BEITRÄGE ZUR KENNTNIS SÜDOSTEUROPAS UND DES
NAHEN ORIENTS Begründet von RU DO LF TROFEN IK
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BEITRÄGE ZUR KENNTNIS SÜDOSTEUROPAS UND DES
NAHEN ORIENTS Begründet von RU DO LF TROFEN IK
Mitherausgegeben von P. BARTL, München M. CAMAJ, München G. G RIM M , München E. HÖSCH, München L. KRETZENBACHER, München G. STADTMÜLLER, München G. VALENTIN1, Palermo W. WÜNSCH, Graz
H.G. BECK, München M. BERNATH, Berlin H. GLASSL, München J. HOLTHUSEN, München H.J. KISSLING, München J. SCHÜTZ, Erlangen E. TURCZYNSKI, Bochum E. VÖLKL, Regensburg
t E. KOLIQI t A. SCHMAUS
XX III. BAND
R
DR. DR. RUDOLF TROFENIK · MÜNCHEN 1977
UNTERSUCHUNGEN ZUM STATUS DER NICHTMUSLIME IM OSMANISCHEN REICH DES 16. JAHRHUNDERTS MIT EINER NEUDEFINITION DES BEGRIFFES “D IM M A ".
VON
KARL BIN SW AN GER
DR. DR. RUDOLF TROFENIK · MÜNCHEN 1977
ISBN 3-87828-108-0 © 1977 by Dr. Dr. Rudolf Trofenik Druck: Strauss & Cramer GmbH, 6945 Hirschberg II
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I
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VORWORT In der vorliegenden Arbeit, die von der Universität München als Dissertation angenommen wurde, wird der Status der Nichtmuslime im Osmanisehen Reich des 16. Jahrhunderts untersucht hinsichtlich der Art von Koexi stenz, in welcher in diesem Staat Muslime, Christen und Juden miteinander und nebeneinander lebten. Besonderes Augenmerk wird der Frage gewidmet, inwiefern das zugrun de liegende "Rechtsverhältnis", die D i ηn a, wirklich eine Koexistenzfornel darstellt, beziehungsweise, wodurch dieser ein integrierender Effekt zukommt·. Rechtliche Grundlagen und Alltagspraxis werden dabei als einander ebenbürtige Forschungsbereiche behandelt. Als Quellen dienten europäische Reiseberichte des 16. Jahrhunderts, publiziertes und unpubliziertes Archivmaterial, besonders Protokollbüoher von Kadis und sultanisehe Erlasse, sewie Sammlungen von Kechtsgutachten (Fetwas); kleinere Lücken in den Primerquellen wurden durch orientalistisehc Sekundärliteratur ausge glichen. Ausser meinem Lehrer, Herrn Prcf. Dr. Hans-Joachim Kissling, durch dessen Vorlesungen und Arbeiten ich auf einen Widerspruch dos herkömmlichen Dinina-Begriffes aufmerksam wurde, und der diese Studie anregte, habe ich zahlreichen Personen und Institutionen zu danken: Der türkischen Regierung und dem Deutschen Akademi schen Austauschdienst für ein ForschungsStipendium zu mehrmonatiger Archivarbeit in der Türkei; dem Institut Français d ’ Archeologie d'Istanbul, besonders seinem damaligen Direktor, Prof. Dr. λ. Larochs, für die lie-
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benswürdige Beherbergung. Den Leitern und Angestellten der folgenden Archive und Bibliotheken danke ich für zahlreiche Hilfen, und auch für Arbeitsgenehmigungen: Ankara: Etnografya Müzesi; Istanbul: Başvekalet Ar şivi, Müftülük Arşivi; London: British Museum; Mont pellier: Bibliotheaue Interuniversitaire, Section Medeeine; München: Bayerische Staatsbibliothek; Ulm: Stadt archiv und -bibliothek. Für bibliographische Hinweise und wertvolle Anre gungen sei "besonders gedankt: Bedriye Atsız, Dr. Klaus Kreiser, Dr. Eberhard Krüger (der auch die Titelvignette zeichnete), Dr. Hans-Georg Majer (alle in München), Dr. Erich Prokosch (Wien), Prof. Dr. Maxime Rodinson (Paris). Ich befürchte, dass diese Arbeit - besonders aber die Keudefinition der Dinuna - nicht zuletzt wegen der Brisanz der Thematik von der Fachwelt ignoriert werden wird. Besonderer Dank gebührt deshalb Herrn Dr. Dr. Ru dolf Trofenik (München), dessen verlegerischer Mut und Engagement für die Erforschung des Haben Ostens es er möglichten, diese vielleicht unbequeme Arbeit der Öffent lichkeit zugänglich zu machen. Ich widme die Arbeit meiner Frau Heidemarie, der die lange Zeit meiner Forschungen nicht nur materielle, son dern vor allem ideelle Opfer abverlangte, die sie mit bewundernswerter Geduld und liebevollem Verständnis er brachte. Diesen Tribut zollte sie nicht mir allein, son dern auch dem Fortschritt der Wissenschaft. Karl Binswanger
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INHALTSVERZEICHNIS VORWORT..........................................
I
INHALTSVERZEICHNIS............................. III EINLEITUNG....................................... 1 1. Dirnna und Koexistenz 2. Bemerkungen zur Terminologie............. .
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3. Die §urut ad-Dirrjna........................... 26 Grundlegende "Rechte und Pflichten"......... Ergänzungen zum sozialen und wirt schaftlichen Bereich......................... Auflagen, um den Muslimen kein Ärgernis zu geben............................ Kriegsrechtlich erklärbare Bestimmungen..... Gründe, die zur Auflösung der Dimma führen...
27 30 32
35 36
ERSTES KAPITEL: WAS LEISTEW DIE DIMMA-BBSTIMMUHCEH FÜR DIE INTEGRATION DER DIMM1S ? ...............
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Vorbemerkung 1. Geographische Integrität der Himmi-Gemeinde.................................. 42 2. Die "Kirchenpolitik" der Osman en............ 64 Verbot des Kirchenneubaus Das "Verschwinden" von Kirchen........... . 69 Schleifen/Schliessen/Umwandeln von Kirchen.................................. 70 Vorbemerkungen Las Scbliessen von Kirchen............... 95 Umwandlung von Kirchen zu Pro f a n ba u t e n . - 99 Umwandlung von Kirchen zu Moscheen....... 100 Das Beispiel des Zionsklosters........ 104 Kirchenteilurig........................... 112
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Kirchenorsatz........................... Das los der verbliebenen Kirchen kultische Beschränkungen...................
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"Stille" Messen.......................... 119 Prozessionen und Beerdigungen........... 124 3. Anhang: Kirchenpolitik und Verlust der geo graphischen Integrität am Beispiel Galatas.... 128 4. Die "Autonomie" der üimmls................. .147 Allgemeines Die Gerichtsbarkeit der Dimmis............. .150 Die "Dorfrichter"............................156 5. Die diskriminierenden Massnahmen...........
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Vorbemerkung Die Kleiderordnung im Osmanischen Seich im 16. Jahrhundert...................
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Kleiderordnung und Integration............. 186 Andere diskriminierende Massnahmen......... 193 6. Zusammenfassung............................. 200 ZWEITES KAPITEL: DIE SOZIALE UMWELT DER DIMMIS..................................... 208 Vorbemerkung 1. Direkt aus den Dimma-Bestimmungen ableitbare Faktoren und Handlungsmuster im sozialen Alltag......................................... 209 Beherbergung und Bewirtung von Muslimen Die Reverenzpflicht......................... 217 2. Faktoren und Handlungsmuster, die Implikation und Ausdruck des inferioren Status der Dimmis sind................................ 223
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Vorbemerkung Die Dimriis als Ärgernis.................... Dincnophobe Verhaltensweisen................
225 229
Verschiedene Aspekte Hilfe beim Strafvollzug.................
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"Verehrung"..............................
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Dimma und die Bergpredigt.................. 250 Das Nachbarschaftsverhältnis der Muslime und Dimmis.......................... 262 DRITTES KAPITEL: PH0SELYT3NMACHRREI........... .272 Vorbemerkung "Zwangs bekeh rung "............... ............273 1. Konversion von Dimmis........................274 Allgemeines Spezielle Konversionsmotive................ .276 Religiöse Überzeugung Flucht vor Bestrafung................... .277 Konversion als "Nachfolgetat"........... .281 Versuchung zur Konversion - eine Typologie................................... 283 Religiöser Disput....................... 284 Nachsprechen der Sahäda................. 286 Moscheebesuch............................
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Tragen des weissen Turbans.............. Das Beispiel Scklins................. Unzucht mit einer Muslimin..............
290 292 296
Das Beispiel Krafft-s................. 301 Begleitende Massnahmen...................... 307 Die Lauterkeit der Konversion.............. 308 Zwangsbeschnoidungen........................ 310
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2. Konversion von Kriegsgefangenen und Sklaven........................................ 311 Allgemeines Konversion in Anschluss an die Gefangennahme................................312 Verschiedene Methoden der Proselytenmacherei unter Kriegsgefangenen und Sklaven......... 314 VIERTES KAPITEL: "ΠΥΛΑΙΑ"....................
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FÜNFTES KAPITEL: NEPDEFINITIOK DES BEGRIFFES "DIMMA"........................................ 326 Nachtrag zum Devşirme.......................... 354 NACHWORT....................................... 366 Retardierende Faktoren..................... 367 Eingebürgerte Missverständnisse, Fehlinter pretationen und Denkfehler........ .'........ 370 BIBLIOGRAPHIE.................................. 40? ABKÜRZUNGEN.................................... 418
EINLEITUNG lo Diama und Koexistenz Der Artikel "Dhimma" von C. CAHEN in EI^ definiert: "DHIMMA, the term used to designate the sort of indefinitely renewed contract through which the Muslim ccmmunity accords hospitality and protection to members of other revealed religions, on condition of their acknowledging the domination of Islam." Sieht man von der speziellen Nuance ab, die CAHEN dem Terminus Dimma verleiht, indem er von ihr als "hospitality”spricht, so können wir sagen: die Dimma ist der das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmus limen, vorab Schriftbesitzem, regelnde Vertrag, bzw. das diesbezügliche Vertragsverhältnis. Allgemeiner aus gedrückt: Dimma regelt eine spezielle Form von Koexi stenz oder Kohabitation bestimmter Gruppen. Um diese spezielle Form von Koexistenz zu definie ren scheint es angebracht, zuerst über verschiedene Arten von Koexistenz zu sprechen, wie sie denkbar und aus der Geschichte bekannt sind. Dabei sind grundsätz lich zwei Fragen zu untersuchen: - Was unterscheidet die Gruppen? - In welchem Bereich und wodurch wird Koexistenz erzielt? Die die Gruppen trennenden Faktoren können überwind bar, aber auch unüberwindbar sein. Überwindbar sind Faktoren aus dem Bereich von Sprache, Kleidung, Reli gion etc., Faktoren also, die man als "äusserlich" klassifizieren kann. Unüberwindbar sind Faktoren aus dem biologischen Bereich, etwa "Rasse". Ein Jude kann
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Christ werden, ein Neger aber nicht zu einem Weissen» In Gesellschaften, wo die unterscheidenden Faktoren keine Bolle für die Koexistenz spielen, dieser nicht entgegen stehen, kann Koexistenz stattfinden unter der vollen Beibehaltung der unterscheidenden Faktoren, So kann beispielsweise ein Protestant mit einem Katholiken Geschäfte abschliessen, unter einem Dach wohnen, ge meinsam eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten eingehen, ohne dass einer der Beteiligten sein Bekenntnis aufgeben müsste. Dasselbe gilt für "Mischehen". Möglich ist diese Form allerdings nur in solchen Be reichen, wo das Unterscheidungskriterium (Discrimen) irrelevant ist. So kann zwar heute in der Bundesrepu
blik ein Jude einen vollgültigen Kaufvertrag Bit einem Katholiken abschliessen, aber er kann, nicht Taufpate für das Kind seines Geschäftsfreundes sein: hier steht der andere Glaube entgegen. Wir kennen allerdings auch Gesellschaften oder Kul turen, bei denen das Discrimen auch in Bereichen hin dernd wirkt, die nicht in der Natur des Discrimen selbst liegen. Dies kann sich auf der gesellschaftlichen Ebene etwa als Ehehinderungsgrund auswirken, im wirtschaft lichen Bereich in der Ungültigkeit von Kaufverträgen zwischen Partnern unterschiedlichen Bekenntnisses, letztlich auch in der Frage des Bürgerrechts, das ja keineswegs ein Ausfluss des nationalstaatlichen Kon zepts ist. Wenn es nun konfessionell unterschiedliche Gruppen in einer politischen Einheit gibt, so sind innerhalb dieser Einheit grundsätzlich zwei Modelle von Koexi-
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stenz möglich: a) Die beiden (oder mehreren) Gruppen leben in fast allen Bereichen getrennt voneinander, und haben gemein sam nur gewisse Verpflichtungen gegenüber dem Ganzen, etwa Steuerzahlung, Militärdienst und dergleichen. b) Sine der Gruppen gleicht sich der anderen an, sei es teilweise oder ganz. Die Gruppe, der man sich angleicht, ist erfahrungsgemäss die dominierende; ob diese rein quantitativ dominiert, also die Mehrheit ist, oder etwa kulturell, ist eine Frage von sekundärer Be deutung» Im Augenblick soll uns nur die Art der An gleichung interessieren. Gleicht sich die Minderheit der Mehrheit nur äusserlich an, so sprechen wir von Assimilation; sie kann da bei das wesentliche Discrimen beibehalten. So glichen sich etwa die europäischen Juden in ihrer Kleidung der christlichen Mehrheit an, ohne freilich ihren Glauben aufzugeben. Geht die Minderheit jedoch in der Mehrheit auf, so sprechen wir von Integration (1). Das ist der Fall, wenn das Discrimen aufgegeben wird. Ist dieses der Glaube, dann geschieht Integration durch Konversion. Damit erledigt sich die Frage nach Koexistenz zweier Gruppen von selbst. Wir werden diese Definitionen beibehalten. Die Erfahrung zeigt, dass Gruppen unter Beibehaltung des Discrimen auf längere Zeit in der gleichen poli tischen Einheit nur schlecht miteinander auskommen. (1) Wir betonen diesen definitorischen Unterschied auch deshalb, weil die ältere deutsche Sprache und auch die Umgangssprache beide Begriffe gleichsetzen.
Dies beruht vorab auf psychologischen und soziologischen Faktoren, die wir hier nicht untersuchen können. Beson ders aber dann, wenn eine der Gruppen zur Minorität wird - sei es rein numerisch, sei es von ihrer poli tischen und/oder kulturellen Bedeutung her - neigt die andere, mehrheitliche Gruppe zu einer feindlichen Hal tung. Cum grano salis können wir im Falle der Lirnmls von Xenophobie sprechen, da sie im Dar al-Islam kein "Bürgerrecht" besitzen, wovon noch die Rede sein wird. Der Dimrai ist aber auch im sozialen Bereich der "Andere” schlechthin, ist Aussenseiter, und damit per se Objekt einer latenten Xenophobie. In einer Atmosphäre ständiger Spannung kann Koexi stenz nur noch mit Einschränkungen stattfinden. Denk bare Lösungen wären etwa ''Ghettobildung" (wir verwenden das Wort im wertfreien, nicht diskriminierenden Sinne), oder aber Assimilation in den für funktionierende Ko existenz relevanten Bereichen. Mit dieser Lösung ist ein Zusammenleben unterschiedlicher Gruppen auch über einen sehr langen Zeitraum möglich. Es kann erheblich er leichtert werden, wenn die Minderheit sich möglichst wenig in ihrem Benehmen von der Mehrheit unterscheidet, wenn sie sich also assimiliert, ohne sich deshalb gleich zu integrieren (1). Was nun den Faktor Zeit in unserem Falle betrifft, so hat die Orientalistik bisher die Koexistenz von (1) Man darf nicht vergessen, dass die uns hier inter essierende Zeit ja nicht jenes nationalstaatliche Kon zept kannte, welches heute für kleine und kleinste kulturell definierte Gruppen die Forderung nach einem eigenen Staat rechtfertigt.
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Muslimen und Dimmis als zeitlich unbegrenzt darge stellt. Man stützt sich dabei auf jene Koranstelle, die als Grundlage der Dimma gilt: "Kämpft gegen sie, bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten" (Q IX 29). Dass die Dimma als Vertrag ohne zeitliche Begrenzung gegeben wird, erhellt aus den Texten, wo eine solche Bestimmung eben fehlt. Die o.a. Koranstelle wird dahin gehend gedeutet, dass mit der Tributzahlung der Krieg beendet ist (1). Nachdem die Dimmis aber im islamischen Herrschaftsgebiet (Dar al-Islam) wohnen, stellt sich die Frage nach der Form ihrer Koexistenz mit den Mus limen. Die Orientalistik stellt diese ausdrücklich als ad infinitum konzipiert dar - was eine andere Aussage ist, als die, dass die Vertragstexte keine zeitliche Begrenzung und Geltungsdauer nennen (2)! Dies würde dann eine Integration der Dimmis aussehliessen, ja, man hat den Eindruck, als sei Dimma .die Rechtsgrundlage, auf der jedem von muslimischer Seite ausgehenden Integrations versuch gewehrt werden kann. Als Begründung dieser Inter pretationen werden jene Punkte aus den Dimma-Verträgen angegeben, die den Nichtmuslimen Religionsfreiheit gegen (1) So etwa CAHEN, Art, Dhimma in EI^: "'Fight those who do not believe...until they pay the djizya...’ which would imply that after they had come to pay there was no longer reason for fighting them." (2) Vgl. aber KISSLING, Hans-Joachim: Rechtsproblematiken in den christlich-muslimischen Beziehungen, voraE~im ZeıfâTfer~
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Tributzahlung einräumen. Kein Di.mmi darf zum Islam "gezwungen" werden. Inwiefern ist innerhalb dieser Koexistenz eine Assimilation möglich? Auf diese rein äusserliehe An gleichung gehen wir im Abschnitt über die diskriminie renden Massnahmen näher ein, können aber schon voraus nehmen, dass es den Limmîs regelrecht verboten war, den Muslimen äusserlich zu ähneln. Hier soi aber schon darauf hingewiesen, dass Assimilation ein neutralisierender Faktor sein kann, weil dadurch der Angehörige einer "Minderheit" nicht sofort als "der Andere" erkannt wird. Andernfalls fände eine latente Xenophobie stets neue Nahrung. CAH5N legt in seinem erv,-ahnten Artikel die histo rische Entwicklung sehr anschaulich dar. Zusammen fassend zeigt sich für die Frage nach der Integration von Dimmis dabei folgendes Bild: Solange die Muslime in einem, neu eroberten Land zahlenmässig in der Piinderhcit sind, ist ein relativ ungetrübtes Zusammenleben mit den Dimmis nachweisbar - und freilich auch zwangsläufig. Mit dem Erstarken des Islam geht eine dimml-feindliche, diskriminierende Politik parallel, und das weitere Erstarken des Islam führt zur Reduktion, mitunter auch zum Erlöschen ganzer DimmT-Geiae inden. Diese Entwicklungen sind aber nicht nur zeitlich parallel, sondern sie stehen in einem Kausalzusammenhang - wie sich noch zeigen wird. Es ist aber seltsam, wenn CAHEN - nachdem er den geschilderten Ablauf schon als Typus schilderte - die arabische Ge schichte verlassend sagt: "...the constitution of the
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Ottornan empire restored - albeit without modifying the Situation in other Islamic countries - the spectacle of an Islamo-dhimmî symbiosis.. Die von allen islamischen Herrschern der arabischen Geschichte ab dem 3« bzw. 4. Jahrhundert der Higra ein genommene feindliche Haltung gegenüber den ßimmis führt CAHEN ausschliesslich auf aussenpolitische Ereignisse zurück: einmal sind es die Kreuzfahrer, einmal die spanische Reconquista, dann die Handelskonkurrenz durch die Franken im Mittelmeer, und für dag spätere Osmanische Reich sind es die Unabhängigkeitsbestrebungen der Balkan völker, die zu einer repressiven Dimml-Politik führten. Eine direkte Beziehung könnte man natürlich nur im letzten Falle sehen; hierin aber läge auch der Beweis dafür, dass den Balkanvölkern an der "hospitality" der Osmanen wenig gelegen war.,. Wenn wir nun die erwähnte Entwicklung betrachten, die sich geradezu stereotyp in allen grösseren islamischen Staaten vorfolgen lässt, so müssen wir fragen, ob es nicht einen Kausalzusammenhang zwischen Erstarken des Islam, Repression und Integration der Dimmis gibt. Mit der Begründung, der klassische Islam habe keine Pogrome gekannt (was schlichtweg nicht stimmt!), schreibt· CAHEN das Verschwinden der Kategorie Dimmi aus bestimmten Ge genden Faktoren zu, die "essentially social" seien, und die deshalb in einem Artikel über Dimma nicht diskutiert werden sollen. Wenn nun aber soziale Faktoren zur Auflösung von Diimnl-Gemeinschaften führten, dann können doch diese Faktoren nur im sozialen Bereich der Betroffenen gesucht
werden. Just dieser Bereich aber ist durch die Dimma geregelt! Folglich muss man untersuchen, ob und inwie fern die Dimia als Bezugsrahmen eine Integration der Dimmis ermöglicht oder gar erzwingt (1). Wir werden deshalb im ersten Kapitel dieser Arbeit konkret untersuchen, was die Dimma-Bestimmungen für die Integration der Dimmis leisten. 2. Bemerkungen zur Terminologie Es soll hier vorausgenommen werden, dass es "die Dimma" schlechthin eigentlich nicht gibt, da sich die konkreten Verträge (zumindest die der Frühzeit des Islam) zu sehr voneinander unterscheiden; auch die dieser Problematik gewidmeten Kapitel in den Werken der f υ q a h ä 3 zeigen kein ganz einheitliches Bild. Wir brauchen aber die innerislamische Diskussion hier nicht darzustellen, das hat A. FATTAL (2) hinreichend getan. Für die diversen Termini, die von der Orientalistik bei der Behandlung des Problembereichs "Dimma'’verwendet werden - und die zum Teil tatsächlich auf muslimische Autoren zurückgehen - wollen wir keine Stellennachweise geben, da sich diese ebenfalls in FATTAL’ s profundem Werk finden. Wir setzen uns deshalb hier nur mit den wichtigsten Termini auseinander. (1) Dass sich die Orientalistik dazu bisher negativ geäussert hat, hängt offensichtlich mit der Wissenschafts geschichte zusammen; als Argument zur Wahrheitsfindung kann dies freilich nicht dienen. (2) FATTAL, Antoine: Le statut legal des non-musulmans en pays d ’ Islam. BeiruÎT9557
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In Zusammenhang mit Dimma "bzw. Dimml tauchen immer wieder die Begriffe "Duldung" und "Toleranz" auf. Den Terminus "Duldung" lehnen wir ab, weil er im deutschen Sprachgebrauch spezifisch christliche Werte impliziert, die sich auf das islamische Recht keinesfalls anwenden lassen. Das romanische Äquivalent "Toleranz" wird von Orientalisten am häufigsten gebraucht, um die Einstellung des Islam zu den Dimmis zu bezeichnen CD· Wir werden in der Folge diesen Begriff an einigen Kernpunkten hin terfragen, und ihn bis dahin nur apostrophiert anführen. Dass die Orientalistik diesen Terminus so gerne ge braucht, hängt wie gesagt, wohl mit der Wissenschafts geschichte zusammen, doch können wir diese Frage hier nicht untersuchen. Vermutlich ist der Gebrauch von "Toleranz" in diesem Zusammenhang entstanden aus einer Gegenreaktion der Orientalistik auf die landläufige (1) Auch Muslinie nennen den Islam gerne tolerant, so etwa in einem Leitartikel des "Teheran Economist" (English Supplement, Kr. 1127 vom 177ITI97577-T,IlTis the classic fountainhead of tolerance and understanding." Oder, als älteres Zeugnis; AHMED ΒΙΖΑ: Toleranco musulmane. Paris MDCCCLXCVII (sic! etwa 18977, S. 15: "On voit donc que les successeurs de Mahomet ont preche et pratique l ’ humanitfe et la tolerance dans la plus large mesure"; S. 17: "L*intolerance est donc conpletement etrangere au principe islamique"; S. 20: "Nulle part et â aucune epoque une plus large tolerance ne fut mise au service des granäes idees direetives de l ’ Huitiar.ite"; In diesen Fällen hande-!t es sich deutlich um Übernahme von Positionen abendländischer Gelehrter. So zitiert denn_der Jungtürke A. RIZA auch (unter vielen anderen) ROBJiB'fSON: "Les Musulmans sont Ics seuls enthousiastes, qui aient· uni 1 ’ esprit de tolerance avec le zele du proselytisne". Unser Autor hier sagt (S. 30) ganz deut lich, dass es irr- Islam keine Toleranz christlicher De finition gibt: "La tolerance et la patiencc ont leurs
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Meinung, die dem Islaai Fanatismus und Bekehrung mit Feuer und Schwert "unterstellt" (1). natürlich konnte sich die Orientalistik dann nur mit. der gegenteiliger. Behauptung "interessant machen". Auch mag eine gewisse Fachverliebtheit einiger Forscher dabei mitspielen, das soll uns hier nicht boschäftigen. Bedenklich aber wird die Fachverliebtheit, wenn sie zu nachweisbar absicht lichen Verfälschungen und Auslassungen führ4,. Die neutralste Formulierung für die Einstellung dos Islam zu den Dimmis findet sich bei RANKE: "Kit ihrem Ch&raz,.. .mit- dem sie das itecht zü EEIH erkauften..." (2). Diese Fo r:tm1 ze rung ist frei von jenen Ixpl ik a tionen, liniies; le code musulman. n ’ ordonne pas de tc-ndre 1 ’ aut-re joue â celui qui vous soufflete." (1) Noch in der neuesten Literatur ist dieses Phänomen anautreffen: um der stereotypen und übertriebenen Vor stellung von den Osrnanen als brennenden und sengenden asiatischen Heiterhorden zu begegnen, fällt mancher For scher ins andere Extrem, gelangt zu einer "idealisierten Verklärung der 'Barbaren’ " (KREISER), stellt, die Osmanen als edelmütig, von Toleranz und Sorge um das Wohlergehen der Dimmis besorgte, kaum wahrnehmbare Staatsmacht dar, die das nationale Überleben (vgl. oben 3. 4 Anm. (I)!} der Dimiius nicht nur gewährleistet, sondern auch noch fördert. So übersieht KALESHI, dass die Bewahrung der ethnischen und nationalen (!) Existenz der Albaner nicht auf osmanische Toleranz, sondern auf Integration zurück geht - beabsichtigt war der heute konstatierbare Effekt sicher nichtj vgl. KALESHI, Hasan: Das türkische Vor dringen auf dem Balkan und die Islamisierung - Faktoren fÜ£_dİ£-2rhaltung_der_ethnisçhen_und_nationaleri_Exiştenz ä§ä_albani3chen_Vo!keSi In: Südosteuropa unter dem Halb mond "(Festschrift für Ğ. Stadtmüller) München 1975, S. 125-138. (Beiträge zur Kenntnis Südosteuropas und des Nahen Orients XVI.) (2) RANKE, Leopold: Eie Osmanen und die spanische Monarçhie. 3. Aufl. Berlin 1857, S. 2? f.
