Gedankensteuerung. Geben Sie der Maschine
in Gedanken den Befehl, Sie zurück zur EAGLE zu bringen. Sie werden sehen, es
klappt.«
An ein Versagen der Gedankensteuerung wollte Al Jones gar nicht denken, durfte er gar
nicht denken.
Es mußte einfach klappen.
Intervall einschalten! Gespannt wartete der Major auf die Reaktion.
Das Intervall kam!
Jubelnd riß Al Jones die Arme hoch.
»Bravo! Es klappt. Zurück zur EAGLE! Sle hochfahren!«
Fast gleichzeitig starteten die sechs Blitze. Für fünf Offiziere war es das erstemal, daß sie
genau auf eine Felswand zuschossen und erschreckt die Hände vors Gesicht rissen, weil
sie glaubten, jeden Augenblick zertrümmert zu werden.
Aber das Gestein wich vor ihnen zurück, als bestünde es aus Butter.
Rasend schnell ging die Fahrt durchs Gestein.
Al Jones Gedanken wichen immer wieder von der EAGLE ab und kreisten um die
Melonen, mit denen man nicht ein einziges Mal ins Gespräch gekommen war.
Man wußte praktisch gar nichts von ihnen.
Um so überraschter war der Major, als er plötzlich eine unpersönlich klingende Stimme in
seinem Kopf vernahm.
Den Standort des 200-Meterraumers genauer beschreiben! Zuerst glaubte der Major, irgendein Fremdwesen versuchte ihn auszuhorchen, bis er
wieder einen klaren Kopf bekam und über sich selbst lächelte.
»Entschuldigung«, murmelte er. »Das war fast zuviel in den letzten Stunden.«
Er konzentrierte seine Gedanken auf die verlangte Antwort und gab den genauen Standort
der EAGLE an, das Schiff, das noch in der ersten großen Vorhöhle liegen mußte.
Endlose Minuten schienen zu verstreichen.
Endlich war der graue Fels durchquert.
Behutsam federten die Flash auf den Teleskopbeinen aus.
Die Rettungsfahrt war beendet.
Al Jones verließ seinen Blitz und wartete auf das Erscheinen seiner fünf Begleiter. Einer
nach dem andern kletterte heraus und streckte die Arme aus, um sie der EAGLE
entgegenzuhalten.
Doch einer nach dem andern ließ die Arme müde sinken. Betroffene Gesichter blickten
sich ratlos an.
Die Höhle war leer.
Es gab keine EAGLE.
* »Geben Sie eine Meldung an Mo Moku. Funk-Z. Wir unternehmen eine Kurztransition in
die Atmosphäre des 3. Planeten. Die Utaren sollen folgen.«
Die Funk-Z bestätigte den Befehl, und Colonel Janos Szardak ließ die Transition
vorbereiten.
Die Strukturerschütterung auf Blau 42: 03,04 bewies, daß die EAGLE in größter Gefahr
schwebte.
»Alles klar zum Sprung? Sie auch, Bishop?«
»Alles klar, Colonel Die B-303 ist wieder fit!«
»Wo bleibt die Nachricht der Utaren?«
»Kommt soeben auf Band, Colonel.«
Janos Szardak wartete ungeduldig. Er hoffte, daß die Utaren auch diesmal mitspielten und
den S-Kreuzern folgten.
»Spruch an den Kommandanten von Kommander Mo Moku. Wir folgen Ihnen!«
»Dachte ich mir's doch«, murmelte Szardak. »Sie glauben, wir spielen den Puffer. Na
denn!«
Die fünf S-Kreuzer tauchten in die giftige Methanatmosphäre des Planeten, auf dem die
EAGLE havarierte.
Die Alarmsirenen gellten durch die Schiffe.
Jeder Mann war auf seinem Posten.
Szardak ließ die Teleoptiken in Aktion treten.
Auf den Bildschirmen stand eine tote, völlig verödete Welt.
Szardak wandte sich an die Ortung.
»Können Sie was ausmachen?«
»Unbestimmt, Colonel. Entfernung etwa 3,5, auf Koordinaten Rot 21:05. Wenn wir etwas
dichter herankämen ...«
»Wir kommen dichter heran. Waffen-Steuerung! Für Sie gilt jetzt höchste Auf merksamkeit. Warten Sie nicht erst meinen Befehl ab. Feuern Sie! Feuern Sie einfach ins
Blaue, wenn Sie keinen Gegner sehen.«
»Wir sind auf dem Posten, Colonel!«
»Hoffentlich«, murmelte Janos Szardak. »Wo stecken die Utaren?«
»Sind bereits in unmittelbarer Nähe. Tauchen jeden Augenblick in die Atmosphäre!«
»Gut. Bishop! Bleiben Sie hier und erwarten Sie Mo Moku. Unsere Koordinaten kennen
Sie. Folgen Sie uns mit den Utaren.«
»Zu Befehl, Colonel.«
»Ab geht die Post!«
Vier S-Kreuzer nahmen Fahrt auf und rasten weiter über die zerklüftete Bergwelt hinweg,
über stilliegende Meere und ödes, unbewohntes Land.
Da ging plötzlich dicht über der B-301 eine Sonne auf.
Der atomare Explosionsschlag traf den Kreuzer mit ungeheurer Wucht und riß ihn
sekundenlang aus der Bahn.
Das Heulen der Alarmglocken füllte das Schilf.
Kreidebleich wandte sich der Offizier an der Ortung an den Kommandanten.
»Ich sehe nichts, Colonel!«
Janos Szardak wußte sofort, daß sie von den unsichtbaren Gegnern angegriffen, daß sie
selbst aber diese Fremden nicht ausmachen konnten.
Das bedeutete, daß die S-Kreuzer blindlings in eine Falle tappten.
»Noch weiter«, bellte der Colonel. »In die Nähe der Felsen. Schutz suchen!«
Links und rechts platzten atomare Kugeln mit faszinierenden Farben. Jedesmal
erschütterten die S-Kreuzer, aber einen Volltreffer gab es glücklicherweise nicht.
»Wo nur die Utaren bleiben«, stöhnte Szardak.
»Rufen Sie Bishop. Er soll sich beeilen.«
»Sie kommen, Colonel.«
Fast kamen sie zu spät.
Die Infrarotschirme zeigten plötzlich ein völlig verändertes Bild. Der atomare Überfall auf
die terranischen Schiffe schien den Planeten geweckt zu haben.
Dort, wo vorher noch dichte Methanatmosphäre gehangen hatte, wo die Trostlosigkeit
eines leblosen Planeten zu sehen gewesen war, – dort begann sich diese Welt plötzlich
gegen die Eindringlinge zu wehren.
