Ursula Mense-Petermann · Gabriele Wagner (Hrsg.) Transnationale Konzerne
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Ursula Mense-Petermann · Gabriele Wagner (Hrsg.) Transnationale Konzerne
Ursula Mense-Petermann Gabriele Wagner (Hrsg.)
Transnationale Konzerne Ein neuer Organisationstyp?
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage August 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Frank Engelhardt / Marianne Schultheis Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-14707-2 ISBN-13 978-3-531-14707-9
Vorwort
Der hier vorgelegte Sammelband geht auf teils schon langer bestehende Forschungskontakte und -kooperationen zwischen einigen der beteiligten Autoren zuriick. Diese gemeinsamen Forschungsperspektiven wurden unter der Fragestellung nach „Transnationalen Konzemen als neuem Organisationstyp" auf einem Workshop, den die Herausgeberiimen im Dezember 2002 am Institut flir Weltgesellschaft der Universitat Bielefeld ausgerichtet haben, systematisch zusammengefiihrt und durch weitere Beitrage erganzt. Der Sammelband ware ohne die Untersttitzung von Menschen und Einrichtungen an der Universitat Bielefeld nicht zustande gekommen, denen wir an dieser Stelle unseren Dank aussprechen wollen. Wir danken dem Institut fiir Weltgesellschaft und dem Graduiertenkolleg „Weltbegriffe und globale Strukturmuster" ftir die organisatorische und vor allem auch fiir die fmanzielle Untersttitzung des Workshops. Unser Dank gilt auch dem Lektor des Verlages fiir Sozialwissenschaften, Frank Engelhardt, fiir die konstruktive Zusammenarbeit. Ebenfalls zu danken haben wir alien Vortragenden und Teilnehmerinnen und Teilnehmem an den Diskussionen des Workshops fiir zahlreiche wichtige Beitrage zur Frage nach „Transnationalen Konzemen als neuem Organisationstyp". Sowohl bei der Organisation des Workshops als auch bei der Erstellung der Druckvorlage fiir den hier vorliegenden Sammelband haben wir auf die engagierte und kompetente Untersttitzung von Astrid Dinter vertrauen konnen. Hierfiir schulden wir ihr besonderen Dank.
Bielefeld, im Marz 2006
Ursula Mense-Petermann Gabriele Wagner
Inhalt
Gabriele Wagner / Ursula Mense-Petermarm: Zur Einleitung: Transnationale Konzeme als neuer Organisationstyp? Glokalitat als Organisationsproblem
I.
Jenseits des normativ-evolutionaren Paradigmas Theoretisch-konzeptionelleDeutungsangebote
33
Philipp Hessinger: Zwischen Weltmarkt und Weltgesellschafl: Transnationale Untemehmen im Umbruch der globalen Warenketten
35
Ursula Mense-Petermann: Transnationalisierung als glokale Restrukturation von Organisationsgrenzen
63
Mike Geppert / Dirk Matten / Peggy Schmidt: Hintergrunde und Probleme der Transnationalisierung multinationaler Untemehmungen: Globale Isomorphismen, national business systems und , transnationale soziale Raume'
II. Transnationalisierung - Prozessdynamiken zwischen „ModeUtransfer" und Lokalisierungsprozessen Christoph Dorrenbacher: Mikropolitik in Multinationalen Untemehmen: Konturen eines neuen Forschungsfeldes
85
121
123
Inhalt
Florian Becker-Ritterspach: Wissenstransfer und -integration im Transnationalen Konzem: Eine soziologische Perspektive
Matthias Klemm / Michael Popp: Die Lokalitat transnationaler Untemehmen
Ill.Informelle Netzwerke, Reputation und Vertrauen Infrastrukturen von Transnationalisierungsprozessen? Gabriele Wagner: Expatriates als Netzwerkarchitekten
153
189
223
225
Johannes Gliickler: Lokale oder globale Reputation? Auf der Suche nach globalen Wettbewerbsvorteilen in der Untemehmensberatung
249
Hermann Kotthoff: Wer bekommt den Kassenschltissel hinter der Grenze? Vertrauensbeziehungen im globalisierten Konzem
279
Autorinnen und Autoren
3 00
Zur Einleitung: Transnationale Konzerne als neuer Organisationstyp? Glokalitat als Organisationsproblem
Gabriele Wagner, Ursula Mense-Petermann
1.
Einleitung
Transnationale Konzerne - unter diesem ,Label' hat sich in der organisationsund industriesoziologischen sowie betriebswirtschaftlichen Globalisierungsforschung eine lebhafte Debatte um den Wandel von Organisationsstrukturen und -strategien grenziiberschreitend tatiger Untemehmen entwickelt. Als „treibende Krafte" wirtschaftlicher Globalisierung (Altvater/ Mahnkopf 1997), als die zentralen Akteure in Prozessen weltwirtschaftlicher Vergesellschaftung (Ztindorf 1999) und als Verkorperung eines neuen , one best way' des Umgangs mit hochst komplexen und global konstituierten Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen (Bartlett/ Ghoshal 1989; 1990) stehen sie im Zentrum unterschiedlicher theoretischer Perspektiven in der Globalisierungs- und Weltgesellschaftsdebatte. Der vorliegende Sammelband kniipft an diese Diskussion an, indem er einerseits die Kritik der international vergleichenden Organisationsforschung an dem normativ-evolutionaren „Idealtypus" des transnationalen Untemehmens aufnimmt, andererseits jedoch die vielfaltigen empirischen Beobachtungen eines grundlegenden Wandels in der Organisation grenziiberschreitender Wirtschaftsorganisationen emst nimmt. Obwohl die meisten der hier versammelten Beitrage auf eigenen empirischen Forschungsergebnissen der Autoren beruhen, geht es hier nicht in erster Linie darum, die empirische Basis fur diesen Wandel zu verbreitem. Vielmehr will der Band die Diskussion weiterfuhren, indem er fragt, wie sich dieser Organisationswandel jenseits eines normativ-evolutionaren Begriffs von Transnationalisierung theoretisch-analytisch beschreiben und erklaren lasst. Der Begriff des transnationalen Untemehmens soil hier also zunachst nur auf gewandelte Organisationsformen grenziiberschreitender Wirtschaftsorganisationen verweisen. Die Frage, ob Transnationale Konzerne einen neuen Typus
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von Organisation darstellen, und wenn ja, wie er sich theoretisch modellieren und empirisch rekonstruieren lasst, steht im Zentrum des Bandes. Denn was aussteht, ist eine genuin organisationssoziologisch ausgerichtete Theoretisierung von Transnationalisierungsprozessen und -formen: Was bedeutet Transnationalisierung flir die Umweltbezuge von (Wirtschafts-) Organisationen? Was bedeutet sie flir die Inklusion von Mitgliedem? Wie verandert sich ihre soziale Einbettung? Was geschieht mit kulturell verankerten Deutungssystemen und Relevanzstrukturen?
2.
Transnationale Unternehmen im Spiegel unterschiedlicher theoretischanalytischer Perspektiven
Die in den 1990er Jahren forcierte Globalisierungsdebatte speist sich ganz wesentlich aus dem Refund der starken Zunahme von auslandischen Direktinvestitionen seit den 1970er Jahren, die zunehmend das Wachstum der Inlandsproduktionen und des intemationalen Handels iiberfltigelt (vgl. Friedrichs 1999). So stiegen seit Beginn der 1980er Jahre die Kapitalabfliisse in Form von auslandischen Direktinvestitionen jahrlich um 27,8%, d.h. sie stiegen dreimal so schnell wie der Export und viermal so schnell wie das Weltsozialprodukt. Gleichzeitig nimmt auch der Teil des intemationalen Handels zu, der innerhalb von transnationalen Konzemen abgewickelt wird - die OECD beziffert ihn auf 25-30% (Altvater/ Mahnkopf 1997: 251; Boltanski/ Chiapello 2003: 23f.). Galten noch vor wenigen Jahrzehnten solche Konzeme als typisch nordamerikanische Erscheinung, so zahlt die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) Anfang des 21. Jahrhunderts iiber 65.000 transnationale Konzeme mit mehr als 850.000 auslandischen Tochterfirmen und 54 Millionen Angestellten (UNCTAD 2002; vgl. Kohler 2004: 29). „Damnter gibt es Konzeme, deren Umsatz groBer ist als das Bmttosozialprodukt mittlerer Staaten" (Altvater/ Mahnkopf 1997:248). Es sind aber nicht allein die wirtschaftsstatistischen Befunde, die die offentliche wie auch wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf global agierende Unternehmen lenken. Transnationale Konzeme gelten als zentrale Akteure im Prozess globaler okonomischer Integration und als „maBgebliche Vemrsacher okonomischer Schwerpunktverlagemngen oder ,global shifts"' (Kohler 2004: 29). Der quantitative Bedeutungsgewinn intemationaler Handelsstrome und intemational
Transnationale Konzeme als neuer Organisationstyp?
tatiger Organisationen verweist auch auf qualitative Bedeutungsverschiebungen, die je nach analytischem Zugriff unterschiedlich konzeptionell gerahmt werden. In der polit-okonomischen Perspektive fokussiert der Begriff des transnationalen Untemehmens auf eine Herauslosung grenziiberschreitend tatiger Wirtschaftsorganisationen aus politischen und staatlich-regulativen Einbindungen. Der Begriff des transnationalen Untemehmens dient hier dazu, Fragen nach dem Verhaltnis von Wirtschaft, Globalisierung und Nationalstaat in den Blick zu nehmen und kritisch auf die abnehmenden Regulations- und Steuerungschancen von Nationalstaaten hinzuweisen (vgl. Reich 1993). Problematisiert wird weiterhin ein Demokratiedefizit, das seinen Grund m der scheinbar ,grenzenlosen' Macht der global player hat. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der Begriff des transnationalen Untemehmens hier unspezifisch genutzt wird. Die spezifischen Organisationsstmkturen, -strategien und -konzepte grenztiberschreitender Untemehmen bleiben in der black box und so der Thematisierung entzogen. Ablesen kann man das unter anderem an der Art, wie der Transnationalisiemngsindex (TNI) konstruiert ist, den die UNCTAD seit Anfang der 1990er Jahre regelmaBig berechnet. Der Transnationalisiemngsindex ist der arithmetische Mittelwert aus dem Anteil der auslandischen an den gesamten Vermogenswerten, der auslandischen an den gesamten Umsatzen und der auslandischen an der gesamten Beschaftigung (Kohler 2004: 31). Gemessen wird hier die Quantitat des Auslandsengagements, nicht jedoch die Qualitat im Sinne von Fragen nach der spezifischen Organisationsweise dieses Auslandsengagements. Die, nicht nur fur die Berechnungen der UNCTAD typische, synonyme Verwendung so unterschiedlicher Organisationskonzepte wie das Internationale, das multi-, transnationale Oder globale Untemehmen blendet die Frage komplett aus, ob der quantitative Bedeutungsgewinn auch eine qualitativ neue Stufe von Globalisiemngsprozessen einlautet oder nicht. Festgehalten werden kann, dass in der politokonomischen Perspektive der Begriff der Transnationalisiemng in gesellschaftstheoretischer und vor allem in gesellschaftskritischer Absicht genutzt wird. Eine organisationstheoretische Fundierung der kritischen Beobachtungen und politischen Befurchtungen bleibt jedoch auBen vor.'
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Zwar beziehen sich die polit-okonomischen Globalisierungsansatze explizit auf die Ebene der Gesellschaft und nicht auf die der Organisation. Die fehlende organisationssoziologische Fundierung hat aber, das zeigen auch die Beitrage in diesem Band, Folgen fur die Ergebnisse, zu der eine solche makro-soziologische Betrachtung kommt. Unserer Ansicht nach wird hier die
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In einer ahnlichen, ebenfalls makrosoziologischen Perspektive nutzen Weltgesellschaftstheorien den Begriff des transnationalen Untemehmens, um die Frage nach dem Verhaltnis von grenzuberschreitend tatigen Wirtschaftsorganisationen und (welt-)gesellschaftlichen Prozessen zu klaren. So unterscheidet Zundorf (1999: 34) mit Weltmarkten, transnationalen Untemehmen und intemationalen Organisationen drei Typen der weltwirtschaftlichen Vergesellschaftung. Transnational Untemehmen spielen dabei fur ihn die zentrale Rolle: „Wenn man (...),Export' als Indikator fur transnationale Marktvergesellschaftung und ,Tochteruntemehmen' als Indikator fur transnationale Untemehmensvergesellschaftung nimmt, kann man Transnationalisierung bzw. Abwanderung als Wandel der Vergesellschaftungsform von der Markt- zur Untemehmensvergesellschaftung interpretieren. Mit diesem Wandel der Vergesellschaflungsform geht eine Zunahme der Vergesellschaftungsintensitat einher. Denn der Aufbau eines Tochteruntemehmens im Ausland bringt ein sehr viel starkeres Interesse an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhaltnissen des jeweiligen Gastlandes mit sich als jeder Export" (ebd.: 41). Daher komfnt Ziindorf zu dem Ergebnis, dass „Untemehmen bzw. ihre Fiihrungsgruppen die wichtigsten Agenturen weltwirtschafllicher Vergesellschaftungen sind. Untemehmen haben eine logische Prioritat gegentiber Markten, well es in den weitaus meisten Fallen Untemehmen sind, die Markte entwickeln, miteinander vemetzen und, sofem es sich um Faktormarkte handelt, gelegentlich auch intemalisieren" (ebd.: 49). Auch in dieser Perspektive ist Transnationalisierung ein organisationstheoretisch unspezifischer Begriff, der, wie bereits im Zusammenhang mit politokonomischen Ansatzen gezeigt, lediglich auf die Tatsache der ,t}berschreitung' Oder des ,Unterlaufens' von nationalstaatlichen Grenzen durch die Griindung Oder tjbemahme von Tochtergesellschaften sowie die wirtschaftliche Betatigung jenseits des ,eigenen' Heimatlandes abhebt. Wie Tochtergesellschaften in Konzemstrukturen integriert werden, wie sie gesteuert werden, welche Funktionen, welche Handlungs- und Entscheidungskompetenzen sie im Rahmen des Konzemverbunds haben, wie die Beziehungen zwischen den verschiedenen Tochtergesellschaften ausgestaltet sind - all diese Fragen werden in den beschriebenen makrosoziologisch argumentierenden Ansatzen nicht gestellt. So konnen auch Probleme, Widerspriiche und Blockaden, wie z.B. interkulturelle Konflikte, mikro-politische Auseinandersetzungen, Steuerungsparadoxien nicht
,Potenz' transnationaler Untemehmen uberschatzt, Bruche und Blockaden im Globalisierungsprozess, die aus organisationsintemen Prozessen resultieren, dagegen unterschatzt.
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in den Blick geraten. Es fehlt diesen Ansatzen eine organisationssoziologische Unterfutterung, was das Risiko von - nicht im normativen, sondem im phanomenologischen Sinne - allzu globalisierungsoptimistischen Einschatzungen beinhaltet. Zwar wird den Organisationen als weltwirtschafllichen Akteuren viel ,zugetraut' - Probleme, Widersprtiche und erst recht das jederzeit mogliche Scheitem der Umsetzung von Globalstrategien bleibt aber auBerhalb der Analyse (vgl. auch Matthai 1999). Mit einem Wort: Nicht gestellt wird die entscheidende und empirisch wie theoretisch spannende Frage, wie Transnationalitat iiberhaupt konkret organisiert und stabilisiert wird (Greve/ Heintz 2005). So betont denn auch Hirsch-Kreinsen (1997) aus einer industriesoziologischen Perspektive, dass das Szenario „eines sich friktionslos durchsetzenden und ungebrochen ausdehnenden Prozesses der okonomischen Globalisierung (...) so lange nicht tiberzeugend (ist), als nicht auch Grenzen, Beharrungskrafte und damit Unwagbarkeiten der Entwicklung und ihrer Ruckwirkungen auf die Verhaltnisse in einzelnen Landem genauer in die Analyse einbezogen werden. Dies gilt insbesondere fur die Strategien der intemationalisierten Untemehmen und die Funktionsweise der sich weltweit etablierenden Produktions- und Wertschopfiingsketten" (ebd.: 487). Ganz anders als in diesen makrosoziologischen Ansatzen wird der Begriff des transnationalen Untemehmens in der dezidiert auf der Ebene der Organisation ansetzenden managementwissenschaftlichen Perspektive genutzt: Bartlett und Ghoshal (1989; 1990) haben das transnationale Untemehmen als einen Organisations- und Strategietypus neben anderen - namlich dem intemationalen, dem multinationalen und dem globalen Untemehmen - entwickelt. Der Fokus liegt hier explizit auf den oben genannten Fragen nach dem wie der Organisation grenziiberschreitender Wirtschaftsaktivitaten (vgl. auch Macharzina 1995; Riedl 1999). Da Bartlett und Ghoshals Vorschlag einer „transnational solution" (1989) zur Organisation grenziiberschreitender Wirtschaftsaktivitaten in Zeiten fortschreitender Globalisiemng sowohl in der managementwissenschaftlichen Debatte um intemationale Untemehmensfiihrung als auch in der intemational vergleichenden Organisationsforschung stark rezipiert worden ist, und im letztgenannten Bereich zu dem Bezugspunkt kritischer Debatten und vielfaltiger empirischer Forschungen - nicht zuletzt auch in diesem Band geworden ist, soil dieser Ansatz etwas ausftihrlicher vorgestellt werden. Bartlett und Ghoshal (1989, 1990) unterscheiden vier idealtypische Strategic- und Orga-
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nisationstypen im Bereich des Managements grenziiberschreitender Untemehmensaktivitaten:^ Das internationale Unternehmen iibertragt Produkte und Konzepte, die am heimischen Markt und in der heimischen Organisation bereits etabliert sind, auf die auslandischen Standorte. Die Standorte sollen so vom Wissen und von den Innovationen, die in der Untemehmenszentrale generiert worden sind, profitieren. Zugrunde liegt hier die Produktlebenszyklus-Theorie (Vernon 1966; vgl. auch Macharzina 1995: 722ff): Produkt- und Prozessinnovationen werden zunachst auf heimischem Terrain, wo das Unternehmen eine starke Marktposition hat, durchgesetzt. Das hier erworbene Erfahrungswissen wird dann transferiert, um Skaleneffekte zu erzielen. Das multinationale Unternehmen setzt auf Prasenz in und moglichst gute Anpassung an unterschiedliche nationale Markte und Produktionsstandorte. Es gewahrt seinen auslandischen Tochtergesellschaften einen hohen Grad an Autonomic hinsichtlich der Fragen nach Produkt-, Produktions-, Beschaffungs- und Absatzpolitiken mit dem Ziel, eine moglichst gute Anpassung an die unterschiedlichen nationalen Bedingungen zu gewahrleisten. Zugunsten der moglichst hohen lokalen Akzeptanz auf den unterschiedlichen nationalen Markten wird auf mogliche „Integrationsvorteile" (Riedl 1999) verzichtet. Der multinationale Konzem ist daher eher ein Portfolio zahlreicher nationaler Einheiten denn ein international oder global integriertes Unternehmen. Das globale Unternehmen agiert strategisch genau umgekehrt. Es setzt auf globale Effizienz und orientiert sich dabei auf den Weltmarkt als integriertes Ganzes. Es entwickelt und vertreibt standardisierte ,Weltprodukte' und operiert mit standardisierten, ,weltbezogenen' Strategien. Das transnationale Unternehmen nun will globale Effizienz und lokale Anpassung gleichzeitig erreichen. Dies geschieht durch Modul- oder Plattformstrategien, bei denen Basiskomponenten und grundlegendes Design standardisiert werden, Einzelheiten oder Erscheinungsbild aber nach den Anforderungen unterschiedlicher lokaler Markte modifiziert werden konnen. Ziel ist die globale Wettbewerbsfahigkeit, d.h. „Marktnahe ist primar ein Instrument, um im internationalen G^sohMi flexibel reagieren zu konnen" (Bartlett/ Ghoshal 1990: 84; Herv. i.O.).
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Vgl. auch den Uberblick bei Riedl (1999) auf einer breiteren Basis intemationaler Managementliteratur.
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Innovation ist im transnationalen Untemehmen ebenso zentral wie Effizienz. Dabei ist wichtig, dass Innovationen nicht nur von der Untemehmenszentrale erwartet werden, sondem in vielen Bereichen des Untemehmens entstehen konnen. Das setzt eine transnationale Lemfahigkeit des gesamten Untemehmens voraus. „Transnational denkende Manager wissen, daB Ressourcen auBerhalb des Stammlandes fur das Gesamtuntemehmen nutzbringend eingesetzt werden konnen. Sie fordem die Entwicklung entsprechender organisatorischer Werte iind sichem sie fiir das Gesamtuntemehmen" (Bartlett/ Ghoshal 1990: 90). Die einzelnen Tochtergesellschaften und Untereinheiten werden nicht mehr - wie im multinationalen Untemehmen - nach nationalen Markten, oder - wie im globalen Untemehmen - nach Produktionskosten, sondem funktional differenziert. Einige Tochtergesellschaften konnen also reine Produktionsstandorte sein, andere konnen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben fur das Gesamtuntemehmen tibemehmen. „Das transnationale Untemehmen konzentriert manche Ressourcen im Hauptquartier, andere im Ausland, wieder andere werden unter den zahlreichen nationalen Filialen aufgeteilt. Daraus resultiert eine komplexe Konfiguration von verstreuten, aber spezialisierten Vermogenswerten und Kompetenzen. Die weitgestreuten Ressourcen werden durch starke Interdependenzen in das Untemehmen eingebunden" (Bartlett/ Ghoshal 1990: 85). Diese anspmchsvolle Integration soil eine starke Unternehmenskultur leisten: „Des-" halb besteht die wichtigste Aufgabe transnationaler Manager darin, eine gemeinsame Vision und personliches Engagement zu fordem und die Organisation im BewuBtsein jedes einzelnen Mitarbeiters zu verankem" (Bartlett/Ghoshal 1990: 93). Zusammenfassend kann man das „transnationale Untemehmen" sensu Bartlett und Ghoshal als integriertes Netzwerk funktional differenzierter Einheiten ohne einheitliches hierarchisches oder geographisches Zentrum beschreiben. Hedlund (1986) hat dafiir den Begriff der Heterarchie gepragt. Im Anschluss an kontingenztheoretische Annahmen (vgl. auch Ghoshal/ Noria 1989) gehen Bartlett und Ghoshal davon aus, dass jeder dieser Strategic- und Organisationstypen zu markt- und branchenspezifischen Umweltbedingungen ,passt'. D.h. Organisationen konnen dann erfolgreich sein, wenn sie eine den in der jeweiligen Branche, auf dem jeweiligen Markt, zur jeweiligen historischen Phase vorfmdlichen Umweltbedingungen ,angepasste' Organisationsstrategie verfolgen. Neben dieser kontingenztheoretischen Anpassungsthese gehen die Autoren weiterhin davon aus, dass sich die Wettbewerbsbedingungen fur weltweit operierende Untemehmen m alien Branchen und auf alien Markten in einem konvergenten Entwicklungsprozess befmden, und zwar in eine Richtung, die die transnationale Strategic und Organisationsform zur altemativlos richti-
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gen, angepassten ,Losung' macht. Insofem beinhaltet die Typenbildung von Bartlett und Ghoshal auch eine evolutionare Vorstellung, in der das transnationale Untemehmen als „transnational solution" schlechthin ausgeflaggt wird, und zwar verstanden als one best way der Organisation grenziiberschreitender Wirtschaftsaktivitaten. Das transnationale Untemehmen ist dann nicht ein moglicher Strategie- und Organisationstyp unter anderen. Der Begriff meint vielmehr einen „Idealtyp" nicht nur im methodisch-methodologischen Weber'schen Sinne, sondem auch im normativem Sinne als erfolgversprechende oder gar garantierende organisational Losung fur die mit einer fortschreitenden Globalisierung und weltweiten Vemetzung und Verdichtung von Wirtschaft verbundenen Wettbewerbsprobleme grenziiberschreitend tatiger Untemehmen (Bartlett/ Ghoshal 1990: 91). Mit solchen Formuliemngen ebnen Bartlett und Ghoshal den Unterschied zwischen der Beschreibung eines Phanomens, seiner stmkturellen Hintergrtinde wie moglichen Folgen einerseits und den normativ aufgeladenen Erfolgsversprechen der managementnahen Beratungsliteratur andererseits ein. In der Rede von der „transnational solution" konvergieren also die Analyse von moglichen Organisationsstmkturen transnational operierender Untemehmen und die (Management-)Semantik des erfolgreichen Organisierens von Transnationalisierung. Diese wenig tiberzeugende Vermischung ,beremigt' die kritische Literatur, indem sie mit der semantischen Figur gleichzeitig auch die Beschreibung eines spezifischen Organisationsphanomens fallen lasst, fur dessen Existenz sich unseres Erachtens sowohl empirische Beobachtungen als auch organisationssoziologische Argumente anftihren lassen. Bevor wir auf die empirischen Evidenzen und mogliche organisationssoziologische Deutungen eingehen, wollen wir einen kurzen Blick auf die Uberaus kritische Rezeption des managementwissenschaftlichen Ansatzes von Bartlett und Ghoshal werfen.
3.
Transnationalisierung in Question 7MY Kritik am normativ-evolutionaren Paradigma
Vor allem in der soziologisch orientierten international vergleichenden Organisationsforschung richtete sich die Kritik insbesondere auf den normativen bias, die Starke Konvergenzannahme einer weltweit homogenen Umwelt, die den transnationalen Organisations- und Strategietypus als einzig angepasstes Erfolgsmodell erscheinen lasst. Diese Kritik kommt aus zwei Richtungen:
Transnationale Konzeme als neuer Organisationstyp?
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Die erste, und vom Forschungs- und Publikationsumfang her bisher bedeutendere, lasst sich in grober Vereinfachung als institutionalistisch charakterisieren. Die entsprechenden Studien waren in erster Linie angeleitet von der ,alten' Frage der international vergleichenden Organisationsforschung nach Divergenz Oder Konvergenz von Organisationsformen und -strategien (vgl. Eckardt et al. 1999a). Diese Kritik zielte zunachst auf die in Bartlett und Ghoshals „Idealtypus" implizit - bei Robert Reich (1993) explizit - enthaltene These vom ,footlose enterprise' und wendet sich gegen die Vorstellung von Untemehmen ohne nationalspezifische Bindungen mit einem intemationalisierten Management gleichfalls bindungs- und ortloser „Globalmanager" (Bartlett/ Ghoshal 1993), die tiberall auf der Welt Niederlassungen aufbauen und wieder schlieBen, je nach Profiterwartungen (Hirst/ Thompson 1999: 11). Hirst und Thompson (1999) kritisieren insbesondere die Vorstellung - die allerdings eher Reich (1993) als Bartlett/ Ghoshal (1989, 1990) zuzuschreiben ist -, dass transnationale Untemehmen nationalstaatliche Regulierungen unterlaufen und damit jeglicher Kontrolle und Beschrankung entgehen konnten (ebd.). In ihrer Kritik an der Transnationalisierungsthese betonen Hirst und Thompson, dass „intemational firms look for particular comparative and competitive strengths in locational advantages associated with national or regional production, innovation and business systems. MNCs thus seek to tap into the advantages offered by particular locations so as to strengthen their overall competitive performance and success" (1999: 93; eigene Hervorhebung). Das flihrt laut Hirst und Thompson nicht zum Unterminieren von regionalen oder nationalen Innovations- und business systems, sondern gerade zu ihrer Starkung. Weiterhin betonen Hirst und Thompson, wie auch eine Reihe anderer institutionalistisch orientierter Forscher^ die Bedeutung des Heimat- oder Stammlandes fur Strategic- und Organisationstypen sowie Globalisierungspfade von Untemehmen. Die Einbettung in nationalspezifische business systems (Whitley 2000, 2001), industrielle Komplexe (Ruigrok/ van Tulder 1995) oder Aushandlungsarenen (Dorre 1996) fiihrt zu deutlichen Unterschieden zwischen grenzliberschreitend tatigen Untemehmen. Die je nach Kontexten hochst unterschiedlichen Organisations- und Globalisiemngsstrategien sind in einer Reihe von
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Allerdings zeigen Geppert et al. (in diesem Band), dass dies fur den europaischen, nicht aber fiir den amerikanischen Institutionalismus zutrifft. Letzterer betont nicht die landerspezifischen Unterschiede in den instituitonellen settings, sondern die transnationalen Angleichungsprozessen in wichtigen Umweltbereichen von Organisationen.
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empirischen Studien dokumentiert. So weisen Ruigrok und van Tulder (1995) auf die Bedeutung industrieller Komplexe hin. „Demzufolge muB die Intemationalisierung von Konzemen im Zusammenhang mit den jeweiligen produktiven, politischen und sozialen Stammland-Einbindungen sowie der damit verbundenen Kontrollstrategien analysiert werden. (Hier wird) das Zusammenspiel von Organisationsstrukturen und -strategien sowie die Machtaspekte innerhalb und zwischen den in die industriellen Komplexe involvierten Organisationen hervor(gehoben). Die Betonung der jeweiligen regionalen Meso- oder Netzwerkebenen - und damit der Perspektive nicht auf individuelle Untemehmen sondem weitere Kooperationskomplexe sowie die entsprechende Einbettung von Internationalisierungsverlaufen - spricht sowohl gegen eine extreme und weltweit einheitliche ,Applikation' von Produktionsmodellen als auch gegen deren Konvergenz im Sinne eines one best way" (Eckardt et al. 1999a mit Bezug auf den Ansatz industrieller Komplexe). Ebenfalls auf dieser Linie unterstreicht Dorre (1996) die bleibende Einbettung deutscher'Weltuntemehmen' in die historisch gewachsene und durch das deutsche Institutionensystem und dessen korporative Akteure konstituierte Aushandlungsarena, in der Globalisierungsstrategien ,verhandelt' werden. Als letzter Beleg ftir „die Macht des Ortes" (Flecker 2000) sei hier auf die Arbeiten von Whitley hingewiesen. Whitley (2001) geht davon aus, dass die Intemationalisierungspfade von Untemehmen, d.h. die Frage wo investiert wird, welche Funktionen im Ausland angesiedelt werden, und wie die Beziehungen zwischen Untemehmenszentrale und Standorten gestaltet werden, in ganz erheblichem AusmaB von den jeweiligen business systems des Stammlands einerseits, aber auch der Gastlander der Niederlassungen andererseits beeinflusst wird. Er meint sogar, dass Untemehmen, die in bestimmten, namlich hoch integrierten und koharenten business systems beheimatet sind, sich gar nicht in die transnational Richtung entwickeln werden. Die zweite, bisher noch wenig ausgearbeitete, aber in diesem Band forcierte Kritiklinie ist eine organisationssoziologisch informierte, handlungstheoretisch argumentierende. Ausgangspunkt dieser Kritik ist die bei Bartlett und Ghoshal implizit gehaltene Vorstellung einer bmchlosen Durchsetzung der Strategien des Top-Managements und die optimistische Einschatzung bezuglich der Steuemngskapazitat von ,Kultur'. Gegen solche Deutungen wird aus einer mikropolitischen Perspektive auf die Eigeninteressen der Akteure in den Niederlassungen und auf deren Machtressourcen und Widerstandspotentiale gegen zentral formulierte Strategien und ,Rollenzumutungen' verwiesen (vgl. Forsgren 1990; Flecker 2000; Dorrenbacher in diesem Band). Die inteme Strukturierung der Zentrale-Standort-Beziehungen wird dann nicht (allein) als Folge emer monolinea-
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ren Managementdirektive verstanden, sondem als Ergebnis von wechselseitigen Macht- und Austauschbeziehungen, die nach den Akteurskonstellationen und Machtressourcen fragt (vgl. Femer/ Varul 2000; Forsgren 1990; MensePetermann 2005). „Unter dieser interaktionistischen und machtpolitischen Perspektive ist das Binnenverhaltnis der Untemehmen, d.h. das Zusammenspiel zwischen Standorten und Zentrale im Intemationalisierungs- und Restrukturierungsprozess zu untersuchen, wobei dem Managementprozess zentrale Bedeutung zukommt. Die Bedeutung eines Standortes im Konzernverbund diirfte sich nicht allein aus dem jeweiligen Aufgaben-, Ressourcen- und Kompetenzzuschnitt ergeben, sondem auch aus der ,Macht des Ortes' (vgl. Flecker 2000), die sich aus lokalen Machtressourcen speist, wozu der ,okonomische Erfolg' ebenso gehort wie starke ,Landesfursten' bzw. ein hoher Prestigewert auf der intemen Standorteskala" (Matthai/Kotthoff 2001: 19). Auch andere akteurtheoretische Perspektiven, wie die strukturationstheoretische (vgl. Becker-Ritterspach 2004 und in diesem Band) oder die phanomenologische (vgl. Klemm/Popp in diesem Band), stellen eine umstandslose Ubemahme von zentralen Vorgaben in Frage und betonen stattdessen die kommunikativen Prozesse der Rezeption, Ubersetzung und Aneignung sowie Modifikation zentraler strategischer und organisatorischer Vorgaben an den verschiedenen Standorten. In den Blick geraten also Prozesse der Hybridisierung von Organisations- und Produktionsmodellen (vgl. die Sammelbande von Boyer et al. 1998 und Dorrenbacher 2003), deren Ergebnis dann nicht mehr den Blaupausen der headquarters entspricht. Auch aus einer akteurtheoretischen Perspektive heraus muss also die Konvergenzthese von Bartlett und Ghoshal mit deutlichen Fragezeichen versehen werden. SchlieBlich ist auch die ,Heterarchie-Annahme' (Hedlund 1986), d.h. die Vorstellung vom transnationalen Untemehmen als Netzwerk ohne einheitliches Zentrum, in Frage gestellt worden. Empirische Studien zeigen, dass aktuelle Reorganisationsprozesse vor allem von Untemehmen des multinationalen Typs mit einer Zentralisierung von Handlungs- und Entscheidungskompetenzen in den Konzemzentralen verbunden sind (vgl. Bochum 2000; Mense-Petermann 2005). Mit Blick auf die hier rekonstmierten institutionalistischen wie auch akteurtheoretischen Argumentationslmien steht die international vergleichende Organisationsforschung liberaus kritisch dem Begriff des transnationalen Untemehmens gegentiber; manche Forscher lehnen es aufgrund seiner normativen Vorbelastung und der diskutierten kritischen Konnotationen uberhaupt ab, ihn zu verwenden und nutzen an seiner Stelle den Begriff des multinationalen Unterneh-
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mens, der dann als Oberbegriff fiir alle Varianten international agierender Untemehmen steht (vgl. Dorrenbacher in diesem Band). Allerdings lauft eine Kritik, die den normativen Implikationen und one best woy-Vorstellungen der semantischen Figur der „transnational solution" eine Absage erteilt und dabei gleichzeitig auch den phanomenologisch-beschreibenden Teil des Strukturbegriffs der transnationalen Organisation verabschiedet, Gefahr, einen tatsachlich empirisch beobachtbaren Wandel von Strategien und Organisationsformen grenziiberschreitender Wirtschaftsaktivitaten (und deren gesellschaftliche Folgen) zu iibersehen. Das nicht zuletzt deshalb, weil man vorschnell auf die begrifflichen Unterscheidungsmoglichkeiten verzichtet, die Typologien wie die von Bartlett und Ghoshal vorgeschlagene bieten, Und empirisch gibt es vielfaltige Hinweise auf einen qualitativen Organisationswandel grenzuberschreitend tatiger Untemehmen, die begrifflich eingefangen und organisationssoziologisch verstanden werden wollen. Zunachst muss - was die Kritik haufig ignoriert - betont werden, dass die Entwicklung des „Idealtyps" des transnationalen Untemehmens von Bartlett und Ghoshal auf einer empirischen Studie von neun global operierenden Untemehmen beruht. Verfolgt wurde die Entwicklung der globalen Wettbewerbsfahigkeit dieser Untemehmen und diese wurde in Beziehung gesetzt zu den Strategic- und Organisationsformen der Untemehmen. Der Idealtyp des transnationalen Unternehmens wurde dann aufgmnd der beobachteten Strategic- und Organisationsformen der global erfolgrcichen Untemehmen des samples entwickclt. Bartlett und Ghoshal betonen ausdrucklich den Untcrschied zwischen den empirisch beobachteten Organisationsformen und dem theoretisch konstruierten und ,verdichteten' Idealtypus. Aber auch und gerade empirische Studien aus dem Bereich der soziologischen, intemational vergleichenden Organisationsforschung, die sich kritisch von dem normativ-evolutionaren Ansatz abgrenzen, haben eine Reihe von Hinweisen auf einen qualitativ bedeutsamen Wandel in den Organisationsformen und -strategien grenzuberschreitend tatiger Untemehmen geliefert. Unstrittig ist, dass sich seit Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre die Strategien und Stmkturen, mit denen grenzuberschreitend tatige Untemehmen ihre weltweiten Aktivitaten organisieren, maBgeblich gewandelt haben (Morgan 2001; Lane 2001; Flecker/ Simsa 2001; Pries 1999; Eckardt et al. 1999b; Hirsch-Kreinsen 1997). Kempunkte dieses Wandels sind der LFbergang von einer segmentaren zu einer fiinktionalen Arbeitsteilung und Spezifikation der einzelnen Untemehmensteile, die Entwicklung neuer, transnationaler und netzwerkformiger Kom-
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munikations-, Kooperations- und Koordinationsformen und eine sehr viel engere Integration der weltweiten Aktivitaten. So beobachten Pries und seine Kollegen, dass sich die drei groBen deutschen Automobilhersteller am Anfang des 21. Jahrhunderts im Ubergang von der multinationalen zur transnationalen Organisationsform befmden (vgl. Pries 1999). Letztere ist gekennzeichnet durch eine „grundlegende Reorganisation der konzemintemen Arbeits- und Funktionsteilung zwischen den weltweit verteilten Standorten: Innerhalb der Konzeme treten Standorte aus verschiedenen Weltregionen „in einen systematischen und teilweise bewuBt forcierten Wettbewerb um Investitionen, Produktmodelle und Produktionsquoten" (Eckardt et al. 2000: 4). Im Zuge der Transnationalisierung werden die bis dahin „weitgehend isolierten Montage- und Produktionsaktivitaten der verschiedenen Lander (...) in eine immer dichter und komplexer werdende transnationale Aufgabenstruktur und Arbeitsteilung eingebunden" (Eckardt et al. 1999b, S. 174). Faust et al. (2004a) konzentrieren sich vor allem auf die Frage der Organisation von Wertschopfungsketten (vgl. auch Hessinger in diesem Band) und konstatieren hier „a strong move into network-like forms to organize production (...)" (Faust et al. 2004a: 26). Faust et al. beschaftigen sich zwar nicht in erster Linie mit global operierenden Konzemen, sondem untersuchen die Neukonfiguration von organisationsintemen und -extemen Austauschbeziehungen und Wertschopfungsketten im Zuge von outsourcing-FolitikQn. Dabei weisen sie aber - und das ist durchaus auch relevant fiir unseren Zusammenhang - auf einen kulturellen Wandel in der Wahmehmung von Moglichkeiten und Chancen durch Globalisierung hin. Tradierte Selbstverstandlichkeitsannahmen und Uberzeugungen beztiglich ,richtiger' Organisationsstrukturen und -strategien werden durch die Wahmehmung neuer Moglichkeiten in Frage gestellt und iiberdacht. Das heiBt nicht unbedingt, dass die etablierten Organisationsweisen zugunsten neuer, globaler best practices verabschiedet werden. Das Ergebnis einer solchen Infragestellung althergebrachter Organisationsstmkturen und -strategien kann auch sein, dass man sich entscheidet, an ihnen festzuhalten. Aber sie verlieren vor dem Hintergrund neuer, globaler Sinn- und Deutungsangebote ihren Status der Selbstverstandlichkeit und Unhmterfragbarkeit (Faust et al. 2004a: 22; vgl. zu diesem Argument auch Lane 2001). Auch Morgan (2001) verweist zwar auf die bleibende Bedeutung institutioneller Kontexte fiir die Organisationsformen und Globalisiemngspfade grenz-
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iiberschreitend tatiger Untemehmen, beobachtet aber gleichzeitig „a new level of social interaction that creates new relationships" (ebd.: 127), die er als transnationale soziale Raume untersucht (vgl. auch Kotthoff 2001)/ Was in diesen empirischen Befunden - die sich ja jeweils an den Fragen nach Konvergenz versus Divergenz von Strategien und Organisationsformen, nach Einbettung in oder Entbettung aus national- oder landerspezifischen institutionellen settings, nach Zentralisierung oder Dezentralisierung von Handlungs- und Entscheidungskompetenzen sowie nach Hybridisierungsprozessen abarbeiten - zusammenfassend deutlich wird, ist die Frage nach einem neuen Verhaltnis von Globalem und Lokalem. Diese Diskussion wird in der Globalisierungsforschung unter dem Begriff der Glokalitdt (Robertson 1998) gefuhrt. Mit diesem Begriff bezeichnet Robertson die „simultaneity and interpenetration of what are conveniently called the global and the local" (Robertson 1995: 30). Er beobachtet einen doppelten Prozess: „die Aneignung universeller Werte und Artefakte im Kontext lokaler und lebensweltlicher Gemeinschaften einerseits sowie die Werbung fur bzw. Verteidigung von lokalen und regionalen Werten und Identitatsformen in einer globalen Arena andererseits" (Dtirrschmidt 2002: 54). Dieser Begriff der Glokalitat lasst sich nun mit Gewinn auch in die Debatte um neue Organisationsformen grenziiberschreitender Wirtschaftsaktivitaten einfuhren. Er stellt so etwas wie die hidden agenda hinter den hier versammelten Beitragen dar. Denn auch beim „Idealtypus" des transnationalen Untemehmens geht es ja zentral darum, dass die lokalen Niederlassungen einerseits bei der Bearbeitung ihrer Aufgaben die globale ,Konzembrille' tragen, d.h. die Belange des Gesamtunternehmens im Blick haben, andererseits jedoch je spezifische lokale Ressourcen in das Gesamtuntemehmen einbringen, was gewisse Freiraume fur die Entwicklung und ,Pflege' solcher lokalen Spezifika voraussetzt. Glokalitdt in diesem Sinne wird in dem hier vorliegenden Band jedoch nicht als ,Losung', sondem als Problem verstanden.
Das aus der Migrationssoziologie ubemommene Konzept des ,transnationalen sozialen Raums' (vgl. Vertovec 1999; Faist 2004, Pries 2001a) wird hier genutzt, um auf Prozesse des Organisationswandels und eine neuartige Qualitat der grenzijberschreitenden Koordinations- und Kooperationsformen innerhalb von Organisationen hinzuweisen, ohne gleich die Organisation als Ganze als transnational beschreiben zu miissen - mit all den normativen und teleologischen Implikationen, die bei Bartlett und Ghoshal damit verbunden sind, Letzterem steht vor allem Kotthoff (2001 und in diesem Band) sehr kritisch gegenuber.
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4. Die Beitrage Im I. Teil des Bandes sind Beitrage versammelt, denen es - jenseits der semantischen Figur des transnationalen Untemehmens in der beratungsnahen Managementliteratur - darum geht, theoretisch-konzeptionelle Vorschlage zu machen, die es erlauben, ohne normativen bias Prozesse des Organisationswandels grenziiberschreitender Untemehmen in den Blick zu nehmen. Der Beitrag von Philipp Hessinger untemimmt den Versuch, die Handlungsbedingungen zu klaren, unter denen transnationale Untemehmen in der globalisierten Okonomie agieren. Dabei wird auf Befunde verwiesen, denen zufolge die Transnationalisierungsstrategien der Untemehmen in einer komplementaren Beziehung zu der Entstehung globaler Warenketten stehen. Globale Warenketten werden dabei als ein spezifischer Modus der Einbettung okonomischen Handehis in ein „polykontexturales" Umfeld verstanden, welches aus verschiedenen Funktionssystemen „komponiert" ist. Ausgehend von diesen tJberlegungen wird deutlich, dass Transnationalisiemngsstrategien mit einer deutlichen Komplexitatszunahme in der Beziehung von Organisation und Umwelt verbunden ist. Daraus ergibt sich die - nur auf den ersten Blick tiberraschende - These eines relativen Machtverlustes eben dieser Untemehmen in ihren relevanten Netzwerken. Ursula Mense-Petermann schlagt vor, die Organisation der Transnationalitat als „glokale Restmkturation von Organisationsgrenzen" begrifflich zu fassen. Diese Rekonfiguration von Sinn- und Erwartungsgrenzen hat zur Folge, dass lokale Rationalitaten anschlussfahig sein mtissen an die Rationalitat der Gesamtorganisation. Damit, und darauf kommt es an, entstehen glokale Regeln der Legitimation, Sinnkonstitution und Herrschaft, die sicherstellen, dass sich Handeln und Entscheiden an den einzehien Standorten als viabel mnerhalb beider, also der lokalen und zugleich der globalen-zentralen Bedeutungsrahmen erweisen. Damit wird jedoch in keinster Weise der Globalisierungseuphorie oder dem best practice Optimismus von Bartlett und Ghoshal das Wort geredet. Ob die Organisation von Transnationalitat im Sinne der glokalen Restmkturation von Sinn- und Erwartungsgrenzen gelingt, welche Sinndeutungskomplexe im Medium der Viabilitat entstehen und welche konkrete Organisationsgestalt die transnationale Rekonfiguration letztlich annimmt, ist eine empirisch offene Frage, die sich auch an mikropolitischen Machtkonstellationen (Dorrenbacher in diesem Band) und den Translationskompetenzen der relevanten Akteure (BeckerRitterspach in diesem Band) entscheidet.
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Mike Geppert, Dirk Matten und Peggy Schmidt eruieren in ihrem Beitrag die theoretischen Moglichkeiten eines neo-institutionalistischen Ansatzes fur die Analyse von Transnationalisierungsprozessen. Hier rticken die Umwelten von Organisationen ins Zentrum der Beobachtung. Anders als in der managementwissenschaftlichen Literatur, die vor allem auf Strategic und organisationsinterne Prozesse des Organisationsaufbaus und der Steuerung fokussiert, wird hier die Einbettung von Organisationen in institutionelle Umwelten betont. Dabei nutzen die Autoren die Unterscheidung zwischen US-amerikanischen neoinstitutionalistischen Ansatzen, vor allem reprasentiert von John Meyer und seinen Kollegen sowie von Powell und DiMaggio, die sich in erster Linie auf den Staat und seine Gesetzgebung, Professionen und ihre Organisationen sowie organisational Felder als zentrale Umwelten von Organisationen beziehen, und europaischen institutionalistischen Ansatzen, die vor allem auf das Bildungssystem und die industriellen Beziehungen als zentrale Institutionen in der Umwelt von Wirtschaftsorganisationen abheben, um einen Analyserahmen aufzuspannen, in dem dann die Transnationalisierungsfrage diskutiert werden kann. Die Autoren zeigen, dass der europaische Institutionalismus geeignet ist, die Einfliisse je nationalspezifisch verfasster institutioneller Umwelten auch auf Globalisierungsstrategien und -pfade deutlich zu machen. Globalisierung erscheint in dieser Perspektive nicht als Prozess der Loslosung von landerspezifischen Einbindungen, und die Ergebnisse von Untemehmensglobalisierung liegen dementsprechend nicht in einer weltweiten Konvergenz von Organisationsstrukturen. Der US-amerikanische Institutionalismus hebt dagegen auf Institutionen ab, die selbst einem Transnationalisierungsprozess unterliegen und betont dementsprechend konvergente Entwicklungen in der Organisation von Wirtschaftsaktivitaten. Erst beide institutionalistischen Perspektiven zusammengenommen erlauben, jenseits von one-best-way-Axm^hmQn und Transnationalisierungsidealen, eine differenzierte Analyse der komplexen Prozesse von Einbettung und Nutzung je unterschiedlicher institutioneller Umwelten und von Transnationalisierungsprozessen. Die Beitrage des II. Teils fokussieren die organisationsintemen Interaktionsdynamiken zwischen Konzernzentralen und lokalen Niederlassungen. Im Zentrum stehen hier Versuche von Konzernzentralen, die transnationale Integration durch den Transfer von best practices oder ganzen Produktionsmodellen zu verstarken, sowie die daraus resultierenden interaktiven Prozesse zwischen Zentrale und Standorten. Christoph Dorrenbdcher schlagt in seinem Beitrag eine mikropolitische Perspektive auf international tatige Untemehmen vor. In einer solchen handlungs-
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theoretischen Perspektive werden die organisationsintemen Machtspiele und Interessenauseinandersetzungen fokussiert, die die Organisation konstituieren. Dorrenbacher zeigt, dass die international vergleichende Organisationsforschung bisher eher institutionalistisch oder funktionalistisch argumentiert und damit zentrale Aspekte der Organisation grenziiberschreitender Aktivitaten nicht in den Blick bekommen hat. Dabei konimt es ihm zunachst allgemein - unabhangig von der konkreten Organisationsform der grenziiberschreitenden Aktivitaten - auf den Nachweis der zentralen Bedeutung mikropolitischer Prozesse an. Daher nutzt er auch den allgemeinen Begriff des multinationalen Untemehmens, mit dem schlicht auf die Tatsache der Ausweitung von Untemehmensaktivitaten iiber das Stammland hinaus ohne organisatorische Implikationen verwiesen werden soil, anstelle des Begriffs des transnationalen Untemehmens, der ihm normativ zu stark vorbelastet erscheint. In zweiter Linie und am empirischen Beispiel von Mandatsverhandlungen und damit verbundener mikropolitischer Konstellationen wird dann jedoch auch deutlich, dass (iber die Analyse mikropolitischer Konflikte auch ein Wandel in den Organisationsformen grenztiberschreitend tatiger Untemehmen beobachtet werden kann. Sichtbar wird in dieser Perspektive, dass eher mit einer Pluralisierung von Organisations- und Strategietypen zu rechnen ist, denn mit der Durchsetzung des transnationalen Unternehmens als one best way. Florian Becker-Ritterspach wendet sich dem Problem zu, dass die besonderen Organisationsstrukturen transnationaler Konzeme hohe Anfordemngen an Prozesse des lateralen und vertikalen Wissenstransfers stellen. Die Gleichzeitigkeit von steigendem Innovationsdmck und globaler Standardisiemng in Kombination mit der geforderten Anpassung an lokale Kontexte verhindert einen unproblematischen Transfer als universal giiltig gedachten Wissens. Obgleich das Thema Wissen und Wissenstransfer in der Intemational Business und Managementliteratur eine groBe Rolle spielt, gibt es dennoch zwei bemerkenswerte Dunkelfelder. Zum einen erfahrt man in den Beitragen wenig iiber die Frage, was mit dem iibertragenen Wissen geschieht und wie sich der aufhehmende Kontext im Prozess des Wissenstransfers verandert. Zum anderen liegen keine ausgearbeiteten Studien vor, die Prozesse der Wissensintegration mikrosoziologisch auf der Ebene der Interaktion konkreter Akteure, ihrer Interessen, Machtressourcen und Deutungskompetenzen rekonstmieren. In seinem Beitrag verbindet Becker-Ritterspach Argumente aus dem Skandinavischen Institutionalismus mit der Stmkturationstheorie, um ein altematives Modell zur praziseren Analyse von Wissenstransfers zu formulieren. Das Translationskonzept des Skandinavischen Institutionalismus unterstreicht, dass sich der Wissenstransfer
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angemessen nur als dialektische Transformation beschreiben lasst. Wissen wird nicht einfach ubertragen, es wird iibersetzt, wobei der Zielkontext das transferierte Wissen genauso verandert wie die Transferinhalte das aufhehmende System andem. Dieses Argument wird um die Strukturationstheorie erweitert, um zu zeigen, wie Translationen durch die Einbettung von Akteuren in organisatorische Kontexte und ihrer „Positionierung" (Giddens) in sozialen Systemen ihrerseits sozial strukturiert sind. Der hier vorgeschlagene Analyserahmen lenkt die Aufmerksamkeit darauf, wie komplex und voraussetzungsvoll die oft zitierte Anforderung an transnationale Organisationen ist, Transferinhalte an lokale Kontexte anzupassen. Ganz offensichtlich ist darunter mehr und anderes zu verstehen als eine kontingenztheoretisch informierte Adaption an gegebene Umweltbedingungen. Das unterstreicht auch der Beitrag von Matthias Klemm und Michael Popp, der ebenfalls das Verhaltnis von lokalen, zentralen und glokalen Wissensinhalten und Deutungsangeboten fokussiert. Auf der Basis einer empirischen Fallstudie iiber die Integration eines tschechischen Automobiluntemehmens in den Konzemzusammenhang eines deutschen global operierenden Automobilkonzems beobachten sie Kommunikations-, Kooperations- und Koordinationsformen, die als transnational charakterisiert werden konnen. Diese werden jedoch nicht - wie von Bartlett und Ghoshal vorgestellt - von ,oben' implementiert, sondem emergieren in transnationalen Kommunikationsbeziehungen. Klemm und Popp schlagen eine phanomenologisch-wissenssoziologische Perspektive auf Prozesse des Organisationswandels im Zuge fortschreitender Globalisierung vor, mit deren Hilfe die Kontingenz und die Hybriditat der Ergebnisse solcher Transnationalisierungsprozesse in den Blick geraten. Insbesondere die Rolle der Lokalitdt in ihrem Verhaltnis zu globalen Beziigen wird hier ins Zentrum gertickt. So kommen die Autoren zu einer differenzierten Antwort auf die Titelfrage nach dem transnationalen Konzem als neuem Organisationstyp: Nicht im transnationalen Unternehmen als Heterarchie sehen sie den neuen Organisationstypus, sondem im Offhen einer „entscheidungsoffenen Aushandlungsarena", in der die Beziehungen zwischen Konzernzentrale und Standorten ausgehandelt werden. Im III. Teil schlieBlich werden mogliche Jnfrastrukturen' von Transnationalisierungsprozessen untersucht. In den Beitragen dieses Teils wird zum einen die ,Unwahrscheinlichkeit' von Transnationalisierung als hochvoraussetzungsvollem Prozess betont, zum anderen dann aber danach gefi-agt, welche Akteure, Medien und Strukturbildungen Transnationalisierung - empirisch, d.h. von Fall zu Fall - dann doch ermoglichen.
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So beginnt Gabriele Wagner ihren Beitrag denn auch mit der These, dass die Stabilisierung transnationaler Organisationsstrukturen unwahrscheinlich ist, in dem Sinne, dass sie zwar empirisch moglich, aber hochvoraussetzungsvoll ist. Der Beitrag geht dann der Frage nach, welches eigenthch die Bedingungen fur eine solche Stabilisierung transnationaler Organisationsformen sind. Dabei zeigt Wagner die Widerspriiche einer Organisationsstrategie auf, die gleichzeitig auf global effectiveness und local responsiveness setzt. Am empirischen Beispiel von deutschen expatriates, die Niederlassungen in der Russischen Federation leiten, werden die mit einer solchen Strategic verbundenen Spannungen, aber auch mogliche Ressourcen des Umgangs mit diesen Spannungen herausgearbeitet. Wagner zeigt hier die zentrale Bedeutung sozialer Netzwerke fur die Abarbeitung dieser Spannungen und Widerspriiche. Dabei macht sie jedoch deutlich, dass solche sozialen Netzwerke zum einen nicht nur Ressource sein, sondem auch Blockadepotential haben konnen, und zum anderen als Ressourcen aufierhalt der formalen Organisation liegen und daher von diesen nicht umstandslos kontrolliert und instrumentalisiert werden konnen. Ebenso fragt Johannes Gluckler nach den Voraussetzungen, die eine transnationale Organisationsstrategie iiberhaupt ermoglichen und dauerhaft stabilisieren. Diese Frage grtindet in der These, dass sich Transnationalitat gerade im Prozess der Transnationalisierung von Organisationen analysieren lasst. Ftir eine solchermaBen prozessorientierte Untersuchungsperspektive sind transnationalisierungskritische Momente wie der Markteintritt und die ErschlieBung neuer Kunden besonders instruktive Untersuchungsgegenstande. Am Beispiel von international tatigen Untemehmensberatungen geht der Beitrag der Frage nach, wie diese Untemehmen soziale, kulturelle und geographische Distanzen iiberwinden und wie sie sich in den anvisierten lokalen Markten zu etablieren versuchen. Dabei zeigt GlUckler, dass globale Bekanntheit und weltweit sichtbare offentliche Reputation zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung fur einen erfolgreichen Markteintritt und eine dauerhafte Etablierung in auslandischen Markten darstellen. Entscheidend fur die dauerhafte Stabilisierung transnationaler Untemehmensberatungen ist vielmehr die Einbettung in lokale soziale Netzwerke und die dort geltenden spezifischen Regeln der Gewahrung von Netzwerkreputation. Damit verweist auch der Beitrag von Gltickler auf empirische Grenzen von Transnationalisierung, die ihrerseits in dem Problem griinden, dass Prozesse der Transnationalisierung auch auf nichtokonomischen Voraussetzungen okonomischen Handelns aufruhen. Auch im Beitrag von Hermann Kotthoff stehen solche nicht-okonomischen Voraussetzungen okonomischen Handelns im Zentrum. Kotthoff markiert die
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Grenzen von Transnationalisierungsprozessen mit Blick auf das Vertrauensproblem. Trotz der transnationalen Ausrichtung der von ihm untersuchten Konzeme und der zu beobachtenden Intemationalisierung des Managements werden an den Auslandsstandorten sensible Positionen, etwa die Stelle des Finanzdirektors, auBerst selten mit lokalen Managem besetzt. Entscheidungsrelevant bei der Besetzung solcher Stellen sind mit ,Nationalitat' und ,Familie' Kriterien, die man wohl kaum mit einer hoch ausdifferenzierten Organisation in der ,Weltgesellschaft' in Verbindung bringen wtirde. Dabei zeigt Kotthoff, dass es gerade die komplexen, langen Handlungs- und Entscheidungsketten in transnationalen Konzemen sind, die den Ruckgriff auf Nation und soziale Herkunft als Entscheidungspramissen motivieren. Die Zugehorigkeit zur gleichen Nation oder einer bestimmten Familie fangt das Problem auf, dass nur in weitreichend standardisierbaren Organisationsstrukturen, Produkten oder Prozessketten sich personales Vertrauen durch Systemvertrauen ersetzen lasst. Demgegenuber zeichnen sich transnational agierende, komplex strukturierte Organisationen durch einen chronisch hohen Bedarf an personalem Vertrauen aus. Auch aus der Beobachtung der bemerkenswerten Kopplungen , Internationales bzw. globales Untemehmen/Sy stem vertrauen' und ,transnationales Untemehmen/personales Vertrauen' ergeben sich kritische Ruckfragen an das evolutorische Stufeimiodell, das Bartlett und Ghoshal mitflihren.
5. Resumee In der Gesamtschau zeigen die Beitrage dieses Bandes, dass sich Transnationalisierung als Strategic grenzuberschreitend tatiger Untemehmen empirisch durchaus nachweisen lasst. Diese Strategic wird jedoch im Organisationsalltag vielfaltig gebrochen durch mikropolitische Interessengegensatze und Aushandlungsprozesse, durch tJbersetzungs- und Hybridisierungsprozesse ,vor Ort', sowie durch Probleme der Schaffling fur Transnationalisierung notwendiger sozialer Infrastrukturen. Zusammengefasst: Untemehmen, die eine Transnationalisierungsstrategie verfolgen wollen, sind mit dem Problem der Herstellung von Glokalitdt konfrontiert. Dass dieses Problem und seine Bearbeitung keineswegs - wie die Managementliteratur nahe legt - trivial ist, das zeigen die hier versammelten Beitrage. Mit Bezug auf die Titel-Fragestellung werfen die Beitrage insofem mindestens genauso viele Fragen auf, wie sie Antworten anbieten. Zusammenfassend
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lassen sich zwei Punkte festhalten: Mit der Durchsetzung der transnationalen Organisationsform als einzige Antwort auf sich global konstituierende Umwelten ist nicht zu rechnen. Vielmehr muss von einer Pluralitat von Organisationsund Koordinationsformen grenzUberschreitender Wirtschaftsaktivitaten ausgegangen werden. Das transnationale Untemehmen als eine solche Organisationsform lasst sich aber sehr wohl empirisch beobachten und theoretisch als neuer Organisationstyp bestimmen, insofem als es sich im Hinblick auf seine Umweltbeziige, die Inklusion seiner Mitglieder, seine soziale Einbettung, seine Grenzziehungen und seine sozialen Infrastrukturen deutlich von anderen Koordinationsformen grenzUberschreitender Wirtschaftsaktivitaten unterscheidet.
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Teill Jenseits des normativ-evolutionaren Paradigmas Theoretisch-konzeptionelleDeutungsangebote
Philipp Hessinger
Zwischen Weltmarkt und Weltgesellschaft:
Transnationale Unternehmen im Umbruch der globalen Warenketten^
1. Weltmarkt oder Weltgesellschaft? Schaut man in die reichhaltige Literatur zum Thema ,Globalisierung' der Weltwirtschaft, so fmdet sich fast in jedem Beitrag die Annahme, dass dieser Prozess auf zwei eng miteinander verflochtene Trends verweist: zum einen der Trend zur Reorganisation bestehender Untemehmensstrukturen und zum anderen der Trend zur raumlichen Restrukturierung der relevanten Produktionsensembles. In der Diskussion tiber die raumlichen Auswirkungen der Globalisierung wirtschaftlicher Aktivitaten fmden sich wiederum zwei einander entgegengesetzte Interpretationen der ktinftigen Entwicklung. Auf der einen Seite wird die Herausbildung eines global-homogenisierten Wirtschaftsraumes hervorgehoben, in dem national verankerte okonomische Strukturen zunehmend an Bedeutung verlieren (Albrow 1998; Reich 1998; Ohmae 1996). Auf der anderen Seite wird auf die fortbestehende Unterschiedlichkeit „nationaler Einbettungskontexte" verwiesen (Abelshauser 2003; Hall/ Soskice 2001; Boyer/ Drache 1997; Crouch/ Streeck 1997). Ungeachtet ihrer gegensatzlichen Einschatzungen der Folgen und Reichweite von Globalisierungsprozessen gehen beide Deutungsangebote davon aus, dass der Nationalstaat infolge der weltweiten
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Ich danke insbesondere Gabriele Wagner fur kritische Hinweise und konstruktive Vorschlage.
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Veranderungsprozesse an wirtschaftspolitischen Einfluss verlieren wird. Fiir radikale Vertreter der Globalisierungsthese ergibt sich die Notwendigkeit des Abbaus nationaler Kemkompetenzen oft aus der neo-liberalen Vision (insbesondere auch im Bereich der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik) eines von nationalstaatlichen Beschrankungen ,befreiten' Weltmarktes. Fiir die Vertreter der ,Einbettungshypothese' stellt die nationale bzw. die regionale Handlungsebene ein ,Auffangnetz' dar, welches schadliche Auswirkungen dieses Deregulierungsprozesses gleichsam ,abfangen' kann (Boyer/ Drache 1997; Sabel 1989). Was die lokale Handlungsebene anbelangt, wird diese Meinung auch von manchen neo-liberalen Vertretem der Globalisierungsthese geteilt (Ohmae 1996). Die Frage ist, ob es sich hier um eine einigermaBen realistische Option handelt (vgl. Hessinger 2002; 1995b). Die empirisch fundierte Beantwortung dieser Frage impliziert allerdings, dass man die raumlichen Strukturen in der heutigen Weltwirtschafl differenzierter betrachtet. Zunachst fallen in dieser Hinsicht einige groBe Strukturumbrtiche ins Auge. Wahrend die Entfaltung des Weltmarktes im 19. und im frUhen 20. Jahrhundert in erster Linie auf der ErschlieBung neuer Absatzgebiete und deren monopolistischer Absicherung beruhte (raumliche Markterweiterung), ging der in den 1980er Jahren neu einsetzende Intemationalisierungsprozess mit einem globalen Standortwettbewerb, einer Dezentralisierung groBbetrieblicher Strukturen und einer Aufwertung regionaler innovativer Milieus einher (Reich 1991; Camagni 1991; Aydalot/ Keeble 1988). Dabei lasst sich der Aufbau neuer Kooperationsformen entlang globaler Wertschopfiingsketten beobachten, aus denen heraus ein neues Muster intemationaler Arbeitsteilung entsteht. In diesem Licht betrachtet erscheint es sinnvoll, die theoretische Perspektive zu verandem und das Augenmerk nicht mehr auf den isolierten nationalstaatlichen Wirtschaftsraum, sondem statt dessen auf jene Reorganisationsprozesse auszurichten, die auf eine verstarkte, globale Verkniipfung eben dieser raumlichen Einheiten zielen. Das erfordert allerdings einen theoretischen Ansatz, der es erlaubt, den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen und organisatorisch vermittelten Herrschaftsverhaltnissen zu thematisieren. In der aktuellen Globalisierungsdebatte werden demgegeniiber diese beiden Strukturdimensionen oft nur isoliert voneinander betrachtet. In der derzeitigen Theorielandschaft der Soziologie sind es vor allem zwei Ansatze, die sich mit dieser Froblematik befassen: die von Luhmann konzipierte Theorie der „Weltgesellschaft", die die evolutionare Bedeutung gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse herausstreicht, und die vor allem von Wallerstein vertretene so
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genannte „Weltsystem-Theorie", die sich neuerdings verstarkt mit Herrschaftseffekten im Rahmen von Interorganisationsbeziehungen beschaftigt. Die in diesem Aufsatz verfolgte argumentative StoBrichtung zielt dabei auf ein Konzept, das es erlaubt, ausgehend von der Analyse der Interorganisationsbeziehungen die tieferliegende Dimension der „Polykontexturalitat" der modemen Gesellschaften in den Blick zu bekommen. Als Leitfaden dienen in dieser Hinsicht die Uberlegungen von Tiirk (Tiirk 1995) und Benson (Benson 1977a; Benson 1977 b) zu einer „politischen Okonomie der Organisation" bzw. zu einer „politischen Okonomie interorganisatorischer Netze". Diese lange ,liegengebliebene' und erst jiingst reaktualisierte Konzeption zielt darauf, die intra- und interorganisatorischen Beziehungen als Manifestation gesellschaftlicher Krafteverhaltnisse zu betrachten und davon ausgehend gesellschaftliche Reorganisationsprozesse zu untersuchen. Wallerstein geht in seiner Konzeption von dem Gegensatz von „Weltmarkt" und „Weltreich" aus (Wallerstein 1974). Das modeme Weltsystem - so Wallerstein - verdankt seme Entstehung der Zerstorung der geschlossenen Wirtschaftsraume der alten „Weltreiche" durch den Weltmarkt - ein Prozess, der im 16. Jahrhundert begann und im 19. Jahrhundert im wesentlichen zum Abschluss gekommen ist. Hopkins/ Wallerstein beschreiben Entwicklungen in der modernen Weltwirtschaft ausgehend von dem Marx'schen Konzept der Kapitalverwertung als ein Ineinandergreifen von Monopolisierungs- und Demonopolisierungsprozessen (Hopkins/ Wallerstein 1994: 18). Kapitalverwertung verstehen die beiden Autoren als ein Prinzip der „Schrankenlosigkeit" in gesetzten „Grenzen". Die so gewonnene Einsicht in die Entwicklungslogik des weltwirtschaftlichen Prozesses besagt: Zunachst werden technologische Kemkompetenzen in Untemehmen des „Zentrums" gebiindelt. Der wahrend dieser Innovations- und Expansionsphase im Zentrum vorherrschende Monopolisierungsimpuls schwacht sich dann in der darauf folgenden Phase ab, in der einzelne - arbeitsintensive und leicht standardisierbare - Gewerke ausgegliedert und an die Peripherie verlagert werden. Damit werden die Grenzziehungen zwischen Zentrum und Peripherie gleichsam ,von innen her' aufgebrochen und neu definiert. Ahnlich wie die Weltsystemtheorie geht die Theorie der Weltgesellschaft von einem umfassenden Trend zur globalen Verkntipftang aller gesellschaftlichen Aktivitaten aus (Stichweh 2000). Aus systemtheoretischer Perspektive ist allerdings nicht so sehr der rein wirtschaftlich bedingte Trend der Entwicklung zum „Weltmarkt" von Bedeutung. Das eigentliche Thema der Theorie der Weltgesellschaft ist vielmehr das der Entstehung autonomer Funktionssysteme. Luhmann entwickelt dieses Konzept in scharfer Abgrenzung vom alteuro-
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paischen Gesellschaftsmodell der „Zivilgesellschaft" (Koinonia), welches auf der Leitidee des „Primats des Politischen" basierte (Luhmann 1991: 51). Der Prozess der fUnktionalen Differenzierung unterstellt demgegentiber die Abdankung von „Politik" als „Letzthorizont" und die Fokussierung aller Kommunikationen mxf funktionsspezifische Sinnhorizonte (Luhmann 1997: 145 ff.). Das bedeutet weiterhin, dass raumliche Segmentierungen sozialer Strukturen - etwa im nationalstaatlichen Rahmen - im Hinblick auf die eigentliche Entwicklung der Funktionssysteme nur von sekundarer Bedeutung sind. So gesehen ist die modeme Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Weltgesellschaft ein ,polykontexturales' Gebilde, das sich nur aus dem je spezifischen Eigensinn der jeweils einzelnen Funktionssysteme - z. B. des Wirtschaftssystems, des politischen Systems, des Wissenschaftssystems - heraus begreifen lasst. Von besonderem Interesse sind in diesem Kontext die Uberlegungen von Stichweh. Dieser defmiert die Beziehungen innerhalb der Weltgesellschaft als „Interrelationen". Die spezifische Pointe seines Ansatzes besteht in dem Aufweis, dass „globale Interrelation (global interconnectedness) kein Phanomen der Interaktionsordnung ist und in keinem Fall in eine interaktionelle Realitat transformiert werden kann" (Stichweh 2000: 258). Aus der Perspektive Wallersteins betrachtet zielt dieses Argument auf den Sachverhalt, dass filr die Herausbildung einer zentralen Position im Weltsystem das Zusammenspiel verschiedener gesellschaftlicher Funktionssysteme in den betreffenden Nationalokonomien entscheidend ist. Diese Annahmen lassen sich zu der Hypothese verdichten, dass in der heutigen Wissensokonomie eine Monopolstellung einzelner Produzenten deswegen viel schwerer erreichbar ist, well Wissensvorsprtinge aus dem komplexen Zusammenspiel von Funktions- und Organisationssystemen (z. B. im Rahmen nationaler Innovationssysteme) entspringen und nicht allein aus der spezifischen Position eines Interaktionspartners in einem Netz. Die scharfe Dichotomisierung von Zentrum und Peripherie ist nach Stichweh deshalb nur typisch fiir die fruhmodeme und nicht die aktuelle Phase der Weltwirtschaft, d.h. sie ist ihm zufolge ein „Interaktionsphanomen". Diese Hypothese lauft nicht notwendigerweise auf die Behauptung hinaus, dass Monopolisierungstendenzen in der heutigen wirtschaftlichen Realitat keine Rolle spielen. Auch wenn man mit diesem Argument d'accord geht, bleibt namlich offen, welche Interaktionsstrukturen im organisatorischen Binnenverhaltnis der modemen Weltgesellschaft zu finden sind. Diese Hypothese unterstellt fi-eilich, dass MachtAbhangigkeitsbeziehungen, die sich in Interaktionszusammenhangen einspielen, im weltgesellschaftlichen Kontext nur von sekundarer Bedeutung sein konnen.
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Organisationstheoretische gestern und heute
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tFberlegungen:
Globale
Warenketten
Die Einschatzungen von Stichweh und Wallerstein scheinen nur auf den ersten Blick ganzlich unvereinbar zu sein. Beide Positionen lassen sich namlich dann produktiv in Beziehung setzen, wenn man ihre allgemein gehaltenen gesellschaftstheoretischen Aussagen in organisationstheoretische Fragestellungen iibersetzt. Generell ist in dieser Hinsicht sicherHch Tiirk zuzustimmen, der Zentrum/Peripherie-Differenzen auf ein starkeres MaB an „Organisiertheit" im „Zentrum" im Vergleich zur Peripherie zuriickfuhrt (Tiirk 1995: 162). Offen bleibt freilich, was daraus fur die Interorganisationsbeziehungen im Weltmarktzusammenhang folgt. Ich mochte in dieser Hinsicht auf die aus der netzwerktheoretischen Diskussion stammenden Begriffe ..Organisation Set' und ..Action Set' zurtickgreifen (Aldrich/ Whetten 1981). Dem Begriff des Organisation Set liegt die Annahme zugrunde, dass die Umwelten von Organisationen selber aus Organisationen bestehen, deren Verhalten fur die betreffende ReferenzOrganisation „einen Unterschied macht" (Evan 1966). Daraus resultiert wiederum die Annahme, dass die Struktur des jeweiligen Organisation Set die interne Struktur der Organisation beeinflusst. Auf diese zweite Annahme zielt der Begriff des ..Action Sets". Dieser Begriff beschreibt Muster bzw. Pfade von ineinandergreifenden Handlungen (Mayer 1966). Diese konnen - entsprechend der je gegebenen „Aufgabenumwelt" der Organisation (Thompson 1967: 27f) - die Grenze zwischen Binnenbereich und Umwelt iiberbriicken, wodurch deren Binnenstruktur mit den Gegebenheiten des Organisation Set in Beziehung gesetzt wird. Zunachst ist also mit dem Begriff des Action Set die Annahme verbunden, dass es stabile grenzuberschreitende Transaktionsmuster gibt. Da Austauschbeziehungen in der Kegel mit Unsicherheiten verbunden sind, entstehen aus ihnen wechselseitige Abhangigkeiten zwischen Organisationen. Dabei konnen sich auch in der Beziehung der Organisationen untereinander stabile Action Sets einspielen, wie z. B. in Form von Oligopolen, strategischen „Spielen" etc. (Aldrich/ Whetten 1981: 389). Thompson analysiert nun die Entstehung von Machtunterschieden zwischen Organisationen ausgehend von den Austauschbeziehungen zwischen ihnen (Thompson 1967: 31). Macht ist so gesehen kein ,Attribut', sondem ein Beziehungsmodell. Dieses hat - insbesondere unter Bedingungen hoher wechselseitiger Abhangigkeit - den Charakter eines NichtNullsummenspiels (Emerson 1962). Zentrum-Peripherie-Beziehungen im Sinne Wallersteins sind in diesem Sinne Macht-Abhangigkeitsbeziehungen, die in letzter Konsequenz diuf Action Sets verweisen.
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Ausgehend von dieser Begrifflichkeit lasst sich die Stichwehsche These vom Primat der Interaktionsebene in den frtihrnodemen Wirtschaftsbeziehungen am Beispiel der niederlandischen „Vereinigten Ostindischen Compagnie" veranschaulichen (Braudel [1979] 1990: 234ff.). Diese 1602 gegrtindete Handelsgesellschaft kann als das dominante Weltuntemehmen der Periode der niederlandischen Vorherrschaft in der Weltwirtschaft gelten. Bezogen auf die Dimension der Action Sets stellt die Griindung dieses Untemehmens einen gewaltigen Zentralisierungsschub in den Handelsbeziehungen dar. Dem einheitlichen Muster seines Action Sets, welches sich in einem System von Flottenstiitzpunkten und Stapelplatzen manifestierte, stand allerdings eine Spaltung der Organisation Sets des Untemehmens in zwei scharf voneinander abgehobene Bereiche entgegen: zum einen das System des Kustenhandels in Asien, welches an den Grenzen der Whtschaftsraume der asiatischen „Weltreiche" (Indien, China, etc.) angesiedelt war, zum anderen der innereuropaische Handel. Die Struktur der heutigen Weltwirtschaft unterscheidet sich von der in dieser frtihen Periode nun offensichtlich dahingehend, dass sich die Organisation Sets der Untemehmen mittlerweile bruchlos in ein weltwirtschaftliches Beziehungsmuster integrieren lassen. Der Schritt, die Weltsystem-Theorie in einer Action 5'^^Begrifflichkeit zu reformulieren, ist eng verbunden mit dem Konzept „globaler Warenketten". Nach der Definition von Hopkins/ Wallerstein sind globale Warenketten ein „network of labor and production processes whose end result is a finished commodity (Hopkins/Wallerstein 1994:17). Spezifische Segmente oder Teilprozesse der Warenketten gelten als „Boxen", die als Produktionssegmente ftmktional definiert werden, nicht aber eine technologisch zwingende Strukturierung der Warenkette darstellen. Allgemein zeichnen sich Warenketten nach Hopkins/ Wallerstein und Gereffi durch - eine Input-Output-Struktur ihrer Boxen, - eine spezifische Form von „govemance" und - eine spezifische territoriale Struktur aus (Hopkins/Wallerstein 1994: 18fi). Sie integrieren gleichermaBen Zulieferer, Endabnehmer, strategisch bedeutsame Dienstleister, aber auch staatliche Agenturen und Forschungseinrichtungen, die in regionalen Untersttitzungsnetzen eine bedeutsame Rolle spielen konnen. So gesehen integrieren Warenketten Organisationen und Agenturen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen, wie z.B. dem politischen, dem wirtschaftlichen und dem Wissenschaftssystem.
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Warenketten existieren heutzutage nicht in alien - gleichwohl aber in sehr vielen - Wirtschaftsbereichen. Aus Entwicklungen in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen tritt immer mehr ein konsistentes Gesamtbild hervor. So fiihrte die „passive Lohnveredlung" in der deutschen Bekleidungsindustrie in den spaten 1970er und fruhen 1980er Jahren zum Aufbau eines dichten Zuliefemetzes zunachst in Stidosteuropa (Ungam, Jugoslawien) und dann in Siidasien (Pakistan, Ceylon, Indien) (Frobel et al. 1977). Wenig spater fiihrte die sogenannte „maquiladora-Strategie" der US-Autokonzeme zum Aufbau einer eigenstandigen Zulieferindustrie jenseits der mexikanischen Grenze und zunehmend in ganz Lateinamerika (Lee/ Cason 1994). Ahnliche Entwicklungen mit Ausstrahlungseffekten auf den US-amerikanischen Raum loste zum selben Zeitpunkt die koreanische und die japanische Automobilindustrie aus (Kim/ Lee 1994). Auch die Elektro- und Elektronikindustrie folgte dieser Entwicklung (Henderson 1997). In der Sportschuhbranche machte Anfang der 1990er Jahre der Markenhersteller Nike von sich reden, der ein - durch Zwischenhandler und GroBhandler koordiniertes - Produktionsnetzwerk in Ost- und Stidostasien fur seine strategischen Zwecke einsetzte (Korzeniewicz 1994). Ein weiteres Beispiel ist der Aufbau eines weltweit operierenden Netzwerks von Franchise-Untemehmen durch den Benetton-Konzern, was sich als eine viable Alternative zu einer Vorwartsintegration des Mutteruntemehmens in den Vertriebsbereich bewahrte (Benetton/Lee [1990] 1994). Das Warenketten-Konzept der Weltsystemtheorie lasst in theoretischer Hinsicht gleichwohl eine Reihe von Fragen unbeantwortet. Die erste Frage bezieht sich darauf, wieso Zentrum-Peripherie-Verhaltnisse nicht schon immer mittels dieses Ansatzes untersucht worden sind? Anders herum gewendet kann man auch sagen: das Warenketten-Theorem bezieht sich offensichtlich auf empirische Spezifika des heutigen Kapitalismus. Eine Analyse dieser konkreten Bedingungen macht allerdings anstelle einer Action ASe^Perspektive eine eingehende Analyse der relevanten Organisation Sets erforderlich. Daran anschlieBend lasst sich dann weiter die Frage stellen, welchen Einfluss die Existenz von Warenketten auf die Handlungsbedingungen der Untemehmen hat? Ich mochte nun an dieser Stelle wieder auf das Konzept der Weltgesellschaft zuriickgreifen. Dieses Konzept blendet die Bedeutung von Action Sets (das heiBt von „Interaktionen") in der modemen Weltwirtschaft systematisch aus, seine Starke liegt demgegeniiber offensichtlich darin, dass es theoretisch gehaltvolle Aussagen und Hypothesen (iber die Entwicklung von Organisation Sets ermoglicht. Zugespitzt formuliert konnte man sagen: dem Konzept der Weltgesellschaft liegt die Annahme zugrunde, dass sich mit einer Erhohung der „Erreich-
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barkeit" von Kommunikationen und Austauschprozessen im weltgesellschaftlichen Kontext die „Polykontexturalitat" der Organisation Sets der Untemehmen erhoht. Anders ausgedriickt: im Zuge des Fortschreitens des Prozesses der funktionalen Differenzierung auf Gesellschaftsebene erhoht sich die Wahrscheinlichkeit, dass den jeweiligen Organisation Sets der Untemehmen Organisationen angehoren, die primar nicht dem Wirtschaftssystem, sondem anderen Funktionssystemen - wie z. B. dem Wissenschaftssystem, dem Erziehungssystem, dem politischen System etc. - zuzurechnen sind. In enger Beziehung zu dieser weltgesellschaftlichen Perspektive steht dann eine Konzeption der Untemehmung, die diese nicht mehr als eine rein wirtschaftliche Einheit defmiert, sondem auf die „Differenz" zur Gesellschaft abhebt. Baecker zufolge greifen Untemehmen - indem sie „Geschafte machen" - immer auf gesellschaftliche Vorgaben zurtick. Die Pointe des „Geschaftemachens" besteht dann darin, sich im Rahmen gegebener Vorgaben von diesen Vorgaben zu unterscheiden (Baecker 1993: 202 ff). Das Verhaltnis von Organisation und funktionaler Differenziemng ist bis heute ein offenes und vieldiskutiertes Problem der Soziologie (vgl. Tacke 2001; Turk 1995). Ich mochte nun im Folgenden die Uberlegungen Luhmanns zu diesem Thema als eine Art Leitfaden nutzen. Luhmann zufolge setzt die Entwicklung einer stabilen „Systemidentitat von Organisationen Differenziemng (d. h. die flinktionale Differenziemng gesellschaftlicher Teilsysteme, Philipp Hessinger) voraus und ist ohne sie nicht denkbar" (Luhmann 1968:51). Ihm zufolge kann sich namlich nur ein System „dadurch invariant halten, dass es mit verschiedenen Umwelten verkehrt (a. a. O.). Der spezifische Vorteil von Luhmanns Darstellung liegt m. E. nun darin, dass er es erlaubt, die Entstehung von Zentmm/Peripherie-Differenzen gleichzeitig organisationstheoretisch und differenziemngstheoretisch zu begrtinden. Folgt man namlich der These von Tiirk, dass Zentmm/Peripherie-Differenzen - z. B. zwischen „entwickelten" und weniger entwickelten Nationalokonomien - auf ein unterschiedliches Niveau an „Organisiertheit" verweisen, so lasst sich an dieses Argument das oben genannte Luhmannsche Argument unmittelbar anschlieBen. Die Vermutung besteht also, dass ein hoherer Grad an Organisiertheit aus einem hoheren Niveau an Polykontexturalitat in den Organisationsumwelten resultiert. Die reicher und vielfaltiger
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ausdifferenzierten Nationalgesellschaften verfugen tiber die stabileren Organisationen und insgesamt betrachtet tiber ein hoheres Organisationsniveau.^ Bezieht man nun diese Annahmen auf die Entwicklung von MachtAbhangigkeitsbeziehungen in Inter-Organisationskontexten, so konnte man weiter folgem, dass eine Zunahme an Polykontexturalitat in den relevanten Organisation Sets mit einem Zugewinn an Autonomie der einzelnen Organisationen in ihrer Beziehung zueinander einher gehen muss. Organisationen, die in unterschiedlichen Funktionssystemen operieren, sind tendenziell in sich stabiler und autonomer als solche Organisationen, die sich in ,,einsinnigen" Abhangigkeitsbeziehungen befinden. Das trifft auch und gerade auf einsinnige Abhangigkeitsverhaltnisse wirtschaftlicher Art zu.^ M.a.W. - in einem so zur Weltgesellschaft ,aufgeweiteten' Weltmarkt werden Zentrum-Peripherie-Unterschiede zunehmend durch gegenlaufige Krafte ausbalanciert. Die Theorie der Weltgesellschaft ist freilich zu abstrakt angelegt, um solchen ,struktureir wirksamen Krafte in angemessener Weise Rechnung zu tragen (Berger 2003). Gleichwohl ist sie von einem hohen heuristischen Wert, da sie nachzuzeichnen erlaubt, welche gesellschaftlichen Folgen der Prozess ftmktionaler Differenzierung hat und wie sich in dieser Hinsicht die institutionellen Grundmuster verschieben. Ich mochte nun im ft)lgenden an der Konzeption der Polykontexturalitat modemer Gesellschaften als einer starken Hypothese festhalten, ohne sie dabei jedoch dogmatisch - wie es in der Luhmannschen Systemtheorie der Fall ist ausschlieBlich auf „Weltgesellschaft" zu beziehen. Vielmehr ware zu fi-agen, ob es nicht Sinn macht, die Beziehungen auf nationalgesellschaftlicher Ebene, die in jtingerer Zeit unter dem Stichwort ..varieties of capitalism'' diskutiert werden, in diesem Sinn zu deuten. Hall und Soskice gehen etwa davon aus, dass die Unterschiede auf nationalgesellschaftlicher Ebene, die sich aus komparativen institutionellen Vorteilen ableiten lassen, im Zuge der Globalisierung - das heiBt auch: im Zuge der Entwicklung zur Weltgesellschaft im Luhmannschen Sinne zumindest stabil bleiben und nicht etwa abnehmen (Hall/ Soskice 2001: 56). Es ist an dieser Stelle allerdings nicht moglich, die Debatte zwischen Anhangem der Differenzierungstheorie und ihren Kritikem auch nur ansatzweise zu eror-
Diese Argumentation iiberschreitet freilich den Rahmen der Luhmannschen Theorie der Weltgesellschaft insofem als sie von der Fortexistenz ,nationalgesellschaftlicher' Strukturen ausgeht. Die Zuordnung von Organisationen zu Funktionssystemen ist systemtheoretisch gesehen freilich nur „ein Schema der Beobachtung", gleichwohl sind Organisationen in der Regel mit einem spezifischen Funktionssystem enger verbunden, wie z.B. Untemehmen mit dem Wirtschaftssystem, Gerichte mit dem Rechtssystem etc. (Tacke 2001).