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die auch dem Terminus "Toleranz" bei näherer Betrachtung einen christlichen Beigeschmack geben. Aber hier wird das Augenmerk von der "Duldung”des Kultus auf die der Anwesenheit gelenkt. Freilich ist letztere die Voraus setzung für die erste, aber sie ist keineswegs selbst verständlich, da die Cinanîs in Dar al-Isläm nicht nur kein Bürgerrecht haben, sondern auch ins Dar al-^arb ausgewiesen werden können, sofern die Dimma aufgefasst wird als "protoctorat d ’ exploitation qui prend fin sitet qu'il n'ost plus rentable” (1). Diese Problematik führt uns zurück zur eingangs an geführten Interpretation von Dirnna als Gastfreundschaft,, womit CAHEN nicht alleine steht, da GARDE? und MASSIGNON in der Ditrjaa einen Ausfluss des arabischen Gastrechts sehen: "Les Dimıaîs ne seraient pas des ’ citoyens de 3 ec0r.de zone’ou des proteges, mais des hStes permanente; ot il est normal et r.ece3 saire que l ’ hote ne participe qu’ avec discretion, en sachant roster â sa place, â la vic in time de la famille qui le reçoit" (2). Diese "discretion" sollte dann jene Massnahmen rechtfertigen, die wir als diskriminierend auffassen, weil sie den Diinmi in eine untergeordnete Stellung zwingen. Von der "Teilnahme am Familienleben" wird später noch die Rede sein, hier geht es uns nur um das Konzept der Gastfreundschaft« FATTAL selbst weist darauf hin, dass sich diese Interpretation keineswegs aus den Fiqh-Werken ableiten lässt, da die f u q a h ä 11 die Rollen (1) FATTAL Statut S. 33. Dieses Prinzip, von Ibn Tal mi yya ausdrücklich formuliert, war der Praxis des früher. Islam durchaus geläufig; vgl. a.a.O. 3. 310 ff. (2) a.a.O. S. 76.
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von "Gast" und "Gastgeber" just anders sehen: "Ce sont, au contraire, les ressortissants des pays conquis qui ont offert l’ hospitalitc aux conquerants; la plupart des traitcs le reconnaissent expressement qui nettent â la charge des Dimmis 1 ’ Obligation d ’ heberger les Musulmans et de leur donner asile" (1). Dass die Unterworfenen die Muslime nicht gerade ein geladen hatten, steht ausser Frage. Und so stellt denn FATTAL gleich in Anschluss an die euphemistische Inter pretation richtig: "La Dimma, en definitive, est une formule originale d ’ expansion et de sujetion". Dass sie darüberhinaus in staats- und völkerrechtlicher Hinsicht schlichtweg eine Kapitulation darstellt, ergibt sich daraus, dass sie ein Ergebnis des öihad ist, und dass jeder einzelne Dimml, der die Vertragsbestimmungen bricht, sich mit der muslimischen Gemeinschaft in Kriegszustand befindet, seines Status verlustig geht. Der Normalfall des Dimmi ist ja keineswegs der nach 1492 aus Spanien vertriebene Jude, der in Izmir oder Istanbul "Asyl" findet, sondern der jüdische oder christ liche Ureinwohner jener Länder, die von den muslimischen Heerscharen besetzt wurden. In diesem Zusammenhang von Gastfreundschaft zu sprechen, ist ebenso verfehlt, als wenn man bestimmte Ereignisse unseres Jahrhunderts als "Befreiung" hinstollt. Die subjektive Einstellung ein zelner Individuen mag eine solche Deutung mitunter zwar durchaus belegen, der Vorgang selbst hat dennoch andere Ursachen. Die islamische Expansion aller Zeiten geht weder auf eine freundliche Einladung der späteren Dinunîs zurück, noch gar darauf, dass die Araber ihrerseits für (1} FAT7AL Statut S. 76.
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ihre sprichwörtliche Gastfreundschaft ein breiteres Be tätigungsfeld gesucht hätten. "Hospitality”kann daher nur als Euphemismus betrachtet werden. Wir sind aller dings bereit, den Terminus dann beizubehalten, wenn wir - in Analogie zu Ion Taimiyya’ s Ausbeutungsprotektorat den Typus einer Gastlichkeit ansetzen, wie ihn Hestaurationsbetriebe proklamieren: auch dort verliert man das Gastrecht, wenn es für den "Gastgeber" unrentabel wird: bei Zahlungsunfähigkeit erfolgt "Ausweisung". Dimma wird aber auch stets als (militärischer) Schutz betrachtet, den der Islam den Unterworfenen gegen äussere Feinde garantiert. Im frühen Islam wurde dieser Schutz tatsächlich geleistet; er war auch später noch wirksam, doch erstreckte er sich ja nicht ausschliess lich auf Dimmis: ein muslimischer Stadtkommandant- etwa hat doch im Belagerungsfall keine Veranlassung, sich erst nach Schutzbefohlenen Dimmis umzusehen, sondern er verteidigt die Stadt aus rein islamischem Interesse! Die Schutzfunktion der Dimma wird gerne mit einem leicht moralisierenden 'Jnterton - offenbar weil der Europäer ein schlechtes Gewissen wegen der eigenen "Minoritätenpolitik" (1) hat - als ethisch wertvoll dargestellt. Das ist sie, unter einem bestimmten Aspekt, sicher. Doch ist hier Ethik weder die treibende Kraft, noch ist erhoffter Paradiescslohn die Grundlage, und schon gar nicht eine universalistische Nächstenliebe, wie sie etwa Schiller in seinem "Hymnus an die Freude" (1) Wir weisen mit Nachdruck darauf hin, dass die Dimmis bei jeder Eroberung erst einmal die Majorität ausmachen, bevor sie zur Minorität absinken.
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erdichtete (1): der Grund gleichermassen für Schutz und "Tolerierung" der Dimnus liegt schlichtweg in den ökonomischen Zwängen. Der Volksmund weiss, dass mar. das Huhn, von dem man goldene Eier e»artet, nicht schlachten darf. Dass man dieses dann auch vor den; Fuchs schützen muss, ist nur eine logische Konsequenz. Aber es mirde doch deshalb niemandem einfallen, von einer "Toleranz" gegenüber dem Huhn zu sprechen! Der Vergleich hinkt nicht, wenn man an die Funktion der Dinma als Ausbeutungsprotektorat denkt (2). (1) Freilich werden solche Töne auch von Muslimen ange schlagen, wenngleich mit unverkennbarer politischer Ziel setzung (ganz in der Geistcshaltung der m u d a r ä, vgl« KISSLITCG Hechtsproblematiken), So stellt AHMED RIZA Toleranee_müsüImane S. 19 3ie Toleranz in diesen Kontext: π Εϊ-ΙτδΗ-νβΰί se souvenir que Musulman egt synonyme de ’ Muvehhidine’c ’ est-d-dire ’ adorateurs de l ’ Onite’ , on ne s’ etorınera pas que Mahomet, qui a rev6 1 ’ union de tous les hojıune3 dans (!) la meme pensee, ait use envers eux tous de la plus large tolerance., Pcur le succes de l’ idee qu’ il voulait propager, il erigea neme cette tolerance en acte de I’ oi. Dans ce but il aonna â la religion qu’ il enseignait non pas le nom de Mahometisme, qui aurait denote quelque arabition personnelle, :nais celui d ’ Islanisme; et ce terme âesignait et enveloppait dans sa pensee tous ceux qui avec les juifs et chretiens des Ecritures ne croyaient qu’ en un seul Dieu." Bei einer solchen Betrachtung wird es natürlich schwierig, den öihäd zu integrieren - A. RIZA hat diese Schwierigkeit keineswegs: "L’ intolerance...n’ a rien de connun avec la guerre sainte. Mahomet et les Khalifes de la grande epoque eonsiderairent l ’ armee bien moins comne un ele ment de destruction que conme un ressort moral qui devait preserver l’ hunianite de la corruption"; a.a.O. S. 17 f. Auch hier wäre zu fragen, von welchen Orien talisten die Interpretation entlehnt wuräe. (2) Genau in diesem Zusammenhang sahen schon die ersten Kalifon den Dimmi-Status; vgl. FATTAL Statut S. 310 ff.
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Der Toleranzgedanlce ist natürlich modern. Ein sol ches Prinzip dem (frühen) Islam unterstellen zu wollen, ist nicht nur nachrationalisiert, es ist auch falsch. Das Missverständnis leitet sich ab aus dem Verhältnis der Offenbarungsreligionen zueinander. Es ist richtig, dass Juden und Christen, eben weil sie eine dem Koran verwandte Offenbarungsschrift besitzen, dem Muslim nä her stehen; deshalb ist ihre Stellung auch der des ara bischen Heiden überlegen, und sie können der Dimma teil haftig werden. Als Grundlage der Verwandtschaft der Offenbarungsreligionen, und des daraus resultierenden Verhältnisses zwischen Muslimen und Schriftbesitzern wird Q. III 64 genannt: "Ihr Leute der Schrift! Kommt her zu einem Wort des Ausgleichs zwischen uns und euch!" Darin aussert sich nun freilich nicht eine Gleich stellung der Monotheisten (etwa auf der Ebene von Lessings "Nathan") - wie mitunter durch schräge Über setzungen suggeriert wird - sondern es geht um don Ver such, die Schriftbesitzer zur Einigung mit dem Islam einzuladen - in dessen Sinne natürlich, d.h. unter Auf gabe der eigenen, verfälschten Religion (1). 3s folgt nämlich die Aufforderung, den ihnen gemeinsamen Mono theismus zu bekennen, und - wenn sie dies verweigern "erhebt Mohammed für sich und seine Anhänger den An spruch, als Vertreter einer eigenen, nämlich der is lamischen Religion anerkannt zu worden" (2). Bekannt lich hatten die Juden Medinas diese Aufforderung abge lehnt. Historisch geht der Vers auf die Zeit vor dem (1) Vgl. auch die durchaus typische Darstellung von A. RIZA oben S. 14 Anm. (1)! (2) PARET, Rudi: Der Koran. Kommentar und Konkordanz. Stuttgart/BerlinAoIn7M£unz Γ97Γ, S. 71.
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Bruch Muhammads mit den Juden Medinas zurück (1), was zwar für eine spätere Auslegung ohne Belang ist, aber der abendländische Forscher sollte sich dennoch hüten, hier etwas hineinzulesen, was die islamische Theologie nicht hineinliest. Wir brauchen aber dieser Problematik nicht weiter nachzugehen, da für das Zustandekommen der Dimma ein ganz anderer Faktor (2) massgeblich ist, nämlich die Art der Eroberung. Der Islam kennt drei Arten von Eroberung, wobei von eben der Art die weitere Behandlung bzw. Rechtsstellung der Unterworfenen abhängt: a) Eroberung durch Gewalt (canwatan oder gabran), b) Annexion durch Vertrag (şulfyan), c) Annexion durch "List" (mudäran) (3). (1) WATT, Montgomery W.: Muhammad at Medina. Oxford 1962, S. 200f. (2) Nachdem nicht nur Schriftbesitzern, sondern prak tisch allen Unterworfenen die Dimma gegeben wurde, kann die "Verwandtschaft" der Religionen nicht das eigent liche Kriterium sein. Der rein theologische Disput tut hier nichts zur Sache. (3) Speziell zur Mudara vgl. KISSLING R echtsProblematiken. Allgenein zu den Eroberungsarten und ihren Konsequenzen vgl. die Kapitel über Kriegsrecht in den Werken zum is lamischen Hecht; besonders KEADD0UR1, Majid: War_and Peace in the Law of Işlam. Baltimore 1955. Ferner: KOTH, Albrecht: Zum Verhältnis von kalifaler Zentralrçcwalt und Provinzen in urnayyadischer Zeit·. In: Die Welt des Islams XIV (1973), S. 150-162. Zur Frage, inwiefern die Trias der Angebote Islam/Afcgabc/Kampf in der Frühzeit Topos ist, vgl. NOTH, A.: Q.uellenkritische Stadien zu Themen, Formen und Tendenzen frühislamischer Geschichtsüberlieferung. Teil I: Themen und Formen. Bonn 1973 ^Bonner Orientalist}sehe Studien HS 25), hier S. 131-149.
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Im Falle (a) kann die Dimma nur noch durch einen Gnadenakt des muslinisehen Feldherrn gegeben werden, da Ungläubige, die mit der Waffe in der liand gefangen worden, vogelfrei sind, getötet oder versklavt werden dürfen. Dieser Fall tritt nur ein, wenn die Hichtmuslime es ab lehnen, sich der muslimischen Herrschaft gütlich zu unterwerfen. Andernfalls (b) müssen sie TributZahlung an die neuen Oberherren akzeptieren, wofür ihnen die Dimma gegeben wird. Da dies ein vor der Unterwerfung erfolgtes Angebot festlegt, ist es abwegig, den Tribut als "Dank für verschontes Leben" aufzufassen (1), natürlich nur dann, wenn man den Vertragspartnern eine bestimmte Gleichstellung zugesteht (2). Nachdem aber im selben Angebot auch die freie Kult ausübung garantiert wurde, kann man den Tribut schlecht als Gegenleistung hierfür interpretieren (3). Dasselbe gilt für die Deutung des Tributes als eine Art Wehr st euer eder AusgleichsZahlung für nicht zu leistenden Wehrdienst (4): der militärische Schutz war eine der Zusicherungen, unter denen die Nichtnuslime den Vertrag annahmen. Ausserdem war den Dimmis Waffengebrauch regel recht verboten - sieht man von gewissen "Hilfstruppen" einmal ab, die ja nicht die Regel darstellten (5). (1) Diese Deutung und andere, ebenso unakzeptable, sind dargestellt in drei Aufsätzen zu Q IX 29 in: PARET, Rudi (Hrsg.): Der_Kgran„ Darmstadt 1975 (Woge der Forschung CCCXXVI),~S. 288-303. (2) Diese Frage wird später behandelt. (3) und (4) Vgl. oben Anm. (1). (5) Hier muss daran erinnert werden, dass das Tragen von Waffen dem muslimischen "Zivilisten" ja durchaus erlaubt ist!
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Dass die muslimischen Gelehrten überhaupt zu der gleichen Deutungsversuchen griffen, scheint an einer Art von "schlechtem Gewissen" wogen der Sonderbesteue rung der Dimmis zu liegen: man suchte eine Rechtferti gung dafür. Aber dass die Deutung gerade so ausfällt, bringt ein unübersehbar hämisches Element in die Dis kussion: ftizya als Dank für verschontes Leben hiesse doch, dass sich die Dimmis bei den Muslimen für Vertragser füllung bedanken sollen - die Eiizya wäre also keines wegs eine Steuer, mit der sich die Dimmis die "Staats bürgerschaft" im Dar al-Isläm erkaufen! Dasselbe gilt für die beiden anderen Deutungen. Diese Argumentation ist allerdings zynisch, wie wir gleich noch sehen werden. BRAVMAM bringt das Argument mit dem verschonten Leben in Verbindung mit der Diskussion um Q IX 29, in dem er den Schluss davon übersetzen will mit: "'(Com bat the unbelievers...) until they pay tribute as compensation for their not being killed.’" Die Verbindung erreicht er durch Interpretation des Verses ganz in der erwähnten zynischen Geisteshaltung: "The circumstantial clause wa-hum şâğirûna ’ whilst they are igniminious' refers to the unbelievers’failure to fight unto death" (1) - Kompensation für Feigheit also. Damit aber stehen wir mitten in der Problematik eines für die Dimraa zen tralen Faktors, der Erniedrigung (die Dimmis sollen ja ihren Tribut "kleinlaut", "demütig" otc. entrichten, je nach Übersetzer). (1) Vgl. oben S. 17 Απη. (1), hier: S. 294.
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Der rein philologische Streit um den Schluss von Q IX 29, "wa-hum şâğirûna", und seine Bedeutung ist für unsere Fragestellung irrelevant, da uns nur zu interessieren braucht, was d i e f u q a k ä 3 und die Verwaltungsbeamten darin sahen. Beim gegenwärtigen Stand der Diskussion über diesen Koranvers (1) besteht auch keine Hoffnung, mit philologischen Mitteln den ursprünglichen Sinn der dunklen Stelle zu erfahren sofern dieser überhaupt jemals sich von der späteren muslimischen Deutung unterschieden haben sollte... Der historische Betrachter mag Muhammad plastisch vor sich sehen, als er arr. Vorabend des Zuges gegen Tabük diesen Vers offenbarte (2). Dabei mag der Historiker bei Erwähnung der Stelle "wa-hum şâğirûna" die mus lini sehen Heerscharen förmlich johlen hören - aber man kann dies einer "Berufskrankheit" der Historiker zuschreibert, die ein Faible dafür haben, sich alles gleich konkret vorzustellen (3)= Wir halten diese Einstellung (1) Vgl. die 3 Aufsätze bei PAÜET (Hr;jg) Koran S„288-303. (?) Vgl. UÖLDEKE, Theodor u. Fr.SC:IMLLY:-Geschichte_des Q.cräns. 2. Aufl. Leipzig 1909, S. 224. (3) Die vernünftigste Interpretation der Stelle hinsichtj. ihrer Entstehung liegt sicher darin, dass fiuframmad nicht mehr tabula rasa machen wollte: die unterworfenen Gebiete sollten ja nicht nur kurzfristig Gewinn abwerfen. So ar gumentierte auch cI;mar I„ ganz deutlich; vgl. FATTAL Statut S. 310 ff. Wir haben überdies keinen Grund zur An nahme, dass der wilde Fanatismus, den allein wir den Er folg der Badr-Sehlacht zuschreibcn, wenige Jahre darauf nicht nehr existiert haben sollte. Sehen wir diesen Fana tismus aber weiterhin als gegeben ar, dann müssen wir Q IX 29 als Aufforderung zur üiässigung betrachten. Darin liegt nun freilich kein Widcrspruch zur Demütigung der Unterwerfenen: diese könnte ja geradezu den gebremsten Fanatismus einer tabula-rasa-Politik kompensieren!
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nicht nur für richtig (als Instrumentarium zur Wahr heitsfindung gewissermassen), sondern auch für vertret barer als die Beschönigung der Problematik durch einige Ori er.tal isten. Wenn PARET die Stelle in seiner Übersetzung wieder gibt mit "kleinlaut 'Tribut entrichten", so steht dies in einem gewissen Widerspruch zu seinen Ausführungen im Konur,entar band (S. 200). Dort finden sich andere Be legstellen aus dem Koran für die Wurzel ŞGR, und PARET merkt an: "In allen diesen Stellen bedeutet şâgir bzw. şağâr, dass sich jemand in einem jämmerlichen Zustand der Machtlosigkeit befindet." Dagegen ist "kleinlaut" schon etwas farblos, man mag es aber aus stilistischen Erwägungen gelten lassen. Bedenklich wird es freilich, wenn etwa CAHEN in 2 seinem Artikel Dhimma in EI den Passus "wa-hum şâğirüna" schlicht unterschlägt, indem er (S. 227) die für die Dimma grundlegende Koranstelle nur übersetzt mit "Fight, those who do not bclieve...until they pay the d.jizya..." (1). Dies ist kein Zufa]]„ In seinem Aufsatz (2) "Coran IX-29..." beschäftigt sich CAHEN eingehender mit der angeblich obskuren Passage. Dabei verwirft er zuerst die Übersetzung von R.BLACKERE durch "et alors qu’ ils sont humilics", da sich BLACKEEE hier mit späteren Kommentatoren anschliessc, "qui tirent du (1) Damit kann CAHEN natürlich seine Behauptung, Dimmi-Schurigclciori wären lediglich späteren Prinzipienreitern und aussenpolitischen Einflüssen v.u verdanken, negativ belegen: nach CAHEft schweigt der Koran diesbezüglich ja! (2”lnT PARET (Hrsg.) Koran, S. 288-29?.