Ein Sturm kam auf. Ohne Obergang. Völlig unerwartet für alle.
Colonel Janos Szardak fragte sich, ob dieser Sturm nicht eine gelenkte Sache sein konnte.
Aber dann kam schon der Bericht aus der wissenschaftlichen Abteilung.
»Die Ruheperiode ist vorbei. Offenbar wird der Planet alle zwanzig Stunden Norm-Zeit
von diesem Sturm heimgesucht, Colonel. Ein Methansturm. Er wird
Höchstgeschwindigkeiten erreichen, die uns unvorstellbar sind.«
»Was schlagen Sie vor?«
»Wir sollten Schutz suchen. Vielleicht im Gebirge.«
»Na schön. Suchen wir einen Gebirgseinschnitt. Halten Sie Kontakt mit den Utaren,
Funk-Z. Ortung! Achten Sie auf die EAGLE.«
Der Colonel gab den Befehl, die Schiffe in eine schützende Position zu bringen.
Aber die B-301 kam nicht weit.
Die Alarmsirenen schrillten wieder.
Auf den Bildschirmen erschienen plötzlich kleine Ballons, die beim Näherkommen
wuchsen, sich aufblähten, um dann am Intervall des S-Kreuzers mit unbändiger Kraft zu
explodieren.
Der Kreuzer dröhnte wie eine Glocke.
Colonel Janos Szardak starrte kreidebleich auf den Schirm. Ein Meer von lodernden
Farben breitete sich um sein Schiff aus.
»Das ist das Ende«, schrie jemand hysterisch.
Wieder und immer wieder detonierten die aufgeblähten Energieballons mit einer Hel ligkeit, die selbst von der vorgeschalteten Blende des Schirms nicht eingedämmt werden
konnte.
Die Glutbälle verloren ihre Formen, als wären Seifenblasen zerplatzt. Nadelfeine Strahlen
ungeheurer Energie schossen mit unglaublicher Schnelligkeit auf die Kreuzer zu. Mitten
aus den zerplatzten Ballons heraus.
Eine mörderische Waffe.
Das schlimme war, daß man den Ausgangspunkt der Abschüsse nicht feststellen konnte,
um sich zu wehren.
»Weg«, schrie der Kommandant. »Raus aus dem Inferno. Zick-Zack-Kurs einschlagen.
Kein Ziel bieten. Die Utaren sollen ihre Ortung einsetzen. Vielleicht sehen sie mehr.«
Die vier Kreuzer rasten über die sturmgepeitschte Ebene zwischen zwei sich weit in den
grauen Himmel erhebenen Gebirgsketten hinweg.
Volltreffer mußten die S-Kreuzer vernichten.
Hilflos klammerten sich die Männer an ihren Sitzlehnen fest.
In ihren Augen stand das Grauen, die Angst vor dem Tod, vor dem Ende.
Da gellte ein Schrei durch die Zentrale.
»Die Utaren... Ihre Ortung schlägt an!«
Der Kampfverband der Utaren mußte aus der Ferne miterlebt haben, welche mörderische
Energie auf die vier S-Kreuzer abgegeben worden war.
Sie hatten sich nicht an dem Kampf beteiligt, weil auch die Ringraumer kein Feuer
erwidert hatten.
Aber Mo Moku mußte alles darangesetzt haben, den Ausgangspunkt des Angriffs zu
ermitteln.
Janos Szardak vergaß die Angst der letzten Stunde. Seine ganze Konzentration galt nun
dem Bildschirm.
Die Utaren mußten irgend etwas unternehmen.
Das taten sie auch.
Es war ein faszinierendes Bild, als das Grau des Planeten plötzlich Farbe annahm, sich in
Blau verwandelte.
Aus sämtlichen Schiffen der Utaren wurde ein blaues Feld abgestrahlt, das von dem
Bildschirm zu leuchten begann.
Wie gierige Finger leckte dieses Blau in den Himmel hinein, begann sich umherzutasten
und blieb schließlich in einer Richtung stehen.
Das Leuchten nahm an Intensität zu. Hin und wieder funkelte es auf, und dem Colonel
jagte ein kalter Schauer über den Rücken.
Neep hatte von diesem Blauen Feld gesprochen, von seiner Machtlosigkeit, diesem Feld
zu entgehen, als er mitsamt seinem Schiff nach Esmaladan entführt wurde.
»Magnetstrahlen, denen man sich nicht entziehen kann«, hatte er berichtet.
Ob sie auch gegen den unsichtbaren Gegner erfolgreich sein würden, mußte sich jetzt
herausstellen.
18 Schiffe der Utaren waren von dem Feind schon vernichtet worden. Sie hatten sich nicht
wehren können. Auch nicht mit dem Blauen Feld.
Ob 135 Schiffe mehr erreichten?
Jetzt kam es auf die Utaren an. Denn die Terraner konnten im Augenblick nichts anderes
tun, als den Freunden die Daumen halten und hoffen.
Die feurigen Energiebälle bleiben aus.
Wenigstens ein Teilerfolg.
Da mußte das Blaue Feld irgend etwas erfaßt haben. Die Utaren setzten eine neue Waffe
ein.
Den Weißen Strom.
Nadelstrahlen fegten durch die dichten Atmosphäre des Planeten. Fast schien es, als
würde der Sturm, der noch immer die Ebene peitschte, diese Strahlen aus der Bahn reißen.
Aber es schien nur so. Die Methanschleier flimmerten unter der sengenden Hitze dieses
Weißen Stroms.
Die einzelnen Strahlenbahnen explodierten irgendwo dort oben am Endpunkt des Blauen
Feldes.
Ein mehrstimmiger Schrei hallte durch die Schiffe der Terraner.
»Sie werden sichtbar!«
Tatsächlich.
Die Unsichtbaren schälten sich aus dem Nichts.
Der ungeheuren Belastung durch das Blaue Feld und dem Weißen Strom hatten sie
offenbar nichts entgegenzusetzen.
Die Schutzschirme des Feindes waren machtlos.
»Waffensteuerung!« schrie Janos Szardak erregt. »Achtung! Jetzt kommt Ihre große
Stunde!«
»Da warten wir schon drauf, Colonel«, kam es hart und aggressiv aus dem Lautsprecher.
Noch war nicht viel zu sehen. Verschwommene Konturen schälten sich aus dem Dunkel.
Mo Moku schien noch mehr Energie in den Weißen Strom zu führen. Weißglühend fegten
die Bahnen durch die Methanatmosphäre. Eine geballte Ladung von 135 Schiffen.
Da brachen die Schutzschirme der Fremden zusammen.
Für die Unsichtbaren mußte eine Welt zusammenbrechen.