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tern (vgl. Schimank 2000). Um die Notwendigkeit der nationalgesellschaftlichen Rtickbindung der Theorie der Weltgesellschaft (bzw. der Theorie funktionaler Differenzierung, vgl. Tyrell 1978: 187), plausibel zu machen, beschranke ich mich vielmehr auf die Ausfuhrung eines zentralen Arguments, welches in jtingerer Zeit von Berger vorgebracht wurde. Berger zufolge zielt die Luhmannsche Theorie im Kern darauf, die selbstreferentielle Geschlossenheit der Funktionssysteme zu iiberhohen, weil sie die Emergenz je unterschiedlicher Sinn- und Weltbeziige zum zentralen Angelpunkt der Theorie deklariert. Damit gerat diese Theorie allerdings in Widerspruch zu zentralen Gedanken der ,alten' Differenzierungstheorie, der es darum ging, Differenzierung als ein Dekompositionsprinzip je konkreter Gesellschaften zu begreifen (Berger 2003: 222). Durch die ,phanomenologische' Fassung des Systembegriffs, der auf die Emergenz autonomer Sinn- und Kommunikationsspharen abhebt, werden die Prozesse struktureller Ausdifferenzierung ausgeblendet, die sich auf die Differenzierung von etwas anderem in einem je gegebenen Ganzen beziehen. Vor diesem Hintergrund betrachtet macht es daher Sinn, von je konkreten nationalgesellschaftlichen Strukturbedingungen auszugehen, um Prozesse gesellschaftlicher Differenzierung naher zu untersuchen. Die von Hall und Soskice vorgebrachte These einer Beibehaltung nationalgesellschaftlicher Diversitat im Kontext der Globalisierung lasst sich dann so interpretieren, dass im Zuge der Ausdifferenzierung unterschiedlicher Funktionsbereiche und Handlungsspharen - man denke etwa an die Bereiche Erziehung und Wissenschaft, Recht oder Politik - die Variationsmoglichkeiten in der Verknupfung dieser Bereiche zunehmen. Aus dieser Variationsmoglichkeit heraus ergeben sich dann komparative institutionelle Vorteile bzw. Nachteile in der Beziehung von Nationalokonomien zueinander. So gesehen gibt es eine Briicke zwischen der weltgesellschaftlichen Konzeption universeller Erreichbarkeit von Kommunikationen im Rahmen funktionsspezifischer Zuordnungen und der der hierarchischen Positionierung von Nationalokonomien, wie sie die Weltsystemtheorie vertritt. Vor dem Hintergrund des hier vorgestellten Analyserahmens mochte ich im Folgenden zwei Thesen diskutieren. Die erste These lautet: Man kann zeigen, dass sich Theorie und Praxis der sogenannten ,transnationalen Untemehmung' ausgehend von der zunehmenden Polykontexturalitat der Aufgabenumwelten dieser Untemehmen begreifen lasst. Die zweite These ist: Die Emergenz globaler Warenketten ist nichts anderes als der Ausdruck eines Kontrollverlustes von transnationalen Untemehmen in diesem Rahmen, der sich in der Entstehung von extemen Netzwerken manifestiert.
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Das Organisationskonzept des ,ti*^nsnationalen Unternehmens'
Die gesellschaftliche ,Einbettung' transnationaler Untemehmen in je spezifische und veranderbare Organisation Sets ist ein wichtiges Thema der derzeitigen Globalisierungsdebatte. Gemeinsamer Ansatzpunkt dieser Theorien ist die Unterscheidung von Mutter- und Tochteruntemehmen. Ein wesentliches Charakteristikum des derzeitigen Globalisierungsprozesses ist nun die Schaffung transnationaler Produktionsstrukturen. Hirsch-Kreinsen beschreibt diesen Prozess als die Verschmelzung zweier vormals getrennter Strategien der Intemationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen - einer Exportstrategie, die ausgehend von einer nationalen „home-base" (gesteuert von einem Mutteruntemehmen) den Weltmarkt ins Visier nahm, und einer Strategie der „Multinationalisierung", die auf die Schaffung eines Konglomerates von Niederlassungen in den verschiedenen Weltregionen zielte und die nur sehr lose Verkniipfungen zwischen Zentralund Tochtergesellschaften vorsah (Hirsch-Kreinsen 1998: 21). Die spezifischen Wettbewerbsvorteile dieser Strategie waren im ersten Fall die Erzielung von Skalenertragen („ economics of scale''), im zweiten Fall die Vorteile der groBeren Marktnahe. Hirsch-Kreinsen zufolge verschranken sich mittlerweile diese beiden Strategien. Ziel ist es nunmehr, an verschiedenen und evtl. wechselnden Orten flir den Weltmarkt zu produzieren. Was diese Weltmarktorientierung anbelangt, gibt es allerdings wiederum zwei verschiedene Beobachtungsoptiken. Auf dem einen Pol situiert sich eine Strategie der „Globalisierung", die nur begrenzte Variationsspielraume in einem einheitlichen Produktspektrum zulasst und weiterhin in erster Linie auf Skalenertrage setzt. Eine derartige Strategie tiberschreitet den Rahmen einer Exportstrategie, zielt aber gleichermaBen auf die Schaffung integrierter Wertschopfungsketten. Beispiele fiir Untemehmen, die diese Strategie verfolgen, sind etwa MacDonalds, Coca Cola oder auch WalMart. Bartlett und Goshal denken in diesem Fall auch an Untemehmen wie Ericsson und General Electric, welche in den 80er Jahren begannen - ausgehend von dem Mutteruntemehmen - Innovationsprozesse im weltweiten MaBstab anzustoBen und zu organisieren. Auf dem anderen Pol situieren sich Strategien der „Transnationalisierung", die auf komplexere Marktsituationen reagieren und sich auf ein Management von Veranderlichkeit und Vielfalt als zentrale Herausfordemng einstellen. Folgt man der Analyse von Castells, so hat man es im letzteren Fall mit jenem Produktionstyp zu tun, der der Stmktur der Weltwirtschaft im Zeitalter des „Informationalismus" am besten entspricht (Castells 2001: 199). Welche Bedeutung in diesem Kontext dem nationalen Standort der Untemehmenszentrale - und damit dem nationalen ,Charakter' der Untemeh-
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menskultur - zukommt, ist eine offene Frage. Reich vertritt in dieser Hinsicht sicherlich eine Extremposition, wenn er vom „Ende des nationalen Champions" spricht (Reich 1991: 111 ff.). GroBeren Zuspruch erhalten in der derzeitigen Debatte eher die Einschatzungen von Ruigrok und van Tulder oder die von Castells, die von einem bestimmenden Einfluss der nationalen Herkunft der Untemehmen auf ihre Govemance-Strukturen ausgehen und m dieser Hinsicht so etwas wie Pfadabhangigkeit der Untemehmensentwicklung ausmachen. (Ruigrok/van Tulder 1995: 152 ff.; Castells 2001: 124 ff., 186 ff). Genau betrachtet unterstellt freilich auch dieses Argument ein Schwinden der Bedeutung nationaler Einbettungskontexte, da sich die verschiedenen nationalen Strategien ja auf den Weltmarkten zunehmend durchkreuzen. Der spezifische Beitrag der Konzeption der ,Varietaten des Kapitalismus' zu dieser Debatte besteht nun m dem Hinweis, dass die Frage der embeddedness organisatorischer Strukturen nicht hinreichend beantwortet werden kann, wenn man sie auf den Aspekt von Governance- und Kontrollstrukturen beschrankt (Streeck/ Hopner 2003: 14). Anstelle einer derartigen reduktionistischen Fassung des Einbettungsproblems fordem etwa Hall und Soskice ein mehrdimensionales Modell, welches neben dem Aspekt der corporate governance auch die Bedeutung der industriellen Beziehungen, der Untemehmenskultur, der spezifischen Form von Berufsausbildung und Erziehung und der interorganisatorischen Beziehungen (z. B. im Rahmen von nationalen Innovationssystemen) herausstreicht (Hall/ Soskice 2001: 7). Das „Embeddedness-Theorem" lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf jene Abhangigkeiten und Wechselwirkungen, die sich aus den Interaktionen zwischen den einzelnen Organisationen und Betrieben und ihren lokalen Umwelten ergeben. So gesehen geht es nicht um relativ festgelegte Abhangigkeitsstrukturen zwischen Mutter- und Tochteruntemehmen, welche sich ausgehend von dem Organisation Set des Mutteruntemehmens beschreiben und gleichsam „dingfest" machen lassen. Vielmehr hat man es nun mit jenem Muster „fortlaufender Beziehungen" (Granovetter) zu tun, welches betriebsinteme Strukturen und Prozesse mit solchen aus den lokalen Umwelten der Betriebe verknupfen. Anders ausgedriickt: an Stelle einer Organisation Set- Perspektive wird nun eine Action Set- Perspektive eingenommen. Ein derartiger Perspektivenwechsel steht dabei im Zentrum von Bartletts und Goshals Konzeption des „Netzwerkunternehmens", dessen Entscheidungsstrukturen in besonderer Weise umwelt- und kontextsensibel ausgelegt sind . Die Frage ist nun, welche Auswirkungen diese Strukturveranderungen in den Organisation Sets im Hinblick auf die Handlungsspielraume (und damit die relevanten Action Sets) der Untemehmen haben? Ist die Frage so gestellt, so
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lasst sie sich nur beantworten, wenn man sich eingehender mit der Entwicklung der Organisationsstrukturen im Rahmen globaler Produktionsverbiinde beschaftigt. Grosso modo stehen sicher derzeit in dieser Hinsicht zwei Extrempositionen gegeniiber: zum einen die Position von Reich, der von einer „Auflosung" der Untemehmen in das „globale Netz" spricht (Reich 1991: 131) und in dieser Hinsicht offen lasst, ob diese Untemehmen ilberhaupt noch strategiefahig sind. Zum anderen die Position von Ruigrok und van Tulder, die ein relativ groBes AusmaB von Strategiefahigkeit in den von ihnen untersuchten „rivalisierenden Intemationalisierungsstrategien" ausmachen (Ruigrok/van Tulder 1995: 174 ff.). Die von ihnen empirisch analysierten Typen von Intemationalisierungsstrategien ergeben sich aus den Interdependenzmustem der Untemehmen. Die Autoren unterscheiden zwischen den zwei Handlungsarenen ..bargaining within the value chain" und ..bargaining outside the value chain" (ebd.: 63 ff., 91 ff.). Offen bleibt allerdings, wie sich in diesem Kontext die nnXQxnQhmQYisinternen Stmkturen verandem. Sofem man nun der systemtheoretischen Einsicht folgt, dass sich Systeme nur auf ihre Umwelt beziehen konnen, in dem sie sich auf sich selbst beziehen, ist die eingehende Betrachtung der Verandemng der organisationsintemen Stmkturen als wesentliche Vorbedingung dafiir zu verstehen, wie sich der Umweltbezug und die Action Sets der Untemehmen verandem. Auch aus der Perspektive einer Theorie der ,Varietaten des Kapitalismus' betrachtet ist eine derartige Vorgehensweise unabdingbar, um zu einem nichtreduktionistischen Verstandnis der spezifischen Formen der gesellschaftlichen Einbettung des Unternehmenshandelns zu gelangen. Eine entsprechende Herangehensweise, die eine Organisation Set und Action Set- Perspektive zusammenflihrt, fmdet sich in der Konzeption des transnationalen Untemehmens von Bartlett und Goshal (1989/1990). Im Zentmm ihrer Studie steht dabei - wie in den anderen Ansatzen auch eine eingehende empirische Analyse der Organisation Sets intemational operierender Untemehmen, von der ausgehend eine Reihe von interessanten Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Theorie von Bartlett/ Goshal ist oft als eine neue one-best-way-KonzQption des Managements interpretiert worden - nicht ganz zu Unrecht, was den stark positiv aufgeladenen Begriff der „Transnationalisiemng" anbelangt (Bartlett/ Goshal [1989] 1990). Um ein one-best-way Konzept handelt es sich bei ihrer Theorie gleichwohl trotzdem nicht. Dem widerspricht namlich die Tatsache, dass die beiden Autoren mit ihrem Untemehmenskonzept weder ein konkretes Organisationsdesign, noch ein spezifisches Optimummodell verbinden. Vielmehr geht es den Autoren damm, die spezifischen Umweltbeziehungen von Weltuntemehmen zu begreifen. Sie beschreiben
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dabei den Prozess der Transnationalisierung der Untemehmen als den der globalen Verkniipfiing von Organisation Sets. Der Untemehmenstyp, den die Autoren vor Augen haben, hat dabei bestimmte Einseitigkeiten der Strategiedesigns historisch jfriiherer' Untemehmensformen iiberwunden. Der Typus des „globalen Untemehmens" setzt noch auf eine starke Zentralisierung von Kompetenzen in einem auf Kosteneffizienz ausgerichteten globalen Netz. Es handelt sich in diesem Fall um eine Dominanz des Organisation Sets des ,Mutteruntemehmens' iiber die der Filialen. Der Typus des „multinationalen Untemehmens" basiert demgegentiber auf dezentralisierten Strukturen, wobei ausgehend von den nationalen Tochteruntemehmen die MarkterschlieBung vorangetrieben wurde. In diesem Fall sind die Organisation Sets von Mutter- und Tochterunternehmen voneinander isoliert. Die Konzeption des „transnationalen Untemehmens" zeichnet sich gegeniiber diesen beiden Modellen durch ein Modell der umfassenden Integration der Organisation Sets auf globaler Ebene aus. Von zentraler Bedeutung ist die Erkenntnis, dass es gelingen muss, die Ziele der Marktdifferenziemng, Effizienz und Innovation gleichzeitig zu verfolgen und in diesem Kontext weltweite Stimuli zu nutzen. Gedacht ist hier an ein Wechselspiel von zentralisierter Kontrolle in weltweitem MaBstab und dem Eingehen auf regionale und nationale Besonderheiten. Dabei treiben Bartlett und Goshal ihre Analyse bis zu dem Punkt, an dem die embeddedness in eine der Unternehmen je spezifische regionale Stmktur selber zum Thema wird. Das eigentliche Ziel der Organisationsform ,Transnationalitat' besteht darin, ein in sich koharentes Spezialisiemngsmuster der Untemehmensaktivitaten aus den konkreten Action Sets heraus zu schaffen. Die Autoren zeigen nun in ihrer Studie, dass der Ubergang von der „fbderalistischen" Stmktur eines „multinationalen" Untemehmens zu der „zentralistischen" Stmktur eines „globalen" Untemehmens einen klaren Bmch darstellt. Ein Beispiel dafiir ist der Fall der „General Electric" Anfang der 70er Jahre als ein Konzept der „direkten Beziehungen" - auf der Basis neu geschaffener „strategischer Geschaftseinheiten" - zwischen der Zentrale und den Auslandstochtem installiert wurde. Das Ziel der Schaffung eines „transnationalen Untemehmens" - so die Autoren - lasst sich durch derartige drastische Umstmkturiemngen allerdings nicht erreichen. Die Etabliemng eines in sich koharenten Spezialisiemngsmusters erfordert eher „langsame, vorsichtige und in sich konsistente Stmkturverandemngen" (Bartlett/ Goshal [1989] 1990: 109). Das Paradebeispiel hierfur ist der Reorganisationsprozess von Philips in den ausgehenden 1980er und den 1990er Jahren.
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Die wesentlichen Charakteristika des Transnationalisierungs-Konzeptes lassen sich namlich erst richtig verstehen, weim man die spezifische Struktur der Beziehung von Untemehmen und Umwelt ins Auge fasst. Bartlett / Goshal (1990) skizzieren diese Beziehungen ausgehend von einer Beschreibung der Wechselwirkungen zwischen Action Sets und Organisation Sets. Sie unterscheiden in dieser Hinsicht zwischen Beziehungen innerhalb eines einzelnen je gegebenen lokalen Organisation Set - ^Within Density" - und Beziehungen innerhalb des globalen Organisation Sets der Untemehmung: .Across Density". Dabei gehen sie weiter davon aus, dass rein okonomisch motivierte Entscheidungen in um so starkerem MaBe den „fortlaufenden Beziehungen" im jeweiligen Setting angepasst werden, je dichter die Beziehungen in diesem Setting sind (vgl. Granovetter 1985). Aus dieser Perspektive betrachtet zeichnen sich „globale Untemehmen" durch eine geringe Within- und eine hohe Across-Density ihrer Beziehungsmuster aus, d.h. durch einen relativ geringen Dichtegrad lokaler Einbettung und einen hohen Dichtegrad globaler Querverflechtungen. Spiegelverkehrt dazu haben „multinationale Untemehmen" einen hohen lokalen Einbettungsgrad (Within-Density) und einen geringen Querverflechtungs- und Zentralisiemngsgrad. Ftir den ersten Untemehmenstyp sind rein okonomisch motivierte, ,rationale' Entscheidungen typisch. Der zweite Untemehmenstyp weist hingegen ein hohes MaB fortlaufender Beziehungsmuster in seinen jeweiligen lokalen Kontexten auf, die die okonomische Entscheidungsrationalitat beeintrachtigen. Die Pointe von Bartlett/ Goshals Konzeption besteht nun darin, dass der Typus des transnationalen Untemehmens gleichermaBen durch eine hohe Within-Density als auch durch eine hohe Across-Density seines Beziehungsmusters gekennzeichnet ist. Dieses Untemehmenskonzept ist eigentiimlich doppeldeutig. Einerseits spielen aufgmnd des permanenten Rtickbezugs auf die Entscheidungszentrale (Across-Density) rein okonomisch motivierte Entscheidungen (Economies of scale, Standortentscheidungen etc.) eine groBe Rolle, andererseits lasst sich diese Logik nur aus den „nodalen Charakteristika" des Untemehmensnetzes, d. h. dem je gegebenen Positioniemngs- und Spezialisiemngsmuster, ableiten. Dieses ist wiedemm abhangig von institutionellen Einbettungskontexten mit ihren je gegebenen Mustem fortlaufender Beziehungen. Die Frage ist nun, wie man ausgehend von diesen Uberlegungen die empirisch relevanten Action Sets der Untemehmen noch etwas genauer in den Blick bekommt. Schaut man sich an, welche empirischen Trends die Autoren im Auge haben, wenn sie von der weltweiten Nutzung von Umweltstimuli sprechen, so sticht sofort die gestiegene Bedeutung ,komplexer Technologien' ins Auge. In der Tradition der Organisationstheorie Thompsons lasst sich das Kon-
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zept von Bartlett/ Goshal dann als ein Modell der Unsicherheitskontrolle in relativ ,mehrdeutigen', well polykontexturalen kompetitiven Kontexten begreifen. Thompson zufolge gibt es zwei wesentliche Quellen von organisatorischen Unsicherheiten: zum einen „Technologie", zum anderen Unsicherheiten in bezug auf Elemente des Organisation Sets. Die Kontrolle derartiger Unsicherheiten zielt ausgehend von der konkreten „Aufgabenstruktur" des Untemehmens auf die Kontrolle der Organisations-"Domane" (Thompson 1967: 26 ff.). Dieser Begriff beschreibt die „Anerkennung", die die Organisation im Rahmen ihres Austauschkontextes fmdet. Diese Austauschstrukturen sind wiederum durch je spezifische Macht-Abhangigkeitsbeziehungen gekennzeichnet, d.h. die Organisation agiert in „verhandelten" und „verhandelbaren" Umwelten. Thompson spricht in diesem Kontext von einem Management der InterdependenzBeziehungen. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei die Einsicht, dass sich diese Interdependenzen nie auf einzelne, sondem immer auf mehrere Elemente im Handlungskontext beziehen. In bezug auf den Aspekt der Technologie bedeutet das: die eigentliche Quelle von technologischer Unsicherheit ist in der Regel nicht eine je einzelne Technologie, sondem die „technologische Matrix" des Untemehmens, in der je verschiedene Einzeltechnologien Jnkorporierf sind/ Bezogen auf die Kontakte im Organisation Set heiBt das zum anderen: Die relevanten Ressourcen sind immer auf mehrere Tauschpartner verteilt. Unter dieser Bedingung ist nun die Abhangigkeit des Untemehmens von seinem Organisation Set umso hoher, je starker die Ressourcenverteilung auf eine Gmppe von Partnem konzentriert ist. Diese Abhangigkeit erhoht sich dann noch zusatzlich, wenn die Intensitat des Bedarfs der Organisation in Hinblick auf diese spezifischen Ressourcen groB ist (Emerson 1962). Trifft intensiver Bedarf auf ein konzentriertes Angebot, so empfiehlt sich - so Thompson ~ eine Strategic der „Koalition" der voneinander abhangigen Organisationen. Treffen eher verstreute Bedarfe in einigen Bereichen auf konzentrierte Angebote, so empfiehlt sich eine Strategic der „Kooptation", um diese einseitig gelagerten Unsicherheitsquellen zu neutralisieren. Im Falle einer Kooptationsstrategie hat man es also mit einer einseitig angelegten Strategic zu tun, die auf eine Absorption der Unsicherheitsquellen zielt. Koalitionsstrategien sind hingegen beidseitig
Interorganisatorische Netze lassen sich dann so gesehen als „Interdependenzmuster" (d.h. als gestaltbare „Govemances") und als (gegebene und veranderbare)„Inkorporierungsmuster" beschreiben (vgl. Hessinger 1995a; ders., 1995b).
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angelegt, da in diesem Fall die Unsicherheitsquellen auf beide Seiten verteilt sind. Diese beiden Strategien der Unsicherheitsbewaltigung - und die ihnen entsprechenden Action Sets - verweisen auf tieferliegende Differenzierungsprozesse in den Organisation Sets. Das Konzept der „technologischen Matrix" ist so gesehen ein Ausdruck davon, dass das Muster der Arbeitsteilung zwischen Organisationen dynamisch und veranderlich ist, so dass es tendenziell zur Ausdifferenzierung neuer Kemkompetenzen und Qualifikationen kommen kann und muss.
4.
Empirische Befunde und Trends
Von dieser allgemein gehaltenen Action 5'e^Perspektive ausgehend, erscheint es moglich, einige empirische Trends in der Entwicklung der Umweltstrukturen global operierender Untemehmen ins Auge zu fassen. Bartlett/ Goshal betonen in ihrer Studie vor allem zwei Aspekte: Zum einen die gestiegene Heterogenitat der relevanten technologischen Matrix und daraus folgend ein intensiver Knowhow -Bedarf; zum anderen einen Trend zur Konzentration der Ressourcen innovativer Prozesse in bestimmten Clustern und Regionen. Folgt man den Ausfiihrungen Thompsons, bedingen beide Trends einen Machtverlust der fokalen Organisation und Autonomiegewinne fur die angrenzenden Organisationen. Zugespitzt formuliert: es geht um ,Heterarchie' anstelle von ,Hierarchic' in den Inter-Firmen-Beziehungen. Was diesen Aspekt anbelangt hat das Konzept des transnationalen Unternehmens deutliche Parallelen zum Modell des ,innovativen Milieus'. Dieses kann sich auf eine breite empirische Evidenz in den unterschiedlichsten Branchen stiitzen. Aydalot und Keeble zufolge beruhen High-Tech-Innovationen auf relativ diffusen FaktorenbUndeln, die sich nicht ex ante auf gegebene Standortfaktoren zurtickfuhren lassen (Aydalot/ Keeble 1987). Innovative Milieus stellen spezifische Konstellationen von unterschiedlichen Organisationstypen dar. In innovativen Milieus uberschneiden sich dabei die Smnhorizonte verschiedener Funktionssysteme derart, dass die Kommunikationen ein hohes MaB an Mehrdeutigkeit aufweisen (vgl. Galas/ McGuire 1990: 98). Ahnlich wie Bartlett/ Goshal gehen Aydalot und Keeble davon aus, dass die spezifische Herausforderung in Hinblick auf die strategische Nutzung innovativer Milieu darin besteht, aus diesem diffusen Kontext ,selektive Stimuli' herauszufiltem. „[...] the key factor today are the specific and distinctive properties and caracteristics of cur-
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rent new technologies [...]" (Aydalot/ Keeble 1988: 4). Die Identifizierung eines Spezialisierungsvorteils ist also selber ein kreativer Akt. Sie kann nicht auf gegebene okonomische Daten - wie z.B. Standortfaktoren im Sinne Alfred Webers (1923) - rekurrieren. Vielmehr erfordert sie im Sinne Bartlett/ Goshals sowohl ein hohes MaB an Within-Density in den lokalen Kontexten (d.h. ein hohes Augenmerk auf die Beobachtung fortlaufender Beziehungen) als auch einen dichten Informationsaustausch und Datenabgleich auf zentraler Ebene. Das alles erfordert einen spezifischen Beobachtungstypus, der das Management von Netzwerkbeziehungen und die Informationsverarbeitung miteinander kombiniert. M.a.W. - das Untemehmen muss aus der Perspektive seiner ,spezifischen Nische' heraus, die Eigenschaften und Charakteristika des umgebenden innovativen Milieus interpretieren. So gesehen sind Spezialisierungsprofil und Identifikation von Spezialisierungsvorteilen rekursiv aufeinander bezogen (Baecker 1993: 13ff.). Ein pragnantes Beispiel fur diesen doppelten Trend zur Heterogenisierung der technologischen Matrix und zur Heterarchisierung der Inter-Firmen-Beziehungen ist die industrielle Entwicklung des Santa-Clara-County in Kalifornien, des sogenannten ,Silicon-Valley', im Umbruch von den VOer zu den 80er Jahren (Liithje 2001). Das Silicon-Valley mit mehr als einer Million Beschaftigten in der IT-Branche kann heutzutage - etwa neben den Regionen von Boston und Tel Aviv - als eines der innovativsten Milieus der Branche von weltweiter Bedeutung angesehen werden. In den 60er und 70er Jahren setzten die Fokaluntemehmen der Region - wie etwa die Chiphersteller Intel oder AMD - zunachst auf eine Strategic der ,verlangerten Werkbanke'. Das Kennzeichen dieser Strategic war ein scharfes Machtgefalle zwischen Fokalbetrieben mit hochqualifizierten Ingenieurs- und Angestelltentatigkeiten, und den nachgeordneten Produktionsbetrieben mit ausgesprochen niedrig qualifizierten und gering entlohnten Tatigkeiten. Die zentrale Schwachstelle dieses Konzepts eines ,Bloddy Taylorism' war das gering entwickelte Qualitatsbewusstsein in den Produktionsbetrieben. In den 80er Jahren kam es dann zu einer Existenzkrise dieses Produktionsmodells infolge des Auftretens global agierender japanischer Anbieter, die gleichermaBen qualitatsbewusst wie kostengtinstig produzieren konnten. Die japanischen Untemehmen setzten dabei nicht auf eine Strategic der verlangerten Werkbanke und der Zuliefererdiskriminierung, sondem vielmehr auf ein Modell der kooperativen Zusammenarbeit von Endfertigem und hochkompetenten ,Systemzulieferen' im Rahmen von Firmen-Allianzen. Dieser Aufbau von neuen Kemkompetenzen im Produktions- und Zulieferbereich bedeutet einen doppelten Schritt in Richtung auf eine weitere Heterogenisierung der
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technologischen Matrix sowie in Richtung auf eine Heterarchisierung der Zulieferbeziehungen auf Basis stabiler Vertrauensbeziehungen im Rahmen von Firmen-Allianzen. Die Krise der 80er Jahre konnte von den US-Untemehmen deswegen erst dann tiberwunden werden, als es gelang ein den USVerhaltnissen ( d.h. gering ausgepragten Vertrauensbeziehungen der Untemehmen zueinander) angepasstes Modell der Inter-Firmen-Vemetzung zu entwickeln, welches - ahnhch wie das japanische Vorbild - einen intensiven Wissensaustausch zwischen Endfertigem und Zulieferem ermoglichte. Die Folge war ein Schub in Richtung auf eine Heterogenisierung der technologischen Matrix des Silicon-Valley und eine Machtverschiebung in den Inter-FirmenBeziehungen zugunsten der neu entstandenen Systemzulieferer. Stellt man in dieser Beziehung gestiegene ,Einbettungsbedarfe' in Rechnung, so gewinnt die Bemerkung Bartletts und Goshals - transnational Unternehmen seien groBen „zentrifugalen Kraften" ausgesetzt - eine besondere Brisanz (Bartlett/ Goshal 1990a: 91). Empirische Befunde in Hinblick auf die Entwicklung globaler Warenketten weisen in Richtung eines zunehmenden Kontrollverlustes ,fokaler Untemehmen'. Das gilt zunachst far die Input/Outputstrukturen globaler Warenketten. Fokale Untemehmen spielen in dieser Hinsicht eine wesentliche RoUe, als sie die Entwicklung der technologischen Matrix vorantreiben. Gereffi (1994) unterscheidet - entsprechend der Struktur des Interdependenzmusters - zwischen „vertriebsgetriebenen" Ketten (etwa in der Sportschuh- oder der Bekleidungsindustrie) und „produzentengetriebenen" Ketten (etwa in der Automobil- oder der Elektronikindustrie). Jtingere Befiinde haben in dieser Hinsicht allerdings deutlich werden lassen, dass die Kontrolle einer heterogener werdenden technologischen Matrix einzelnen Fokalunternehmen zunehmend entgleitet. Ein prominentes Beispiel dafur ist die IT-Branche (Liithje/ Schumm/ Sproll 2002), andere Beispiele lassen sich in der maritimen Industrie (Eichhom et al. 2003), der Medizintechnik (ebd.), der opto-elektronischen Industrie (Hessinger et al. 2000) oder der Schienenverkehrsindustrie (ebd.) finden. Die kompetitiven Kontexte der Untemehmen unterscheiden sich daher zunehmend vom Idealtypus ,gesicherter' Oligopolmarkte, d.h. die Markte werden zunehmend ,bestreitbar' im Hinblick auf die beiden Dimensionen Technologic- und Produktmanagement (Baumoletal. 1988). Zweitens entgleiten den Fokaluntemehmen die ,Govemance'-Ressourcen, um ihre vielfaltigen Aufgabenkontexte zu kontrollieren. Normen - wie z. B. Produktnormen fur ,Systemprodukte' konnen sich nicht mehr einseitig dekre-
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tiert Oder einsinnig patentiert werden. Normgebung verlangt tendenziell Verhandlung und Kompromiss (vgl. Toffler [1990] 1993: 175ff.). SchlieBlich zeichnen sich drittens die raumlich-geografischen Strukturen von Warenketten durch Konzentrationstendenzen in den innovativen Segmenten aus. Die dadurch gestiegene Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit der Beziehungen ist immer weniger ausgehend von einem Fokaluntemehmen kontrollierbar. In einer intemen Studie des SOFI Gottingen werden globale Produktionsnetzwerke als ..captive production networks", „turn-key-production networks" und ..relational production networks" typisiert (Berger et al. 2001). Der erste Typ eines einseitig dominierten Netzwerkes steht fiir ein starkes ZentrumPeripherie-Gefalle, ein Beispiel ware etwa die produzentengetriebene Warenkette der IT-Industrie in der Friihphase des Silicon-Valley. Der zweite Typ eines mediatisierten Netzwerkes ist durch eine gestiegene Bedeutung von SchliisselUntemehmen in der Zulieferkette (turn-key-enterprises), wie z. B. ,Systemzulieferem', gekennzeichnet. Der letzte Typ eines ,relationalen', reziprok strukturierten Netzwerkes defmiert schlieBlich die Basisbedingungen fur die Entstehung eines regionalen ,innovativen Milieus' bzw. eines lokalen ..industrial districts", Wie es scheint, haben in der bisherigen Forschung vor allem einseitig dominierte Netzwerke (..captive production networks") einen GroBteil der wissenschaftlichen Neugier auf sich gezogen. In einer der jtingeren Studien des IfS Frankfurt wird demgegenuber ein ganz anderer Typus untersucht, der eine besondere Auspragung eines Netzwerkes von Schlusseluntemehmen darstellt (Liithje/ Schumm/ Sproll 2002). In der ITBranche haben sich namlich mittlerweile nicht nur auf lokaler, sondem auch auf globaler Ebene transnationale Produktionsnetzwerke entwickelt, in denen ein erheblicher Teil des Know-hows der dominanten Fokaluntemehmen an Systemzulieferer abgegeben wurde. Die sich in dieser Warenkettenstruktur einspielenden Action Sets bezeichnen die Autoren als ..Contract Manufacturing", Es handelt sich hierbei um jenes Modell eines strategischen Netzwerks, welches als die spezifisch US-amerikanische Antwort auf die japanische Herausforderung der 70er und 80er Jahre gelten kann. Diese Beziehungsmuster zeichnet sich dadurch aus, dass die dominanten Fokaluntemehmen nicht mehr von einer zentralen Box aus die Kette kontrollieren, sondem dass sie sich darauf beschranken, die Zusammenarbeit in verschiedenen Boxen zu koordinieren, ohne jedoch die Autonomic der Schlusseluntemehmen einzuschranken. Es entsteht dann ein Muster von Querverflechtungen. Wie es scheint, hat in diesem Kontext - seit den Zeiten als Unternehmen wie Intel, AMD oder IBM noch eine unangefochtene Dominanzposition innehatten - auch hier eine Machtumverteilung stattgefunden.
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Diese Befunde werden durch eine jungere Studie des SOFI Gottingen auf eine breitere Basis gestellt (Faust et. Al. 2004). In dieser Studie werden am Beispiel von drei Branchen (der Elektronikindustrie, der Automobilindustrie und der Bekleidungsindustrie) Veranderungen in den strategischen Wertschopfungsketten im europaischen Raum untersucht. Ahnlich wie in der Frankfurter Studie wird dabei eine neue Qualitat der Beziehungen im Zuge der Entwicklung von ^Contract Manufacturing" ausgemacht. Die Gottinger konstatieren dabei gerade in Europa eine Abkehr von Beziehungsmustem, die auf einseitiger Dominanz beruhen, und eine Hinwendung zu offenen Beziehungsmustem, die auf die Realisierung von (positiven) Netzwerkextemalitaten und Innovations- anreizen hinzielen. In der relativen Stabilitat und Vertrauensbasiertheit der Inter-FirmenBeziehungen in Europa wird dabei von den Gottingem ein wesentlicher komparativer Standortvorteil der europaischen gegentiber den US-amerikanischen Produzenten gesehen. Die so entstandenen mediatisierten Netzwerke {turn-keynetworks) - so ihr Befiind - haben dabei einen eher heterarchischen als einen hierarchischen Charakter. Ihre konkrete Ausgestaltung verweist deswegen auf lokale Aushandlungsprozesse im Rahmen des je gegebenen institutionellen Settings. Ich mochte diese Beobachtungen und tJberlegungen nun anhand einiger Beftinde aus einer eigenen Untersuchung weiter konkretisieren (vgl. Eichhom et al. 2003). Es handelt sich um eine Studie uber die Entwicklung der Warenketten der maritimen und der medizintechnischen Industrie am Beispiel zweier Industrieregionen in Deutschland. In beiden Fallen zeigt sich interessanterweise ein Trend in Richtung auf eine zunehmende Polykontexturalitat der Warenkettenbeziehungen. Die Input/Outputstrukturen der Warenketten der maritimen Industrie haben sich im letzten Jahrzehnt in Richtung auf eine zunehmende Heterogenisierung der technologischen Matrix verandert. Zur Konstruktion von Schiffen und maritimen Verkehrssystemen werden immer wissensintensivere Inputs aus verschiedenen Branchen und Bereichen benotigt (ebd: 203ff.). Der Trend der Entwicklung des Schiffs zum ,Systemprodukt' geht eng einher mit einer zunehmenden technologischen Verkniipfung mit der Offshore-lndusXriQ (ebd.: 216ff.). Insbesondere der Trend zur Entwicklung maritimer Verkehrssysteme, die eine Integration von Satellitentechnik, Navigationstechnik und Schiffstechnologie vorsehen, impliziert eine Offhung des Horizonts der maritimen Industrie in Richtung auf die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten, Klassifikationsgesellschaften, Universitaten und politischen Agenturen. In ahnlicher Weise bedingt der Trend zur Systemproduktentwicklung in der medizintechnischen Industrie die Auswei-
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tung der technologischen Matrix (ebd.: 100 ff.). Im gleichen Zuge werden die Beziehungen in das Gesundheitssystem - etwa vermittelt iiber die Krankenhausgesellschaften - aber auch in das Wissenschaftssystem enger und vielfaltiger. Von wesentlicher Bedeutung ist in dieser Hinsicht die gestiegene Verbindlichkeit der Qualitatsstandards des Gesundheitssystems. Ein zentrales Charakteristikum der Govemance-Strukturen in der maritimen Industrie ist die tiberragende Bedeutung der Klassifikationsgesellschaften, d.h. jener Einrichtungen, die fiir die sicherheitstechnische Endabnahme von Schiffen zustandig sind (ebd.: 193ff.). Klassifikationsgesellschaften sind politisch legitimierte, auf untemehmerischer Basis arbeitende Gesellschaften. Diese ,Drittpartner'-Organisationen sind in der maritimen Industrie - vor allem im letzten Jahrzehnt - zu wichtigen Promotoren von technologischen Innovationen in dieser Branche geworden. Auch in der medizintechnischen Industrie gibt es Agenturen der Normenkontrolle, die die technologischen Innovationsprozesse beobachten und teilweise stimulieren. Zu nennen ist hier vor allem die USamerikanische, staatliche ,Food and Drug Administration', die in den USA fiir die Kontrolle technologischer Standards im Gesundheitssektor zustandig ist (ebd.: 99f.; 109ff.). Begleitend zu den Aktivitaten der ,FDA' hat sich in BadenWUrttemberg ein ganzes Netz von Unterstiitzungsaktivitaten gebildet, das von der IHK und den Agenturen der Steinbeis-Stiftung betrieben wird und dabei wichtige Steuerftinktionen austibt. SchlieBlich gibt es in beiden Branchen einen deutlich erkennbaren Trend zur Herausbildung regionaler innovativer Milieus, in denen Forschungseinrichtungen, politische Agenturen, Fachschulen und Wirtschaftsuntemehmen integriert smd (ebd.: 105ff.; 22Iff.). Erganzend dazu lasst sich ein Trend zur Auflosung lokaler old boys -Netzwerke auf der Ebene der ,Industriedistrikte' beobachten (Hessinger 2002). Dieser Trend geht mit der Integration iiberregionaler, relativ ,wirtschaftsfi'emder' Organisationen in die jeweiligen Organisation Sets einher. Die zunehmende Polykontexturalitat der untemehmerisch relevanten Beziehungsmuster erschwert - wie es scheint - den Kontrolldurchgriff seitens einzelner, fokaler Untemehmen. Eine derartige Kontrollstrategie - im Sinne der Etablierung eines einseitig dominierten ..captive production networks" versuchte in den 90er Jahren der Vulkan-Konzem zu implementieren (ebd.: 229ff). Dieses Unternehmen der maritimen Industrie verfolgte eine Expansionsstrategic, die auf einer umfassenden Beherrschung der vertikalen Wertschopftmgskette hinzielte. Ein wesentlicher Grund fiir den Bankrott dieses Untemehmens diirfte dabei in den fehlenden horizontalen Kooperationen auf Untemehmensebene und letztlich im Fehlen untemehmenstibergreifender Innovati-
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onsnetze liegen. Im Gegensatz dazu hat die britisch-norwegische Kvaemer Gruppe im selben Zeitraum ein transnationales Netz von Untemehmensfilialen installiert, dessen zentraler Spezialisierungsvorteil in seiner ingenieurstechnischen Exzellenz liegt (ebd.: 234 ff.). Im Vergleich zur Vulkan-Gruppe handelt es sich hier um ein sehr viel lockereres mediatisiertes Netzwerk, das ein horizontales Arrangement von Schltisseluntemehmen und Kemuntemehmen darstellt. (In der medizintechnischen Industrie sind relationale Netzwerke weit verbreitet, in denen Zentrum-Peripherie-Verhaltnisse in den Machtbeziehungen zwischen den Untemehmen oft nur eine sehr geringe Rolle spielen ) (ebd.: 191 ff.). Aus einer Action iS'^^Perspektive betrachtet erscheint die Vulkan-Strategie dann als ein misslungenes Kooptationsmodell (zwischen Untemehmen und Politik, aber auch zwischen dem Werften- und dem Reedereibereich). In den anderen genannten Fallen sind die transnationalen Untemehmen - in durchaus unterschiedlicher Weise - in Koalitionen ,eingebettet', die ihre Handlungsfreiheit in sehr viel groBerem MaBe binden als das in emem Kooptationsmodell der Fall ware. Wie immer man diese veranderten Organisationsbeziehungen bezeichnen mochte, von groBer Bedeutung ist, dass die Strukturen dieser neu entstandenen globalen Warenketten einen emergenten Charakter haben. Alles in allem ist der GroBkonzem in „einer solchen Wirtschaftsform nicht eigenstandig und selbstgeniigsam, und wird es auch nicht mehr werden. Die Arroganz der IBMs, Philips und Mitsuis dieser Welt ist zu einem Thema der Kulturgeschichte geworden" (Castells 2001: 186). Diese Stmkturen haben sich also Uber den Radius ,fokaler, einseitig dominierter Netzwerke' hinausentwickelt und sind deswegen nicht mehr in terms eines Analysemodells beschreibbar, welches die Einzeluntemehmung ins Zentrum der Betrachtung riickt. Der Emergenzcharakter dieser Interorganisations-Netze wird dann deutlich, wenn man sich die Tatsache vor Augen fiihrt, dass auch diese Netze in Umwelten eingebettet sind, die , einen Unterschied machen'.
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Schlussbemerkungen und Fazit
Von diesen Befiinden ausgehend lasst sich sicherlich nicht die Annahme bestatigen, dass Zentmm-Peripherie-Verhaltnisse in der heutigen Weltwirtschaft mit einem Zauberschlag verschwinden. Aber sie zeigen doch immerhin das Aufkommen starker gegenbalancierender Krafte. Dieser Tatbestand hat offensichtlich mit der zunehmenden Polykontexturalitat der relevanten Beziehungsmuster
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zu tun. Je wissensintensiver die Produktion wird, umso groBer wird der Einfluss von Organisationen mit nichtwirtschaftlicher Zielsetzung und das fiihrt wiederum zu einer Umverteilung von Macht zu Ungunsten der fokalen Wirtschaftsuntemehmen. So gesehen verweist die Entstehung globaler Warenketten auf einen derartigen Prozess der Machtumverteilung, Damit scheint eine Konzeption der weltwirtschaftlichen Beziehungen, welche einseitig auf ,Okonomie' setzt, unrealistisch zu sein, denn diese leugnet die zunehmende Verflechtung und Ausdifferenzierung zwischen den verschiedenen Funktionssystemen und Sinnwelten. Der Eindruck einer Macht- und Einflusszunahme der transnationalen Konzeme und ihrer Reprasentanten im Rahmen der demokratischen Offentlichkeit begriindet sich deswegen im Wesentlichen auf Veranderungen, die auBerhalb der relevanten Organisation Sets zu verorten sind. Zu nennen ist hier in erster Linie die zunehmende Machtasymmetrie zwischen den Untemehmensleitungen und der Gruppe der abhangigen Beschaftigten. Diese ist unmittelbare Folge der gestiegenen Kapitalmobilitat und damit des gestiegenen Mobilitatsdifferentials zwischen Kapital und Arbeit. Aus der Perspektive einer poUtischen Okonomie interorganisatorischer Netze haben wir es in dieser Hinsicht mit dem Problem einer doppelten Asymmetric zutun: •
•
zum einen eine gestiegene Asymmetric in der Beziehung zwischen demokratischer Offentlichkeit und transnational agierenden Untemehmen zugunsten der letzteren und zum anderen einer gesunkenen Machtasymmetrie in den Inter-FirmenBeziehungen im Rahmen globaler Warenketten zuungunsten der Fokalunternehmen.
Der paradoxe Effekt dieser beiden gegenlaufigen Trends besteht darin, dass gerade der relative Machtverlust in den Inter-Firmen-Netzen die Chance eines relativen Machtgewinns im Hinblick auf die Beziehungen in die Netzwerkumwelt (d. h. insbesondere die demokratische Offentlichkeit) bestehen lasst, ja diese geradezu eroffnet. Diese Chance besteht in der gezielten Nutzung des .bargaining Chip'' (Horst Kern) der Standortverlagerung als Spieleinsatz im politischen Aushandlungsprozess der Interessengruppen. Eine Folge dieses paradoxen Effekts ist der - viel beklagte, aber wenig verstandene - Trend einer Entlastung weltweit agierender Untemehmen von Steuerpflichten und Beitragen zum offentlichen Gemeinwohl. Das tragt wiederum zur chronischen Unterfmanzierung von Organisationen aus eben jenen gesellschaftlichen Bereichen und
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Teilsystemen bei, deren Leistungen in langfristiger Perspektive betrachtet von entscheidender Bedeutung fur die Leistungsfahigkeit (der Organisationen) des wirtschaftlichen Teilsystems sind. Ein Beispiel ist etwa die chronische Unterflnanzierung des Wissenschaflssystems in der Bundesrepublik Deutschland. Pointiert ausgedriickt handelt es sich hier um die Wiederkehr des alten Widerspruchs zwischen offentlicher Armut und privatem Reichtum (bzw. zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung) auf weltwirtschaftlicher und weltgesellschaftlicher Ebene. Das neo-liberale Klischee globaler Standortkonkurrenz als eines rat-race um die Verbesserung der ,Verfugbarkeit' des Faktors ,Arbeit' scheint deswegen der Realitat der heutigen Weltgesellschaft nur sehr bedingt zu entsprechen. Der reale Hintergrund dieses Interpretaments sind demgegeniiber die Macht- und Verteilungskampfe um die Positionierung in den globalen Warenketten. Diese wirtschaftlichen Netze diirfen aber eben nicht losgelost von ihrer Einbettung in die Beziehungen zwischen den gesellschaftlichen Teilsystemen auf nationalgesellschaftlicher Ebene betrachtet werden. Anders ausgedriickt: eine Fixierung der Wahmehmung auf die Veranderungen in den Action Sets der Untemehmen verstellt die Perspektive auf die Veranderungen in den Organisation Sets. Es sind nicht die strategischen Spiele um einzelne Standortfaktoren - und sei es ein so wichtiger wie der Faktor ,Arbeit' - die fur den langfi-istigen Erfolg von Weltuntemehmen entscheidend sind, sondem deren ,gelungene' Einbettung in ein ftmktionssystemiibergreifendes Beziehungsgeflecht. Dem tragen einige Industriegewerkschaften, wie z.B. die IG-Metall, mittlerweile Rechnung, indem sie in Verhandlungen tiber Standortverlagerungen Untemehmenspriifer einschalten, die moglichem Managementversagen in dieser Hinsicht nachspiiren sollen. Realitatshaltig ware dann das Deutungsmuster eines rat-race nur insofem, als es dem Kontrollbediirfhis jener Wirtschaftseliten entgegenkommt, die in jiingerer Zeit die Erfahrung eines Kontrollverlustes machen mussten und daraus keine Lehre ziehen wollten.
Literatur Abelshauser, Werner (2003): Kulturkampf. Der deutsche Weg in die Neue Wirtschaft und die amerikanische Herausforderung. Berlin; Kadmos Verlag Albrow, Martin (1998): Abschied vom Nationalstaat. Frankfijrt a. M.: Suhrkamp Aldrich, Howard/ Whetten, David (1981): Organisation-sets, action-sets and networks: making most of simplicitiy. in: Nystrom/ Starbuck (Hrsg.), Handbook of Organisational Design, Vol. 1, Oxford Aydalot, Philippe/ Keeble, David (1988): High Technology Industry And Innovative Environments. The European Experience. London/New York: Routledge
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Ursula Mense-Petermann
Transnationalisierung als glokale Restrukturation von Organisationsgrenzen
1.
Einleitung
Die in den 90er Jahren forcierte Globalisierungsdebatte^ speist sich ganz wesentlich aus dem Befund der starken Zunahme von auslandischen Direktinvestitionen seit den 70er Jahren, die zunehmend das Wachstum der Inlandsproduktionen und des intemationalen Handels tibersteigt (vgl. Friedrichs 1999). So stiegen seit Beginn der 80er Jahre die Kapitalabfliisse in Form von auslandischen Direktinvestitionen jahrlich um 27,8%, und damit dreimal so schnell wie der Export und viermal so schnell wie das Weltsozialprodukt (Altvater/ Mahnkopf 1997: 251). Gleichzeitig steigt auch der Teil des intemationalen Handels, der innerhalb von grenziiberschreitend tatigen Untemehmen abgewickelt wird - die OECD beziffert ihn auf 25-30%. „Darunter gibt es Konzeme, deren Umsatz groBer ist als das Bruttosozialprodukt mittlerer Staaten. Seit den 70er Jahren ist die Zahl solcher Untemehmen von 7.000 auf gegenwartig etwa 37.000 gestiegen" (ebd.: 248). Altvater und Mahnkopf bezeichnen solche Konzeme, die fiir den Transfer von Finanzkapital, Technologic und Managementstrategien verantwortlich sind, daher als ,,'treibende Krafte' der weltweiten Integration" (ebd.: 249). Multinationale Untemehmen und ihre Globalisiemngsstrategien sind daher Gegenstand einer Vielzahl von Studien gewesen (vgl. die Sammelbande von Boyer et al. 1998; Eckardt et al. 1999a; Morgan et al. 2001; Dorrenbacher 2003;
Fur ,Starke' Globalisierungsthesen vgl. Castells (2001), Albrow (1998), Altvater/ Mahnkopf (1997), Martin/ Schumann (1996), ),Reich (1993), Ohmae (1990). Fur eher skeptische Globalisierungsthesen vgl. Whitley (2001), Hirst/ Thompson (1996). Fiir empirische Studien zu Unternehmensglobalisierung vgl. Schmidt/ Trinczek (1999), Eckhart et al. (2000), Lane (2001). Fur einen neueren Uberblick uber die Debatte vgl. Guillen (2001).
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Faust et al. 2004). Fragen nach Konvergenz oder Divergenz von Organisationsformen im Globalisierungsprozess, nach Zentralisierung versus Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen, nach tjbertragungsmoglichkeiten und -verlaufen von Produktionsmodellen, nach mikro-politischen Konflikten und nicht zuletzt nach Problemen der interkulturellen Kommunikation und Kooperation innerhalb solcher Untemehmen wurden hier untersucht. Diese Studien haben gezeigt, dass sich im letzten Jahrzehnt grenztiberschreitend tatige Unternehmen strategisch neu orientiert und organisatorisch restrukturiert haben. Verwiesen wird hier in erster Linie auf die AufspHtterung und raumliche Neustrukturierung von Wertschopfungsketten (Faust et al. 2004; Hessinger in diesem Band), auf die Einftihrung von marktlichen Steuerungselementen in Organisationen, sowie auf eine Neukonfiguration von Entscheidungskompetenzen zwischen Konzemzentrale und Standorten. Keine Einigkeit besteht allerdings dariiber, wie auf diesen organisatorischen Wandel begrifflich reagiert werden soil. In der Debatte ist die Rede von intemationalen, multinationalen, globalen - oder eben: transnationalen Konzemen. Die einen wollen mit Begriffen wie global players oder global operierendem Konzem auf eine neue Qualitat organisatorischer Formen und Strategien und die enge Verwobenheit mit dem Globalisierungsprozess verweisen (Eckardt et al. 1999b), die anderen betonen die bleibende Konzentration der Aktivitaten solcher Konzeme auf die Lander der Triade und zeigen mit dem Begriff des mternationalen oder multinationalen Konzems Zuruckhaltung gegeniiber allzu globalisierungseuphorischen labels an. Dem Begriff des transnationalen Konzems schlieBlich wird vorgeworfen, im Sinne von Bartlett und Ghoshal (1989) oder Robert Reich (1993) one-best-way- OAQV footlose enterprise - Implikationen zu transportieren (vgl. Hirst/ Thompson 1996; Trinczek 1999). Vor diesem Hintergrund macht dieser Beitrag einen Begriffsvorschlag: Mit dem Begriff des transnationalen Konzems soil auf einen grundlegenden qualitativen Wandel in den Organisationsstmkturen und -strategien grenziiberschreitender Konzeme verwiesen und diese von multinationalen und intemationalen Organisationsformen abgegrenzt werden. Transnationalisierung - so wie ich den Begriff benutze bezeichnet einen Wandel in den Internationalisierungsstrategien grenztiberschreitend tatiger Untemehmen, der in den 80er Jahren einsetzte. „Wahrend der multinationale Konzem sich aus ahnlich stmkturierten Zweigbetrieben zusammensetzt, die in spezifischen Landem mit anderen Untemehmen konkurrieren, ist der transnational Konzem durch Internalisiemng der intemationalen Arbeitsteilung global organisiert." (Korff^ Heidenreich 1991: 2). Multmationale Konzeme bestanden aus einem Stammunter-
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nehmen und aus Niederlassungen, die mehr oder weniger funktional und kulturell autonom vom Stammhaus waren. Transnationale Untemehmen dagegen sind polyzentrische, vemetzte Gebilde. Im Zuge von Transnationalisierung werden die bis dahin „weitgehend isolierten Montage- und Produktionsaktivitaten der verschiedenen Lander (...) in eine immer dichter und komplexer werdende transnationale Aufgabenstruktur und Arbeitsteilung eingebunden" (Eckardt et al. 1999b: 174). Empirisch beobachtbare Formen transnationaler Organisation sind nicht nur grenziiberschreitende Liefer- und Leistungsstrome zwischen den weltweit verteilten Standorten, sondem vor allem auch standort- und grenzuberschreitend zusammengesetzte Projektgruppen, Entwicklungsteams, Gesprachsrunden sowie eine zunehmend Zirkulation von Personal (den sogenannten expatriates) zwischen den Standorten (vgl. Riedl 1999; Wagner und Kotthoff in diesem Band). Ziel dieser Organisationsstrategie ist es, untemehmensweit auf ,economies of scale' zu setzen und gleichzeitig ,local responsiveness' sicherzustellen (vgl. Dorrenbacher/ Riedel 2000). Es geht also zunachst darum, organisationsstrukturelle Entwicklungen im Zuge von Globalisierungsprozessen begrifflich zu fassen, nicht raumliche oder gesellschaftliche. Damit soil die Frage nach den Organisationsformen und strategien grenziiberschreitend tatiger Untemehmen zunachst getrennt werden von der Frage nach den politischen und sozialen Folgen von Transnationalisierung. Meine These ist - und das rechtfertigt meiner Ansicht nach die Ablosung des Begriffs des multinationalen durch den des transnationalen Konzems -, dass transnationale Konzeme einen neuen Organisationstypus darstellen, der durch eine glokale Restrukturation von Organisationsgrenzen gekennzeichnet ist.^ tjber die Analyse der Art und des Wandels von Grenzen zwischen Zentrale und auslandischen Standorten grenztiberschreitend tatiger Untemehmen - so die Ausgangsannahme dieses Aufsatzes - lasst sich die Eigenart von Transnationalisierung fassen. Im Folgenden werde ich in einem ersten Schritt untersuchen, welcher Art die Grenzen zwischen Konzem und Standortuntemehmen in grenziiberschreitend tatigen Konzemen sind und dann meine These von der
Ich danke den Teilnehmerinnen und Teilnehmem des Bielefelder Workshops „Transnationale Konzeme als neuer Organisationstyp?", auf dem ich den vorliegenden Beitrag prasentiert habe, insbesondere aber Gabriele Wagner fur hilfreiche Anregungen und Kommentare. Diskussionen mit Veronika Tacke verdanke ich wichtige Anregungen bezughch der Theoretisierung von Inter- und Intra-Organisationsgrenzen.
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glokalen Restrukturation dieser Grenzen im Zuge von Transnationalisierung prazisieren. Im nachsten Schritt werde ich dann mit Hilfe eines strukturationstheoretischen Zugriffs anhand eines empirischen Beispiels diese These entfalten. AbschlieBend werde ich dann einige tJberlegungen dazu prasentieren, welche empirischen Phanomene und Probleme mit dem von mir prasentierten theoretisch-analytischen Rahmen ,beobachtet' und erklart werden konnen.
2.
Grenzen von und in Organisationen - Zum Verhaltnis von Konzern und Standortunternehmen
Fragt man nach Organisationsgrenzen, so sind Konzeme - ob national oder grenztiberschreitend - ein sperriger Gegenstand. Zu fragen ist namlich, ob es sich bei den Grenzen zwischen Konzern und Standortunternehmen um Intraoder Interorganisationsgrenzen handelt. Auf der einen Seite findet man einen Bezug auf Konzerne als Organisationen, wobei dann samtliche Tochtergesellschaften und Standorte mitgemeint sind (Mayrhofer 1997), auf der anderen Seite werden Standortunternehmen als eigenstandige Organisationen und dann Konzeme als Organisationsnetzwerke untersucht (Riedl 1999). Dabei wird dieser jeweilige Bezug selten explizit reflektiert und begrundet. Dies ist aber fiir die Frage nach der Eigenart von Transnationalisierung zentral. Denn - so meine These - das Spezifikum von Transnationalisierung besteht genau darin, dass sich die Grenzen zwischen Konzern und Standortunternehmen wandeln. Eine Analyse dieses Wandlungsprozesses setzt jedoch eine genaue Bestimmung des Verhaltnisses von Konzern(zentrale) und Standorten, d.h. der Art der jeweiligen Grenzen voraus. In einem ersten Schritt soil daher zunachst unter Ruckgriff auf grundlegende Ausfuhrungen von Tacke (1997) zu Organisationsgrenzen eine theoretische Perspektive auf die hier interessierenden Grenzen von bzw. in grenziiberschreitend tatigen Untemehmen entwickelt werden. Organisationsgrenzen sind zunachst zu verstehen als Sinngrenzen - also nicht physischer oder territorialer Natur. Enger gefaBt sind Organisationsgrenzen Erwartungsgrenzen, d.h. sie stellen Grenzen der Erwartbarkeit von Handlungen dar. Dabei gelten innerhalb der Organisation andere Erwartungen als auBerhalb. Gleichzeitig ist die Erwartungsgrenze von Organisationen eine Mitgliedschaftsgrenze - Mitgliedschaft ist an die Anerkennung von Mitgliedschaftsnormen gebunden. In Arbeitsorganisationen stutzt sich Mitgliedschaft auf Arbeitsvertrage und Erwartungen sind an ,Stellen' gekntipft. Organisationen entwickeln so auch eine Iden-
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titat, die sie von anderen Organisationen unterscheidet und die sowohl von innen (von den Mitgliedem) als auch von auBen erkennbar ist. Orgmiisditionsinterne Grenzziehung, d.h. die Herausbildung von Subsystemen, erfolgt dann durch die Spezifizierung von Erwartungen: die SubsySterne losen je eigene Probleme und haben je spezifische Relevanz- und Irrelevanzregeln, die sie von ihrer organisationsintemen und -extemen Umwelt unterscheiden. Diese allgemeinen Uberlegungen werde ich nun fiir multinationale und fur transnationale Konzeme spezifizieren. Es wird sich dann zeigen, dass in beiden Fallen die interne Grenzziehung und Subsystembildung auf unterschiedliche Art und Weise, nach unterschiedlichen Rationalitaten verlauft. Wie lasst sich nun die Frage nach der Art der Grenze zwischen Konzem und Standortuntemehmen beantworten? Zieht man zunachst das Mitgliedschaftskriterium heran, so muB man feststellen, dass die Mitglieder eines Standortuntemehmens allenfalls mittelbar Mitglieder des Konzems sind. Sie haben ihren Arbeitsvertrag mit dem Standortuntemehmen geschlossen, das ein rechtlich eigenstandiges Untemehmen ist. Organisationsmitglieder des Konzems sind sie somit nur vermittelt uber die Zugehorigkeit , ihrer' Organisation zum Konzern. Erwartungen konnen daher vom Konzem nicht direkt an einzelne Mitglieder, sondem nur vermittelt Uber die Standortorganisation adressiert werden. Wahrend sich Erwartungen einer Organisation an ihre Mitglieder auf Mitgliedschaft qua Arbeitsvertrag stiitzen, bemhen Erwartungen eines Konzems an seine Mitgliedsorganisationen auf Eigentums- und Kontrollrechten. Im Weiteren wird sich zeigen, dass - ohne dass sich diese Mitgliedschaftsverhaltnisse andem - es im tjbergang von einer multinationalen zu einer transnationalen Organisationsform grenzUberschreitend tatiger Konzeme zu einem qualitativen Wandel der Erwartungsgrenzen zwischen (auslandischen) Standorten und Konzernzentrale kommt. Konzeme werden hier also als Organisationen verstanden, die Grenzen zwischen Konzemzentrale und Standortorganisationen als org2ms?iX\o\\smterne Grenzen.^
Ob die Organisationsform transnationaler Konzeme plausiblerweise als Netzwerk beschrieben werden kann, muss einer netzwerktheoretischen Erorterung uberlassen bleiben. Als Alternative zum Organisationsbegriff kommt der Netzwerkbegriff jedenfalls nicht in Betracht, da sich im Weiteren zeigen wird, dass sich im Zuge von Transnationalisierung der Detaillierungs- und Formal is ierungsgrad von Erwartungen der Konzeme sogar noch erhoht.
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Typisch fur den multinationalen Konzem ist, dass die Anforderungen an Erwartbarkeit gering und auf nur wenige Parameter, wie Gewinnbeitrag oder Marktanteil in dem zu bedienenden, peripheren Markt, beschrankt sind. Hierbei handelt es sich um vergleichsweise unspezifische Erwartungen, die nicht im Hinblick darauf, wie die Erreichung dieser Ziele intern organisiert werden sollte, spezifiziert sind. Diese Spezifizierung obliegt vielmehr der lokalen Standortorganisation, die dafiir das Mitgliedschaftsverhaltnis zu ihren Beschaftigten nutzen kann. Im Rahmen einer solchen multinationalen Strategie erfolgt die Subsystembildung auf der Ebene des Konzems nach einem segmentaren Muster: Die Tochtergesellschaften sollen groBe, haufig periphere Markte mit einfachen Massenprodukten bedienen. Sie sind kaum in den Konzem integriert und verftigen - abgesehen von der Finanzkontrolle durch den Konzem - tiber weitgehende lokale Handlungs- und Entscheidungsautonomie (Riedl 1999). Dies andert sich nun im Rahmen einer transnationalen Strategie: Die Standortuntemehmen werden nun eingebunden in eine global orientierte Konzemstrategie und in eine immer engere fimktionale Arbeitsteilung (vgl. Eckardt et al. 1999b). Dadurch steigen die Anfordemngen an Erwartbarkeit, Erwartungen werden sehr viel spezifischer. So bedeutet z.B. die Umstellung von der Produktion fur bestimmte, nationale Markte auf die Produktion fur einen Weltmarkt, dass an alien Standorten die Qualitatsstandards des Konzems eingehalten werden miissen. Dies zieht dann konzerneinheitliche Qualitatssichemngssysteme und -verfahren nach sich. Transnationalisierung ist also erstens mit einer ReSpezifizierung und Detaillierung von Erwartungen und zweitens mit neuen Arten der Herstellung von Erwartungssicherheit verbunden. Diese unterschiedliche Art der Grenzziehung zwischen Konzemzentrale und Standorten verweist auf unterschiedliche Rationalitaten hinter der multinationalen und der transnationalen Organisationsform. Damit ist auf den transnationalen Konzern als einen neuen Organisationstyp verwiesen. Bei der Umstellung von einer segmentaren, gering integrierten, mit unspezifizierten Erwartungen operierenden Organisationsform grenziiberschreitend tatiger Konzeme auf eine funktionale, integrierte, mit spezifizierten Erwartungen operierende, ,transnationale' Organisationsform handelt es sich um eine ,glokale' Form der Grenzorganisation in dem Sinne, dass sich zum einen lokale Rationalitaten mit Blick auf das spezifizierte Aufgabenumfeld der jeweiligen lokalen Einheiten herausbilden - das gilt auch im Fall der multinationalen Organisationsform -, dass - und das ist nun neu - diese lokalen Rationalitaten jedoch gleichzeitig immer auch anschlussfahig an die Rationalitat der Organisation als Ganzer sein miissen. Wenn z.B. ein Automobil-Konzem mit ,Weltmo-
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dellen' ein Qualitatsproblem mit einem seiner Modelle hatte, wiirde dieses Problem dem Konzem als ganzem zugeschrieben, und nicht dem Standort, an dem die konkreten, fehlerhaften Autos produziert worden sind. Derin der Kunde weiB ja im Fall von ,Weltautos' nichts dariiber, wo sein konkretes Auto produziert worden ist. Der Begriffsvorschlag lautet also, Transnationalisierung zu verstehen als Rekonfiguration von Sinn- und Erwartungsgrenzen innerhalb grenziiberschreitend tatiger Organisationen. Solche Erwartungen richten sich immer an die Mitglieder der Organisation. Die Mitglieder sind jedoch nicht nur Adressaten von Rollenerwartungen. Vielmehr zeigt uns die Hybridisierungsforschung (vgl. Boyer et al. 1998; Becker-Ritterspach 2004), dass Programmierungen von Untemehmenszentralen in der Form von Regeln, Routinen oder Organisationsmodellen in die jeweiligen lokalen Kontexte ,eingepasst' und verandert werden (vgl. die Sammelbande von Boyer et al. 1998;Dorrenbacher 2003). Arbeiten zu mikro-politischen Konflikten in Re-Organisationsprozessen (vgl. D5rrenbacher/ Riedel 2000; Dorrenbacher/ Gammelgaard 2004; Becker-Ritterspach et al. 2003; Dorrenbacher in diesem Band) zeigen dariiberhinaus, dass haufig die von der Konzemzentrale zu tibertragenden Organisationsmodelle von den Standorten ganz abgelehnt oder machtpolitisch unterlaufen werden. Daher reicht zur Untersuchung der Frage nach dem Wandel von Organisationsgrenzen im Zuge von Transnationalisierung der Blick auf die Programmierungen der Konzemzentrale nicht aus. Vielmehr miissen die alltaglichen Strukturationen der Organisationsgrenzen der Akteure in den Blick genommen werden. Deshalb wechselt nun die Perspektive von der Organisation auf die Mitglieder als Akteure, und zwar im Rahmen eines strukturationstheoretischen Ansatzes.
3.
Zur glokalen Restrukturation von Organisationsgrenzen im Zuge von Transnationalisierung
Im Anschluss an Giddens (1984) und Ortmann (1995) mochte ich zwei strukturationstheoretische Konzepte nutzen, um die These vom Wandel der Grenzziehungsrationalitat zu entfalten: die Giddens'schen Dimensionen des Sozialen und das Konzept der Viabilitat. Giddens unterscheidet drei zunachst nur analytisch trennbare Dimensionen des Sozialen:
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structur
signification
^
^
domination
^ ^
^
legitimation
A T
\
A
interpretative
facility
norm
A T
A T
modality k
r interaction commu]nicaiion
^
w
power
^^
w
sanction
Giddens (1984: 29)
Auf der Ebene sozialer Strukturen heiBen diese Dimensionen Signifikation, Legitimation und Domination. Auf der Ebene des Handelns bzw. der Interaktion heiBen sie: Kommunikation, Sanktion und Macht. Die Akteure vermitteln in ihren Interaktionen die Handlungs- mit der Strukturebene, indem sie die Regeln und Ressourcen unter situativen Umstanden situationsspezifisch zu Modalitaten ihres Handelns machen. (Ortmann et al, 1997: 319f) Diesen Dimensionen entsprechen auf der Strukturebene zwei Arten von Regeln und zwei Arten von Ressourcen:
1. ,yRegeln der Sinnkonstitution (Signifikation) begrunden das, was man eine kognitive Ordnung eines sozialen Systems bzw. hier: einer Organisation nennen kann. Giddens faBt darunter alle diejenigen Aspekte, die mit der Interpretation der Welt als Grundlage von Handeln zusammenhangen. Das be-
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zieht sich in Organisationen beispielsweise auf Interpretationsschemata, auf Symbole, Mythen etc. (...). 2. Regeln der Sanktionierung sozialen Handelns (Legitimation) begrtinden die normative Ordnung einer Organisation. (...). 3. Allokative Ressourcen ermoglichen Akteuren die Kontrolle materieller Aspekte sozialer Situationen, z.B. die Verfugbarkeit tiber Produktionsverfahren, produzierte Gtiter oder Geld. 4. Autoritative Ressourcen erlauben dagegen, Macht Uber Menschen auszuiiben, zum Beispiel durch die Festlegung von Arbeitsablaufen, -zeiten und -entgelten." (Ortmann et al. 1997: 320f, Herv. i.O.). Die letzteren konstituieren die Herrschaftsordnung einer Organisation. An diese Dimensionierung kntipft Ortmann nun sein Konzept der Viabilitat: In Abgrenzung zu universalistischen Modellen von Effizienz, von rational choice oder Zweckrationalitat betont er, dass organisational Formen (und damit Entscheidungen und Handlungen) nur dem Kriterium der Viabilitat geniigen miissen, d.h. sie mtissen in die kognitive, normative und politisch-okonomische Umwelt ,passen'. Wichtig daran ist, dass dies auch im Fall von Wirtschaftsorganisationen nicht nur fur die okonomische, sondem fur alle drei Dimensionen des Sozialen gilt. Legen wir nun diese Konzepte an die zu prlifende These an, so miisste sich zeigen lassen, dass sich im Zuge von Transnationalisierung die Viabilitatsbedingungen von Entscheidungen an den lokalen Standorten derart verandem, dass Regeln der Sinnkonstitution und der Sanktionierung von Handeln sowie allokative und autoritative Ressourcen nicht mehr allein lokal produziert und reproduziert werden - bei nur loser Kopplung an konzemweite Regebi und Ressourcen -, sondem dass eine konzemweite kognitive, normative und Herrschaftsordnung zur lokalen Ordnung hinzutritt. Organisationale Entscheidungen mtissten dann innerhalb beider Ordnungen viabel sein. Das setzt voraus, dass beide Ordnungen nicht unabhangig nebeneinander stehen, sondem dass das Verhaltnis zwischen lokaler und konzemweiter Ordnung als eines von Ordnung und Meta-Ordnung bzw. von abstrakter und spezifizierter Ordnung zu sehen ist. Glokale Re-Stmkturation von Organisationsgrenzen meint dann genau den Prozess des Wandels der lokalen kognitiven, normativen und Herrschaftsordnung
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zu einer an die konzemweite Ordnung anschlussfahigen, spezifizierten Ordnung. Dieser Re-Strukturationsprozess soil im folgenden an einem empirischen Beispiel aufgezeigt werden.
4.
Das Beispiel Volkswagen
Bei diesem Beispiel handelt es sich um VW do Brasil - eine Tochterfirma des Volkswagen-Konzems. VW do Brasil wurde in den 50er Jahren gegrtindet, um den groBen brasilianischen und lateinamerikanischen Markt mit einfachen Massenprodukten zu bedienen. In groBen Sttickzahlen wurde zunachst der Kafer (dort: Fusca) und dann der Gol, ein speziell fiir den brasilianischen Markt entwickelter Kleinwagen, produziert. Daneben wurden teils Modelle, die in den europaischen Werken bereits ausgelaufen waren, wie der Kombi (VW Bulli), teils auf VW-Modellen basierende, fiir den lateinamerikanischen Markt angepasste Modelle wie der Santana gefertigt. Die Einbindung von VW do Brasil in den VW-Konzem bis Mitte der 90er Jahre schildem Interviewpartner so: „... vorher war es ja so, daB wir sogar manchmal vergessen haben, daB es hier VW gab, da6 es eine VW AG hier bei uns gab, weil die Arbeit viel lokalisierter war, alle Entscheidungen und so, das wurde alles hier getroffen." (B12: 4).
„Fruher waren unsere Programme brasilianische Programme, da gab es keine globalen, weltweiten Programme. Da batten wir mehr Freiheit, innerhalb dieser Programme unsere eigene Art und Weise, die Dinge zu machen, zu entwickeln.Z.B. schon vor langer Zeit machten wir ein Auto, das Brasilia hiefi, und das war ein vollkommen brasilianisches Programm. Also haben wir unsere Werkzeuge entwickelt, eigene Wege entwickelt."(B14: 12).
VW do Brasil war also bis zu dieser Zeit eine typische Tochtergesellschaft eines Multinationals, die kaum in die konzeminteme Arbeitsteilung integriert war, und verfugte - abgesehen von der Finanzkontrolle durch den Konzem - tiber weitgehende Handlungs- und Entscheidungsautonomie/ Darauf verweisen auch
In den 80er Jahren wurde VW do Brasil mit dem brasilianischen Fordwerk zu dem Gemeinschaftsuntemehmen ,Autolatina' fusioniert, was zu einer noch weiteren Entkopplung vom VW-
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die eigene Entwicklungsabteilung, selbstentwickelte bzw. an die lokalen Bedingungen angepaBte Modelle, eine sehr hohe Fertigungstiefe, Eigenfinanzierung von Investitionen sowie Eigenstandigkeit mit Bezug auf Marketing und Vertrieb, Arbeitsorganisation und Personalpolitik sowie Produktionspolitik. Vor diesem Hintergrund bezogen sich Erwartungen der Konzemzentrale an den brasilianischen Standort vor allem auf den Gewinnbeitrag der Tochtergesellschaft zum Konzem. Die Spezifizierung dieser Erwartung in der Form von Programmen oblag der Standortorganisation. Unter diesen Bedingungen hatte sich eine eigenstandige, lokale interpretative, normative und Herrschaftsordnung herausgebildet. Dies mochte ich im folgenden anhand des Beispiels der kognitiv-interpretative Ordnung deutlich machen. Auf die anderen beiden Dimensionen werde ich dann nur kurz eingehen. Zur kognitiv-interpretativen Ordnung von VW do Brasil als eigenstandigem Tochteruntemehmen eines multinationalen Konzems gehorte, dass das Unternehmen Produkte fur den lateinamerikanischen, vor allem den brasilianischen Markt entwickelt, dass es dafur das entsprechende Markt-Know-How hat, dass es am brasilianischen Markt ein sehr erfolgreiches Untemehmen ist, das ilber lange Jahre hinweg die Marktfiihrerschaft innehatte. Diese Marktfuhrerschaft wird marktspezifischen Produkten wie insbesondere dem Gol zugeschrieben. Der Gol ist das zentrale Symbol des Erfolgs und der Leistungsfahigkeit von VW do Brasil. Er sicherte fiir fast 20 Jahre die Marktfuhrerschaft von VW auf dem brasilianischen Markt und gilt als an die spezifische Nachfrage des brasilianischen Marktes ideal angepasst und erfiillt auch die hier geltenden Qualitatsstandards. Und obwohl in Folge des Markteintritts von japanischen, italienischen und fi-anzosischen Herstellem von preisgtinstigen Kleinwagen VW do Brasil seit Anfang der 90er Jahre massiv an Marktanteilen verloren hat, gelten die bei der Gol-Produktion entwickelten Prozesse und Verfahren vielen Beschaftigten weiterhin als funktionsfahig (d.h. es ist bewiesen, dass sie erfolgreich funktionieren und zielfLihrend sind), situationsangemessen (d.h. sie passen zu den Kontextbedingungen am brasilianischen Standort) und nachahmenswert. Im Zuge einer neu justierten global ausgerichteten Standortstrategie des Konzems seit Mitte der 90er Jahre wurde VW do Brasil dann aber sehr viel
Konzem ftihrt. Erst 1995 wurde Autolatina wieder aufgelOst, da der VW-Konzem den brasilianischen Standort in seine neue, global ausgerichtete Produktions- und Absatzstrategie einbeziehen wollte.
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enger in konzemweite Beschaffungs-, Produktions- und Absatznetzwerke integriert. Seit Mitte der 90er Jahre werden erstmals in Brasilien sogenannte ,Weltautos' auf jeweils aktuellen Konzemplattformen gebaut, so z.B. Golf, Audi A3 Oder Polo. In dieser neuen, dritten Intemationalisierungsphase^ spielt die Plattformstrategie eine zentrale Rolle. Alle neuen Modelle, unabhangig von der Marke, werden nun auf gemeinsamen Konzemplattformen bzw. mit konzemeinheitlichen Modulen gebaut. Dies bedeutet einen „konzemweiten Standardisierungsschub hinsichtlich von Produkten und Fertigungsprozessen" (Eckardt et al. 2000: 174) - unter Einschluss der Marken Volkswagen, Audi, Seat und Skoda^ Die konzemweite Durchsetzung der Plattformstrategie geht auch einher mit einer qualitativen Funktionverschiebung zwischen Zentrale und Standorten sowie Standorten untereinander: „Insgesamt wird in dieser neuen Phase ... das Gef^lle zwischen ,Zentrum und Peripherie' hinsichtlich Produkten und Produktionskonfigurationen immer weiter eingeebnet. Innerhalb des Gesamtkonzems treten die Produktionsstandorte in eine Beziehung wechselseitiger Konkurrenz und wechselseitigen Lemens." (ebd,: 175).
Am Beispiel von VW do Brasil werde ich nun versuchen zu verdeutlichen, wie sich die Grenzen zwischen Konzem und Standortunternehmen im Zuge dieses Prozesses wandeln: Im Zuge der Transnationalisiemng wird der lokale kognitivinterpretative Rahmen irritiert durch eine andere Wahmehmungs- und Interpretationsordnung, der VW do Brasil als eines von vielen lokalen Standortuntemehmen des VW-Konzems sieht, dessen Aufgaben, sowie Handlungs- und Entscheidungskompetenzen durch seine Funktion innerhalb des Konzems bestimmt werden. Dieser andere Bedeutungsrahmen wird in erster Linie von expatriates, die sich zeitweise am brasilianischen Standort aufhalten, zum anderen aber auch durch Konzemrichtlinien und Verfahrensstandards an VW do Brasil herangetragen.
Dies gilt nicht fur den VW-Konzern allein, vgl. auch Fleury/ Salerno (1998: 278): „In the 1990s, however, these multinationals (notably Ford, Volkswagen (VW), and General Motors do Brasil (GMB) began to redefine the role of Brazil in their global strategies". So werden der Polo 3, der Skoda Fabia und der Seat Ibiza 3 auf der selben Plattform gebaut, wie bereits zuvor der Polo 2 und der Ibiza 2, ebenso auch der VW Lupo und der Seat Arosa (vgl. Mory 2002: lOf). In der unteren Mittelklasse werden der Golf, der New Beetle, der Audi A2 sowie der Skoda Oktavia auf der selben Plattform gebaut.
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In diesem anderen Rahmen wird der Gol nicht als Erfolgsmodell auf dem brasilianischen Markt wahrgenommen, sondem vor der Kontrastfolie von ,Weltautos' nach europaischem Standard als veraltet und unmodem wie die folgende InterviewauBerung eines expatriates zeigt: „Gerade hier in diesem Werk Anchieta jetzt haben wir das Problem, das wir uber 20 Jahre den sogenannten Gol bauen. Das ist ein Fahrzeug, da kann man driiber ... die Brasilianer sind stolz auf diesen Gol, soil man ihnen ja auch nicht nehmen, aber fur uns ist es ein veraltetes Auto. Ein echt veraltetes Auto. Es wurde zwar Facelift gemacht, und so weiter, die ein modemeres Aussehen machen, aber das Auto selber in seiner ganzen Fiigefolge ist veraltet. Und das mu6 erst mal aus den Leuten raus. Und das ist schwierig."(Bl: 3)
Deutlich wird hier auch, dass beide Bedeutungsrahmen nicht miteinander vereinbar sind und ihr Aufeinandertreffen Konfliktpotential enthalt. Hier trifft eine kognitiv-interpretative Ordnung, zu der auch Produzentenstolz, Wissen um lokale Verhaltnisse und Problemlosungskompetenz gehort, auf eine andere Wahmehmungs- und Interpretationsordnung, in der Europa und Japan als Zentren der globalen Automobilindustrie die Standards fiir Modemitat und technische Kompetenz setzen. Und die letztere wird nun nicht als Angebot, sondem als Zumutung an die brasilianischen Beschaftigten herangetragen: Sie sollen ihre selbstverstandlichen Situationswahmehmungen und -interpretationen aufgeben und sich den neuen Bedeutungsrahmen zu Eigen machen. Dies wird in der folgenden Interviewpassage noch einmal deutlicher angesprochen: „Hier kennen die ihre Methoden, hier haben sie 20 Jahre den Gol mit ihrer alten Methode gemacht, und das aus den KOpfen rauszubekommen ist schwierig. Hier habe ich oft festgestellt, oft kommen sie in eine Besprechung mit Kollegen und sagen: ,Aber beim Gol machen wir es doch so und so, warum nicht so, das war doch viel besser, aus unserer Sicht...',, (Bl:9).