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Texte sacre 1 ’ Obligation d ’ une humiliation â infliger aux dimmis dans la procedure du paiement de la gizya". CAHEN verweist hierzu auf FATTAL, Statut S. 17 und 286288, verschweigt aber, dass sieh just bei diesem Ge währsmann auch der Hinweis auf jene f u q a h ä 3 findet, die eine Erniedrigung der Dimmis nicht nur_beiia_Tributzahlen, sondern im gesamten Alltag fordern. CAHEN empfindet wohl einen Widerspruch zwischen einem "Texte sacre" und der Aufforderung zur "humiliation". Würde der Koran in jenen Teilen, die sich auf Schriftbesitzer be ziehen, und die aus der Zeit nach Muhammads Bruch mit den Juden Medinas stammen, etwa den Geist der Berg predigt atmen, so wäre dieser Widerspruch gegeben. Natürlich hat CAHEN formallogisch recht, wenn er ar gumentiert, durch Annahme der Tributpflicht würden die Unterworfenen ihren Status als niedriger anerkennen bei "Unterworfenen" eigentlich kein verblüffender Vor gang, der einer textlichen Absicherung bedürfte - ; dann aber wird seine Argumentation wieder unlogisch: "Cela n’ implique pas d'humiliation, je veux dire qu’ il ne s’ ajoute pas a la reconnaissance d ’ un statut inf§rieur une quelconque procedure humiliante." Wir treffen hier wieder auf das Phänomen des Rollentausches, das wir schon bei der Deutung der Dimma als Gastfreundschaft an trafen, der sich CAHEN ja anschliesst (1). Der Rollen tausch liegt darin, dass die "reconnaissance d ’ un statut infferieur" ja von den Dimmis ausgeht, die "procedure humiliante”aber von den Muslimen - und das schliesst sich gegenseitig keineswegs aus! (1) Vgl. oben S. 11 f.
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Als Gewährsleute gibt CAHEN Tabarî und SäficT an, die angeblich der gegenteiligen Meinung "qui se faisaitjour" wehren wollten. Damit nun aber nicht der Ein druck entsteht, die gegenteilige, dimmlfeindliche Mei nung sei nur von Plebs vortreten worden, hätte CAHEN schon noch einmal auf die von ihm selbst zitierte Stelle bei FATTAL (Statut S, 286-288) verweisen sollen. Dann würde der Leser nämlich erfahren, dass keine Geringeren als Zamahsarî und Ibn Taimiyya, die ırıarı beide aus der Entwicklung des islamischen Hechts nicht eliminieren kann, dio gegenteilige Meinung vertraten. Wir werden noch öfters sehen, welche Bedeutung gerade Ibn Taimiyya für die Ausgestaltung der D i m a hatte; aber auch der Modellvertrag, den uns ââfi£î überlieferte, und der. wir in nächsten Abschnitt behandeln, zeugt nicht gerade von jener Geisteshaltung, die CAHEN ihm zuschreibt. Über die phantasievollen Spielarten von Demütigung der Dimmis beim Tributzahlen (aller Welt stand es frei, sich an diesem Spektakel zu erfreuen) brauchen wir an dieser Stelle nicht zu handeln (1). ihren Ursprung und ihre Rechtfertigung haben diese Schikanen nach den f u q a h. a 3 - und nur diese sind massgeblich, da sie die Dimma zun System ausbauten! - in Q IX 29: "wa-hum şlğirüna". 0ΛΗ3Ν will diesen Bezug nicht anerkennen. <■ ) Auch durch seinen Dhimna-Artikel in EI' zieht sich dieses Bild: spätere Prinzipienreiter {"doctrinaircs") hätten bösartig den toleranten C-eist des Koran ver fälscht, ihn restriktiv ausgelegt; Anstoss hierzu hätte (1) Sie sind nachzulesen bei ?ATTAL Statut S. 287.
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ihnen das Beispiel und (!) dar Einfluss christlicher Machthaber gegeben. Wir wollen von einer philologischen Umdeutung von Q. IX 29 absehen und uns an das halten, was die islamische Praxis daraus machte, wie sie die Stelle verstand: näm lich als Aufforderung (Gottes!, das darf Dan nicht ver gessen) zur Erniedrigung und Demütigung der Dimmis. Auch werden wir die Frage nach der Funktion dieser Handhabung stellen und nachweisen, dass die Funktion den f u q a h ä 3 nicht etwa beiläufig bekannt war, sondern dass sie diese Funktion anstrebten, und deshalb die dunkle (?) Koranstolle restriktiv auslegten - oder wörtlich nahmen, je nach Betrachtungsweise, Wir schliessen uns dabei ganz CAHEN an, der in seinen; angeführten Artikel (ΈΙ^, hier S. 227) verspricht: "Mention is nade here only of the general characteristics of the Kusliin attitude to ncn-Fiusli.-ns, as expressod in their institutions and social practices." * Zur "Sizya" ist anauraerken, dass ΡΛΠΕΤ don Terniir.us in Zusammenhang mit Q. IX 29 sehr gut mit "'.Tribut" wieder gibt, wodurch Höhe und Form, aber auch teminus technicns und Bezug offengelassen sind. Berechtigt is, dies inso fern, als ja die Termini "gizya" und "haräg" über lange Zeit keine eindeutige Zuordnung zu Dinâr.Î3 bzw. ?iuslimen hatten; für das Osmanische Reich im 15. und 16. Jahr hundert gilt das in noch grösserem Aunmass: nicht nur der Tribut der Dımmîs selbst wird alternativ als gizya und/oder haräg bezeichnet, sondern es findet sich auch für Tributpflichtige ohne Binanı-Status - etwa die Ha-
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gusaner - alternativ die Bezeichnung "haräggüzär" und "ziramî" (1), ja sogar christliche Gesandte werden ge legentlich als DinunI bezeichnet (2), wobei diesen doch nur der Status eines Musta3min zuzuschreiben wäre (3). Ferner lässt die Bezeichnung "Tribut" offen, ob man darin nicht auch andere Formen von Besteuerung inkorpo rieren könnte, die über die reine "Kopfsteuer" hinaus gehen, so etwa die mannigfaltigen Sondersteuern diverser Gruppen von Dimmis, welche mit fortschreitender Zeit erhoben wurden. Es wird als bekannt vorausgesetzt, inwiefern sich der Dinanl vom Mustahmin, Harbî und Heiden abgrenzt. Die (1) KRAELITZ, Friedrich: Osmanische Urkunden in tür kischer Sprache aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr hunderts. Ein Beitrag zur osmanischen Diplomatik. Wien 1921. (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. Phil.-hist. Kl. 197, 3), Urkunden Nr. 2, 3, 7. (2) Ich danke an dieser Stelle Herrn Dr. E. Prokosch (Wien) für seinen Hinweis auf die entsprechenden Stellen in den Handschriften der ftevahirü’ t-tevarıh, Köprülü Nr. 231 fol. 7 v, Z. 3 f. und ÖNB 1071 S. Ϊ9, Z. 3 v.u., wo der österreichische Botschafter als Dimrni bezeichnet wird. (3) Über die Rechtsstellung des "Fremden" im Dar al isi am vgl. HEFFENIMG, Willi: Das islamische Fremden recht bis zu den islarnisch=fränkischen Staatsverträgen. Eine rechtshistorische Studie zum Fiqh. Hannover 1925. (Beiträge zum Rechts= und Wirtschaftsleben des islami schen Orients I); ferner: ABEL, Armand: L^etranger dans I IIslam classiuue. In: Rcc. Soc. J. Boäin IX (19587, S. 331-351. Über die (zumindest terminologische) ZwiHer stellung der Hagusaner vgl. man ferner die Teminologie in den Urkunden bei BI5GM&N, Nicolaas H.: The Turco-Ragusan Relationship according to the Firmäns cf Kurad III ΓΪ575-1595Τ extant in the State Archives of Dubrovnik. Den Haag/Paris 1967.
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entscheidenden Punkte werden im Folgenden gelegentlich mitbehändeit, ohne einer gesonderten Betrachtung unter zogen zu werden. Wichtig scheint uns nur der Vergleich des Status von DimnT und Musta’ min, da die beiden Gruppen durch den Glauben verbunden sind, und sich der Aman in gewisser Hinsicht der Dimma vergleichen, lässt. Auch die Konsequenzen einer Verletzung von Amän und Dimma weisen interessante Parallelen auf, von denen gelegentlich die Rede sein wird (1). Man kann die Dimma als zeitlich unbeschränkten Amän, den Dimmî als Müstacelin in Permanenz betrachten. Nicht irrelevant ist auch der Vergleich des Dimmî mit dem Harbî, da auch diose beiden durch den Glauben verbunden sind. Die "Übergangsstufe" zwischen den beiden ist praktisch der Musta’ min; Musta3rain und Dimmî werden beide zu Harbäs, wenn sie Amän bzw. Dirama verletzen. Sie sind dann im Dar al-Isläm vogelfrei, und eventuell ins Dar al-IIarb auszuweisen. Letztlich war ja der Dimmî selbst Harbî, bevor er unter islamische Herrschaft ge riet.
(1) Vgl. hierzu HEFFSNING Frçmdenreçht, wo diesem Ver gleich durchgehend grosse Aufmerksamkeit gewidmet wird.
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3. Hie s u r u t
ad - d i m m a
Der Bezugsrahmen des Dimma-Verhältnisses ist kodi fiziert in den s u r u t
a d - d i m m a
(der "Kon
vention’ 1, die cümar I. und/oder cUmar II. zugeschrieben wird) und ausführlicher in jenem "Modellvertrag'', den uns §äficT überliefert (1). Diese beiden mögen durchaus in ihrer überlieferten Form eine "Seluil Übung" der f u q a h a 5 gewesen sein (2), das ändert nichts an ihrer Verbindlichkeit für die Praxis. Auch wird sich zeigen, dass dasselbe Material in osmanischer Zeit im Rahmen der juristischen Ausbildung seinen festen Platz hatte, und wir werden für mehrere Punkte aus diesen Bestim mungen nachweisen, dass sie selbst den: Laien bekannt waren. 3s braucht uns vorerst auch nicht zu stören, dass in konkreten Dimna-Verträgen nicht alle Punkte aus den s u r u t Aufnahme fanden, da diese LUckon sehr rasch durch Einzelerlasse aufgefüllt wurden, die den Bestimmungen aus vorosmanischer Zeit konform waren, nämlich den hier angeführten Texten unter Einbeziehung einiger "Empfehlungen" der f u q. a h ä 3. Die Bestimmungen der s u r ü t und des ModellVer trages lassen sich in folgende Gruppen gliedern: 1) Grundlegende "Rechte und Pflichten", 2) Ergänzungen zum sozialen und wirtschaftlichen Bereich, 3.) Auflagen, um den Muslimen kein Ärgernis zu geben, (1) FATTAL Statut S. 60-70 und 77-81. (2) a.a.O. GS, 81 et passim. Gemeint mit der Frage nach dem SchulübungsCharakter ist, ob diese Texte wirk liche historische Verträge wiedergeben, oder zwar auf solchen beruhen, bzw. künftige vorbereiten, wobei die Texte selbst abstrakte "LccrfcrmelnM darstellen.
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4) Kriegsrechtlich erklärbare Bestimmungen, und 5) Gründe, die zur Auflösung der Dimma führen. Grundlegende "Hechte und Pflichten" Die Rechte und Pflichten der Dimmis liegen im Schutzanspruch und der Tributpflicht begründet. Der Schul2 (amän und/oder dimma) erstreckt sich auf das Leben und den Besitz jener Güter der Dimmis, welche ihnen legal - im Sinne des islamischen Gesetzes (!) gehören. Er erstreckt sich zeitlich so lange, als die Dimmis im Dar al-Islam wohnen und alle Auflagen er füllen. Der Schutz von Besitztum gilt in nur einge schränktem Masse für (dem Muslim) Verbotenes wie Blut, verendete Tiere, Wein und unreine Tiere, vorab natür lich Schweine - aber etwa auch Hunde: die Dimmis dürfen dergleichen zwar besitzen, aber in muslimischen Vierteln nicht zur Schau stellen. Die "Gegenleistung" für diese Garantien besteht in der TributZahlung. So stellt sich die Lage nach den s u r ü t dar, im Modellvertrag von ääficI findet sich aber eine wichtige Erweiterung: da die Dimmis aus schliesslich der islamischen Autorität (îjukm) unter worfen sind, müssen sie allen Pflichten naehkommen, die ihnen aufgrund dieser Autorität auferlegt werden. Dies ist dann auch die Rechtsgrundlage nicht nur für spätere Abgaben, die das Mass der ursprünglich "verein barten" Kopfsteuer übersteigen, sondern auch für jene Pflichten, die den Dimmis aufzuerlegen dem Imam mit unter nur empfohlen wird (was aber dennoch in der Regel recht schnell absolut obligatorischen Charakter annahm):
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- Die Dimmîs müssen sich äusserlich von den Muslimen unterscheiden (Kleiderordnung), - Sie dürfen ihre Häuser nicht höher aufführen, als die umliegenden muslimischen Häuser, - Sie müssen ihre kultischen Handlungen still ver richten, und dürfen hei Beerdigungen weder Tränen zeigen, noch Klagen hären lassen, - Sie dürfen nicht öffentlich Wein trinken, Kreuze oder Schweine zeigen, und - Pferde sind ihnen als Seittiere zu verbieten. Der obligatorische Charakter dieser Bestimmungen ist unter den f u q s h ä 1 umstritten, und auch die Praxis zeigt kein ganz einheitliches Bild: so wurden denn diese Massnahmen im Rahmen der wechselnden Verhältnisse bald streng gehandhabt, bald wieder gelockert oder ganz auf gehoben, dann aber wieder eingeführt (übrigens meist in direkter Abhängigkeit von den BevölkerungsVerhält nissen: in Gegenden mit geringer muslimischer Bevölke rung konnten diese diskriminierenden Massnahmen eben nicht streng durchgefiihrt werden!). Dabei zeigt sich für die Zeit vor dem Eintritt der Osmanen in die is lamische Geschichte allerdings, dass jedesmal, wenn eine der obigen Bestimmungen wieder eingeführt wurde, sie von Pt'al zu Mal rigoroser angewandt, restriktiver gehandhabt wurde. Wir beschränken uns auf zwei Beispiele; am Pferde verbot lässt sieh die Entwicklung deutlich verfolgen: zuerst waren den Dimmis r.ur edle Pferde verboten, dann durften sie Pferde nur wie einen 3sel reiten, indem beide Beine an einer Seite hängen mussten (im "Damen sitz" also!), dann wurden ihnen Pferde ganz verboten,
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und nur noch Maultiere (inwieweit hier das islamische Verbot von Kreuzungen eine Rolle spielt lässt sich nicht ausmachen) und Esel zugelassen, dann wurden ihnen die Maultiere verboten, dann lebhafte und starke Esel, und zu guter Letzt erging dann die Bestimmung, die Dimmis dürften nur noch verkehrtherum sitzend auf einem Esel reiten - letzteres war übrigens, wie wir noch sehen werden, genau das procedere des islamischen "mobilen" Prangers: in dieser Phase konnten sich die Dimmis also nur so fortbewegen, als wären sie straffällig geworden. Zwischen diesen Entwicklungsstufen lagen jene Zeiten, wo das vorangegangene Ge- bzw. Verbot aufgehoben oder aber von den Dimmis einfach missachtet worden war, was Beschwerden aus der muslimischen Bevölkerung nach sich zog, die dann wiederum zur nächsten, aber eben schärferen Bestimmung führten, d.h., es wurde nicht auf Einhaltung einer einmal gesetzten Norm geachtet, sondern man nahm den Verstoss gegen diese Norm zum Anlass, die Bestim mungen gleich um eine Nuance restriktiver zu handhaben ein Verhaltenstypus, den wir auch in osmanischcr Zeit recht häufig noch finden werden. Analog entwickelte sich die Kleiderordnung: zuerst ging es nur um eine rein normative Unterscheidung, be wirkt durch ein spezielles Zeichen an der Kopfbedeckung, einen besonderen Gürtel (zunnär), und das Verbot, sich die Stirnlocken und einen Bart wachsen zu lassen (womit die Dimmis bezüglich der Haartracht schon den Sklaven glichen!).Später kam dann die unterscheidende Farbe der Kleider hinzu - wobei man nicht sofort zwischen Dimmis unterschiedlicher Konfession trennte - dann folgten in zunehmendem Masse Bestimmungen über Stoffart und Schnitt
der Kleidung, wodurch die Dimmis zum Gespött der Mus lime wurden (1). Auch diese Entwicklung war nicht kontinuierlich, sondern zwischen diesen Höhepunkten trugen die Dimmis Kleider, die jenen der Muslime nicht nur in der Pracht gleichkamen. Ergänzungen zum sozialen und wirtschaftlichen Bereich Den Dimmis war eine eigene Gerichtsbarkeit belassen in jenen Bereichen, wo kein Muslim tangiert wurde, und wo es nicht um das ging, was wir heute die "öffentliche Ordnung" nennen. Es stand ihnen aber frei, sich an ein islamisches Gericht zu wenden, das dann freilich nach dem s a r verfuhr und entschied. Heirat eines Dimmî mit einer Muslimin führt zum Ver lust der Dimma (2). Vor der daraus resultierenden Be handlung, die den Dimmî mit dem Kriegsgefangenen gleich stellt, kann sich dieser durch Annahme des Islam retten - sofern er vor der Urteilsverkündung konvertiert. Zwischen dem sozialen und dem wirtschaftlichen Be reich steht die Frage nach den Sklaven von Dimmis. Sie dürfen keine Sklaven erwerben, die aus muslimischer (1) Vgl, zu dieser Entwicklung in allen Einzelheiten: FATTAL Statut S. 96-112« (2) Auf den ersten Blick mag es verblüffen, dass die f u q a h ä 3 diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zogen: der Wali eines muslimischen Mädchens wird ia schon von sich aus einer solchen Heirat nicht zuatimmen» Von der Bedeutung einer solchen "Mischche" wird später in anderem Zusammenhang noch die Rede sein. Auch fällt auf, dass in diesem Falle die f u q a h a 3 keine Strafe für die Braut und ihren Wali festsetzen!
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Kriegsbeute stammen - was also auch den "Loskauf" Ver wandter ausschliesst, da Loskauf zuerst Kauf schlecht hin ist, dem dann die Freilassung durch den neuen Be sitzer folgt. Später wurde den Dimmis Sklavenhaltung strikt untersagt. Es bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung, dass die Dimnis "erwerbstätig" sein "durften" (bzw. es schlicht blieben), da ja sonst die (ohnehin höhere) Be steuerung nicht durchführbar gewesen wäre. Bei Kaufverträgen zwischen Muslimen und Dimmis be hielt sich die islamische Macht ein Kontrollrecht vor, das sich vor allem auf verbotene Waren (Blut, verendete Tiere - m a i t a -, Wein und Schweine) bezog. Bemer kenswert ist hierbei allerdings, dass der muslimische Käufer, wenn er die (verbotene) Ware schon verzehrt hat, von der islamischen Autorität nicht gezwungen wird, den Preis dafür dem nichtmuslimischen Verkäufer zu erlegen, da verbotene Ware keinen Preis hat (1). Freilich waren solche Geschäfte zwischen Dimmis und Muslimen recht selten, da der Muslim von sich aus wenig Neigung zeigt, Schweinefleisch und nicht rituell Geschlachtetes 2 u verzehren. Anders liegen die Dinge natürlich beim Wein, doch werden wir auf Einzelheiten später eingehen.
(1) FATTAL Statut S. 80. Ebensowenig kann der nichtmuslimische Verkäufer von einem anderen Dinura, der der gleichen bei ihm gekauft hat, über ein islamisches Ge richt den Preis einklagen, da es sich um einen Kauf zwischen Polytheisten handelt, der şçhon_vonzogen ist; a.a.O. S. 78.
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Auflagen, um den Mus1imen_kein Ärgernis zu geben Aus dem Überlegenheitsgefühl, das der Islan, seinen Anhängern vermittelt (I) ist leicht verständlich, dass in der Praxis des Zusammenlebens von Muslimen und Din miş die ersten von den zweiten aktiv Beweise der Re verenz erwarten. In den angeführten Bestimmungen wurde diesbezüglich fostgelegt (2): - D i e Diraxs müssen Muslimen ihre Plätze überlassen, wenn diese sich setzen wollen, - sie dürfen au: Versammlungen keine Ehrenplätze oinnehmen, und - wenn sie auf der Strasse einem Muslim begegnen, so müssen sie sich an die Hauswand drücken. Dass sie ferner einen Muslim weder beschimpfen noch schlagen dürfen, versteht sich von selbst. Doch wird oft das Beschimpfen eines Muslim gleichgesetzt mit einer Schmähung des Propheten, des Koran oder des Islam schlechthin (3), was den Verlust der Dinma nach sich zieht. Aber die Dimmls haben sich auch ansonsten stets so zu verhalten, dass sie muslimischen Nachbarn oder Passanten kein Ärgernis geben: Von ihren Häusern dürfen sie keinen Blick aui'/in die Häuser der Muslime haben (4), sie dürfen an diesen vor bei weder Wein noch Schweine transportieren bzw„ führend?) (1) Vgl. etwa HARTMANW, Eine Einführung. Berlin Forschungen vT, S. 112. (2) FATTAL Statut S« 62 (5) a.a.O. S. 77 (4) a.a.O. S. 62 (5) a.a.O. S. 62 und 64
Richard: Die_Religign_des_Islam· 1944 (Kolonialwissenschaftliche f., 65, 79. f.
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und sie haben ihre kultischen Handlungen so zu ver richten, dass die Muslime nicht "belästigt werden. Dieser letztgenannten Bestimmung kommt wegen der Frage nach "Toleranz" grössere Bedeutung zu, und deshalb wollen wir sie hier kurz näher betrachten! Die kultischen Beschränkungen haben nur dort Gültig keit, wo Muslime die Mehrzahl der Bevölkerung aus machen (1); in überwiegend nichtmuslimischen Vierteln und Städten gelten sie aber auch an jenen Wegen und Plätzen, die häufig von Muslimen benutzt werden (die Diramis können ihrem Kult also nur in Nebenstrassen und Hinterhöfen nachkommen). In der Praxis bedeutet dies vor allem das Verbot (2) - Kreuze, Fahnen und religiöse Literatur zu zeigen, - laut zu beten, - vor Muslimen in irgendeiner Art "Polytheismus1' zu demonstrieren, - den Ruf zum Gebet mit irgendwelchen akustischen Mitteln erschallen zu lassen, - Festtagsprozessionen auszuführen, - Leichenbegängnisse unter Weinen, Beten oder Weh klagen zu veranstalten, - Diminls neben Muslimen zu bestatten, - Gottesdienst und Versammlungen (!) in Kirchen abzu halten, die in muslimischen Vierteln liegen. Dies bringt uns auf die Problematik der nichtmus limischen Kultgebäude (Kirchen, Klöster, Einsiedeleien, Synagogen). Bei den f u q a h ä ^ - wie auch in kon(1) Analog au Kleiderordnung und Pferdeverbot, vgl. oben S. 28! (2)Vgl. FATTAL Statut S. 60-70 und 77-81!
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kreten Dimma-Verträgen - zeigt sich cine weitgehende Einigkeit darüber, dass die Dimmis jene Kultgebäude be halten dürfen, die sie im Augenblick der Unterwerfung in Besitz hatten. Neubau von Kultgebäuden ist grund sätzlich verboten, wenngleich die Meinungen darüber di vergieren, ob sich das Verbot nur auf bestimmte Ort schaften, oder aber auf das gesamte Dar al-Isläm be sieht. Ob verfallende oder verfallene Kultgebäude re pariert bzw. wieder aufgebaut werden dürfen, ist gleich falls umstritten, doch besteht Einigkeit darüber, dass die Reparaturarbeiten den status quo ante nicht über schreiten dürfen: Erweiterungsbauten sind nicht statt haft. Diese "Bestandswahrung" hat natürlich zur Folge, dass die Diimixs in ihrem Kult nicht nur an Ausbreitung ge hindert, sondern tatsächlich zurückgedrängt werden, da durch ihre natürliche Vermehrung (1) auch ein Bedürf nis nach mehr Kultgebäuden entsteht - verboten ist ihnen ja nicht nur der Bau neuer Gebäude anstelle jalter, sondern ebenso der Bau von zusätzlichen. Das dadurch (1) Wir können immer noch nicht ausmaohen, ob es in jenen Zeiten tatsächlich eine bestimmte BevÖlkerungsvermehrung gab. Kachdem aber einerseits Muslime Moscheen offenbar nur bedarf ;5orientiert bauten, und mar. keine konfessionsgebundene Fruchtbarkeit postulieren kann, dürfte man an eine natürliche Vermehrung glauben (der Effekt der Polygamie bei den jfluslimen und der des Ver bots von Waffendienst bei den Di ™ î s - beide "quantite negligeable" - dürften sich aufwiegen). Andrerseits wurde "Zuwachs”auch durch Fluktuation erreicht. Ver pflanzung von Bevölkerungsteilen ist doppelt nachteilig: die alte aufgegebene Kirche darf nie mehr benutzt werden, in der Kirche der neuen "Heimat" aber reicht der Platz nicht aus - sofern es dort überhaupt eine Kirche gab.