»Feuer«, donnerte Janos Szardak.
Sein Befehl erreichte alle fünf Waffensteuerungen der Ringraumer.
Die S-Kreuzer erbebten unter der Wucht der aktivierten Strahlantennen.
Das Ziel tauchte aus dem Nichts auf.
Aber ihre Umrisse waren noch immer nicht genau zu erkennen. Da schlug schon das
Feuer der Terraner dort oben ein.
Es hatte eine verheerende Wirkung.
Der Umwandlungsprozeß setzte ein.
Die platzenden Seifenblasen waren schon hell gewesen. Was nun geschah, machte die
Männer fast blind. Die Schutzblenden versagten offenbar den Dienst.
Die Offiziere in der Zentrale der B-301 rissen sich die Hände vor die Augen. Dennoch
drang die Lichtflut durch die Finger.
Drei Sonnen gingen auf.
Janos Szardak hatte nur erkennen können, daß es sich um schwarze Schiffe gehandelt
haben mußte. Schwarze Schiffe, die sich unsichtbar machen konnten. Ob sie rund waren
oder eckig, in Pyramidenform oder als Ovale – das war niemandem klar.
Die Sonnen platzten.
Ein glühender Regen ergoß sich über den Schirmen.
Das Inferno dauerte Minuten an.
Schreie und Stöhnen an Bord der Terraner.
Angehaltener Atem bei Colonel Janos Szardak.
Eine beängstigende Stille setzte ein. Der Höllenspuk war vorbei. Aber die Stille hielt an.
Bis die Funk-Z eine Verbindung mit Mo Moku herstellte.
»Hat der Terraner die Form der Fremden erkennen können?«
»Nein. Ihr auch nicht?«
»Nein. Es ging viel zu schnell. Aber wir haben Leben ausgelöscht. Das wissen wir. Und
das betrübt uns.«
»Was soll das?« fragte Szardak unwillig. »18 eurer Schiffe wurden von ihnen vernichtet.
Wir wurden angegriffen. Hast du das vielleicht vergessen, Mo Moku?«
»Die Utaren vergessen nicht. Aber wir hätten gern gewußt, wen wir vernichten, und wem
wir den Tod von achtzehn Besatzungen anzukreiden haben. Die Strahlen eurer Schiffe
sind furchtbar.«
Szardak zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen.
»Danke für das»Kompliment. Euer Blaues Feld und der Weiße Strom haben uns große
Hilfe geleistet.«
Mo Moku antwortete darauf nicht. Die Verbindung war unterbrochen. Aber gleich darauf
kam sie wieder.
»Unsere Ortung ertastete ein Raumschiff am Boden dieses Planeten.«
Szardak fuhr herum. Ungläubig starrte er hinüber zum Ortungsoffizier.
»Die EAGLE?« fragte er erregt.
»Masse, Colonel. Die Masse eines 200-Meterraumers. Könnte die EAGLE sein.«
»Und das erfahre ich erst jetzt?« schrie der Colonel. »Welche Entfernung?«
»Nur 100 Kilometer, Colonel«, erwiderte der Offizier kleinlaut. »Unsere ganze
Aufmerksamkeit galt doch den Unsichtbaren ...«
»Schon gut. Nichts wie hin. Geben Sie das auch Mo Moku bekannt. Wir fliegen einem
havarierten Schiff zu Hilfe!«
Fassungslos blickten sich die sechs Männer um.
Von der EAGLE fehlte einfach jede Spur. Sie war verschwunden.
»Vielleicht hat Captain Soltau einen Probeflug unternommen«, hoffte Mossadec.
»Das hieße, Brom Tyddern hätte die Triebwerke wieder reparieren können«, murmelte
Major Al Jones.
Er schritt durch die riesige Höhle und hoffte, irgendeinen Anhaltspunkt für das Verbleiben
der EAGLE zu erhalten.
Umsonst.
Sein Schiff war weg. Das war alles, was er feststellen konnte.
Sollte Tyddern es wirklich in dieser kurzen Zeit geschafft haben, die Triebwerke wieder in
Ordnung zu bringen?
Kaum glaublich. Der Ingenieur hatte mit einer wochenlangen Ruhepause gerechnet. Es sei
denn, irgendein Gehirnblitz hatte ihn getroffen – wie schon so oft.
Al Jones versuchte zu lächeln. Aber es mißlang. Er kehrte zu den anderen zurück, die
noch immer bei den Flash warteten und über das Verschwinden der EAGLE rätselten.
»Wir legen erst einmal eine Ruhepause ein«, schlug der Major vor. »Ihr Arm muß
geschient werden, Kapitanow. Und Sie, Hu-Lin, müssen ebenfalls verarztet werden.«
Es war nicht einfach, in der giftigen Methanatmosphäre zu arbeiten.
Hinzu kam die Angst, daß die Melonen nachfolgen konnten, um sie erneut anzugreifen.
Jack O'Sullivan hatte die erste Wache übernommen und sich hinüber zum Höhlengang in
die Tiefe postiert. Er hatte Anweisung, beim Näherkommen der Melonen zuerst mit dem
Blaster zu arbeiten. Die Detonationen sollten den anderen Männern gleichzeitig als
Warnsignal dienen.
Aber die Zeit strich dahin. Leutnant O'Sullivan wurde von Dr. Rubino abgelöst und
konnte sich für zwei Stunden zum Schlafen niederlegen.
Weder die Melonen kamen, noch die EAGLE kehrte zurück.
Die Stunden verrannen.
Major Al Jones wurde immer unruhiger. »Wir können hier nicht ewig warten. Ich glaube,
wir sollten in die Flash steigen und versuchen, den Raumer irgendwo zu finden. Er muß
einfach aus eigener Kraft die Höhle verlassen haben.«
»Wieso betonen Sie so die eigene Kraft?« wollte Mossadec wissen. »Meinen Sie, es
könnte auch ...«
»Ich meine gar nichts«, stöhnte der Major. »Machen wir uns fertig.«
Al Jones wurde von einer seltsamen Unruhe ergriffen. Er machte sich nicht nur Vorwürfe
wegen des Verlustes von R-Jett 2, sondern auch deswegen, weil er als Kommandant
einfach die Funkunterbrechung durch die Energiewand in der unteren Höhle nicht
berücksichtigt hatte.
Ihm war das Schiff anvertraut worden – und die Besatzung.
Wenn der EAGLE und den Männern etwas zugestoßen war – nicht auszudenken.
»Da unten ist alles still«, berichtete Dr. Rubino, als er zurückkam. »Entweder sie haben es
aufgegeben oder uns steht noch eine Überraschung bevor, wenn wir ins Freie kommen.«
»Malen Sie nicht den Teufel an die Wand«, knurrte Jack O'Sullivan.