Diese Sicht - die Sicht der Lokalen -, die noch im Rahmen des multinationalen Konzems viabel war, weil zwischen dem Konzem und VW do Brasil eine Erwartungsgrenze verlief, die eigenstandige Erwartungen fur VW do Brasil zulieB, mussen sich kognitiv-interpretative Selbstverstandlichkeitsannahmen heute auch auf der Konzemebene als viabel erweisen. Die konzemweite kognitivinterpretative Ordnung geht dabei, wie oben gezeigt, vom ,Weltauto' als konzemeigenem Produkt aus, das sich auch VW do Brasil zueigen machen muss. Ein zweites Beispiel betrifft die Frage der Produktqualitat. Wie bereits gesagt, ist die Vorstellung davon, was ein qualitativ gutes Auto ausmacht, bei VW do Brasil identisch damit, was am brasilianischen Markt, m.a.W. vor allem von den Kaufem des Gol, als Qualitatsmerkmale gesehen wird. Auch hier wird diese
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Sichtweise aber nun im Zuge von Transnationalisierung konfrontiert mit einer zweiten Sichtweise, namlich der Konzemsichtweise. Die folgende InterviewauBerung macht das Aufeinanderprallen beider Wahmehmungs- und Interpretationsrahmen deutlich: „Wenn man jetzt in einer globalisierten Welt eine Automobilindustrie anschaut, mochte man in diesen Markt ein bestimmtes Fahrzeug einfiihren, in diesen das gleiche und in diesen auch das gleiche. Das ist jetzt die Richtung. Die gleiche Plattform in Brasilien, in Spanien und in der Slowakei einzufiihren. Aber der Markt ist vollkommen verschieden in Spanien, in der Slowakei und in Brasilien. Wir haben hier in Brasilien 70% vom Markt 11Motoren. Das sind 75 PS. Und der Brasilianer, der mOchte ein billiges Auto, der schaut nicht auf die Qualitat, das Auto mu6 fahren,mu6 ihn von einem Punkt zum anderen bringen. Das heifit, es ist wegen der Verhaltnisse der Brasilianer. Die Mehrheit der Brasilianer ist von der unteren Schicht und hat kein Geld. Und wenn die einmal Geld hat, wenn sie ein Auto bekommen, die miissen 13.000, 15.000 Rs dafUr zahlen, was am billigsten ist, wird dann gekauft. VW hat die teuersten Autos und mit der Globalisierung in diesem und diesem Markt kommt das zu Reizen. Wir als Mitarbeiter sagen: ,Mensch, warum geht man in die Richtung, der Markt mOchte was anderes,' und ich schatze als Mitarbeiter, dafi diese Richtungen von Wolfsburg defmiert werden, und das ist falsch." (B8: 11)
Durch das Herantragen eines zweiten Bedeutungsrahmens werden nun die bisher unhinterfragt giiltigen Wahmehmungen und Interpretationen irritiert und damit der Reflexion zuganglich gemacht. Zu beobachten ist, dass die Lokalen nicht mehr ,selbstverstandlich' auf ihre Interpretationsschemata zurtickgreifen, sondem in der Kommunikation den anderen - wenn auch haufig noch ,fremden' - Rahmen mitberticksichtigen und sich z.T. auch zueigen machen. Neue Regeln der Sinnkonstitution entstehen, und zwar in diesem Sinne glokale Regeln der Sinnkonstitution. D.h. sinnhaftes Handeln und Entscheiden muss sich innerhalb von beiden Bedeutungsrahmen als viabel erweisen. An den zuletzt angefiihrten InterviewauBerungen lasst sich ablesen, wie die kognitiv-interpretative Ordnung re-strukturiert wird. D.h. was als sinnvolle Handlung oder Entscheidung gilt, hangt nicht mehr nur von lokal produzierten Regeln der Sinn-Konstitution ab, sondem bezieht immer beide frames of meaning mit ein. Eigene Handlungen und Entscheidungen werden als sinnhaft ausgeflaggt, indem nicht mehr nur der vormals als selbstverstandlich geltende Sinnrahmen herangezogen wird, sondem indem auch der jeweils andere - wenn auch oft noch fremde - herangezogen wird - und sei es nur zur Abgrenzung. In der Dimension der kognitiv-interpretativen Ordnung ist das Ergebnis von Transnationalisierung dann eine multiperspektivische Ordnung. Nur der Vollstandigkeit halber soil an dieser Stelle erwahnt werden, dass sich auch fur die normative Ordnung eine solche glokale Restmkturation der Organisationsgrenzen zeigen lasst: Wahrend vor Beginn des Transnationa-
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lisierungsprozesses Entscheidungen bei VW-do-Brasil legitimiert wurden durch Bezug auf die Erhaltung der marktfuhrenden Position im lateinamerikanischen Markt, ist heute der konzeminteme Wettbewerb zwischen den weltweiten Standorten der legitimatorische Rahmen filr Entscheidungen. Dies bedeutet auch einen inhaltlichen Wandel: Da Entscheidungen iiber Modelle nicht langer lokal getroffen werden, ist das Standortuntemehmen nicht verantwortlich fur erfolglose Modelle. Aber es ist verantwortlich (und wird sanktioniert) fiir das Verfehlen von Konzern-benchmarks bei Produktionskosten, Qualitat, Lieferzeiten, etc. Gleiches lasst sich auch fur die Herrschaftsordming zeigen: Allokative und autoritative Ressourcen wurden vor dem Transnationalisierungsprozess in erster Linie lokal produziert und reproduziert. Heute stammen zentrale allokative und autoritative Ressourcen aus der intemen Umwelt des Konzems: Transnationalisierung ist mit einer abnehmenden Kontrolle lokaler Akteure iiber materielle Ressourcen wie Kapital, Produktionsanlagen, Informationen verbunden. Die Chancen lokaler Akteure, Entscheidungen aufgrund ihrer eigenen Autoritat zu treffen, nimmt im Zuge von Transnationalisierung ab. Ein Beispiel hierftir die Einfuhrung des Audi-Gruppenarbeitssystems, das zur arbeitsorganisatorischen ,Plattform' in der Produktion aller Standorte geworden ist. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Zuge von Transnationalisierung lokale Ordnungen, Rationalitaten - nicht nur vereinzelt, sondem als Dauerzustand - konfrontiert werden mit kognitiv-interpretativen, normativen und Herrschaftsordnungen auf der Ebene des Gesamtkonzems. Erwartungen an die Mitglieder der lokalen Organisationen werden nicht mehr (nahezu) ausschlieBlich von der lokalen Organisation an sie herangetragen, sondem in deutlich verstarktem AusmaB vom Konzem. Mit anderen Worten: Transnationale Konzeme sind in dem Sinne glokal organisiert, dass Entscheidungen auf der Ebene lokaler Standortuntemehmen immer zugleich an lokalen und an konzemweiten kognitiven, normativen und Herrschaftsordnungen bzw. Rationalitaten orientiert sind. Dies ist auch verbunden mit einer Spezifiziemng der Erwartungen auf der Ebene der lokalen Standorte: Diese sind nicht mehr allzustandig fur die Beschaffung, die Produktion und die Distribution sowie das Management ihrer Organisationsgrenzen, sondem tiberaehmen spezifizierte Aufgaben innerhalb des Konzems: die Produktion bestimmter (vom Konzem ,zugeteilter') Modelle, die Beliefemng bestimmter Markte, deren Relevanz sich aus KonzemMarktpolitiken bestimmt. Das kann einerseits bedeuten, dass bestimmte Funktionen - wie die Entwicklung - gar nicht mehr am jeweiligen Standort vorkommen, es kann aber auch bedeuten, dass Funktionen wie der Einkauf oder die
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Entwicklung arbeitsteilig an den verschiedenen Standorten erfiillt werden. So kann die Einkaufsabteilung an einem Standort z.B. die Zustandigkeit fiir einen bestimmten Zuliefermarkt ubertragen bekommen^ oder bestimmte Entwicklungsaufgaben iibemehmen.^ Aus einer segmentaren Konzemorganisation, die in erster Linie relativ unspezifische Erwartungen an ihre MitgliQdsorganisationen richtet und die Spezifizierung dieser Erwartungen und deren Adressierung an die Beschdftigten als Mitglieder der Standortorganisationen den letzteren liberlasst, wird so eine funktionale Konzemorganisation, die Erwartungen in weiten Bereichen direkt din die Beschaftigten an den Standorten adressiert. Die so entstehenden neuen intemen Grenzziehungen verlaufen nun - anders als im Fall der multinationalen Organisationsform - haufig quer zu den geographischen Grenzen zwischen Konzemzentrale und Standorten. Deutlich wird dabei im tFbrigen auch, dass die Art der intemen Grenzorganisation unabhangig davon, worauf diese bemht - Mitgliedschaft versus Eigentums- und Kontrollrechte - variieren kann. Zusammenfassend konnen wir festhalten, dass Transnationalisiemng eine Restmkturation von Organisationsgrenzen bedeutet. Aus einer segmentaren Grenzziehung zwischen der Konzemzentrale und den einzelnen Standortorganisationen als fiinktional vollstandige und eigenstandige Organisationen werden funktionale Grenzziehungen. Diese verlaufen nicht mehr - jedenfalls nicht in jedem Fall und nicht selbstverstandlich - entlang der geographischen und rechtsfbrmigen AuBengrenze der Standortorganisationen, sondem entlang von fiinktionalen Spezifizierungen. Diese Restmkturation der Organisationsgrenzen wurde als glokale Restmkturation in dem Sinne beschrieben, dass Handlungen und Entscheidungen an den Standorten sich immer an zwei Arten von Erwartungen orientieren mtissen: Erwartungen, die am Standort selbst generiert werden, und Erwartungen, die vom Konzem als ganzem an den Standort gerichtet werden.
Das zeigen Klemm/ Popp (2005) am Beispiel VW-Skoda: Skoda hat die Zustandigkeit, ^wr den ganzen Konzern den Zuliefermarkt in Ost-Mitteleuropa zu beobachten, zu evaluieren und Zulieferer zu qualifizieren. So bekam VW do Brasil die Aufgabe, einen neuen Kleinwagen, den Fox als Nachfolger des Lupo, fur den VW-Konzem zu entwickeln.
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5.
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Transnationalisierung als glokale Re-Strukturation von Organisationsgrenzen - Zum ,Nutzen' des theoretisch-analytischen Konzepts
Im Vorangegangenen wurde Transnationalisierung als glokale Restrukturation von Organisationsgrenzen charakterisiert. Die Frage ist nun, was eine solche Fassung von Transnationalisierung mit Blick auf die Debatten um Globalisierung und organisationale Entwicklung grenzuberschreitend tatiger Unternehmen bedeutet. AbschlieBend mochte ich daher meine Perspektive auf Transnationalisierung in diese Debatten einordnen, indem ich vier solche Probleme bzw. Fragestellungen kurz anreiBe und versuche wenigstens anzudeuten, welchen Beitrag der hier prasentierte theoretisch-analytische Zugriff auf Transnationalisierung zur Erfassung und Erklarung in diesen Bereichen leisten kann:
1. In der Globalisierungsdebatte wird Transnationalisierung verstanden als Rationalisierungsstrategie, die es den Untemehmen ermoglicht, weltweit Kostendifferentiale auszunutzen sowie economies of scale und economies of scope TAX verbinden. In der hier vorgeschlagenen Perspektive wird dagegen Transnationalisierung als systembezogene Rationalisierungsstrategie fokussiert. Aus Organisationen in der Organisation werden Sub-Systeme, die die Moglichkeiten der Multireferentialitat der Organisation ,Konzern' erhohen und damit die Moglichkeiten des Umgangs mit komplexen Umwelten steigem. Die im Zuge von Transnationalisierung zu beobachtenden Konflikte erscheinen dann als interne ,Grenzkonflikte', und zwar im Sinne glokaler Grenzkonflikte, d.h. sie resultieren aus der Spannung zwischen der Gesamtrationalitat des Konzems und der je einzelnen Rationalitat der Subsysteme, eine Spannung, die prinzipiell nicht nach einer Seite hin aufgelost werden kann. Transnationalisierung erscheint so nicht einfach als Rationalisierungsstrategie des Managements, sondem als widersprlichlicher und konflikthafter Reorganisationsprozess, der prinzipiell auch scheitem kann. 2. Vor diesem Hintergrund stellt sich auf neue Art und verscharft das Problem der Steuerung und Sozialintegration grenztiberschreitend tatiger Konzeme, d.h. das Problem lokaler Rationalitaten und deren ,Einbindung' in eine globale KonzemRationalitat. In den Blick geraten damit neue Steuerungs- und Integrationsmodi. Wahrend jedoch in der Debatte um Zentralisierung versus Dezentralisierung vor
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allem auf konzemweite Vorgaben bezuglich Standards, Verfahren und Organisationsformen als Beleg fiir die Zentralisierung von Handlungs- und Entscheidungskompetenzen geschaut wird, gerat in der hier vorgeschlagenen Perspektive immer auch die ,Gegenseite' solcher Programmierungen in den Blick, namlich die Einbindung der Standortorganisationen bzw. ihrer Mitglieder in Entscheidungsprozesse im Rahmen von transnational zusammengesetzten Teams in alien Bereichen der Organisation, transnationalen Gremien als Entscheidungsarenen, transnationaler Mobilitat von breiten Beschaftigtengruppen. Programmierungen der Konzemzentrale auf der einen Seite und die Ausweitung von Partizipationschancen fur Mitglieder der Standortorganisationen an den Entscheidungen iiber solche Programmierungen auf der anderen Seite sind zwei Seiten einer auf Glokalitat zielenden Steuerungs- und Integrationsstrategie. 3. In der Debatte um Globalisierung und Transnationalisierung - insbesondere wenn es um Konflikte in diesen Prozessen geht - spielt der Bezug auf kulturelle Differenzen eine groBe Rolle. Konflikte werden hier als interkulturelle Konflikte gesehen, die aus der Einbettung der Standorte und der Konzemzentrale bzw. der lokalen Beschaftigten und der entsandten expatriates, in unterschiedliche Landeskulturen resultiert (Hofstede 1997, 2001; Mayerhofer 1997). Die so haufig im Zusammenhang mit transnationalen Konzemen thematisierten kulturellen Differenzen und Konflikte erscheinen in der hier vorgeschlagenen Fassung von Transnationalisierung als Konflikte zwischen globalen und lokalen Bedeutungsund Legitimationsrahmen. Diese Fassung lasst durchaus einen Bezug zu den jeweiligen national-kulturellen oder institutionellen Kontexten zu, setzt aber keinen holistisch-essentialistischen Kulturbegriff im Sinne einer einheitlichen und homogenen Landeskultur voraus.^ Uber den Begriff der Re-Strukturation kann die Dynamik in der Entwicklung von kognitiv-interpretativer, normativer
Fiir eine Kritik eines holistisch-essentialistischen Kulturkonzepts, das von kulturellen Unterschieden zwischen Branchen, einzelnen Untemehmen, ja sogar unterschiedlichen Untemehmensbereichen wie Vertrieb und Produktion zugunsten einer Identifizierung von Kultur mit Gesellschaft bzw. Land abstrahiert, vgl. D5rrenbacher/ Riedel (2000: 23). Vgl. auch Wimmer (1996) in einer allgemeinen Kritik des klassischen Kulturbegriffs: „In der fachintemen Diskussion dagegen wurde seit den funfziger Jahren Abstand von einem holistischen und essentialisierenden Kulturverstandnis genommen, weil unter diesen Vorzeichen die Probleme der intrakulturellen Variation, der Machtgebundenheit des Kulturellen, des kulturellen Wandels wowie der Konzeptualisierung individuellen Handelns als unl5sbar erschienen." (Abstract des Autors)
Transnational is ierung als glokale Restrukturation von Organisationsgrenzen
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und Herrschaftsordnung erfasst werden, ohne dass zugleich von einer Uberlagerung von societal durch organizational effects (Mueller 1994) ausgegangen werden muss. 4. Die beschriebene glokale Restrukturation der organisationsintemen Grenzen lasst erwarten, dass dies auch Folgen fiir ihre Einbettung in ihre gesellschaftliche Umwelt hat. Wenn Tacke (1997) im Anschluss an Luhmann darauf hinweist, dass Subsystembildung die Referenzen vermehrt, die das System auf seine Umwelt beziehen, dann bedeutet ein Wandel in der Art der intemen Grenzziehung gleichzeitig einen Wandel der Bezugnahme auf Umwelt. Auch die Debatte um disembedding und reembedding verweist auf dieses Thema (Giddens 1995). In der hier vorgeschlagenen Theorieperspektive wird im Zuge des Transnationalisierungsprozesses der Konzem als ganzes und die anderen Sub-Systeme zur relevanten intemen Umwelt fiir lokale Standortuntemehmen. Die organisationsexteme Umwelt dagegen wird zur Sache des Konzems. Die Frage ist dann, ob und in welcher Form Standortuntemehmen (bzw. bestimmte Sub-Sub-Systeme) Grenzstellenfunktionen iibertragen bekommen. In jedem Fall mtiBten die Beziehungen von Standortuntemehmen zur organisationsextemen Umwelt als Grenzstellenfunktion des Konzems untersucht werden. Ein Verstandnis von Transnationalisierung als glokaler Restmkturation von intemen Organisationsgrenzen lasst also eine Reihe von Forschungsfragen in einem neuen Licht erscheinen. Deutlich wird, dass der Begriff der Transnationalisiemng auf einen qualitativ neuen Typus grenztiberschreitender Untemehmen verweist. Damit ist jedoch gerade nicht gesagt, dass sich transnational Organisationsformen im Sinne einer best practice problemlos implementieren und als Rationalisierungsstrategie nutzen lassen. Vielmehr geraten gerade in der hier vorgeschlagenen Perspektive die WidersprUche, Spannungen und moglichen Blockaden von Transnationalisiemng - auch als Grenzen von Globalisiemng in den Blick.
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Mike Geppert, Dirk Matten, Peggy Schmidt
Hintergriinde und Probleme der Transnationalisierung multinationaler Unternehmungen: Globale Isomorphismen, national business systems und ,transnationale soziale Raume'
1.
Einfiihrung und Problemstellung
Viele Studien zur Transnationalisierung von multinationalen Untemehmen warden immer noch sehr stark von okonomisch rationalen (Buckley 1996; Casson, 1997; Buckley/ Ghauri, 1999) bzw. kontingenztheoretisch funktionalen (wie z.B. Bartlett/ Ghoshal 1989; Egelhoff 1982; Prahalad/ Doz 1987) Annahmen bestimmt. Kritische Anmerkungen iiber Hintergriinde und Probleme von Transnationalisierung waren lange Zeit auf kulturalistisch orientierte intemationale Vergleichsstudien - meistens mit Bezug auf die Arbeiten von Hofstede (2001) beschrankt. Allerdings gibt es seit Beginn der 1990er Jahre in Nordamerika, aber auch in GroBbritannien, eine wachsende Zahl von Forschungsarbeiten, die, ausgehend von einer organisationssoziologischen Kritik, die bisherige Dominanz 5konomisch-funktionalistischer Studien durchbrechen und die Rolle von institutionellen Umwelten ftir die Organisation und das Management von multinationalen Untemehmen betonen. Dabei wird allerdings der Einfluss der Unternehmensumwelten im Zuge des Transnationalisierungsprozesses sehr unterschiedlich interpretiert. Im Gegensatz zu institutionalistischen Forschem in Europa, die die bleibende Bedeutung des Einflusses von Nationalgesellschaften auf Entscheidungsprozesse in den Konzemzentralen und Niederlassungen betonen, sehen nord-amerikanische Institutionalisten Transnationalisierung als zwangslaufiges Resultat einer sich regulativ, normativ und kognitiv konstituierenden Weltgesellschaft.
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Mike Geppert, Dirk Matten, Peggy Schmidt
Der vorliegende Aufsatz diskutiert den Einfluss unterschiedlicher kultureller und institutioneller Umwelten auf das Management und die Organisation von multinationalen Untemehmen. Ausgehend von einer kurzen kritischen Revision okonomisch-funktionalistisch orientierter Studien wird ausfuhrlich die Bedeutung institutionalistischer Erklarungsansatze fur das Verstandnis organisatorischer Entwicklungstendenzen in multinationalen Untemehmen diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit werden wir zuerst auf den Beitrag des sogenannten europaischen Institutionalismus richten. AnschlieBend setzen wir uns damit auseinander, inwieweit Kemargumente nord-amerikanischer Institutionalisten gewinnbringend zum besseren Verstandnis der Transnationalisierung sozialer Praktiken und organisationaler Prozesse in multinationalen Untemehmen beitragen konnen. In der zusammenftihrenden Diskussion beider Ansatze konzentrieren wir uns auf die folgenden Aspekte: den Einfluss des Heimatlandes auf das Management und die Organisation von multinationalen Untemehmen, die Macht und Autonomie der auslandischen Tochtergesellschaften sowie die Entstehung transnationaler sozialer Raume. Unsere zentrale These ist, dass nationale Unterschiede in multinationalen Untemehmen auch im Transnationalisiemngsprozess weiterhin thematisiert werden mussen, insbesondere aufgrund der fortbestehenden Einflusse des Herkunftslandes und der verschiedenen Gastlander auf die Aktivitaten der Niederlassungen. Neben einer extensiven Diskussion der einschlagigen Forschungsliteratur werden wir exemplarisch auf ein eigenes, erst ktirzlich abgeschlossenes, intemational vergleichendes empirisches Forschungsprojekt zur Reorganisation von Arbeitssystemen in multinationalen Untemehmen zuriickgreifen (vgl. Geppert 2003; Geppert et al. 2003; Geppert et al. 2003; Matten/ Geppert 2004; Geppert/ Matten 2006). Einerseits fanden wir hier zwar durchaus empirische Evidenz fur das Entstehen von transnationalen Stmkturen und Praktiken in multinationalen Untemehmen. Gleichzeitig zeigt unsere Analyse jedoch auch, dass mehr Skepsis im Hinblick darauf angebracht ist, ob die von fiihrenden Managementforschem beschworene transnational solution (Bartlett/ Ghoshal 1989) wirklich der geeignete Weg ist, um die Lemund Anpassungspotentiale der gesamten multinationalen Unternehmung zu erhalten und zu verbessem. Der normative Fokus auf strukturelle und kulturelle Integrationsmechanismen in transnationalen Untenehmen verstellt u. E. den Blick darauf, dass der Erhalt kontextueller Rationalitaten und institutioneller Vielfalt gerade fiir die Entwicklungs- und Wandlungsfahigkeit multinationaler Untemehmen weit wichtiger ist, als oftmals angenommen. Darauf, und auf neuere konzeptionelle Entwicklungen im Forschungsfeld werden wir abschlieBend eingehen und dabei auch auf die Grenzen der zuvor diskutierten institutionalisti-
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87
schen Ansatze verweisen. Am Schluss folgt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse dieses Beitrages und ein Ausblick auf die Herausforderungen zuklinftiger institutionalistischer Forschung.
2.
Okonomisch-funktionalistische Erklarungen transnationalen Unternehmung
zur
,Evolution'
der
Okonomisch-funktionalistische Theorien zur TransnationaHsierung der multinationalen Unternehmung konnen nach Child (2000) als low-context-Ajv^ditzQ bezeichnet werden, da sie insbesondere auf die unterschiedlichen sozialen, politischen, kulturellen und institutionellen Kontexte nur insoweit eingehen, wie diese Niederschlag in okonomisch kalkulierbaren Variablen finden. Lowcontext-AnsatzQ fiiBen insbesondere auf drei Annahmen, die alle auf eine zunehmende Konvergenz in Managementprozessen und -strukturen in multinationalen Firmen hinauslaufen: •
Okonomischer Universalismus
Der okonomische Universalismus geht davon aus, dass der Intemationalisierungsprozess mit einer weltweiten Offhung von Markten, dem Abbau von Handelsschranken und der Liberalisierung von GUter- und Kapitalflussregulierung einhergeht, und damit strikten Marktprinzipien unterliegt. Zugespitzt fuhrt okonomischer Universalismus zu einer weitgehenden Ignoranz kultureller und politischer Besonderheiten im intemationalen Management. •
Technologischer Universalismus
Insbesondere die forcierte Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien hat in dieser Perspektive eine weltweit zunehmende Homogenisierung von Managementprozessen ermoglicht. Technologische Universalisten wtirden argumentieren, dass durch den verstarkten Emsatz von immer ahnlicheren Technologien (wie z.B. von Computerhard- und software) Entscheidungsprozesse und -strukturen in Untemehmen sich weltweit angleichen. Neben okonomischen Aspekten geht es dabei um Fragen, in deren Mittelpunkt der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Prozess der Intemationalisierung steht.
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•
Psychologischer Universalismus
Der psychologische Universalismus geht davon aus, dass Menschen weltweit nicht nur weitgehend ahnliche Bediirfhisse und Motivationsstrukturen teilen, sondem auch Ahnlichkeiten in sozialen Lemprozessen aufsveisen. Somit wird beispielsweise Managem aus ehemals plansozialistischen Landem empfohlen, erfolgreiche westliche Managementkonzepte und -praktiken, wie Accounting, Controlling, Human Ressource Management oder Marketing, zu tibemehmen, um marktwirtschaftlich erfolgreich zu werden (vgl. Geppert/ Merkens 1999). Dies fiihre wiederum dazu, dass Manager, insbesondere in multinationalen Untemehmen, auf universelle Motivations-, Personalmanagement- und Lemmodelle zuriickgreifen. In okonomischen Theorien wird das multinationale Untemehmen als rationaler Akteur beschrieben, der sich in auslandischen Markten aufgrund eines rein okonomischen Kalktils engagiert.^ Es wird im wesentlichen davon ausgegangen, dass Transaktionskosteniiberlegungen die zentrale Rolle spielen, wenn Unternehmen die heimischen Grenzen tiberschreiten und sich transnational engagieren. Strategische Entscheidungen uber Intemationalisierung und das Wachstum von Untemehmungen werden so in erster Linie als Logik der Minimierung von Transaktionskosten diskutiert und in Beziehung zu den okonomischen Bedingungen auf den inlandischen und auslandischen Markten gesetzt (Vgl. z.B. Buckley 1996; Buckley/ Chapman 1999 und Buckley/ Ghauri 1999). In diesem Sinne wird Transnationalisierung von Organisation und Management in multinationalen Unternehmen als funktionales Komplement von immer globaler werdenden Markten und Austauschprozessen betrachtet. Im Zentrum der Analyse stehen hauptsachlich die oben diskutierten okonomischen Universalismen. Der bekannteste und wohl auch tonangebendste Beitrag in der gegenwartigen Diskussion um die Transnationalisierung ist allerdings das ,evolutionare Paradigma' von Bartlett und Ghoshal (1989, 1997). Im Vergleich zu okonomischen Modellen wird der ProzeB der Transnationalisierung hier aber viel breiter und umfassender diskutiert. Die kontingenztheoretischen Grundaussagen der Vielfalt von Aufgabenumwelten werden dabei weitgehend relativiert. Vielmehr wird angenommen, dass das Zusammenwirken aller drei oben aufgefuhrten
1
Wichtige Vertreter sind z.B. Buckley (1996); Casson (1997) und Dunning (1998).
Globale Isomorphismen, national business systems und ,transnationale soziale Raume'
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Universalismen zur Herausbildung idealtypisch ahnlicher Organisationsstrukturen und -prozesse fiihrt. Eine zentrale These ist, dass die drei ersten Stufen in der ,evolutionaren Typologie' der multinationalen Untemehmung nur unzureichende trade offs fur das Dilemma von transnational agierenden Firmen bieten. Um beides zugleich - global effizient und lokal angepasst - sein zu konnen, wird die transnationale Untemehmung als die optimale ,Losung' angesehen. Die Annahme ist, dass diese neue Organisationsform besser geeignet ist, landerubergreifend okonomische Effizienz mit organisationaler Lemfahigkeit zu verbinden, als das in den drei ,evolutionaren Vorstufen' der Fall ist. Fortflihrungen dieses Ansatzes stellen auf die Beziehungen von Zentrale und Niederlassungen sowie auf Lemprozesse in multinationalen ,Heterarchien'^ ab. So setzt z.B. Hedlunds (1986; 1993) Kritik bei der traditionellen strukturalistischen Sicht an, die die Beziehungen zwischen der Muttergesellschaft und ihren Tochteruntemehmen als zentralisiert, hierarchisch und formalisiert sieht. Dieses Bild deckt sich jedoch kaum mit realen Entscheidungsprozessen in international operierenden Firmen, die oft in eher komplexe, laterale und informelle Beziehungsgeflechte eingebettet sind, und sowohl nach innen als auch nach auBen gerichtet sind. Hedlund schlagt daher vor, den Begriff der ,Hierarchie' durch den der ,Heterarchie' zu ersetzen. Letzterer Vorschlag wird auch von Nohria und Ghoshal (1997) aufgegriffen, wenn sie von multinationalen Untemehmen als ,differenzierten Netzwerkorganisationen' sprechen. Diese werden nicht mehr von einer Zentrale aus gesteuert, sondem sind in komplexe Verhandlungen mit intemen und extemen stakeholdern eingebunden. Damit sind diese nicht nur komplexer, sondem auch vielfaltiger, flexibler und lemfahiger als traditionell hierarchisch organisierte multinationale Untemehmen. Diese Rekonzeptualisiemng der multinationalen Untemehmung von einem statischen und stmkturalistischen Modell, in welchem die Muttergesellschaft die strategischen Entscheidungen trifft, zu einem eher dynamischen und prozessorientierten Ansatz ftihrte auch dazu, den Niederlassungen eine aktivere Rolle zuzusprechen. So verweisen Birkinshaw und Hood darauf, dass wichtige strategische Entscheidungen in multinationalen Untemehmen durchaus auch von den Niederlassungen selbst getroffen werden konnen (Birkinshaw/ Hood 1998; 2001). Die Kritik an den okonomistischen Ansatzen ft)kussiert im wesentlichen auf die ,rationalistische' Konzeptioniemng von Akteuren in multinationalen Unter-
Wichtige Vertreter sind z.B. Hedlund (1986, 1993); Kogut (1993); Gupta/ Govindarajan (2000, 2002).
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nehmen, die ihre Entscheidungen an eigeninteressierten, okonomischen KostenNutzen-Kalktilen ausrichten. Insbesondere vemachlassigen diese Ansatze die soziale Einbettung rationaler Entscheidungsprozesse, Irrationalitat und Unsicherheit in Organisationen sowie die soziale Konstruktion von Markten und unterschiedliche lokale Rationalitaten in den multinationalen Firmen.^ So kritisiert z.B. Scott (1998), dass die Theorie der Organisation sich lange Zeit hauptsachlich auf den Einfluss technischer und okonomischer Umwelten auf Unternehmenshandeln konzentriert hat und dabei die Bedeutung institutioneller Umwelten und ihrer symbolisch-kulturellen und kognitiven Effekte vemachlassigt hat. Kritik an universellen Konvergenzannahmen in der intemationalen Managementforschung und der Rolle von multinationalen Firmen in diesem Prozess liben vor allem sogenannte high-context-AnsaXzQ in der international vergleichenden Managementforschung (Child 2000). Im Unterschied zu universalistischen Theorien sind high-context-AnsditZQ eher historisch, empirisch und komparativ orientiert. Landervergleichende Studien widerlegen die Konvergenzannahme und betonen die kulturelle und institutionelle Vielfalt von Organisationsund Managementformen in unterschiedlichen nationalen Kontexten. So kamen z. B. Child und Kieser (1979) bereits vor mehr als 25 Jahren in einer britischdeutschen Vergleichsstudie zu dem Ergebnis, dass neben situativen Faktoren auch nationalkulturelle Faktoren Managementrollen und -strukturen in Firmen beeinflussen.
3.
Institutionalistische Erklarungen zur Transnationalisierung Unternehmensumwelten von multinationalen Unternehmungen
der
Es gibt eine wichtige Gemeinsamkeit, die institutionalistische mit okonomischen und kontingenztheoretischen, aber auch mit den oben kurz erwahnten kulturalistischen Ansatze teilen: Dass die Untemehmensumwelt eine entscheidende Rolle flir das Verstandnis von Managementprozessen in Organisationen spielt. Allerdings gibt es unterschiedliche Vorstellungen darliber, inwieweit die Umwelteinflusse eher universeller oder spezieller Natur sind. Wie wir gesehen
3
Eine sicher extreme Position dazu vertritt z.B. Rugman (2000), der wesentliche Eckpunkte der Diskussion zusammenfUhrt.
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haben, tendieren okonomisch und kontingenztheoretisch orientierte Forscher dazu, die universellen Einfltisse zu betonen. Kulturalistische Studien zeigen allerdings, dass kulturelle Normen und Werte nur bedingt universelle Giiltigkeit haben, und betonen ihre nationale Vielfalt. Eine transnationale Angleichung dieser unterschiedlichen Nationalkulturen wird hier skeptisch gesehen (vgl. Hofstede 2001, Hampden-Turner/ Trompenaars 1993; 2000). Diese Frage von Konvergenz und Divergenz spielt auch eine entscheidende Rolle in der Art und Weise, wie institutionalistische Theorien den Zusammenhang von Wandel der Untemehmensumwelten und Transnationalisierung von Organisation und Management in international operierenden Untenehmen thematisieren. Grundlegend fur das Verstandnis und die Anwendung institutionalistischer Ansatze in der organisationssoziologischen Literatur ist daher die Differenzierung zwischen europaischem und nord-amerikanischem Institutionalismus/ Wahrend Transnationalisierung im amerikanischen Institutionalismus als unabdinglicher Prozess durch global wirkende institutionelle Isomorphismen (Meyer 2000) erklart wird, verweist der europaische Institutionalismus darauf, dass nationalstaatlich verfasste Institutionengefuge weiterhin Einfluss darauf haben, wie multinationale Untemehmen konstituiert werden. Der zentrale Transmissionsmechanismus besteht in der Sicht des europaischen Institutionalismus in den Institutionen des jeweiligen national business systems, wie z.B. das jeweilige nationale Finanz- und Bankensystem oder das Bildungssystem. Internationale Vergleichstudien zeigen, dass nationale Unterschiede von betrieblichen Struktur- und Handlungsmustem nicht hinreichend durch die Aufgabenumwelt oder okonomische Logik des Marktes erklart werden konnen, sondem im wesentlichen durch ihre institutionelle Einbettung in sehr unterschiedliche societal contexts (Sorge 1991), industrial orders (Lane 1994) oder eben national business systems (Whitley 1997) bestimmt werden. Als solche ist diese Theoriefamilie nicht in erster Linie auf die multinationale Untemehmung als Untersuchungsobjekt fokussiert, erfahrt aber in jtingster Zeit gerade aus dieser Richtung verstarkte Aufmerksamkeit (Morgan et al. 2001). Im Gegensatz dazu betont jedoch der nord-amerikanische Institutionalismus, dass Organisationen im selben ,organisationalen Feld' (z.B. im industriellen Sektor) uber nationalstaatliche
Vgl. Tempel/ Walgenbach (2004). Djelic und Bensedrine (2001) unterscheiden z. B. in diesem Zusammenhang zwischen dem phanomenologischen, hauptsachlich in den USA entwickelten und dem in der europaischen Managementvergleichsforschung entwickelten historischkomparativen Institutionalismus.
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Grenzen hinweg ahnliche kulturelle Muster, Managementkonzepte und strukturen implementieren (Meyer/ Rowan 1977; DiMaggio/ Powell 1983). Damit wird z.B. die verstarkte globale Ausbreitung des shareholder value Denkens Oder der ISO-9000-Konzepte in weltweit operierenden Untemehmen erklart (vgl. Meyer 2000; Walgenbach 2000). Im Gegensatz zu okonomischen und kontingenztheoretischen Studien wird der Wandel von Untemehmensumwelt in nord-amerikanischen institutionalistischen Studien aber nicht so sehr an technologische und okonomische Effizienz gekoppelt. Vielmehr wird angenommen, dass Entscheidungsprozesse in Unternehmen gesellschaftlich durch kognitive, normative und regulative Umweltzwange konstituiert werden. Somit kniipfen die einschlagigen Studien nord-amerikanischer Institutionalisten, wenn auch nicht auf low-context- Niveau, an die universelle Logik oben diskutierter Theorien der multinationalen Untemehmung an. Wie wir im weiteren zeigen werden, haben die unterschiedlichen konzeptionellen Herangehensweisen beider institutionalistischer Ansatze signifikante Auswirkungen darauf, wie Transnationalisierung von multinationalen Firmen analysiert wird, ob z.B. die Herausbildung von global mindsets und das Management transnationaler Untemehmenskulturen im Vordergrund der Analyse stehen (wie in nord-amerikanischen phanomenologischen Studien) oder aber Ursachen und (oftmals positive) Effekte von institutioneller Vielfalt und lokaler Anpassung hervorgehoben werden (wie in den komparativen europaischen Studien).
3.1 Der europdische Institutionalismus Als der am weitesten entwickelte und theoretisch umfassendste Ansatz im europaischen Institutionalismus kann der national business systems-AnsdiXz von Richard Whitley angesehen werden (Whitley 1992; Whitley/ Kristensen 1996; Whitley 1997; Whitley/ Kristensen 1997; Quack/ Morgan/ Whitley 1999; Whitley 1999; Morgan/ Kristensen/ Whitley 2001). Den zentralen konzeptionellen Rahmen von Whitley zeigt Abbildung 1.
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Historisch gewachsenes Institutionengefuge eines Landes Poiitisches System
Finanzsystem
Beschaftigungs& Bildungssystem
Kulturelies System
"National Business System'' Charakteristika der Unternehmung ("nature of the firm")
Organisation marktiicher Prozesse
Koordination und Steuerungssysteme
Abbirdiing 1 : Grundelemente des ^National Business Systems"
Ausgangspunkt des theoretischen Bezugsrahmens im nationaUbusiness-systemsAnsatz sind die Schllisselcharakteristika eines historisch gewachsenen Institutionengefuges eines Landes, i.d.R. synonym mit einem Nationalstaat. Hier unterscheidet Whitley vier Kemelemente: •
Das politische System
Als besonders bedeutsam wird in der Literatur der Aspekt herausgestellt, inwieweit der Staat Wirtschaftsprozesse steuert und bereit ist, Risiken mit privaten Akteuren zu teilen. Eine starke Auspragung dieser Neigung, beispielhaft sei Japan erwahnt, beeinflusst das entsprechende national business system erheblich. Dazu zahlt auch die Rolle, die Wirtschaftsverbanden, Gewerkschaften und Interessengruppen eingeraumt wird. Und schlieBlich hat das politische System bedeutenden Einfluss darauf, in welchem AusmaB ein Staat Markte reguliert und kontrolliert.
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•
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Das Finanzsystem
Das bestimmende Charakteristikum des Finanzsystems im jeweiligen national business system besteht in der Frage, ob es eher auf Kapitalmarkt- oder Kreditfmanzierung beruht. Wahrend anglo-amerikanische Lander dem Kapitalmarkt eine zentrale Rolle einraumen, bestimmt in Kontinentaleuropa vielfach Kreditfinanzierung den Markt, woraus sich gravierende Konsequenzen fur das national business system ergeben. •
Beschaftigungs- und Bildungspolitik {labour system)
Eine Schliisselrolle in den Vergleichstudien spielt der Einfluss des nationalen Ausbildungs- und Weiterbildungssystems auf die Differenzierung von Spezialabteilungen und Leitungshierarchien, Technikeinsatz sowie die Auspragung bestimmter Managementrollen und der Einfluss von Facharbeitem bzw. Unund Angelemten im betrieblichen Handlungskontext. Dariiber hinaus ist insbesondere das System der industriellen Beziehungen und die Unabhangigkeit, Starke und der Organisationsgrad der Sozialpartner zu beachten. In diesem Zusammenhang hebt die Literatur auch die formelle Regulierung der Arbeitsmarkte und den Zentralisierungsgrad von Tarifabkommen als wesentlichen Faktor hervor. •
Kulturelles System
In diesem Bereich berticksichtigt der national-business-systems-Ansditz einige Elemente, die auch fur kulturalistische Theorien, z.B. bei Hampden-Turner und Trompenaars (1993) und Hofstede (2001), zentral sind. Allerdings liegt der Fokus hier auf der Frage, inwieweit sich kulturelle Werte und Normen in Institutionen manifestieren. So spielt z.B. die Verlasslichkeit von Institutionen, die die Herausbildung von Vertrauensbeziehungen zwischen verschiedenen Managementfunktionen und Beschaftigungsgruppen (z.B. zwischen Managem und Arbeitem) bestimmt, eine zentrale Rolle. Ferner erweist sich die Institutionalisierung von Autoritatsbeziehungen als entscheidend. Diese konnen entweder eher patemalistisch oder gemeinschaftsbezogen sein. Abhangig von den institutionellen Rahmenbedingungen einer Volkswirtschaft bildet sich dann ein konkretes national business system heraus. Aus soziologischer Sicht lassen sich, folgt man Whitley (1997; 1999), im wesentlichen drei Kemelemente eines national business systems identifizieren.
Globale Isomorphismen, national business systems und ,transnationale soziale Raume'
(1)
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Charakteristika der Untemehmung {the nature of the firm)
Der institutionelle Rahmen einer Volkswirtschaft bestimmt die wesentlichen Strukturmerkmale der Untemehmung. Wichtige Elemente sind unter anderem: • • • •
(2)
der Grad, in dem private untemehmerische Hierarchien okonomische Prozesse steuem die Freiheitsgrade, die die Eigentlimer den Managem des Untemehmens einraumen die Spezialisierung von Fuhrungsaufgaben der Einfluss von Wachstumsprozessen auf radikale Veranderungen in Kemkompetenzen und Untemehmensaufgaben Organisation marktlicher Prozesse
Institutionelle Rahmenbedingungen verleihen Markten und ihrer Organisation spezifisches Profil. Dazu zahlen insbesondere folgende Aspekte: • • • • (3)
das AusmaB von langfristigen Kooperationsbeziehungen zwischen Firmen in einem Sektor die Bedeutung von Intermediaren in der Vermittlung und Koordination von Markttransaktionen die Stabilitat, Integration und Reichweite von Wirtschafts- und Interes senverbanden die Abhangigkeit von Kooperationsbeziehungen von personlichen Bindun gen und Vertrauen Koordinations- und Steuerungssysteme
Institutionen bestimmen schlieBlich die Art und Weise, in der Wirtschaftsprozesse von privaten Akteuren koordiniert und gesteuert werden. Wesentliche Charakteristika sind hier: • • • •
Integration und Interdependenz von okonomischen Prozessen Anonymitat von Autoritats- und Abhangigkeitsbeziehungen Aufgaben, Ausbildungs- und Rollenspezialisierung und Individualisierung Differenzierung von Autoritatsrollen und Fiihrungsfahigkeiten
96
• • •
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Dezentralisierung von operativer Kontrolle und das Niveau von Autonomic am Arbeitsplatz Distanz zu Vorgesetzten AusmaB der Verantwortung des Managements gegeniiber den Beschaftigten
Der Beitrag des europaischen Institutionalismus fur die Erforschung international operierender Untemehmen ist bedeutend. In seiner jtingeren Geschichte hat er insbesondere dadurch Auftrieb erhalten, dass nach Beendigung der meisten (sozialistischen) Planwirtschaftsmodelle bei gleichzeitiger Intensitat von Globalisierungsprozessen sich verstarkt das Bewusstsein dafur durchsetzt, dass innerhalb des kapitalistischen Wirtschaftsmodells erhebliche Unterschiede und teils geradezu ,divergente' Kapitalismusentwiirfe^ vorliegen. Schwerpunkte der Forschung liegen klar in der vergleichenden Erforschung untcmehmerischen Handebis in verschiedenen kapitaHstischen Wirtschaftssystemen. Einen Hauptansatzpunkt bilden hierbei Vergleiche innerhalb Europas. Dabei hat sich cine Vielzahl von Forschem, alien voran die Aix-Group in Aix-en-Provence um Marc Maurice und Amdt Sorge, der Frage gewidmet, wie auf relativ engem Raum in Europa vergleichsweise sehr unterschiedliche Industriestrukturen und Fiihrungsparadigmen entwickelt werden konnten/ Da die business systems von GroBbritannien und Deutschland in bestimmter Hinsicht auf einem Kontinuum am weitesten auseinander liegen, smd wesentlich Meilensteine der Forschung gerade in Vergleichsstudien zwischen diesen beiden Landem gesetzt worden (vgl. u.a. Child/ Kieser 1979; Maurice 1980; Sorge/ Warner 1986; Lane 1992; 1994; 2000; 2001; Geppert et al. 2002).
3,2 Der nord-amerikanische Institutionalismus Im Gegensatz zum europaischen Institutionalismus, der vor allem die Verschiedenartigkeit der institutionellen Umwelten und ihren Einfluss auf Untemehmenshandeln betont, liegt der Fokus der Vertreter des nord-amerikanischen Institutionalismus auf der Homogenisierung von institutionellen Umwelten uber nationale Grenzen hinweg (vgl. die oben kritisierten universellen und oft okonomistischen Ansatze in der intemationalen Managementforschung). In Anleh-
5 6
So der Titel des Standardwerkes zum national business systems Ansatz von Whitley (1999). Vgl. als jungeren Uberblick Maurice/ Sorge 2000.
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nung an Pionierarbeiten in der Organisationstheorie von Weber liber Selznick, Parsons bis hin zu Berger und Luckmann wird davon ausgegangen, dass regulative, normative und kognitive Mechanismen dafur sorgen, dass Organisationen rationalized organizational practices bzw. best practices iibemehmen. Dies geschieht nicht, weil diese effizienter, profitabler oder transaktionskostenoptimal waren, sondem weil sie in bestimmten institutionellen Umwelten als legitim angesehen werden (Scott 1998). Im Zentrum der Uberlegungen steht hierbei nicht mehr das Institutionengefuge eines bestimmten, konkret eingrenzbaren Nationalstaates, sondem die institutionelle Umwelt der Organisation - das organizational field, D.h. in den Worten von zwei fuhrenden Vertretem dieses Ansatzes: „those organiztions that, in the aggregate, constitute a recognized area of institutional life: key suppliers, resource and product consumers, regulatory agencies, and other organizations that produce similar services and products" (DiMaggio/ Powell 1983: 64-65).
Die Idee der Legitimitat von Handeln in bestimmten organizational fields, wie z.B. industriellen Sektoren, ist damit nicht mehr national definiert, sondem wird als global oder transnational begriffen und knUpft damit direkt an die aktuelle Diskussion um die Rolle von multinationalen Untemehmen in diesem Prozess an. Bin wichtiges theoretisches Konstmkt zur Erklarung der weltweiten Annahemng von Organisationen, welche im selben organizational field operieren, ist die Idee des Isomorphismus. Unterschieden werden dabei drei Formen (DiMaggio/Powell 1983): • Coercive isomorphism resultiert aus politischem Druck und der Abhangigkeit von Organisationen von anderen Organisationen, insbesondere weil Unternehmen ihre Entscheidungen gegeniiber intemen (z.B. den Beschaftigten) und extemen (z.B. Investoren, Zulieferem oder Regiemngsbehorden) stakeholdern legitimieren miissen. Bei Nichteinhaltung rechtlicher oder gar informaler Vereinbamngen drohen Sanktionen und Ansehensverlust. • Mimetic processes werden als der Hauptgmnd angesehen, wamm es weltweit zur Verbreitung von Managementmoden, best practices und der Einfuhmng immer ahnlicherer Organisationsstmkturen und -prozesse kommt. Es wird angenommen, dass immer komplexer werdende Technologien, Zielambiguitat und Umweltunsicherheiten Manager in Organisationen dazu ermuntem, erfolg-
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reiche Untemehmen zu kopieren, um selbst erfolgreich zu erscheinen und die Legitimitat ihres Handelns zu erhohen. • Normative pressures werden vor allem darin gesehen, dass modeme kapitalistische Staaten immer professionalisierter werden, was mit einem Bedeutungszuwachs von bestimmten Bemfsgmppen und -verbanden einhergeht, z.B. von Accountants im angelsachsischen Kontext. Vor allem zwei Aspekte der Professionalisierung werden hervorgehoben: Zum ersten die zunehmende Bedeutung formaler Bildungsabschltisse, insbesondere von Abitur und Hochschulabschliissen, um (iberhaupt bestimmte Karrierechancen in Untemehmen zu haben bzw. auf bestimmte Managementpositionen zu gelangen. Zum anderen sind professionelle Netzwerke, wie Berufs-, Bildungs- oder Industrieverbande, liber Landesgrenzen hinweg immer machtiger und einflussreicher. Beide Aspekte sind jedoch auf vielfaltige Art und Weise miteinander verquickt. So wird insbesondere im angelsachsischen Sprachraum, aber zunehmend auch in Europa und im asiatischen Raum, darauf Wert gelegt, dass Manager in bestimmten Funktionen MBA-Abschlusse haben. Dies wird gerade in international operierenden Firmen als immer wichtiger angesehen und fuhrt wiederum dazu, dass Manager mit ahnlichen Ideen und cultural mindsets von den Business Schools in die Unternehmen kommen. Anders als von Hofstede und den europaischen Institutionalisten postuliert, besteht in dieser Sicht das Resultat solcher isomorpher Prozesse eben nicht in kultureller und institutioneller Vielfalt nationaler und lokaler Rationalitaten, sondem in zunehmender Homogenitat. In Bezug auf die Thematik dieses Beitrages und ausgehend von den Grundannahmen des nord-amerikanischen Institutionalismus stellt sich nun erstens die Frage, ob und inwieweit international operierende Untemehmen noch von nationalen Institutionen beeinflusst werden, d.h. einerseits von der institutionellen Einbettung in ihrem Herkunftsland und andererseits durch die verschiedenartigen nationalen Institutionengefuge in den Landem, in denen sie Niederlassungen haben. Zweitens ware zu fragen, inwieweit die drei Formen des Isomorphismus die Herausbildung kulturell homogener transnationaler Managementrollen und Organisationsformen in multinationalen Untemehmen befordem. Auf beide Fragen wird im folgenden Abschnitt naher eingegangen.
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Lokale und globale Isomorphismen, national business systems und die Transnationalisierung der multinationalen Unternehmung
4.1 Relativierung des , evolutiondren Paradigmas' vor dem Hintergrund institutionalistischer Theorien Es gibt vielfaltige Ansatze, insbesondere in der US-amerikanischen intemationalen Managementforschung, die die ,evolutionare Theorie' mit Kemideen des nord-amerikanischen Institutionalismus anzureichem versuchen; vgl. z.B. Ghoshal/ Bartlett (1993) und Nohria/ Ghoshal (1997). So zeigen z.B. letztere Autoren auf, dass „value creation" und Innovation, insbesondere in multinationalen Untemehmen, die in relativ dynamischen globalen Umwelten operieren, nicht mehr von den Konzemzentralen gesteuert werden kann. Nohria und Ghoshal Studie macht deutlich, dass klassische hierarchische Koordinations- und Steuerungsmechanismen in innovativen international operierenden Firmen zunehmend von netzwerkartigen Beziehungen, sowohl der Konzemzentrale zu ihren Niederlassungen als zwischen einzelnen Niederlassungen selbst, abgelost werden. Neben der Betonung der Dynamik der Aufgabenumwelt wird hier nun auch der institutionellen Umwelt eine wichtige Rolle eingeraumt. Zwar wird in diesem Zusammenhang auch erwahnt, dass spezifische lokale Isomorphismen und Legitimationsprobleme weiterhin zu Anpassungen in den auslandischen Niederlassungen an die Umweltbedingungen in den Gastlander fiihren. Allerdings wird von den Autoren insbesondere die Wirkungsweise globaler Isomorphismen herausgestellt. In Bezug auf DiMaggio und Powell's Isomorphismus-Idee (1983) und der These von der Welt als ^global village" (Levitt 1983) wird hervorgehoben, dass mimetische und normative isomorphe Mechanismen in differenzierten Netzwerken starker zur Geltung kommen. Es wird hierbei angenommen, dass dezentrale netzwerkartige Strukturen inner- und interorganisatorische Lemprozesse besonders befbrdem, was dann wiederum zur Angleichung (Konvergenz) verschiedenartiger Wahmehmungs- und Denkmuster uber Lander- und Untemehmensgrenzen hinweg fuhrt (Nohria/ Ghoshal, 1997). Die beschriebenen Versuche, vor allem von Hauptvertretem dieser Forschungsrichtung, einige der Grundaussagen des nord-amerikanischen Institutionalismus zu integrieren, haben jedoch die Kemthesen des ,evolutionaren Modells' (insbesondere den normative bias) nicht grundsatzlich in Frage gestellt. Danach nahem sich international operierende Firmen mit steigendem Grad der Globalisierung ihrer Geschaftstatigkeiten zunehmend einem ,transnationalen Modeir an. Dieses erscheint nicht nur als die beste Losung fxir das Dilemma
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von multinationalen Untemehmen, gleichzeitig global zu integrieren und dennoch lokal angepasst zu bleiben, sondem auch als der (neue) one best way, um weltweites Lemen und Innovationen iiber nationale Landergrenzen hinweg zu befbrdem (Bartlett/ Ghoshal 1997; Macharzina et al. 2001). Interessanterweise haben sich die Integrationsversuche der ,evolutionaren Theorien' der multinationalen Untemehmung mit institutionalistischen Theorien bisher ausschlieBlich auf den nord-amerikanischen Institutionalismus beschrankt. Eine Rezeption des europaischen Institutionalismus in der US-amerikanischen Debatte zu multinationalen Untemehmen hat bisher faktisch nicht stattgefiinden. Darauf wird noch zuriickzukommen sein. Aus institutioneller Perspektive ergeben sich neben der eingangs diskutierten generellen Kritik an den Konvergenzannahmen universeller und kontingenztheoretischer Theorien insbesondere folgende Probleme, welche die Erklarungsmacht des iiber 30 Jahre in der intemationalen Managementforschung dominanten ,evolutionaren Modells' erheblich verringem: • Die ,evolutionare' Logik, die ja mehr oder weniger direkt auf die transnationale Untemehmung als neuem one best way hinauslaufl, versperrt den Weg ftir eine differenziertere Betrachtung der multinationalen Untemehmung - insbesondere darauf, wamm es jenseits technologischer und okonomischer Zwange durchaus Sinn fur international operierende Firmen macht, nicht oder nur in eine geringe Anzahl von Landem zu expandieren (Westney/ Zaheer 2001) bzw. in einem der ,friih-evolutionaren' Stadien zu verharren."^ • Auch wenn US-amerikanische Firmen am weitaus haufigsten unter den am meisten globalisierten Untemehmungen zu fmden sind, gibt es eine wachsende Zahl von international erfolgreich operierenden Fumen aus unterschiedlichen Herkunftslandem, die nicht unbedingt dem ,evolutionaren Modell' vom multinationalen (iiber das globale und Internationale) zum transnationalen Stadium folgen.^
Diese Frage wird in der international vergleichenden Studie von Geppert et al. (2003) naher beleuchtet. Vgl. Westney/ Zaheer (2001). Dies bestatigt z.B. auch ein in der Financial Times publizierter Report: Unter den ersten 10 der 500 (nach Marktkapitalisierung) am meisten globalisierten Firmen kommen 9 aus den USA. Unter den ersten 20 sind es 14 US Firmen und unter den ersten 50 immerhin noch 33. Der Report zeigt allerdings deutlich, dass neben den drop outs vor allem durch den Kurssturz in den Aktienmarkten multinationale Untemehmen aus neuen Herkunfts-
Globale Isomorphismen, national business systems und ,transnationale soziale Raume'
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• Der Starke ..unilateral, monotonic bias towards international expansion'' (Westney/ Zaheer 2001: 369) ,evolutionarer Ansatze' der multinationalen Untemehmung verhindert auch eine differenziertere Betrachtung institutioneller Vielfalt der Einfltisse und Rationalitaten z.B. durch das national business system des Gastlandes der Niederlassungen (Geppert/ Williams/ Matten 2003). Auf die letzten beiden Aspekte wollen wir nun im Weiteren detaillierter eingehen. Wie zu zeigen sein wird, werden sowohl home country als auch host country ejfects in beiden institutionalistischen Ansatzen diskutiert. Der groBe Unterschied jedoch ist, dass der europaische Institutionalismus historisch durch international vergleichende Studien gewachsen ist und auf eher qualitativen Forschungsmethoden basiert. Der nord-amerikanische Institutionalismus bezieht sich jedoch weitgehend auf quantitative Analysen von Populationen von Organisationen {organizational forms) und beschrankt sich auf einen Nationalstaat, meistens die USA (Rosenzweig/ Singh 1991; Tempel/ Walgenbach 2004). Wie wir im weiteren sehen werden, hatte diese Herangehensweise der Theoriekonstruktion eine einschrankende Wirkung auf die Erforschung der Organisation international operierender Firmen und damit auch auf das Verstandnis der Rolle der institutionellen Bedingungen des Herkunftslandes und der Gastlander.^
4.2 Der Einfluss des Heimatlandes auf die Art und Weise der Transnationalisierung von multinationalen Unternehmen Wie wir gesehen haben, wird der Rolle des Heimatlandes, insbesondere von ,evolutionaren Theorien' in den hoheren (,intemationalen' und ,transnationalen') Stadien der Entwicklung der multinationalen Untemehmung eine zunehmend verschwindende Bedeutung zugewiesen. Bartlett und Ghoshal (1989) verweisen zwar auf die bleibende Bedeutung des administrative heritage im multinationalen Unternehmen, konzentrieren sich aber in ihrer Analyse mehr auf die Frage, warum und wie Manager in global agierenden Firmen neben transnationalen Strukturen, Untemehmensprozesse und eine globale Kultur
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landem Eingang in die Liste der 500 Global fanden. Hier ware z.B. Russland zu nennen, dass erst 1998 in die Liste aufgenommen wurde (vgl. Financial Times 2003). Siehe auch Tempel und Walgenbach (2004), die eine gute Ubersicht der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Institutionalismen geben.
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(bzw. global mentality) entwickeln miissen (Bartlett/ Ghoshal 1989: 35-55). Diese Diskussion wird von nord-amerikanischen Institutionalisten dahingehend aufgegriffen, dass Strategien von multinationalen Untemehmen auf die kulturelle bzw. die institutionelle Distanz zwischen Herkunfts- und Gastland zuriickzufuhren sind. Das erste Konstrukt geht dabei mit Hofstede davon aus, dass insbesondere die Toleranz fur Unsicherheit zwischen Nationalstaaten erheblich differiert und damit die Art und Weise, ob und wie die Mutteruntemehmen ihre Niederlassungen integrieren bzw. kontroUieren. Es wird angenommen, dass vor allem formale Kontroll- und Koordinationsformen positiv mit kultureller Distanz korrelieren (Rosenzweig/ Singh 1991). Neuere Studien haben diese Idee verfeinert und verweisen darauf, dass nicht allein kulturelle Unterschiede zwischen Herkunftsland und Gastland der multinationalen Untemehmung dartiber entscheiden, welche strategischen Entscheidungen getroffen werden. Es ist vielmehr auch wichtig, ob die Strategien in der Niederlassung als legitim anerkannt werden. Die Frage der institutionellen Distanz wird somit an den institutionellen Unterschieden (insbesondere im Rechtssystem) des Gastlandes zum Herkunftsland der multinationalen Untemehmung festgemacht bzw. ganz im Stile ,evolutionarer Theorien' mit strukturellen Kontingenzen der multinationalen Firma in Bezug auf ihre Aufgabenumwelt (wie z.B. Industriestruktur, Organisationsstruktur, Eigentumsverhaltnisse etc.) erklart (Xu/ Shenkar 2002). Dabei werden zwei Arten institutioneller Umwelten unterschieden: 1. die institutionelle Umwelt des Gastlandes und 2. das strukturelle Design des multinationalen Untemehmens, welches als institutional field interpretiert wird (Rosenzweig/ Smgh 1991; Westney 1993). Damit wird eine neue Antwort auf das alte Dilemma international operierender Firmen gegeben. Die richtige Mischung zwischen globaler Integration und lokaler Anpassung kann eben nicht allem mit okonomischen und technischen Zwangen erklart werden. Sie ist dartiber hinaus davon abhangig, wie Manager in multinationalen Unternehmen die Legitimitat ihrer Handlungen intern, also gegentiber anderen Abteilungen und Niederlassungen und extern, also gegentiber den relevanten stakeholders im Gastland, herstellen. Im Gegensatz zum europaischen Institutionalismus wird das Institutionengeftige des Herkunftslandes als gegeben angesehen. Diskutiert wird lediglich die institutionelle Distanz des strategischen Ansatzes der Muttergesellschaft im Verhaltnis zum Gastland. Hierbei werden sowohl regulative, normative als auch kognitive Elemente institutioneller Einfllisse berUcksichtigt. In diesem Sinne wird angenommen, dass multinationale Untemehmen (Xu/ Shenkar 2002):
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• in global industries eher in ahnlichen institutionellen Umwelten, mit ahnlichen normativen und kognitiven institutionellen Mechanismen, investieren. Multinationalen Untemehmen in multidomestic industries engagieren sich dagegen in institutionell verschiedenen Umwelten. • mit groBerer institutioneller und struktureller Vielfalt dazu tendieren, toleranter gegeniiber verschiedenen Normen und Regeln in ihren auslandischen Niederlassungen zu sein. Daher existiert auch eher eine Bereitschaft, dort zu investieren. Homogene multinationale Untemehmen operieren eher in ihren Heimatlandem ahnlichen Kontexten. • dort, wo die normative und kognitive institutionelle Distanz zum Gastland groB ist, eher zu sogenannten greenfield investments neigen. Akquisitionen finden statt, wo diese Distanz eher klein ist. • eher dazu bereit sind, eine Mehrheit bzw. die voile Eigenttimerschaft in einem Joint Venture zu tibemehmen, wenn die regulative und normative institutionelle Distanz gering ist. Auch die multinationale Untemehmung selbst wird in dieser Familie von institutionellen Ansatzen als institutionelles Feld thematisiert und damit, abhangig von bestimmten Konstellationen kultureller oder institutioneller Distanz, als mehr oder weniger global ausgerichtet gesehen. Dieser spezifische Fokus des nord-amerikanischen Institutionalismus ist jedoch auch problematisch, wie vor allem Femer und Quintanilla (1998) in Bezug auf den Einfluss des Herkunftslandes deutlich machen. Insbesondere wird die a-historische und die statische Thematisierung von nationalen institutionellen Bedingungen kritisiert, welche sich, wie schon angemerkt wurde, einseitig auf die nationalen Unterschiede im Gastland konzentriert, aber die Heimatlandeinfltisse eher unberiicksichtigt lasst. Sie kommen daher zu folgendem SchluB: „it seems ironic that writers using an „institutionalist perpective to analyse MNCs should not focus more on institutional differences between countries" (Femer/ Quintanilla 1998: 714).
Im Unterschied zum nord-amerikanischen Institutionalismus ist dieses Thema eine zentrale und traditionell wichtige Fragestellung im europaischen Institutionalismus (Harzing/ Noorderhaven 2003). Daflir gibt es vielfaltige Griinde. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Analyseebene, die eben beim europaischen Insti-
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tutionalismus explizit auf den Nationalstaat und das Institutionengefiige des national business systems bezogen ist und nicht auf organizational fields, wie bestimmte industrielle Sektoren. Hier liegt das Verdienst des europaischen Institutionalismus. Ausgehend von der Grundannahme, dass es keinen one best way der Organisation okonomischer Aktivitaten gibt, wird die Existenz eines einheitlichen Funktionsmechanismus fur kapitalistische Institutionen, wie er im nordamerikanischen Institutionalismus durchscheint, bestritten. Eine Kemfrage ist daher, inwieweit international operierende Firmen von den Wettbewerbsvorteilen des national business systems des Heimatlandes profitieren. Diese Frage bekommt vor dem Hintergrund der Dominanz des ,evolutionaren Models' in der intemationalen Managementforschung, wobei die ,transnationale Losung' als best practice oder der neue one best way propagiert wird, besondere Brisanz. Insofem kann das Aufzeigen von country of origin effects auch als Versuch begriffen werden, nicht nur die institutionellen Einfltisse des Herkunftslandes aufzuzeigen. Vielmehr sind multinationale Untemehmen niemals vollig integriert oder kulturell homogen, sondem existieren eher als ein Geflecht verschiedener ,kontextueller Rationalitaten' (Morgan 2001). Die Diskussion uber den verbleibenden Einfluss nationaler Rationalitaten verweist auch auf verstarkte Spannungen und Konflikte. Diese werden insbesondere dann virulent, wenn Firmen intemationalisiert werden - ein Prozess, den Femer und Quintanilla mit ^^nglo-Saxonization'' (Femer/ Quintanilla 1998) bezeichnet haben. Studien, die den verbleibenden Einfluss des national business systems des Herkunftslandes trotz Tendenzen der Anglo-Saxonization betonen, beschaftigen sich vor allem mit den folgenden Problemkomplexen: Internationale Akquisitionen (Child et al. 2001), Human-Resource-Management-Praktiken (HRM) (Femer 1997; Edwards/ Femer 2001; Gunnigle et al. 2002), Kontrolle und Koordination (BeckerRitterspach et al. 2002; Femer 2000; Harzing/ Sorge 2003) und Wandel von Arbeitssystemen (Sorge 1995; Geppert et al. 2003; Geppert et al. 2003). Wir wollen uns hier exemplarisch auf den letzten Aspekt konzentrieren und werden dabei hauptsachlich auf die aktuellen Ergebnisse der eingangs erwahnten intemational vergleichenden Studie Uber Verandemng von Arbeitssystemen in multinationalen Untemehmen zurtickgreifen. Die Studie vergleicht, wie ein deutscher, ein finnischer und ein US-amerikanischer Konzem in derselben industriellen Branche ihre Arbeitssysteme weltweit reorganisieren. Die Unterschiede im Wandel von Arbeitsystemen warden konkret anhand von Organisationsstruktur, Entscheidungsprozessen sowie Technik- und Personaleinsatz komparativ untersucht. Besonderes Augenmerk wurde der Beziehung der Muttergesellschaften zu ihren Niederlassungen geschenkt.
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Transnationalisierungseffekte waren in den Arbeitsystemen von alien drei untersuchten multinationalen Gruppen anzutreffen. So fanden wir z.B. die zunehmende Bedeutung finanzieller Aspekte im Managementdiskurs (Geppert 2003), die in alien drei multinationalen Firmen zu einer verstarkten Orientierung auf die Bereiche Marketing, Service & Instandhaltung fuhrten. Im Vergleich zur Fertigung erwies sich der Ausbau dieser Untemehmensfunktionen in oftmals kostenfixierten Reorganisationsprozessen als kurzfristig effektives Mittel zur Ertragssteigerung. Hier fanden wir also durchaus Bezugspunkte zu normativen und kognitiven Elementen des nord-amerikanischen Institutionalismus. Auch wenn nicht alle Untemehmen denselben regulativen finanziellen Zwangen des Aktienmarktes unterliegen, konnten wir schon beobachten, dass shareholder value Konzepte im Denken leitender Manager eine wachsende Rolle spielen, allerdings in unterschiedlichem Umfang. Allerdings fmden wir auch institutionell vermittelte nationale Unterschiede in den Konzernstrategien. Diese sind u. E. ein wichtiges Indiz des bleibenden Einflusses des Herkunftslandes auf die globalen und lokalen Strategien zur Restrukturierung der Arbeitssysteme. Im Falle des deutschen Konzems besteht auch weiterhin eine Tendenz zu Produktionssystemen, die Sorge und Streeck als diversifizierte Qualitatsproduktion (im folgenden DQP) defmiert haben (Sorge/ Streeck 1988). Einhergehend mit einer Ansiedlung der Produktpalette im oberen Marktsegment waren die wertschopfiingsintensiven Arbeitsvorgange enger miteinander verzahnt, als das in den beiden Vergleichsfirmen der Fall war. Aufgrund der hohen Kundenorientierung war des weiteren eine intensive Kooperation zwischen F&E und Fertigung zu beobachten. Das Arbeitssystem spiegelt wichtige Elemente des deutschen business systems wider, wie z.B. langfristige strategische Orientierung, hoher Stellenwert beruflicher Bildung, formale Ausund Weiterbildung und verbriefte Rechte von Arbeitnehmem. Diese Elemente ermoglichen die kontinuierliche Verbesserung sowohl von Arbeitsprozessen als auch von Produkten und Produktionsprogrammen. Im Gegensatz dazu setzte die US-amerikanische Firma auf globale Standardisierung von Strukturen, Prozessen und Produkten sowie die weltweite Rationalisierung der Produktion. Diese Befunde decken sich mit den Ergebnissen einer anderen komparativen Studie. Darin kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass US Firmen dazu tendieren, ihre HRM-Praktiken stark zu standardisieren und weniger dazu bereit sind, diese an lokale Bedingungen anzupassen (Gunnigle et al. 2002). Diese Strategic spiegelt natiirlich auch die eingangs beschriebenen Tendenzen der Anglo-Saxonization wider, allerdings auf sehr USamerikanische Art und Weise. Da der amerikanische Konzem als einziger der
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untersuchten Untemehmen an der New Yorker Borse gelistet ist, schlagt die kurzfristige Finanzorientierung am starksten durch. Daneben sind auch Zielvereinbarungen im Management, Budgetierung und Entlohnungssysteme typisch amerikanisch auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet. Die Strategie des fmnischen multinationalen Untemehmens hat viele Ahnlichkeiten mit der US-amerikanischen. Die Strategien beider multinationalen Untemehmen sind im Sinne von Porter auf Kostenfuhrerschaft ausgerichtet, wobei der deutsche Konzern, im Vergleich dazu, klar eine qualitatsfokussierte Differenzierungsstrategie verfolgt (Porter 1980). Die Anglo-Saxonization der fmnischen Firma kann u. E. aus den tiefgreifenden Veranderungen im fmnischen business system erklart werden (Lilja et al. 1992). Wie Tainio und Koautoren zeigen, hat die verstarkte Offiiung des Landes fur Internationale Investoren und damit auch die Bedeutung von shareholder value zu einer Amerikanisierung vieler fmnischer multinational operierender Firmen gefuhrt (Tainio et al. 2001). Allerdings zeigen sich auch hier Elemente des bleibenden Einflusses des national business systems, z.B. die starke Technologieorientierung der Firma (sie ist Technologiefiihrer im Fahrstuhlbereich) und die enge Einbindung fmnischer Manager in die interorganisationalen Netzwerke des Herkunftslandes. Insbesondere zeigt das finnische Beispiel, dass es sinnvoll ist, beide institutionalistischen Ansatze miteinander zu verbinden, um insbesondere den Wandel von national business systems za erklaren, ein Aspekt, mit dem sich die europaisch orientierte komparative Forschung bisher eher schwer getan hat (vgl. Tempel und Walgenbach 2004). Darliber hinaus zeigt dieses Beispiel auch, dass national business systems in kleineren Nationalokonomien starker globalen Isomorphismen ausgesetzt sind. Im Vergleich zu Deutschland sind die Transnationalisierungseffekte in den Untemehmen in Finnland unmittelbarer und direkter. Zwar gibt es in Deutschland naturlich auch Prozesse des institutionellen Wandels (vgl. Hassel und Williamson 2004). Es kann allerdings angenommen werden, dass die unmittelbaren Effekte auf die deutschen Untemehmen erstens schwacher und zweitens komplexer sind. D.h. aufgmnd der foderalen Stmktur der Bundesrepublik und natiirlich auch durch die Wiederveremigung kann nicht nur eine Ungleichzeitigkeit institutionellen Wandels konstatiert werden, z.B. in den einzelnen Landem und in Ost- und Westdeutschland, sondem auch eine Verlangsamung institutioneller Reformen. DarUber hinaus kann z.B. aufgmnd der GroBe der deutschen Nationalokonomie angenommen werden, dass sich die Transnationalisiemngsprozesse in den Untemehmen industriesektorspezifisch unterschiedlich verteilen, ein Aspekt, der z.B. auch von Schmidt und Williams (2002) hervorgehoben
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wird. Im Vergleich zu kleineren national business systems, wie z.B. dem finnischen, beobachten wir auch in Deutschland eine Anglo-Saxonization etablierter Institutionen, z.B. in der Untemehmensfinanzierung und auch im System der industriellen Beziehungen. Allerdings verlauft dieser Prozess weniger radikal und komplexer. So sind die schwindende Macht der Gewerkschaften und die Verbetrieblichung der Tari^olitik auf der einen Seite klare Anzeichen des Wandels etablierter gesellschaftlicher Institutionen (Hassel und Williamson 2004). Im nun folgenden Abschnitt werden wir sehen, dass insbesondere die betrieblichen Mitbestimmungsrechte lokaler Manager und Arbeitnehmer in den deutschen Niederlassungen mehr Verhandlungsspielraum bieten, Einfluss auf den Verlauf des Transnationalisierungsprozesses zu nehmen, als das z.B. in britischen Niederlassungen der Fall ist (vgl. Williams und Geppert 2006). Das ist ein klares Indiz dafur, dass die Paradoxien und dialektische Dimension institutionellen Wandels auf gesellschaftlicher Ebene eben nicht zwangslaufig zu einer Schwachung etablierter institutioneller Arrangements auf betrieblicher Ebene flihren muss (vgl. auch Sorge 2005).
4.3 Der Einfluss des Gastlandes auf die Macht und Autonomie der Niederlassungen im Transnationalisierungsprozess von multinationnalen Unternehmen Das Interesse an der Rolle der Niederlassungen ist vor allem durch die Kritik an den filihen, eher hierarchisch orientierten, Herangehensweisen ,evolutionarer' Ansatze entstanden. Sowohl die weitere Entwicklung dieses Ansatzes durch Hedlunds heterarchy-KonsXxvikX (1986), als auch die Diskussion von multinationalen Unternehmen als ,differenzierte Netzwerke' von Nohria und Goshal (1997) haben dazu gefuhrt, dass die vormals eher als passiv defmierte Rolle von Niederlassungen hinterfragt - und insbesondere durch die Forschungen von Birkinshaw und Koautoren (Birkinshaw/ Fry 1998; Birkinshaw/ Hood 2001) neu definiert wurde. In verschiedenen Beitragen wird hier zunSchst an die Ideen der ,evolutionaren Theorie' angekntipft. Allerdings geht die Diskussion um ..subsidiary evolution" dartiber hinaus (Birkinshaw/ Hood 1998). Es wird gezeigt, dass Niederlassungen nicht nur Autonomie brauchen, um innovativ zu sein oder gar .entrepreneurship^ TAX entwickeln. Darauf aufbauend wird darni weiter diskutiert, wie Niederlassungen diese durch ..charter enhancement' erringen konnen. So wird gezeigt, dass die Autonomie von Niederlassungen
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wachst und damit auch ihre Innovationsfahigkeit sowie untemehmerisches Handeln im Management. Voraussetzung dafur ist, dass die Niederlassung Kemkompetenzen hat, die sie gegeniiber anderen Untemehmenseinheiten wettbewerbsfahiger macht. AuBerdem ist das Vorhandensein eines .strong track record' notwendig. Des weiteren wurde beobachtet, dass die Entscheidungsprozesse in der gesamten multinationalen Unternehmung dezentraler organisiert sind, wenn die strategische Orientierung der Muttergesellschaft nicht ethnozentrisch ist. (Birkinshaw/ Hood 1998). Soweit zu den intemen Faktoren, die die Autonomie und damit auch die Machtposition der Niederlassung in der multinationalen Unternehmung erhohen. Dartxber hinaus werden, ganz im Stile der ,evolutionaren Theorie' der multinationalen Firma, aber auch die strukturellen und okonomischen Bedingungen des Gastlandes genannt, die sowohl positiven als auch negativen Einfluss auf die Autonomie der Niederlassung haben konnen. Genannt werden hier: • die Dynamik des Markes und die zusatzlich entstehenden Kosten fur die multinationale Firma im Gastland • die strategische Wichtigkeit des Gastlandes fur die multinationale Firma • die Bereitschaft des Gastlandes, die Aktivitaten der multinationalen Firma durch Fordermittel zu unterstiitzen. Alles in allem konnen wir zusammenfassen, dass die Idee der subsidiary evolution eine Weiterentwicklung des evolutionaren Ansatzes darstellt. Dieser setzt sich starker mit der Rolle der Niederlassungen auseinander - ein Aspekt, der in der mainstream-T>\:^k\xss>\on vemachlassigt wurde. Inwieweit die institutionelle Umwelt die Autonomie und Macht der Niederlassungen beeinflusst, wird nur am Rande angerissen (z.B. mit Verweis auf die regulative Funktion des Staates im Gastland), jedoch nicht systematisch untersucht. Wie schon im vorigen Abschnitt angemerkt, wird der Rolle der institutionellen Umwelt des Gastlandes im nord-amerikanischen Institutionalismus eine groBere Bedeutung beigemessen als dem Herkunftsland. Die Grundnahme ist, dass die Niederlassungen sich vor allem aufgrund regulativer und normativer Zwange an die institutionelle Umwelt des Gastlandes anpassen mtissen. Betont wird auf der einen Seite, dass sich Managementkonzepte, die in einem ganz bestimmten nationalen Kontext entwickelt wurden, uber interne isomorphistische Prozesse im ganzen Untemehmen ausbreiten und somit legitime best practices werden. Allerdings wird auf der anderen Seite auch herausgestellt, dass die multinationale Firma Einfluss auf die Institutionenbildung im Gastland nehmen
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kann und auch nimmt. So wird etwa das Beispiel der Hotel-Luxuskette Marriott angeflihrt, die nach der Eroffiiung eines Hotels in Hong-Kong Einfluss auf die Regulierung der Wochenarbeitszeit nahm.^^ Letztendlich wird damit auch der Riickgang des Einflusses der nationalen Institutionen erklart. Oder anders formuliert: Die wachsende Macht der multinationalen Untemehmung auf nationale Gesetzgebung und die Finanzierung vormals offentlicher, d.h. staatlich finanzierter Dienstleistungen durch multinationalen Untemehmen, wird als Indiz dafur angesehen, dass spezifische national gepragte institutionelle Unterschiede immer mehr verschwinden. Eine Schlussfolgerung daraus ist, dass im Gegensatz zum europaischen Institutionalismus von der Entstehung eines ..global intercorporate isomorphism" ausgegangen wird (Femer/ Quintanilla 1998). Die Annahme ist dabei, dass sich multinationale Untemehmen in nationalen Umwelten wiederfmden, die einander immer ahnlicher werden (Rosenzweig/ Singh 1991). Solche isomorphistischen Prozesse werden auch fiir die Entstehung transnationaler Raume verantwortlich gemacht. Darauf werden wir im nachsten Abschnitt naher eingehen. Studien in der Tradition des europaischen Institutionalismus lassen jedoch Zweifel dariiber aufkommen, der Einfluss der Gastlander wiirde ganzlich schwinden. Interessant sind hier insbesondere die Ergebnisse einer vergleichenden Studie zur Einfiihrung von Gruppenarbeit in deutschen und franzosischen Niederlassungen in der Automobilindustrie (Woywode 2002). So stellt Woywode zwar fest, dass sich durchaus isomorphistische Tendenzen in den Niederlassungen fmden lassen, welche sich global durch den gesamten industriellen Sektor ziehen. Genannt werden kann hier z.B. das Gruppenarbeitskonzept, welches urspriinglich in japanischen Automobilfertigungsstatten zur Anwendung kam. Dieses ist nun in der gesamten Branche iiber Landergrenzen hinweg anzutreffen. Allerdings weist Woywode auch nach, dass die lokalen Anpassungen eine starke Einfarbung durch das national business system im untersuchten industriellen Sektor erfahren, der gerade von vielen als Musterbeispiel fiir das Vorhandensein globaler Industrien (Rosenzweig/ Singh 1991: 349) bzw. als ein ..continuous globalizing" - Sektor (Whitley/ Kristensen 1997) angesehen wird.
10 In diesem Falle ist das ein positives Beispiel. Die Sechstage-Arbeitswoche reduzierte sich fur die Arbeitnehmer auf 5 Tage (vgl. Rosenzweig/ Singh 1991: 353-354). Allerdings gibt es genugend Beispiele die belegen, dass Landesregierungen von multinationalen Untemehmen unter Druck gesetzt werden, wie es z.B. bei Auslandsdirektinvestitionen in Ost- und Mitteleuropa der Fall war, um z.B. Umweltgesetze oder Sozialgesetze zu ihren Gunsten und damit zuungunsten der Arbeitnehmer zu verandem.
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In diesem Siime wurde festgestellt, dass insbesondere die Unterschiede im Bildungssystem und in den industriellen Beziehungen ftir einen hoheren Grad an multiplen Qualifikationen bei den Gruppenmitgliedem, mehr Zusammenarbeit in der Gruppe, mehr Bereitschaft zu job rotation und damit auch eine hohere Gruppenautonomie in den deutschen Niederlassungen verantwortlich waren. Diese Befiinde decken sich weitgehend mit den Erkenntnissen aus dem Vergleich britischer und deutscher Niederlassungen in der Fahrstuhl- und Rolltreppenfertigung. Zwar lasst sich in den deutschen und britischen Niederlassungen aller drei von uns untersuchten multinationalen Untemehmen in der Tat eine zunehmende Finanzorientierung und ein verstarkter Trend zum Ausbau der Servicefunktionen im Management feststellen (Geppert/ Matten/ Williams 2003). Gleichzeitig jedoch zeigte ein Vergleich der Reorganisation der Arbeitssysteme in beiden Landem starke Unterschiede sowohl in der Veranderung von Strukturen und Entscheidungsprozessen als auch dem Einsatz von Fertigungstechnologien und Personal. Damit wu-d trotz Globalisierungstendenzen die bleibende Bedeutung unterschiedlicher national business systems unterstrichen. In den deutschen Niederlassungen hatten die Arbeitssysteme aufgrund der engeren Interdependenz von arbeitsmarktpolitischen, bildungspolitischen und gewerkschaftlichen Institutionen eine starke Tendenz zu DQP. In GroBbritannien dagegen ist das business system weniger eng mit den Arbeitssystemen verzahnt. D.h. konkret, dass die industriellen Beziehungen eher schwach und die arbeitspolitischen MaBnahmen eher unterentwickelt sind. Die berufliche Bildung und Weiterbildung, insbesondere von Facharbeitem, Technikem und Ingenieuren, hat hier einen geringen Stellenwert. Die Beschaftigten in den Fertigungsstatten waren daher eher angelemt oder ungelemt und weniger in Managementprozesse einbezogen. Daruber hinaus verfugten Personen in strategischen Entscheidungspositionen zumeist iiber einen Managementabschluss. Im Gegensatz dazu werden in deutschen Niederlassungen diese Managementfunktionen mehrheitlich von Ingenieuren wahrgenommen. Ein massiver Abbau von bad performing Fertigungskapazitaten und eine Reorientierung der Funktionen des Arbeitssystems auf das fmanziell weitaus lukrativere Geschaft in Verkauf und Service erschien somit vielen der befragten Manager als die beste Losung (Geppert/ Williams/ Matten 2003). Im Lichte von Birkinshaws entrepreneurship-KonzQpt lasst sich abschlieBend restimieren, dass die deutschen Niederlassungen in beiden Studien groBere ..charter responsibilties'' haben. Somit haben die lokalen Manager dort auch groBere Entscheidungsmacht und Autonomic. Des weiteren bleibt festzuhalten, dass aus der Vogelperspektive (bzw. einer abstrakteren Ebene), die multinatio-
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nalen Untemehmen in den beiden zuletzt diskutierten Studien durchaus globale isomorphistische Tendenzen aufweisen. Hier kommen dann auch die Starken des nord-amerikanischen Institutionalismus zum Tragen. Verlasst man jedoch diese Abstraktionsebene und versucht, die interaktiv erzeugten und sozial konstruierten lokalen Managementrationalitaten zu verstehen, entwickelt sich ein besseres Verstandnis fur die ,feinen Unterschiede'. Erst die Wahl eines solchen methodisch interpretativen Ansatzes macht es moglich zu erkennen, warum und auf welche Art und Weise der Einfluss von nationalen Institutionen auch weiterhin von Bedeutung sein wird. In diesem Sinne haben Geppert und Koautoren darauf verwiesen, dass, im Gegensatz zu den Annahmen der ,evolutionaren Theorie der multinationalen Firma', ,nationale Effekte' in transnationalen Untemehmen eben nicht zunehmend verblassen. Vielmehr kommen die nationalen Unterschiede der Niederlassungen eher noch starker zum Tragen (Geppert/ Matten/ Williams 2003). Dartiber hinaus wird argumentiert, dass multinationale Untemehmen diese Differenzen strategisch sogar ganz bewusst in Kauf nehmen bzw. ausnutzen. Dies ist z.B. der Fall, wenn sie ihre globalen Fertigungskapazitaten rationalisieren. Der Vergleich in der Fahrstuhl- und Rolltreppenfertigung beispielsweise zeigte die bewusste Nutzung von kompetitiven Vorteilen und Kapazitaten von Arbeitsystemen im deutschen business system. Im Vergleich zu den britischen Tochtemntemehmen hatten die deutschen eher strategische Funktionen inne und waren gleichzeitig flir die innovativen F&E-Aktivitaten verantwortlich (Geppert 2003; Geppert/ Matten, 2006).
