Nachhaltigkeit und Innovation Geschäftsführender Herausgeber: Prof. Dr. Jens Horbach
Reihenherausgeber: Prof. Dr. Eberhard Feess Dr. Jens Hemmelskamp Prof. Dr. Joseph Huber Dr. René Kemp Prof. Dr. Marco Lehmann-Waffenschmidt Prof. Dr. Arthur P.J. Mol Prof. Fred Steward
Nachhaltigkeit und Innovation /Sustainability and Innovation Bisher erschienen: Hans J. Harloff et al. (Hrsg.) Nachhaltiges Wohnen 2002. ISBN 978-3-7908-1508-5 Jens Horbach (Ed.) Indicator Systems for Sustainable Innvoation 2005. ISBN 978-3-7908-1553-5 Regine Barth et al. (Hrsg.) Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung 2005. ISBN 978-3-7908-1570-2 Bernd Hansjürgens Ralf Nordbeck (Hrsg.) Chemikalienregulierung und Innovationen zum nachhaltigen Wirtschaften 2005. ISBN 978-3-7908-1597-9 Bernd Wagner · Stefan Enzler (Eds.) Material Flow Management 2006. ISBN 978-3-7908-1591-7 Lars Koch Melanie Monßen (Hrsg.) Kooperative Umweltpolitik und nachhaltige Innovationen 2006. ISBN 978-3-7908-1660-0 Harald Tauchmann et al. Innovationen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft 2006. ISBN 978-3-7908-1684-6
Andreas Ahrens et al. Hazardous Chemicals in Products and Processes 2006. ISBN 978-3-7908-1642-6 Ulrike Grote · Arnab K. Basu Nancy H. Chau (Eds.) New Frontiers in Environmental and Social Labeling 2007. ISBN 978-3-7908-1755-3 Marco Lehmann-Waffenschmidt (Ed.) Innovations Towards Sustainability 2007. ISBN 978-3-7908-1649-5 Tobias Wittmann Agent-Based Models of Energy Investment Decisious 2008. ISBN 978-3-7908-2003-4 Barbara Praetorius et al. Innovation for Sustainable Electricity Systems 2009. ISBN 978-3-7908-2075-1 Rainer Walz · Joachim Schleich The Economics of Climate Change Policies 2009. ISBN 978-3-7908-2077-5
Martin Schmied · Konrad Götz · Edgar Kreilkamp Matthias Buchert · Thomas Hellwig · Sabine Otten
Traumziel Nachhaltigkeit Innovative Vermarktungskonzepte nachhaltiger Tourismusangebote für den Massenmarkt Unter Mitarbeit von Ulrike Rheinberger Annegret Zimmermann Barbara Birzle-Harder Bente Grimm Claudia Schiese Dr. Kathrin Bürglen Kerstin Wegener
Physica-Verlag Ein Unternehmen von Springer
Martin Schmied Öko-Institut e.V. Bereich Infrastruktur und Unternehmen Novalisstraße 10 10115 Berlin
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Dr. Matthias Buchert Öko-Institut e.V. Bereich Infrastruktur und Unternehmen Rheinstraße 95 64295 Darmstadt
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Dr. Konrad Götz Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH Hamburger Allee 45 60486 Frankfurt am Main
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Thomas Hellwig Energieversorgung Offenbach AG Andréstraße 71 63067 Offenbach
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Prof. Dr. Edgar Kreilkamp Leuphana Universität Lüneburg Fakultät II – Wirtschafts-, Verhaltens- und Rechtswissenschaften Tourismusmanagement Scharnhorststraße 1 21335 Lüneburg
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Sabine Otten Graefestraße 33 10967 Berlin
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Redaktionelle Überarbeitung: Christa Friedl, Wissenschaftsjournalistin, Krefeld
ISBN 978-3-7908-2094-2
e-ISBN 978-3-7908-2095-9
DOI 10.1007/978-3-7908-2095-9 Nachhaltigkeit und Innovation ISSN 1610-1340 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2009 Physica-Verlag Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort
Das Öko-Institut beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit den ökologischen Folgen des Tourismus und mit der Umsetzung von Nachhaltigkeit in touristischen Unternehmen. Meilensteine waren beispielsweise die Studie „Last Minute für den Umweltschutz – Perspektiven für die Zukunft des Reisens“, in der wir erstmals deutlich aufgezeigt haben, welche Auswirkungen die Emissionen des Tourismus insbesondere auf das weltweite Klima haben. Mit der Grundlagenstudie für einen Bericht der Bundesregierung zum „Umweltschutz und Tourismus“ (Bundestagsdrucksache Nr. 14/8951 vom 26.04.2002) haben wir ein umfassendes Bild über alle ökologischen Folgen des Tourismus dargelegt. Darauf aufbauend wurden Handlungsanweisungen an die Politik und die wirtschaftlichen Akteure formuliert, mit denen der Tourismus umweltverträglicher gestaltet werden könnte. Umweltschutz und Tourismus – nicht alle sehen hier Schnittmengen. „Urlauber wollen nichts von Umwelt wissen, Umwelt ist out“, haben uns beispielsweise viele Vertreter der Tourismuswirtschaft entgegengehalten. Die Anbieter, so das Argument, würden mehr für einen nachhaltigen Tourismus tun, wenn die Urlauber das auch nachfragen würden. Doch was wollen Urlauber wirklich? Sind sie wirklich nicht ansprechbar für die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit? Und ist Nachhaltigkeit ein Konzept, das auch im Massenmarkt funktioniert? All diese Fragen waren zu Beginn des Forschungsprojekts „Nachhaltiges Wirtschaften im Tourismus: Innovative Vermarktungskonzepte nachhaltiger Tourismusangebote (INVENT)“ unbeantwortet. Die im vorliegenden Buch vorgestellten Ergebnisse der dreieinhalbjährigen Forschungsarbeit (von 2002 bis 2006) belegen, dass Nachhaltigkeit im Massenmarkt umsetzbar ist. Das erstmals erstellte Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reiseziele“ zeigt sogar, dass zwei Urlaubertypen im Massenmarkt sogar explizit auf Umwelt und Nachhaltigkeit ansprechbar sind. Eine der Zielgruppen ist die der Natur- und Outdoor-Urlauber – eine Trend setzende Gruppe von Konsumenten, deren Bedeutung aktuell unter dem Begriff „LoHaS“ (Lifestyle of Health and Sustainability) wissenschaftlich wie öffentlich diskutiert wird. INVENT war nur möglich, weil die Tourismuswirtschaft sich intensiv an dem Projekt beteiligt hat: Zum einen direkt wie die Praxispartner AMEROPA-REISEN GmbH und Deutsche Bahn AG oder die Kooperationspartner LTU Touristik GmbH, Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte sowie Tourismusverband Rügen, zum anderen indirekt durch die Teilnahme zahlreicher Touristiker an den Workshops und Veranstaltungen während der Projektlaufzeit.
VI
Vorwort
Ich möchte mich daher im Namen aller Autoren insbesondere bedanken bei: Walter Krombach, Martin Katz und Claudia Schiese von AMEROPA-Reisen, Dr. Katrin Bürglen, Kerstin Wegener und Werner Ried von der Deutschen Bahn AG, Andreas Müseler von der LTU Touristik GmbH, Bernd Fischer vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, Angelika Nagel vom Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte und Stefanie Sommer vom Tourismusverband Rügen. Das Projekt wurde durch einen Projektbeirat begleitet. Für die konstruktive Kritik der Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchte ich mich ebenfalls bedanken bei: Dirk Dunkelberg vom Deutschen Tourismusverband (DTV), Imme Müller vom Bundesministerium für Wirtschaft und Soziales, Christiane Otter von der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), Rolf Pfeiffer vom forum anders reisen GmbH, Gertrud Sahler vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Sliwka vom Projektträger des BMBF im DLR, Birgit Weerts vom WWF Deutschland sowie Waldefried H. Zucker-Stenger von der Thomas Cook AG. Neben den genannten Autoren dieses Buches haben viele Mitarbeiter der beteiligten Institute an INVENT mitgewirkt. Sie alle aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Erwähnen möchte ich dennoch Ulrike Rheinberger, Annegret Zimmermann, Sebastian Laacke und Ursula Roenius vom Öko-Institut, Barbara BirzleHarder und Bente Grimm vom Institut für sozial-ökologische Forschung sowie Susanne Brunswig und Jan Wolf Baake von der Leuphana Universität Lüneburg. Darüber hinaus möchte ich mich herzlich bei Christa Friedl, Wissenschaftsjournalistin aus Krefeld, bedanken. Sie hat dank ihrer redaktionellen Überarbeitung die im Wissenschaftlerdeutsch geschriebenen Texte lesbar gemacht und die unterschiedlichen Schreibstile angeglichen. Sie als Leserin und Leser werden von ihrer Arbeit am Deutlichsten profitieren. Last but not least möchte ich mich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung bedanken, das mit seiner finanziellen Förderung die Durchführung des Forschungsvorhabens erst möglich gemacht hat. Martin Schmied Öko-Institut e.V. Gesamt-Projektleiter INVENT
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ............................................................................................................1 1.1 Nachhaltiges Reisen in Zeiten des Massentourismus ..................................1 1.2 Offene Fragen zum nachhaltigen Tourismus ...............................................2 1.3 INVENT – Darstellung in diesem Buch ......................................................4 2 Die Urlaubsreisen der Deutschen ......................................................................5 2.1 Urlaubsreisen heute......................................................................................5 2.2 Künftige Trends ...........................................................................................8 2.3 Auswirkungen des Tourismus....................................................................16 2.3.1 Ökologische Auswirkungen ...............................................................16 2.3.2 Ökonomische Auswirkungen .............................................................18 2.3.3 Soziale Auswirkungen........................................................................21 2.3.4 Zwischenfazit .....................................................................................22 3 Tourismus und Nachhaltigkeit ........................................................................23 3.1 Das Leitbild der Nachhaltigkeit .................................................................23 3.2 Spezifische Leitbilder und Ziele für den Tourismus..................................26 3.3 Vom Leitbild zu den Indikatoren ...............................................................29 3.4 Nachhaltigkeit und Massentourismus ........................................................34 4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus............................................37 4.1 Marketing und Tourismus..........................................................................38 4.1.1 Mit Strategie am Markt ......................................................................38 4.1.2 Marketingphasen im Detail ................................................................40 4.2 Strategien der Reiseveranstalter.................................................................46 4.2.1 Die Branchenstruktur im Veranstaltermarkt.......................................46 4.2.2 Marketingstrategien und deren Auswirkungen...................................51 4.3 Marketing für mehr Nachhaltigkeit............................................................53 4.3.1 Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen.......................................54 4.3.2 Nachhaltiges Marketing .....................................................................54 4.3.3 Die Ökologisierung des Massenmarktes ............................................55 4.3.4 Instrumenten-Mix jenseits der Öko-Nische........................................58 4.4 Schlussfolgerungen....................................................................................59
VIII
Inhaltsverzeichnis
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“....................... 65 5.1 Die Methodik............................................................................................. 65 5.1.1 Qualitative Empirie ............................................................................ 66 5.1.2 Quantitative Empirie .......................................................................... 67 5.1.3 Der Weg zum Zielgruppenmodell...................................................... 68 5.2 Die sieben Zielgruppen.............................................................................. 70 A) Die traditionellen Gewohnheitsurlauber.......................................... 70 B) Die Kinder- und Familienorientierten ............................................. 71 C) Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber.............................................. 72 D) Die jungen Fun- und Action-Urlauber............................................. 73 E) Die unkonventionellen Entdecker ................................................... 73 F) Die anspruchsvollen Kulturreisenden.............................................. 74 G) Die Natur- und Outdoor-Urlauber ................................................... 75 5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen ........................................... 76 5.3.1 Längerer Urlaub ................................................................................. 77 5.3.2 Kurzurlaub.......................................................................................... 87 5.3.3 Akzeptanz neuer Reisebausteine ........................................................ 88 5.3.4 Destination Deutschland .................................................................... 94 5.4 Verkehrsmittelwahl im Urlaub .................................................................. 95 5.5 Schlussfolgerungen für Marketingstrategien ........................................... 103 6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt .......................... 105 6.1 Grundsatzstrategien für mehr Nachhaltigkeit .......................................... 105 6.2 Mecklenburg-Vorpommern – die Strategie ............................................. 109 6.3 Norditalien – die Strategie ....................................................................... 114 6.4 Türkei – die Strategie............................................................................... 119 6.5 Dominikanische Republik – die Strategie................................................ 124 6.6 Mit Strategie zu besseren Reisen – ein Zwischenfazit............................. 132 7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote............................. 135 7.1 Das Produkt ............................................................................................. 136 7.2 Der Preis .................................................................................................. 141 7.3 Der Vertrieb............................................................................................. 145 7.4 Die Kommunikation ................................................................................ 147 7.5 Zwischenfazit........................................................................................... 150 8 Ergebnisse und Ausblick................................................................................ 153 Literatur............................................................................................................. 161
1 Einleitung
1.1 Nachhaltiges Reisen in Zeiten des Massentourismus Der Tourismus zählt weltweit zu den wichtigen Wachstumsbranchen mit einer großen ökonomischen Bedeutung für viele Zielregionen rund um die Welt. Urlaub und Reisen sind ein fester Bestandteil im Leben von vielen Millionen Menschen. Die Entwicklungen im Massentourismus machen es möglich, dass Menschen nahezu alle Kontinente der Welt bereisen können – und das fast unabhängig von ihrem finanziellen oder sozialen Status. Die United Nations World Tourism Organization (UNWTO) erwartet, dass die Zahl der Auslandsreisen im Jahr 2010 doppelt so hoch liegen wird wie 1995. Allerdings hat der stark wachsende Tourismus auch negative Seiten. Wenn Massen reisen, sind ökonomische und soziale Auswirkungen unvermeidbar. Dazu gehören ein Verlust der soziokulturellen Identität der Zielländer, ökologische Belastungen durch Ressourcen- und Flächenverbrauch, die Emission von Treibhausgasen und eine Beeinträchtigung der Artenvielfalt. Da Gastfreundschaft und eine intakte Umwelt essentielle Voraussetzungen für eine langfristig ökonomisch erfolgreiche Entwicklung des Tourismus sind, liegt es im Interesse der wirtschaftlichen Akteure, nachhaltig zu handeln. Eine zentrale Rolle spielen dabei Reiseveranstalter und touristische Leistungsträger wie Verkehrsunternehmen, Hotels, Gaststätten und Anbieter von urlaubsbezogenen Dienstleistungen. Sie können mit innovativen und neuen Angeboten für den Pauschal- und Massentourismus die nachhaltige Entwicklung des Reisemarktes maßgeblich beeinflussen. Zwar existieren bereits heute Reiseangebote, die Umwelt, Naturschutz und Nachhaltigkeit im Fokus haben. Jedoch handelt es sich vorwiegend um Nischenangebote für ökologisch und sozial besonders engagierte und interessierte Konsumenten. Nach Angaben der UNWTO beträgt der Anteil dieser Urlaubsform weniger als ein Prozent am gesamten deutschen Reisemarkt (UNWTO 2001). Um dieses Marktsegment zu verdoppeln, müssten ein bis zwei Millionen Urlauber neu hinzugewonnen werden. Zum Vergleich: Allein in die Türkei reisen pro Jahr fast vier Millionen Touristen aus Deutschland. Nachhaltiges Reisen ist daher weit mehr als eine Erweiterung der Öko-Nische. Ein erfolgversprechenderer Ansatz ist es, die Reiseangebote konventioneller Anbieter im Massenmarkt umwelt- und sozialverträglicher zu gestalten. Da diese Angebote für den Volumenmarkt stets eine große Zahl von Urlaubern erreichen, können auch kleine Verbesserungen bereits einen spürbaren Beitrag zur nachhaltigeren Gestaltung des gesamten Reisemarktes liefern. Diese von Villiger et al.
2
1 Einleitung
(2000) als „Upgrading Conventionals“ bezeichnete Strategie stand im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens „Nachhaltiges Wirtschaften im Tourismus: Innovative Vermarktungskonzepte nachhaltiger Tourismusangebote (INVENT)“, dessen Ergebnisse in diesem Buch vorgestellt werden. Prinzipiell gilt: Reiseangebote haben am Markt nur dann Erfolg, wenn sie die Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse von Urlaubern optimal erfüllen. Konventionelle Reiseanbieter richten daher ihr Angebot letztlich an der Nachfrage der Reisenden und an allgemeinen Trends im Markt aus. Eine der wesentlichen Fragen des Forschungsvorhabens war es daher, ob, in welcher Form und zu welchem Preis einer breiten Masse der Reisenden nachhaltige Urlaubsangebote verkauft werden können. Erst die differenzierte Kenntnis der Reisemotive und -wünsche erlaubt es, passende Angebote zu entwickeln und touristische Unternehmen dazu zu gewinnen, das Leitbild der Nachhaltigkeit bei der Gestaltung ihrer Reisen zu berücksichtigen.
1.2 Offene Fragen zum nachhaltigen Tourismus Obwohl die Themen Nachhaltigkeit, Umwelt und Tourismus bereits im Fokus verschiedener Akteure der Tourismuswirtschaft stehen, fand das Leitbild der Nachhaltigkeit bei der Gestaltung von Angeboten für den Massenmarkt bisher kaum Berücksichtigung. Derzeit verfolgen nur einige Nischenanbieter konsequent eine nachhaltigkeitsorientierte Angebotspolitik (z. B.: Studiosus, forum anders reisen) (Studiosus 2005; Otten 2003). Große Reiseveranstalter adressieren in ihren Bemühungen um nachhaltigen Tourismus hingegen meist nur einzelne Aspekte des Reisens (z. B. die An- und Abreise oder die Unterkunft) (TUI 2007; Perincioli 2006; ITS et al. 2005; TOI 2003a). Eine nachhaltige Ausrichtung der gesamten Reise wurde bisher nur selten auf ihre Machbarkeit hin überprüft (Schmied et al. 2002; Kuijer 1996). Für eine am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientierte Gestaltung zielgruppenspezifischer Reiseangebote für den Massenmarkt gibt es bisher keine umfassenden Forschungsarbeiten. Forschungsbedarf besteht in folgenden Feldern:
• Bewertungsansatz zum Vergleich touristischer Aktivitäten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten: Zwar wurden bereits Ansätze entwickelt, die die vergleichende Bewertung von touristischen Angeboten bzw. Aktivitäten zum Ziel haben; allerdings konzentrieren sich diese Arbeiten ausschließlich auf ausgewählte ökologische Aspekte und kommen in der Praxis kaum zum Tragen (z. B. Peeters 2007; Schmied u. Buchert 2007; Schmied et al. 2002; Busch u. Luberichs 2001; Frings et al. 1997; BTE et al. 1997). Die Integration von ökonomischen, soziokulturellen und ethischen Aspekten in die Bewertung touristischer Angebote fehlt weitgehend. In den bisherigen wissenschaftlichen und politischen Diskussionen sind hierzu erste Ansätze zu Konzepten erarbeitet worden, die zur Weiterentwicklung geeignet erscheinen (z. B. TAB 1999 sowie aktuell KATE 2006).
1.2 Offene Fragen zum nachhaltigen Tourismus
3
• Konsum- und Verhaltensmuster der Reisenden bei der Gestaltung touristischer Angebote unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten: Zwar gibt es Arbeiten zum Reiseverhalten (z. B.: Reiseanalyse, Mobility, Reisemonitor) und Versuche, Konsum- und Lebensstiltypologien zu erstellen (z. B. Kösterke u. Lassberg 2005; Romeiß-Stracke 1989). Auch liegen zum Umweltbewusstsein, zum Verbraucherverhalten und zum ökologischen bzw. nachhaltigen Konsum Untersuchungen vor (z. B. Eberle et al. 2004; Scherborn u. Weber 2002; Schrader u. Hansen 2001). Allerdings gibt es über das ökologische Verhalten im Bedürfnisfeld Tourismus kaum Arbeiten (Kösterke u. Lassberg 2005; Schemel et al. 2001; Krippendorf et al. 1987; Lassberg 1997). Auch bei der Untersuchung nachhaltiger Konsummuster und Lebensstile spielte der Tourismus bisher nur eine kleine Rolle (Nusser 2007; Schultz u. Weller 1996). Für den Freizeitverkehr wurden bereits mit Hilfe von Lebensstilmodellen zielgruppenspezifische Konzepte zur Minderung der Umweltbelastungen erarbeitet (Götz et al. 2003). • Integration des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung in die strategische Marketingplanung touristischer Unternehmen: Die heutigen Planungen der großen Veranstalter basieren weitgehend auf einer massenmarktorientierten Strategie. Entsprechend findet Wettbewerb fast ausschließlich über den Preis statt, Nachhaltigkeit und Umwelt finden kaum Platz (Hellwig 2003; Otten 2003; Curtin u. Busby 1999; Hopfenbeck u. Zimmer 1993). Zudem verhindern die mangelnden Kenntnisse über differenzierte Bedürfnisstrukturen der Reisenden die Entwicklung von nachhaltigen Angeboten im Massenmarkt (Kirstges 2003). Theoretische Ansätze zum Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen (z .B. Schaltegger et al. 2002; Schaltegger u. Dyllick 2002; Schneidewind et al. 1997) oder zur ökologischen Produktentwicklung (z. B. Ebinger 2005) haben bisher kein Eingang im Tourismus gefunden. • Kooperationsmodelle und Akteurskooperationen für nachhaltigere und innovative Tourismusangebote: Die Bedeutung von Akteurskooperationen für die Implementierung von Maßnahmen wurde in ausgewählten Bereichen des Tourismus untersucht (z. B. für Verkehrslenkende Maßnahmen in Ferienorten siehe PTV 2005 oder FIF u. Metron 1999). Zudem werden seit einigen Jahren eine Vielzahl von Kooperationen zwischen touristischen Leistungsträgern und regionalen Tourismusverbänden praktiziert, um vor allem das DeutschlandMarketing zu stärken (DB AG 2005). Die Potenziale, aber auch die Hemmnisse derartiger Kooperationen für eine nachhaltige Gestaltung von Tourismusangeboten sind hingegen bisher nur unzureichend untersucht. Im Rahmen von INVENT wurden diese offenen Forschungsfelder detailliert untersucht. Dabei wurden insbesondere in folgenden Bereichen neue Forschungserkenntnisse erzielt: -
Nachhaltigkeitsorientierte, zielgruppenspezifische Angebotspolitik; Nachhaltigkeitsorientierte Konsum- und Verhaltensforschung im Tourismus; Nachhaltige strategische Marketingplanung für touristische Unternehmen; Potenziale von Akteurskooperationen für einen nachhaltigen Tourismus.
4
1 Einleitung
1.3 INVENT – Darstellung in diesem Buch Wie sehen Marketingstrategien und Angebote für Reisen aus, die einen ökologischeren und sozialverträglicheren Tourismus im Massenmarkt möglich machen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens „Nachhaltiges Wirtschaften im Tourismus: Innovative Vermarktungskonzepte nachhaltiger Tourismusangebote (INVENT)“. Das Vorhaben wurde vom Öko-Institut e.V., dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH, dem Bereich Tourismusmanagement der Leuphana Universität Lüneburg und den Praxispartnern AMEROPA-REISEN GmbH und der Deutschen Bahn AG durchgeführt. Die Partner im Vorhaben untersuchten dabei, wie bestehende Angebote durch Optimierung nachhaltiger werden und unter welchen Bedingungen herkömmliche Urlaubsreisen durch nachhaltigere Angebote substituiert werden können. Im Fokus der Nachhaltigkeit stand dabei nicht nur der Aufenthalt in der touristischen Destination, sondern die gesamte Urlaubsreise – von der Anreise über den Aufenthalt (Unterbringung und Urlaubsaktivitäten eingeschlossen) bis zur Rückreise. Schwerpunkt der Forschungsarbeiten war eine detaillierte Analyse der Erwartungen und Bedürfnisse von Urlaubern im Massenmarkt. Dazu wurde im November und Dezember 2003 eine repräsentative Befragung von über 2000 Personen durchgeführt. Darauf aufbauend entwickelten die Projektpartner Marketingstrategien, die für die vier Destinationen Mecklenburg-Vorpommern, Norditalien, Türkei und Dominikanische Republik konkretisiert wurden. AMEROPA-REISEN GmbH, die Deutsche Bahn AG und LTU Touristik AG haben diese Strategien auf ihre Praxistauglichkeit getestet und einige zielgruppenspezifische Reiseangebote und Vermarktungsstrategien entwickelt. In den folgenden Kapiteln werden die wesentlichen Ergebnisse des Forschungsvorhabens dargestellt. Dabei werden sowohl die erarbeiteten theoretischen Grundlagen als auch die praktisch erzielten Ergebnisse vorgestellt. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt nach inhaltlichen Gesichtspunkten und weicht daher von Projektaufbau und vom Ablauf der Projektphasen ab. Zu Beginn wird ein Überblick zum deutschen Urlaubsreisemarkt und dessen ökologischen, ökonomischen sowie sozialen Auswirkungen gegeben (siehe Kapitel 2). In Kapitel 3 wird das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung für den Tourismus konkretisiert. Es werden Kriterien für nachhaltigen Massentourismus abgeleitet. Kapitel 4 zeigt auf, wie Nachhaltigkeitsziele in das strategische Marketing von touristischen Unternehmen integriert werden können. Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die Bedürfnisse und Wünsche der verschiedenen Urlaubergruppen genau bekannt sind. Diese wurden im Rahmen eigener empirischer Untersuchungen untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen und das entwickelte Zielgruppenmodell werden in Kapitel 5 vorgestellt. Auf Basis des Zielgruppenmodells konnten schließlich nachhaltige Marketingstrategien entwickelt und für vier Destinationen des Massenmarktes konkretisiert werden (siehe Kapitel 6). Kapitel 7 beschäftigt sich mit der Entwicklung und Vermarktung zielgruppenspezifischer nachhaltiger Angebote. Ein Resümee findet sich in Kapitel 8.
2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
Die Deutschen gelten als Reise-Weltmeister: Sie reisen meist häufiger im Jahr in den Urlaub, sie reisen weit und auch in weniger bekannte Destinationen, sie geben im Urlaub mehr Geld aus als im Alltag und viele gönnen sich in den Ferien den Luxus, auf den sie sonst verzichten. Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Reisen von Urlaubern aus Deutschland im Jahr 2006, es zeigt mögliche Trends im Reisemarkt auf und beschreibt ökologische, ökonomische und soziale Auswirkungen des Tourismus. Im Mittelpunkt stehen Urlaubsreisen mit mindestens vier Übernachtungen. Kurzurlaubsreisen werden am Rande betrachtet. Verwandtenbesuche und Geschäftsreisen bleiben unberücksichtigt.
2.1 Urlaubsreisen heute1 Im Jahr 2006 haben Urlauber aus Deutschland 64,4 Mio. Millionen Urlaubsreisen mit mindestens vier Übernachtungen unternommen. Rund 32 % der Urlaubsreisen, nämlich 20,7 Millionen, fanden innerhalb Deutschlands statt (siehe Tabelle 2.1). Unter den ausländischen Zielgebieten stand der Mittelmeer-Raum (ca. 54 % der Auslandsreisen) auf Rang 1, gefolgt von den übrigen europäischen Ländern und dem Alpen-Raum. Hier spiegelt sich wieder, dass viele Urlauber Sonne, Strand und Meer in ihren Ferien suchen. Auf Fernreisen, also auf Reisen in Gebiete außerhalb Europas und Nordafrikas, entfielen 10 % aller Auslandsreisen bzw. rund 7 % aller Urlaubsreisen (F.U.R 2007; Schmied u. Buchert 2007). Die durchschnittliche Reisedauer lag bei Deutschlandreisen im Jahr 2006 bei 10,6 Tagen, bei Auslandsreisen bei 13,7 Tagen (siehe Tabelle 2.1). Mit zunehmender Reisestrecke steigt die Reisedauer. Bei Urlaubsreisen in den Mittelmeerraum liegt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei 14,0 Tagen, bei Fernreisen bei 19,1. Dieser Unterschied ist plausibel: Wer eine Fernreise unternimmt, verreist in der Regel zwei bis drei Wochen, da nur dann die lange An- und Abreise und die relativ hohen Kosten in einem angemessenen Verhältnis zur Reisedauer stehen (F.U.R 2007; Schmied u. Buchert 2007). Insgesamt errechnen sich für 2006 rund 755 Millionen Übernachtungen durch Urlauber aus Deutschland, 26 % davon im Inland, 74 % im Ausland (siehe Tabelle 1
Die Ergebnisse des folgenden Kapitels basieren im Wesentlichen auf Ergebnissen der Reiseanalyse. Die Reiseanalyse ist eine bevölkerungsrepräsentative Befragung zum Urlaubs- und Reiseverhaltens der Deutschen und ihrer Urlaubsmotive und -interessen. Träger der Untersuchung ist die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (F.U.R).
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
2.1). Von allen Übernachtungen entfiel etwa die Hälfte auf Hotels und Gasthöfe, 22 % auf Ferienwohnungen und –häuser sowie Apartmentanlagen. Pensionen und Privatzimmer kamen lediglich auf 7 %. Lag der Hotelanteil in Deutschland bei rund 30 %, wurden im Mittelmeer-Raum und bei Fernreisen höhere Werte von 74 % bzw. 71 % erreicht, da Pauschalreisen die Hotelübernachtung bereits enthalten (F.U.R 2007; Schmied u. Buchert 2007). Tabelle 2.1 Zusammenstellung wichtiger Kenngrößen zu Urlaubsreisen der Deutschen 2006 (Reisen ab 4 Übernachtungen) (F.U.R 2007 zitiert in Schmied u. Buchert 2007) Einheit
Urlaubsreisen (mind. 4 Tage) Hauptverkehrsmittel Pkw/Wohnmobil Flugzeug Bahn Bus Sonstige
DeutschAlpen land
West-, Nord-, Osteuropa
Mittelmeer
Fernreisen
Insgesamt
Mio.
20,7
5,8
10,0
23,7
4,3
64,4
in % in % in % in % in %
75 1 13 10 1
76 2 6 17 0
59 21 2 14 4
18 74 0 6 2
2 96 0 1 1
47 37 5 9 2
Tage
10,6
9,5
13,1
13,9
19,1
12,7
Mio.
199
49
121
308
78
755
in % in % in % in % in %
30 33 12 7 18
53 22 15 3 6
35 27 7 10 21
74 11 2 5 8
71 5 4 4 16
50 22 7 5 15
a
Reisedauer Übernachtungen a
Unterkunftsarten Hotel/Gasthof Ferienwohnung/-haus Pension/Privatzimmer Camping Sonstige a Bezogen auf Anzahl der Reisen.
Deutliche Unterschiede zwischen In- und Ausland gibt es auch beim Hauptverkehrsmittel, das die Urlauber zur An- und Abreise wählten (siehe Tabelle 2.1). Bei Reisen innerhalb Deutschlands nutzten drei von vier Urlaubern das Auto (inkl. Wohnmobil und Motorrad), 13 % der Urlauber nutzten die Bahn und 10 % den Bus, während der Anteil des Flugzeugs mit knapp einem Prozent eher unbedeutend war (F.U.R 2007). Mit zunehmender Reiseentfernung allerdings steigt der Anteil der Flugreisen stark an: Bei Mittelmeer-Reisen lag der Anteil bei rund drei Viertel, Fernreisen sind fast ausschließlich Flugreisen. Bezogen auf alle Urlaubsreisen entfielen auf den Pkw rund 47 % aller An- und Abreisen, auf das Flugzeug rund 37 %. Die umweltfreundlichen Verkehrsmittel Bus (9 %) und Bahn (5 %) waren für die Urlauber nur von untergeordneter Bedeutung (F.U.R. 2007; Schmied u. Buchert 2007). Bei den Reisearten dominierten der Strand-/Badeurlaub und der Erholungsurlaub. 46 % bzw. 42 % der Urlaubsreisen mit mindestens vier Übernachtungen entfielen 2006 auf diese beiden Segmente (siehe Abb. 2.1), was wiederum mit den Reisezielen korreliert. Auf Platz 3 und 4 lagen der Natururlaub (28 % aller Ur-
2.1 Urlaubsreisen heute
7
laubseisen) und der Erlebnisurlaub (24 %). Gesundheitsurlaub, Kulturreisen und Studienreisen waren im Gesamturlaubsmarkt mit 3 bis 8 % deutlich kleinere Marktsegmente (F.U.R 2007). Strand-/Badeurlaub Ausruhurlaub Natururlaub Erlebnisurlaub Familienferien Aktivurlaub Verwandten-/Bekanntenbesuch Spaß-/Fun-/Party-Urlaub Sightseeingurlaub Rundreise Gesundheitsurlaub Kulturreise Studienreise 0% 1)
Mehrfachnnenungen möglich.
5%
10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% Anteil an den Urlaubsreisen in %1)
Abb. 2.1 Urlaubsarten deutscher Urlauber im Jahr 2006
Zusätzlich zu den 64,4 Mio. Reisen mit mindestens vier Übernachtungen unternahmen Urlauber aus Deutschland im Jahr 2006 rund 46,3 Mio. Kurzurlaubsreisen mit maximal drei Übernachtungen (F.U.R 2007). Rund drei Viertel der Kurzreisen führten nach Deutschland, der Rest vor allem ins benachbarte Ausland (z. B. Österreich, Niederlande, Italien) (Sierck u. Meinken 2006). Mit 47 % waren Städtereisen dabei die beliebteste Urlaubsart, gefolgt von Besuchen bei Verwandten oder Bekannten mit 32 %. Auf den Plätzen 3 und 4 lagen mit 13 % Kultur- und mit 12 % Aktivreisen (Radfahren, Wandern etc.). Gesundheits-/Fitness/Wellnessurlaub belegten mit 8 % Rang 5 (F.U.R 2007). Die Mehrheit der Urlauber nutzte das Auto als Hauptverkehrsmittel bei Kurzurlaubsreisen (rund 63 %). Im Vergleich zu den langen Urlaubsreisen spielten Bus (20 %) und Bahn (16 %) beim Kurzurlaub eine deutlich größere Rolle. Der Anteil an Flugreisen betrug 10 %. Bei der Verkehrsmittelwahl kommt zum Tragen, dass Kurzreisen zum großen Teil in deutsche Destinationen oder ins nahe gelegene Ausland führen (F.U.R 2007).
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
2.2 Künftige Trends2 Entwicklung der Rahmenbedingungen Die Entwicklung der touristischen Nachfrage und der Reiseangebote werden von einer Vielzahl verschiedener Faktoren beeinflusst (siehe Abb. 2.2). Für die künftige touristische Nachfrage werden die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland sowie sozioökonomische Faktoren wie Erwerbstätigkeit/Arbeitslosigkeit und Einkommensverteilung entscheidend sein. Natur • Zustand von Natur und Umwelt • Klimawandel • Naturkatastrophen
Technik • Informations- und Kommunikationstechnik • Internet • Verkehrstechnik
Individuen • Werthaltungen • Einstellungen • Konsumverhalten
Touristisches Angebot
Touristisches Nachfrage Ökonomie • Globalisierung • Arbeit/Freizeit • Einkommen • Arbeitsmarkt • Ölpreis
Politik • Europ. Integration • Schwellenländer • Steuerpolitik • Kriege, Terror • Umweltpolitik
Gesellschaft • Altersstruktur • Familien-/Haushalts-Struktur • Bildungsniveau • Einfluss der Frauen • Soziokulturelle Krisen • Migration
Abb. 2.2 Wichtige Einflussfaktoren auf die zukünftigen Entwicklungen der touristischen Nachfrage und des touristischen Angebots (eigene Darstellung nach Lohmann et al. 2004)
Eine wesentliche Steigerung des Durchschnittseinkommens in Deutschland erscheint wenig wahrscheinlich (Lohmann et al. 2004). Experten erwarten für Deutschland stattdessen eine sich weiter öffnende Schere bei den Haushaltseinkommen, was zu einer Zweiteilung der Gesellschaft führt: in Besitzende, die hoch qualifiziert sind und einem gut bezahlten Beruf nachgehen, und „Have-Nots“, die eine niedrig qualifizierte oder keine Arbeit haben und über ein weit geringeres Einkommen verfügen. Damit wird es in Zukunft einerseits Urlauber mit viel Zeit und wenig Geld, andererseits solche mit viel Geld und eher wenig Zeit geben. Trotz dieser Polarisierung werden die meisten Haushalte auch in Zukunft einen erheblichen Teil ihres Einkommens für Urlaubsreisen ausgeben (Opaschowski 2005; Lohmann et al. 2004; Huber 2004).
2
Das folgende Kapitel bezieht sich – wenn nicht anders erwähnt – auf Urlaubsreisen mit mindestens vier Übernachtungen. Kurzurlaubsreisen bleiben hierbei i. d. R. unberücksichtigt.
2.2 Künftige Trends
9
Großen Einfluss auf die künftige touristische Nachfrage hat die demographische Entwicklung. Bis 2025 wird der Anteil der Bevölkerung, die 60 Jahre und älter ist, von heute rund 25 % auf 32 % ansteigen (ITP u. BVU 2005). Für den Tourismus bedeutet das, dass sich die Gewichtung einzelner Zielgruppen verschiebt: Ein Großteil der Reisenden sind dann die Senioren, oder – politisch korrekt und im Sinne von Giger (Giger 2002) – die reifere Generation. Sie bilden in Zukunft den Wachstumsmotor des Tourismus (Lohmann et al. 2004). Auch schon in der Vergangenheit spielten die Senioren im Reisemarkt eine große Rolle: 2005 entfielen bereits rund 29 % aller Urlaubsreisen auf diese Urlaubergruppe (F.U.R 2006). Das Wachstum dieses Marktsegments ist aber nicht nur allein auf eine Verschiebung im Altersaufbau der Bevölkerung zurückzuführen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass ältere Urlauber ihre touristischen Gewohnheiten in der Regel beibehalten. Auch wer älter wird, reist immer noch gern. Allerdings stellen ältere Kunden vielfältigere und differenziertere Ansprüche an den Urlaub: Die „neuen Senioren“ verfügen über große Reiseerfahrung, einen guten Gesundheitszustand und zum erheblichen Teil über ein recht gutes Einkommen – mit den heutigen Reiseangeboten für ältere Urlauber wird diese Zielgruppe daher nicht zufrieden zu stellen sein (FHW-IMT 2007; Lohmann et al. 2004; Lettl-Schröder 2001; TAB 1999). Trotz des demographischen Wandels wird die Bedeutung von Familien mit Kindern für den Urlaubsreisemarkt in Zukunft nur marginal abnehmen (Lohmann u. Aderhold 2000). Der Anteil von Urlaubsreisen mit Kindern liegt derzeit bei etwas über 20 %, dieser Anteil wird sich bis 2015 nicht wesentlich ändern (F.U.R 2007; Lohmann et al. 2004). Die Anzahl der kinderreichen Familien allerdings geht stark zurück, das heißt, dass im „Familienurlaub“ der Zukunft die Eltern in der Regel nur noch mit einem Kind reisen. Zunehmen werden auch Reisen von älteren Personen mit Kindern. Aus touristischer Sicht sind diese Entwicklungen bedeutend, da diese Reisen gekennzeichnet sind durch eine geringere Saisonalität, höhere Ausgaben und längere Dauer. Um die Ansprüche an den Familienurlaub der Zukunft zu befriedigen, müssen Anbieter somit zunehmend spezielle Angebote im Programm haben (F.U.R 2007; Lohmann et al. 2004). Darüber hinaus verändert sich die Wertestruktur der Gesellschaft und damit auch das Konsumverhalten, was ebenfalls Einfluss auf die zukünftigen touristischen Entwicklungen haben wird. Der „neue Tourist“ ist gekennzeichnet durch einen vielschichtigen, komplexen, in Teilen widersprüchlichen Konsum- und Lebensstil, der auch und gerade im Urlaub hohe Ansprüche stellt. Die „Anspruchsrevolution“ der Urlauber wird stark zu einer weiteren Ausdifferenzierung und Individualisierung der Angebote beitragen (Opaschowski 2001; Siegel 2001; TAB 1999). Nicht zuletzt werden technische Neuerungen den Tourismus der Zukunft prägen. Das gilt vor allen Dingen für die Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Entwicklung des Internets und die damit verbundenen wirtschaftlichen und strukturellen Veränderungen der Tourismusbranche sind im Detail schwer abzuschätzen. Aber sie werden – wie bereits heute erkennbar – das Informationsund Buchungsverhalten der Touristen verändern. Unklar ist, ob und wie sich das
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
Internet auf die Entwicklung des Nachfragevolumens auswirken wird (Rossmann u. Donner 2008; Lohmann et al. 2004). Reisevolumen Ob und wie stark der touristische Markt wachsen wird, ist schwer vorherzusagen. In den letzten zehn Jahren gab es keinen nennenswerten Zuwachs der Reiseintensität und des Reisevolumens – trotz einer Reihe Nachfrage stimulierender Faktoren (z. B. zielgruppenorientierte Angebote, offensive Preispolitik der Tourismuskonzerne). Andererseits gab es in den vergangenen Jahren trotz zahlreicher dämpfender Faktoren (z. B. schlechte wirtschaftliche Stimmung, Krisen, Terroranschläge, Epidemien) keine nennenswerten Einbrüche bei den Urlaubsreisen der Deutschen. Während die Haupturlaubsreise meist selten zur Disposition steht, wirken sich die äußeren Einflusse mehr oder weniger stark auf die Zweit- und Dritturlaubsreisen sowie Kurzurlaubsreisen mit maximal drei Übernachtungen aus (Lohmann et al. 2004). Die Reiseanalyse-Trendstudie weist aufgrund dieser Unsicherheiten für das Reisevolumen einen Trendkorridor (unterer und oberer Wert) sowie einen Maximalwert aus (Lohmann et al. 2004). Bis zum Jahr 2015 könnte unter ungünstigen Rahmenbedingungen die Anzahl der Urlaubsreisen mit mindestens vier Übernachtungen um rund 9 % auf 58,8 Mio. sinken. Als Obergrenze wird ein Ansteigen um 8 % auf 70,7 Mio. Reisen erwartet – unter besonders günstigsten Rahmenbedingungen wäre auch ein Wachstum um 19 % auf 76,7 Mio. Reisen denkbar (siehe Abb. 2.3). Langfristig wird allerdings eine Reduzierung des Reisevolumens erwartet, da die deutsche Bevölkerung von heute 82 Millionen auf 69 bis 74 Millionen im Jahr 2050 abnehmen wird (StBA 2006). 90,0
Mio. Reisen pro Jahr
80,0
Urlaubsreisen (4 und mehr Übernachtungen) Kurzurlaubsreisen (1-3 Übernachtungen)
70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0
20 1
5
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20 05
20 04
20 03
20 02
20 01
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Abb. 2.3 Entwicklung der Urlaubsreisen der Deutschen bis 2015 (F.U.R 2007; Lohmann et al. 2004; Lohmann u. Aderhold 2000)
2.2 Künftige Trends
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Ein Teil der Wachstumseffekte im Markt wird durch eine Verkürzung der Reisedauer kompensiert. 1976 lag die durchschnittliche Reisedauer noch bei knapp 18 Tagen, bis 2006 hat sie sich auf 12,7 Tage verringert (Lohmann u. Aderhold 2000; F.U.R 2007). Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend, wenn auch in kleineren Schritten, fortsetzt. Für 2015 wird ein Rückgang der durchschnittlichen Reisedauer um weitere 5 % erwartet (Lohmann et al. 2004). Dabei werden sich die Reisen nach Zielen und Urlaubsformen weiter differenzieren. Während die Reisedauer für Reisen innerhalb Deutschlands und voraussichtlich auch innerhalb Europas noch deutlich sinken wird, ist davon auszugehen, dass sie bei Fernzielen eher stagniert. Eine Ausnahme sind allerdings Urlaubsformen wie Städte- und Shoppingreisen (Lohmann u. Aderhold 2000). Der Anteil von Kurzurlaubsreisen mit maximal drei Übernachtungen am künftigen Reisevolumen lässt sich schwer abschätzen. Zwar hat der Kurzurlaub in den vergangenen 30 Jahren stark an Bedeutung gewonnen, gleichzeitig unterliegt die Zahl dieser Reisen starken Schwankungen (siehe Abb. 2.3). So sind beispielsweise Anzahl und Lage der Feiertage entscheidend, die für mehr oder weniger verlängerte Wochenenden sorgen. Auch das Wetter und die wirtschaftliche Lage beeinflussen die jährliche Anzahl an Kurzreisen. Einen regelrechten Kurzreisen- und Städtereisen-Boom gibt es seit der Etablierung der Billigflieger und Low-Cost-Carrier (F.U.R 2007). Zielgebiete Das Reiseverhalten und damit die Wahl der Reiseziele verändern sich mit der aktuellen politischen Lage – das haben beispielsweise die Auswirkungen des IrakKrieges auf das Reiseland Türkei gezeigt. Grundsätzlich gilt, dass der Urlauber von heute flexibel plant und bereit ist, sein Urlaubsziel auch noch kurzfristig zu ändern. Bis 2015 wird aber nur eine geringe Verschiebung bei den Anteilen der einzelnen Zielgebiete erwartet, dennoch werden einzelne Länder eher zu den Gewinnern, andere eher zu den Verlierern der zukünftigen Entwicklung zählen. Für den Inlandstourismus werden leichte Zuwächse erwartet. Der Schneemangel im Winter könnte zu leicht geringeren Marktanteilen des Alpenraums führen. Für den Mittelmeerraum werden unveränderte Marktanteile erwartet (Lohmann et al. 2004). Seit dreißig Jahren führen Spanien, Italien und Österreich die Hitliste der Reiseziele im Ausland an. In Deutschland sind Bayern und Schleswig-Holstein die Marktführer. In den letzten Jahren haben sich zudem die Türkei und MecklenburgVorpommern zu Urlaubsmagneten entwickelt. Mittelfristig wird sich – so die Erwartungen – an dieser Rangfolge wenig ändern. Veränderungen werden eher für Länder mit geringen Marktanteilen erwartet. Deutliche Verschiebungen wird es vor allem als Folge von Preisentwicklungen geben: Billige Reiseziele werden kurz- und mittelfristig dazugewinnen. Langfristig allerdings kann sich keine Destination ausschließlich über Billigurlauber im Spitzenfeld halten (Lohmann et al. 2004). Eine Prognose für Fernreisen ist schwierig. Für Reisen in exotische Destinationen gibt es sowohl fördernde Faktoren (wachsende Reiseerfahrung der Urlauber,
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
höhere Schulbildung) als auch hemmende Faktoren (gesundheitliche Risiken, hohe Reisepreise). Die Reiseanalyse-Trendstudie geht daher bis 2015 nur von kleinen bis geringen Marktanteilsgewinnen aus (Lohmann et al. 2004). Die aktuellen Entwicklungen zeigen aber, dass dieses Segment in den letzten Jahren wieder deutlich zugelegt hat. 2006 wurden mit 4,3 Mio. Fernreisen und einem Marktanteil von 6,7 % Werte erreicht, die zu Beginn des Jahrtausends typisch waren (F.U.R 2007). Die Markteinbrüche nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York, dem Irakkrieg und der Lungenkrankheit SARS wurden damit wieder kompensiert. Die United Nations World Tourism Organization (UNWTO) geht in ihrer Langzeit-Prognose „Tourism 2020 Vision“ davon aus, dass Fernreisen zwischen 1995 und 2020 um etwa 5,4 % pro Jahr wachsen, während intraregionale Reisen (z. B. innerhalb Europas) um lediglich 3,8 % pro Jahr zunehmen. Demzufolge wird sich das Verhältnis zwischen intraregionalen und Fernreisen weltweit von 82:18 im Jahr 1995 auf etwa 76:24 bis 2020 verändern (UNWTO 2002). Insgesamt ist davon auszugehen, dass Ziele, die Exotik und Abenteuer versprechen, bei Fernreisen an Bedeutung zulegen. Die UNWTO prognostiziert, dass bereits im Jahr 2010 der amerikanische Kontinent im Vergleich zu Ostasien und dem Pazifikraum an Bedeutung verlieren wird. Voraussetzung für diese Entwicklung ist allerdings eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung der ostasiatischen und pazifischen Regionen. Krisen können die Attraktivität dieser Regionen schnell schmälern. China/Hongkong zählte beispielsweise 2001 und 2002 zu den Gewinnern im von Deutschland ausgehenden Passagierluftverkehr. Meldungen über die SARS-Epidemie haben 2003 zu einem Passagierrückgang von Deutschland nach China um 9,3 % im Vergleich zu 2002 geführt (StBA 2004). Urlaubsformen Unter Branchenexperten herrscht recht gut Einigkeit darüber, welche Urlaubsformen in Zukunft mit Zuwächsen rechnen können. Insgesamt scheint ein „Trend zu speziellen Reisen, weg vom klassischen Badeurlaub“ (Kagelmann et al. 2003) zu bestehen. Zunehmen werden vor allem Reiseangebote, die speziell für ältere Urlauber interessant sind (z. B. Kultururlaub, Städtereisen, Busreisen, Kreuzfahrten) (Lohmann et al. 2004). Der Megatrend Gesundheit hat in den zurückliegenden Jahren auch im Tourismus spuren hinterlassen. Im Jahr 2006 gaben rund ein Drittel der Bundesbürger an, das es ihnen im Urlaub besonders wichtig ist, etwas für die Gesundheit zu tun (F.U.R 2007). Roland Berger Strategy Consultants prognostiziert dem Gesundheitstourismus bis 2010 jährliche Wachstumsraten von 8 % (Gruner + Jahr 2008). Zulegen werden vor allem Gesundheitsurlaub und Kuren. Wellness-Reise und Fitness-Urlaub haben zwar prinzipiell gute Wachstumschancen, im Vergleich zu anderen gesundheitsorientierten Urlaubsformen aber ein eher geringeres Potential. (Lohmann et al. 2004). Der Markt für gesundheitsorientierte Urlaubsformen wird sich weiter ausdifferenzieren. Medical Wellness und Beauty Wellness werden zu wichtigen Segmen-
2.2 Künftige Trends
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ten im Reisemarkt. Bei der Kur im Urlaub ist ein Trend hin zu klassischen Kuranwendungen und Naturheilverfahren festzustellen. Wellness-Hotels verbinden ihre Angebote zudem verstärkt mit Naturerlebnissen (Gruner + Jahr 2008). Gesundheit und Wellness werden zunehmend auch als Teil anderer Urlaubsformen, z. B. bei Städtereisen oder im Golfurlaub, eine Rolle spielen (ZEIT u. GWP 2002; Hohmann 2002). Für preissensible Zielgruppen hat sich in den letzten Jahren der All-InclusiveUrlaub als Reiseform etabliert. Da bei diesen Angeboten vor Ort alle Mahlzeiten und meist auch Getränke im Reisepreis eingeschlossen sind, sind die Gesamtkosten des Urlaubs leichter kalkulierbar. Erfahrungen mit dieser Reiseform haben bereits 29 % der Urlauber gemacht. 2005 gaben 44 % der Deutschen an, dass sie in den nächsten Jahren einen All-Inclusive-Urlaub planen (F.U.R 2005). Klassiker wie Erholungsurlaub, Badeurlaub und Familienferien werden trotz aller Veränderungen die wichtigsten Standbeine der Tourismusbranche bleiben. Allerdings ist damit zu rechnen, dass sich die Segmente in ihrem Aussehen verändern werden. Der Familienurlaub des Jahres 2015 beispielsweise wird anders aussehen als heute, da er sich auf 1-Kind-Familien und ältere Urlauber einstellen muss (Lohmann et al. 2004). Verkehrsmittelnutzung Rund 37,2 % aller Urlaubsreisen mit mindestens vier Übernachtungen wurden 2005 mit dem Flugzeug unternommen. Damit hat das Flugzeug im Jahr 2006 bereits einen um rund vier Prozentpunkte höheren Marktanteil als 2001 und konnte den Rückgang von 2002 mehr als kompensieren (siehe Abb. 2.4) (F.U.R. 2007, 2002). Der Anteil des Pkw (einschließlich Wohnmobile und Wohnwagen) an allen Urlaubsreisen ging in den letzten fünf Jahren in ähnlicher Größenordnung zurück und lag 2006 bei 46,5 %. Diese Entwicklung ist eine Reaktion auf den Boom der Billig-Flieger. So stieg der Anteil der Deutschen, die bereits einen Billigflieger genutzt haben, von 3,4 % im Jahr 2002 auf 12,4 % in 2006 (F.U.R 2007). Der in der Reiseanalyse-Trendstudie 2004 prognostizierte Marktanteil des Flugzeugs von 35 % im Jahr 2015 wurde somit schon heute übertroffen (siehe Abb. 2.4) (Lohmann et al. 2004). Bei den Auslandsreisen dominiert das Flugzeug schon lange über das Auto. Das Flugzeug hat dort im Jahr 2006 einen Marktanteil von 54,3 %, der Pkw von 33,1 %. Im Inland erfolgt die An- und Abreise hingegen zu 74,7 % mit dem Pkw; auf das Flugzeug entfallen lediglich 1,0 % der Reisen (F.U.R 2007). Die Luftverkehrsbranche durchlief in den vergangenen Jahren einen stetigen Umbruch. Zwar erholte sich das Verkehrsaufkommen nach zunächst starken Einbrüchen in Folge der terroristischen Anschläge vom 11. September 2001. Anhaltende politische und wirtschaftliche Krisen, gestiegene Ölpreise, starker Preisdruck durch die Billig-Airlines sowie seit den Anschlägen gestiegene Versicherungskosten sind nach wie vor eine starke Belastung für die internationale Luftfahrt. Für die Jahre 2007 bis 2011 rechnet die IATA mit einer jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate von 5,1 % im internationalen Passagierflugverkehr. Damit schwächt sich das Wachstum im Vergleich zum Zeitraum 2002 bis
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
2006 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 7,4 % deutlich ab. Der nationale Flugverkehr wächst etwas schneller. Ihm wird ein jährliches Durchschnittswachstum von 5,3 % für die Jahre 2007 bis 2011 prognostiziert (IATA 2007).
Anteile an den Urlaubsreisen in %
60%
50%
40%
Pkw Flugzeug Bus Bahn
30%
20%
10%
0% 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Jahr
Trend 2015
Abb. 2.4 Trends in der Verkehrsmittelnutzung bei Urlaubsreisen (F.U.R. 2007, 2006, 2005; Lohmann et al. 2004)
Die Deregulierung des Luftverkehrsmarktes in den 90er Jahren und die wachsende Nachfrage haben zum Markteintritt immer neuer Billigflieger geführt. In Europa begann der Boom der Low-Cost-Airlines in Großbritannien mit dem Markteintritt unabhängiger Airlines wie Ryanair und easyJet sowie der Gründung von Low-Cost-Tochtergesellschaften der etablierten Linienfluggesellschaften. Dass es sich bei dem Erfolg der Low-Cost-Carrier nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt, wird zum einen durch die Marktkonstanz von Fluglinien wie Ryanair oder easyJet widerlegt. Zum anderen zeigt die Zahl der Neugründungen und Übernahmen durch etablierte Fluggesellschaften, wie attraktiv dieses Marktsegment ist. In Europa entfielen im ersten Halbjahr 2007 bereits rund 18 % aller Flugbewegungen auf Billigflieger (Eurocontrol 2007). Deutschland weist im europäischen Vergleich einen leicht überdurchschnittlichen Marktanteil von 22 % auf (DFS 2008). Rund 40 % aller Flugbewegungen im Billigflugsegment in Deutschland erbrachte dabei Mitte 2007 Air Berlin, gefolgt von Germanwings (18 %), HLX (13 %), Ryanair (10 %) und easyJet (8 %) (DLR u. ADV 2007). Das Marktwachstum der Low-Cost-Carrier war in den letzten Jahren sehr hoch. Seit 2000 stieg deren Marktanteil in Europa um das Neunfache. Im Vergleich zu 2006 nahm der Anteil der Billigflieger im Jahr 2007 nochmals um rund 70 % und damit überdurchschnittlich zu (Eurocontrol 2007). Für die nächsten Jahre werden die Wachstumsraten allerdings abnehmen. Für 2010 wird europaweit mit einem
2.2 Künftige Trends
15
Marktanteil der Billigflieger von rund einem Drittel gerechnet (Schneiderbauer 2005). Das Wachstum der Billigflieger basiert vor allem auf der Gewinnung von Neukunden. Das Besondere dabei: 70 % der Neukunden würden ohne ein entsprechendes Billig-Angebot gar nicht erst verreisen (Monitor Group 2002). Derzeit sind nur 20 % der Billigflug-Kunden klassische Pauschalreisende. Billigflugkunden buchen in der Regel Hotel oder sonstige Leistungen vor Ort in Eigenregie. Durch den Trend zur „individualisierten Pauschalreise“ bzw. dem „SelfPackaging“ kommt es immer häufiger zu einer Überschneidung mit der klassischen Veranstalterreise, da Low-Cost-Carrier ihr Streckennetz in klassische Feriendestinationen ausdehnen und über ihre online-Seiten die Leistungen ausbauen (z. B. Anbindung einer Hoteldatenbank) (Hölzerkopf 2007; Opaschowski 2005; Kreilkamp et al. 2003). Reiseorganisation Urlauber aus Deutschland werden mit zunehmender Reiseerfahrung nicht nur anspruchsvoller, sondern auch immer professioneller bei der Organisation ihrer Reise. Das Internet bietet heute eine große Vielfalt an Organisationsmöglichkeiten und Buchungsstellen, die für den durchschnittlichen Internet-Nutzer gut zu handhaben sind. Messbar ist dies an den leichten Veränderungen der Organisation von Urlaubsreisen: Pauschal- und Bausteinreisen, die in der Regel über Reiseveranstalter oder Reisbüros gebucht werden, bewahren zwar mit 47 % ihre dominierende Stellung. Sie erhalten aber zunehmend Konkurrenz durch Urlaubsreisen, bei denen Unterkunft und/oder Transport individuell vom Kunden gebucht werden F.U.R 2007). Mittelfristig wird der Veranstaltermarkt aber weiter wachsen. Dies gilt vor allem für Auslands- bzw. Fernreisen sowie den individualisierten Pauschalurlaub. Schon heute liegt der Anteil von Pauschal- und Bausteinreisen ins Ausland bei 59 %. Auch der Deutschland-Tourismus dürfte von diesem Trend partizipieren, wo in diesem Sektor derzeit Pauschal- und Bausteinreisen mit 21 % eine deutlich geringere Rolle spielen (F.U.R 2007; Lohmann et al. 2004; Hohmann 2002). Buchungsverhalten Das Buchungsverhalten der Reisenden hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Urlauber buchen immer kurzfristiger, sie buchen online und orientieren sich primär am Preis. Dies wird verstärkt durch die allgemeine Verbreitung von Internet, Reisebörsen und online-Systemen, die einen einfachen und schnellen Preisvergleich erlauben (Lohmann et al. 2004). Neben der Nutzung des Internets als Informationsquelle finden auch immer mehr Buchungen dort statt. Anfang 2007 haben mit 19 % der Deutschen fast fünfmal mehr Menschen eine Urlaubsreise über das Internet gebucht als noch 2001. Im Jahr 2007 erwirtschaftete die deutsche Tourismus-Branche bereits rund 14,8 Mrd. Euro Umsatz über das Internet. Die Gesamtbranche erzielte im gleichen Zeitraum 43,4 Mrd. Euro. Das Wachstum im Tourismus sei – so die Verfasser der
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
Studie Web-Tourismus – fast ausnahmslos auf das Internet-Geschäft zurückzuführen. Das Wachstum der Online-Umsätze betrug gegenüber 2006 rund 15 %, schwächte sich damit aber gegenüber den Vorjahren etwas ab. Für die kommenden Jahre wird aber weiterhin mit zweistelligen Zuwachsraten gerechnet (Rossmann u. Donner 2008).