Hu-Lin schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich bekomme auch keine Funkverbindung mit
dem Schiff. Hoffentlich haben sie uns nicht einfach sitzenlassen.«
»Würde Soltau nie machen«, gab Mossadec grollend zurück.
»Tyddern auch nicht«, verteidigte Kapitanow seinen Chef in der Technischen Abteilung.
»Streiten wir uns nicht. Bitte steigen Sie in die Flash, meine Herren. Geben Sie Ihrer
Gedankensteuerung an, sie soll sich nach mir richten. Wir werden die EAGLE schon
finden. Und dann sollen Sie sehen, daß wir uns völlig grundlos Sorgen machen.«
Er sagte das in einem versöhnenden Tonfall. Und niemand bemerkte den Schatten auf Al
Jones Gesicht.
Als der Major seinen Blitz bestieg, umwölkten schwere Sorgenfalten seine Stirn.
Er ahnte, daß sie eine bittere Enttäuschung erleben mußten.
Sechs Flash verließen die Höhle und rasten in den mörderischen Methansturm hin ein.
* »Da unten liegt sie!«
Die Männer um Colonel Janos Szardak reckten sich die Hälse, um einen Blick von der
EAGLE zu erhaschen.
Der Sturm trieb dichte Wolken über die Ebene und ließ den Raumer kaum richtig
erkennen.
»Funken Sie Major Jenes an. Er soll sich melden.«
Die Funk-Z gab sich die größte Mühe.
Aber eine Antwort der EAGLE blieb aus.
»Sie müßten uns doch längst auf den Schirmen haben. Die Utaren auch. Unser gemischter
Verband ist doch wohl kaum zu übersehen.«
Szardak kratzte sich den Kopf.
Mit der EAGLE stimmte etwas nicht.
Seit dem T-Funkspruch nach Terra mußte irgendein Ereignis eingetreten sein, das nicht
nur die Triebwerke beeinträchtigte.
»Funk-Z versuchen es nochmals!«
»Ich versuche es andauernd, Colonel. Die EAGLE gibt keinen Ton von sich.«
»Aber, zum Henker«, explodierte der Colonel. »Landen wir. Ich werde mich selbst
ausschleusen. Captain Buller, stellen Sie eine Mannschaft zusammen. Lassen Sie auch
Medikamente einpacken. Auch ein transportables Funkgerät, das die Leute in der EAGLE
brauchen werden. Ist das klar?«
»Verstanden, Colonel. Ausschleusung in zehn Minuten.«
Während dieser zehn Minuten versuchte es die Funk-Z vergeblich, mit dem havarierten
Schiff Verbindung aufzunehmen.
Die Utaren landeten nicht. Sie blieben über den zu Boden gegangenen Schiffen der
Terraner schweben, als wollten sie die Freunde gegen alles abschirmen, was überhaupt
passieren konnte.
Janos Szardak war Mo Moku dankbar dafür, den Schutz zu übernehmen. Seine
Sorge galt jetzt in erster Linie der EAGLE und ihrer Mannschaft.
»Warum Jones nur nicht antwortet?« murmelte er immer wieder, während er ungeduldig
auf die Truppe Captain Bullers wartete.
»Haben Sie Waffen mit?«
»Schocker und Blaster, Colonel. Glauben Sie, wir werden sie brauchen?«
»Woher soll ich das wissen? Diese Funkstille macht mich nervös. Hoffentlich hat uns da
niemand eine schöne Falle aufgebaut.«
Captain Buller, ein draufgängerischer, stiernackiger Typ, runzelte die Brauen.
»Anzüge schließen«, befahl er seinen zehn Leuten.
Der Trupp war schwer bepackt. Medikamente, Funkgerät und Konserven, sowie
Sauerstoffgeräte und zusätzliche Raumanzüge wurden mitgenommen, um sofort Hilfe
leisten zu können, wenn sie gebraucht wurde.
Colonel Janos Szardak trat als erster in den Sturm hinaus. Die Wucht des Windes riß ihn
von den Beinen und beförderte ihn zehn Meter weiter.
Dunkel und drohend erhob sich die riesige Kugelzelle der EAGLE vor ihm.
Sie wirkte tot und verlassen.
* Keuchend schleppten sich Colonel Janos Szardak, Captain Buller und zehn Männer der B 301 durch den Sturm auf die EAGLE zu.
Ihr Unternehmen wurde von den Ringraumern aus mit Besorgnis beobachtet.
Zwei Schritte vor – einen zurück.
So etwa kämpften die Männer gegen den Wind an.
Sie kamen kaum vorwärts.
Um sie herum heulte der Sturm, und Szardak hatte fast das Gefühl, als wollte sich der
Planet gegen die Menschen wehren.
Der Windmesser zeigte eine Geschwindigkeit, die auf Terra alles vernichten würde. Aber
noch blieben etliche Stunden bis zur absoluten Windstille, die nach Aussage der
wissenschaftlichen Abteilung wieder irgendwann eintreten mußte.
Endlich erreichte Szardak den Windschatten des Kugelraumers der Jägerklasse.
Erschöpft lehnte er sich gegen die Hülle der EAGLE und rang nach Atem. Nach und nach
trafen auch die anderen Begleiter ein.
»Die Außenschleuse steht offen«, sagte da Captain Buller überrascht.
Tatsächlich. Die Schleuse stand offen.
Entweder hatte die Besatzung sie geöffnet, um den Besuchern den Eintritt zu ermöglichen
– oder das Schiff war verlassen worden.
»Also los. Nehmt eure Waffen zur Hand. Man kann nie wissen ..."
Szardak marschierte voran.
Vorsichtig betrat er die Gangway und mußte sich immer wieder an das Geländer
klammern, weil der Sturm ihn fortzureißen drohte.
Noch ehe er den Fuß an Bord des Schiffes setzte, wußte er, daß sie zu spät kamen.
Das Außenschott war nicht einladend geöffnet worden. Es würde sich auch nicht mehr
schließen lassen. Da, wo vorher das Schott in der Halterung gehangen hatte, gähnte ein
Loch.
Ein großes, schwarzes Loch. Die zackigen Ränder bewiesen, daß es mit Gewalt hinein gebrannt worden war.
Spuren energetischer Strahlen!
Man hatte die EAGLE wie eine Konservendose geöffnet. Aber wer hatte sie geöffnet?
Szardak stellte sein Helmfunkgerät an.
»An alle! Alarmbereitschaft! Halten Sie Kontakt aufrecht.«
»Was ist geschehen, Colonel?« Die Stimme des Offiziers aus der Funk-Z drohte fast
überzuschnappen.