4.4 Multinationale Unternehmungen als Jransnationale soziale Raume': Ein neues Forschungsfeld jenseits der traditionellen Grenzziehungen der beiden institutionalistischen Ansdtze Ein wichtiger Zweig in der aktuellen organisationssoziologischen Debatte zur Rolle von multinationalen Untemehmen ist die Frage nach der Entstehung von ,transnationalen sozialen Raumen' (Pries 2001; Morgan 2001b). Die Kemfrage dieser jiingeren Forschungsrichtung im intemationalen Management zielt auf die Entstehung und Verandemng von makro-institutionalistischen Stmkturen durch soziale Praktiken und Akteure ab. Die Institutionalisiemng von , transnationalen sozialen Raumen' wird hier als ein sozio-politischer Prozess konzeptualisiert, der verschiedene Formen sozialen Handelns beinhaltet (wie z.B. Zwang, Widerstand und Verhandlung) (Geppert/ Clark 2003). In diesem Sinne richtet sich die Erforschung ,transnationaler sozialer Raume' auf die Frage aus, wie die
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Grenzen von transnational communities in und auBerhalb von multinationalen Firmen strukturiert sind, gemanagt werden und wie diese Einheiten sich (re-)definieren und in Verhandlungen (z.B. zwischen extemen stakeholdern wie Gewerkschaften oder Banken oder zwischen verschiedenen Einheiten innerhalb der Firma selbst) ausgehandelt werden. Transnationale Raume entstehen im Wechselspiel von kulturellen und institutionellen Kontexten, durch ausgehandelte formale und informelle Regeln, durch Zugang oder den Besitz von bestimmten Fahigkeiten oder Kapazitaten und Ressourcen (z.B. in den Niederlassungen), die durch sozio-poUtische Prozesse zusammen gehalten werden oder auch wieder auseinander brechen konnen. Fiir die Theorie der multinationalen Untemehmung und die Erforschung ,transnationaler sozialer Raume' ergeben sich damit eine Reihe von Fragestellungen. Wiewohl die Forschung zu transnationalen sozialen Raumen beiden hier diskutierten Institutionalismen konzeptionell eine Heimat bietet, wird die Frage nach globaler Konvergenz bzw. divergenten national-spezifischen Unterschieden jtingst nicht mehr allein durch Riickgriff auf abstrakte isomorphistische makro-institutionelle Mechanismen oder die Makro-Institutionen des Nationalstaates zu beantworten versucht. Mikro-institutionelle Vertreter dieser Richtung kritisieren den eher deterministischen bias institutionalistischer Ansatze und verweisen darauf, dass Institutionen nicht nur einschrankende, sondem auch ermoglichende Wirkung auf Strukturen und Handlungen in Untemehmen haben. Sie schlagen daher vor, transnationale soziale Raume' nicht nur als ,institutionalisierte Arenen', die sich nicht grundsatzlich verandem, sondem auch als ,institutionalisierende Arenen', in denen selbst standig neue Institutionalisierungsprozesse stattfmden, zu defmieren (Djelic/ Quack 2002; 2003). D.h. zukiinftige Forschung sollte nicht nur darauf abstellen, wie relativ stabile nationale Institutionen multinationale Untemehmen beeinflussen, sondem auch, wie signifikante Verandemngen nationaler Institutionen ihre Strategien in diesem national business system beeinflussen. Dieser Aspekt wurde bereits kurz in den oben erwahnten Ergebnissen des Forschungsprojektes von Geppert und Koautoren (Geppert/ Williams/ Matten 2003) im Falle des fmnischen Konzerns aufgegriffen und diskutiert. Aus deutscher Perspektive stellt die Diskussion insbesondere auf die Frage ab, inwieweit ,der Standort Deutschland' - oder institutionalistisch gesprochen: das deutsche business system - flir multinationale Untemehmen mit dem Heimatland Deutschland noch in der Lage ist, Rahmenbedingungen erfolgreicher untemehmerischer Aktivitat zu bieten (Bergedorfer Gesprachskreis 2000).
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Eine weitere Fragestellung in diesem Kontext zielt darauf ab, inwieweit multinationale Untemehmen direkt und aktiv Einfluss auf die Entstehung und Veranderung nationaler und transnationaler Institutionen nehmen. Eine Frage, die wie wir oben gezeigt haben - von Vertretem des nord-amerikanischen Institutionalismus diskutiert wird. Hier besteht allerdings noch erheblicher Forschungsbedarf, da weitaus differenzierter aufzuzeigen ware, auf welche Art und Weise machtvolle soziale Akteure (d.h. einflussreiche transnational agierende Eliten und kollektive Akteure) die Wirkungsweise der drei Isomorphismen strategisch vorantreiben. In diesem Sinne ist die Entstehung ,transnationaler sozialer Raume' in und durch multinationale Untemehmen eher eine Frage, die sich auf dem mikro-institutionellen Level abspielt, und ist damit zutiefst politisch. Als solcher ist dieser Aspekt in der ,evolutionaren Theorie' der multinationalen Untemehmung und den institutionalistischen Ansatzen bisher eher vemachlassigt worden. Die Idee des ,transnationalen sozialen Raumes' in und durch multinationale Untemehmen geht davon aus, dass diese durch verschiedene Strategien machtvoller Akteure entstehen (vgl. Morgan 2001; Geppert/ Clark 2003). Der Fokus zuktinftiger Forschung liegt also nicht nur darauf, ob sie mehr oder weniger institutionalisiert sind (Scott 1998) bzw. eine hohe oder geringe institutionelle Dichte aufweisen (Whitley 1997), sondem auf der sozio-politischen Dynamik des Wandels transnationaler Institutionen. Es bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit sich die hier behandelten institutionalistischen Ansatze in Zukunft diesen neuen Herausfordemngen stellen konnen und dazu beitragen werden, die Dynamik sozialen Handelns im Prozess der Institutionalisierung ,transnationaler sozialer Raume' besser einzufangen. Es kann jedoch vermutet werden, dass beide Ansatze von unterschiedlichen konzeptionellen Pramissen und methodischen Blickwinkeln an diese Probleme herangehen und daher auch weiterhin eher zu unterschiedlichen empirischen Befunden in Bezug auf Organisation und Management in und von multinationalen Untemehmen kommen werden.
5.
Resiimee und Ausblick: Herausforderungen Forschung
fiir die zukunftige
In diesem Beitrag haben wir versucht, die Transnationalisiemng von Organisation und Management in multinationalen Untemehmen jenseits weiterhin dominanter okonomischer und kontingenztheoretischer Ansatze zu diskutieren.
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Im Gegensatz zu diesen Studien haben wir zuerst gezeigt, dass die Entscheidungen iiber den Verlauf und den Grad der Transnationalisierung multinationaler Firmen nur bedingt von zweckrational handelnden Managem bestimmt werden, denen es entweder um die Minimierung von Transaktionskosten oder die Beseitigung von .misfits' zwischen Organisationsstrukturen und sich globalisierenden Untemehmensumwelten geht. Unsere Analyse hat sich insbesondere mit den Grenzen des sogenannten ,evolutionaren Paradigmas' auseinandergesetzt und gezeigt, dass die hier prasentierten Vorschlage zum transnationalen Untemehmen als neuem Organisationstyp, insbesondere vor dem Hintergrund komparativer institutionalistischer Studien, zu idealistisch und problematisch sind. Wir haben gezeigt, dass uns der nord-amerikanische Institutionalismus hilft zu verstehen, warum z.B. Gruppenarbeitskonzepte oder intemationale Qualitatsoder Accountingstandards, wie beispielsweise ISO und GAAP, transnational in multinationalen Untemehmen an Bedeutung gewinnen, ohne dass damit notwendigerweise eine Verbesserung der okonomischen Leistungsfahigkeit einhergehen muss (vgl. Walgenbach 2000). Die Grundthese ist hier, dass Manager regulativen, normativen und kognitiven institutionellen Zwangen ausgesetzt sind, die untemehmens-, lander- und brancheniibergreifende Transnationalisierungseffekte hervorrufen. Institutionalistische Analysen betonen, im Sinne von Westney (1993), dass multinationale Untemehmen verschiedenen institutional pulls' ausgesetzt sind, die notwendigerweise nicht immer in dieselbe Richtung weisen. Diese pulls konnen aus verschiedenen Richtungen untersucht werden. Wir haben uns hier ausfuhrlich darauf konzentriert, im Sinne komparativer Studien des europaischen Institutionalismus, die bleibenden Einfliisse der national business systems, des Heimatlandes und des Gastlandes aufzuzeigen - Aspekte die im nord-amerikanischen Institutionalismus eher vemachlassigt werden. Wir pladieren deswegen hier dafur, den Fokus der Analyse von Transnationalisierungsprozessen, jenseits von okonomischer Zweckrationalitat , nicht allein auf globale isomorphe Prozesse zu beschranken. Der im vorigen Abschnitt diskutierte Vorschlag von Morgan (2001), multinationale Untemehmen als ,transnationale soziale Raume' zu betrachten, die durch eine Vielzahl kontextueller Rationalitaten interaktiv konstituiert werden, verweist darauf, dass diese Firmen nur sehr bedingt transnational kontrollierund steuerbar sind. Analysen zur Transnationalisiemng von multinationalen Untemehmen, die sich hauptsachlich auf die Verbessung struktureller und kultureller Integrationsmechanismen beschranken, greifen u. E. daher zu kurz. In der Tradition komparativer institutionalistischer Studien darf ktinftige Forschung die Suche nach Ursachen von lokalen und nationalen Divergenzen und daraus
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resultierenden Vor- und Nachteilen fur einzelne Untemehmenseinheiten nicht vemachlassigen. Ein gutes Beispiel fur diese Art Forschung ist das ktirzlich von Kristensen und Zeitlin (2005) veroffentlichte und auf Fallstudien basierende Buch. Ausgehend von einer Kritik der normativen Aspekte des ,evolutionaren Paradigmas' und des Vorschlags, multinationale Untemehmen als transnationale ,differenzierte Netzwerke' zu untersuchen (vgl. Nohria und Ghoshal 1997), schlagen diese Autoren altemativ vor, nach den Grtxnden dafiir zu suchen, warum und wie sich lokale Akteure in den Niederlassungen, bestimmten {AngloSaxon) Formen der Transnationalisierung zu entziehen versuchen und wie sie lemen, „how to play the [global] game of the HQ [headquarters]" (Kristensen und Zeitlin 2005: 196), um dieses „game" in ihrem Sinne beeinflussen zu konnen. Vor dem Hinterund dieser zusammenfassenden tJberlegungen sehen wir die Herausforderungen fur die zukiinftige institutionalistische Managementforschung vor allem auf drei Ebenen. Zunachst besteht auf Untemehmensebene weiter groBer Bedarf, das zuletzt angedeutete Spannungsfeld der multinationalen Untemehmung als ein Akteur zwischen globalen Isomorphismen auf der einen Seite und kontextuellen Rationalitaten und Politiken verschiedener lokaler Akteure mit unterschiedlichen nationalen Hmtergriinden auf der anderen Seite weiter und differenzierter auszuleuchten, Alsdann ergibt sich auf einer eher nationalen Ebene insbesondere die Frage, welchen Einfluss multinationale Untemehmen auf das Institutionengeftige verschiedener Nationalstaaten nehmen. Diese Frage erfreut sich nicht zuletzt aufgrund der wachsenden offentlichen Anfragen an die Rolle von multinationalen Untemehmen in (Entwicklungs-) Landem mit relativ schwach ausgebildeten Institutionen zunehmender Beliebtheit. Andererseits weist die zwar wachsende, aber zweifelsfrei noch vergleichsweise diinne empirische Forschung zum Einfluss von national business systems auf multinationale Untemehmen - auf Heimat- und Gastlandebene - noch erhebliche LUcken auf. Und schlieBlich bietet sich aus institutionalistischer Perspektive eine transnationale Ebene als immer drangenderes Forschungsgebiet an. Die rapide Entstehung und Weiterentwicklung globaler Institutionen - von Regierungsorganisationen wie der Europaischen Union oder der World Trade Organization tiber globale Nicht-Regierungsorganisationen bis hin zu einer Vielzahl kleinerer transnationaler Organisationen - hat zunehmend direkten Einfluss auf untemehmerisches Handeln, speziell fur global agierende Firmen. Nicht nur die Entstehung und Gestaltung globaler Organisationen, sondem auch deren Einfluss auf untemehmerisches Handeln ist ein Forschungsfeld, welches gerade aus institutionalistischer Perspektive tiberaus spannend ist.
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Teil II Transnationalisierung - Prozessdynamiken zwischen „Modelltransfer" und Lokalisierungsprozessen
Christoph Dorrenbacher
Mikropolitik in Multinationalen Unternehmen: Konturen eines neuen Forschungsfeldes
1. Einleitung
Mikropolitik ist wie alle Politik der Versuch, auf soziale Strukturen und menschliche Verhaltnisse gestaltenden Einfluss zu nehmen. Ziel von Mikropolitik ist es, „(.•) Optionen zu sichem, Interessen zu realisieren, Erfolg zu haben", wobei personliche Eigeninteressen oder individuelle Karriereerwagungen haufig vorzufindende, keineswegs aber exklusive Motive fur Mikropolitik sind (Schulz zur Wiesch/ Heinrich 1998: XVIII). Mikropolitik kann aus selbststichtigem Interesse oder weitgehend selbstlos, ja sogar aus altruistischen Motiven heraus betrieben werden (Ortmann 1988: 2). In groBeren Organisationen, wie sie multinationale Unternehmen in aller Kegel darstellen, sind mikropolitische Auseinandersetzungen eine Alltaglichkeit. Dabei schafft und verandert Mikropolitik organisationale Strukturen: Folgt man Bums (1961/ 1962), dem vielfach nachgesagt wird, den Begriff Mikropolitik erfunden bzw. in die Literatur eingefuhrt zu haben, ist Mikropolitik der wesentliche Mechanismus organisationalen Wandels (ebd.: 259). Dabei sind mikropolitische Auseinandersetzungen in unterschiedlicher Auspragung von Sach- und Machtaspekten gepragt. Engeren Rationalitatserwartungen eher entsprechende Verlaufe stehen neben Verlaufen, die solchen Erwartungen entgegengesetzt sind. Die Nahe des Begriffes Mikropolitik zu egoistischen Motiven und mogliche, der Organisation bzw. den Organisationszielen abtragliche Ergebnisse mikropolitischer Prozesse, fiihren dazu, dass sich die in Mikropolitik involvierten Akteure in Unternehmen oft nur ungem zu ihrer Rolle als Mikropolitiker bekennen.
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Christoph DOrrenbacher
Folgt man Bosetzky (1988: 30), ist es immer auch nur eine Minderheit von Organisationsmitgliedem oder stakeholdern, die aktiv an mikropolitischen Prozessen beteiligt sind; dies allerdings mit potenziell weitreichenden Folgen fur alle Organisationsmitglieder. Bereits die Frage, welche Akteure in multinationalen Unternehmen Mikropolitik betreiben, ist bislang noch weitgehend offen. Fiir Untemehmen allgemein hat J.G. March Anfang der 1960er Jahre eine entsprechend Aufzahlung von Akteuren gehefert: „We assume that there is a set of potential participants in the firm. At least initially we think of such classes of potential participants as investors (stockholders), suppliers, customers, governmental agents, and various types of employees. More realistically, we might supplement such a list with such actual or potential participants as investment analysts, trade associations, political parties and labour unions'' (March 1962: 672f). Unterkomplex dargestellt erscheint in dieser Aufzahlung vor allem das Management, mit seinen unterschiedlichen hierarchischen, funktionalen, organisationalen und im Falle von multinationalen Untemehmen auch nationalen und kulturellen Beztigen. Stark macht March demgegeniiber die shareholderPerspektive, die auBerhalb des angloamerikanischen Raums erst in den letzten 15 bis 20 Jahren an Bedeutung bzw. an Wahrnehmung gewonnen hat. Die groBe Zahl unterschiedlicher politischer Akteure im oder mit Bezug zum Untemehmen verweist zum einen auf die besondere Bedeutung von Koalitionen. March zufolge bestimmen Verhandlungen zwischen politischen Koalitionen das Aussehen und die Ziele einer Organisation: „Basically we assume that a business firm is a political coalition (...). The composition of a firm is not given, it is negotiated. The goals of the firm are not given; they are bargained" (ebd.). Zum anderen macht die Heterogenitat der am politischen Geschehen einer Firma beteiligten Akteure deutlich, dass Mikropolitik sehr unterschiedliche thematische Bezugspunkte und Reichweiten haben kann. Organisations- und Landergrenzen stellen dabei zumindest keine gmndlegenden Htirden dar. Mikropolitik kann multinationale Untemehmen in Ganze betreffenden, etwa wenn es um die Frage nach der weltweiten Untemehmensstrategie geht. Es kann sich aber auch um Fragen mittlerer Reichweite handeln, beispielsweise wenn umstritten ist, an welchen Standorten bzw. in welchen Landem Beschaftigung auf- bzw. abgebaut wird. SchlieBlich gibt es auch auf Betriebs- oder Abteilungsebene mikropolitische Konflikte etwa um die Wahmehmung von AuBenkontakten. Im Vordergmnd der bisherigen empirischen Anwendungen des mikropolitischen Ansatzes stehen Reorganisationsprozesse privater Unternehmen (s.u.) und offentlicher Verwaltungen (z.B. Al-Ani 1993, Bogumil/ Schmid 2001). Die im Einzelnen betrachteten Reorganisationsfelder variieren jedoch
Mikropolitik in Multinationalen Untemehmen
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betrachtlich. Neben Fragen des Technikeinsatzes (z.B. Birke 1992, Schienstock 1993, Ortmann 1995) geht es haufig um personalpolitische Aspekte - etwa um Fragen der Leistungsbeurteilung (Lorson 1996), der Fruhverrentung (Teipen 2003) Oder der Personalentwicklung (Elsik 1998, Dick 1992). Auch Fragen der strategischen Untemehmensplanung (Neuberger 1995, Bone-Winkel 1997), des Qualitatsmanagements (Moldaschl 2001) oder der okologischen Betriebspolitik (Birke et al. 1997, Rohr 2001) haben bisher Berucksichtigung gefunden. Mikropolitische Konflikte, die im Zusammenhang mit der erstmaligen Intemationalisierung eines Untemehmens stehen oder speziell multinationale Untemehmen betreffen, sind bislang noch kaum untersucht. Ankniipfungspunkte bieten jedoch die behavioristische Intemationalisierungstheorie, organisationsstrukturell und institutionell ausgerichtete Arbeiten zur Intemationalisierung von Untemehmen bzw. zur Hybridisierung von nationalen Produktions- und Geschaftsmodellen, sowie Ansatze, die sich mit Konfliktmanagement in multinationalen Untemehmen beschaftigen. Bevor im nachfolgenden Kapitel naher auf diese Ankniipfungspunkte eingegangen wird, seien vorab noch einige Bemerkungen zum Gebrauch des Begriffes ,multinationales Untemehmen' und zum Gang der Argumentation gemacht. Dieser Beitrag benutzt den allgemein gebrauchlichen Begriff ,multinationales Untemehmen', ohne damit einen bestimmten Strategic- oder Organisationstyp zu meinen. Damit wird weder bezweifelt, dass grenziiberschreitend tatige Untemehmen seit den 1960er Jahren ihre Organisations- und Managementstmkturen starker an Produktgmppen als an geographischen Regionen ausrichten, noch dass die geographisch gestreuten Aktivitaten in intemationalen Konzemen sehr viel enger verzahnt sind als noch vor einigen Jahrzehnten (vgl. dazu Stopford/ Wells 1972, Humes 1993, Wortmann 2000). Von der Nutzung des Begriffs ,transnationales Untemehmen', der verschiedentlich mit diesen Inhalten in Verbindung gebracht wird, wird jedoch abgesehen. Ein erster Gmnd daflir liegt in der Skepsis gegeniiber der im Konzept des ,transnationalen Untemehmens' ebenfalls angenommenen zunehmend netzwerkformigen Koordination. Hier zeigen empirische Untersuchungen durchaus gegenlaufige Entwicklungen. Eine Studie von Wortmann (2000) tiber deutsche multinationale Untemehmen verweist beispielsweise darauf, dass in der Tendenz zwar dezentrale Managementstmkturen entstehen, diese aber keineswegs weniger hierarchisch sind. Ein zweiter Grund, den Begriff ,transnationales Untemehmen' zu meiden, liegt in der Tatsache, dass mikropolitische Prozesse, um die es in diesem Beitrag geht, in alien Typen international tatiger Untemehmen stattfmden (wenngleich die hohe Interaktionshaufigkeit in so defmierten „transnationalen Untemehmen"
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Christoph DQrrenbacher
sicherlich fur ein besonderes AusmaB an mikropolitischen Reibungsflachen sorgt). SchlieBlich verweist drittens ein kursorischer Blick auf die Geschichte des Begriffs ,transnationales Untemehmen' auf storende politische wie inhaltliche Konnotationen. So diirfte die Einsetzung der Commission on Transnational Corporations der UN und nachfolgend des UN Centre on Transnational Corporations im Jahr 1973/74 den bis dato selbst in der Fachwelt kaum verwendeten Begriff erstmalig stark popularisiert haben. Folgt man Gabel/ Brunner (2003), wurde der Begriff transnational corporations dem auch damals weitaus starker verbreiteten Begriff multinational corporations vorgezogen, um den negativen Beigeschmack, der dem Begriff ,multinationales Untemehmen' im Gefolge verschiedener Skandale anhaftete, zu vermeiden. In eine ahnliche Richtung (wenn auch mit einer etwas anderen Wendung) geht auch ein Hinweis des langjahrigen Direktors des UN Centre on Transnational Corporations. Er verweist auf entsprechende Einlassungen der ANDEAN Staaten. Diese hatten einige gemeinschaftlich gegrtindete Untemehmen mit dem Begriff ,multinationale Untemehmen' bezeichnet und wollten nun eine Verwechslung mit diesen ,guten Multis' ausschlieBen.^ Eine eher inhaltUche storende Konnotation ist das Ergebnis der zweiten wesentlichen Popularisiemng des Begriffs ,transnationales Untemehmen' durch den 1989 erschienenen Bestseller „Managing Across Borders '\ In ihm hatten die Autoren Bartlett und Ghoshal (1989) mit der so genannten „ transnational solution" ein Idealmodell fur multinationale Untemehmen aller Lander und Branchen beschrieben, das aufgmnd seiner Eingangigkeit zwar weithin rezipiert wurde (und wird), empirischen Uberpriifungen aber nicht standgehalten hat (vgl. dazu Dorrenbacher 1999, 2000, Geppert et al. 2003). Deutlich realitatsnaher verspricht demgegeniiber der hier propagierte mikropolitische Ansatz zu sein. Dieser stellt stark auf Akteure, Ressourcen und interne Aushandlungsprozesse ab und geht damit auch eher von einer Pluralitat von Organisations- und Strategietypen aus als von einem fur alle Untemehmen instmktiven Idealmodell. Nach einem kurzen Uberblick tiber theoretische Anknlipfungspunkte (Kapitel 2), erkundet der Beitrag zunachst die Starken des mikropolitischen Ansatzes (Kapitel 3). Diese liegen u.a. in einem analytischen Problemzugang, in der Betonung der bislang in der Literatur zu multinationalen Untemehmen stark vernachlassigten Akteursperspektive sowie in der empirisch offenen Konzeptiona-
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E-mail von Karl Sauvant an den Autor vom 8. August 2005.
Mikropolitik in Multinationalen Untemehmen
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lisierung mikropolitischer Konflikte als Spiel. Danach lenkt der Beitrag den Blick auf ein interessantes Forschungsfeld flir mikropolitisch inspirierte Untersuchungen in multinationalen Untemehmen (Kapitel 4). Die hier angesprochenen Auseinandersetzungen um Mandate in multinationalen Untemehmen sind sowohl fiir die Konzemzentrale als auch fur die beteiligten bzw. betroffenen Tochtergesellschaften von erheblicher strategischer Bedeutung. Dartiber hinaus haben sie fur Manager in multinationalen Untemehmen eine ausgepragte Orientiemngsfunktion. Was im Einzelnen das Handeb von Managem in Auseinandersetzungen um Mandate pragt, ist dann Thema des folgenden Kapitels. Am Beispiel eines Akteurstyps, namlich des general managers von Auslandsgesellschaften, verdeutlicht Kapitel 5 die unterschiedlichen stmkturellen und individuellen Handlungsrationalitaten individueller Akteure in Auseinandersetzungen um Mandate. Der Beitrag schlieBt mit einigen forschungspraktischen Uberlegungen (Kapitel 6).
2.
Theoretische Ankniipfungspunkte
Darauf, dass multinationale Untemehmen, wie andere Organisationen auch, lediglich begrenzt rationale Akteure sind, hatte bereits in den 1970er Jahren die behavioristische Internationalisierungstheorie hingewiesen. In Abgrenzung zu verschiedenen Intemationalisiemngstheorien, die dem rational-choiceParadigma folgen (z.B. die bis heute wohl meistrezipierte Eklektische Theorie der Direktinvestitionen) haben behavioristisch angelegte Untersuchungen nach Erklamngen fur Intemationalisiemngsverlaufe gesucht, die engeren Rationalitatserwartungen widersprechen. Also beispielsweise ftir die Tatsache, dass Untemehmen vielfach trotz hoher, das Risiko iiberkompensierender Gewinnchancen nicht bzw. nur sehr zogerlich im Ausland investieren (Aharoni 1966, Johanson/ Vahlne 1977), oder fur die Tatsache, dass Untemehmen in oligopolistischen Branchen nicht die erfolgstrachtigsten Investitionsmoglichkeiten im Ausland verfolgen, sondem in QinQY follow-the-leader Strategic das moglicherweise suboptimale Investitionsverhalten ihrer Konkurrenten imitieren (Knickerbocker 1973, Graham 1974). Ahnlich wie die behavioristische Internationalisierungstheorie sehen auch jtingere organisationssoziologische Arbeiten in multinationalen Untemehmen weder homogene noch ungebrochen rationale, ausschlieBlich an okonomischer Effizienz orientierte Akteure (Morgan 2001). In Abgrenzung zum mainstream
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der Managementtheorie wird vielmehr die soziale und institutionelle Einbettung dieses Untemehmenstyps sowie seiner unterschiedlichen stake- und shareholder betont. Institutionalistisch ausgerichtete Untersuchungen nehmen dabei (ahnlich wie die behavioristische Intemationalisierungstheorie) die Ergebnisdimension von grenziiberschreitenden Untemehmensaktivitaten in den Blick und diskutieren vor allem Konvergenz- und Divergenzentwicklungen. Im Zentrum steht die Frage, was die Intemationalisierung von Untemehmen pragt, und welches wesentliche materielle Einfliisse sind. Nicht wenige Autoren vermuten einen dominanten Heimatlandeinfluss (country-of-origin-Effokt). Fiir Hu (1992) z.B. sind multinationale Untemehmen nationale Untemehmen mit intemationalen Aktivitaten. Ahnlich argumentieren auch Sally (1995), Ruigrok/ van Tulder (1995) Oder Whitley (2001, 2005), wenn sie davon ausgehen, dass multinationale Untemehmen aufgrund von Koharenzanfordemngen und sunk costs dazu gezwungen sind, im Heimatland erprobte Organisations- und Produktionskonzepte mehr oder weniger eins zu eins ins Ausland zu iibertragen. Diese Sicht, die sich im Kem gegen die Existenz eines one best way wandte, hat sich inzwischen selbst als zu wenig differenziert erwiesen. Je nachdem welche Aspekte von Intemationalisiemng untersucht werden - empirische Beitrage haben sich bisher stark auf die Intemationalisierung von Human Ressource Management Praktiken^ sowie auf den grenziiberschreitenden Einsatz von Produktions- und Organisationsmodellen^ konzentriert -, lassen sich universelle Einfltisse, Heimat-, Gast- und Drittlandeffekte sowie organisational und fremdorganisationale Einfltisse nachweisen/ Darauf, dass sich diese Einfliisse nicht reibungslos, sondem iiblicherweise in (mehr oder weniger) konfliktgeladenen Prozessen durchsetzen, haben institutionalistische Ansatze zwar hingewiesen. Eine detaillierte Untersuchung dieser
Z.B. Frenkel (1994), Rosenzweig/ Nohria (1994), Marginson/ Sisson (1994), UNCTAD (1994), Traxler (1996), Femer/ Quintanilla (1997), Edwards et al. (1999), Tuselmann et al. (2000), Marginson (2000), Femer/ Varul (2000), Bluhm (2001), Tempel (2001), Sisson (2001), Schmitt (2002), Bluhm (2003), Femer et al. (2004), Almond et al. (2005). Estrin et al. (1997), Kessel/ D5rr (1998), Clark/ Soulsby, (1999) D5rr/ Kessel (1999), Meyer (1998), Eckardt et al. (1999), Bochum (2000), Pries (2000), Marwehe (2000), Schmidt et al. (2001), Jurgens (2003), Fichter (2003), Bluhm (2003) sowie die Beitrage in Boyer et al. (1998), Freyssenet et al. 2003a, 2003b). Fur die gleichzeitige Existenz von Heimat- und Gastlandeinflusse vgl. Westney (1993); fur die gleichzeitige Existenz von universellen, sozietalen und oganisationalen Effekten vgl. Miiller (1994), Dorrenbacher (1999), Harzing/ Sorge (2003) sowie fur die Existenz von Drittland- und fremdorganisationalen Effekten vgl. Dorrenbacher (2003).
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genuin mikropolitischen Prozesse der Intemationalisierung liegt jedoch (zumindest bislang) auBerhalb ihres Erkenntnisinteresses. Naher an der Frage nach mikropolitischen Konflikten in multinationalen Untemehmen sind hingegen einige organisationsstrukturelle Arbeiten, Eine besondere Bedeutung kommt hier der Literatur zum Verhaltnis von Mutter- und Tochtergesellschaften in multinationalen Untemehmen zu. Wahrend nahezu alle alteren Beitrage zu diesem Thema die Perspektive der Konzemzentrale einnahmen, hat insbesondere Hedlunds Idee vom „heterarchischen Untemehmen" (Hedlund 1986) - d.h. von einem Untemehmen, mit mehreren Gravitationszentren - eine wahre Flut von Veroffentlichungen ausgelost, die das multinationale Untemehmen nun verstarkt aus der Perspektive der Tochtergesellschaften betrachten. Gmndlegende Annahme ist, dass Tochtergesellschaften multinationaler Untemehmen keineswegs nur ausfiihrende Organe der Konzemzentrale sind, sondem strategisch wichtige Einheiten, die systematisch zur Wettbewerbsfahigkeit des Gesamtkonzems beitragen.^ Welche Bedeutung eine Tochtergesellschaft dabei erlangen kann, hangt - so Birkinshaw et al. (1998) - von drei Faktoren ab: (1) vom soziookonomischen Umfeld der Tochtergesellschaft, (2) von der Politik der Zentrale gegeniiber der Tochtergesellschaft sowie (3) von der Fahigkeiten des Tochtergesellschaftsmanagements seinen Leistungen und Potenzialen im Gesamtkonzem Beachtung zu verschaffen. Insbesondere die beiden letzten Punkte benennen Konfliktzonen im Verhaltnis von Tochter- und Muttergesellschaft. So steht nach Solvell/ Zander (1998) das Kontrollbedlirfiiis der Konzemzentrale stets in einem latenten Widerspmch zum Wunsch der Tochtergesellschaften nach einer moglichst weitgehenden Autonomic. Weitere gmndsatzliche Ursachen fiir Konflikte zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften liegen, so Forsgren/ Johanson (1992), in der Verteilung der Ertrage sowie in der Frage, in welche Richtung sich die Gesamtorganisation bzw. die fi-agliche Tochtergesellschaft entwickehi soil. Dabei konnen diese Gmndkonflikte unterschiedliche Formen annehmen. Sie konnen sich z.B. als Konflikte um Investitionen (z.B. Wortmann et al. 1999), als Status- oder Rollenkonflikte des Managements (Johanson/ Vahlne 1977, Hofstede 1997, Hirsch-Kreinsen 1998a) oder als Trans-
Vgl. aus managementtheoretischer Sicht z.B. Ghoshal/ Nohria, (1989), Gupta/ Govindarajan (1994), Taggert (1998), Birkinshaw (2000); aus organisationssoziologischer Sicht z.B. Kristensen/ Zeitlin (2001, 2005), Geppert et al. (2002), Becker-Ritterspach et al. (2002) und aus makrookonomischer Perspektive z.B. Birkenshaw/ Hood 1997, Pearce (1999) sowie die Beitrage in Jungnickel (2002).
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ferkonflikte darstellen, wobei sich die unterschiedlichen Konfliktformen in vielen Fallen beriihren oder tiberschneiden. Vergleichsweise stark thematisiert - sowohl aus institutioneller wie auch aus organisationsstruktureller Perspektive - wurden in der jiingeren Vergangenheit Transferkonflikte in multinationalen Untemehmen. Hintergrund ist die besondere Bedeutung grenztiberschreitender Transferprozesse in zunehmend integrierten, von globalen Produktdivisionen gesteuerten multinationalen Untemehmen: Grenzuberschreitende Wissens- und Know-How-Transfers sind das Vehikel, um komplexere firmenspezifische Wettbewerbsvorteile, deren Transfer iiber Marktprozesse zu riskant oder unmoglich ist, auch in anderen Landem zu nutzen (Hymer 1960, Dunning 1979).^ Dariiber hinaus sind Impulse, die von fremden Markten und peripheren Konzemgesellschaften ausgehen, nur durch solche Transfers zu inkorporieren und in Wert zu setzen (Hedlund 1986, Solvell/ Zander 1998)/ Empirische Untersuchungen haben sich bisher vor allem auf Konflikte bezogen, die von Transferprojekten der Konzemzentrale ausgehen, wobei sich - folgt man Forsgren et al. (1995) oder Edwards et al. (1999) - entsprechende Widerstande in den auslandischen Tochtergesellschaften im wesentlichen aus dem so genannten not-mvented-here-Syndrom speisen - also aus der aus Konzemsicht wenig rationalen Weigerung der Tochtergesellschaft, Wissen, Technologien oder bestimmte Praktiken zu tibemehmen, weil sie von auBerhalb der eigenen Konzemeinheit kommen (Katz/ Allen 1982). Andere Untersuchungen haben als Ursache fur Transferwiderstande in Tochtergesellschaften die Unangepasstheit der Transferinhalte (Jankowicz 2001, Michailova 2002), das unterkritische Engagement der transfer-sendenden Einheit (Hetrick 2002) oder die mangelnde Aufnahmefahigkeit (Cohen/ Lewinthal 1990) der fraglichen Tochtergesellschaft ausgemacht. Uberhaupt sehen nicht wenige Studien in den Blockade-, Modifikations- und Unterlaufiingsstrategien von Tochtergesellschaften ein notwendiges kulturelles, institutionelles oder organisationspolitisches finetuning von zu stark standardisierten Konzemvorgaben (vgl. z.B. Kessel/
Dies erlaubt eine bessere Nutzung der vorhandenen Wissensbasis. Benchmarking-Studkn innerhalb einzelner Untemehmen verweisen hier auf erhebliche Effizienzpotentiale (Szulanski 1997). Folgt man z.B. Birkinshaw/ Hood (2001), so verfugt die Vielzahl der geographisch verstreuten Einheiten groBer multinationaler Konzeme in aller Regel iiber ein deutlich groBeres Innovationspotential als die Konzemzentrale.
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Dorr 1998, Dorr/ Kessel 1999, 2001, Sharpe 2001, Becker-Ritterspach et al. 2002, 2003, Fichter 2003, Jager/ Riedel 2003). Damit wird auch deutlich, dass Konflikte grundsatzlich funktionale oder dysfunktionale organisationale Wirkungen entfalten konnen. Dies ist zugleich ein wichtiger Ausgangspunkt von Arbeiten zum Konfliktmanagement in multinationalen Untemehmen. Folgt man den Charakterisierungen von Morgan (2001), Pries (2001) oder Geppert/ Clark (2003), so stellen multinationale Untemehmen pluri-lokale, in sich heterogene transnationale Sozialraume {transnational social spaces) dar, deren interne Dynamik differenzierte Konfliktbewaltigungsmechanismen erfordert. Vier sich teilweise tiberschneidende Ansatze der Konfliktbewaltigung in multinationalen Untemehmen haben sich bisher herausgebildet. Erstens Ansatze, die auf ein stmkturelles Konfliktmanagement (Oechsler 1979) durch eine strikte Orientierung auf Verfahrensgerechtigkeit setzen (z.B. Kim/ Mauborgne 1993); zweitens Ansatze, die ^uf diversity management als alltagliche Aufgabe des Managements in multinationalen Untemehmen verweisen (vgl. Parkhe 1991); drittens Ansatze normativer Integration, die von einer selbstregulierenden Wirkung ubergeordneter konzembezogener Normen und Werte ausgehen;^ viertens schlieBlich interaktive und diskursethische Ansatze, die Konflikte als gemeinsame Aufgabe aller Konfliktparteien begreifen und auf kommunikatives Handebi setzen, das nach bestimmten Regeln ablauft (z.B. Gilbert 1998, Friedmann/ Berthoin Antal 2005).
3.
Starken des mikropolitischen Ansatzes
Was den mikropolitischen Ansatz von den gerade ausgefuhrten Ansatzen unterscheidet und attraktiv fiir das Thema Intemationalisiemng bzw. multinationale Untemehmen macht, lasst sich an verschiedenen Punkten festmachen. Relativ offensichtlich ist, dass der mikropolitische Ansatz einen starkeren analytischen Problemzugang aufv^eist als die teilweise praskriptiv ausgerichteten Ansatze des Konfliktmanagements, die verschiedentlich recht naiv wirken (ohne es jedoch wirklich zu sein). Auch der starker differenzierende Akteursbezug und der Ein-
Dabei kOnnen diese Normen und Werte top down vorgegeben und durchgesetzt werden (beispielhaft sei hier auf die'Transnationale LOsung' von Bartlett/ Ghoshal 1989 verwiesen), oder sie entstehen im Zuge eines breiten bottom-up-¥rozQssQS, was ihre Legitimitat und Durchsetzbarkeit erhoht (Steinmann/ Soberer 1997).
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schluss der Interaktionsebene sind wesentliche Pluspunkte des mikropolitischen Ansatzes: Derm in Organisationen - imd in multinationalen Organisationen erst recht - „ . . . . tobt das Leben" (Ortmann 1988: 7). Unterschiedliche Akteure oder Akteursgruppen mit unterschiedlichen Interessen und Handlungsrationalitaten konkurrieren unter Einsatz verfligbarer Ressourcen und mit Hilfe differenzierter Strategien um Durchsetzung - Aspekte, die z.B. die institutionalistische Forschung zu multinationalen Untemehmen ganzlich ausklammert.^ Der wohl deutlichste und damit auch potentiell fruchtbarste Unterschied zu den vorgestellten Ansatzen diirfte allerdings darin liegen, dass der mikropolitische Ansatz zwei zentrale Paradigmen der Sozialtheorie namlich Voluntarismus und Determinismus vermittelt und verbindet (Neuberger 1988). Eingelost wird diese Integration von Struktur- und Handlungsperspektive durch die Konzeptionalisierung der mikropolitischen Auseinandersetzung als Spiel. Bei diesen Spielen, die in groBer Zahl neben- und hintereinander gespielt, die Organisation pragen - Crozier/ Friedberg (1979) sprechen von Organisationen als „Gesamtheit aneinander gegliederter Spiele" (ebd. 69) - sind die Akteure zwar einerseits an Regeln, Restriktionen und Ressourcen gebunden. Allerdings bieten diese strukturellen Bindungen auch (akteursspezifisch unterschiedliche) Freiraume, die fur individuelle Taktiken und Strategien genutzt werden k5nnen. Es gibt Zwange, aber auch Spielraume. Nach Mintzberg (1983) kommt in Organisationen folgenden Spielen eine besondere Bedeutung zu: Autoritatsspiele, Machtaufbauspiele, Rivalitatsspiele und Veranderungsspiele. Ortmann et al. (1990) unterscheiden zwischen Routine- und Innovationsspielen. Eine eher funktionale Auflistung kennt Budgetspiele, Karrierespiele und Reorganisationsspiele (Neuberger 1988). Ob es auch ein oder mehrere spezifische Intemationalisierungsspiele gibt und wie diese aussehen ist, ist hingegen noch naher zu bestimmen. Dass Fragen der Intemationalisierung im Rahmen anderer Spiele - etwa im Rahmen von Karrierespielen - eine besondere Bedeutung haben, ist evident, beriicksichtigt man beispielsweise die Bedeutung, die die ,richtige' und ,erfolgreiche' Auslandsstation nach wie vor fiir den Sprung ins Topmanagement eines multinationalen Untemehmens hat (Stahl et al. 2002). Auch Budgetspiele werden grenzixberschreitend gespielt. So betonte ein ftir osteuropaische Tochtergesellschaften zustSndiger Manager in einer deutschen Konzernzentrale zum Thema Budgetverhandlungen: „Inzwischen muss man die Ungarn bremsen. Die
Dies tragt wesentlich zu der haufig anamisch und konstruiert wirkenden Argumentation institutioneller Beitrage zur Intemationalisierung von Untemehmen bei.
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bereiten viel Papier vor und wissen genau, wo sie was verstecken. Klar ist aber auch: Wunschlisten der Herren Werkleiter koimen nicht fmanziert werden und goldene Klinken werden auch nicht gebaut. Da pflegen wir eine offene Art des Umgangs und eine schone Streitkultur" (Interview des Autors mit einem deutschen Konzemmanager). Auch fur die Annahme genuiner Intemationalisierungsspiele fmden sich Arguments So stellt beispielsweise die Zugehorigkeit von expatriates zum Stammhaus einerseits und zur Auslandsgesellschaft anderseits eine Situation dar, die hohe Anforderungen an Integrationskraft und Ambiguitatstoleranz stellt (Black et al. 1992). Es ist jedoch auch eine Situation die taktische und strategische Altemativen bietet, die im nationalen Rahmen so nicht verfugbar sind. Tochtergesellschaftsmanager konnen beispielsweise unter bestimmten Umstanden ihnen unliebsame Ansinnen aus der Konzemzentrale mit Verweis auf die institutionellen Strukturen des Landes oder die politische Macht lokaler Akteure abschwachen, modifizieren oder abwehren (siehe dazu die Beispiele bei Tempel 2003 und Becker-Ritterspach et al. 2003). Sie konnen dabei tatsachlich existierende Unterschiede - etwa in der nationalen Arbeitsgesetzgebung - nutzen. Sie konnen aber auch die Besonderheit der Unsicherheitszone, denen sich Akteure in multinationalen Untemehmen gegentlbersehen, funktionalisieren. So hat beispielsweise eine franzosische Tochtergesellschaft eines deutschen Getrankeherstellers ohne Wissen der Zentrale die Griindung einer Tochtergesellschaft in Nordamerika bis zum Eintrag in das ortliche Handelsregister betrieben. Erst administrative Anforderungen des Handelsregistereintrages machten es unumganglich, die Zentrale zu informieren (Interview des Autors mit einem deutschen expatriate in Frankreich). Dass solche Schubladenprojekte von Tochtergesellschaften im Verborgenen soweit gedeihen wie im dargestellten Fall diirfte eher untypisch sein. Dass es sie in nahezu alien auslandischen (und inlandischen) Tochtergesellschaften gibt, ist hingegen unbestritten. Wie weit sich solche Projekte im Verborgenen entwickeln konnen, bzw. grundsatzlich, wie durchsetzungsfahig mikropolitische Akteure sind, hangt, so Crozier/ Friedberg (1979), von der KontroUe tiber die jeweils relevante Unsicherheitszone ab. Dabei besteht die Unsicherheitszone innerhalb von Organisationen in aller Kegel darin, dass potentiell antagonistische Individuen oder Gruppen Bereiche oder Ressourcen kontrollieren, die man selbst zur Durchsetzung der eigenen Ziele benotigt. Wie Individuen und Gruppen ihre Kontrolle ausuben, dtirfte - so die Hypothese - vor dem Hintergrund der mit Intemationalisierungsprozessen verbundenen geographischen, politischen, soziookonomischen und kulturell-religiosen Distanzen in aller Regel schwieriger einzuschat-
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Christoph DOrrenbacher
zen und auch schwieriger zu beeinflussen sein. Zumindest sind andere Kommunikations- und Beeinflussungsstrategien als in kolozierten, national und kulturell homogenen settings zu erwarten. Auch die Interaktionshaufigkeit und die Interaktionsformen - mit ihren jeweiligen praxalen Effekten (Wirkungen, die unabhangig vom inhaltlichen Gegenstand vom Typ der Interaktion ausgehen) sind (zumindest in ihrer relativen Bedeutung) andere.
4.
Forschungsfeld: Mandatsveranderungen
Multinationale Untemehmen weisen als Organisationen, die Lander-, Kulturoder Religionsgrenzen tiberschreiten, ein besonders hohes Konfliktpotential auf. Der wettbewerbspolitisch induzierte Zwang zu strategischer und operativer Integration fuhrt nicht nur zur interessengeleiteten Konfrontation von unterschiedlichen Organisationseinheiten im Konzem, sondem in aller Kegel auch zu einem Aufeinanderprallen von unterschiedlichen individuellen bzw. kollektiven Interessen, Normen und Wertvorstellungen (Kostova 1999). Ein diesbezugliches m der Literatur noch wenig beachtetes Konfliktfeld stellen Auseinandersetzungen um Mandatsveranderungen in multinationalen Untemehmen dar. Mandate sind zeitlich und inhaltlich befristete, von der Untemehmenszentrale verliehene Oder von einzelnen Tochtergesellschaften errungene Kompetenzen bzw. Verantwortlichkeiten, die die konzeminteme Arbeitsteilung in emem multinationalen Untemehmen defmieren (Birkinshaw 1996, 2001). Da Mandate in aller Kegel mit der Kontrolle (iber Kessourcen und Handlungsmoglichkeiten verbunden sind, bestimmen Mandate auch die organisationspolitische Macht einer Konzemeinheit (Cyert/ March 1963, Pfeffer/ Salanickl974, Crozier/ Friedberg 1979, Birkinshaw/ Kidderstrale 1999). Entsprechend bergen Mandatsverandemngen (Mandatsgewinne, Mandatsverluste) in multinationalen Untemehmen ein herausgehobenes Konfliktpotential, insbesondere dann, wenn sie zu einem langerfristig wirksamen up- oder downgrading von Konzemeinheiten fuhren (konnten).*^ Ein upgrading liegt dann vor, wenn eine Tochtergesellschaft eines multinationalen Untemehmen im Zeitverlauf eine anfordemngsreichere Kolle im Konzem iibemimmt bzw. bei gleich bleibendem Aufgabenzuschnitt erheb-
10 Dies schlieBt unterschiedliche Mandatsvergabesituationen (Vergabe zusatzlicher Mandate, Umverteilun^existierender Mandate) und unterschiedliche Mandatstypen (Produkt-, Regional- und Funktionalmandate) ein.
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lich an okonomischer Bedeutung im Konzem gewinnt. Umgekehrt spricht man von downgrading, wenn einer Tochtergesellschaft im Zeitverlauf eine weniger anspruchsvolle Rolle zukommt bzw. wenn sie bei gleich bleibendem Aufgabenzuschnitt erheblich an okonomischer Bedeutung im Konzem einbiiBt.^^ Mandatsveranderungen haben natiirlich auch aus der Perspektive individueller Akteure in multinationalen Untemehmen eine herausgehobene strategische Bedeutung. An die Verteilung von Mandaten im Konzem sind Karrieren, Einflussmoglichkeiten und Arbeitsplatze gebunden (in der Konzemzentrale wie in in- und auslandischen Tochtergesellschaften). Entsprechend ausgepragt ist auch die Orientiemngsfunktion, die Fragen der Mandatsverteilung bzw. ihrer Verandemng fur individuelle Akteure in multinationalen Untemehmen besitzen. Diese Orientiemngsfunktion ist mehr oder weniger latent, da Mandate in aller Kegel zeitlich und inhaltlich begrenzt verliehen werden. Dartiber hinaus existieren konzeminteme und -exteme Verandemngsdynamiken, die einmal implementierte Mandatsverteilungen in Frage stellen. So haben Konzemzentralen zumindest zeitweilig ein Interesse, existierende oder neue Mandate in einem mehr oder weniger offenen Wettbewerbsverfahren (intem und/oder extem) auszuschreiben. Anlasse dafxir konnen sein: Anpassungen an markt- und kostenseitige Verandemngen, Bemuhungen um eine Steigemng von Untemehmenswert bzw. shareholder value oder der Wunsch nach einer groBeren Kontrolle iiber bestimmte Organisationseinheiten, Gleichzeitig bemiihen sich einzelne in- und auslandische Tochtergesellschaften um den Erwerb oder die Ausweitung von Mandaten - entweder, um ebenfalls markt- und kostenseitige Verandemngen aufzufangen oder um ihre Stellung und ihren Einfluss im Konzem zu sichem oder zu verbessem. Folgt man den Pramissen der strategischen Organisationsanalyse (Crozier/ Friedberg 1979, Ortmann 1988), so sind an Auseinandersetzungen um Mandate in multinationalen Untemehmen in erster Linie Manager der Konzemzentrale und Manager von Tochtergesellschaften beteiligt. Je nach Bedeutung und Inhalt
11 Als Referenzfolie fur veranderte Aufgabenzuschnitte kann z.B. die vergleichsweise stark differenzierende Rollentypologie von White/ Poynter (1984) zugrunde gelegt werden. Diese unterscheidet je nach Marktbezug, Produktpalette und WertschOpfungstiefe funf typische RoUen fur Tochtergesellschaften in multinationalen Untemehmen {marketing satellites miniature replicas, rationalized manufacturers, product specialists, strategic independent subsidiaries). Der Umfang der jeweiligen Zu- oder Abnahme der okonomischen Bedeutung einer Tochtergesellschaft im Konzem (bei gleich bleibendem Aufgabenzuschnitt) kann iiber die relative Verandemng der WertschOpftjng der betroffenen Tochtergesellschaft eingeschatzt werden.
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der angestrebten Mandatsveranderung sowie der KonzemgroBe sind dies in der Konzemzentrale das Top Management, Mitarbeiter des strategischen Stabs, Manager mit regionaler oder divisionaler (produktgruppenbezogener) Zustandigkeit sowie - unterhalb dieser Ebene - Manager mit funktionaler Zustandigkeit (z.B. fiir Personal, Fertigung, Vertrieb oder FuE). In den Tochtergesellschaften sind in aller Kegel die general manager (d.h. die Leiter der Tochtergesellschaften) und/oder Manager mit funktionaler Zustandigkeit (z.B. flir Personal, Fertigung, Vertrieb oder FuE) an Auseinandersetzungen um Mandatsveranderungen beteiligt. Dariiber hinaus konnen aber auch verschiedene andere Akteure eine wichtige Rolle bei Mandatsveranderungen spielen. Diese Akteure konnen unmittelbar Teil des Untemehmens sein, etwa Arbeitnehmervertretungen, die mit Zugestandnissen in Standortsicherungsvertragen versuchen, die Mandatsvergabepolitik der Konzemzentrale zu beeinflussen. Es konnen die Aktionare des Untemehmens sein, die darauf drangen, intemationale Kosten-, Leistungs- und Regulationsgefalle durch eine Verandemng der konzemintemen Arbeitsteilung zu nutzen. Es konnen aber auch vom Unteraehmen relativ unabhangige Akteure sein. Zu denken ist hier beispielsweise an Investitionsforderbehorden, die sich fur den Transfer von Mandaten in ihr Territorium stark machen, oder aber an NGOs, die bestimmte Mandate abzuwehren versuchen, weil sie unerwtinschte Produktions- oder FuE-Aktivitaten nach sich Ziehen. Diesen stakeholdern von Mandatsverandemngsprozessen ist jedoch gemeinsam, dass sie in aller Kegel nicht direkt in die Auseinandersetzungen um Kompetenztransfers eingreifen. Vielmehr gehen ihre Interessen und Positionen in die Strategien der manageriellen Akteure ein und haben dort eine ermoglichende oder restringierende Wirkung ohne diese jedoch vollig zu bestimmen.
5.
Zur Mikropolitik von Mandatsveranderungen
Was im einzelnen das Handebi von relevanten Akteuren m Mandatsvergabeauseinandersetzungen pragt, welchen Stellenwert dabei unterschiedliche institutionelle Gegebenheiten, konzemweite Praktiken und Koutinen sowie (sub-)organisationsbezogene und individuelle Interessen haben, kann an dieser Stelle nur in Ansatzen und nur am Beispiel eines Akteurstyps - namlich dem des general managers von auslandischen Tochtergesellschaften - dargestellt werden. Nichtsdestotrotz gehen die folgenden Ausflihmngen tiber die bislang dominierenden kontingenztheoretischen Ansatze hinaus, die Mandatsverandemngspro-
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zesse in multinationalen Untemehmen ausschlieBlich auf strukturelle bzw. institutionelle Einfliisse zurtickfiihren. Dabei ist zunachst zu bemerken, dass die Hinwendung zu einer handlungstheoretischen Perspektive keineswegs negiert, dass die Handlungsmuster innerbetrieblicher Akteure nur mit Bezug auf ihre strukturellen Konstitutionsbedingungen zu verstehen sind. Allerdings ist dies lediglich eine notwendige, keine hinreichende Bedingung - es sei denn, man betrachtet (politisch naiv) Akteure in Organisationen ausschlieBlich als willfahrige Ausfiihrungsorgane struktureller und institutioneller ZwSnge. Realitatsnaher erscheint demgegeniiber, „(•••) dass jedes Handebi von Akteuren in, fur und mit Bezug auf Organisationen stets auch ein Handeln unter Beachtung und in Verfolgung eigener Interessen der Akteure ist" (Kiipper/ Felsch 2000: 149). Wie sich dabei strukturelle und institutionelle Gegebenheiten bzw. Zwange und individuelle Spiebaume zueinander verhalten und gegenseitig beeinflussen, sind interessante, bislang aber noch weitgehend offene empirische Fragen. Relevante strukturelle und institutionelle Einfliisse, die auf die Handlungsoptionen und das Handebi von Tochtergesellschaftsmanagem in Auseinandersetzungen um Mandatsveranderungen wirken, lassen sich in gastland-, tochtergesellschafts- und konzembezogene Faktoren unterscheiden (fur eine Herleitung vgl. Dorrenbacher/ Gammelgaard 2004). •
Gastlandbezogene Faktoren umfassen dabei im Wesentlichen das nationale Institutionengefiige, die Faktorausstattung des Landes sowie die Regierungspolitik gegeniiber Auslandsinvestitionen. Ausdifferenzierungen dieser gastlandbezogenen Faktoren sind hinlanglich in der Standardliteratur zum strategischen Management multinationaler Untemehmen (z.B. Welge/ Holtbrugge 200: 95-154; Kutschker/ Schmid 2005: 795-1040) sowie in der inzwischen stark angewachsenen institutionalistischen Literatur zur Internationalisierung von Untemehmen (siehe Kapitel 2) beschrieben.
•
Tochtergesellschaftsbezogene Faktoren, die Einfluss auf die Handlungsoptionen und das Handeln von Tochtergesellschaftsmanagem haben, liegen vor allem in den Ressourcen und Fahigkeiten, tiber die Tochtergesellschaflen verfligen. Diese sind zunachst von der funktionalen Rolle oder anders ausgedriickt vom Aufgabenzuschnitt, den die jeweilige Tochtergesellschaft hat, bestimmt. Entscheidend fur die Handlungsoptionen sind dabei - dem resource-dependence-AnsdXz folgend - vor allem so genannte diskrete Ressourcen, d.h. Ressourcen, die einen wesentlichen Wertschopfungsbeitrag leisten, schwer zu imitieren und zu ersetzen sind (Bamey 1991),
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•
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Dies verweist zugleich auf die dritte und letzte hier als relevant erachtete Gruppe struktureller Einflussfaktoren, namlich auf die konzembezogenen Faktoren. So hangen die Handlungsoptionen von Tochtergesellschaflsmanagem im Rahmen von Mandatsveranderungsprozessen auch von der Konfiguration des Konzems und der jeweiligen Mandatsvergabepolitik der Konzemzentrale ab. Bezogen auf die Konfiguration ist vor allem die Frage nach existierenden Konkurrenzstandorten im Konzem relevant. Auch die ggf vorhandene Bereitschaft der Konzemleitung, Mandate im Rahmen von outsourcing Prozessen nach auBen zu geben, spielt eine wichtige RoUe fur das Handeln von Tochtergesellschaftsmanagem. Insgesamt ist bei Auseinandersetzungen um Mandatsveranderungen in multinationalen Unternehmen von einer strukturellen Asymmetric zwischen der Konzemzentrale und den an Mandatsveranderungsprozessen beteiligten bzw. davon betroffenen Tochtergesellschaften auszugehen.*^ Denn trotz Dezentralisierungstendenzen gehoren Entscheidungen iiber Mandatsveranderungen im Konzem zu den wesentlichen strategischen Prarogativen der Zentrale, die eine einheitliche Konzemleitung erst begrtinden (vgl. dazu u.a. Hirsch-Kreinsen 1998b, Kohler 1999, Sydow 1998, Wortmann 2000).
Gastland-, tochtergesellschafts- und konzembezogene Faktoren treten fallspezifisch in unterschiedlicher Auspragung und Gewichtung auf und bilden wesentliche stmkturelle und institutionelle Handlungsvoraussetzungen fur Tochtergesellschaftsmanager in Mandatsauseinandersetzungen. Allerdings bestimmen sic das Handeln dieser Akteure nur zum Teil. Der mikropolitischen Pramisse folgend besitzen auch individuelle Interessen Handlungsrelevanz. Besonders deutlich wird dies in Fallen, in denen eine Parallelitat der Tochtergesellschaftsrationalitat und der ihrer general manager nicht gegeben ist.^^ So kann beispielsweise nicht umstandslos davon ausgegangen werden, dass eine Tochtergesellschaft als Ganzes immer an der Wahrung ihres Mandats bzw. ihres Status Quo in der konzernintemen Arbeitsteilung interessiert ist. Nicht selten kommt es beispielsweise vor, dass ein Tochtergesellschaftsmanager - in aller Regel ein expatriate - unter Karrieregesichtspunkten seinen individuellen Nutzen gerade dadurch maximiert, dass er (auf Wunsch der Konzemzentrale) das
12 Ausnahmen bestatigen auch hier die Regel. 13 Eine solche Parallelitat nimmt die Literatur zu Mandatsveranderungen in multinationalen Untemehmen jedoch bislang stets an.
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Mandat seiner Tochtergesellschaft moglichst reibungslos zuriickgibt (und ggf. den Standort schlieBt) (vgl. dazu auch Flecker 2000). Nationalitat und Karriereorientierung sind also relevante, in der Folge etwas naher betrachtete individuelle Faktoren, die das Handeln von Tochtergesellschaftsmanagem in Auseinandersetzungen um Mandatsveranderungen beeinflussen konnen (vgl. dazu auch Dorrenbacher/ Geppert 2005). •
Einer etablierten Kategorisierung zufolge besitzen Manager auslandischer Tochtergesellschaften entweder die Nationalitat des Gast-, des Stamm- oder eines Drittlandes. Dabei werden den so genannten home country nationals (anderer Begriff: expatriates), host country nationals (anderer Begriff: inpatriates) und third country nationals jeweils andere Handlungsorientierungen unterstellt (Harzing 1999). Home country nationals (oder expatriates) gelten als stark auf die Ziele der Konzemzentrale hin orientiert. Ihnen wird eine effiziente Kontrolle der Tochtergesellschaft und eine weitgehend ungebrochene Umsetzung der zentralen Konzempolitik unterstellt - allerdings nur solange sich expatriates nicht zu sehr assimilieren, etwa durch eine Heirat, einen Religionswechsel oder einen langjahrigen Aufenthalt im Gastland. Ftir home country nationals (oder inpatriates) wird demgegentiber grundsatzlich eine lokale d.h. eine auf die Fortentwicklung der Tochtergesellschaft ausgerichtete Orientierung angenommen. Folgt man Petersen et al. (1996, 2000) so ist diese Annahme allerdings nur solange zwingend, wie inpatriates keine intemationalen Karriereoptionen haben (was wiederum vom Karrieresystem des multinationalen Untemehmens und den jeweiligen Fahigkeiten des inpatriates abhangt). Eine zwischen den Interessen der Konzemzentrale und den Interessen der Tochtergesellschaft starker ausbalancierte Orientierung wird schlieBlich third country nationals attestiert. Die absolute Zahl der Manager, die weder aus dem Heimat- noch aus dem Gastland stammen, ist verglichen mit der Zahl von ex- und inpatriates allerdings auBerst gering. Das gleiche gilt ftir Tochtergesellschaftsmanager mit binationalen, bilingualen oder bikulturellen Biographien (Dorrenbacher/ Riedel 2000).
•
Wie bereits im vorherigen Punkt angedeutet, sind Handlungsorientierungen von Tochtergesellschaftsmanagem, die aus der jeweiligen Nationalitat herriihren, nicht unveranderlich. Eine wesentliche Rolle scheinen dabei vor allem die Karriereambitionen und -orientiemngen von Tochtergesellschaftsmanagem zu spielen. Wahrend klassische Karrieremodelle lange Zeit davon ausgingen, dass Karriereambitionen relativ stark vom Alter abhangig sind
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(Hall/ Nougain 1968), hat sich als Folge der zunehmenden Entstandardisierung von Berufsbiographien inzwischen eine Perspektive durchgesetzt, die Karriereambitionen an die Frage der beruflichen Arriviertheit bindet (Hall 2002). Inwieweit sich die general manager von Tochtergesellschaften als arriviert betrachten oder weitere Karriereambitionen hegen, hangt hingegen von einer Vielzahl personlicher Faktoren wie z.B. Alter, Familienstand, Gesundheitszustand, Selbsteinschatzung und Einschatzung des erreichten beruflichen Status ab. Auch organisational Bedingungen, also Karriere-, Anreiz-, Entlohnungs- und Unterstiitzungssysteme des multinationalen Unternehmens (Peltonen 1992, Stahl et al. 2002) sowie situative Bedingungen weiterer Karriereschritte - also Fragen der geographischen Mobilitat (Mayrhofer 1996) oder zu erwartender Veranderungen bei Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalten (Kanter 1989, Schein 1990) - spielen eine wichtige Rolle. Von der Auspragung dieser Faktoren und ihrer Verschrankung mit der jeweiligen Nationalitat des general managers hangt schlieBlich auch ab, ob sich dessen Karriereambitionen hierarchisch auf einen Aufstieg im Konzem oder auf die Weiterentwicklung der okonomischen und politischen Bedeutung der lokalen Tochtergesellschaft richten. Inwiefem das Handeln von Tochtergesellschaftsmanagem bei Mandatsveranderungen strukturell und institutionell praformiert und/oder von individuellen Interessen und Orientierungen gepragt ist, soil in der Folge an drei ausgewahlten Fallbeispielen illustriert werden/"^ •
Im ersten Fall nutzte ein junger, auf eine Karriere im Stammhaus orientierter Manager einer franzosischen Tochtergesellschaft eines deutschen Dienstleistungsuntemehmens das Mandat seiner Tochtergesellschaft, den fi*anzosischen Markt zu bearbeiten, zur Entwicklung detaillierter Umstrukturierungsvorschlage mit einem groBen Rationalisierungspotenzial fur den Gesamtkonzem. Die Idee fur diese Vorschlage stammte von einer jiingst erfolgten Umgestaltung eines wichtigen franzosischen Konkurrenten. Der Manager hatte diese Restrukturierung mit Blick auf seine Karriereambitionen im Stammhaus besonders sorgfaltig beobachtet und analysiert. Mit Hil-
14 Die Fallbeispiele wurden im Rahmen des WZB-Projekte^: „Entrepreneurship in multinationalen Untemehmen" erhoben.
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fe einer breiten Koalition intemer und extemer stakeholder gelang es ihm, den Konzemvorstand von „seiner" Idee zu tiberzeugen. •
Im zweiten Fall betrieb ein Manager mit einer stark auf untemehmerische Initiative {Qntrepreneurship) abstellenden Karriereorientierung die kontinuierliche Ausweitung und Aufwertung der Aktivitaten der imgarischen Tochtergesellschaft einer deutschen Softwarefirma. Dieser Manager, ein etwa 35-jahriger ungarischer Soflwareingenieur, machte sich zunachst dafiir stark, alle Vertriebsaufgaben fur Ungam, die ursprtinglich von Osterreich aus erledigt wurden, in Budapest zu konzentrieren. Neben der tJbemahme und dem sukzessiven Ausbau der Vertriebsaktivitaten gelang es dem Manager dann, gegen groBe Konkurrenz aus dem Stammland ein Call Center fxir deutschsprachige Kunden des Softwareuntemehmens in Ungam anzusiedeln und nachfolgend dessen Aktivitaten auszubauen. Dariiber hinaus versuchte er, zunehmend Mitarbeiter in international Teams zu delegieren, um die Leistungsfahigkeit seiner Tochtergesellschaft zu verbessem. Langfristiges Ziel war dabei, starker an der zentralen Produktentwicklung in Deutschland teilzuhaben.
•
Eine professionsbezogene Karriereorientierung war demgegentiber der wesentliche Antrieb dafiir, dass im dritten Fall ein kurz vor der Pensionierung stehender Manager einer fi'anzosischen Tochtergesellschaft eines deutschen Automobilzulieferers das technologische Know-how der von ihm geleiteten Tochtergesellschaft stark ausgebaut hat. Ohne Unterstiitzung durch die Konzemzentrale hatte der Manager, ankniipfend an seine jahrelange Tatigkeit als Ingenieur, zusammen mit seiner Belegschaft erhebliche Prozessverbesserungen erzielt. Eine auf dieser Basis angestrebte Ausweitung des Mandats, die auf eine breitere Nutzung der Know-how-Basis zielte, aber zusatzlicher mvestiver Mittel bedurft hatte, wurde jedoch von der Konzemzentrale blockiert. Ausschlaggebend war hier, dass die eher mittel- bis langfristigen Gewinnerwartungen sich nicht mit dem verstarkten Interesse der Konzemzentrale an einer kurzfristigen Verbesserung des shareholder value deckten.
Die Fallbeispiele zeigen den groBen Einfluss, den individuelle Karriereinteressen und -orientierungen darauf haben, wie Tochtergesellschaftsmanager die Mandate ihrer Unternehmenseinheiten ausfiillen oder zu entwickeln suchen. Sie verweisen aber zugleich auch auf die Bedeutung organisationaler und institutioneller Faktoren sowie auf das Zusammenspiel individueller Interessen und stmktureller/institutioneller Handlungsbedingungen. So scheiterten im zuletzt
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geschilderten Fall die Plane der franzosischen Zuliefertochter (und ihres Managers), ihr Mandat auszuweiten, an der zunehmenden shareholder-valueOrientierung der Konzemzentrale. Im Fall der ungarischen Softwaretochter war die Verfiigbarkeit einer groBen Anzahl vergleichsweise preiswerter, deutsch sprechender Arbeitskrafte in Budapest eine wesentliche Vorbedingung dafur, dass der Manager mit seiner Idee ein Call Center anzusiedeln erfolgreich war. Ahnlich verhielt es sich auch im ersten Fall. Erst die Umgestaltung eines wichtigen franzosischen Konkurrenten brachte den Manager der Tochtergesellschaft auf die Idee, sein Mandat zu nutzen und einen ahnlichen Umstrukturierungsvorschlag fur den Gesamtkonzem zu entwickeln. Dass er dabei weniger die Entwicklung des Mandats , seiner' Tochtergesellschaft im Auge hatte, sondem vordringlich seine personliche Karriere vorangetrieben hat, steht in gewissem Gegensatz zu den beiden anderen Fallen. Ein Gegensatz, der jedoch belegt, dass individuelle Interessen in bestimmten Fallen strukturelle und institutionelle Bedingungen iiberlagem konnen. Uber die bisherigen Befimde, die lediglich die Rolle und die Bedeutung interessengeleiteten Handelns von Tochtergesellschaftsmanager im Zusammenhang mit Mandatsveranderungen belegen, ist z.B. die Frage zu stellen, ob unterschiedliche Mandatstypen (Produkt-, Regional oder Funktionalmandate), unterschiedliche Heimat- und Gastlandkombinationen oder Unterschiede in der gesamtstrategischen Aufladung von Mandatsveranderungen unterschiedliche Spielraume fiir interessengeleitetes Handeln bieten. Dariiber hinaus stellt sich nattirlich auch die Frage nach den Handlungsrationalitaten und Handlungsoptionen der anderen, wesentlich an Mandatsveranderungen in multinationalen Untemehmen beteiligten Akteure. Gemeint sind damit vor allem die relevanten Akteure in den Konzemzentralen. Nicht zu vergessen ist schlieBlich auch die Prozess- und Interaktionsebene mikropolitischer Auseinandersetzungen um Mandatsveranderungen, die moglicherweise iiberraschende Erklarungen parat halt. Alles in allem ist die Frage nach der Mikropolitik von Mandatsveranderungen in multinationalen Untemehmen ein breites und noch weitgehend offenes Feld ftxr zukUnftige Forschung. Viel versprechende Ergebnisse sind dabei z.B. hinsichtlich der Frage zu erwarten, wie in komplex strukturierten Untemehmen ftmktionale Erfordemisse von Leistungsvollztigen und Profitstrategien mit individuellen wie kollektiven Interessen interagieren (Pries 1998) oder welche Interaktionsformen und praxale Effekte eine Rolle spielen. Bereits jetzt schon deutlich ist hingegen, dass der organisatorische Wandel in multinationalen Untemehmen eher als mikropolitisch verhandelt (Westney 1993), denn als zentral gesteuert (Thurow 1999) zu begreifen ist. Dies gilt auch flir die Ein-
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fuhrung vermeintlicher Idealmodelle, wie die weiter oben erwahnte transnationale Losung von Bartlett und Ghoshal.
6.
Zusammenfassung und Ausblick
Mikropolitisch ausgerichtete Untersuchungen in multinationalen Untemehmen versprechen interessante Einsichten. Widersinnig erscheinende oder gar pathologisch anmutende Entwicklungen in Untemehmen werden mit Blick auf das interessengeleitete Handeln und Zusammenhandebi von Akteuren verstandlicher. Institutionelle Ansatze zur Intemationalisierung von Untemehmen, die teilweise anamisch wirken, einen Wandel ausschlieBen und innere Widerspriiche ignorieren, konnten durch die Erganzung der mikropolitischen Perspektive belebt werden. Normative Ansatze, die von einem zentral gesteuerten Wandel hin zu einer transnationalen Losung ausgehen, konnten durch eine mikropolitisch inspirierte Organisationsforschung geerdet werden. Auch der gerade in Deutschland nur mdimentar entwickelte managementsoziologische Diskurs konnte von der integrierten Sichtweise des mikropolitischen Ansatzes profitieren. SchlieBlich konnte auch umgekehrt der mikropolitische Ansatz von einer Beschaftigung mit multinationalen Untemehmen profitieren. Bisherige empu-ische Anwendungen des Ansatzes haben ausschlieBlich in kollozierten, national und kulturell homogenen settings stattgefunden. Die Rolle geographischer, managementkultureller oder soziookonomischer Distanzen in mikropolitisch gepragten Auseinandersetzungen ist hingegen noch weitgehend unerforscht. Die Realisiemng dieser unbestreitbaren Potentiale - etwa durch die hier vorgeschlagene Untersuchung von Mandatsverandemngsprozessen in multinationalen Untemehmen - ist jedoch an bestimmte Bedingungen gekniipft. Ein guter Feldzugang, offene Gesprachspartner und ein mehrsprachiges, selbstreflexives Forscherteam sind nur einige notwenige Voraussetzungen. Die Beherrschung eines breiten Methodensets, das von der Analyse statistischer Daten liber die Interpretation institutioneller Faktoren bis hin zur Triangulierung und Validiemng von Interviewergebnissen reicht, gehort ebenfalls dazu, nicht zu vergessen die Bereitschafl zu risikoreicher Forschung.
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Florian Becker-Ritterspach
Wissenstransfer und -integration im Transnationalen Konzern: Eine soziologische Perspektive*
1.
Einleitung
Der Begriff des Transnationalen Konzems (TNK) als neuer Organisationstyp ist maBgeblich aus der Intemationalen Business und Management (IB&M) Literatur hervorgegangen. Basierend auf kontingenztheoretischen LFberlegungen (v.a. Lawrence/ Lorsch 1967) versteht die IB&M Literatur den TNK als einen Organisationstyp, der in der Lage ist, auf komplexe interne und exteme Umweltanforderungen (environment) strategisch (strategy) und sodann organisationsstrukturell, -prozessual und auch -kulturell (structure/ process) zu reagieren (Harzing 1999). Exemplarisch fmdet sich dieses Konzept des TNK in Bartlett und Ghoshals Arbeit „Managing Across Borders, The Transnational Solution". Bartlett und Ghoshal zufolge sind weltweit agierende Konzeme dreierlei Umweltanforderungen ausgesetzt, und zwar „forces for global integration", „forces for local differentation" und „forces for worldwide innovation" (Bartlett/ Ghoshal 1998: 6-14). Auf der Ebene der Untemehmensstrategie formen sich diese zu einer Trias durchaus widerspriichlicher Aufgaben aus: Das Erreichen globaler Effizienz, Anpassungen an nationale Kontexte sowie die Fahigkeit, Wissen auf weltweiter Basis zu generieren, zu ubertragen und zu integrieren. Eher als annahrungswerter Idealtyp durch die Autoren defmiert, zeichnet sich der TNK als spezifischer Organisationstyp dadurch aus, den drei skizzierten Anforderungen gleichzeitig gerecht zu werden.
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Ich mOchte an dieser Stelle meiner Frau Jutta Becker-Ritterspach fur ihre hilfreichen Kommentare und ihre redaktionelle Mitarbeit danken.
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Florian Becker-Ritterspach
In organisationsstruktureller Hinsicht tibersetzen sich diese Anforderungen im TNK in Konfigurationen, in denen Dependenzen und hierarchische Beziehungen Interdependenzen und netzwerkformigen Beziehungen weichen. In diesem „integrated network" sind Kemkompetenzen, Ressourcen oder Vermogenswerte in strategischer Weise verteilt und/ oder konzentriert (Bartlett/ Ghoshal 1998: 102). „The transnational centralizes some resources at home, some abroad, and distributes yet others among its many national operations. The result is a complex configuration of assets and capabilities that are distributed, yet specialized" (Bartlett/ Ghoshal 1998: 69).
Als Folge dieser strukturellen Asymmetrie fallen den Konzemeinheiten sehr unterschiedliche strategische Rollen zu (vgl. Birkenshaw 2000). Gleichzeitig ergeben sich auf der Grundlage dieser Rollendifferenzierung und der globalen Arbeitsteilung sehr komplexe Ressourcenfltisse und hohe Integrationserfordemisse. Diese lassen sich zunehmend weniger mit rein strukturellen Losungen bewaltigen und legen ein differenziertes Portfolio an Koordinations- und Steuerungsmechanismen nahe. Dabei wird den Mechanismen, etwa Formen der Sozialisation, die zur „normativen Integration" (Bartlett/ Ghoshal 1998: 80) beitragen, wachsende Bedeutung zugemessen. Neben der weltweiten Verteilung/ Spezialisierung von Ressourcen und der Rollendifferenzierung von Niederlassungen wird die Entwicklung und Teilung von Wissen auf weltweiter Basis von Bartlett und Ghoshal (1998) als drittes konstitutives Element des TNK herausgearbeitet. Die Fahigkeit zur globalen Entwicklung und Diffusion von Wissen wird als zentrale Voraussetzung flir innovationsgetriebene Wettbewerbsfahigkeit gesehen. Bartlett und Ghoshal (1998) unterstreichen, dass die Fahigkeit, Innovationen zu generieren, vor dem Hintergrund wachsender Forschungs- und Entwicklungskosten, sich verkiirzender Produktlebenszyklen sowie des Bedeutungsgewinns von integrierten Systemen, zum vielleicht wichtigsten Wettbewerbsfaktor fiir weltweit agierende Konzeme geworden ist. Es ist vor allem dieser letzte Aspekt des TNK - d.h. die Analyse von Wissensprozessen - der in der jtingsten IB&M Literatur massiv in den Mittelpunkt geriickt wurde. Ausgehend von einem Organisationsverstandnis, das den weltweit agierenden Konzem als ,integrated network' oder ,differentiated network' konzipiert (vgl. Doz/ Prahalad 1991, Nohria/ Ghoshal 1997), wird zunehmend die Frage gestellt, welche Bedmgungen Wissensprozesse in TNK ermoglichen oder beschranken.
Wissenstransfer und -integration im Transnationalen Konzem
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Auch der vorliegende Beitrag geht dieser Frage nach und misst Wissensprozessen in TNK eine zentrale Bedeutung bei (vgl. auch den Beitrag von Klemm und Popp in diesem Band). Das nicht zuletzt deshalb, weil sich dieser Organisationstyp mit besonderen Innovations- und globalen Integrationsanforderungen konfrontiert sieht. Durch die starke Verkniipfung seiner Einheiten ist der TNK als spezifischer Organisationstyp darauf angewiesen, dass vertikale und laterale Wissenstransfers gelingen. Gleichzeitig steht die erhohte organisationale Differenzierung in Kombination mit der gezielten Anpassung an nationale Kontexte dem einfachen Transfer universal gtiltigen Wissens entgegen. Wiewohl es auch in diesem Beitrag um Wissensprozesse in TNK geht, wird hier das Ziel verfolgt, den eher mechanistischen Vorstellungen von Wissensprozessen der IB&M Literatur - in denen Akteure bestenfalls als rational und individualisiert Handelnde erscheinen - eine originar organisationssoziologische Perspektive gegentiberzustellen. Hieraus ergibt sich die Struktur des Beitrags. Der Beitrag beginnt mit einem kursorischen tJberblick und einer kurzen Kritik neuerer Beitrage zum Wissenstransfer in der IB&M Literatur). In diesem Zusammenhang wird ein empirisches Beispiel herangezogen, an dem aufgezeigt wird, dass die klassische IB&M Literatur zum Wissenstransfer transformationsblind ist (Abschnitt 2). Unter Riickgriff auf den Skandinavischen Institutionalismus und die Strukturationstheorie werden im folgenden Abschnitt (Abschnitt 3) die Grundlagen zur Entwicklung eines soziologischen Analyserahmens zum Verstandnis von Wissensintegration in TNK gelegt. An diese Diskussion schlieBt die Entwicklung eines alternativen Analysemodells zum besseren Verstandnis von Wissensprozessen in TNK an (Abschnitt 4). AbschlieBend erfolgt eine kurze Diskussion der Forschungsimplikationen, die sich aus dem vorgeschlagenen Analysemodell ergeben (Abschnitt 5).
2.
Wissensprozesse in Transnationalen Konzernen: Eine Kritik der IBi&M Perspektive
2.1 Herkommliche Perspektiven zu Wissensprozessen in TNK Obwohl die Relevanz von Wissen fur TNK schon seit einiger Zeit diskutiert und in Beitragen zu Wissensprozessen in weltweit agierenden Konzernen verarbeitet wurde (z.B. Buckley/ Casson 1976, Ghoshal/ Bartlett 1988, Gupta/ Govindara-
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jan 1991, Kogut/ Zander 1993, Hedlund 1994), gerat die Debatte erst Anfang 2000 in Schwung. Dabei spielt vor allem der weithin zitierte Beitrag von Gupta und Govindarajan (2000) „Knowledge Flows within Multinational Corporations" eine zentrale Rolle. Basierend auf dem Konzept des ,differenzierten Netzwerks' untersuchen die Autoren, wie Wissenszufltisse und WissensabflUsse in und aus Niederlassungen mit wissensrelevanten Charakteristiken der sendenden Niederlassungen, der empfangenden Niederlassungen sowie der Reichhaltigkeit von Ubertragungskanalen im Zusammenhang stehen (Gupta/ Govindarajan 2000: 473). Im Zentrum dieser neueren Debatte zum Wissenstransfer in multinationalen Untemehmen steht die Frage, inwieweit die Charakteristiken modemer TNK verstanden als differenzierte Netzwerke - Wissensfllisse behindem oder ermoglichen. Als Ergebnis einer kursorischen Analyse jiingerer Veroffentlichungen lassen sich die folgenden funf Einflussfaktoren auf Wissensprozesse als die meistdiskutierten identifizieren: 1.) die Eigenschaften der sendenden Einheit - v.a. Sendemotivation und Wissensstock (Szulanski 1996, Foss/ Pedersen 2002, Gupta/ Govindarajan 2000). 2.) die Eigenschaften der empfangenden Einheit - Positionen im Netzwerk, Empfangsmotivation und absorptive Kapazitat (Szulanski 1996, Foss/ Pedersen 2002, Gupta/ Govindarajan 2000, Minbaeva et al. 2002, Tsai 2001). 3.) die Eigenschaften des intra-organisationalen Netzwerkes bzw. der Beziehungen zwischen Einheiten - basierend auf strukturellen Konfigurationen, sowie den angewandten Koordinations- und Steuerungsmechanismen (Szulanski 1996, Almeida/ Phene 2004, Bjorkman et al. 2004, Dhanaraj et al. 2004, Foss/ Pedersen 2002, Gupta/ Govindarajan 2000, Hansen 1999, Hansen 2002, Hansen/ Lovas 2004, Teigland et al. 2001, Tsai 2001). 4.) die Eigenschaften des iibertragenen Wissens selbst - v.a. die auf Polanyi (1966) zuriickgehende Unterscheidung zwischen „tacit" und „explicit knowledge" (Szulanski 1996, Dhanaraj et al. 2004, Foss/ Pedersen 2002, Hakanson/ Nobel 2000, Hansen 1999, Hansen 2002, Kotabe et al. 2003, Schulz, 2003). 5.) die Eigenschaften mter-organisationaler Netzwerke bzw. der lokalen/ externen Umwelten einer Einheit (Almeida/ Phene 2004, Forsgren et al. 1999, Foss/
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Pedersen 2002, Frost 2001, Mudambi, 2002, Pearce/ Papanastassiou 1999, Kotabe et al. 2003, Singh 2004, Yamin/ Otto 2004). Ohne Zweifel hat die einschlagige IB&M Literatur einen grundlegenden Beitrag zum Verstandnis wichtiger Einflussfaktoren auf Wissensprozesse in komplexen Untemehmensnetzwerken von TNK geliefert. Gleichzeitig teilen die genannten Beitrage aber eine Reihe fundamentaler Schwachen in der Konzeptionalisierung von Wissensprozessen. Die meisten Arbeiten konzentrieren sich auf die Analyse von WissensflUssen. In diesen Analysen nimmt Wissen nachgerade fliissigkeitsahnliche Eigenschaften an, wobei vermeintliche Fltissigkeitsdichten (z.B. Arten des Wissens), Pipelinestrukturen (z.B. Art des Netzwerkes) und Speicherkapazitaten von Tanks (z.B. absorptive Kapazitat) die Wissensflusse bestimmen. Wenig erfahren wir demgegeniiber tiber den transformatorischen Charakter von Wissensprozessen, d.h. insbesondere der Integration von Wissen. Was geschieht mit Wissen und was geschieht mit dem empfangenden Kontext, wenn Wissen transferiert wird? Wenig erfahren wir auch dariiber, wie sich Wissensprozesse im allgemeinen und Wissensintegration im besondem auf der Mikroebene abspielen, wie diese durch die Interaktion konkreter Akteure konstituiert sind. Und schlieBlich erfahren wir kaum etwas tiber die soziale Konstitution dieser wissensintegrierenden Interaktionen.