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zwangsläufig entstehende numerische Missverhältnis von Dimmis pro Kultgebäude wurde aber seitens der isla mischer. Staatsmacht noch kräftig verstärkt und be schleunigt, indem diese sich Kirchenteile (1), später auch ganze Kirchen nahm und als Moschee verwendete. Normalerweise waren hiervon die Hauptkirchen betroffen; vom dahinterstehenden Motiv und dem damit verbundenen propagandistischen Effekt wird später die Rede sein. Kriegsrechtlich erklärbare Bestimmungen Eine Anzahl der Dimma-Bestimmungen erklärt sich aus der kriegsrechtlichen Situation unmittelbar nach der Eroberung - dennoch. galten diese Vorschriften auch später, als sich die "Verhältnisse normalisiert" hatten, unverändert weiter, Hierunter fallen einmal die Verbote, mit den Feinden des Islam irgendwie zu kollaborieren, etwa indem Dimmis Kundschafterdienste leisten, feindliche Spione beherbergen oder verstecken, oder indem sie sich gar aktiv auf der Seite von Harbls an Kampfhandlungen beteiligen (2); aber es gibt auch eine Pflicht der Dimmis, aktiv für das Dar al-Isläm und dessen militä rische Ziele Dienst zu tun. So miissc-n sie den Muslimen als Führer durch ihr heimatliches Gelände dienen, Weg und Steg auf eigene Kosten unterhalten, aurohreiser.de Muslime bis zu drei Tagen beherbergen und verköstigen, (1) CAHEN, Art. Dhimma in EI'5, hier S. 227 sieht darir. einen Beweis für freundschaftliche Beziehungen. V/ir können uns dieser Deutung nicht ansehliessen. (2) Daraus erklärt sich auch, dass die Dimmis weder Waffen tragen, noch zu Hause aufbewahren dürfen.
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und sie müssen verirrte Tiere wieder beibringen» Auch dies galt nicht nur für die Zeit kurz nach der Unter werfung. Aus der Art dieser Bestimmungen kann man schliessen, dass sie tatsächlich aus der Frühzeit des Islam stammen, also eher cUmar I. denn cUmar II. zugeschrieben werden können (1). Auch ist hierin kein Ansatz zu diskrimi nierenden Massnahmen zu sehen, mit Ausnahme einiger Punkte, die wir in späteren Kapiteln behandeln .werden. Gründe, die zur Auflösung der Dintma führen Obwohl die Îimma-Vertrâge keine zeitliche Begrenzung beinhalten, können sie - allerdings nur von der isla mischen Seite - aufgekündigt werden (2). Abgesehen von der Begründung Ibn Tairoiyya’ s, wo die Dimma wegen man gelnder Rentabilität für die Muslime gegenstandslos wird, können die Dimmis aus eigenem Verschulden des "Schutzes”verlustig gehen. Nach den bisher behandelten Texten sind die Gründe hierzu dann gegeben, wenn die Dimmis eina* der darin enthaltenen Bestimmungen nicht nachJcommen, bzw. einer Auflage 2 uwiderhandeln (3). Der Dimmi, der vom Imäm des "Vertragsbruchs”schuldig befunden wird, erleidet das los des Kriegsgefangenen: Todesstrafe oder Ver sklavung für ihn, Versklavung von Frau und Kindern, sein 3esitz wird als Kriegsbeute betrachtet. Mitunter werden auch nur Züchtigung und nicht näher spezifi zierte Sanktionen angedroht. Es wird später noch zu (1) Zur Datierung vgl. FATTAL Statut S. 66-69. (2) Die Dimma ist also nicht ad infinitum konzipiert. (3) FATTAL Statut S. 65, 6b f.
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untersuchen sein, inwiefern diese Lösungen im Osmanischen Reich nur "Sehuliibungen" waren; vorerst wollen wir noch die Diskussion der f u q a h ä 5 darstellen. Der DimiEÎ geht der Dirama in den folgenden Fällen verlustig (1) - wobei allein die islamische Seite darüber zu befinden hat, ob ein "Vertragsbruch" vorliegt oder nicht: 1„ Wenn der Dimmi die Waffen gegen die Muslime ergreift, oder sich dem Dar al-Harb verbündet. 2. Wenn er sich weigert, sich Gesetzen und Urteilen des Islam zu unterwerfen. 3. Wenn er die g i z y a verweigert. 4. Wenn er einen Muslim zum Abfall vom Islam verleitet. 5. Wenn er Spionen der Ungläubigen Unterschlupf gewährt, oder den Harbls Nachrichten über das Dar al-Islam liefert. 6. Wenn er vorsätzlich einen Muslim tötet. 7. Wenn er blasphemiert gegen Allah, den Propheten, den Koran oder allgemein den Islam schmäht. 8. Wenn er mit einer Muslimin Unzucht begeht oder sie heiratet. 9. Wenn er Strassenraub begeht. Bezüglich der Relevanz dieser Fälle unterscheiden die f u q a h ä 5 : a) Der Dimma-Vertrag gilt vollrechtlich als aufgelöst bei Verletzung eines (oder aller) dieser Punkte, b) Auflösung erfolgt nur, wenn die Bestimmung ausdrück lich in den (konkreten) Vertrag aufgenommen war, (1) FATTAL Statut S. 81 f.
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c) Auflösung erfolgt auch, wenn die Bestirmung nicht ausdrücklich im Vertrag erwähnt v/ird. Diese Zuordnung lässt sich dann nach d a d ä h i b so darstellen: Auflösung der Dimma nach Abu Hanifa
Safi'î
Mäwardi
Mälik
Ibn Hanbal
Nachdem der hanafitische Fîitus im osmanisehen Rechts leben tonangebend war, muss uns natürlich die Lehre Abu Şanıfa’ s besonders interessieren« Sie gilt ohnehin als die liberalste Rechtsschule, und wir kennen aus obiger Darstellung ablesen, dass sie auch die liberalste Siamıî-Politik vertritt. Für die Fälle 2 mit 9 sicht Abu Hanifa freilich keine Straffreiheit vor (ebensowenig wie Mälik für die Fälle 1 mit 7!), sondern verschiedene Strafen, von denen an geeigneter Stelle die Rede sein wird. Nachdem aber der hanafitische Ritus im Osmanisehen
Reich keine ausschliessliche Geltung hatte, konnten die anderen Vorschriften durchaus zum Tragen kommen« Wir werden im Kapitel über die "Invania" untersuchen, in wiefern die Konsequenz des Dimma-Verlustes, eben weil dieser in den Fällen 2 mit 9 nach hanafitischem Ritus nicht gefordert ist, durch eine andere Sanktion nur substituiert wurde, und welchen Bezug das daraus re sultierende Verhaltensmuster zur Grundeinstellung des Islam gegenüber den Dinrnüs hat.
ERSTES KAPITEL Was leigten die Üimma-BeStimmungen für die Integration der Dimmxs ? Vorbemerkung Haben wir bisher den Dimm! eher in seiner Eigen schaft als Individuum betrachtet, so müssen wir nun unser Augenmerk auf seine Gruppenzugehörigkeit len ken, da die uns interessierende Integration die einer Gruppe ist. Diese ging hervor aus einer politischen Einheit, die unter islamische Herrschaft geraten war. Der unterworfene Staat aber wird mit dem Abschluss des Dimma-Verträges als aufgelöst betrachtet: "On ne peut pas dire que la d i ra m a soit â proprement parier un traite. Elle est un lien contractuel etabli, non pas entre deux Stats, mais entre un İltat et les ehefs d ’ une population. Celle-ci abdique sa souverainet£ externe et la majeure partie de sa souverainete interne et accepte l ’ autorite exclusive de l’ fctat musulman, â Charge pour celui-ci de la defendre contre toute attaque venant de l ’ interieur ou de l’ exterieur” (1). Somit können die konstituierenden Faktoren der DimmT-Gemeinde nicht mehr im politischen Bereich lie gen (diesbezüglich ist sie bereits integriert), sondern nur noch im geographischen (Bewohner einer bestimmton Ortschaft, eines Landstrichs), im religiös-kultischen (Anhänger einer bestimmten Konfession), und im sozialen Bereich, unter Einschluss der Eigengerichtsbarkeit als Teil der internen Souveränität. (1) FATTAL Statut S. 75-
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Nachdem wir für die vorosmanische Zeit feststellen können, dass Dimmî-Gemeinden bestimmter Gegenden nach einer gewissen Zeit islamischer Herrschaft spurlos ver schwunden sind, was CAHEH - mangels Ausrottung durch Pogrome - auf "factors, bcing essentially social" zu rückführt (hinter dieser Formulierung verbirgt sich die Aussage, dass die fraglichen Dimmîs den Islam an genommen hatten), wollen wir, da die soziale Umwelt und alle Lebensbedingungen der Dimmîs auschliesslich durch die Dimraa selbst geregelt sind, untersuchen, was diese für deren Integration leistet. Wir haben als UntersuchungsZeitraum die zweite Hälfte des 15., und das gesamte 16. Jahrhundert gewählt, weil in dieser Zeitspanne das eingangs erwähnte Erstarken des Islam exemplarisch verfolgt werden kann in seiner Aus wirkung auf die osmaniselıe Dimmî-Politik. Hinsichtlich einiger Punkte wird es sich dabei nicht vermeiden lassen, noch einen kurzen Blick auf das 17. Jahrhundert su werfen. Wir wollen in diesen ersten Kapitel die integrie rende Punktion der Dimma an jenen Kriterien prüfen, die für den GruppenZusammenhalt der Dimmîs, für ihre Inte grität und Identität, konstituierenden Charakter haben, da ein Individuum ohne Gruppenzugehörigkeit erfahrungsgemäss leicht absorbiert werden kann: - D i e geschlossene Siedlung als geographischer/terri torialer Bezugsrahmen; - Die Kultgebäudc als Kern- und Identifikationspunkte des Wehnviertels/der geschlossenen Siedlung; - Innere Autonomie und üigengerichtsbarkeit als Voraus setzungen administrativer Geschlossenheit.
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Der Abschnitt über die diskriminierenden Mass nahmen leitet zum zweiten Kapitel über (soziale Um welt der Dimmis), und beschreibt weniger strukturelle Voraussetzungen, sondern eher schon All tagsprobleme. 1. Geographische Integrität der Dimml-Gemeinde KREISER hat jene Kriterien Umrissen, die uns be rechtigen, von d e r osmanischen Stadt zu sprechen (1), einer Stadt, die "physiognomisch und funktionell wohl absetzbar von ihren byzantinischen und seldschukisehen Vorläufern, einen Sonderfall der Islam-Stadt bildend" (2) betrachtet werden kann. Der dabei konstituierende Begriff der m a h a l l e spielt für unsere Fragestel lung eine grosse Rolle. Es widerspräche jeder historischen Vernunft, bei den Osmanen ein städtebauliches Konzept für vorgegeben annehmen zu wollen: die m a h a l l e hat sich ent wickelt. Die einzelnen Stufen dieser Entwicklung können wir hier nicht aufzeigen, dazu fehlt es uns an Material. Aber wir werden nachweisen, wie es zur Bildung konfessio nell definierter m a h a l l ä t - kam. Wie diese relativ klar definierbaren Gebilde ansonsten entstanden, können wir nicht sagen. Die jeweiligen Mittelpunkte (Moscheen, Bäder etc.) mögen dabei mitunter wirklich nur namenge bende Punktion gehabt haben. (1) KREISER, Klaus: Zur inneren Gliederung der osmanisçhen Stadt. In: £DMG Supplement II (1974), S. 198-
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(2) a.a.O. S. 198.
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Auch für die osmanische Zeit gilt CAUiSN’ s Fest stellung: "...although there may have been a natural tendency for tewn-dwellers to reside in different districts aecording to their faiths, there were no precise quarters, nor a f o r t i o r i any obligatory quarters, for dh i m m ϊ s of any kind" (1). Sicher sind solche Bestrebungen nicht an urbanes Milieu gebunden (2), dennoch müssen wir uns hier auf städtische Siedlungen beschränken, ln den Dimma-Vorträgon selbst ist normalerweise keine Besti.ror.ung darüber enthalten, ob den Dimmls eigene Viertel zugewiesen wer den sollen; unter den f 11 q a h ä 3 ist die Frage um stritten. Nach Abu Yûsuf, dem v/chl bedeutendsten Schüler Abu HarJfa’ s, ist es den Dimms gestattet, sich in (1) GAHE3T Art.. B i i m a in El2, hier S. 228. (2) So berichtet etwa DE3KSCKWAM über Corlu: "In obständern dorffe seind auff ainer seytten turkhen vnd auff der ändern kriechen, alles arme pawerslewtte"; DEIHNSCHWAM, Hans: Tagebuch einer Reise nach KonstantinqEel_und_Kleinaşien_rîf^Z5ST. Hrsg. v. F. Babinger. München 1923 (Studien zur Pugger-Geschichte 7), S. 26„ Fc-rner L3SCAL0PIEK über Mustafa Köprü (heute Svilengrad) "Cest vng gros bourg bien habile dun coste de Turcs Et de 1 ’ autre de Grecs, le pont entre dc-ux"; 1ESCAI0PIEH, Pierre: Voyage fait par πο γPierre Lescalopier l ’ An 1574 De Venise £ Constantinoplo par Mer jusques & Ragaşe_çt_le_reşte_2ar_rerre_et_Le_retour_£ar_Tkraçei Bulgarie, Walach. fransiluanie ou Pace, Eongrie, Ällemagne, Friul et Marche Treuisano jusques a Venise. (Manuskript der Bibliothecue Interuniversitsire de Montpellier, Section Kedecine, Nr. H 385), fol. 25 r/v. Die Teilcditiori von Edinond Cleray (in: Revue d’ histoire diploiaticue XXXV, 1 (1921), S. 21-55) ist für unsere Zwecke nicht- ausführlich genug, hat aber eine wert volle biographische Einführung.
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muslimischen Städten - unter Einschluss der Haupt städte - anzusiedeln, weil sie sich hierdurch eine ge nauere Vorstellung vom Islam machen, und folglich zur Konversion bewegt werden kennen (1). Einig aber sind sich die f u q a h ä 3 darin, dass die Dimmis ir. einem muslimischen Viertel keine Häuser besitzen dürfen (2). Im Osmanisehen Roich des 16. Jahrhunderts galt die m a h a l l e als Viertel in diesen Sinne. Sie war als muslimisch definiert entweder durch eine muslimische Mehrheit ihrer Bewohner, und/oder durch die Existenz einer Moschee. Generell wurdaiKichtnusli.me in Moscheenähe nicht ge duldet (3), selbst dann nicht, wenn die Moschee noch nicht fertiggestellt war (4). Betroffen waren die Dim(1) FATTAL Statut S. 93(?) Von einer abweichenden Ansicht eines Faaih des 17. Jahrhunderts wird später die Hede sein. (3) Die Mühimme Defterleri (in folgenden: MÜD) des Baş vekalet Arşivi in Istanbul weisen mehrere solcher Fälle aus. Im Gegensatz zu REFIQ’ s Editionen sind hier auch Probleme der Provinzen erfasst. So bestimmte 1576 MÜD XXVII 519 den Zwangsverkauf christlicher Häuser in Bursa, weil sie zu nahe an einer Moschee standen. Der vorarigegangene Befehl hatte gar die Schleifung ange ordnet. 1565 wurden die in Galata nördlich der Arac Camii wohnenden Christen ihrer Häuser verwiesen; REFIQ, Ahned: Gnungu caşr-ı higride Istanbul hayatı. Istanbul 1333 h. ΓΤϋΈΚ 67, 5. 23 F.-Nr7“27ÎKÎere7-aüch Galata be treffende Fälle werden später betrachtet. (4) 1577 wurde dem Kadi von Manisa befohlen, die jüdischer. Läden und Wohnhäuser, in deren Kähe eben erst an einer Moschee gebaut wird, an Muslime zu verkaufen und die Juden an geeignetsten Ort (en münasıb olan mahalde) anzusiedeln, da sie in der Nähe einer Moschee we<3er Gewerbe treiben, noch wohnen sollen; MUD XXXI 561.
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mis dabei nicht nur in ihrem Wohnrecht: sie durften in Moscheenähe weder ihrem Handwerk nachgehen (1), noch sich dort verpflegen (?). D i e m a h a l l e war aber auch dann als muslimisch definiert - zumindest in dem Sinne, dass Immobilienbβ ε ιtz durch Dimmîs ausgeschlossen war - wenn die dortige Moschee keine Gemeinde (mehr) hatte: in solchen Fällen mussten Muslime angesiedelt werden, der Zuzug von Dim mîs - selbst wenn diese schon früher in dem Viertel ge wohnt hatten - war nicht statthaft (3). Diese Bestimmungen galten übrigens nicht nur für Moscheen, sondern generell für islamische Kultgebäude, (1) Vgl. die vorhergehende Anmerkung; Ferner REFIQ Onungu...S. 193 Nr. 1: 1560 wurden christliehevHand werke? aus ihren Läden im Istanbuler Mahmud Päsä Hän, der zum Vaqf der Aya Sofya gehörte, vertrieben. Die Läden wurden Muslimen eingegeben. Da der Han eine PiJescid hatte, fühlten sich die Muslime durch das Treiben der Dimmis in ihrer Andacht gestört. (2) So verfügt MÜD XXIII 135, die_an die Moschee in Corlu angrenzen3e Garküche (tabhhane) soll den Christen - einschliesslich Gesandter aus"dem Abendland - nicht mehr zugänglich sein; diese hätten sich fürderhin in einem von der Moschee entfernt liegenden Kcrvanseray zu versorgen. (3) Nachdem die cUmar-Moschee in Aleppo längere Zeit ihrer Gemeinde entbehrte (aus irgendwelchen Gründen waren die Muslime aus diesem Viertel weggezogen), waren die Juden des Viertels in ihre alten Häuser zurückge kehrt, aus denen man sie früher - wegen der Nähe dieser Moschee - vertrieben hatte. Durch MÜD XXVI 584 wurde nun befohlen, in dieser m a h a 1 T e ernout Muslime an zusiedeln, denen die Juden iFire Häuser verkaufen müssen. Ferner wurde 1594 die Zwangsansiedlisng von Muslimen in einem Istanbuler Viertel befohlen, damit die dortige Moschee wieder eine zahlreiche Gemeinde erhalte; REFIK, Ahmed (Altmay): Hicri on Mrir.ci asırda Istanbul Ha yatı. Istanbul 193Ι~ΤΤΤί5Γ2077~ϊΐ?7~277
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etwa Grabbauten (1), und auch für Vaqf-Besitz (2). Wir werden noch sehen, welche Bedeutung diese Mass nahmen hatten, wollen aber jetzt schon feststellen, dass dag Osmanische Reich - aufs Ganze gesehen - keine Diramî-Gncttos kannte. Dass sich Juden häufig in Agglomeraten von m a h a l 1 ä t, oder in anderswie deut licher abgegrenzten Vierteln, die tatsächlich an Ghet tos gemahnen, finden, hängt sicher nur zum Teil mit v oro siani sch -by zan tin js ch en Ge ge b onh e iten zu samm.cn (3), da wir auch in anderen Städten auf dasselbe Phänomen treffen, wo allein die arabische Vergangenheit dafür sein dürfte (4). Ferner sei hierbei auch noch an Be (1) 1573 wurden die Läden christlicher Handwerker in der Kähe der Syüb-Türbe geschlossen und Musiiman ein gegeben. Acht Jahre darauf wurde don Dimmîs das Wohn recht in diesem Viertel entzogen; REFIQ, Guur.gu... S. 58 üir. 5, und S. 75 -fr. 15« (2) MÜD XXVII 438 befiehlt dem Kaäi von Alexandria, den venezianischen Kauflouten das Wohnrecht in ihroaı Hän zu entziehen, falls dieser - wie behauptet wurde - zum Vaqf einer Moschee gehört. Vgl. auch oben S. 45 Anm. (1), (3) So KREISER Stadt 3. 207 für Istanbul/Konstantinopel. (4) BELOK sagt ganz eindeutig über Damaskus um die Mille des 16. Jahrhunderts: "II y a grand nombre de luifs en Damas, et sont erıfermez â part, c o m e en Auigncn: mais les Armeniens ct Grocs qu:i. sont en la ville, habitont ça et la aans ostre enfermez”; BELOK, Pierre: Les observations de pluaieurs singuliaritez... ?aris”I5537 fol· T5ö r7 jîRnIîcfi’ 'âusserî-srcFL ESLFFHICE 15‘ j6 über Alexan dria; HELFFRICH, Johann: Kurtzer vnnd wahrhaft'liger Be richt... In: Rcyszbuch des HI. Lan?s7 Krsğ. v7-J7~FE7EEalüeSilt. Frankfurt/Main 1584, fol. 375 r - 399 v, hier: fcl. 398 r. CARLIÜR sagt 1579 von Kairo: "Les habitants du Caire sont Turcs, Mores, Chrosticns de ceinture, Grocs, mais les Juifs, losqucls y sont en grand nombre, ont lours rues a part";CARLI3R, Jean (de Pinon): Relation en Orient (1579). Hrsg. v. K. Blochet. Paris
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völkerungsverschiebungen und regelrechte Zuwanderung aus ausserislan-ischeK Gebieten erinnert, man denke etwa an die spanischen und portugiesischen Juden ab dem aus gehenden 15. Jahrhundert. Dass sich in solchen Fällen ganze Gruppen gleichzeitig in einem Viertel ansiedeln ist verständlich - die Regel war es freilich nicht, lag doch der osmaninchen Regierung viel daran, grössere Konzentrationen von Dimmî-Geneinsohaften zu vermeiden; MANTRAN sagt zumindest für Istanbul: "...les ’ minoritaires’viver.t groupes, soit autour d’ une eglise de quartier, soit en fonction de leurs oewupations...er. faco de la masse des muaulmans.. .Co groupement par religiori, a, semb] e-t-.il, ete voulu, des le debut de I ’ occupation de la ville, par le gouvernement ottoman" (1). Für die erste Zeit nach der Eroberung der Stadt ist eine solche Massnahme aus Sicherheitsgründen verständ lich, da hierdurch potentielle Widerstandnoster erst gar nicht entstehen konnten. Doch galt diese Regelung nicht allein für jene wenigen Griechen, die das Massaker nach der Eroberung überlebt hatten und aveh nicht ir. die Sklaverei verschleppt, worden waren, sondern auch für spätere "Einwanderer": 1920, S. 176. 3ei diesen Viertel könnte cs sich um Bab Zuwaila handeln, das der "pathologische" Fatiraidenkal iT al-Käkim zu Beginn des 11. Jahrhunderts den Kairener Juden als einziges Wohnviertel augewiesen hatte. Vgl. FAT'fAL Statut 5. 104 et passim. {1} MAKTHSR,“ Robert: Istanbuljdans la seeondejnoitie du XVlI^_siocle._ 333Β ί~ϊτ ΕΪ3ΪοΓ?θ_ΐή5ΪϊΐΰΐΓ0ηηθΙΐ0,ecönoniqüe'~e:t sociale. Paris T9E2 rBiEIiöffiequc areheoIĞğıqâe~et~KTüîörTqüe de 1*Institut Frar.çais ä'Archäo logie d ’ Istanbul. XII), S. 48 f.