»Das werde ich Ihnen sagen, wenn ich es selbst weiß. Ende!«
Janos Szardak spürte den Kloß im Hals. Eine Hand schien ihm die Luft abzuschnüren.
Er drehte sich um und winkte die anderen heran.
»Vorsicht!« warnte er über Helmfunk. »Hier hat ein Kampf stattgefunden.«
Er betrat die Schleuse.
Licht brannte nicht. Szardak mußte seine Notlampe aufleuchten lassen.
Betroffen blickte er auf die zusammengesunkene Gestalt eines Mannes vor dem
Innenschott.
Der M-Anzug des Mannes war zerfetzt.
Es gab keinen Zweifel. Er war tot.
Ein Strahlschuß hatte ihn getötet.
Die Wut packte Szardak. Alle Vorsicht vergessend, stürmte er durch die nur angelehnte
Innenschleuse und betrat das Mitteldeck der EAGLE.
Strahlspuren. Wo er auch hinsah.
Sein Scheinwerfer geisterte umher und blieb auf toten Terranern haften.
Ein schrecklicher Kampf mußte sich an Bord der EAGLE abgespielt haben.
Die Männer Captain Bullers durchkämmten das Schiff. Aber auf allen Decks dasselbe
Bild.
Verwüstung und Grauen. Manche Besatzungsmitglieder der EAGLE waren kaum noch zu
erkennen.
Sie mußten sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen einen übermächtigen, un menschlichen Feind zur Wehr gesetzt haben.
Szardak betrat erschüttert die Zentrale des Schiffes, oder das, was davon übriggeblieben
war.
Sie war anscheinend mit letztem Aufbäumen der noch vorhandenen Männer verteidigt
worden. Das energetische Strahlfeuer der Angreifer hatte hier besonders gewütet.
Die ganze Instrumentenwand war zerschmolzen worden. Der Sitz des Kommandanten war
nur noch ein Haufen Asche, das Navigationspult nicht mehr zu erkennen.
Und überall Tote.
Das Grausen packte den Colonel. Eine würgende Übelkeit ergriff von ihm Besitz. Er
schluckte schwer und lehnte sich erschöpft gegen eine heile Wand.
»Teufel müssen hier gehaust haben«, sagte er leise.
Captain Buller gab seinen Männern einen Wink, die Toten zu bergen. Sie sollten ein
vernünftiges Begräbnis erhalten. Das war die letzte Ehre, die man ihnen erweisen konnte.
Gefallen für Terra.
Ein Schicksal hatte die Besatzung der EAGLE ereilt, das jedem Raumfahrer irgendwann
drohte.
Aber Janos Szardak konnte es einfach nicht fassen. Der Verstand weigerte sich, die Bilder
in sich aufzunehmen.
Captain Buller trat vor ihn hin.
»Colonel«, sagte er behutsam. »Irgendwas stimmt hier nicht. Major Al Jones ist nicht
unter den Toten in der Zentrale.«
Szardak nickte nur.
Er hatte es auch schon festgestellt. Wahrscheinlich steckte der tote Jones irgendwo im
Schiff, dort, wo er gebraucht worden war.
»Melden Sie der Funk-Z unseren Fund. Ich kann es nicht, Captain. Man soll Centfield
benachrichtigen. Ich möchte die zu fassen bekommen, die hier ...«
Er kam nicht weiter.
Die Männer im Eingang der Zentrale wirbelten auseinander. Janos Szardaks Augen
öffneten sich weit.
Ein Mensch stürzte herein.
Als wäre er gegen eine Wand geprallt, verhielt er plötzlich seinen Schritt. Man konnte
sehen, wie er sich Mühe gab, sich auf den Beinen zu halten.
»Jones!«
Szardak wußte nicht, daß sein Schrei in der Kehle steckenblieb.
Al Jones Knie zitterten. Er sah um sich, als könnte er nicht begreifen, was hier vor gegangen war.
Das Gesicht unter dem Raumhelm war kreidebleich. Die dunklen Augen traten fast aus
den Höhlen.
Plötzlich entrang sich ein gequälter Aufschrei seiner Brust. Seine Knie gaben nach, und
der Major stürzte schwer zu Boden.
Aber als Captain Buller hinzusprang, stieß er ihn von sich und raffte sich wieder auf.
Szardak sah nun auch die anderen im Gang.
Sechs Männer der EAGLE lebten noch, waren dem Massaker entronnen.
Sie blickten Colonel Szardak an, als warteten sie darauf, daß er die Rollen in diesem
Drama vergab.
Al Jones trat mit geballten Fäusten an einen der Toten heran.
»Soltau«, rief er gequält. Erschüttert blieb er über dem Navigationsoffizier stehen. Dann
reckte er sich, und schweigend verließ er die Zentrale.
»Lassen Sie ihn«, raunte Szardak Captain Buller zu, der ihm zu folgen versuchte.
Al Jones durchstreifte das ganze Schiff. Jedes Deck schritt er ab, beugte sich über seine
toten Männer, bis er schließlich Brom Tyddern fand.
Der Erste Ingenieur war nur noch an ein paar Fetzen seiner Uniform zu erkennen.
Eine halbe Stunde später kehrte der Major in die Zentrale zurück. Sein Gesicht war eine
steinerne Maske. Es wirkte fast tot. Die Augen besaßen keinen Schimmer mehr. Seine
Haltung war gebeugt wie die eines alten Mannes.
Er trat vor Colonel Janos Szardak hin und sah mit leerem Blick zu ihm auf.
»Ich bin Ihr Gefangener, Colonel.«
Szardak starrte ihn betroffen an.
»Was reden Sie da? Verlieren Sie nicht den Verstand, Major. Wo kommen Sie eigentlich
her? Wo haben Sie gesteckt, während hier ...«
»In Sicherheit«, erwiderte Jones bitter. »Ich steckte in Sicherheit, während meine Männer
starben. Das wollten Sie doch wissen, oder?«
»Kommen Sie zur Vernunft«, fauchte Szardak. »Begleiten Sie mich hinüber zur B-301.
Dort können Sie mir alles erzählen. Captain Buller wird hier alles Weitere erledigen.
Kommen Sie, meine Herren.«
Als Al Jones sein Schiff verließ, hätte er heulen können. Aber er hatte keine Tränen.
Soltau – tot. Tyddern – tot. Alle anderen – tot. Nur er lebte, und seine fünf Begleiter. Der
Rest einer großen Besatzung.
Gewöhnlich ging ein Kommandant mit seinem Schiff unter. Kommandant Al Jones
jedoch hatte seine Haut retten können, während seine Männer im Kampf starben.
Ein schöner Held, dieser Major Al Jones.