2.2 Eine mangelnde Transformationsperspektive Bin Grundproblem der IB&M Literatur liegt in ihrer mangelnden Transformationsperspektive. Eine genauere Analyse zeigt, dass sich dieses Problem zum einen aus dem Umstand ergibt, dass Wissensfliisse in der IB&M Literatur in der Kegel einer spezifischen Ergebnisbetrachtung unterliegen. So wird zum Beispiel die erfolgte oder nicht erfolgte Wissensubertragung nur sehr indirekt an ,patent citations' (z.B. Almeida/ Phene 2004, Yamin/ Otto 2004), Produkteinfuhrungen (Tsai 2001) oder am Vorfmden vorab defmierter Wissensarten (Gupta/ Govindarajan 2000, Hansen 2002, Schulz 2003) gemessen. Was derartige Ergebnisperspektiven jedoch nicht beantworten, ist die Frage, wie sich das Wissen, seine Bedeutungen und seine Anwendungen beim Auftreffen in einem neuen Kontext verandert haben. Die ,Blindheit' der Flussbetrachtungen vordefmierter Wissensinhalte (und das Potential altemativer Betrachtungen) lasst sich sehr gut mit der Hilfe von Beitragen veranschaulichen, die zum Verstehen von Transferergebnis-
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Florian Becker-Ritterspach
sen auf ethnographische Forschungsmethoden zurlickgreifen. In diesem Zusammenhang sind die Arbeiten von van Maanen und Laurent (1993) „The Flow of Culture: Some Notes on Globalization and the Multinational Corporation" und von Brannen (2004) „When Micky Loses Face: Recontextualization, Semantic Fit and The Semiotics of Foreigness" sehr erhellend. Beide Arbeiten beziehen sich auf den Versuch der Walt Disney Company, Disney Land im Ausland zu replizieren. Van Maanen und Laurent (1993) zeigen, dass Tokio Disneyland auf den ersten Blick eine physische und soziale Kopie des Disneylands Stidkalifomiens zu sein scheint (das Schloss, die Flaggen, die Attraktionen, die ordentlichen Wege und Sauberkeit etc.): „a clone created 6000 miles away and perhaps something of a cultural bomb dropped on perfect strangers" (ebd.: 284). Eine reine Flussperspektive vordefmierter Ubertragungsinhalte, wie in der IB&M Literatur gemeinhin eingenommen, wiirde dabei also feststellen, dass ein erfolgreicher Transfer stattgefunden hat. Bestenfalls wtirde bei einem inventurartigen Vorgehen festgestellt werden, dass einige Attraktionen fehlen, hinzugefugt oder umbenannt wurden. Eine solche Herangehensweise lasst aber auBen vor, wie sich die Bedeutungen und Verhaltensweisen etwa bei Mitarbeitem und Kunden verschieben. Erne solche Analyse bieten demgegentiber van Maanen und Laurent (1993) sowie Brannen (2004). Insbesondere Brannen zeigt mit Hilfe eines semiotischen Ansatzes, wie sich die Bedeutungen von Produkten, Praktiken und tiefer gelagerten Ideologien des Themenparks in den Kontexten Japans und Frankreichs verandem. So stehen in Japan zum Beispiel ,Micky' und ,Minnie Maus' im Zentrum des Parks. Sie stehen hier fur das Niedliche, das StiBe und Entztickende und wecken vor allem Assoziationen des Unkomplizierten, Sicheren und Verlasslichen der Kindheit (Brannen 2004). Brannen macht deutlich, dass die groBe Bedeutung, die Micky und Minnie im japanischen Park zukommt, letztlich in der hohen Wertschatzung griindet, die im japanischen Kontext allem zukommt, was klein und niedlich ist. Ganz anders ist die Rolle von Micky Mouse in Disneyland Paris. Hier wird Micky als ein wenig gerissener und frecher als in den USA dargestellt. Insgesamt wird aber das eher saubere Image von Micky Mouse in Frankreich als uninteressant wahrgenommen und flihrt - im Gegensatz zu Japan - zu einer vergleichsweise untergeordneten Bedeutung Mickys im Pariser Park. Derartige Bedeutungsverschiebungen sowie auch Verhaltensverschiebungen lassen sich auch an bestimmten Praktiken des Parks erlautem. Die ausgepragte Freundlichkeit und Serviceorientierung gehoren zu den Schltisselpraktiken, die dazu beitragen sollen, dass Disneyland von den Besuchem als „The Happiest Place on Earth" wahrgenommen wird. Was die Parks in den USA betrifft, so gelingt es, diese service-bezogenen Verbal-
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tenserwartungen den Mitarbeitem verbindlich zu vermitteln. Ein wichtiges Vehikel ist dabei das Training in der Disney University. Ftir die Besucher bedeuten die im Park erlebten Servicepraktiken nun einen starken Gegensatz zu den normal erlebten Service-Praktiken im Alltag. Brannen bezeichnet die in den USA Disneyland wahmehmbaren Praktiken auch als ,hypemormar (ebd.: 609). Bei dem Versuch, in Japan eine ahnliche Serviceorientierung zu reproduzieren, zeigten sich wenige Probleme. Gleichzeitig kommt ihnen aber eine andere Bedeutung zu. In einem Land mit stark ausgepragter Service- und Harmonieorientierung wie Japan werden derartige Service-Praktiken der Mitarbeiter von den Besuchem nicht als Kontrast zur normalerweise erlebten Umwelt wahrgenommen, vielmehr stellen sie die kulturelle Norm dar. Ganz anders stellte sich die Situation bei dem Versuch dar, das Konzept nach Frankreich zu iibertragen. Hier gelang es kaum, grundlegende Momente der Serviceorientierung zu reproduzieren. Diesen Befund kommentiert Brannen nicht ohne Ironie: „In a country where waiters do not hesitate to advise (and take pride in doing so) customers if their choice of dishes is gastronomically unfit, the idea that, the customer is always right' does not come as a second nature" (ebd.: 610). Als ,abnormal' von den Mitarbeitem wahrgenommen, gelang es in Paris nicht, Freundlichkeit und Serviceorientierung als zentrale Praktik des Parks umzusetzen. Die Arbeiten von Brannen (2004) sowie auch von Maanen/ Laurent (1993) zeigen sehr deutlich, dass sich Bedeutungen von Transferinhalten verschieben konnen. Sie zeigen auch - wie im letzten Beispiel - dass bestimmte Transferinhalte so negativ bewertet werden konnen - etwa well sie der normativen Ordnung entgegenstehen-, dass sie letztlich auf Ablehnung stoBen und nicht integriert werden. Wie im folgenden Abschnitt noch naher im Zusammenhang der Beitrage der IB&M Literatur diskutiert wird, erfahren wir aber auch in diesen ethnographischen Arbeiten wenig dariiber, wie sich die dargestellten Bedeutungsverschiebungen Oder gar Zuriickweisungen konkret auf der Mikro-Ebene abspielen. Vor allem bleibt die Dimension der Domination ausgeblendet, die uns erklaren konnte, warum es der Walt Disney Company nicht gelungen ist, die franzosischen Mitarbeiter zu anderem Verhalten zu bewegen.
2.3 Eine mangelnde Mikroebenenbetrachtung konkreter Akteure und ihrer sozialen Konstitution Infolge der skizzierten Ergebnisfokussierung der IB&M-Literatur erschlieBen uns die entsprechenden Arbeiten nur wenig tiber den transformatorischen Cha-
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rakter von Wissensintegration. Auch stellen sie keine feinkomigen Analysen und Rekonstruktionen von Interaktionen konkreter Akteure auf der Mikroebene bereit. DemgemaB bleibt es unterbelichtet, wie spezifische Akteure um die Bedeutung und Anwendung importierten Wissens ringen und welche ungleichen Einflussmoglichkeiten sie dabei haben. Dieser mangelnde Mikrobezug ist weiterhin dadurch bedingt, dass die in der IB&M Literatur gewahlten Analyseeinheiten, Variablen und Konstrukte zumeist aggregierter Natur und auf der Organisationsebene angesiedelt sind. Wenn beispielsweise „the motivational disposition of the target unit" (Gupta/ Govindarajan 2000: 475) als erklarende Variable eingefiihrt wird, dann bleibt zwangslaufig unberiicksichtigt, wie die konkreten Akteure Prozesse der Wissensintegration innerhalb einer Niederlassung bewaltigen. Hinzu tritt das Problem, dass das Gros der Arbeiten zu Wissensprozessen in der IB&M Literatur einen starken quantitativen Bias aufweist (Welch/ Welch 2004) und zumeist auf large-scale panel databases beruhen. Ein derartig empirisch-methodologischer Forschungszugriff ist jedoch wenig dazu geeignet, fundierte Mikroexplorationen und -rekonstruktionen von Wissensprozessen leisten zu konnen. In ihrem Beitrag zu einem Sonderband zu Wissensprozessen in TNK argumentieren Foss und Pedersen (2004) in eine ahnliche Richtung. Sie bemangeln das Fehlen von „micro-foundations" und „little disciplined attention to individual behavior in recent work on knowledge transfers in MNCs" (Foss/ Pedersen 2004: 343). Bleibt abschlieBend zu bemerken, dass selbst in den Beitragen, in denen Mikrofundierung und mdividuellem Verhalten Aufinerksamkeit geschenkt wird, die soziale Konstitution des Akteurshandelns weitgehend ausgeblendet wird. So basieren zum Beispiel jene Mikrofundierungen, die sich identifizieren lassen bzw. in bestehenden Beitragen implizit mitschwingen, entweder auf individualistischen Rational-Choice- oder Lemtheorie-Modellen, wobei letztere - v.a. aus der Psychologic kommend - einen starken Fokus auf die motivational und kognitive Kapazitat der Einzelakteure legen (vgl. Buckley/ Casson 2001, Buckley/ Carter 2004, Simonin 2004). Kaum Aufinerksamkeit wird demgegeniiber der Akteurseinbettung in soziale Zusammenhange geschenkt. Damit wird ebenso die soziale Strukturierung kognitiver und normativer Schemata ausgeblendet wie auch die soziale Strukturierung von Akteursinteressen, Interessengegensatzen sowie von Ressourcen, auf die sich Akteure in der Verfolgung ihrer Interessen beziehen konnen. Vor allem besteht wenig Aufinerksamkeit dafiir, wie sozialsystemimmanente Machtasymmetrien, Konflikte und Verhandlungen Prozesse der Wissensiibertragung beeinflussen. Als Fazit kann man festhalten, dass die Beitrage der IB&M Literatur zu Wissenstransfers uns weitgehend tiber deren
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transformatorischen Charakter, deren mikroprozessuale Grundlage and soziale Konstituiertheit im Dunklen lassen.
3.
Grundlagen zur Entwicklung eines soziologischen Analyserahmens zum Verstandnis von Wissensintegration in TNK
3.1 Einfuhrung in eine alternative Perspektive Die Schwachpunkte der IB&M Literatur vor Augen, ist es das Ziel dieses Beitrages, einen analytischen Rahmen zu entwickeln, der uns fiir die soziale Konstitution von Wissensprozessen in TNK sensibilisiert und forschungsanleitend verwendet werden kann. Ein solcher soziologischer Analyserahmen betont einerseits die Mikroebene und fokussiert auf Akteure, ohne dabei andererseits die sozialsystemische Einbettung von Akteurshandlungen aus dem Blick zu verlieren. Die Mikrofiindierung menschlichen Handels kann in diesem Analyserahmen nicht auf entgesellschaftlichten Einzelakteuren beruhen. Vielmehr soil Akteurshandeln im Anschluss an Giddens Strukturationstheorie als sozial konstituiert verstanden werden. Konkret bedeutet dies, dass die Akteure, die fur Prozesse der Wissensintegration konstitutiv sind, in einem sozial-systemischen Kontext verortetet werden. Femer liegt der Fokus dieses Analyserahmens auf dem Verstandnis von Wissensintegration. Es ist vor allem dieser Aspekt, der in der ,wissensflusszentrierten' IB&M Literatur vemachlassigt wurde. In diesem Zusammenhang stehen vor allem zwei Fragen im Mittelpunkt. Die erste Frage versucht, einen neuen Blick auf das Verstandnis von Ubertragungsergebnissen zu werfen, indem gefragt wird, ob und wie sich das Wissen und der aufnehmende Kontext im Zuge der Integration verdndern. Die zweite Frage versucht Licht in den Integrationsprozess selbst zu bringen, indem gefragt wird, wie die Wissensintegration durch sozial-systemisch unterschiedlich positionierte Akteure und ihre Interaktionen beeinflusst wird. Ein entscheidender Ausgangspunkt fiir die Beantwortung der ersten Frage fmdet sich im Skandinavischen Institutionalismus (Czamiawska/ Sevon 1996), der das ,transformatorische Moment' von Wissensintegration erfasst. Mit dem ,Translationskonzept' setzt sich der Skandinavische Institutionalismus kritisch von der ,Diffusionsmetapher' ab, die ebenso wie die ,Flussmetapher' der IB&M Literatur, eine nicht-transformatorische Ubertragung wie auch immer gearteter Wissensinhalte iiber Zeit und Raum hinweg impliziert. In der hier vertretenen.
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vom Skandinavischen Institutionalismus angeleiteten Sichtweise, werden Wissensprozesse in TNK nicht primar als ,Flusse', sondem eher als ,Sequenzen von Translationen' verstanden. Ohne diese Translationen sind Ubertragimgen liber Zeit und Raum hinweg kaum denkbar. AuBerdem lassen sich in dieser Perspektive die Wissensintegration und Wissensgeneration nicht als streng separierte Aspekte eines Wissensprozesses verstehen, wie dies etwa von Buckley und Carter (2004) unterstellt wird. Vielmehr kann in Anlehnung an den Skandinavischen Institutionalismus der Prozess der Ubertragung und Integration gleichzeitig als ein Prozess der Wissensgeneration verstanden werden. Obwohl der Skandinavische Institutionalismus mit seinem ,Translationskonzept' einen guten Ansatzpunkt zum Verstandnis des ,transformatorischen Moments' von Wissensintegrationen bieten kann, weist er jedoch Schwachen auf. Diese Schwachen ergeben sich im Zusammenhang mit der Beantwortung der zweiten Frage, die der Modellierung von Wissensintegration als sozial konstituiertem Prozess nachgeht. So analysiert der Skandinavische Institutionalismus nicht mit der gebotenen Tiefenscharfe, wie Translationen oder Ubersetzungen (die Begriffe werden als synonym behandelt) zur Wissensintegration auf sozial-systemisch konstituierten Akteurshandlungen beruhen. Letzteres leistet jedoch die Giddens'sche Strukturationstheorie (Giddens 1992), die den zweiten theoretischen Ankniipfungspunkt des zu entwickelnden Analyserahmens darstellt. Im Gegensatz zum Skandinavischen Institutionalismus erlaubt die Strukturationstheorie eine umfassende Konzeptualisierung der Positionierung von Akteuren in sozialen Systemen. Dariiber hinaus wird die Starke von Giddens Sozialtheorie darin gesehen, dass sie weder einseitig die Rolle von Macht und ,Ressourcen' noch das Wirken institutionalisierter kognitiver ,Regeln' tiberbetont. Auch erlaubt das Giddens'sche Akteurskonzept, Wissensintegration als zweiseitigen Prozess zu konzeptualisieren. Zum einen als Prozess, der als Routineoperation ohne bewusste Reflektion innerhalb und zwischen Akteuren ablaufen kann, und zum anderen als bewusst reflektierter Prozess, in dem Akteure Widerstand leisten, indem sie tiber mogliche Bedeutungen und Ubersetzungen verhandeln. SchlieBlich eignet sich die Strukturationstheorie mit ihren zentralen Begriffen von Raum und Zeit, von Lokalitat und Positionierung besonders dafur, TNK als raumlich-organisatorisch hoch differenzierte spezielle soziale Systeme zu verstehen (vgl. Ortmann et al. 1997), was dem Verstandnis von Wissensprozessen und der Rolle unterschiedlich positionierter Akteure in diesen Prozessen sehr entgegen kommt.
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3.2 Das Translationskonzept des Skandinavischen Institutionalismus Der Skandinavische Institutionalismus (Czamiawska/ Sevon 1996) fiiBt auf Kemgedanken des Neoinstitutionalismus (Powell/ DiMaggio 1991), versucht jedoch iiber diesen hinauszuweisen. Einen wichtigen Startpunkt des Ansatzes stellt die Zurtickweisung der ,Diffusionsmetapher' sowie der einseitigen Fokussierung auf Stabilitat und Institutionalisierung im Neoinstitutionalismus (Czarniawska/ Sevon 1996) dar. Mit dem RUckgriff auf Gallon und Latours Translationssoziologie (Gallon/ Latour 1981) versuchen die Autoren, das ,Diffusionskonzept' durch das ,Translationskonzept' zu ersetzen (Gzamiawska/ Sevon 1996: 6). Sie sehen diese konzeptionelle Umorientierung als wichtigen Baustein fiir das Verstandnis von Prozessen des institutionellen Wandels, da Translation stets Veranderung beinhaltet, wie groB oder klein diese auch sein mag. Im Gegensatz zur neoinstitutionalistischen Betonung des Isomorphismus (Powell/ DiMaggio 1991) verweist der Skandinavische Institutionalismus auf das dialektische Verhaltnis von Isomorphismus und Metamorphismus, Stabilitat und Wandel. Sevon (1996) und Sahlin-Andersson (1996) bieten ein iiberzeugendes Argument ftir diese veranderte Sichtweise, indem sie zum Beispiel aufzeigen, dass die Unterscheidung zwischen Imitation und Innovation kaum aufrecht zu erhalten ist. So ist aus ihrer Sicht Imitation kaum ohne Translation denkbar und tragt den Keim der Innovation in sich. Umgekehrt lasst sich Innovation kaum ohne Imitation, d.h. ohne Bezugnahme auf etwas Bestehendes und seine Ubersetzung in neue Umstande vorstellen. Gzamiawska und Joerges' (1996) Beitrag „Travels of Ideas" ist wahrscheinlich der niitzlichste Ansatz innerhalb des Skandinavischen Institutionalismus zur Konzeptualisierung von Wissensprozessen in TNK, da er Ubertragungsprozesse sehr umfassend - d.h. von der Entbettung bis zur Wiedereinbettung und der Entstehung von etwas Neuem - theoretisiert. Die Autoren sehen Sequenzen von Translationen als Voraussetzung dafur, dass Ideen liber Zeit und Raum hinweg reisen konnen. Sie unterstellen jedoch, dass Ideen nur dann eine Reise antreten konnen, wenn sie entbettet wurden. Dies setzt als ersten Schritt die Translation von Ideen in „Objekte" oder „Quasi-Objekte" voraus (Gzamiawska/ Joerges 1996: 25). Als Beispiele flir Quasi-Objekte oder Objekte ftihren die Autoren Texte, Bilder, Prototypen, etc. an. Um jedoch organisational bedeutsam zu sein und bei ihrer Ankunft erfolgreich in einen neuen Kontext integriert zu werden, mtissen Objekte und Quasi-Objekte in entsprechende Handlungen iibersetzt werden. Nur wenn schlieBlich diese Handlungen wiederholt und reprodu-
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ziert werden, besteht die Chance, dass das Transferierte liber eine kurzlebige Modeerscheinung hinaus zur institutionalisierten Praktik wird. Diese Kette der Translation beschreiben Czamiawska und Joerges wie folgt: „We watch ideas become quasi-objects, transgressing the barriers of local time and entering translocal paths, becoming'disembedded,' in Giddens (1990) terms. We watch them again, landing in various localities, becoming're-embedded,' materialized in actions, and - when judged successful - becoming institutions, only to occasion anew the generation of ideas" (Czamiawska/Joerges 1996: 22-23).
In diesem Zusammenhang sollte nicht unterschlagen werden, dass Vertreter des Neoinstitutionalismus ahnliche Sequenzen konzeptualisiert haben, um Prozesse der organisationalen Diffusion bzw. Prozesse der Institutionalisierung zu beschreiben. Zum Bespiel entwerfen Tolbert und Zucker (1999) - unter Rtickgriff auf Berger und Luckman (1967) - Prozesse der organisationalen Diffusion als einen Dreischritt aus ,Habitualisierung', ,Objektivierung' und ,Sedimentierung'. Im Gegensatz zum Skandinavischen Institutionalismus konzeptualisieren Tolbert und Zucker (1999) jedoch nicht die Translationen und den Formwandel Oder die Bedeutungsverschiebungen, die sich in solchen Prozessen ergeben. Der Skandinavische Institutionalismus ist deshalb fiir das Verstandnis von Wissensprozessen so gewinnbringend, weil das Translationskonzept das ,transformatorische Moment' der Wissensintegration systematisch zu erfassen vermag. So lasst sich mit diesem Ansatz die Wissensintegration als eine Veranderung in zweierlei Richtungen verstehen. Indem Akteure versuchen, sich eine ,objektivierte Idee' - beispielsweise einen Text - anzueignen, ist eine Ubersetzung notwendig, um das neue Wissen in das bestehende kognitive Bedeutungssystem einzubinden. In diesem Prozess der Translation verandert sich beides: das aufhehmende Bedeutungssystem des ,Ubersetzers' bzw. der ,Ubersetzerin' einerseits wie auch die iibersetzte Idee andererseits (Czamiawska/ Joerges 1996). Folglich birgt Integration unvermeidlich die Emergenz von Neuem - also ein Moment der Generation - in sich. Dieser Gedanke, der sich als ,dialektische Transformation' verstehen lasst, fmdet sich auch in Rottenburgs Arbeit „When organization travels" (1996). Im Kontext der organisationalen Ubertragung unterstreicht Rottenburg, dass, wann immer eine Idee oder eine Sache in einen neuen Kontext ubertragen wird, sowohl die Idee, wie auch der aufoehmende Kontext, eine Transformation durchlauft. Er beschreibt dies sehr anschaulich wie folgt: „While the classical anthropological diffusion model (Ratzel 1896) assumes that ideas and artifacts move through social space and across borders under their own steam, it is more accurate to imagine this process as a kind of ball game. Only if the actors catch the ball and pass it on, i.e. if they collaborate, can the game continue. In the case of the movement of
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ideas and artifacts through time and space, each actor therefore takes the thing into his or her own hands and gives it the shape and direction that best corresponds to his/ her context and intentions. In this way we move from transmission of a thing that remains the same to the transformation of the thing. (...). In the same way that the appropriated elements are transformed, the context also changes. It is permanently taking in new elements, so that conditions slowly alter" (Rottenburg 1996: 214-215).
Das Zitat unterstreicht, dass die Integration eines iibertragenen Inhalts Hand in Hand geht mit ihrer Transformation. Nur wenn Akteure Ideen oder neues Wissen in ihr Bedeutungssystem einbinden und sodann in Handlungen Ubersetzen was stets Veranderung impliziert - konnen wir sagen, dass eine Integration stattgefunden hat. Oder anders, die Ubertragung von Wissen in ein neues kognitives Bedeutungssystem respektive Handlungssystem und die Veranderungen sowohl des tibertragenen Wissens als auch der aufiiehmenden Systeme, die mit der notwendigen Translation einhergehen, sind ein konstitutives Moment der Wissensintegration. Ohne Zweifel kann der Skandinavische Institutionalismus einen wichtigen Beitrag zur Konzeptualisierung von Wissensprozessen in TNK leisten. Der Ansatz weist jedoch einige Schwachen auf. Eine Schwache des Ansatzes ist darin zu sehen, dass die Objektivierung als eine Grundbedingung der Ubertragbarkeit mehr oder weniger explizit unterstellt wird. Diese Annahme wird vor allem im Zusammenhang mit einer moglichen Ubertragung implizierter Wissensinhalte zu hinterfragen sein. Eine entscheidende Schwache des Ansatzes liegt weiterhin in der unzureichenden Beantwortung der Frage, wie die Translationen der Akteure durch deren Einbettung in soziale Systeme, sozial strukturiert sind. Wir erfahren wenig dartiber, wie Translationen sozial-systemisch konstituiert sind bzw. wie Akteure in Abhangigkeit ihrer sozial-strukturellen Position zu unterschiedlichen Translationen kommen. Auch bleiben mogliche Interessenunterschiede und Konflikte bei Translationsprozessen sowie die ungleich verteilten Chancen und Ressourcen unterschiedlicher Akteure unterbelichtet, ihre Ubersetzungen zur Geltung zu bringen. Der Skandinavische Institutionalismus vernachlassigt den Aspekt der Herrschaft und den Begriff der Macht in ahnlicher Weise wie die friihen Arbeiten des Neoinstitutionalismus (Powell und DiMaggio 1991). Macht und ihre Grundlagen werden entweder iibersehen (Sevon 1996, Forssell/ Jansson 1996) oder als eingeschrieben oder verborgen in „taken-for-granted political structures", „ideological control" (Czarniawska/ Joerges 1996), „social control" (Sahlin-Andersson, 1996) oder in „dominant reality definitions" (Rottenburg 1996) gesehen. Zweifellos laufen eine Vielzahl von Translationsprozessen jenseits der bewussten individuellen oder auch kollektiven Kontrolle und Reflektion ab (Meyer 1996). Und nattirlich beruhen
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Translationsprozesse zum groBen Teil auf unhinterfragten kollektiv geteilten kognitiven Schemata, die die darunter liegenden Interessen herrschender Akteure Oder Akteursgruppen tiberdecken. GleichermaBen lasst sich aber auch vorstellen, dass Translationsprozesse von offenen Konflikten und divergierenden Interessen begleitet werden. Akteure werden an bestimmten Punkten feststellen, dass gewisse Translationen ihren Interessen und ihren Realitatsdefinitionen vollkommen zuwiderlaufen, woraus offene Konflikte und Verhandlungen liber Translationen hervorgehen konnen. Mit anderen Worten, welche tibersetzten Bedeutungen und Handlungen transferiertes Wissen in einem neuen systemischen Kontext annimmt, ergibt sich nicht allein aus geteilten Schemata oder bruchlosen Defmitionen sozialer Wirklichkeit sondem kann Gegenstand von Verhandlung und Konflikt zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen, Ressourcen und Realitatsdefinitionen werden. Dies ist vor allem dann zu erwarten, wenn bestimmte Wissensinhalte liber groBe Distanzen in neue Systeme eingefiihrt werden und nicht kompatibel sind, wie dies das einfiihrende Disney Beispiel zeigte. In der hier vorgeschlagenen Perspektive werden Translationen somit - wie im Weiteren zu vertiefen sein wird - als sozial-systemisch konstituiert gedacht und konnen zu bestimmten Zeiten hochgradig umstritten sein. Besonders in dieser Hinsicht bleibt der Skandinavische Institutionalismus unbefriedigend. Wir werden im Weiteren sehen, wie die Strukturationstheorie, die im nachsten Absatz vorgestellt wird, es erlaubt, die soziale Konstitution von Translation theoretisch zu modellieren.
3.3 Strukturationstheorie 3.3.1 Soziale Systeme und TNK als spezielle soziale Systeme Giddens definiert soziale Systeme als die „Ordnung sozialer Beziehungen tiber Raum und Zeit hinweg, sofem diese als reproduzierte Praktiken aufgefasst werden" (Giddens 1992: 432). Soziale Systeme haben Strukturen und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Verortung in Zeit und Raum als auch im Grad ihrer Systemhaftigkeit. Giddens zufolge sind Gesellschaften - und meines Erachtens gilt das auch flir Organisationen - soziale Systeme, die durch die Verschrankung oder besser Interpenetration verschiedener sozialer Systeme konstituiert sind. Es handelt sich also im Kern um offene Systeme. Ein wichtiger Schritt, Giddens Theorie auf Organisationen zu beziehen, besteht darin, sie mit Ortmann, Sydow und
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Windeler (1997) als spezielle soziale Systeme aufzufassen. Fur die Autoren sind Organisationen „Systeme organisierten Handelns" (Ortmann et al. 1997:317). Was Organisationen von anderen sozialen Systemen unterscheidet, ist die Tatsache, dass sich ihre Strukturation zumindest zu einem gewissen Teil aus der Reflexion heraus entwickelt. „Organisation ist Strukturation, die ihre Naivitat, ihre Naturwiichsigkeit, ihre Unschuld verloren hat - reflexive Strukturation. Diese reflexive Strukturation findet ihre Zuspitzung in der Formalitat modemer Organisation, in formalen Verfassungen und Verfahren, denen bei der Handlungskoordination groBe Bedeutung zukommt" (Ortmann et al. 1997: 315).
Um der Anwendung des Giddens'schen Ansatzes auf TNK naher zu kommen, soil hier nun weitergehend argumentiert werden, dass der formalen Verfassung modemer TNK vor allem eine reflexive Strukturation zu Grunde liegt, die zunehmend auf die drei fimdamentalen Umweltanforderungen, d.h. auf Integrations-, Differenzierungs- und neuerdings Innovationsanforderungen reagiert. Wenn auch unterschiedlich benannt, wurden Organisationskonfigurationen, die derartigen komplexen Anforderungen Rechnung tragen, zunehmend als differenzierte Netzwerke verstanden. Ein solches Verstandnis soil auch der in diesem Artikel gewahlten Definition von TNK als hoch differenzierte spezielle soziale Systeme zu Grunde liegen. Dabei ergibt sich die hochgradige Differenzierung aus der Multidimensionalitat der Organisationserfordemisse. So differenzieren TNK ihre Subeinheiten nicht nur auf der Grundlage unterschiedlicher Geschaftsfelder, Produkte, Markte und Funktionen, sondem ganz entscheidend auf der Grundlage unterschiedlicher Lander und Regionen (Doz/ Prahalad 1991) aus. Mit anderen Worten, auf der Grundlage der Multidimensionalitat ihrer Differenzierung zeichnen sich TNK durch unterschiedliche Ebenen hochgradig differenzierter - gleichwohl mehr oder weniger integrierter - Subsysteme oder Subeinheiten aus. Mit Giddens und unter Hinzunahme von Uberlegungen aus der IB&M Literatur werden TNK hier als spezielle soziale Systeme verstanden, die im Inneren durch unterschiedliche Ebenen (z.B. Gruppen, Abteilungen, Niederlassungen) spezialisierter und verschrankter Subsysteme (auf der Grundlage von Geschaftsfeld, Produkt, Markt, Funktion) konstituiert sind und von auBen von gesellschaftlichen Systemen und Subsystemen durchdrungen werden.
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3.3.2 Strukturelle Eigenschaften sozialer Systeme und reflexive Strukturation spezieller sozialer Systeme Giddens identifiziert drei fiindamentale Strukturdimensionen sozialer Systeme: die Dimension der Signifikation, die Dimension der Herrschaft und die Dimension der Legitimation. Er defmiert Strukturen als: „Regeln und Ressourcen, die in rekursiver Weise in die Reproduktion sozialer Systeme einbezogen sind. Struktur existiert nur in der Form von Erinnerungsspuren, der organischen Basis der menschlichen Bewusstheit, und als im Handeln exemplifiziert" (Giddens 1992: 432).
Unter Regeln versteht Giddens „verallgemeinerbare Verfahren (...), die in der Ausfuhrung/ Reproduktion sozialer Praktiken angewendet werden" (Giddens 1992: 73). Giddens unterscheidet zentral zwischen Regeln der Signifikation und Regeln der Legitimation. Wahrend Regeln der Signifikation die kognitive Ordnung eines sozialen Systems konstituieren, begrtinden die Regeln der Legitimation seine normative Ordnung. Im Gegensatz zu Regeln defmiert Giddens Ressourcen als unterschiedliche Quellen von Macht in sozialen Interaktionen. Dabei unterscheidet er - ebenso wie bei Regeln - zwischen zwei grundlegenden Arten von Ressourcen. Allokative Ressourcen beziehen sich auf die Fahigkeiten, „welche Herrschaft iiber Objekte, Giiter oder materielle Phanomene" begrtinden, und autoritative Ressourcen beziehen sich auf die Fahigkeiten, „die Herrschaft iiber Personen und Akteure" (Giddens 1992: 86) ermoglichen. Wie auch andere soziale Systeme haben Organisationen Struktureigenschaften, die sich als spezifische Sets von Regeln und Ressourcen begreifen lassen (vgl. Ortmann et al. 1997). In Ubereinstimmung mit der oben getroffenen Definition sind TNK wie andere Organisationen auch spezielle soziale Systeme, m denen Regeln und Ressourcen zum Gegenstand der Reflexion und der bewussten Gestaltung werden. Mit den Worten von Ortmann et al. (1997): „Organisationale Strukturen existieren (iberhaupt nur im Handeln der Akteure - und sodann, als virtuelle Ordnung, in ihren Erinnerungen und Erwartungen. Organisationen sind filir uns diejenigen sozialen Systeme, innerhalb derer das Handeln mittels Reflexion, und zwar mittels Reflexion auf seine Strukturation, gesteuert und koordiniert wird. Die Formulierung und Etablierung von Regeln und die Bereitstellung von Ressourcen erfolgt reflektiert, das heifit: die Strukturation ist im Falle von Organisationen - gleichwohl nur partiell intendiertes - Resultat einer um ZweckmaBigkeit bemiihten Reflexion" (Ortmann et al. 1997:317).
Organisation als reflexive Strukturation zu betrachten meint weder, dass organisationale Strukturen in ihrer Gesamtheit das Ergebnis reflexiver Strukturation
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sind, noch meint es, dass sich reflexive Strukturation so entfaltet wie urspriinglich intendiert. Dies zu behaupten hieBe zum einen, die gesellschaftliche Interpenetration von Organisationen zu ignorieren sowie die Tatsache auszublenden, dass ein groBer Teil der organisationalen Strukturation so tief in unhinterfragten Mustem verankert ist, dass sie nicht an die Oberflache kommt, ,naturwiichsig' und ,naiv' bleibt und damit nicht zum Gegenstand reflexiver Strukturation wird. Es hieBe zum anderen, die „unerkannten Handlungsbedingungen" und die „unbeabsichtigten Handlungsfolgen" (Giddens 1992: 56) zu ignorieren, die dazu fuhren, dass sich die reflexive Strukturation anders entfaltet als geplant. Kurzum, Organisationen als soziale Systeme zu konzeptualisieren impliziert, dass diese organisationsspezifische Struktureigenschaften aufweisen, d.h. spezifische Sets von Regeln und Ressourcen. Manche dieser Regeln und Ressourcen werden zum Objekt der reflexiven Strukturation und nehmen damit die Form kodifizierter Regeln und Ressourcen an.
3.3.3 Subsysteme, Struktureigenschaften und strukturelle Distanz in TNK Als Folge der Kombination zwischen ihrer geographischen Verortung und ihrer differenzierten organisationalen Aufgaben sind die Struktureigenschaften von TNK Subsystemen sehr spezifisch und konnen sich daher erheblich von Subsystem zu Subsystem unterscheiden. Die geographische Ausbreitung der TNK Subeinheiten impliziert zum einen deren Durchdringung mit den Struktureigenschaften der jeweiligen gesellschaftlichen Systeme ihrer Lokalitat. Gleichzeitig ko-existieren und interagieren diese interpenetrierenden gesellschaftlichen Struktureigenschaften mit den organisationalen Bemtihungen reflexiver Strukturation. So tragt die reflexive Formulierung von Regeln und Allokation von Ressourcen sowie die damit einhergehende Konzentration von spezifischen Aufgaben und ihrer relevanten Interaktionen in Lokalitaten zur Schaffung sozialer Raume bei, wodurch es ebenfalls - teilweise intendiert und teilweise nicht - zur Herausbildung subsystemspezifischer Struktureigenschaften kommt. Das heiBt, die gesellschaftliche Durchdringung, die reflexive Strukturation und die einhergehende Konzentration von aufgabenspezifischen Interaktionen in unterschiedlich lokalisierten Subsystemen, verweisen auf die Herausbildung subsystemspezifischer struktureller Bedmgungen. In diesem Kontext ist der von Deutschmann et al. (1995) gepragte Begriff des, Strukturellen Egoismus' sehr aufschlussreich, verweist er doch auf eben diese subsystemspezifische Herausbildung von Handlungsrationalitaten.
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Als Folge dieser koexistierenden und interagierenden Einfliisse konnen Subeinheiten nun ein unterschiedliches MaB an struktureller Distanz aufweisen. In Anlehnung an den von Kostova (1999) gepragten Begriff der ,institutionellen Distanz' lasst sich strukturelle Distanz als Unterschied zwischen den Struktureigenschaften zweier sozialer Systeme definieren. Ahnlich der von Kostova (1999) gewahlten Definition institutioneller Distanz, lasst sich strukturelle Distanz als ein dreidimensionales Konstrukt verstehen, basierend auf den Dimensionen der Signifikation, Legitimation und Domination. Die strukturelle Distanz kann somit spezifiziert werden als die Differenz zwischen den korrespondierenden Strukturdimensionen in zwei sozialen Systemen. Wie weiter unten zu erlautem sein wird, hangt die Notwendigkeit von Wissenstranslation beim Wissenstransfer in TNK ganz entscheidend von der strukturellen Distanz zwischen den betreffenden Subsystemen ab.
3.3.4 Vom Wissen und Konnen der Akteure Um die soziale Konstitution von Wissensprozessen in TNK auf der Mikroebene analysieren zu konnen, muss zunachst die Frage nach der Mikrofundierung menschlichen Handels in der Strukturationstheorie geklart werden. Giddens fasst Akteure als kompetent und absichtsvoll Handelnde auf. Wiewohl Giddens Akteure absichtsvoll handeln, meint dies weder, dass Handeln meistens bewusster Reflexion noch vollstandiger RationaHtat unterliegt. Vielmehr vertritt Giddens ein Konzept begrenzter RationaHtat, in der das Akteurshandeln aus „unerkannten Handlungsbedingungen" heraus erfolgt und in „unbeabsichtigte[n] Handlungsfolgen" einmtindet (Giddens 1992: 56). Menschliches Handeln wird im Kern als transformative Fahigkeit verstanden, die weder auf volliger individueller Autonomic noch auf volliger struktureller Determinierung beruht. Giddens zufolge beruht die Handlungsfahigkeit des Akteurs auf beidem, seiner Handlungsmachtigkeit („capability") und seinem Handlungswissen („knowledgeability") (Giddens 1981: 163). Die Handlungsmachtigkeit oder Macht des Akteurs offenbart sich in seiner Fahigkeit „anders zu handeln" (Giddens 1992: 65) oder in Giddens Worten „to'make a difference' to a pre-existing state of affairs or course of events" (Giddens 1984: 14). Sie ergibt sich aus der Fahigkeit des Akteurs, sich auf „Ressourcen" (Giddens 1992: 429) zu beziehen. Der Handlungsmachtigkeit der Giddens'schen Akteure liegt ein dialektisches Machtverstandnis zu Grunde, wobei „alle Formen von Abhangigkeit (...) gewisse Ressourcen zur Verftigung [stellen], mit denen die Unterworfenen die Aktivita-
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ten der ihnen tiberlegenen beeinflussen konnen" (Giddens 1992: 67). Das Handlungswissen der Akteure verweist demgegentiber auf „[a]lles, was die Akteure iiber die Umstande ihres eigenen Handelns und das anderer Akteure wissen (glauben) und worauf sie sich in der Produktion und Reproduktion dieses Handelns beziehen" (Giddens 1984: 429). Das Handlungswissen des Akteurs ergibt sich aus seiner Fahigkeit, sich auf „Regeln" (Giddens 1992: 431) beziehen zu konnen.
3.3.5 Die Akteurspositionierung Das Handlungswissen und die Handlungsmachtigkeit - obgleich individuellen Akteuren attribuierbar - existieren nicht im sozialen Vakuum. Handlungswissen und Handlungsmachtigkeit kann nur in Anschlag gebracht werden, weil Regeln und Ressourcen zum groBen Teil intersubjektiv von den Akteuren eines Sozialsystems geteilt, verstanden und in Interaktionen reproduziert werden. Gleichzeitig aber sind die Regeln und Ressourcen, auf die sich Akteure in ihren Interaktionen beziehen oder beziehen konnen und dtirfen, nicht fur alle gleich und keineswegs vollig unumstritten (vielmehr konstituieren diese gewissermaBen eine soziale Ungleichheit an Handlungswissen und Handlungsmachtigkeit). Regeln und Ressourcen haben demnach in sozialen Systemen nicht nur eine integrierende, sondem auch eine differenzierende Eigenschaft. Die ungleichen Bezugsmoglichkeiten auf Regeln und Ressourcen ergeben sich vor allem aus den unterschiedlichen Verortungen der Akteure in sozialen Systemen. In diesem Zusammenhang ist Giddens Begriff der Positionierung sehr instruktiv, vor allem weil er iiber seine geographische Bedeutung hinaus gebraucht wird. Giddens zufolge sind Akteure in dreierlei Hinsicht positioniert. Akteure sind erstens in die „unmittelbaren Umstande der Koprasenz in Beziehung zu anderen gestellt" (Giddens 1992: 38). Diese Positionierung lasst sich als die raumliche Positionierung des Akteurs im Verhaltnis zu anderen Akteuren in sozialen Begegnungen verstehen. Zweitens sind Akteure zeitlich positioniert - etwa hinsichtlich der Tageszeit, der Lebenszeit oder einer historischen Periode. Drittens sind Akteure in sozialen Beziehungen positioniert. Dies drtickt sich in unterschiedlichen sozialen Rollen aus, die man in unterschiedlichen sozialen Systemen hat. Auf den hier zur Debatte stehenden analytischen Kontext angewendet, konnen wir fragen, wie ein Akteur zeitlich, raumlich und sozial in unterschiedlichen sozialen Systemen wie etwa dem gesamtgesellschaftlichen System, einer Familie oder einer Organisation positioniert ist. Es ist die Positionie-
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rung des Akteurs in raumlicher, zeitlicher und sozialer Hinsicht, die uns viel iiber seine spezifische Bezugnahme auf Regeln und Ressourcen auch in Wissensprozessen verrat. SchlieBlich ermoglicht und beschrankt die Positionierung des Akteurs sein Handeln. Akteure sind gleichzeitig in unterschiedliche soziale Systeme eingebettet und nehmen in diesen unterschiedliche Positionen ein. Wahrend es wichtig ist darauf hinzuweisen, dass die Relevanz von Regehi und Ressourcen systemgebunden ist, impliziert dies jedoch nicht, dass sich Akteure in einem bestimmten systemischen Kontext rigide auf jeweils nur ein systemisches Set von Regeln und Ressourcen beziehen konnen. Auch ist damit nicht gemeint, dass die Regeln und Ressourcen, auf die sie sich beziehen, stets eindeutig sind. Bezugnehmend auf Giddens weist Whittington (1992) beispielsweise darauf hin, dass sich Freiheitsgrade im Handebi von Managern aus der Moglichkeit ergeben, sich auf unterschiedliche, teilweise widerspriichliche Regeln unterschiedlicher Systemhintergriinde zu beziehen, sowie aus der Tatsache, dass Regeln mehrdeutig sind. Es bleibt festzuhalten, dass es fur den hier diskutierten Analysezusammenhang sehr relevant ist, nach der gleichzeitigen Positionierung des Akteurs in gesellschaftlichen und organisationalen Systemen zu fragen. In organisationaler Hinsicht wurde dies, abgesehen von der zeit-raumlichen Positionierung, auch die Identifikation seiner sozialen Positionierung, seine Rolle in der Organisation umfassen, die sich aus der Differenzierung von Organisationen (v.a. nach Ebene und Aufgabe) ergibt. Die Identifikation eben dieser Positionierung unterschiedlicher Akteure in der Organisation ist wiederum relevant fur die Frage, welche Typen von Akteuren oder Akteursgruppen sich auf welche Regeln und Ressourcen beziehen und warum. Nicht zuletzt sind in Organisationen die Moglichkeiten, sich auf Regeln und Ressourcen beziehen zu konnen, zu einem gewissen Teil das Ergebnis reflexiver Strukturation, die ihrerseits die Formulierung und Allokation von Regeln und Ressourcen in Verbindung mit spezifischen Rollen oder Positionen beinhaltet. Zusammengefasst wird hier vorgeschlagen, dass die Fokussierung auf Akteure und ihre Positionierung im speziellen sozialen System der Organisation ein Schliissel ftir das Verstandnis von Wissensintegration in TNK ist. Wir erhalten nur dann ein gescharftes Bild von Wissensintegration, wenn wir verstehen, wie Regeln und Ressourcen von Akteuren - die einerseits durch Wissenstransfers betroffen/ infragegestellt werden konnen und gleichzeitig als Medien der wissensintegrierenden Translationen fungieren - mit Positionierungen im Zusammenhang stehen und variieren.
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3.3.6 Unterschiedliche Ebenen menschlichen Bewusstseins und kritische Situationen Giddens Akteurs- und Handlungskonzept lasst sich kaum ohne Bezugnahme auf die unterschiedlichen Ebenen menschlichen Bewusstseins verstehen, namentlich das „diskursive Bewusstsein", das „praktische Bewusstsein" sowie die „unbewussten Motive" (Giddens, 1992: 429, 431, 56). Was Akteure wissen und welcher Handlungen sie machtig sind, ist den Akteuren nur teilweise diskursiv zuganglich und der bewussten Reflektion unterworfen. Die Handlungsmachtigkeit der Akteure ebenso wie ihr Handlungswissen basieren weitgehend auf dem, was Giddens das „praktische Bewusstsein" nennt. Das bedeutet, menschliches Handeln beruht zu groBen Teilen nicht auf bewusster Reflektion, sondem eher auf Routinen, der routinemaBigen Anwendung von Wissen und Konnen im taglichen Gebrauch. Das Konzept erlaubt Giddens, menschliches Verhalten als intentionales Verhalten zu sehen - d.h. einer gewissen reflexiven Selbststeuerung unterworfen - ohne jedoch anzunehmen, dass dieses Verhalten stets auf bewusster Reflexion beruht (Neuberger, 1995). Unterhalb des Niveaus des diskursiven und praktischen Bewusstseins ftihrt Giddens die Ebene der unbewussten Motive ein. Wahrend die Vorstellung unterschiedlicher Bewusstseinsstufen (diskursiv vs. praktisch) auf unterschiedliche Niveaus der Reflexivitat und der Explizierbarkeit von Handlungen durch den Akteur verweisen, beziehen sich die Motive auf die unbewussten Triebkrafte (Giddens 1992). Die elementarsten Motive^ sind diejenigen, die auf die Angstvermeidung und die Bedtlrfiiisbefriedigung abzielen. Giddens unterstreicht jedoch, dass ein GroBteil menschlichen Handelns in Routinen eingelassen ist und nicht direkt motiviert erscheint. Dies fiihrt uns noch einmal zum Begriff der „Routine" (Giddens 1992: 36), der zusammen mit dem Begriff des praktischen Bewusstseins einen Grundpfeiler des Giddens'schen Theoriegebaudes darstellt. Routinen basieren auf dem praktischen Bewusstsein und stellen den GroBteil menschlichen Handelns dar. Routinen sind habituell ausgefiihrte Handlungen, die unhinterfragt bleiben und
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Man kOnnte vielleicht auch in dieser letzten motivationalen Hinsicht, den Giddens'schen Dreiklang der sozialen Dimensionen von Signifikation, Herrschaft und Legitimation folgendermaBen auf die Akteurspsyche beziehen. Bediirfiiisse der Angstvermeidung und der Wunscherfiillung drucken sich in 1.) der Identitatssicherung, 2.) der Sicherung des Selbstwertes und der sozialer Anerkennung und 3.) der Sicherung der Reproduktionsfahigkeit und Lebenschancen aus.
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auf der Seinsgewissheit („ontological security") beruhen ebenso wie sie diese erzeugen (Giddens 1992: 431). Im Zusammenhang von Wissensprozessen in TNK kann es gewinnbringend sein, den Begriff der Routinen mit dem der „kritischen Situation" gemeinsam zu diskutieren (Giddens 1992: 112). Kritische Situationen sind fur Giddens jene Situationen, „die die Gewissheiten der institutionalisierten Routinen bedrohen oder zerstoren" (Giddens 1992: 112). Auch wenn Giddens den Begriff der kritischen Situation an dem radikalen Fall des Zusammenbruchs menschlicher Routinen in Konzentrationslagem diskutiert, lassen sich kritische Situationen auch unter weniger radikalen Umstanden denken. Zum Beispiel wenn Akteure iiber groBe systemische Distanzen in neue Sozialsysteme entsandt werden, kann es zu kritischen Situationen kommen. Dies schlieBt auch die Bewusstwerdung ein, dass in Anschlag gebrachtes Handlungswissen und Handlungsvermogen weder universell gtiltig noch selbstverstandlich sind. 4. Der Analyserahmen Der hier zu prasentierende Analyserahmen bezieht sich auf die oben dargelegten Kemgedanken des Skandinavischen Institutionalismus und der Strukturationstheorie. Ein solcher Analyserahmen versucht einerseits den Gedanken der Translation und andererseits die Berticksichtigung der Rolle von Akteuren und ihrer sozial-systemischen Eingebundenheit zum Verstandnis von Wissensprozessen, insbesondere der Wissensintegration in TNKfruchtbarzu machen. Dabei geht es hier weniger um die Presentation einer koharenten Theorie, als um die Bereitstellung von Analysekategorien und Fragen, die forschungsleitend zur Rekonstruktion von Wissensprozessen und ihren Ergebnissen beitragen konnen. Die dem Analyserahmen zu Grunde liegende Kemthese lautet dabei, dass eine gelingende Wissensintegration wenig mit einfacher Imitation oder Flussen zu tun hat, well es zum einen strukturelle Distanzen zwischen unterschiedHchen Systemen zu tiberwinden gilt (siehe Systemperspektive) und zum anderen, well konkrete Akteure gleichzeitig Medien und interessengeleitete Betroffene der Wissensintegration sind (siehe Akteursperspektive).
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4.1 Wissensintegration als dialektische Transformation In Anlehnung an den Skandinavischen Institutionalismus werden Wissensprozesse hier als Sequenzen von Translationen verstanden. Damit Wissen tiber Zeit und Raum hinweg transferiert werden kann, muss es zunachst entbettet werden. Die Skandinavischen Institutionalisten betrachten diesen Schritt als eine Translation, bei der Wissen zunachst objektiviert wird. Obschon die Objektivierung zweifelsohne einen wichtigen Schritt zur Entbettung von Wissen darstellt, wird hier die Ansicht vertreten, dass Wissen auch in nicht-objektivierter Form iiber Zeit und Raum hinweg transferiert werden kann. So ist es ohne weiteres denkbar, dass Akteure als Trager nicht-objektivierten Wissens - zum Beispiel sogenanntes „tacit knowledge" (Polanyi 1966, Nonaka und Takeuchi 1995) - Wissensbestande von einem systemischen Kontext in einen anderen bringen. Unabhangig davon jedoch, ob Wissen objektiviert oder nicht objektiviert iibertragen wird, muss es bei seiner Ankunft in einem neuen psychischen (eines einzelnen Akteurs) oder sozialen System zur Integration Ubersetzt werden. Wissen, das in objektivierter Form ubertragen wird, muss durch Akteure auf der Empfangerseite in kognitive Systeme und Handlungssysteme tibersetzt werden. Aber auch Wissen, das in nicht-objektivierter Form durch Akteure ubertragen wird, verlangt tJbersetzungsleistungen des systemtiberschreitenden Akteurs und derer, die es aufhehmen sollen und wollen. Akteure, die als Transfervehikel fongieren und in entfemte soziale Systeme entsandt werden - wie etwa expatriates - werden feststellen, dass die Bedeutungen ihres Wissens und seine Handlungsrelevanz ohne tJbersetzungsleistungen nicht ohne weiteres kompatibel sind. Bezogen auf den hier fokussierten Analysezusammenhang konnen wir Wissensintegration als Prozess verstehen, bei dem entbettetes Wissen - durch Ubersetzung in einen neuen systemischen Kontext integriert wird. Ist diese Integration erfolgreich, d.h. kommt es zu einer tatsachlichen Einbindung, werden sich sowohl die ursprtingliche Bedeutung und die Handlungspraxis des iibertragenen Wissens als auch die Bedeutungen und Handlungspraktiken der empfangenden Systeme transformiert haben. Im Kern handelt es sich also bei der Wissensintegration um eine dialektische Transformation. Das aufnehmende System verdndert das Transferierte ebenso wie das Transferierte das aufnehmende System verdndert.
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4.2 Die soziale Konstitution der Wissensintegration 4.2A Die Systemperspektive Die Struktureigenschaften eines Wissen aufhehmenden Systems spielen die duale Rolle, gleichzeitig Ziel und Medium der Wissensintegration zu sein. Zu iibertragendes Wissen - sei es in der Form objektivierten oder nichtobjektivierten Wissens - wird in unterschiedlichem MaBe die strukturellen Bedingungen seines systemischen Ursprungs widerspiegeln (vgl. Kostova 1999). Auch Wissen, das innerhalb von TNK tibertragen und in ein bestehendes Subsystem (eine Niederlassung etwa) neu eingebracht wird - selbst wenn es bereits objektiviert und hochgradig abstrahiert daherkommt - wird zu einem gewissen Grad die strukturellen Bedingungen seines systemischen Ursprungs widerspiegeln. Als solches ist das zu iibertragende Wissen strukturell nicht neutral, sondem hat je nach dem Zielkontext strukturelle Implikationen - oder besser restrukturierende Implikationen - fur das aufhehmende System. (Dies ist auch nicht zuletzt deshalb der Fall, well Wissen oftmals mit der konkreten Absicht der Restrukturation - mit Ortmann et al. (1997) zu verstehen als reflexive Strukturation der Organisation - tibertragen wird, um die Struktureigenschaften des empfangenden Systems zu verandem). Wissen hat vor allem deshalb restrukturiende Implikationen fur das aufhehmende System, weil es zum einen die strukturellen Eigenschaften seines Ursprungssystems widerspiegelt und zum anderen, weil das Zielsystem bereits strukturiert ist.^ In Abhangigkeit ihrer strukturellen Unterschiedlichkeit (gesellschaftlich und organisational) lassen sich nun unterschiedliche Grade struktureller Distanz zwischen Herkunfts- und Zielsystem des zu tibertragenden Wissens denken. Dabei diirfte die strukturelle Distanz zwischen unterschiedlichen Subsystemen insbesondere in TNK erheblich sein, da diese liber eine Vielzahl gesellschaftlicher Systeme verteilt und dartiber hinaus organisational hochgradig differenziert sind. Je groBer nun die strukturelle Distanz zwischen unterschiedlichen Subsystemen ist, zwischen denen das Wissen tibertragen wird, desto groBer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Wissen entweder vollig inkompatibel ist und/oder die strukturellen Eigenschaften - die kognitive, die normative und die herr-
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Aufnehmende soziale Systeme konnen per Definition nie vollig unstrukturiert sein. Gleichwohl lassen sich unterschiedliche Grade an bestehender Strukturation denken. Beispielsweise zwischen ,greenfield'' und ,brownfield'- Niederlassungen.
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schaftliche Ordnung - des aufiiehmenden Systems in Frage stellt. Mit der GroBe der strukturellen Distanz steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass die Wissensintegration von erheblichen Konflikten begleitet wird. Und weiterhin, je groBer die strukturelle Distanz zwischen unterschiedlichen Subsystemen, desto wichtiger werden LFbersetzungsleistungen und desto wahrscheinlicher werden Transformationen des Wissens und des aufiiehmenden Kontextes. Um die Frage zu klaren, warum die Wissensintegration nicht in Form von Fliissen unveranderter Transferinhalte abbildbar ist, gehort neben der Beachtung struktureller Distanzen auch die Erkenntnis, dass es vor allem die Struktureigenschaften des aufiiehmenden Systems sind, die die Integration ermoglichen und beschranken. Bin entscheidender Grund, warum die reflexive Strukturation eines Wissenstransfers kaum zur ,intendierten Folge' eines sauberen Imitationserfolgs filhren kann, Hegt in der oftmals ,unerkannten Bedingung' begrundet, dass die Struktureigenschaften des aufiiehmenden Systems selbst das Ubersetzungsmedium der Integration sind. Das heiBt, die Ubersetzungsleistungen zur Integration beruhen auf den bestehenden strukturellen Eigenschafi;en - den kognitiven, normativen und herrschafl;lichen Strukturen - des aufiiehmenden Systems, die als tJbersetzungsmedien fimgieren und dabei dem transferierten Wissen keineswegs interessen-neutral gegeniiberstehen. Damit lassen sich auf der systemischen Analyseebene folgende Fragen zum besseren Verstandnis der sozialen Konstitution von Wissenstransfer und -integration stellen: Wie groB ist die strukturelle Distanz zwischen den Systemen, zwischen denen das Wissen ausgetauscht wird? Welche strukturellen Implikationen hat das ubertragene Wissen fur das bestehende bzw. das aufiiehmende System? Wie weit entfemt oder gegensatzlich sind die strukturellen Implikationen des zu tibertragenden Wissens von den Struktureigenschaften des aufiiehmenden Systems und welche Ubersetzungsnotwendigkeiten und systemischen Widerstande ergeben sich daraus? Wie beschranken und ermoglichen die bestehenden strukturellen Eigenschaften des aufnehmenden Systems diese LFbersetzungsleistungen und Widerstandspotentiale? Und wie verandem sich im Ergebnis dieser Ubersetzungsleistungen das tibertragene Wissen einerseits und die strukturellen Eigenschaften des aufiiehmenden Systems andererseits.
4.2.2 Die Akteursperspektive Die systemische Perspektive kann uns ein grundsatzliches Verstandnis dafar geben, wie und warum die Struktureigenschaften eines TNK Subsystems die
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Wissensintegration beeinflussen und einen glatten Wissenstransfer ohne Transformation unwahrscheinlich erscheinen lassen. Dennoch erlaubt die systemische Analyse nicht, die Wissensintegration als kollektiven und durch unterschiedliche Akteure konstituierten Prozess zu betrachten. Es fehlt dabei vor allem die differenzierte Betrachtung der Mikroebene, die dem Umstand Rechnung tragt, dass Akteure entsprechend ihrer Positionierung in Subsystemen des TNK sehr unterschiedlich von Wissenstransfers betroffen sind und auf sehr unterschiedliche Regeln und Ressourcen als Medien zurtickgreifen konnen, um die Wissensintegration in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die systematische Beachtung der Positionierung der Akteure ermoglicht es zum einen zu verstehen, warum und wie die Handlungsmachtigkeit und das Handlungswissen unterschiedlicher Akteure (oder Akteursgruppen) in unterschiedlichem MaBe von den strukturellen Implikationen des iibertragenen Wissens und seinen unterschiedlichen denkbaren Translationen betroffen oder angetastet wird (im positiven wie im negativen Sinn, wie auch im Fall der Indifferenz). Dies liegt in dem Umstand begrlindet, dass transferiertes Wissen und seine moglichen LFbersetzungen, die Regeln und Ressourcen, auf die sich Akteure beziehen, in Frage stellen und entwerten konnen. So konnte die Ubertragung von Wissen in TNK als Ausdruck reflexiver Strukturation beispielsweise die Repositionierung (bis hin zum Ausscheiden) von Akteuren oder umgekehrt die Reformulierung und Re-allokation (bis hin zur vollstandigen Entwertung oder Streichung) von Regeln und Ressourcen auf andere organisationale Positionen implizieren. In beiden Fallen ware die Fahigkeit der Akteure betroffen, sich auf bisherige Regeln und Ressourcen beziehen zu konnen. Im Extremfall konnen die Ubersetzungen des Wissens, die bestehenden Regebi und Ressourcen spezifisch positionierter Akteure fundamental in Frage stellen und ihre „ontologische Sicherheit" (Giddens 1992: 431) gefahrden, indem ihre Identitat (Bedrohung der Regeln der Signifikation), ihr Selbstwert (Bedrohung der Regeln der Legitimation) und ihre Chancen zur Reproduktion (Bedrohung der Ressourcen) bedroht werden. Zu fragen ware also hier: Inwieweit betrifft das iibertragene Wissen und seine unterschiedlichen LFbersetzungen die Regeln und Ressourcen unterschiedlich positionierter Akteure? Sind Akteure aufgrund ihrer raumlichen, zeitlichen und sozialen Positionierung in Gesellschaft und Organisation auf unterschiedliche Weise betroffen? Was bedeutet zum Beispiel Ubertragungswissen mit starken Restrukturationsimplikationen fur die Regeln und Ressourcen unterschiedlicher Akteure in Abhangigkeit ihrer Zugehorigkeit zu bestimmten Untemehmenseinheiten, zu bestimmten Abteilungen oder Personalkategorien, zu bestimmten Alters- oder Geschlechtsgruppen?
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Die Betrachtung von Zusammenhangen zwischen Akteurspositionierung und Ressourcenbeztigen hilft uns aber nicht nur zu verstehen, wie und warum Akteure unterschiedlich betroffen sind, sondem auch, warum sie iiber ungleiche Handlungsmachtigkeiten verfugen, um auf diese Betroffenheit strategisch zu reagieren, und warum sie unterschiedliches Handlungswissen zur Grundlage haben, das transferierte Wissen in ihr kognitives System und sodann ihr soziales System zu tibersetzen. Das heiBt, der Blick auf Akteursbetroffenheiten bleibt im Zusammenhang von Wissenstibertragung wiederum unvollstandig, wenn wir andererseits nicht auch nach den positionierungsgebundenen Ubersetzungsversionen und den ungleichen MogHchkeiten der Akteure fragen, auf ihre Betroffenheiten strategisch zu reagieren, sich in kollektive Ubersetzungsprozesse einzubringen, sich aufgrund ahnlicher Betroffenheiten zu soHdarisieren, um eine Wissensintegration ganz zu verhindem oder zumindest jener tjbersetzungsversion Geltung zu verschaffen, die ihren Interessen am nachsten kommt. Akteure sind eben nicht lediglich betroffene Empfanger neuen Wissens, sondem mehr oder weniger aktiv interagierende tJbersetzer. In dieser Betrachtung stellt sich die Frage, auf welche Regeln und Ressourcen sich Akteure - auf der Grundlage ihrer systemischen Positionierungen - als Medien der Ubersetzung und damit der Wissensintegration beziehen konnen. Zu fragen ware also hier: In welcher Weise strukturieren die positionierungsbedingten Bezugnahmen auf Regeln und Ressourcen unterschiedlicher Akteure und Akteursgruppen die Obersetzungen zur Wissensintegration? Auf welche Regeln und Ressourcen konnen sich die Akteure (im einschrankenden wie im ermoglichenden Sinne) aufgrund ihrer systemischen Position (gesellschaftlich und organisational) beziehen, um neues Wissen in ihr personliches Sinn- und Normensystem und sodann in Handlungen ihres Sozialsystems zu tibersetzen? Und schlieBlich, welche neuen/ veranderten Bedeutungen und welche neuen Handlungspraktiken erfahrt integriertes Wissen in einem neuen Systemkontext als Folge von Interaktionen, Konflikten, Verhandlungen unterschiedlich positionierter Akteure auf der Grundlage der ihnen zur Verfugung stehenden Regeln und Ressourcen? Der genauere Blick auf den Zusammenhang zwischen Akteurspositionierung und Regel- und Ressourcenbeztigen hilft uns zu verstehen, warum Wissen, das in TNK transferiert wird, von Akteuren sehr unterschiedlich gedeutet, bewertet, befiirwortet oder bekampft werden kann. Es gilt weiterhin zu beriicksichtigen, dass die Chancen, kollektive Ubersetzungsprozesse zu beeinflussen, ungleich verteilt und durch positionsbedingte Regel- und Ressourcenallokationen strukturiert sind. Ein bewusster strategischer Umgang mit dem zu iibertragenden Wissen und seinen Ubersetzungen liegt vor allem dann nahe, wenn bestehende Re-
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geln und Ressourcenbeztige bestimmter Akteursgruppen bedroht werden. Ob das Wissen tiberhaupt integriert wird und welche Bedeutungen und Anwendungen es im neuen systemischen Kontext erfahrt, welche Konsequenzen es fur unterschiedliche Akteure hat, ist letztlich eine empirische Frage der positionsbedingten Regel- und Ressourcenbezugsmoglichkeiten unterschiedlicher Akteure und Akteursgruppen. Sicher scheint jedoch, dass unter Bedingungen hoher Akteursbetroffenheiten weder von transformationslosen noch von einheitlichen LFbersetzungen des zu integrierenden Wissens im aufiiehmenden System ausgegangen werden kann.
4.2.3 Wissensintegrationen zwischen reflektierten und routinisierten Translationen Giddens (1984) Mikrofundierung menschlichen Handelns erlaubt es uns abschieBend, wissensintegrierende Translationen als Prozesse zu sehen, die sich sowohl reflektiert im diskursiven Bewusstsein als auch routinisiert im praktischen Bewusstsein abspielen konnen. Im ersten Fall werden Translationen zum Gegenstand bewusster Reflektion, in der Akteure in einen Diskurs um die ,richtige' Oder ,geltende' Ubersetzung treten konnen. In diesem Szenario konnen wissensintegrierende tjbersetzungen sehr umstritten sein. Derartig diskursive und reflektierte Modi der Wissensiibersetzung sind vor allem dann zu erwarten, wenn sie aus „kritischen Situationen" heraus erwachsen, also zum Beispiel unhinterfragte, scheinbar selbstverstandliche Regeln und Ressourcen in Frage stellen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Akteure aus Systemen zusammentreffen, die sich durch groBe strukturelle Distanz auszeichnen oder - wie oben dargestellt - die strukturellen Implikationen des Ubertragenen Wissens die Regel- und Ressourcenbeztige von Akteuren fundamental in Frage stellen. Dieser Fall wurde unter dem Stichwort Akteursbetroffenheiten diskutiert (4.2.2). GleichermaBen lasst sich mit Giddens aber auch annehmen, dass eine Vielzahl von Translationen vom praktischen Bewusstsein getragen sind und routinemaBig ablaufen. Und zwar in erster Linie dann, wenn das zu integrierende Wissen aus struktumahen systemischen Ursprtingen stammt und bestehende Regeln und Ressourcenbeztige weitgehend unhinterfragt und unangetastet lasst. Hierbei lassen sich auch Szenarien denken, in denen Akteure eines Systems zu sehr ahnlichen, kaum diskutierten oder wenig umstrittenen tjbersetzungen kommen. In dem MaBe, in dem Akteure mit ihren Systemgenossen und
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-genossinnen gemeinsame Regeln teilen, kommen sie zu ahnlichen Ubersetzungen. Dennoch implizieren auch diese Ubersetzungsszenarien ein transformatorisches Moment. Selbst in Situationen, in denen Akteure in einem aufhehmenden Kontext tiber ahnliche Regeln und Ressourcen verfugen und die detailgetreue Aufiiahme von Wissen suchen, werden sie dennoch kaum in der Lage sein, dieses Wissen ohne Veranderungen in ihren Bedeutungshorizont und ihr Handeln zu tibemehmen. Selbst wenn Akteure in Anspruch nehmen, Wissen in Bedeutung und Handlung getreu imitiert zu haben, lohnt sich der genaue Blick und Vergleich mit den Bedeutungen und Handlungen im Herkunftssystem. Dies zeigen van Maanen und Laurent (1993) in ihrem japanischen Disneyland Beispiel. Obwohl die Vertreter des japanischen Parks der Uberzeugung waren, eine nahezu vollstandige Replikation bewerkstelligt zu haben, zeigte der genauere Blick deutliche Bedeutungsverschiebungen (van Maanen und Laurent 1993). Es steht also zu vermuten, dass selbst unter den Bedingungen der Konfliktfreiheit, der geringen Reflektion, der geteilten Wirklichkeitsdefmition und der geteilten Wissensiibersetzungen im empfangenden System, das scheinbar imitierte Wissen, im Vergleich zum systemischen Ursprung eine Transformation, eine andere Bedeutung und Handlungsrelevanz erfahrt.
5. Zusammenfassung und Forschungsimplikation Ziel dieses Beitrags war die Entwicklung eines altemativen Analyserahmens zum besseren Verstandnis von Wissensprozessen in TNK. Dies beinhaltete zunachst die kurze Diskussion und Kritik von Ansatzen der IB&M Literatur zu Wissensprozessen in TNK. Der besondere analytische Fokus dieses Beitrags stellte die Wissensintegration als einen spezifischen Aspekt von Wissensprozessen dar. Auf der Grundlage des Skandinavischen Institutionalismus wurde der Vorschlag gemacht, Wissensintegration als Translation zu sehen, die im Kern eine dialektische Transformation von beidem, dem tibertragenen Wissen und dem aufhehmenden System, impliziert. Diese Sichtweise erteilt den in der IB&M Literatur vorherrschenden nicht-transformatorischen Flusskonzepten von Wissenstransfer und -integration in TNK eine deutliche Absage. Die Strukturationstheorie erlaubte uns im zweiten Schritt aufzuzeigen, wie Translationen sozial-systemisch konstituiert sind. Das Kemargument war hier, dass Translationen zur Wissensintegration durch unterschiedlich positionierte Akteure und ihre Interaktionen bedingt sind. Die sozial-systemische Perspektive
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und die unterschiedliche Positionierung von Akteuren in sozialen Systemen bedeutete einerseits, dass sie durch die strukturellen Implikationen des zu iibertragenden Wissens (bzw. seiner unterschiedlichen Ubersetzungen) unterschiedlich betroffen sein konnen und andererseits, dass sie tiber unterschiedliche strukturbedingte Fahigkeiten - kurz Regeln und Ressourcen - verfligen, um individuelle und/oder kollektiv ablaufende Translationen vollziehen oder beeinflussen zu konnen. Mit anderen Worten, die Positionierung von Akteuren in zeitHcher, raumlicher und sozialer Hinsicht in unterschiedlichen sozialen Systemen (z,B. Gesellschaft, Familie und Organisation) ermoglicht und beschrankt ihre personlichen Ubersetzungen sowie ihre Einflussnahme auf kollektiv-gestutzte Ubersetzungsprozesse. Aus der in diesem Beitrag prasentierten Sichtweise ergibt sich, dass organisationale Wissensintegrationen und die fur sie notwendigen Translationen sozial strukturiert sind, was weder eine vollige Ergebnisoffenheit noch Ergebnisdeterminierung der aus ihr folgenden dialektischen Transformationen impliziert. Die besondere Bedeutung dieser Uberlegungen fur TNK als Organisationstyp ergeben sich vor allem aus der Tatsache, dass TNK - als organisational (v.a. funktional) und gesellschaftlich (v.a. uber verschiedene Lander und Kulturen hinweg) hoch differenzierte Systeme - Subsysteme aufweisen, die sich durch eine starke strukturelle Distanz auszeichnen und gleichzeitig aber, wie kaum ein anderer Organisationstyp (aufgrund der hohen Arbeitsteiligkeit), auf Wissensiibertragung und -integration angewiesen smd. Wissenstransfer zwischen strukturell sehr divergenten Systemen erfordert intensive Ubersetzungsleistungen. Wie derartige Ubersetzungsleistungen - auf der System- und Akteursebene ansatzweise konzipiert und verstanden werden konnen, stand im Zentrum dieses Beitrages. Was sind die Forschungsimplikationen dieses Analyserahmens? Giddens (1991) hat darauf verwiesen, dass die Strukturationstheorie keine empirisch uberprtifbare, geschlossene Theorie darstellt. Vielmehr spannt sie einen Forschungsrahmen auf, der analytische Kategorien und Sensibilisierungen fiir Sozialforschung bereitstellt. In ahnlicher Weise soil der hier prasentierte Analyserahmen Kategorien und Fragen anbieten, die es uns erlauben, ein organisationssoziologisches Verstandnis von Wissensprozessen in TNK zu entwickeln. Anstelle der Formulierung konkreter Hypothesen, werden hier explorative Forschungsdesigns anvisiert, die dafur offen und in der Lage sind, Wissensprozesse auf der Mikroebene im Wechselspiel mit systemischen Makrobedingungen zu rekonstruieren. Dies konnten zum Beispiel Forschungsdesigns sein, die die Spuren konkreter Wissenstransfers (z.B. die Implementation standardisierter
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Reorganisationskonzepte) auf der Akteursebene in verschiedenen Niederlassungen vergleichend verfolgen und dabei fragen, wie die unterschiedlichen systemischen Kontexte und die unterschiedlichen Positionierungen der beteihgten Akteure zu divergenten tJbersetzungen bei der Wissensintegration fiihren. Konkret bedeutet dies zu analysieren, zu welchen unterschiedHchen Translationen die Akteure kommen. Darilber hinaus eroffiiet der hier vorgeschlagene Analyserahmen den BHck auf die Translationen konstituierenden Interaktionen in ihrer systemischen Einbettung. Damit lasst sich praziser der Frage nachgehen, wie und warum sich Wissen moglicherweise nicht gleichfbrmig im Konzem verbreitet, sondem von Standort zu Standort zu unterschiedlichen Translationen und Integrationen fiihrt. Eine Reihe neuerer empirischer Studien kommen einer solchen Forschungsperspektive auf Wissensprozesse in TNK bereits sehr nahe (vgl. Dorrenbacher 2002, Geppert/Williams 2005, Saka 2003, Becker-Ritterspach et al. 2003). Eines der tiberzeugendsten Beispiele in diese Richtung stellt Sharpes (1997) vergleichende ethnographische Studie zweier Niederlassungen eines japanischen Konzems in GroBbritannien dar. Sharpes Arbeit fokussiert auf den Transfer japanischer Managementpraktiken und zeigt sehr detailliert, wie die Akteurshandlungen auf der Mikroebene unterschiedliche Implementationen des gleichen Managementkonzeptes in unterschiedlichen Werken begrlinden, und gleichzeitig, wie eben diese Akteurshandlungen erst im Rekurs ihrer systemischen bzw. institutionellen Einbettung verstehbar werden.
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Die Lokalitat transnationaler Unternehmen
„Irgend eine Anzahl von Menschen wird nicht dadurch zur Gesellschaft, dass in jedem fur sich irgend ein sachlich bestimmter oder ihn individuell bewegender Lebensinhalt besteht; sondem erst, wenn die Lebendigkeit dieser Inhalte die Form der gegenseitigen Beeinflussung gewinnt, wenn eine Wirkung von einem auf das andere - unmittelbar oder durch ein Drittes vermittelt - stattfindet, ist aus bloBem raumlichen Nebeneinander oder auch zeitlichem Nacheinander der Menschen eine Gesellschaft geworden." (Simmel 1992: 19)
1.
Einleitung
Der Terminus der ,transnationalen Organisation' ist sowohl begrifflich als auch typologisch umstritten. Der Begriff verweist im Fall der transnationalen Wirtschaftsorganisation auf ein neues Verhaltnis zwischen politischer Regulierung und okonomischer Organisation, oder anders formuliert, darauf, dass netzwerkartige, globale Unternehmen die Grenzen national- bzw. territorialstaatlich organisierter Politik transzendieren. Der Idealtypus des transnationalen Unternehmens bezeichnet den (vorlaufigen) Endpunkt der Entwicklung von einer (multi-)national aufgestellten und hierarchisch gesteuerten Organisationsform hin zu einer global operierenden und heterarchisch koordinierten Organisationsform. Als Idealtypus der optimalen Anpassung an die gleichzeitigen Herausforderungen globaler Integration und lokaler Adaption transnational strukturierter Wertschopfung ftihrt das Konzept also neben deskriptiven auch praskriptive Elemente mit (vgl. Bartlett/ Ghoshal 1989). Dieses Nebeneinander von beschreibender Begriffsbildung und dem Postulat einer idealen Organisationsform fordert heraus: Lasst sich aus den empirischen Phanomenen der raumlich modifizierten funktionalen Arbeitsteilung, der zeitlich beschleunigten und intensivierten Kommunikation sowie veranderter Koordinations- und Steuerungsformen intemationaler Untemehmensaktivitat eine inhaltliche Auspragung im Sinne des Idealtypus „transnationale Organisation" ableiten? Oder stellen diese Phanomene alltagliche und strategische Probleme der transnationalen Organisation dar, die zudem in je unter-
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schiedlicher Weise an den einzelnen Lokalitaten des Konzems bearbeitet und reflektiert sowie in Wertschopfung umgesetzt werden (miissen)? Beschreibt der Terminus der Transnationalitat angemessen eher eine veranderte Ausgangslage Oder einen Zielpunkt aktueller Organisationsgestaltung? Zur Klarung dieser Fragen rekonstruieren wir zunachst den Diskussionsstand iiber transnationale Organisationen (Kap 2.). Die dort aufgeworfenen Fragen nach der Steuerung von und der Kommunikation zwischen raumlich verteilten Standorten werden im Anschluss (Kap.3.1.) aufgegriffen und wissenssoziologisch reformuliert als Zusammenhang von Lokalitat und Wissen. Dieser Ansatz mtindet in dem Vorschlag, Transnationalisierungsprozesse als ,Glokalisierung' von Wissensbestanden zu untersuchen und dabei die jeweilige Perspektivitat von Standorten oder auch zentralen Einheiten in den Vordergrund zu rticken (3.2). Erprobt wird dieser Ansatz dann exemplarisch anhand der empirischen Untersuchung der Integration eines tschechischen Automobilherstellers in einen globalen Konzemverbund. Wir verfolgen im ersten Schritt die Glokalisierung der tschechischen Tochter, deren Interpretations- und Aneignungsmuster von erweiterten Handlungsmoglichkeiten rekonstruiert werden (4.1). Im Anschluss wird untersucht, wie die Zentrale mit der Erweiterung ihres Steuerungsraumes umgeht (4.2.) Danach wenden wir uns zwei Arenen zu, in denen an dieser Multiperspektivitat ,gearbeitet' wird: dem Wissensmanagement (4.3.1) und der Personalrotation (4.3.2). Der Beitrag schlieBt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse (5.).
2.
Der transnationale Konzern als neuer Organisationstypus?
Aktuelle Tendenzen in der Entwicklung von Wutschaftsorganisationen werden vielfach mit den Oberbegriffen der Globalisierung und der Digitalisierung umrissen (Scherrer 2001; Castells 2004). Sie bezeichnen vielfaltige organisatorische Veranderungen in der Raum-, Zeit- und Sozialdimension von Wirtschaftsbeziehungen, die sich aus der gesteigerten Verfugbarkeit und - daraus folgend Gestaltungsnotwendigkeit von Austauschbeziehungen, materialer und informationaler Infrastrukturen und veranderter Umwelteinbettung ergeben. Mit dem Begriff der transnationalen Organisation soil der qualitative Wandel in der extemen und intemen Konfiguration organisationaler Kommunikations-, Wertschopfungs- und Absatzstrukturen erfasst werden (vgl. Wagner/ MensePetermann in diesem Band). Im Gegensatz zu seinen historischen Vorlaufem,
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die idealtypisch als multinationale oder globale Konfigurationen bezeichnet werden, nutzt der transnationale Organisationstypus gleichzeitig die Lokalisierung von Produkten und Wertschopflingsprozessen (multidomestic organization) sowie die technischen und okonomischen Vorteile, die sich aus grenziiberschreitender Koordination und Arbeitsteilung ergeben (global organization) fBartlett/ Ghoshal 1989; Sydow 1993).^ Dispersion, interdependence, tight coupling ofsubunits, cross-unit learning sowie structural flexibility werden als Merkmale des Idealtypus des transnationalen Konzems ausgewiesen (Ghoshal/ Westney 1993: 2ff). Die Kontmgenztheorie, die die Ausbildung von Strukturen und Strategien als Antwort auf Umweltfaktoren (z.B. globale Marktintegration, nationalstaatliche bzw. regulative Differenzierung) fasst, bildet den Ausgangspunkt der Typologisierung von multinationalen, globalen und transnationalen Organisationen. Diese Typologie beschreibt eine Stufenfolge sukzessiver Anpassung von Multinational Corporations (MNCs): „This model suggests, in other words, that [...] MNCs constitute a distinct form or population of organizations, defined by their multinationality, and that in the new MNC, multinationality has implications for every subunit in the organization - including the home country organization - that cannot be ignored in organizational analysis. In broad terms, each subunit is influenced not just by its own environment but by the environments of other subunits." (Ghoshal/ Westney 1993: 21; Hervorhebung im Original).
Im Zentrum der Transnationalisierungsthese steht die Annahme, dass die Eigenstrukturen der Konzeme ftinktional, wahrend die Umwelten der Konzeme weiterhin segmentar differenziert sind. Diese Differenz erofftiet spezifische Moglichkeiten ihrer Ausnutzung: „Transnationale Untemehmen verfugen gerade aufgrund ihrer weit ausgedehnten Produktionsnetzwerke tiber die Fahigkeit, unterschiedliche Faktorkosten und Faktorausstattungen gewinnbringend zu nutzen." (Bemdt 2004: 95). (Sozialer) Raum, Grenze und Differenz spielen somit in der Transnationalisierungsthese eine zentrale Rolle. Tatsachlich werden in der empirischen Organisationsforschung gestiegene Handlungschancen und -verschrankungen, arbeitsteilige regional-komplementare Zusammenarbeit entlang der Wertschopfungsketten, standige und intensive Abstimmungsnotwendigkeiten zwischen Regionen und Zentren sowie multilinguale Kommunikationsprozesse bis tief in die Hierarchieebenen der Organisationen resp.
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Weitere einschlagige Bezeichnungen sind Heterarchie, multifokales Untemehmen oder Netzwerke (vgl. Doz/Prahalad 1993; Hedlund 1993; Sydow 1993 u.v.m.).
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Standorte hinein im Zuge multipler Grenziiberschreitungen beobachtet. Die praskriptiven Annahmen zur Ausgestaltung der Strukturen transnationaler Organisationen haben sich allerdings in der empirischen Forschung nicht immer bewahrt. Je nach Untersuchungsdimension (Steuerung, Kooperationsform, soziale Identitat) lassen sich Untemehmen gleichzeitig dem multinationalen, dem globalen oder und dem transnationalen Typus zuordnen (vgl. z.B. KotthofB' Matthai o. J.; Wortmann 2000; Bochum 2000). Die Binnenorganisation transnationaler Konzeme weist fall- und bereichspezifisch ebenso wie zeitabhangig unterschiedliche Auspragungen auf. Ftir transnationale Organisationen steigen - so lasst sich folgem - nicht nur Handlungsmoglichkeiten, sondem auch die Notwendigkeiten der Koordination und damit der Kommunikationsbedarf zwischen den raumlich und sozial situierten Handlungseinheiten bzw. Standorten. Die inhaltlichen Auspragungen, die dem transnationalen Organisationstypus zugeschrieben werden, sind demnach empirisch mogliche, aber keinesfalls notwendige Charakteristika transnationaler Organisationen. Durch das Prafix ,trans-' wird aber die spezifische Problemkonstellation multipel lokalisierter und perspektivischer Aushandlung und Steuerung bereits als gelost betrachtet - sie geht auf in der transnationalen oder transkulturellen - Ebene der Organisation. Damit zeigt sich in dieser Diskussion eine einseitige Fixierung auf einen evolutionaren Endpunkt - eben den Typus des transnationalen Unternehmens (vgl. Kohler 2000: 294).^ „Die Informatisierung und Virtualisierung haben die Einbettung von Organisationen in globale Netzwerke zwar erleichtert, aber die Frage der institutionellen Voraussetzungen des Organisierens nicht beantwortet." (Pohlmann 2002: 235; Hervor. d.V.). Es verringert sich folglich auch die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung eines stabilen ,fit' zwischen Umwelt- und Organisationsstrukturen oder einer „ transnational solution" (Bartlett/ Ghoshal 1989). Auch flir transnationale Organisationen gilt demnach die Einsicht der Globalisierungsforschung, dass die gesteigerten Informations-, Migrations- und Mobilitatschancen zur „multiplication and diversification of worlds rather than homogenization" fuhren (Albrow 1996: 149). Die Globalisierungsforschung hat dar-
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Ahnlich argumentieren fur den Neo-Institutionalismus Hasse und Kriicken, wenn sie ftir die Analyse des organisationalen Wandels eine „Innenperspektive" vorschlagen, die Umweltanpassungen nicht allein auf der formalen und symbolischen Ebene von Organisationen - aus einer AuBenperspektive - untersucht, sondem eine verstarkte empirische Anstrengung einfordert, gerade Veranderungen der „Aktivitatsstruktur" von Organisationen zu erfassen (Hasse/ Kriicken 2005: 143f).
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auf mit einem Perspektivenwechsel von der Entdeckung des Globalen hin zur Ethnographic des Lokalen reagiert (Garhammer 2003). Die entsprechende These von der „inneren Globalisierung"^ riickt die Anerkennung und Rekonstruktion von Perspektivitdt als prinzipiellem und alltaglichem Vermittlungsproblem in global vemetzten und lokal situierten Interaktions- und Kommunikationsstrukturen in den Mittelpunkt der Forschung. Dieser Kenntnisstand erlaubt es, die Frage nach dem Typus der transnationalen Organisation empirisch zu offiien.
3.
Lokalitat und Wissen
Transnationale Konzeme verfiigen Uber eine Vielzahl verteilter und aufeinander bezogener ,Niederlassungen' oder Standorte, das headquarter eingeschlossen. Die Bedeutung bzw. Funktion der Niederlassung ergibt sich aus der Stellung im Konzem. Erhoht sich die Interdepcndenz innerhalb des Konzemganzen, so erhoht sich auch die Abhangigkeit des Ganzen von der ,sach- und zeitgerechten' Funktionserfiillung in den einzebien Niederlassungen. Wir bezeichnen die jeweilige ,soziale Welt' der Niederlassungen, einschlicBlich der Untemehmenszentrale, im Folgenden als Lokalitaten. Wir verstehen sic als die konkreten sozialen Orte, an denen jene Gewissheiten, Handlungsroutinen und Welt-Bilder gebildet werden, die als Wissen^ sowohl die Erfassung der Organisationswirklichkeit als auch die Produktion dieser Organisationswirklichkeit, der Funktionen und Leistungen der Standorte und des Konzems, ermoglichen. Die institutionale Ordnung des transnationalen Konzems lasst sich an diesen Lokalitaten untersuchen, sie erschlicBt sich aus wissenssoziologischer Perspektive uber das
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Vgl. Roudometof (2005): „intemal globalization provides the preconditions, the material and non-material infrastructure for the emerging spaces of human interaction." (Roudometof 2005: 119). Wissen umfasst „alle Arten der begriindeten Uberzeugung, von der Annahme der bloBen Chance Oder Wahrscheinlichkeit zum Vertrauen in die empirische Gewissheit. Somit bezieht sich Wissen auf das Mogliche, das Begreifbare, das Vorstellbare und zu Imaginierende, auf das Vermoglichende (?) oder Praktikable, das Bewirkbare oder Ausfuhrbare, das Zugdngliche oder Erreichbare, was man erhoffen kann und was man befurchten muss'' (Schiitz 1971: 201; Hervorh. im Orig.).
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Wissen der Beteiligten, welches als Sinn- und Bedeutungsstruktur die Wirklichkeit ausmacht, in der sie sich bewegen (vgl. Berger/ Luckmann 2003: 16).^ Diese knappe methodologische Skizze erlaubt es, den Prozess der Transnationalisierung von Organisationen analytisch in den Zusammenhang von Lokalitat und Wissen (3.1) und in den Zusammenhang von Ubersetzung und Aneignung von Wissen im Zuge der Glokalisierung von Lokalitaten (3.2) zu zerlegen. Im nun folgenden Abschnitt soil eine phanomenologischwissenssoziologisch orientierte Perspektive auf diese Frage entwickelt werden.