2.3 Auswirkungen des Tourismus Wenn Massen reisen, sind ökologische und soziale Auswirkungen nicht zu verhindern. Die wichtigsten Auswirkungen und die ökonomischen und sozialen Verhältnisse in den Zielgebieten und den Quellmärkten werden in den folgenden Kapiteln kurz beschrieben. 2.3.1 Ökologische Auswirkungen Die Umweltauswirkungen zeigen ein differenziertes Bild. Ein gravierendes Problem von globalem Ausmaß sind die Tourismus-bedingten Treibhausgasemissionen, die wiederum insbesondere durch Flugreisen verursacht werden. Tabelle 2.2 zeigt die spezifischen Treibhausgasemissionen pro Reise für verschiedene Zielgebiete. Die mit Abstand höchsten spezifischen Treibhausgasemissionen (berechnet als CO2-Äquivalente) haben Fernreisen mit dem Flugzeug. Im Jahr 2006 lagen diese Emissionen mit rund 6,3 t Treibhausgasen pro Person und Reise rund 33 Mal höher als bei Reisen in den Alpenraum bzw. 43 Mal höher als bei Inlandsreisen mit dem Pkw. Oder anders formuliert: Reisende könnten statt einmal in der Karibik 43 Mal in Deutschland Urlaub machen und hätten dabei in etwa die gleiche Emissionsbilanz. Insgesamt verursachten die 4,3 Millionen Fernreisen im Jahr 2006 rund 27 Mio. t Treibhausgase – mehr als die über 23 Millionen Urlaubsreisen in den Mittelmehrraum. Alle in Tabelle 2.2 aufgeführten Auslandsreisen zusammen emittierten 2006 rund 58 Mio. t Treibhausgase. Das entspricht rund 6 % der 1.002 Mio. t Treibhausgase, die im Jahr 2005 in Deutschland emittiert wurden (UBA 2007). In diesem Vergleich unberücksichtigt sind die 46,3 Millionen Kurzreisen mit einer bis drei Übernachtungen. Bei dieser Berechnung wurde berücksichtigt, dass Mittel- und Langstreckenflüge Flughöhen erreichen, in denen nicht nur Kohlendioxid, sondern auch andere Emissionen wie Stickoxide, Wasserdampf, Partikel und Schwefeloxide als Treibhausgase wirksam sind. Die Klimawirkungen der verschiedenen Treibwerksemissionen können mit Hilfe des so genannten Radiative Forcing Index (RFI) auf diejenigen des Kohlendioxids umgerechnet werden. Nach einer Studie des Intergovernmental Panel on Climate Change liegt der RFI zwischen zwei und vier (beste Schätzung: 2,7) (IPCC 1999). Das bedeutet: Die Gesamtklimawirkungen des Flugverkehrs liegen um den Faktor zwei bis vier höher als die reine Wirkung des Kohlendioxid. Für die Ausweisung des GWP-Potentials für Auslandsflugrei-
2.3 Auswirkungen des Tourismus
17
sen (berechnet als CO2-Äquivalente) wurde in dieser Studie – wie es wissenschaftliche Praxis in Deutschland ist – der RFI-Faktor von 3 herangezogen, während für Inlandsflüge aufgrund der geringeren Flughöhen nur die Wirkung der reinen CO2Emissionen berücksichtigt wurde (siehe z. B. Schmied u. Buchert 2007; atmosfair 2004, Schmied et al. 2002). Tabelle 2.2 Klimagasemissionen ausgewählter Urlaubsreisen der Deutschen im Jahr 2006 (F.U.R. 2007 zitiert in Schmied u. Buchert 2007; eigene Berechnung) Reiseregion
Anzahl der CO2-ÄquivalentUrlaubsreisen (mind. Emissionen 5 Tage) pro Reise Millionen t/Person u. Reise
CO2-ÄquivalentEmissionen insgesamt Mio. t/a
Deutschland Alpen West-, Nord-, Osteuropa Mittelmeer Fernreise
20,7 5,7 10,0 23,7 4,3
0,15 0,19 0,39 1,08 6,27
3,0 1,1 3,9 25,5 27,2
Insgesamt
64,4
0,94
60,7
Alle Urlaubsreisen der Deutschen zusammen führten 2006 zu Treibhausgasemissionen in Höhe von 61 Mio. t. Vergleicht man die prozentuale Verteilung der Reisen auf die Zielgebiete mit der Verteilung der Treibhausgasemissionen ergibt sich folgendes Bild (siehe Abb. 2.5): Fernreisen, deren Anteil an allen Reisen mit rund 7 % vergleichsweise gering war, verursachten den größten Anteil an CO2Emissionen (ca. 45 %). Den zweitgrößten Anteil am CO2-Ausstoß hatten Mittelmeerreisen (rund 42 %), deren Anteil an den Gesamtreisen mit 36 % allerdings auch vergleichsweise hoch war. Reisen innerhalb Deutschlands trugen lediglich mit 5 % zu den Treibhausgasemissionen bei, obwohl im Jahr 2006 jede dritte Urlaubsreise im Inland stattfand. Flug- und Fernreisen werden weiter zulegen und die Emissionen der Treibhausgase erhöhen (Peeters 2007; Graichen u. Gugele 2006). Daraus folgt, dass Zahl und Entfernung der Flugreisen sinken müssen, sollen die Treibhausgasemissionen des Tourismus gemindert werden. Im anderen Fall werden alle Emissionsminderungen, die beispielsweise im Inland oder vor Ort in Hotels realisiert werden, durch das Wachstum des Flugverkehrs überkompensiert (Peeters 2007; Schmied et al. 2002). Andere Umweltauswirkungen des Tourismus – hohes Abfallaufkommen, steigender Wasserverbrauch, Gewässerverschmutzung, Lärm – sind meist lokale bzw. regionale Probleme (Frings et al. 1997; TAB 1998). Insbesondere die saisonalen Verbrauchs- und Aufkommensspitzen stellen viele touristische Gemeinden z. B. bei der Trinkwasserversorgung und der Abfallentsorgung vor große Herausforderungen. Der hohe Wasserbedarf des Massentourismus verursacht auf vielen Inseln und in trockenen Regionen heute schon vielfach Versorgungsengpässe. Zu den ökologischen Folgen der Übernutzung natürlicher Wasserreserven gehören z. B. die Veränderung der Vegetation durch Absinken des Grundwasserspiegels oder eine stoffliche Belastung des Grundwassers (Schmied et al. 2002).
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
Urlaubsreisen nach Zielgebieten
Treibhausgasemissionen nach Zielgebieten
Fernreise 7% Deutschland 32%
Mittelmeer 36%
Deutschland Alpen 5% 2% West-, Nord-, Osteuropa 6%
Fernreise 45%
Alpen 9%
Mittelmeer 42%
West-, Nord-, Osteuropa 16%
Abb. 2.5 Urlaubsreisen und Treibhausgasemissionen nach Zielgebieten in 2006 (F.U.R. 2007 zitiert in Schmied u. Buchert 2007; eigene Berechnung)
Beim Flächenverbrauch und dem Verlust der Biodiversität ist der Tourismus nur in wenigen Fällen alleiniger oder überwiegender Verursacher. Zu den erheblichen Beeinträchtigungen gehören der Verlust von Sanddünen, Schäden an Korallenriffen, der Rückgang von Pflanzen- und Brutvogelarten an Küsten. Negative Wirkungen auf die Biodiversität können insbesondere dann vom Tourismus ausgehen, wenn er als Massenerscheinung auftritt oder ökologisch empfindliche Regionen berührt (BfN 1997; Schmied et al. 2002). Obwohl ein langfristig ökonomisch erfolgreicher Tourismus eine intakte Umwelt benötigt, trägt er selbst wesentlich zur Gefährdung und Zerstörung der Umwelt und damit seiner eigenen natürlichen Grundlagen bei. Der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltfragen der Bundesregierung (WBGU) hat den Massentourismus als „Umweltproblemsyndrom“ bezeichnet (WBGU 1996). Der Tourismus hat aber nicht nur negative, sondern auch positive Auswirkungen auf die Umwelt – meist verursacht durch die Erwartungen der Touristen, abwechslungsreiche Landschaften, saubere Strände und klares Wasser am Urlaubsort vorzufinden (TAB 1999; Schemel et al. 2001). Positive Effekte des Tourismus sind beispielsweise der Schutz von Ökosystemen oder der Ausbau traditioneller, naturverträglicher Wirtschaftsformen (z. B. Landwirtschaft der Bergbauern). Nationalparks und Schutzgebiete werden oftmals eingerichtet, weil sie attraktive Ziele für Touristen darstellen. Eine Reihe von gefährdeten Tierarten ist möglicherweise nur deshalb noch nicht ausgestorben, weil sie in freier Wildbahn für Touristen attraktiv und gewinnbringend sind (Schmied et al. 2002; UBA 2002). 2.3.2 Ökonomische Auswirkungen Tourismus ist eine lukrative Branche und schafft zahlreiche Arbeitsplätze im Inund Ausland. Weltweit werden 2008 – so das Ergebnis der Studie "Tourism Satel-
2.3 Auswirkungen des Tourismus
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lite Accounting" des World Travel & Tourism Council (WTTC) – im Tourismusgewerbe 3,4 % des globalen Brutto-Inlandsprodukt (BIP) erwirtschaftet (rund 2.008 Mrd. US-$). Zählt man die direkten und indirekten Aktivitäten hinzu, werden es sogar 9,9 % sein (rund 5.890 Mrd. US-$). Gegenüber dem Vorjahr wird damit der direkte Beitrag des Tourismus zum BIP um 2,7 %, die direkten und indirekten Beiträge um 3,0 % wachsen. Die Branche schafft weltweit 2008 über 80,7 Millionen Arbeitsplätze direkt in der Tourismuswirtschaft und – einschließlich indirekter Effekte – über 238,2 Millionen Arbeitsplätze. Dies entspricht 8,4 % aller Beschäftigten weltweit (WTTC 2008). In Deutschland wird nach Prognosen des WTTC der Tourismus im Jahr 2008 mit rund 61 Mrd. Euro direkt zum BIP beitragen (WTTC 2008). Eine ältere Studie, die im Auftrag des deutschen Wirtschaftsministeriums erstellt wurde und die ökonomischen Auswirkungen detailliert für Deutschland untersucht hat, ermittelte für das Jahr 2000 gar eine Wertschöpfung der Tourismusbranche in Höhe von 94 Mrd. Euro (Ahlert 2003). Damit trägt der Tourismus in Deutschland zu rund 3 % direkt zum BIP bei. Für das Jahr 2008 wird die Gesamtzahl der Beschäftigten in den unmittelbar und mittelbar dem Tourismus zugeordneten Bereichen inklusive der Teil- und Saisonarbeitskräfte bei 3,6 Millionen liegen, was einem Anteil von rund 9 % an der Gesamtbeschäftigung entspricht (WTTC 2008). Die USA profitieren vom Tourismus weltweit gesehen am stärksten: Der direkte Beitrag des Tourismus zum BIP liegt 2008 bei 542 Mrd. US-$. Tabelle 2.3 gibt einen Überblick über die zehn Länder mit den absolut höchsten BIP-Beträgen, die direkt durch den Tourismus erwirtschaftet werden. Besonders zu erwähnen ist als Schwellenland die VR China, die absolut gesehen den vierthöchsten BIP-Wert bei Berücksichtigung der direkten Effekte und den zweithöchsten BIP-Wert bei Berücksichtigung der direkten und indirekten Effekte aufweist. Die in Tabelle 2.3 aufgeführten zehn Länder erwirtschaften 70 % des weltweiten direkten BIP des Tourismus (WTTC 2008). Tabelle 2.3 Direkte und indirekte Beiträge der Tourismuswirtschaft zum nationalen BIP im Jahr 2008 (WTTC 2008; eigene Darstellung) Rang bei direkten Effekten
Direkter Beitrag zum BIP
Rang beim Gesamtbeitrag
[Mrd. US-$] USA Japan Frankreich China Spanien Großbritannien Italien Deutschland Australien Kanada
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
542,4 162,5 115,7 109,0 102,5 97,0 94,0 88,7 46,3 45,8
Gesamter a Beitrag zum BIP
Rang beim Anteil BIP
Anteil am BIP des a Landes
77 92 71 63 40 93 84 103 69 83
10,0 9,2 10,9 12,2 17,2 9,2 9,7 8,6 11,0 9,7
[%]
[Mrd. US-$] 1 3 5 2 6 7 8 4 11 9
1.442,8 438,1 307,0 508,6 276,7 262,3 226,1 316,2 112,9 154,6
a Berücksichtigung der direkten und indirekten Effekte des Tourismus.
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
Die Zahlen zeigen zudem, dass Tourismus eine hohe Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung einzelner Zielländer hat. Während bei den Ländern mit hohen absoluten Werten der Anteil am BIP zwischen 9 und 17 % liegt (unter Berücksichtigung der direkten und indirekten Effekte des Tourismus), liegen die Werte bei einzelnen Zielländern sehr hoch (siehe Tabelle 2.4). Für Länder wie die Malediven, Macau oder Seychellen tragen die direkten Effekte des Tourismus bereits mehr als 30 % zum nationalen Gesamt-BIP bei. Werden die indirekten Effekte mit einbezogen, liegen die BIP-Anteile teilweise bei 70 % und mehr (siehe Tabelle 2.4). Tabelle 2.4 Anteile des Tourismus (direkte und indirekte Effekte) am nationalen BIP für das Jahr 2008 (WTTC 2008; eigene Darstellung) Direkte Effekte des Tourismus Anteil des Rang beim Tourismus BIP-Anteil am BIP [%] Malediven Macau Seychellen Anguilla Aruba Antigua & Barbuda Bahamas Kapverdische Inseln Vanuatu Mauritius
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
33,6 33,5 30,1 21,8 18,9 18,7 16,8 15,9 15,6 13,9
Direkte und indirekte Effekte des Tourismus Anteil des Rang beim Tourismus BIP-Anteil am BIP [%] 5 1 6 3 4 2 7 21 10 17
67,0 82,5 56,3 69,6 69,3 76,5 50,8 27,5 38,8 30,2
Bei einer starken Fokussierung auf diese Einnahmequelle besteht allerdings die Gefahr einer krisenanfälligen, touristischen Monostruktur. Ein anderes Problem ist die ungleiche Verteilung der Wertschöpfung. Rund die Hälfte der touristischen Wertschöpfung wird in Europa erwirtschaftet, jeweils 20 % in Nordamerika und Ostasien und nur ungefähr 10 % in Entwicklungsländern. Ein Grund hierfür ist, dass viele der global agierenden Reiseveranstalter, Fluggesellschaften, Hersteller von Computerreservierungssystemen (CRS) und Hotelketten ihren Sitz in Europa und Nordamerika haben (Freyer 2000). Bei Reisen in Entwicklungsländer bleibt oftmals nur ein kleiner Teil der Ausgaben der Touristen im Land (Curtin u. Busby 1999). Denn die touristische Infrastruktur ist dort meist nicht durch Eigen-, sondern durch Fremdkapital finanziert. Die Veranstalter haben durch ihren enormen Umsatz und die oligopolistische Kontrolle der Gebiete verhältnismäßig viel Macht. Stellen die Verantwortlichen in den Zielgebieten zu hohe Ansprüche an die Reiseveranstalter, so kritisieren Umwelt- und Entwicklungsverbände, suchen sich diese neue Urlaubsgebiete, in denen ein unbeschränkter Tourismus möglich ist (Curtin u. Busby 1999). Ein weiteres Problem sehen viele darin, dass der Tourismus für Einheimische oft nur Billig-Jobs schafft. Selbst wenn Einheimische die Hotels besitzen, wird oftmals das Management von Ausländern gestellt (Zimmermann 2003). Zusätzlich
2.3 Auswirkungen des Tourismus
21
besteht die Gefahr, dass das Preisniveau sowie die Grundstücks- und Immobilienpreise in Tourismuszentren steigen. Einheimische, die nicht von einem höheren Einkommen durch den Tourismus profitieren, sehen sich dann mit stark gestiegenen Lebenshaltungskosten konfrontiert (Kirstges 2003). Middleton (1998) problematisiert außerdem, dass große multinationale Unternehmen die Entwicklungen in der Tourismusindustrie und in den Urlaubsgebieten dominieren. Marken wie TUI, Thomas Cook, Club Mediterrane, Center Parks oder auch Themenparks von Walt Disney und den Universal Studios sind in den Medien stark präsent. Diese Großunternehmen sind Vorreiter im Marketing und bestimmen Neuentwicklungen für Produkte, Technologien und Preise. Sie betreiben zudem intensive Marktforschung über Profile und Motive der Reisenden. Diese Daten stehen den Verantwortlichen in den Zielgebieten oft nicht zur Verfügung, obwohl sie nötig wären, um einen nachhaltigen Tourismus zu fördern (Middleton 1998). 2.3.3 Soziale Auswirkungen Ein florierender Tourismus bedeutet für viele Einheimische in Urlaubsregionen ein höheres Einkommen, eine Verbesserung des Lebensstandards und Zugang zu beruflicher Qualifikation. Viele Menschen sind daher auf den Tourismus als Entwicklungsmotor angewiesen, da Industrie und landwirtschaftliche Großbetriebe als Arbeitgeber oftmals fehlen. Im Tourismus Beschäftigte verdienen in Entwicklungsländern im Vergleich zum Durchschnitt des Landes meist überdurchschnittlich gut. Dies kann aber auch dazu führen, dass die soziale Ungleichheit verstärkt wird. Betteln, Kriminalität, Prostitution, und Alkoholismus steigen an. Eine weitere mögliche Folge ist Landflucht. Insbesondere Jugendliche wandern in die Tourismuszentren ab (Kirstges 2003). Nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass kulturelle Traditionen und einheimische Kultur in den Urlaubsregionen aus ihrem historischen Kontext gerissen und kommerzialisiert werden. Ursprüngliche Kulturen und Identitäten werden beeinträchtigt oder gar zerstört (Middleton 1998). Da die Kontakte des durchschnittlichen Touristen zu Land und Leuten meist oberflächlich sind, können sich Vorurteile gegenüber der fremden Kultur festigen (Kirstges 2003). Das folgende Zitat verdeutlicht die Einstellung vieler Touristen: „Having been there is more important than being there“ (Kelly in Kirstges 2003). Dieses Phänomen wird durch die räumliche Isolation der Urlauber in Ferienanlagen z. B. beim All-Inclusive-Urlaub verstärkt. Aber auch ein enger Kontakt zwischen Einheimischen und Touristen kann Probleme schaffen, indem er bei besonders armen Menschen und in sensiblen Kulturen Neid und Missgunst auslöst. (Curtin u. Busby 1999). Durch das Zusammentreffen von Touristen und Einheimischen verändern sich traditionelle Sozialstrukturen, Kultur und Wertevorstellungen (Hellwig 2003). Das bedeutet nicht, dass soziale Auswirkungen durch den Massentourismus in jedem Fall verhindert werden müssen. Sozialer Wandel findet auch ohne Touris-
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2 Die Urlaubsreisen der Deutschen
mus statt. Kulturelle Identität unterliegt keiner musealen Starrheit, sondern ist dynamisch und stets Veränderungen unterworfen. Andererseits kann kaum verhindert werden, dass Wünsche und Erwartungen, die der Tourismus bei Einheimischen auslöst, den sozialen Wandel verstärken und somit Einfluss auf die kulturelle Identität haben. In diesem Zusammenhang macht es einen Unterschied, ob Touristen an Verpflegung, Unterkunft und Infrastruktur dieselben Erwartungen haben wie zu Hause („MacDonaldisierung“) oder ob sie sich gezielt für Produkte aus der Region interessieren. Aber auch Letzteres bedeutet einen Eingriff in die kulturelle Identität – wenn z. B. Gegenstände nicht mehr nur für den eigenen Gebrauch, sondern in großen Mengen als Souvenir hergestellt werden (Zahl u. Götz 2002). 2.3.4 Zwischenfazit Die Urlaubsreisen der Deutschen schaffen Arbeitsplätze im In- und Ausland und sie tragen zum Wirtschaftswachstum vieler Zielregionen bei. Gleichzeitig sind mit dem Tourismus teilweise gravierende, negative soziokulturelle und ökologische Auswirkungen verbunden. Ein Beispiel hierfür sind die wachsenden Klimagasemissionen durch den Flugverkehr. Wirtschaftlich partizipiert die Bevölkerung in einigen Urlaubsländern nicht ausreichend an der touristischen Entwicklung. Aufgrund der prognostizierten Zuwächse im Tourismus verbunden mit einem verschärften Preiskampf werden sich die Gegensätze zwischen Ökologie und Sozialem einerseits und den ökonomischen Interessen andererseits eher verstärken als abschwächen. Eine nachhaltigere Ausrichtung des Massentourismus ist daher zwingend erforderlich. Reiseveranstalter und andere touristische Leistungsträger können durch Produkte, die umwelt- und sozialverträglich sind, den Reisemarkt wesentlich beeinflussen und steuern. Es wird daher in erster Linie von den wirtschaftlichen Akteuren abhängen, ob der Tourismus künftig innovative Wege geht und ob nachhaltige Marketingstrategien und Reiseangebote entwickelt werden. Da die Reisewünsche des Urlaubers immer vielfältiger und zugleich auch differenzierter werden, kann dies nur durch eine maßgeschneiderte – zielgruppenspezifische – Ansprache der Kunden gelingen.
3 Tourismus und Nachhaltigkeit
Die Debatte um Nachhaltigkeit hat nach dem Rio-Gipfel von 1992 auch den Tourismus erfasst, obwohl er weder in den Gipfeldokumenten noch in der Agenda 21 ausdrücklich zur Sprache kommt. Mit dem Tourismus beschäftigten sich erst die Folgekonferenzen zur Umsetzung der Agenda 21 und internationale Konferenzen zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Unter nachhaltigem Tourismus wird danach eine wirtschaftlich tragfähige touristische Entwicklung verstanden, „die eine gleich bleibende oder sogar wachsende Nachfrage bei geringer oder zumindest gleich hoher Belastung der ökologischen und sozialen Umwelt ermöglicht.“ (Schloemer 1999). Dieses Kapitel widmet sich der allgemeinen Debatte um nachhaltige Entwicklung, außerdem der Frage, wie nachhaltiger Tourismus aussehen könnte, vor allem aber auch dem notwendigen Instrumentarium, ohne das ein umwelt- und sozialverträglicher Tourismus nicht möglich ist.
3.1 Das Leitbild der Nachhaltigkeit Seit der Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro im Jahr 1992 besteht in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein breiter Konsens über das Leitbild der „Nachhaltigen Entwicklung“. Nach der Definition des so genannten Brundtland-Berichts ist mit "Sustainable Development" eine Entwicklung gemeint, die den Bedürfnissen heutiger Generationen Rechnung trägt, ohne künftigen Generationen ihre Voraussetzungen der Bedürfnisbefriedigung und Entwicklungsmöglichkeiten zu nehmen: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ (World Commission on Environment and Development, deutsche Fassung: Hauff 1987). Auffällig ist, dass die UNKommission eine Entwicklung fordert, ohne gleichzeitig die Richtung dieser Entwicklung genau zu benennen. Einzige Orientierungsmarke sind die Bedürfnisse der Menschen – sowohl derer, die heute leben als auch derer, die in der Zukunft leben werden (UBA 2002). In der internationalen Debatte ist es über diese allgemeine Formel gelungen, zwei bislang weitgehend getrennt verlaufende Diskurse zu koppeln: den um Naturzerstörung und ökologische Probleme zentrierten Umweltdiskurs mit dem um Armut und ökonomische Probleme zentrierten Entwicklungsdiskurs. Das Besondere am Leitbild der Nachhaltigkeit ist damit die Verknüpfung so unterschiedli-
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3 Tourismus und Nachhaltigkeit
cher, bislang nur getrennt behandelter Aspekte wie die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, die wirtschaftliche Entwicklung oder die soziale Gerechtigkeit. „Nachhaltigkeit“ wurde Mitte der neunziger Jahre als Staatsziel im deutschen Grundgesetz verankert und 1998 in die Präambel des EU-Vertrags aufgenommen. In Deutschland besteht zudem ein breiter Konsens darüber, dass beim Entwurf langfristiger Nachhaltigkeitsstrategien „ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung nicht voneinander abgespalten und gegeneinander ausgespielt werden dürfen", wie es der Sachverständigenrat für Umweltfragen 1994 formulierte. Und weiter: „Soll menschliche Entwicklung auf Dauer gesichert sein, sind diese drei Komponenten als eine immerzu neu herzustellende notwendige Einheit zu betrachten" (SRU 1994). Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie, Soziales In der konkreten Debatte allerdings existieren sehr unterschiedliche Bilder und Modelle dieser drei Säulen und ihrer wechselseitigen Verknüpfungen. Zum einen existieren verschiedene Auffassungen zur Frage, ob es eine Hierarchie der einzelnen Säulen Ökologie, Soziales, Ökonomie gibt und wie sie gewichtet werden. Die Wirtschaft räumt der Ökonomie Priorität ein, für Umweltgruppen stehen ökologische Belange an der Spitze, Gewerkschaften fokussieren auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit (Brand u. Fürst 2002). Zum anderen bestehen konträre Vorstellungen über die Charakteristika der einzelnen Säulen und deren Wechselwirkungen. Nicht zuletzt werden unterschiedliche Auffassungen darüber diskutiert, wie viele Handlungsfelder für eine nachhaltige Entwicklung eigentlich relevant sind. Als Modelle und Bilder von Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung wurden diverse Säulen-Modelle und grafische Symbole konzipiert. Die EnqueteKommission zum „Schutz des Menschen und der Umwelt“ formulierte 1994 ein einflussreiches „Drei-Säulen-Modell“ bzw. ein „magisches Dreieck“ nachhaltiger Entwicklung, welches besagt, dass eine Entwicklung nur dann nachhaltig sei, wenn Umwelt, Soziales und Ökonomie gleichrangig sind und in systematischer Weise miteinander verknüpft werden (Enquete-Kommission 1994). Das „DreiSäulen-Modell“ behandelt die ökologische, soziale und ökonomische Dimension in der Regel gleichwertig; einige Autoren plädieren dafür, dass zusätzlich eine politisch-institutionelle oder kulturelle Dimension einbezogen wird (EnqueteKommission 1994). Bei der Gleichrangigkeitsprämisse werden Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft als „unterschiedlich strukturierte, eigenständige, aber miteinander gekoppelte Subsysteme betrachtet, deren Funktionsfähigkeit und Störungsresistenz es im Interesse künftiger Generationen zu erhalten gilt" (EnqueteKommission 1994). Die Integration einer politisch-institutionellen Dimension hat in den letzten Jahren immer mehr Fürsprecher gewonnen. So wurde der dreidimensionale Erklärungsansatz innerhalb des Indikatorenprogramms der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) um die Komponente „Institutionen“ bzw. „Partizipation“ ergänzt. Damit soll der Relevanz partizipativer Mechanismen und politisch-institutioneller Strukturen zur Umsetzung von Entscheidungen Rechnung getragen werden. Die institutionelle Dimension hat nach Kopfmüller et al. 2001
3.1 Das Leitbild der Nachhaltigkeit
25
eine qualitativ andere Funktion, weil bei ihr die Frage im Mittelpunkt steht, wie eine nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden kann. Die anderen Dimensionen untersuchen dagegen, was nachhaltige Entwicklung aus ökologischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Sicht bedeutet (Kopfmüller et al. 2001). Von der Theorie zur Praxis Über das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung besteht weitgehend Konsens. Ganz anders aber, wenn es um praktische Fragen geht: Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit im politischen und gesellschaftlichen Alltag? Ist es notwendig und sinnvoll, quantitative Zielvorgaben zu formulieren? Wer sind die Akteure von Steuerungsprozessen? Gibt es nachhaltige Entwicklung ohne wirtschaftliches Wachstum? (Kopfmüller et al. 2001). Fraglich ist aber auch – und das interessierte im Rahmen von INVENT ganz besonders – wie konkrete Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung aussehen. Das Umweltbundesamt hat Stellung bezogen und in Anlehnung an die EnqueteKommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ vier Handlungsgrundsätze formuliert, die auch als allgemeine Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung bezeichnet werden können (UBA 1997, 2002): -
Die Nutzung einer Ressource darf auf Dauer nicht größer sein als ihre Regenerationsrate oder die Rate der Substitution all ihrer Funktionen. Die Freisetzung von Stoffen darf auf Dauer nicht größer sein als die Tragfähigkeit der Umweltmedien oder als deren Assimilationsfähigkeit. Gefahren und unvertretbare Risiken für den Menschen und die Umwelt durch anthropogene Einwirkungen sind zu vermeiden. Das Zeitmaß anthropogener Eingriffe in die Umwelt muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu der Zeit stehen, die die Umwelt zur selbst stabilisierenden Reaktion benötigt.
Diese Anforderungen implizieren, dass politische und ökonomische Diskurse zwischen Nord und Süd ausgetragen und globale und lokale Umweltprobleme mit Fragen der Grundbedürfnisse, Verteilungsgerechtigkeit und politischer Partizipation verknüpft werden müssen. Auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene wird dieser Diskurs von Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen getragen, die alle ihre eigenen Interessenslagen und Werte geltend machen. Die Debatte über Nachhaltigkeit lässt sich daher als ein heterogenes, kontrovers strukturiertes Diskursfeld beschreiben (Brand 1997, Brand u. Jochum 2000, Becker u. Jahn 2000). Nachhaltigkeitsforscher weisen darauf hin, dass nachhaltige Entwicklung stets ein Prozess ist und Ziele auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden können. Nachhaltigkeit meint demnach keine gezielte, eingleisige Entwicklung, sondern beschreibt ein „historisch offenes, gesellschaftliches Entwicklungs- und Transformationskonzept“ (Empacher u. Wehling 2002). Dies hat zur Folge, das Dynamik und Qualität der Prozesse in den Mittelpunkt der Nachhaltigkeitsforschung gerückt werden, während das Erreichen eines „nachhaltigen“ Zustandes oder definierter quantitativer Zielvorgaben eher am Rand stehen. Im übertragenen Sinne
26
3 Tourismus und Nachhaltigkeit
wird also der Weg zum Ziel – dies ist gerade auch in Hinblick auf eine nachhaltigere Gestaltung des Tourismus zu beachten. Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung Einfache Aussagen über Voraussetzungen und Anforderungen an Nachhaltigkeit sind wegen der Komplexität und der Dynamik gesellschaftlicher und ökologischer Transformationen nur schwer möglich. Daher erscheint es sinnvoller, nicht nachhaltige Prozesse zu identifizieren und festzulegen, welche Risiken definitiv inakzeptabel und deshalb zu vermeiden sind (Empacher u. Wehling 2002). Doch wie lässt sich beurteilen, ob eine Entwicklung nachhaltig verläuft bzw. woran lässt sich festmachen, dass eine Entwicklung nicht nachhaltig ist? Das Problem bei der Beurteilung ist „nicht ein genereller Mangel an Daten, Materialien und Erkenntnissen [ist], sondern die Schwierigkeit, die relevanten Informationen auszuwählen und in aussagefähigen Größen zusammenzufassen“ (UBA 1997). In Kapitel 40 der Agenda 21 wird daher die Entwicklung von Indikatoren als vordringliche Aufgabe genannt, damit bestehende Informationsdefizite überbrückt werden und eine Grundlage für Entscheidungen entsteht. Indikatoren der Nachhaltigkeit lassen gewissermaßen Rückschlüsse auf den „Gesundheitszustand einer Gesellschaft“ (UBA 1997) zu: Sie können zu einem frühen Zeitpunkt auf Fehlentwicklungen hinweisen und Korrekturbedarf anmahnen. Sie ermöglichen bzw. erleichtern eine vergleichende Analyse der internationalen Entwicklung. Sie ersetzen jedoch weder eine umfassende Untersuchung noch die politische Entscheidungsfindung. Indikatoren „sind auch keine Maßnahme, die Nachhaltigkeit erzeugt. Sie sind nicht mehr und nicht weniger als ein Werkzeug, um ein Ziel besser erreichen zu können, ohne aber selbst Ziel zu sein“ (Danielsson et al. 2001).
3.2 Spezifische Leitbilder und Ziele für den Tourismus Eine Definition für nachhaltigen Tourismus wurde bereits 1990 auf der Globe 90 Conference in Vancouver vorgelegt: „Sustainable tourism development can be thought of as meeting the needs of the present tourist and host regions while protecting an enhancing opportunity for the future.“ (zitiert in Albrecht 1995). Die erste international konsensfähige Definition wurde auf der World Conference on Sustainable Tourism 1995 auf Lanzarote formuliert. Nachhaltiger Tourismus ist danach „langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht für die Einheimischen“ (zitiert in Hellwig 2003). Die Idee des nachhaltigen Tourismus kann somit als Weiterentwicklung der Debatte um einen sanften Tourismus betrachtet werden (Kirstges 2003). Die Wirtschaft hat sich im Rahmen der Umwelterklärung der Spitzenverbände der deutschen Tourismusindustrie zur Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung und einer ökologisch verantwortungsvollen Tourismuspolitik bekannt und sieht in einem nachhaltigen Tourismus „ein grundlegendes Leitbild für die künfti-
3.2 Spezifische Leitbilder und Ziele für den Tourismus
27
ge Entwicklung der Branche“ (BTW et al. 1997). Da eine nachhaltige Entwicklung nur durch einen disziplinübergreifenden Ansatz erreicht werden kann, wird der Komplex Tourismus nun erstmals in ein Gesamtkonzept des Wirtschaftens eingebunden und nicht mehr isoliert von anderen Einflüssen diskutiert (BTW et al. 1997). Die Umwelterklärung der deutschen Tourismuswirtschaft war dabei vor allen Dingen durch die „Agenda 21 for the Travel & Tourism Industry. Towards Environmentally Sustainable Development”, die 1995 vom World Travel and Tourism Council (WTTC) gemeinsam mit dem Earth Council und der United Nations World Tourism Organization (UNWTO) erstellt wurde, geprägt (Müller u. Flügel 1999; Schmied et al. 2002). Die deutschen Umwelt- und Entwicklungsverbände haben 1999 auf der Konferenz für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen folgende Definition vorgelegt: „Nachhaltiger Tourismus ist von den Grundsätzen der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung und den Empfehlungen der Agenda 21 geleitet. Er muss im Einklang mit den relevanten internationalen Abkommen und Erklärungen ausgestaltet sein. Nachhaltiger Tourismus muss soziale, kulturelle, ökologische und wirtschaftliche Verträglichkeitskriterien erfüllen. Nachhaltiger Tourismus ist in Bezug auf heutige wie auf zukünftige Generationen -
ethisch und sozial gerecht und kulturell angepasst, ökologisch tragfähig sowie wirtschaftlich sinnvoll und ergiebig.“ (zitiert nach ÖTE 2001)
Um zu wissen, welche spezifischen Anforderungen für das Themenfeld Tourismus relevant sind bzw. in welche Richtung die Veränderungen gehen sollen, ist es unerlässlich, Ziele zu formulieren. Hilfreich erscheint hierbei die Definition von Willi Sieber. Er subsummiert „forms of use of space and resources that avoid or minimise ecologically irreversible impacts; that helps to create lasting economic structures for the local populations; that respects local cultural identities; that supports socially equitable and democratic structures; and thus generally makes a contribution to sustaining spaces and resources for future human settlement, cultural life, acceptable economic activity and the world of nature.“ (Sieber 2001) Die folgenden Anforderungen sind Basis für eine Balance der Dimensionen Ökonomie, Ökologie, Kultur und soziale Beziehungen im Tourismus (Sieber 2001): -
Umweltverträgliche Mobilitätsstrukturen; Erhaltung der Natur/ Landschaftspflege: kultivierbares Land, Wasser, Küstengebiete, Bergregionen, usw.; Sozial verträgliche Arbeits- und Lebensbedingungen; Respekt vor kultureller Identität; Bewusstsein für regionale Zyklen; Nachhaltiger Gebrauch von regionalen Ressourcen (Energie, Wasser, Nahrung usw.).
In eine ähnliche Richtung geht das von Müller/Flügel 1999 entwickelte Zielsystem eines nachhaltigen Tourismus (siehe auch Abb. 3.1):
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3 Tourismus und Nachhaltigkeit -
-
-
-
Subjektives Wohlbefinden der einheimischen Bevölkerung: Die Förderung des Wohlbefindens der Einheimischen kann z. B. durch eine stärkere Partizipation an den Wohlfahrtswirkungen des Tourismus erreicht werden; Gestaltungsrecht zukünftiger Generationen: Die Lebenschancen sind gerecht zu verteilen, damit Entwicklungsperspektiven für kommende Generationen erhalten bleiben; Wirtschaftlicher Wohlstand: Ziel ist eine stabile wirtschaftliche Entwicklung; Optimale Bedürfnisbefriedung der Gäste: Ziel sollte eine optimale Kundenorientierung sein, die auf einer Analyse der Gästestruktur und den daraus resultierenden Erkenntnissen der Bedürfnisse und dem Verhalten der Gäste basiert; Intakte Kultur: Vielfalt des kulturellen Schaffens ist anzustreben. Kulturgüter sollen erhalten und gefördert werden; Intakte Natur und Ressourcenschutz: Ziel ist, die ökologischen Belastungen, die durch Tourismusaktivitäten hervorgerufen werden, zu verringern. Gestaltungsrecht zukünftiger Generationen
Wirtschaftlicher Wohlstand
Subjektives Wohlbefinden der einheimischen Bevölkerung
Intakte Natur, Ressourcenschutz
Optimale Bedürfnisbefriedigung der Gäste
Intakte Kultur
Abb. 3.1 Magische Fünfeckpyramide einer nachhaltigen touristischen Entwicklung (Müller u. Flügel 1999)
Ein stärker praxisorientierter Ansatz für nachhaltigen Tourismus könnte nach ÖTE 2001 folgendermaßen aussehen: -
Aktivitäten, die Wasser, Boden, belebte Natur oder die Atmosphäre beeinträchtigen oder dauerhaft schädigen, werden unterlassen; Umweltfreundliche Fortbewegungsformen erhalten bei der Anreise und vor Ort grundsätzlich den Vorzug; Das Einkommen der Bevölkerung der Zielregion wird gesichert; Eine nachhaltige Entwicklung wird auch in der Zielregion angestrebt; Keine Ausbeutung von Beschäftigten der Tourismusindustrie;
3.3 Vom Leitbild zu den Indikatoren -
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Gerechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für die im Tourismus Beschäftigen; Die vor Ort lebende Bevölkerung ist in die Planung und Ausführung von touristischen Projekten einbezogen.
In der Praxis kann keine Urlaubsreise alle diese Anforderungen gleichzeitig und vollständig erfüllen. Im Sinne der dynamischen Entwicklung, die jeder Nachhaltigkeit zugrunde liegt, geht es aber weniger um den optimalen Endzustand, sondern vielmehr um die einzelnen Schritte hin zum Ziel. Um entscheiden zu können, ob der Weg tatsächlich zu „More Sustainable Tourism“ führt, werden Indikatoren benötigt. Welche Indikatoren hierfür vorliegen und geeignet sind, wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.
3.3 Vom Leitbild zu den Indikatoren Grundvoraussetzung für die Identifikation nachhaltiger Marketingstrategien und Tourismusangebote ist es, die Ziele des nachhaltigen Tourismus mit Hilfe geeigneter Indikatoren zu konkretisieren. Dabei bildet das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, wie in Kapitel 3.2 dargestellt, den Rahmen, es ist zugleich Ausgangspunkt und Ziel der wissenschaftlichen Modelle zur Operationalisierung (Baumgartner u. Röhrer 1998; Hopfenbeck u. Zimmer 1993). Grundlage der meisten wissenschaftlichen Modelle zur Evaluierung nachhaltiger Entwicklung und Überprüfung der Nachhaltigkeit von Marketingstrategien und Angeboten sind modulare Systeme (siehe Abb. 3.2), die Thesen in einer hierarchischen Struktur zusammenführen. Die oberste Ebene stellt das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung dar. Das Leitbild wird durch Oberziele konkretisiert, die Grundlage der Kriterienbildung sind. Die unterste Ebene besteht aus Indikatoren, mit denen sich die Erfüllung des einzelnen Kriteriums messen lässt. Wie in Abb. 3.2 verdeutlicht wird, bestehen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Dimensionen, Zielen, Kriterien und Indikatoren. Teil der ökologischen Dimension ist beispielsweise eine Senkung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Ressourcen. Auch aus ökonomischer Sicht ist dieses Ziel sinnvoll, wenn sich dadurch die Kosten der eingesetzten Ressourcen verringern. Für die Beurteilung touristischer Angebote ist zunächst entscheidend, quantifizierbare Kriterien zu präzisieren und zu standardisieren, um über die Indikatoren differenzierte Aussagen machen zu können. Dabei sollte die Operationalisierung nach Conrad folgende Kriterien berücksichtigen (Conrad 1993): -
Konsistenz, Anschlussfähigkeit, Kompatibilität, Interessenbezug, gesellschaftliche Durchsetzungsfähigkeit.
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3 Tourismus und Nachhaltigkeit
Leitbild Dimension A Ziel 1
Kriterium 1
Indikator 1
Kriterium 2
Dimension B Ziel 2
Ziel 3
Kriterium 3
Indikator 2
Dimension C Ziel 4
Kriterium 4
Indikator 3
Kriterium 5
Indikator 4
Abb. 3.2 Ebenen der Leitbildkonkretisierung (Baumgartner u. Röhrer 1998; Becker et al. 1996; Hopfenbeck u. Zimmer 1996; eigene Darstellung)
Vor diesem Hintergrund müssen Indikatoren eine solide Grundlage für Entscheidungen schaffen, die eine Kontrolle des Erreichten und eine Abwägung zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien zulassen (Losang 2000). Becker, Job und Witzel konzipierten ein solches System, das zuerst Hauptziele definiert (Becker et al. 1996). Sie werden den entsprechenden Dimensionen des Leitbildes zugeordnet. Anschließend werden Teilzielebenen betrachtet, die das Hauptziel beeinflussen können. Aus diesen werden messbare und überprüfbare Indikatoren entwickelt (Becker et al. 1996). Auch in anderen wissenschaftlichen Betrachtungen wird von solchen Indikatorenmodellen gesprochen, u. a. bei Hopfenbeck/Zimmer, die ein so genanntes Warn- und Chancenmodell für eine Fremdenverkehrsregion definieren (Hopfenbeck u. Zimmer 1993). Nachhaltigkeitskriterien und Indikatoren im Tourismus Im wissenschaftlichen Bereich gibt es eine Vielzahl von Ansätzen zur Operationalisierung des Leitbildes eines nachhaltigen Tourismus in Form von Zielen, Kriterien und Indikatoren. Im Rahmen von INVENT wurden die vorliegenden Publikationen zu diesem Thema gesichtet, strukturiert und zusammengefasst. Im Folgenden werden für die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales die wichtigsten Kriterien und Indikatoren vorgestellt. Eine Darstellung aller Arbeiten würde den Rahmen dieser Publikation jedoch sprengen. Ökologische Kriterien sind für eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus unabdingbar. Deshalb wird gerade die ökologische Dimension in vielen Modellen in den Vordergrund gerückt (Baumgartner 2000). Gleichzeitig gibt es für den ökologischen Bereich zahlreiche Ansätze aus der touristischen Praxis, in denen Krite-
3.3 Vom Leitbild zu den Indikatoren
31
rien und Indikatoren entwickelt wurden. Als Beispiele können hier genannt werden (ÖTE 2008; DTV 2005; Schmied u. Zimmermann 2004; Baake et al. 2002): -
-
-
-
-
Indikatorenkataloge im Zusammenhang mit Umweltkennzeichen und Umweltgütesiegel: z. B. für die Umweltdachmarke Viabono, das EU-Projekt VISIT (Voluntary Initiatives for Sustainability in Tourism) sowie die Gütesiegel Blaue Flagge, Grüner Koffer oder Schwalbe; Kriterienkataloge für touristische Leistungsträger: z. B. DEHOGA Kriterienkatalog zur umweltfreundlichen Betriebsführung im Gastgewerbe, DEHOGA Energiekampagne Gastgewerbe; Leitfaden für Campingplätze von ECOCAMPING; Kriterienkataloge von Reiseveranstaltern: z. B. Nachhaltigkeitskriterien des forum anders reisen e.V. als Aufnahmebedingung von Mitgliedern; CheckListe für TUI-Hotels; Anforderungen aufgrund von Umweltmanagementsystemen: z. B. unternehmensinternes Umweltmanagementsystem der TUI Group; EMAS von Studiosus; Handlungsempfehlungen für Verbraucher: z. B. Einkaufsführer „Bewusst Reisen“ der VERBRAUCHER INITIATIVE e.V., des WWF und des VCD.
Neben den allgemeinen Aspekten werden Bereiche wie Gästeaktivitäten, Infrastruktur, Verkehr, Beherbergung, Produktpolitik und Marketing in diesen Praxisbeispielen adressiert. Eine Gliederung bzw. Strukturierung der vorliegenden Kriterienkataloge wird dadurch erschwert, dass beispielsweise bereits bei der Betrachtung der „Teilleistung Beherbergung“ die Kriterien unterschiedlich detailliert gegliedert sind. Auch Versuche, die verschiedenen Kriterienkataloge im Tourismus zu werten und zu vereinheitlichen, sind gescheitert. Tabelle 3.1 Beispiele ökologischer Oberziele, Kriterien und Indikatoren (Baake et al. 2002; eigene Darstellung) Oberziel Reduzierung der Treibhausgasemissionen
Kriterium
Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel bei der An- und Abreise Reduzierung des Wasser- und EnergieRessourcenverbrauchs verbrauch der Hotellerie und Parahotellerie Reduzierung des Energiesparmaßnahmen Ressourcenverbrauchs der Unterkunftsanbieter Vermeidung negativer Auswirkungen Flächenverbrauch durch auf die Biodiversität touristische Unterkünfte Vermeidung negativer Auswirkungen Nutzung natürlicher Lebensräume auf die Biodiversität Ökologische Produktpolitik Nachhaltigere Reiseangebote
Indikator Prozentualer Anteil der Reisenden, die mit dem ÖV angereist sind Wasser- und Energieverbrauch pro Hotelgast und Nacht Abwassermenge Bettenzahl, Geschoßzahl Anteil der Naturnutzung bei Ausflügen etc.; Anteil nachhaltiger Reisen am Gesamtproduktprogramm
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3 Tourismus und Nachhaltigkeit
Trotzdem können für die ökologische Dimension zentrale Themen identifiziert werden: Landschaftsnutzung, Rohstoff- und Ressourcenverbrauch, natürliche Nachwuchsrate, Mobilität und deren Auswirkungen, Anfall an Rest- und Abfallmengen. In der Tabelle 3.1 sind für den Bereich Ökologie beispielhaft in der Literatur genannte Oberziele, Kriterien und Indikatoren für nachhaltigen Tourismus aufgeführt. Ökonomische Kriterien bergen Konfliktpotential. Kritiker einer nachhaltigen Tourismusentwicklung sind der Überzeugung, dass Ökonomie und Ökologie im Massentourismus Gegenspieler sind und immer sein werden. Wichtige ökonomische Auswirkungen des Tourismus sind sein Beitrag zur Wertschöpfung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Beide Effekte sind gut messbar. Je höher die Wertschöpfung und je größer der Arbeitsplatzeffekt, umso größer ist die ökonomische Bedeutung einer Destination. Tabelle 3.2 macht die recht enge Betrachtung der ökonomischen Aspekte einer nachhaltigen Tourismusentwicklung deutlich. Die wesentlichen Grundannahmen sind: -
die Steigerung des Wirtschaftsfaktors Tourismus, die gerechte Verteilung der ökonomischen Zielgrößen Gewinn und Umsatz auf alle am Tourismus Beteiligten, die Bevorzugung von wirtschaftlich weniger starken Anbietern und die Partizipation aller Akteure an den wirtschaftlichen Folgen des Tourismus.
Tabelle 3.2 Beispiele ökonomischer Oberziele, Kriterien und Indikatoren (Baake et al. 2002; eigene Darstellung) Oberziel
Kriterium
Indikator
Stärkung der regionalen Wirtschaft
Berücksichtigung lokaler Anbieter
Stärkung der regionalen Wirtschaft
Stärkung der Klein- und Mittelständischen Wirtschaft (KMU) Stabile Wirtschaft durch den Tourismus
Anteil der angeboten Dienstleistungen von lokalen Anbietern Anteil der KMU am Gesamtprodukt
Beitrag zur Wertschöpfung Schaffung von Beschäftigung (im Reiseland) Teilhabe der Bevölkerung am Tourismus
Anteil des Tourismus am BIP; Steuereinnahmen des Tourismus Direkte und indirekte tou- Anzahl der Arbeitsplätze im ristische Arbeitsplätze Tourismus; Anteil an den Arbeitsplätzen im Reiseland Wertschöpfung des Reise- Anteil des Reiselandes an landes der gesamten Wertschöpfung einer Reise
Aus wirtschaftlicher Sicht ist für die Zielländer maßgeblich, welcher Nettodeviseneffekt sich durch den Tourismus ergibt, d. h. welche Differenz aus zusätzli-
3.3 Vom Leitbild zu den Indikatoren
33
chen Deviseneinnahmen und zusätzlichen Devisenausgaben besteht. Daraus kann geschlossen werden, wer am meisten von der touristischen Wertschöpfung partizipiert. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der ökonomischen Dimension sind vor allem unternehmensinterne Ziele zu berücksichtigen. Auch bei Tourismusunternehmen stehen die klassischen Thesen des Shareholder-Value und Stakeholder-Value im Vordergrund: langfristige Stärkung der Eigenkapitalrendite, Gewinnmaximierung, Zufriedenheit der Mitarbeiter, langfristige Existenzsicherung (Schaltegger et al. 2000). Die soziale Dimension ist ein besonders komplexes Feld. Soziale Systeme sind immer dynamisch und werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst, daher sind die spezifischen sozialen Auswirkungen des Tourismus schwerer abgrenzbar. „Harte“, messbare Größen analog zum ökologischen und ökonomischen Bereich sind hier kaum fassbar. Doch der Tourismus lebt von Menschen und für Menschen und hat in vielen Urlaubsregionen große soziale Auswirkungen. Daher sind soziale Indikatoren untrennbar mit der Grundstruktur eines nachhaltigen Tourismus verbunden. Zudem haben soziale Fragen oft Schnittmengen mit ökonomischen Zielen und Kriterien. Die wirtschaftliche Partizipation der Bevölkerung am Tourismus – eigentlich ein ökonomisches Ziel – ist beispielsweise gleichzeitig auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Die Beispiele sozialer Oberziele und Kriterien, wie sie in Tabelle 3.3 aufgeführt sind, zeigen diese Problematik. Die Indikatoren weichen durch ihre Subjektivität deutlich voneinander ab. Neben den Kerndimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales definiert die Wissenschaft weitere Dimensionen eines nachhaltigen Tourismus. Eine separate Darstellung erweist sich als sinnvoll, zumal auch Aspekte benannt werden, die nicht in die klassische Dreiteilung einzuordnen sind, sondern ganzheitlich wirken, z. B.: -
unbeschränkter Informationszugang für alle Interessierten, Entwicklung von neuen Strukturen für die Entscheidungsfindung, Verwendung neuer Kommunikationsmedien zur Vernetzung der Beteiligten, Förderung von Innovationen, Offenheit des touristischen Konzeptes für neue Entwicklungen, kritisches Hinterfragen des Ausmaßes an Mobilität.
Die Implementierung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die praktische Arbeit von Unternehmen und Institutionen ist eine Herausforderung – gerade, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich dagegen häufig mit der Indikatorenentwicklung und werden im Anschluss nicht entsprechend angewendet bzw. operationalisiert (Becker et al 1996). Praktische Ansätze werden dagegen meist aus Sicht konkreter Produkte analysiert und bewertet. Allerdings ermöglicht nur eine nachvollziehbare, praktische Umsetzung und Anwendung der theoretischen Modelle eine Evaluierung touristischer Angebote (Baumgartner 2000). Die Herausforderung besteht also darin, wissenschaftlich be-
34
3 Tourismus und Nachhaltigkeit
lastbare Ziele und Kriterien für einen nachhaltigen Tourismus zu definieren, die auch in der Praxis anwendbar sind. Tabelle 3.3 Beispiele sozialer Oberziele, Kriterien, und Indikatoren (Baake et al. 2002; eigene Darstellung) Oberziel
Kriterium
Indikator
Zufriedenheit der Bereisten und Reisenden
Schaffung besserer Lebensbedingungen durch den Tourismus Reiseangebote, um Land und Leute kennen zu lernen Stärkung strukturschwacher Regionen
stark subjektiv
Interkultureller Austausch Teilhabe der Bevölkerung am Tourismus
Anzahl entsprechender Angebote in einer Zieldestination Wirtschaftsstärke der Region
3.4 Nachhaltigkeit und Massentourismus Nach Auffassung des Vereins „Ökologischer Tourismus in Europa“ kann Massentourismus in seiner modernen Ausprägung nicht nachhaltig sein. Denn Massentourismus bringt zwangsläufig Umweltveränderungen und Umweltbelastungen mit sich (ÖTE 2001). Im Sinne eines dynamischen Nachhaltigkeitskonzepts geht es allerdings nicht um die Frage, ob der Tourismus generell nachhaltig ist oder nicht. Vielmehr geht es darum, wie bestehende Angebote und Strukturen umwelt- und sozialverträglicher gestaltet werden können. Die Aufgabe besteht also darin, Wege und Strategien aufzuzeigen, wie Nachhaltigkeit im konventionellen Tourismus kurz- , mittel- und langfristig erreicht werden kann. Dieses Konzept des „More Sustainable Tourism“ im Volumenmarkt ist auch deshalb notwendig, weil nachhaltige Reiseangebote mit weniger als 1 % bisher einen verschwindend geringen Marktanteil besitzen (UNWTO 2001). Der Charme dieses Konzeptes liegt somit darin, dass eine große Zahl an Reisenden adressiert werden kann und damit auch kleine Verbesserungen bereits große Effekte besitzen können. In der Masse liegt also die Stärke. Um beurteilen zu können, ob eine Maßnahme zu mehr Nachhaltigkeit führt, sind geeignete Ziele und Kriterien als Orientierungshilfen notwendig. In Abb. 3.3 sind die in der Literatur am häufigsten genannten Ziele für die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales aufgeführt. Diese Ziele sind geeignet, nachhaltige Veränderungen im Massenmarkt zu beschreiben. Nachhaltiger Tourismus im Massenmarkt bedeutet aber auch, dass es kaum möglich ist, gleichzeitig in allen Bereichen Verbesserungen zu erreichen. Dies gelingt selbst erfahrenen Anbietern von Spezialreisen nicht: Eine zweiwöchige Studienreise nach Costa Rica, die Urlaubern Land, Kultur und Natur näher bringt, ist zwar aus ökonomischer und sozialer Sicht durchaus positiv zu bewerten. Ökologisch gesehen aber erzeugen solche Fernreisen hohe Treibhausgasemissionen und schneiden damit schlechter ab als eine Woche Strandurlaub auf Mallorca.
3.4 Nachhaltigkeit und Massentourismus
35
Stärkung der regionalen Wirtschaft Beitrag zur Wertschöpfung (des Reiselandes)
Ökonomische Ziele
Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Biodiversität
Teilhabe der Bevölkerung am Tourismus
Nachhaltige Entwicklung
Ökologische Ziele Reduzierung des Ressourcenverbrauches
Schaffung von Beschäftigung (im Reiseland)
Reduzierung der Treibhausgasemissionen
Soziale Ziele Zufriedenheit der Reisenden und Bereisten
Interkultureller Austausch
Abb. 3.3 Zentrale Ziele für nachhaltigen Tourismus im Massenmarkt (eigene Darstellung)
Sicher ist auch, dass die Verlagerung der Touristenströme von einer touristischen Region in eine andere nur selten zu einer Verbesserung der sozialen Situation führt. Gerade für Regionen, die in hohem Maße vom Tourismus abhängen, wäre dies zudem aus sozialer Sicht schwer vertretbar. Allerdings gilt sowohl für den Nischen- als auch für den Massenmarkt, dass Erfolge bei einzelnen Zielen nicht zu deutlichen Verschlechterungen bei anderen Zielen führen dürfen – dies würde die Balance von Ökologie, Ökonomie und Sozialem schnell aushebeln.