Und ihm hatte man ein Schiff anvertraut, das Leben vieler Menschen.
Versagt. Restlos versagt.
Wie Al Jones durch den Sturm gekommen und den Ringraumer erreicht hatte, vermochte
er nicht zu sagen.
Doch als man ihm den M-Anzug vom Körper streifte, schritt er dem führenden Szardak
nach, als müßte er den elektrischen Stuhl besteigen.
In der Messe standen Tassen mit dampfendem Kaffee bereit. Einige Offiziere hatten sich
bereits versammelt.
Schweigen füllte den Raum.
Trauer lag auf den Gesichtern.
Jack O'Sullivan sah sich diese Gesichter an. Es gab niemanden, der Jones irgendeinen
Vorwurf machte.
»Bitten Sie Mo Moku, sich in einer Konferenzschaltung an unserer Unterhaltung zu
beteiligen«, unterbrach Colonel Szardak die Stille.
Ein riesiger Bildschirm flammte kurz darauf auf, und Leutnant O'Sullivan blickte erstaunt
auf ein völlig fremdartiges Gesicht von erstaunlicher Weisheit.
»Das ist Mo Moku, der Befehlshaber eines Utaren-Flottenverbandes«, erklärte der Co lonel. »Die Utaren haben uns herbegleitet. Er hat also ein Recht darauf, zu erfahren, was
hier vorgefallen ist. Bitte berichten Sie, Major Jones!«
Al Jones saß völlig apathisch an dem Tisch und blickte stumpfsinnig vor sich hin.
»Ich bin schuld«, murmelte er abwesend. »Ich ganz allein!«
Colonel Janos Szardak krauste die Stirn.
»Major«, sagte er scharf. »Nehmen Sie sich zusammen. Die Schuldfrage wird erst dann
geklärt werden können, wenn feststeht, wer diese Morde begangen hat. Woher kommen
die sechs Flash?«
Al Jones hob müde lächelnd den Kopf.
»Wir haben sie erbeutet. Colonel. Da unten stehen noch drei weitere.«
Szardak schüttelte unwillig den Kopf.
»Von wem haben Sie die Flash erbeutet? Was reden Sie eigentlich?«
»Von den Melonen!«
»Von den ...« Szardak war sprachlos.
Dr. Rubino meldete sich zu Wort.
»Für Sie mag es aussehen, als sei Major Al Jones nicht Herr seiner Sinne«, verteidigte er
den Kommandanten. »Es stimmt, was er sagt. Wir sind einer fremden Rasse begegnet. Sie
schossen unser R-Jett ab, und wir stahlen ihnen dafür sechs Flash.«
»Moment mal«, brauste Szardak auf. »Schön langsam jetzt. Und bitte der Reihe nach.«
Er warf einen Blick hinauf zum Bildschirm, wo der Utarenkommandant weiterhin wortlos
dem Gespräch lauschte, und winkte Jones zu, weiterzuerzählen.
Ohne Leidenschaft in der Stimme begann Al Jones zu reden.
Er sprach von der Verlegung des Landeplatzes, weil die Ortung ein fremdes Schiff ertastet
hatte.
»Einen Moment, bitte, Major.« Szardak wechselte einen bezeichnenden Blick mit Mo
Moku. »Haben Sie mehr von dem fremden Schiff sehen können? Hatten Sie eine Be gegnung mit ihm?«
»Nein. Wir haben es nicht einmal gesehen. Wie gesagt, nur die Ortung erfaßte es für einen
Moment, als es in den Orbit ging. Da wir jedoch jedem Angriff wehrlos ausgesetzt waren,
mußte ich dafür sorgen, daß wir einen gewissen Schutz fanden.«
»Das war absolut richtig«, stimmte Szardak zu. »Niemand wird Ihnen deshalb einen
Vorwurf machen. Wie fanden Sie den Unterschlupf und wo fanden Sie ihn? Es stürmte
doch sicher.«
»Nein«, übernahm nun Dr. Rubino das Wort. »Auf diesem Planeten gibt es zwanzig
Stunden lang absolute Windstille. Diese Zeit nutzten wir aus. Ich glaube, Leutnant
O'Sullivan hat mit seinem R-Jett die Höhle ausfindig gemacht.«
Szardaks Blick fiel auf Jack. Der junge Leutnant, grinste schwach. Zum erstenmal stand er
auch diesem Colonel gegenüber, der von Anfang an mit Ren Dhark kämpfte.
»Weiter, bitte.«
»Wir schafften die EAGLE in die Höhle«,
fuhr Al Jones leise fort. »Dabei gab es einen Verletzten, als im letzten Moment eine
Explosion im Triebwerkswulst stattfand.
Aber wir lagen geschützt, vor Ortungsstrahlen so gut wie sicher, weil kilometerdick über
uns Metalladern durchs Gestein zogen.«
»Das war doch ausgezeichnet, Major.«
»Weniger ausgezeichnet war meine Entdeckung, daß wir nur in einer Vorhöhle lagen und
daß die Höhle selbst sich noch viel weiter durchs Gestein nach unten zog.«
»Jetzt wird es interessant, Major. Ich nehme an, auch Sie, Mo Moku, interessieren sich für
diesen Teil des Berichts.«
»Die Weisheit wird dem terranischen Major dankbar sein.«
Die sechs Offiziere der EAGLE blickten erstaunt hinauf zum Schirm. Zum erstenmal
hatten sie einen Utaren sprechen gehört. Ein menschliches Lächeln verschönte dieses
weise Gesicht des kleinen Fremden.
»Ich gab Anweisung, zwei R-Jetts zu bemannen, um die Höhle zu durchforschen.«
»Was hofften Sie zu finden?«
»Was ich zu finden hoffte? Gar nichts, Colonel. Ich wollte nur sichergehen, daß das Schiff
auch tatsächlich geschützt lag. Und dann entdeckten wir plötzlich den mehrere hundert
Meter dicken Energieschutz in der Höhle.
Colonel Szardak unterbrach erneut. Er sah den Wissenschaftler an.
»Welche Art Energie, Dr. Rubino, haben Sie dort festgestellt?«
»Zu einer Analyse sind wir noch gar nicht gekommen, weil wir nämlich feststellten, daß
diese Schutzwand gleichzeitig die Ortung von oben nach unten und von unten nach oben
sowie den Funkverkehr unterband.«
»Aha«, rief Szardak aus. »Deshalb können wir von unseren Kreuzern aus also nichts
orten. Wie sieht es bei Ihnen aus, Mo Moku?«
»Unsere Ortung spricht auch nicht an, Colonel. Ich nehme an, daß von dem Zeitpunkt an,
wo der terranische Major mit seinen Begleitern den Energiewall durchfuhr, jede
Verbindung mit seinem Schiff unterbrochen wurde.«
Al Jones nickte.