3.1 Der Zusammenhang von Lokalitat und Wissen ,Niederlassung' oder ,Standort' verweisen begrifflich zunachst auf einen auf Dauer gestellten und positiv bestimmbaren Erfahrungs- und Handlungsraum, in dem Menschen agieren und kommunizieren, weil sie iiber einen gemeinsamen Problembezug, etwa den der Leistungserbringung, verfiigen. Gleichzeitig verweisen sie auf ein „objektives Zwecksystem" im Sinne Max Schelers. Ein objektives Zwecksystem tritt den Handelnden gegentiber intentional auf, etwa in Form der Anforderung spezifischer Tatigkeiten (Scheler 1999: 45, 65; vgl. Korpiun 1981: 143). Der Handlungsraum ist also institutionell vordefmiert: „The organization presents him [dem Mitglied; d.V.] with a number of anonymous, functional typifying schemes that will help him orient his behavior..." (Jehenson 1973: 226). Dass Handelnde bzw. deren Handlungen in Orientierung an „objektiven Zwecken" dauerhaft und alltaglich aufeinander, d.i. arbeitsteilig, bezogen sind, ist mit anderen Worten konstitutiv fur die Rede vom Standort oder von der Niederlassung.^ Die institutionelle Vordefmition ist die eine Seite der Ausbildung des Handlungs- und Erfahrungsraumes Standort. Die andere Seite ist dessen Eigenschaft
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„Wenn die Integration einer institutionalen Ordnung nur auf der Grundlage des ,Wissens', das ihre Mitglieder uber sie haben, verstanden werden kann, so folgt daraus, dass die Analyse dieses ,Wissens' ftir die Analyse der betreffenden institutionalen Ordnung entscheidend ist." (Berger/ Luckmann: 70f.). Es geht in diesem Verstandnis also nicht in erster Linie um die territorial Einbettung von Untemehmensstandorten in das mikropolitische Akteursfeld an einem physischen Ort (Kommunen, Bevolkerung etc.; vgl. etwa Miickenberger 2002), sondem um die organisationsinternen Handlungsvollzuge und Wissensstrukturen der Standorte selbst.
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als ,Wirkwelt'. Wirken, genauer: Arbeiten zeigt zum einen nochmals an, dass die Bedeutung singularer Handlungsvollztige erst aus der Einbettung in Handlungsverkettungen hervorgeht. Vom subjektiven Standpunkt aus stellt Wirken jedoch eine absichtsvoile Objektivation mit der Intention einer Umweltveranderung dar. Die objektive Zwecksetzung muss subjektiv (nach-)vollzogen werden (Scheler 1999; Schtitz/Luckmann 1994: 23ff.).^ Zeichensysteme und Kommunikation spielen im Prozess der Vermittlung zwischen vordefmiertem und subjektivem Sinn eine zentrale Rolle.^ Die Wirklichkeit des Handlungsraums konstituiert sich so durch Wirken und Kommunikation in ihm, im Umgang mit Dingen und Menschen. Im Wirken und Kommunizieren werden Systeme von Typik und Relevanz - Wissensstrukturen - hervorgebracht. Durch diese wird Umwelt sinnhaft und selektiv gegliedert. Zusammengenommen ergeben die Typik- und Relevanzstrukturen einen Horizont der Vertrautheit und Bekanntheit, einen Wissensvorrat, der den Handlungsraum gliedert und so sinnhaftes Handeln in ihm ermoglicht. Es entsteht also ein sinndurchzogener Raum, der durch das Wissen der Akteure strukturiert ist, Uber die doppelte Verankerung von Sinnsetzungs- und Sinndeutungsprozessen im Kommunizieren und im Wirken wird dabei eine je spezifische und damit auch perspektivische Wissensordnung hervorgebracht. Der Zusammenhang von objektiver Zweckbestimmung, subjektiver Aneignung durch und im Wirken in der Organisationswelt kann als Mechanismus der Produktion von Lokalitat in der Lokalitat verstanden werden. Die Produktion der Lokalitat beinhaltet die Zur-Verftigung-Stellung der funktionalen Leistung des Standorts. Der Punkt ist, dass nicht Lokalitat an sich (die gleichbleibenden Elemente der Institution Organisation), sondem jeweils eine spezifische Ausprdgung von Lokalitat gebildet werden. So entwickelt sich Lokalitat womoglich nicht als gemeinsam geteilter Werte- und Normenhorizont, aber wohl Uber die Verwendung von gemeinsam geteilten Typisierungs- und Relevanzschemata (in der arbeitsteiligen Leistungserbringung). Diese umfassen nicht nur eine ge-
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Subjektiver Sinn und objektive Bedeutung kOnnen hierbei auseinander klaffen, ohne dass die Organisation sofort implodieren wiirde. Nur muss die Objektivation bzw. der Arbeitsinhalt in jedem Falle vollzogen werden (vgl. Luckmann 1980: 200ff.). Dies gilt auch fiir Leistungsanspruche, die durch Technik vermittelt werden: „Indes bedarf gerade die ,ratio der Apparate' der sozialen Deutung, man konnte sie ja auch zerstoren oder sie abschalten. Gerade diese Tatsache verweist auf die intersubjektive kommunikative Dimension der Vermittlung; Deutung ist eben kein unmittelbarer, sondem immer gesellschaftlich vermittelter Prozefi" (Korpiun 1981: 143).
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meinsame Geschichte, die die Lokalitat historisch pragt, sondem eben auch Gliederungen der relevanten sozialen, raumlichen und zeitlichen Handlungszonen, die wiederum die Art und Weise der Funktionserfiillung determinieren. Fazit: „Wo man ist, ist nicht bedeutungslos." (Osterhammel/ Petersson 2003: 111; Hervorh. im Orig.). Im alltaglichen Vorgang der Lokalitatsproduktion als Wirklichkeitserzeugung par excellence ist die „objektive Zweckbestimmung" der Niederlassung also eingelassen. Veranderungen der Zweckbestimmung, etwa durch einen veranderten Modus transnationaler Wertschopfung mtisste das Wissen der an der Lokalitats(re)produktion Beteiligten modifizieren. Und umgekehrt gilt, dass die globalen Vemetzungsbedingungen, wollen sie Wirkung entfalten, in der Produktion des Lokalen realisiert werden miissen: „Die Produktion von Lokalitat jedenfalls ist eine alltaglich zu vollbringende Leistung, die zudem darum weiB, dass sich das Globale nicht irgendwo ,out there' sondem als Einbruch in die gemeinen Routinen des Alltags ereignet." (Berking 2004: 51). Wir wenden uns nun dem Modus des Wandels von Wissensstrukturen durch Globalisierung bzw. Transnationalisierung zu.
3.2 Ubersetzung und Aneignung von Wissen im Zuge der Glokalisierung Den Prozess der Integration von Lokalitat in globale Infrastrukturen der Kommunikation, Steuerung, Arbeitsteilung und des Wissensaustauschs, z.B. durch die Einbeziehung eines Standortes in einen Produktionsverbund, bezeichnet Robertson als „Glokalisierung". Robertson betont dabei die Relativitat von Globalitat und Lokalitat und nicht ihre Gegensatzlichkeit. „Das Globale ist an und fur sich nicht dem Lokalen entgegengesetzt. Das, was man haufig als das Lokale bezeichnet, ist vielmehr em konstitutiver Bestandteil des Globalen." (Robertson 1998: 208).^ Hervorgehoben wird, dass die ,Globalisierung' des Lokalen durch die Transformation der Lokalitat stattfmdet. Die Schaffung und Einbeziehung eines Standortes in den bestehenden sozialen Zusammenhang eines Konzems oder die Intensivierung der Arbeitsteilung
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Der Terminus der Lokahtat verHert die Konnotation des 5rtHch gebundenen, primordial verankerten Gegenpols, die ihm haufig im Duahsmus von Globahtat und Lokahtat zugeschrieben wird.
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riickt neue Aktionsmoglichkeiten in den Handlungsraum der Lokalitat, etwa durch erweiterte technische und mediale Erreichbarkeit, Reisemoglichkeiten, die Herstellung von Kontakten mit ,fremdkulturellen' Kollegen und die Erhohung der Geschwindigkeit von Kommunikation. Dass aber Information, Wissen oder Zeichen durch infrastrukturelle Vemetzung vor Ort zuganglich gemacht werden, ist, nochmals in Berkings Worten, „ebenso richtig wie nichtig. Denn dass etwas ubiquitar verfiigbar ist, sagt nichts iiber Nutzen und Nutzbarkeit, tiber Aneignung und Bedeutungsverschiebung. Die reflexive Aneignung von Information [...] ist in hohem MaBe ebenso selektiv, wie situationslogisch und kontextspezifisch determiniert." (Berking 2004: 48). Festgehalten werden kann daher zunachst nur, dass eine Dynamik der Offnung von Handlungschancen angestoBen wird, die ,von auBen' an die Lokalitat herangetragen wird, also auferlegt ist. Handlungschancen werden nicht nur erof&iet, sondem im besonderen Falle der transnationalen Organisation auch konditioniert bzw. strukturiert durch die Form neuer Infrastrukturen, formaler Befiignisse sowie die Kommunikation tiber deren Intentionen.'^ Dies beinhaltet zwar den Zwang, sich mit den Moglichkeiten auseinander zu setzen, mundet aber nicht automatisch in eine z.B. globale Ausdehnung der Handlungsfelder und ihre kompetente und den Konzervorgaben entsprechende Nutzung. Vielmehr mtissen diese objektivierten ,Angebote' erst Eingang fmden in den kollektiven Wissensvorrat der Lokalitat. D.h., dass vorherige Zonen der Irrelevanz und damit des Nichtwissens erschlossen und bislang selbstverstandliche Typisierungsmuster modifiziert werden mtissen, da sich die Zonen der aktuellen oder potenziellen Reichweite verandert haben. Die Integration von neuem Wissen ist daher am konkreten Ort als Wandel von dessen „Opportunitatsstruktur" (Rokkan 2000: 17) zu verstehen: die Veranderung des Moglichkeitsspektrums von Handlungschancen und -beschrankungen, die vor Ort offen stehen. Der Veranderung von Handlungschancen durch den Einbau neuen Wissens in den eigenen Wissensvorrat setzt jedoch die addquate Ubersetzung des neuen Wissens und seine Anerkennung voraus." Die jeweils vor Ort etablierten Alltagspraktiken und spezifischen Typiken und Relevanzen der Organisationsmitglieder - ihr lokales Wissen - bilden dabei die Grundlage der den Betroffenen zur Interpretation aufgegebenen ,fremden' Managementpraxen, Kennziffer-
10 Vgl. auf gesellschaftstheoretischer Ebene Rokkan (2000: 133ff.); Habermas (1998: 125ff.); Wallerstein(1990: 163ff.). 11 Zum alltaglichen Ubersetzen vgl. Srubar (2002).
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systeme, strategischen Neuorientierungen oder Qualitatsstandards. Die Typiken und Relevanzen der Vor-Ort-Beteiligten bestimmen mit, „was von wem zu wem mit welchen Mitteln in den Blick und zur Sprache gebracht werden kann und was nicht." (Waldenfels 1999: 113). Ein Beispiel ware etwa die Rezeption westlicher Untemehmenssemantiken und Fuhrungsstile, bei denen groBer Wert auf symbolische und visionare Fiihrung gelegt wird. Diese werden, wie verschiedene empirische Studien belegen, in postsozialistischen Firmen haufig als Ideologie libersetzt oder als inhaltsleere Form der Selbstdarstellung (vgl. Rottenburg 1992: 260ff.; Jung et al. 2004: 210; Bosch et al. 2003: 198f.). Transnationalisierung als Glokalisierung von Lokalitaten zu untersuchen heiBt dann, davon auszugehen, dass sich individuelle und kollektive Wissensvorrate, die Wahmehmung der Handlungsfelder und Handlungsoptionen und die sie umschlieBenden ,Weltbilder' an konkreten Orten in einer spezifischen Weise verandem. Von der Ausgestaltung des Wissens im Zuge der infrastrukturellen Verschrankung, der tJber- und der Umsetzung des Wissens in den Lokalitaten wird die Art und Weise der ,Globalisierung' der Handlungsraume der Lokalitat ebenso abhangen wie die Auspragung der Kooperation zwischen verschiedenen Standorten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass durch die strukturelle Verschrankung von Standorten Lokalitat sowohl als Verankerung in einer organisationalen, funktionalen und regionalen Arbeitsteilung des Konzems als auch durch die bestehende Einbettung in kulturelle Deutungsmuster und pragmatische Handlungsvollziige bestimmt wird - und die Verbindung beider ,Bestimmungen', die als Glokalisierung bezeichnet wird, interaktiv, kommunikativ und praktisch vor Ort erbracht werden muss. Der Fokus auf die mit der Produktion von Lokalitat verbundenen Prozesse des alltaglichen Ubersetzens als wesentlichem Modus der Glokalisierung von Wissen und Organisation in einem global operierenden Untemehmen legt nahe, dass das Spezifikum der'transnationalen Organisation' eher in der Orchestrierung einer Vielzahl von kulturell, regional und funktional unterschiedlichen ,Wirklichkeiten' besteht, als in der Frage der zentralen oder dezentralen Steuerung. Mit anderen Worten eroffhet sich die Moglichkeit, die Frage, wie Globalitat oder Transnationalitat hergestellt wu-d, als eine empirische zu fassen, da sie unter den Bedingungen von Erfolgsdruck,
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Kontingenz und auch intemer Konkurrenz in intemationalen Organisationen selbst eine Daueraufgabe darstellt.^^
4.
Untersuchungsebenen des Verhaltnisses von Lokalitat und Wissen
Der so umrissene phanomenologisch-wissenssoziologisch orientierte Forschungsansatz soil im Folgenden anhand der Untersuchung eines empirischen Falles erprobt werden. Es handelt sich um die Ubemahme eines tschechischen Automobilherstellers durch einen deutschen global player nach der ,Samtenen Revolution' in der damaligen Tschechoslowakei sowie der anschlieBenden/?05^ merger-integration}^ Aufgrund der spezifischen Kontextbedingungen (postsozialistische Transformation, interkulturelle Kommunikation, Globalisierung der Automobilindustrie, neue Formen des Wissens- und Kulturmanagements) war zu erwarten, dass Aspekte des Wissenstransfers und der -iibersetzung plastisch hervortreten wUrden. Die Materialbasis bilden ca. 80 teils leitfadengestutzte, teils narrative Interviews, die in der jeweiligen Muttersprache der Befragten durchgefiihrt wurden. Gesprachspartner waren Personen des mittleren und gehobenen Management der tschechischen Fmna, deutsche expatriates, ehemalige expatriates sowie Vertreter des zentralen Managements des deutschen headquarters. Zudem wurden Untemehmensdokumente und empirische Studien zum selben Fall ausgewertet. Die Fusion der Firmen wird sowohl in der Wahmehmung der Beteiligten als auch in der einschlagigen Forschungsliteratur als Erfolg gewertet (vgl. Groenewald/ Leblanc 1996; Dorr/ Kessel 2002; Sperling 2004; Jung et al. 2004).
12 Vgl. zur Kontingenzproblematik organisationaler Reorganisation und Rationalisierung Martens (1997: 298). Diese Annahme bildet eine der Grundlagen des Yerstandnisses der gegenwartigen Okonomie als WissensOkonomie bzw. der Gesellschaft als Wissensgesellschaft, in der entscheidungsbasierende Informationen (Expertise) als „gemacht" und prinzipiell als unsicher erkannt sind (vgl. Stehr2001: 45ff.; Stehr2003: 234ff.). 13 Die prasentierten Ergebnisse beruhen auf zwei am Institut filr Soziologie der FAU ErlangenNumberg angesiedelten, von der DFG gefOrderten Forschungsprojekte: „Kommunikation im multikulturellen Untemehmen" und „Glocal Knowledge - Die kommunikative Genese von Wissen zwischen Globalitat und Lokalitat am Beispiel eines interkulturellen Untemehmens". An der Untersuchung waren neben den Autoren Ursula Mense-Petermann, Ivana Hollerova, Jan VlaCil sowie Arlena Jung und Vlado Simeunovic beteiligt. Geleitet wurden die Forschungsprojekte von Gert Schmidt und Ilja Srubar.
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Das in Kap. 3.2 vorgestellte sensitizing concept Glokalisierung lasst sich fur die Analyse des Falles operationalisieren als Beschreibung der wissensseitigen Prozesse beim tschechischen Autohersteller, die dessen fUnktionale und regionale Integration in den globalen Produktionsverbund realisieren. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Offiiung und Interpretation von neuen Handlungs- und Sinnangeboten einerseits und deren Aneignung und Nutzung andererseits. Eine vermittelnde RoUe nehmen dabei kommunikative Prozesse der Ubersetzung und Selektion von Wissen ein. Gerahmt ist der Prozess der Glokalisierung durch die Zwecksetzungen der Kooperation einerseits sowie die bestehenden Wissensvorrate auf Seiten der Niederlassungen andererseits. Betrachtet werden mtissen daher auch die Wissensstrukturen der Zentrale als Steuerungsagent der Integration sowie Mechanismen der ,Arbeit' an der Verflechtung von Zentrale und Standort.
4.1. Die Glokalisierung des Lokalen Wie jinteragieren' nun Handlungs- und Interpretationsmuster an einer konkreten Lokalitat (die tschechische Automobilfirma) mit Offhungsangeboten und Konditionierungsversuchen, die sich aus der infrastrukturellen Einbeziehung in einen globalen Konzernverbund ergeben? Treffen wir auf eine lineare Entwicklung der De-Lokalisierung von Wissen und Handlung sowie auf eine sukzessive Angleichung an eine ,Konzemperspektive'? Die Dynamik des Wissenswandels beim tschechischen Hersteller lasst sich - um ihren Wandel zu verdeutlichen als Abfolge von drei Phasen beschreiben, die sich als gemeinsames Muster in den erhobenen Materialien fmdet: Die erste Phase setzt ein mit dem sogenannten D-Day der Fusion - das heiBt den Erwartungen an die Obemahme der managerialen Verantwortung durch den deutschen global player. Der Konzem erscheint dabei als Katalysator einer durch die gesellschaftliche Transformation Osteuropas angestoBenen Offiiung von Handlungsoptionen.'"^ Die Erwartungen beziehen sich im RUckblick auf neue, moderne, ordentliche und saubere Produktionsanlagen, neue Produkte und
14 Die tschechisch-deutsche ,Begegnung' war auch mit erheblichen interkulturellen Konflikten verbunden. Auf diese konnen wir in diesem Rahmen nicht naher eingehen (vgl. aber Dorr/ Kessel 2002; Novy/ Schroll-Machl 2000; Nekvapil 1997 und Jung et al. 2004).
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Prozesse und sind gekoppelt mit einer hohen Lembereitschaft beztiglich neuen Managementwissens und neuer Managementpraktiken. „...und das war eine sonderbare Zeit, es wurden die alten Richtlinien des staatlichen Betriebs abgeschaffi, neue Richtlinien existierten noch nicht, und der Mensch hatte eine solche, es war sehr flexibel, bis bin zur Anarchie, man konnte iiberall ankommen, alles erledigen, alles konnte schnell, einfach gemacht werden..." (tschechischer Manager).
Mit dem Wegfall der alten biirokratischen Strukturen und Regelungen wird die Erwartung verbunden, in QmQnfreien Raum hineinhandeln zu konnen, und dieser neue Handlungsmodus wird gleichgesetzt mit einem marktwirtschaftlichen und am freien Untemehmertum orientierten kapitalistischen Wirtschaftsstil.'^ Dieses Interpretationsmuster verweist bereits auf seine Vorgangigkeit als Teil des tschechischen semantischen Archivs und weniger auf seine ,tFbertragung' aus dem Konzem (vgl. Srubar 1994). Die technische und soziale Angleichung ist dabei begleitet von partiellen Erwartungsenttauschungen (Phase 2). Zwar wird das erhoffte investive Engagement des Konzems nun auch sichtbar: Neue Anlagen, saubere Hallen, neue Computer usw. belegen nicht nur die Emsthaftigkeit, sondem auch die Zielgenauigkeit des Engagements. Allerdings wird dies erkauft mit einer neuen Form und einem neuen AusmaB an Blirokratie, sowie der Einsicht, dass viele westliche Managementpraktiken nicht einfach auf Mittelosteuropa (ibertragbar seien. „...dann habe ich manchmal mit Vergniigen verfolgt, wie man bestimmte bewahrte Prozesse auflOste, weil es im Konzem so nicht gemacht wurde, und man hat etwas anderes eingefiihrt, was sich in unseren Bedingungen nicht immer als das idealste zeigte, und dann wurde ganz langsam ein Kompromiss gesucht, und nachher habe ich manchmal iiberrascht festgestellt, dass die Ablaufe eigentlich in die alten, sozusagen frilheren Gleise zuriickkamen (...) nur das es anders hieB. Also das war fur mich ein bisschen vergnuglich..." (tschechischer Manager).
Der Organisaljonswandel wird einem Vorher-Nachher-Vergleich unterworfen. Dieser ergiblv^ergnuglich' und ,tiberraschend', nun nicht mehr ein eingleisiges tJbertragungsbild. Gleichzeitig erscheint mit der Zeit der Lem- und Aufholprozess als abgeschlossen, der eigene Standort wird selbst zu einer eigenstandigen
15 Im Zusammenhang der Griindung kleiner und mittlerer Untemehmen haben Kotthoff/ Matthai diese - auf einer burgerlich-liberalen Semantik aufruhende - Erwartungsstruktur in der tschechischen Republik ebenfalls herausgearbeitet (vgl. Kotthoff/ Matthai 1999: 273ff, 294).
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Wissensquelle fiir den Konzem bezuglich des mittel- und osteuropaischen Marktes. In der aktuellen dritten Phase ermoglicht die Ausdehnung der alltaglichen Handlungsraume in die Konzemwelt und dartiber hinaus, die eigene Kommunikations- und Entscheidungskultur mit anderen Standorten zu vergleichen und mit weiteren Erfahrungen anzureichem. Sie wird dadurch positiv (teilweise auch kritisch) bestatigt als spezifisches Mischungsverhdltnis des Eigenen und des Fremden (siehe etwa die Darstellung der Vorteile des multikulturellen Umfelds im Untemehmen bei Antos 2004: 84ff.). Die eigene ,hybride' Untemehmenskultur am tschechischen Standort erfahrt eine Bestatigung und Aufwertung im konzemintemen Vergleich und fiihrt so auch zu einer ,selbstbewussten' Position im Konzem. Die faktische Ausdehnung des Handlungs- und Einflussbereichs (die Erfahrung der ,Welt') hebt auch die eigenen Erfolgsbedingungen und Grundlagen ins Bewusstsein. Der Riickbezug auf das Eigene, wodurch auch ,tschechische' Kulturelemente wieder aufgenommen und als legitim erachtet werden, verandert seinen Modus von Vorurteil zu Erfahrungssattigung, verschwindet deshalb aber gerade nicht. Die Ausdehnung schafft auch neue soziale Distanzen. Hiervon ist insbesondere die Zentrale betroffen, deren deutlich langere Entscheidungswege und schwierigere Zuganglichkeiten sich von anderen Tochtergesellschaften und Standorten unterscheiden. Die inzwischen selbstverstandliche Kooperation im Konzem fiihrt daher nicht nur, aber auch an der Zentrale vorbei. Insgesamt verliert somit die Zentrale an ,Glanz' als legitime Vertreterin des ,Globalen'. Der Aufbau eigener mtemationaler Netzwerke und der Zugang zu Konzemgremien verschaffen zusatzliche Moglichkeiten der als essenziell identifizierten Informationskontrolle auf globaler Ebene, denn „...die Bedingungen konnen sich in der Zukunft sehr schnell andem, wie sie sich hier 1989 also gesellschaftlich geandert haben, dann im 91 im Rahmen der ganzen Firma. Dann kommt zum Beispiel etwas, ein Umsturz, oder der Konzem kracht ein und uns iibemimmt zum Beispiel ein anderer Konzem (...). Also es scheint mir wichtig zu sein, dass man auf die unerwarteten Ereignisse vorbereitet ist." (tschechischer Manager).
Der Umgang mit Unwagbarkeiten (Zukunftsplanung), die historische Erfahmng des Systemzusammenbmchs und der Ubemahme bilden einen spezifischen eigenen Wahmehmungshintergmnd, der sich im Motto Rechne mit dem Unerwarteten zur Geltung bringt. Die Analyse ergibt, dass eine ,globale' Vereinheitlichung von Wissensbestanden nicht festgestellt werden kann. Die Wissensbestande der Lokalitat wandeln und erweitem sich, aber sie reflektieren und betonen zunehmend auch
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die eigene Wissensbasis als wichtigen Erfolgsfaktor. Die differentia spezifica, welche die Glokalitat des Tochteruntemehmens ausmachen, sind selbst Ergebnis von Interaktion der Lokalitat in und mit dem Konzem.
4.2. Die Zentralperspektive als Lokalperspektive Untemehmenszentralen wird demgegeniiber theoretisch meist die Aufgabe der Integration, strategischen Ausrichtung, Steuerung und Kontrolle global agierender Konzeme zugeschrieben. Strukturelle Probleme, die sich durch Intemationalisierung und funktionale Spezialisierung ergeben, sowie neue Informationsund Kommunikationstechnologien erhohen tendenziell die Bedeutung und Anzahl von „Kommando- und Kontrollzentralen" (Castells 2004: 433). Hier werden Zweck- und Konditionalprogramme in und fur Organisationen entwickelt. tjber Kennziffemsysteme, Vergleiche, Strategien usw. legt die Zentrale fest, welche Daten sie aus den Organisationsstandorten aufhimmt, und determiniert damit, wie sich die aktuelle Lage der Organisation darauf hin fur sie darstellt. Und sie entwickelt entsprechende Verfahren, um besser ,sehen' und ,steuem' zu konnen.'^ Die Frage globaler Integration zur Erreichung von okonomischen Vorteilen bei gleichzeitiger Nutzung lokaler bzw. kultureller Kompetenzen lasst sich als typische Zentralperspektive rekonstruieren, so etwa in den Antworten von human-resourceS'MdimigQYn auf Fragen nach Herausforderungen und andauemden Problemen bei Untemehmensintemationalisierung:
Das Verstehen kultureller und rechtlicher Unterschiede verschiedener Lander; Harmonisierung der Personalpolitik, die dennoch nationalen Besonderheiten und Umstanden Rechnung tragt; Herstellung einer effektiven Untemehmenskultur und Unternehmensidentitat (corporate identity), mit denen sich Mitarbeiter identifizieren konnen und die zur Motivation ebenso wie zur Anbindung qualifizierter Mitarbeiter fiihrt;
16 Weick konstatiert eine starke Betonung der Relevanz von Ordnung auf der einen und Befurchtung von Entropie auf der anderen Seite als Hintergrundfolie des Organisatorenblicks (Weick 1985: 265f.).
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Unterstiitzung grenztiberschreitender Mobilitat der Beschaftigten (vor allem in rechtlicher Hinsicht) und die Integration dieser Gruppen in die lokalen Prozesse und Belegschaften. Dies hat auch mit der Vergleichbarkeit von Lohn- und Positionssystemen zu tun; Entwicklung lokalen Managements und Eingliederung lokaler Besonderheiten in eine globale Strategie (,think globally and act locally'); Standardisierung von Verfahren, Technologien und Methoden trotz differenter Kontexte; Entwicklung eines intemationalen Management-Kaders; Minimierung von Burokratie bei Aufrechterhaltung von MonitorFunktionen und der Kontrolle lokaler Operationen; Aufbau und Stabilisierung grenziibergreifender Teams; Identifizierung und Kapitalisierung der Vorteile von Diversitat (Quelle: Vitols2003:9f.). Unter den Aspekten von Wissen und Lokalitat als pragmatisch verankertem Zusammenhang wird die herausgehobene Position von Untemehmenszentralen im Prozess der Intemationalisierung noch einmal besonders virulent: Die Reflexion auf die Herausforderung von Globalitat und Lokalitat ist die von ihr beanspruchte strategische Funktion.'^ Diese ist empirisch rekonstruierbar und auf ihre Konsequenzen in der transnationalen Kooperation hin analysierbar. Einige zentrale Ergebnisse einer solchen Untersuchung sind in unserem Fall: Die basale Funktion und Legitimation des headquarters wird in der Vermeidung von Ereignissen, die dem Konzern schaden konnen^^ und in der Steuerung eines grofien Gebildes gesehen. Die Einzelgesellschaften konnen durch die Zentrale zwar ex ante durch die Vorgabe standardisierter Aufbau- und Ablaufstrukturen ,konditioniert' und ex post Uber u.a. fmanzielle SteuerungsgroBen beobachtet und evaluiert werden. Der direkte Zugang zu und Zugriff auf die soziale Praxis
17 So halt auch Ruigrok fiir die Hochphase der ,Emanzipation' multinationaler Untemehmen in den 90er Jahren fest, dass „many managers believed the challenges of globalization called for a strong corporate center. Countless modells and concepts have been developed at head offices on how to manage the ,global' corporation - paradoxically leading to a lot of energy being spent at corporate offices rather than at foreign bases." (Ruigrok 2004: 374). 18 Dies ist Kern der Selbstbeschreibung zentraler Einheiten in Wolfsburg. Bin Beispiel aus der Personalabteilung: „Unsere primare Aufgabe wird daher weiterhin darin bestehen, die unterschiedlichen regionalen Aktivitaten der Untemehmenseinheiten [...] zum Gesamtwohl des Volkswagen Konzems zu koordinieren." (Heidom/ Kadow 1991, S. 273).
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am Standort fehlt aber aufgrund der zunehmenden geographischen und kulturellen Distanz, wird in dem MaBe jedoch unerlasslicher, in welchem Produkte, Produktion und Materialfluss standorttibergreifend verzahnt werden. In diesem Sinne wird durch die Intemationalisierung wirtschaftlichen Handelns erst der Zwang zur intensiveren Beobachtung ,peripherer' Standorte erzeugt und gleichzeitig zum Problem, die ,passenden' Informationen aus den Standorten zu bekommen. „Ja es ist, es ist immer dieses Thema Informationsaustausch. Wir haben zum Beispiel, ich spreche auch fur unseren Bereich im Konzem, wir haben weltweit auch agierende Auditorengruppen, und wir haben immer das Problem, dass die Konzemzentrale sag ich mal die Auditoren in den AuBenbezirken immer so, na ja, gut da kOnnen wir uns nicht so drauf verlassen, die Ergebnisse sind geschOnt, die sind landerspezifisch..." {expatriate)
„Diinnes Management" (Mintzberg 1989: 354)^^ iiber Kennziffem mtindet so in die Folgefrage, ob die erhobenen Informationen eine Entsprechung in der sozialen Praxis vor Ort fmden, so wie sie zentral intendiert sind. Fehlentwicklungen in den Standorten lassen sich demnach nur fruhzeitig erkennen, wenn dies der Fall ist. Da der direkte Zugang zur sozialen Praxis vor Ort fehlt, werden die Informationen aus den peripheren Standorten unter den Generalverdacht gestellt, geschont zu sein. Im Organisationsalltag werden differente Relevanzstrukturen so zur moglichen Quelle von Anerkennungskonflikten (,Misstrauen'). Die Problematik wird gleichgesetzt mit dem Verhaltnis von Struktur und Besetzung. Die geplante Organisationsstruktur ,funktioniert' nur, wenn sie den Vorgaben entsprechend umgesetzt, und das heiBt von den richtigen Personen vor Ort besetzt ist. Als eine Losung spannt die Zentrale iiber die unterschiedlichen Standorte ein Netz an ,eigenen' Personen (Schltlsselpositionen, Aufsichtsrate, expatriates) und Steuerungsgremien - also face-tO'face-lxQffymMQn, die die Beobachtungskapazitat der Zentrale steigern sollen (zur Bedeutung personalen Vertrauens in transnationalen Unternehmen ausfuhrlich Kotthoff in diesem Band).
19 In Anlehnung an die Terminologie von Clifford Geertz (dichte vs. diinne Beschreibung) bezeichnet Minztberg mit diesem Begriff ein Managementsystem, welches „remains distant from the subject of its efforts, acting as if it moved pieces on a chessboard [...], making little effort to influence what those pieces really do, even how they relate to each other in any but the most superficial way. [...]'Thick' information, in contrast, is information rich in detail and color, far beyond what can be quantified and aggregated" (Mintzberg 1989: 354f).
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„Indem ich eben Menschen einsetze, die ich kenne, also, so wie man im Privatbereich auch vorgehen wurde, zu denen ich Vertrauen habe, die an mich berichten, ahm, das nutze ich aus, um eben, ja, die Transparenz, den Uberblick zu behalten, was an den verschiedenen Standorten gemacht wird." Manager Zentrale)
Von ehemaligen expatriates, aber auch von einigen Managementbereichen wird dem Spannen eines Netzwerks von Personen jedoch eher die Funktion zugeschrieben, den Erfahrungs- und Erwartungshorizont des headquarter TAX erweitern. Der Zentrale wird das Tragen einer „hiesigen zentralen Brille" (ehemaliger expatriate) attestiert, die gleichsam ,Kurzsichtigkeit' und Selbstbeztiglichkeit produziere. Dies ftihre dazu, dass Informationen aus den Standorten prinzipiell unter Vorbehalt gestellt oder entwertet wiirden. Dieser Beobachtungsstandard stehe dem Anspruch der ,Globalitat' entgegen. „...die Signale aus den Markten werden sehr, sehr spat nur gehOrt an manchen Stellen. Einfach weil wir denken, wir mussen das hier schaffen, wir haben so viel Know-how hier an diesem Platz, das ist ja auch richtig, ahm, aber ich glaube das ist'ne Illusion." (ehemaliger expatriate)
An diesem Ausschnitt aus dem organisationalen Alltag sollte im Ansatz gezeigt werden, dass und wie die Organisationsmitglieder in den zentralen Bereichen selbst den Problemkomplex der Steuerung und damit Fragen von Dezentralisierung und Autonomic reflektieren und reformulieren als Beobachtungs- und Transparenzproblem. Die peripheren Standorte erscheinen als black boxes, die unter Dauerbeobachtung gestellt werden miissen. Es wird in Analogic zum privaten Alltag ein Kommunikationsprozess mit Vertrauten in Gang gesetzt und in die vermeintlich formalen Berichtsstrukturen eingczogen. Gleichzeitig wird durch diese Daueraufgabe der Beobachtung auch die eigene lokalc Begrenzthcit bzw. lokalc Perspektivitat als Paradoxon erfahren. Dass man nicht sicht, was man schen will, wird gesehen. Diese strukturelle Unsicherhcit forciert Losungsbemtihungen und generiert cine Suche nach diffcrenten Modi der Beobachtung und Synchronisation von Prozessen, die tiber Kennziffemsysteme hinausgehen. Analytisch erscheint die Zentrale damit als Lokalitdt neben anderen, denn sic stellt einen konkrcten Wirkzusammenhang dar, dessen Funktion in der raumlichen Koordination und zeitlichen Synchronisation arbeitsteiliger sozialer Prozesse besteht (vgl. Knoblauch 2004: 367ff.). Die Relevanzstrukturen des zentralen Managements sind in spezifischer Weise abgekoppelt von der ,gegenstandlichen Welt', der ihre Entscheidungen gelten, allerdings mit ihr verbunden iiber spezifische personelle, technische und symbolische ,Fiihler' und Signale („Herrschaft der Relevanzsysteme"; Soeffiier 1989: 222). Headquarter miissen daher cine eigene, selektive Praxis der Wissensgenese und -verarbeitung entwickeln,
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und sie verfiigen ,nur' uber eine eingeschrankte Verarbeitungskapazitat extemer Informationen. In diesem Sinne ist die Zentrale nicht nur Ort der Her- bzw. Bereitstellung ,globalen' Wissens, sondem stellt ebenso eine lokale Ebene der Wissensaneignung dar. Mit anderen Worten sind die Interpretationen, Perspektiven und strategischen Vorgaben hier ebenso abhangig vom re-embedding relevanten Wissens uber die an Standorten oder bei Tochtergesellschaften verwirklichte Arbeitsund Organisationspraxis ebenso wie uber die Zuverlassigkeit okonomischer Kennziffem, die aus den Standorten vermeldet werden.
4.3 Die Arbeit an der Multiperspektivitdt Die bisherige empirische Analyse hat gezeigt, wie die Erweiterung von Handlungsmoglichkeiten an einem Standort in die Praxis der Lokalitatsproduktion eingelassen ist, und hat auch globale Steuerungsfragen als perspektivisch und selektiv gepragt rekonstruiert. Es wurde kursorisch auf Instrumente verwiesen, die Organisationen zur Verschrankung von Prozessen und Perspektiven einsetzen. Wir bezeichnen sie daher als die Inifrastrukturen des transnationalen Unternehmens. Hierunter fallen z.B.: Plattform- oder Modulstrategien, Technologietransfer (Artefakte); Intemationaler Fuhrungskrafteeinsatz und die dauerhafte Besetzung strategischer Posten mit Konzemmanagem; Integration in die Kommunikationssysteme des Konzems als Steigerung potenzieller Erreichbarkeit und faktischer Dichte und Geschwindigkeit von Kommunikation; Neue Systeme der Qualitatssicherung und Standardisierung, der Datensicherung und des Datentransfers, des benchmarking, etc., die einen starken ,Vemetzungssog' tiber Vergleich, Uber Rankings, liber Verantwortlichkeiten forcieren; Einbindung in Konzemhierarchien, Berichtswege, Finanzsteuerung (mit neuen Formaten und Techniken); Einbindung in ,Gremienorganisationen' der Diskussion, Abstimmung und Kommunikation von Entscheidungen abseits der offiziellen Organigramme und Aufbaustrukturen; Reflexive Steuerungsformen wie Wissensmanagement oder die Forcierung von Konformitat durch Kulturmanagement.
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Zwei dieser Instrumente - das Wissensmanagement und die Internationale Personalrotation - sollen nun genauer betrachtet werden. Wir verfolgen dabei weiter die Fragestellung nach dem Wissen der Akteure als Folge und Grundlage der Praxis transnationaler Organisation. Wir interessieren uns fur das dabei erworbene und modifizierte Experten- und Kontextwissen um die alltaglichen Problemlagen transnationaler Wirtschaftstatigkeit und Bemiihungen um eine Losung oder Bearbeitung der Perspektivenproblematik.
4.3.1 Wissensmanagement Wissensmanagement als aktuelles untemehmensstrategisches Programm hat die Debatte um organisationales Lemen sowie um Untemehmenskultur enggefuhrt und deren Stellenwert beerbt (Dienel/ Schophaus/ Wilpert 2001: 15ff.; vgl. Aulinger/ Pfriem/ Fischer 2001). Als avancierte Form des Umgangs mit Komplexitat spiegebi Problemwahmehmung und Losungsversuche des Wissensmanagement unter anderem die raumlichen, zeitlichen und sozialen Komplikationen arbeitsteiliger und verzweigter Leistungserbringung wider. So lassen sich die typisch vorfmdbaren Wissensmanagementkonzepte nach den Zielen der Schaffung gemeinsamer Wissens- und Informationsquellen durch Einpflege in standortubergreifend zugangliche Datenbanken (raumliche Dimension), der Herstellung gemeinsam geteilter Sichtweisen durch Kultur- oder Vertrauensmanagement (soziale Dimension) sowie der Beschleunigung und Verdichtung von Kommunikation durch Steigerung der Erreichbarkeit und Bekanntheit relevanter Ansprechpersonen (zeitliche Dimension) ordnen (vgl. anstelle vieler Herrmann/ Mambrey/ Shire 2003). Auch im von uns untersuchten Fall wird das Ziel formuliert, einen „schnellen und geschiitzten Austausch von Fach- und Erfahrungswissen rund um den Globus" (Schulz/ Pucher o.J., S.l) zu ermoglichen, und so mit der Intemationalitat des Konzems in Verbindung gesetzt.^^ Als Grundgedanke und Kegel wird dabei formuliert,
20 Die einschlagigen PubHkationen der Wissensmanagementabteilung eines anderen global players, Siemens, artikuHeren diesen Zusammenhang noch deutHcher: „This includes the leverage of local innovations global by sharing the collective knowledge of the worldwide MEDcommunity, erasing the barriers of language, time and distance... We can no longer look only to
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„...dass wir sagen, also wir wollen das leben, was wir, dass wir uns austauschen, dass wir uns gegenseitig helfen, so wie ich das jetzt in meiner kleinen Familie, in meinem Umfeld auch tue, [...] so muss das natiirlich auch im groBen Rahmen flinktionieren..." Manager Zentrale).
Das Miteinander bildet den Grundgedanken des Konzepts des Wissensmanagement bzw. die zu etablierende Norm. Diese Reziprozitatsnorm gegenseitiger Hilfestellung lasst sich umschreiben als horizontale, themenbezogene Gruppenbildung auf der Basis von Bekanntheit und zunehmender Vertrautheit, die sich in der Metaphorik an einem sozialromantischen Familienmodell der freiwilligen Hilfeleistung orientiert. Folgerichtig bestehen die Ansatze des Wissensmanagement im team-building, in der Bereitstellung von austauschfordemden Kommunikationsmedien und in dem Versuch, Kommunikation auf Dauer zu stellen und zu betreuen. Insofem lasst sich Wissensmanagement zum erhebhchen Teil als Konversationsmanagementbeschreiben.^' Es verwundert nicht, dass Htirden in Bezug auf die Durchsetzung dieser Norm auftreten: Hierarchien, Standort-Wettbewerb und Leistungsbemessung stehen als alltaglich erfahrbare Strukturmerkmale der weltweiten Verbundproduktion und -organisation dem ,Familienmodell' entgegen. Als ,Wissensexperten' mit Bezug auf die Probleme standortiibergreifender Kooperation verfugen die Mitarbeiter von Wissensmanagementabteilungen iiber ,Expertenwissen' beztiglich der Kooperationsschwierigkeiten und des Umgangs mit diesen Schwierigkeiten (vgl. Pfiffner/ Stadelmann 1994 und Meuser/ Nagel 1994). Problemfassung und Losungsansatz stellen sich aus dieser Sicht folgendermaBen dar: „...da beginnt sozusagen die Psychologie oder die Beratung, dass man auch dort gucken muss: Wie stehen die Interessen? Sehen zum Beispiel die kleineren Standorte wie Schwester und TOchter vom Konzem es als Kette an, wie der Konzem oder die Konzemzentrale versucht die kleineren Standorte sozusagen naher ranzuholen oder zu fesseln, oder sehen sie's als Chance an, dort Wissen mitzunehmen sich dort austauschen zu konnen, das ist ein sehr groBer Unterschied, haufig bestehen diese Bilder schon, wenn wir dort hinkommen,
our neighbors at the next desk for answers. We must reach out to our colleagues on a global scale." (www.siemens.com) 21 Dabei werden unterschiedliche Ebenen anvisiert: interpersoneller Austausch, Austausch in Bxperten- oder Spezialisten- und also Kleingruppen, Austausch in anonymeren Netzwerken, Austausch im Gesamtkonzem.
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weil die Fiihrungskrafte, die schon vorher irgendwo Kontakte hatten, und sich da irgendwo im Laufe der Zeit schon eine Kultur oder ein Umgang miteinander etabliert hat." (Manager Zentrale).
Die Akzeptanz bei der Vorstellung und Verbreitung von Wissensmanagementtools erscheint dabei abhangig von der Sichtweise der beteiligten Einheiten, wobei sich die Wissensmanager mit der Gefahr konfrontiert sehen, selbst mit der Zentrale identifiziert zu werden. Die Kooperationsbereitschaft seitens potenzieller Teilnehmer an Wissens- und Expertennetzwerken schwankt in Abhangigkeit von der vorgangigen Wahmehmung des Konzem-TochterVerhaltnisses als ,Kette' oder als ,Chance'. Die differenten Wahmehmungen, Perspektiven und Interessen ergeben sich aus der Sicht des Wissensmanagement aus einer vorgangigen, stabilisierten Praxis des Umgangs von Standorten miteinander. Das Problem des Wissensaustausches ist insofem nicht in erster Linie, dass kein Informations- und Wissensaustausch stattfmdet, sondem dass dieser in eine eingespielte Praxis eingebettet ist und deswegen nicht dem Familienmodell folgt. Wissensmanagement will sich daher als Beratung und Dienstleistung verstanden wissen, die keine Partikularinteressen, vor allem nicht die einer hierarchischen Steuerung des Mutterkonzems, bedient, sondem zum Wohle des Ganzen operiert. In der Rekonstruktion des Wissens von ,Konversationsexperten' der Zentrale wird zwar einerseits deutlich, dass die je lokale Perspektivitat als Ausgangspunkt und ,Grundlagenproblem' transnationaler Kooperation anerkannt wird. Die Wissensexperten der Zentrale beginnen aber gerade aufgrund dieser Anerkennung von Multiperspektivitat und daraus abgeleiteter differenter Interessenslagen im Standortgefuge einen „moralischen Feldzug" im Sinne Howard Beckers (1981: 133ff) und bewegen sich zunehmend in Richtung eines rule enforcement im Zuge des roll-outs ihrer Instrumentarien Am projektierten Ende soil die Konzemfamilie sich gleichsam in einem ,herrschaftsfreien Diskurs' befinden. Zu fragen ist deshalb andererseits, ob und wie eine am Familienmodell orientierte, zentral entwickelte Reziprozitatsnorm an Standorten - also bei ,Betroffenen' und ,Kunden'-reflektiert wird. Am untersuchten Standort wird ebenfalls im Zuge der zunehmenden materialen und technischen Integration in den Konzern eine nachholende oder gleichlaufende Verbesserung, Beschleunigung und Vertiefung von Kommunikation und Wissensaustausch eingefordert. Es existiert auch hier ,Gesprachsbedarf. Allerdings ist die normative Grundlage eine andere: Die Zentrale wird hier in der Metaphorik eher mit einer unzugSnglichen und unbeweglichen ,Festung'
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verglichen. Gerade gegentiber zentral entwickelten Projekten zur Verbesserung von Kommunikation herrscht Skepsis, „...denn bis aus dem Konzem etwas herausf^llt, das ist furchtbar.... Sie haben verschiedene Projektteams und viel Geld und viel Zeit, und... und ich... ich brauche das aber jetzt, ich muss jetzt was machen und nicht warten." (tschechischer Manager).
Zwar werden entsprechende Zielsetzungen des Wissensmanagement nicht nur anerkannt, sondem auch gefordert. Dabei wird jedoch deutlich, dass die Zugangsproblematik zur Konzemzentrale Wissensmanagement mit einschlieBt: „...weil das Wissensmanagement bier ungefdhr drei Jahre als wichtiges Instrument zitiert wird, aber dass wir sagen kOnnten: ,Wir haben es ganz klar, es existiert hier ein System, wenn ich etwas nicht weiB, dann schaue ich in etwas nach, und es bietet mir an, wie ich weiter komme.' - Das existiert noch nicht!" (tschechischer Manager),
Es geht darum, den gestiegenen Bedarf an alltaglicher Kommunikation und Rticksprache mit den zentralen Einheiten reibungsloser zu gestalten, sowie das eigene Wissen und auch die eigenen Interessen zielsicher an die richtige Position in der Zentrale zu bringen. Dabei spielen Zugangs-, Anonymitats- und Anerkennungsprobleme (s.o.) aus Sicht des Standortes eine wesentliche Rolle. Das Problem des Wissensaustausches ist aus Sicht ,lokaler' Manager insofem nicht, dass dieser nicht einem Familienmodell folgt, sondem wie Informations- und Wissensaustausch besser in der alltaghchen Praxis verankert werden kann. Nicht zuletzt aufgrund dieses Perspektivendilenmia von Wissensmanagementsystemen und deren Promotoren setzt die Konzemzentrale, aber auch die Standorte weiterhin auf expatriates als Steuerungs-Agenten im doppelten Wortsinne und damit als Chance, den je fremden Standort oder eben auch die Zentrale zu ,infiltrieren' und dartiber den im Zuge der zunehmenden vemetzten Produktion entstandenen Nachholbedarf an sozialer (nicht medialer) Vemetzung und validen Informationsfliissen einzufangen.
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4.3.2 Managementzirkulation Die Bedeutung des Wissenstransfermediums Mensch nimmt unverkennbar zu und nicht, wie angesichts medialer Moglichkeiten angenommen werden konnte, ab. Mit der Zirkulation von Managerinnen und Managem werden verschiedene Zielkomplexe verbunden, die auch den Zusammenhang von Wissen und Lokalitat reflektieren (vgl. zu den widerspriichlichen Aufgaben der expatriates auch Wagner in diesem Band). Ein direkter Bezug ergibt sich bereits aus der Funktion des expatriates als „change agent" (vgl. Kozminski 1995). Als von einer Steuerungszentrale aus entsandter und legitimierter Manager fallen diesem bei Auslandsaufenthalten spezifische Aufgaben der Fiihrung, der KontroUe, des Wissenstransfers etc. gegeniiber ,lokaler' Belegschaft und ,lokalem' Management zu. Perspektivisch sollen die Auslandseinsatze aus der Sicht des zentralen Human-RessourceManagement dem Zweck dienen, iiber eine „konsequent Internationale betriebliche Sozialisation" (Heidom/ Kadow 1991: 282) den Aufbau einer integrierten und global orientierten Managementelite zu fordem, d.h. aus der raumlich und kulturell unterschiedlichen Situiertheit einzelner Untemehmensstandorte und deren Verschrankung im wortlichen Sinne Kapital zu schlagen: als one-worldManager", also jemand, der sicher auf intemationalem Parkett agiert, der tendenziell uberall zu Hause ist, kultursensibel sowohl Standardisierung als auch kulturelle Differenzen zu nutzen weiB.^^ Dieser Tatbestand, der sich auch darin auBert, dass Auslandsaufenthalte zunehmend zur institutionellen Normalbiographie nachwachsender Managergenerationen gehoren, ist den betroffenen Managerinnen und Managem nattirlich bekannt. Die Auswahl bedeutet daher nicht selten eine personliche Aufwertung und die Chance der Bewahrung, also einen Karrierekatalysator. SchlieBlich soil Managementzirkulation die Kultur der Untemehmenszentralen auch im Zentrum ,revolutionieren'. Diese Zielbestimmung des Konzems oder genauer des headquarters ist als Hintergrunderwartung fur konkrete Auslandseinsatze nicht unproblematisch, weil Manager als expatriates aus der Perspektive des Standorts dorthin geholt werden, um spezifische, dort anfallende und defmierte Aufgaben zu iibernehmen. Die expatriates verfiigen - auch in der eigenen Wahmehmung - vor
22 Auch Albrow stellt die These auf, dass Versuche der Entwicklung globaler Managementeliten gerade deswegen untemommen werden, weil es keine globalen Untemehmen gibt (Albrow 1998: 202f).
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Ort potenziell tiber zwei Orientierungspunkte und Relevanzsysteme: Tochteruntemehmen und entsendendes Untemehmen, und sie miissen es daher zustande bringen, sich sichtbar ftir das aufhehmende Untemehmen und die dortigen Kollegen zu entscheiden, um nicht den Verdacht zu nahren, den Auslandseinsatz ausschUeBlich als Spmngbrett fiir die eigene Karriere zu nutzen. Die Balance zwischen den differenten Ausrichtungen wird also auf der Interaktionsebene von expatriates und lokalen Managem ausgetragen werden miissen.^^ Wenn auch der temporare Einsatz die Aufgabe des Wissenstransfers in den Auslandsstandort beinhaltet, so weisen Generalisiemngen von Auslandserfahmngen zusatzlich in eine andere Richtung: „...weil drei Jahre kann ich nicht jetzt hier alleine leben, sondem muss eben gucken, wie eh auch fiir, fur temporare Einsatze ist es eben so, dass das meiner Ansicht nach wichtig ist, eh in nen gewissen Rahmen versuchen sich zu integrieren, gucken, wie gehts da lang und nicht jetzt da die ganze Welt umkehren will und sagen, naja guck mal bei uns ist es aber soundso..." {QhQmdiW^QX expatriate).
Wie erkennbar, wird auch hier der Topos der Anpassung bzw. Integration am Auslandsstandort als Notwendigkeit artikuliert und gleichzeitig legitimiert. Dariiber hinaus wird er aber auch zur Norm erhoben: Anpassung muss nicht nur, sie soil auch vom expatriate vorgenommen werden. Die Orientiemng an am Standort vorfmdlichen Kommunikations- und Beziehungsdynamiken, ,,eintauchen '* in die fremde Kultur und die eigene Verortung in der lokalen Arbeitsteilung spielen aus der Sicht der expatriates eine wichtige Rolle bei der Auftragserfullung und Personlichkeitsentwicklung.^"^ Die Einrichtung von Organisationseinheiten an den Standorten, die sich mit der Betreuung von expatriates befassen und auch die Verbessemng der allgemeinen Lebensverhaltnisse in einzelnen
23 Zu den entsprechenden Loyalitatskonflikten vgl. Merkens (2004: 160f.). 24 Dieser Lokalisierungssog lieBe sich weiter spezifizieren. Er weist offensichtlich eine instrumentelle Dimension und eine interkulturelle Dimension auf. Instrumentell kann im Sinne der Herstellung von Kooperationsbereitschaft durch die Inszenierung von Offenheit verstanden werden. Eine typische Einstiegsformel ware etwa: ,Wir wollen euch nichts B5ses'. Die interkulturelle Dimension bezieht sich auf den „Sprung vom Parkett auf die Bijhne". Wissen iiber einen fremden sozialen Ort bzw. eine fremde soziale Gruppe weist notwendig die Struktur eines Vorurteils auf, da das Wissen nicht in der Interaktion mit dem Fremden erprobt werden konnte. Sein ,Zweck' war auf die Kommunikation uber eine fremde Kultur in der eigenen ausgerichtet, nicht auf konkrete Mitglieder der fremden Gruppe als Adressaten von Handlungen. Es wird daher als Orientierungsschema fiir den Umgang in der fremden Kultur inadaquat sein. Es muss folglich modifiziert werden, bildet aber selbst die Basis fur die Modifikation (vgl. Schiltz 1964a).
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Landem (etwa tschechische Republik) fedem zwar das „harte Aufschlagen" von Managem der Untemehmenszentrale an einem fremden Standorten ab. Die erhohte Vemetzung und technische Angleichung an Konzemstandards fuhren aber auch dazu, dass das Selbstverstandnis herausgehobenen Wissens und Uberlegenseins, der durch die entsendete Einheit gespeiste, missionarische Charakter^^ der expatriates zuruckgenommen werden muss. Bin deutscher Managers beschreibt seine ersten Eindriicke mit Bezug auf seine vorgangigen Erwartungen: „Unter diesem Motto kann man das verbuchen: Auf dem hohen Ross angekommen und dann gemerkt, dass man das hohe Ross schnell verlassen sollte. Das sind so die ersten Eindriicke gewesen. Ja, die zweiten Eindrucke waren eigentlich, ahm, dass ich schnell feststellen musste, dass auch, ahm, von der Mentalitat her groBe Unterschiede da sind. Also da, das war ne Phase, die dann sicherlich mehrere Monate dauerte, als ich immer wieder feststellen musste: Mensch, ahm, mit dem, wie Du es gewohnt hist mit Menschen umzugehen, da musst du dich ein bisschen anpassen." (ehemaliger expatriate).
Die Aufmerksamkeit wird unmittelbar nach der Ankunft auf die Andersartigkeit der Arbeits-, Kommunikations- und Ftihrungsroutinen und Stile an den Einsatzorten gelenkt. Die Einsatze sind fur die expatriates also auch nach jahrelanger erfolgreicher Zusammenarbeit mit vielfaltigen ,Kulturschock'-Erfahrungen^^ verbunden. Sie lassen sich allerdings nicht mehr in asymmetrische Termmi der Fortschrittlichkeit bzw. Mckstandigkeit iibersetzen, wie das noch z.B. Anfang der 90er Jahre mit Bezug auf die Standorte in den postsozialistischen Landem moglich war. Fiir die expatriates wird die Lokalitatsproduktion, die unter den gleichen oder ahnlichen globalen Bedingungen spezifische Glokalisierungsformen ausbildet (vgl. 4.1), unmittelbar erfahrbar und handlungsrelevant. Engagement in der Produktion der Lokalitat zieht in unterschiedlichen Graden eine Modifikation des Wissens und Handebis des expatriate nach sich, und diese Modifikation ist intendiert als Quelle der Ausbildung intemationaler Kompetenzen. Bezieht man in den Verlauf von Auslandseinsatzen auch die Riickkehr zum Herkunftsstandort resp. der Zentrale mit ein, so wird deutlich, dass Kultur-
25 Vgl. dazu die folgende InterviewauBerung: „...so, jetzt bin ich hier, in zwolf Stunden bin ich in der Firma, und dann zeig ich den doch Jungs mal, wie das ganze funktioniert." (ehemaliger expatriate) 26 Kulturschock „is simply a removal or distortion of many of the familiar cues one encounters at home and the substitution of them of other cues which are strange." (Hall 1990: 170).
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schock und Integrationszwange auch und gerade die Riickkehrsituation kennzeichnen. In gewissem MaBe ist sowohl der Herkunftsstandort dem Riickkehrer als auch der Entsandte den Zuhausgebliebenen kulturell fremd geworden (vgl. die klassische Studie zum Heimkehrer; Schtitz 1964b). Der expatriate hat biographisch an einer anderen ,sozialen Welt' teilgenommen. Das Besondere dieser Situation ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfahrung bei der Riickkehr: Ein einmaliger Auslandsaufenthalt wird wahrgenommen als eine zwar pers5nlich bereichemde, aber letztlich doch von den iibergeordneten Erwartungen an die Herausbildung globaler Kompetenzen isolierte Durchgangspassage auf dem Weg zu einem ,normalen' und eben nicht notwendigerweise ,globalen' Manager: einmal nach draufien gehen und „das war's dann" (ehemaliger expatriate). Mit dem AusXdindseinsatz wird der notwendige Eintrag in der Personalakte realisiert, der Umgang der Organisation mit Auslands^r/a/?rw«g bleibt kontingent, die ,kulturelle Anreicherung' von Zentralen fmdet nicht statt. Diese Diskrepanz zwischen Anforderungen und Realisierung, artikuliert sich subjektiv in einem deutlichen Unbehagen ob der vorgeblichen Nicht-Nutzung sich aus der Globalitat des Konzems ergebender Potenziale: „...es ist ein riesiges Netzwerk geworden, ahm, aber, dass wir jetzt tatsachlich die Synergien suchen, Know-How, dass wir sagen: wer macht was wo am Besten, und ich iibemehms, versuche es zu ubemehmen, klappt nicht immer (....) Die Anstrengung, die dahinter steckt, die untemimmt ja keiner richtig emsthaft. Und das denke ich fehlt mir, das ist denke ich das Wichtigste, das Wichtigste oder mit das Wichtigste was man aus diesen global player Eigenschaften eigentlich rausziehen kann, das nutzt man heute nicht, ne?" (ehemaliger expatriate).
Der hier verfolgte wissenssoziologische Ansatz legt nahe, die im Zitat geauBerte Problematik nicht lediglich auf Kontingenzen und ein mangelndes Bemiihen (seitens der Zentrale) zuruckzufuhren. Sowohl Transferinstrumente, wie in diesem Falle das Medium Mensch, als auch die auf diesem Wege transportierten Informationen unterliegen einer Rahmung durch die Typiken und Relevanzen der Lokalitaten. Zu fragen ware also, welche Wissensstrukturen, ,Weltbilder' und Selbstverstandnisse den Einsatz von Personalrotation und die Informationsaufiiahme gestalten, wie in diesem Zuge Wissen tibersetzt wird und mit welchen Konsequenzen fur die mit den Transferinstrumenten verbundenen Ziele (vgl. ftir die Zentrale 4.2). Die genannten und angedeuteten Formen der Vemetzung stellen - so zeigte sich - erst die die Transnationalitat der Organisation ermoglichenden Infrastrukturen dar. Deren konkrete Rahmung und Realisierung durch Lokalitat und Wissen lasst sich empirisch rekonstruieren. Die Rekonstruktion ergibt eine anhal-
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tende Pluralitat von Wirklichkeiten und eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit diesen Wirklichkeiten in und zwischen den Lokalitaten des global player. Diese Eigenschaften konnen als die wesentlichen Momente des Typus des transnationalen Konzems bezeichnet werden.
5.
Zusammenfassung
Ausgangspunkt der LFberlegungen war die Suche nach einem ,archimedischen Punkt', der es ermoglicht, die vielfaltigen Veranderungen der Raum-, Zeit- und Sozialdimension wirtschaftlichen Handelns in und von zunehmend funktional und regional diversifizierten Organisationen empirisch rekonstruierbar und damit auch einer weiteren Theoretisierung zuganglich zu machen. Die dominanten organisations- bzw. kontingenztheoretischen Hypothesen und Fragerichtungen zum Verhaltnis von Organisation und Umwelt(en) bzw. zur Steuerung und Koordination einzelner Untemehmenseinheiten wurden zunachst eingeklammert und sodann versucht, uber das sensitizing concept Glokalisierung zu einer empirisch offeneren Konzeptionalisierung transnational organisierter Interaktions- und Wirtschaftsbeziehungen zu gelangen, die den praskriptiven tJberschuss der Transnationalisierungsthese und damit die Fixierung eines zumindest vorlaufigen evolutionaren Endpunktes {pne-best-way) vermeidet. Es lag daher nahe, das Konzept der Transnationalen Organisation bzw. den Prozess der Transnationalisierung aufzuspalten in den Zusammenhang zwischen Lokalitat und Wissen einerseits und den notwendigen Prozess des Ubersetzens und Aneignens von Wissen als Integrations- und Steuerungsprozess zwischen den lokalisierten Praxisformen andererseits. Aus dieser Sicht des konstitutiven Zusammenhangs von Lokalitat und Wissen ergibt sich gleichzeitig die Notwendigkeit von Kommunikation und die Unwahrscheinlichkeit von Homogenisierung. In den Blick kam dadurch vor allem die unterschiedliche Perspektivitat Oder hier im doppelten Sinne die Standort-Gebundenheit des Wissens im Verhaltnis zum Gesamt-Kosmos des Konzems. Noch vor der Frage von moglichen jidealen' Steuerungs- und Kooperationsformen, die in der Literatur meist dichotomisch als Heterarchie vs. Hierarchic oder Zentralisierung vs. Dezentralisierung diskutiert werden, speist sich im organisatorischen Alltag aus dieser Multiperspektivitat ein permanenter Zwang zur Ubersetzung zwischen diesen Perspektiven. Die Mechanismen der Aneignung, Ubersetzung und Einpassung sowie der Rlickkopplung von globalen/lokalen Wissensbestanden in den ,Loka-
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litaten' global tatiger Untemehmen bestimmen die Frage der konkreten Ausgestaltung eben dieser Untemehmenswirklichkeiten (Glokalitat). Aus dieser Perspektive erscheint die Untersuchung solcher ,Glokalisierungsprozesse' im Sinne ihres Beitrags zu produktiver interkultureller Verstandigung sowie dem Aufbau und der Vermittlung von gemeinsam geteilten Wissen als wichtiger Forschungsgegenstand der intemationalen Organisationsforschung. Aus dieser Sicht kann ein Internationales Untemehmen zwar tiber transnatio n a l Infrastmkturen verfugen, es bleibt aber eine empirische Frage, ob sich z. B. ein Zentmm als ,Steuermann' oder als ,Vemetzer' versteht. Beides sind mogliche Interpretationen der Funktion vom Zentrum aus. Diese miissen nicht konform gehen mit den Interpretationen der Tochtemntemehmen - und dann ist es wiedemm eine empirische Frage, wie und ob dieser Dissens kommuniziert wird und strukturbildend wirkt - ohne dass Kriterien zur Hand waren, die eine solche Auseinandersetzung ,rational' im Sinne einer optimalen Ressourcenallokation entscheiden konnten. In dieser entscheidungsoffenen Aushandlungsarena sehen wir den qualitativen Wandel zum neuen Organisationstypus.
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Teil III
Informelle Netzwerke, Reputation und Vertrauen Infrastrukturen von Transnationalisierungsprozessen?
Gabriele Wagner
Expatriates als Netzwerkarchitekten^
Im Jahre 1999 hat Rainer Trinczek den Stand der Forschung zum Thema Globalisierung in einem Aufsatz breit aufgearbeitet und das Ergebnis seines konzisen Systematisierungsvorschlags unter ein bemerkenswertes Leitmotiv gestellt: „Es gibt sie, es gibt sie nicht, es gibt sie...". Gleiches konnte man auch iiber transnationale Untemehmen sagen. Es gibt sie, die Weltauto AG Volkswagen, es gibt sie nicht mehr, die Welt AG, die Daimler, Chrysler und Mitsubishi unter einem transnationalen Dach vereinigte, es gibt sie noch, die Weltauto AG Daimler Chrysler. Diese Beispiele werfen ein Licht auf ein generelles Problem: Die dauerhafte Stabilisierung transnationaler Organisationen ist empu-isch moglich, aber offensichtlich ist die Stabilisierung dieses Organisationstyps ein ebenso ergebnisoffener wie storanfalliger Prozess. In diesem Sinne ist die Entstehung transnationaler Organisationen unwahrscheinlich. Ftir diese Unwahrscheinlichkeitsthese, die Greve und Heintz (2005) in die Debatte eingebracht haben, lassen sich vier Argumente anfuhren: Der erste und empirisch selbstevidente Punkt verweist auf die hohe ,Sterblichkeitsrate' transnationaler Projekte. Die fehlgeschlagenen Joint Ventures und Ubemahmen zahlen Legion, viele Auslandsemsatze von Managem scheitem und werden vorzeitig abgebrochen (Stahl 2002: 277). Das hat zweitens sicher auch etwas mit den enormen Erwartungen zu tun, mit denen sich die ins Ausland entsandten Manager konfrontiert sehen. Die expatriates sollen einen grenz-
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Mein herzlicher Dank gilt den anonymisierten Interviewpartnem. Sie haben sich viel Zeit genommen und gewahrten mir EinbHck in ihre Arbeits- und Lebenswelt. Ohne die infrastrukturelle und fmanzielle Unterstiitzung durch das Zentrum fiir Deutschland- und Europastudien, das gemeinsam getragen wird von dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD), der StaatUchen Universitat St. Petersburg und der Universitat Bielefeld, ware die Studie ebenfalls nicht zustande gekommen. Dem damaligen Geschaftsfiihrer des Zentrums in St. Petersburg, Michael Kleineberg, und vor allem seiner Assistentin Gulnara Sultanowa bin ich zu tiefem Dank fur ihre vielfaltigen alltags- und forschungspraktischen Hilfen verpflichtet.
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Gabriele Wagner
uberschreitenden Transfer untemehmensintemen knowhows gewahrleisten und sich als interkulturell kompetente Botschafter bewahren (Harvey/ Novicevic 2002). Sie sollen als „boundary spanners" (Adams 1980) Grenzstellenkommunikation mit dem Ziel leisten, die Kommunikation zwischen Zentrale und Niederlassung zu verbessem (Boyacigiller 1990). Weiterhin sollen sie unterschiedliche Landes- und Organisationskulturen in einer umfassenden Konzemkultur integrieren. Nicht zuletzt sind die „Missionare" gleichzeitig gehalten, effektive Kontrolleure und „Inspekteure" zu sein (Kotthoff 2000: 97), die als „Statthalter" Direktiven der Zentrale und als „Zwingherren" harte Restrukturierungsprogramme durchsetzen sollen (Beneke 1999: 71). Auch in ihrer privaten Lebensfuhrung sehen sich die expatriates mit einer ganzen Reihe von widersprtichlichen Anforderungen konfrontiert - hier ist vor allem an das Problem zu denken, uberall und nirgends fest zuzugehoren (Osland 1999). Zum dritten weisen Greve und Heintz (2005) darauf bin, dass solche Integrationsmechanismen schwach ausgebildet sind, die eine transnational und interkulturelle Gemeinschaftsbildung ermoglichen und tragen. Solche Integrationsmechanismen lassen sich vomehmlich auf der Ebene von Semantiken des Managements beobachten. So fordert das Top-Management von Ford seine Belegschaft imperativ dazu auf, nationale Zugehorigkeiten abzustreifen: „Geschaftlich sind wu- alle Ford-Burger und keine Deutschen, Englander, Franzosen, Taiwanesen, Amerikaner oder Kanadier. (...) Bei den Weltmeisterschaften oder den Olympischen Spielen konnen Sie Ihr Land anfeuem; aber bei der Arbeit hat die Ford-Flagge Uber alien Landesfahnen zu stehen" (Ford-Report 1994 zitiert nach Frohnen 2005: 93). Die unperativische Formulierung „die Ford-Flagge hat zu stehen" verweist darauf, dass es sich um eine Vorgabe des Managements handelt. Angerufen wird ein „transnationaler Clan" (Schreyogg 1996: 151). Der Rtickgriff auf eine gemeinsam geteilte Untemehmenskultur soil die kulturellen Divergenzen neutralisieren, die sich an National- oder Regionalkulturen entzunden. Damit sehen sich die Beschaftigten mit einem eigentiimlichen Arbeitsauftrag konfrontiert: Sie sind gehalten, ein aktives „undoing nationality" zu leisten, indem sie ihre (national-)kulturellen Zugehorigkeiten und Pragungen in den stand by-Mo^us versetzen, um sich so reibungslos in die Ford world community einzureihen (Frohnen 2005: 20Iff). Zwar haben solche Vorgaben strukturbildende Effekte, aber sie sind fur sich allein genommen noch keine grundlegend veranderte Organisationspraxis und die Selbstbeschreibung als „transnationaler Clan" (Schreyogg) „disnationalized worker" (Frohnen 2005: 211) hat den steinigen Weg der empirischen Herstellung entsprechender Organisationskontexte und Identitaten noch vor sich. Das
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nicht zuletzt deshalb, weil Managementvorgaben auf vielfaltige Pfadabhangigkeiten und Resistenzen stoBen. Dariiber hinaus sind am Aufbau transnationaler Gebilde Akteure aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten beteiligt. Das erschwert interkulturelle Verstandigung erheblich und schraubt das Konfliktund Dissensrisiko hoch (Greve/ Heintz 2005). Dieses Desintegrationsproblem konnen Organisationen mit ihren Mitteln der formalen Kommunikationsregeln zwar dampfen, weil sie den Ausschnitt ansprechbarer Themen weitreichend einschranken und damit das Repertoire konflikthafter Themen schmal halten konnen. Aber das ist noch keine Losung, sondem zeichnet lediglich einen Losungsweg vor. SchlieBlich verbleibt auch in dem eng umgrenzten Sinnausschnitt noch genug Raum fur interkulturelle wie auch interorganisatorische Konflikte und Verstandigungsschwierigkeiten. Davon zeugt der anhaltend hohe Bedarf an interkulturellen Kompetenztrainings (Black/ Mendenhall 1990; Fish/ Wood 1996). SchlieBlich kann man zum vierten im Anschluss an Beckert (1999) zeigen, dass sich sowohl die Ziele als auch die Quellen der Einbettung der Wirtschaft in die (Welt-)Gesellschafl fundamental verandert haben. Polanyi erblickte die vomehmste Aufgabe der Einbettung in der Limitation okonomischer Prinzipien mit dem Ziel, dysfunktionale Effekte und Desintegrationsphanomene der Gesellschaft zu verhindem. Als Quellen standen fraglos gegebene normative Hintergrundtiberzeugungen, religiose Bindungen, Sitte, Konvention und Tradition zur Verfiigung. Im globalen Wirtschaftssystem und in transnationalen Konzernen dient Einbettung hingegen der Ermoglichung und Entlimitierung okonomischer Steigerungsprozesse. Aber auch mit Blick auf die Quellen und Ressourcen sozialer Einbettung lasst sich ein tiefgreifender Wandel beobachten. So fiihrt etwa der Ausbau der Infrastruktur und Kommunikationstechnologien zu einer Raum-/Zeitkompression (Harvey 1989) einerseits und einer Ausdehnung von Raumen wie Handlungsketten durch die informationstechnisch ermoglichte „Trennung und Rekombinierung der Raum-Zeit-Dimension" andererseits (Richter 1997: 193). Beide Aspekte haben eine Vervielfaltigung realisierbarer Entscheidungsoptionen zur Folge. „Die generelle Erweiterung von Kommunikations- und Entscheidungshorizonten" und das Anwachsen des ,je informierten Alternativenbewufitseins" beraubt traditionelle Normsysteme und Entscheidungskriterien ihrer Fraglosigkeit (Wiesenthal 2000: 23, 25, Hervorhebung im Original). Was man von einander erwarten kann und was nicht, ist nicht mehr ohne weiteres erwartbar. Damit sehen sich auch transnationale Organisationen mit erheblichen Koordinations- und Kooperationslasten konfrontiert. Dieses Ordnungsproblem vertieft sich mit der Erosion etablierter Wertordnungen und
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Gabriele Wagner
sozial fraglos geltender Sinndeutungsmuster. „Globalisierung", so Nassehis drastische Beobachtung; „malt den Rousseauschen Naturzustand an die Wand die Rohheit der Welt ohne die sittliche Totalitat des Staates. (...) Gesellschaft erscheint dann als ein geradezu chaotischer Anschlusszusammenhang von Ereignissen, dessen alltaglich-gewohnte Ordnung als arbitrar vorgestellt werden muB" (Nassehi 1998: 160; 158). Traditionsgesttitze Normen und Sinnverweisungszusammenhange verlieren aber nicht nur ihren handlungsinstruktiven Charakter. Sie verlieren auch ihre Macht, okonomischen Prozessen spezifische Grenzen zu Ziehen und sie auf genau diese Weise sozial zu ermoglichen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Akteure von Transnationalisierungsprozessen gefordert sind, die „sozialen und kulturellen Voraussetzungen" okonomischen Handebis reflexiv „mit zu erschaffen und zu reproduzieren" (Beckert 1999: 93). SchlieBlich ist die Effizienz und Funktionsfahigkeit von Markten notwendig auf ihre Einbettung in kulturelle, normative und soziale Strukturen angewiesen (Granovetter 1985), die jedoch nicht mehr fraglos gelten und als gegeben angenommen werden konnen. In dieser Perspektive erscheint Einbettung als ein kontingentes, gesellschaftlich nur schwach gestutztes Projekt auf Zeit (Beckert 1999:92). Die vier genannten Argumentationsstrange unterstreichen, dass die dauerhafte Stabilisierung transnationaler Strukturen und Organisationen unwahrscheinlich ist - unwahrscheinlich in dem Sinne, dass es empirisch moglich, aber voraussetzungsvoll ist. Im Umkehrschluss stellt sich damit die Frage, was eigentlich die sozialen Bedingungen der Stabilisierung transnationaler Organisationen sind. Aus der Vielzahl moglicher Bedingungen sollen im Folgenden zwei Kandidaten naher in den Blick genommen werden: Expatriates zum einen und ihre informellen sozialen Netzwerke zum anderen. Im ersten Schritt wird gezeigt, dass die expatriates in einem widerspriichlichen Dreieck zwischen Zentrale, Niederlassung und Markt bzw. lokalen Umweltbedingungen agieren (Zorzi 1999: 312ff). Dabei mtissen sie auch die nicht-okonomischen Voraussetzungen okonomischen Handelns (mit-)herstellen. In einem zweiten Schritt wird die Bedeutung informeller sozialer Netzwerke entfaltet. Dabei vertritt der Beitrag die These, dass sich Widersprliche nicht in den Strukturen formaler Organisationen losen lassen. Aus diesem Grund werden sie auf die Ebene der Interaktion bzw. in informelle Netzwerke verschoben. In diesem Sinne mtissen die expatriates auch die nicht-organisatorischen Voraussetzungen organisatorischen Handelns herstellen. Die folgenden Ausfuhrungen sttitzen sich auf Ergebnisse emer Feldstudie, die ich im Jahre 2004 in der russischen Foderation durchgefiihrt habe. Es wurden
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insgesamt 8 narrative Interviews mit deutschen Managem gefuhrt, die in der Federation Niederlassungen, Gemeinschafts- bzw. Schwesteruntemehmen aufbauen und leiten. Bis auf einen Fall handelt es sich um klein- und mittelstandische Untemehmen. Die Interviews dauerten durchschnittlich zwei Stunden. Sie wurden wortlich transkribiert und sequenzanalytisch ausgewertet. In den empirischen Teilen werden die Interviewpartner wechselnd als ,ein expatriate' oder mit ihren anonymisierten Phantasienamen zitiert. Mit dieser Sprachregelung soil zum Ausdruck gebracht werden, dass man es stets mit beidem zugleich zu tun hat: mit der organisatorischen Funktionsrolle des Managers und mit Subjekten, auf deren Strukturierungs- und Deutungsleistungen es in Organisationskontexten eben immer auch ankommt.
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Arbeit am und im Dreieck von Zentrale, Niederlassung, Markt und lokalen Umweltbedingungen
Mit Blick zunachst auf das Verhaltnis zwischen Zentrale und lokaler Einheit leisten die expatriates Grenzstellenarbeit (Luhmann 1995; Mayrhofer 1997). Ihre Aufgabe ist es, als Botschafter Strategieentscheidungen der Zentrale in lokale Konzepte zu iibersetzen, sozial und geografisch weit entfemte Raume miteinander zu verbinden und inter- wie auch unternehmenskulturelle Differenzerfahrungen zu Uberbriicken (Hays 1974; Mense-Petermann 2005). Mit Blick auf diesen Aufgabenkanon werden sie organisationsseitig als Weltbtirger positioniert, die kompetent die Rolle des kosmopolitischen „Globalmanagers" ausfullen(Kanter 1996). Gleichzeitig sollen sie die lokale Einheit kontrollieren und ggf reorganisieren (Stahl et al. 2002). Bei ihren Kontroll- und Reorganisationsaufgaben sehen sich die expatriates allerdings mit einem spezifischen Problem konfrontiert: Ihre Position als Reprasentant des headofflce und der damit einhergehenden symbolischen Zuschreibung von Macht kann in einem Spannungsverhaltnis zu ihrer eher prekaren Eingriffsmacht vor Ort stehen, die ihrerseits auf den strukturellen Status der expatriates als Fremde verweist (Zorzi 1999: 317). Das Problem btindelt der Interviewpartner Herr Dohm mit dem Hinweis, dass ihm anfanglich „vollig der Untergrund fehlte" (Dohm, S. 38). Der fehlende Untergrund wird in fast alien Experteninterviews thematisiert. Immer wieder genannt werden drei Problemfelder: Zum ersten wird in alien Interviews hingewiesen auf die grundsatzlich verschiedenen Arbeits- und Managementstile (Befehlsketten vs. eigenverantwortliche
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Gabricle Wagner
Zielorientierung), das mangelnde tiefere Verstandnis fiir „die russische Mentalitat" sowie auf das unzureichende „Wissen" uber und das „Gefuhl" fiir den russischen Markt (ausflihrlich dazu mit Blick auf den russischen Kontext Holtbriigge 1996; Piske 2002). Zum zweiten sprechen viele Interviewpartner die Liicke an, die zwischen ihrer formalen Machtposition als Abgesandter der Zentrale und ihren eingeschrankten Kontroll- und Durchgriffschancen vor Ort klafft. Besonders deutlich tritt das Problem bei Untemehmen hervor, die ein deutsches Management und russische Eigentiimer haben. Hier miissen die expatriates haufig ,uber Bande' spielen, um Anweisungen auch tatsachlich durchsetzen zu konnen. Auf die Frage, iiber welche Machtressourcen er verfligt, um effektiv Kontrolle ausiiben zu konnen, antwortet Herr Stenger: „Macht wird immer tiber die russische Gesellschaft (...), das heiBt liber den russischen Generaldirektor ausgeiibt. (..) Da gibt er Befehl, eben zack Anweisung an Ivanow: ,Das ist zu machen!' Dann lauft das auch. Sie konnen aber nicht selbst zu Ivanow gehen und sagen: ,Komm!' Dann guckt der immer nur mit einem Auge" (Stenger: 17). Das Auseinanderfallen von formaler und material gedeckter Macht stellt ein wesentliches Reorganisationshemmnis dar. Dazu nochmals Herr Stenger: „Wenn Sie dort sagen: ,Nein, das wollte ich vollig anders machen', stoBen Sie schon auf Barrieren. (...) Man guckt Dich standig wie so einen Abgesandten von auBerhalb an. Man toleriert das. Aber wenn man dann noch sagt: ,Ich mochte an Strukturen ran', das ist dann schon ein langwieriges Thema. (...) Diese Organisation darauf auszurichten, das ist schon ein anderes Thema, das ist nicht leicht, das dauert" (Stenger: 13). Ein drittes Problemfeld betrifft die Spannungen zwischen den lokal Etablierten und dem ,globalen' AuBenseiter, zwischen gewachsenen sozialen Strukturen einerseits und neuen sozialen Figurationen andererseits. Herr Mayerhof, der stellvertretender Direktor eines der flihrenden Hotels vor Ort ist, skizziert das Problem, dass er sich anfanglich in den undurchschauten Strukturen des alten Kooptationsnetzes verfmg: „Ich hab im ersten Jahr ziemlich geknabbert und hab' bestimmt vier-, ftinfinal gesagt:'O.K., was soil der ScheiB, ich ander hier sowieso nichts'." Und mit Bezug auf das etablierte russische Mittelmanagement fiigt er hinzu: „die sichem sich ihre Position, indem sie halt nicht 100 Prozent informieren, einen tiber gewisse Dinge im Unklaren lassen und halt so die alte Masche. (...) Das zieht sich insgesamt durch, dieses Misstrauen, ob man wirklich was davon hat, wenn man jetzt hier Gas gibt (..) und mal aus dem Schatten raustritt" (Mayerhof: 7; 6). Damit spricht Herr Mayerhof ein Problem an, das jeder „neue Chef und erst recht AQX fremde neue Chef regelmaBig zu bewalti-
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gen hat (Luhmann 1962). Organisationen haben zwei Seiten: formale Erwartungsstrukturen, Entscheidungsprogramme und geregelte Kommunikations- und Anweisungslinien auf der einen Seite und informelle soziale Kreise, Ordnungsformen und Machtzentren auf der anderen Seite. Zwar sind beide Seiten konstitutiv aufeinander bezogen, um die Funktions- und Anpassungsfahigkeit von Organisationen zu gewahrleisten, aber sie folgen dennoch unterschiedlichen Regeln, Erwartungen und Verkehrsformen. Zudem werden die Strukturen, Normen, Handlungsdirektiven und Deutungsmuster der informellen Organisation latent gehalten, bleiben also dem Neuen bzw. dem Fremden verborgen. Aus diesem Grund bringt „die Einsetzung in das formale Amt noch keine Nachfolge in die informalen Funktionen (..) mit sich" (Luhmann 1996: 15). Der Liickenschluss zwischen „Einsetzung" und faktischer Amtstibemahme muss zudem eine Kommunikationsbarriere iiberwinden, die auf den Unterschied zwischen formaler und informaler Organisation bezogen ist. Gegeniiber dem neuen Vorgesetzten konnen die Mitarbeiter zunachst einmal nur solche Situationsdefmitionen und Erwartungen auBem, die von der Formalstruktur gedeckt und solchermaBen legitimiert sind. Andere Kommunikationsangebote waren riskant und konnten „zu blamablen Zurtickweisungen fiihren" (Luhmann 1962: 15). Wer sich strikt an Befehlsketten orientiert und nur macht, was formal angeordnet wird, ist eben auf der sicheren Seite. Mit Blick auf diese Kommunikationsbarriere, die nur Schritt flir Schritt mit wachsendem Vertrauen und wechselseitiger Vertrautheit abgebaut werden kann, konnte es sein, dass so einiges, was auf das Konto kultureller Differenzerfahrungen (anderer Arbeitsstil, andere Mentalitat) gebucht wird, sich eher auf das skizzierte Kommunikationsproblem zurtickftihren lasst, das jeder „neue Chef und so auch der neu eingesetzte expatriate ,mit sich bringt'. Mit Blick auf die drei skizzierten Problemfelder wird deutlich, dass die expatriates gefordert sind, Kooperationsbereitschaften vor Ort zu mobilisieren und Mitgliedschaftsverhaltnisse zu redefmieren. Dabei arbeiten sie mit einem Mix aus Vertrauen und Kontrolle. Die befragten expatriates verfolgen eine Personalpolitik der langfristigen Bindung der Mitarbeiter an das Untemehmen. Uber das rein vertraglich geregelte Beschaftigungsverhaltnis hinaus bieten sie ihren Mitarbeitem die Moglichkeit einer „Normalbiographie" (Kohli) mit erwartbaren Stationen^ geregelten Einkommenssteigerungen und (berufs-)biographischen Sicherheiten an. Das Beschaftigungsverhaltnis wird also eingebettet in einen moralokonomischen Tausch, in dem Unterordnungsbereitschaft und Treue gegen Schutz und Ftirsorge getauscht werden. Hier wird Distanz zu den Prinzipien des Markttauschs gehalten. Gleichzeitig etablieren die expatriates eine strikte
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Ausrichtung am Markt, indem sie gewinnabhangige Entgeltsysteme auflegen. „Freilich, die freie Marktwirtschaft, gibt es. Und es ist auch gewollt so. Der eine Mitarbeiter, der schlechter arbeitet, der soil das auch merken im Portemonnaie. Der andere, der besser arbeitet, merkt es auch im Portemomiaie. Also das ist freie Marktwirtschaft" (Schmidtmeier: It). Nicht zuletzt zielt der Mix aus Vertrauen und Kontrolle, aus Moral- und Marktokonomie darauf, einen gemeinsamen Deutungsrahmen zu generieren. Im Gegensatz zu einer Transmissionsperspektive, die darauf abhebt, dass organisatorische Blaupausen nach dem Sender-Empfanger-Modell unplementiert werden konnen, sind die expatriates gehalten, in den glokalen Raum des „Dazwischen" (Bolten 1999b: 30), den Zentrale und Niederlassung aufspannen, einen geteilten Smnhorizont und gemeinsame Normen der Verbindlichkeit einzuziehen (ausfiihrlich dazu: Klemm/ Poppp 2005; Becker-Ritterspach 2005). Um die Machtasymmetrie zu iiberbrticken, mtissen die expatriates schlieBlich kommunikativ jenen Kontext erzeugen, der Einverstandnishandeln im Sinne Webers ermoglicht. Die Mitarbeiter vor Ort sollen sich die Perspektive des expatriates TAX eigen machen und diese zum OrientierungsmaBstab ihres je eigenen beruflichen Erlebens und Handelns machen.^ Neben dieser kommunikativkonsensorientierten Strategic konnte aber auch eine Strategic beobachtet werden, die eher auf Konflikt und Dissens zielt und mit dem Status des Fremden ,spielt'. Vor allem mit Blick auf einschneidende Reorganisationsaufgaben kann Fremdheit zur Ressource werden (Zorzi 1999: 347). Die expatriates sind den Simmelschen Fremden vergleichbar. Der Fremde ist der, der „heute kommt und morgen bleibt" und dabei immer ein Moment der Kontingenz prasent halt (Simmel 1908: 509). Weil der Fremde nicht verwickelt ist in Tradition, Geschichte und Moral der aufriehmenden Gruppe, wu-d er lediglich funktional mkludiert. Dieser randstandige Status ermoglicht es dem Fremden, weitreichende Struktur- und Programmanderungen durchzusetzen. Dabei kommt den expatriates durchaus entgegen, dass die Mitarbeiter vor Ort mit einem wohl temperierten MaB an ,Zwingherrenmentalitat' der expatriates rechnen. Die expatriates hingegen konnen geschickt mit diesen Erwartungen spielen. Sie konnen
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Solche „Autoritatsbindungen" (Popitz 1987) stiften eine Herrschafts- und Kontrollfiguration, die sich der Anerkennungsbedurftigkeit der Unterlegenen bedient; grundsatzlich dazu Popitz (1987); Wagner (2004: 134ff) und mit Blick auf den Kontext transnationaler Konzeme MensePetermann (2005).