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"Toutesfois le rassemblen-ent des minoritaires ne s’ est jamais effectue sous la forme de grandos concentrations: ce sont parfois des noyauxjisolees au milieu_dc la_nasse_des_Turcs.TYriT-rnervörReBûnğ-K.B.) Weben den Einwanderern kannte das Osmanische Reich noch die (zwangsweise) Umsiedelung (sürgün) von Be völkerungsteilen, und zwar auch im innerstädtischen Bereich. Ob man in diesem Fall von einer gezielten Politik sprechen kann, soll im Augenblick nicht unter sucht werden, da uns vorläufig das Instrumentarium und der Bezugsrahmen fohlen, innerhalb dessen analoge Vor gänge mit analogen Effekten als intendiert nachgewiesen werden könnten. Häufig war die Umsiedlung einer konfessionell ge schlossenen Gruppe in ein anderes Viertel nur die l^olge einer Feuersbrunst. Für die Betroffenen führte die Um siedlung oft zu "decp changes in the internal structure of the community...even to tho extent cf giving up their ancestral language..," (2) - was, da das Feuer nicht iri Kausalzusammenhang mit. der Auflösung der Gruppe steht, auch bei Umsiedlungen aus anderen Gründen sichor der Fall war. KREISiiR trifft eine ähnliche Feststellung, die sich nicht auf den Ident:tätsverlust jüdischer Gemeinden (1) MAUTF.AN Istanbul S. 49. Man sollte sich hüten, in solchen MassnäHmen“etwa einen Vorläufer des späteren m i l l e t - Systems erblicken zu wollen. Es wird sich nämlich noch zeigen, dass diese Bestimmungen im Kontext der osmanisehen Sieolungspolitik keineswegs die Fühletior. hatten, eine Dinacî-Gemeinde vor Identitätsverlust zu bewahren! (2) HEYD, Uriel: The Jewish Coranunities of Istanbul in the seventeonth 0efirüry7~In7~örienö-5-TI95377_57_799-_
3Π7'ΗΪ5” 57“3Π7------
"beschränkt: "Was inner aus ihrer unbeweglichen Habe wurde, der Zusammenhang der m a h a l l e l i ] war aufgelöst" (1).
er
Wir müssen die Frage stellen, ob die Auflösung dos Zusammenhalts der Bewohner eines bestimmten Viertels nicht auch andere Ursachen als einen Brand haben kann. Denn nicht aus der Vernichtung der m a h a l l e durch Feuer geht der kommunale Zusammenhang verloren, sondern durch den Umzug der Gemeinde in andere Viertel (2)! Lass sich die aus ihrer angestammten m a h a l l e ver triebenen Bewohner dann auf mehrere Viertel aufteilten ist verständlich, da es sicher leichter war, in anderen Vierteln unbewohnte Häuser zu beziehen, als ein ganzes leerstehendes Viertel zu finden, oder ein neues aufzu bauen. (1) KREISES Stadt S. 203 f. (2) Dies gilt näTürlich auch für s ü r g ü n jeder Art und Ursache. Dass ein solcher verheerende Auswirkungen auf die Betroffenen hatte, wusste man auch muslimischer sei ts;_so unterstellte etwa CASIQPASAZADE dem (Renega ten) Rum Mehmed Pasa, der für die {dann fehlgeschlagene) türkische Besiedlung des neu eroberten Konstantinopel Muslime in Kleinasien ausheben liess, schlimme Absichten "Kurz gesagt seine Absicht dabei, dass er mehr Familien aus Larende und Konja nahm, war die Häuser der Muslime zu zerstören und ihre Nahrung und ihre Ordnung zu ver nichten"; GISSE, Friedrich: ]Die_geschichtIichen_Grundlagen für die Stellung der cfirIsÎîîcE5n-UnTerÎânen-îüi ösmäniscEen HeicK.~In: De? Islam XIX-ri93I77_S7_254-_ 2777~Rier: S,“27Ö. Diese Folgen resultieren freilich nicht aus der Religion der Betroffenen, sondern allein aus der Massnahme des s ü r g ü n ; somit gelten sie auch im Falle des s üvr g ü n ’ s von Nichtmuslimen. Man darf annehnen, dass ASIQPASAZADE diese Äusserung nicht a priori tat!
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Wir haben oben aui'gezeigt, dass die Errichtung einer Moschee in einer m a h a l l e , die bisher zumindest nicht überwiegend muslimisch war, den dort ansässigen Dimmis das Wohnrecht entzieht. Dieser Vorgang macht uns begreiflich, wie es zur Bildung konfessionell definiert e r m a h a l l ä t kam: durch_Einpflanzen eines is lamischen n u c 1 e u s (in Form einer Moschee) in eine Dirami-Siedlung. Als Folge hiervon sind die Dimmis des Viertels auszusiedeln (ein dem s ii r g ü n ir. den sozialen Auswirkungen völlig analoger Vorgang!), Mus lime treten an ihre Steile, und die m a Ij a 1 1 e ist au oh von der B evö1k erung her ge seh en ein e mu s1iiische. Dass diese Entwicklung keinesfalls umgekehrt· werden durfte verbietet uns, dergleichen als "Zufall" abzutun: diese Vorgänge müssen als bewusst dimr.i-i.'eind] ich ein stuft werden. Die Errichtung einer Moschee, und der darauf folgende Exodus der Dimmis dieser h a h a 1 Ϊ e führ!, natürlich zum Verlust der Kirche, da nach den s u r ü t eir.e in einem muslimischen Viertel liegende Kirche nicht be nutzt werden darf - auch würde schon die andere Be stimmung ausreichen, nach der eine einmal verlassenene Kirche nie wieder in Betrieb genommen werden darf. Beide Bestimmungen werden wir im Osmanisehen Reich des 16. Jahrhunderts noch als gültiges liecht nachweisen. * '■Venn KBEISEE d i e m a h a l l ä t definiert als "Sozialgebilde, die ihre Angehörigen - wie das M i 1 1 e t-System im grösser.! - vor Identitätsverlusten be
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wahrten" (1), die er als "Nachbarschaften" (2) ver steht, so müssen wir nun nach den Bestimmungskriterien dieser Identität fragen. Der nachharschaftliehe Zusammenhalt einer m a h a l 1 e besteht im wesentlichen aus zwei Komponenten, von denen eine von selbst aus der m a h a l l e heraus ent steht, dieser gewissermassen immanent ist, die andere aber dem Viertel von aussen aufgezwungen wird, nicht m a h a 1 1 e-spezifisch ist. Der erste Bereich bezieht sich auf gegenseitige Hilfo, Bürgschaften und andere Belange, die Nachbarschaft zumindest in jener Zeit - zwangsläufig selbst hervor bringt (3). Die hierbei entstehenden internen sozialen und persönlichen Bindungen gehen natürlich verloren, wenn ein Teil der Bewohner des Viertels umsiedeln muss. Der zweite Bereich betrifft funktionale Belange, nicht primär-menschliche. Er besteht in auferlegten Verpflichtungen, und bezieht sich vorab auf die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit: die Bewohier einer m a h a 1 1 e sind kollektiv verantwortlich für Straf- und Gewalttaten, die sich in ihrem Viertel er eignen (4). Nicht zuletzt- daraus resultiert die be rühmte Vertrautheit der Quartierbewohner untereinander, die eine "nach aussen gerichtete abwehrende Komponente" (5) hat: (1) (2) Ö) (4) wir (5)
KREIS EH Stadt. S. 208. a.a.O. Ann7 73· Zum ganzen Spektrum vgl. KREISER a.a.O. S. 210 f. Einzelheiten und Stellennachweise hierzu bringen im Abschnitt über die Autonomie der Dimmîs. KREISER Stadt S. 206.
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"In die Wohngassen der Wohnblöcke kamen nur die dort Wohnenden. Fremde, die hier gesehen wurden, galten als Verirrte, oder als Zudringlinge oder als Hausierer, nicht als Passanten." (1) Aas starken inneren Zusammenhalt der n a h a l l s t kann kein Zweifel bestehen. Den; tut das Fehlen jener kultischen und wirtschaftlichen Einrichtungen keinen Abbruch, die den syrischen h ä r ä t in Xrisenzeiten eine Eigenexistenz erlaubten (2). Es ist klar, dass mit diesem Zusammenhang eine auf die jeweilige m a h a 11 e bezogene Identität verbunden war, die verlorenging, wenn die Quartierbewohner in ein - oder mehrere - andere Viertel umgesiedelt wurden, aber auch, wenn ihrer m ah a l l e neue Bevölkerungsteile in grösserem Umfang eingepflanzt wurden (3). (1) KREISES Stadt S. 206. Nach BASSAKO würde schon die Tatsache, dass ein "Passant" der (mahalle-eigenen) Nachtwache unbekannt ist, zu dessen Verhaftung führen: "...e trouando alcuno che sia â far qualche male, o che non lo conoscano, le menano subito ligato in pregione1’ ! B£SSÂN07~LûiğTT~Costumi et i modi_particolari deila vita de’ Turchi. Hlslampä folömoccanica ieITire<TiiiIörie originale TRoma 1545), hrsg. v. F. Babinger. München 1963· S. (38). Wir zitieren nach der zwischen Klammern stehenden Paginierung des Nachdrucks. (2) Vgl. KREISEN Stadt S. 207(3) Nicht nur Gruppen7 auch Individuen -wurden zwangs weise umgesiedelt. Allein aus der Jahreswende 984/985 h. {März-April 1577) sind uns fünf Mühimtne-Einträge er halten, durch die Metzgern aus verschiedenen Provinz städten befohlen wurde, ihren Besitz in der Heimat zu verkaufen, un in Istanbul ihrem Handwerk nachzugehen (MÜD XXIX 299, 399, 495; MÜD XXX 117, 144). Zwangsua:sîcîlungen von Vertretern anderer Berufe fanden sich im untersuchten Zeitraun; nicht. Mangels Material (zu Metzgern) vermögen wir nicht zu sagen, worauf die an geführten Befehle zurückgehen.
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Der Verdacht, bei solchen Umsiedelungsaktionen handle es sich un gezielte Politik, lässt sich erhärten, wenn man die Zusammenhänge betrachtet. Nach der Er oberung Konstantinopels hatte Sultan Mehmed II. allen Grund, die Stadt zu repopularisieren. Dass er dabei zuerst die ansässigen Griechen in die Provinz depor tieren liess, und die so entstandene Lücke durch Grie chen von den Inseln, aus der Morea und Anatolien auf füllte (1), kann in Zusammenhang auch mit den oben schon erwähnten potentiellen Widerstandsnestern gese hen werden (2). In den folgenden Jahrzehnten und Jahr hunderten lässt sich aber eine starke Fluktuation inner halb der Hauptstadt feststellen. Diese Fluktuation ist keinesfalls ein Ergebnis eines "freien Wohnungsmarkts". Da sie eng verbunden ist mit Schliessen, Schleifung und Umwandlung von Kirchen, soll erst im folgenden Ab schnitt näher darauf eingegangen werden. Ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Hintergründe und Ziele der s ü r g ü n - Politik wirft aber das Schicksal der Armenier Istanbuls: auch sie waren kurz nach der Eroberung Konstantinopels aus Tokat, Sivas, später auch aus Bursa (samt ihrem dortigen Patriarchat), Ankara, Bayburt und Adana in die Hauptstadt umgesiedelt worden, zu deren Aufstieg sie beitragen sollten (3). Keine zweihundert Jahre später, im Jahre 1635 > befahl (1) MANTRAN Istanbul S. 53· (2) Ein anderer möglicher Grund, in Zusammenhang mit der umstrittenen Eroberungsart der Stadt, wird im Ab schnitt zur "Kirchenpolitik" behandelt. (3) Μ Α Η Τ Γ ίΑ Ν Istanbul S. 49.
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Sultan Mıırâd IV. die Rucksiedelung vieler Dimmîs - zum grössten Teil Armenier - von Istanbul nach Anatolien. Ob ihn dazu die Menge der Armenier veranlasste, wie MAWTRAN vermutet (1), oder ob sie für die Prosperität der Hauptstadt schlicht nicht mehr nötig waren (2), sei dahingestellt. Wir werden später beide Argumente in anderem Zusammenhang noch öfter antreffen. Allerdings fällt auf, dass diese Rücksiedelung in eine Zeit dra stischer Massnahmen fällt, das schon angeschlagene Os manische Reich zu retten und zu reformieren - wie schon die Ansiedlung der Armenier in Istanbul ebenfalls zum Wohle der Hauptstadt erfolgt war. Wir haben oben schon darauf hingewiesen, dass Um siedelungen den Zusammenhang der betroffenen Gruppen zerstörten. Über das Ausmass dieser Folge können wir, von wenigen Fällen abgesehen, nur Vermutungen anstellen. Neben dem sozialen Zusammenhalt war besonders der kul tische gefährdet, da keineswegs gewährleistet war, dass die Umsiedler in der neuen Heimat (wenn man diesen ge radezu statischen Begriff verwenden darf) Kirchen bzw. Synagogen mitbenutzen konnten; Neubau von Kultgebäuden (1) "II semble qu’ au debut du XVII6 sieele le nombre des Armeniens residant â Constantinople ait si serieusement augmente qu’ en 1655 le sultan Murad IV ordonna de renvoyer dans leur pays d ’ origine les habiiarits de Kayseri et d ’ autres regions asiatiques, Armeniens pour la plupart, qui depuis une trentaine d ’ annees s ’ etaient fixes dans la capitale"; MANTRAN Istanbul S. 50.· (2) Dies könnte gewissermassen der Eeuüung von Dirama als Ausbeutungsprotekorat· (Ibn Taimiyya) verglichen werden!
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lässt sich in solchen Fallen praktisch nicht belegen (1). Mehrere Beispiele von s ü r g ü n aus Albanien zeigen, dass die umgesiedelten Dimmls in der neuer. Umgebung rasch islamisiert wurden, eben weil ihnen dort keine Kirche zur Verfügung stand (2). Selbst im Falle von Rückwan derung ganzer Gemeinden gab es keine Garantie für die Wiederinbesitznahme der früher verlassenen Kirchen (3); "verlassene" Kirchen verfallen der Verfügungsgewalt der Muslime.
(1) So erwähnen drei Unsie-dlungsbefehle von 1577 und 1574 die Frage nach Kirche bzw. Synagoge in der neuen Heimat schlicht gar nicht: Kül) XXXI 411 und 412 betrifft; 500 (ausschliesslich reiche,'denn es wird verboten, dass sie sich freikaufen und an ihrer Stelle arme Juden schicker.!) jüdische Familien aus Safed, die nach Zypern deportiert, worden. Zu den Einzelheiten vgl. 1JEWIS, Bernard: Notes and_Documents_from thejTurkish Jirchives ·__Λ Contriouîiön Îo_îEe Hisîory"'5F'The_Jews in_ÎHe_ÖÎÎonan Emj>ıre7 Jerusalem 1952 TörienTäT Ioîes_ân3 SÎuüıes T). Ferner verfügt MÜD XXIV 871 den s ü r g ü n einer zahlenund herkunftsnassig nicht näher spezifizierten Gruppe von Ungläubigen (kefere) nach Zypern, ohne die Frage der Kultgebäude zu erwähnen. (2) Vgl. etwa KALESHI Islamisierung. (3) Zwei Befehle von 1573 Sn derTBeglerbeg von Zypern bezüglich rüeksiedlungswilliger Diir.ms bestiimnen nur, diese in ihren früheren Besitz an Immobilien und Häu sern - sofern diese nicht- zwischenzeitig verkauft wor den waren - wieder einsusetzen, tYiederbenutzung oder Neubau von Kirchen wird nicht erwähnt; MIT XXIII 504 und ICD XXVI 123- Natürlich hat der s ü~r g ü n nicht den Zweck, die Dimmis ihres kultischen Zusammenhalts zu beräüEen, dies ist nur eine - willkommene ? Folge. So auch noch in 18. Jahrhundert, vgi. REFIK Türk j.daresindc_Bulgaris:,an |973-1255)_. Istanbul 1933, Är7
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Bevor wir diese Ergebnisse zusammenfassen müssen wir noch einen Blick auf die Praxis der Vertreibung von piınraîs aus Moscheenähe werf®, In allen aufgeführten, uns urkundlich überlieferten Fällen, wo Dimmîs ihre Wohnungen und/oder Werkstätten in Moscheenähe räumen mussten, zeigt sich stereotyp folgender Ablauf: a) Muslime beschweren sich darüber, dass in der Nähe ihrer Moschee wohnende bzw. arbeitende Dimmîs bei Tag und Nacht ein liederliches leben führen (Unzucht, Lärm, Musik, Trinkgelage in der Öffentlichkeit) und dadurch die Andacht der tiuslirae stören. b) Eine Untersuchung durch den örtlichen Kadi bestätigt, dass die genannten Dimmîs in der Nähe der Mosche wohnen bzw. arbeiten. c) Die Dimmîs werden des Viertels verwiesen. Hierzu ist festzustellen: - Zwischen dem Anlass bzw. Gegenstand der Beschwerde (Unzucht, Lärm, Munik, Trinkgelage) und der ergehenden Anordnung (Vertreibung) besteht eine eklatante Dis krepanz. Um der Beschwerde zu entsprechen würde es ja genügen, den Dimmîs Unzucht, Lärm, Musik und Trinkge lage zu verbieten. Man könnte hieraus folgern, die Beschwerdepunkte seien nur Vorwand zu einer ohnehin gewünschten Vertreibung. - Nachdem sich die Untersuchung durch den örtlichen Kadi durchweg auf das Feststellen der Tatsache der Anwesenheit von Diıurıîs beschränkt - also auf die kon krete Beschwerde gar nicht eirigeht - und ja daraufhin die Vertreibung arigeordnet wird, lässt sich die Be schwerde tatsächlich als reiner Vorwand einstufsn. Die
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Beschwerdepunkte selbst sind allerdings nicht so stereo typ, dass man sie zur diplomatischen Formel erstarrt auffassen könnte. - Fraglich bleibt aber, warum nicht generell, gewissermassen in einem Zuge, alle Dimmîs aus ihren Wohnungen bzw. Werkstätten und Laden in Moscheenähe vertrieben wurden, bzw. warum in diesen Befehlen die Vertreibung nie mit dem scheriatrechtlichen Wohnverbot in Moscheenähe begründet wurde. Nachdem sich aber die meisten unserer diesbezüglichen Urkunden auf die Hauptstadt (unter Ein schluss Galatas) beziehen, wäre zu bedenken, ob bei den damaligen konfessionellen Proportionen durch ein solches Vorgehen nicht ein "Erdrutsch", ausgelöst durch fana tische Muslime, die sich auf diese Präzedenzfälle hätten baufen können, zu befürchten gewesen wäre. Zweifellos blieb aus realpolitischen Überlegungen nur die soge nannte "Salami-Taktik". Wichtig scheint uns dabei folgender Punkt: bei der aufgezeigten Praxis, von Fall zu Fall eine Vertreibung anzuordnen, lebten die Dimmîs in der permanenten Be fürchtung, jederzeit ein solches Schicksal erleiden zu können (1). Um dem aber zu entgehen, blieb ihnen ange sichts der stereotyp erhobenen Vorwürfe (Unzucht, Lärm, Musik, Trinkgelage) nur die Möglichkeit, nicht "aufzu fallen”, oder, wie DERNSCKWAM sagt: "...müssen sich alle leyden, wie eroberte vnderdrugte gefangene leutte, deren sich keiner fwr forcht, angst, not vnd zwang mer regen noch den kopff aufrekhen (1) Der die Diirana generell kennzeichnende Schwebezu stand wird im Schlusskapitel näher behandelt.
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dar:f. Seind alle durchaus, also gedemutiget, von dem stule auff die erden geseczt worden, das sy auch zuleben verdrissen mag" (1). Hachdem sich diese Problematik aber nur und direkt aus dem engen Zusammenleben von Muslimen und Dimmis ergibt, also Ausfluss der Dimma ist, muss an Abu Yûsuf erinnert werden, der dieses enge Zusammenleben dadurch legalisiert sah, bzw. für wünschenswert erklärte, dass die Diinmis durch das dabei vorgelebte Beispiel der Mus lime zur Konversion veranlasst werden könnten. Bei diesem "vorgelebten Beispiel”handelt es sich nun freilich nicht um einen "freien Markt der Ideen": die "Überzeugungskraft," des muslimischen "Beispiels" beruht in der Praxis nicht auf Argumentation, auch nicht auf einem vorgelebten "schöneren" Dasein der Muslime im Vergleich v.u einem Alltag der Dimmis, den sie vor der Unterwerfung kannten, sondern gegenüber einem, "duckmäuserischen" AI_ltag, der durch die Dimma und das daraus resultierende Zusammenleben ja erst geschaffen wird! Und nur um diesem zu entgehen können die Dinimis zur Konversion angereist werden! Zu Abu Yûsuf’ s Argument ist noch anzunerken, dass das Zusammenleben in praxi durch den umgekehrten Vor gang zustande kommt: nicht Dimmis siedeln sich in mus limischen Städten an, sondern Muslime in christlichcn bzw. jüdischen! *
(1) DEfltSCHWAM Tagebuch S. 59.
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Zur Frage der geographischen Integrität der Diramî-Gemeinden im Osmanisehen Reich lässt sich zusammenfassend feststellen: Obwohl sich jeder konkrete Dirna-Vertrag - wie auch die s u r ü t generell - auf eine geographisch klar definierte Gemeinde bezieht, und diese Gemeinde im Be sitz ihrer Immobilien bestätigt, ist ihre Besitzstand wahrung in der Praxis nicht gesichert. Gefahr für diese erwächst aus dem jederzeit möglichen Entzug des Wohn rechts durch s ü r g ü n (1), und/oder - verbunden mit der Einpflanzung Asiatischer n u c 1 e i - aus dem Ein dringen von Muslimen in Viertel, die bis dahin rein nichtmusliraisch waren. Die Folge davon ist die Vertrei bung von Dimmîs aus erst einer n a h a I 1 e, doch kann sich dieser Vorgang in weiteren m a h a l l ä t wieder holen, wie wir im nächsten Abschnitt nachweisen werden. In dieser Hinsicht können wir also sagen, dass die an gebotene Dirnrna mit der durchgei'ührten nicht, identisch ist. Die geschilderten Mechanismen haben zur Folge, dass die geographisch-städtebauliche, und die korraiunal-naehbarschaftliohe Geschlossenheit einer Dinnl-Gemeinde aufgebrochen wird, was die Dimmîs einer ganzen Stadt letzt lich in die zahlennässige Minorität oder in die poli tische und soziale Bedeutungslosigkeit abdrängt (2). (1) Eie f u q a h ä 5 sehen Aus- und Unsiedlung von Dimmîs legitimiert durch das Beispiel des Propheten und ^Umar’ s I. (Haibar, Fadak, Nagrän); FATTAL Statut passim (2) Dabei spielen freilich auch andere Faktoren mit, die wir in späteren Kapiteln behandeln werden. Wir kön nen allerdings feststellen, dass es s"ieh hierbei un ein
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Zwar kann die m a h a l l e als nachbarschaftliches Gebilde ihre Bewohner vor Identitätsverlust bewahren, doch ist dies nur gewährleistet, wenn die m a h a l l e eine gewisse Kontinuität aufweist. Durch Sinpflanzen islamischer n u c 1 e i wird diese Kontinuität zerstört. Andererseits vermag gerade die Bildung weiterer (mus limischer) m a h a l l ä t den Verlust einer höheren, auf die ganze Stadt bezogenen Identität nicht wettzu machen: die Mahal1e-Bildung verhindert Kontinuität. Kontinuierlichkeit ist aber unabdingbare Voraussetzung für Identität und Integrität. ++++
Sin kurzer Blick auf die spätere Zeit: Aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind uns einige Be fehle erhalten, die einen gewissen Trend signalisieren, der hier nur noch angedeutet werden kann. Diese Vorgänge spiegeln nicht nur die uns schon aus dem 16. Jahrhundert bekannten Rechtsverhältnisse wieder, sondern skizzieren auch deutlich die aus diesen resultierenden Folgeer scheinungen. Im Jahre 1636 befahl Muräd IV (1), gestützt auf eine Fetwa, in der m a h a l l e Kätib Qäsin, die durch Häu Zusammenspiel aufeinander abgestimmter Massnahmen han delt. Erst dieser Zusammenhang bewirkt den oben ge schilderten Effekt, dass es nämlich nach längerer Zeit zur Herausbildung von überwiegend - mitunter auch rein muslimischen Städten bzw. Stadtteilen kam. (1) Vgl. aber auch oben S. 53 f.!