»Genauso war es. Von dem Augenblick an hatten wir keine Verbindung mehr zur
EAGLE. Deshalb wissen wir auch nicht, was hier inzwischen geschehen ist.«
Stöhnend barg er sein Gesicht in den Händen.
Szardak nagte nachdenklich an seiner Unterlippe.
»Berichten Sie weiter«, sagte er plötzlich barsch.
Al Jones hob müde die Schultern.
»Wir stießen schließlich auf ein Fremdwesen. Aber noch ehe wir irgendeinen Kontakt
damit bekamen, schlugen die Melonen zu. R-Jett 2 verging im Energiefeuer, und sechs
Männer starben. Captain Suratow leitete den Jett.«
»Und wie konnten Sie sich retten?«
»Das haben wir Leutnant Mossadec zu verdanken. Er reagierte prompt und ließ unsere
Antennen rotglühend werfen.«
»Schön. Anstatt nun umzukehren und die EAGLE zu warnen, suchten Sie unten weiter.«
Als Jones nickte.
»Das ist meine Schuld«, rief Jack O’Sullivan in die Stille hinein. »Ich lenkte den Jett. Der
Befehl des Majors lautete: Rückkehr zum Schiff. Das werden alle Begleiter bestätigen.
Wenn also jemand schuld ist am Untergang der EAGLE, dann bin ich es.«
Szardaks Gesicht blieb wie das eines Pokerspielers unberührt.
»Und warum flogen Sie nicht zurück? Haben Sie den Befehl verweigert?«
»Wie bitte?« brauste Jack auf. Eine feine Röte überzog sein Gesicht. »Ich wendete den
Jett, aber dabei strichen die Scheinwerfer über die Bandstraße hinweg. Und das. . .«
»Welche Bandstraße?«
»Danke, O'Sullivan«, übernahm Al Jones das Wort. »Ich werde weiter berichten. Wir
entdeckten einen Industriedom, und ich widerrief meinen Befehl, um auch diese Anlage
noch unter die Lupe zu nehmen. Wir fanden eine riesige Produktionshalle mit vielen
schlangenförmigen Laufbändern, auf denen merkwürdig geformte Einzelteile transportiert
wurden. Viele Melonen, die überhaupt keine Notiz von uns nahmen, arbeiteten in der
Höhle. Vielleicht wurden wir zu sicher. Jedenfalls traf uns plötzlich ein Schlag, und der
Jett stürzte wie ein Stein in die Tiefe.«
»Aber Sie alle überlebten den Fall.«
Jack starrte den Colonel an. Er haßte diesen Mann plötzlich, weil nichts in seinem Gesicht
zum Ausdruck kam. Weder Gefühlswärme noch Kälte. Weder Freundschaft noch
Verachtung. Fast kam es ihm vor, als verspottete Szardak den Major in diesem Moment.
»Wir überlebten den Fall«, bestätigte Jones bitter. »Der Jett war hin, und wir wollten zu
Fuß den Aufstieg suchen, als wir die Flash entdeckten. Sie funktionieren, Colonel. Sie
stehen zu Ihrer Verfügung. Als wir in die Höhle zurückkehrten, war die EAGLE
verschwunden. Das andere wissen Sie!«
»Und Sie haben keine Ahnung, wie der Jäger aus der Höhle kam und wer ihn angriff?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Janos Szardak wandte sich an den Utaren.
»Was sagen Sie, Mo Moku?«
»Ich würde gern wissen, was diese Melonen, wie sie der Major nannte, mit den ge heimnisvollen Raumschiffen zu tun haben, die sich hinter einem Deflektorschirm ver bergen.«
»Genau. Das würde ich auch gern wissen. Wie können wir das herausfinden?«
»Indem wir sie fragen, Colonel Szardak.«
Szardak lachte trocken auf.
»Richtig, indem wir sie fragen. Nun, Major Jones, haben Sie Lust, die Expedition in die
Tiefe zu leiten? Sie kennen doch den Weg.«
Al Jones' Augen bekamen einen seltsamen Glanz. Sein Gesicht verlor plötzlich die Blässe,
und seine Schultern begannen sich zu straffen.
»Sie meinen, ich könnte noch einmal...«
»Sollte ich Ihnen lieber den Befehl dazu erteilen? Selbstverständlich hätte ich lieber Ihre
freiwillige Meldung. Ebenfalls die Ihrer Männer, Major. Ich kann natürlich verstehen,
wenn sie müde sind und eine Ruhepause erbitten. Ich selbst werde Sie begleiten. Mit einer
starken Mannschaft. Und ich nehme an, Mo Moku wird ebenfalls ein starkes Team zur
Verfügung stellen.« »Wir beteiligen uns, Terraner.«
»Also?«
Szardak sah den Kommandanten der EAGLE herausfordernd an.
Al Jones erhob sich. Als er so vor dem Tisch stand, war er wieder der energiegeladene
Raumerkommandant mit dem scharfgeschnittenen Gesicht.
»Ich nehme den Auftrag an, Colonel.«
Obwohl Hu-Lin und Kapitanow verletzt waren, erhoben sie sich zusammen mit Jack
O'Sullivan und Mossadec wie eine Mauer.
Nur Dr. Rubino blieb sitzen.
»Sie nicht, Doktor?« fragte Szardak leise.
»Ich auch, Colonel. Aber ich bleibe an diesem merkwürdigen Energiewall, und wenn Sie
mir ein paar Ihrer Forscher zur Verfügung stellen könnten, würden wir vielleicht seine
Struktur ermitteln.«
»Auch die Utaren stellen Wissenschaftler dafür zur Verfügung«, sagte Mo Moku vom
Schirm herab. »Wir bitten um die Erlaubnis, an Bord des terranischen Schiffes kommen
zu dürfen.«
»Erlaubnis erteilt!«
»Danke!«
Der Bildschirm verdunkelte sich, und Colonel Janos Szardak ließ alles für den Empfang
der Utaren herrichten.
Inzwischen wurden die Gruppen zusammengestellt, die Szardak und Jones nach unten zu
den Melonen begleiten sollten.
Colonel Szardak legte größten Wert darauf, daß es sich hierbei nur um Experten handelte,
die schon über ausreichende Raumerfahrung verfügten und schon mehrmals mit
Fremdintelligenzen zusammengetroffen waren.
Dann traf Mo Moku ein. In seiner Begleitung befanden sich zwanzig Utaren, und Jack
O'Sullivan gab sich die größte Mühe, sie nicht so offen zu bestaunen, wie er es gern getan
hätte.