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sich jenes MaB an kultureller Distanz, vorgeblicher Unwissenheit und sozialer Naivitat nehmen, das zur Durchsetzung auch unliebsamer MaBnahmen lebensweltlich durchaus hilfreich sein kann. Dazu ein expatriate wortlich: „Ja, wir gehen nattirlich viel unvorbelasteter an Sachen ran, die in Russland schon immer so gewesen sind und die wir plotzlich in Frage stellen und einfach mal anders machen" (Mayerhof: 14). „Unbefangenheit und Pietatlosigkeit gegentiber lokalen Gewohnheiten" sind also wichtige Ressourcen der expatriates - zumindest in der Anfangszeit (Luhmann 1962: 199). Die Fremden, so Zorzis iiberraschende ethnographische Beobachtung, konnen und sollen durchaus „befremden", um die lokale Managementund Organisationskultur mit dem Ziel aufzubrechen, Sinnkompatibilitaten zur Zentrale herzustellen (Zorzi 1999: 316). Entgegen einer weitverbreiteten Annahme ist es also Aufgabe der expatriates, der Erwartung gerade nicht - oder zumindest nicht vollstandig - zu entsprechen, sich weitreichend kulturell zu assimilieren. Um Brticken bauen zu konnen, mtissen die expatriates notwendig Grenzen Ziehen, das Fremde prasent halten, um Eigenes und Fremdes strategisch differenzieren zu konnen (Zorzi 1999: 441).^ Unter dieser Bedingung konnen die expatriates wahlweise die deutsche oder die russische Karte spielen und sie tun dies durchaus in Form von groben Stereotypen. In diesem Sinne gibt ein expatriate TAX Protokoll, dass er sich fur den Konfliktfall „einen russischen touch" zugelegt hat: „Ich brtill da schon mal (...). Das konnen Sie in Deutschland nicht machen, dann rennt der zu einem Gewerkschafter und heult und dann hat man gleich eine Abmahnung dran. Hier konnen Sie mal richtig - das schlucken die auch weg, das sind die so gewohnt" (Kamper: 18). So gesehen fordem transnationale Untemehmen beides und nach Moglichkeit beides zugleich: Den interkulturell kompetenten, kosmopolitischen „Globalmanager" (Bartlett/ Ghoshal 1993; Kanter 1996) und den von Bindungen freigesetzten, „sozial heimatlosen, schopferischen Zerstorer" im Sinne eines „rigorosen Entscheiders" (Bude 1997: 76). Diese doppelte Bestimmung verweist auf die Dreiziigigkeit von Kommunikation. Man nimmt ein Sinnangebot wahr, versteht es - etwa im Kontext interkultureller Differenz als russische Besonderheit - und entscheidet dann, ob man das Sinnangebot nun annimmt oder ablehnt, die Sequenz mit Konsens oder Dissens, mit Anpassung oder Ablehnung
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Das diirfte auch der zentrale Grund dafur sein, dass die Auslandseinsatze der expatriates zeitlich meist auf zwei, maximal vier Jahre befristet sind. Ansonsten drohen sie zu „Exportleichen" zu werden, die die erforderliche Distanz verlieren (Kamper: 24).
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schlieBt. Aufgabe der expatriates ist es also, der jeweiligen Situation entsprechend die Unterscheidung zwischen Akzeptanz und Ablehnung kompetent zu managen. „Dabei handelt es sich um ein andauerndes Abwagen, ein fortgesetztes (..) Entscheiden dariiber, welche Relevanzen handlungswirksam sein und welche Interessen durchgesetzt werden sollen" (Zorzi 1999: 539). Ein vergleichbares Balance-Management zwischen Engagement und Distanzierung ist auch mit Blick auf das Verhaltnis lokale Niederlassung und Markt zu beobachten. Im Gegensatz zur globalisierungskritischen Figur dQx'footloose company' gilt es, Rticksicht auf rechtliche, kulturelle und soziale Gegebenheiten vor Ort zu nehmen. Das ist genauso bekannt wie die trivial anmutende Tatsache, dass das Engagement vor Ort in die Balance gebracht werden muss mit den Gewinnerwartungen und Wachstumsvorgaben der Zentrale. Hieran zeigt sich ein weiterer Widerspruch, den die expatriates kleinarbeiten sollen: Der Erfolg wird zwar in der auslandischen lokalen Einheit unter den vor Ort herrschenden schwierigen Kontextbedingungen erarbeitet. Bilanziert wird er jedoch in der Zentrale und zwar nach dort geltenden MaBstaben. Das eine muss dabei nicht zwingend mit dem anderen verkntipft sein. Herr Schmidtmeier baut in Moskau und Petersburg eine Vertriebsstruktur fur die X-Fhma auf, ein Unternehmen, das in Deutschland, Polen, Ungam und der russischen Foderation medizinische Hilfsgerate in komplett standardisierten Einheiten, Arbeitsablaufen und Strukturen verkaufl - selbst die Ordner stehen in alien Niederlassungen am gleichen Ort. „Der einzige Unterschied", so Herr Schmidtmeier, „der sehr krass ist, besteht darin, dass wir (die Gerate) in alien vier Landem zu vollig unterschiedlichen Preisen verkaufen. Am teuersten verkaufen wir sie in Deutschland, dann kommt Polen, dann kommt Ungam, dann kommt eine Pause und dann kommt Russland" (Schmidtmeier: 3). Das ist deshalb „krass", well jeder „fur den gleichen Umsatz das gleiche Geld bekommt, egal in welchem Land er arbeitet. Nur wir bringen eben die Umsatze nicht" (Schmidtmeier: 7). Zusatzlich zu den bereits dargelegten Problemfeldem fuhrt er all jene Punkte an, die auch die anderen Interviewpartner nannten: Absatzmarkte fur hochpreisige Qualitatsprodukte mtissen nicht nur erschlossen, sondem fallweise erst einmal hergestellt werden, die Gewinnung und Qualifikation der Mitarbeiter ist zeit- und arbeitsintensiv, wirtschaftspolitische und steuerrechtliche Rahmenbedingungen sind schwer zu durchschauen und wechseln haufig. Diese Liste lieBe sich noch lange fortfuhren. Sie soil mit dem Hinweis auf das fur den russischen Kontext zentrale Dauerproblem schlechthin geschlossen werden - die Allgegenwart von Korruption einerseits und das zeitfressende Dickicht burokratischer Regelungen und unklarer Zustandigkeiten andererseits.
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Die Gegebenheiten vor Ort kontrastieren also scharf mit den Erwartungen der Zentrale, organisatorische Blaupausen rasch zu implementieren, Strukturen sauber aufzusetzen und die vorgegebenen Wachstums- und Gewinnerwartungen zeitnah zu erfiillen. Damit sich das intemationale Engagement der Klein- und Mittelstandler rechnet, werden die einzelnen Niederlassungen engmaschig kontrolliert und mtissen trotz der vielfaltigen Unterschiede vor Ort standardisierten Vorgaben weitreichend entsprechen. Umgekehrt sind den Wtinschen der expatriates an Flexibilitatsbereitschaften der Zentrale enge Grenzen gesetzt. Dazu ein expatriate: „Da kann jetzt nicht einer wie ich hier kommen und sageni'Das in Russland ist jetzt alles ganz anders'. Da sagen die in der Zentrale:'No, alles anders geht nicht'" (Kamper: 31). Das verweist auf die Spannungslinien zwischen Zentrale und Markt, die ihrerseits bezogen ist auf die Restrukturierung transnationaler Untemehmen. Auf dieses dritte Spannungsfeld, das in der Literatur breit diskutiert wird, soil nur kurz eingegangen werden, da es in der hier prasentierten empirischen Studie kaum eine Rolle spielt. Beim Aufbau und der Ausgestaltung lokaler Einheiten versucht die Zentrale, Vorteile und Konzepte, die in einem spezifischen Umfeld entstanden sind, auf andere Einheiten zu ubertragen. Zugunsten der Standardisierung und der damit in Verbindung gebrachten economies of scale and scope wird die Bindung an lokale Kontexte gelockert (Wortmann 2000). Lokale Einheiten werden hinsichtlich ihres strategischen Stellenwertes fiir die Umsetzung der globalen Konzemstrategie von der Zentrale beobachtet und entsprechend restrukturiert. Funktionale Gliederungen werden zugunsten landertibergreifender, produktbezogener Sparten aufgegeben, die als weltweit ergebnisverantwortliche Profitcenter organisiert sind. Damit entstehen, so Matthai und Kotthoff, letztlich „Untemehmen im Untemehmen" (Matthai/ Kotthoff 2001: 149). Hier zeichnet sich „entgegen zahlreicher Globalisierungsprognosen eine Entwicklung ab, die gleichzeitig zu Fragmentierungstendenzen und zu neuen Formen sozialer Bindungen fahrt, die sich jedoch keineswegs, wie im Bild vom ,footloose enterprise' prognostiziert, auf der Ebene der Konzemzentralen vollzieht und zur Erosion der nationalen homebase fiihrt, sondem auf der Ebene der Auslandsgesellschaften, wo es zu einer sozialen ,Entbettung' aus lokalen Bindungen hin zu einer standortiibergreifenden ,Einbettung' in globale Geschaftsbereiche kommt" (ebd. 156). Diese Form der Einbettung in das transnationale Netzwerk ist jedoch ein iiberaus storanfalliges Untemehmen. Mit Blick auf die transnationale Ausrichtung betonen Altvater und Mahnkopf das „unlosbare Spannungsverhaltnis" zwischen solchen netzwerktypischen Koordinationsmechanismen, die Kooperation und dezentrale
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Autonomie absichern und jenen Mechanismen, die umfassende Konkurrenz und effektive Kontrolle bedingen. Das „Schlusselproblem" des lander- und spartenubergreifenden transnationalen Untemehmensnetzwerkes „ist der ,absichtsvoir in seine Strukturen eingebaute und durch die indirekte Kontrolle des Kennziffemvergleichs auf Dauer gestellte ,strukturelle Egoismus' der einzelnen Unternehmenseinheiten" (Altvater/ Mahnkopf 1997: 367). Um die vielfaltigen inter- wie intraorganisatorischen Desintegrationsphanomene aufzufangen, sind die expatriates gefordert, die nicht-okonomischen Ressourcen okonomischen Handelns reflexiv herzustellen. Hier sind insbesondere Ressourcen wie Loyalitat, Vertrauen, Dauerhaftigkeit und VerlaBlichkeit gemeint. Aufgabe der expatriates ist es weiterhin, sich kompetent in dem widerspriichlichen Dreieck zwischen lokaler Niederlassung, Zentrale und Markt zu bewegen. Mit diesem Arbeitsauftrag an die expatriates ist nun aber auf einer strukturellen Ebene eine Sollbruchstelle zwischen Organisation und Management vorprogrammiert. Organisationen konnen WidersprUche nicht in formalen Entscheidungsprogrammen losen. Aus diesem Grund werden sie an das Personal weitergereicht. Ein expatriate beschreibt die Bruchstelle mit folgender Unterscheidung: „Die in der Zentrale machen die Strategic, ich mach die Taktik hier vor Ort" (Kamper: 33). Aber auch den expatriates ist es nicht moglich, die Vielzahl an Widerspriichen im Rahmen enger organisatorischer Vorgaben und formaler Organisationsstrukturen kleinzuarbeiten. Eine mogliche Taktik besteht nun darin, WidersprUche aus der Organisation auszulagern und sie auf die Ebene von Interaktion zu schieben. WidersprUche werden dann in informellen sozialen Netzwerken bearbeitet.
2. Informelle soziale Netzwerke In der Sicht der expatriates sind Netzwerke der entscheidende soziale Kitt, Wissenspool und strategische Hebel, um Veranderungsprozesse zu bewerkstelligen, Konflikte zu bereinigen und einen Mangel an Ressourcen auszugleichen. Auf die Frage, welche Rolle soziale Netzwerke spielen, gibt Herr Dohm zu Protokoll: „Ja (..) das spielt (.) eine sehr groBe Rolle. (..) Das hat mich 2 Jahre Netzwerkarbeit gekostet. Ich sag mal - von fachlichen Diskussionen, von'Ich helf dir mal, wenn du ein Problem hast' bis hin zu miteinander
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essen gehen und die beruhmte Biertheke muss dann auch mal herhalten. Ja. Das ist schon sehr, sehr wichtig" (Dohm: 21). Die besondere Leistungs- und Integrationsfahigkeit sozialer Netzwerke beruht darauf, dass diese Kooperationsform sozialen Tausch auf der Grundlage von Vertrauen ermoglicht (Sydow et al. 1995). Diese Sicht soil hier um das Konzept der Adresse erweitert werden, das Tacke (2000) in die Netzwerkdebatte eingebracht hat. Tacke zufolge zeichnen sich Netzwerke durch „den Primat von Adressen" aus - die lebensweltliche Chiffre dafur ist die eben zitierte „berulimte Biertheke". Die Biertheke ist ein sozialer Ort, an dem sich Personen hinsichtlich vielfaltigster Relevanzen und offener Moglichkeiten wechselseitig ansprechen, sich also als potentielle Partner adressieren. Individuelle Adressbiicher sind zwar die Faden, aus denen Netzwerke gekntipft werden. Aber der Faden ist eben noch nicht das Netzwerk. Darauf macht em expatriate mit Blick auf EDV-gestUtzte Kundendateien aufmerksam: „Es gibt ja'zig Programme (..), in die ich irgendwelche Adressen eintragen muss. Aber, was niitzt mir so eine Adressdatei, wenn ich den Inhalt nicht kenne, wenn ich nicht weiB, um was es dort geht. (Die Progranrmie) klassifizieren zwar alles nach Generaldirektor, dies, dies, dies. Aber ein Computer gibt nicht wieder, wie das personliche, das menschliche Verhaltnis ist. Meine Aufgabe ist es also, viel zu den Kunden, zu den Projekten zu gehen" (Stenger: 18). Ein soziales Netzwerk kann dann entstehen, wenn aus einer stummen oder nur funktionsspezifisch ansprechbaren Adresse eine mobilisierbare Adresse, mithin eine ansprechbare Person und Ressource wird."* Das besondere Potential von Adressen liegt Tacke zufolge in der „Diffusitat des Moglichen" (Tacke 2000: 304). Wenn man eine Adresse hat und ansteuert, „eroffnet dies den Zugang zu immer neuen Schichten der Adresse" (Stichweh 2000: 223), denn auf der Ebene von Interaktionen gibt es „kein Tabu gegen Ausweitung der Bekanntschaft" (Luhmann 1962: 16). Man tastet einander vor-
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Auch isolierte Kontakte oder einzelne Tauschakte ergeben noch kein Netzwerk. „Erst die Abhangigkeit der Transaktionen in einer Beziehung von Transaktionen in anderen Beziehungen des Netzwerks induziert weitreichende indirekte Interdependenzen und eine netzwerkweite systemische Verbundenheit" (Kappelhoff 2000: 44f.). „Damit kann die Tauschbeziehung einmal als emergentes Resultat der interessengeleiteten Handlungen der beteiligten Akteure betrachtet und zum anderen als durch einen systemweiten Tauschzusammenhang konstituiert verstanden werden. In dem Konzept des Tauschsystems verbinden sich daher die komplementaren Sichtweisen der Emergenz von unten und der Konstitution von oben" (Kappelhoff 2000: 42).
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sichtig ab und gibt - soweit es die Regeln des Taktes und des Respekts erlauben - mehr und mehr preis. Auf diese Weise kann man an Adressen auch ganz andere, neue, zunachst unwahrscheinliche Moglichkeiten entdecken. Fiir Netzwerke bedeutsam sind dabei weniger die „aktuellen", in ihren Moglichkeiten bereits bekannten, sondem in erster Linie die „aktualisierbaren wirtschaftlichen Beziehungen" (Mill/ WeiBbach 1992: 318) mit ihren offenen Moglichkeitshorizonten. Auch das laBt sich an einem Beispiel verdeutlichen. Herr Dohm hat ein steuer- und zollrechtliches Problem, das weder sein russischer Steuerberater, noch seine Buchhalterin losen konnen. Die dritte Moglichkeit, eine Internationale Wirtschaftskanzlei zu konsultieren, ist fur den kleinen Betrieb zu teuer. Herr Dohm lost sein Problem, indem er im Rahmen diverser Zusammenktinfte, die das Konsulat oder das Haus der Deutschen Wirtschaft organisieren, andere expatriates „antickert", wie er es selbst nennt. Irgendwann gerat seine Erzahlung an die richtige Adresse. Er fmdet einen Kollegen, der das gleiche Problem selbst schon einmal hatte und in einer Wirtschaftskanzlei den teuren Rat einholte. Der KoUege macht den Vorschlag, dass Herr Dohm seine Buchhalterin zu seiner Buchhalterin schickt, damit das Rechtsgutachten unter dem Tisch und kostenlos weitergereicht wird. Ein anderes Beispiel sind Geschaftskontakte, die eingefadelt werden, well der deutsche expatriate aus seiner DDR- und NVA-Zeit noch Kontakte zu russischen Stellen hat. An diesen Beispielen kann man sehen, dass mobilisierbare Adressen sich durch eine „Diffusitat des Moglichen" auszeichnen. Es konnen tiberraschende Briicken zwischen getrennten sozialen Bereichen und unterschiedlichen sachlichen Sinnkontexten entstehen. Das Konzept der Adressen offhet also die Analyse sozialer Netzwerke zur Seite der Entdeckung oder sogar der Entstehung neuer, sachlich zunachst einmal unwahrscheinlicher Moglichkeiten. Gesteigert wird dieser Zusammenhang dadurch, dass in Netzwerken nicht nur die Moglichkeiten jeweils prasenter Personen ventiliert werden, sondem auch die Moglichkeiten abwesender Adressen Beachtung fmden konnen (Bommes/ Tacke 2005) - gemeint sind die „friends of friends" (Boissevain 1974).' Stabilisiert wird die Verkniipfring diffuser Moglichkeiten durch die Logik des sozialen Tauschs und interpersonales Vertrauen. Uber unterschiedliche
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Boissevain unterscheidet zwischen Ressourcen erster und zweiter Ordnung: „The first are resources, such as land, jobs, scholarships funds, specialized knowledge, which he contols directly. The second are strategic contacts with other people, who control such resources directly or have access to such persons" (Boissevain 1974: 147).
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soziale und Sinnkontexte hinweg fehlen klar abgezirkelte Verrechnungsmodi fur gewahrte Gefalligkeiten, kollegiale Indiskretionen oder informelle Zugange (Tacke 2000: 305). Der Wert der Leistungen, Ressourcen und Informationen, die in Netzwerken bereitgestellt und getauscht werden, ist „in sachlicher und sozialer Hinsicht variabel" (Mill/ WeiBbach 1992: 318). In der Zeitperspektive sind die Tauschwerte unterspezifiziert, weil informelle soziale Netzwerke der Logik des Gabentauschs unterworfen sind, die sich auszeichnet durch eine „relative absence of explicit quid pro quo behavior" (Powell 1990: 305). Wann und mit welcher Gegengabe beantwortet eigentlich Herr Dohm die kostenlose tJberlassung des Rechtsgutachtens?^ Das Problem der fehlenden VerrechnungsmaBstabe fangen generalisierte Reziprozitatsnormen, moralische Selbstverpflichtungen und Solidaritatsnormen in der Zeitdimension auf, die als Regulative von Erleben und Handeln in Netzwerke eingeschrieben sind. Wie bereits gesagt verbietet es die Logik des Gabentauschs, genau zu rechnen und zeitnah die Gegengabe einzuklagen. Das damit verbundene Ausbeutungsrisiko wird durch personliches Vertrauen in Schach gehalten.'^ Luhmann zufolge ist Vertrauen eine riskante Vorleistung. Man setzt auf die Vertrauenswiirdigkeit des Anderen. Umgekehrt versucht der Treunehmer sich des gewahrten Vertrauens als wiirdig zu erweisen, indem er auf opportunistisches Verhalten verzichtet. Aus diesem Grund formen, so Luhmann, Vertrauensbeziehungen ihre „Entstehungsbedingungen in Erhaltungsbedingungen" um (Luhmann 2000: 56). In informellen Netzwerken stabilisieren sich also personliches Vertrauen, sozialer Tausch und die Vielfalt der differenten uberbriickten Kontexte wechselseitig (Tacke 2000: 306ff). Von den dort erzeugten Loyalitaten, Formen des
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Die „Difftisitat des MOglichen" (Tacke 2000) im Verein mit der Unterspezifiziertheit der Gegengabe macht soziale Netzwerke hoch anf^llig fur Korruption (Hiller 2005). Selbst die fur den Beginn einer Netzwerkbildung typischerweise kleinen Gaben stiften Verbindlichkeiten, denn mit der Gabe verbindet sich die Erwartung einer Gegengabe. Es entfalten sich also Eigendynamiken, die schwer unter Kontrolle zu bringen sind und sachfremde Entscheidungskriterien miteinander vermischen (Aderhold 2004: 265, grundsatzlich dazu: Hiller 2005). Staber (1999) diskutiert unter den Stichworten „Netzwerkkultur", „Untemehmensreputation", „Zugangsbeschrankungen" und „Sanktionen" zentrale Steuerungsmechanismen von Netzwerken, die sich auch als weitere Instrumente lesen lassen, die das Ausbeutungsrisiko in Schach halten. Die herausragende Bedeutung von Reputation als Suchschema, das es erlaubt, effizient die fachliche Kompetenz, Zuverlassigkeit, Glaub- und Vertrauenswiirdigkeit potentieller Netzwerkpartner in transnationalen Wirtschaftsbeziehungen einzuschatzen, arbeitet Glucker (2004) aus.
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informellen ,Wissensmanagements' und Unsicherheitsreduktionen profitieren expatriates ebenso wie transnationale Organisationen erheblich. Das dtirfte ein zentraler Grund dafur sein, weshalb die meisten der befragten expatriates aus der ehemaligen DDR stammen. Mit dieser Einstellungspolitik kaufen sich die Untemehmen Adressbiicher ein, tiber die ein westdeutsches Untemehmen so nicht verfugt.^ Weiterhin gehen transnationale Organisationen dazu iiber, ihrerseits - salopp formuliert - ,organisierte Biertheken' einzurichten. Hier ist an die vielfaltigen landertibergreifenden meetings, workshops oder konzemspezifischen Ausbildungsprogramme zu denken.^ Solche Interaktionssysteme unter Anwesenden, die im Zeitalter von Videokonferenzen und email-Verkehr auf den ersten Blick kontraintuitiv sind, zielen darauf, die einzelnen Landes- bzw. Tochtergesellschaften in die Untemehmenskultur des transnationalen Konzems einzubetten und die Ftihrungskrafte „in die informellen Informationskanale und Entscheidungswege einzuflechten" (Schreyogg 1996: 155). ,Organisierte Biertheken' stiften so gesehen ein Forum, um aus fiinktionsspezifischen Adressen, die formale Zustandigkeiten ausflaggen, mobilisierbare Adressen zu machen.*^ Das gilt freilich nur der Chance nach. Organisationen konnen zwar Kontaktborsen einrichten, die es ermoglichen, „nahezu iiberall auf dem Globus Verbindungen zu suchen und auch zu fmden. Aber: Erreichbarkeit lasst sich nicht uneingeschrankt in Zwga??g//c/?te/Y transformieren" (Aderhold 2004: 196, eigene Hervorhebung). Die Einrichtung von Netzwerken kann eine Entscheidung des Managements sem - und gleichzeitig sind und bleiben informelle Netzwerke „eigene Entscheidungskontexte" ihrer Akteure (Hessinger 2001: 46). In diesem Sinne beschreibt Hessinger Netzwerke als Produkt von „Wahlhandlungen" (Hessinger 2001: 59). Zunachst wird die Entscheidung gefallt, ob man das Netzwerk aufbaut oder abbricht. Im Fall des Aufbaus ergeben sich drei weitere Anschlussentscheidungen. Welche Person wird als relevant anerkannt? Soil die Beziehung zu dieser Person ,multiplex' ausgebaut werden? Soil man der fragli-
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Weitere Griinde liegen auf der Hand. Die Manager aus der ehemaligen DDR kennen die historisch-ideologischen Hintergriinde, sie sind vertraut mit planwirtschaftlichen Arbeits- und Fuhrungsmethoden und sie verfugen tiber Sprachkenntnisse (Zander 2002: 307). 9 Hier kann man sehen, wie transnationale Untemehmen versuchen, ihre formale Organisationsstruktur als „heterarchisches Netzwerk" (Hedlund 1986; Hedlund/ Rolander 1990) in personliche Netzwerke ihrer uber den Globus verteilten Mitglieder einzubetten und beide Netzwerke ineinander zu verschachteln. 10 In der unmittelbaren hiteraktion zwischen Anwesenden ist es zudem mOglich, durch gemeinsam ausgehandelte Situationsdefmitionen Unsicherheiten zu reduzieren und auf diese Weise die Integrationsf^igkeit des Netzes zu starken (Staber 1999: 78).
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chen Person Kontakt zu relevanten Dritten ermoglichen? (ebd.). Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden und wie sich die Antworten der beteiligten Akteure ineinander verschranken oder auch nicht, ergeben sich hochst unterschiedliche Aktivierungspfade, Kooperationsgeschichten und Potentiale von Netzwerken. Als Zwischenfazit kann man festhalten, dass transnationale Organisationen auf der einen Seite mit der Restrukturierung und Vermarktlichung zentrifugale Krafte freisetzen und damit das soziale Fundament okonomischer Koordinationsprozesse erheblich belasten. Umgekehrt stellen sie mit der reflexiven Organisation von Adressen und Netzwerken die soziale Flankierung okonomischer Prozesse - zumindest der Chance nach - wieder her. Hieran zeigt sich weiterhin, dass die expatriates bei ihrer widerspriichlichen Aufgabe, sich kompetent in dem widerspriichlichen Dreieck zwischen Niederlassung, Zentrale und Markt bewegen zu mussen und dabei zugleich die nicht-okonomischen Bedingungen okonomischen Handelns herzustellen, auch auf organisatorische Strukturierungen zurlickgreifen konnen. Die skizzierte ,Wahlverwandtschaft' zwischen formaler Organisation und informellem Netzwerk, die sich zu einem Positivsummenspiel aufaddiert, kann, muss aber nicht gelingen. Hinter den Kulissen der „Schonen heilen Netzwerkwelt" verbergen sich drei Probleme, die abschlieBend kurz skizziert werden (Gaitanides 1998): 1.) Ressourcen, die in informellen sozialen Netzwerken auf der Grundlage von Interaktion erzeugt werden, lassen sich nicht ohne weiteres wieder in die Formalstruktur von Organisationen einriicken. Bin wesentlicher Grund dafur ist gerade in der besonderen Struktur informeller Netzwerke zu sehen. Netzwerke unterlaufen formale Strukturen, halten sich nicht an funktionsspezifische Zustandigkeiten und verzichten auf die „fur Organisationen typische Beschrankung des Entscheidungshandehis der Mitglieder auf eine geringe Zahl von Pramissen" (Mill/ WeiBbach 1992: 325). Gerade das Fehlen von Formalstrukturen und klaren Entscheidungspramissen, eindeutigen Zugehorigkeitskriterien und festen Grenzen macht die Starke informeller sozialer Netzwerke aus (Aderhold 2004: 247; Aderhold/ Wetzel 2004: 25). Aufgrund ihrer spezifischen „Andersheit" (Boos et al. 1992) im Vergleich zu formalen Organisationen „weiten sich die moglichen legitimen Kommunikationsthemen ins Unabsehbare" (Mill/ WeiBbach 1992: 325). Das hat zur Folge, dass Netzwerke notwendig „komplexe, polyzentrische Systeme" sind, die sich der zentralen Steuerung entziehen (Sydow 2003: 306).
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2.) Das aus der Perspektive der expatriates „unabsehbare" Moglichkeitspotential informeller sozialer Netzwerke ist jedoch fur Organisationen eine „latente Ressource (...), die kaum zu kontrollieren ist (...), da es sich um personliche (.) Beziehungsnetze handelt, die (...) nach den Normen professioneller Expertenkulturen und informeller Beziehungen funktionieren" (Ziindorf 1994: 244, 253). Der Weg der Auslagerung von Widerspriichen aus der Organisation in Interaktion bedeutet ftir Organisationen also einen nicht unerheblichen Kontrollverlust. Die mobilisierbaren Adressen, informellen Zugange und intimen Feldkenntnisse sind allesamt personengebundene Ressourcen der expatriates. Erzeugt und gepflegt werden sie in informellen sozialen Netzwerken organisationsijbergreifender Kooperationsbeziehungen. Die Struktur dieses Netzwerkes muss dabei keineswegs deckungsgleich sein mit den Netzwerkstrukturen, die Organisationen zu anderen Organisationen unterhalten. Auch aus diesem Grund konnen Organisationen nicht als „Gouvemeure" der personlichen Adressbiicher und erst recht nicht der informellen Netzwerke ihrer Mitglieder auftreten (Fuchs 1997: 71). „In dieser Hinsicht sind sie verwaltungsunfahig" (Fuchs 1997: 72). Auch das Management des headoffice ist also gehalten, den expatriates riskante Vertrauensvorschiisse zu gewahren und darauf zu bauen, dass sich die Jocal heroes' des gewahrten Vertrauens wiirdig erweisen und die von Seiten der Organisation stillschweigend zugestandenen Raume des ,irregularen' Handelns und Entscheidens nicht im eigenen Interesse ausbeuten (Ziindorf 1994, Kotthoff 2005). 3.) Aber auch die expatriates haben mit der Macht der Netzwerke und der „Diffusitat des Moglichen" zu kampfen. Hier sei an den Konflikt des Hotelmanagers mit dem etablierten Netz des russischen Mittelmanagement erinnert. Das alte Netz versucht er in Schach zu halten, indem er sein eigenes, neues Netzwerk aufbaut. Dabei laBt er sich von der Einsicht leiten, dass er nicht die Macht hat, das etablierte Netz einfach zu durchschneiden. Sein Problem beschreibt er mit den Worten: „Das ist einfach noch nicht reif genug. Da muss man (...) schauen, dass man, ohne es anzufassen, trotzdem weitermachen kann" (Mayerhof: 6). Mit Blick auf das etablierte informelle Netz des russischen Mittelmanagements sitzt Herr Mayerhof in der Publikumsrolle und sieht sich von der Clique umstellt. Er versucht, seine U-Boote einzuschleusen, sein eigenes Netz um das alte Netz herumzulegen und zum Teil stellt er die Losung den Zeitlauften anheim, indem er auf das Ausscheiden bestimmter Manager wartet. Netzwerke konnen beides zugleich sein: Problem und Losung. Das nicht zuletzt deshalb, weil Netzwerke quer zu formalen Strukturen und gesellschaftlichen Spharen liegen, weshalb sie je nach Ausgestaltung, eigener Entstehungsgeschichte und
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Art der Kopplung unterschiedlicher Spharen „als (partikular ansetzende) Unterstutzungseinrichtung oder als Blockiereinrichtung fungieren konnen" (Aderhold 2004: 279).
3. Fazit Resumierend kann man Folgendes festhalten: Die Feldstudie zeigt die besonderen Leistungen der expatriates, die das widersprUchliche Dreieck zwischen Zentrale, Niederlassung und lokalen Umweltbedingungen managen mtissen, Dabei stellen sie auch die nicht-okonomischen Voraussetzungen okonomischen Handelns mit her. Sie arbeiten an der Erzeugung eines gemeinsamen Sinnkontextes, sie redefinieren Mitgliedschaftsverhaltnisse, werben Vertrauen und Loyalitat der Mitarbeiter ein. Damit ist Beckerts These empirisch belegt, der zu Folge Einbettung kein passives Konzept meint, sondern vielmehr auf einen Prozess verweist, der auf die aktive Herstellung der sozialen, kulturellen und kognitiven Voraussetzungen okonomischen Handelns zielt (Beckert 1999: 100). Zudem stellen die expatriates als Netzwerkarchitekten auch die nichtorganisatorischen Voraussetzungen organisatorischen Handelns her. Organisationen konnen Widersprtiche nicht in formalen Strukturen losen, deshalb reichen sie das Problem an ihre Manager weiter. Damit sehen sich die Manager mit Problemen und Aufgaben konfrontiert, die sie im Rahmen organisatorischer Routinen, formaler Strukturen und geregelter Entscheidungsprogramme nicht losen konnen. Nicht zuletzt deshalb lagem die expatriates ihrerseits das Problem aus der Organisation in informelle Netzwerke aus. Auf der Grundlage personlichen Vertrauens bauen sie „multiplexe Beziehungsgeflechte" (Mitchell 1974) auf, die es erlauben, Informationen, Ressourcen und Leistungen Uber Organisationsgrenzen hinweg zu tauschen (Staber 2002: 123). „Die organisationsfernen oder gar feindlichen Interaktionen konnen zugleich als Gestaltungsinstrument der Organisation genutzt werden, um Dinge zu tun, die mit den vorhandenen Strukturen nicht bewegt werden konnen. Die Organisation eroffhet den Mitgliedem Nischen", tiber deren Ausgestaltung sie selbst zu entscheiden haben (Aderhold 2004: 305).'' Auf diese Weise nutzen transnationale Organisationen eine
11 Damit handeln sich die Mitglieder eine „hassliche Ambivalenz" ein. „Sie kOnnen vorher nicht sicher wissen, ob sie fur eine geduldete / erwiinschte / geforderte Regelverletzung nachher belohnt oder bestraft werden" (Ortmann 2004: 7).
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Ressource, die sie nicht kontrollieren konnen und die fiir ihre dauerhafte Stabilisierung dennoch von hoher Bedeutung ist.
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Johannes Gliickler
Lokale oder globale Reputation? Auf der Suche nach globalen Wettbewerbsvorteilen in der Unternehmensberatung
1.
Problemstellung
Eine Konsequenz anhaltender wirtschafllicher Globalisierung und politischer Liberalisierung ist die zunehmende Gelegenheit, aber auch untemehmerische Notwendigkeit, strategische und operative Wettbewerbsvorteile durch die internationale Organisation von Untemehmen zu verwirklichen. Untemehmen investieren in und handeln zwischen nationalen Standorten, um Ressourcen, neue Markte, strategische Wettbewerbsvorteile oder Effizienzgewinne in der Produktionsorganisation zu erschlieBen bzw. zu erzielen. Die Anzahl von heute als transnational bezeichneten Untemehmen ist von 7.000 im Jahr 1970 liber 40.000 im Jahr 1995 auf mindestens 61.000 im Jahr 2004 angewachsen. Die 100 weltweit groBten Untemehmen beschaftigen gemeinsam tiber 14 Mio. Menschen und etwa die Halfte davon auBerhalb ihrer Heimatmarkte. Aber was ist ein transnationales Untemehmen? Wenn der Begriff nicht gerade synonym mit internationalen, multinationalen und globalen Untemehmen verwendet wird - wie z.B. von den Vereinten Nationen (UNCTAD 2002), so bezieht er sich auf eine spezielle Komplexitatsstufe der intemationalen Organisation eines Untemehmens. Im Unterschied zu einem multinationalen Untemehmen gibt das transnationale Untemehmen wichtige zentrale Kompetenzen des Heimatstandorts auf und fordert die Entwicklung dezentral lokalisierter, aber jeweils weltweiter Verantwortungsbereiche und Kompetenzzentren (Bathelt/ Gliickler 2003). Die Untemehmen sind weitgehend landeriibergreifend tatig und gegeniiber einzelnen Staaten tendenziell unabhangig (Asheim/ Dunford 1997; Bathelt 2000). Entscheidend ist hierbei, dass die
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Johannes Gltickler
weltweit gesammelten Erfahrungen in Schaltstellen gebtindelt werden und von dort aus in die einzelnen Untemehmensteile zuriick flieBen, wo sie schlieBlich an lokale und nationale Bedingungen angepasst werden. Als Beispiel konnen die centers of excellence groBer Pharmauntemehmen gelten, die im Rahmen einer Strategie des global focussing selbstandig die Forschung in bestimmten Indikationsgebieten voran treiben (Zeller 2001). Allerdings gibt es bislang nur wenige Untemehmen, die einen solchen Grad an Transnationalitat erreicht haben. Nun konnte man argumentieren, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis international tatige Untemehmen transnational organisiert sind. Andererseits ist aber nach den Voraussetzungen zu fragen, die eine transnational Organisation des Untemehmens tiberhaupt ermoglichen, und es ist zu priifen, ob und unter welchen Bedingungen diese geschaffen werden konnen (vgl. auch Wagner in diesem Band). Transnationalitat lasst sich vor allem in ihrem Prozess, also der Transnationalisierung von Untemehmen studieren. Aus diesem Gmnde zielt der folgende Beitrag auf den Prozess des Eintritts und der ErschlieBung neuer internationaler Markte. Erne der vielleicht kritischsten Barrieren im Intemationalisiemngsprozess ist die Gewinnung neuer Kunden in einem Zielmarkt, ein Problem, das von konventionellen Intemationalisierungstheorien bisher weitgehend ignoriert wurde (Gluckler 2005). Dieses Problem ist vor allem dort eklatant, wo Produkte und Kompetenzen fur Kunden intransparent sind, d.h. die Menge oder Qualitat der vom Markt bereit gestellten Informationen nicht zu einer verlasslichen Einschatzung der Leistungserwartung an einen Anbieter ausreichen. Ein besonders geeignetes Beispiel intransparenter Markte ist die Untemehmensberatung (GlUckler/ Armbriister 2003). Berater werden konsultiert, um betriebswirtschaftliche Krisen zu iiberwinden, bestehende Ablaufe zu modemisieren oder aber zukiinflige Untemehmensziele zu entwickeln. Sie dienen der Steigemng der Wettbewerbskraft ihrer Kunden. Der Markt der Untemehmensberatung ist von einem hohen MaB an Unsicherheit zwischen Beratem und Kunden gekennzeichnet. Dies betrifft die Erwartungsunsicherheit z.B. dariiber, wie qualifiziert ein Berater fiir eine bestimmte Problemstellung ist, wie vertraulich er mit kritischen Informationen umgeht, ob er in der Zusammenarbeit seine besten Ressourcen einsetzt und ob er mit der spezifischen Untemehmenskultur und den Interessenskonstellationen in der Kundenorganisation angemessen umzugehen weiB. Diese Unsicherheiten werden auf der Seite des Kunden bei einer grenztiberschreitenden Tatigkeit noch verstarkt. Denn gegentiber der Unsicherheit zwischen Kunden und Beratem innerhalb eines Markts ist die Interaktion angesichts zunehmender kultureller Distanz im intemationalen Kontext umso starker
Lokale oder globale Reputation
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von Unsicherheit gepragt. Wie konnen Beratungsuntemehmen trotz gegebener Unsicherheit ihre Kompetenzen signalisieren, neue Kunden iiberzeugen und erfolgreich intemationalisieren? Der vorliegende Beitrag versucht empirisch zu klaren, erstens wie Beratungsuntemehmen geographische Distanz zu neuen Markten Uberbriicken und zweitens wie sie in diesen lokalen Markten FuB fassen. Der zweite Abschnitt fragt nach den Bedingungen und Ressourcen, um in wissensintensiven Dienstleistungsmarkten iiberhaupt globale Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Abschnitt drei entwickelt den analytischen Losungsansatz in der Konzeption sozialer Institutionen der Alltagspraxis, die das Entstehen und Fungieren von sozialen Netzwerken zwischen Beratem und Kundenuntemehmen erklaren. Die Institutionen Vertrauen und Reputation werden hier definiert und nach grundlegenden Typen differenziert, um in der empirischen Analyse als Mechanismen der Intemationalisierung herangezogen zu werden. Abschnitt vier erlautert das empirische Untersuchungsdesign einer qualitativen Fallstudie in der spanischen Hauptstadtregion Madrid, in der der Markteintritt intemationaler Beratungsuntemehmen untersucht wurde. Die Abschnitte funf und sechs diskutieren anhand des empirischen Interviewmaterials die Bedeutung sozialer Netzwerke und insbesondere ihrer Reputationseffekte fur den erfolgreichen Markteintritt. Der letzte Abschnitt fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen und formuliert Schlussfolgemngen fur die Diskussion zur Transnationalisiemng von Untemehmen.
2.
Gibt es globale Wettbewerbsvorteile fiir wissensintensive Dienstleistungsunternehmen?
Um iiberhaupt intemational erfolgreich sein zu konnen, miissen Untemehmen die so genannte liability of foreignness, d.h. den allgemeinen Kostennachteil auslandischer gegentiber heimischen Untemehmen, durch einen spezifischen Wettbewerbsvorteil iiberkompensieren. tJblicherweise erzielen multinationale Untemehmen strategische Wettbewerbsvorteile durch die Ausnutzung von Skaleneffekten aus der globalen Integration der Untemehmensfunktionen (Porter 1986). Im Rahmen des Wertkettenkonzepts ist die Realisiemng von GroBenerspamissen verbunden mit der Integration von vorgelagerten Produktionsschritten sowie von Verwaltungsdienstleistungen. Allerdmgs stehen dieser Uberlegung zur Multinationalisiemng zwei organisatorische Eigenschaften des professionellen Dienstleistungsuntemehmens entgegen: Das erste Problem bezieht sich auf die Produktion wissensintensiver Dienstleistungen. So entspricht die
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Johannes Gluckler
Leistungserstellung weniger einer WQrtkette als vielmehr einem value shop, d.h. einer WQrtstdtte (Stabell/ Fjelstad 1998), da die Lieferung der Leistung untrennbar mit ihrer Erstellung verbunden ist und die Erstellung als solche nicht in sequentielle Arbeitsschritte unterteilt werden kann. Wissensintensive Dienste sind oft ortsgebunden (Boddewyn et al. 1986), d.h. sie konnen nicht an anderen Orten erstellt werden als dort, wo sie gebraucht und geliefert werden. Diese Untrennbarkeit vieler Dienste schrankt die Moglichkeiten zur sozialen und raumlichen Arbeitsteilung erheblich ein. Das zweite Problem bezieht sich auf das Management wissensintensiver Dienstleistungsuntemehmen, das sich vor allem durch Projektorganisation und flache Hierarchien auszeichnet (Aharoni 1996). Da alle wichtigen Entscheidungen von den Kundenbeziehungen und dem lokalisierten Expertenwissen abhangen, kann die strategische Fiihrung nicht von dem Management der lokalen Niederlassung getrennt werden. Greenwood et al. (1990) schlagen eine P^-Form der Organisation vor, um Normen professioneller Selbstandigkeit mit der Eigentumerstruktur einer Partnerschaft zu verkniipfen (Brown et al. 1996). Der groBte Teil der strategischen, operativen und finanziellen Untemehmensfuhrung ist entweder auf der Ebene der lokalen Euros organisiert oder wird konsensorientiert von gewahlten Partnerkomitees ausgehandelt. Die Normen der Unabhangigkeit und professionellen Eigenstandigkeit stehen im Gegensatz zu organisatorischen Routinen und biirokratischen Strukturen (Aharoni 1996). Dadurch steigen die Koordinationskosten und die Untemehmensfuhrung wird zu einer wichtigen Herausforderung ftir das multinational Untemehmen. Diese organisatorischen Grenzen der Zentralisierbarkeit von Entscheidung und der funktional-raumlichen Arbeitsteilung erschweren die Bildung globaler Wettbewerbsvorteile. Allgemein gilt, dass mit steigender Personenbindung der erforderlichen Expertise und Spezifitat der Dienstleistung die GroBenerspamisse durch globale Integration der Untemehmensaufgaben abnimmt (Aharoni 1996). Dariiber hinaus argumentiert Porter (1986), dass globale strategische Wettbewerbsvorteile nur in globalen Markten zu erzielen sind, d.h. Markte, in denen der komparative Wettbewerbsvorteil in einem Land abhangig ist von der Stellung des Untemehmens in einem anderen Land. Aufgrund der lokalisierten Leistungserbringung bilden professionelle Dienstleistungsuntemehmen jedoch eher multi-nationale Markte, die in jedem Land einen eigenen Wettbewerb fuhren. Trotz dieser Einschrankungen gibt es jedoch zwei potenzielle Quellen globaler Wettbewerbsvorteile: Erstens ermoglicht eine globale Prasenz einen umfassenderen Zugang zu spezifischer Expertise und personlichen Kompetenzen.
Lokale oder globale Reputation
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Zweitens konnen globale Untemehmen evtl. eine Reputation fiir ihre globale Prasenz erwerben, die in nationalen Markten Vorteile verschafft. Mit abnehmender Transparenz der Produktqualitat riicken alternative Signale fur eine gute Reputation in den Vordergrund zur Beurteilung eines Produkts, so z.B. UnternehmensgroBe (Fombrun/ Shanley 1990), Untemehmensalter (Nachum 1999), Pro-bono-Leistungen (Aharoni 2000) und Internationale Erfahrung: „where no profession exists, globalization is even more likely to serve as a proxy for quality" (Lowendahl 2000: 156). Diese Diskussion demonstriert, dass wissensintensive Untemehmen nach anderen globalen Wettbewerbsvorteilen suchen miissen als produktionsbezogenen GroBenerspamissen. In der Debatte tiber die Intemationalisierung des Untemehmens konzentriert sich die Diskussion haufig auf interne Bedingungen wie etwa Kostenerspamisse in der Produktion und untemehmensspezifische Ressourcenausstattung. Dariiber hinaus besteht eine besondere Herausforderung fiir jedes Untemehmen auBerhalb der eigenen Untemehmensgrenzen: Angesichts der Unsicherheit, die Kunden in der Auswahl von Beratungsuntemehmen haben, stellt sich die Kundenakquisition in einem intemationalen Markt als eigentliche Eintrittsbarriere dar. Im Gegensatz zu kommodifizierten Diensten wie etwa dem Tourismus oder der Telekommunikation, konnen wissensintensive Dienste kaum grenziiberschreitend erbracht werden. In Anlehnung an die Modi der intemationalen Leistungserbringung des General Agreement on Trade in Services (GATS) konnen Beratungsdienste entweder durch eine gewerbliche Prasenz vor Ort oder durch die temporare Prasenz und Mobilitat von Experten erbracht werden. Da die Mobilitat einzelner Experten aber keine dauerhafte ErschlieBung eines Auslandsmarkts verspricht, ist die lokale Buro-Prasenz die einzige wirkliche Moglichkeit des intemationalen Markteintritts (Daniels 1995). Dieser Beitrag geht davon aus, dass die Gewinnung neuer Kunden in einem neuen Markt die kritische Barriere flir eine erfolgreiche MarkterschlieBung ist, insbesondere flir kleinere und mittlere Beratungsuntemehmen. Die folgende Analyse konzentriert sich daher auf die sozialen Mechanismen des Markteintritts und nicht auf die intemen Bedingungen und Ressourcenunterschiede des Untemehmens. Diese sozialen Mechanismen werden nachfolgend als Institutionen der Alltagspraxis eingefiihrt und konzeptionell entwickelt.
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3.
Johannes Gliickler
Institutionen der Alltagspraxis
Unter Bedingungen hoher Unsicherheit bedarf es institutioneller Regelungen zur Herstellung von Erwartungssicherheit zwischen den Transaktionspartnem. Da aber institutionelle Regeln wie z.B. Qualifizierungs- oder Leistungsstandards im Beratungsmarkt nicht verfugbar sind (Gliickler/ Armbruster 2003), bedarf es altemativer Institutionen, um Markttransaktionen zu ermoglichen. Institutionen der Alltagspraxis gewinnen unter diesen Bedingungen besondere Bedeutung. Damit werden diejenigen Institutionen bezeichnet, die Interaktion zwischen konkreten Akteuren und nicht etwa fur alle potenziellen Akteure dieses Markts strukturieren (Gliickler 2004). Wahrend formelle Institutionen wie z.B. Qualifikationsanforderungen oder rechtliche Rahmenbedingungen grundsatzlich fur jeden Marktteilnehmer gelten, beschrankt sich die Form und Giiltigkeit von Institutionen der Alltagspraxis auf diejenigen Beziehungen, in denen sie gebildet werden. Personliches Vertrauen und Reputation sind zwei Typen alltagspraktischer Institutionen, die im Austausch zwischen bestimmten Akteuren entstehen und eine sukzessive Anpassung und Gewissheit der Verhaltenserwartung zwischen diesen ermoglichen (zur Bedeutung personlichen Vertrauens ftir transnationale Organisationsformen vgl. auch Wagner sowie Kotthoff in diesem Band).
3.1 Personliches Vertrauen In Anlehnung an Barber (1983) lassen sich zwei grundlegende Typen personlichen Vertrauens unterscheiden. Kompetenzvertrauen zeichnet sich durch die Erwartung des Kunden aus, dass der Berater aufgrund seiner Kompetenzen die erwartete Leistung erbringen wird (Tabelle 1). Kompetenzvertrauen reduziert damit d?is performance risk (Das/ Teng 2001), d.h. die Unsicherheit mangeInder Eignung eines Transaktionspartners aufgrund fehlender Kompetenzen. Die Kompetenz eines Beraters ist beziehungsunabhangig, d.h. unabhangig von dem Grad der Reziprozitat des Vertrauens des Beraters in den Kunden. Folglich charakterisiert Kompetenzvertrauen eine einseitige Beziehung zwischen Kunde und Berater. Aufgrund der Einseitigkeit versuchen Berater, ihre Kompetenzen zu signalisieren und somit Vertrauen aktiv herzustellen. Die Instrumentalitat von Kompetenzvertrauen auBert sich in ihrer Marketingfunktion. Gerade aber aufgrund der Einseitigkeit und Produzierbarkeit ist Kompetenzvertrauen relativ zerbrechlich. Sobald ein Projektergebnis scheitert und die Leistungserwartung
Lokale oder globale Reputation
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des Kunden enttauscht wird, wird dem Kompetenzvertrauen zugleich die Grundlage entzogen. Kompetenzvertrauen charakterisiert daher weniger die Qualitat der YQrtr^uQnsbeziehung als einen Vorschuss positiver Erwartung vonseiten des Kunden. Tabelle 1: Unterscheidung von Kompetenz- und goodwill-WQrtrmQn
Vertrauensobjekt
Modalitat
Entstehung
Stabilitat
Kompetenzvertrauen
^^^^H'/ZZ-Vertrauen
Qualifikation, Kompetenz d.h. LQistungsfdhigkeit einseitig d.h. Kunde vertraut der Leistungsfahigkeit des Beraters Produktion {engineering) d.h. Berater signaHsiert eigene Kompetenzen zerbrechlich d.h. Zerfall bei einmaliger Verletzung der Leistungsfahigkeit
moralische Verpflichtung d.h. hQi^tang^bereitschaft reziprok d.h. Berater und Kunde vertrauen der gemeinsamen Beziehung Emergenz Vertrauen entsteht als Nebenprodukt erfolgreicher Zusammenarbeit robust d.h. Fortbestand auch bei eventuellen Leistungsenttauschungen
Im Unterschied zu Kompetenzvertrauen hat goo(iw///-Vertrauen einen reziproken, nicht-instrumentellen und robusten Charakter. Es bezeichnet das Vertrauen in das personUche Engagement, die Einsatzbereitschaft, VertrauHchkeit und moralische Verpflichtung zwischen Berater und Kunde. GooJw///-Vertrauen reduziert damit das relational risk (Das/ Teng 2001), d.h. die Unsicherheit opportunistischen Handelns eines Transaktionspartners durch Missbrauch von Informationen oder fehlendes Engagement. Wahrend sich Kompetenzvertrauen auf die Fdhigkeit eines Beraters bezieht, spiegelt sich in goo
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Johannes Gliickler
ment jeweils von dem Einsatzwillen und der Verbindlichkeit des anderen abhangt, kann die Kooperation nicht ohne Reziprozitat aufrecht erhalten werden. Bin Berater wird sich nur in dem MaBe fur einen Kunden engagieren, in dem sich auch der Kunde fur die Zusammenarbeit engagiert. Ebenso wird der Kunde einem Berater nur diejenigen Projekte anvertrauen, ftir deren Risiko der Berater sich durch fruhere Zusammenarbeit empfohlen hat. Die Einhaltung gegenseitiger Zusagen z.B. in Bezug auf Personaleinsatz, Terminvereinbarungen, Leistungsinhalte, Honorarzahlungen etc. pragt die Bereitschaft beider Parteien, sich ftir die gemeinsame Zusammenarbeit zu engagieren und jeweils die besten Ressourcen einzusetzen. Wahrend die Kompetenz und Leistungsfahigkeit eines Beraters also beziehungsunabhangig ist, ist die Bereitschaft zu Kooperation und Engagement beziehungsspezifisch und wird durch wechselseitige Erfahrungen erst langsam herausgebildet. Sowohl der Berater als auch der Kunde beschlieBen auf der Basis gemeinsamer Interaktion das MaB des Engagements fur ein Projekt. Die Unsicherheit iiber die Neigung zu opportunistischem Verhalten (z.B. Zuriickhaltung hochqualifizierten Personals, halbherziges Engagement etc.) eines Beraters miisste einen Kunden daher davon abhalten, in frtihen Phasen der Zusammenarbeit kritische Projekte in Auftrag zu geben. Goodwill-YQrtrmxQn charakterisiert vor allem partnerschaftliche Beziehungen, in denen der Berater als kontinuierlicher Ratgeber an Problembeschreibungen und Entscheidungsprozessen beteiligt wird.
3.2 Reputation Personliches Vertrauen ist ein dyadisches Konzept. Da es die Qualitat einer Beziehung zwischen zwei Akteuren beschreibt, reicht es konzeptionell nicht aus, um die Entstehung neuer Beziehungen und somit das Wachstum von sozialen Netzwerken zu erklaren. Reputation ist die auf Erfahrung gestiitzte Erwartung zuktinftigen Verhaltens eines Akteurs und dient zur Reduktion von Erwartungsunsicherheit. Sie ist unter Bedingungen unvollstandiger Information, wiederholter Transaktionen und konsistenten Verhaltens von fundamentaler Bedeutung (Kreps/ Wilson 1982; Shapiro 1983; Weizsacker 1984). Kunden beziehen aus der Reputation eines Anbieters einen Informationsvorteil zur Einschatzung der angebotenen Waren oder Dienste: „reputation economizes on search" (Stigler 1961: 224). Die Anbieter schopfen aus einer positiven Reputation Wettbewerbsvorteile. Die Grundiiberlegung besteht darin, dass eine positive Reputa-
Lokale oder globale Reputation
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tion eine gewisse Quasimonopolrente bzw. einen return on past performance gestattet (Burt 1992). Sie driickt sich als langfristige Reputationspramie aus und muss in jedem Falle hoher sein als der kurzfristige Nutzen, der durch QVCIQ flyby-night Strategic, d.h. durch opportunistischcs Handcln, crziclt wcrdcn kann (Shapiro 1983). Der Anrciz dcs Anbictcrs, auch wcitcrhin hohc Qualitat zu vcrkaufcn, bcstcht darin, dass die gute Reputation ein Preisnivcau sichert, das fortwahrend hohc Ertrage impliziert. Eine gute Reputation sichert folglich Wettbewcrbsvorteilc (Barney 1991; Mahoney/ Pandian 1992; Foss 1997; Benjamin/ Podohiy 1999; Roberts/ Dowling 2002), steigert den Untemchmenserfolg durch die Erzielung einer Reputationspramie durch hohere Preise (Shapiro 1983; Axelrod 1984; Dasgupta 1988), erleichtert den Eintritt in neue Markte durch Diversifikation (Clark 1993; Choi et al. 1995) und kann den Emtritt potenzieller Rivalen in den eigenen Markt abschrecken (Milgrom/ Roberts 1982; Clark/ Montgomery 1998). Die Erfahrung, auf die zukiinftige Erwartungen gestiitzt werden, kann jedoch nicht immer selbst gesammelt werden. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, wie verlasslich die Informationen Uber vergangene Leistungen eines potenziellen Beraters sind. Da Reputation eine unterschiedlich sichere Information sein kann, werden in Abhangigkeit ihrer Verbreitung zwei Typen der Reputation unterschieden: offentliche Reputation und Netzwerkreputation (Gltickler/ Armbrtister 2003). Tabelle 2: Unterscheidung von Offentlicher Reputation und Netzwerkreputation
Offentliche Reputation
Netzwerkreputation
Verbreitung
Offentlichkeit d.h. Ausstrahlung iiber Medien, z.B. Fachpresse {broadcasting)
Netzwerk d.h. Kommunikation iiber Vertrauensbeziehungen (Mundpropaganda)
Reichweite
unbegrenzt d.h. (fach)-offentlich
Begrenzt durch Mitgliedschaft in einem personlichen Netzwerk
Reichhaltigkeit
diinne Information d.h. geringe Verlasslichkeit aufgrund unbekannter Herkunft der Erfahrung und Beurteilung
dichte Information, d.h. hohc Verlasslichkeit durch vertraute Beziehung zur Quelle der personlichen Erfahrung
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Johannes Gliickler
Reputation ist dann qffentiich, wenn die Bewertung zukiinftigen Verhaltens auf allgemein zuganglicher, veroffentlichter Information beruht und somit frei im Markt zirkuliert. Die Reputation von Untemehmen fur ihre Produktqualitat oder spezifische Qualitatsmerkmale wird haufig an intermediare Organisationen gekntipft (Fombrun 1996). Zeitungen, Verbande, Rating-Agenturen, aber auch Institutionen wie etwa regelmaBige Umfrageforschung (z.B. die Rangliste der Global Most Admired Companies, die jahrlich von Fortune erstellt wird) oder offentliche Wettbewerbe sind Instrumente zum Vergleich und zur Messung des Ansehens oder der Qualitat von Produkten, Marken und Untemehmen. Diese Akteure begriinden gewissermaBen eine reputation-building industry (Fombrun 1996: 61), d.h. einen Markt zur Herstellung von Reputation. Im Beratermarkt muss die offentliche Reputation als weniger bedeutsam angenommen werden. Sie dient vor allem der groben Segmentierung des Anbietermarkts in wenige groBe, bekannte Untemehmen und zahlreiche kleine, unbekannte Untemehmen. Aufgmnd der hohen Spezialisiemng der Beratungsleistungen reicht das offentliche, publizierte Wissen liber die Beratungsuntemehmen zumeist nicht aus, um die Auswahl eines Beraters zu begriinden (Gliickler/ Armbriister 2003). Netzwerkreputation liegt dann vor, wenn die Beurteilung der Leistung ernes Akteurs auf Informationen bemht, die aufgmnd der Erfahmng von bekannten oder vertrauten Dritten innerhalb eines Netzwerks von Beziehungen weitergegeben werden. Eine erwartbare Leistung eines Anbieters ist dann gut, wenn andere sie bereits als gut befunden haben (Willke 1998). Netzwerkreputation ist somit eine Form des spill-overs von Informationen zwischen Akteuren eines sozialen Netzwerks. Im Gegensatz zu offentlicher Reputation ist die Netzwerkreputation erstens kein offentliches Gut, d.h. keine frei zirkulierende Information, sondem beschrankt sich auf Mitglieder eines sozialen Netzes und gewinnt somit den Charakter eines Klubguts (Buchanan 1965). Zweitens werden aufgmnd der bestehenden Bekanntschafts- oder Vertrauensbeziehungen zwischen den Netzwerkteibiehmem dichte, reichhaltige Informationen bereit gestellt, die verlasslicher und glaubwiirdiger sind als Marktinformationen (Clark 1993; File etal. 1994). Netzwerkreputation bezeichnet folglich einen Mechanismus netzwerkgebundener Kommunikation von Urteilen iiber Dritte. Im Vergleich zu offentlicher Reputation werden reichhaltigere und verlasslichere Informationen verbreitet (Tabelle 2). Zufriedene Kunden verbreiten Empfehlungen aufgmnd ihrer eigenen Erfahmngen an vertraute Geschaftsfreunde oder Untemehmen. Diese Empfehlungen sind vertrauenswurdig, da diejenigen, die Empfehlungen aussprechen, zugleich mit ihrer eigenen Glaubwiirdigkeit haften. Mit dem Konzept
Lokale oder globale Reputation
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der Netzwerkreputation wird das allgemeine Verstandnis von Reputation differenziert und vertieft. Es tragt dazu bei, Informationsfliisse und Entscheidungsprozesse unter der Bedingung von Unsicherheit besser zu begreifen. Femer dient die Netzwerkreputation als Erklarungsansatz fur das Entstehen neuer Beziehungen sowie das Wachstum und die Verdichtung von sozialen Netzwerken. Damit werden die Effekte indirekter Beziehungen tiber dyadische Beziehungen hinaus konzeptionell beriicksichtigt und systematisch beschreibbar (Gliickler 2004). Die im Folgenden prasentierte empirische Untersuchung verfolgt die Frage, erstens welche Bedeutung die diskutierten Konzepte personlichen Vertrauens und der Netzwerkreputation fur den Intemationalisierungsprozess besitzt und zweitens, welchen Beitrag sie zur Erklarung des Markteintritts und der lokalen MarkterschlieBung am Beispiel der spanischen Hauptstadtregion Madrid leistet. Der folgende Abschnitt stellt die besondere Rolle der Region als Standort der Untemehmensberatung vor und erlautert den Rahmen der empirischen Erhebung.
4.
Empirische Untersuchung in Madrid
Die Comunidad de Madrid ist eine von 17 autonomen Regionen Spaniens, die 179 Kommunen {municipios) mit einer Bevolkerung von funf Mio. Menschen umfasst. Damit reprasentiert sie tiber 12% der spanischen Bevolkerung und tragt mit einer Bruttowertschopfung von 69 Mrd. Euro etwa 16% zum spanischen Bruttoinlandsprodukt bei (Guerra 2000: 665). Die Stadt Madrid selbst hat fast drei Mio. Einwohner und unterteilt sich noch einmal in den Stadtkem und den metropolitanen Rand. Bezuglich der hoheren Untemehmensdienste kommt Madrid eine absolute Vorrangstellung zu. Allein drei Viertel der regionalen Bruttowertschopfung stammen aus dem Dienstleistungssektor. Dabei reprasentierten die untemehmensorientierten Dienstleistungen ein Viertel der Bruttowertschopfung aller Dienstleistungen (Rubalcaba et al. 1998: 54). Insgesamt stieg der Anteil der Beschaftigten im Bereich untemehmensorientierter Dienstleistungen von 6% (1990) auf 8,1%) (1994). Mindestens 90% der untemehmensorientierten Dienstleistungsuntemehmen und ihrer Beschaftigten der Region sind in der Kemstadt angesiedelt. Eine erstmalig regional differenzierte Dienstleistungsstudie zeigte 1999, dass sowohl die Standorte als auch die Beschafligung in der Untemehmensberatung sehr stark in den beiden Hauptwirtschaftszentren Madrid und Katalonien konzentriert sind. Gemeinsam mit der Wirt-
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Johannes Gliickler
schaftsregion um Valencia sind tiber 50% aller Euros und Beschaftigten im Bereich der Wirtschafts- und Rechtsberatung in diesen Zentren lokalisiert. Starker noch ist die Konzentration beztiglich des Umsatzes, der alleine zu 57% in Madrid und Katalonien erwirtschaftet wird. Heute reprasentiert die Region Madrid tiber die Halfte des gesamten spanischen Beratungsmarkts, gemessen an der Beschaftigung in diesem Sektor (Tabelle 3). Davon sind alleine in der Stadtgemeinde Madrid 79% der Buros und 86% der Beschaftigten der ganzen Region konzentriert. Tabelle 3: Regionale Konzentration des spanischen Beratungsmarkts auf Madrid
1999/2000
1993/94 absolut
relativ
absolut
relativ
Niederlassungen Spanien
2.951
100,0%
5.822
100,0%
Comunidad de
1.421
48,2%
2.638
45,3%
1.180
40,0%
2.077
35,7%
11.360*
100,0%
30.523
100,0%
11.950
-
16.940
55,5%
10.418
-
14.637
48,0%
Madrid Stadt Madrid Beschaftigte Spanien Comunidad de Madrid Stadt Madrid
Quelle: (INE 1996; 1999; Instituto de Estadistica de la Comunidad de Madrid 2002). *Aufgnind unterschiedlicher statistischer Datengrundlagen ist ein prozentualer Vergleich der Beschaftigten in diesem Jahr nicht moglich.
Im Jahr 2002 wurden insgesamt 37 semi-strukturierte Interviews mit intemationalen Beratungsuntemehmen, Experten aus dem wirtschaftlichen und akademischen Umfeld der Untemehmensberatung und dem Dienstleistungssektor, darunter ein Interview mit dem Direktor des spanischen Beratungsverbands Asociacion Espanola de Empresas de Consultor ia gefuhrt. Insgesamt wurden 32 Untemehmergesprache in 30 Untemehmen gefuhrt. In alien Fallen waren die Gesprachspartner Geschaftsfuhrer der spanischen Operationen oder aber die GrUnder der spater durch die intemationale Gesellschaft akquu*ierten Beratungsfirmen. Somit wurde in nahezu alien Fallen die iiber den Markteintritt des Un-
Lokale Oder globale Reputation
261
temehmens am besten informierte Person interviewt. Alle Interviewpartner waren iiber ihre administrativen Aufgaben der Untemehmensfuhrung hinaus in Beratungsprojekte eingebunden und verfiigten daher tiber intensive Erfahrungen der Kundenzusammenarbeit. Die Gesprache dauerten durchschnittlich zwischen einer und drei Stunden. Die Interviews wurden iiberwiegend auf Spanisch, jeweils zwei in englischer und deutscher Sprache gefiihrt, auf digitalem Datentrager dokumentiert und systematisch protokolliert.
5.
Internationaler Markteintritt in Madrid
Die intemationalen Beratungsuntemehmen der Fallstudie waren uberwiegend groBe, multinationale Untemehmen. In den spanischen Gesellschaften variierte die GroBe zwischen zwei und 600 Beschaftigten, wobei zwei Drittel aller befragten Untemehmen maximal 50 Berater in Spanien beschaftigten. Gemessen an der intemationalen UntemehmensgroBe blieb der Anteil der Beschaftigten in Spanien in alien Fallen unter 10%. Zwei Drittel der Untemehmen beschaftigten hochstens 5% ihrer Berater in Spanien. Der niedrige Beschaftigungsanteil hat vor allem zwei Griinde: Einerseits ist er Ausdmck der Multinationalitat der Untemehmen, die durchschnittlich in 24 Nationen prasent waren. Andererseits kann gezeigt werden, dass die Untemehmen vor allem aufgrund des spaten Eintritts in Spanien erst wenige Berater beschaftigten. Der Markteintritt der meisten Untemehmen setzte erst wahrend der 1990er Jahre ein. Mit zunehmender Dauer im Markt aber nahm auch der Beschaftigtenanteil in Spanien deutlich zu. Leitende These dieser Untersuchung ist die Annahme, dass soziale Netzwerke eine entscheidende Hilfe ftir den intemationalen Markteintritt darstellen. Daher wird nachft)lgend untersucht, unter welchen Bedingungen und in welchen Organisationsft)rmen die Untemehmen in den Markt eintraten.
5.1 Form des Markteintritts Der intemationale Markteintritt eines Untemehmens kann verschiedene organisatorische Formen haben: von losen Kooperationsbeziehungen zwischen unabhangigen Untemehmen tiber vertraglich gesicherte strategische Partnerschaften und Franchising bis hin zu Direktinvestitionen in eigene Niederlassungen oder fremde, bereits bestehende lokale Untemehmen. Diese Fallstudie konzentriert
262
Johannes Gliickler
sich auf die Unterscheidung von zwei organisatorischen Formen von Direktinvestitionen im Auslandsmarkt: greenfield- ^ und brownfleld-lnvQsXiiionQn^. Zwei Drittel der Untemehmen organisierten ihren Eintritt liber greenfieldInvestitionen, d.h. Direktinvestitionen in den Aufbau eigener abhangiger Niederlassungen oder Tochtergesellschaften. Der kleinere Teil der Untemehmen trat uber Beteiligungen oder Ubemahmen lokaler Untemehmen in den Markt ein. Die Form des Markteintritts variierte zwischen den Untemehmen und innerhalb einzeber Marktsegmente. Die meisten Beratungen schatzten lokale Akquisitionen m Spanien als auBerst schwierig ein: Erstens, weil es nur wenige attraktive lokale Untemehmen gebe; und zweitens, weil die Gefahr zu groB sei, nur heifie Luft (Interview M8) zu kaufen. Da die Mitarbeiter einer ubemommenen Firma nicht immer bereit sind, die Umstellung auf neue Routinen, Ftihrungsstmkturen und Beratungsansatze mit zu vollziehen, besteht immer die Gefahr, dass das Untemehmen in der Integrationsphase durch die Fluktuation der Berater seinen Wert verliert. Mit der Abwandemng der Mitarbeiter geht dann aufgmnd der engen Kundenbindung haufig auch das Kundennetzwerk des lokalen Untemehmens verloren. Tatsachlich wurden einige Fehlversuche berichtet. Einige Untemehmen hatten zu einem friiheren Zeitpunkt den Eintritt durch Akquisitionen gewagt und diesen als Desaster beurteilt. So argumentierten einige Berater, dass Eintritt und Wachstum des Untemehmens viel besser durch die Anwerbung einzelner lokaler Mitarbeiter organisiert werden konnten, um eine sukzessive Integration zu gewahrleisten. Demgegeniiber argumentierten andere, dass sich die Akquisition gerade deswegen eigne, weil die Zahl der wirklich qualifizierten Experten mit den entsprechenden Kontaktnetzwerken in jedem Land nur sehr begrenzt sei. Um diese Personen erfolgreich zu integrieren, miisse man sie mit deutlich hoheren Gehaltem von anderen Firmen abwerben, hoffen, dass sie ein fahiges Team um sich hemm aufbauten und einige Jahre warten, bevor die ersten Profite erzielt
Der Begriff greenfield wird in der Management-Literatur grundsatzlich auf originare Aktivitaten bezogen, die von Anbeginn an und ohne Bezug auf Vorleistungen oder bestehende Strukturen erfolgen. So zeichnen sich beispielsweise greenfield-?xo]QkiQ analog dadurch aus, dass sie nicht an bestehende Projekte anschliefien, sondem ganzlich originar sind (Oxford University Press 1996: 235). Der intemationale Markteintritt in Form von Direktinvestitionen, die zur Beteiligung an oder Ubemahme von bestehenden Untemehmen dienen. Diese Form des Markteintritts umfasst folgXioh joint ventures, Untemehmensfusionen und -iibemahmen.
Lokale oder globale Reputation
263
wiirden. Denn neue Kontakte brauchten Zeit, bevor sie sich auszahlten (Interview M2). Ein weiterer Berater hob die Akquisition als Moglichkeit hervor, schneller zu wachsen und bereits im ersten Jahr nach dem Eintritt schon Gewinne zu erzielen, wahrend Untemehmen, die tiber greenfield-lnycstitionQn eingetreten waren, zumeist einige Jahre benotigen, bis sich ihre Investitionen amortisierten. Diese gegensatzHchen Argumentationslinien illustrieren die Schwierigkeit bei der Wahl der Markteintrittsform. Im Hinblick auf die Untersuchungsgruppe ist das Ergebnis ambivalent. So wurden zahheiche gescheiterte Akquisitionen berichtet, so dass die in heutiger Form erfolgreichen Operationen haufig den zweiten oder dritten Versuch darstellen. Femer tragen weder die Spezialisierung noch die UnternehmensgroBe zu einer Erklarung der Markteintrittsform bei.
5,2 Kontext des Markteintritts Eine Perspektive sozialer Netzwerke leistet einen wichtigen Beitrag zum besseren Verstandnis der Auswahl zwischen den organisatorischen Altemativen. Im Rahmen der Fallstudie wurde deutUch, dass der spezifische Beziehungskontext eines Unternehmens offenbar einen entscheidenden Unterschied fur die Art des Engagements in Madrid machte. In Abhangigkeit von vorhandenen Unternehmensbeziehungen werden zwei grundsatzhche Kontexte unterschieden: (1) Relationaler Eintritt. Die Mehrheit der Untemehmen hatte bereits mit multinationalen Kunden in Projekten in Spanien gearbeitet oder bezog sich auf anderweitige Geschaftsbeziehungen, bevor sie ihren Eintritt in Madrid vollzogen. Wenn Untemehmen uber derartige Kontakte verfugten, dann wurde der Eintrittskontext als relational bezeichnet. (2) Atomistischer Eintritt. Eine Reihe von Unternehmen trat allerdings ohne nennenswerte vorherige Kontakte in Madrid ein. Dieser Kontext gait als atomistischer Eintritt. Aufgmnd der teilweise sehr Iangen Prasenz der Untemehmen in Spanien konnte der Eintrittskontext zwar nicht in alien Fallen rekonstmiert werden, haufig aber war es moglich, die Bedingungen und den Prozess des Eintritts mit den Gesprachspartnem zu erortem.
Johannes Gluckler
264 Tabelle 4: Kontext und Form des Markteintritts in Madrid
Form des Eintritts greenfield brownfield Kontext des Eintritts
atomistischer Eintritt relationaler Eintritt
5
6
11
1
Die Gegeniiberstellung des Eintrittskontexts mit der Eintrittsform zeigt eine auffallige Parallelitat (Tabelle 4). Wahrend Beratungsfirmen, die sich auf bestehende Netzwerkkontakte sttitzten, mit einer Ausnahme immer eigene Niederlassungen oder Tochtergesellschaften gegrtindet batten, waren Untemehmen, die isoliert in Spanien eintraten, beziiglich der organisatorischen Form indifferent. Ftir sie war die tjbemahme eines bestehenden Untemehmens ebenso haufig wie die Grtindung einer eigenen Organisation. Anstatt folglich die Organisationsform des Eintritts mit untemehmensspezifischen Attributen zu begrunden, untersttitzt die Fallstudie die netzwerktheoretische Vermutung, dass die AuBenbeziehungen des Untemehmens einen wichtigen Einfluss auf die Moglichkeiten und damit die Wahl der Organisationsform haben. Der entscheidende Erklarungsansatz beruht auf dem Problem des Marktzugangs. Wenn Untemehmen keine Kontakte zu Kunden oder Geschaftspartnem haben, bleibt vielen Unternehmen nur die Wahl, diese Beziehungen lokal durch eine Ubemahme zu erkaufen. Die Verfugbarkeit von AuBenbeziehungen ist jedoch keineswegs ein Indiz dafur, dass die anschlieBende MarkterschlieBung leichter fiinktionierte als im atomistischen Fall. Mit wenigen Ausnahmen wurden alle Untemehmen von spanischen Geschaftsfiihrem geflihrt und zumeist waren auch alle Berater spanischer Nationalitat. Die Gesprachspartner betonten, dass auslandische Personen groBe Schwierigkeiten haben, lokale Kunden zu gewinnen und zu pflegen: „Eine Person, die nicht von hier ist, verliert sich"* (Interview M24). Die personalstrategischen Andemngen zweier multinationaler Beratungsuntemehmen dienen als eindmcksvolle empirische Sttitze dieser Beobachtung. Beide US-Untemehmen folgten ihren amerikanischen Kunden in den spanischen Markt und arbeiteten dort lange Jahre exklusiv fur diese Kunden. Trotz ihrer geographischen Prasenz waren sie faktisch abwesend vom lokalen Beratungsmarkt. Durch die Orientiemng auf die Kunden aus dem Heimatmarkt beschaftigte das Untemehmen in alien wichtigen Positionen amerikanische Berater und verfehlte daher die Moglichkeit, auch spanische Kunden umwerben zu konnen. Erst in den letzten Jahren realisierten beide Firmen das Problem, den
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spanischen Markt tiber ihre US-Kunden nicht erschlieBen zu konnen. Bin Strategiewandel orientierte die Untemehmen starker auf die Interessen potenzieller spanischer Kunden und hatte zur Folge, dass die Geschaflsfuhrung an Berater spanischer Staatsangehorigkeit tibergeben wurde. Seither haben beide Firmen mit Erfolg groBe spanische Untemehmen als Kunden gewonnen und ihren Marktanteil gesteigert (Interviews M17; Ml8). Trotz der Unerlasslichkeit lokaler Berater zur Akquisition von Kunden gibt es vier Untemehmen, die von Personen anderer Nationalitaten gefiihrt wurden. Die Ahnlichkeit zwischen diesen Untemehmen war trotz unterschiedlicher Spezialisierungen sehr auffallig. Obwohl sie in verschiedenen Segmenten agierten, d.h. HR, Technologie, Buchhaltung und Finanzen, genossen sie gerade aufgrund ihrer hohen Spezialisierung quasi-monopolartige Wettbewerbspositionen. Keiner der Gesprachspartner konnte einen einzigen direkten Wettbewerber benennen, wodurch die vier Untemehmen letztlich den Vorteil stmktureller Autonomie genossen. Alle vier Geschaftsfiihrer sprachen flieBend spanisch und waren mehrheitlich tiber Familie, Gesellschaftsleben und Geschaftskontakte soziokulturell integriert. Durch das Angebot von Nischenprodukten profitierten die Untemehmen von quasi-monopolartigen Wettbewerbsbedingungen, in denen die kulturelle Nahe nicht so entscheidend ist wie in weniger spezialisierten Segmenten. In alien anderen Fallen war es dringend erforderlich, sehr stark mit den Kunden verflochten zu sein und sehr intensive Beziehungen zu pflegen. Insgesamt iiberwog der relational Kontext des Eintritts. Untemehmen bezogen sich auf bereits bestehende Beziehungen und investierten in den Aufbau eigener Organisationen. Andere kauflen sich lokale Beziehungen durch die Ubemahme lokaler Beratungsuntemehmen. Das Beispiel der zwei US-Untemehmen zeigt femer, dass der intemationale Eintritt auch als Satellit zur ausschlieBlichen Beratung von Kunden aus dem Heimatmarkt moglich ist. Eine tatsachliche Partizipation im lokalen Markt erforderte hingegen eine andere Strategic. Das LFberleben und die weitere ErschlieBung des spanischen Markts stellte somit die eigentliche Herausfordemng dar. Die Tatsache, dass fast alle Untemehmen mit spanischem FUhrungspersonal operierten, ist ein erstes Zeichen daflir, dass personliche Geschaftsbeziehungen und das in ihnen entstehende Vertrauen von entscheidender Bedeutung sind. Aber wie wichtig sind personliche Beziehungen wirklich und welche Mechanismen sind entscheidend fur die Gewinnung von Kunden in Madrid?
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6,
Johannes Gliickler
Reputationsnetze
Der Akquisitionsprozess ist im Beratermarkt auBerst langwierig und erforderte sehr viel Engagement der Berater fur potenzielle Neukunden. In der Fallstudie berichteten die Berater aufgrund ihrer Akquisitionserfahrungen, dass zwischen dem ersten Kontakt und dem ersten Projektauftrag mindestens vier Monate, zumeist aber bis zu einem Jahr oder mehr Zeit vergangen war. Die Gewinnung von Neukunden war damit nicht nur zeitaufwandig, sondern durch den Einsatz von Zeit und Arbeit auch mit viel hoheren Kosten verbunden als die Entwicklung von Folgeprojekten mit bestehenden Kunden. Nach einem Markteintritt hangen die erfolgreiche Behauptung und das Wachstum im Auslandsmarkt aber gerade davon ab, neue lokale Kunden zu erschlieBen und ein friihes Marktausscheiden zu vermeiden. Wie aber gewannen die intemationalen Unternehmen in Madrid ihre neuen Kunden, wenn die Kundengewinnung iiber den Markt so teuer, langwierig und unsicher ist?
6.1 'La puerta templada' Soziale Netzwerke spielten eine entscheidende Rolle in der Gewinnung neuer Kunden. Erst durch die indirekten Kontakte iiber Kunden, Freunde oder Geschaftspartner war es moglich, die gewachsene VertrauenswUrdigkeit in bisherigen Beziehungen iiber Empfehlungen als Reputation an Dritte zu transferieren. Der Mechanismus der Netzwerkreputation diente Neukunden als verlassliche Information iiber das Leistungsvermogen und die Zuverlassigkeit eines Beraters und reduzierte somit deren Erwartungsunsicherheit (Interview M2"). Sowohl die spanischen als auch ein amerikanischer Geschaftsfuhrer erachteten die groBe Bedeutung von Empfehlungen und Netzwerkkontakten als typisch flir die soziale und kulturelle Praxis in Spanien: „Spanien ist ein Land des Vertrauens. Die Leute leben in der StraBe, sie sprechen und kommentieren Erfahrungen. Die Empfehlung ist sehr wichtig" (Interview M3)"'.
„Developing business in Spain, a lot of it goes like who do you know, and what they know about you. Relationships are super-important here, that is more so than in North America" (Interview M26).