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
Touristische Unternehmen wie Reiseveranstalter, Hotels, Verkehrsunternehmen und Dienstleister sind Schlüsselakteure für einen umwelt- und sozialverträglichen Tourismus. Sie können durch ihre Produkte den Reisemarkt gezielt und langfristig beeinflussen, verändern und steuern. Dies ist umso bedeutender, da Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei der Reiseentscheidung der Urlauber meist eine untergeordnete Rolle spielen. Gleichzeitig ist die Tourismuswirtschaft wie kaum eine andere Branche auf eine intakte Umwelt für eine langfristige und ökonomisch erfolgreiche Entwicklung angewiesen. Der Tourismus als Querschnittsdisziplin hatte schon immer soziale, ökologische, ethnische und normative Aspekte zu berücksichtigen; dadurch eröffnet sich für die Branche eine direkte Verbindung zu den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung (Freyer 2001; Kreilkamp 1998). Diese Herausforderungen stellen die Unternehmen aber vor eine anspruchsvolle Aufgabe: Wie vermarkte ich erfolgreich ein Angebot, das Erholung, Abenteuer oder einzigartige Erlebnisse zu einem akzeptablen Preis verspricht, gleichzeitig aber die Umwelt im Zielgebiet so wenig wie möglich beeinträchtigt und sozialverträglich ist? Diese Frage macht deutlich, dass es Konkurrenzbeziehungen zwischen den traditionellen ökonomischen Zielen eines Unternehmens und denen der Nachhaltigkeit gibt: Bei der Nachhaltigkeit ist ökonomischer Gewinn nur eine von mehreren Säulen, der Hand in Hand mit Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit gehen muss. Die Etablierung neuer Managementstrukturen ist damit eine Grundvoraussetzung, um nachhaltiges Wirtschaften im Tourismus umzusetzen. Im Rahmen von INVENT wurde untersucht, wie Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung in die strategische Marketingplanung von touristischen Unternehmen integriert werden können. Dieses Kapitel zeigt auf, wie die für andere Produkte und Dienstleistungen entwickelten Ansätze zur nachhaltigen Gestaltung von Massenmärkten in das Marketing von touristischen Unternehmen integriert werden können. Ausgehend vom Stand des Marketings im Tourismus (siehe Kapitel 4.1) werden die Strategien der Reiseveranstalter aufgezeigt (siehe Kapitel 4.2). In Kapitel 4.3 werden die verschiedenen Ansätze für eine nachhaltige Gestaltung des Massenmarktes vorgestellt, bevor in Kapitel 4.4 Schlussfolgerungen für ein nachhaltiges Marketing im Tourismus gezogen wird.
38
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
4.1 Marketing und Tourismus Lange Zeit wuchs der Tourismus quasi von selbst, weshalb die Bedeutung eines gezielten Marketings – im Vergleich zu anderen Branchen wie dem Konsumgütermarkt – relativ gering war (Kreilkamp 1998). Bis ca. 1980 bestand das konventionelle Marketing im Wesentlichen darin, die vorhandenen Kapazitäten zu verteilen, denn die Nachfrage wuchs stärker als das Angebot. Die Tourismuswirtschaft galt als eine Wachstumsbranche par excellence (Freyer 2001). Erst Anfang der 80er Jahre ging die Nachfrage zurück und das Angebot stagnierte. Zu dieser Zeit entstanden erste Ansätze für eine moderne Verkaufsstrategie, die Freyer als „instrumentelles Marketing“ bezeichnet hat. Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahre boomte der Tourismus abermals stark und drängte die Bedeutung des Marketings erneut zurück. Seit Mitte der 90er Jahre verändert sich das Bild: Der Tourismus schrumpft. Gleichzeitig gibt es Überkapazitäten zum Beispiel durch zahlreiche Angebote in den neuen Bundesländern. Seither ist eine gezielte Werbung unverzichtbar für die touristische Entwicklung. Marketing betreiben heute nicht nur Touristikunternehmen, sondern auch Fremdenverkehrsämter, Verbände und Kommunen – spezielle Ausprägungen wie Stadt-Marketing, Schlösser-Marketing, Kultur-Marketing gelten gar als Motor für die touristische Entwicklung in vielen Regionen (Freyer 2001). Die wichtigste Veränderung dabei ist die Neuausrichtung: Das Marketing orientiert sich heute gezielt hin zur Nachfrageseite und zum Markt. MarketingManagement wurde zum neuen Begriff für erfolgreiches Agieren am Markt. Mit anderen Worten: Für touristische Unternehmen ist es seither nicht nur notwendig, sich konsequent am Kunden zu orientieren, sondern konkrete Wünsche und Erwartungen zu erkennen und in entsprechenden Angeboten aufzugreifen. Auch die Ausdifferenzierung der Reisewünsche macht eine zielgruppenspezifische Ansprache der Urlauber unverzichtbar (Kreilkamp 1998; Freyer 2001). 4.1.1 Mit Strategie am Markt Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch strategische Marketingplanung aus. Sie stellen sich auf veränderte Rahmenbedingungen und Bewegungen im Markt ein. Der Begriff „strategisch“ impliziert, dass das einzelne Unternehmen die Initiative ergreift, um Wettbewerbern einen Schritt voraus zu sein. Strategische Planung ist folglich „ein managementbetriebener Prozess, bei dem die Ziele und Ressourcen des Unternehmens an die sich ändernden Marktchancen angeglichen werden. Die strategische Planung bezweckt, die verschiedenen Geschäftseinheiten und Produktgruppen des Unternehmens so zu gestalten und auch umzugestalten, dass sie in ihrer Gesamtheit angemessene Gewinne und ein zufriedenstellendes Wachstum hervorbringen“ (Kotler u. Bliemel 1992). Bei der Frage, welche Schritte das strategische Marketing im Tourismus umfasst, unterscheiden sich die Antworten verschiedener Autoren. Nach Freyer ist
4.1 Marketing und Tourismus
39
das strategische Management eingebettet in einen mehrstufigen MarketingManagement-Prozess, welcher aus der Analyse-, Konzeptions-, Gestaltungs-, Realisierungs- und Kontrollphase besteht. Die verschiedenen Phasen werden mehrfach durchlaufen, so dass der Autor von einem Kreislaufmodell des TourismusMarketings spricht (Freyer 2001). Nach Haedrich setzt das strategische Management die auf normativer Planungsebene entwickelten Philosophien und Leitbilder um. Die allgemeinen unternehmenspolitischen Grundsätze werden zu Zielen konkretisiert, aus denen sich dann Organisationsstrukturen und Führungssysteme ableiten lassen. In der operativen Managementphase vollzieht sich die taktische Verwirklichung der strategischen Planung (Haedrich et al. 1998). Kuß und Tomczak unterscheiden in ihrem Prozess vier Phasen, die auf internen und externen Analysen basieren (Kuß u. Tomczak 2001). An die marktorientierte Unternehmensplanung schließen sich marktorientierte Geschäftsfeldplanung, Marketing-Mix-Planung sowie abschließend Implementierung und Kontrolle an. Die Unternehmensplanung stützt sich wie bei Haedrich auf allgemeine Grundsätze, jedoch auch auf Informationen über Markt und Wettbewerber. In der Geschäftsfeldplanung wird für jeden Bereich eine Strategie formuliert, auf die später die Instrumente des Marketings abgestimmt werden (Kuß u. Tomczak 2001).
Zielsetzung
Prognose und Strategische Frühaufklärung
Situationsanalyse
Ableitung der Strategie
nein
Zieladäquate Strategie
nein
ja Detail-und Maßnahmenplanung
Realisation
Kontrolle/ Abweichungsanalyse
Abb. 4.1 Prozess der strategischen Marketingplanung (Kreilkamp 1998)
40
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
Insgesamt lässt sich die Marketingplanung in sechs Planungsschritte fassen, die je nach Modell unterschiedlich starke Bedeutung haben (siehe Abb. 4.1) (Kreilkamp 1998). Am Anfang steht die Festlegung der unternehmerischen Ziele. In der anschließenden Analysephase werden sowohl Probleme definiert als auch Stärken und Schwächen erfasst. Die Prognosephase dient der frühzeitigen Diagnose künftiger Entwicklungen im Tourismus. Auf der Basis der Analyseergebnisse erfolgt die Ableitung der eigentlichen Strategie. Daran schließt die Detail- und Maßnahmenplanung an. Durch die Kontrolle findet eine Rückkopplung zu den einzelnen Planungsphasen statt (Kreilkamp 1998). 4.1.2 Marketingphasen im Detail Ziele setzen Die Ziele für das Marketing werden auf unterschiedlichen Ebenen bestimmt. Ein touristisches Einzelunternehmen bestimmt quantitative (operative) und qualitative (normative) Ziele, die wiederum mit strategischen Zielen verbunden werden. Die Besonderheit im Tourismus besteht darin, dass lokale und überregionale Ziele in die Ziele einzelner Unternehmen eingebunden werden (wie z. B. die Ziele einer Destination und die der ansässigen Hotels). Auch spielen Leitbilder bei einem modernen Marketing eine immer größere Rolle. Dazu gehören z. B. auch die Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tourismusindustrie und die Erhaltung von Umwelt, Natur und Landschaft als Grundlage des Tourismus (Freyer 2001). Da intakte natürliche Ressourcen eine wesentliche Grundlage für den Tourismus sind, steht das Thema Umwelt schon seit langem im Mittelpunkt der Diskussion. Umstritten ist jedoch, ob und wie die unterschiedlichen und auch zum Teil gegenläufigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Einzelaspekte in der Praxis gewichtet werden sollen. Ziele, die sowohl „für die an den wirtschaftlichen Leistungen des Unternehmens interessierten Anspruchsgruppen als auch für andere gesellschaftliche Bezugsgruppen Nutzen stiften“ (Kuß u. Tomczak 2001), gelten als unternehmerisches Optimum (Stakeholder-Ansatz). Im Gegensatz dazu steht der Shareholder-Ansatz, der insbesondere Aktionärsinteressen befriedigt. Da die Fokussierung auf wirtschaftlichen Erfolg im Wesen der Aktiengesellschaft verankert ist, drängt sich die Frage auf, ob Tourismusunternehmen generell für den Börsengang geeignet sind (Kuß u. Tomczak 2001). Im nachhaltigen Tourismus werden oft qualitative Ziele beschrieben, welche die Leitbilder eines Unternehmens darstellen und die eine Grundlage für dessen Verhalten gegenüber Mitbewerbern, Gästen, Mitarbeitern und der Bevölkerung am Urlaubsort bilden. So ist eine zentrale Frage, welche davon sich Reiseveranstalter zu Eigen machen und wie sie kommuniziert werden (Freyer 2001).
4.1 Marketing und Tourismus
41
Analyse der Ausgangssituation und künftiger Entwicklungen Für eine effiziente Marketingplanung ist die Analyse der momentanen Situation des Unternehmens und der globalen Rahmenbedingungen notwendig. Aufgabe der Situationsanalyse ist die Bestimmung der strategischen Ausgangssituation und das Erkennen aktueller und latenter strategischer Probleme. Sie bezieht nicht nur die heutige Situation ein, sondern richtet ihren Blick auch in die Zukunft (Kreilkamp 1998). Abb. 4.2 gibt einen Überblick über verschiedene Aspekte einer Situationsanalyse. Um touristische (nachhaltige) Angebote besser vermarkten zu können, ist eine genaue Kenntnis des Marktes von Bedeutung. Daher kommt der Analyse der Bedürfnisse der Reisenden und des Kaufverhaltens der Kunden eine zentrale Bedeutung zu. Im Rahmen der Marktanalyse sind daher beispielsweise folgende Fragen zu beantworten (Kreilkamp 1998): -
Welche Bedürfnisstruktur weisen die derzeitigen Kunden des Marktes auf? Wie werden die Bedürfnisse heute befriedigt? Wie informieren sich die Kunden? Wie erfolgt die Kaufentscheidung durch die Kunden? Welche Untergruppen von Kunden (Zielgruppen) sind zu unterscheiden?
Situationsanalyse
Globale Umwelt politische Rahmenbedingungen ökologische Rahmenbedingungen wirtschaftliche Rahmenbedingungen gesellschaftliche Rahmenbedingungen technologische Rahmenbedingungen
Regulative Gruppen Kapitalgeber Arbeitnehmer Verbände Gewerkschaften Staatliche Institutionen
Marktanalyse Nachfrage Bedürfnisse und Nachfrageverhalten Kaufentscheidungsprozesse Kundenanalyse Zielgruppenabgrenzungen Angebot Produktgestaltung Produktdarstellung Vertriebssystem Entwicklung der Märkte
Wettbewerbsanalyse Geschäftssystemanalyse Imageanalyse
Lieferantenanalyse Struktur und Qualität der Lieferanten
Stärken-/ Schwächenanalyse Erfolgsfaktoren der Wettbewerber Strategien der Wettbewerber
Unternehmensanalyse Portfolio-Analyse Kostenanalyse Gemeinkostenwertanalyse Analyse der Wirkung marketingpolitischer Instrumente Chancen-/RisikenAnalyse
Abb. 4.2 Analyse der strategischen Ausgangssituation (Kreilkamp 1998)
Im Rahmen der Marktanalyse erfolgt für die touristischen Unternehmen eine Unterteilung des Marktes in Gruppen. Das wird als Marktsegmentierung bezeichnet, da es sich um eine Aufteilung des relevanten Marktes in „deutlich abgegrenzte (homogene) Marktsegmente oder Teilmärkte“ handelt (Freyer 2001). Da dabei meist die Kunden in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, wird der Begriff der Marktsegmentierung oft auf die Zielgruppe bezogen angewandt. Das Leitbild des Marketings hat sich durch diese Segmentierung von einer „Massenmarktbetrachtung“ zur „Zielgruppenorientierung“ gewandelt. Früher produzierten die Betriebe möglichst viel für einen großen Markt und waren über nied-
42
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
rige Preise erfolgreich. Im modernen Marketing mit seinen vielen Mitspielern steht die Idee der Marktsegmentierung im Vordergrund. Man geht davon aus, dass kein Unternehmen mit einem Produkt alle Wünsche der Kunden befriedigen kann. Im konventionellen Marketing waren möglichst große Märkte von Interesse. Im modernen Marketing spielen die kleinen und/oder deutlich abgegrenzten Märkte eine wichtige Rolle (Freyer 2001). Eine zentrale Aufgabe innerhalb der Marktanalyse ist es somit, die Bedürfnisse dieser Zielgruppen zu analysieren und die Angebote entsprechend zu entwickeln. Auf diese Anforderungen hat sich der nachhaltige Tourismus bisher nur unzureichend eingestellt. Für ein erfolgreiches Marketing ist zudem ein tieferes Verständnis über den Reiseentscheidungsprozess von Bedeutung. Die Entscheidung für eine Reise fällt in erster Linie nach Reiseziel, Preis und angebotenen Leistungen. Grundsätzlich ist dieser Prozess komplex und besteht aus vielen Einzelentscheidungen. Wichtige Einflussgrößen sind Erfahrungen von Freunden, Verwandten und Bekannten. Eigene Reiseerfahrungen sind wichtiger als Beratungen im Reisebüro und Informationen in Katalogen und Prospekten (Lohmann et al. 2004). Die Reiseanalyse der F.U.R hat festgestellt, dass nur rund fünf Prozent der Reiseentscheidungen von Werbung und Medien direkt beeinflusst werden (Freyer 2001). Im Markt der Spezialanbieter sind Empfehlungen aus dem Freundeskreis und positive eigene Erfahrungen bedeutender als im Massenmarkt (Kreilkamp 2002). Das Internet wird zunehmend als Informationsquelle zur Reiseplanung genutzt. Damit werden die traditionellen Informationswege zwar ergänzt, aber nicht ersetzt. Im Jahr 2007 wurden 19 Prozent der Reisen im Internet gebucht. Bei 39 Prozent der Reisen wurde das Internet zur Information genutzt. Zum Vergleich: 2001 haben lediglich 15 Prozent das Internet zur Informationssuche und vier Prozent zur Buchung genutzt. Hat sich der Konsument für eine organisierte Reise entschieden, erfolgt die Buchung immer noch meist im Reisebüro (F.U.R 2007). Das Buchungsverhalten im Ökotourismus unterscheidet sich kaum von dem des traditionellen Massentourismus. Allerdings organisiert über die Hälfte der Ökotouristen ihre Reise selbst und die Loyalität dieser Kunden ist groß. Einige Veranstalter geben an, dass rund 50 Prozent der Urlauber wiederholt buchen, andere erreichen sogar eine Quote von über 80 Prozent (UNWTO 2001). Eine wichtige Grundlage für die Kaufentscheidung ist bei den Ökoveranstaltern vor allem positive Erfahrungen aus früheren Reisen. Im Massenmarkt spielten lange Zeit die Namen des Veranstalters keine große Rolle (Kreilkamp 2002). Den Kunden waren Leistungen und Preis wichtiger. Um Angebote unverwechselbarer zu machen, setzen die großen Veranstalter zunehmend auf eine eigene Marke. Denn ein Vorteil von Markenartikeln liegt generell darin, dass sie standardisierte Erzeugnisse für den Massenbedarf sind, die gleichbleibende und verlässliche Qualität versprechen. Für eine Reiseentscheidung sind Image und Gestaltung der Marke wesentlich. Denn besonders bei Produkten mit objektiv nicht erfassbaren Eigenschaften – wie einer Urlaubsreise – hat das Image eine große praktische Bedeutung. Dabei spielt nach Freyer (2001) nicht nur das Image des Reiseveranstalters, sondern auch das Image der Zielregion eine Rolle. Ergebnisse aus der Imageforschung zeigen, dass
4.1 Marketing und Tourismus
43
Konsumenten ein Produkt auch in anderen Eigenschaften positiv beurteilen, wenn die zentrale Eigenschaft positiv gesehen wird. Schlussfolgerung ist, dass diese zentrale Eigenschaft in der Kommunikation eines Produktes herausgestellt werden sollte, um erfolgreich zu sein. Ableitung der Strategie Die Strategie ist die Grundlage für die Ausbildung der einzelnen MarketingInstrumente. Sie basiert auf den Ergebnissen der Situationsanalyse und orientiert sich an festgelegten Zielen. Freyer zeigt in einer Übersicht die verschiedenen Möglichkeiten von Marketingstrategien (siehe Abb. 4.3). Wichtig ist, dass ein Unternehmen sich nicht auf eine einzelne Strategie beschränken muss, sondern verschiedene miteinander kombinieren kann. Die Wahl der Strategien hängt von den Zielen des Unternehmens und dem Fokus des Marketing-Konzeptes ab. Das traditionelle Konzept im Pauschaltourismus entspricht dem in Abb. 4.3 dargestellten Ansatz der Massenmarktstrategie.
Abb. 4.3 Möglichkeiten von Marketing-Strategien (Freyer 2001)
Die Festlegung einer Marketingstrategie umfasst grundlegende Entscheidungen über die Höhe der Aufwendungen, den Marketing-Mix sowie die Verteilung des verfügbaren Budgets (Kotler u. Bliemel 1992). Zentrale Aufgabe ist zudem das Aufspüren strategischer Vorteile gegenüber Wettbewerbern (Unique Selling Propositions, USP) und die Formulierung geeigneter Geschäftsfelder zur Verbesserung der Wettbewerbsposition (Freyer 2001).
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4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
Detail- und Maßnahmenplanung Auf der Grundlage der festgelegten Grundsatzstrategien erfolgt die Detail- und Maßnahmenplanung, d. h. die detaillierte Ausformulierung der Aktivitäten. Im Rahmen dieser Phase sind Entscheidungen über die Maßnahmen zu treffen, mit denen das Marketing realisiert werden soll. Dabei muss eine optimale Kombination der Instrumente gefunden werden. Außerdem ist zu klären, wie sie konkret eingesetzt werden sollen (Kreilkamp 1998). Der Instrumenten-Mix ist international bekannt unter den vier „P’s“ des Marketings: Product, Price, Place and Promotion, also Produktgestaltung, Preis, Vertriebswege und Kommunikationspolitik (Kreilkamp 2002). Tabelle 4.1 Übersicht über die Detail- und Maßnahmenplanung (Kreilkamp 1998) Produktpolitik
Preispolitik
- Zielgebietswahl - Preisfestsetzung - Produkt- Preisgestaltung differenzierung - Produktdarstellung - Konditionen/ und Vermarktung Provisionen - Programmpolitik
Vertriebspolitik
Kommunikationspolitik
- Vertriebskanäle - Vertriebs system - Vertriebssteuerung
- Katalog - Werbung - Verkaufsförderung - Public Relations - Messen
Die Produktpolitik umfasst alle Strategien mit den Zielen, neue Produkte und Produktgruppen zu schaffen, bereits bestehende Produkte zu verändern oder aus dem Markt zu nehmen. Die Produktpolitik von Reiseveranstaltern beinhaltet u. a. die Zielgebietswahl, die Angebotsgestaltung und -darstellung (Marke) und die Programmpolitik (siehe Tabelle 4.1). Die Einteilung der Angebote kann nach Zielgebieten, -orten, Verkehrsträgern, Unterkunft, Verpflegung, Transferleistungen oder dem Abreisetermin erfolgen. Weitere Instrumente sind Zusatzleistungen wie z. B. Reisebetreuung, Rahmenprogramm am Zielort, Art der Buchungsabwicklung und die Behandlung von Reklamationen (Kreilkamp 2002). Beispiele für eine Unterteilung sind z. B. Strandurlaub, Erlebnisreisen, Familienurlaub, Clubferien usw. Innerhalb einer Produktgruppe gibt es weitere Möglichkeiten der Differenzierung (Freyer 2001). Unter Preispolitik fallen die Themen Preisfestsetzung, -differenzierungen und Sonderkonditionen bzw. Provisionen (siehe Tabelle 4.1). Ausgangspunkt für die Preisfestsetzung ist einerseits der Preis, den der Kunde bereit ist, für die angebotene Leistung zu zahlen, andererseits der Preis der Wettbewerber für vergleichbare Angebote. Zudem muss über den Preis eine Deckung der Kosten erreicht werden. Eine Differenzierung der Preise kann z. B. aus taktischen Gründen geschehen. Auch Abreisetermin (Haupt- und Nebensaison), Urlaubsort, Zeitpunkt der Buchung (Frühbucherrabatte), Zielgruppe (z. B. Kinderermäßigung) und die Anzahl der gebuchten Reisen (z. B. Gruppenreisen) beeinflussen den Preis. Daraus folgt, dass ein Preisvergleich einzelner Pauschalreisen für Kunden meist nur schwer möglich ist. Er vergleicht die Preise verschiedener Anbieter eher nach Qualitätskriterien, z. B. nach der Anzahl der Sterne der Hotels (Kreilkamp 2002).
4.1 Marketing und Tourismus
45
Im Rahmen der Distributionspolitik werden Vertriebskanäle, -system und -steuerung festgelegt (Kreilkamp 2002). Freyer bezeichnet die Distributionspolitik auch als Vertriebswegepolitik, verkürzt auch Vertriebs- oder Absatzpolitik. Bei der Reiseentscheidung spielt eine Rolle, wie viel Zeit der Kunde für eine Beratung aufbringen will und wie viel Geld er aufwenden kann. Weiterhin ist die Komplexität des Produktes von Bedeutung. Eine Individualreise mit vielen Bestandteilen, die in weit entfernte Regionen führt und verhältnismäßig teuer ist, benötigt einen höheren Beratungsaufwand als eine standardisierte Pauschalreise (Kreilkamp 2002). Ein wichtiges Konzept des Vertriebes ist die so genannte „Push- und PullStrategie“. Push steht für die Bemühungen der Reiseveranstalter, Angebote an Reisebüros zu verkaufen; diese wiederum verkaufen die Reise an den Kunden. Die Pull-Strategie verläuft in umgekehrter Richtung. Eine starke Endverbraucherwerbung des Reiseveranstalters schafft Bekanntheit und ein Image beim Kunden. Der Kunde fragt daraufhin bestimmte Reisen im Reisebüro nach (Kreilkamp 2002). Die Kommunikationspolitik übermittelt Informationen über Leistungen und Produkte an potenzielle Kunden und regt sie zu einer Kaufentscheidung an (Middleton 2001; Freyer 2001). Der konkrete Nutzen, der das Produkt von anderen abgrenzt, muss dem Kunden dargestellt und begründet werden (Kreilkamp 2002). Die Instrumente der Kommunikation sind Werbung, Verkaufsförderung und Public Relations (siehe Tabelle 4.1). Werbung ist dabei ein Mittel, Menschen im Sinne der Marketingziele zu beeinflussen. Die Verkaufsförderung beinhaltet eine zeitlich begrenzte Unterstützung durch gezielte Marketingmaßnahmen. Public Relations (PR) will das Verständnis für das eigene Anliegen fördern, das Erscheinungsbild (Image) profilieren und eine Vertrauensbasis gegenüber der Öffentlichkeit aufbauen. Weitere Instrumente sind Direktmarketing, Messen, Ausstellungen und neue Medien (Kreilkamp 2002). Reiseveranstalter nutzen alle Instrumente der Kommunikationspolitik, um die Reiseentscheidung zu beeinflussen (Freyer 2001): Bilder, Image-Prospekte, Plakate, Dias, Videos und TV-Spots setzen emotionale Botschaften, um Interesse zu wecken. „Gesichtslose“ Broschüren und Kataloge haben dagegen in der Regel keine Chance (Klemm u. Parkinson 2001). Im Tourismus sind nicht nur die Instrumente von Bedeutung, die den Konsumenten zum Kauf bewegen, sondern auch diejenigen, die ihn auf der Reise begleiten. Die zwischenmenschliche Kommunikation hat die Aufgabe, „den Gast in den Leistungsprozess einzubeziehen“ (Freyer 2001). Umsetzung der Maßnahmen und Kontrolle Die Sicherstellung der Umsetzung der Marketingmaßnahmen auf allen Ebenen sowie die Kontrolle der Umsetzung sind zentrale Bestandteile jeder strategischer Planung. Es muss ständig geprüft werden, ob die eingesetzten Instrumente erfolgreich sind. Ist dies nicht der Fall, müssen Marketingstrategie oder Maßnahmen nachjustiert oder geändert werden.
46
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
4.2 Strategien der Reiseveranstalter Rund 46 % der langen Urlaubsreisen waren im Jahr 2007 Pauschal- und Bausteinreisen, die in der Regel über Reisbüros und Reiseveranstalter gebucht wurden (F.U.R 2008). Die große Bedeutung der Pauschal- und Bausteinreisen macht deutlich, dass insbesondere die Reiseveranstalter für eine nachhaltige Gestaltung des Tourismus eine zentrale Rolle spielen. In den folgenden Kapiteln werden daher die Branchenstruktur im Veranstaltermarkt sowie die Marketingstrategien der Reiseveranstalter näher vorgestellt. 4.2.1 Die Branchenstruktur im Veranstaltermarkt Ein Konzept zur Darstellung der wettbewerbsbestimmenden Kräfte und der Konkurrenzsituation in einem Markt hat Porter in den 80er Jahren mit der Branchenstrukturanalyse entwickelt (Porter 1995 zitiert in Villiger et al. 2000). Dabei wird die Struktur einer Branche analysiert, um die Chancen für einzelne Unternehmen abzuschätzen und erfolgreiche Wettbewerbsstrategien zu entwickeln (Villiger et al. 2000; Freyer 2001). Wesentlich sind fünf, den Wettbewerb bestimmende Faktoren (Porter 1995 zitiert in Villiger et al. 2000): -
Rivalität unter den vorhandenen Unternehmen Bedrohung durch neue Konkurrenten Bedrohung durch Ersatzprodukte Verhandlungsstärke der Lieferanten Verhandlungsstärke der Abnehmer
Die Branchenstrukturanalyse dient zur Vorstrukturierung des Reiseveranstaltermarktes. Die Erkenntnisse können hilfreich sein, Möglichkeiten zur Beeinflussung des Marktes zu identifizieren und damit Wege aufzuzeigen, wie ein umweltund sozialverträglicher Tourismus erfolgreicher als bisher vermarktet werden kann. Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern In Deutschland gibt es derzeit mehr als 1.500 Reiseveranstalter, die im Geschäftsjahr 2006/2007 (01.11.2006 bis 31.10.2007) rund 20,3 Mrd. € erwirtschafteten. Seit dem Geschäftsjahr 2002/2003 (17,8 Mrd. €) sind die Umsätze damit kontinuierlich gestiegen (FVW 2007a; Kirstges 2003). 80 % des Umsatzes entfallen allerdings auf die 66 umsatzstärksten Reiseveranstalter. Diese Unternehmen setzten 16,3 Mrd. € um und hatten 34,6 Millionen Teilnehmer. Gegenüber dem vorangegangenem Geschäftsjahr 2005/2006 sind die Teilnehmerzahlen dieser 66 Reiseveranstalter um 5,3 %, der Umsatz ist um 3,7 % gestiegen (FVW 2007a). Tabelle 4.2 zeigt für das Geschäftsjahr 2006/2007 die Marktanteile der 15 größten Reiseveranstalter innerhalb der Gruppe der 66 umsatzstärksten Veranstalter. Die Detailanalyse macht deutlich, dass allein die sieben größten deutschen Reise-
4.2 Strategien der Reiseveranstalter
47
veranstalter mit jeweils einem Jahresumsatz von mindestens 400 Mio. € einen Marktanteil von rund 81 % innerhalb dieser Gruppe besitzen. Bezogen auf den Gesamtmarkt liegt der Marktanteil dieser sechs Unternehmen immerhin bei rund 65 %. Der größte Reiseveranstalter TUI Deutschland erzielte im Geschäftsjahr 2006/2007 ein Umsatzplus von 3,7 %. Thomas Cook als Branchenzweiter musste hingegen einen Umsatzrückgang von 7,2 % verbuchen. Rewe Touristik weist ein leichtes Wachstum von 2,6 % auf. Flugpauschalreisen haben im Vergleich zum Vorjahr nur leicht um 2,8 % zugenommen. Allerdings erzielten hier vor allem die Fernstrecken mit einem Wachstum gute Resultate (+7,1 %). Nah und Mittelstrecken verzeichneten einen Umsatzrückgang von 1,2 %, der zum Teil für die Einbußen von Thomas Cook und Rewe Touristik verantwortlich ist. Die Unternehmen auf den nächsten drei Rängen (Alltours, FTI und Öger-Gruppe mit jeweils über 700 Mio. Euro Jahresumsatz) können durchweg ein Umsatzplus vorweisen (FVW 2007a). Tabelle 4.2 Rangordnung und Marktanteil der Reiseveranstalter 2006/2007 (FVW 2007a) Umsatz
TUI Deutschland Thomas Cook Rewe Touristik Alltours FTI Öger-Gruppe Aida Cruises L´Tur Phoenix Schauinsland Big Xtra GTI Travel Studiosus Hapag.Lloydb Gebeco/Dr. Tigges
Rang
[Mill. €]
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
4.630 2.834 2.664 1.188 728 722 451 372 251 248 241 234 220 176 118
Teilnehmer Marktanteil [%] 28,4 17,4 16,3 7,3 4,5 4,4 2,8 a 1,5 1,5 1,5 1,4 1,4 1,1 a
Rang
Anzahl
Marktanteil [%]
1 3 2 4 6 5 11 7 12 10 8 9 13 15 14
13.514.800 5.719.595 5.378.000 1.570.000 1.300.000 1.401.067 259.000 785.000 160.210 411.000 671.000 469.947 98.000 24.748 59.000
39,1 16,5 15,5 4,5 3,8 4,0 0,7 2,3 0,5 1,2 1,9 1,4 0,3 0,1 0,2
a Im TUI-Umsatz enthalten. b Kreuzfahrten
Gewinner der letzten Jahre sind die restlichen 60 mittleren und kleinen Veranstalter. Sie verbuchten im Geschäftsjahr 2006/2007 das größte Umsatzplus von 10,1% (Vorjahr: +8,8 %). Bei den Reiseteilnehmern können diese Unternehmen sogar einen Zuwachs von 12,1 % vorweisen. Selbst im touristischen Krisenjahr 2001/2002, in dem der Umsatz aller Unternehmen um 6,4 % und die Teilnehmerzahl um 7,4 % im Vergleich zum Vorjahr sank, konnten die mittleren und kleinen Veranstalter einen Umsatzzuwachs von 11,3 % und einen Zuwachs bei den Teilnehmern um 5,4 % verbuchen. Gründe für die bessere wirtschaftliche Position der mittleren und kleinen Reiseveranstalter sind deren schlankere und damit flexiblere
48
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
Strukturen, weniger preissensible Kunden sowie z. T. die Spezialisierung auf bestimmte Reisen (FVW 2007a; FVW 2002). Trotz der oligopolistischen Struktur des deutschen Reiseveranstaltermarktes herrscht ein starker Wettbewerb. Ein Grund für die große Rivalität ist einerseits die große Anzahl der Wettbewerber. Andererseits konkurrieren neben den vielen mittleren und kleinen Unternehmen vor allem aber auch die Großunternehmen miteinander. Weitere Gründe für den Wettbewerb sind die abnehmenden Wachstumsraten für Pauschalreisen. Pauschalreisende zeigen eine geringe Bindung an die Urlaubsorte, aber auch an Veranstaltermarken. Entscheidend sind vor allem Preis und Service (Kreilkamp 2002, Klemm u. Parkinson 2001). Die Rivalität der großen Veranstalter untereinander zeigt sich unter anderem im Aufkauf von bis dahin konzernunabhängigen Reiseveranstaltern auch jenseits der Grenzen von Deutschland. TUI, Marktführer in Deutschland, kaufte beispielsweise den britischen Marktführer Thomson Holidays, um seine Position in Europa zu stärken. Ein weiteres Beispiel war die Übernahme von Thomas Cook durch C&N Touristik. Weiterhin haben sich alle großen Veranstalter zu vertikal integrierten Konzernen entwickelt und dabei Hotelketten, Fluggesellschaften, Reisebüros, Mietwagengesellschaften oder Incoming-Agenturen aufgenommen (Kreilkamp 2002). Eine weitere Integration erfolgte durch den Aufkauf spezialisierter Veranstalter, womit die Großen die eigene Produktpalette vergrößern konnten (Klemm u. Parkinson 2001). Bezogen auf die Anzahl aller deutschen Reiseveranstalter wird der Anteil der Veranstalter, die Öko- oder Naturtourismus anbieten, auf 6 bis 10 % geschätzt. Die meisten dieser Veranstalter sind kleine oder sehr kleine Unternehmen. Der Marktanteil dieser spezialisierten Veranstalter am Umsatz des Pauschalreisemarktes lag zu Beginn des Jahrtausends nach Angaben der UNWTO (2001) bei nur 1 %. Betrachtet man den Umsatz pro Veranstalter, so ist dieser im Vergleich zu konventionellen Veranstaltern gering. Nur sieben von 37 Veranstaltern, die jeweils ca. 80 bis 100 % ihres Umsatzes mit Öko- bzw. Naturtourismus erzielten, hatten im Jahr 2000 einen Umsatz von mehr als 0,5 Mio. € (UNWTO 2001). In Deutschland stellt „forum anders reisen“ den größten Zusammenschluss nachhaltiger Reiseveranstalter dar. Es wurde im Januar 1998 als Gemeinschaftsinitiative zwölf kleinerer Reiseveranstalter gegründet und bietet eine Plattform für die Förderung des nachhaltigen Tourismus. Im Jahr 2007 hatte das forum anders reisen bereits 142 Mitglieder, 114.000 Kunden und erwirtschaftete 210 Mio. € Umsatz (forum anders reisen 2008). Damit haben heute allein die Mitgliedsunternehmen dieser Gruppe einen Marktanteil von rund 1 % am Gesamtumsatz aller Veranstalter. Der Vergleich mit den Zahlen von 2000 zeigt, dass das Segment des Öko- und Naturtourismus in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist. Die UNWTO nimmt an, dass das derzeit realisierte Marktpotenzial für Öko- und Naturtourismus in Deutschland nur bei 20 % liegt. (UNWTO 2001). Die meisten Reiseveranstalter erwarten daher, dass sich der Wachstumstrend in diesem Sektor fortsetzt.
4.2 Strategien der Reiseveranstalter
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Neue Konkurrenz Neue Unternehmen im Massenmarkt haben es schwer, da er von wenigen Großen dominiert wird. Kirstges (2003) erwartet, dass in Zukunft eher ausländische Veranstalter in Konkurrenz zu deutschen Anbietern treten. Neue Konkurrenzsituationen könnten auch durch weitere Fusionen bzw. Aufkäufe oder durch die neuen Angebote der Billig-Fluglinien entstehen (Klemm u. Parkinson 2001). Weitere Veränderungen im Markt bringt das Internet. Direktmarketing und online-Vertrieb eröffnen Veranstaltern direkt in den Zielgebieten oder nationalen Organisationen neue Möglichkeiten, Kunden direkt zu erreichen (Middleton 2001). Auch Reisevermittler können über das Internet Veranstalterfunktionen übernehmen (Freyer 2001). Die Vorstellung vom Internet als vollwertigem und konkurrierenden Vertriebsweg ist mittlerweile dem Multi-Channel-Gedanken gewichen: OnlineAuftritt und online-Angebote gehören heute zum Marketing dazu, ganz unabhängig von Größe und Rolle im Veranstaltermarkt (FVW 2007b). Alternative Angebote Konkurrenz kann nicht nur durch andere Anbieter, sondern auch durch Ersatzprodukte entstehen, die Bedürfnisse des Reisenden auf ähnliche Weise befriedigen (Villiger et al. 2000). Grundsätzlich ist die größte Konkurrenz das Nichtreisen. Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass viele Menschen nicht auf ihren Urlaub verzichten wollen. 2003 gaben lediglich 9 % der Deutschen an, dass sie in Zukunft weniger verreisen wollen. Dem gegenüber lehnen rund 75 % diese Entscheidung mehr oder weniger entschieden ab (Lohmann et al. 2004). Seit Jahren liegt der Anteil der Deutschen, die mindestens eine Urlaubsreise mit mindestens vier Übernachtungen gemacht haben, mit rund 75 % stabil hoch. Auch die durchschnittliche Urlaubsreisehäufigkeit mit rund 1,3 Reisen ist relativ konstant (F.U.R 2007). Stärkere jährliche Schwankungen sind hingegen bei Kurzreisen mit maximal drei Übernachtungen festzustellen. Die Auswirkungen der stark gestiegenen Energiepreise und der damit verbundene Zunahme der Kosten für Kraftstoffe und Kerosin auf das Reiseverhalten der Deutschen ist aus heutiger Sicht noch nicht abschätzbar. Ein Ersatzprodukt für Pauschalreisen ist die individuelle, vom Urlauber selbst organisierte Reise. Bedeutung hat zudem die Entwicklung der klassischen Pauschalreise zur modularen Baukastenreise: Reisebüros können mit technischer Unterstützung der Veranstalter verschiedene Komponenten der Reise (Flug, Hotel, Angebot vor Ort usw.) für jeden Kunden individuell zusammenstellen. Wie sich in Zukunft der Marktanteil der Pauschalreisen entwickeln wird, hängt stark vom Preis der Reisen ab (Lohmann et al. 2004). Zudem ist die Bedeutung von Pauschalreisen im Inland geringer als bei Auslandsreisen. 2007 wurden lediglich 21 % Pauschal- und Bausteinreisen in Deutschland gebucht, während im Ausland der Anteil bei 58 % lag (F.U.R 2007). Im Deutschlandtourismus mangelt es zwar nicht an attraktiven Angeboten, hier ist vor allem der nicht optimale Vertrieb ein bremsender Faktor. Mittlerweile haben die großen Veranstalter die Zahl ihrer in Deutschland angebotenen Reisen gesteigert und Kataloge für ausgewählte deut-
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4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
sche Regionen herausgegeben (FVW 2002). Insgesamt wird daher erwartet, dass auch in Deutschland der Anteil der Pauschalreisen steigt. Die Macht der Großen Touristische Leistungsträger wie Beherbergungsbetriebe in den Zielgebieten haben nach Freyer (2001) gegenüber den großen Reiseveranstaltern keine Macht. Die Reiseveranstalter bringen die Touristen in die Urlaubsgebiete, ergreifen die Initiative des Verkaufs und lenken die Urlauberströme. Je mehr Touristen die Reiseveranstalter in die Ferienorte bringen, desto höher ist die Abhängigkeit vom Veranstalter (Klemm u. Parkinson 2001). In den Zielgebieten verfügen touristische Akteure oft nicht über die finanziellen Kapazitäten, Werbekampagnen mit gleicher Intensität umzusetzen. Auch sind im klassischen Massentourismus Urlaubsgebiete austauschbar geworden, weil sie mit den gleichen Reizworten beworben werden. Die Veranstalter können zudem durch die Integration von fast allen Teilen der touristischen Wertschöpfungskette (Hotels, Fluggesellschaften, Reisebüros usw.) nicht nur vermehrt Umsätze abschöpfen, sondern auch die Produkte und deren Qualität besser kontrollieren (Kreilkamp 1998; Kreilkamp 2002). Gleichzeitig treten die vertikal integrierten Konzerne als direkte Konkurrenten zu anderen touristischen Leistungsträgern und Dienstleistern (z. B. Hotels) auf und verstärken so die Kontrolle über die gesamte touristische Kette. Kampf um Kunden Die Trends im Tourismus (siehe Kapitel 2.2) zeigen, dass Urlauber preissensibler und qualitätsbewusster geworden sind. Zudem ist der Markt für die traditionelle Pauschalreise gesättigt und der Kampf um den Kunden hat sich verschärft. Reisende, so Freyer (2001), können den Markt vor allem dann beeinflussen, wenn sie gut informiert und zeitlich flexibel sind. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien machen eine Informationssuche heute schnell und einfach. Ein verändertes Konsumverhalten wird aber nur dann relevant, wenn es sich über einen gewissen Zeitraum erstreckt und eine große Anzahl von Konsumenten betrifft (Freyer 2001, 65). Ein Beispiel ist der Rückgang der Reisen nach dem 11. September 2001. Viele Urlauber boykottierten bestimmte Länder und verzichteten auf Flugreisen. Die Auswirkungen solcher abrupten Veränderungen sind in der Regel für die großen Reiseveranstalter, die in vielen Zielgebieten arbeiten, geringer als für Spezialisten. Verfestigt sich allerdings, wie nach den Terroranschlägen von 2001 geschehen, die Reaktion als neuer Trend zum Deutschlandtourismus, geht das auch zu Lasten der Großen, da deren Anteil von Pauschalreisen in Deutschland eher gering ist. Ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Veranstaltern und Konsumenten sind die Reisebüros. Deren Macht gegenüber den Reiseveranstaltern ist gering, da sie von deren Provisionen abhängig sind. Im Umgang mit ihren Vertriebsstellen streben die Großveranstalter nach Angaben der FVW (2007b) eine stärkere Kontrolle des Vertriebes an und binden daher die Reisebüros über Franchise- und Koopera-
4.2 Strategien der Reiseveranstalter
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tionsmodelle an sich, meist bieten sie größere Provisionen bei zunehmenden Verkaufszahlen. Kleinere Büros sind hier im Nachteil, sie können oft nur geringere Nachlässe geben und weniger Geld in ihre Eigenwerbung investieren als die Büros, die mit großen Reiseveranstaltern zusammenarbeiten. Der Konsument wird somit unbewusst beeinflusst (Klemm u. Parkinson 2001). 4.2.2 Marketingstrategien und deren Auswirkungen Die im vorangegangenen Kapitel vorgestellte Branchenstrukturanalyse zeigt, dass drei Typen von Reiseveranstaltern in Deutschland unterschieden werden können: -
Massenveranstalter spezialisierte konventionelle Reiseveranstalter Nischenveranstalter für nachhaltigere Reisen
Zur Gruppe der Massenveranstalter gehören die drei vertikal integrierten Touristikkonzerne TUI, Thomas Cook und Rewe Touristik, aber auch die konzernunabhängigen wie z. B. Alltours, FTI und Öger Tours. Die Gruppe der Spezialisten umfasst in der Regel kleine und mittlere Unternehmen (z. B. Studiosus, Lernidee), die deutlich niedrigere Umsätze erwirtschaften. Sie bieten gezielt nur ausgewählte Urlaubsformen und Destinationen an oder adressieren bestimmte Zielgruppen. Auch Nischenveranstalter für nachhaltigere Reisen sind spezialisiert auf bestimmte Zielgruppen und Urlaubsformen, wie z. B. Natur- und Ökotourismus. Es handelt sich meist um kleine und sehr kleine Unternehmen, deren Marktanteil und Umsatz niedrig ist. Bei dieser Einteilung ist zu beachten, dass die Gruppen nicht immer scharf voneinander getrennt werden können. Beispielsweise werden Angebote von spezialisierten Veranstaltern bereits als nachhaltig angesehen, wenn sie lokale Reiseführer einsetzen oder gezielt Besucher ansprechen, die an Umweltschutz mehr Interesse zeigen. Aber auch Großkonzerne können nachhaltige Angebote in ihrem Sortiment haben (Curtin u. Busby 1999). Im Folgenden werden die Marketingstrategien für die drei Kategorien der Reiseveranstalter vorgestellt und deren mögliche Auswirkungen beschrieben. Massenveranstalter Massenveranstalter betreiben in der Regel eine Marktabgrenzungsstrategie. Ein standardisiertes Massenprodukt wird über einen niedrigen Preis an ein möglichst breites Spektrum an Verbrauchern verkauft. Die Reisen werden standardisiert vermarktet, z. B. über die Art der Reise (Badeurlaub, Familienurlaub ect.). Negative ökologische oder soziale Auswirkungen sind dabei vorprogrammiert. Denn die Vorraussetzung der „Economics of Scale“ ist die Maximierung der Touristenzahl in einem Urlaubsgebiet. Bauherren, die am schnellen Bau und Verkauf von Immobilien interessiert sind, fördern dieses meist unkontrollierte Wachstum (Klemm u. Parkinson 2001). Auch Hoteliers drehen die Spirale: Sie wollen partizipieren und steigern ihre Bettenkapazitäten. Dadurch steigt der Konkurrenzdruck
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4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
zwischen den Hotels, die Preise sinken, die Kosten können nicht mehr gedeckt werden, die Gewinnmargen schrumpfen. In dieser Billig-Phase tragen die Veranstalter noch weniger zu den externen Kosten bei, die durch den Verbrauch von natürlichen Ressourcen in den Urlaubsregionen entstehen (Curtin u. Busby 1999). Wo das Angebot die Nachfrage übersteigt, sinken oft nicht nur die Preise, sondern auch Qualität und Image der Zielgebiete (Klemm u. Parkinson 2001). Die lokale Bevölkerung hat meist wenige Einflussmöglichkeiten auf diese Entwicklung (Curtin u. Busby 1999). Eine weitere Auswirkung dieser Strategie ist eine geringe Beziehung des Veranstalters zum Zielort. Nach Laws (1995 in Curtin u. Busby 1999) brauchen Veranstalter konsistente Standards in jedem Urlaubsgebiet. Die Zielgebiete werden als standardisiertes und damit austauschbares Produkt vermarktet. In der Folge kann der Veranstalter schnell zu einer neuen, modischeren oder auch billigeren Urlaubsregion wechseln. Verstärkt wird diese Entwicklung durch Kunden, die gezielt nach Billigreisen suchen. Sie wählen Reisen nach Preis und Bequemlichkeit aus, nicht nach den spezifischen Eigenschaften der Zielgebiete (Curtin u. Busby 1999). Große Reiseveranstalter kontrollieren Angebot und Verteilung der Reisen vor allem durch die Einbindung von Charterfluggesellschaften und Hotelketten in den Konzern. Mit Anreise und Unterkunft wird der Großteil des Gewinns einer Reise erwirtschaftet. Die vertikale Integration bewirkt aber auch, dass der Konzern stets um weitere Marktanteile kämpfen muss, um die eigenen Hotel- und Flugkapazitäten auszulasten und die hohen Fixkosten zu decken (Klemm u. Parkinson 2001; Curtin u. Busby 1999, Kreilkamp 2002). Spezialisierte Veranstalter Die spezialisierten, konventionellen Reiseveranstalter betreiben in der Regel eine Marktsegmentierungsstrategie, da sie Zielgruppen mit bestimmten Bedürfnissen ansprechen. Der Trend zur Differenzierung und Individualisierung der Reisewünsche kommt diesen Veranstaltern entgegen (Curtin u. Busby 1999). Bei den Angeboten sind Themen und Aktivitäten vor Ort wichtiger als die eigentliche Destination. So entsteht ein unverwechselbares Produkt, das die Wünsche einer bestimmten Zielgruppe optimal erfüllt. Allerdings drängen die großen Konzerne ebenfalls in diesen Bereich vor und besetzen bestimmte Themen und Aktivitäten. Viele Spezialanbieter sehen trotz der wachsenden Konkurrenz weiterhin gute Marktchancen. Ihre Stärken sind Service, Qualität, Individualität, intensive Beratung und Flexibilität – Faktoren, die bei den großen Anbietern zunehmend verloren gehen. Einen weiteren Vorteil haben Spezialisten darin, dass sie neue Märkte schneller testen und auch wieder verlassen können. Ihre meist höheren Preise begründen Spezialveranstalter mit dem Einsatz gut ausgebildeter Reiseleiter, namhafter Airlines und komfortabler Transportmittel. Von spezialisierten Veranstaltern wird oft erwartet, dass sie ökologisch und sozial verantwortlicher handeln als Großkonzerne. Die kleineren Veranstalter sind allerdings oft Vorreiter für die touristische Erschließung bisher eher unberührter Regionen. Der gezielte Kontakt mit Einheimischen oder sensiblen Kulturen kann
4.3 Marketing für mehr Nachhaltigkeit
53
zudem negative soziale Auswirkungen nach sich ziehen. Spezialisierte Veranstalter geben an, dass Reisen umso erfolgreicher seien, je exotischer die Kultur ist (Curtin u. Busby 1999). Dennoch haben die Spezialisten im Vergleich zu Massenveranstaltern ein höheres Verantwortungsbewusstsein für fremde Kulturen und die soziokulturellen Auswirkungen durch den Tourismus. So organisieren sie nur einen kleinen Teil der Aktivitäten im Ferienort und ermutigen damit die Reisenden, am lokalen Leben teilzunehmen – nicht zuletzt, weil diese Art von Tourismus die regionale wirtschaftliche Entwicklung fördere. Spezialisierte Veranstalter sind jedoch ebenfalls gewinnorientierte Unternehmen. Es ist daher zu vermuten, dass die langfristige nachhaltige Entwicklung der Zielregionen für sie auch eher zweitrangig ist (Klemm u. Parkinson 2001). Dass diese Anbieter lokale Unterkünfte in ihrem Programm haben, liege daran, dass „es in abgelegenen Gegenden einfach keine Holiday Inns gibt“ (Curtin u. Busby 1999). Nachhaltigere Reiseveranstalter In die dritte Gruppe der Reiseveranstalter fallen diejenigen, die bereits einen nachhaltigeren Tourismus betreiben. Da es sich hierbei meist um kleine und sehr kleine Unternehmen handelt, wird im Folgenden auch von Nischenanbietern gesprochen. Im Allgemeinen unterscheiden sich die Zielgebiete der nachhaltigeren Reiseveranstalter nicht wesentlich von denen konventioneller Reiseveranstalter. Destinationen für Ökotourismus sind z. B. Costa Rica, Galapagos und Nepal, in Deutschland gehören dazu Mecklenburg-Vorpommern und der Bayerische Wald, in Europa aber auch Italien, Polen, Griechenland und Spanien (UNWTO 2001). Nachhaltigere Reiseveranstalter verpflichten sich meist auf die Einhaltung von bestimmten ökologischen, sozialen und soziokulturellen Kriterien und Mindeststandards. Mitglieder von forum anders reisen beispielsweise sollen klimaschädigende Flugfernreisen nur dann anbieten, wenn die Reisedauer der Flugentfernung angepasst ist. Aber auch hier gibt es Zielkonflikte – beispielsweise wenn entlegene, bislang intakte Gebiete durch Nischenveranstalter für den Tourismus erschlossen werden. Für die Gastländer kann auch Ökotourismus ähnliche Probleme mit sich bringen wie der Massentourismus (Curtin u. Busby 1999).
4.3 Marketing für mehr Nachhaltigkeit Im folgenden Kapitel werden Marketingkonzepte für nachhaltige nichttouristische Produkte sowie die damit verbundenen Chancen und Probleme aufgezeigt. Begriffe wie „nachhaltige Produkte“ und „ganzheitliches, nachhaltiges Marketing“ bzw. „Öko-Marketing“ werden näher erläutert. Darauf aufbauend werden Marketingstrategien und Marketing-Mix für nachhaltigere Produkte beschrieben.
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4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
4.3.1 Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen Ein nachhaltiges Produkt oder eine nachhaltige Dienstleistung soll ökologisch, ökonomisch und sozial verträglich sein. Laut Villiger haben diese Produkte und Dienstleistungen einen Zusatznutzen – entweder einen Nutzen für den Konsumenten selbst oder einen Nutzen, den andere daraus ziehen, den so genannten „Sozialnutzen“ (z. B. das Einkommen des Herstellers, die Schaffung von Arbeitsplätzen). Nach seiner Ansicht haben nachhaltige Angebote einen hohen Sozialnutzen, jedoch einen vergleichsweise geringen Individualnutzen. Im Massenmarkt dagegen liegt die Gewichtung meist beim Individualnutzen (Villiger et al. 2000). Aus Sicht des Konsumenten bergen ökonomisch und sozial gerecht hergestellte Produkte ebenfalls einen Sozialnutzen, weniger einen Individualnutzen: Verbesserte Arbeitsbedingungen und höhere Löhne bedeuten eine Verbesserung des Lebensstandards und mehr soziale Gerechtigkeit. Die möglichen Stufen der Kommunikation für ökologisch verträgliche Produkte, wie Meffert und Kirchgeorg (zitiert in Villiger et al. 2000) sie formuliert haben, können also auch auf ökonomisch und sozial gerechtere Produkte übertragen werden. Damit gilt: Auch Marketingkonzepte für Öko-Produkte sind für nachhaltigere touristische Angebote anwendbar. Allerdings gibt es „das nachhaltige Angebot“ an sich ebenso wenig wie „den nachhaltigen Tourismus“. Es gibt immer nur ökologisch und/oder sozial bzw. ethisch verbesserte oder optimierte Produkte, die mehr oder weniger nachhaltiger sind als andere. 4.3.2 Nachhaltiges Marketing Modernes Marketing beschreibt hauptsächlich Ziele und Instrumente innerhalb des Managements von Unternehmen (siehe Kapitel 4.1). In der Marketingstrategie werden Ziele und Leitbilder des Unternehmens festgelegt. Nachhaltiges Marketing bezeichnet die Einbindung von Konzepten wie umweltverträgliche Produktion oder soziale Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) in die Unternehmensziele (Charter et al. 2002). Die Begriffe Öko-Marketing und nachhaltiges Marketing werden zwar oft gleichwertig verwendet, unterscheiden sich aber in den Zielen. Öko-Marketing hat einen Fokus auf Umweltschutz oder eine umweltorientierte Unternehmungsführung, nachhaltiges Marketing orientiert sich an dem Drei-Säulen-Prinzip der Nachhaltigkeit (siehe Kapitel 3.1). Laut Hughes (1998) gibt es zwischen einem nachhaltigen Marketing und einem „grünen Marketing“, wie es in den 80er Jahren verstanden wurde, einen wesentlichen Unterschied: Im nachhaltigen Marketing werden Entscheidungen nicht nur nach ökologischen Maßstäben, sondern auch auf ökonomischer Basis getroffen (Hughes 1998). Um Erfolg zu haben, müssen Unternehmen jedoch zunehmend andere Interessen als rein ökonomische berücksichtigen (SustainAbility 2001 zitiert in Charter et al. 2002). Nachhaltiges Marketing kann somit für alle Produkte und Dienstleistungen, sowohl konventionelle als auch nachhaltige, angewendet werden. Meistens wird jedoch von „nachhaltigem Marketing“ gesprochen, wenn ein bestehendes Unter-
4.3 Marketing für mehr Nachhaltigkeit
55
nehmen mit konventionellen Produkten Nachhaltigkeitsziele in sein Management einbindet. Andererseits gibt es Anbieter, die sich den Zielen der Nachhaltigkeit verpflichtet haben, die für die Ausweitung ihres Marktanteils aber eher auf konventionelle Instrumente zurückgreifen. 4.3.3 Die Ökologisierung des Massenmarktes Villiger, Wüstenhagen und Meyer (Villiger et al. 2000) haben ein Konzept entwickelt, das die verschiedenen Marketingstrategien zur ökologischen, aber auch zur nachhaltigen Gestaltung des Massenmarktes verdeutlicht. Sie ordnen umweltverträglich hergestellte Produkte anhand des Grades ihrer „ökologischen Qualität“ und ihres Marktanteils in verschiedene Gruppen ein und tragen sie dann in eine „Landkarte des ökologischen Massenmarktes“ ein (siehe Abb. 4.4). Analog kann auch eine Landkarte für den nachhaltigen Massenmarkt erstellt werden. Anhand dieses vereinfachenden Modells lassen sich die verschiedenen Strategien für eine „Ökologisierung“ bzw. nachhaltigere Gestaltung des Gesamtmarktes verdeutlichen.