Die kleinen Fremden gefielen ihm. Sie wußten sich zu benehmen, und der Ausdruck
großer Weisheit in ihren riesigen Augen beeindruckte ihn.
»Sie selbst wollen auch mit, Mo Moku?« fragte Szardak überrascht.
»Die Große Weisheit ist den Utaren immer und überall ein Vorbild, Colonel.«
»Die Große Weisheit? Heißt das, Sie selbst gehören der Großen Weisheit an?«
»Mir wurde die Ehre zuteil, meinem Volk dienen zu dürfen.«
Szardak kratzte sich den Kopf. Damit hatte er nicht gerechnet. Die Utaren waren noch
schlauer, als er vermutet hatte. Sie schickten ein Mitglied der Großen Weisheit mit auf die
Reise, um sofortige Entscheidungen treffen zu können.
»Legen wir also unseren Plan zurecht.«
Eine halbe Stunde später stand das Unternehmen.
Auf Ratschlag Mo Mokus sollten direkt vor und hinter der Energiewand, die jede
Verbindung von oben nach unten unterbrach, ein starkes Team aufgestellt werden, um so
rasch wie möglich Funksprüche von einer Seite zur anderen zu übermitteln.
Zu diesem Zweck stellte Szardak extra einen Flash ab, der die paar hundert Meter im
Pendelverkehr schnellstens überbrücken konnte.
Mo Moku wies seinen Flottenverband ebenfalls an, die ganze Zeit über den Ortungsschutz
über dem gesamten Planeten zu übernehmen. Es sollte keinem Fremden gelingen, einen
Überraschungsangriff zu fliegen, während die Kommandanten im Höhlensystem steckten.
Der Plan wurde bis in alle Einzelheiten ausgearbeitet, und Jack O'Sullivan, der die ganze
Zeit gespannt und aufmerksam folgte, erkannte, was alles dazugehörte, wenn man eine
Flotte von Schiffen befehligen wollte.
Jedes Wenn und Aber wurde eingehend erörtert.
Und schließlich stand für alle Beteiligten fest, daß man das Unternehmen getrost starten
könnte.
»Ich gebe Ihnen noch eine halbe Stunde Pause, meine Herren«, sagte Janos Szardak
schließlich zu den Männern um Al Jones.
Die halbe Stunde verging für Jack O'Sullivan viel zu langsam. Er fieberte direkt darauf,
wieder, in die Höhle einzudringen, um den Melonen endlich zu zeigen, daß man die
Schlappe nicht so einfach hinnahm.
Genau wie Al Jones wurde auch der junge Leutnant von einem unbändigen Rachegefühl
beherrscht.
Als endlich die Alarmglocke rief und sich die Mannschaft an der Schleuse zusammen fand, fehlten nur noch Janos Szardak und Mo Moku.
Ungeduldig wartete man.
Dann kamen sie. Der große Mann und der kleine Fremde. Nebeneinander standen sie vor
der gemischten Expedition.
»Aus unserem Unternehmen wird nichts«, verkündete Colonel Szardak mit glattem
Pokergesicht. »Wir müssen es für einen späteren Zeitpunkt aufheben.«
Stille.
Enttäuschung auf vielen Gesichtern.
»Die Unsichtbaren haben erneut zugeschlagen. Soeben hat der Verband der Utaren einen
Befehl von Esmaladan erhalten. Nur 1,3 Lichtjahre von dem Heimatplaneten entfernt sind
sechs Pyramidenraumer angegriffen und vernichtet worden.«
Mo Moku trat vor. Man sah ihm nicht an, von welchen Gefühlen er beherrscht wurde, ob
er Wut oder Rache fühlte.
»Die Große Weisheit bittet die Terraner um Unterstützung in der Abwehr dieser
Barbaren.«
»Ich habe unsere Hilfe zugesagt«, erklärte Szardak. »Wir starten sofort.«
Dabei blieb es.
Es hieß Abschied nehmen von einem Höllenplaneten, der vielen Männern das Leben
kostete.
Al Jones und seine fünf Männer, der Rest der EAGLE, meuterten nicht. Sie schlossen sich
Colonel Janos Szardak an, um mitzuhelfen, dem unmenschlichen Gegner hinter dem
Deflektorschirm das Handwerk zu legen.
Vielleicht waren sie es, die die EAGLE vernichteten, die für den Mord an einer ganzen
Schiffsbesatzung verantwortlich waren.
Die Schiffe machten sich startklar.
Ein letztes Mal traten die Infrarotblenden in Aktion.
Al Jones stand in der Zentrale der B-301 und sah noch einmal seine EAGLE im or kanartigen Wüten des Methansturms liegen.
Abschied von seinem Schiff.
Al Jones hatte keine Tränen.
Aber in seinem Herzen war Trauer – und Rache.
Er wollte sie rächen, seine Leute. Irgendwann. Eines Tages würde er die Mörder finden.
Und wenn er erneut durch eine Hölle marschieren müßte.
Der gemischte Verband startete.
Zurück blieb ein terranischer Kugelraumer. Verbrannt, vernichtet.
Zurück blieben Captain Suratow, Captain Soltau, Brom Tyddern und viele, viele Männer
– tot.
Man hatte ihnen noch die letzte Ehre erwiesen.
Und auf den Felsen, die ihnen als Grabkreuz dienten, hatte jemand mit ungelenker
Handschrift eingeritzt:
Sie starben für Terra. Wir werden sie nie vergessen.
Der Planet II des CF-456-Systems verbarg sich endlich unter einer grauen Schicht.
Das schwarze Universum nahm die Schiffe auf.
Ziel der Reise: Esmaladan.
Und niemand konnte in die Zukunft sehen.
– Ende – Anzeigenverwaltung Printed in Germany 1968 Der Verlag ist Mitglied des Vereins der Verleger unterhaltender Publikationen e. V. und gehört der Selbstkontrolle deutscher Romanheft-Verlage an.
REN DHARK Auch Ren Dhark ahnt nicht, welche Folgen der Besuch von Erron-3 im blaßblauen Uni versum noch haben wird. Der starke Raumschiffverband der schwarzen Weißen ist wohl vernichtet worden, aber Commander Dhark glaubt doch wohl selbst nicht daran, daß diese Schlacht zwischen unbekannten Sternbildern unbemerkt geblieben ist? Vier Cyborgs jedoch, die nach Tschobe den Versuch unternehmen, weitere TransmitterStraßen zu entdecken, werden von einem Moment zum anderen einer Gefahr gegenüber gestellt, aus der es kein Entrinnen geben kann. Lesen Sie in 14 Tagen Ren Dhark Band 85
Sterbende Sterne... von Kurt Brand
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