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Kundenempfehlungen erwiesen sich in den Interviews als entscheidender Mechanismus zur Gewinnung neuer Kunden. Wie ein Gesprachspartner versicherte, war die beste Empfehlung die eines zufriedenen Kunden^^. Die Netzwerkreputation wurde iiber verschiedene Kanale weitergegeben: liber Wirtschaftsverbande, Konferenzen, Aufsichtsrate, gesellschaftliche Veranstaltungen oder private Kontakte. Ein IT-Beratungsuntemehmen gewann beispielsweise aus einem laufenden Projekt bei einer Tageszeitung iiber Kundenempfehlungen neue Projekte in zwei weiteren spanischen Zeitungsverlagen. Da die Empfehlungen als haufig und verlasslich galten, erzielte das Untemehmen iiber 80% des Umsatzes durch Folgeauftrage mit bestehenden Kunden. Eine amerikanische Technologieberatung hatte ihre bisherigen Projekte in der Mineralolindustrie ausschlieBlich iiber bestehende Beziehungen und deren Folgeprojekte sowie vertraute Empfehlungen ihrer Kunden gewonnen. So versicherte der Geschaftsfiihrer, „we are not looking for them, they call us. It's word of mouth, people you know or past projects and they know that you're capable of doing something in that area" (Interview M26). Der Mechanismus der Netzwerkreputation erwies sich in zweierlei Hinsicht als vorteilhaft. Erstens waren Empfehlungen sehr haufig. Viele der befragten Untemehmen gewannen den groBten Teil ihres Neugeschafts aus erfolgreichen Empfehlungen. Dies ist umso bedeutsamer, als nicht nur kleine und mittlere Untemehmen iiber Netzwerkkontakte ihre Kunden gewannen, sondem gerade auch die globalen Beratungsuntemehmen mit weltweiter Bekanntheit und globaler (offentlicher) Reputation auf lokale Empfehlungsnetze angewiesen waren. So schatzte der Berater einer renommierten multinationalen Strategieberatung den Anteil des auf Empfehlungen begriindeten Neugeschafts in Madrid auf 70% und hob die Wirksamkeit der Netzwerkreputation deutlich gegeniiber der offentlichen Reputation hervor: „Haufig sind es nicht unsere Partner, die ein Projekt verkaufen wollen, sondem ein Kunde, der anruft und sagt: ,Schau mal, ich denke gerade dariiber nach ... warum setzen wir uns nicht zusammen und besprechen das, Ihr kOnntet mir ein wenig Eure Perspektive erlautem?' Die wichtigste Quelle, die derartige Kontakte herstellt, sind fruhere Kunden, so etwa 80% oder 70%. Wenn wir unsere neuen Kunden fragen, warum sie uns kontaktiert oder sich fiir uns entschieden haben, dann ist der flindamentale Grund darin zu sehen, dass uns jemand, dem sie vertrauen, empfohlen hat. Das ist Reputation. Wenn Du Anzeigen in der Presse schaltest oder mit einer Seite im Economist rauskommen mOchtest oder ein event sponserst, zu dem Du alle wichtigen Personen eines bestimmten Sektors einladst, dann ist das schon. Aber das hat in der Regel kaum einen Effekt filr neue Projekte. Die meisten neuen Projekte entstehen dann, wenn Du ein Projekt mit uns gemacht hast und dem Manager einer anderen Firma, den Du gut kennst und der Dir traut, sagst: ,Arbeite mit der Beratung, die sind exzellent.' Er hebt den HOrer ab und ruft uns an ... das ist sehr wirksam. Bei neuen
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Kunden, mit denen wir das aller erste Mai zusammenarbeiten, ist dies die wichtigste und haufigste Ursache- mit groBem Abstand" (Interview Mil)''.
Zweitens waren Empfehlungen allein bereits haufig hinreichend zur Gewinnung eines Kunden. Ein Berater beschrieb die Wirksamkeit der Empfehlung dahingehend, dass sie eine 70%ige Garantie fur den erfolgreichen Gewinn des Kunden darstelle: „Es ist die beste Art des Verkaufs. Denn sie ist am wirkungsvollsten. Wenn Dich jemand uber eine Empfehlung anruft, hast Du wahrscheinlich schon 70% des Auftrags gewonnen. Ich wtirde mich nicht ausschlieBlich darauf verlassen. Aber das wirklich Wirksame ist die Empfehlung" (Interview M18)^\
Insgesamt gewannen die befragten Untemehmen nahezu ein Drittel aller Kunden iiber Empfehlungen. Diese Ziffer unterschatzt allerdings die tatsachliche Bedeutung der Empfehlungen erheblich. Denn wie sich im Verlauf der Interviews herausstellte, verstanden die Interviewpartner unter einer Empfehlung vor allem die passive Form des boca a boca bzw. Mundpropaganda, bei der sich ein Interessent an die Beratung aufgrund einer Empfehlung wendet. Nach Angaben der Berater wandten sich Kunden immer seltener von selbst an die Beratung. Aufgrund zunehmenden Wettbewerbs im spanischen Markt warteten die Unternehmen nicht mehr darauf, dass ,das Telefon klingele', sondem setzten aktive, aus Sicht der Berater aggressive Netzwerkstrategien ein. Einige Berater hoben den Anteil der Direktakquisition gegentiber den Empfehlungen hervor, andere berichteten, dass sie nicht sinnvoU unterscheiden konnten zwischen einer Empfehlung und einer direkten Kundengewinnung. Insgesamt schien das Konzept der miindlichen Empfehlung, des boca a boca, nicht alle Formen netzwerkartiger Kundengewinnung abzudecken.
6.2 %apuertafria ... y no tanfria' Netzwerke in direkter Kundenakquisition Im Gegerisatz zu den nicht steuerbaren Empfehlungen verfolgten die Berater aktive Strategien, um ihre Netzwerkkontakte nutzbar zu machen und Effekte der Netzwerkreputation zu forcieren. Die Direktakquisition kann einerseits durch Kaltakquisition und andererseits durch MarketingmaBnahmen erfolgen, die das Image und die offentliche Reputation des Untemehmens fordem. Im spanischen
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wird der Unterschied zwischen dem direkten Erstkontakt und der auf einer Empfehlung beruhenden Begegnung in das Bild einer kalten bzw. vorgewarmten Tiir gebracht: puerta fria und puerta templada. Ein Berater tritt durch kalte Ttiren (puerta fria), wenn er quasi marktartig ohne vorherigen Kontakt oder andere Netzwerkbeziehungen den Kunden umwirbt. Eine Ttir ist demgegeniiber vorgewarmt (puerta templada), wenn dem Berater bereits die Empfehlung eines Kunden vorauseilt oder beide Parteien bereits einander vorgestellt wurden. Auch wenn einige Berater berichteten, dass Empfehlungen (boca a boca) nur eine geringe Rolle spielten, so wurde doch fast das gesamte Neugeschaft in puertatemplada-MsmQx entwickelt. Zahlreiche Beispiele belegen, dass die kalte Anbahnung an Kunden in nahezu alien Fallen bedeutungslos war: „Ich mache nie etwas uh^x puerta fria. Ich komme immer iiber irgendeinen Kontakt: einen Bekannten, einen Freund oder jemanden, der in dem Untemehmen arbeitet" (Interview M4);
„Die puerta fria funktioniert hier nicht. Entweder Du suchst Dir einen warmen Zugang (templado) oder ... Es ist leicht, empfangen zu werden, aber es ist eine andere Sache, ein Projekt zu verkaufen" (Interview MIO);
„D^e puerta fria ist nicht so kalt. (...) Wenn ich mich ans Telefon setze und jemanden kalt anrufe, dann wird er nicht mal den Horer abnehmen" (Interview Ml4);
„Die wirklich ksdtQ puerta fria existiert praktisch nicht. (...) Ich glaube, dass es hier unmOglich ist, etwas iXbcr puerta fria TAX gewinnen" (Interview M13)^".
Letztlich wurden Kunden fast immer durch Netzwerkunterstutzung gewonnen. Es zeigte sich, dass die Berater sowohl in der indirekten als auch in der direkten Kundenwerbung nahezu ausschlieBlich den netzwerkartigen Marktmechanismus nutzten, wahrend reine marktartige Beziehungen kaum vorkamen. Insgesamt wurden weit iiber 60% des Neugeschafts iiber Netzwerkkontakte entwickelt. Wenngleich zwei Einzelfalle von dieser Beobachtung abwichen, so tragt eine genauere Betrachtung ihrer Wettbewerbssituation eher zur Unterstiitzung der Argumentation iiber die Bedeutung sozialer Netzwerke bei. Eine Personalberatung hatte im Jahr 2000 in Madrid die Beratungsaktivitat aufgenommen und arbeitete ausschlieBlich im Bereich der Telekommunikationsbranche. Mit dem Einbruch der new economy und dem wirtschaftlichen Abschwung in der zweiten Halfte 2001 brachen die Projektauftrage schlagartig weg und das junge Unter-
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nehmen geriet abrupt in eine Krise. Schnell mussten neue Kundensegmente erschlossen werden, um nicht selbst aus dem spanischen Markt auszuscheiden. Da das Untemehmen auf die Suche vor allem nach Fachkraften in niedrigeren Fiihrungsebenen spezialisiert war, batten die Projekte in aller Kegel nur kurze Laufzeiten, mittlere Budgets und folglich eine vergleichsweise geringe Ungewissheit fur die Kunden. Nur aufgrund der geringen Relevanz und Kurzzeitigkeit der Projekte gelang es, durch eine aggressive Kaltakquisition zumindest teilweise in neue Branchen vorzustoBen. Dennoch betonte der Landeschef des Untemehmens, dass diese Phase extrem bedrohlich und die Neukundengewinnung auBerordentlich schwierig war. Die Strategie der Kaltakquisition wurde letztlich nur gewahlt, weil sie das Untemehmen vor dem Marktausscheiden rettete und funktionierte vor allem deshalb, weil die Beratungsleistung geringe Kundenverbindlichkeiten implizierte. Bei dem zweiten Beratungsuntemehmen handelte es sich um eine groBe, hoch spezialisierte Finanzberatung. Im Gegensatz zum ersten Fall verfolgte es grundsatzlich eine Strategie der Direktakquisition. Dies war vor allem deshalb moglich, weil ihre Beratungsdienste weitgehend ohne Zusammenarbeit mit dem Kunden, tiber kurze Laufzeit und mit geringem Umsatzvolumen erbracht wurden. Fiir die Kunden implizierte die Zusammenarbeit folglich eine geringe Unsicherheit mit relativ standardisierter Beratungsleistung. In beiden Fallen war das erforderliche commitment der Kunden gegeniiber den Untemehmen in jeder Hinsicht gering: Geringe Projektumfange, kurze Projektdauer und hohe Standardisiemng pragten die Leistungserbringung. Vertrauen wurde als weniger bedeutsam eingeschatzt, da es auch zu weniger Interaktion mit dem Kunden kam. Aus diesen beratungsspezifischen Bedingungen heraus war es fur die Berater leichter, neue Kunden zu gewinnen. Die beiden Beispiele kontrastieren die hohe Bedeutung netzwerkartiger Kundengewinnung, jedoch bestatigen sie die Vermutung iiber den allgemeinen Zusammenhang zwischen der Unsicherheit einer Leistung und den dominierenden Marktmechanismen. Je unsicherer der Verlauf und Ausgang eines Beratungsprojekts und je groBer das erforderliche commitment des Kunden in einem Projekt, desto wichtiger wurden personliche Beziehungen und Empfehlungen innerhalb der Geschaftsnetzwerke der Kunden. Wenn Unsicherheit und Kosten jedoch geringer waren, waren Berater auch weniger an die informellen, netzwerkartigen Mechanismen gebunden und konnten starker marktartig Neugeschaft entwickeln.
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Offentliche Reputation Offentliche Reputation spielte demgegentiber eine relativ geringere Rolle. Zwar war den befragten Untemehmen die Marktbekanntheit und ein positives image im Markt wichtig. Allerdings gestanden sie ein, dass sich ihre Investitionen in die Markenbildung des Untemehmens nicht messbar auf die Geschaftstatigkeit auswirkten. Marketinganstrengungen verursachten liohe Kosten und eine minimale Erfolgsquote in der Kundengewinnung. Die Interviewpartner betonten ihrerseits, dass kein Zusammenhang zwischen offentlicher Reputation und erfolgreicher Kundenakquisition existiere (Interview M20); und wenn uberhaupt, dann nur ein negativer: Mit steigendem Aufwand fur Marketing entziehe man den Beratem Ressourcen fiir die eigentliche Beratungsarbeit, so dass die Qualitat der Beratungstatigkeit leide. Die skeptische Einschatzung offentlicher Reputation und der Untemehmensmarke lag unter anderem in dem Dualismus von personlicher und kollektiver Reputation begrtindet. Viele Berater argumentierten wiederholt, dass Beratung eine personengebundene Dienstleistung sei. Zwar sei die offentliche Reputation des Untemehmens wtinschenswert und positiv, allerdings hange die Kundenbeziehung stets von der Qualitat der personlichen Beziehung ab: „Das istkein Geschaft von Beratungen, sondem von Beratem (...) Eine Marke mit guter offentlicher Reputation garantiert nicht den Erfolg des einzelnen Beraters" (Interview MIO).
„Was hier zahlt, ist der personliche Einsatz des Beraters. (...) Meine Kunden trauen mir, das sagen mir 90% meiner Kunden. (...) Mir persOnlich hat der Name oder die Marke des intemationalen Untemehmens nicht viel gebracht" (Interview Ml3)""".
Das zweite Statement unterstreicht die Sichtweise der globalen Strategieberatung zuvor: Im direkten Vergleich zwischen intemationalem Renommee und lokalen Kontaktnetzwerken sind es im Falle des Eintritts in Madrid die spezifischen lokalen Reputationsnetze, die den Erfolg der Kundengewinnung begriinden. Dennoch ware es zu einfach, die beiden Konzepte als unvereinbar einander gegenuberzustellen, Denn letztlich stellt die Kombination aus beiden Formen der Reputation den groBten Vorteil fur das Untemehmen dar (Gltickler/ Armbrtister 2003). Wahrend die offentliche Reputation vor allem der Marktbekanntheit diente, wurden die konkreten Kunden und Projekte iiber die erfolgreiche Arbeit und die daraus erwachsenden Empfehlungen gewonnen. Die Marke des Untemehmens erleichterte den Zutritt zum Untemehmen, aber die Auftrage
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entstanden nur tiber das netzwerkvermittelte Vertrauen des Kunden in die Leistungsqualitat und Vertrauenswtirdigkeit der Berater (Interview Ml7).
7.
Fazit
Eine der grundlegenden Voraussetzungen fur das Operieren sozialer Netzwerke ist unvollstandige Information bzw. Entscheidungsunsicherheit. Nur wenn Marktteilnehmer unklare Erwartungssicherheiten fur ihre Handlungsoptionen haben, sind sie auf verlassliche und reichhaltige Informationen angewiesen. Ein Mangel an formalen, allgemeingiiltigen Regelungen sowie die Personengebundenheit und Charakteristik von Beratungsleistungen bestimmen die hohe Unsicherheit im Beratungsmarkt, Je hoher die Unsicherheit zwischen den Akteuren, desto starker hangt das Zustandekommen von Transaktionsbeziehungen davon ab, wie die spezifische Transaktionsunsicherheit reduziert wird. Soziale Netzwerke offenbaren hierbei wichtige Informations- und Entscheidungsvorteile. Sie bilden den Rahmen fur Mechanismen des personlichen Vertrauens und der Netzwerkreputation. Die vorgestellte Fallstudie des internationalen Markteintritts von Beratungsunternehmen in Madrid hat verdeutlicht, dass sowohl der Markteintritt als auch die Akquisition und Gestaltung von Kundenbeziehungen nahezu ausschlieBlich uber meist lokale soziale Netzwerke erfolgte. Dies bezieht sich einerseits auf die Haufigkeit passiver Empfehlungen von zufriedenen Kunden Oder Geschaftspartnem. Andererseits zeigen die Interviews in Madrid, dass Kontakte auch aktiv eingesetzt wurden, um neue Kontakte herzustellen. Berater kontaktierten gezielt Bekannte, um sie als Beziehungsmakler zur Gewinnung neuer Kunden zu gewinnen. Auf diese Weise wurden Gefallen ausgetauscht und zugleich gegenseitige Verbindlichkeit aufgebaut. Obwohl Marken, offentliche Reputation und Marktbekanntheit grundsatzlich als wichtig beurteilt wurden, war die KundenerschlieBung nahezu vollstandig an personliche Netzwerke gebunden. Dieses fur Internationale Untemehmen in Spanien erzielte Ergebnis wird durch eine deutschlandweite Studie unterstiitzt. Barchewitz und Armbrtister (2004) bestatigen far ein Sample von fast 200 Beratungsunternehmen in Deutschland, dass der groBte Teil der Neukunden Uber personliche Kontakte und Empfehlungen gewonnen wird. Die Bedeutung sozialer Netzwerke fur den internationalen Markteintritt, d.h. von Vertrauen in beste-
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henden und Reputation in neu entstehenden sozialen Beziehungen, wurde empirisch auch in Frankfurt und London nachgewiesen (Gliickler 2004). Dieser Befund leistet einen Beitrag zu der eingangs eroffheten Diskussion um die Bedeutung von Reputation als potenzielle Ressource globaler Wettbewerbsvorteile bei wissensbasierten Dienstleistungsuntemehmen. Einige Autoren halten Reputation fur eine unimitierbare strategische Ressource, die lokal verankert ist und nicht in andere Markte iibertragen werden konne (Porter 1986; Nachum 1999). Andere wiederum halten Reputation ftir weltweit transferierbar und sehen in ihr einen potenziellen Wettbewerbsvorteil des multinationalen Dienstleistungsuntemehmens (Aharoni 2000; Lowendahl 2000). Die Internationale Transferierbarkeit von Reputation hangt allerdings in erster Linie davon ab, ob es gelingt, sie von erfolgreichen Experten auf die Organisation zu tibertragen. Je spezifischer die Dienste und je starker die erforderliche Expertise an einzelne Personen gebunden ist, desto wichtiger ist jedoch die individuelle Reputation des Experten (Aharoni 1996). Diese Diskussion kann auf Basis des vorliegenden Beitrags besser in eine andere Frage gefasst werden, namlich welcher Typus von Reputation wirklich wichtig ist zur Senkung der Erwartungsunsicherheit der Kunden gegenijber einem Berater. Die empirischen Ergebnisse dieser Untersuchung unterstreichen die enorme Bedeutung von Reputationsnetzen sozialer Kommunikation, einerseits, well die Kundenbeziehungen stets in personlichen Beziehungen verankert waren und dort gepflegt wurden, andererseits, weil groBe Untemehmen trotz ihrer globalen Marke z.T. erhebliche Schwierigkeiten dabei erfuhren, in Spanien erste Kunden zu gewinnen ohne entsprechende Referenzen aus dem Land vorweisen zu konnen. Einige Beratungsuntemehmen waren aufgrund fehlenden Erfolgs in der Kundenakquisition auf Kunden des eigenen Heimatmarkts beschrankt. Sie bildeten gewissermaBen Exklaven, indem sie nur diejenigen Kunden berieten, die ihnen auch den Eintritt in den Markt ermoglicht hatten. Spanische Kunden konnten trotz ihrer intemationalen offentlichen Reputation teilweise uber viele Jahre nicht gewonnen werden, weil nur Berater aus dem Heimatmarkt eingesetzt wurden. Offentliche Reputation bildet zwar Sichtbarkeit am Markt, jedoch erwarten Kunden stets vertrauenswiirdigere Signale wie z.B. Projektreferenzen von bekannten Untemehmen oder personliche Empfehlungen. Insgesamt unterstutzen die Ergebnisse dieser Fallstudie die Bedeutung lokaler Reputationsnetze sowie der erforderlichen kontextspezifischen Marktkenntnisse, um diese aufbauen zu konnen. Globale Reputation im Sinne einer weltweit etablierten Marke und entsprechenden Prestiges fur spezifische Kompetenzen sind zwar hilfreich im Werben um Kunden, jedoch wertlos ohne den
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Johannes Gluckler
Zugang zu lokalen Empfehlungsnetzwerken. Diese Ergebnisse fordem zu deutlich mehr Vorsicht in der Diskussion tiber die Moglichkeiten globaler Reputation und globaler Marken auf. Zugleich implizieren sie eine kritische Beurteilung der empirischen Moglichkeit wahrhaft transnationaler Organisation. Zumindest in wissensbasierten Dienstleistungsfeldem, in denen Wissen und Kompetenzen an speziflsche Personen und somit an Expertise gebunden ist, ist die Kundenbeziehung erstens die fundamentale Erfolgsvariable des Untemehmens und zweitens stets im nationalen und lokalen Kontext spezifisch.
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* "una persona que no es de aqui, se pierde" (Interview M24). " "la confianza se gana trabajando durante muchos anos para alguien o porque te la trasmite a otro. Entonces, si yo llevo trabajando con Ud. 10 anos y si Ud. esta satisfecho conmigo tengo confianza. Si Ud. trasmite esa confianza a otro colega suyo, el tiene esa confianza tambien. No hay otra forma." (Interview M2). "^ "Espana es muy de confianza. La gente vive en la calle, hablan, comentan. La recomendacion es algo muy importante" (Interview M3). ^^ „la mejor recomendacion es la de otro cliente" (Interview M5). ^ "en muchos casos no es el socio vendiendo sino un cliente que llama y dicei'Mira estoy pensando en esto, ^porque no hablamos y nos sentamos, me podeis un poco mostrar vuestra perspectiva'? La principal fuente que genera estos contactos son clientes anteriores, como el 80% o 70%, algo asi. Los clientes nuevos que no han trabajado con la compania hasta este momento y que van a hacer su primer proyecto; cuando las preguntas porque se dicidieron a trabajar con [nosotros], o bien se decidieron a contactar con [nosotros] para pensar en una posible colaboracion, la causa fundamental es que alguien de quien se fien se lo ha recomendado. Eso es reputacion. Si tu haces anuncios en la prensa o quieres salir con una pagina en el Economist o quieres esponsorisar un evento al que invitas a todos lideres de un determinado sector de un pais, es perfecto, pero eso generalmente genera muy pocos germenes de proyecto. La mayoria de los germenes estan
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generados porque tu has hecho un proyecto con [nosotros] y a un directivo de una empresa que tu conoces y que el se fia de ti le dicesiTrabaja con esa compania, me parecia excellente'. El levanta el telefono y llama a esa compania. (...) Es muy intenso. En proyectos que se generan por la primera vez, un cliente que trabaja la primera vez con nosotros, es la causa numero uno pero con mucha diferencia" (Interview Mil). ^ "Es la mejor manera de venderse. Porque es la mas efectiva. Cuando alguien te llama por recomendacion probablemente tienes el 70% ganado para llevarte a ese cliente y llevar a cabo el proyecto. Yo no me confiaria unicamente en este tema. Pero realmente el efectivo es la recomendacion" (Interview Ml 8). ^^ "Yo nunca hago nada puerta fria. Yo siempre voy a traves de alguien: un conocido, un amigo, alguien que trabaja en la compania" (Interview M4); "La puerta fria aqui no funciona. O te buscas una manera que sea templada o no.... Es facil que te reciban, otra cosa es que te compren" (Interview MIO); "La puerta fria no es tan fria. (...) Coger el telelefono y llamar a Sr. X no se va a poner" (Interview Ml4); "Puerta fria fria practicamente no existe. (...) aqui creo que es casi imposible hacer algo por puerta fria" (Interview Ml3). ^" "Esto no es un negocio tanto de consultoras, como de consultores (...) Una marca con buena reputacion no te garantiza el exito del socio" (Interview MIO); "Aqui lo que cuenta mas el esftierzo personal de un consultor. (...) A mi los clientes fien en mi. El 90% de los clientes me lo dice. (...) A mi particularmente, el nombre de compania intemacional no me ha aportado mucho" (Interview Ml 3).
Hermann Kotthoff
Wer bekommt den Kassenschlussel hinter der Grenze? Vertrauensbeziehungen im globalisierten Konzern
1.
Risikomanagement an der Globalisierungsfront
In fremden Landem Geschafte zu machen ist ein Risiko. Es kann leicht schief gehen. Darum ist Globalisierung Vertrauenssache. Darum haben die fruhen international agierenden Unternehmer ihre Geschafte im Ausland von Verwandten betreiben lassen. Werner von Siemens zum Beispiel hat nach London seinen Cousin und nach St. Petersburg seinen Bruder geschickt. In der Fremde scheinen modeme Vertragsbeziehungen nicht auszureichen, um VerlassHchkeit, Zuverlassigkeit, und Loyalitat sicherzustellen. Es scheint ein ,naturlicher' Reflex zu sein, in solchen Situationen auf primare soziale Bande zuriickzugreifen: Familie und Freunde, ,eigene Leute'. Und das ist kein alter Hut. Ein solcher Reflex ist auch heute noch gegenwartig bei Personen, die an der Globalisierungsfront arbeiten und eine Anschauung von dem Risiko haben. Em aus Belgien stammender Manager in der brasilianischen Niederlassung eines deutschen Automobilkonzems sagte mir auf die Frage, ob der Spitzenmanager in Brasilien immer ein Deutscher sein musse: „Ich glaube, die Nummer eins wird immer deutsch sein. Wenn ich eine Backerei hatte, und ich wtirde eine Zweigstelle eroffrien hundert Kilometer weiter, ich wiirde keinen vom Ort nehmen, ich wiirde meinen Bruder hinschicken. Wenn man das Kontrolle nennt, dann ist das Kontrolle." Und ein turkischer Manager in der tiirkischen Niederlassung desselben deutschen Konzems antwortet auf dieselbe Frage so: „Das ist eine Vertrauensfrage. Wenn wir z.B. eine ttirkische Firma im Iran oder Irak oder in Agypten aufbauen wiirden, dann wiirde ich eigentlich auch unsere Leute einsetzen und nicht die verantwortlichen Stellen mit Einheimischen besetzen. Einheimische hin, Einheimische her, aber an den Spitzenpositionen, wo sehr viel vertraulich gehandhabt wird, mtissen die eigenen Leute sein, die aus dem eigenen Stall kommen."
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Hermann Kotthoff
Bemerkenswert an diesen AuBerungen ist, dass sie nicht aus dem Munde von Leuten kommen, die das Risiko tragen, sondem die das Risiko sind, also nicht aus dem Munde des Prinzipals, sondem von solchen ,Agenten', die Fremde sind und dem generalisierten Misstrauensvorbehalt unterliegen. Aber sie kennen sich in der Materie aus, sie managen an der Front, und sie versetzen sich in die Position des Prinzipals, und verstehen ihn ,naturlich'. Das Verhaltensschema des Werner von Siemens ist keineswegs iiberholt. Der seit einem Jahr groBte Stahluntemehmer der Welt ist ein Inder. Er hat auch in Deutschland und in anderen europaischen Landem Produktionsstatten. Als verantwortliche Manager, insbesondere als Finanzdirektoren, hat er in London, Duisburg, Bourg-en-Bresse und an alien anderen Orten neben seinem Sohn weitere Inder seines Vertrauens eingesetzt. Daran, dass es in Europa nicht gentigend Finanzexperten gibt, kann es nicht liegen. Es geht um Vertrauen. Auf wen kann ich mich hundertprozentig verlassen? (Zur Bedeutung personlichen Vertrauens fur transnationale Organisationsformen vgl. auch Glixckler sowie Wagner in diesem Band). Und dies ist keineswegs nur ein Verhaltensschema eines aufstrebenden Untemehmers aus einem Schwellenland mit einer noch starker familiar und ethnisch strukturierten Wirtschaft als in Europa. Dieses Verhaltensschema praktizierten ausgiebig auch deutsche Konzeme. Und sie tun es - mit Abstufungen immer noch. Der modeme Vertrauens-Agent ist der expatriate. Wie der Name schon sagt, kommt er aus dem Vaterland des Konzems. Er mtisste eigentlich einen zweiten Namen haben: ,exmatnat\ Denn er kommt von der Mutter, vom Mutterhaus des Konzems, er ist ein Spross des headquarter, mit alien Wassem der Mutter gewaschen. Was ihn neben vielem anderen auszeichnet ist sein Status als Vertrauter bzw. Entsandter. Er wird als Botschafter entsandt. Er vertritt auf Zeit die Interessen seines Mutterhauses und die Kultur seines Vaterlandes in der Fremde. Dabei muss er sich als Grenzganger gewiss auch dem Fremden offiien, sich in die andere Kultur versetzen. Doch das soil hier nicht mein Thema sein. Ich frage umgekehrt: kann nicht ein Fremder ihn ersetzen? Naturlich kann er nicht im vollen Sinn ein Eigener werden. Aber vielleicht ist das gar nicht notwendig. Ist die Bonitatsklasse A fur Auslandsgeschafte nicht ein ubertrieben angstlicher MaBstab? Reicht nicht die Klasse B, z.B. die Adoption eines Fremden von der Mutter? Ist B nicht ,so gut wie' A? War A nicht immer schon ubertrieben vorsichtig? Gibt es denn heute nicht einen Weltmarkt fur ein zuverlassiges Internationales Management? Haben sie sich nicht bereits von Vaterland und Mutterhaus abgenabelt?
Wer bekommt den Kassenschliissel hinter der Grenze?
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Mit dieser Frage sehen sich heute alle intemationalen Konzeme konfrontiert. Denn der eigene vaterlandische Vertrauensmensch {expatriate) ist teuer, auf die Dauer zu teuer. AuBerdem macht er Probleme bei der Ruckkehr, stellt Anspniche ,nur well er ein paar Jahre im Busch' war. Die Frage ist, ob und wie expatriates ersetzt werden konnen, ob und wie ein vaterlandsloses Management zurechtgezimmert werden kann. Die Hoffiiung liegt auf der intemationalen Ftihrungskrafteentwicklung. Die multinationalen Konzeme unterscheiden sich stark gerade in diesem Punkt, wie weit sie dem neuen System der Internationalisiemng des oberen und obersten Managements bereits folgen oder sich noch zogerlich verhalten. Ich betrachte die Frage im Folgenden aus der Sicht der Konzem-Mutter: miissen expatriates heute noch sein, und wenn ja wie viele? Ist es nicht besser und billiger ein einheimisches bzw. ein intemational zusammengestelltes Management einzusetzen? Meine Datenbasis ist ein DFG-Forschungsprojekt tiber „Managementprozess und Untemehmenskultur im Organisationswandel globaler Konzeme" (Kotthoff 2001; Matthai/Kotthoff 2001). In vier groBen deutschen Konzemen (3 Chemie, 1 Automobil) wurde das oberste Management von jeweils zwei auslandischen Standorten (der komplette Vorstand der Auslandsgesellschaft) und deren direkte Ansprechpartner im deutschen headquarter interviewt. Kemthema war die Steuerung und Kontrolle der auslandischen Standorte aus beiden reziproken Blickwinkeln. Begrifflich geht es hier um das Ersetzen oder Ubersetzen von personalem Vertrauen in Systemvertrauen bzw. institutionalisiertes Vertrauen. Letzteres hat groBe Vorteile: es ist generalisiert und damit weit-raumiger, lang-fristiger und kosten-gunstiger. Es ist ein anderer Begriff fiir Selbstverstandlichkeit, Routine und Habitus. Es ist ein bedeutender Schritt zur Institutionalisiemng von Verhalten und damit der Herstellung von Verhaltenssicherheit und Verlasslichkeit. Die Schaffung eines , Systems Weltmanagement' mit einem sicheren Instrumentenkoffer ist die riskanteste Baustelle im Globalisiemngsprozess. Das Optimale fur den Prinzipal ware, es ginge ihm wie den Luflhansa-Kunden: sie sehen das Emblem der Lufthansa und steigen mit einem Gefuhl des Vertrauens und der Sicherheit in die Maschine, obwohl sie keine einzige Person der Firma Lufthansa kennen. Wamm sollte es nicht eine TtJV-Vertrauensplakette geben, die dem deutschen Prinzipal ftir die nachsten 24 Monate die Sicherheit gibt, dass in Amerika, Asien und Afrika die Firma nicht absttirzt? Am erfahrensten ist hier die Wirtschaftsbranche, die mit Glauben (Kredit) handelt. Sie hat mit Instmmenten der Bonitatspriifixng, Auskunftei usw. ein Sicherheitssystem gegenliber unzuverlassigen Kunden entwickelt, und der Staat hat durch Instrumente der Bankauf-
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sicht, der Eigenkapitalverordnung (z.B. Basel II) und Rtickversicherung sichergestellt, dass das Vertrauen der Kunden in die Bank nicht erschtittert wird.
7.1 Wer wird Finanzdirektor im Ausland? Wie hoch ist der Anteil der Deutschen im Vorstand (1. Ebene) der Auslandsgesellschaften? Das ist in den untersuchten Konzemen sehr unterschiedlich. Ich beziehe mich hier auf die beiden Konzeme Auto AG (Nutzfahrzeuge) und Pharma AG. Auto AG hat in seiner brasilianischen Gesellschaft alle acht Vorstandssitze mit Deutschen besetzt, in der turkischen Niederlassung drei von funf Sitzen. Pharma AG hat in seiner brasilianischen Niederlassung nur zwei von acht Spitzenpositionen mit einem Deutschen besetzt und in der italienischen Niederlassung ebenfalls. Pharma AG ist demnach bei diesem Indikator deutlich intemationaler ausgerichtet als Auto AG. Bis vor kurzem war Pharma AG aber genauso hochkaratig deutsch besetzt wie Auto AG. Der Wechsel kam erst in den letzten ca. funf Jahren. Warum ist Pharma AG in diesem Punkt ,weiter'? Eine Antwort darauf konnen wir erst am Ende fmden, wenn wir das Gelande geprlift haben, in dem beide Konzeme sich vortasten. Die Frage, ob es nicht ein Nicht-Deutscher sein kann, wurde zur Zeit der Erhebung bei Auto AG bei jeder einzelnen freiwerdenden Stelle lebhaft diskutiert. Die Befragten konnten sich dabei Vieles vorstellen, aber eines konnten sie sich nicht vorstellen: dass der Posten des Finanzdirektors mit einem Nicht-Deutschen besetzt wiirde. Beim Geld hore der SpaB auf. Den Kassenschltissel konne man keinem Einheimischen anvertrauen. Das sei ein ungeschriebenes Gesetz. Und dieses Gesetz gilt selbst bei Pharma AG in alien Landem, obwohl die meisten anderen Positionen inzwischen international besetzt sind. Bei Pharma do Brazil wird dieses Gesetz aber aktuell erstmals gebrochen: der nachste Finanzchef soil ein Brasilianer werden. Das ist eine Wende in der Konzemgeschichte. Der Entscheidung sind heflige interne Kontroversen vorausgegangen, die ein scharfes Licht darauf werfen, welche Risiken und Angste auf dem Spiel stehen. Ich werde nun am Beispiel des Finanzvorstandes von Auto-Tiirk und Pharma do Brazil zeigen, welche Hintergrundannahmen Uber Risiko, Risikomanagement, und Vertrauen hinter der Besetzung dieser Positionen stecken. Es geht um eine klassische kultursoziologische Frage, namlich: welches Geschaftsrisiko stellt die Kultur eines fremden Landes dar? Beide Finanzdirektoren sind Deutsche, die ihr Handwerk in der Firma gelemt haben und viele Jahre im headquarter gearbeitet haben. Beide kennen das Fi-
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nanzwesen des Hauses und auch seine ,Schleichwege' wie ihre Westentasche. Beide sind bestens im Netz des Konzem-Finanzstabes verkntipft.
1.2 Was macht so ein Finanzchef eigentlich? Was ist sein Job? Er ist a) zustandig fur das Liquiditatsmanagement. Er sorgt daflir, dass das Geld vorhanden ist, um die ausstehenden Rechnungen und die Lohne und Gehalter ptinktlich zu bezahlen; b) er sorgt fiir die Kreditfahigkeit gegeniiber den turkischen bzw. brasilianischen Banken, denn das deutsche headquarter stellt ihm keinen ,Patronagebrief aus, biirgt also nicht ftir Geldgeschafte im Land; c) ihm obliegt vor allem das Devisenmanagement und die Wahrungssicherung, was bei dem schwankenden Kurs der turkischen Lira und des brasilianischen Real in den 1990er Jahren eine immense Herausforderung war und viel Erfahrung und finanzpolitische Witterung voraussetzte; d) er macht die Steueroptimierung, das heiBt, er versucht das Betriebsergebnis am deutschen und am tiirkischen bzw. brasilianischen Finanzamt vorbeizuschiffen; e) seine ,heiBeste' Aufgabe ist es, das erwirtschaftete Geld profitabel auf dem Kapitalmarkt anzulegen; f) schlieBlich ist er zustandig flir den operating profit, das heiBt, er stellt die Bilanz der Gesellschaft auf und hat dieses Gesamtergebnis gegeniiber der Zentrale darzustellen; er ist derjenige, der zuerst den Kopf hinhalt. Vor allem aus dem Blickwinkel dieser Funktion beurteilen ihn seine Vorstandskollegen, weil es ja ihr Ergebnis ist, das er in der Zentrale verkauft. Er muss die Emte - gut verpackt heimbringen. In beiden Konzemen ist die direkte Kontrolle der Vorstande der Auslandsgesellschaften - mit einer gewissen Ausnahme des Werksleiters - sehr eng. Und sie ist mit der zunehmenden Intemationalisierung enger geworden. Ungeachtet vielfacher Dezentralisierungstendenzen in operativen Bereichen und auf den mittleren und unteren Fiihrungs- und Expertenebenen hat auf der obersten Ebene und in untemehmensstrategischen Fragen eine kraftige Zentralisierung stattgefunden. So ist die Hintergrundfolie samtlicher Gesprache mit den Vorstanden der Auslandsgesellschaften die Tatsache, dass sie in der Zeit des frUheren ,Mutter-Tochter-Verhaltnisses' (multi-nationale Phase) freiere Hand hatten, und inzwischen mehr und mehr an der Leine der Zentrale angebunden sind. Und das gilt auch fiir die Finanzdirektoren. Obwohl die beiden, von denen ich hier berichte, sich riihmen, noch verhaltnismaBig groBe Freiheiten zu genieBen, weil sie in wahrungspolitisch unsicheren Landem agieren, die von der Zentrale aus nicht durchschaut werden konnen, sind sie eingebunden in ein engmaschiges
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Netz von Berichterstattung, Heimatbesuchen, Expertentreffen und Visiten. Der Konzem schaut ihnen ordentlich auf die Finger. Er verlasst sich nicht auf Treu und Glauben allein. Der Finanzchef von Auto-Tiirk muss monatlich einen schriftlichen Bericht erstatten an folgende Stellen im headquarter in Hofheim: Chef Busse, Chef LKW, Sparten-Finanzchef, Konzem-Finanzchef Einmal im Monat fliegt er nach Hofheim zu einem Meeting mit den Finanzleuten. Halbjahrig muss der Vorstand von Auto-Tiirk einen Absatz-, Investitions-, Beschaffungs- und Arbeitskrafteplan abliefem, den der Finanzdirektor in den ausschlaggebenden Budgetplan ubersetzen (Marktpreise fur die Transaktionen einsetzen) und in Hofheim abliefem muss. Vierteljahrlich sind Tagungen aller Finanzdirektoren der Auslandsgesellschaften mit dem Finanzchef der Sparte. Kurzlich wurde der Konzem-Finanzbereich einen groBen Schritt weiter zentralisiert: „Es gibt in Hofheim eine cash concentration, wo alle Gelder von alien Bankkonten abgezogen werden und zusammengefasst angelegt werden. Aber wir in der Tilrkei sind aus gesetzlichen Griinden davon abgeschnitten, sonst waren wir auch mit drin in diesem Topf." (Finanzdirektor).
Das Wahrungs-, Investment-, und Steueroptimierungs-Management reiBt die Zentrale melir und mehr an sich. Die Formalstruktur ist standig in Bewegung. Sie ist ein Gerippe, an dem unablassig gebastelt wird. Die AnstoBe dafiir konnen die unterschiedlichsten Ausloser haben. Favoriten darunter sind Personalwechsel in wichtigen Konzem-Positionen (der Neue zeigt Ftihrungsstarke durch eine Orga-Reform) und korporative Veranderungen im Konzem (Fusionen, Aufkaufe usw.). Bei Auto AG hat gerade eine Fusion zu einem Zentralisiemngsschub insbesondere bei Einkauf, Controlling und technischer Planung gefuhrt. Die Spitzenmanager in den Auslandsgesellschaften haben alle Miihe, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Sprachlich ist hier besonders aufschlussreich, dass diese ,unpersonlichen', weil formal-organisatorischen Reformen durchgehend von den Befragten als eine Personengeschichte berichtet werden: „(...) ist ein Stab von Dr. L. zurlickgeholt worden (...) alle Controller im LKW-Bereich, die bei Herm H. angesiedelt waren, werden jetzt zu Dr. G. (Konzemvorstand) geholt (...) auch technische Planungsbereiche kommen jetzt zu Dr. K. (...) Der Materialeinkauf, der bei Dr. M. noch war, der wird jetzt bei X [ftisionierte Firma] unterstellt."
Dies hort sich an wie ein Bericht iiber Menschenhandel. Ohne Namensregister ware hier kein Durchkommen. Man kann ohne Ubertreibung sagen: es gibt auf dieser Ebene der Spitzenmanager kaum etwas, was personlicher genommen wird als eine - scheinbar - unpersonliche formal-organisatorische Verandemng.
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Der Konzem stellt sich diesen Funktionstragem als ein Adressbuch dar, das stets auf den neusten Stand gebracht werden muss. Status und Rangordnung eines Finanzdirektors im Konzem bemisst sich naturlich daran, wie viel Milch die Kuh gibt, Lange Zeit war das Ergebnis in der Turkei mager und der Job des Finanzdirektors bescheiden. Seit einigen Jahren aber erwirtschaftet die Niederlassung wachsende Uberschtisse. Sie erhielt kiirzlich vom tiirkischen Staat eine Auszeichnung als groBter Steuerzahler des Landes. „Plotzlich zahlen wir einen immensen Betrag an Steuem hier, und da bin ich mit den Kollegen von der Steuerabteilung im Gesprach, wie man das dann machen kann." (Finanzdirektor Herr F.).
Schlagartig stieg das Ansehen des Herm F. in der Zentrale. Er berichtet daruber: „Bisher waren wir arme Schlucker. Wir batten gerade so viel Geld wie wir brauchen. Wir haben uns iiber die Runden gerettet. Die Frage, wie ich mein Geld anlege, stellte sich gar nicht, wir batten keins zum Anlegen, sondem eben nur die normale Liquiditat. Durch das gute Ergebnis in den letzten Jahren kommen ganz andere Gesichtspunkte ins Spiel. PlOtzlich sind wir jemand beim zentralen Finanzbereich. Jetzt plotzlich bin ich Gesprachspartner fiir Dr. X beispielsweise in der Zentrale: was machen wir mit der Liquiditat von AutoTiirk? Und von seinem Kollegen Dr. Y, der fur das riskmanagement zustandig ist: wie und wo legen wir das Geld an?"
Das gestiegene Prestige von Herm F. drtickt sich in seinem Stolz daruber aus, dass man mehr auf ihn hort: „Man kann nicht mehr von der Zentrale kommen und sagen: jeder Pfennig wird in Hofheim abgeliefert." Auf die Frage: „Konnen Sie sich vorstellen, dass Ihr Nachfolger mal ein Ttirke sein wird?" antwortet Herr F.: „Nein, der Job ist zu sensibel. Es ist durchaus ein ungeschriebenes Gesetz im Konzem, dass der Finanzleiter immer ein Deutscher ist. Und auch der Controllingleiter ist ein Deutscher. Das Thema wird durchaus Ofter mal besprochen, wo der Gewinn entsteht, und das machen Sie natiirlich besser mit einem Deutschen als mit einem Turken, weil, Sie wissen nie. (...) Er kann auch ganz schnell mal zu einer anderen Gesellschaft wechseln, oder eine Verbindung zu den heimischen shareholders oder zu den Handlem in der Tiirkei. Dann ist es schon besser in deutscher Hand."
Sprachlich betrachtet fallt hier der Gegensatz zwischen der Festigkeit der Norm („naturlich besser", „schon besser in deutscher") und der Nebulositat der Andeutungen auf Es werden zwar mogliche Gefahrenherde genannt (einheimische shareholder, Handler), aber nicht die Delikte. Es geniigt, dass der Einheimische eine „Verbindung" zu den Gefahrenherden hat, um ihn zu verdachtigen. Nur das
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Risiko, dass er zur Konkurrenz geht, wird beim Namen genannt. Das AusmaB dieses Risikos wird erst verstandlich, wenn man das Kulturwissen von Herm F. und seiner Vorstandskollegen kennt. Sie wissen - oder glauben zu wissen - , dass ein turkischer high potential sein Land nicht verlasst. Seine Karriere besteht darin, sich bei den verschiedenen Multis im Lande hochzuarbeiten. Das heiBt, der Firmenwechsel ist Programm, zumindest eine grol3e Versuchung, zumal wenn die amerikanischen Multis mit hoheren Gehaltem fur Inlandjobs locken. Der Wechsel ereignet sich in relevantem AusmaB. Das ist der LopezSchock: der Wechsel von Opel zu VW und die Mitnahme aller Geheimnisse. Welche Abgrtinde an Gefahren, welche Szenarien von Krimmalitat tun sich hier auf? Die ganze Situation an der Globalisierungsfront ist erschopfend ausgedriickt in der Formulierung „weil, Sie wissen nie..." Die Andeutungen des Herm F. haben den Sinn, die Phantasie des Interviewers anzuregen. Zum Beispiel, welche Gefahr stellen die heimischen shareholder dar? Welches Alltagswissen iiber die Tiirkei will er ins Feld fiihren? Ganz offensichtlich dieses: die shareholder wollen vom Profit soviel wie moglich im Lande behalten. Hofheim aber mochte, dass vom Profit so viel wie moglich nach Hofheim geht. Fiir die heimischen shareholder ist Auto-AG eine Chance zur ttirkischen Bereicherung. Sie sind Opportunisten. Klar ist, der Deutsche als Finanzdirektor hat fiir den Konzem einen personalen Vorteil: Vertrauenswiirdigkeit. Diese kann durch engmaschige Kontrolle nicht ausgeglichen werden. Seine Vertrauenswiirdigkeit basiert u.a. auf diesen Gegebenheiten: a) Seine Fremdheit im fi-emden Land ist sein groBter Vorteil: er ist nicht eingebunden in korruptionsfordemde Verpflichtungsstrukturen, und er betreibt seine Karriere nicht nach einem loyalitats-indifferenten Landesmuster. Damit die Fremdheit bleibt, geht der Finanzdirektor nach ein paar Jahren und ein neuer Deutscher kommt. b) Er ist ein Vertrauter in der Zentrale, ein Spross von Hofheim, er gehort zur Familie, und ist fiir die Konzemlenker ein beschriebenes Blatt. Er kennt dort alles was Rang und Namen hat und ist mit vielen personlich eng verbunden. Er genieBt dort Vertrauen. c) Er nimmt diese Vertrautheit mit in die Fremde und sie wird dort zu einem Kapital eigener Art. Er kann die personlichen Verbindungen in Deutschland anzapfen zum Vorteil der ttirkischen Niederlassung. Er ist hier Gold wert, weil er kein Tiirke ist. d) Als Spross von Hoflieim weiB er, wie der Laden lauft, wie die Firma tickt, er hat das Hintergrundwissen {tacit knowledge) und die Selbstverstandlichkeiten, die eine leichte Interaktion, eine effektive Kooperation, und sicheres Handehi ermoglichen.
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Herr F. hebt selber vor allem die Vorteile c) und d) hervor: „Wenn Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben, man versteht sich, und man kann zusammenarbeiten ohne Briefe schreiben zu miissen, auf kurzem Draht. Das ist ganz automatisch. Ich kenne einen Haufen Leute in Deutschland. Ich tu mich halt einfach leichter als ein Turke. Wenn ich ein Problem habe, dann weiB ich halt, wer wo zustandig ist. Dann rufl man dort an und sagt: komm hilfmir mall Und dann geht es. Gerade die nicht rein geschaftsbezogenen, diese interpersonalen Kontakte sind ganz wichtig. Ich kenne zu Hause samtliche Zentral-Controller und Finanzleute. Die Kanale kann ich natUrlich auch hier nutzen. Man hat eben den Vorteil, dass man die Leute kennt. Es ist nicht so anonym, als wenn ein Schreiben von einem tUrkischen Mitarbeiter an irgendeine Stelle in Deutschland geht und dann eben nicht so zugig bearbeitet wird, als wenn ich sage: ich bin in Not, Du musst mir helfen. Hilf mal! Das ist eben ganz wichtig."
Bei Pharma AG gilt dasselbe ,ungeschriebene Gesetz', dass der Finanzdirektor immer ein Deutscher ist. Doch es wurde aktuell in Brasilien erstmals ubertreten. Der bisherige Finanzdirektor, der Deutsche Herr B., wechselt in ein anderes Land. Nachfolger wird ein Brasilianer. Herr B. hat ihn sich selber „ausgeguckt" und hatte den maBgeblichen Einfluss bei seiner Benennung. Das hangt damit zusammen, dass der noch junge Herr B. sich selber als Vorreiter einer starkeren Intemationalisierung sieht, ja als ein „Kulturkampfer". Mit diesem Ziel hat er seine eigene Karriere verkntipft. Er gehort zu denen, die eine andere Vorstellung, eine andere Philosophic von der Globalisierung haben. Daher hat er auch eine andere Risikoeinschatzung. Das Hauptrisiko ist fiir ihn ein zu enger Markt in Deutschland fur exzellente Manager in Schltisselpositionen. „Wir kOnnen uns in Zukunft gar nicht mehr leisten, so viele expatriates zu haben, und deshalb brauchen wir gute Leute. Und es gibt einfach gute lokale Leute, so dass ich das sogar umkehre: wenn wir uns nur auf Deutschland beschranken, wiirden wir uns limitieren. Wir brauchen an den Schltisselpositionen exzellente Leute, um zu tiberleben. Und der deutsche Markt ist zu klein dafiir, ganz klar."
Herr B, versteht sich als Modemisierer. Er hat ein ganz anderes Koordinatensystem: „Wir werden nur tiberleben, indem wir auf exzellente Leute setzen, und dann natUrlich aus alien Kulturen." Bisher waren in solchen Positionen nur Deutsche „nattirlich". Fiir ihn sind dagegen Einheimische „nattirlich". Er hat in Brasilien den bisher obligatorischen Deutschunterricht fur angehende Ftihrungskrafte gestrichen und bezahlt nur noch Englischkurse. Er legt sich fiir seine Vision ins Zeug. Um den Brasilianer als seinen Nachfolger „durchzubekommen habe ich lange kampfen miissen." Er glaubt selber, dass sein Faible fiir die forcierte Intemationalisierung daher riihre, dass er vorher in der Zentrale in Lauterbach
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„fur die Bilanzierung aufierhalb Europas zustandig war, und dazu gehOrte auch Lateinamerika. Und ich kenne alle meine Partner in Lateinamerika. Und mit ihnen bin ich in standigem Kontakt. Und wir lOsen sehr viele Probleme einfach durch Zuruf, ohne groBe Briefe zu schreiben oder E-Mails. Ein solches Netzwerk ist also wichtig."
Herr B. verwendet dieselben Argumente wie Herr F., der Finanzdirektor von Auto-Tiirk: es kommt auf das personale Vertrauen an, das man durch Vertrautheit in einem Netzwerk erwirbt. Aber er wendet es flir die Begriindung der entgegengesetzten These an: Er hatte in Lauterbach ein anderes, ein zweites Netzwerk, er war Vertrauter der Fremden und schon in der Heimat ein Intemationaler. Er war mit den FiiBen in Lauterbach, mit Kopf und Herz war er auBerhalb. Herr B, betont ebenso wie Herr F., dass die intime Kenntnis des headquarter unerlasshch ist, um Finanzdirektor drauBen zu werden. Man miisse die Entscheidungsvorgange kennen und „(...) wo die Seilschaften sind und wo die wichtigen Leute. Das ist ganz wichtig. So ein Konzem ist ein soziookonomisches System, und das ist nicht nur rational, sondem lebt von den menschlichen Beziehungen, und die muss man kennen. Wer wie was entscheidet, welche Gremien es gibt, und welche Leute dahinter stehen."
Er halt also beides flir wichtig: die Verankerung im Mutterhaus und die Ersetzung der expatriates durch Internationale Manager. Wie soil diese Quadratur des Kreises gelingen? Herr B. will es an seinem Nachfolger in Brasilien demonstrieren. „Ich hatte ihn mir schon lange als Nachfolger ausgesucht, weil er (stockt und denkt nach). Ja, welche Voraussetzung hatte er? Er kommt aus guter Familie, was hier in Brasilien wichtig ist. Das heiBt, ich meine, das mentalitatsmaBig, die also ein europaisches Wertesystem haben und kein latinohaftes, was in dieser Position sehr, sehr wichtig ist, dass man in einer solchen Position resistent ist gegen Korruption und Bestechung usw. Diese charakterlichen Eigenschaften oder diese Erziehung hat er. Das war fiir mich ganz entscheidend. Vom Bildungsniveau her ist er gut. Und er hat dann auch jetzt die headquarter-WQihQn.''
Herr B. hat ihn namlich vorher auf eine lange Bildungsreise geschickt. Er war zunachst in Lauterbach im Einkauf, dann mehrere Jahre dort im Finanzbereich. Er ist dort kein Deutscher geworden, aber ein Mann mit den „Weihen" der Pharma AG. Er kennt die Entscheidungswege und die Seilschaften. Ein italienischer Manager in der italienischen Niederlassung pragte fiir dieses Phanomen den Satz: „Ich wurde in Lauterbach geimpft." Die Losung des Problems liegt also fur Herm B. darin, dass der Brasilianer gar kein „richtiger" Brasilianer ist, sondem einer mit einem europaischen Wertesystem, und dass in Zukunft die Lauterbach-Manager keine „richtigen" Deut-
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schen sind, sondem solche, die - wie Herr B. selber - schon in ihren Heimatstellungen, also ohne expatriates zu sein, ihre Vertrauten auBerhalb haben. Herr B. mochte expatriates abschaffen. Aber als Typus hebt er sie auf den Sockel. Er kehrt den SpieB um: der Deutsche wie der Brasilianer sind filr das zuktinftige intemationale Management von Pharma AG geeignet, wenn sie in der Heimat (teilweise) Fremde sind. Auch fiir dieses Phanomen hat Herr B. ein treffendes Sprachbild: Als er seiner 15-jahrigen Tochter erzahlt habe, die Familie zoge nicht wie erwartet von Brasilien nach Deutschland zuriick, sondem gehe in ein anderes Ausland, habe sie nur geantwortet: „Cool". Wh- haben bei Pharma AG dieselben Risiken der Globalisierung wie bei Auto AG. Wu* haben hier denselben Bedarf an Vertrauen und Sicherheit. Und wir haben denselben Mechanismus des Vertrauensmanagements, namlich auf Vertrautheit und Nahe griindendes personales Vertrauen. Aber das Vertraute und das Fremde werden hier anders verkniipft. Vertrautheit wird nicht an Zuhause festgemacht, und Fremdheit nicht an „auBerhalb". Herr B. weiB und sagt, dass der Weltmarkt fiir exzellente Personen mit einer solchen Weltsicht sehr eng ist. Die Spitzenmanager von Auto-Tiirk haben in der Tiirkei noch keinen gefiinden. Herr F. stellt explizit fest: „In den funf Jahren seit ich hier bin, war kein einziger Tiirke bereit, eine Fiihrungsaufgabe im Konzem zu iibemehmen. Sie bekommen hier keinen von hier weg."
Die Tiirken scheinen - anders als Herr B. - Vertrautheit noch an Zuhause festzumachen. Hochinteressant ist, in welchen Rahmen die Befragten ihr jeweiliges Bild von personalem Vertrauen stellen. In beiden Fallen ist es das Bild der Familie. Wenn es um das Wichtigste geht, was ein Finanzdirektor haben muss, namlich Vertrauenswtirdigkeit, dann landen sie bei der Kinderstube. Dann greifen sie zuriick auf die elementarste Institution der Gesellschaft. Die Globalisierungsentwurfe der Befragten basieren auf Familiensoziologie. Fast alle Spitzenmanager in alien untersuchten Landem kommen auf das Thema Familie (und Schule) in dem entsprechenden Land zu sprechen. Wenn die in der Tiirkei sagen „Familie", dann heiBt das: die Intemationalisierung geht nicht so voran, weil die Familienbande zu stark sind. Das Gleiche sagen die Spitzenmanager von Pharma Italia auch. Und wenn Herr B. sagt „aus guter Familie", dann meint er aus einer nicht typisch brasilianischen, nicht aus einer „latinohaflen". Alle meinen dasselbe: geeignet fiir das intemationale Management sind Manager, die nicht (mehr) m der landestypischen Familienstruktur zu Hause sind.
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1.3 Wie werden die ubrigen Vorstandspositionen besetzt? Auto AG hat fast alle Leitungsstellen auf der 1. Ebene in den Auslandstochtem mit Deutschen besetzt. In der Tiirkei sind jedoch zwei Tiirken darunter, was vor allem daran liegt, dass hier noch Minderheitsanteile bei ttirkischen Eigentiimem liegen. Von diesen beiden ist der eine der Technische Direktor (Werksleiter) und der andere ist der Entwicklungschef. Bei Pharma do Brazil sind alle Stellen auBer dem bisherigen Finanzdirektor und dem Landeschef mit Brasilianem oder anderen Nicht-Deutschen besetzt. Das Vertrauensrisiko ist bei diesen Positionen geringer, weil es Funktionen sind, die tiberwiegend im operativen Innenbereich liegen und nicht im Berichtswesen, der Ergebnisplanung und der selbststandigen Bewaltigung von extemen Risiken. AuBerdem sind diese Funktionen noch starker in die Kontroll- und Steuerungssysteme des headquarter eingebunden. Trotzdem verlasst man sich auch hier keineswegs ganz auf Systemvertrauen. In der Tiirkei hat man Personen ausgesucht, die zwar Tiirken sind, die aber in Deutschland aufgewachsen sind, Deutsch als zweite Muttersprache sprechen, dort zu Schule gegangen sind, und an einer deutschen Hochschule ihr IngenieurDiplom gemacht haben, Sie sind mindestens so sehr deutsch gepragt wie tiirkisch. Der Entwicklungschef sagt: „Ich habe fast die deutschen Gewohnheiten angenommen und als ich in die Tiirkei kam, konnte ich vieles nicht verstehen, und es kam mir unlogisch vor. Ich habe heute noch Schwierigkeiten in der Turkei. Ich habe mich nicht adaptieren kOnnen."
Von den tiirkischen Fiihrungskraften der 2. Ebene werden sie auch als „die Deutschen" bezeichnet. Diese beiden tiirkischen Spitzenmanager sagen, sie seien froh, dass die anderen Vorstandskollegen deutsche expatriates sind. Sie sehen einer eventuellen Verringerung der Zahl der expatriates mit Sorge entgegen. Die expatriates sind ftir sie die Garanten, dass Auto-Tiirk am Know-how und den Qualitatsstandards von Auto AG partizipiert. Ihr wichtigstes Anliegen ist, dass Auto-Tiirk bei den Kunden als ein deutsches Untemehmen angesehen wird mit einem deutschen Qualitatsprodukt. „Man muss ihnen [den Kunden] auch sagen: in der Tiirkei haben wir unsere Deutschen [expatriates], und die achten auf die Qualitat. Deswegen, das ist Auto-Tiirk, aber Auto-Tiirk ist Auto AG, und es kommen die echten deutschen Teile wie Motor und Getriebe komplett aus Deutschland."
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Die Prasenz der expatriates soil bei den Kunden Systemvertrauen in die Marke hervorrufen. Frei nach dem Etikett: Intel inside. Wie steht es um das Vertrauen zwischen den Deutschen und Tiirken innerhalb des Vorstandes? Obwohl die beiden ttirkischen Manager ,wie' Deutsche sind, ist die Zusammenarbeit im Vorstand doch nicht ganz ungetriibt. Der Finanzdirektor sagt: „Ich kann meinen deutschen Vorstandskollegen irgendwie anders etwas iiber den Tisch hauen als Herm Or und Herm Gur. Man muss es halt in einer anderen Art verpacken. Die ttirkischen Kollegen kommen nicht so straight forward xmX etwas auf Sie zu. (...) Man muss erst mal versuchen, erst mal drei Ecken hintenrum zu kommen und erst mal zu sagen: ja, prima, aber dann habe ich noch das (...). Es hat auch mal richtigen handfesten Krach gegeben. Man muss es lemen. Man muss sich darauf einstellen. Und das Schlimme ist dann auch: der tiirkische Kollege, den Sie jetzt meinetwegen unbewusst verletzt haben, sagt Dinen das dann aber auch nicht. Er zieht sich zunick und ist tddlich beleidigt."
Gemeint ist hier der tUrkische Werksleiter. Der ist selber zuerst voll des Lobes iiber die deutschen Kollegen. Eine „unwahrscheinliche Belebung", „Leute mit Ideen und anderen Erfahrungen", „ordentliche Personlichkeiten". Dann aber wird er kritischer: „am Anfang hat man immer (!) Krach teilweise miteinander, bis man einander besser versteht. Ich mOchte niemals, wenn Sie mich fragen, ein reines tiirkisches Management, niemals, ware ich sehr energisch dagegen, wenn das so werden sollte. Und das ist auch das Gute an dem, dass die deutschen Kollegen sich abwechseln, die gehen freiwillig, die machen das selbst."
Er will zwar nicht auf sie verzichten, scheint aber ganz froh zu sein, wenn sie wieder gehen. Und auf die Frage, was er meint, wie die deutschen Kollegen ihn erleben, antwortet er: „Miissen Sie die fragen, das wiirde mich interessieren, aber die erzahlen einem ja nichts." Bis in die Formulierung hinein werfen beide Seiten der anderen Verschlossenheit vor. Trotz denkbar giinstiger Voraussetzungen fur eine Internationale Kooperation im Vorstand gibt es also gewisse Vertrauensvorbehalte auf kollegialer Ebene. Beide fuhren das auf kulturelle Unterschiede zuriick. Die Deutschen halten die ttirkischen Kollegen fur „Mimosen", die beiden Tiirken die deutschen Kollegen fur „manchmal knallhart". Einer der tiirkischen Kollegen sagt erklarend: „Wenn Sie noch so deutsch erzogen sind, das kann nie hundertprozentig deutsch sein. Denken Sie an die turkischen Gastarbeiterkinder. Manche sind wirklich deutsch erzogen, aber sie haben wieder etwas Fremdes da drinnen. Aber ein Hollander oder ein Franzose, der hat die westeuropaische Kultur. Deshalb ist die Verstandigung mit denen vielleicht etwas einfacher."
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Die viel starkere Intemationalisierung des oberen Managements bei Pharma AG hangt mit einer viel starkeren Begrenzung und Beherrschung des Risikos durch ,SySterne' zusammen. Pharma AG baut auf Systemvertrauen auch auf der oberen Ebene. Dadurch wird personales Vertrauen keineswegs ausgeblendet oder peripher. Aber die Gewichtung ist eine andere. Dies hangt damit zusammen, dass Pharma AG eine globale Marketingstrategie verfolgt, nach der auch die Produktionsplanung ausgerichtet wird. Der Konzem will seine Hauptprodukte die Geldbringer (Blockbuster) - in alien Landem identisch vermarkten. Das bedeutet, dass die Verkaufer keine landestypischen Produkte mehr verkaufen diirfen und nur noch die Arzte mit kaufkraftigen Patienten aufsuchen sollen. Das erfordert eine intensive analytische und strategische Vorarbeit, die in der Zentrale in Lauterbach entwickelt und organisatorisch umgesetzt wird. Es ist eine Systematisierung und Gleichschaltung der Aktivitaten, die auch eine Systematisierung und Gleichschaltung der Tatigkeit des oberen Managements in den Auslandsgesellschaften ist. Betrachten wir das aus dem Blickwinkel des Geschaftsbereichsleiters Pharma in Brasilien, also des nach dem Landerchef wichtigsten Managers vor Ort. Seine Hauptkontaktadresse in der Zentrale ist der Chef des Landerbereichs (jbersee. Dem hat er monatlich einen schriftlichen Bericht abzuliefem. Viel wichtiger ist, dass er fast taglich mit ihm in telefonischem Kontakt steht. Drei Mai im Jahr fliegt Herr Antunes nach Lauterbach zum Rapport, drei Mai im Jahr kommt der Landerbereichschef zu ihm nach Brasilien. Auf dieser Ebene werden die strategisch wichtigen Dinge erledigt. „Zum Beispiel, wenn ich meine Zielvereinbarung andem mOchte, weil der Umsatz in Brasilien nicht so gut ist. Manchmal ist der Herr X. eine harte Herausforderung. Ich sage: Herr X, sehen Sie, 6% Marktanteil bekomme ich in Brasilien nicht hin. Dann sagt er: Herr Antunes, tut mir leid, das miissen Sie hinkriegen, das schaffen Sie. Manchmal sagt er o.k., und gibt ein bisschen nach, und ich bekomme ein bisschen weniger Umsatzziel."
Noch viel enger sind die Faden, mit denen Herr Antunes im operativen Alltag mit Lauterbach verbunden ist. Der Landerbereichsleiter hat einen Mitarbeiter, der fiir das Controlling und gleichzeitig die Betreuung des Businessmanagements der Lander Brasilien, Mexiko und Argentinien zustandig ist. Und der wiederum hat einen „Helfer", der fiir die Tagesarbeit nur in Brasilien da ist. „Def arbeitet mit uns jeden Punkt durch. Haben wir ein Logistikproblem, ist er unser Ansprechpartner. Haben wir ein Problem mit den Zielen, Umsatz lauft nicht, dann machen wir das zunachst einmal direkt mit ihm. Er ist wirklich eine gute Hilfe. Er ist so was wie die Servicestation Support."
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Diese beiden Herren aus der Zentrale sind sehr haufig in Brasilien. Ihr Job ist Steuerung, Controlling und Untersttitzung in einem. Durch sie ist Lauterbach im Alltagsgeschaft in Brasilien taglich prasent. Es ist so, als ware kein Ozean dazwischen. Mit diesen beiden Adressaten hat aber nicht nur Herr Antunes als Leiter zu tun, sondem auch seine Mitarbeiter. „Die Verbindung ist enger geworden. Auch meine Leute fiihlen sich frei, ein Telefon in die Hand zu nehmen und mit Lauterbach zu sprechen. Ohne meine Intervention. Vor ein paar Jahren war das noch nicht der Fall. Da gab es ein bisschen Angst vor Lauterbach. Damals fiihlten sich diese Leute als Chefs und probierten aus, ob sie einen Fehler nachweisen konnten: das war falsch und das war falsch. Und heute ist es eine Zusammenarbeit, ein Verstandnis. Heute ftihlen wir eine konstante Verbindung. Wir bekommen mehr Aufmerksamkeit von Lauterbach, nicht nur in Richtung Controlling, sondem auch in Richtung: was brauchen Sie? Was konnen wir verbessem? Heute fuhlen wir einen positiven Druck, und der ist kontinuierlich."
Femer, wenn es in Brasilien Pannen gibt, kommt sofort eine schnelle Eingreiftruppe aus Lauterbach angereist. Dariiber hinaus kommt mindestens einmal im Jahr der oberste Konzemboss nach Brasilien und halt fiir zwei bis drei Tage Hof. Eine Managerin der zweiten Ebene, die fiir den Export nach Argentinien zustandig ist, bringt das Risikomanagement von Pharma AG sehr gut auf den Punkt. Das Auffallendste ist fiir sie das rationale, analytische und systematische Vorgehen. „Bei Pharma AG wird alles gut analysiert und studiert. Es wird alles exakt defmiert. Wir k5nnen nicht einfach machen, was wir wollen. Wir kOnnen nicht sagen, ab heute exportieren wir nach Peru, obwohl wir die Kapazitat haben. Das mtissen wir zuerst mit Lauterbach besprechen Und die sagen: fiir den einen Markt dtlrft ihr das machen, fiir den aber nicht. Nach Bolivien z.B. diirfen wir nicht exportieren. Da steckt wirklich sehr viel Arbeit dahinter, das ist sehr gut durchdacht. Die haben eine Ansicht von alien Tochtergesellschaften, und die machen andauernd Systeme, die wir umsetzen miissen. Die denken sich aus, was andere Leute bei Pharma AG machen miissen.''
Aber man darf sich nicht tauschen. Dieses Einverstandnis mit dem System ist ein oberflachliches. Etwas spater heiBt es: „Manchmal richten sie Systeme ein, nur um uns eine einzige Frage zu stellen. Wir tauschen nicht sehr viel Informationen aus. Sie machen ein System ohne uns zu fragen. Deswegen hatten wir sehr viele Probleme damit gehabt Es ware besser, Ideen auszutauschen. Das ist ein Problem der Muttergesellschaft, einfach ein System einrichten ohne uns zu fragen: ab dem Termin musst ihr. Ja, das ist so von oben. Viele kommen so von Lauterbach."
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In Pharma AG haben wir ein gutes Beispiel fur eine forcierte Globalisierung im Sinne von einheitlichem Produkt, einheitlichem Marketing und vemetzter Produktion. Der Konzem versucht mit hohem Aufwand sein Management in den Auslandsgesellschaften zu „systematisieren". Systembildung ist der richtige Begriff. Das Risiko ist nicht mehr drauBen im Busch, sondem es ist in Lauterbach. Es besteht darin, dass die Vordenker ein falsches System kreieren und daneben greifen. Es besteht nicht darin, dass die Manager vor Ort daneben greifen. Bei ihnen liegt das Risiko nur darin, dass sie die Zielvereinbarungen nicht einhalten. Der Agent vor Ort hat sich nicht nach dem Wetter vor der Tiire zu richten, sondem nach der Wetterkarte, die Lauterbach ihm vorgibt. Ftir solche System-Jobs stellen nicht-deutsche Manager kein so groBes Risiko mehr dar. Das Vertrauen steckt im System.
2.
Vertrauen in die mittlere und untere Ebene
Bisher ging es um Vertrauen des Konzems in einige wenige herausgehobene Individuen im Ausland. Jetzt geht es um die 2. und 3. Fiihrungs- und Expertenebene, um die hochqualifizierten Angestellten. Zu ihnen hat die Zentrale keinen primar personalen Bezug. Hier geht es um das konzern-konforme Verhalten einer Personen-Kategorie, um Qualifikation, Leistungsorientierung, Arbeitsverhalten und Arbeitsstil. Das ist zunachst eine standort-inteme Aufgabe, wie sich die 1. Ebene eine effektive Mannschaft rekrutiert und heranbildet. Aber das wird in der Zentrale in Deutschland in den Umrissen beobachtet und mitgesteuert. Im Zuge veranderter Ftihrungskonzepte (,Intrapreneurship') wird vermehrt Wert gelegt auf Selbstaktivierung, Eigeninitiative, untemehmerisches Mit-Denken. Auch hier sind aktuell groBe Veranderungen zu beobachten. In alien untersuchten Konzemen gibt es neue Systeme der Ftihrungskrafteentwicklung. Die Wirkung besteht zumindest darin, dass die vor Ort entdeckten Kandidaten in der Zentrale EDV-mSBig registriert werden. In diesem Feld gibt es in den untersuchten Konzernstandorten in der Ttirkei und Brasilien (aber auch an anderen Orten auBerhalb Westeuropas und Amerikas) Probleme und Klagen, und zwar iiberall dieselben. Beklagt wird, dass die Landeskultur nicht Selbststandigkeit und Eigeninitiative fordert, sondem „tiberholtes" hierarchisches Denken und Obrigkeitsglaubigkeit. Bei Pharma do Brazil, Pharma Italia und bei Auto-TUrk hat der Vorstand zu rigorosen Mitteln gegriffen, um dem Problem Herr zu werden: es wurden flachendeckend ganze Stel-
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lenbereiche auf der mittleren Fiihrungsebene ausgewechselt, und zwar nach deutschem Muster liber Abfindungen bzw. Sozialplan. Nehmen wir das Beispiel Tiirkei. Alle Vorstandsmitglieder - auch die beiden Tiirken - sprechen sehr ausfuhrlich dieses Problem an. Vor einigen Jahren hat man alle „alteren" Abteilungsleiter nach Hause geschickt und durch jiingere ersetzt. Diese Jiingeren kommen von einer deutschen Schule in der Tiirkei und sprechen deutsch. „Die haben wir durch unsere guten Beziehungen bekommen von einer sehr guten Schule, der deutschen Schule in I. Und auf der Schule gibt es eine Rangordnung, und die Besten haben wir uns geholt. Die haben wir ausgebildet, haben sie fiir einige Zeit nach Deutschland geschickt. Die werden hier demnachst Abteilungsleiter, Hauptabteilungsleiter." (Werksleiter).
Aber diese sorgfaltige Rekrutierung reicht allein nicht aus, um Erfolg zu haben. Der deutsche Controllingchef bei Auto-Tiirk klagt: „Das hierarchische Denken ist noch tief dadrin. Aber wenn sie selbststandig was bearbeiten sollen, dann mussen sie so erwachsen sein zu sagen: jetzt habe ich Probleme, jetzt gehe ich selbststandig zu einer anderen Abteilung und frage nach. In Westeuropa und Amerika ist das kein Thema, wahrend wir hier immer sagen miissen: klappt alles? Und wenn es nicht klappt: sagt mir nochmals Bescheid, dann rufe ich dort drilben an. Es ist schwierig den Leuten beizubringen: du kannst widersprechen, du kannst Vorschlage machen, du kannst mich uberzeugen, dass wir es anders machen. Aber abends geht er nach Hause in die Familie, wo der GroBvater sagt: jetzt geht alles links herum. Das ist eine tagliche ZerreiBprobe. Das unterschatzen wir Westeuropaer."
Der deutsche Landeschef sagt: „Wenn Sie einen Tiirken beurteilen sollen nach dem Kriterium ,Freiheit des Denkens' - wie beurteilen wir das? In dieser Kultur ist es nicht erwtinscht, frei zu denken."
Und Herr F., der deutsche Finanzchef, stoBt in dasselbe Horn: „Der tiirkische Mitarbeiter hat ein Obrigkeitsdenken. Er wartet, bis er von mir eine Aufgabe kriegt. Wenn er was nicht verstanden hat, fragt er nicht nach: wie haben Sie das gemeint? Er hockt dann da und wartet, was denn jetzt passieren wird. Und wenn Sie nach einer Woche fragen: wie weit sind Sie denn? Dann stellen Sie fest, er hat nichts gemacht. Und dann konnen Sie fuchsteufelswild werden."
Ganz ahnlich verhalt es sich bei Pharma do Brazil. Der Marketingchef z.B. klagt:
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„Kommen die Leute oft und wollen von mir eine LOsung haben. Ich sage: Entschuldigung, ich habe keine LOsung - im Gegenteil.: Suchen Sie die LOsung."
Es besteht wenig Vertrauen in die Landeskultur, was die Qualifizierung fur die mittlere Managementebene angeht. Man vertraut hier weitgehend auf deutsche bzw. westliche Schulen im Lande. Anders liegen die Dinge wiederum bei den Arbeitem. Diese Ebene ist flir die Zentrale ein Buch mit sieben Siegeln. Weil man keine Chance sieht, diesen Bereich transparent zu machen und zu kontrollieren, verlasst man sich hier ganz im Unterschied zu alien anderen Ebenen stark auf die fremde Kultur, und zwar positiv. Die Werksleiter und Produktionschefs haben erstaunlich freie Hand im Umgang mit den Arbeitem. Man setzt hier auf das Kulturwissen des Werksleiters. Der turkische Werksleiter von Auto-Ttirk hat als charismatischer Belegschaftsfiihrer einen Nimbus, der bis in die Zentrale in Hofheim reicht. Er ist ein begnadeter Patriarch, der virtues die Mentalitat der turkischen Arbeiter auf die Miihlen von Auto-Tiirk zu lenken weifi. Er sagt selber iiber seine Zauberkiinste: „Vertrauen und Nahe zueinander, darauf kommt es an. Ich kann, wenn wir jetzt darunter gehen [in die Hallen], wenn wir irgendein Thema haben, was wichtig ist flir die Firma, kann ich in kiirzester Zeit, heute, da unten 1.000 Leute mobilisieren und in eine Richtung lenken. Zack. Das ist sehr wichtig fur den Erfolg des Untemehmens. [Interviewer: Wie machen Sie das? Halten Sie eine Rede?] Ich habe hier die Vaterflinktion. Ich Hebe es, auch Freund zu sein. Aber das kann man nur aufrechterhalten, wenn man einiges in die Waagschale wirft, dass man ftir die immer da ist, dass man das nicht ausnutzt. Vertrauen spielt eine sehr, sehr groBe RoUe. Ich habe viel Vertrauen bei meinen Leuten. Schreiben Sie nicht Vormund hin, aber am Ende habe ich gezielt all diese Leute, - wir haben jetzt eine Kultur."
Da redet ihm aus Hofheim freilich niemand hinein. Natlirlich gibt es jede Menge Systeme der Produktionssteuerung aus Deutschland, aber die wendet er freihandig an. Zum Beispiel Gruppenarbeit, das ,A und O' in den deutschen Fabriken von Auto AG: „Das ist alles aufgesetzt. Die kommen aus Hofheim mit Sachen zu uns, die wir seit 30 Jahren nicht anders gemacht haben. Ja, Moment mal, sagen wir, das ist doch das, was wir immer gemacht haben. Ist das neu? Erst habt Ihr es in die Richtung geandert bei uns und jetzt kommt Ihr so. Die wollen sich in Deutschland dahin bewegen, wo wir eh schon immer waren, glauben Sie mir."
Die Vorstandskollegen honorieren zwar die unangefochtene Autoritat des Werksleiters bei den Arbeitem mit Anerkennung. Darunter mischen sich aber auch kritische Tone, vor allem bei den deutschen Kollegen im Vorstand. Herr F. meint:
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„Das Obrigkeitsdenken ist im Bereich von dem Herm A. (Werksleiter) ganz stark ausgepragt. Da wird also keiner wagen, irgendwas zu sagen, was dem Herm A. vielleicht nicht genehm sein kOnnte. Er ist nattirlich jetzt wirklich ein Patriarch wie er im Buche steht. Da gibt's nichts. Er ist der absolute Patriarch. Zu ihm blickt man auf. Er hat diese Autoritat. Er verkOrpert, was er spielt. Auf der anderen Seite ist er der liebevolle Vater, der fur alle seine Kinderlein sorgt. Aber das erstickt dann irgendwo das kreative Mitdenken. Da gibt es viele negative Beispiele."
Der Werksleiter bei Auto do Brazil fahrt im selben Fahrwasser, wenngleich nicht so extrem. Man muss sich im Klaren dariiber sein, dass das Vertrauen des headquarter in die Fuhrungskunst des Werksleiters fiir den Erfolg nicht weniger zahlt als die Vertrauensfrage auf der 1. Ebene. Aber hier gehen die Firmen davon aus, dass landestypische Wege am weitesten fuhren. Die Ziele sind klar vorgegeben. Aber man iiberlasst es weitgehend dem Werksleiter, die kulturelle Karte zu Ziehen. In der Tlirkei ist es die Zuverlassigkeit, Bestandigkeit und Folgebereitschaft. In Brasilien wird immer wieder das Improvisationstalent und die Kreativitat der brasilianischen Arbeiter hervorgehoben. Auf dieser Ebene wird die Landeskultur - zumindest wichtige Aspekte von ihr - positiv fur den Konzem gewendet. Hier wird sie zu einer sprudebiden Quelle fiir Vertrauensbeziehungen. Der virtuose Umgang mit der Landeskultur ist in der Fabrikhalle Risikomanagement.
3.
Fazit
Meine These ist, dass der Aufbau von Systemvertrauen an der Globalisierungsfront Zentimeterarbeit ist. Die Konzeme schieben die Linie der Sicherheit vorsichtig tastend, sich nach alien Seiten absichemd, bei Wetterumbruch jederzeit zum Rtickzug ins Basislager bereit, langsam voran. Es ist eine abwartendhinhaltende flexible Landnahme in einem Dschungel der Gefahren, die eher einer Springprozession gleicht als dem Bild, das manche Globalisierungstheoretiker davon gezeichnet haben. Sie zeigen den Helden in der Siegerpose, entschlossen, sicher, und nur nach vome gerichtet, kurz: eine Fortschrittswalze unter Volldampf. Von Innen betrachtet sieht der Prozess jedoch anders aus: da ist viel Zweifel und Zogem, Fehlschlag und Ruckzug. Meine zweite These ist: Es wird auch im giinstigsten Falle kein Monopol des Systemvertrauens geben konnen. Auch Systemvertrauen hat seine Wurzeln in personalem Vertrauen. Die Quelle von Vertrauen ist Vertrautheit: lebensweltliches Mit-Sein, personliche Nahe, emotionale Beriihrung, ,Netzwerke'. Auch wenn es gelingt, Systemver-
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trauen aufzubauen, wird es zwischen ihm und dem personalen Vertauen ein Hin und ein Her geben. Das Systemvertrauen wird - an irgendeiner Stelle - am Netz personalen Vertrauens hangen. Insofem ist das Problem der Risikobegrenzung nie abschlieBend erledigt. Die dritte These ist: Die objektiven Spielraume ftir den Aufbau von Systemvertrauen hangen nicht zuletzt von der Geschaftsstrategie eines Untemehmens ab. Wenn das Ziel eine Transnationalisierung der Konzemstruktur ist und somit auslandische Standorte eine grOBere Bedeutung erhalten, dann steigt der Bedarf an personlichem Vertrauen. Dagegen ermoglichen Geschaftstrategien und Markte, die eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Verkaufs- und Herstellungsaktivitaten erleichtem, eine Zentralisierung der Steuerung. Und Kontrolle durch Zentralisierung braucht, da sie das meiste ja selber im Griff hat, vergleichsweise weniger Vertrauen, und das Wenige kann leichter in ein System gegossen werden. Daher ist die Produktion von Systemvertrauen fur McDonalds einfacher und wahrscheinlicher als fur Daimler Chrysler und fiir Siemens.
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Autorinnen und Autoren Florian A. Becker-Ritterspach, Faculty of Management and Organization, Rijksuniversiteit Groningen, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsinteressen: OrganisationssoziologieZ-theorie, komparative Organisationsforschung, Transfer und Hybridisierung organisationaler Formen und Praktiken in multinationalen Untemehmen. Christoph Dorrenbacher, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Internationalisierung und Organisation des Wissenschaftszentrums fur Sozialforschung Berlin (WZB). Forschungsinteressen: Multinationale Untemehmen, Intemationaler Modelltransfer, arbeits- und betriebsbezogene Aspekte des Strukturwandels, Management in Mittelosteuropa. Mike Geppert, Reader in International Management Studies und Direktor des Master Programms in International Management an der School of Business Management am Queen Mary College der University of London, GroBbritannien. Arbeitsgebiete: Organisationstheorie, insbesondere Organisationswandel und Institutionalismus, international vergleichende Managementforschung Johannes Gluckler, Institut fiir Humangeographie, Universitat Frankfurt am Main, Forschungsschwerpunkte: Wirtschaftsgeographie, Organisationstheorie, soziale Netzwerkanalyse, Theorie und Intemationalisierung des Untemehmens. Philipp Hessinger, Privatdozent an der Universitat Magdeburg, derzeit Vertretungsprofessor fiir die Bereiche Wirtschafts- und Organisationssoziologie an der Universitat Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Netzwerkokonomie, Reorganisation des Gesundheitswesens, intemationaler Vergleich von „Govemances". Matthias Klemm, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Soziologie der Universitat Erlangen-Numberg in verschiedenen Forschungsprojekten, u.a. „Kommunikation in multikulturellen Untemehmen", „Die Konstmktion von „Glocal Knowledge" - Die kommunikative Genese von Wissen zwischen Globalitat und Lokalitat am Beispiel eines interkulturellen Untemehmens" und „Bedingungen der Wissensproduktion in der Wissensgesellschaft". Hermann Kotthoff, Technische Universitat Darmstadt. Arbeitsschwerpunkte: Industrielle Beziehungen, Managementsoziologie.
Dirk Matten, Professor in Business Ethics und Direktor des Centre for Research into Sustainability an der School of Management am Royal Holloway College der University of London, GroBbritannien. Arbeitsgebiete: Internationales Management, Untemehmensethik, Umweltmanagement und Corporate Social Responsibility. Ursula Mense-Petermann, wissenschaftliche Assistentin an der Universitat Bielefeld, Fakultat ftir Soziologie. Forschungsschwerpunkte: Wirtschafts- und Organisationssoziologie, Transformation post-sozialistischer Gesellschaften, okonomische Globalisierung, Transnationalisierung von und in Wirtschaftsorganisationen. Michael Popp, 2002 bis 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt: „Glocal Knowledge - Die kommunikative Genese von Wissen zwischen Globalitat und Lokalitat am Beispiel ernes intemationalen Untemehmens" im Institut fiir Soziologie an der Universitat Erlangen-Niirnberg. Seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag. Peggy Schmidt, Project Development Officer in der Strategic Policy Unit der Walisischen Landesregierung in Cardiff, GroBbritannien. Arbeitsgebiete: Europaische Strukturfonds, Entscheidungsprozesse in der EU, Individualisierung, Modemisierung, Globalisierung, Internationales Management, Industrielle Beziehungen und Organisationskultur. Gabriele Wagner, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universitat Bielefeld, Fakultat fur Soziologie; Arbeitsschwerpunkte: Wirtschafts- und Arbeitssoziologie, Transnationalisierung von Untemehmen und Karrieren Hochqualifizierter.