Relative ökologische Qualität der Produkte
hoch
Eco-Plus
Eco Growth
Sustainable Shrinking Upgrading the Middle
Hohe Qualität
Enlarging the Middle
“Bio” Mittlere Qualität “IP”
Niedrigere Qualität “konventionell”
nieder 0%
Marktanteil
100%
Abb. 4.4 Landkarte des ökologischen Massenmarktes (eigene Darstellung nach Villiger et al. 2000)
Produkte mit hoher ökologischer Qualität haben nach Erfahrung der Autoren einen eher geringen Marktanteil. Beispiele hierfür sind Lebensmittel aus biologischem Anbau, grüner Strom oder Ökotourismus. Lebensmittel und Baumwolle aus konventionellem Anbau gehören ebenso wie konventionelle Pauschalreisen zu den Beispielen für Produkte mit einer meist niedrigen ökologischen Qualität, aber ei-
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4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
nem hohen Marktanteil (Wüstenhagen 2002; Villiger et al. 2000). Die vielen möglichen Zwischenstufen werden in Abb. 4.4 zur besseren Darstellung in nur einem Segment mit mittlerer ökologischer Qualität zusammengefasst. Das Ziel der „Ökologisierung des Massenmarktes“ (Villiger et al. 2000) bedeutet grafisch gesehen eine Verringerung der grau unterlegten Fläche in Abb. 4.4 und kann durch verschiedene Strategien erreicht werden. Sie bewirken entweder eine Verbesserung der Qualität der Produkte oder eine Ausweitung des Marktanteils. Wichtig ist hierbei, dass das Ziel in der Verbesserung der Marktsituation insgesamt liegt; somit ist es auch sinnvoll, dass mehrere Strategien gleichzeitig verfolgt werden. Für die Autoren sind die zwei wichtigsten Strategien A und B, also die Ausweitung des Marktanteils von „Bio-Produkten“ und die „Anhebung des ökologischen Mindeststandards im konventionellen Massenmarkt“ (Wüstenhagen 2002). Die Autoren bezeichnen die beiden Strategien als „Eco-Growth“ und „Upgrading Conventionals“. Für die nachhaltigere Gestaltung von touristischen Angeboten im Massenmarkt steht „Upgrading Conventionals“ im Mittelpunkt. Um die Gegensätze beider Strategien aufzuzeigen, werden im Folgenden beide Strategien vorgestellt. Upgrading Conventionals Im Tourismus sind es die charakteristischen Eigenschaften des Massenmarktes, die Probleme schaffen. Die Einbindung von Nachhaltigkeitszielen in das Management und damit die „Ökologisierung“ von bereits bestehenden, erfolgreichen Unternehmen ist eine Möglichkeit, Reiseangebote ökologisch und sozial verträglicher zu gestalten. Eine Schwierigkeit dabei: Wie prüft der Kunde Umweltverträglichkeit bzw. Nachhaltigkeit eines Produkts? Hilfsmittel sind herstellerunabhängige Kennzeichnungen, aber auch das gute Image eines Unternehmens oder die Stärke der Marke sind wichtige Faktoren (Villiger et al. 2000). Glaubwürdigkeit ist nicht nur notwendig, um die Vorteile des Produktes zu kommunizieren, vielmehr müssen Aussagen und Versprechungen auch tatsächlich erfüllt werden, sonst geht das Vertrauen beim Kunden schnell verloren (Hughes 1998). Berücksichtigt werden müssen auch die Wünsche und Bedürfnisse der Zielgruppe. Kunden im Massenmarkt haben eine höhere Preissensibilität, der Individualnutzen des Produktes ist ihnen wichtiger als der Sozialnutzen. Sie sind weniger empfänglich für ökologisch positionierte Produkte und für spezielle Vertriebswege nur selten ansprechbar. Erfolgreich im Massenmarkt werden daher nur nachhaltige Produkte und Dienstleistungen sein, wenn sie die Wünsche des Konsumenten optimal erfüllen. In der wissenschaftlichen Diskussion werden drei unterschiedliche Strategien für ein nachhaltiges Marketing unterschieden (Siebenhüner 2001; Huber 1995):
• Effizienzstrategie: Diese Strategie ist ökonomisch-technisch orientiert. Ziel ist es, den Energieverbrauch und Stoffdurchsatz zu reduzieren. Die Effizienzstrategie erfordert Produkt- und Prozessinnovationen, auf die Unternehmen gene-
4.3 Marketing für mehr Nachhaltigkeit
57
rell angewiesen sind, wenn sie langfristig konkurrenzfähig bleiben wollen. Sie ist also die Suche nach einer „win-win-solution“, d. h. nach einer ökonomisch und ökologisch gleichermaßen vorteilhaften Lösung durch technischen Fortschritt. • Konsistenzstrategie: Ziel der Konsistenzstrategie ist die Anpassung menschlicher Nutzungsformen der natürlichen Ressourcen an die ökologischen Rahmenbedingungen. Die eingesetzten Rohstoffe sind so zu wählen, dass sie sich nicht langfristig in der Atmosphäre oder Biosphäre anreichern, sondern entweder im Kreislauf geführt werden oder biologisch abbaubar sind. • Suffizienzstrategie: Die Suffizienzstrategie orientiert sich an „Genügsamkeit und Bescheidenheit“, um gegenwärtige Wohlstandsmodelle und Konsummuster auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen. Ihr liegt die Idee zugrunde, dass Effizienz- und Konsistenzstrategie für eine zukunftsfähige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und zur Sicherstellung von Generationengerechtigkeit nicht ausreichen. Für eine nachhaltige Gestaltung des Massenmarktes kommt unter den oben beschriebenen Anforderungen insbesondere die Effizienzstrategie in Frage. Das Produkt bleibt qualitativ gleichwertig, die Kundenwünsche werden erfüllt. Auswirkungen kann diese Strategie auf den Preis haben – allerdings gibt es bereits heute Zielgruppen im Massenmarkt, die für nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen bereit sind, mehr Geld auszugeben. Die Umsetzung einer Suffizienzstrategie stellt erheblich höhere Anforderungen an eine Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen. Im Massenmarkt könnte eine Umsetzung dieser Strategie bedeuten, dass Ersatzprodukte und Ersatzdienstleistungen entwickelt werden, die ökonomisch erfolgreich sind und Kundenwünsche befriedigen, gleichzeitig aber zu weniger Ressourcenverbrauch und geringeren Umweltauswirkungen führen. In Kap 4.4 wird im Zusammenhang mit einem nachhaltigen Marketing von touristischen Angeboten auf diese Strategie nochmals eingegangen. Eng verbunden mit der Festlegung der Strategie ist die Frage, inwieweit die ökologischen und nachhaltigen Eigenschaften von Produkten und Dienstleistungen kommuniziert werden sollen. Meffert und Kirchgeorg (zitiert in Villiger et al. 2000) unterscheiden vier Möglichkeiten bei der Kommunikation des ökologischen Nutzens: -
Umweltverträglichkeit wird als dominante Nutzendimension gewählt Umweltverträglichkeit wird als Zusatznutzen gleichberechtigt neben anderen Eigenschaften einbezogen Umweltverträglichkeit wird als Bestandteil der bestehenden Eigenschaften flankiert Umweltverträglichkeit wird nicht als Profilierungsdimension berücksichtigt
Während die erste Möglichkeit einer klassischen Positionierung im Nischenmarkt entspricht, sind die Punkte zwei bis vier besser geeignet, Zielgruppen des Massenmarktes anzusprechen.
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4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
Eco Growth Viele Unternehmen betreiben bereits mit Erfolg Marketing für ökologische Produkte innerhalb der Öko-Nische und bedienen damit umweltengagierte Kunden. Gerade dieser Erfolg kann die Unternehmen aber auch daran hindern, größere Marktsegmente zu erschließen. Die Beschränkung auf kleinere Marktsegmente „scheint kein Naturgesetz zu sein, sondern Ausdruck einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ (Villiger et al. 2000). Beim Verlassen der Nische muss der (kleine) Anbieter die Veränderungen ökonomisch selbst schultern. Daher ist eine Kooperation mehrerer Anbieter hilfreich. Außerdem muss geklärt werden, ob die bisherige Zielgruppe auch im Massenmarkt erreichbar ist oder ob neue Kundenschichten erschlossen werden müssen. Bei einem veränderten Produkt und Marketing könnten bisherige zahlungskräftige Kunden verloren gehen. Aber auch größerer ökonomischer Erfolg eines Nischenveranstalters kann eine Gefahr bedeuten: Die individuellen Werte des Unternehmens werden verwässert, die klare Trennlinie zwischen nachhaltigem und konventionellem Unternehmen verwischt (Coop-Bank 2001). 4.3.4 Instrumenten-Mix jenseits der Öko-Nische Grundlage einer nachhaltigeren Produktpolitik sind umweltfreundliche und sozialverträgliche Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten und Reststoffen entlang der gesamten Fertigungskette (Kirchgeorg 1995 zitiert in MarketingMarktplatz 2002). Sollen nachhaltige Produkte und Dienstleistungen im Massenmarkt ihre Kundschaft finden, müssen Zusatzkosten und wahrgenommener Kundennutzen in Einklang gebracht werden. Nach Villinger muss das Ziel sein, „auf den von Zielgruppen hoch gewichteten Qualitätsdimension gut abzuschneiden […] und zugleich bei vertretbarem Aufwand ein Plus an Umweltverträglichkeit auf wichtigen Ökologiedimensionen zu erreichen“. Eine nachhaltige Gestaltung des Massenmarktes macht zudem das Überwinden ideologischer Barrieren erforderlich. Insbesondere müssen die Unternehmen offen gegenüber Produkten sein, die im Massenmarkt zentrale Umsatzträger sind (z. B. All-Inclusive-Reisen), im Nischenmarkt aber in der Regel tabuisiert werden (Villiger et al. 2000). Im Rahmen der Preispolitik muss das Marketing Antworten auf die möglicherweise höheren Kosten nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen finden. Höhere Preise sind oft nicht nur auf höheren Wert der angebotenen Leistungen zurückzuführen, sondern haben ihre Berechtigung oft auch in der Zahlungsbereitschaft der Kunden im Nischenmarkt: Der Preis dient quasi als Qualitätsbeweis. Dadurch gibt es im Nischenmarkt wenig Anreize, die Preise zu senken (Villiger et al. 2000). Im Massenmarkt allerdings dominieren preissensible Kunden. Hier stellt sich die Frage, wie der vom Kunden wahrgenommene Zusatznutzen kommuniziert werden kann. „Vor dem Hintergrund der Vertrauenseigenschaft Umweltverträglichkeit scheint es unrealistisch, Öko-Produkte auf einer Discount-Schiene zu vermarkten“ (Villiger et al. 2000). Eine andere Möglichkeit wäre, Eigenschaften wie Bequemlichkeit oder Ästhetik so dominant zu gestalten, dass der höhere Preis
4.4 Schlussfolgerungen
59
vom Kunden akzeptiert wird. Denkbar ist zudem eine Quersubventionierung des nachhaltigen Produktsegments durch konventionelle Angebote. Die Distributionspolitik steht vor der Herausforderung, die Absatzmöglichkeiten für nachhaltige Produkte zu verbessern. Die Distributionskanäle des Nischenmarktes wurden meist unabhängig zum konventionellen Vertriebsweg aufgebaut und sind damit oft wenig effizient. Eine wichtige Maßnahme zur Erschließung neuer Marktpotenziale ist die Erweiterung und Professionalisierung der Distributionskanäle – z. B. durch ökologisch orientierte Betriebe als Tochterunternehmen, durch Franchise-Modelle oder die Integration von ökologischen Produkten in das konventionelle Sortiment (Villiger et al. 2000). Die Kommunikation ist von besonderer Bedeutung, da die Nachhaltigkeit einer Urlaubsreise nicht unmittelbar sicht- und spürbar ist. Die Kommunikation muss in erster Linie Vertrauen beim Kunden schaffen, gleichzeitig müssen die Botschaften wissenschaftlich korrekt sein, da Kunden, Medien und Interessengruppen solche Aussagen kritisch reflektieren (Charter et al. 2002). Ein unabhängig kontrolliertes und in der Branche anerkanntes Öko-Label kann hier unterstützend wirken. Die Information über ökologische Produkte ist traditionell umfangreich und sachlich. Im Übergang zum Massenmarkt muss sich die Kommunikation diversifizieren, um die unterschiedlichen Marktsegmente zu bedienen (Villiger et al. 2000). Konsumenten im Massenmarkt haben andere Erwartungen und Kaufverhalten als Kunden der Öko-Nische. Für sie stehen Emotionen im Vordergrund. Lichtl (1999) hat in seinen Untersuchungen bestätigt, dass „unter den heutigen Kommunikationsbedingungen Emotionen in der Umweltkommunikation besser geeignet sind, ökologische Einstellungen und Verhaltensweisen eines Großteils der Konsumenten zu ändern, als die Vermittlung von Fakten“. Die Lösung liegt in einer sachbetonten Informationspolitik, welche die emotionale Positionierung flankiert (Villiger et al. 2000). Das Thema Nachhaltigkeit sollte nicht zuletzt auch in der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens Berücksichtigung finden. Durch PR müssen nicht nur Konsumenten, sondern auch Lieferanten, Kapitalgeber und das lokale Umfeld angesprochen und informiert werden (Hughes 1998). In diesem Zusammenhang spielen Corporate Identity und die Markenpolitik eine wichtige Rolle. Auch hier ist Glaubwürdigkeit von zentraler Bedeutung. Die PR des Unternehmens muss darauf achten, dass das Bild des Unternehmens auch der Realität entspricht (Charter et. al 2002).
4.4 Schlussfolgerungen Eine nachhaltige Gestaltung des Reisemarktes ist weit mehr als eine Erweiterung der Öko-Nische (siehe Abb. 4.5). Vielmehr geht es um eine gezielte Steuerung des Massentourismus hin zu umwelt- und sozialverträglicheren Angeboten. Ein Erfolg versprechender Ansatz ist die als „Upgrading Conventionals“ bezeichnete Marketingstrategie, bei der Reiseangebote konventioneller Anbieter im Massenmarkt umwelt- und sozialverträglicher gestaltet werden (Villiger et al. 2000). Da diese
60
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus
Angebote für den Massenmarkt stets eine große Zahl von Urlaubern erreichen, können auch kleine Verbesserungen bereits einen spürbaren Beitrag zur nachhaltigeren Gestaltung des gesamten Reisemarktes liefern. hoch
Relative nachhaltige Qualität
Nischenveranstalter
Enlarging Eco-Niche
Orientierung an den Wünschen und Anforderungen der Urlauber Ö Zielgruppen-Marketing
Upgrading Conventionals
Spezialisten
niedrig 0%
Konventionelle Anbieter 100%
Marktanteil
Abb. 4.5 Landkarte des nachhaltigen touristischen Massenmarktes (eigene Darstellung nach Villiger et al. 2000)
In den letzten Jahren erfolgte im Tourismusmarketing eine Ablösung der üblichen massenmarktorientierten Ansprache der Kunden durch ein zielgruppenspezifisches Marketing. Bedürfnisse und Wünsche der Kunden rücken dabei stärker in den Mittelpunkt. Auch große Unternehmen der Tourismuswirtschaft richten ihre Marketingziele und Instrumente mittlerweile stärker auf die Bedürfnisse kleinerer Zielgruppen aus. Die zunehmende Ausdifferenzierung und Segmentierung der Kundenwünsche macht eine Neuausrichtung des Marketings gerade im nachhaltigen Tourismus notwendig (siehe Abb. 4.6). Klassischer Ansatz
Zielgruppenansatz
Nachhaltige Reiseangebote
Zielgruppenspezifische Reiseangebote
Marketingkonzept
Nachhaltiges Marketingkonzept
(Nischen-) Kunde
Kundenwünsche und -bedürfnisse
Abb. 4.6 Zielgruppenorientierter Ansatz für ein nachhaltiges Marketing im Tourismus (eigene Darstellung)
4.4 Schlussfolgerungen
61
Damit nachhaltige Reisen nicht mehr nur an Nischenkunden vermarktet werden, müssen zielgruppenspezifische Reiseangebote entwickelt werden. Vielen Unternehmen fehlt hierfür aber eine tiefere Kenntnis der Kundenwünsche. Im Kapitel 5 werden Ergebnisse einer empirischen Untersuchung vorgestellt, die im Rahmen von INVENT durchgeführt wurde und die solche Wissenslücken schließen kann. Auf Basis der Ergebnisse wurde ein Zielgruppenmodell entwickelt, das Auskunft darüber gibt, ob und wie Urlaubergruppen für das Thema Nachhaltigkeit ansprechbar sind. Es bietet damit allen touristischen Akteuren eine gute Basis zur Entwicklung von kundenorientierten Strategien. Nachhaltige Marketingstrategie
Urlauber sind für Umwelt und Nachhaltigkeit ansprechbar
Urlauber sind nicht für Umwelt und Nachhaltigkeit ansprechbar
Ö potentielle Kunden für nachhaltige Reisen
Ö Reisen können nur unbemerkt vom Kunden nachhaltig gestaltet werden
Abb. 4.7 Betonung der nachhaltigen Produkteigenschaften touristischer Angebote (eigene Darstellung)
Die Herausforderung im Massenmarkt besteht darin, auch Kundengruppen zu adressieren, die nicht explizit für Nachhaltigkeit ansprechbar sind. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Ansatzpunkte (siehe Abb. 4.7): 1. „Nachhaltigkeit als Produktmerkmal“ – Nachhaltigkeit auf der Nachfrageseite: Die Relevanz nachhaltiger Entwicklung wird vom Reisenden bewusst nachgefragt, er wählt Zielgebiete und Reiseangebote danach aus und gibt diesem Faktor Priorität. Die Gründe dafür können sehr unterschiedlich sein: Ein Teil der Urlauber hat wirklich Interesse an der Umwelt, für andere spielen Image und Prestige eine Rolle. Über diesen Weg sind nachhaltige Reisen eher so etwas wie Luxusgüter (Wöhler 2001). Das Marktsegment ist entsprechend klein. 2. „Versteckte Nachhaltigkeit oder Nachhaltigkeit als Zusatzwert“ – Nachhaltigkeit auf der Angebotsseite: Hier sind verschiedene Konstellationen möglich: - Klassische touristische Angebote: Bestehende Reiseziele und Strukturen werden nachhaltiger gestaltet, z. B. durch Maßnahmen, die den Ressourcenverbrauch mindern und die Abfallbeseitigung umweltverträglicher gestalten (Wöhler 2001). Dem Reisenden werden die Änderungen nur am Rande bewusst.
62
4 Marketing für einen nachhaltigeren Tourismus -
-
Naturschutzorientierter Tourismus: Die Reisemotive für NaturerlebnisReisen können sich mit denen für nachhaltige Reiseangebote überschneiden. Dieses Motiv findet sich beispielsweise in vielen Trendsportarten. Intakte Natur ist für diese Touristen notwendige Kulisse für einen gelungenen Urlaub (Escher 2000). Zielgruppenspezifische Produkte für Deutschland und das benachbarte Ausland: Reisen an Zielorte, die ohne Flugzeug erreichbar sind, eröffnen wichtige Wege zu einem emissionsärmeren Tourismus. Um mehr Urlauber für Reiseziele in Deutschland oder im benachbarten Ausland zu gewinnen, ist eine stärkere Orientierung an den Wünschen und Bedürfnissen der verschiedenen Urlaubergruppen notwendig.
Nachhaltige Marketingstrategien dürfen sich nicht nur auf eine Optimierung bestehender Angebote beschränken. Zwar ist diese Optimierungs- bzw. Effizienzstrategie wichtig – für einen nachhaltigeren Tourismus sind daneben aber auch Suffizienzstrategien notwendig, die versuchen, gezielt auf die Reiseentscheidung Einfluss zu nehmen (siehe Abb. 4.8). Dies setzt allerdings eine genaue Kenntnis der Wünsche und Bedürfnisse der Reisenden voraus, damit zielgerichtete Angebote entwickelt werden können. Suffizienzstrategie meint also in Zusammenhang mit nachhaltigem Tourismus im Massenmarkt keinen Konsumverzicht, sondern eine Stärkung neuer Angebote. Um diesen Unterschied zu verdeutlichen, wird im Rahmen dieses Buches statt von Suffizienz- von Forcierungsstrategie gesprochen (siehe Abb. 4.8). Zielgruppenmarketing
Optimierungsstrategie
Forcierungsstrategie
Angebotsoptimierung unter Berücksichtigung der Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung
Einfluss auf die Reiseentscheidung durch die optimale Gestaltung alternativer Reiseangebote
• kurzfristig • alle Destinationen
Nah- statt Fernziele
Qualitätstourismus
• mittel- und langfristig • ausgewählte Destinationen
Abb. 4.8 Grundsatzstrategien für nachhaltigen Tourismus im Massenmarkt (eigene Darstellung)
Das Besondere an der Forcierungsstrategie ist, dass nicht mehr das Angebot, sondern der Markt als Ganzes in das Marketing einbezogen wird. Damit können auch konventionelle Angebote einen Beitrag zur nachhaltigeren Gestaltung des Tourismus leisten, indem sie – global gesehen – die Touristenströme lenken. Ein Beispiel dafür ist die Förderung von Nahzielen, die Flugreisen ersetzen. Diese
4.4 Schlussfolgerungen
63
strategischen Grundüberlegungen werden in Kapitel 6 auf Basis des INVENTZielgruppenmodells konkretisiert. Anhand von vier Destinationen wird konkret aufgezeigt, wie zielgruppenspezifische Optimierungs- und Forcierungsstrategien ausgestaltet werden können. Um die Marketingstrategien für nachhaltige Tourismusangebote zu realisieren und damit neue Marktsegmente zu erreichen, sind folgende Aspekte im Rahmen der Detail- und Maßnahmenplanung zu berücksichtigen:
• Der Nischenmarkt hat den Ruf, nur eine eingeschränkte Produktpalette zu bieten, die den vielfältigen Wünschen der Zielgruppen des Massenmarktes nicht entspricht. Akteure am Markt müssen daher Angebote entwickeln, die sich in den Massenmarkt fließend integrieren lassen (z. B. nachhaltige Pauschal- und All-Inclusive-Reisen). • Als Problem gelten die hohen Preise nachhaltiger Reisen. Höhere Preise werden von Kunden aber oft als Qualitätsbeweis gewertet und sind eine Antwort auf die Bereitschaft der Kunden im Nischenmarkt, für besondere Reisen mehr Geld auszugeben. Für den Massenmarkt dagegen müssen Angebote mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis geschaffen werden. • Die Distributionswege im Nischenmarkt sind oft getrennt vom konventionellen Vertrieb. Neukunden und Gelegenheitskäufer werden dadurch oft nicht erreicht oder sogar abgeschreckt. Professionellere und erweiterte Distributionskanäle sind damit eine wichtige Maßnahme, um neue Marktpotenziale zu erschließen. Dies schließt auch den Vertrieb über Reisebüros ein. • Nachhaltigkeit im Urlaub ist meist nicht unmittelbar erfahrbar, was der Kommunikation eine besondere Bedeutung zuweist. Den touristischen Massenmarkt nachhaltiger zu gestalten, bedeutet, eine Vielzahl von Konsumenten anzusprechen, die andere Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen haben als Kunden im Nischenmarkt. Sachliche Informationen müssen daher eine emotionale Kommunikation unterstützen. Zudem muss sich die Kommunikation diversifizieren, um die unterschiedlichen Marktsegmente zu bedienen. Wie diese Punkte konkret bei der Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote berücksichtigt werden können, wird in Kapitel 7 vorgestellt.
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Reiseangebote haben am Markt nur dann Erfolg, wenn sie die Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse von Urlaubern optimal erfüllen. Das gilt gerade auch für Reisen, die gezielt zu einer nachhaltigen Entwicklung im Tourismus beitragen können: Welchen Lebensstil pflegen die potenziellen Kundinnen und Kunden im Alltag? Was genau erwarten sie im Urlaub? Wie leicht sind sie für Umweltthemen und soziale Aspekte ansprechbar? Zur Beantwortung dieser Fragen hat das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH in enger Zusammenarbeit mit allen INVENT-Verbundpartnern das Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile" entwickelt. Dieses Modell unterscheidet die Reisenden im Massenmarkt anhand der Erwartungen und Bedürfnisse im Urlaub, anhand von soziodemografische Faktoren, aber auch anhand der Bereitschaft, sich mit ökologischen und sozialen Aspekten auseinander zu setzen. Die Ergebnisse des Modells waren daher auch wesentliche Grundlage für die Entwicklung passender Marketingstrategien. Basis ist eine repräsentative Befragung von 2000 Reisenden in Deutschland. Daraus entstand eine Typologie von insgesamt sieben Zielgruppen mit charakteristischen Lebens- und Reisestilen. Voraussetzung für die quantitative Empirie waren wiederum eigene qualitative empirische Untersuchungen.
5.1 Die Methodik Die empirische Untersuchung im Rahmen von INVENT basiert auf einer mehrstufigen Erhebung, bestehend aus einer qualitativen und einer quantitativrepräsentativen Befragung (siehe Abb. 5.1).
Abb. 5.1 Aufbau der empirischen Untersuchungen (eigene Darstellung)
66
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
5.1.1 Qualitative Empirie Die qualitative Empirie umfasste vier Gruppendiskussionen und 60 Tiefeninterviews und hatte folgende Ziele: -
Erreichung eines tieferen Verständnisses für die grundlegenden Reisemotive und Wünsche Gewinnung von Erkenntnissen über innovative Tourismusangebote, die in Richtung Nachhaltigkeit zielen Identifikation von nachhaltigen Handlungspotenzialen Entwicklung von Hypothesen hinsichtlich eines lebensstilorientierten Zielgruppenmodells für den Reisemarkt
Auf Basis der qualitativen Erkenntnisse war es zudem leichter möglich, Einstellungsvariablen für den Fragebogen in der quantitativen Forschungsphase zu erarbeiten. Die vier Gruppendiskussionen mit je zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern fanden im Mai 2003 in Frankfurt am Main und in Berlin statt, dauerten je 3,5 Stunden und wurden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ISOE moderiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden von einem Teststudio rekrutiert. Die Gruppendiskussionen und Interviews bezogen sich u. a. auf die vier Destinationen Mecklenburg-Vorpommern, Norditalien, Türkei und Dominikanische Republik, für die im Rahmen des BMBF-Projektes INVENT nachhaltige Marketingstrategien entwickelt werden sollten. Deshalb war eine der Voraussetzungen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Erfahrungen mit den jeweiligen Reisezielen bzw. großes Interesse an einem Urlaub in einer der vier Regionen haben. Wichtige Kriterien waren: regelmäßiger Urlaub (mindestens ein Urlaub im letzten Jahr), zur Hälfte Frauen und Männer, zur Hälfte mit und ohne Kinder, je ein Drittel 18 bis 35 Jahre, 36 bis 50 Jahre und 51 bis 70 Jahre, je ein Drittel untere, mittlere und höhere Bildungsabschlüsse, breit gestreute Berufe. In Abstimmung mit den Projektpartnern wurden folgende Themen im Rahmen der Gruppendiskussionen behandelt: -
Lebensstil-Hintergrund, Urlaubsreisen allgemein: Wünsche, Sehnsüchte, Bedürfnisse, Reiseplanung und Konzeption, Informationsquellen und Informationsverhalten, Konzepte für (nachhaltigeren) Tourismus,
Nach Auswertung der Gruppendiskussionen wurden im Juli 2003 in sieben Regionen der Bundesrepublik insgesamt 60 Tiefeninterviews durchgeführt. Die ca. 90-minütigen Interviews wurden auf Basis eines Leitfadens von geschulten Interviewern durchgeführt und aufgezeichnet. Die Kontakte zu den Gesprächspersonen wurden mit Hilfe eines Quotenplanes, der eine möglichst ausgewogene soziodemographische Verteilung gewährleisten sollte, hergestellt. Er legte außerdem die jeweilige Gesamtzahl derjenigen fest, die einen Urlaub in den vier INVENTRegionen verbracht bzw. großes Interesse an einem Urlaub in einer dieser Regionen bekundet haben sollten.
5.1 Die Methodik
67
Der Leitfaden, der auf den Ergebnissen der Gruppendiskussionen aufbaut und inhaltlich mit den Projektpartnern abgestimmt wurde, deckt fünf Themenkomplexe ab: -
-
Lebenswelt: u. a. Familiensituation, Alltag, Beruf, Freizeit, Zukunftsperspektiven; Urlaubsreisen allgemein: u. a. Urlaubsverhalten, Urlaubskriterien, Urlaubsziele; INVENT-Destinationen Mecklenburg-Vorpommern/Norditalien/Dominikanische Republik/Türkei: u. a. Rückblick/Ausblick auf den spezifischen Urlaub in der entsprechenden Region, Planung und Organisation, Aktivitäten vor Ort, Unterkunft, Verkehrsmittel, Stärken und Schwächen der Urlaubsdestination; Urlaubskonzeption: u. a. Planung, Pauschalreisen, Sicherheitsansprüche, Erlebnisorientierung, Bedeutung ökologischer Aspekte; Neue Tourismuskonzepte: Interesse an Serviceleistungen und Angeboten, an Nachhaltigkeit und Umweltzeichen/Zertifizierung eines Komplettangebotes.
Die Interviews wurden wie die Gruppendiskussionen in mehreren Schritten ausgewertet. Vorbereitend wurden die Interviews transkribiert und die Aufzeichnungen entlang eines mehrfach gestuften Kategoriensystems direkt in eine speziell für dieses Projekt entwickelte Access-Datenbank eingegeben. In einem zweiten Arbeitsschritt wurden die Interviews zusammen mit der jeweils zugehörigen Statistik inhaltlich analysiert und mit Memos versehen, die sich auf mehrere relevante Dimensionen bezogen: Urlaubskriterien/Urlaubsorientierungen, Urlaubsaktivitäten, Ablehnung bestimmter Ziele und Urlaubsarten („Anti-Urlaub“), Einstellung zu Pauschalreisen, Information- und Buchungsverhalten, Einstellung zu nachhaltigeren Reiseangeboten. Auf Basis dieser Dimensionen wurden die Ergebnisse typologisierend gruppiert. Ergebnis ist eine Beschreibung potenzieller Zielgruppen für innovative und nachhaltigere Tourismusangebote und deren Reisemotive, Wünsche und Bedürfnisse. In einem weiteren Arbeitsschritt wurde – mit Hilfe der Datenbank – eine themenzentrierte Auswertung durchgeführt. Diese dient zur Eruierung des Antwortspektrums, der Identifikation der Motivationen und alltagsnahen Formulierung des standardisierten Fragebogens. Soweit möglich, wurden die themenspezifischen Aussagen den zuvor identifizierten Typen zugeordnet. 5.1.2 Quantitative Empirie Die quantitative Empirie umfasste die Befragung von über 2000 Reisenden mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens. Sie hatte zum Ziel: -
Erkenntnisse über Reiseverhalten, -bedürfnisse und -wünsche der Zielgruppen und deren Motivationen zu erhalten belastbare zielgruppenspezifische Aussagen über die Attraktivität und Akzeptanz nachhaltiger Tourismusangebote abzuleiten
68
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“ -
für jede Zielgruppe Informationen über mögliche Substitutions- bzw. Optimierungspotenziale für nachhaltigere Reisen zu erhalten.
Die Befragung fand im November und Dezember 2003 in Form persönlicher Befragungen statt. Jedes Interview dauerte rund 45 Minuten. Die Konzeption der Befragung einschließlich der Fragebogenerstellung erfolgte durch das ISOE in Zusammenarbeit mit allen INVENT-Verbundpartnern. Die Datenerhebung selbst wurde vom Befragungsinstitut IPSOS GmbH, Mölln, durchgeführt. Zur Grundgesamtheit der Befragten gehörten alle deutschsprachigen Personen ab 14 Jahren, die in Privathaushalten in der Bundesrepublik leben und die in den letzten zwölf Monaten eine Urlaubsreise mit mindestens einer Übernachtung unternommen haben. Aus dieser Grundgesamtheit wurde auf Grundlage des ADMMastersamples (Random-Route) eine repräsentative, mehrstufig geschichtete Zufallsstichprobe gezogen. Insgesamt wurden 2021 Interviews durchgeführt. Die Befragung wurde dabei so konzipiert, dass folgende zentralen Untersuchungsziele erfüllt werden konnten: Alle Reisenden erfassen: Bei der Befragung sollten nicht nur ökologisch engagierte Touristen, sondern alle Reisenden erfasst werden. Es sollte ein Zielgruppenmodell für den so genannten Massen- oder Volumenmarkt entwickelt werden. Zentrale Urlaubs- und Reise-Orientierungen analysieren: Im Urlaubsreisemarkt geht es um Wunscherfüllung. Urlaub dient der Erholung vom Alltag, er kompensiert aber auch die Verzichtsleistungen durch Erwerbs-, Haus- und Versorgungsarbeit. Urlaubswünsche sollen daher optimal erfüllt werden. Diese Wünsche – Urlaubsorientierungen – stehen im Vordergrund der Zielgruppen-Segmentation. Urlaubsverhalten analysieren: Urlaubsorientierungen stehen mit dem Reiseverhalten in Zusammenhang. Wichtig ist daher eine möglichst genaue Erfassung des Urlaubsverhaltens hinsichtlich Destinationen, Urlaubsreisearten, Aktivitäten, Reisedauer, Unterkunft, Buchungsform, Informations- und Entscheidungsverhalten. Verkehrsmittelwahl erheben: Für die ökologische Bilanz ist das gewählte Verkehrsmittel entscheidend. Wichtig ist eine möglichst genaue Erfassung der Anund Abreise sowie der Mobilität vor Ort. Für die meisten Auslandsziele ist das Flugzeug zur Selbstverständlichkeit geworden. Für die Mobilität vor Ort bestehen mehr Freiheitsgrade, z. B. bei der Frage, ob der ÖPNV, ein Mietwagen oder ein Leihfahrrad genutzt wird. 5.1.3 Der Weg zum Zielgruppenmodell Die Entwicklung des Zielgruppenmodells erfolgte mittels Clusteranalyse. Vorangestellt war eine Faktorenanalyse, um die relativ große Zahl von Antwortmöglichkeiten (Items) zu einer relativ geringen und handhabbaren Anzahl von Faktoren zu verdichten. Auch können damit zusammenhängende Hintergrundmotive erfasst werden, die als latente, nicht direkt beobachtbare Einflussgrößen die Antworten beeinflussten. Die Faktorenanalyse wurde mit zwei Statementbatterien durchgeführt: den Urlaubsorientierungen und den Lebensstilorientierungen. Für die Urlaubsorientie-
5.1 Die Methodik
69
rungen wurden elf Faktoren identifiziert, für die Lebensstilorientierungen sieben. Beispielsweise wurde als Urlaubsorientierung der Faktor „Offenheit für andere Länder und Kulturen“ identifiziert. Die zentralen konstituierenden Items der Statementbatterie waren dabei: -
„Wenn ich im Ausland bin, esse ich am liebsten dort, wo auch die Einheimischen essen“. „Ich finde mich überall auf der Welt zurecht.“ „Im Urlaub versuche ich die Kultur der Einheimischen zu respektieren und mich dementsprechend zu verhalten.“ „Es macht mir Spaß, ein Urlaubsland auf eigene Faust zu erkunden.“ „Ich freue mich, wenn ich im Urlaub meine Sprachkenntnisse anwenden und verbessern kann.“
Aufbauend auf den Ergebnissen der Faktorenanalyse wurde die Clusteranalyse durchgeführt, mit dem Ziel, Gruppen von Urlaubern (Cluster) mit ähnlichen Urlaubs- und Lebensstilorientierungen zu identifizieren. Die Mitglieder dieser Gruppen sollten hierbei möglichst ähnliche Ausprägungen, die Mitglieder verschiedener Gruppen möglichst unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Im Rahmen des INVENT-Projektes wurden für die Clusteranalyse erstmals sowohl Variablen der Urlaubs- und Reiseorientierung in der verdichteten Form von Faktoren als auch soziodemographische Einflussgrößen (Alter und Haushalts-Nettoeinkommen) zur Gruppenbildung herangezogen – basierend auf der Erkenntnis, dass Orientierungen und Einflüsse von Lebensphase und sozialer Lage einen nicht trennbaren Einfluss auf das Reiseverhalten ausüben. Die Natur- und Outdoor-Urlauber 14%
Die anspruchsvollen Kulturreisenden 15%
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber 16%
Die Kinder- und Familienorientierten 14%
Die unkonventionellen Entdecker 10%
Die jungen Fun- und Action-Urlauber 11%
Die Sonne-, Strand-, Pauschal-Urlauber 20%
Abb. 5.2 INVENT-Zielgruppenmodell im Überblick (eigene Darstellung)
Im Kontext der Ergebnisse der qualitativen Empirie am besten erklärbar war eine Typologie mit sieben Gruppen, die sich in ihren Urlaubs- und Reisestilen
70
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
deutlich voneinander unterschieden (siehe Abb. 5.2). Folgende sieben Typen, die im weiteren Text als Zielgruppen bezeichnet werden, wurden identifiziert: -
die traditionellen Gewohnheitsurlauber, die Kinder- und Familienorientierten, die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber, die jungen Fun- und Action-Urlauber, die unkonventionellen Entdecker, die anspruchsvollen Kulturreisenden, die Natur- und Outdoor-Urlauber.
5.2 Die sieben Zielgruppen Jeder Urlauber sucht Erholung. Der eine allerdings findet sie während eines Allinclusive-Badeurlaubs am Mittelmehr, der andere auf einer Treckingtour in exotischen Regionen. Reisende sind so gesehen sehr unterschiedlich in ihren Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen. Im folgenden Kapitel werden die sieben identifizierten Zielgruppen anhand ihrer Urlaubs- und Lebensstilorientierungen sowie soziodemographischen Merkmale vorgestellt. A)
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
Urlaubsorientierungen Die traditionellen Gewohnheitsurlauber zieht es im Urlaub nicht in die Fremde; sie fahren dahin, wo sie sich auskennen und sicher fühlen, am liebsten immer wieder an den gleichen Ort, gerne auch in Deutschland. Sie wollen im Urlaub weniger Neues erleben oder fremde Kulturen kennen lernen: Sie suchen eine weitgehende Aufrechterhaltung ihrer alltäglichen Routine. Sicherheit und Sauberkeit spielen dabei selbstverständlich eine wichtige Rolle. Lebensstil Traditionelle soziale Gruppen, wie die traditionellen Gewohnheitsurlauber, sind aus der Milieu- und Lebensstilforschung bekannt, empirisch gesichert und ein immer wieder vorkommender Typus, dessen Anteil insgesamt aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen („Enttraditionalisierungstendenz“) rückläufig ist. Die traditionellen Gewohnheitsurlauber sind geprägt von einer bescheidenen Grundhaltung, nach innen auf die Familie gerichtet und auf Sicherheit bedacht. Dieser Typ hat ein traditionelles Weltbild, sowohl, was das Rollenverhältnis von Männern und Frauen angeht als auch in Bezug auf die Kindererziehung. Gehorsamkeit und Respekt gegenüber Autoritäten gelten als Tugenden. Auffallend sind starke Berührungsängste gegenüber modernen Informationstechnologien.
5.2 Die sieben Zielgruppen
71
Soziodemographie Die traditionellen Gewohnheitsurlauber repräsentieren das Segment mit dem höchsten Anteil älterer Jahrgänge; 55,1 % sind älter als 60. Aufgrund des Alters ist ein recht hoher Anteil der traditionellen Gewohnheitsurlauber (15,2 %) in der körperlichen Beweglichkeit eingeschränkt, das sind doppelt so viele wie im Durchschnitt. Frauen sind in dieser Zielgruppe mit 59,9 % überdurchschnittlich vertreten. Der größte Teil der Gruppe (58,6 %) lebt verheiratet mit dem Partner oder der Partnerin zusammen. Überdurchschnittlich ist jedoch auch der Anteil der Verwitweten, die fast immer ohne neuen Partner leben. In nur 12,8 % der Fälle leben die Kinder noch im Haushalt. Dementsprechend hoch ist die Anzahl der Einund Zwei-Personen-Haushalte (83,2 %). Die traditionellen Gewohnheitsurlauber haben überwiegend niedrige Bildungsabschlüsse; 76,3 % haben als höchsten Bildungsabschluss den Haupt- oder Volksschulabschluss. Der größte Teil mit 70,6 % ist nicht oder nicht mehr berufstätig, 50,3 % sind Rentner, 14,1 % Hausfrauen. B)
Die Kinder- und Familienorientierten
Urlaubsorientierungen Für diese Gruppe ist das wichtigste Motiv für die Wahl ihres Urlaubsziels die Kinder- und Familienfreundlichkeit. Das bedeutet für sie nicht nur angemessene Preise, sondern auch gezielte Angebote und Animation für den Nachwuchs. Diese sollen die Eltern entlasten und es ermöglichen, dass die Erwachsenen im Urlaub Erholung finden und Zeit für sich haben. Weiterhin spielen auch die Sicherheit des Urlaubsziels und die Sauberkeit der Unterkunft eine wichtige Rolle. Lebensstil Der Alltag der Kinder- und Familienorientierten ist stark von Stress und Überforderung geprägt. Alles dreht sich um die Familie und die Erziehung der Kinder. Dabei sollen möglichst traditionelle Werte, wie Gehorsamkeit und Respekt vor den Autoritäten, vermittelt werden, die sich auch in der traditionellen Arbeitsteilung der Eltern wiederfinden. Bedürfnisse der Eltern, besonders der Mütter, sich um sich selbst zu kümmern, kommen dabei oft zu kurz. Soziodemographie Zwei Drittel der Kinder- und Familienorientierten sind Frauen. Der Altersschwerpunkt liegt bei den 30- bis 50-Jährigen (71 %). Mit 72,2 % hat diese Gruppe in der Typologie den größten Anteil an denjenigen, die als Ehepaar zusammenleben. Bei drei Viertel der Kinder- und Familienorientierten leben Kinder unter 18 Jahren im Haushalt: 34,0 % haben ein Kind, 30,9 % zwei, 7,6 % drei, 1,4 % vier, 0,3 % fünf Kinder. So leben 73,9 % der Kinder- und Familienorientierten in Drei- oder Mehrpersonenhaushalten. Nur 8,3 % dieser Gruppe leben allein.
72
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Bei den Bildungsabschlüssen hat dieser Typ einen klaren Schwerpunkt im mittleren bis niedrigen Bereich, 84 % haben einen Hauptschulabschluss oder die mittlere Reife. Ein überdurchschnittlich hoher Anteil dieser Gruppe (25,7 %) ist in Teilzeit erwerbstätig. Der Anteil der Ganztags-Erwerbstätigen ist mit 38,7 % leicht unterdurchschnittlich. Kinder- und Familienorientierte sind überdurchschnittlich häufig bei den Angestellten (29,8 %) sowie den Arbeitern (8,8 %) und Facharbeitern (13,2 %) zu finden. Außerdem ist ein großer Anteil (15,3 %) Hausfrau/Hausmann oder im Erziehungsurlaub (4,9 %). Die Kinder- und Familienorientierten haben einen Schwerpunkt in den mittleren bis höheren Einkommen. Das einzige Sportgerät, das die Kinder- und Familienorientierten überdurchschnittlich benutzen, ist mit 76,3 % das „normale“ Fahrrad. C)
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
Urlaubsorientierungen Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber suchen im Urlaub Sommer, Sonne, Strand und Entspannung. Dabei legen sie eine ausgeprägte Preis- und Schnäppchenorientierung an den Tag. Die Reisedestination kann bei einem sehr günstigen Angebot sogar zweitrangig werden. Wichtig ist ihnen, dass sie sich um nichts kümmern müssen, sondern einfach nur entspannen können. Für diesen Service greifen sie auch mal ein bisschen tiefer in die Tasche. Lebensstil Von der Grundorientierung her bescheiden, legt dieser Typ großen Wert darauf, nach außen einen guten Eindruck zu machen. So spielt das äußere Erscheinungsbild eine wichtige Rolle und man ist sich der Signalwirkung bestimmter Statussymbole bewusst. Dementsprechend besteht der Wunsch nach etwas Besonderem, jedoch innerhalb des erschwinglichen konventionellen Rahmens. Soziodemographie Bei diesem etwas älteren Typus (45,8 % sind zwischen 50 und 70 Jahren alt) sind Frauen leicht überrepräsentiert (58,6 %). 46,3 % leben allein, weitere 39,8 % mit nur einer weiteren Person im Haushalt. Überdurchschnittlich oft sind sie geschieden, verwitwet oder getrennt, dann leben sie meist ohne neuen Partner. Die Kinder, sofern sie welche haben, sind aus dem Haus, nur bei 5,1 % leben noch Kinder unter 18 Jahren im Haushalt. Dieser Typus ist bei den niedrigeren Bildungsabschlüssen sowie den unteren Einkommen leicht überrepräsentiert. 45,1 % arbeiten ganztags, 44,3 % arbeiten nicht oder nicht mehr (25,1 % sind in Rente oder im Vorruhestand; 8,8 % sind Hausfrauen und 6,4 % sind zurzeit arbeitslos). Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber sind vornehmlich in Angestelltenpositionen zu finden.
5.2 Die sieben Zielgruppen
D)
73
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
Urlaubsorientierungen Die jungen Fun- und Action-Urlauber sind im Urlaub weniger auf der Suche nach Entspannung als vielmehr nach Action und Abenteuer. Immer aktiv, sucht dieser Typ das Abenteuer tagsüber bei Trendsportarten und nachts in der Disko. Schließlich ist der Urlaub eine gute Gelegenheit, um neue Leute kennen zu lernen. Ähnlich wie die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber hat dieser Typ eine ausgeprägte Schnäppchenorientierung und nimmt gerne auch ein günstiges Last-MinuteAngebot in Anspruch. Spontan und flexibel verreist er auch immer wieder mit unterschiedlichen Leuten. Lebensstil Der Alltag ist geprägt vom Drang nach Neuem und aktuellen Trends. Die hedonistische Grundeinstellung ist gekoppelt mit einer ausgeprägten Technikaffinität, wobei die Informationstechnologien vornehmlich zur Koordination und Erweiterung des sozialen Netzwerks verwendet werden. Ein Leben ohne Internet und Handy wäre nicht vorstellbar. Soziodemographie Die jungen Fun- und Action-Urlauber repräsentieren das jüngste Segment der Typologie; 48,3 % sind unter 30 Jahren, 86,4 % unter 50 Jahren. Zwei Drittel dieses Typs sind Männer und zu knapp drei Viertel ledig; über die Hälfte (53,7 %) ist nicht nur ledig, sondern auch Single; 55,8 % leben in Einpersonenhaushalten. Kinder unter 18 Jahren leben nur bei 12,1 % dieses Typs im Haushalt. Die jungen Fun- und Action-Urlauber sind bei den mittleren Abschlüssen überdurchschnittlich vertreten. Dass sie beim Universitäts-Abschluss nicht stärker vertreten sind, kann auch ein Alterseffekt dieser relativ jungen Gruppe sein. Die Funund Action-Urlauber stellen mit 65,2 % den höchsten Anteil an den ganztags Erwerbstätigen. Sie sind vermehrt in Angestellten- und Facharbeiterpositionen anzutreffen. Außerdem sind sie überdurchschnittlich häufig noch in der Ausbildung: 5,1 % Auszubildende, 3,2 % Schüler/innen, 3,2 % Studierende. Bei ihnen überwiegen die niedrigen und mittleren Einkommen. Die jungen Fun- und ActionUrlauber sind aktive Sportler. E)
Die unkonventionellen Entdecker
Urlaubsorientierungen Die unkonventionellen Entdecker zeichnen sich besonders durch ihre Offenheit für andere Länder und Kulturen aus. Sie legen Wert darauf, auf eigene Faust sozial, kulinarisch und sprachlich in das Leben der einheimischen Kultur einzutauchen. Für ein möglichst authentisches Urlaubserlebnis bewegen sie sich abseits
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5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
des Touristenrummels und sind bereit, dafür auf bestimmte Annehmlichkeiten zu verzichten. Sicherheit spielt für diese Gruppe keine Rolle; gerade die Unberechenbarkeit birgt oft Überraschungen, die die unkonventionellen Entdecker zu schätzen wissen. Lebensstil Die unkonventionellen Entdecker haben eine individualistische und aufgeschlossene Grundeinstellung. Sie zeichnen sich hauptsächlich durch ihre Ablehnung konventioneller Werte und Lebensstile aus. Sie wehren sich gegen unkritische Anpassung und lassen sich durch Vorschriften und Normen nicht von ihrem Weg abbringen. Soziodemographie Die unkonventionellen Entdecker entsprechen bei Geschlecht und Alter dem Durchschnitt, Jüngere sind leicht überdurchschnittlich vertreten. Knapp ein Drittel ist ledig und ohne Partner, weitere 13,5 % waren bereits verheiratet und leben geschieden oder verwitwet ohne neuen Partner. In 82,4 % der Haushalte leben keine Kinder unter 18 Jahren, in 10,9 % lebt ein Kind. Dementsprechend hoch ist die Anzahl der Einpersonenhaushalte (50,4 %), Zweipersonenhaushalte machen 26,8 %, Dreipersonenhaushalte 10,8 % aus. Die unkonventionellen Entdecker haben überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse, 42,2 % mindestens die Fachhochschulreife, 12 % einen Hochschulabschluss. 47,8 % dieser Gruppe sind ganztags berufstätig, 9,1 % arbeiten Teilzeit, 40 % sind zurzeit nicht berufstätig. 13,8 % sind noch in der Ausbildung bzw. Schüler und Studenten. Die unkonventionellen Entdecker finden sich überdurchschnittlich in leitenden Angestellten-Positionen (4,6 %) und als Selbständige (7,3 %). Beim Einkommen zeigen sich keine Schwerpunkte, es ist durchschnittlich verteilt. F)
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
Urlaubsorientierungen Auch die anspruchsvollen Kulturreisenden genießen kulturelle Vielfalt und wollen diese im Urlaub möglichst authentisch erleben. Dazu gehört für sie selbstverständlich die landestypische Küche, aber auch das Gespräch mit den Einheimischen, soweit möglich in deren Sprache. Urlaub ist für diese Gruppe nicht Synonym für Erholung, sondern für neue Eindrücke und Wissenserweiterung. Dieser Typus zeigt großes Interesse für die Verhältnisse vor Ort. Seine Empathie, gekoppelt mit seiner gehobenen Bildung, macht ihn für Fragen der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit aufgeschlossen.
5.2 Die sieben Zielgruppen
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Lebensstil Bei diesem Typ handelt es sich um das Segment der jung gebliebenen Älteren, die in den Marketingstrategien als „Golden Greys“ und „Best Agers“ eine zunehmende Rolle spielen. Sie sind bestrebt, sich weiterzubilden und körperlich und geistig fit zu bleiben. Der Lebensstil ist von einem ausgesprochenen Interesse an Kultur sowie einem gewissen Engagement für sozial schlechter Gestellte geprägt. Darüber hinaus zeichnet er sich durch Offenheit und Toleranz und die Ablehnung traditioneller Werte aus. Soziodemographie In der Gruppe der anspruchsvollen Kulturreisenden sind die Altersgruppen ab 50 überrepräsentiert; 66,7 % sind älter als 50. Der Großteil lebt verheiratet mit dem Partner oder der Partnerin in einem Haushalt. 14 % waren verheiratet und leben verwitwet oder geschieden ohne neuen Partner. 83,2 % dieses Typs lebt in Einoder Zwei-Personen-Haushalten; in 86,9 % der Haushalte leben keine Kinder unter 18 Jahren (mehr). Bei den anspruchsvollen Kulturreisenden überwiegen die hohen Bildungsabschlüsse; diese Gruppe hat mit 14,9 % den höchsten Anteil an den Hochschulabschlüssen. 38,7 % sind ganztags, 9,9 % halbtags berufstätig; 50,5 % sind nicht oder nicht mehr berufstätig (33,0 % sind in Rente oder im Vorruhestand und 10,3 % Hausfrau oder Hausmann). Überdurchschnittlich vertreten ist dieser Typ bei den Beamten (6,1 %) und den Selbstständigen (9,5 %); mittlere und höhere Einkommen überwiegen. G)
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Urlaubsorientierungen Die Natur- und Outdoor-Urlauber sind zugleich erlebnis- und familienorientiert. Im Urlaub wollen sie aktiv und in der Natur sein sowie Sport treiben. Dabei wünschen sie sich und ihrer Familie authentische Erlebnisse in möglichst unberührter Natur. Für dieses Naturerlebnis und umweltfreundliches Reisen sind sie durchaus bereit, etwas mehr Geld auszugeben. Sie sind gut für Nachhaltigkeitsthemen ansprechbar – denn es geht ihnen nicht nur um die Umwelt, sondern auch um Gerechtigkeit. Es ist ihr ausdrückliches Interesse, die Natur zu erhalten, um sie für sich selbst nutzen zu können. Insofern repräsentiert dieser Typus eine neue Form der ökologischen Sensibilität, die sich nicht altruistisch, sondern durchaus „egoistisch“ verhält. Aus dieser Perspektive besteht ein Eigeninteresse an einem pfleglichen Umgang mit Natur – man selbst, aber auch die ganze Familie will die Umwelt als Erlebniswelt nutzen und genießen. Lebensstil Die Natur- und Outdoor-Urlauber zeichnen sich durch kulturelles Interesse und soziales Engagement aus. Ihr Drang nach neuen Eindrücken und Erlebnissen ist
76
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
gekoppelt mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein für sich selbst, die Familie, sowie sozial Benachteiligte und die Umwelt. Hier zeigt sich ein modernes Ökologieverständnis, das verschiedene Bereiche des Lebens umfasst, mit dem Ziel, für sich und andere Lebensqualität zu sichern. Vom Bild des herkömmlichen „Ökos“ hebt sich dieser Typ nicht nur durch seine Erlebnisorientierung, sondern auch durch seine Technikaffinität ab. Die Informations- und Kommunikationstechnologien sind selbstverständlicher Bestandteil des beruflichen und privaten Alltags und werden nicht zuletzt deswegen geschätzt, weil sie das Leben vereinfachen und Zeit sparen. Insofern gleicht dieser Typus jenem Lebensstil der „LoHaS“ (Lifestyle of Health and Sustainability), der sich nicht nur derzeit in Deutschland in einer Blog-Community konstituiert, sondern schon seit 2003 als umsatzstarke Gruppe in den USA bekannt ist. Soziodemographie Die Natur- und Outdoor-Urlauber sind hinsichtlich ihrer soziodemographischen Struktur eher durchschnittlich ausgeprägt. Männer und Frauen sind zu jeweils 50 % vertreten; die Altersgruppen sind weitgehend normal verteilt, mit einem leichten Schwerpunkt bei den mittleren und jüngeren Altersgruppen. Bei 29,5 % dieses Typs leben Kinder unter 18 Jahren im Haushalt; 13,8 % haben ein Kind, 13,2 % zwei und weitere 2,5 % drei Kinder. Dementsprechend lebt diese Gruppe überdurchschnittlich oft in Drei- und Vierpersonenhaushalten und unterdurchschnittlich allein. Mit 59,5 % ist diese Gruppe auch überdurchschnittlich häufig verheiratet; überdurchschnittlich vertreten sind auch Ledige, die mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenleben sowie Geschiedene, die mit einem neuen Partner bzw. einer neuen Partnerin zusammenleben. Es überwiegen mittlere und höhere Bildungsabschlüsse und mittlere bis höhere Einkommen. 46,7 % sind ganztags, 16,8 % halbtags erwerbstätig. Leitende Angestellte, Beamte, Selbstständige und Auszubildende sind leicht überdurchschnittlich vertreten. Ähnlich wie die jungen Fun- und Action-Urlauber lebt dieser Typ sportlich. Tabelle 5.1 gibt einen Überblick über die sieben Zielgruppen und deren Charakteristika.
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen Wer nur übers Wochenende oder für wenige Tage verreist, plant und kalkuliert anders als für den längeren (Jahres)-Urlaub. Daher erfolgt die Darstellung des Urlaub- und Reiseverhaltens der sieben Zielgruppen in folgenden Kapitel getrennt: einerseits für längere Urlaubsreisen (mit mindestens vier Übernachtungen), andererseits für den Kurzurlaub.