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serkauf überwiegend christlich geworden war, diese Häuser zwangsweise an Muslime zu vorkaufen (1). Hier war genau das passiert, was ein Faqih des 17. Jahrhunderts ver hindert wissen will: der Imän kann zwar Ungläubigen er lauben, sich in einer muslimischen m a h a l l e ein Haus zu kaufen, allerdings nur unter der Bedingung, dass daraus keine Gemeinde entsteht (2), andernfalls diese Häuser unverzüglich wieder an Muslime verkauft werden müssen. Der Faqxh steht mit dieser Bestimmung in Ein(1) REFİK On birinci... Hr. 100. (2) "mahalläi-i musliminde ehl-i_zimmet hane iştira3_ etmesini teğvız eden e 5imme ta'lıl-i ğemtcatajniiaeddı olraamaq şartı üzere teğvız etmişlerdir m ü 3eddı oligaq ehl-i İslama bey^ etdirilmek hatmen vâğibdir"; AEU’ L-3AQ,A 3: cAqa3id-i diniyye ve âhkam-ı serciyye, fol. 161 r„ HanîsĞHrîFÎ_ın unserem frıvaÎEesrÎz, datiert lo91 h„ Über den Autor vgl. KISSLING, Hans-Joachim: gUsâqîzâde’ s Lebensbesehre ibungen berühmter Gelehrter uücT ĞoÎîesmanner des ösmaniseEen Reiches im Γ77 JaFrEûnSerÎ~rZeyI-r~5âqâ'JıqT7~ffîes,5âJen~ig557~S^ 5ÖÖ-F7Män versîeHÎ cTurcEaus aie dahinterstehende Absicht: über den Kauf einzelner Häuser soll die islamische Gemeinde einer konkreten Mahalle nicht "unterwandert" werden. Es steht also für die'f u q a h ä 5 (ABU’ L-BAQA3 und den Scheich ül-Islam, von dem die Fetwa für den o.a. Hüküm stammt) fest, dass aus derr. nucleus eine neue (nichtmus limische!) Mahalle entstehen würde. Wenn die Fuqaha3 diese Gefahr sehen, dann darf man ihnen guten Gewissens zugestehen, dass ihnen klar ist, wie im umgekehrten Falle (Einpflanzen eines islamischen nucleus in eine Dimmi-Gemeinde) sich die Dinge entwickeln. Nachdem die Fuqaha3 aber hiergegen nichts einwenden kann man klar ablesen, dass ihnen die Folgen einer solchen Aktion nicht nur bekannt, sondern auch willkommen waren: die Aufsprengung der geographischen Integrität der D i m î -Gemeinden war beabsichtigt, und kein zufälliges Ergeb nis eines "freien Wohnungsmarkts"! Andererseits: wenn einzelnen Dimmis der Hauskauf in muslimischen Maliallat
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klang mit dem seinerzeit geltenden weltlichen riecht; die Übereinstimmung von s a r und q ä η ü n werden wir noch öfter antreffen. Die GrUndungsgeschichte der Yeni Cami in Stamtul ist in Fachkreisen hinlänglich bekannt: ihre ungewöhnlich lange Baugcschichte war verbunden mit dem Zwangsver kauf jüdischer Häuser in der Nähe dieser Moschce, zuletzt 1726 (1). Dieser Typus ist uns schon aus dem 16. Jahr hundert bekannt. Im Jahre 1729 wurde für ganz Istanbul verboten, dass Muslime ihre Häuser an Christen verkaufen (2), 1743 versuchten Juden, nahe der Crtaköy Camii liegende Häuser zurückzukaafen (3), was ihnen freilich auch verboten wurde. Schliesslich erging 1767 das Verbot an alle Un gläubigen, ausserhalb der Stadtmauern Häuser zu erbauen (4). Geht man von den Verhältnissen im 15. und 16. Jahr erlaubt wird - sofern dies nicht zur Bildung einer grös seren Gemeinschaft führt - so muss dies auf dem Hinter grund einer weitergehenden Integration gesehen werden: wenn die Fuqaha3 davon ausgehen, dass die Einpflanzung islamischer nuclei (mit folgender Bildung ein&r islami schen Gemeinde) die geographische Integrität der DimmlGemeinde sprengt - was zu deren Integration führt - so sehen sie im Falle des Einpflanzens eines christlichen/ jüdischen nucleus in eine muslimische Gemeinde ebenfalls einen Integrationseffekt als Ziel, andernfalls könnten sie ja die Einschränkung ("sofern daraus keine Gemeinde entsteht") aufheben! Deshalb gilt diese Erlaubnis nicht aus "marktwirtschaftlichen" Überlegungen, sondern hin sichtlich des Zieles der Integration. Diese Bestimmung zielt also nicht auf "tolerante" Koexistenz ab! (1) REFIK, Ahmed (Altmay): Hicrî on ikinci asırda Istan bul Hayatı. Istanbul 1950 (TTEİTI777"I?:“ I?D7 ΓΖ7 a.a.ö. Nr. 135(3) a.a.O. Nr. 190. (4) a.a.O. Nr. 256.
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hundert aus, und betrachtet man die eben geschilderten Befehle, so liesse sich folgende Skizze zeichnen: Durch das Einpflanzen islamischer n u c 1 e i in bis dahin nichtnuslimische Viertel entstehen islamische m a f c a l l ä t . Die Dimmîs werden in andere Viertel abgedrängt, wo sich der Vorgang nach einiger Zeit wieder holt. Selbst wenn Muslime ihre Viertel aufgeben, wird nicht geduldet, dass Dimmîs dorthin zurückwandern. Somit bleibt ihnen mitunter nur noch die Ansiedlung in muslimischen Vierteln, was sie wiederum nicht in grös serem Ausmass dürfen. Dann wird generell verboten, dass sie von Muslimen Häuser kaufen, und zuletzt wird ihnen verboten, sich ausserhalb der Stadtmauern Häuser zu bauen. Dass Dimmîs sich dort überhaupt anzusiedeln ge dachten, dürfte ein Effekt der ständig weiterschreitenden Vertreibung innerhalb der Stadtmauern sein. Mun wird ihnen auch diese letzte (?) Ausweichmöglichkeit ver sperrt. An diesem Punkt der Entwicklung angelangt, bleibt nur noch Emigration oder Konversion. Wie gesagt, dies ist nur eine Skizze auf dünner materieller Basis. Eine genauere Untersuchung dieser Entwicklung kann wegen des zeitlichen Rahmens unserer Arbeit nicht raehr geleistet werden. *
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2, Die "Kirchenpolitik" der Üsmanen Wir verstehen "Kirche" hier - pars pro toto - für alle nichtislamischen Kultgebäude, also Kirchen, Klö ster, Einsiedeleien und Synagogen. Die osmanische Po litik gegenüber Synagogen ist ohnehin nicht ganz re präsentativ, da die Mehrzahl der Juden durch einen an deren Vorgang zu Dimmis wurde, als die Christen. Aber auch Einsiedeleien und Klöster nahmen eine Sonderstel lung ein, da sie für den Zusammenhalt bzw. die Inte gration von Dimml-Oemeinden nur eine untergeordnete Rolle spielen, zumindest im urbanen Milieu und im Ver gleich mit der diesbezüglichen Bedeutung von Kirchen. Verhältnisse auf dem Land können wir mangels Material zu allen Begleitumständen nicht aufnehmen. Andererseits ändern die Klöster auf Athos und Sinai nichts an Kir chenschwund Istanbuls oder Isniks. Wir untersuchen nur den Normalfall, wo die Kirche das Zentrum einer Gemeinde bzw. m a h a l l e war. Wir können tatsächlich von Kirchenpolitik sprechen, da sich zielgerichtetes Handeln nachweisen lässt im Versuch der Staatsmacht, die Kirchenzahl zu reduzieren. Dabei lässt sich unterscheiden zwIschen einer numeri schen Reduktion mit, und einer ohne Zutun des Staates.
Verbot_d.es Die f u q a h ä 3 sind sich darüber einig, dags den Dimmis der Neubau von Kirchen, die zur Zeit der Unter werfung noch nicht standen, zu verbieten ist. Reparatur bestehender Kultgebäude ist aber zulässig. Nachdem die Dimmis einer gegebenen Stadt sich aber natürlich ver-
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mehren (unter Einbeziehung von s ü r g ü n ) , wird nach einiger Zeit das Bedürfnis nach mehr Kirchen zu verspü ren sein. Wir haben oben schon auf diesen wesentlichen Unterschied von "neuen" und "mehr”Kirchen hingewiesen. Dass ein Bedürfnis nach mehr Kirchen tatsächlich ver spürt wurde, berichtet G13LACH: "Die Armenier allhier/ wie auch die Griechen zu Prussa oder Prusia/wolten ger ne mehr Kirchen haben/die Tiircke aber wollens ihnen nit zulasze" (1). Es liegt auf der Hand, dass bei einer solchen Praxis im laufe der Zeit ein numerisches Missverhältnis von Dimmls pro Kirche entstehen muss (2). So lässt sich also sagen: das Dimml-Milieu komait mit der Zeit von selbst zum Erliegen, "trocknet aus". (1) GEKLACH, Stephan: Tage=Buch/Derjron^.Kays££n_Maxirailiano_und_Rudolpho_an aie-ÖTîömanısche FforTe.^.S]>ge|erîîgÎeiî_îjesaniîsciîafî. .7Hrsğ.-v7 Samuel^erlacH. ¥rarLEî\îrî7Maîn ΙΒΊΑ, S7~3l3. Wir wollen hier darauf hinweisen, dass man im Verbot von Kirchenneubau ein Indiz für den temporären Charakter im Konzept der Dimrna sehen kann. (2) Dieses Missverhältnis wurde übrigens nicht dadurch ausgeglichen, dass man mehr Messen täglich las, es durfte pro Tag nur oine Messe gelesen werden; vgl. POSTEL, Gui.1laume:De la Republique des Turcs et_lä_ou l’ occasion s ’ offera_dcs moeurs""e£_Iöy-3e Tous EuHameSısÎös~en~'5reT7~PöI~ îıers_I55ö7S.”737 InâIoğ~ivâr_ın;_musTîm23cHeii-Spârîaen Kirchenbesuch ausserhalb der Feiertage verboten, mit der Begründung, an Wochentagen würden die Dimmls in Kirchen Hurerei betreiben. Dies ändert nichts daran, dass nur ein Mindestmass an christlichem Kult "toleriert" wurde. Somit können wir feststellen, dass die "Duldung" des christli chen Kultus nicht generell galt, sondern sich auf einen Tag und eine Messe pro Woche und Kirche beschränkte, wo mit "Religionsfreiheit" eine ernste Beschneidung erfährt. Vgl. FATTAL Statut S. 173.
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Hierbei hat der islamische Staat lediglich über die Einhaltung einer Vorschrift zu wachen. Wenn eine DimmiGemeinde entgegen dem Verbot eine Kirche baute, dann be fahl die Regierung sofort deren Schleifung (1). Wiedersrichtung von durch Brand, Erdbeben oder Alter zer störten Kultgebäuden ist zwar generell gestattet, aller dings bedurfte es dazu einer ausdrücklichen Reparatur erlaubnis, die teuer erkauft werden musste (2). Dasselbe galt für eine teilweise Reparatur; in beiden Fällen aber durfte das Ausmass der Wiedererrichtung bzw. Reparatur (1) So in MUD XXIII 110, wo über den Erbauer, der sich auch noch änJerer Vergehen schuldig gemacht hatte, die Todesstrafe verhängt wurde (bei diesem Risiko wird klar, wie stark das Bedürfnis nach mehr Kirchen war!), und in MÜL XXVIIIv348 und MÜD XXIX 75, ohne Sanktionen. Ferner: HEFIK Onunğu... S. 55 f. Nr. 5* (2) "Wann sie (sc. Kirchen) vor alter nun mehr zerfallen/ inn brunsten verbrennet/oder sunst in Kriegen verderbet vnnd verhörget werden: wöllens die widerumb erbawon/oder nur erneweren: müssen sie zuuor von der Türckischen Oberkeit Vergünstigung zu erlangen/ain gute Summa gelts er legen"; RAUWOLFF, Leonhard: Aigent1iche_BeSchreibung der Raisz/so er vor_dieser_zeit ğen SuFFğânğ~ınn_3ıe“ MörğenlanJer...voîbracKÎ. Eaugınğe5-I582, S. 4Ö5. Analog aussern sTcE“äücH GEÖHGIJEVIC, Bartholomeo: De origine imperii tvrcorvm. Wittenberg 1560, fol. G 7 r, unî“ lEÎIÂVIÎÎÖ7_ Glovanäntonio: Vita et legge Turchesca di_Gio. In: SANSOVIITO (Hrsg.): HisÎorıa vniversale 3eII^origine, et imperio de’ Turchi. Venectlg 15737 Toi. 17 - IÖ7,~Eier: Fol7 55 v. Offensichtlich wurde eine Reparaturerlaubnir. nur für solche Kirchen erteilt, in deren Umgebung ohne hin keine Muslime wohnten; vgl. REFİK Bulgaristan Nr. 53, 55, 57, 58, 61, 62. Dagegen wurde Für eine andere, ebenfalls aus der Zeit vor der Eroberung stammende (dies ist immer die condition sine qua non!) Kirche in Varna keine Separaturerlaubnis erteilt, weil sie zwischen zwei Moscheen - also in einem muslimischen Viertel lag; a.a.O. Kr. 71.
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den Status quo ante nicht überschreiten (1). Sultan Selim I. scheint als Baumaterial Holz vorgcschrieben zu haber. (2), was das Ausmass der Zerstörung durch die häu figen Brände besonders schlimm machte 0). Da nicht nur die neue Reparaturerlaubnis, sondern vor allem der fol gende Neubau die C-emeinde finanziell schwer belastete, fiel der Neubau von Erarid zu Brand bescheidener aus. Allerdings gab es immer Kräfte im Islam, die auch den Wiederaufbau zerstörter Kirchen prinzipiell ab lehnten (4). Gegen einen inneren Umbau von Kirchen und Klöstern scheint man sich nicht gewandt· zu haben (frei lich war auch hierzu eine Genehmigung zu erkaufen), wohl aber gegen die Errichtung von Wohnbauten, sofern diese (1) So auch in osmanischer Zeit ausdrücklich, etwa in Reparaturgenehnigungen für eine Ankaraner Kirche; vgl. ONGAN, Haİit: Ankara’ nın iki numaralı_Şer’ iye Sicili. Ankara 1974 (TüHc TarîK~Kurumu-YayınIarı XT7~ 47, Sr. 92-94, 109. (künftig: OMGAB II). Ferner auch der Ferman bei CHESNEAU, Jean: ie_voyage_de Monsieur d’ Aramon, ambassadeur pour le roy~en LevärtT. ""Genf T97ö7-Heprint 3er ErsÎâûsğâHe-v7_CK7_ScHefer7~Pâris 1887 (RVDIIG VIII), S. 261. (2) HAMMER GOR II 540. (3) Einzelheiten über diese Zusammenhänge und Folgen nach Kirchen aufgeschlüsselt und detailliert dargestellt_fin den sich bei liiCICYA'], G.: XVIII, Asırda Istanbul. Übers, v. H. I). Ar.dreasyan. 2. AufI7_TsîânbuT I975_TIsÎaribul En stitüsü Yayınları 43), S.38-44 und 54-62. (4) So etwa die Fetwa des Mufti von Jerusalem, übersetzt bei CHESNEAU Voyage S. 257: "on nc peut tolerer la reccnstruction c[Time“eglise''. Unter Bezug auf die suruj. spricht der Mufti allen Kirchen ("aucune eglise, soit ancienne soit nouvelle") die Existenzberechtigung im Dar al-Islam ab! Damit haben wir den ersten Beweis für die Rechtskraft der suru} trotz ihres etwaigen "Schuliibungscharakters" in .osmanischer Zeit!
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direkt an die Kirche bzw. das Kloster anschlossen (1); dergleichen galt als unzulässiger Erweitorungsbaü. Da solche zusätzlichen Wohnbauten vorab der Unterbringung von weiteren Mönchen galten, kann man. aus ihren Verbot ablesen, dass die Anzahl der Mönchc einer Kirche bzw. eines Klosters - ebenso wie die Anzahl der Kultge baute selbst - auf den Zustand zur Zeit der Eroberung "eingefrorer!' werden sollte. Auch diesbezüglich durfte der "Ausbreitung" des christlichen Kultus kein Vorschub geleistet worden. Den Dinraîs wurde also eine gewisse Besitzstandwah rung an ihren Xultgebäudcn zugestsnden, und die isla mische Staatsmacht hinderte sic- lediglich an Ausbreitun - wenn man von dem numerischen Missverhältnis einmal ab sieht, das aus der natürlichen und durch s ü r g ü n verursachten Vermehrung der Di n m s bei konstanter Kir chenzahl entsteht. Bis hierher kann man folglich nicht von einer geziel teri Politik sprechen, sondern eher von den Konsequenzen eines Grundsatzes. Aber der Blick in die Geschichte - nicht nur die osmanische - zeigt ein ganz anderes Bild, nämlich regelrechten Kirehenschwund, dessen verschiedene Ursachen nun dargestellt werden sollen.
(1) So eine Fetwa in der Sammlung DÜZDäC, Mehmet Ertuğrul: Şeyhülislâm Ebussuud Efendi Fetvaları ılığında 16^ Asır TurE Hayäii. IsÎanîiûI_I972, Hr. Ά5Ί. Analog aucE~REFIK Eulgarisîan Er. 83.
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B a s V e rschwinden.”von Kirchen Zu Beginn des 18. Jahrhunderts befanden sich nur noch drei aus der Zeit vor der Eroberung Konstantino pels stammende Kirchen in christlichen Händen (1). Wir können bei einer Vielzahl von Kirchen das weitere Schick sal quellenmässig abgesichert verfolgen: einige wurden von der eigenen Gemeinde aufgegeben, einige geplündert und/oder geschleift, andere vorübergehend geschlossen und später in Moscheen umgewandelt oder profanen Zwecken übergeben. Dennoch verbleibt eine stattliche Anzahl von Kirchen, deren weiteres Schicksal sich nicht bestimmen lässt: wir wissen nicht, was wann aus ihnen wurde. Als Ursache für dieses Verschwinden kann man nicht immer Brand annehmen, da uns die Brände (zumindest die der Hauptstadt selbst) fast lückenlos bekannt sind (2), die Reparatur in solchen Fällen eigentlich erlaubt ist; aber dennoch sind einige Kirchen ausserhalb dieser Zeiten plötzlich nicht mehr nachweisbar. Wenn andererseits die betroffene Gemeinde wegen Häufung von Brandschäden inner halb kürzerer Zeit sich genötigt sah, auf einen erneuten Wiederaufbau ihrer Kirche zu verzichten, kennen wir na türlich keine Nachricht davon haben, da keine Reparatur genehmigung erging. Zur Erklärung des Verschwindens einer Kirche kommen (1) RUNCIMAU, Steven: Die Eroberung von Konstantinopel 1455. Übers, v. P. de fflcn3eIssoFm."TföincEen-T955, S. 209. T?7"Vgl. CEZAB, Mustafa: Osmanlı_Devrinde Istaubul_yapilarında_tahribat yapan_yangınIâr_ve_ÎaBîî”âfeîrer. In:“ Türk Sanalı TäriEr. îragîırmâ've Tncemelcrî-I ΓΤ963), S. 327-414.
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noch alle anderen Möglichkeiten (etwa Umwandlung in eine Moschee oder einen Profanbau) in Betracht, weil die Gründungs- bzw. Stiftungsurkunden das betreffende Gelände nicht immer präzise nenne::. Eine weitere Schwierigkeit zur Rekonstruktion des Schicksals verschwundener Kirchen liegt in den oft mangelhaften Angaben vieler Chronisten. So erfahren wir zwar mitunter, dass eine Kirchc einem Zeughaus weichen musste, können aber diese Kirche nicht lokalisieren, da auch das Zeughaus nicht mehr steht. Dennoch sind für uns "verschwundene" Kirchen von Bedeutung, da sie den in der Folge nachzuweisenden Trend zumindest rein nu merisch stützen. Schleif en, Schliesson und l-mwandlung von Kirchen Vorbemerkungen ■ Jra nachzuweisen, dass sich die Osnanen nicht mit einem "natürlichen" Kirchenschwund (entstehend aus dem schon öfter erwähnten numerischen Missverhältnis von Dimmis pro Kirche) begnügten, sondern diese Entwick lung tatkräftig beschleunigten, genügt schon ein Blick in den Index zu HAMMER’ s "Geschichte des Oswanischon Reiches”, Band 10, unter den Stichworten "Kirche" und "Kirchen". Doch wollen wir uns hier nicht mit- dem Fcststeilen der zahlenmässigen Fakten begnügen, vielmehr sollen die Hintergründe dieser Politik untersucht wer den. Wir verweilen dabei vorerst bei den Kirchen Istan buls, weil deren Schicksal Modo]1Charakter hat für die Kirchen der Provinz, wo wir oft nur anhand einiger De tails einen analogen Ablauf plausibel machen können.
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Dermoch wird sich zeigen, dass analoge Faktoren zu ana logen Ergebnissen führten, da der jeweils konkrete Ein zelfall auf denselben scheriatrechtlichen Bestimmungen beruht, wie alle anderen Fälle. Hach zeitgenössischen Quellen und archäologischen Belegen wissen wir von der Plünderung von lediglich sie ben Kirchen bei der Eroberung Konstantirıopels (1). Eine Anzahl anderer Kirchen muss das gleiche Schicksal er litten haben; dennoch blieb ein nicht unbeträehtlichcr Rest in christlichen Händen. Dies stand in einem gewissen Widerspruch zum isla mischen Rocht, da Konstantinopel durch Gewalt (gabran) erobert worden war, wodurch die Einwohner des Rechts auf ihre Kultgebäude verlustig gingen. Mehned II, war also berechtigt, alle Kirchen zu schleifen oder zu kon fiszieren. Er tat es nicht. Sein Kachfolger 3âyezld II. versuchte 1490 gegen die bis dahin, geduldeten Verhält nisse einzuschreiten: er verlangte die Übergabe der Patriarchatskirche des Pammakari stos. Zwar fügte er sich den: Nachweis des Patriarchen, dass Mehmed II. die Kirche dem Patriarchat geschenkt habe, ordnete aber die JSntfernung des Kreuzes von der Kuppel der Kirche an, und lehnte es ab, "seinen Beamten zu verbieten, andere Kir chen zu beschlagnahmen" (2). Unter seinen Nachfolgern Selîm I. und Süleyman I. kam es zu zwei gros3angelegten Versuchen, sämtliche Kirchen der Hauptstadt (oder gar des ganzer. Reiches?) zu sehlies(1) ΕΙΈΟΙΜΝ Eroberung S. 207. (?) a.a.O. S. 2053.