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
77
Tabelle 5.1 Kurzcharakteristik des deutschen Urlaubsreisemarktes Zielgruppe
Anteil am Kurzcharakteristik Urlaubsmarkt
Die traditionellen 16 % Gewohnheitsurlauber
Die Kinder- und 14 % Familienorientierten
Die Sonne-, Strand-, 20 % Pauschalurlauber
Die jungen Fun11 % und Action-Urlauber
Die unkonventionellen Entdecker
10 %
Die anspruchsvollen 15 % Kulturreisenden
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
14 %
- ältere, einkommensschwache Zielgruppe - fahren dahin, wo sie sich auskennen und sicher fühlen, am liebsten an den gleichen Ort, gerne auch nach Deutschland - wählen ihr Urlaubsziel nach dessen Kinder- und Familienfreundlichkeit aus - besonders beliebt ist ein Sommerurlaub am See oder am Strand - suchen Sommer, Strand, Entspannung und guten Service - orientieren sich bei der Wahl ihres Urlaubs stark am Preis - Umweltschutz oder soziale Aspekte spielen kaum eine Rolle - wollen im Urlaub Erlebnis, Abwechslung und Spaß - sind offen für neue Bekanntschaften und für alles, was „in" ist - lehnen Deutschlandurlaub und Reisen mit ökologischer Ausrichtung ab - neugierig auf alles Unbekannte - tauchen gern auf eigene Faust in das Leben fremder Kulturen ein – und das am liebsten abseits des Touristenrummels - genießen die kulturelle Vielfalt fremder Länder und wollen diese im Urlaub möglichst authentisch erleben - aufgeschlossen für ökologische und soziale Fragen - sind in einem modernen Sinne umweltbewusst, erlebnis- und familienorientiert - suchen authentische Erlebnisse in möglichst unberührter Natur – auch, wenn es mehr kostet - Zielgruppe für modernen Natur-ErlebnisTourismus
5.3.1 Längerer Urlaub
Häufigkeit Die anspruchsvollen Kulturreisenden und Natur- und Outdoor-Urlauber sind die Vielreiser unter den sieben Zielgruppen. 29,6 % der Kulturreisenden waren 2003 mindestens zweimal im Urlaub, bei den Natur- und Outdoor-Urlaubern waren es
78
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
29,3 %. Die Kinder- und Familienorientierten haben den höchsten Anteil (70,1 %) an Personen, die einmal im Urlaub waren. 10,8 % sind mehr als einmal, 19,0 % dagegen gar nicht in den Urlaub gefahren. Auch Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber fahren meist nur einmal im Jahr weg (68,3 %). Bei den jungen Fun- und ActionUrlaubern sind 58,2 % einmal, 22,5 % öfter und 19,2 % gar nicht verreist. Die traditionellen Gewohnheitsurlauber haben mit 35,8 % den höchsten Anteil an Personen, die nicht in den Urlaub gefahren sind. 50,7 % sind einmal, 13,6 % öfter verreist. Auch bei den unkonventionellen Entdeckern gibt es einen erheblichen Anteil (22 %), der keine Urlaubsreise unternommen haben; gleichzeitig sind 23,2 % der Gruppe mehr als einmal in den Urlaub gefahren. Die folgenden zielgruppenspezifischen Auswertungen beziehen sich grundsätzlich auf die (Stich-)Urlaubsreise, welche die Reisenden im Jahr 2003 bzw. im Jahr 2002 unternommen haben. Als Grundgesamtheit ergeben sich damit 1.740 Reisen. Destinationen Am Urlaub in Deutschland scheiden sich die Geister (siehe Abb. 5.3). Die traditionellen Gewohnheitsurlauber haben zu 54,6 % ihren Urlaub in Deutschland verbracht, während von den Fun- und Action-Urlaubern nur 12,8 % im eigenen Land Urlaub machten. Bei den Kinder- und Familienorientierten und den anspruchsvollen Kulturreisenden haben rund 30 % den Urlaub in Deutschland verbracht. Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber, die großen Wert auf Schönwettergarantie legen, bleiben im Urlaub nur zu 20 % im Inland. Bei Zielen in Südeuropa liegt der Unterschied zwischen den Gruppen bei rund 24 Prozentpunkten. Südeuropa ist das Urlaubsziel, das mit 32,1 % im Schnitt der Typen von allen am stärksten frequentiert wurde – insbesondere von SonneStrand-Pauschal-Urlaubern (43,9 %). Die traditionellen Gewohnheitsurlauber haben mit 19,8 % den geringsten Wert. Nordeuropa wurde insgesamt nur von 2,7 % aller Befragten besucht. Die Kinder- und Familienorientierten waren mit 4,5 % am häufigsten, die Sonne-StrandPauschal-Urlauber mit 0,9 % am seltensten in Nordeuropa. Bei den westeuropäischen Zielen zeigen sich wiederum sehr deutliche Unterschiede und zwar nicht zwischen zwei extremen Typen, sondern sozusagen zwischen zwei Lagern: auf der einen Seite die Kinder- und Familienorientierten, die jungen Fun- und ActionUrlauber und die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber, die mit jeweils ca. 10 % Westeuropa als Urlaubsziel hatten; auf der andern Seite die unkonventionellen Entdecker, die anspruchsvollen Kulturreisenden und die Natur- und Outdoor-Urlauber, die mit jeweils ca. 20 % fast doppelt so häufig westeuropäische Ziele bereisten. Länder wie Frankreich, Großbritannien, Belgien und die Niederlande gehören ähnlich wie Deutschland nicht zu den preiswerten Zielen, sind aber für Reisende, die im Urlaub Kultur und Bildungsangebote suchen, äußerst attraktiv. Osteuropa – besonders Ungarn, die Tschechische Republik und Polen – wird am häufigsten von den anspruchsvollen Kulturreisenden (10,3 %) und am seltensten von den Kinder- und Familienorientierten (5,7 %) und den traditionellen Gewohnheitsurlaubern (5,8 %) besucht. Der relativ hohe Anteil an Sonne-StrandPauschal-Urlaubern und jungen Fun- und Action-Urlaubern könnte damit erklärt
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
79
60 50 40 30 20 10 0
60 50 40 30 20 10 0
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
54,6
Die Kinder- und Familienorientierten Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
30,5
29,8 17,7
21,5
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
21,2
Die unkonventionellen Entdecker
12,8
Die anspruchsvollen Kulturreisenden Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Deutschland 25 43,9 35,3
39,4
38,0 23,3 26,1
19,8
Anteile in %
Anteile in %
Anteile in %
werden, dass in Ländern wie Bulgarien oder Kroatien häufig eine Low-BudgetVersion des Pauschal-Urlaubs mit Sonnengarantie geboten wird.
20 10 5 0
Südeuropa
13,0
15 3,6
6,1
5,2
1,9
0,0
3,4
Afrika
Basis = 1.740
Abb. 5.3 Ausgewählte Urlaubsdestination 2003 bzw. 2002 nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
5,9 % der Befragten haben im Nahen Osten Urlaub gemacht; der Löwenanteil mit 5,5 % entfällt auf die Türkei. Überraschend ist, dass anspruchsvolle Kulturreisende sowie Natur- und Outdoor-Urlauber nur selten im Nahen Osten Urlaub machen. Dies könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass sich die wichtigsten Destinationen des Nahen Ostens für Individualreisende, die das Land gerne auf eigene Faust erkunden wollen, weniger eignen, sondern eher Pauschal-Urlauber ansprechen. Das erklärt auch den hohen Anteil der Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber (9,5 %) und der jungen Fun- und Action-Urlauber (8,0 %). Der herausragende Anteil von 10,8 % bei den Kinder- und Familienorientierten bestätigt den Ruf der Türkei als kinder- und familienfreundliches Ziel, das für Familien günstigen Urlaub bietet. Afrika macht 3,9 % aller Urlaubsdestinationen aus, wovon 3,2 % auf Ägypten, Tunesien und Marokko entfallen und nur 0,7 % auf den Rest des Kontinents. Die jungen Fun- und Action-Urlauber heben sich hier eindeutig vom Rest ab (siehe Abb. 5.3). 13 % hatten (Nord-)Afrika zum Ziel, knapp die Hälfte davon (5,2 %) Ägypten, das mit seinen Tauchmöglichkeiten sowie günstigen Pauschalangeboten ein attraktives Ziel für Trendsportler darstellt. Auch bei Amerika stechen die jungen Fun- und Action-Urlauber hervor. Während bei den unkonventionellen Entdeckern 3,9 % die USA und 0,7 % Mittel- und Südamerika bereisten, hatten die jungen Fun- und Action-Urlauber einen Anteil von 3,0 %, die ihren Urlaub in Nordamerika verbrachten; die restlichen 2,9 % waren in der Dominikanischen Republik und der sonstigen Karibik. Auswahlkriterien Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien, die für die Wahl der Destination ausschlaggebend sind. Ein ganz wichtiger Faktor sind Sonne und Meer – nach diesem
80
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Aspekt wählen besonders Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber und junge Fun- und Action-Urlauber ihr Urlaubsziel aus. Bei den anspruchsvollen Kulturreisenden und den Natur- und OutdoorUrlaubern haben Sonne und Meer keine Priorität; sie zieht es auch in Länder ohne Sonnenscheingarantie, wenn im Gegensatz dazu kulturell viel geboten wird. Für sie stellt auch Urlaub in Deutschland eine attraktive Alternative dar. Die Kinder- und Familienorientierten sind zwischen den Faktoren Entfernung und Preis gespalten: Einerseits sollte der Urlaubsort nicht zu weit entfernt liegen, andererseits soll der Urlaub günstig sein. Dadurch sind die Kinder- und Familienorientierten eine Zielgruppe für Deutschland, aber auch für weiter entfernte Destinationen, wenn es ein günstiges familienfreundliches Angebot gibt. Die traditionellen Gewohnheitsurlauber zeichnen sich allein durch ihre überdurchschnittliche Deutschlandaffinität aus. Die unkonventionellen Entdecker entsprechen am ehesten dem Bild des multioptionalen Urlaubers, der kaum berechenbar ist und wechselnde Bedürfnisse und Wünsche hat. Reisearten Da ein Urlaub in den wenigsten Fällen nur durch eine Urlaubsreiseart beschrieben werden kann, waren in der Befragung bei dieser Frage Mehrfach-Nennungen möglich (siehe Abb. 5.4). Die Kategorie „Badeurlaub/Urlaub am Meer/an einem See“ wurde von 55,1 % aller Befragten als charakteristisch genannt. Die für einen Urlaub fast selbstverständliche Kategorie „Erholungsreise, Ausspannen“ war für 56,7 % aller Urlaubsreisenden bedeutend. 80
73,9
73,9 68,4
70
68,6 59,1
Anteile in %
60
30
62,9 52,8
50 40
60,1
52,8 52,3
45,5 40,1 30,9
30,0
20 10 0
Badeurlaub / Urlaub am Meer/ an einem See
Erholungsreise, Ausspannen
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
Die unkonventionellen Entdecker
Die Kinder- und Familienorientierten
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
Basis = 1.740
Abb. 5.4 Urlaubsreisearten „Badeurlaub/Urlaub am Meer/an einem See“ sowie „Erholungsreise, Ausspannen“ 2003 bzw. 2002 nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
81
Bei den Urlaubsreisearten bestätigt sich, was sich bei den Destinationen bereits abgezeichnet hatte. Die Kinder- und Familienorientierten (73,9 %), die jungen Fun- und Action-Urlauber (73,9 %) und die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber (68,4 %) bilden eine gemeinsame Spitzengruppe und haben den höchsten Anteil an Befragten, für die 2003 bzw. 2002 ein Badeurlaub charakteristisch für ihren Urlaub war (siehe Abb. 5.4). Zum Vergleich: Nur bei 30 % der anspruchsvollen Kulturreisenden und 30,9 % der traditionellen Gewohnheitsurlauber war dies der Fall. Zweite wichtige Urlaubsart ist der Erholungsurlaub. Auch hier zeichnen sich spezifische Unterschiede ab. Auf der einen Seite sehen die Kinder- und Familienorientierten (68,6 %) und die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber (62,9 %), aber auch die traditionellen Gewohnheitsurlauber Erholung als charakteristisch für ihren Urlaub. Auf der anderen Seite stehen die anspruchsvollen Kulturreisenden (52,8 %) und die Natur- und Outdoor-Urlauber (52,3 %), aber auch die jungen Fun- und Action-Urlauber (52,8 %), die im Urlaub eher Sport, Aktivitäten und Erlebnisse suchen. 100 90
Anteile in %
80
Restliche Urlaubsarten Winterurlaub im Schnee / Skiurlaub Sonstiger Sporturlaub
70
Gesundheitsorientierter Urlaub
60
Fahrrad-Reise / Fahrradtour
50
Wellness-, Fitness-Urlaub
40
Urlaub auf dem Land Reise zum Einkaufen / Shopping
30 20
Kultur-, Studien-, Bildungsreise Urlaub in den Bergen (nicht Winter) Rundreise organisiert
0
Rundreise individuell
G D ew i oh e tr nh ad ei itio ts n ur e lau lle Fa D be n m ie r ilie K no ind rie er n D tie un Pa ie rt e d us Son n c h ne al -S -U t Di e rla ran ju ub dn er Ac gen tio F Di n- un e Ur un la un ko ub d nv er en tio E n D nt e ie de lle an ck n er Ku spr ltu uch rre sv ise oll nd en O Di en ut e do N or atu -U r rla un ub d er
10
Wanderurlaub Städteurlaub / Aufenthalt in einer Stadt Urlaub in der Natur
Anmerkung: Urlaubsreisarten ohne „Badeurlaub/Urlaub am Meer/an einem See“ sowie „Erholungsreise, Ausspannen“ sowie Rubrik „Sonstige/k.A.“. Siehe hierzu Anmerkungen im Text.
Basis = 1.740
Abb. 5.5 Weitere Urlaubsreisearten 2003 bzw. 2002 nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
Am häufigsten wird Urlaub in der Natur von den Kinder- und Familienorientierten als charakteristisch für ihren Urlaub genannt (36,6 %, siehe Abb. 5.5). Auch die traditionellen Gewohnheitsurlauber verbringen ihren Urlaub gerne in der Natur (31,0 %). Beim Städteurlaub liegen die Gruppen nicht so weit auseinander. Auffällig ist, dass die anspruchsvollen Kulturreisenden (9,2 %) und die Natur- und Outdoor-Urlauber (9,9 %) mit den traditionellen Gewohnheitsurlaubern (9,9 %) ganz hinten liegen. Wanderurlaub haben am häufigsten die traditionellen Gewohnheitsurlauber gemacht (12,7 %), aber auch die anspruchsvollen Kulturreisen-
82
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
den (11,4 %) und die Natur- und Outdoor-Urlauber (8,5 %) geben diese Kategorie überdurchschnittlich an. Wer nicht den ganzen Urlaub an einem Ort bleiben, sondern etwas vom Land sehen will, wählt als Urlaubsreiseart die Rundreise. Hier zeigen sich bei den Gruppen deutliche Unterschiede, je nachdem, ob es sich dabei um eine individuelle oder eine organisierte Rundreise handelt. Während die unkonventionellen Entdecker (11,8 %), die anspruchsvollen Kulturreisenden (10,5 %) und die jungen Fun- und Action-Urlauber (8,7 %) die individuelle Rundreise bevorzugen, wählen die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber (12,9 %) und die traditionellen Gewohnheitsurlauber (7,6 %) lieber die organisierte Rundreise. Die Kategorie Urlaub in den Bergen ist etwas unscharf – sie trifft ebenso für die Alpen Frankreichs wie für die Voralpen, aber auch für Urlaub in den deutschen Mittelgebirgen zu. Insofern verwundert es nicht, dass die anspruchsvollen Kulturreisenden (11,1 %), aber auch die traditionellen Gewohnheitsurlauber (9,6 %) und die Kinder- und Familienorientierten (7,9 %) beim Urlaub in den Bergen hohe Werte haben. Auch die Kultur-, Studien-, Bildungsreise wird von den Befragten unterschiedlich interpretiert, zum einen als organisierte, zum anderen als selbst geplante Reise. So erklärt sich, dass die unkonventionellen Entdecker, die ja ihren Urlaub am liebsten selbst organisieren, hier den höchsten Wert haben (10,4 %). Der relativ hohe Wert bei den jungen Fun- und Action-Urlaubern lässt darauf schließen, dass hier auch Sprachreisen von Studenten eingegangen sind (8,0 %). Die anspruchsvollen Kulturreisenden liegen innerhalb der Typologie dagegen nur an dritter Stelle. Das verwundert zunächst, zeigt aber, dass Kultur und Bildung häufig eher Bestandteil des eigenen Verhaltens im Urlaub und nicht eines gebuchten Angebots sind. Dass die jungen Fun- und Action-Urlauber (8,6 %), aber auch die SonneStrand-Pauschal-Urlauber (6,4 %) die höchsten Werte beim Einkaufs- und Shopping-Urlaub haben, steht im Einklang mit der starken Outfit-Orientierung der beiden Gruppen. Auch Urlaub auf dem Land kommt unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen entgegen: einerseits den Orientierungen der traditionellen Gewohnheitsurlauber (6,7 %), andererseits den Bedürfnissen der Kinder- und Familienorientierten (7,2 %), deren Familienurlaub sich auf dem Land gut organisieren lässt. Das wachsende Segment des Wellness- und Fitnessurlaubs ist besonders für die jungen Fun- und Action-Urlauber von Interesse (7,5 %), aber auch ein Teil der unkonventionellen Entdecker (4,5 %) sowie der Natur- und Outdoor-Urlauber (4,5 %) haben diese Urlaubsreiseart gewählt. Einen Gesundheitsurlaub aus medizinischen Gründen (auch Kuren) haben erwartungsgemäß die traditionellen Gewohnheitsurlauber – die Gruppe mit dem höchsten Anteil älterer Jahrgänge und dem höchsten Prozentsatz körperlicher Behinderungen – am häufigsten unternommen (5,3 %). Im einstelligen Bereich liegen Reisen mit spezifischem Zweck. Fahrradtouren sind, passend zum sportlichen Engagement, für Natur- und Outdoor-Urlauber (4,3 %) sowie Fun- und Action-Urlauber (3,4 %) von Interesse, aber auch die Kinder- und Familien-orientierten (3,7 %) haben überdurchschnittliche Werte.
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
83
Ähnliches gilt für sonstige Sporturlaube und den Winterurlaub. Auch hier haben die beiden sportlich ambitionierten Gruppen, Natur- und Outdoor-Urlauber (5,1 % bzw. 6,3 %) sowie die jungen Fun- und Action-Urlauber (9,5 % bzw. 3,3 %), mit Abstand die höchsten Werte. Unterkunft Die Mehrheit (44,5 %) der Urlauber übernachtet im Hotel bzw. einer Hotelanlage. Aber die Unterschiede in den Gruppen der verschiedenen Urlaubs- und Reisestile sind hier signifikant (siehe Abb. 5.6). Am häufigsten sind mit 62,8 % die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber im Hotel untergebracht; auch mehr als die Hälfte der jungen Fun- und Action-Urlauber (53,1 %) hat diese Unterkunft gewählt. Am seltensten übernachten die traditionellen Gewohnheitsurlauber im Hotel (27,7 %). Sie bevorzugen, ebenso wie die anspruchsvollen Kulturreisenden, die Unterbringung in der Pension (23,8 %). Für die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber und die jungen Fun- und Action-Urlauber ist diese Art der Unterbringung ebenso wie für die Kinder- und Familienorientierten nur bedingt attraktiv. 70 60 Anteile in %
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
62,8 46
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
38,2 39,7
38,7
40 30
Die Kinder- und Familienorientierten
53,1
50
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
27,7
Die unkonventionellen Entdecker
20
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
10 0
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Hotel/Hotelanlage
25
25
20
20
15
12,1 9,1
10 5
1,8
3,5 4,3
5,9 2,6
Anteile in %
Anteile in %
21.0 16,5
15 10 5
13,0 12,4 7,9 5,4
4,1
0
0 Clubanlage
Gemietete Ferienwohnung/-haus
Basis = 1.740
Abb. 5.6 Unterkunftsarten 2003 bzw. 2002 nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
Dass die Clubanlage mit 12,1 % am häufigsten von den jungen Fun- und Action-Urlaubern gebucht wurde, verwundert nicht, denn hier kann preiswert das
84
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
ganze Angebot des Sports und der Unterhaltung in der Anlage genossen werden. Zugleich weisen Cluburlaube einen klar abgegrenzten Zielgruppenzuschnitt auf, so dass Kontakte mit der eigenen Bezugsgruppe gewährleistet sind. Von den Natur- und Outdoor-Urlaubern haben 9,1 % ihren Urlaub in einer Clubanlage verbracht, bei den restlichen liegt der Anteil unter 6 %. Schon die qualitative Studie hat gezeigt, dass die Unterbringungsart Ferienwohnung bzw. Ferienhaus aus der Perspektive eher konventioneller Gruppen drei große Vorteile mit sich bringt. Man kann die Alltagsroutine und Rollenverteilung aufrechterhalten. Die Möglichkeit zur eigenständigen Verpflegung spart Geld und schließt weitgehend aus, dass man mit ungewohnten Kochsitten oder Speisen konfrontiert wird. Schließlich ist die Ferienwohnung eine Art Stützpunkt für Aktivitäten vor Ort. Dementsprechend mieten die Kinder- und Familienorientierten mit 21,0 % am häufigsten Ferienhäuser bzw. Wohnungen. Aber auch die traditionellen Gewohnheitsurlauber nutzen diese Unterkunftsform mit 16,5 % überdurchschnittlich häufig. Wahl des Anreiseverkehrsmittels In der Verkehrs- und Mobilitätsforschung gibt es umfangreiche Untersuchungen zu der Frage, was die Ursachen und Motive der Verkehrsmittelwahl sind. Für die hier zur Diskussion stehende Fragestellung ist wichtig: Bei der Verkehrsmittelwahl für den Urlaub gelten häufig andere Gesetze als im Alltag. Bei Fernreisen und vielen Pauschalreisen ist das Flugzeug zumeist ohne Alternative oder wird als Teil des Reisepakets gar nicht im engen Sinne „ausgewählt“. Andererseits zeigen die Ergebnisse, dass viele traditionelle Gewohnheitsurlauber ohne Flugzeug verreisen. Zum einen, weil die Reiseziele auch mit anderen Verkehrsmitteln erreicht werden können, zum anderen, weil diese Gruppe das Fliegen nicht schätzt. Auch beim Flugzeug spielen also Mobilitätsorientierungen eine Rolle – weniger bei dessen Wahl, sondern bei dessen bewusster Vermeidung. Die jungen Fun- und Action-Urlauber fliegen am häufigsten in den Urlaub (63 %), gefolgt von den Sonne-Strand-Pauschal-Urlaubern (57,7 %) und den unkonventionellen Entdeckern (46,2 %). Die traditionellen Gewohnheitsurlauber reisen mit 13,7 % am seltensten mit dem Flugzeug in den Urlaub (siehe Abb. 5.7). Das Verkehrsmittel Auto (einschließlich Wohnmobil) ergibt fast das komplementäre Bild zum Flugzeug. Die traditionellen Gewohnheitsurlauber, von denen mehr als die Hälfte Urlaub in Deutschland machen, fahren zu 57,8 % mit dem Auto in den Urlaub. Die Kinder- und Familienorientierten haben mit 54,5 % den zweithöchsten Anteil. Mehr als die Hälfte (54,0 %) der anspruchsvollen Kulturreisenden fährt ebenfalls mit dem Auto in den Urlaub. Am seltensten reisen SonneStrand-Pauschal-Urlauber (21,6 %) und junge Fun- und Action-Urlauber (28,9 %) mit dem Auto in den Urlaub. Bei der Nutzung der Bahn ist interessant, dass auf der einen Seite eine sehr traditionelle Gruppe, auf der anderen Seite eine ganz unkonventionelle Gruppe überdurchschnittlich häufig die Bahn nutzt. Mit dem Zug reisen am häufigsten die traditionellen Gewohnheitsurlauber (9,7 %), am zweithäufigsten die unkonventionellen Entdecker mit 8,2 %. Den geringsten Anteil haben mit 3,5 % die
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
85
jungen Fun- und Action-Urlauber und mit 3,6 % die Kinder- und Familienorientierten. Die Ergebnisse bestätigen das Klischee, dass der Reisebus von den traditionellen Gewohnheitsurlaubern mit 17,8 % am häufigsten und wiederum am seltensten von den jungen Fun- und Action-Urlauber genutzt wird. Aber auch die SonneStrand-Pauschal-Urlauber und die anspruchsvollen Kulturreisenden haben mit 14,4 % und 14,0 % einen relativ hohen Anteil bei Busreisen. Bei der Wahl des Verkehrsmittels zur Anreise an den Flughafen zeigt sich ein starker Zusammenhang mit den Verkehrsmitteln im Alltag. So nutzen die unkonventionellen Entdecker und die Natur- und Outdoor-Urlauber, die im Alltag am häufigsten mit der Bahn fahren, mit 14,3 % bzw. 8,9 % auch für die Fahrt zum Flughafen am häufigsten den Zug.
57,7
Anteile in %
60
70
63,0
60 46,2
50 40
36,9
35,6 25,7
30 20
13,7
Anteile in %
70
47,2 35,8
40 28,9
30
21,6
20
Auto (inkl. Wohnmobil)
Flugzeug
20
20
15
15
9,7
8,2 3,6
5,7 5,3
5,3 3,5
0
Anteile in %
Anteile in %
54,0
0
0
5
54,5
50
10
10
10
57,8
17,8 14,4
14,0 9,4
10 6,1
5
9,5
4,5
0 Zug/Autoreisezug
Reisebus
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
Die unkonventionellen Entdecker
Die Kinder- und Familienorientierten
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
Basis = 1.740
Abb. 5.7 Anreiseverkehrsmittel 2003 bzw. 2002 nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
86
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Reisebuchung
Anteile in %
Die Buchungsform zeigt eine deutliche Differenzierung der Gruppen. Die SonneStrand-Pauschal-Urlauber werden ihrem Namen gerecht. 68,6 % haben ihren gesamten Urlaub als Pauschalreise gebucht (siehe Abb. 5.8). Damit liegen sie 24,9 Prozentpunkte über dem Durchschnitt (43,7 %) und 38,7 Prozentpunkte über den anspruchsvollen Kulturreisenden, die mit 29,9 % am seltensten eine Pauschalreise gebucht haben. Weiterhin hat über die Hälfte (55,2 %) der jungen Fun- und Action-Urlauber die Urlaubsreise als Komplett-Paket gebucht. Unkonventionelle Entdecker buchen am häufigsten von allen Zielgruppen nur ihr Ticket oder ihren Fahrschein im Voraus (21,5 %). Vor Ort nimmt dieser Typ seinen Urlaub gern selbst in die Hand. Es passt wiederum zu den traditionellen Gewohnheitsurlaubern und zu den Kinder- und Familienorientierten, die meist mit dem Auto in den Urlaub fahren, dass sie häufig (44,0 bzw. 42,3 %) nur die Unterkunft im Voraus buchen. Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
80 70 60 50 40 30 20 10 0
68,6
Die Kinder- und Familienorientierten 55,2
30,8
36,2
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber 35,3
40,8
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
29,9
Die unkonventionellen Entdecker Die anspruchsvollen Kulturreisenden Die Natur- und Outdoor-Urlauber
50
50
40
40
30 21,5
20 10
12,5 4,9 4,7
14,7
10,7
6,0
Anteile in %
Anteile in %
Pauschalreise
44,0
42,4
42,3
33,2
30 20
22,2
24,8
16,5
10 0
0 Nur Ticket bzw. Fahrschein
Nur Unterkunft
Basis = 1.740
Abb. 5.8 Buchungsform der Urlaubsreise 2003 bzw. 2002 nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
Bei denen, die Zugang zum Internet haben, wurde die Häufigkeit abgefragt, mit der das Netz für die Urlaubsvorbereitung genutzt wird. Dabei zeigte sich: Die jungen Fun- und Action-Urlauber sind Intensivnutzer. Sie haben den höchsten Anteil (52,9 %) an denen, die das Internet täglich nutzen (siehe Abb. 5.9). Mit einem An-
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
87
80 70 60 50 40 30 20 10 0
70
71,4
67,3
63,4
60
56,7
Anteile in %
Anteile in %
teil von 32,6 % liegen die traditionellen Gewohnheitsurlauber dagegen auf dem letzten Platz (bezogen auf die 21,9 % in der Gruppe, die Zugang zum Internet haben). Die Natur- und Outdoor-Urlauber weisen mit 74,2 % den höchsten Anteil derer auf, die das Internet dazu genutzt haben, sich für ihre Urlaubsreise Informationen zu beschaffen, 30 % aus dieser Gruppe haben bereits eine Reise online gebucht. Am seltensten nutzen die traditionellen Gewohnheitsurlauber das Internet zur Informationsbeschaffung (39,4 %) oder zur Reisebuchung (15,6 %).
48,0
44,4
21,9
52,9
50 40
32,6
36,4
45,4
41,8
42,8 41,2
30 20 10 0
Zugang zum Internet (privat oder bei der Arbeit)
Internetnutzung täglich/fast täglich
74,2 59,5
Anteile in %
60 50 40
62,7
66,6
65,6
70
57,9
39,4
30 20
60 Anteile in %
70
50 40 30 20
10
10
0
0
Internetnutzung zur Informationsbeschaffung für Urlaubsreisen genutzt
21,5
24,5
29,8 22,8
27,8 30,0
15,6
Internet zur Buchung von Urlaubsreisen genutzt
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
Die unkonventionellen Entdecker
Die Kinder- und Familienorientierten
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
Basis = 1.740
Abb. 5.9 Internetnutzung und Buchung von Urlaubsreisen nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
5.3.2 Kurzurlaub Öfter mal einen Kurzurlaub machen vor allem die anspruchsvollen Kulturreisenden (17 %), die jungen Fun- und Action-Urlauber (16,9 %) und die Natur- und Outdoor-Urlauber (15,3 %). Dagegen hat 2003 die große Mehrheit der Kinderund Familienorientierten keinen Kurzurlaub gemacht (75,1 %). Ähnliches gilt für
88
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber. 31,3 % der anspruchsvollen Kulturreisenden haben sowohl Kurz- als auch Urlaubsreisen unternommen, ähnlich wie die Naturund Outdoor-Urlauber mit 28,6 %. Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber haben mit 67,8 % den höchsten Anteil an Personen, die nur eine Urlaubsreise, aber keinen Kurzurlaub unternommen haben – ähnlich wie die Kinder- und Familienorientierten (66,8 %). Im Gegensatz dazu weisen die traditionellen Gewohnheitsurlauber mit 25,5 % den höchsten Anteil derer auf, die sich nur für eine Kurzurlaubsreise, aber keinen längeren Urlaub entschieden haben. 73 % aller Kurzurlaubsstichreisen fanden 2003 bzw. 2002 innerhalb Deutschlands statt; 27 % gingen ins europäische Ausland. Damit verändert sich – verglichen mit langen Urlaubsreisen – die Verkehrsmittelpräferenz: Das wichtigste Verkehrsmittel für den Kurzurlaub ist ausnahmslos das Auto. Die Kinder- und Familienorientierten sind mit 73,7 % am häufigsten mit dem Auto in den Kurzurlaub gefahren, die unkonventionellen Entdecker mit 55,5 % am seltensten. Insgesamt am zweithäufigsten genutzt wurde der Reisebus, wobei sich hier ausgeprägte Unterschiede zwischen den Gruppen abzeichnen. Am häufigsten mit dem Reisebus in den Kurzurlaub gefahren sind mit 25 % die traditionellen Gewohnheitsurlauber; aber auch rund ein Fünftel der Sonne-Strand-PauschalUrlauber und der anspruchsvollen Kulturreisenden nutzten den Bus für die Anreise. Am seltensten haben die Kinder- und Familienorientierten (4,3 %) und die unkonventionellen Entdecker (6,9 %) dieses Verkehrsmittel gewählt. Der Zug als Anreiseverkehrsmittel rangiert nur an dritter Stelle. Am häufigsten sind die Kinder- und Familienorientierten (17,3 %) mit dem Zug in den Kurzurlaub gefahren. Aber auch die unkonventionellen Entdecker (16,5 %) und die traditionellen Gewohnheitsurlauber (16,4 %) haben dieses Verkehrsmittel gewählt. Am seltensten wurde die Bahn von den Natur- und Outdoor-Urlaubern (8,5 %) genutzt. Das Flugzeug spielte bei Kurzurlaubsreisen 2002 und 2003 noch eine eher geringe Rolle. Am häufigsten in den Kurzurlaub geflogen sind die unkonventionellen Entdecker (13,3 %) und die Natur- und Outdoor-Urlauber (9,1 %), am seltensten die Kinder- und Familienorientierten (1,3 %) und die traditionellen Gewohnheitsurlauber (0,7 %). Hier spielt offenbar das relativ hohe Einkommen der entsprechenden Gruppen eine wichtige Rolle. 5.3.3 Akzeptanz neuer Reisebausteine Welche Angebote im Urlaub sind für bestimmte Zielgruppen attraktiv und welche Angebote werden eher abgelehnt? Die folgenden Ergebnisse zur Akzeptanz und Attraktivität von „Bausteinen“, die eine Reise umweltverträglicher machen, geben innerhalb der Empirie erste Hinweise, wie ein Angebot im nachhaltigen Reisemarkt gestaltet werden muss. Hohe Zustimmungswerte bedeuten aber nicht unbedingt einen Erfolg im Markt, sondern gelten nur als Indiz für eine mögliche Akzeptanz beim Kunden. Bausteine wurden für die folgenden Bereiche ausgearbeitet:
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen -
89
Anreise mit der Bahn Mobilität vor Ort Unterkunft Verpflegung Ausflüge und Unternehmungen
Als aussagekräftig interpretiert wird nachfolgend allein die Kategorie „sehr attraktiv“. Anreise mit der Bahn Zunächst ein erstaunliches und nicht leicht zu interpretierendes Ergebnis: Die unkonventionellen Entdecker und die traditionellen Gewohnheitsurlauber, also jene Gruppen, die am häufigsten die Bahn als Anreiseverkehrsmittel gewählt hatten, ließen sich in der Befragung für die fünf konkreten Angebote für eine Bahnanreise nicht begeistern (siehe Abb. 5.10). Dies lässt verschiedene Interpretationen zu. Personen, die ohnehin regelmäßig mit der Bahn fahren, benötigen dafür keinen besonderen Anreiz. Zudem wissen sie, wie sie Sitzplatzreservierung, Gepäcktransport und Transfer zum Bahnhof bewerkstelligen. Dagegen kann das Angebot einer All-Inclusive-Bahnreise für Personen, die das Bahnfahren nicht gewohnt sind, durchaus attraktiv erscheinen. Eine andere Erklärung wäre, dass Personen, die häufig mit der Bahn fahren, befürchten, dass die genannten Extras zu höheren Preisen führen. Etwa ein Fünftel aller Gruppen, die eher selten die Bahn nutzen, findet eine Bahnreise attraktiv, wenn der genannte Service eingeschlossen ist. Auf insgesamt weniger Zuspruch trifft das Angebot des Autoreisezugs (hier wurde eine genaue Preisangabe gemacht). Allerdings ist dieses Angebot für die Kinder- und Familienorientierten (10,8 %), sowie für die Natur- und OutdoorUrlauber (10,3 %) attraktiv: Für beide Gruppen ist das Auto im Urlaub von besonderer Bedeutung, denn so sind sie mit der ganzen Familie vor Ort mobil und können leichter das gesamte Gepäck transportieren. Die kostenfreie Nutzung des ÖPNV vor Ort bei Anreise mit der Bahn erscheint etwa einem Drittel der Befragten interessant (32 %). Dass hier die jungen Funund Action-Urlauber die höchsten Werte zeigen, ist auf deren SchnäppchenOrientierung und den Wunsch nach großer Flexibilität zurückzuführen. Sehr viel deutlicher sind die Unterschiede zwischen den Zielgruppen bei dem Angebot, mit der Bahn anzureisen und vor Ort mehrere Tage kostenlos einen Mietwagen zu nutzen. Auch hier haben mit 27,9 % die jungen Fun- und ActionUrlauber die höchsten Werte, knapp gefolgt von den Kinder- und Familienorientierten, die sich offenbar unter dieser Bedingung einen Urlaub ohne eigenes Auto durchaus vorstellen können. Diese Ergebnisse sollten vorsichtig interpretiert werden: Zwar ist Urlauberinnen und Urlaubern die Mobilität vor Ort wichtig und Angebote, die diese Mobilität sichern, sind attraktiv. Das bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass dies für damit verbundene Bahnreisen gilt. Offenbar gibt es eine differenzierte Wahrnehmung zwischen der Anreise mit dem Flugzeug und dem Mietwagen vor Ort einer-
90
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
seits und andererseits der Vorstellung, zu einem eher nahe gelegenen Ziel mit der Bahn zu reisen, und dort ein Auto zu mieten oder den ÖPNV zu nutzen.
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
50
Die Kinder- und Familienorientierten
Anteile in %
40
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
30 20
21,4 22,1 21,7
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
18,7 19,8
16,7
Die unkonventionellen Entdecker
10,2
10
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
0
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
50
50
40
40
30 20 10
10,8 10,3
10,3
7,7 3,1
2,8
Anteile in %
Anteile in %
All inclusive Bahnanreise (inkl. Sitzplatz/ reservierung, Gepäcktransport und Transfer zum Bahnhof/zur Unterkunft)
30 20
0
Anreise mit dem Autoreisezug (Beispiel: Frankfurt - Norditalien für 2 Erwachsene 440 € bzw. 2 Erwachsene mit 2 Kindern 546 €)
Anreise mit der Bahn an einen autofreien Urlaubsort
50
50
29,6
32,6 32,7
36,2 32,0
34,2
23,9
20
40 Anteile in %
40 Anteile in %
19,6 13,5 13,4
10
4,9
0
30
15,7 17,1 16,0 15,6
20
10
10
0
0
Kostenfreie Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel vor Ort bei Anreise mit der Bahn
26,8
30 12,7
24,0
27,9 19,9
22,4
14,2
Bahnfahrt inklusive Mietwagengutschein, z.B. kostenlos für 3 Tage
Basis = 2.021
Abb. 5.10 Attraktivität innovativer Bahn-Angebotsbausteine differenziert nach Zielgruppen (Antwort „sehr attraktiv“) (eigene Darstellung)
Mobilität vor Ort Junge Fun- und Action-Urlauber reagieren dann auf automobile Flexibilität vor Ort besonders positiv, wenn diese Angebote originell und innovativ sind. Das gilt insbesondere für Angebote zur stunden- bzw. tageweisen Nutzung von Autos (z.
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
91
B. Car-Sharing-Fahrzeuge) sowie für die Vermietung technisch innovativer Fahrzeuge (siehe Abb. 5.11). Das entspricht der Affinität dieser Zielgruppe zu modernen Techniken, die sich auch in den Lebensstilorientierungen zeigt. 40
30
24,8 18,4
20 10
21,2 13,8 13,4
15,8
Anteile in %
Anteile in %
40
5,6
0
10
16,2 7,9
12,7
11,9
11,0
6,6
4,0
Vermietung technisch innovativer Fahrzeuge (z.B. Solar-Mobil, Wasserstoff-Roller, Erdgasfahrzeug)
40
40 30,7
30
25,1
22,9 23,6 21,5 17,4
16,3
10 0
Anteile in %
Anteile in %
20
0 Stunden- oder tageweise Nutzung verschiedener Autos, die allen Gästen zur Verfügung stehen (Buchung notwendig)
20
30
29,1
30 20
25,3 26,4
24,7 17,5
20,1
18,5
10 0
Information über öffentliche Verkehrsmittel und Buchungsmöglichkeiten bei der Touristen-Info vor Ort
Kombinierte Mobilitäts- und Eintrittskarte für den öffentlichen Verkehr sowie Museen, Schwimmbäder etc.
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
Die unkonventionellen Entdecker
Die Kinder- und Familienorientierten
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
Basis = 2.021
Abb. 5.11 Attraktivität innovativer Vor-Ort-Mobilitäts-Angebotsbausteine differenziert nach Zielgruppen (Antwort „sehr attraktiv“) (eigene Darstellung)
Auch Natur- und Outdoor-Urlauber legen großen Wert auf Mobilität vor Ort; für sie sind allerdings vor allem die öffentlichen Verkehrsmittel eine willkommene Alternative, wenn gut darüber informiert wird und die Handhabung einfach ist. Kombinierte Mobilitäts- und Eintrittskarten sind besonders für die Kinder- und Familienorientierten interessant. Dabei dürfte ausschlaggebend sein, dass mit Hilfe derartiger Karten die Kosten für die ganze Familie im Voraus bekannt und somit überschaubar sind.
92
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Unterkunft Etwas weniger als ein Drittel aller Befragten (30%) findet kleinere Unterkünfte mit persönlicher Atmosphäre sehr attraktiv, wobei sich auch hier deutliche Unterschiede zeigen. Die höchsten Werte haben die traditionellen Gewohnheitsurlauber, die im Urlaub am häufigsten in Pensionen übernachten. Aber auch die anspruchsvollen Kulturreisenden und die Kinder- und Familienorientierten geben kleineren Unterkünften den Vorzug. Eine ganz andere Präferenz zeigen die jungen Fun- und Action-Urlauber und die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber – sie interessieren sich eher für Hotels in moderner Bauweise und mit modernen Technologien. Fun- und Action-Urlauber legen dabei besonderen Wert auf Hotels mit Internetanschluss und Links zu deutschen und englischen Vor-Ort-Webseiten. Dass Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber einen Urlaub in einer Ferienanlage mit landes-typischer Bauweise und dorfähnlicher Struktur am attraktivsten finden, hängt sicherlich damit zusammen, dass diese Gruppe ohnehin sehr viel positive Erfahrung mit Ferienanlagen mitbringt. Für unkonventionelle Entdecker dagegen ist eine Ferienanlage keine Option, da sie Land und Leute auf eigene Faust kennenlernen wollen. Agrotourismus oder Ferien auf dem Bauernhof ist offenbar nur für Minderheiten attraktiv. Mit 10,9% weisen hier die Natur- und OutdoorUrlauber den höchsten, mit 10,7% die traditionellen Gewohnheitsurlauber den zweithöchsten Wert auf. Ob die Unterkunft umweltfreundliche Technologien nutzt, interessiert nur wenige. Am ehesten heben sich hier die Natur- und Outdoor-Urlauber mit 12,3% von den anderen Gruppen ab. Daraus kann gefolgert werden, dass ein solches Engagement so kommuniziert werden muss, dass der konkrete Nutzen für den einzelnen Reisenden sichtbar wird. Verpflegung Bei dem Angebot, im Urlaub landestypische Küche vorwiegend mit Produkten aus der Region zu erhalten, kann Nachhaltigkeit gut mit Eigennutz kombiniert werden. Dieses Angebot finden immerhin 41% aller Befragten sehr attraktiv. Die anspruchsvollen Kulturreisenden haben mit 54% den höchsten Wert. An einem „Wellness-Büffet“, an vegetarischen Speisen oder an Gerichten speziell für Gesundheitsbewusste sind am häufigsten Natur- und Outdoor-Urlauber interessiert. Das reflektiert die Gesundheitsorientierung dieser Gruppe. Die jungen Fun- und Action-Urlauber interessieren sich weniger für das Gericht selbst als vielmehr dafür, wann und wo Verpflegung angeboten wird. Da viele von ihnen nachts lange unterwegs sind, findet die Hälfte ein „LangschläferBüffet“ sehr attraktiv. Ausflüge und Unternehmungen Zwar sind Angebote zum Verleih von Fahrrädern heute an den meisten Urlaubsorten selbstverständlich. Oft aber mangelt es an der notwendigen Qualität des Angebots. Deshalb wurden in die Befragung zwei besondere Varianten des Fahrradver-
5.3 Urlaubs- und Reiseverhalten der Zielgruppen
93
leihs integriert: zum einen die Vermietung verschiedener Fahrradtypen vom Mountainbike bis zum Tandem, zum anderen die Vermietung von Fahrrädern auch für One-Way-Touren, bei denen das Rad am Zielort abgegeben werden kann. Bei der Präferenz für diese Angebote zeigten sich völlig andere Zielgruppenkombinationen als bei anderen Reise-Bausteinen. Ein Fahrradverleih ist sowohl für sportliche und erlebnisorientierte Zielgruppen (junge Fun- und ActionUrlauber, sowie Natur- und Outdoor-Urlauber) als auch für Kinder- und Familienorientierte ausgesprochen attraktiv. Die Ergebnisse machen aber auch deutlich, dass eine Differenzierung im Fahrradverleih sinnvoll wäre – ähnlich wie es im Mietwagenmarkt schon lange üblich ist. Geführte Touren in den Nationalpark mit ausgebildeten Rangern scheinen dann attraktiv zu sein, wenn das Angebot exklusive Erlebnisse vermittelt. Außer den traditionellen Gewohnheitsurlaubern findet rund ein Fünftel aller Typen ein solches Angebot sehr attraktiv. Traditionellen Gewohnheitsurlaubern ist vermutlich der englische Begriff Ranger unbekannt, während sie einen Spaziergang „mit dem Förster durch den Wald“ vielleicht eher attraktiv finden würden. Tauchkurse, bei denen die Unterwasserwelt geschont wird und sich die Teilnehmer verpflichten, bestimmte Regeln einzuhalten, finden vor allem junge Funund Action-Urlauber attraktiv (22,9 %). Das zeigt, dass ein sinnvoll reguliertes und damit umweltverträgliches Angebot durchaus erfolgreich sein kann. Der Verleih von GPS-Systemen für Radtouren und Wanderungen hat den Sinn, längst eingeführten Fortbewegungsformen neue Attraktivität zu geben. Auch diese Angebote scheinen am ehesten für Fun- und Action-Urlauber (12,1%), die Naturund Outdoor-Urlauber (6,5%) und die Kinder- und Familienorientierten (7,2%) vor Interesse. Für eher konventionelle Zielgruppen wurde das Urlaubsangebot von Tagesausflügen bzw. Rundreisen in kleinen Gruppen bis maximal zwölf Personen formuliert – mit einem flexiblem Programm, auf das Einfluss genommen werden kann. Dieses Angebot finden denn auch am ehesten die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber attraktiv. Dass auch die jungen Fun- und Action-Urlauber hier überdurchschnittliche Werte haben, weist darauf hin, dass diese Gruppe dazu tendiert, alles „mitzunehmen“, was geboten wird und Abwechslung verspricht. Fazit Insgesamt ergeben sich wertvolle Hinweise für die Gestaltung von Bausteinen für einen nachhaltigeren Urlaub. Am deutlichsten wird dies bei der Dimension Erlebnisorientierung. Offenbar ist es möglich, erlebnisorientierte Gruppen auch mit ökologisch sinnvollen Angeboten anzusprechen, wenn diese Abwechslung und neue Erkenntnisse über Land und Leute versprechen. Eine weitere wichtige Dimension, mit der umweltverträgliche Bausteine attraktiv werden, ist moderne Technik. Dazu gehören Computer, GPS und Internet, aber auch moderne Antriebs- und Umwelttechnik. Für bestimmte Zielgruppen ist es sinnvoll, neue Angebote mit einem klaren Nutzen für die Gesundheit zu verbinden.
94
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
5.3.4 Destination Deutschland Warum verbringt weniger als ein Drittel der deutschen Urlauber ihren Jahresurlaub im eigenen Land? Und warum nur wenige der untersuchten Zielgruppen? Durch welche Maßnahmen und Angebote ließe sich das möglicherweise ändern? Innerhalb des Projekts INVENT spielt die Frage des Urlaubs in Deutschland eine wichtige Rolle: Urlaub in Deutschland ist ein Beitrag zum nachhaltigen Reisen. Aus mehreren Gründen: Die Anreise ist kürzer und kann leicht mit der Bahn erfolgen – das spart Treibhausgasemissionen. Die Unterkünfte entsprechen modernen Umweltstandards. Die Palette für Unternehmungen vor Ort ist breit und berücksichtigt die Belange von Umwelt- und Naturschutz. Tourismus in Deutschland ist nicht zuletzt für bestimmte Regionen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Außer den traditionellen Gewohnheitsurlaubern, die ihren Urlaub relativ häufig im Inland verbringen, kommt Urlaub in Deutschland künftig am ehesten für anspruchsvolle Kulturreisende und Natur- und Outdoor-Urlauber in Frage (siehe Abb. 5.12). Das gilt für den längeren Jahresurlaub als auch für Kursreisen. Dagegen würden nur 13 % der jungen Fun- und Action-Urlauber Urlaub im eigenen Land machen. Dass die Kinder- und Familienorientierten nur an vierter Stelle rangieren, deutet darauf hin, dass Deutschland nach wie vor ein Hochpreisimage hat und somit für Familien zu teuer erscheint. Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber wiederum lehnen Urlaub in Deutschland ab, weil es keine Schönwettergarantie gibt. 50 43,7
45
38,4
40
Anteile in %
35 30 25 20 15
31,8 31,0
29,8
27,6
25,8 25,7
24,6 20,7
21,6
19,1 16,1 13,0
10 5 0 Urlaubsreise in den nächsten 3 Jahren "sehr wahrscheinlich"
Kurzurlaubsreise in den nächsten 3 Jahren "sehr wahrscheinlich"
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
Die unkonventionellen Entdecker
Die Kinder- und Familienorientierten
Die anspruchsvollen Kulturreisenden
Die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber
Die Natur- und Outdoor-Urlauber
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
Basis = 2.021
Abb. 5.12 Wahrscheinlichkeit eines Kurzurlaubs in Deutschland (eigene Darstellung)
5.4 Verkehrsmittelwahl im Urlaub
95
Die Gründe, die aus Sicht der Befragten gegen Urlaub in Deutschland sprechen, sind sehr unterschiedlich. Das Wetter spielt bei der Wahl der Urlaubsreisedestination eine bedeutende Rolle. Daher halten 67,3% der jungen Fun- und Action-Urlauber und 62% der Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber Deutschland als Urlaubsziel für ungeeignet. Selbst 29,6% der traditionellen Gewohnheitsurlauber und 31,5% der anspruchsvollen Kulturreisenden urteilen ähnlich. Ein ebenso wichtiger Grund gegen Urlaub in Deutschland ist sein Hochpreisimage. Auch hier gibt es die höchsten Zustimmungswerte bei der Gruppe, die Erlebnis und Schnäppchen miteinander kombinieren will. So sind 58,8% der jungen Fun- und Action-Urlauber und 51,2% der Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber der Meinung, dass Urlaub in Deutschland zu teuer ist. Urlaub in Deutschland halten vor allem Fun- und Action-Urlauber außerdem für langweilig (37,9%). Viele von ihnen möchten Urlaub in Deutschland erst machen, wenn sie älter sind (41,5 %). Bei den anderen Zielgruppen fand die Aussage, dass Urlaub in Deutschland langweilig oder nur für ältere Menschen geeignet ist, weitaus weniger Zustimmung. Auch bei der deutschen Lebensart geht es wohl eher um ein Image als um reale Erfahrungen. Fehlende Lebensart spricht für 36,6% der jungen Fun- und ActionUrlauber gegen einen Urlaub in Deutschland. Außerdem sind 28,1% der Naturund Outdoor-Urlauber und 26,3% der unkonventionellen Entdecker der Meinung, dass es den Deutschen an Lebensart fehlt. Nur 11,6% der traditionellen Gewohnheitsurlauber sehen dies als Grund, nicht den Urlaub in Deutschland zu verbringen. Weniger ausgeprägt sind die Unterschiede beim Thema Gastfreundschaft. Hier sind es vor allem Natur- und Outdoor-Urlauber (29%) und Fun- und ActionUrlauber (28,7%), die Gastfreundschaft bei den Deutschen vermissen und daher nicht in Deutschland Urlaub machen würden. Insgesamt zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem Urlaubsreiseverhalten und den Faktoren, die das Bild von Deutschland prägen. Bei Fun- und ActionUrlaubern und Sonne-Strand-Pauschal-Urlaubern hat Deutschland als Reiseland das schlechteste Image unter den Zielgruppen. Allerdings würden Fun- und Action-Urlauber, Deutschland dann für attraktiv halten, wenn es neue Feriendomizile mit Clubcharakter gäbe. Auch knapp ein Zehntel der Kinder- und Familienorientierten und der Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber findet ein solches Angebot sehr attraktiv. Dass viele Natur- und Outdoor-Urlauber, die eine große Bereitschaft zeigen, zukünftig in Deutschland Urlaub zu machen, Lebensart und Gastfreundschaft im eigenen Land vermissen, ist ein wichtiges Indiz, dass hier noch viel Potential steckt.
5.4 Verkehrsmittelwahl im Urlaub Nachhaltiger Tourismus ist ohne umweltfreundliche Mobilität nicht machbar. Der Verkehr durch Urlauber trägt wesentlich zu den Lärm-, Luftschadstoff- und
96
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Treibhausgasemissionen des Tourismus bei. Im Deutschlandtourismus entfallen beispielsweise zwei Drittel der Treibhausgasemissionen auf die An- und Abreise und auf die Mobilität vor Ort. Mit zunehmender Reiseentfernung steigt dieser Anteil; bei Fernreisen liegt er bei 90 %. Was entscheidet über die Wahl des Verkehrsmittels und wie können mehr Urlauber für die umweltverträglichen Verkehrsmittel Bahn und Bus gewonnen werden? Diese Fragen haben für die Gestaltung nachhaltiger Reiseangebote eine große Bedeutung und sollen daher näher beleuchtet werden. Das Verkehrsmittel ist im Urlaub meist nur Mittel zum Zweck. Urlauber wollen möglichst bequem, schnell und kostengünstig an- und abreisen. Und vor Ort möchten sie nicht auf Mobilität verzichten. Welches Verkehrsmittel genutzt wird, entscheiden mehrere Faktoren: Reiseziel, Reisepreis, Umfang und Qualität des Angebotes und die Frage, ob und wie man vor Ort mobil ist. Persönliche Einstellungen zur Mobilität spielen bei der Verkehrsmittelwahl im Urlaub – anders als im Alltag – eine untergeordnete Rolle. Sonstiges 2,3%
Weiß nicht/k. A. 7,2%
am preiswertesten 3,7%
am schnellsten 20,8%
Reiseziel anders schlecht zu erreichen 21,7%
im Reiseangebot enthalten 44,3%
Basis = 694
Abb. 5.13 Wichtigster Grund für die Nutzung eines Flugzeuges bei deutschen Urlaubern (eigene Darstellung)
Im Folgenden werden die verschiedenen Einflussfaktoren für die Verkehrsmittelwahl detaillierter vorgestellt. Allerdings sind nicht für jeden Urlauber alle Einflussfaktoren gleichbedeutend. Je nach Urlaubstyp dominieren bestimmte Aspekte mehr als andere. Zielwahl In den zurückliegenden Jahrzehnten hat vor allem die Bahn kontinuierlich Marktanteile verloren (F.U.R 2007). Immer mehr verbringen ihren Urlaub im Ausland
5.4 Verkehrsmittelwahl im Urlaub
97
und in Regionen, die nur mit dem Flugzeug bequem und in einer akzeptablen Zeit erreichbar sind. Für die meisten Urlauber gibt es eine individuelle Entfernung, ab der er sich fürs Fliegen entscheidet, sie liegt in der Regel zwischen 500 und 1.500 Kilometer. Die Frage „Fliegen oder nicht?“ korreliert somit in starkem Maße mit der Wahl des Reisezieles. Dies verdeutlicht Abb. 5.14, in dem der Anteil der Flugzeugnutzung über dem Anteil der Fern- und Mittelmeerreisen für verschiedene deutsche Urlaubertypen aufgetragen ist (Urlaubsreisen ohne Kurzreisen). Die Fun- und Action-Urlauber sowie die Sonne-, Strand-, Pauschalurlauber weisen dabei die höchsten Anteile an Fern- und Mittelmeerreisen auf und fliegen daher am häufigsten (63 bzw. 58 %). Beide Gruppen buchen zudem überdurchschnittlich oft Pauschalreisen, in denen bereits der Flug mit enthalten ist. 70% Fun & Action 60%
Sonne/Strand/Pauschal
Anteil Flugzeug
50% Entdecker 40%
Natur & Outdoor
Alle Reisende Familienorientierte
30% Kulturreisende 20% Gewohnheitsurlauber 10%
0% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Anteil Fern- und Mittelmeerreisen
Abb. 5.14 Korrelation zwischen Reiseziel und Flugzeugnutzung für verschiedene deutsche Urlaubertypen (Urlaubsreisen ohne Kurzreisen) (eigene Darstellung)
Anders ist das Bild bei den traditionellen Gewohnheitsurlaubern und anspruchsvollen Kulturreisenden. Diese eher älteren Zielgruppen haben die geringsten Werte bei der Flugzeugnutzung (14 bzw. 26 %). Die Gewohnheitsurlauber machen überwiegend in Deutschland oder im deutschsprachigen Ausland Urlaub. Hierfür ist das Flugzeug nicht das Verkehrsmittel der Wahl, außerdem fliegt diese Urlaubergruppe nicht gern. Auch Kulturreisende finden ihr Urlaubsziel oftmals in Deutschland oder im nahe gelegenen Ausland. Zudem hat für diese Zielgruppe weniger eine schnelle als vielmehr eine bequeme Anreise oberste Priorität. Grundsätzlich gilt, dass ältere Urlauber seltener mit dem Flugzeug verreisen als jüngere. Viele junge Reisende sind mittlerweile an Reisen mit dem Flugzeug gewöhnt, so dass sie vermutlich auch im Alter das Flugzeug nutzen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass Flugreisen – wenn auch mit geringeren Wachs-
98
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Anteil an den bodengebundenen Reisen
tumsraten – weiter an Bedeutung gewinnen werden (Peeters 2007; Graichen u. Gugele 2006; Lohmann et al. 2004). Bei Zielen, die auch gut ohne Flugzeug erreichbar sind, verhalten sich die verschiedenen Urlaubertypen zum größten Teil ähnlich: Wer nicht fliegt, fährt mit dem eigenen Auto (siehe Abb. 5.15). Es verspricht höhere Mobilität am Urlaubsort, zeitliche Flexibilität und einfachen Gepäcktransport. Dies sind insbesondere wichtige Motive für die Kinder- und Familien-Orientierten: Sie nutzen von allen Urlaubergruppen den Pkw für die Anreise am häufigsten. Der relativ hohe Anteil der Busreisen bei ganz unterschiedlichen Zielgruppen erstaunt nur auf den ersten Blick (siehe Abb. 5.15). Dabei handelt es sich um Urlauber, die gerne in professioneller Begleitung oder mit Freunden und Bekannten verreisen (Lohmann et al. 2004). Für Gewohnheitsurlauber sind Busreisen insbesondere vorteilhaft, weil sie eine Anreise ohne kompliziertes Umsteigen und Umladen des Gepäcks ermöglichen – vor allem vor dem Hintergrund, dass 15 % dieser Urlaubergruppe in ihrer körperlichen Beweglichkeit eingeschränkt sind. 100% 90% 80% 70% 60%
19%
10% 21%
12%
6% 35%
10%
18%
19%
9% 15%
11%
8%
15% 9%
13%
Reisebus Bahn Auto
50% 40% 30% 20% 10%
En td ec ke r Ku ltu rre ise nd Na e tu r& O ut do or
Al le
Re ise G ew nd oh e nh ei ts ur la ub Fa er m ilie no rie So nt nn ie e/ rte St ra nd /P au sc ha l Fu n & Ac tio n
0%
Basis = 1.044
Abb. 5.15 Nutzung bodengebundener Verkehrsmittel bei der Anreise zum Urlaubsort – differenziert nach Zielgruppen im deutschen Reisemarkt (Urlaubsreisen ohne Kurzreisen) (eigene Darstellung)
Bei Kreuzfahrten, Motorrad- und Fahrradreisen oder reinen Wandertouren, aber auch bei Segeltörns oder Reisen mit dem Hausboot ist das Verkehrsmittel nicht Mittel zum Zweck, sondern macht quasi einen Teil der Urlaubsfaszination aus. Diese Segmente sind allerdings teilweise so klein, dass sie sich der Marktforschung entziehen. Sie werden auch in Zukunft nur eine Nischenrolle spielen (Lohmann et al. 2004).
5.4 Verkehrsmittelwahl im Urlaub
99
Preis Bei allen Urlaubern spielt der Preis der Gesamtreise eine Rolle. Insbesondere Funund Action-Urlauber und Sonne-, Strand-, Pauschalurlauber haben eine ausgeprägte Schnäppchen- und Last-Minute-Orientierung. Wenn der Urlaub besonders günstig ist, nehmen beide Zielgruppen auch mal eine lange und eventuell beschwerliche Anreise in Kauf. Besonders preissensibel sind auch die Kinder- und Familienorientierten. Dieser Zielgruppe kommen daher All-inclusive-Angebote entgegen. Umwege oder eine beschwerliche Anreise, nur um Kosten zu sparen, kommen eher nicht in Frage. Die Gewohnheitsurlauber zeigen zwar keine ausgeprägte SchnäppchenOrientierung. Das heißt aber nicht, dass der Reisepreis für diese Zielgruppe unwichtig ist, denn sie verfügt über das niedrigste Einkommen aller Urlaubergruppen. Weniger bedeutend ist der Preis bei den anspruchsvollen Kulturreisenden und den Natur- und Outdoor-Urlaubern. Angebote für Bus- und Bahnanreise haben aufgrund der hohen Preissensibilität vieler Urlauber eine schlechte Ausgangsbasis. Die Bahn wird – unabhängig vom Urlaubertyp – als zu teuer bewertet: Auf einer Notenskala von eins (preiswert) bis sechs (teuer) erhält die Bahn durchschnittlich eine Note von 4,6 (selbst die Pünktlichkeit wird mit 4,0 besser bewertet). Vielen Urlaubern sind gleichzeitig die Angebote der Bahn aber gar nicht bekannt, da sie Züge selten oder gar nicht benutzen. Aussagen zum Preis basieren daher mehr auf Hörensagen als auf eigenen Erfahrungen. Wer die Bahn nutzt, bewertet anders: 19 % der Bahnreisenden geben an, dass der wichtigste Grund für eine Reise mit dem Zug der günstige Preis war. Nur 15 bzw. 9 % lassen dieses Argument für Bus bzw. Auto gelten. 90% Trifft eher zu Trifft voll und ganz zu
80% 70% Anteile in %
60% 50% 40% 30% 20% 10%
or do ut
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Basis = 2.021
So
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de
er
0%
Abb. 5.16 Zustimmung zum Statement „Ich finde es toll, dass es immer mehr Billigflugangebote gibt“ – differenziert nach Urlaubergruppen im deutschen Reisemarkt (eigene Darstellung)
100
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
Dem Vergleich von Bahn und Auto liegt häufig eine verzerrte Wahrnehmung zugrunde. Wer mit dem Auto in Urlaub fährt, kalkuliert meist nur die Kraftstoffkosten; Fixkosten wie Kfz-Steuer, Versicherungen oder Abschreibungen werden in die Rechnung nicht mit einbezogen. Allerdings wird das Auto umso günstiger, je mehr Personen mitfahren, so dass selbst unter Berücksichtigung aller Kosten beispielsweise für Familien die Anreise mit dem Pkw wirtschaftlicher ist. Bahn ist teuer – diese Einschätzung wird nicht zuletzt durch das massive Marketing der Billigflieger bestätigt („Fliegen zum Taxipreis“, siehe Abb. 5.16). Angebotsumfang und -qualität Die Bahn verliert im Tourismus nicht nur deswegen an Bedeutung, weil Urlauber zunehmend in ferne Regionen reisen. Sie hat auch in klassischen Bahndestinationen erheblich Marktanteile verloren. Eine wesentliche Ursache liegt darin, dass die Deutsche Bahn AG viele Verbindungen in klassische Urlaubsgebiete ausgedünnt hat, weil sie sich im Vergleich zu den Hauptstrecken nur bedingt wirtschaftlich rechnen. Gleichzeitig sind viele Direktverbindungen in Urlaubsgebiete aufgegeben worden, so dass diese nur noch mit Umsteigen erreichbar sind. Ähnliches gilt im grenzüberschreitenden Bahnverkehr. 25% Urlaubsreise Kurzurlaub Anteile an Reisen in %
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Basis = 1.738/686
Abb. 5.17 Bahn-Nutzung bei Kurz- und Urlaubsreisen – differenziert nach Urlaubergruppen im deutschen Reisemarkt (eigene Darstellung)
Vor allem für ältere Reisende sowie für Reisende mit viel Gepäck werden damit Bahnurlaubsreisen immer unattraktiver. Etwas anders sieht es bei Kurzreisen aus: Zum einen führen diese oft in Städte, die gut an das Bahnnetz angeschlossen und oft auch ohne Umsteigen erreichbar sind. Zum anderen haben Kurzreisende
5.4 Verkehrsmittelwahl im Urlaub
101
wenig Gepäck. Dies führt dazu, dass bei Kurzreisen durchweg der Anteil der Bahnreisen bei allen Urlaubergruppen höher liegt (siehe Abb. 5.17). Mobilität vor Ort Urlauber wollen auch vor Ort mobil sein. Das kann bei Reisen in ländliche Gebiete oder in der Nebensaison ohne eigenes Auto schwierig werden. Meist reichen dann die Angebote öffentlicher Verkehrsmitteln nicht aus. Abb. 5.19 zeigt die Attraktivität verschiedener Reise-Bausteine, die eine Mobilität vor Ort auch ohne eigenes Auto verbessern. Prinzipiell zeigen auch Autobesitzer Interesse an solchen Angeboten. Schlüssel zum Erfolg ist allerdings deren Preis und die Tatsache, wo und wie darüber informiert wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass bei einer Flugreise der Mietwagen am Urlaubsort für viele eine selbstverständliche Ergänzung ist, die entsprechende Kombination von Bahn und Mietwagen dagegen wird von Reisenden kaum in Betracht gezogen. All-inklusive Bahnreise (Gepäcktransport, Transfer etc.) Anreise mit Bahn an autofreien Urlaubsort Kostenloser ÖPNV vor Ort bei Bahnanreise Bahnfahrt inklusive Mietwagengutschein Stunden- und tageweise Nutzung von Autos (Carsharing) Infos zu ÖV und Buchungsmöglichkeit bei TouristenInformation Kombinierte Mobilitäts- und Eintrittskarten (Tourist-Card) Fahrradverleih auch für Touren in eine Richtung Vermietung verschiedener Fahrradtypen (SterneKlassifizierung)
sehr attraktiv eher attraktiv
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10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Anteil der Reisenden in %
Basis = 2.021
Abb. 5.18 Attraktivität von Angeboten zur Verbesserung der Mobilität vor Ort bei deutschen Urlaubern (eigene Darstellung)
Mobilitätsorientierung und Einstellungen der Reisenden Selbst Personen, die im Alltag nahezu immer das eigene Auto und nur selten öffentliche Verkehrsmittel nutzen, steigen für die Urlaubsreise ganz selbstverständlich ins Flugzeug – obwohl es sich um ein öffentliches Verkehrsmittel handelt. Sie
102
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
assoziieren Nachteile wie zeitliche Abhängigkeit oder mangelnde Flexibilität zwar häufig mit Bus und Bahn, selten aber mit dem Flugzeug. Rund 70 % der Urlauber wollen nichts von Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit ihrem Urlaub wissen. Lediglich zwei Zielgruppen im Massenmarkt sind explizit für ökologische und soziale Themen ansprechbar (siehe auch Abb. 5.19): die anspruchsvollen Kulturreisenden und die Natur- und Outdoor-Urlauber. Und dies auch nur dann, wenn die Angebote den Ansprüchen dieser Urlauber genau entsprechen und einen persönlichen Mehrwert bieten. Ökologische Gründe sind nur für eine Minderheit bei der Wahl des Verkehrsmittels ausschlaggebend. Lediglich 2 % der deutschen Bahnurlauber geben zum Beispiel an, dass sie aus ökologischen Gründen mit dem Zug verreisen. Bei Busreisen spielt dieser Aspekt überhaupt keine Rolle. Umweltvorteile sind daher nur bedingt geeignete Argumente, Urlauber für Bahn und Bus zu gewinnen. 70% Trifft eher zu Trifft voll und ganz zu
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Abb. 5.19 Zustimmung zum Statement „Für umweltfreundliche Reisen bin ich bereit, mehr Geld auszugeben“ – differenziert nach Urlaubergruppen im deutschen Reisemarkt (eigene Darstellung)
Preissensible Urlaubergruppen wie die jungen Fun- und Action-Urlauber sowie die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber zeigen wenig Interesse an umweltfreundlichen Reisen, weil sie solche Angebote mit unnötigen Mehrkosten in Verbindung bringen. Eine Vermarktung entsprechender Reisen über deren Umweltvorteile wäre damit bei diesen Zielgruppen kontraproduktiv. Fazit Umweltfreundliche Verkehrsmittel haben es im Tourismus nicht einfach. Sollen klimaverträgliche Urlaubsangebote bei der Masse der Urlauber Erfolg haben,
5.5 Schlussfolgerungen für Marketingstrategien
103
müssen sie sich stärker als bisher mit den Vorteilen von Auto und Flugzeug auseinander setzen. Außerdem müssen sich entsprechende Angebote weit stärker als bisher an den unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen der verschiedenen Zielgruppen orientieren. Das Flugzeug ist und bleibt für Reiseziele ab einer bestimmten Entfernung das Verkehrsmittel Nr. 1 – daran können attraktive Bahn- und Busangebote nichts ändern. Was aber verändert werden kann, ist die Wahl des Reiseziels. Weckt man das Interesse der Urlauber an näher gelegenen Ferienregionen, die auch mit Bahn und Bus erreichbar sind, können auch „sanft-mobile“ Urlaubsangebote profitieren. Eine solche Strategie zur Förderung der Nahziele (siehe Kapitel 4.4) ist allerdings nur mittel- bis langfristig umsetzbar. Tabelle 5.2 gibt nochmals einen Überblick über die wesentlichen Gründe, die für die Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels sprechen. Tabelle 5.2 Begründungen für Verkehrsmittelwahl im Urlaub (eigene Zusammenstellung) Auto
Flugzeug
Bahn
Reisebus
- Unabhängigkeit, Ungebundenheit, Flexibilität (zeitlich, örtlich) - Mobilität vor Ort gesichert - stressfrei (kein Umsteigen) - problemloser Gepäcktransport (v. a. für Familien) - preiswert (v. a. für mehrere Personen)
- im Reiseangebot enthalten - Reiseziel anders schlecht erreichbar - schnell - stressfrei - falls am Zielort sowieso kein Auto benötigt wird - Angebote der Billigflieger
- stressfrei und entspannend - preiswert - Landschaft besser genießen können - neue Leute kennen lernen - umweltfreundlich und sicher
- im Reiseangebot enthalten (Gruppen- oder Rundreise) - stressfrei und entspannend - Haus-zu-HausService - preisgünstig - Landschaft besser genießen können
5.5 Schlussfolgerungen für Marketingstrategien Wer nachhaltige Reisen für den Massen- bzw. Volumenmarkt entwickelt, muss alle Urlaubstypen und Zielgruppen berücksichtigen. Aus dem Zielgruppenmodell, aber auch aus den qualitativen Ergebnissen lassen sich zwei sich ergänzende Strategien ableiten. Implizite Optimierung Die erste Variante vermeidet jede explizite Thematisierung von Nachhaltigkeit. Das bedeutet, dass in Begriffen und Bildern nicht explizit auf Themen, die mit Ökologie assoziiert werden, eingegangen wird. Das gilt vor allem für Pauschaltouristen und Schnäppchenjäger, partiell aber auch für die Kinder- und Familienorientierten. Botschaften über Umweltschutz und Nachhaltigkeit schrecken hier eher
104
5 Das INVENT-Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile“
ab, da diese Urlauber fürchten, für etwas bezahlen zu müssen, was nicht im Zentrum ihres Interesses steht. Ökologie, Umweltschutz, Nachhaltigkeit gelten bei diesen Gruppen als unerwünschte Preistreiber, die das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verschlechtern drohen. Wer hier nachhaltig agieren will, muss entsprechende Maßnahmen „im Hintergrund organisieren“ – für den Einzelnen nicht unbedingt sichtbar und spürbar, für das Ziel dennoch ein Fortschritt. Das bedeutet: Eine implizite Nachhaltigkeitsstrategie muss mit einer Optimierungsstrategie kombiniert werden. Langfristig gesehen können Reiseentscheidungen so beeinflusst werden, dass sich der Urlauber ein näher gelegenes Reiseziel wählt, was automatisch die Umweltbelastungen durch die Reise mindert. Diese Alternativreisen wären im Sinne einer Optimierungsstrategie für den Urlauber nicht von anderen Reisen zu unterscheiden. Explizite Ansprache Die zweite Variante setzt auf eine explizite Zielgruppenansprache. Allerdings darf darin nicht der Begriff der Ökologie mit den Bildern der 70er und 80er Jahre kommuniziert werden. Nachhaltigkeit braucht vielmehr einen modernen Rahmen. Dabei müssen zwei Formen unterschieden werden. Nachhaltigkeit als Qualitätskriterium Das Thema Nachhaltigkeit wird im Sinne eines hochwertigen Natur- und KulturErlebnisses vermittelt. Es geht um die hohe Qualität der Nahrungsmittel, um Gesundheit, Wellness, Balance von Körper und Geist, um aktiven Genuss in der Natur. Offen für eine solche Ansprache sind Natur- und Outdoor-Urlauber und anspruchsvolle Kulturreisende. Sie suchen Authentizität und Qualität in einer Form, die ihnen Eigennutz verspricht. Beide Gruppen sehen in einem intensiven Kontakt mit authentischer Natur und Kultur eine Steigerung der Urlaubsqualität, also einen willkommenen Mehrwert. Nachhaltigkeit als Verantwortung des Reiseanbieters Fernreisen sind oft ökologisch und sozial wenig verträglich. Natur- und OutdoorUrlauber beispielsweise sind jedoch offen für „verantwortungsvolles Reisen“, also für klare Aussagen des Reiseveranstalters, wie Folgen des Tourismus vor Ort durch Projekte und Engagement des Unternehmens ausgeglichen werden. Diese Art von expliziter Ansprache muss aber übergreifend als Gesamtverantwortung des Veranstalters kommuniziert werden, an den dann die Reisenden einen Teil ihrer eigenen Verantwortung delegieren. Diese Art der expliziten Ansprache kann dann auch eine Forcierung der Nachfrage durch bestimmte Zielgruppen in Ferndestinationen zur Folge haben. Dies wiederum hat den erwünschten Effekt, dass neue, qualitäts- und umweltbewusstere Zielgruppen in klassische Ziele des Massentourismus gelenkt werden, die bisher eher Pauschaltouristen vorbehalten waren.
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Damit Reisen, die zu einem ökologisch und sozial verträglicheren Tourismus beitragen, im Volumenmarkt erfolgreich sind, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Angebote müssen sich genau an den Wünschen, Erwartungen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen orientieren. Und: Die Angebote müssen sich in eine – für jede Destination spezifische – Marketingstrategie einfügen. Im Rahmen von INVENT wurden vier Destinationen im Massenmarkt ausgewählt, um sie detailliert zu analysieren und Marketingstrategien zu erproben. Für die Auswahl waren, zusätzlich zum Nachhaltigkeitspotenzial, folgende Kriterien ausschlaggebend: -
-
Die Destinationen müssen eine hohe Relevanz für den Massenmarkt besitzen, die Reisearten sollten wenig ausdifferenziert sein. Zwei der vier ausgewählten Urlaubsregionen sollten eine hohe Relevanz für die beteiligten Praxispartner AMEROPA-REISEN GmbH und Deutsche Bahn AG besitzen. Die ausgewählten Destinationen sollten eine Repräsentativität für die unterschiedlichen Vorlieben deutscher Urlauber besitzen (Inland, benachbartes Ausland, Mittelmeer, Fernziel).
Folgende vier Ziele des Massentourismus wurden ausgewählt: MecklenburgVorpommern für Urlaub in Deutschland, Norditalien für Reisen ins nahe Ausland, die Türkei für den klassischen Strandurlaub und die Dominikanische Republik stellvertretend für die Karibik als beliebte Fernreisedestination. Die Gründe für die Auswahl der vier Destinationen sind in Abb. 6.1 nochmals zusammengestellt.
6.1 Grundsatzstrategien für mehr Nachhaltigkeit Aus dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ergeben sich für den Tourismus zwei mögliche Strategien für jede Destination und Zielgruppe: die Optimierungsstrategie und die Forcierungsstrategie. Bei der Optimierungsstrategie werden bereits bestehende Angebote so verbessert, dass sie umwelt- und sozialverträglicher werden. Ziel ist es nicht, das Reise- bzw. Nachfrageverhalten zu verändern, sondern das bestehende Angebot im Massenmarkt nachhaltiger zu gestalten. Bei der Forcierungsstrategie dagegen werden neue Angebote so maßgeschneidert, dass
106
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
damit gezielt auf die Reiseentscheidung der Kunden Einfluss genommen werden kann und auf diese Weise Urlaub nachhaltiger wird. Mecklenburg-Vorpommern • Wachstumsmarkt • Alternative zu Mittelmeerdestinationen • Ökologisch vorteilhaft, da Bahnanreise möglich ö • kurze Saison verlängern • Ausbau explizit nachhaltiger Angebote möglich ö
Türkei • Starker Wachstumsmarkt • Alternative zu Fernreisen • Ausbau der Infrastruktur (Flächenverbrauch, Einfluss auf Biodiversität • Soziokulturelle Probleme • Tourismus ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor
Norditalien (Küste) • Klassisches Reiseziel mit abnehmenden Urlauberzahlen • Alternative zu Fernzielen • Kann sowohl mit dem Flugzeug, als auch mit der Bahn und dem Auto Erreicht werden • Touristische Infrastruktur existiert bereits
Dominikanische Republik • Bedeutendes Fernreiseziel • Ökologische Relevanz (Klimagasemissionen, Wirkungen auf Biodiversität, Landverbrauch) • Ökonomische Abhängigkeit vom Tourismus • Soziale Probleme
Abb. 6.1 Auswahlkriterien für die vier ausgewählten INVENT-Reisedestinationen (eigene Darstellung)
Optimierungsstrategie Ziel der Optimierungsstrategie ist es, den Ressourcenverbrauch zu mindern bzw. die verwendeten Ressourcen entlang der touristischen Wertschöpfungskette effizienter zu nutzen. Damit greift diese Strategie unmittelbar in die Entwicklung touristischer Dienstleistungen ein. Ergebnis sind nachhaltige Produkt- und Prozessinnovationen. Auf Produktebene verfolgt die Optimierungsstrategie das Ziel, bereits bestehende touristische Angebote nachhaltiger zu gestalten. Dies geschieht durch die Einbeziehung und Berücksichtigung der in Kapitel 3 beschriebenen Kriterien und Indikatoren für nachhaltigen Tourismus entlang der touristischen Wertschöpfungskette. Dabei lassen sich zahlreiche Verbesserungspotentiale erkennen, die unter Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe bei der Produktgestaltung ausgeschöpft werden können. Nicht alle Urlauber allerdings sind für nachhaltiges Reisen ansprechbar: Das Zielgruppenmodell hat gezeigt, dass bei einigen Gruppen, wie z. B. den jungen Fun- und Action-Urlaubern oder den Sonne-Strand-Pauschal-Urlaubern, Vorbehalte existieren. Sie verbinden nachhaltige Reisen mit Mehrkosten und lehnen diese daher in der Regel ab. Demgegenüber sehen andere Zielgruppen – die Naturund Outdoor-Urlauber und die anspruchsvollen Kulturreisenden – nachhaltige
6.1 Grundsatzstrategien für mehr Nachhaltigkeit
107
Angebotsinhalte als Zusatznutzen an. Als Antwort darauf gibt es zwei Alternativen von Optimierung:
• Hintergrundoptimierung bestehender Angebote: Verbesserungen beispielsweise bei Unterkunft, Essen und Ausflugsprogrammen werden gegenüber dem Reisenden nicht kommuniziert. Die Veränderungen werden also umgesetzt, ohne dass der Urlauber sie bemerkt. • Optimierung unter Betonung von Nachhaltigkeit: Nachhaltigkeit wird als Qualitätskriterium definiert, das unter Umständen auch zu erhöhten Kosten der Reise führen kann. Für manchen Urlauber werden Fernreisen auf diese Weise verträglicher – der lange Flug mit seinen hohen Treibhausgasemissionen wird kompensiert. Oft wird auch honoriert, wenn Reiseveranstalter sich unabhängig vom konkreten Angebot für Umwelt und soziale Belange engagieren. Verbesserungen von Urlaubsangeboten haben Reiseveranstalter, Hoteliers und Verkehrsunternehmen bereits in der Vergangenheit praktiziert. Neu an der Optimierungsstrategie im Rahmen von INVENT ist, dass auch jede Optimierung auf die jeweiligen Zielgruppen zugeschnitten sein muss. Sie kann grundsätzlich für alle Zielgruppen und damit für alle Destinationen zum Einsatz kommen, zudem ist sie kurz- und mittelfristig realisierbar. Forcierungsstrategie Die Forcierungsstrategie hat das Ziel, das Nachfrage- bzw. Reiseverhalten gezielt zu beeinflussen. Konsummuster sollen so verändert werden, dass das Interesse und die Nachfrage nach ökologisch und sozial verträglichen Reisen wächst. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass Reisende Abstriche an ihren Urlaubswünschen machen oder auf bestimmte Dinge verzichten müssen. Diese Strategie arbeitet ohne jeden (öko-)moralischen Zeigefinger. Vielmehr werden attraktive und nachhaltigere Angebote entwickelt, für die sich der Kunde ganz ohne Druck von außen begeistern kann. Hierbei existieren je nach Ansprechbarkeit der Zielgruppen wiederum mehrere Möglichkeiten:
• Entwicklung neuer Angebote, bei denen der Beitrag zur Nachhaltigkeit explizit benannt wird. Die Angebote werden optimal auf Wünsche und Bedürfnisse einer Zielgruppe abgestimmt und sind damit ein Zusatznutzen. Je nach Interessen kann die Schwerpunktsetzung hierbei in der ökologischen, sozialen oder ökonomischen Dimension liegen. • Entwicklung von Angeboten, die den Urlauber in Destinationen leiten, in denen Nachhaltigkeit besser realisiert ist bzw. realisiert werden kann. Hierunter fällt auch die Entwicklung von attraktiven Reisen in nahe gelegene Ziele, um so z. B. ökologisch kritische Langstreckenflüge durch emissionsärmere Reisen in den Mittelmeerraum zu substituieren. • Förderung von Qualitätsurlaub in klassischen Zielen des Massentourismus. Gelingt es, für bestimmte Destinationen neue Zielgruppen zu gewinnen, die für
108
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
nachhaltige Aspekte ansprechbar sind, können Impulse für eine verträglichere Entwicklung gesetzt werden. Wichtig bei der Forcierungsstrategie ist eine ganzheitliche Sichtweise. Es steht nicht die einzelne Reise im Fokus, sondern der Gesamtmarkt. So ist es durchaus denkbar, dass auch eine konventionelle Reise einen Beitrag zur nachhaltigen Gestaltung des touristischen Marktes liefert – beispielsweise, wenn durch ein konventionelles (Nah)-Angebot Fernreisen substituiert werden. Eine Förderung von Nahzielen darf gleichzeitig nicht dazu führen, dass der Tourismus in Fernreisezielen ökonomischen Schaden nimmt. Das hätte dort ungewünschte negative soziale und wirtschaftliche Folgen für die Bevölkerung. Die Forcierungsstrategie kalkuliert zudem bewusst die Tatsache mit ein, dass der Tourismus weiter wachsen wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welchen Destinationen nachhaltiger Tourismus weiter ausgebaut werden kann und welche Art von Reisen in Zukunft in den einzelnen Destinationen gefördert werden soll. So gesehen ist diese Strategie – im Gegensatz zur Optimierungsstrategie – nur mittel- bis langfristig wirksam. Die Forcierungsstrategie ist nur dann erfolgreich, wenn sie sich umfassend an den Wünschen und Bedürfnissen der einzelnen Zielgruppen orientiert. Dies hat zur Folge, dass die Umsetzbarkeit der Strategie immer davon abhängt, welche Zielgruppen derzeit in eine Destination reisen und welche diese Destination attraktiv finden. Aus diesem Grund kann die Forcierungsstrategie nicht grundsätzlich für alle Destinationen angewandt werden; die Realisierung muss immer im Einzelfall überprüft werden. Die Forcierungsstrategie kann grundsätzlich mit der Optimierungsstrategie kombiniert werden. Werden beispielsweise Urlauber mit konventionellen Angeboten für Nahziele gewonnen, können diese Angebote in einem zweiten Schritt nachhaltiger gestaltet werden – indem die Pkw-Anreise durch eine Bahnanreise oder ein konventionelles Hotel durch ein umweltfreundliches ersetzt wird. Welche Grundsatzstrategie zur Anwendung kommt, hängt von der ausgewählten Destination und den typischen Zielgruppen vor Ort ab. Im Folgenden werden die Strategien für die vier Destinationen Mecklenburg-Vorpommern, Norditalien, Türkei und Dominikanische Republik konkretisiert. Die Strategieentwicklung durchläuft im Wesentlichen fünf Einzelschritte: 1. Analyse des touristischen Profils und der bisherigen Strategien der Destination 2. Auswahl von relevanten Zielgruppen für die Destination 3. Entwicklung der destinationsspezifischen Grobstrategie für jede Zielgruppe 4. Entscheidung für explizite oder implizite Ansprache der Zielgruppen in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit 5. Bewertung der Strategie im Sinne der Nachhaltigkeit. Das touristische Profil der ausgewählten Destinationen und die bislang verfolgten Marketingstrategien stellen für die Strategieentwicklung wesentliche Eckpunkte dar. Diese beiden Elemente zusammen ergeben die Potenziale für mögliche Urlauber-Zielgruppen. Auf der Nachfrageseite stehen dem touristischen Angebot die
6.2 Mecklenburg-Vorpommern – die Strategie
109
Wünsche und Bedürfnisse der tatsächlichen und der potenziellen Urlauber gegenüber. Den Grad der Übereinstimmung zwischen diesen beiden Faktoren kann man mit Hilfe der destinationsbezogenen Attraktivität messen. Hierzu muss klar sein, ob die jeweilige Destination als mögliches Urlaubsziel überhaupt in Frage kommt. Diejenigen Urlauber, die in der INVENT-Befragung die Destination als „sehr attraktiv“ bzw. „eher attraktiv“ bezeichneten, gelten als potenzielle Zielgruppen.
6.2 Mecklenburg-Vorpommern – die Strategie Das touristische Profil Das Reiseland Mecklenburg-Vorpommern wurde 1990 aus den Bezirken Neubrandenburg, Rostock und Schwerin gebildet. Der Anteil des Bundeslandes an der deutschen Landesfläche beträgt 6,5 %; ein Viertel der deutschen Seenfläche liegen in Mecklenburg-Vorpommern. Das Bundesland hat zahlreiche touristische Besonderheiten: -
1.712 km Ostseeküste einschließlich der Inseln; 21 % der Landfläche sind großflächige Waldgebiete, 5,5 % der Landfläche nimmt die Mecklenburgische Seenplatte ein; 26.000 km Fließgewässer; über 1.750 Binnengewässer mit einer Gesamtfläche von 1.100 km² mit der Müritz als Deutschlands größter See; 13 % der Landfläche entfallen auf die drei Nationalparks, zwei Biosphärenreservate und sechs Naturparks.
Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Mecklenburg-Vorpommern an Platz 2 der inländischen Urlaubsdestinationen (F.U.R 2007). Nach Jahren des Wachstums hat das Bundesland im Jahr 2004 erstmals einen Rückgang der Besucherzahlen und Übernachtungen registriert. Während 2003 noch 5,1 Millionen Gäste nach Mecklenburg-Vorpommern kamen, sank die Zahl der Besucher 2004 auf 4,9 Millionen (-3,9 % zum Vorjahr). Die Zahl der Übernachtungen sank von 22,1 Millionen im Jahr 2003 auf 21,3 Millionen im Jahr 2004 (-3,6 %). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste blieb mit 4,3 Tagen konstant. Im Jahr 2004 wurden 199.000 ausländische Gäste mit 469.000 Übernachtungen in den Hotels und Pensionen registriert. Die Hauptquellgebiete der ausländischen Gäste sind Dänemark, Schweden, die Niederlande und die Schweiz (TMV 2005). Der Tourismus ist für das dünn besiedelte und strukturschwache MecklenburgVorpommern einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Der Fremdenverkehr leistet einen Beitrag von 7,4 % zum Volkseinkommen und beschäftigt etwa rund 130.000 Menschen, das entspricht 18 % der Erwerbstätigen (WM MV 2004). Als Leitziel der Tourismusentwicklung definiert die „Landestourismuskonzeption Mecklenburg-Vorpommern 2010“ den Aufbau einer nationalen und internationalen Tourismusmarke Mecklenburg-Vorpommern und legt hierzu folgende Leitlinien fest (WM MV 2004):
110
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
• Mecklenburg-Vorpommern muss dem Tourismus als entscheidendem Wirt• • • •
schaftszweig und zukunftsweisender Dienstleistungsbranche verstärkt Rechnung tragen. Die Tourismusentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern muss dem Prinzip des nachhaltigen, qualitativen Wachstums verpflichtet sein. Der Ausbau des Tourismus erfolgt unter Bewahrung von Natur und Landschaft. Qualitatives Wachstum bedeutet eine dauerhafte und kundenorientierte Qualitäts- und Serviceoptimierung als entscheidendem Erfolgsfaktor. Die Tourismusförderung muss sich Ressort übergreifend auf die für ein nachhaltiges Wachstum zielführenden Maßnahmen konzentrieren. Die Leitlinien zeigen eindeutige Schnittstellen zu Inhalten nachhaltiger Entwicklung und können daher gut als Rahmen der Strategieentwicklung in das INVENT-Projekt integriert werden.
Der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern (TMV) verfolgt eine offensive Positionierung des Reiselandes als führenden europäischen Tourismusstandort im Wettbewerb der Regionen. Die Eckpunkte der TVM-Marketingstrategie sind u. a.: eine Sicherung des Übernachtungsaufkommens auf hohem Niveau, die Gewinnung von Neukunden durch stärkere Differenzierung des Themenmarketings, eine Belebung der Vor- und Nachsaison, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Qualitätsmanagement und eine konsequente Marktforschung und Erfolgskontrolle für alle Maßnahmen. Auswahl der Zielgruppen Die eigenen empirischen Untersuchungen ergaben, dass 44 % aller Befragten Mecklenburg-Vorpommern für eine Reise in den nächsten drei Jahren als „sehr attraktiv“ bzw. „eher attraktiv“ fanden. Eine Betrachtung der einzelnen Zielgruppen ergab dabei ein differenzierteres Bild (siehe Abb. 6.2): Die höchsten Anteile mit 57 % haben die traditionellen Gewohnheitsurlauber und mit 56 % die anspruchsvollen Kulturreisenden. Die Natur- und Outdoor-Urlauber liegen auf Rang drei mit 43 % dicht gefolgt von den Kinder- und Familienorientierten mit 42 %. Das zugrunde liegende Wertemuster der traditionellen Gewohnheitsurlauber mit Ausrichtung auf Genügsamkeit und Bescheidenheit kommt dem Gedanken der Suffizienzstrategie am nächsten. Sie besitzen eine hohe Affinität zu deutschen Zielgebieten und sind oft schon Gäste in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Ansprache dieser Zielgruppe ist daher von hoher Bedeutung. Gleichzeitig ergeben sich für diese Zielgruppe die geringsten Ausgestaltungsmöglichkeiten: Gewohnheitsurlauber sind nur bedingt für Veränderungen und für neue Destinationen ansprechbar und daher kaum für innovative, nachhaltige Reisen zu gewinnen. Interessanter im Hinblick auf nachhaltige Marketingstrategien sind die Naturund Outdoor-Urlauber sowie die anspruchsvollen Kulturreisenden. Eine Mobilisierung dieser beiden Gruppen für Mecklenburg-Vorpommern wäre aufgrund ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem durchaus viel versprechend. Eine Ansprache über die Themen Natur und Kultur wäre für beide Zielgruppen möglich.
6.2 Mecklenburg-Vorpommern – die Strategie
111
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber Die anspruchsvollen Kulturreisenden Die Natur- und Outdoor-Urlauber Die Kinder- und Familienorientierten Die Sonne-StrandPauschalurlauber Die Unkonventionellen Die jungen Fun- und Action-Urlauber 0% Basis = 2.021
Sehr attraktiv
25%
50%
75%
100%
Anteil der Befragten in % Eher attraktiv
Weniger attraktiv
Nicht attraktiv
Weiß nicht/k.A.
Abb. 6.2 Attraktivitätspotenzial Mecklenburg-Vorpommern auf Basis der INVENTBefragung (eigene Darstellung)
Natur- und Outdoor-Urlauber bilden für Mecklenburg Vorpommern gerade für die Vor- und Nachsaison eine wirtschaftlich interessante Zielgruppe. Ihr derzeitiger Anteil der Urlaubsreisen nach Deutschland ist im Vergleich zu anderen Zielgruppen leicht unterdurchschnittlich; gleichzeitig besteht aber ein großes Interesse an Urlaubsreisen nach Deutschland. Diese Zielgruppe ist qualitätsbewusst und kann als Zielgruppe für nachhaltigen Tourismus neuen Typs angesehen werden. Die Naturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns bietet für diese Urlauber ideale Voraussetzungen, bislang fehlt jedoch eine angepasste erfolgreiche Vermarktungsstrategie. Auch anspruchsvolle Kulturreisende sind eine geeignete Zielgruppe. Diese Gruppe macht bereits heute überdurchschnittlich oft in Deutschland Urlaub und Mecklenburg-Vorpommern bietet durch seine Natur- und Kulturschätze optimale Voraussetzungen – insbesondere auch zur Stärkung der Vor- und Nachsaison. Die Kinder- und Familienorientierten, die Mecklenburg-Vorpommern bei der Befragung ebenfalls attraktiv fanden, legen ihren Urlaub meist in die Schulferien. Zur Hochsaison sind aber die Bettenkapazitäten in Mecklenburg-Vorpommern bereits ausgelastet. Diese Zielgruppe ist zudem stark auf Badeurlaub an der Ostseeküste fokussiert und nur bedingt für das Binnenland zu gewinnen. Sie kann daher nur im Sinne der Optimierungsstrategie adressiert werden. Festlegung der Strategien Für die Ausarbeitung von Marketingstrategien wurden die Natur- und OutdoorUrlauber sowie die anspruchsvollen Kulturreisenden ausgewählt. Beide Zielgrup-
112
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
pen können in der Vor- und Nachsaison reisen, Destination und Urlaubswünsche entsprechen einander. Nachhaltige Marketingstrategien für Mecklenburg-Vorpommern
Forcierung
Forcierung
Natur- und OutdoorUrlauber
Anspruchsvolle Kulturreisende
Explizit Naturschutz, Naturbeobachtung, umweltgerechter Sport, Kindersport, aktiv
Explizit Kultur, Lebensart, Ästhetik, Wellness, Naturschutz, Land und Leute
Zusätzliche Optimierung z. B. Bahnanreise, Mobilität vor Ort, Unterkunftsoptimierung, Ausflugsangebote, Information
Abb. 6.3 Nachhaltige Marketingstrategien für Mecklenburg-Vorpommern (eigene Darstellung)
Langfristiges Ziel für Natur- und Outdoor-Urlauber: Reisende, die bisher eher im Ausland Urlaub machen, zukünftig stärker für Mecklenburg-Vorpommern in der Vor- und Nachsaison zu gewinnen. Diese Forcierungsstrategie (siehe Abb. 6.3) soll zu einer besseren Auslastung der touristischen Infrastruktur führen und die Reisen nachhaltiger gestalten. Natur- und Outdoor-Urlauber sind explizit für Themen wie Naturschutz oder umweltgerechten Sport ansprechbar, die somit direkt in das Marketing einbezogen werden können. Wichtig ist eine dynamische, sportliche und frische Ansprache.
Anspruchsvolle Kulturreisende Interesse an Kultur, Natur & Geschichte Geistig aktiv Bildungsanspruch
Verbindende Elemente Qualität Wohlbefinden Gesundheit klassisch
Wellness klassisch
Moderat aktiv: Wandern, Fahrrad, Nordic Walking Kulturlandschaft erleben Sich erarbeiten
Health sanft
Naturschönheiten entdecken/erleben Nachhaltige Angebote
Natur- und OutdoorUrlauber Aktivurlaub/ Aktiv in der Natur Natur erleben/ Abenteuer es sich gut gehen lassen/erholen Kinder Region kennen lernen Technikaffin
Abb. 6.4 Verbindende Elemente von anspruchsvollen Kulturreisenden und Natur- und Outdoor-Urlaubern auf Basis der INVENT-Befragungsergebnisse (eigene Darstellung)
6.2 Mecklenburg-Vorpommern – die Strategie
113
Anspruchsvolle Kultururlauber besitzen hingegen bereits eine hohe Affinität zu Urlaubsreisen im Inland – wenn auch nicht unbedingt zu MecklenburgVorpommern, das als Reiseziel auch in dieser Gruppe nur wenig bekannt ist. Diese Zielgruppe ist in der Wahl der Reisezeit ungebunden und gleichzeitig anspruchsvoll, wenn es um den Urlaub geht. Auch hier greift die Forcierungsstrategie, um mit zielgruppengerechten und unter Nachhaltigkeitsaspekten gestalteten Produkten das Reiseverhalten dieser Gruppe aktiv zu beeinflussen. Die Ansprache richtet sich primär auf die Themen Kultur und regionale Lebensart. Die anspruchsvollen Kulturreisenden weisen viele Gemeinsamkeiten mit den Natur- und Outdoor-Urlaubern auf, so dass sich Angebote entwickeln lassen, die für beide Zielgruppen attraktiv sind (siehe Abb. 6.4). Bewertung der Strategien Gelingt es, Natur- und Outdoor-Urlauber und Kulturreisende für Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern zu gewinnen, können Auslandsreisen durch Urlaub im Inland ersetzt werden. Das mindert die Emissionen durch An- und Abreise. Dieser Effekt dürfte für die Natur- und Outdoor-Urlauber größer sein als für die anspruchsvollen Kulturreisenden: Natur- und Outdoor-Urlauber verbringen deutlich seltener ihren Urlaub in Deutschland, obwohl Mecklenburg-Vorpommern mit seiner unberührten und ursprünglichen Natur optimale Urlaubsbedingungen für sie bietet. Leider ist dies Natur- und Outdoor-Urlaubern bisher meist nicht bekannt. Durch die Ausrichtung des Marketingkonzeptes auf die Vor- und Nachsaison kann die touristische Infrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern ganzjährig besser ausgelastet werden. Ohne Zubau neuer Hotels und ohne zusätzliche Flächeninanspruchnahme können Übernachtungszahlen und touristische Wertschöpfung gesteigert werden. Da Natur- und Outdoor-Urlauber auch für das Landesinnere von Mecklenburg-Vorpommern ansprechbar sind (z. B. Mecklenburgische Seenplatte), werden zudem die Küsten entlastet. Die Folge: Mehr Menschen partizipieren vom Tourismus. Beide Zielgruppen sind im Urlaub daran interessiert, die Natur des Urlaublandes zu erleben. Die Natur- und Outdoor-Urlauber suchen zudem vor Ort Möglichkeiten, sich aktiv in der Natur zu bewegen. Dies ist aber nur möglich, wenn das Reiseland ausreichend unberührte Natur bieten kann. Dies setzt wiederum voraus, dass das Urlaubsland sich für Erhalt und Schutz der Natur einsetzt. Damit tragen die Zielgruppen auch dazu bei, dass es sich wirtschaftlich rechnet, Natur zu schützen und langfristig zu erhalten. Entsprechendes gilt für den Bereich Kultur. Für anspruchsvolle Kulturreisen ist Kulturgenuss untrennbar mit einem gelungenen Urlaub verbunden. Will man diese Zielgruppe langfristig an MecklenburgVorpommern binden, müssen die kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten entsprechend erhalten werden. Hinzu kommt, dass beide Zielgruppen mehr als andere an Land und Leuten interessiert sind. Beide bevorzugen daher landestypische Hotels und Küche sowie Aktivitäten vor Ort, bei denen sie die Urlaubsregion kennen lernen. Damit stärken die Urlauber die regionale Wirtschaft und erhöhen den Anteil der Bevölkerung, der vom Tourismus positiv partizipiert.
114
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Das Interesse beider Zielgruppen an umweltfreundlichen und sozialverträglichen Tourismusangeboten ermöglicht zudem, neu entwickelte Angebote auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu optimieren (siehe Abb. 6.4) – beispielsweise durch umweltfreundliche Hotels, regionaler Verpflegung und Angebote zur umweltverträglichen Mobilität. Die Befragungsergebnisse zeigen aber auch klar, dass diese Urlaubergruppen derzeit fast ausschließlich das Auto für die An- und Abreise zu Urlaubszielen in Deutschland nutzen. Eine Bahnanreise kommt für sie nur in Frage, wenn die Vor-Ort-Mobilität gesichert ist. Tabelle 6.1 gibt einen Überblick über die wesentlichen Auswirkungen der für Mecklenburg-Vorpommern entwickelten nachhaltigen Marketingstrategien; dabei werden die Auswirkungen getrennt für die beiden Zielgruppen betrachtet. Die Bewertung der Strategien erfolgte anhand der im Rahmen von INVENT identifizierten zentralen Kriterien für einen nachhaltigen Massentourismus (siehe Kapitel 3.4). Tabelle 6.1 Beurteilung der für Mecklenburg-Vorpommern entwickelten Marketingstrategien unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten (eigene Darstellung) Natur- und Outdoor-Urlauber Forcierungsstrategie
Anspruchsvolle Kulturreisende Forcierungsstrategie
Ökologische Ziele - Senkung der Treibhausgasemissionen - Senkung des Ressourcenverbrauchs - Reduzierung der Schäden an der Biodiversität
++ 0 ++
+ 0 +
Soziale Ziele - größere Teilhabe der Bevölkerung am Tourismus - Stärkung des interkulturellen Austausches - höhere Zufriedenheit der Reisenden und Anbieter
+ 0 0
+ 0 0
Ökonomische Ziele - Stärkung der regionalen Wirtschaft - Zunahme der Beschäftigung - Zunahme des Beitrags zur Wertschöpfung
+ + +
+ + +
Ziele und Kriterien
Erklärung: Plus und Minus geben an, ob die Strategie zum Kriterium beiträgt oder nicht: ++ = großer Beitrag; + = Beitrag; 0 = kein Beitrag; - = kontraproduktiv; -- = stark kontraproduktiv
6.3 Norditalien – die Strategie Das touristische Profil Die Destination Norditalien ist im Projektzusammenhang definiert als Zusammenschluss der Regionen Ligurien (italienische Riviera), Lombardei (oberitalienische Seen), Trentino-Alto Adige (Südtirol), Friaul, Venetien und Emilia Romagna (italienische Adria) und Venetien und Emilia Romagna im Binnenland. An der ligurischen Küste – an der Grenze zu Frankreich – beginnt der italienische „Stiefel“. Ligurien ist mit einer Fläche von 5.413 km² die drittkleinste Region
6.3 Norditalien – die Strategie
115
Italiens. Hauptstadt ist Genua, einer der wichtigsten Marine- und Handelshäfen im Mittelmeer. Berücksichtigt man die Einbuchtungen und Landzungen, so bietet Ligurien rund 450 km Küste mit herrlichen Sandstränden und stillen Kiesbuchten. Ligurien ist mit 69 % des Gebietes über 1.000 m Höhe eine der bergigsten Regionen Italiens; nur 1 % der Region ist echtes Flachland. Das Hügelland in Küstennähe ist kaum für den Tourismus erschlossen, es bietet jedoch mit seinen zahlreichen konsequent geschützten Naturparks unberührte Landschaft. Insgesamt entfallen rund 15 % aller touristischen Übernachtungen in Italien auf diese Region. Die beliebtesten Urlaubsorte sind: Ventimiglia, San Remo, Diano Marina, Alassio, Pietra Ligure, Spotorno, Santa Margherita, Rapallo, Portofino, Sestri Levante, Lerici und die Cinque Terre. Vor allem Aktivsport wie Mountainbiking, Wassersport, Bergwandern, Reiten oder Skifahren stehen in dieser Region im Vordergrund. Die Lombardei ist die reichste, modernste und dichtbesiedeltste Region Italiens. Eine fruchtbare Gegend mit gemäßigtem Klima und bezaubernder Landschaft. Wegen der großen Seen Como, Garda, Lugano und Maggiore ist sie eine der beliebtesten Urlaubsregionen. Insgesamt ist die Lombardei ideal für Berg- und Wassersport. Die Stadt Mailand als weltbekanntes Finanz-, Geschäfts- und Modezentrum bietet darüber hinaus mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten eine interessante Ergänzung des Angebotes. Trentino-Alto Adige (Südtitrol) ist die nördlichste Region Italiens. Sie ist 13.619 km² groß; die Hauptstädte der Region sind Trient und Bozen. Landschaftlich ist die Gegend stark durch die Alpen und die Dolomiten geprägt. Das Gebiet hat Anteil an mehreren Gletschermassiven der kristallinen Zentralalpen (u. a. Ötztaler, Stubaier und Zillertaler Alpen) und umfasst zahlreiche, über 3.000 Meter hohe Gipfel. Die Region ist vorzugsweise ein Wintersportgebiet, sie bietet jedoch auch im Sommer für Urlauber vielfältige Angebote wie z. B. Trecking-, Wanderund Pferdetouren. Venetien zählt mit einer Fläche von 18.365 km² zu den größten Regionen Italiens. Es erstreckt sich vom Gardasee im Westen bis zur Mündung des Tagliamento im Osten, vom Po-Delta im Süden bis zum Südrand der Dolomiten. Venetien gehört zu den wohlhabendsten Regionen Italiens. Die Hauptstadt ist Venedig. Der Tourismus in Städten wie Verona, Vicenza, Padua, Venedig und an der Adria zählt zu den Haupteinnahmequellen der Region. Die Emilia Romagna entspricht mit einer Fläche von 22.123 km² der Größe Hessens, sie bildet die Form eines Dreiecks. Nördlich grenzt sie an den Po, südlich an den Kamm des Apennin, die Ostgrenze wird von der Adriaküste gebildet. Für die Wirtschaft spielt der Fremdenverkehr – vor allem an der Adriaküste – eine wichtige Rolle. Mit über 5.000 Hotelbetrieben weist die Emilia Romagna landesweit die größte Kapazität auf. Sanftes Hügelland ist charakteristisch für diese Region. Die Küste mit 43 Badeorten entlang eines ca. 130 km langen und 100 m breiten feinen Sandstrandes lädt ein zum Schwimmen, Tauchen, Segeln, Surfen und zum Wasserskifahren. Die Region Friuli Venezia Giulia erstreckt sich zwischen den Karnischen Alpen und der Adria, dem Stromgebiet von Tagliamento und Isonzo, der Nordosten grenzt an Österreich und Slowenien. Die Region mit der Hauptstadt Triest ist die kleinste in Italien; sie zeichnet sich durch eine interessante Mischung verschiede-
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6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
ner Kulturen aus. Derzeit wird die Region für den Skitourismus erschlossen. In den Wintersportorten Sistina, Duino, Lignano und Grado stehen Hotels, Pensionen, Ferienhäuser und erstklassige Skilifte zur Verfügung. Der Hafen von Triest ist der wichtigste Seehafen der Region. Norditalien steht im Rahmen von INVENT stellvertretend für eine grenznahe Destination, die neben dem Flugzeug auch mit Bahn und Pkw erreichbar ist. Allerdings wird diese Region verstärkt von Billigfliegern angeflogen, was die Bahn erhebliche Marktanteile gekostet hat. Neben einer Optimierung der vorhandenen touristischen Infrastruktur bietet sich Norditalien auch für die Umsetzung der Forcierungsstrategie an. Im Gegensatz zu Deutschland kann Norditalien SonneStrand-Pauschal-Urlaub bieten; damit kann Urlaub in Nord-Italien Flugreisen in den Mittelmeerraum oder gar Fernreisen ersetzen. Zudem ist in den vergangenen Jahren an der Adriaküste der Anteil deutscher Urlauber deutlich zurückgegangen. Vor Ort herrscht daher großes Interesse, die Urlauber zurückzugewinnen. Norditalien steht außerdem stellvertretend für eine ganze Reihe wichtiger Urlaubsgebiete (z. B. Kroatien, Südfrankreich, Nordspanien oder Ungarn) – damit können die für Norditalien gewonnenen Erkenntnisse auch auf diese Regionen übertragen werden. Die anspruchsvollen Kulturreisenden Die Natur- und Outdoor-Urlauber Die jungen Fun- und Action-Urlauber Die Sonne-StrandPauschalurlauber Die Kinder- und Familienorientierten Die Unkonventionellen Die traditionellen Gewohnheitsurlauber 0% Basis = 2.021
Sehr attraktiv
25%
50%
75%
100%
Anteil der Befragten in % Eher attraktiv
Weniger attraktiv
Nicht attraktiv
Weiß nicht/k.A.
Abb. 6.5 Attraktivitätspotenzial Norditalien auf Basis der INVENT-Befragung (eigene Darstellung)
Auswahl der Zielgruppen Während im Durchschnitt 46 % der Befragten einen Urlaub in Norditalien in den nächsten drei Jahren für attraktiv halten („sehr und eher attraktiv“), lag dieser Anteil bei der Gruppe der anspruchsvollen Kulturreisenden bei 61 % (siehe Abb.
6.3 Norditalien – die Strategie
117
6.5). Kulturreisende zeigen traditionell ein hohes Interesse an den Regionen Norditaliens mit ihren vielfältigen historischen Schauplätzen. Viele aus dieser Zielgruppe verbringen ihren Urlaub bereits hier – damit hat diese Gruppe für Norditalien eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Im Mittelpunkt zukünftiger Strategien steht daher die Bindung dieser Urlauber an diese Region. Mit 59 % weisen die Natur- und Outdoor-Urlauber den zweithöchsten Attraktivitätswert für Norditalien auf. Diese Urlauber sind für Norditalien eine neue, interessante Zielgruppe: Ihrem Interesse nach Aktivitäten in der Natur kann mit dem vorhandenen Naturpotential durchaus entsprochen werden. Unter Nachhaltigkeitsaspekten interessant sind auch die Fun- und ActionUrlauber. Immerhin fanden 57 % dieser Urlaubergruppe Norditalien für einen Urlaub in den nächsten drei Jahren für attraktiv. Gleichzeitig reist diese Zielgruppe im Vergleich zu anderen Gruppen eher unterdurchschnittlich in diese Region. Dies mag damit zusammenhängen, dass Strandurlaub an der Adria eher bekannt ist als typisch für Familien und traditionelle Sonnenhungrige. Festlegung der Strategien Für Norditalien bietet sich eine Forcierungsstrategie an (siehe Abb. 6.6). Im Gegensatz zu den Natur- und Outdoor-Urlaubern ist bei den Fun- und ActionUrlaubern allerdings keine direkte Thematisierung von Nachhaltigkeit möglich. Sie wollen Spaß, neue Leute treffen, viel erleben – und das alles möglichst günstig. Die Ansprache kann nur implizit über Themen wie Action, Hightech oder Kult erfolgen. Nachhaltige Marketingstrategien für Nord-Italien
Forcierung
Forcierung
Optimierung
Natur- und Outdoorurlauber
Fun- und Actionurlauber
Anspruchsvolle Kulturreisende
Explizit Naturschutz, Naturbeobachtung, umweltgerechter Sport, Kindersport, aktiv
Implizit Nachtleben, Trendsport, Spaß, kultig
Explizit Kultur, Lebensart, Ästhetik, Wellness, Naturschutz, Land und Leute
Zusätzlich Optimierung z. B. Bahnanreise, Mobilität vor Ort, Unterkunftsoptimierung, Ausflugsangebote, Information
Abb. 6.6 Nachhaltige Marketingstrategien für Norditalien (eigene Darstellung)
118
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Im Gegensatz dazu sind die Natur- und Outdoor-Urlauber für Inhalte nachhaltiger Entwicklung offen. Ihr Interesse konzentriert sich auf aktives Naturerleben; auch auf hochwertige Unterkünfte und landestypisches Essen wird Wert gelegt. Anspruchsvolle Kulturreisende als traditionelle Zielgruppe für Norditalien finden vor Ort bereits das Angebot, das sie erwarten. Im Sinne einer Optimierungsstrategie können aber nachhaltige Komponenten integriert werden – vor allem gekoppelt mit Aspekten aus Kultur, Qualität und Lebensart. Bewertung der Strategien Auf eine Bewertung der für die Zielgruppe der anspruchsvollen Kulturreisenden vorgeschlagenen Optimierungsstrategie soll an dieser Stelle verzichtet werden, da deren Auswirkung im Vergleich zu den Forcierungsstrategien für Natur- und Outdoor-Urlauber und junge Fun- und Action-Urlauber weniger bedeutend ist. Die Forcierungsstrategie für Natur- und Outdoor-Urlauber zielt auf eine langfristige Wahrung des Naturpotentials der Region. Bei einer ökologischen und sozialverträglichen Optimierung des Angebots kommt es zwar – im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern – nicht signifikant zu einer Reduzierung der Anreisestrecke und damit der Treibhausgasemissionen. Allerdings kann durch attraktive Bahnangebote, die die Mobilität vor Ort sichern, erreicht werden, dass Urlauber statt mit dem Auto mit der Bahn nach Italien reisen.
Treibhausgasemissionen in t pro Person und Reise
0,80
Forcierung 0,60
Optimierung
0,40
0,20
0,00
Ibiza mit dem Flugzeug
Adria mit dem Flugzeug
Adria mit der Bahn
Start- und Zielpunkt: Frankfurt/M.
Abb. 6.7 Auswirkung der Forcierungs- und Optimierungsstrategie für Norditalien auf die Treibhausgasemissionen am Beispiel der jungen Fun- und Action-Urlauber (eigene Darstellung)
Besonders interessant bezüglich ihrer nachhaltigen Wirkung ist die Forcierungsstrategie für die jungen Fun- und Action-Urlauber. Üblicherweise sucht diese Zielgruppe Abwechslung, Spaß und Erholung auf Ibiza, in Hurghada und Antalya. Steigt die Party aber statt auf Ibiza an den viel näher gelegenen Stränden der Ad-
6.4 Türkei – die Strategie
119
ria, können die Treibhausgasemissionen der Reise auf fast ein Drittel gesenkt werden – selbst wenn die Anreise mit dem Flugzeug erfolgt (siehe Abb. 6.7). Außerdem kann die existierende Infrastruktur – viele Hotels sind nicht ausgelastet – besser genutzt werden. Da ein Großteil der Hotels und sonstigen touristischen Infrastruktur aus den 1970er und 1980er Jahren stammt, müssen die bestehenden Unterkünfte modernisiert werden, was zusätzliche Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft schaffen kann. Nicht zuletzt ist die Region auch einfach mit Bus und Bahn zu erreichen, was die Treibhausgasemissionen im Vergleich zur Anreise mit dem Flugzeug weiter deutlich vermindert. Dieses Beispiel zeigt, dass auch für diese Zielgruppe immer die Möglichkeit besteht, die Forcierungsstrategie mit der Optimierungsstrategie zu kombinieren. Umweltverträglicher Tourismus ist also auch für junge Fun- und ActionUrlauber möglich, selbst wenn für sie ökologische und soziale Themen normalerweise keinen Platz im Urlaub haben. Allerdings funktioniert das nur dann, wenn sich die Kosten für die Reise nicht bzw. nur minimal erhöhen. Die folgende Tabelle 6.2 gibt einen Überblick über die Wirkungen der Marketingstrategien für Norditalien. Tabelle 6.2 Beurteilung der für Norditalien entwickelten Marketingstrategien unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten (eigene Darstellung) Natur- und Outdoor-Urlauber Forcierungsstrategie
Junge Fun- und Action-Urlauber Forcierungsstrategie
Ökologische Ziele - Senkung der Treibhausgasemissionen - Senkung des Ressourcenverbrauchs - Reduzierung der Schäden an der Biodiversität
0 0 +
++ + 0
Soziale Ziele - größere Teilhabe der Bevölkerung am Tourismus - Stärkung des interkulturellen Austausches - höhere Zufriedenheit der Reisenden und Anbieter
+ 0 0
0 0 0
Ökonomische Ziele - Stärkung der regionalen Wirtschaft - Zunahme der Beschäftigung - Zunahme des Beitrags zur Wertschöpfung
+ + +
0 + +
Ziele und Kriterien
Erklärung: Plus und Minus geben an, ob die Strategie zum Kriterium beiträgt oder nicht: ++ = großer Beitrag; + = Beitrag; 0 = kein Beitrag; - = kontraproduktiv; -- = stark kontraproduktiv
6.4 Türkei – die Strategie Das touristische Profil Die Türkei ist reich an unterschiedlichsten landschaftlichen Regionen. Der besondere Reiz dieses Landes liegt im Wechsel zwischen sonnigen Küsten und hoch aufragenden Gebirgen, zwischen fruchtbaren Tälern und weiten Hochebenen. Das
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6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Land ist reich an Geschichte. Zahlreiche historische, durch die Weltgeschichte und Mythologie bekannte Gebiete wie z. B. Thrakien, Kappadokien und Lykien bieten sich für Studien- und Kunstreisen an. Die Türkei bietet aber auch vielfältige Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten. Sie wird von drei Seiten vom Meer umgeben. So können Strandurlauber unter einer Vielzahl unterschiedlicher Küstenregionen wählen: Die rund 4.500 km lange Mittelmeerküste verläuft vom Westen, entlang der Ägäis, zur türkischen Riviera im Süden. Im Norden grenzt die Türkei an das Schwarze Meer. Die Tourismusentwicklung begann in der Türkei in den 1960er Jahren. Doch bis in die 70er Jahre, als der Tourismus in anderen Mittelmeerländern bereits boomte, blieb die Türkei hinter den Erwartungen zurück – die Marktbedingungen waren schwierig, das Land wurde nur unzureichend beworben, es war zudem politisch instabil. Erst seit Mitte der 80er Jahre nimmt in der Türkei der Tourismus stark zu. Die politischen Reformen von 1980 änderten den wirtschaftspolitischen Kurs hin zu einer freieren Marktwirtschaft und einer stärkeren Weltmarktorientierung. Übernachtungskapazitäten, Kommunikationsnetzwerke und Flugverkehr wurden stark ausgebaut. Dies kann als die Geburtsstunde des Massentourismus in den Küstenregionen angesehen werden. Die Türkei als Urlaubsland boomt nach wie vor, wobei Inhalte einer nachhaltigen Tourismusentwicklung kaum eine Rolle spielen. Vielmehr werden Tourismusformen wie Kongress-, Kultur-, Winter- und Senioren-Reisen gezielt vorangetrieben. Inzwischen wurden vom Tourismusministerium Werbekampagnen in 37 Ländern gestartet. Gebiete und Regionen ohne Tourismusangebot sollen bei den Investitionen speziell gefördert werden (ZfT 2002). Trotz dieser Bemühungen ist der Badetourismus weiterhin das wichtigste Marktsegment für die Türkei. Deutsche Urlauber stellen mit großem Vorsprung den größten Anteil (2004: 25 % der Urlauber). Tourismus ist einer der wichtigsten Dienstleistungsbranchen in der Türkei, dem weiter starkes Wachstum prognostiziert wird. 1997 arbeiteten bereits über 2,5 Millionen Menschen, d. h. etwa 13 % aller Beschäftigten, im Tourismussektor. Der Tourismus verzeichnete in den 90er Jahren mit wenigen Zäsuren eine stetige positive Entwicklung: Die Einnahmen im Jahr 2001 wurden vom Staatlichen Planungsamt der Republik Türkei mit 8,5 Milliarden Dollar angegeben. Die United Nations World Tourism Organization (UNWTO) schätzt, dass der Sektor weiter wachsen wird: Für 2020 werden für die Türkei rund 27 Millionen Touristen und Einnahmen von 40 Milliarden Dollar vorausgesagt (UNWTO 2002). Damit ist die Türkei im Rahmen von INVENT Beispiel für eine typische MittelmeerDestination im Volumenmarkt. Auswahl der Zielgruppen Für Fun- und Action-Urlauber hat die Türkei unter allen Zielgruppen die mit Abstand höchste Attraktivität. 58 % dieser Urlaubergruppe findet in den nächsten drei Jahren einen Urlaub in der Türkei „sehr attraktiv“ bzw. „eher attraktiv“ (siehe Abb. 6.8). Die Türkei bietet dieser Zielgruppe ein gutes Preis-LeistungsVerhältnis sowie große Feriengebiete und -anlagen, in denen der Wunsch nach
6.4 Türkei – die Strategie
121
Sport und Action und nach Fun und Party befriedigt werden können. Zum Vergleich: Der Anteil im Durchschnitt aller Befragten lag bei 35 %. Auch die Kinder- und Familienorientierten sowie die Sonne-Strand-PauschalUrlauber finden die Türkei mit 41 % bzw. 39 % als Urlaubsziel attraktiv. Alle drei Zielgruppen zeigen nur ein geringes Interesse an Nachhaltigkeit und sind nicht bereit, für entsprechende Reisen mehr Geld auszugeben. Die jungen Fun- und Action-Urlauber Die Kinder- und Familienorientierten Die Sonne-StrandPauschalurlauber Die Natur- und Outdoor-Urlauber Die Unkonventionellen Die anspruchsvollen Kulturreisenden Die traditionellen Gewohnheitsurlauber 0% Basis = 2.021
Sehr attraktiv
25%
50%
75%
100%
Anteil der Befragten in % Eher attraktiv
Weniger attraktiv
Nicht attraktiv
Weiß nicht/k.A.