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sen und/oder in Moscheen umzuwandeln. Wir müssen uns hier mit dieser eigentlich gut bekannten Episode be fassen, weil sie wesentliche Elemente osmanischer und gemein-islamischer Dimmi-Politik beinhaltet. Im Jahre 1518 "schlug Sultan Selim I,, der eine Ab neigung gegen das Christentum hegte, seinem entsetzten Wesir die Zwangsbekehrung aller Christen vor. Als der Wesir ihm erklärte, dies sei schwerlich praktisch durch führbar, befahl er, wenigstens alle ihre Kirchen zu be schlagnahmen" (1). Bemerkenswert ist nun hier die Alternative von Be schlagnahme der Kirchen zur Zwangsbekehrung. Eine solche Alternative hat aber nur dann Sinn, wenn sich Selim von ihr einen gleichen, oder zumindest vergleichbaren Effekt versprach. Man kann dies nur so deuten, dass dem Sultan bewusst war, das Christentum in seinem Reich würde ohne Kultgebäude von selbst austrocknen, zu bestehen aufhören. Dass dieser Prozess so etwas langsamer vor sich gegangen wäre als im Falle von "Zwangsbekehrung", tut nichts zur Sache. HAMMER berichtet den Vorgang etwas anders, aber mit einem sehr wichtigen Argument versehen (2): "Als wahrer Rettungsongel erschien der Mufti Dschemali den Christen, und insbesondere den Griechen, Be wohnern der Hauptstadt, als Selim...das Verderben der Griechen oder allgemeinen Xirchenraub beschloss. Er leg te dem Mufti die verfängliche Frage vor, was denn ver dienstlicher, die ganze Welt als steuerbar zu· unter jochen, oder an der Bekehrung der Völker aum Islam zu arbeiten. Der Mufti, der die Absicht des Sultans nicht (1) RUKCIMAN Eroberung S. 208. (2) HAMMER GOR II 539.
errieth, antwortete, Bekehrung der ilngläubigen sei bei weitem das verdienstlichste und Gott wohlgefälligste Work. Selim gab dem Grcsswesir Befehl, alle Kirchen in Moscheen zu verwandeln, allen Gottesdienst zu verbiethen, und wider alle Christen, die sich nicht zun Islam be kehren würden, die Todesstrafe zu verhängen." Hach dieser Darstellung wäre dann die Umwandlung von Kirchen in Moscheen nicht notwendig eine Alternative zur Zwangsbekehrung, oher eine begleitende Massnahme. Doch auch nach Ι ίΑ Μ Κ Ε αkam es ja nicht zu dieser drastischen Folge. Xenaxis, dem Rechtsanwalt· des Patriarchen Theoleptos I. gelang es, drei alte Janitscharen beizubringen, wel che die Einnahme Konstantinopels durch Unterwerfung be stätigten. Die darau 3 resultierende Verpflichtung zur Respektierung der Kirchen akzeptierte Selîm zwar, "fügte aber hinzu, dass das Gesetz nicht fordere, dass so schöne (!) Gebäude als die Kirchen noch länger durch Götzendienst entweihet würden...so raubte er ihnen doch ihre schönsten Kirchen, indem er dieselben in Msscheen verhandelte" (I). Das heisst also: wenn - aufgrund des islamischen Gesetzes - den Dimrr.Is ihre Kirchen belassen werden müssen, so haben sie doch keinen Anspruch auf prächtige Kirchen, da sich Pracht und Polytheismus ausschliessen (2). Dies ist neben der materiellen Beschrän kung (Holzbauten) nun sine ästhetische, wie sie uns noch in anderer Hinsicht begegnen wird. (1) HAMMÜR GOH II 540. (?) Die Frage nach Polytheismus bzw. "nichtigem Glau ben" der Dinsnis wird später behandelt.
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Abgesehen von dieser Regelung waren die Kirchen Istanbuls aber nicht auf lange Zeit gesichert. Die gleiche Frage - in Zusammenhang mit der Eroberungsart der Stadt - erhob sich unter Süleyman I. erneut: "Diesmal verwies der Patriarch Jeremias I. den Sul tan auf Selims Entscheidung. Suleiman zog der. Scheich ul-Islam...zu Rate, und der Scheich erklärte: 'Soviel man weiss, wurde die Stadt mit Gewalt genommen. Doch die Tatsache, dass den Christen ihre Kirchen belassen wurden, beweist, dass sie sich durch Kapitulation er gab.’Suleiman..-akzeptierte diesen Entscheid, und die Kirchen wurden abermals in Frieden gelassen. Spätere Sultane waren weniger nachsichtig. Im Jahre 1586 annektierte Murad III. die Panmakaristos-Kirche, und mit dem Ausbruch des achtzehnten Jahrhunderts be fanden sich nur noch drei, aus der Zeit vor dor Erobe rung stammende Kirchen ir. christlichen ffänden" (1). HAMMER weiss von solchen Bestrebungen I'turäds III. allerdings schon aus dem Jahre 1577 zu berichten: "Auf Einstreuungen endlich des Mufti, Chodscha und der Kadiaskere wollte Murad alle christlichen Kirchen zu Constantinopel in Moscheen verhandeln, und machte mit einer den Anfang aus dem Grunde, die Privilegien derselben seyen von Mohammed II. zu einer Zeit ertheilt worden, wo die Stadt öde, neuer Ansiedler be dürftig gewesen, jetzt, da sie von Moslimen übervöl kert, höre der Grund auf" (2). Durch "Verehrung" grösserer Summen aber konnten die (1) RUNCIMAK Eroberung S. 209. Die Begründung 'Soviel man weiss, wurae 3ie Stadt mit Gewalt genommen. Doch die Tatsache, dass den Christen ihre Kirchen belassen wurden, beweist, dass sie sieh durch Kapitulation er gab’schcint uns von grüsstem Interesse: könnte man diese Deduktion nicht umkehren, um bei jenen Städten, die sich zwar nachweislich (bzw. 'soviel man weiss’) durch Kapitulation ergaben, und denen man trotzdem Kir chen nahm, die Umwandlung weiterer Kirchen-zü-Iegälisieren? (2) HAMMER GOR IV 107 f.
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Mnunîs und auch Vertreter christlicher Mächte die brei te Durchführung des Planes verhindern. Sultan Muräds Argument zerfällt in zwei Teile: a) Die "Privilegien" wurden den Kirchen zu einer Zeit verliehen, wo die Stadt repopularisiert werden musste, b) sie werden ihnen wieder genommen zu einer Zeit, da die Muslime die Mehrheit der Bevölkerung stellen. ad a) Dieses Argument steht in einer bestimmten Tra dition der f u q a h ä 3. Wenn man davon ausgeht, dass das Belassen von Kultgebäuden integraler Bestandteil von Dimma ist, was guten Gewissens nicht bestritten werden kann, so muss hier erneut auf Tabari und Ibn Taimiyya verwiesen werden, für die die Dimmis nur so lange im Ge nuss ihres Status verbleiben, als die Muslime ihrer be dürfen (1). Wir treffen hier wieder auf das schon öfter erwähnte Konzept der Dimma als AusbeutungsProtektorat, das bei fehlender Rentabilität gegenstandslos wird. Selbst wenn es Muräd III. - was sich weder nachprüfen, noch mit grösser Wahrscheinlichkeit annehmen lässt - von An fang an nur (?) um die Erpressung von "Verehrungen" ge gangen sein sollte, so geschah dies doch auf scheriatrechtlichor Grundlage! Die Substitution von scheriat rechtlichen Konsequenzen durch klingende Münze werden wir im Kapitel über "Invania" näher untersuchen. ad b) Abgesehen davon, dass die behauptete Mehrheit der Muslime in Istanbul gegenüber den Dimmis zweifel los in der Zeit Muräds III. ebenso gering gewesen sein (1) FATTAL Statut S. 83.
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dürfte, wie unter seinen Vorgängern (1), können wir feststellen, dass die aus arabischer Zeit bekannte Ent wicklung, dass nämlich mit dem Erstarken des Islam eine Dimmî-feindliche Politik zeitlich parallel läuft (?), sich auch in osmanischer Zeit beobachten lässt· Dass diese Parallelität keine rein zufällige, rein zeitliche, son dern eine kausale, mehr noch: vollbewusst intendierte ist, das haben wir eben von einem osmanisehen Sultan erfahren. * Doch waren die Angriffe Sellms I., Süleymäns I. und Muräds III. nicht die einzigen, die im 16. Jahrhundert gegen die Kirchen der Hauptstadt versucht worden waren. Hoch unter Süleyman, vielleicht· aber auch erst unter Selim II. schcint ein zweiter, insgesamt also vierter solcher Versuch im selben Jahrhundert unternommen wor den zu sein, was HAMMER und RUNCIMAH entgehen musste. Von Ebu’ s-Sucüd ist· uns eine diesbezügliche Fetwa er halten (3). Darin wird gefragt, ob Mehii:ed IT. Istanbul und die umliegenden Orte (!) xdt Gewalt erobert habe. Der Scheich ül-Islam beantwortet die Frage mit dein Hin weis, man wisse zwar von der gewaltsamen Eroberung, aber hinsichtlich der erhalten gebliebenen Kirchen hätte man im Jahre 153B schon einmal 3ewcis in dieser Sache er il) Das BevSlkorungsVerhältnis war zwischen 1475 und ■ 1520-35 relativ konstant mit rund 41 v.l7. Dimmis gegen ca. 59 v.H. Muslime; vgl. FîAM î Râ ^ Istanbul S. 44 f. (2) Kan beachte auch, dass Selms 17 Versuch zur Zwangsbekehrung bzw. Kirchenschliessung ein Jahr nach seiner Annexion des f/amlukenreiches erfolgte! (3) DUZDAo Ebussuud Nr. 456-
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hoben, und, zusätzlich zum bekannten Argument der er halten gebliebenen Kirchen, v/egen zweier Augenzeugen die Kapitulation für erwiesen erachtet (1). Wir dürfen annehmen, dass um diese Fetwa aus poli tischen Gründen nachgesucht worden war, nicht etwa aus reinem Wissensdurst. Zwar können wir sie nicht genau datieren, aber sie kann nicht mit dem in ihr erwähnten früheren Vorgang von 1557 bzw. 1538 identisch sein (2), Erstaunlich ist nun allerdings, dass Ebu’ s-Su'üd die Frage nach der Eroberungsart der umliegenden Orte schlicht übergeht. Man darf vermuten, dass hinter dieser Frage die Absicht zur Umwandlung von Kirchen in Moscheen aus der Nachbarschaft Istanbuls steht; und in der Tat ist für die Amtszeit Ebu’ s-Sucüds nachgewiesen, dass einige Kirchen Galatas - welches damals bekanntlich als eigene Stadt aufgefasst wurde - zu Moscheen umgewandelt wur den (3). Eine Bemerkung scheint uns hier noch angebracht zu (1) Es fällt auf, dass der Scheich ül-Isläm die beiden Prozesse von 1518 und 1557 (bzw. 1538) bezüglich der Beweisführung miteinander gleichsetzt, wie es schon die Historia Patriarchica tat; vgl. RUIiCIMAE Eroberung Anm. --------8 zu S. 209. _ (2) Ebu’ s-Su^ud war 1545-1574 Scheich ül-Islän; vgl. DANIŞMEÎÎD, Ismail Hami: Osmanlı Devlet Erkânı. Istanbul 1971 (Isahlı Osmanlı TarıFiI~KröiiöIö3îsî~V77_S. 114 f. (3) Vgl. SCHNEIDER, A.M. und 51.Is. N0M1MIDIS: Galata. Topographisch-archäologischer Plan mit erläuterndem T e x U Istanbul I9?37-S7-I9-277-Wir“ werc[en-n5cE-3re-Fragen der Kirchenpolitik in Verbindung mit der territori alen Integrität am Beispiel Galatas näher untersuchen, wo auch die o.a. Stellen eingearbeitet werden. Vielleicht könnte man für Galata die Umkehrung der Deduktion an setzen - vgl. oben S. 74, Anm. (1) - ?
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den Aussagen der drei Janitscharen im Prozess unter Selim I: H.G. MAJER (1) hat RUHCIMAN’ s Deduktion in Frage gestellt, nach der es durchaus möglich sei, dass sich einzelne, von Palisaden umgebene dorfähnliche Ge bilde innerhalb der Mauern Konstantinopels gerade noch rechtzeitig ergeben hätten, weshalb ihnen Mefcmed II. ihre Kirchen belassen habe. MAJER’ s Argument, Mehmed hätte ja - eine gewaltsame Eroberung der gesamten Stadt einmal unterstellt - nicht die Pflicht gehabt, die Kir chen zu konfiszieren, ist freilich richtig; gleichwohl entbehrt RUNCIMAIi’ s Theorie nicht jeder Wahrscheinlich keit. Das Ganze ist aber letztlich ein Streit um des Kaisers Bart, weil die Osmanen auch in jenen Städten, deren friedliche Unterwerfung noch nie bestritten wur de, ja, die nicht einmal belagert worden waren, Kirchen konfiszierten und in Moscheen und Profanbauten umwan delten. Das naheliegendste Beispiel ist Galata (2). Im Streit um die Legalität des Kirchenschwunds bzw. der Erhaltung der Kirchen Istanbuls scheint uns ein anderer Aspekt viel bedeutender zu sein. Nachdcm gleich nach der Eroberung ein Grossteil der Griechen in die (1) Vgl. MAJER’ s Besprechung von RUNCIMAN’ s Eroberung in SOF XXVI (1967), S. 525-528, besonders S.5?7"f7"zü RUTOCIMAN Eroberung S. 208-212! (2) So heıssî es-Tm Vertragstext bei HAMMER GOR I 677: "Sie sollen ihre Kirchen haben und ihre Gesänge,... ich werde aus den Kirchen keine Moscheen machen...". Dagegen bei SCHNEIDER/HOMINIDIS Galata S. 25: "Trotz des feierlichen Kapitulationsvertrages wurde S. Dome nico noch zu Lebzeiten des Eroberers in eine Moschee umgewandelt" (1475). Das Schicksal weiterer Kirchen Galatas wird im Anhang zu diesem Abschnitt dargestellt.
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Sklaverei verschleppt worden war, und - nach den ersten Misserfolgen einer muslimischen Besiedlung - andere Griechen (und Armenier) in Istanbul angesiedelt worden waren, verlieh Mehmed II. doch diesen Besitzrecht an den dortigen Kirchen. So betrachtet stellt sich die Frage nach der Eroberungsart der Stadl nicht mehr, oder zumin dest in einem ganz anderen Licht (1). Wir wollen aber (1) Auch GIBS3 (Grundlagen S. 272 f. et passim) sicht diesen Unterschied nîcKî. Für ihn ist das Ansiedeln von Dimmîs - nachdem Versuche einer muslimisehen Besiedlung fehlgeschlagen waren! - i m g a b r a n eroberten Kon stantinopel eine b i d c a : "Wenn der Sultan sich zu diesem dem Scheriatreoht nicht entsprechenden Verfahren entschloss, so müssen ihn mehr als bloss fiskalische Gründe dazu bewogen haben. Natürlich war ein H a r a g zahlender Ungläubiger für die Staatskasse vorteilhafter als ein Muslim, der keine Steuern von seinem K ü 1 k be sitz abgab..." Dieses Argument kann nicht gehört werden, da die nach Istanbul umgesicdelten Dimmîs ja auch in ihrer alten Heimat Harâğ bezahlt hatton, hierin kann al so nicht der Grund zur Umsiedlung liegen! Vielter: "..aber ich glaube doch, dass Sultan Mehmed soviel staatsmännischon Sinn besessen hat, dass er sich nicht allein aus diesem Grunde zu dieser Bid^a entschloss. Es liegt nahe anzunehmeri, dass das türkische Element Kleinasiens nicht mehr dio nötige Kraft hatte, die grosse Stadt zu bevöl kern und dass wir in dem Verfahren des Sultans den Be weis für die Bestrebungen des Sultans eine Annäherung der östlichen und westlichen Kulturen zu erreichen zu erblicken haben". Eine verblüffende Interpretation! Nach der Eroberung stellt sich also heraus, dass Istanbul nicht gehalten werden kann (vielleicht hätte sich Mehmed dies früher überlegen sollen?), und wenn sich der Sultan in dieser Situation entsehliesst, die Stadt erst einmal von Griechen wieder lebensfähig machen zu lassen, damit sich später Muslime ansiedeln können, dann wäre dies ein Beweis für Mehmeds Absicht, Orient und Okzident einander anzunähern! Freilich, so betrachtet wäre dann letztlich auch die Eroberung Konstantinopels ein Akt der Völker verständigung!
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diesen Aspekt nicht weiterverfolgen, da gerade wogen des Bevölkerungsaustausches die Hauptstadt selbst aty pisch ist - was freilich daran nichts ändert, dass die auf sie bezogene Kirchenpolitik keinen Unterschied zu der auf andere Städte bezogenen aufweist: die Kirchenpolitik gegenüber Stambul ist typisch. Zerstörung von Kirchen in der Folge von "Volkser hebungen" gehören zwar nicht der staatlichen Kirchen politik an, fussen aber gleichermasson aiif 3cheriatrechtlichen Grundlagen. So erfahren wir etwa, dass 1642 der Neubau (?) einer griechischen Kirche in Bursa die Muslime - allen voran den örtlichen Kadi - empörte. Man riss den begonnenen Bau ein, worüber sich die Griechen beim Grosswesir beschwerten. Dieser verfügte die Ab setzung des Kadis und die Bestrafung der Rädelsführer: "Darüber empörten sich die Fanatiker und zerstörten noch drey andere alte griechische Kirchen" (1), Von einem Wiederaufbau dieser vier Kirchen erfahren wir nichts. Wenn der Grund zu dieser Erhebung nicht das Ärger nis war, welches Kirchbau schlechthin verursacht (wie wir noch nachweisen werden), so war es vielleicht die Bestimmung aus den s u r ü t , die Neubau oder Wieder errichtung von Kirchen verbietet. Offensichtlich hatte in diesem Falle eine Reparaturerlaubnis Vorgelegen, sonst wäre die scharfe Reaktion des Grosswesirs nicht möglich gewesen. Ärgernis pflogt nun freilich nicht nach Hechtsgrund(1) HAMMER GOR V 309.
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lagen zu fragen (wenngleich diese nach dem s a r c ohnehin immer gegeben sind!). So erregte gegen Ende des 15. Jahrhunderts eine Kirche in Istanbul das Miss fallen der Muslime, weil sie zu nahe an einer neuer richteten (!) Moschee stand. Sie wurde "auf Wunsch der Gläubigen" (d.h. natürlich: der Muslime!) geschlossen und wich einer Tiermenagerie (1). Wir treffen hier wieder auf den Vorgang des Einpflanzens islamischer n u c 1 e i, den wir schon in Zu sammenhang mit der Mahalle-Bildung besprochen haben. Ob der Schleifung dieser Kirche eine Umsiedlung ihrer Ge il) RUWCIMAN Eroberung S. 209 u. Anm. 5* Nach Abu Hanifa darf eine KTrcEe nicht näher denn eine Meile ân einer Moschee stehen; FATTAL Statut S. 174. Bei den damaligen Grössen einer Stadt wirtFIcTär, dass durch den Bau auch nur einer einzigen Moschee unter Umständen gleich mehrere Kirchen geschlossen werden mussten. An Abu Hanifas Argument ist bemerkenswert, dass die chrono logische Abfolge verkehrt wird: wenn er sagt, eine Kir che dürfe nicht näher denn eine Meile bei einer Moschee stehen, so suggeriert dies die Abfolge (a) eine Moschee steht bereits, (b) eine Kirche wird gebaut. Da (b) aber ohnehin nicht möglich ist, kann die Reihenfolge nur um gekehrt sein. Aufschlussreich ist nun, dass der Faqih ja keineswegs sagt, eine Moschee dürfe nicht näher als eine Meile an einer Kirche'ğeÎâüt werden: weder die juristische Theorie noch die~Fräxis aber fragten, wo eine Moschee gebaut werden darf. Sie wurde dort gebaut, wo es dem momentanen muslimischen Bauherrn gefiel und dann erfolgte die Schliessung einer zu nahe stehen den Kirche, so, als sei alles die Schuld der Christen. Die muslimische Seite konnte dabei freilich auf eine Bestimmung des islamischen Rechts verweisen! 13a mit dieser Praxis eine ursprünglich gegebene Zusicherung unterlaufen wird, erweist sich wieder einmal, dass die angebotene Dimma mit der durchgeführten nicht identisch ist!
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meinde voraus- oder parallelging wissen wir zwar nicht, doch ist dies eine Frage von sekundärer Bedeutung, da allein schon der Bau einer Moschee das entsprechende Viertel als muslimisch definiert, was die Vertreibung der Dimmîs iibor kurz oder lang prinzipiell nach sich zieht. Spätestens dann aber verliert die Kirche ihre Existenzberechtigung, weil sic "verlassen" ist. Die Ver fügungsgewalt über verlassene Kirchen aber ist den Mus limen Vorbehalten (1), weshalb es sich bei der Plün derung solcher Kirchen eigentlich nicht primär um be dauerliche plebejische Ausschreitungen handelt, sondern um ein seheriatrechtlich abgesichertes Vorgehen - was freilich den betroffenen Christen kein Trost sein dürfte, aber der Orientalist sollte den Unterschied beachten (2).
(1) FATTAL Statut S. 60. (2) Neben dera'Îypischen Schicksal der Kirchen Istanbuls (vgl. RIWCIMAN Eroberung S, 207 ff.) 3ei auf folgende Episode in JerusalemTirngewiesen: SCHEFER berichtet in seiner Einführung zu CHÜS’ ilEAU’ s Voyage S. XLIII über die Franziskaner im Heiligen Land - übrigens just in dem Jahre, da unter Süleyman versucht wurde, alle Kirchcn - nur der Hauptstadt? - zu sohliessen: "En 1537 les autorites de Jerusalem reçurent de Constantinople 1 ’ ordre d’ arreter les Franciscains etablis dans le oouvent du mont de Sion, Io Saint-Sepulchre, et l'eglise de Bethloem. Ils furent d ’ abord enfermes dans la tour dos Pisans,. puis tranaferes â Dama3 ou, pendant trois ans, ils restererıt prisonniers dans le chätoau de cette ville. Ils furent rendus â liberte sur les instances de François I , mais, â leur retour...ils trouverent le couvent de Sion pille et l ’ eglisc do Bcthleem devaste par les paysans et; le3 Arabes nomades." Freilich dürften die Plünderer ni:;ht an die rechtliche Zulässigkeit gedacht haben, dennoch ist ihr Handeln seheriatrechtlich ge deckt, da die Kultgcbäude ja "verlassen" waren!
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Wenn wir nun einen urkundlich überlieferten Fall (1) von Kirchenschleifung ausführlich behandeln, so geschieht dies nicht nur, weil dort praktisch alle Gründe, die ge meinhin zum Schleifen einer Kirche vorgebracht wurden, implizit oder explizit eine Holle spielen, sondern auch weil hier die hoffnungslose Situation aufgezeigt werden kann, in der die Dimmis sich befanden, sobald ein sol ches Vorgehen erst einmal in Angriff gerıOİTuner. worden war. 1564 erging an der Kadi von Istanbul und an der Mimarbaşı ein sultanischer Ilîikıirrı folgenden Inhalts: Der frühere Qäzicasker von Anatolien und der Kadi von Istanbul hatten an die Regierung berichtet, die Notablen 3er ffehalle Seyyid cömer zu Istanbul seien zum Seheriatgericnt gekommen und hätten vorgebracht, in der Nähe der Moschee des erwähnten Viertels stünde eine neue Kirche. Da sie weiter ausführten, diese Kirche müsse von Rechts wegen geschleift werden, hat der Kadi in Gegenwart von Musi imar, eine Inspektion durshgefiihrt. Vier für c ä d i 1 geltende alte Musline sagten aus, die Kirche sei neu, ihr Alter schätzten sie auf 60 Jahre. Diese Zeugenaussage wurde zur Rechtsfindung angenommen. So wurde die Schleifung der Kirche als rechtens (brach tet und beschlossen. Die betroffenen Dimmis ihrerseits reichten darauf hin beim Sultan eine Petition ein. Darin machten sie geltend, das Viertel und die Kirche seien seinerzeit von Kehmed II. zwangsweise Angesiedelten eingegeben (1) KEF1Q Onungii... S. 64-66 Nr. 4.