Abb. 6.8 Attraktivitätspotenzial Türkei auf Basis der INVENT-Befragung (eigene Darstellung)
Festlegung der Strategien Alle drei Zielgruppen machen heute in der Türkei Urlaub. Marketingstrategien sollten sich daher auf bestehende Angebote konzentrieren und so optimieren, dass sie – für den Reisenden eher unbemerkt – zu einem ökologisch und sozial verträglicheren Urlaub beitragen (siehe Abb. 6.9). Für Junge Fun- und Action-Urlauber müssen Themen wie Nachhaltigkeit, Naturschutz und Umweltfreundlichkeit adäquat „übersetzt“ werden. Möglichkeiten der Ansprache sind Reizworte wie Abenteuer und Risiko oder „Geheimtipps“ wie die anspruchsvolle Kletterwand, der rasante Mountainbike-Trail oder das Überlebenstraining im Pool. Durch entsprechend gestaltete Sportkurse können also durchaus Informationen zum schonenden Umgang mit der Natur vermittelt werden. Die Zielgruppe ist grundsätzlich marken-, trend- und imagebewusst, Angebote müssen daher in zielgruppengerechter authentischer Sprache gestaltet werden. Als zielgruppengerechter Medien-Mix kommen das Internet, Radiosendungen, Lifestyle- oder Sportzeitschriften in Frage.
122
6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Insbesondere die Vor-Ort-Aktivitäten und die Mobilitätsangebote bieten sich bei dieser Zielgruppe für eine Optimierung an, wobei es gilt, „wilde“, ungesteuerte Ausflüge in die unberührte Natur oder an touristisch nicht erschlossene Orte zu vermeiden. Wo Kontakte und Austausch mit der einheimischen Bevölkerung gefördert werden, sollten sie unter „kontrollierten“ Bedingungen stattfinden. Der Aus- oder Aufbau von Ressorts und Tourismusorten mit geeigneter Infrastruktur (z. B. Diskos, Spaßbäder etc.) sollte so erfolgen, dass bereits bei der Planung Konflikte mit Einheimischen und anderen Urlaubern insbesondere wegen nächtlicher Ruhestörung identifiziert und vermieden werden. Nachhaltige Marketingstrategien für die Türkei
Optimierung
Optimierung
Optimierung
Junge Fun- und Actionurlauber
Sonne-, Strand-, Pauschalurlauber
Kinder- und Familienorientierte
Implizit Abenteuerlich, Nachtleben, unter Seinesgleichen, Leute kennen lernen, wie die Profis
Implizit Service, Sicherheit, gepflegt, Kontakt, Unterhaltung, wie zu Hause
Implizit Kinderfreundlich, sicher, gepflegt, pädagogisch wertvoll, Unterhaltung, stressfrei
Abb. 6.9 Nachhaltige Marketingstrategien für die Türkei (eigene Darstellung)
Für kinder- und familienorientierte Urlauber ist nur eine implizite Ansprache Erfolg versprechend – z. B. durch Stärkung von nachhaltigkeitsorientierten Animationsangeboten, in denen spielerisch nachhaltige Inhalte vermittelt werden. Eine umweltfreundliche Mobilität vor Ort, z. B. durch Busse statt Mietwagen, lassen sich mit Attributen wie Sicherheit, Bequemlichkeit und Gepflegtheit dieser Zielgruppe näher bringen. Auch ökologische Vorzüge der Hotels können implizit unter dem Blickwinkel Sauberkeit, Sicherheit und Hygiene vermittelt werden. Es empfiehlt sich, Komponenten nachhaltiger Entwicklung als Gesamtpaket in ein All-inclusive Konzept zu integrieren. Die Sonne-Strand-Pauschalurlauber haben ebenfalls nur ein geringes Interesse an Nachhaltigkeit, sind aber wie Kinder- und Familienorientierte im Alltag den Umgang mit konventionellen Umweltschutzmaßnahmen wie Abfalltrennung gewohnt. Kurzfristige Optimierungsmöglichkeiten bieten Animations- und Ausflugsangebote. Durch Infotainment und Verknüpfung mit Shopping, Geselligkeit und Essen können nachhaltige Inhalte durchaus vermittelt werden. Die aufgewerteten Animations- und Ausflugsangebote müssen für diese Zielgruppe als besonders vielfältig und exklusiv vermarktet werden. Ein Beispiel hierfür könnte ein organisierter Besuch eines türkischen Bades (Hamam) sein, in das sich die meisten Touristen von allein nicht wagen. Ein solcher Besuch könnte dazu dienen, Geschichte, kulturelle und politische Bedeutung und Funktionsweise eines Hamam
6.4 Türkei – die Strategie
123
kennen zu lernen – ein Angebot, das sowohl Wellness als auch Exklusivität verspricht und den Reisenden mit Land und Leuten in Kontakt bringt. Ein weiterer Ansatzpunkt sind die Hotelanlagen. Zwar buchen Sonne-StrandPauschalurlauber aufgrund der vermuteten Mehrkosten keine umweltfreundlichen Hotels, vor Ort aber erwarten sie Sauberkeit und Hygiene. Und sie honorieren, dass die Hotels in den Urlaubsgebieten zu einer sauberen und gesunden Umwelt beitragen. Beispielsweise bietet es sich an, die Besucher durch die Hotelanlage zu führen und einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen. Ganz nebenbei erhält der Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber dabei Einblick in das ökologische Management des Hotels und lernt die Bedeutung von Umweltschutz für den einzelnen Besucher kennen. Reiseveranstalter müssen hierfür mit den Hotels zwar in Vorleistung treten, langfristig aber kann sich dieses Engagement durch eine enge Kundenbindung auszahlen. Bewertung der Strategien Für die Bewertung der Optimierungsstrategien können die Zielgruppen der SonneStrand-Pauschal-Urlauber und Kinder- und Familienorientierten zusammengefasst werden. Bei beiden steht das Animations- und Ausflugsprogramm im Mittelpunkt einer Optimierung der Angebote. Zudem haben beide gemein, dass sie für die Kriterien Sicherheit, Sauberkeit und günstige Reisepreise ansprechbar sind. Umweltschutzmaßnahmen in den Hotels, die zur Senkung des Ressourcenverbrauches und der Treibhausgasemissionen der Urlaubsreise führen, werden von diesen Urlaubern honoriert. Tabelle 6.3 Auswirkungen der für die Türkei entwickelten Marketingstrategien unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten (eigene Darstellung) Ziele und Kriterien
Kinder- und Familienorientierte / Sonne-, Strand-, Pauschalurlauber Optimierungsstrategie
Junge Fun- und Action-Urlauber Optimierungsstrategie
Ökologische Ziele - Senkung der Treibhausgasemissionen - Senkung des Ressourcenverbrauchs - Reduzierung der Schäden an der Biodiversität
+ + 0
+ + ++
Soziale Ziele - größere Teilhabe der Bevölkerung am Tourismus - Stärkung des interkulturellen Austausches - höhere Zufriedenheit der Reisenden und Anbieter
0 ++ +
0 + +
0 0 0
0 0 0
Ökonomische Ziele - Stärkung der regionalen Wirtschaft - Zunahme der Beschäftigung - Zunahme des Beitrags zur Wertschöpfung
Erklärung: Plus und Minus geben an, ob die Strategie zum Kriterium beiträgt oder nicht: ++ = großer Beitrag; + = Beitrag; 0 = kein Beitrag; - = kontraproduktiv; -- = stark kontraproduktiv
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6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Bei der Zielgruppe der jungen Fun- und Action-Urlauber steht bei einer Optimierung das Ausflugsprogramm im Mittelpunkt. Zum einen können gezielt Ausflüge angeboten werden, die dem Urlauber das Land näher bringen. Zum anderen können Ausflüge und Sportaktivitäten so gelenkt werden, dass sie ökologisch sensible Gebiete schonen. Das verhindert negative Auswirkungen auf die Biodiversität. Organisierte Ausflüge verhindern zudem die übermäßige Nutzung von Mietwagen. Die nachhaltigen Auswirkungen der Marketingstrategien für die einzelnen Zielgruppen sind in Tabelle 6.3 dargestellt.
6.5 Dominikanische Republik – die Strategie Das touristische Profil Im Rahmen von INVENT wurde die Dominikanische Republik als ein bekanntes Fernreise- und damit Flugziel ausgewählt. Es gilt vor allem als klassisches Winterbadeziel und All-inclusive-Destination, die allerdings – durch den Sextourismus – mit einem z. T. sehr negativen Image besetzt ist. Die Dominikanische Republik liegt im Ostteil der Karibikinsel Hispaniola und grenzt im Westen an Haïti. Das Land ist mit ca. 8,9 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat in der Karibik. Hauptstadt und gleichzeitig größte Stadt ist Santo Domingo mit etwa 2,7 Millionen Einwohnern. Weitere wichtige Städte sind Santiago de los Caballeros (ca. 580.000 Einwohner), Concepción de la Vega (ca. 240.000 Einwohner) und San Cristóbal (ca. 200.000 Einwohner). 31,5 % der gesamten Landesfläche der Dominikanischen Republik stehen mittlerweile unter Naturschutz. Die Flora der Insel ist sehr vielfältig und abwechslungsreich. Immergrüner Regenwald wechselt mit Dornbuschsteppe und Sukkulentenwald in den trockeneren Gebieten ab. Die Dominikanische Republik ist eines der am meisten besuchten Urlaubsziele in der Karibik. Insbesondere Sonnenhungrige lieben die Karibikinsel wegen ihrer weißen Palmenstrände, dem türkisblauen Wasser, den Korallenriffs und der Schönwettergarantie. Der Tourismus konzentriert sich heute vor allem auf die Strände an der Nord- und Ostküste. Die Nationalparks und Schutzgebiete sowie das Landesinnere stehen hingegen weniger im Mittelpunkt des touristischen Interesses. Kulturell bedeutsam ist der kolonialzeitliche Stadtbereich von Santo Domingo, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Auch Kunsthandwerk, Malerei, Musik und Architektur spielen eine Rolle, Sportmöglichkeiten (z. B. Surfen, Tauchen, Schnorcheln, Angeln, Golf etc.) und Spaßaktivitäten (z. B. Jet-Ski-Fahren) runden heute das touristische Angebot der Destination ab. Die Dominikanische Republik hat mehrere Tourismuszentren (Zimmermann 2003): -
Puerto Plata liegt im Norden des Landes und umfasst weite Teile der dortigen Küste mit den Stränden und Städten Playa Dorada, Cofresí, Maimón, Luperon, Playa Grande sowie Cabarete.
6.5 Dominikanische Republik – die Strategie -
-
-
-
125
Samaná befindet sich im nordöstlichen Teil des Landes und erstreckt sich über die gesamte Halbinsel Samaná und schließt die Kommunen Las Terrenas, Samaná, Las Galeras sowie El Portillo und weite Bereiche der Strände ein. Bavaro liegt im östlichen Teil des Landes und zählt zu den bekanntesten und auch größten Tourismuszentren der Dominikanischen Republik. Dieses Urlaubsgebiet umfasst die Strände und Kommunen Juanillo, Punta Cana, Cabeza de Toro, Bavaro, El Cortecito, Macao und Uvero Alto. Romana ist eine sehr beliebte Urlaubsregion für etwas gehobenere Ansprüche, die in den letzten Jahren für den Massentourismus zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Das Gebiet umfasst die Gemeinden La Romana und Bayahibe sowie weite Bereiche der südöstlichen Küste mit Casa de Campo und Dominicus. Boca Chica/Juan Dolio befindet sich südöstlich von Santo Domingo. Durch seine Nähe zur Hauptstadt ist dieses Tourismuszentrum eines der beliebten Erholungsgebiete der Dominikaner. Das Gebiet umfasst die beiden namensgebenden Kommunen sowie Guayacanes und die dazu gehörenden Strände.
Der Tourismus ist in der Dominikanischen Republik neben der Landwirtschaft und dem Bergbau einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. 55 % der Erwerbstätigen sind im Dienstleistungssektor beschäftigt, viele davon im Tourismus. 15 % des Bruttoinlandsproduktes werden vom Tourismus erwirtschaftet. Die Dominikanische Republik ist laut World Tourism Organization (UNWTO) eine Destination mit überproportionalem Wachstum. Im Zeitraum von 1995 bis 2002 lag die Wachstumsrate doppelt so hoch wie das durchschnittliche Wachstum weltweit, auch wenn sich in den letzten Jahren die Touristenzahlen leicht gesunken sind. So sind beispielsweise die Ankünfte in der Dominikanischen Republik von 2,97 Millionen in 2000 auf 2,79 Millionen in 2002 zurückgegangen. Alles in allem verfünffachte sich aber zwischen 1980 und 1997 die Zahl der ausländischen Urlauber. Gleichzeitig verzehnfachten sich im selben Zeitraum die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus – von 172,6 Mio. US-Dollar auf 1,8 Mrd. US-Dollar. Im Jahr 2000 wurden bereits 3 Mrd. US-Dollar erwirtschaftet (UNWTO 2002). Die touristische Entwicklung in der Dominikanischen Republik wird besonders von der Regierung Andalusiens und der spanischen Zentralregierung gefördert, da vor allem Investoren aus Spanien das Hotelangebot des Landes bestimmen. Ein Großteil der Gewinne aus den Hotelanlagen (über 50 %) kommt den internationalen Hoteleignern zugute und fließt laut Tourismusbehörde des Karibikstaates ins Ausland ab. Die Entwicklung des Tourismus zur Haupteinnahmequelle für Devisen hat Schattenseiten: Der Karibikstaat hat sich von der internationalen Tourismusindustrie abhängig gemacht. Die stabile politische Situation, das günstige Preis-Leistungs-Verhältnis und die vielen Sandstrände üben große Anziehungskraft besonders auf Pauschaltouristen aus Nordamerika und Europa aus. Nach den US-Amerikanern (ca. 26 % aller Reisenden im Jahr 2002) und Kanadiern (ca. 11 %) sind die Deutschen (ca. 9 %) die drittgrößte Touristengruppe (CTO 2003). Insbesondere durch den Preiskampf einiger deutscher Veranstalter Ende der 1990er Jahre wurde die „DomRep“ zum
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6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Billigreiseziel der Deutschen. Mehr als 400.000 Urlauber aus Deutschland verbrachten nun ihre Ferien statt am Mittelmeer in der Karibik. Die Folge: jeder Tourist legte statt 2.000 Kilometer nun 8.000 Kilometer für die Anreise mit dem Flugzeug zurück, die Treibhausgasemissionen stiegen damit grob auf das Vierfache. In der Zwischenzeit sind die Preise für Urlaubsreisen in die Dominikanische Republik wieder gestiegen. Heute machen „nur noch“ rund 240.000 deutsche Urlauber jährlich auf der Karibikinsel Urlaub. Trotz allem ist und bleibt die Dominikanische Republik eines der wichtigsten Fernreiseziele der Deutschen (CTO 2003; Zimmermann 2003; Froese 2001). Die Hotellandschaft in der Dominikanischen Republik gestaltet sich abwechslungsreich, es gibt Unterkünfte in allen Kategorien. Die Anlagen liegen im Allgemeinen fern ab von erschlossenen Gebieten. So liegt der Anteil der All-InclusiveReisen bei 95 %. Problematisch sind in der dominikanischen Hotellerie vor allem der Umgang mit Wasser und die Entsorgung von Abwasser und Müll. Auf diesem Gebiet engagiert sich v. a. die Tour Operators’ Initiative for Sustainable Tourism Development (TOI), die beispielsweise in der Region Punta Cana Projekte zur Müllentsorgung initiiert hat (TOI 2003b). Konflikte zwischen Tourismus und Ökologie entstehen durch den wachsenden Flächenverbrauch für Hotels und touristische Infrastruktur. Unter großem nationalen und internationalen Protest hatte beispielsweise die Regierung des Karibikstaates noch kurz vor den Wahlen 2004 ein neues Naturschutzgesetz beschlossen. Es sieht einen umfangreichen und unumkehrbaren Eingriff in das auch mit deutscher Unterstützung aufgebaute Schutzgebietssystem des Landes vor. Die Grenzen diverser, regional äußerst bedeutenden Nationalparks und Biosphärenreservate – darunter eines der wichtigsten Brutgebiete der Meeresschildkröten in der gesamten Karibik – wurden durch das Gesetz so verschoben, dass Unternehmen in diesen ökologisch sensiblen Gebieten große Hotelkomplexe errichten können. Die damit verursachte Verkleinerung der Mangrovengebiete bedeutet zudem eine starke Beeinträchtigung der lokalen Fischerei (BMU 2004). Aus sozialer Sicht sind zwei Entwicklungen bedenklich. Zum einen hat seit Ende der 1980er Jahre der Sextourismus in der Dominikanischen Republik stark zugenommen. Dies wird u. a. als Reaktion darauf gesehen, dass die AIDS-Gefahr in Thailand vielen Touristen zu groß geworden ist (Zimmermann 2003). Zum anderen wächst die Verarmung der einheimischen Bevölkerung trotz der immensen Steigerung der Deviseneinnahmen aus dem Tourismus: Lebten 1985 rund 2,6 Millionen Menschen der Dominikanischen Republik unter der Armutsgrenze (47 % der damaligen Bevölkerung), sind es heute schon 4,7 Millionen bzw. 57 %. Rund ein Fünftel der Bevölkerung lebt sogar unter extremen Armutsverhältnissen in dem touristischen Boomland. Auswahl der Zielgruppen Die Dominikanische Republik ist für viele Urlauber als touristische Destination überaus reizvoll. Insbesondere gilt das für Fun- und Action-Urlauber, die zu 71 % die Dominikanische Republik „sehr bzw. eher attraktiv“ finden (siehe Abb. 6.10). Der Durchschnitt aller Urlauber lag hingegen bei 34 %. Auch 40 % der Sonne-
6.5 Dominikanische Republik – die Strategie
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Strand-Pauschalurlauber bewerten das Land als attraktives Urlaubsziel, dicht gefolgt von den Natur- und Outdoor-Urlaubern sowie den Kinder- und Familienorientierten mit jeweils 35 %. Zielgruppen, die bereits in die Dominikanische Republik reisen, sind größtenteils junge Fun- und Action-Urlauber sowie Sonne-Strand-Pauschalurlauber. Sie können gemeinsam betrachtet werden, denn für beide gilt: Neben dem immer noch guten Preis-Leistungs-Verhältnis durch die All-inclusive-Angebote und der Schönwettergarantie im Winter ist es die Exotik der Karibik, die diese Urlauber anzieht. Eine Urlauberin, die im Rahmen der qualitativen empirischen Phase befragt wurde, beschrieb den Reiz: „Das ist eine ganz andere Welt. Der Strand, die Palmen, die Sonne. So wie im Film.“ (Zahl u. Götz 2003). Da diese beiden Zielgruppen die größte Bedeutung für die Destination haben, müssen sie in die Entwicklung einer nachhaltigen Marketingstrategie für die Dominikanische Republik einbezogen werden. Die jungen Fun- und Action-Urlauber Die Sonne-StrandPauschalurlauber Die Natur- und Outdoor-Urlauber Die Kinder- und Familienorientierten Die Unkonventionellen Die anspruchsvollen Kulturreisenden Die traditionellen Gewohnheitsurlauber 0% Basis = 2.021
Sehr attraktiv
25%
50%
75%
100%
Anteil der Befragten in % Eher attraktiv
Weniger attraktiv
Nicht attraktiv
Weiß nicht/k.A.
Abb. 6.10 Attraktivitätspotenzial Dominikanische Republik auf Basis der INVENTBefragung (eigene Darstellung)
Auch die Kinder- und Familienorientierten sind eine Zielgruppe, die ihren Urlaub in der Dominikanischen Republik verbringt – allerdings ist ihre Bedeutung für das Zielgebiet noch gering (Lindner 2004). Im Sinne einer nachhaltigen Strategie ist es nicht sinnvoll, die Anzahl der Kinder- und Familienorientierten langfristig zu steigern. Im Rahmen von INVENT wurde daher von einer Ansprache dieser Zielgruppe abgesehen. Die Zielgruppe der Natur- und Outdoor-Urlauber reist selten in die Dominikanische Republik. Diese wirtschaftlich interessante Gruppe macht zwar durchaus Fernreisen; diese führen aber typischerweise nicht in die „billige DomRep“, sondern nach Kuba oder Costa Rica. Wesentliche Gründe sind das Negativimage, feh-
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6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
lende zielgruppenspezifische Angebote und vor allem die Unkenntnis des Landes. Die Dominikanische Republik bietet aber durchaus ideale Voraussetzungen für diese Zielgruppe: unberührte Natur vor allem im Hinterland, über 30 Nationalparks der unterschiedlichsten Vegetationszonen, das höchste Gebirge der Karibik, kilometerlange Sandstrände sowie zahlreiche Tauchreviere, spannende Kolonialgeschichte und die Faszination karibischer Lebensart. Da Natur- und OutdoorUrlauber durchaus Interesse an der Dominikanischen Republik zeigen, sollte diese Zielgruppe in die Entwicklung einer nachhaltigen Marketingstrategie einbezogen werden. Festlegung der Strategien Für die Dominikanische Republik ergeben sich damit zwei Ansatzpunkte für eine nachhaltige Marketingstrategie. Als erster Ansatzpunkt sind zunächst diejenigen zu nennen, die heute bereits in der Dominikanischen Republik Urlaub machen: die Fun- und Action-Urlauber sowie die Sonne-Strand-Pauschalurlauber. Diese Touristen sind in der Regel aber nicht direkt für ökologische und soziale Fragen ansprechbar. Durch unauffällige, aber gezielte Verbesserungen von ökologischen und sozialen Aspekten sind – ähnlich wie für die Türkei – dennoch deutliche Optimierungen möglich (siehe Abb. 6.11). Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es aber wenig sinnvoll, neues Wachstum für diese Zielgruppen in der Dominikanischen Republik zu generieren. Da die Urlauber während des gesamten Urlaubs ihre Hotelanlage nur selten verlassen, sind die All-Inclusive-Ressorts selbst und die dort genutzten Animations- und Sportangebote wichtige Ansatzpunkte. Ökologische Optimierungspotentiale bestehen in den Bereichen Energieverbrauch und -versorgung, Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung sowie naturverträgliche Planung der Hotelanlagen und Ressorts. Weitere Potentiale liegen im Bezug regionaler Produkte (Lebensmittel, Kunsthandwerk), einer Erhöhung des Anteils der Beschäftigten aus der Region (auch in der Administration) sowie einer besseren Zusammenarbeit in ökologischen und sozialen Fragen mit den umliegenden Kommunen. Kurzfristig realisierbare Optimierungspotentiale gibt es insbesondere bei den Animations- und Unterhaltungsangeboten. Mit einer zielgruppengerechten Ansprache und Ausrichtung – z. B. durch entsprechende Kochkurse oder Kulturangebote – können Reisende zu nachhaltigeren Verhaltensweisen motiviert und für die dominikanische Kultur sensibilisiert werden. Ein zweiter Ansatzpunkt für nachhaltige Marketingstrategien ist die Zielgruppe der Natur- und Outdoor-Urlauber, die bisher nicht in die Dominikanische Republik reist (siehe Abb. 6.11). Ziel ist es, diese Urlauber neu für das Land in der Karibik zu begeistern. Dies erscheint auf den ersten Blick mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung kaum vereinbar. Reisen in die Karibik sind Fernreisen, Treibhausgasemissionen bei An- und Abreise können somit nicht reduziert werden. Da aber für Natur- und Outdoor-Urlauber eine intakte Natur und abwechslungsreiche Kultur unverzichtbare Bestandteile eines gelungenen Urlaubs sind, tragen sie mittel- und langfristig zum Erhalt der Natur- und Kulturschätze des Landes bei. Ihr Interesse an Ausflügen und Rundreisen führt sie auch in Gebiete
6.5 Dominikanische Republik – die Strategie
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jenseits der Strandareale, was die wirtschaftliche Entwicklung in Regionen abseits der Tourismuszentren fördert und mehr Einheimische am Fremdenverkehr partizipieren lässt. Nachhaltige Marketingstrategien für die Dominikanische Republik
Forcierung
Optimierung
Optimierung
Natur- und Outdoor-Urlauber
Fun- und Action-Urlauber
Sonne-, Strand-, Pauschal-Urlauber
Explizit Naturschutz, Naturbeobachtung, umweltgerechter Sport, Land und Leute
Implizit Kontakte, dabei Sein, Action, wie die Profis, Superlative
Implizit Sauberkeit, Sicherheit, Gepflegtheit, shoppen Exotik
Zusätzliche Optimierung z. B. Mobilität vor Ort, Ausflugsangebote, Unterkunft
Abb. 6.11 Nachhaltige Marketingstrategien für die Dominikanische Republik (eigene Darstellung)
Diese Strategie soll also bewirken, dass nicht mehr Urlauber, sondern neue, ökologisch interessierte und ökonomisch interessante Besucher gewonnen werden. Die Forcierungsstrategie ermöglicht so ein touristisches Wachstum im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Die Dominikanische Republik ist wie kaum ein anderes massentouristisches Ziel auf die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr angewiesen – eine nachhaltige Entwicklung im Land ist also nicht ohne, sondern nur mit dem Tourismus möglich. Das grundsätzliche Interesse der Natur- und Outdoor-Urlauber an nachhaltigen Produkten und ihre Zahlungsbereitschaft für entsprechende Angebote machen es möglich, sie explizit über Themen wie Naturschutz, umweltgerechten Sport und Kennenlernen von Land und Leuten anzusprechen. Diese Offenheit ermöglicht es aber auch, Angebote speziell unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten weiter zu optimieren. Wie in den empirischen Untersuchungen gezeigt werden konnte, legt diese Zielgruppe gerade auch bei Fernreisen in Entwicklungsländer besonderen Wert darauf, dass sich die Reiseveranstalter ökologisch und sozial engagieren (siehe Kapitel 3). Reiseveranstalter werden also nur erfolgreich an diese Zielgruppe verkaufen, wenn sie nachhaltiges Wirtschaften selbst praktizieren. Problematisch für diese Forcierungsstrategie ist, dass Natur- und OutdoorUrlaubern die Dominikanische Republik als Reiseland weitgehend unbekannt ist. Meist wird mit Sandstränden, Palmen und kristallklarem Wasser geworben; das vorhandene Natur- und Kulturkapital kommt im Marketing bislang kaum vor. Die
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6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
Strategie, Natur- und Outdoor-Urlauber neu für die Dominikanische Republik zu gewinnen, bedeutet daher, dass sich die Kommunikation langfristig ändern muss. Dies kann ein einzelner Reiseveranstalter nicht leisten; vielmehr sind unterstützende Imagekampagnen z. B. durch das Fremdenverkehrsamt der Dominikanischen Republik in Deutschland nötig. Zwar wird vom Fremdenverkehrsamt erhebliches Entwicklungspotential im Bereich des Qualitätstourismus gesehen; das Bild des Qualitätstourismus orientiert sich dabei aber stark an den Vorstellungen der nordamerikanischen Gäste in der Dominikanischen Republik (z. B. Ausbau des Golftourismus). Wünsche und Bedürfnisse deutscher Urlauber sind den Touristikern vor Ort meist gar nicht bekannt. Bewertung der Strategien Beide Strategien – die Optimierungsstrategie für die jungen Fun- und ActionUrlauber und Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber sowie die Forcierungsstrategie für die Natur- und Outdoor-Urlauber – können erheblich zu einem nachhaltigeren Tourismus in der Dominikanischen Republik beitragen. Die Potentiale der Optimierungsstrategien zeigt eine Untersuchung des dominikanischen Umweltministeriums. 2002 wurden rund 130 Hotels und Ressorts in den größten und bekanntesten Ferienzentren des Landes befragt, inwieweit sie ökologische und soziale Aspekte beim Betrieb der Häuser berücksichtigen. Das Ergebnis war ernüchternd (Zimmermann 2003). Abfälle und Abwässer werden nur selten geordnet entsorgt, da Klärwerke und geordnete Deponien fehlen. Der sparsame Umgang mit Wasser und Energie steckt ebenso wie die Nutzung regenerativ erzeugter Energie in den Kinderschuhen. Wertvolle Biotope wie Mangroven und Feuchtgebiete wurden durch den Bau von Hotelanlagen zerstört. Die Folgen sind der Verlust an biologischer Vielfalt, die Einschränkung des natürlichen Küstenschutzes sowie die Zerstörung von Korallenriffen. Ursachen für diese Entwicklungen sind u. a. die unzureichenden gesetzlichen Festlegungen und Kontrolldefizite in der Dominikanischen Republik (Zimmermann 2003). Ein weiteres Problem sind insbesondere die kurzfristigen Gewinnerwartungen der Investoren. Derzeit müssen sich die Investitionen in Hotelanlagen nach rund fünf Jahren amortisieren. Investitionen in moderne Umwelttechnik rechnen sich aber in so kurzer Zeit nicht. Mittel- und langfristig macht sich eine Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs dagegen für Hoteliers durchaus bezahlt. Hier könnten durch enge Kooperation der Reiseveranstalter mit den Investoren Verbesserungen erreicht werden. Auch im sozialen und ökonomischen Bereich zeigten sich Defizite. Dominikaner werden hauptsächlich im Hotelservice und für Arbeiten mit niedrigen Qualifikationen beschäftigt. Der Bezug regional erzeugter Produkte (z. B. Lebensmittel) und regionale Dienstleistungen (z. B. für den Transport) sind ausbaufähig. Bei den Sport- und Animationsprogrammen spielen ökologische und soziale Aspekte kaum eine Rolle. Sportarten wie Tauchen finden in sensiblen Gebieten statt, das Animationsprogramm bezieht landestypische Kultur kaum mit ein. Auch wenn deutsche Reiseveranstalter oftmals Vorzeige-Hotels unter Vertrag haben, gibt es Verbesserungspotentiale. Bei den Sonne-Strand-Pauschal-Urlaubern
6.5 Dominikanische Republik – die Strategie
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spielt beispielsweise die Sauberkeit der Urlaubsorte eine zentrale Rolle – zur langfristigen Bindung dieser Zielgruppe ist eine geordnete Abfall- und Abwasserbeseitigung, auch wenn sie zu Mehrkosten bei den Hoteliers führt, notwendig. Die Animationsprogramme sollten mehr über Land und Leute vermitteln und somit einen Beitrag zum interkulturellen Austausch leisten; dies ist umso wichtiger, da diese Urlaubergruppe Ausflugs- und Rundreiseangebote nur selten in Anspruch nimmt. Durch Kochkurse und Kulturveranstaltungen oder Verkauf von lokalem Handwerk kann die regionale Wirtschaft gestärkt werden. Erheblich optimiert können auch die Sportangebote für Fun- und Action-Urlauber werden. „Eco“Tauchkurse und intelligente Besucherlenkung schonen die Natur – dies ist umso wichtiger, je mehr diese Zielgruppe für den Sport die Hotelanlagen verlässt (Rafting etc.). Die Bewertung der Forcierungsstrategie ist weniger offensichtlich, birgt aber vor allem mittel- und langfristig erhebliche Potentiale – indem es gelingt, mit nachhaltigen Angeboten fernreisende Natur- und Outdoor-Urlauber neu für die Dominikanische Republik zu gewinnen. Diese Angebote müssen die Möglichkeit bieten, mit Ausflügen Natur und Kultur des Landes kennen zu lernen. Dies fördert den Tourismus abseits der Urlaubszentren und lässt damit eine größere Bevölkerungsgruppe an den Einnahmen des Tourismus teilhaben. Gleichzeitig findet eine Stärkung der regionalen Wirtschaft und des interkulturellen Austausches statt. Tabelle 6.4 fasst nochmals für beide Strategien die wesentlichen Auswirkungen auf die Kriterien eines nachhaltigen Massentourismus zusammen. Tabelle 6.4 Auswirkungen der für die Dominikanische Republik entwickelten Marketingstrategien unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten (eigene Darstellung) Ziele und Kriterien
Junge Fun- und Action-Urlauber / Sonne-, Strand-, Pauschalurlauber Optimierungsstrategie
Natur- und Outdoor-Urlauber Forcierungsstrategie
Ökologische Ziele - Senkung der Treibhausgasemissionen - Senkung des Ressourcenverbrauchs - Reduzierung der Schäden an der Biodiversität
+ + +
+ + ++
Soziale Ziele - größere Teilhabe der Bevölkerung am Tourismus - Stärkung des interkulturellen Austausches - höhere Zufriedenheit der Reisenden und Anbieter
+ + 0
++ ++ +
Ökonomische Ziele - Stärkung der regionalen Wirtschaft - Zunahme der Beschäftigung - Zunahme des Beitrags zur Wertschöpfung
+ 0 0
++ + +
Erklärung: Plus und Minus geben an, ob die Strategie zum Kriterium beiträgt oder nicht: ++ = großer Beitrag; + = Beitrag; 0 = kein Beitrag; - = kontraproduktiv; -- = stark kontraproduktiv
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6 Marketingstrategien für den nachhaltigen Massenmarkt
6.6 Mit Strategie zu besseren Reisen – ein Zwischenfazit Für eine nachhaltige Gestaltung des Massentourismus gibt es zwei ganz unterschiedliche Marketingstrategien. Bei der Optimierungsstrategie werden existierende Reiseangebote unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten verbessert – beispielsweise, indem Hotels umweltverträglicher wirtschaften, indem die Anreise soweit möglich mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn statt mit Auto oder Flugzeug erfolgt, indem Touristen am Urlaubsort in Kontakt mit Natur, Kultur und einheimischer Bevölkerung kommen. Diese Optimierungen sind kurz- und mittelfristig für alle Urlaubsdestinationen umsetzbar und werden von Reiseveranstaltern, Hoteliers und Verkehrsunternehmen bereits heute praktiziert. Allerdings muss eine derartige Optimierung von Urlaubsangeboten auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sein. Urlauber, die bei der Buchung beispielsweise besonders auf den Preis achten, zeigen für Hotelanlagen mit hohen Umweltund Sozialstandards wenig Interesse. Solche Unterkünfte werden mit unnötigen Mehrkosten in Verbindung gebracht und daher nicht gebucht. Hier bieten sich zielgruppenspezifische Optimierungen an, die der Reisende selbst gar nicht bemerkt oder die gar nicht explizit das Etikett „Umweltschutz" oder „Nachhaltigkeit" tragen. Junge Fun- und Action-Urlauber z. B. legen großen Wert auf Sport und Ausflüge. Ein nachhaltiges Angebot für diese Gruppe würde also dafür Sorge tragen, dass Outdoor-Sportarten nicht in sensiblen Naturräumen stattfinden oder dass Aktivitäten vor Ort den Kontakt zwischen Tourist und einheimischer Bevölkerung intensivieren. Eine zweite Marketingstrategie, die so genannte Forcierungsstrategie, verfolgt einen völlig anderen Ansatz: mehr Nachhaltigkeit durch Einflussnahme auf die Reiseentscheidung. Zum einen steckt dahinter die Idee, dass Ferien in Deutschland oder im näher gelegenen Ausland geringere ökologische Belastungen mit sich bringen. Wer z. B. im Wesentlichen preisgünstigen Strandurlaub sucht, findet den nicht nur in exotischen Ländern, sondern auch am nahen Mittelmeer. Bestimmte Zielgruppen sind auch für Ferien in Deutschland statt am Mittelmeer zu gewinnen, wenn das Angebot deren Erwartungen erfüllt. Ziel dieser Strategie: weniger Treibhausgasemissionen pro Reise und gleichzeitig eine bessere Auslastung der oftmals bereits vorhandenen touristischen Infrastruktur. Über diesen Strategieansatz können aber auch Touristen mit hohen Erwartungen an Qualität, Umwelt und Sozialstandards – dazu gehören Outdoor-Urlauber und anspruchsvolle Kulturreisende – für klassische Ziele des Massentourismus gewonnen werden. Veranstalter geben mit solchen Angeboten neue Impulse für die Destination, fördern Umwelt- und Naturschutz vor Ort und verbessern die sozialen Bedingungen. Die Forcierungsstrategie ist nur mittel- und langfristig wirksam und versucht, das zukünftige touristische Wachstum nachhaltig zu gestalten. Diese Strategie ist aber nicht für alle Urlaubsländer anwendbar. Letztendlich muss nach Festlegung der Kernzielgruppen immer geprüft werden, ob eine Forcierungsstrategie für die Destination möglich und sinnvoll ist. Die Forcierungsstrategie kann zudem nur im
6.6 Mit Strategie zu besseren Reisen – ein Zwischenfazit
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Gesamtreisemarkt bewertet werden. Werden beispielsweise Familienurlauber für Ferien in Deutschland statt am Mittelmeer gewonnen, kann dies auch mit konventionellen Angeboten erfolgen, die aber genau auf die Anforderungen der Zielgruppe zugeschnitten sind. Damit ist das Angebot selbst nicht nachhaltig, die Reise selbst trägt aber zu einer nachhaltigen Gestaltung des Gesamtmarktes bei. Und nicht zu vergessen: Die Reise in Deutschland bietet – z. B. durch die An- und Abreise mit der Bahn – Optimierungsmöglichkeiten, die eine Mittelmeerreise nicht hat. Im Rahmen von INVENT wurde für die vier Destinationen MecklenburgVorpommern, Norditalien, Türkei und Dominikanische Republik die praktische Anwendbarkeit der beiden Marketingstrategien aufgezeigt. Abb. 6.12 gibt einen Überblick, welche Strategie für welche Zielgruppe bei welcher Destination zum Zuge kam. Je nach Zielgruppe konnten für eine Destination auch beide Strategien zur Anwendung kommen. Sowohl die Optimierungs- als auch die Forcierungsstrategie sind allerdings nur nachhaltig erfolgreich, wenn sie eine große Zahl von Reisenden ansprechen und wenn die Angebote möglichst genau die Wünsche und Bedürfnisse der Urlauber adressieren. Optimierungsstrategie
Türkei
Forcierungsstrategie
Sonne/Strand/Pauschal Familienorientierte Fun & Action
MecklenburgVorpommern
Natur und Outdoor Kulturreisende
Nord-Italien
Kulturreisende
Fun & Action Natur und Outdoor
Dominikanische Republik
Fun & Action Sonne/Strand/Pauschal
Natur und Outdoor
Abb. 6.12 Überblick über nachhaltige Marketingstrategien, Destinationen und Zielgruppen (eigene Darstellung)
7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
Was erwarten Reisende im Urlaub? Welche Bedürfnisse und Wünsche haben sie? Sind Urlauber bereit, für Umweltschutz und Nachhaltigkeit mehr Geld auszugeben? Auf welche Weise sind sie ansprechbar für umweltverträgliche Angebote? Dies sind nur einige der Fragen, die zum einen bestimmen, wie nachhaltige Reiseangebote aussehen müssen, und die zum anderen darüber entscheiden, ob solche Reisen bei einer bestimmten Zielgruppe erfolgreich vermarktet werden können. Dieses Kapitel beschäftigt sich im Wesentlichen mit den vier wichtigsten Bausteinen bei der Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote: dem Produkt, dem Preis, dem Vertrieb und der Kommunikation. Dabei liegt der Schwerpunkt auf ganz konkreten, teilweise scheinbar recht simplen Fragen und Aspekten, die aus der Praxis heraus entstehen und die für den Erfolg von Marketingstrategien entscheidend sind. Die Gestaltung des Produktes entscheidet wesentlich darüber, ob Urlauber neu entwickelte Reisen auch annehmen. Was bei der Entwicklung eines Reiseangebots zu beachten ist, steht im Mittelpunkt des Kapitels 7.1. Genau so bedeutend ist der Preis der Reise und über welche Kanäle die Reise angeboten wird. Was bei der Festsetzung der Preise zu beachten ist und welche Vertriebswege sich anbieten, findet sich in den Kapiteln 7.2 und 7.3. Nicht zuletzt: Kunden müssen von neuen Angeboten überzeugt werden. Was bei der Kommunikation zu beachten ist, beleuchtet Kapitel 7.4. Ob Ostsee, Adria oder Dominikanische Republik – einige Grundregeln gelten immer für die Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Reiseangebote. In diesem Kapitel geht es nicht mehr um die Frage, welche Zielgruppe für welches Urlaubsgebiet adressiert werden soll. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Konkretisierung und Umsetzung der im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Strategien. Dabei gilt für alle Instrumente im Marketing-Mix: Sie können nur dann erfolgreich sein, wenn die Zielgruppe mit ihren Wünschen und Erwartungen bekannt ist und die Instrumente daraufhin ausgerichtet werden. Im Rahmen von INVENT wurden im Sommer 2005 Beispielangebote in Gruppendiskussionen mit potentiellen Kunden auf ihre Akzeptanz getestet. Jeweils zehn repräsentativ ausgewählte Personen der Zielgruppe Natur- und OutdoorUrlauber kommentierten Angebote aus Mecklenburg-Vorpommern, Südtirol und der Dominikanischen Republik, zehn junge Fun- und Action-Urlauber beurteilten Angebote für die Adria. Zentrale Fragen dabei: Wie verständlich sind die Angebote? Wie groß sind Interesse und Akzeptanz? Die Diskussionen brachten im Detail
136
7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
wertvolle Hinweise für die Optimierungen von Angeboten – vor allem für die Frage, wie solche Angebote kommuniziert werden müssen, damit sie Erfolg haben. Der Trend im Tourismus geht hin zu individualisierten Produkten. Für Deutschland spielen zudem selbstorganisierte Reisen traditionell die Hauptrolle (Lohmann et al. 2004). Aber auch Pauschalreisen haben ihre Bedeutung: Erfahrungen von Reiseveranstaltern zeigen, dass Pauschalangebote oft als „Appetizer“ für Urlauber dienen, sich mit einer neuen Urlaubsregion zu beschäftigen. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich somit auf die Entwicklung und Vermarktung von Pauschal- und Bausteinreisen. Die Ergebnisse können aber auch auf Teilleistungen des Angebots übertragen werden.
7.1 Das Produkt Die Marketingstrategie bestimmt, ob die Zielgruppe direkt oder nur indirekt für nachhaltige und ökologische Aspekte angesprochen werden kann und ob Neukunden oder bisherige Kunden im Mittelpunkt stehen. Der Positionierung einer Region und Entwicklung einer Marketingstrategie gehen eine Zielgruppen-, Angebotsund Wettbewerbsanalyse voraus (siehe Abb. 7.1). Zielgruppenanalyse
Angebotsanalyse
Wettbewerbsanalyse
Positionierung der Destination Zielgebietsstrategie und Zielgruppenansprache Definition von Produktanforderungen Marketingkonzept
Abb. 7.1 Vorgehensweise beim Zielgruppenmarketing von Destinationen (eigene Darstellung)
Wichtige Fragen dabei sind: -
Welche natürlichen und touristischen Angebote gibt es in der Region? Wo liegen Stärken und Schwächen von Wettbewerbern? Welche Marktentwicklungen sollten aufgegriffen werden?
Vor der Gestaltung konkreter Produkte müssen Ideen für Angebote entwickelt werden, die Antworten auf diese Fragen geben. Damit stellt die eigentliche Pro-
7.1 Das Produkt
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duktentwicklung auch immer wieder eine Reflektion der übergeordneten Strategie dar. Identifikation der Stärken einer Region Jedes Angebot kann nur stimmig und authentisch sein, wenn es in die Region passt. Es ist daher im ersten Schritt zu klären, welche natürlichen und touristischen Potentiale eine Region hat und vor allem, was das Besondere und Unverwechselbare daran ist. Für viele Zielgruppen ist aber nicht zwangsläufig das natürliche Potential einer Region entscheidend, vielmehr zählt das Angebot an Hotels, Gaststätten, Freizeitmöglichkeiten. Beispielsweise steht das Münsterland für eine ausgezeichnete Infrastruktur für Radfahrer – für Aktivurlauber möglicherweise das entscheidende Argument, das mit dem natürlichen Potenzial der Region wenig zu tun hat. Nachhaltige Reisen werden meist ausgehend von den naturräumlichen Gegebenheiten entwickelt. Dass eine Region auch Attraktionen jenseits der Natur bieten kann, wird oft nicht berücksichtigt. Eine hervorragende Küche kann unter Umständen wichtiger sein als das Naturschutzgebiet. Viele nachhaltige Angebote sind zudem so beliebig, dass sie fast unabhängig von der Region angeboten werden können. Wichtig bei allen Überlegungen ist immer auch, touristische Trends aufzugreifen oder sogar zu initiieren, um sich von anderen Destinationen positiv abzuheben. Angebote zielgruppenspezifisch entwickeln Dass Angebote auf die Zielgruppe passen müssen, klingt wie eine Binsenweisheit, wird aber bei der Entwicklung von Reisen oftmals nicht beachtet. Gerade im Deutschlandtourismus ist die Konzentration auf eine ausgewählte Zielgruppe eher die Ausnahme. Angebote nach dem Motto „Nicht für jeden geeignet“ (DTV 2005) sind allerdings Ziel führender und erleichtern es, neue Kunden zu gewinnen. Erfolg versprechend ist die Konzentration auf eine nicht zu große, aber auch nicht zu kleine und weiter wachsende Zielgruppe (Krug 2007). So kann die Fokussierung auf eine Unterzielgruppe durchaus sinnvoll sein. Es ist naheliegend, dass sich beispielsweise die Angebote für kinderlose Natur- und Outdoor-Urlauber von denen für Familien unterscheiden müssen. Ein Teil der Fun- und ActionUrlauber ist bereits berufstätig und kann sich umfangreichere Pauschalangebote eher leisten als junge Urlauber, die noch in der Ausbildung sind. Auch muss geprüft werden, ob vor Ort die notwendige Infrastruktur, die Partner und das Know-how vorhanden sind, um die Ansprüche der jeweiligen Zielgruppe zu erfüllen. Zudem muss geklärt werden, ob die Zielgruppe zur Gästestruktur des Beherbergungsbetriebes passt (DTV 2005; Kreilkamp 1998). Junge Fun- und Action-Urlauber mit ihrem Hang zu ausgiebigem Nachtleben sind beispielsweise nur bedingt mit den Ansprüchen von Kinder- und Familienorientierten kompatibel. Ein Luxushotel am österreichischen Wolfgangsee wirbt damit, dass Kinder unter zwölf Jahren unerwünscht sind. Nebeneffekt des Slogans „No Kids“ war kostenlo-
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7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
se PR, die das Hotel überregional in die Schlagzeilen der Zeitungen gebracht hat, ohne dem Geschäft zu schaden (Krug 2007; Blinda 2005). Maßanzug für die einzelnen Leistungen Die Konzentration auf eine Zielgruppe macht es zwangsläufig notwendig, sich intensiv mit den Wünschen und den Bedürfnissen der Zielgruppe auseinanderzusetzen. Dies bedeutet aber auch, dass alle Leistungen des Angebots zielgruppenorientiert entwickelt werden müssen. Beispielsweise wünschen Natur- und OutdoorUrlauber eher individuelle Hotels mit gehoben Standard, Wellness-Angebote, regionale Küche und Vor-Ort-Angebote, die es ermöglichen, sich aktiv in der Natur zu bewegen. Auf diese Zielgruppe zugeschnittene Naturerlebnisreisen werden nur erfolgreich sein, wenn sie auch bei Unterkunft und Verpflegung die Anforderungen erfüllen. Im Rahmen der Gruppendiskussionen wurden beispielsweise Angebote für die Müritz-Region in Mecklenburg-Vorpommern getestet. Die Zielgruppe der Natur- und Outdoor-Urlauber fand die Müritz für einen Urlaub interessant. Das im Reisepaket angebotene 3-Sterne-Hotel wirkte aber eher abschreckend. 3-SterneHotels in Deutschland, so die Auffassung der Testpersonen, bieten nicht ausreichend Komfort. Damit war die Reise „durchgefallen“. Tab 7.1 fasst für die sieben INVENT-Zielgruppen nochmals die wichtigsten Anforderungen an Verpflegung, Unterkunft, Vor-Ort-Aktivitäten und Mobilität zusammen. Erfolgreiche Produkte müssen in sich stimmig und authentisch sein, die verschiedenen Leistungsbestandteile optimal kombinieren und eine gute Qualität aufweisen. Besonderer Wert sollte auf Wünsche und Bedürfnisse gelegt werden, die der Markt bislang noch nicht ausreichend erfüllt. Vom Massenmarkt lernen Nachhaltige Reisen haben den Ruf, nur bestimmte Erwartungen zu erfüllen, die der Vielfalt des Massenmarktes nicht entsprechen. Das ist ein Irrtum, denn nachhaltige Angebote können durchaus massentauglich sein. Natur- und OutdoorUrlauber beispielsweise nutzen gerne die Bahn für ihren Urlaub, wenn die Mobilität am Urlaubsort gesichert ist. Warum nicht eine Bahnanreise mit einem attraktiven Mietwagenangebot vor Ort kombinieren? Auch können klassische Formen des Massentourismus für nachhaltige Angebote genutzt werden. Ein Beispiel hierfür sind All-inclusive-Reisen – für Anbieter von Ökoreisen ein Tabu. Villiger et al. (2000) fordert für eine ökologische Gestaltung des Massenmarktes allerdings, dass ein pragmatischer Umgang mit „heiligen Kühen“ der Öko-Nische gefunden werden muss (siehe Kapitel 3). Dies gilt auch explizit für den Tourismus. Umwelt und Nachhaltigkeit sollten so selbstverständlich werden wie das kostenlose Getränk im All-inclusive-Urlaub. Andererseits können mit nachhaltigeren All-Inclusive-Reisen neue Kunden gewonnen werden. Preissensible Zielgruppen sind dafür besonders ansprechbar.
7.1 Das Produkt
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Tabelle 7.1 Überblick über zentrale Anforderungen der Zielgruppen an die Leistungsbestandteile der Reisen basierend auf den Ergebnissen des INVENT-Zielgruppenmodells Zielgruppe
Zentrale Anforderungen an Leistungsbestandteile einer Reise
Natur- und Outdoor-Urlauber
- Unterbringung eher in individuellen Hotels, vorzugsweise in regionaltypischer Bauweise - regionale, gesunde Küche - vernetzte Angebote zu „aktiv in der Natur“ und „Natur erleben“ - Angebote zu „Health & Wellness“ - Anreise mit der Bahn, wenn Mobilität vor Ort gesichert ist
Anspruchsvolle Gewohnheitsurlauber
- Unterbringung in landestypischen, individuell geführten stilvollen Hotels gehobener Preisklasse - ausgewähltes kulinarisches Angebot - Wellnessangebote (klassisch bis sanft) - Interesse an kulturhistorischen Angeboten - Angebote zum Kennenlernen von Natur & Kultur des Reiselandes - bequemes Reisen, gesicherter Gepäcktransport bei Zugreisen
Die traditionellen Gewohnheitsurlauber
- persönliche, preisgünstige Unterkünfte (kleinere Hotels, Pensionen, einfache Ferienwohnungen) - keine kostspieligen Vor-Ort-Angebote - Vor-Ort-Angebote können einfach sein (z. B. Kurkonzerte oder Wanderungen) - bequemes Reisen, Busreisen
Die Sonne-StrandPauschal-Urlauber
- Hotel und Hotelanlage mit gutem Preis-Leistungsverhältnis (Schnäppchenorientierung) - abwechslungsreiche Verpflegung, möglichst als Bestandteil der Pauschale (All-inclusive) - Aktivitäten vor Ort sollten den Wunsch nach dem Besonderem innerhalb des konventionellen Rahmens erfüllen - Sanfte Wellnessangebote - Anreise als Bestandteil der Pauschalreise (möglichst sich um nichts kümmern müssen)
Die jungen Fun- und Action-Urlauber
- preiswerte Hotels/Hotelanlagen oder Clubanlagen (Schnäppchenorientierung) - abwechslungsreiche Verpflegung - lustbezogene, abwechslungsreiche Aktivitäten vor Ort - tagsüber Strandleben und Sport, abends Party und Nightlife - preisgünstige, schnelle Anreise
Die Kinder- und Familienorientierten
- preiswerte Ferienwohnungen und Apartmentanlagen werden bevorzugt - kinderfreundliche Ausstattung der Unterkünfte - Kinder-kompatible Verpflegung - Vor-Ort-Aktivitäten müssen sich an Bedürfnissen von Kindern orientieren und Erholung der Eltern sichern - bequemes Reisen mit viel Gepäck (i. d. R. mit dem Pkw)
Die unkonventionellen Entdecker
- keine bevorzugte Art der Unterkunft (niedrigere Sauberkeits-, Service- und Komfortstandards akzeptiert) - landestypische Verpflegung - individuell organisierte Aktivitäten zum Kennenlernen des Reiselandes - offen für verschiedene Verkehrsmittel (z. B. auch für Bahnreisen) - keine Zielgruppe für Pauschalreiseangebote
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7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
Umweltschutz und Nachhaltigkeit intelligent integrieren Rein umweltorientierte Reiseangebote sind in der Masse nicht marktgängig. Ohne Genuss und Qualität sind heute Reisen selbst in der Öko-Nische kaum mehr zu verkaufen. Zudem wollen rund 70 % der deutschen Reisenden nichts von Umweltschutz oder Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit ihrem Urlaub wissen. Lediglich zwei Zielgruppen sind explizit für ökologische und soziale Themen ansprechbar: die anspruchsvollen Kulturreisen und die Natur- und Outdoor-Urlauber. Für sie sind nachhaltig optimierte Reiseangebote geeignet. Für alle anderen Zielgruppen ist nur eine indirekte Thematisierung von Ökologie und Nachhaltigkeit möglich. Die Integration nachhaltiger Leistungen kann daher nur so erfolgen, dass sie nicht offensichtlich wird (siehe Kapitel 6.1). Dennoch muss sichergestellt werden, dass Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden. Nachhaltige Angebote eines Anbieters sollten den gleichen ökologischen und sozialen Ansprüchen genügen. Auch innerhalb der Reise müssen Brüche vermieden werden. Das ist vor allem bedeutend, wenn mehrere touristische Leistungsträger beteiligt sind. Es ist beispielsweise unglaubwürdig, wenn bei Ausflügen auf Naturverträglichkeit geachtet wird, beim Frühstück aber Massenware verpackt in Portionsverpackungen auf den Tisch kommt (DTV 2005). Mit Partnern kooperieren An Pauschal- und Bausteinreisen sind in der Regel unterschiedliche touristische Leistungsträger beteiligt: vom Hotel – und Gastronomiebetrieb über Tourismusorganisationen und Reiseveranstalter bis hin zu Transportunternehmen, Tour Guides und Fahrradverleiher. Um qualitativ hochwertige Angebote zu entwickeln, müssen diese Akteure zusammenarbeiten. Kennen sich die Leistungsträger bereits, wird die Zusammenarbeit leicht fallen. Sollen in Regionen neue Angebotsideen entwickelt werden, müssen alle relevanten Leistungsträger zusammengebracht werden. Dies ist eine Aufgabe der lokalen und regionalen Tourismusorganisatoren, im Ausland auch der Reiseveranstalter (DTV 2005). Für die Entwicklung von nachhaltigen massenmarktfähigen Angeboten fehlen bisher oftmals diese Initiativen. Die Entwicklung durch mehrere Partner kann erheblich vereinfacht werden, wenn klare Produktanforderungen von Tourismusregionen, Tourismusverbänden oder Reiseveranstaltern definiert werden. Gute Beispiele hierfür gibt es aus dem Bereich der Familienreisen. Die Marke „Kinderland Bayern“ verknüpft konsequent Übernachtungsangebote mit kindgerechten Erlebnissen vor Ort. Anbieter von Beherbergungsleistungen können ebenso wie Museen und Freizeitparks nur Partner werden, wenn sie Mindest-Qualitätskriterien einhalten und mindestens 40 % der Soll-Kriterien erfüllen (z. B. Betreuung der Kinder bei Spielnachmittagen/Ausflügen) (Spantig 2005). Einen ähnlichen Weg geht Viabono als Reiseportal für Naturgenießer. Neben intakter Natur und Umwelt müssen alle Leistungsträger die anspruchsvollen und auf den Kundennutzen formulierten ViabonoKriterien erfüllen (Viabono 2008).
7.2 Der Preis
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7.2 Der Preis Im Urlaub sitzt bei vielen Reisenden der Geldbeutel lockerer als zuhause im Alltag. Dennoch gibt es ausgesprochen preissensible Zielgruppen, bei denen schon eine relativ geringe Kostendifferenz darüber entscheidet, ob für sie eine Reise in Frage kommt oder nicht. Die Urlauber erwarten hochwertige Leistungen zu einem akzeptablen Preis. Der Preis hat als Marketinginstrument im Tourismus an Bedeutung gewonnen. Ganz offensichtlich wird dies im Sonne-, Strand-, Pauschaltourismus am Mittelmeer. Auch wenn der Markt absolut kaum wächst, gibt es immer wieder Verschiebungen durch die Preisstrategien der einzelnen Länder. Die Türkei konnte in den vergangenen Jahren Urlauber gewinnen, weil sie im Mittelmeerraum Angebote mit besonders gutem Preis-Leistungsverhältnis anbietet. Diese Entwicklung ging teilweise zu Lasten klassischer Tourismusländer wie Spanien (Lohmann et al. 2004). Eine eher bedenkliche Entwicklung ist das Beispiel Dominikanische Republik. Durch den Preiskampf einiger deutscher Veranstalter wurde die Dominikanische Republik Ende der 90er Jahre zum Billigreiseziel. Zahlreiche Urlauber verbrachten nun ihre Ferien nicht mehr am Mittelmeer, sondern in der Karibik. Die Flugentfernung vervierfachte sich, die Treibhausgasemissionen der Reisen steigen entsprechend. Eine „Normalisierung“ der Preise hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Zahl der Reisen wieder stark rückläufig ist. Das Beispiel zeigt auch, dass Preisdumping auf Dauer nicht funktioniert. Eine auf seriösen Grundlagen basierende Kalkulation ist für die Entwicklung nachhaltiger Tourismusangebote daher unverzichtbar. Nachhaltige Reisen haben einen relativ hohen Preis. Einige Urlauber sehen darin einen Qualitätsbeweis und die höheren Preise spiegeln die Zahlungsbereitschaft der Kunden im Nischenmarkt wieder. Andererseits müssen für den Massenmarkt Angebote mit günstigem Preis geschaffen werden. Grundsätzlich sollten, so die Forderung von Villiger et al. (2000), die Preise für massentaugliche Reisen zwischen denen heutiger nachhaltiger Angebote und denen konventioneller Angebote liegen. Gleichzeitig verweisen sie aber auch darauf, dass kundenspezifisch differenzierte Preisstrategien erfolgversprechender sind. Ein Vergleich von nachhaltigen und konventionellen Angeboten kam zudem zu dem Ergebnis, dass die Preise der heutigen Nischenveranstalter durchaus mit denen im Massenmarkt konkurrenzfähig sind. Die höheren Kosten sind hauptsächlich auf die unterschiedlichen Reiseziele zurückzuführen (Otten 2003). Reelle Preise kalkulieren Ausgangspunkt jeder Preiskalkulation sind die eigenen Kosten. Sind die Leistungsbestandteile der Reise festgelegt, müssen die realen Kosten der Reise ermittelt werden. Hierbei ist zwischen Fixkosten und variablen Kosten, die abhängig sind von der Teilnehmerzahl, zu unterscheiden. Mit zunehmender Teilnehmerzahl liegen die Kosten pro Teilnehmer niedriger, da sich die Fixkosten auf mehrere
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7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
Teilnehmer verteilen. Neben den eigentlichen Produktkosten sind auch Kosten für Kommunikation und Vertrieb des Angebotes mit einzuplanen (DTV 2005). Der ermittelte Preis muss auf Marktfähigkeit überprüft werden: Wie liegt er im Vergleich zu Angeboten von Wettbewerbern? Sind die Urlauber bereit, den Preis zu bezahlen? Aus preistaktischen Gründen kann es auch Sinn machen, eine nachhaltige Variante der Penetrationspreispolitik aufzugreifen (siehe Kapitel 4.3). Dabei werden anfängliche Mindererträge zugunsten schnell wachsender Marktanteile bewusst akzeptiert (Villiger et al. 2000). Nicht nachhaltig ist allerdings, wenn auf Dauer die Preise nicht kostendeckend sind. Preise auf die Zielgruppe justieren Urlauber wollen generell kein Geld für nicht erwünschte Leistungen ausgeben. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede in der Preissensibilität und der Zahlungsbereitschaft der einzelnen Zielgruppen (siehe Abb. 7.2) 90% Trifft eher zu Trifft voll und ganz zu
Anteil der Reisenden in %
80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%
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0%
Basis: 2.012
Abb. 7.2 Zustimmung zum Statement „Ich suche immer nach dem billigsten Schnäppchen für meine Urlaubsreise“ – differenziert nach Urlaubergruppen im deutschen Reisemarkt (eigene Darstellung)
Wie preissensibel beispielsweise junge Fun- und Action-Urlauber sind, zeigte eine der Gruppendiskussionen. Das Modellangebot mit dem Titel „Mit 6 Freunden im Liegewagen zur Party an die Adria“ umfasste eine Reise in einer Gruppe von sechs Personen mit sieben Übernachtungen mit Halbpension in Lido di Jesolo einschließlich An- und Abreise im Liegewagen der Bahn. Der Angebotspreis von 373 € wurde von der Zielgruppe weitgehend akzeptiert; Kritik gab es allerdings an den Zusatzkosten beispielsweise für den Transfer von Venedig nach Jesolo. Besonders kritisch wurde die 6er-Gruppe beurteilt, die Voraussetzung für den günstigen Pau-
7.2 Der Preis
143
schalpreis war. Den meisten Testpersonen erschien es als eher schwierig, Urlaubszeiten und -wünsche von sechs Personen unter einen Hut zu bekommen. Die Einzelbuchung mit einem rund 100 Euro höheren Preis aber war zugleich für viele inakzeptabel und ein Grund, das Angebot abzulehnen. Interessanterweise machten die Teilnehmer eigene Vorschläge zur Kostenreduktion. Statt mit dem Liegewagen könnte man ja auch im Party-Zug zur Adria reisen – dann wäre der recht teure Liegewagen überflüssig und die Kapazität des Zuges größer. Auch für die Gruppe der traditionellen Gewohnheitsurlauber sind die Kosten eines Reiseangebots von großer Bedeutung. Sie zeigen zwar keine ausgeprägte Schnäppchen-Orientierung. Sie verfügen aber über das niedrigste Einkommen aller Urlaubergruppen. Die Folge ist, dass kostenpflichtige Zusatzleistungen nur selten akzeptiert werden. Für diese Urlauber sind kostenlose Kurkonzerte oder das gesellige Zusammensein am Abend für einen erfolgreichen Urlaub ausreichend. Die geringste Preissensibilität weisen die anspruchsvollen Kulturreisenden und die Natur- und Outdoor-Urlauber auf. Aber auch sie sind nur bereit, einen höheren Preis zu bezahlen, wenn der Gegenwert genau ihren Bedürfnissen entspricht. Beispielsweise sind die Natur- und Outdoor-Urlauber an Angeboten interessiert, die besonderen Genuss versprechen. Dafür sind sie auch bereit, mehr Geld auszugeben. Dass die Gruppe nicht jeden Preis akzeptiert, zeigen die Modellangebote für die Müritz und für Südtirol, die im Rahmen der Gruppendiskussionen getestet wurden. Bei beiden Reisen konnten die Urlauber die Bahn-Anreise pauschal hinzubuchen. Die Mehrkosten dafür lagen für die Müritz bei 100 Euro, für Südtirol bei 133 Euro. Während die Mehrkosten für die Müritz akzeptiert wurden, wurden sie bei Südtirol kritisch gesehen. Bemängelt wurde hier insbesondere die Notwendigkeit umzusteigen, der aufwändige Gepäcktransport sowie die Gefahr, ohne eigenen Pkw vor Ort nicht mobil genug zu sein. Da sowohl Preis als auch Reisezeit bei beiden Reisen vergleichbar waren, wird eine grenzüberschreitende Bahnreise scheinbar anders bewertet: Die Hemmschwelle, vom Auto auf die Bahn umzusteigen, ist höher. Interessanterweise ist die Zahlungsbereitschaft der Natur- und OutdoorUrlauber insbesondere für Fernreisen hoch. In den Gruppendiskussionen wurden Reisen in die Dominikanische Republik für rund 2.000 Euro nicht explizit abgelehnt. Die Zielgruppe begrüßte Angebote konventioneller Reiseveranstalter, die Umweltstandards berücksichtigen. Das relativ hohe Verantwortungsgefühl gegenüber einem Entwicklungsland führt dazu, dass diese Zielgruppe tendenziell höhere Preise akzeptiert. Auch zeigt sie Bereitschaft, die entstehenden Treibhausgasemissionen des Fluges durch die Bezahlung eines Zuschlages zu kompensieren. Preisdifferenzierungen nutzen Taktische Preisinstrumente wie Last-Minute-Angebote, Ermäßigungen für Kinder oder Reisen in der Nebensaison sollten zur Preisdifferenzierung gerade auch für nachhaltige Reisen genutzt werden. Im Gegensatz zu global agierenden Reiseveranstaltern verwenden lokale und regionale Anbieter meist Einheitspreise. Preisdifferenzierungen sind nach Personen (z. B. Kinder und Erwachsene), nach Mengen
144
7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
(z. B. Einzel- oder Gruppenbuchungen), nach Saisonzeiten (z. B. Neben- und Hauptsaison), nach Anreise- und Abreisetagen und nach Buchungsstand (z. B. Frühbucherrabatte) möglich. Dabei gilt, dass nicht jede Einzelbuchung Gewinn bringen muss. Entscheidend ist vielmehr, dass die Summe aller Buchungen im Jahr ein positives Ergebnis erzielt (DTV 2005). Ein Ziel preislich differenzierter Angebote ist, die Nachfrage über das gesamte Jahr zu verteilen. Kinder- und Familienorientierte sind durch schulpflichtige Kinder oftmals an die Hauptsaison gebunden. Auch Sonne-, Strand-, Pauschalurlauber reisen meist im Sommer, weil sie dann auf Gutwettergarantie setzen können. Anspruchsvolle Kulturreisende, traditionelle Gewohnheitsurlauber und Natur- und Outdoor-Urlauber sind dagegen interessante Zielgruppen für die Vor- und Nachsaison. Für den Deutschlandtourismus ist dies von hoher Bedeutung, da im Sommer meist die Übernachtungskapazitäten vollständig erschöpft sind, in der Vorund Nachsaison dagegen viele Hotels und Pensionen kaum Besucher haben. Die Ergebnisse der Gruppendiskussionen zeigen aber auch: Angebote müssen sich gerade auch in der Nebensaison an den üblichen Standards und Preis-/Leistungsverhältnissen messen lassen. Zusatzleistungen im Bereich Sport, Wellness und Küche entscheiden dabei oftmals über die Attraktivität einer Reise. Rabatte oder Boni sind wichtige Instrumente einer differenzierten Preispolitik. Bei nachhaltigen Reisen ist es heute schon oftmals Praxis, dass Bahnreisende besondere Rabatte bekommen. Eine andere Form sind Bonus- und Gästekarten, mit denen kostenlose oder vergünstige Angebote im Urlaubsgebiet in Anspruch genommen werden können. Aus Nachhaltigkeitssicht innovativ wäre die Einführung zielgruppenspezifischer Bonus- und Gästekarten. Diese könnten für Gewohnheitsurlauber kostenlose Kurkonzerte und Leihfahrräder enthalten, für Familien verbilligten Eintritt in Spaßbädern und günstigen Verleih von Fahrrädern mit Kindersitzen oder Fahrradanhängern. Würden solche zielgruppenspezifische Bonus- und Gästekarten im Deutschlandtourismus eingesetzt, könnte der Zusatznutzen dazu beitragen, Urlauber an die nahe und damit umweltverträglichere Destination Deutschland zu binden (siehe Kapitel 6.2). Leistungsträger kritisieren häufig, dass sie für die gleiche Leistung (z. B. eine Übernachtung im Hotel) nicht unterschiedliche Preise verlangen können. Sicherlich ist dies nicht so einfach möglich wie im Flugverkehr. Aber bei Pauschal- und Bausteinreisen ist aufgrund der Vielzahl an Zusatzleistungen schon heute nur bedingt ein echter Preisvergleich möglich. Allerdings muss eine Preisdifferenzierung gut durchdacht sein. Ein Beispiel für eine gescheiterte Differenzierungsstrategie war der Vorstoß der Deutschen Bahn, die Preise stärker nach Buchungszeitpunkten und Zugnutzungen zu differenzieren. Die negative Berichterstattung darüber in den Medien hat dazu geführt, dass die Deutsche Bahn AG ihre Planungen zurücknehmen musste. Dies zeigt, dass eine Preisdifferenzierung auch an Grenzen stößt. Bislang werden differenziert Preise vor allem von großen konventionellen Reiseveranstaltern genutzt – im nachhaltigen Tourismus und im Deutschlandtourismus hat man ihr Potenzial allerdings noch nicht ausreichend erkannt.
7.3 Der Vertrieb
145
7.3 Der Vertrieb Eine Untersuchung zum Marketing-Mix nachhaltiger Reiseveranstalter zeigt, dass sie mit ihrer bisherigen Vertriebspolitik nur begrenzt umweltbewusste Zielgruppen erreichen (Otten 2003). Ein Grund dafür ist, dass die Distributionswege im Nischenmarkt oftmals getrennt von den Vertriebswegen konventioneller Reiseveranstalter sind. Dennoch eröffnen sich Chancen, durch Stärkung und Ausbau traditioneller Wege einerseits und durch eine gezielte Nutzung des Internets andererseits neue Kunden zu gewinnen. Vertriebsweg Reisebüro ausbauen Der wichtigste Vertriebsweg für Pauschal- und Bausteinreisen ist derzeit das Reisebüro. Die Massenveranstalter TUI, Thomas Cook und Rewe Touristik, aber auch die großen Spezialisten wie Studiosus verkaufen ihre Reisen fast ausschließlich in Reisebüros. Bei anderen Spezialisten wie Wikinger Reisen und Lernidee liegt dieser Anteil bei rund 50 %. Die meisten Nischenveranstalter nutzen dagegen vorwiegend den Direktvertrieb, da sie aufgrund ihrer Betriebsgröße und der Konkurrenzsituation im Reisebüromarkt kaum andere Möglichkeiten haben (Otten 2003). 100% weiß nicht/k.A.
90% 80%
Sonstige Buchungsstellen
Anteile in %
70% 60%
Reisebüro direkt am Flughafen
50%
Fremdenverkehrsamt/ Tourismusinformation
40%
Direkt beim Reiseveranstalter
30% 20%
Direkt beim Hotel bzw. Vermieter
10%
Reisebüro
ur la Fa ub m er ilie So no rie nn nt e/ ie St rte ra nd /P au sc ha Fu l n & Ac tio n En td ec ke Ku r ltu rre is en Na de tu r& O ut do or
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0%
Basis = 1.316
Abb. 7.3 Buchungsstelle für Pauschalreisen bzw. Hotelübernachtungen differenziert nach Zielgruppen (eigene Darstellung)
Abb. 7.3 zeigt, dass mit Ausnahme der traditionellen Gewohnheitsurlauber und der anspruchsvollen Kulturreisenden alle Zielgruppen ihre gesamte Reise oder zumindest Teilleistungen im Reisebüro buchen. Am häufigsten buchen Sonne-,
146
7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
Stand-, Pauschal-Urlauber (64,2 %) und junge Fun- und Action-Urlauber (62,1 %) ihren Urlaub im Reisebüro. Dies korreliert mit der Tatsache, dass diese beiden Zielgruppen überdurchschnittlich oft Pauschalreisen buchen. Daraus folgt, dass Anbieter nachhaltiger Pauschalangebote die meisten der Zielgruppen über das Reisebüro erreichen können. Gewohnheitsurlauber und Kulturreisende buchen hingegen eher öfters direkt beim Hotel bzw. Vermieter (26,5 bzw. 39,6 %). Sie buchen selten Pauschalreisen oder häufig nur Teilleistungen im Voraus. Für diese beiden Zielgruppen hätte ein Direktvertrieb nachhaltiger Angebote beispielsweise durch Hoteliers gute Marktchancen. Bei Kinder- und Familienorientierten sowie Natur- und OutdoorUrlaubern spielt mit 28,5 % bzw. 23,6 % die Buchung direkt beim Reiseveranstalter eine große Rolle. Damit sind diese beiden Zielgruppen auch über den Direktvertrieb ansprechbar. Vertrieb bündeln Die finanziellen Möglichkeiten kleinerer und mittlerer nachhaltiger Reiseveranstalter sind meist zu gering, um Produkte vermehrt über die Reisebüros zu verkaufen und dabei gegen die Konkurrenz, gerade durch Spezialisten, zu bestehen. Eine wichtige Voraussetzung für den Vertrieb im Reisebüro ist die Buchbarkeit über Computerreservierungssysteme (CRS). Die finanziellen Mittel hierfür könnten beispielsweise über eine Kooperation verschiedener Anbieter bereitgestellt werden. Kurzfristiger realisierbar wäre ein Ausbau des Direktvertriebs. Er ist der am häufigsten genutzte Vertriebsweg für kleinere Veranstalter und Hoteliers, über den sich neue Kunden ansprechen lassen. In Deutschland kommen als mögliche Partner insbesondere die regionalen Marketingorganisationen, Landesmarketinggesellschaften und die Deutsche Zentrale für Tourismus in Frage (DTV 2005). Chancen des Internet nutzen Das Internet wird von Urlaubern nicht nur zunehmend als schnelle und bequeme Informationsquelle zur Reiseplanung genutzt, sondern direkt auch als Buchungsinstrument (F.U.R 2007). Wie in Kapitel 4.1 ausgeführt, haben rund ein Fünftel der Reisenden 2007 bereits Reisen über das Internet gebucht – rund fünfmal so viel wie 2001 (F.U.R 2007). Diese Zuwachsraten zeigen, dass das Internet in seiner Bedeutung enorm zugelegt hat. Dennoch wird es die klassischen Vertriebswege nicht verdrängen, sondern lediglich ergänzen. Das Internet eröffnet zudem Anbietern von nachhaltigen Reisen neue Möglichkeiten, ihre Produkte kostengünstig zu vermarkten, denn die persönliche Beratung oder die Ausgabe von Informationsmaterial wird überflüssig. Die Chancen, im immer größer werdenden Online-Markt wahrgenommen zu werden, sind allerdings größer, wenn sich Anbieter, Regionen und Reiseveranstalter zusammenschließen. Auch bestehende Internetplattformen wie „Deutschland erleben“ der Deutschen Bahn AG, Viabono oder forum anders reisen können schon heute solche Bündelungsfunktionen übernehmen.
7.4 Die Kommunikation
147
7.4 Die Kommunikation Reiseangebote können perfekt für eine Zielgruppe entwickelt sein, den Marktpreis genau treffen und leicht über traditionelle Vertriebswege buchbar sein – wenn der Kunde das Angebot nicht kennt, wird es keinen Erfolg haben. Daher ist eine professionelle Kommunikation notwendig, die sich – ähnlich wie die Angebotsentwicklung – an den Gewohnheiten und Bedürfnissen der Zielgruppen orientiert. Bei der Entwicklung einer Kommunikationsstrategie sind aber nicht nur die Reisegewohnheiten und -erwartungen der Zielgruppen von Interesse, sondern auch deren allgemeine Einstellungen und Wünsche sowie deren Konsummuster. Während die Entwicklung nachhaltiger Reiseangebote in den vergangenen Jahren professionalisiert wurde, gibt es bei der Kommunikation noch große Defizite. Nachhaltigkeit im Massenmarkt macht eine gute Kommunikation besonders anspruchsvoll, denn sie muss Kunden erreichen, die andere Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen haben als umweltbewusste Urlauber im Nischenmarkt. Emotionen entscheiden Villiger et al. (2000) stellt in einer Untersuchung fest, dass die Informationen über Öko-Reisen traditionell „umfangreich und sachlich“ sind. Trockene, sachliche Informationen finden in der modernen Informationsgesellschaft allerdings wenig Aufmerksamkeit. Emotionen entscheiden – das gilt für den Autokauf genauso wie für die Urlaubsreise. Daher müssen Fakten zu Reise und Destination stets mit emotionalen Botschaften ergänzt werden. Lichtl (1999) spricht daher im Zusammenhang mit emotionalen Webebotschaften von „Ecotainment“. Eine besondere Funktion übernimmt dabei die Bebilderung der Angebote. Bilder wecken Aufmerksamkeit und Reiselust, sie machen neugierig und wecken Vorfreude. Dennoch wird die Bedeutung professioneller Fotos von touristischen Leistungsträgern immer noch oft unterschätzt. Gute Angebote werden mit schlechten Bildern versehen – mit der Folge, dass potentielle Kunden nicht darauf „anspringen“. Die im Rahmen von INVENT durchgeführten Gruppendiskussionen bestätigten, dass eine Visualisierung der Leistungen eminent wichtig ist. Die Bildauswahl muss dabei jedoch mit dem Angebot korrespondieren; die Fotos müssen authentisch und glaubwürdig wirken. Das ist keine leichte Aufgabe: Der Zielgruppe junger Fun- und Action-Urlauber wurden bei der Diskussion beispielsweise bebilderte Adria-Angebote vorgelegt. Das Strandbild erweckte wegen der zahlreichen, in Reih und Glied aufgestellten Sonnenschirme die Assoziation von hoffnungslos überfüllten Stränden und die Hotelaufnahme bei Nacht stieß auf Misstrauen, da sich das Haus „bei Tag wohl nicht sehen lassen kann“. Auch Fotos zur Dominikanischen Republik stießen auf Kritik. Die Zielgruppe der Natur- und Outdoor-Urlauber lehnte insbesondere Bilder ab, die sich mit Armut und Entwicklungsland assoziieren ließen. Fotos weckten dann Zuspruch, wenn sie eine gute Mischung aus Natur- und Landschaft, Kultur und Erholung widerspiegelten. Angebote ganz ohne Fotos sind nur selten attraktiv. Ein Modellan-
148
7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
gebot für die Müritz in Form eines einseitigen Fax lehnten die Testpersonen in der Mehrzahl ab. Dies zeigt erneut die große Bedeutung der Visualisierung von Reisen. Es zeigt außerdem, dass Faxangebote zielgruppenspezifisch eingesetzt werden müssen. Für Schnäppchenjäger können sie funktionieren, für die große Masse der Urlauber sind sie eher ungeeignet. Nicht nur Fotos, auch Texte wecken Emotionen. In der Beschreibung können schon Kleinigkeiten über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Bei den getesteten Adriaangeboten waren es die Namen bestimmter Diskos – mit „La Perla“ verbanden die jungen Urlauber weder ein erlebnisreiches Nachtleben noch stilvolle Partys. Für Natur- und Outdoor-Urlauber können Begriffe wie „Leihfahrrad“ entscheidend sein – es weckt die Vorstellung vom Billigrad, das mit dem eigenen teuren Trekking-Bike nicht konkurrieren kann. 80 % der Kunden entscheiden zudem anhand der Titelzeile, ob sie die Angebote im Detail weiter lesen (DTV 2005). Prägnante Kernbotschaften in den Überschriften sind daher für den Erfolg mit entscheidend. Tabelle 7.2 Wege der Informationsbeschaffung nach Idee für Reise differenziert nach Zielgruppen (Mehrfachnennungen möglich; n = 1.740) (eigene Auswertung) Gewohn-Familien- Sonne-/ Alle Fun & heitsorien- Strand-/ Reisende Action urlauber tierte Pauschal [%] [%] [%] [%] [%]
Ent- Kultur- Natur & decker reisende Outdoor [%]
[%]
[%]
Im Reisebüro
40,8
25,1
42,7
57,8
51,8
37,5
28,0
37,6
Bei Freunden / Bekannten / Verwandten
37,2
39,9
36,5
36,4
40,7
26,8
37,1
40,7
Im Internet
19,0
6,7
16,9
15,6
32,2
23,8
14,3
28,1
15,8
9,4
9,4
12,1
13,6
23,8
23,1
20,9
15,6
24,7
12,9
12,1
11,1
17,9
18,5
13,7
Veranstalterkataloge
9,0
7,2
11,8
13,3
13,6
2,4
5,6
6,8
Unterkunftsprospekte
9,0
12,6
14,1
6,9
8,0
6,5
7,7
7,2
7,5
8,1
7,5
4,9
4,0
7,7
10,1
9,9
7,0
7,6
8,2
4,3
7,0
4,2
7,3
9,9
5,8
5,4
5,9
5,8
4,0
7,1
4,2
8,4
4,3
1,3
3,5
4,9
7,0
3,0
4,9
4,6
Anzeigen
3,1
4,0
2,4
3,2
3,0
3,0
1,7
4,6
Messen
1,6
2,2
0,8
0,9
0,5
1,8
2,1
2,7
Andere Infowege
7,3
7,6
5,1
6,4
8,0
6,0
8,7
9,1
Durch Reiseführer, Literatur Habe mich nicht weiter informiert
Im Fremdenverkehrsbüro Orts-/Gebiets/ Länderprospekte Berichte im Fernsehen/Radio Berichte in Zeitungen, Zeitschriften
7.4 Die Kommunikation
149
Gezielt kommunizieren Urlauber unterscheiden sich zum Teil deutlich bei den Wegen und Quellen, die sie für die Informationsbeschaffung nutzen (siehe Tabelle 7.2). Wer gezielt kommunizieren will, muss daher seine Werbemittel genau auf diejenigen Medien konzentrieren, die seine Zielgruppe kennt und nutzt. In den vergangenen Jahren hat das Internet rasant an Bedeutung als Informationskanal gewonnen. Diesem noch relativ neuen Kommunikationsweg muss daher – in Abhängigkeit der Zielgruppe – in Zukunft höheres Gewicht beigemessen werden (siehe Tabelle 7.2). Nicht nur die Informationswege sind wichtig, sondern auch die Konsumgewohnheiten und das Alltagsverhalten der Kunden. Viabono beispielsweise wirbt für nachhaltige Erholungsreisen, indem Gutschein-Anhänger an gereinigte Kleidungsstücke von Textilreinigungen platziert werden. Zielgruppe dieser Werbeaktion für Wellness-Reisen sind gestresste Manager, die ihre Anzüge und Hemden reinigen lassen. Wer zudem weiß, aus welchen Regionen die Mehrzahl seiner Kunden kommt, kann die Kommunikation genau auf diese Gebiete konzentrieren (Krug 2007). Auch professionelle Pressearbeit ist Baustein einer gezielten Kommunikation. Redaktionelle Meldungen finden oftmals mehr Aufmerksamkeit als Werbung (DTV 2005). Die Erfahrungen der INVENT-Praxispartner zeigen zudem, dass neue, innovative Angebote gerne von (Reise)-Redaktionen aufgegriffen werden. Neben Pressemitteilungen sind auch Journalistenreisen zur Vorstellung neuer Angebote ein Weg, um Redaktionen für neue Angebote zu interessieren. Gemeinsam kommunizieren Eines der größten Probleme für die Kommunikation nachhaltiger Tourismusangebote ist, dass Anbieter in der Regel über unzureichende Marketingmittel verfügen, um neue Zielgruppen zu erreichen. Kooperationen mit finanzstarken Partnern können daher ein Ausweg sein, um nachhaltigere Reisen im Massenmarkt zu positionieren. Viabono und forum anders reisen sind gute Adressen für Kooperationen. Beide Organisationen haben in den letzten Jahren ihr Marketing professionalisiert, um auch Zielgruppen jenseits der Öko-Nische anzusprechen. Das forum anders reisen publiziert – mit finanzieller Hilfe des Umweltbundesamtes – zudem den Reisekatalog „Reiseperlen“, in dem Angebote einer Vielzahl meinst klein- und mittelständisch geprägter Mitgliedsunternehmen präsentiert werden. Ein anderer Weg für Kooperationen ist das Crossmarketing – bisher im Reisemarkt noch wenig genutzt. Durch die Verknüpfung mit einer bereits bekannten Marke kann die Bekanntheit des eigenen Produktes erhöht werden und von den Marketingaktivitäten des Partners partizipieren. Der (große) Partner wiederum kann aus dem positiven Öko-Image des neuen Angebotes für sein eigenes Produkt Nutzen ziehen (Krug 2007; Freier 2001; Lichtl 1999).
150
7 Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote
7.5 Zwischenfazit Wie muss ein nachhaltiges Reiseangebot aussehen, damit es bei Urlaubern in Deutschland auf Interesse stößt? Wie bestimmt man den richtigen Preis? Welche Vertriebswege bieten sich an? Wie sieht eine erfolgreiche Kommunikation aus, die möglichst viele Kunden erreicht? Scheinbar einfache Fragen, deren Antworten im Reisemarkt gut überlegt sein müssen. Denn die Entwicklung und Vermarktung innovativer, umwelt- und sozialverträglicher Reisen ist nicht banal, sondern stellt eine Reihe von neuen Herausforderungen an die Anbieter. In diesem Kapitel wurde aufgezeigt, was bei Produktgestaltung und Preisfestsetzung, bei der Wahl der Vertriebswege und bei der Kommunikation zu beachten ist. Als roter Faden gilt in allen Phasen von Entwicklung und Vermarktung: Instrumente und Botschaften müssen stets konsequent auf die Zielgruppen ausgerichtet sein. Wenn das Angebot kein Interesse weckt oder die Erwartungen der Urlauber nicht oder nur unzureichend erfüllt, wird es wenig Erfolg haben. Zusammenfassend gelten als zentrale Aspekte:
• Authentizität bieten: Jedes Angebot kann nur stimmig und authentisch sein, • • •
• • •
•
wenn es in die Region passt. Es sollte touristische Trends aufgreifen oder sogar neue initiieren, um sich von anderen Destinationen positiv abzuheben. Weniger ist mehr: Ein Angebot kann nicht für alle Urlauber passen. Erfolg versprechend ist die Konzentration auf eine überschaubare und weiter wachsende Zielgruppe. Vom Massenmarkt lernen: Mietwagen und All-inclusive-Reisen sind nicht per se schlecht – in der Kombination mit umwelt- und sozialverträglichen Teilleistungen können sie für mehr Nachhaltigkeit im Reisemarkt sorgen. Im Hintergrund wirken: Die meisten Reisenden wollen nichts von Umweltschutz oder Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit ihrem Urlaub wissen. Nachhaltige Leistungen daher so integrieren, dass sie nicht offensichtlich werden, aber wirksam sind. Richtige Preise setzen: Der richtige Preis für eine Reise hängt nicht nur von den tatsächlichen Kosten, sondern auch davon ab, wie viel die Zielgruppe für ein bestimmtes Angebot zu zahlen bereit ist. Preise differenzieren: Durch variable Preise lassen sich touristische Kapazitäten über das ganze Jahr besser ausnutzen. Kostenlose Zusatzleistungen sind besonders für preissensible Kunden ein entscheidender Bonus. Traditionelle Vertriebswege ausbauen: Urlauber lassen sich nur schwer an neue Vertriebswege gewöhnen. Daher sollte der Vertrieb über das Reisebüro weiter ausgebaut werden. Direktvertrieb ist nur bei ausgewählten Zielgruppen ein zielführender Weg. Internet gezielt nutzen: Die Bedeutung des Internet als Informations- und Buchungskanal hat stark zugenommen und sollte für eine schnelle und aktuelle Ansprache bestimmter Zielgruppen und ein preisgünstiges Marketing genutzt werden.
7.5 Zwischenfazit
151
• Emotionen entscheiden: Bei der Kommunikation müssen Fakten zu Reise und Destination stets mit emotionalen Botschaften ergänzt werden. Professionelle Fotos können entscheidend sein. • Kooperationen bringen weiter: Angebotsentwicklung und Vermarktung nachhaltiger Reiseangebote sind zeit- und kostenaufwändig. Daher können Kooperationen zwischen kleinen Anbietern, zwischen Veranstaltern und lokalen Akteuren, zwischen etablierten Anbietern und Marktneulingen schneller zum Erfolg führen.
8 Ergebnisse und Ausblick
Die Reiselust von Touristen aus Deutschland schafft im In- und Ausland zahlreiche Arbeitsplätze und sie trägt zum Wirtschaftswachstum in den Zielregionen bei. Wenn aber Massen reisen, sind negative soziale und ökologische Auswirkungen unvermeidbar: Störung oder Verlust der soziokulturellen Identität der Zielländer, hoher Ressourcen- und Flächenverbrauch, Emission von Treibhausgasen und eine Beeinträchtigung der Artenvielfalt. Zwar existieren bereits heute Reiseangebote, die Umwelt, Naturschutz und Nachhaltigkeit im Fokus haben. Jedoch sind es meist Nischenangebote für ökologisch und sozial besonders engagierte und interessierte Konsumenten. Diese Reisen mit ihren relativ hohen Preisen sind nicht zuletzt deswegen erfolgreich, weil sie sich deutlich und bewusst vom Massenmarkt abgrenzen. Nachhaltigkeit im Massentourismus setzt dagegen ganz andere Anforderungen und Ansprüche an Veranstalter und touristische Akteure: Eine nachhaltige Urlaubsreise muss eine große Zahl von Kunden interessieren und ansprechen. Sie muss – wie herkömmliche Reisen auch – die unterschiedlichen Erwartungen der Kunden an Erholung, Wetter, Fun und Action, Kultur und Naturerleben optimal erfüllen. Für viele Urlauber darf sie nicht zu teuer sein und muss auf bekannten Wegen buchbar sein. Vor allem sollte Nachhaltigkeit nicht wie ein Prädikat oder besonderes Gütesiegel die Reise kennzeichnen. Denn viele Touristen im Massenmarkt suchen im Urlaub Erholung und besondere Erlebnisse und keine Auseinandersetzung mit heiklen und schwierigen Themen. Mehr Nachhaltigkeit im Massentourismus ist nicht nur wünschenswert, sondern auch machbar. Zu diesem Resultat kommen die Partner im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts „Nachhaltiges Wirtschaften im Tourismus: Innovative Vermarktungskonzepte nachhaltiger Tourismusangebote“ (INVENT): Wissenschaftler aus dem ÖkoInstitut e.V., der Leuphana Universität Lüneburg und dem Institut für sozialökologische Forschung (ISOE) GmbH, Vertreter der AMEROPA-REISEN GmbH und der Deutsche Bahn AG. Mehr Nachhaltigkeit im Massentourismus gelingt allerdings nur, wenn alle Akteure entlang der Leistungskette zielgerichtet vorgehen und sich mit den zentralen Fragen auseinandersetzen: Was sind die spezifischen Anforderungen an einen nachhaltigen Tourismus? Welches sind die Zielgruppen im Massenmarkt? Welche Strategien und Marketingkonzepte bieten sich an? Schwerpunkt der INVENT-Forschungsarbeiten war daher eine detaillierte Analyse der Erwartungen und Bedürfnisse von Urlaubern im Massenmarkt. Dazu wurde eine repräsentative Befragung von über 2.000 Personen durchgeführt. Dar-
154
8 Ergebnisse und Ausblick
auf aufbauend entwickelten die Projektpartner Marketingstrategien, die für die vier Destinationen Mecklenburg-Vorpommern, Norditalien, Türkei und Dominikanische Republik konkretisiert wurden. Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden im vorliegenden Buch vorgestellt. Urlaubsreisen heute und in Zukunft Urlauber aus Deutschland gehen meist mehrmals im Jahr auf Reisen, sie reisen weit und auch in weniger bekannte Destinationen, sie geben im Urlaub mehr Geld aus als im Alltag und viele gönnen sich in den Ferien den Luxus, auf den sie sonst verzichten müssen. 2006 haben Urlauber aus Deutschland 64,4 Millionen Urlaubsreisen mit mindestens vier Übernachtungen unternommen, davon fand ein knappes Drittel innerhalb Deutschlands statt. Dazu kamen 46,3 Millionen Kurzreisen mit maximal drei Übernachtungen, wovon rund drei Viertel innerhalb Deutschlands stattfanden. Bei den ausländischen Urlaubsreisen dominierten Reisen in den Mittelmeerraum, bei den Reisearten ganz klar Strand-/Badeurlaub und Erholungsurlaub – fast 90 % aller Reisen fielen unter diese beiden Kategorien. Umfragen zeigen, dass in deutschen Haushalten die Urlaubsreise ein fester Bestandteil der Jahresplanung bleibt, selbst dann, wenn sich die eigene wirtschaftliche Situation verschlechtert. Experten erwarten allerdings signifikante Veränderungen der Rahmenbedingungen: In Zukunft wird es einerseits Urlauber mit viel Zeit und wenig Geld, andererseits solche mit viel Geld und eher wenig Zeit geben. Auch die demografische Entwicklung verändert die künftige touristische Nachfrage. Bis 2025 wird nahezu jeder Dritte in Deutschland 60 Jahre und älter sein. Die „neuen Senioren“ verfügen dann über reichlich Reiseerfahrung, einen guten Gesundheitszustand und zum erheblichen Teil über ein recht gutes Einkommen. Insgesamt wird der Reisemarkt künftig nur moderat wachsen – insbesondere bei Zweit- und Dritturlaubsreisen sowie beim Kurzurlaub. Nachhaltigkeit und Massenmarkt Nachhaltigkeit ist ein großes Wort und nachhaltiger Tourismus ein ehrgeiziges Konzept. Nachhaltigkeit im Tourismus subsummiert „forms of use of space and resources that avoid or minimise ecologically irreversible impacts; that helps to create lasting economic structures for the local populations; that respects local cultural identities; that supports socially equitable and democratic structures; and thus generally makes a contribution to sustaining spaces and resources for future human settlement, cultural life, acceptable economic activity and the world of nature” (Sieber 2001). Daran gemessen haben nachhaltige Reiseangebote im Volumenmarkt mit weniger als 1 % bisher einen verschwindend geringen Marktanteil. Der Vorteil von umwelt- und sozialverträglicheren Reisen im Massentourismus liegt allerdings darin, dass stets eine große Zahl an Reisenden adressiert werden kann und damit auch kleine Verbesserungen bereits deutliche Effekte haben können. In der Masse liegt also die Stärke. Nachhaltiger Tourismus im Massenmarkt bedeutet aber auch,
8 Ergebnisse und Ausblick
155
dass es kaum möglich ist, gleichzeitig in allen ökologischen und sozialen Bereichen Verbesserungen zu erreichen. Aber schon kleine Fortschritte sind ein Erfolg. Um beurteilen zu können, ob eine Maßnahme zu mehr Nachhaltigkeit führt, sind geeignete Ziele und Kriterien als Orientierungshilfen notwendig. Die in der Literatur am häufigsten genannten Ziele für die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales sind: -
Reduzierung der Treibhausgasemissionen, Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Biodiversität, größere Teilhabe der Bevölkerung am Zielort, Stärkung des interkulturellen Austausches, höhere Zufriedenheit der Reisenden und Anbieter, Stärkung der regionalen Wirtschaft, Zunahme der Beschäftigung (v. a. im Reiseland), Zunahme des Beitrags zur Wertschöpfung im Reiseland.
Diese Ziele sind auch geeignet, nachhaltige Veränderungen im Massenmarkt zu beschreiben und können zur Bewertung nachhaltiger Marketingstrategien im Tourismus herangezogen werden. Das Zielgruppenmodell oder Was der Urlauber wünscht Nachhaltige Urlaubsreisen sind keine Selbstläufer. Die empirischen Ergebnisse des INVENT-Forschungsprojektes zeigen, dass 70 % der Reisenden aus Deutschland nichts von Umweltschutz oder Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit ihrem Urlaub wissen wollen. Nachhaltige Reiseangebote haben am Markt daher nur dann Erfolg, wenn sie die Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse von Urlaubern optimal erfüllen. Das gilt gerade auch für Reisen, die gezielt zu einer nachhaltigen Entwicklung im Tourismus beitragen können: Welchen Lebensstil pflegt der potenzielle Kunde im Alltag? Was genau erwartet er im Urlaub? Wie leicht ist er für Umweltthemen und soziale Aspekte ansprechbar? Zur Beantwortung dieser Fragen hat das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH in enger Zusammenarbeit mit allen INVENTVerbundpartnern das Zielgruppenmodell „Urlaubs- und Reisestile" entwickelt. Das Modell umfasst insgesamt sieben Zielgruppen im Massenmarkt, die sich in ihren Erwartungen, Destinationen, im Reiseverhalten und Lebensstil deutlich unterscheiden: -
die traditionellen Gewohnheitsurlauber, die Kinder- und Familienorientierten, die Sonne-Strand-Pauschal-Urlauber, die jungen Fun- und Action-Urlauber, die unkonventionellen Entdecker, die anspruchsvollen Kulturreisenden, die Natur- und Outdoor-Urlauber.
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Da die Reisewünsche der Urlauber immer vielfältiger und zugleich auch differenzierter werden, hat nur eine maßgeschneiderte – zielgruppenspezifische – Ansprache der Kunden Erfolg. Im Rahmen von INVENT konnten zwei Zielgruppen (rund 30 % der Urlauber aus Deutschland) identifiziert werden, die explizit für ökologische und soziale Themen ansprechbar sind: die anspruchsvollen Kulturreisenden und die Naturund Outdoor-Urlauber. Für anspruchsvolle Kulturreisende ist Urlaub nicht nur Synonym für Erholung, sondern auch für neue Eindrücke und Wissenserweiterung. Dieser Typus zeigt großes Interesse für die Verhältnisse vor Ort. Seine Empathie, gekoppelt mit seiner gehobenen Bildung, macht ihn für Fragen der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit aufgeschlossen. Natur- und Outdoor-Urlauber erwarten für sich und ihre Familie authentische Erlebnisse in möglichst unberührter Natur. Für dieses Naturerlebnis sind sie durchaus bereit, mehr Geld auszugeben. Sie sind gut für Nachhaltigkeitsthemen ansprechbar – denn es ist ihr ausdrückliches Interesse, dass die natürlichen Ressourcen erhalten bleiben, um sie für sich selbst nutzen zu können. Nachhaltige Marketingstrategien Unabhängig davon, ob sich Kunden für nachhaltige Aspekte eines Urlaubsangebots interessieren oder nicht: Mehr Nachhaltigkeit im Massenmarkt ist auch mit diesen Urlaubern möglich. Denn Reiseangebote können so gestaltet werden, dass sie – für die Teilnehmer quasi unbemerkt – zu einem ökologisch und sozial verträglicheren Tourismus beitragen. Damit derartige Reisen im Volumenmarkt erfolgreich sind, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
• Die Angebote müssen sich genau an den Wünschen, Erwartungen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen orientieren.
• Die Angebote müssen sich in eine – für jede Destination spezifische – Marketingstrategie einfügen. Dabei sind grundsätzlich zwei nachhaltige Marketingstrategien möglich: zum einen die Optimierung bestehender Urlaubsreisen. Die Angebote werden dabei spezifisch für die Zielgruppe so verbessert, dass die Reisen selbst ökologisch und sozial verträglicher werden und dass gleichzeitig Genuss und Erleben im Urlaub nicht geschmälert, wenn möglich sogar noch gesteigert werden. Die Optimierungsstrategie ist für jede Region und jede Zielgruppe kurzfristig möglich. Die zweite Strategie, die so genannte Forcierungsstrategie, ist ein völlig anderer Ansatz: Sie beeinflusst gezielt die Reiseentscheidung. Gelingt es, für bestimmte Destinationen neue Zielgruppen zu gewinnen, beispielsweise indem sich Urlauber durch attraktive Angebote für näher gelegene Regionen begeistern lassen, bedeutet das eine Entlastung der Umwelt durch geringere Treibhausgasemissionen bei Anund Abreise. Gelingt es, Zielgruppen mit hohen Ansprüchen an Qualität und Umwelt für klassische Urlaubsgebiete des Massentourismus zu gewinnen, fördern die
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veränderten Touristenströme wiederum Umwelt- und Naturschutz in den Destinationen und unterstützen die nachhaltige Entwicklung im Reiseland. Die Forcierungsstrategie ist aber nur mittel- und langfristig umsetzbar und versucht, das zukünftige touristische Wachstum nachhaltig zu gestalten. Diese Strategie ist aber nicht für alle Urlaubsländer anwendbar. Es muss also nach Festlegung der Kernzielgruppen immer geprüft werden, ob eine entsprechende Strategie für die Urlaubsregion möglich und sinnvoll ist. Die Forcierungsstrategie kann zudem nur im Gesamtreisemarkt bewertet werden. Daher können auch Flugreisen zu exotischen Zielen durchaus zu einem nachhaltigen Tourismus im Massenmarkt beitragen, soweit sie vor Ort soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Klassisches Beispiel dafür ist Costa Rica – ein Fernreiseziel, das Veranstalter von speziellen Öko-Reisen seit langem im Programm haben. Auch konventionelle Angebote können zu einer nachhaltigen Gestaltung des Gesamtmarktes beitragen. Werden beispielsweise Familienurlauber für Ferien in Deutschland statt am Mittelmeer gewonnen, können die Umweltauswirkungen durch die An- und Abreise deutlich reduziert werden. Die Reise in Deutschland bietet – z. B. durch die Nutzung der Bahn – weitere Optimierungsmöglichkeiten, die eine Mittelmeerreise nicht hat. Wie nachhaltige Marketingstrategien jenseits der Öko-Nische konkret aussehen und welche Zielgruppen dabei adressiert werden können, wurde anhand von vier Zielen des Massentourismus untersucht: Mecklenburg-Vorpommern für Urlaub in Deutschland, Norditalien für Reisen ins nahe Ausland, die Türkei für den klassischen Strandurlaub und die Dominikanische Republik stellvertretend für die Karibik als beliebte Fernreisedestination. Für alle vier Ziele konnten praxistaugliche nachhaltige Marketingstrategien entwickelt werden. Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Angebote Der Erfolg eines Angebots für einen nachhaltigeren Massentourismus wird durch vier Parameter bestimmt: die Leistungen, den Preis, den Vertrieb und die Kommunikation. Durch eine passende Ausgestaltung dieser vier Parameter müssen die Vorgaben und Ziele der nachhaltigen Marketingstrategien umgesetzt werden. Dass Angebote auf die Zielgruppe passen müssen, klingt wie eine Binsenweisheit, wird aber bei der Entwicklung von Reisen oftmals nicht beachtet. Auch muss geprüft werden, ob vor Ort die notwendige Infrastruktur, die Partner und das Know-how vorhanden sind, um die Ansprüche der jeweiligen Zielgruppe zu erfüllen. Auch All-inclusive-Reisen oder konventionelle Leistungen wie der Mietwagen vor Ort können Bestandteile einer ökologisch und sozial verträglichen Reise sein, wenn sie in einen nachhaltigen Rahmen eingepasst werden. Der richtige Preis wird von zahlreichen Faktoren bestimmt, die zudem ständig Veränderungen unterliegen: Welchen Preis ist der Kunde bereit zu zahlen? Bei besonders preissensiblen Zielgruppen können schon kleine Kostenunterschiede über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Was verlangt der Wettbewerber für ähnliche Reisen? Welche Differenzierungen z. B. nach Saison und Auslastung bieten sich an?
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Der Vertrieb ist eine Schwachstelle vieler Anbieter. Der Vertrieb über Reisebüros wird meist von den Großen der Branche dominiert. Die finanziellen Möglichkeiten kleinerer und mittlerer Reiseveranstalter zur Vermarktung nachhaltiger Reiseangebote sind oft zu gering, um Produkte über Reisebüros zu verkaufen und dabei gegen die Konkurrenz, gerade durch Spezialisten, zu bestehen. Durch den Ausbau des Direktvertriebs und durch Kooperationen mehrerer Veranstalter lässt sich dennoch ein erfolgreicher Vertrieb aufbauen. Das Internet eröffnet zudem Anbietern von nachhaltigen Reisen neue Möglichkeiten, ihre Produkte kostengünstig, schnell und in stets aktueller Version zu vermarkten. Wenn der Kunde das Angebot nicht kennt, wird es keinen Erfolg haben. Daher ist eine professionelle Kommunikation notwendig, die sich an den Gewohnheiten und Bedürfnissen der Zielgruppen orientiert. Nachhaltigkeit im Massenmarkt macht eine gute Kommunikation besonders anspruchsvoll, denn sie muss Kunden erreichen, die andere Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen haben als umweltbewusste Urlauber im Nischenmarkt. Dabei gilt: Emotionen entscheiden – Fakten zu Reise und Destination müssen stets mit emotionalen Botschaften und professionellen Fotos ergänzt werden. Marketing für nachhaltigen Tourismus Lange Zeit wuchs der Tourismus quasi von selbst, weshalb ein gezieltes Marketing so gut wie überflüssig war. Diese Zeiten sind lange vorbei. Für touristische Unternehmen ist es heute nicht nur notwendig, sich konsequent am Kunden zu orientieren, sondern auch konkrete Wünsche und Erwartungen zu erkennen und in entsprechenden Angeboten aufzugreifen oder sogar selbst neue Trends zu setzen. Doch wie vermarktet man erfolgreich ein Angebot, das Erholung, Abenteuer oder einzigartige Erlebnisse zu einem akzeptablen Preis verspricht, gleichzeitig aber die Umwelt im Zielgebiet so wenig wie möglich beeinträchtigt und sozialverträglich ist? Diese Frage macht deutlich, dass es Konkurrenzbeziehungen zwischen den traditionellen ökonomischen Zielen eines Unternehmens und denen der Nachhaltigkeit gibt: Bei der Nachhaltigkeit ist ökonomischer Gewinn nur eine von mehreren Säulen, die Hand in Hand mit Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit gehen muss. Die Etablierung neuer Managementstrukturen ist damit eine Grundvoraussetzung, um nachhaltiges Wirtschaften im Tourismus umzusetzen. Zwischen einem modernen nachhaltigen Marketing und einem „grünen Marketing“, wie es in den 80er Jahren verstanden wurde, gibt es einen wesentlichen Unterschied: Im nachhaltigen Marketing werden Entscheidungen nicht nur nach ökologischen Maßstäben, sondern auch auf ökonomischer Basis getroffen. Um Erfolg zu haben, müssen Unternehmen jedoch zunehmend andere Interessen als rein ökonomische berücksichtigen. Für die nachhaltigere Gestaltung von touristischen Angeboten im Massenmarkt steht die Strategie „Upgrading Conventionals“ im Mittelpunkt – also die Anhebung des ökologischen Mindeststandards von Reiseangeboten im konventionellen Massenmarkt. Unbestritten ist, dass ein professionelles Marketing, das konsequent definierte Zielgruppen anspricht, für große Reiseveranstalter leichter möglich ist als für klei-
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ne und mittlere Unternehmen – die Großen in der Branche haben ihr Marketing meist schon in der Vergangenheit entsprechend ausgerichtet. Die Erkenntnisse aus INVENT sind aber auch für Spezialanbieter von Interesse, um für besonders aufgeschlossene Kunden wie Kulturreisende und Natur-Urlauber neue Märkte jenseits der Öko-Nische zu öffnen. Für den Deutschlandtourismus freilich bleibt die Zielgruppenorientierung eine große Herausforderung. Anbieter in diesem Marktsektor schöpfen die Potenziale einer gezielten Ansprache von Kunden bisher meist nur unzureichend aus. Erste Praxiserfahrungen Dass die Erkenntnisse des INVENT-Projektes keine graue Theorie sind, zeigen die Umsetzungsbeispiele. Partner wie die AMEROPA-REISEN GmbH und die Deutsche Bahn AG haben auf Basis der Erkenntnisse zielgruppenspezifische Reiseangebote für die Destination Mecklenburg-Vorpommern entwickelt und vermarkten diese über Reisebüros und Internet. Der Tourismusverband Rügen hat entsprechende Pauschalangebote für Naturerlebnisreisen entwickelt und selbst vermarktet. JAHN REISEN, eine Tochter der LTU-Touristik GmbH, hat zwei Rundreisen in der Dominikanische Republik seit der Wintersaison 2006/2007 im Programm. Allerdings ist das Echo aus dem Markt sehr unterschiedlich: Während die Angebote der Bahn auf reges Interesse stoßen, war die Nachfrage bei AMEROPAREISEN und JAHN REISEN eher gering. Das bedeutet nicht, dass die Reiseangebote am Markt vorbei entwickelt wurden oder die Ergebnisse von INVENT nicht praktikabel sind. Denn die durchgeführten Gruppendiskussionen zeigten, dass die entwickelten Angebote auf großes Interesse bei den jeweiligen Zielgruppen stoßen. Es unterstreicht vielmehr, wie bedeutend eine professionelle und intensive Kundenansprache und Kommunikation ist. Nur dann haben neue Angebote Chancen, nur dann werden sie in der Fülle des touristischen Angebotes überhaupt wahrgenommen. Ohne begleitende Kommunikation und Werbung sind nachhaltige Angebote zwar gut gemeint, sie kommen am Markt aber nie wirklich an. Ausblick Nachhaltigkeit im Massenmarkt ist nicht nur denkbar, sondern auch praktikabel. Im Rahmen von INVENT konnten hierzu wichtige Anstöße gegeben werden. Was folgen muss, ist eine breite Umsetzung. Durch die Zusammenarbeit aller wirtschaftlichen Akteure – Reiseveranstalter, Branchenverbände und Leistungsträger wie Verkehrsunternehmen, Hotels, Gaststätten und touristische Dienstleister – können bestehende Hürden überwunden werden. Die vorliegenden Ergebnisse möchten dazu motivieren, informieren und zu Kooperationen anregen. INVENT konnte nur einen Teil der Fragen und Aspekte beleuchten und beantworten. Es besteht weiterer Forschungsbedarf beispielsweise in der Frage, welche Chancen die Digitalisierung der Gesellschaft und die rasante Verbreitung des Internets für Entwicklung und Vermarktung neuer Reiseangebote eröffnen. Auch ist eine wichtige Frage, wie große Kundenkreise auf möglichst direktem und preis-
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wertem Weg angesprochen und über neue Reisen informiert werden können. Nicht zuletzt hat INVENT gezeigt, wie wichtig Kooperationen sind – Kooperationen zwischen großen und kleinen, zwischen konventionellen und nachhaltigen Anbietern, Kooperationen von global agierenden Konzernen mit kundigen touristischen Akteuren und Verbänden vor Ort, nicht zuletzt auch Kooperationen zu einem bestimmten Zweck, beispielsweise zur Bündelung von Vertriebswegen oder von Finanzmitteln für das kostenintensive Marketing. INVENT zeigte aber auch, dass selbst große Reiseveranstalter nicht alles beeinflussen oder steuern können. Sind beispielsweise die Hotels in der Hand von ausländischen Großinvestoren, für die kurzfristiger Gewinn im Vordergrund steht, können ökologische Maßnahmen nur schwer umgesetzt werden. Wie die touristischen Wertschöpfungsketten unternehmensübergreifend nachhaltig gestaltet werden können, wird daher in weiteren Forschungsarbeiten zu klären sein. Zudem wurde das INVENT-Zielgruppenmodell bisher in keinem anderen europäischen Land nachgeahmt. Ein europaweites Modell wäre aber hilfreich bei Diskussionen um einen weltweit nachhaltigeren Tourismus. Deutschland ist zwar für viele außereuropäische Länder eine wichtige Quellregion, der Marktanteil von Urlaubern aus Deutschland am Gesamttourismus ist aber meist gering. Voraussetzung für einen nachhaltigen Tourismus ist daher die Frage, welche Ansprüche und Erwartungen Touristen aus anderen europäischen Ländern haben. Der Reisemarkt ist in Bewegung und bleibt in Bewegung. Nachhaltigeres Reisen wird an Bedeutung gewinnen: Die steigenden Treibhausgase des internationalen Flugverkehrs sind als Klimaproblem längst auf der Agenda der deutschen und europäischen Politik angekommen. In vielen Destinationen regt sich Widerstand der einheimischen Bevölkerung, die nur selten in angemessener Weise vom Tourismus profitiert. Nicht zuletzt wächst bei den großen konventionellen Anbietern und Veranstaltern die Einsicht, dass nicht ein breites Angebot und aufwändiges Marketing die wesentliche Grundlage für weiterhin gute Geschäfte bilden. Sondern es sind die natürlichen Ressourcen, intakte Ökosysteme, saubere Gewässer, Artenvielfalt, Gastfreundschaft und faire Partizipation der Zielländer, ohne die weder Massentourismus noch Spezialreisen langfristig gesehen eine Zukunft haben.
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