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worden, worüber sie auch einen yüküm besassen. Ferner sagten sie: "Seit jener Zeit wohnen wir in dieser Ma halle und gehen dort auch zur Kirche, Als in der Zeit Sultan Selîms (I.) eine Bestandsaufnahme der Istan buler Kirchen gemacht wurde, wurden viele Kirchen ge schleift. Unsere Kirche jedoch, weil sie eine alte Kirche war (d.h., aus der Zeit vor der Eroberung stammt), wurde nicht nur nicht geschleift, man hat uns sogar eine Besitzurkunde (temessük) darüber gegeben." Auf diesen Einwand hin erfolgen zwei weitere Bege hungen mit einem sultanischen Architekten; es sollte darüber befunden werden, ob die im Hofe eines Dimmxs liegende Kirche alt oder neu sei. Dio Untersuchung fand statt in Gegenwart einer Menge Muslime und Kichtmuslime, der Architekt war von einem alten (!) Muslim begleitet (eventuell einer der Zeugen der ersten In spektion) . Dabei wurde nun festgestellt: Die Kirche befindet sich im Hofe eines Dimm-Anwesens, drei ihrer Wände und das Dach stammen aus der Zeit nach der Eroberung, der grösste Teil der vierten Wand aber aus der Zeit davor. Wenn man genau hinsah (!) konnte man erkennen, dass der Ort, da sich der Altar befindet, nicht zusammen mit der alten Mauer gebaut worden, sondern aus dieser Mauer herausgehöhlt worden war. Nun folgt - bei dieser Urkundenart eine Seltenheit! eine Rechtsbelehrung: "Mit den "alten" Kirchen hat es folgende Bewandt nis: was vor der Eroberung Kirche war, bleibt auch nach der Eroberung als Kirche bestehen. Wenn sie verfällt
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kann sie mit Erlaubnis des Hâkim repariert '«erden." Als die Dimnis gefragt wurden, ob sie diesbezüglich einer, sultanischen Hüküm oder eine Gerich Isurkunde bcsässen, zeigten sie den Hüküm liehmeds II. vor, der vier Jahre nach der Eroberung Kons-antinopels ausgestellt worden war. Diesen zui’ olge hatte kehned einem gewissen Atmağa aus Edirne das fragliche Gebäude zum Besitz (miilk) gegeben. Mehmed berief sich dabei auf eine von Istanbuler Subaşı beigebrachte t e şs k e r o, welche das Gebäude beschreibt, als einstöckige, alte und narmorlose Kirche, die von einem Festungssoldaten Qaraga gestiftet worden war. In diesen Küküra räumt Mehnod II. den Atmaga die volle Verfügungsgewalt über die Kirche in jeder Hin sicht cin ("diler ise şata ve diler ise bağışlaya ve diler ise vaqf eyleye" - dies sind die drei Kriterien für m ü l k - "bi'l-gümle nice diler ise mülkiyet üzere verüb mütoşarrıf ola"). Nun gab sich aber die osmanische Seite mit diesem Schriftstück nicht zufrieden. Erstaunlioherweise aber lag das Argument dabei nicht darin, dass dieser Hüküm ja die verlangte Reparaturerlaubnis nicht ersetzen könne (diese ist plötzlich vergessen!), sondern es 7/urde versucht, den Inhalt dieses Hüküns sophistisch zu hinterfragen: "Nun, wenn dom so ist (es wäre wohl treffender, das ’ öyle olsa’zu Übersetzer, mit 'und überhaupt!’), so steht doch nicht fest, dass der in diesen) Hüküm er wähnte Atmağa Dinmtl war. "Jnd selbst wenn man dies unter stellen würde, so ist wiederum nicht erwiesen, dass er
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die Kirche auch_fürderhin alsjtirche besitzen solle." Diesem Argument hatten die Dimmls offenbar nichts mehr zu entgegnen. Und nun kommt plötzlich wieder die fehlende Reparaturerlaubnis ins Spiel: Die osmanische Seite brachte - man "riocht" förm lich, dass die Sitzung vertagt worden war - eine spätere t e z k o r e bei, die auf den Hamen eines gewissen Halil gesiegelt war, der leider nicht näher bezeichnet wird (und das allein schon macht das Schriftstück ver dächtig). Diese t e s k e r e besagt lapidar, in der in Altimermer liegenden Kirche, die sich im Besitz von Petoqloz Papas befindet, habe der Gottesdienst aufge hört, weil sie eine alte und aus der Zeit vor der Er oberung stammende Kirche sei ("eski ve qadimi bir keniso"). Und nun geht alles sehr rasch: "Seither sind 66 Jahre vergangen. Da nun aber die Kirche so lange ohne Gottesdienst war, und da auch er wiesen ist, dass sie neuerbaut wurde, ist es nicht mög lich, sie weiterhin im Besitz der Ungläubigen zu be lassen. " Dem Kadi von Istanbul wird deshalb befohlen, die Kirche bis auf den Grund abzureissen. * Soweit die Urkunde selbst. Die hier aufscheinende Abfolge von Argument und Gegenargument gemahnt in ihrer Typologie, auch in der Überflussigkeit einiger Schritte(l), (1) Nachdem etwa die Reparatur behauptet, von den Dimmls aber keine entsprechende Erlaubnis vorgebracht wurde, hätte man schon hier die Schleifung anordnen können!
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und im Ausgang sehr an die Fabel vom Wolf und vom Lamm - was übrigens SCHWEIGGER schon zum Typus christlich-muslimischer Streitigkeiten erklärte (1). Aus dem in der Urkunde erzählten Hergang ergibt sich folgende Chronologie: 1) Das Gebäude besteht schon vor der Eroberung. 2) 1453: Eroberung Konstantinopels. 3) 1457: Mehrned II. verleiht einem Atmağa aus Edirne uneingeschränktes Besitzrecht an der Kirche. (1) SCHWEIGGER, Salomon: Ein newe Reyszbeschreibung ausz Teutschland nach ConstantînöpeI-vHî_JerüsâIem777Hurnfierğ I5ö87-S7557~Diese-Fä15eI-erzäEIT7-ern-WörF-im5 ein Lamm kamen an einen Bach, um zu trinken. Der Wolf trank oben am Bach, das Lamm weit unterhalb. Als der Wolf das Lamm sah lief er hinzu und beschwerte sich, das Lamm würde ihm das Wasser trüben. Das Lamm entgegnete: "Wie kann ich dir das Wasser trüben? Da du über mir trinkst möchte es eher umgekehrt sein!" Darauf der Wolf: "Wie, fluchst du mir gar noch?”Das Lanun: "Ich fluche dir nicht." Da rauf wieder der Wolf: "So tat es dein Vater vor sechs Monaten, und du bist ebenso wie dein Vater." Hierauf ent gegnete das Lamm: "Bin ich doch damals noch nicht gebo ren gewesen, wie soll ich meines Vaters entgelten?" Der Wolf, sichtlich am Ende seiner Phantasie: "So hast du mir aber meine Wiesen und Äcker abgenagt und verdorben." Das Lamm antwortete: "Wie ist das möglich, habe ich doch noch keine Zähne!" (Es hätte auch fragen können, ob der Wolf Vegetarier geworden sei, dass er sich aus Wiesen etwas mache!) Nun aber hat der Wolf sich lange genug er götzt und kommt zur Sache: "Ei, und wenn du gleich noch so viele Ausreden hast, so will ich dich heute doch fressen" - würgte das Lamm und frass es. Man darf anneh men, dass er das Lamm auch ohne die Diskussion gefressen hätte. Man darf auch annehmen, dass die erwähnte Kirche ohnehin geschleift worden wäre - als Rechtsgrundlage hätte ja allein schon die Mosoheenähe genügt, hatten doch auch andere Kirchen, die allein mit dieser Begrün dung geschleift worden waren, einst ein "Privileg"!
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4) 1500: Die i e z k e r e eines gewissen Halil sagt, da die Kirche alt sei finde kein Gottesdienst mehr statt. Diese t e z k e r e wird freilich erst 1564 vcri den osmanischen Behörden beigebracht! 5) 1506: auf dieses Datum wird die Reparatur der Kir che (auch erst 1564) geschätzt. Urkundlich wird keine Reparatur nachgewiesen. 6) Zwischen 1512 und 1520 erhalten die Dimmîs Jur ihre Kirche eine Besitzurkunde von SelIm I. mit der Be gründung, die Kirche stamme ja aus der Zeit vor der Eroberung. 7) 1564: Die Schleifung der Kirche wird befohlen. Diese Chronologie bedarf nun noch einer kleinen Er gänzung: in den 90er Jahren dos 15. Jahrhunderts war die in der Fähe der umsIrjttenen Kirche liegende Moschee Seyyid cÖmer gebaut worden (1). Man darf annehmen, dass damals schon Muslinse im Viertel Altimenaer, in dem beide Kultgebäude lagen (2) ansässig waren. Das von Mehmed II. angesiedelten Christen 0 ) eingegebene Viertel hatte also sehen unter Bâyezîd II. eine konfessionell ge mischte Bevölkerung. Die Auseinandersetzung mit dem typischen Ausgang war also wieder aus dem TSinpflanzer. eines islamischen n u c~ 1 e u s entstanden (in unserer Fabel ist das die Frage, wer hier eigentlich wem das Wasser trübt!). (1) ÖZ, Tahsin: Istanbul Camileri. Bd. i, Ankara 1962, S- 121.
(2) a.a.O. Vgl. ferner: Ι Α II S. 731, Artikel Al'imcrmer. Das Viertel gehörte zur Kahiye Saraatya (heute Knca Mustafa Paşa). (3) Auch Atnaga stammte aus Edirne!
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Wenden wir uns nun der Argumentation zu! Die Dinmüs haben drei Dinge vorKübringen: den Hüküm von Mehmed II-, die Bösitxurkunde von Selim I., und die Aussage, sie würden seit Fâtih*s Zeiten in diesem Viertel wohnen und dort zur Kircho gehen. Letzteres Zeugnis kann natürlich nicht gehört werden, da ihm die musliinischc Aussage entgegensteht, die in der t e z k e r e des gewissen Halil enthalten ist, mit der wir uns gleich noch beschäftigen werden. Die muslimische Seite hat vorzubririgen: die Behaup tung dass die Kirche nach der Eroberung repariert wor den sei, die t e s k e r e
lialll’ s, ein sophistisches
Hintorfragen des Küküms Mehmeds II., und - verbunden mit mangelhaften Rechenkünsten - die Relevanz der WolfsLogik aus der Fabel. Es ist ganz klar, dass die in der Nähe der Seyyid cÖ;ner Moschee stehende Kirche den im selben Viertel wohnenden Muslimen ein Ärgernis war, auf dessen Be seitigung sie sannen. Die Behauptung, es handle sich um eine neue Kirche, ist dabei sehr naheliegend. Wenn dann noch Muslime das Eeusein der Kirche bestätigen, können die Dimmls keinen &egenbeweis mehr antreten, da ihr Zeugnis gegen Muslime nicht gehört wird. Es ist irrelevant, ob die Kirche de facto repariert wurde: alî ein die muslimische Behauptung schon hat ausreichen de Rechtskraft. Anders ausgedrückt: einem willkürlich Angeklagten wird die Beweislast dafür zugeschoben, dass er die - fiktive - Tat nicht begangen hat. Damit ist natürlich jede gewünschte "Rechtsfi.ndur:g" «u erreichen. Dio osmanische Seite hat sich übrigens verrechnet:
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wenn das Heparaturdatum der Kirche auf 1506 geschätzt wird, so passt dies zwar zum Datum 1500, jenem Jahr, aus dem die fragliche t e z k e r e eines gewissen Halil stammt, derzufolge in der Kirche ob ihres Alters kein Gottesdienst mehr stattfinde: aufgelassenen Kir chen dürfen nicht wieder neu in Betrieb genommen wer den. Aber ist es denn glaubhaft, dass Dimmis eine schon aufgegebene Kirche (ohne Reparaturerlaubnis, bei den drastischen Strafen) reparieren, um sie auch danach nicht mehr zu benutzen? Am Schluss der Urkunde heisst es ja, seit 66 Jahren dauere dieser Zustand nun schon an. Man kann den Dimmis bei der damaligen Kirchenknapp heit doch keine Absicht von Denkmalsschutz unterstellen! Ausserdem sagen sie ja selbst aus, dass sie die Kirche benutzen - und es spricht Bände, dass bezüglich dieser Frage keine muslimischen Zeugen aus dem Viertel ver nommen werden, die auf Grund gerade des engen Zusammen lebens davon ja Kenntnis haben müssten. Man hat also durch die t e z k e r e Halil’ s eine solche Zeugenein vernahme schlicht hinfällig gemacht, und damit natür lich auch einen unerwünschten Prozessverlauf von vorn herein verhindert! Nicht in die osmanische Rechnung aber passt vorerst die Besitzurkunde von Selim I., die ja 12 bis 20 Jahre nach der t e z k e r e des gewissen HalII ausgestellt wurde: nachdem SeiIm nichts unversucht liess, Kirchen zu schliessen oder zu schleifen oder in Moscheen umsuwandeln, ist es schlichtweg unglaublich, dass er bei diesem Eifer einer rechtsY^idrig reparierten Kirche, in
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der weder vor noch nach der Reparatur Gottesdienst statt fand, die Existenzberechtigung auch noch verbrieft hätte! Wir müssen deshalb annehmen, dass die spätere t e z k e r e KalII’ s von den osmani.sehen Behörden erst im Verlauf des Streits abgefasst wurde: sie dient ja geradezu dem Nach weis, dass SelTm I. die Kirche hätte schleifen müssen, da diese schon seit 1500 aufgelasscn war! Das heisst, die rechtswirksame Besitzurkunde Sellms wird wegen mangelnder Legitimität (jour Zeit ihrer Ausstellung) gegenstandslos. Dass die t e z k e r e HaiIls "gefälscht" war, erhellt auch daraus, dass der Aussteller nicht näher bezeichnet wird - irr. Gegensatz zu allen anderen Personen, die in den Beweisstücken auftauchon! Konnte man mit dieser t e s k e r e
also die Aussage
der Dimmls, sie würden die Kirche benützen, und die Be sitzurkunde Sellms I. gegenstandslos machen, so reichte sie doch nicht hin,7 den Hüküm Mehmeds II. auch für ♦ ♦ nichtig zu erklären - allerdings hätte es dessen gar nicht mehr bedurft, das wäre in unserer Fabel der Stelle vergleichbar, wo der Wolf das Lamm für die behauptete Schmähung seitens seines Vaters verantwortlich machen will. Der Hiiküm Mehmeds II. wurde mit sophistischen Argu menten hinterfragt: a) Üs ist nicht erwiesen, dass der vom Sultan mit der Kirche "beschenkte" Atmağa Dimir:! gewesen sei; l·) Selbst wenn man dies voraussetzt, dann .ist wiederum nicht gesagt, dass er die Kirche fürderhin auch als Kirche benutzen solle. ad (a): Zwar ist Atmağa nicht als Dimml spezifiziert,
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aber wem sollte Mehmed II„ schon eine Kirche eingeber·, wenn nicht einem Christen? Es ist aber andererseits auch nicht gesagt, dass jener "Festungssoldat" Qaraga, aus dessen 3esitz die Kirche stammte, seinerseits Piuslifl gewesen wäre. Dies einmal unterstellt, scheint es auch sehr fraglich, ob er eine Kirche "stiften" würde... Zu den Manen Atmaga und Qaraga .ist anzumerkon, dass sie sich nicht- eindeutig einer Konfession zu ordnen las sen (1). Wir vermuten, dass es sich bei jenem Qaraga, aus dessen Besitz die Kirche stammt, nicht um ein In dividuum mit diesem Vornamen, sondern um einen Ange hörigen einer Familie dieses Samens hande] I.. 3s gab tatsächlich eine griechische Familie- niederen Adels in Istanbul, die diesen fia:r.en führte (2). Für diesen Zu sammenhang spricht nicht zuletzt auch die erwähnte Stiftungsurkunde (3): ein in Altimermer liegendes Stif tungsgut wird dort- beschrieben als an einer Seite ar; (1) Vgl. ONGSAN, Halit,: XVinci_yü2:yila_aii Bursa sicil lerinde geçor. bazı türkçeTcişi açları. InT-TurK~Et'äografyâ~Iîergrsı~!V-rr95ry7~57 32-3£7~P,erner OXGAK 11, Hamensindex, und DIJDA, Herbert: Die Protokollbücher des Kadiaintes_Sofia. Bearbeitet von G7157~5äIä15öv7~MSncnön r95C-rSiuîosîeuropâ-:sehe Arbeiten 55), 713. Eie Vaqf-Urkunde TCr„ 2046 bei BARKAN, Ömer Lu ti Î/AYVE3DT, Jikrem Hakkı: İstanbul vakıfları tahrîr defterleri 953 (1546) tarihli.T-s tanbûI-I97ü7wo isT'einen Qarağâ~ır. ju3î-îıeserı: Viertel ausdrücklich als Dimmî aus! (?) Vgl. RUHCİKAN, Steven: Das Patriarchat von Konstantinopel vom Vorabend der *ürkTscnen_^röberiâfiğ“ EriJ_züri;'” ğrıccHIscEen-UnâBEanğîgFerîsE?rcğ7-î:Î)ers7 v7_P7_iTe~Mencefs-söEn7_E[üncEen_I97ö7'” S7~3537~383·, 439 ?. Anm. 31. (3) Vgl. hier oben, Arın;. (1). Die Stif tungs u rkund e stammt von Januar 1522.
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den Privatbesitz (mülk) des Dimmîs Qaraga angrenzend! Es lasst sich vermuten, dass es sich in beiden Fällen um Besitz der Familie Qaraga handelt. Ein eindeutiger Beweis ist freilich schwer zu erbringen. Doch der Zynismus ("es ist ja nicht gesagt, dass jener Atmağa Dimmî war!") steht der osmanischen Seite schlecht an: man kann doch den Dimmîs nicht vorwerfen, dass eine osmanische Urkunde an Genauigkeit zu wünschen lässt! Hier wird gewissermassen den Christen die Beweislast für den Dimmî-Status Atmağa’ s zugeschoben, ana log der Beweislast dafür, dass sie ihre Kirche nicht repariert, bzw. eine diesbezügliche Erlaubnis hätten. ad (b): Dieses Argument zeigt, dass die osmanische Seite dem eindeutigen Hüküm Mehmeds II. keine RechtsVerbind lichkeit zugesteht. Zwar wird Atmağa darin als Besitzer die freie Verfügungsgewalt über die Kirche zugestanden, doch räumt nun (1564) die osmanische Seite nicht ein, dass darin auch das Recht enthalten sei, die Kirche als Kirche zu verwenden. Zu diesem Schluss gelangt Süleymäns Verwaltung (implizit) mit folgender Logik: zwar hatte Atmağa Privatbesitz (mülk) an der Kirche, doch heisst es ja nur (wenn man den Passus der "freien Ver fügungsgewalt" unter den Tisch fallen lässt (1)), er könne je nach Gutdünken die Kirche verkaufen, verschen ken, oder zur Stiftung (vaqf) machen (2). Hierbei han delt es sich allerdings nicht um eine auf diese Punkte (1) "bi’ l-gümle nice diler ise mülkiyet üzere verüb mütesarrıf ola." (2) f,diler ise sata ve diler ise bağışlaya ve diler ise vaqf eyleye."
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eingeschränkte Verfügungsgewalt, die jede andere Ver wendung ausschliessen würde (was sollte denn auch das, jemanden) einen Besitz zu geben, nur damit, dieser ihn verkaufe, verschenke oder stifte!?), sondern es sind dies die drei bekannten Definitionskriterien für m ü 1 k - Besitz,, Sind sie gegeben, dann handelt cs sich um Privatbesitz mit freier Verfügungsgewalt. Diese Kriterien nicht als Integrität aufzufasser. heisst aller dings, den ui U l k — Begriff per se auszuhöhlon, letzt lich für gegenstandslos zu erklären. Und sc sehliosst dam auch die Deduktion in diesen Sinne: "Vielmehr ist bewiesen, dass nicht verzeichnet wurde, dass er (sc. Atn.aga) an der Kirche Besitz hat" (1). * So waren den Diraıcîs alle nur Verfügung stehenden Rechtsmittel - einst feierlich mit der grossherrlichen T’ Jghra bestätigt - zwischen der: Fingern zerronnen. Da bei waren die "Beweismittel" der M’ -sliae lediglich: - eine behauptete Reparatur der Kirche (unbewiesen und wegen Sßlrns I. Urkunde auch unhaltbar), - die Behauptung, es finde ir. der Kirche seit 66 Jahren schon kein Gottesdienst mehr statt- (dies widerspricht der behaupteten späteren Reparatur und der urkunde SeiIns), - Unterlaufen des :n ü 1 k - Begriffes.
(1) "Belki ker.isenin bile temlik olunmasına muqayycd olmadu£ma delalet eder.”
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Das Schliessen von Kirchen Schleifen "verlassener" Kirchen war keineswegs die einzige Ursache für Kirchenschwund. Eine Anzahl von Kir chen wurde lediglich geschlossen und versiegelt, was für die Betroffene Gemeinde natürlich den gleichen Ef fekt hatte. Neubau als Ersatz für geschlossene Kirchen lässt sich nicht nachweinen, zumindest kein erlaubter. Mitunter konnte es Jahrzehnte dauern, bis eine geschlos sene Kirche einer reuen Bestimmung zugeführt wurde. Die Umwandlung in eine Moschee stellt dabei den Korraalfall dar, doch finden sich auch profane Nachfolgehauten, sel ten eine Wiedereröffnung als Kirche - dies dann aber nur in jpssenpoHtischer Zielsetzung, wovon gleich noch die Rede sein wird. Nur in den wenigsten Fällen können wir den Grund zum Schliessen einer Kirche im gesetzwidrigen Verhalten ih rer Gemeinde finden. So wurde etwa in Galata Sta. Maria Draperii 1665 beschlagnahmt, weil sie nach dem grosseri Brand von 1660 ohne Genehmigung repariert worden war (1). (1) SCHNEIDER/K0MIK1DIS Galata S, 25: "Die Insassen zo gen sich nach Pera z'jrücFT71 Mit. dieser Abwanderung haben wir einen weiteren Beweis für die Rolle, welche Kirchcnpolitik für die Integrität der Dimmis spielt, wenngleich dieser Fall nicht die eigentliche Kirchengoracinde selbst betrifft. Einen zy Sta. Maria Draperii analogen Fall hat HEFIK Bulgaristan Nr. 60. Die nachgcwiesenc Schliessung von siecen_griecEischen und zwei armenischen Kirchen ir. Istanbul (vgl. IÎTCICYA.VAKDREASYAN Istanbul 5. 42 f.) scheint weniger auf unerlaubte F.eparaTür~zi;rückzugchen als vielmehr darauf, dass - auf Betreiben des Qä&icasker mit dem bezeichnenden Beinamen "Kilise delisi" (der "Kirchen-Psychopath") - eine solche Genehmigung nicht erteilt wurde, obwohl die Gebühr dafür erlegt worden war.
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Man muss hier die Frage stellen, warum dieses "Vergehen" nicht etwa mit einer Geldstrafe gebüsst werden konnte. Das Missverhältnis zwischen "Straftat" und "Strafmass" ist schon befremdlich eklatant. Aus diesem Verfahren lässt sich jedoch ablesen, dass eine unerlaubte Repa ratur nicht als Reparatur einer alten Kirche betrach tet wird, sondern als Neubau. Das Kriterium liegt also in der richterlichen Erlaubnis: diese allein ermöglicht die Reparatur, nicht etwa aber eine "prinzipielle Erlaubtheit". M o d e m ausgedrückt: mit einer Verwaltungs vorschrift wird ein "Grundrecht" unterlaufen. Sofern wir ausserhalb solcher Fälle eine Begründung für das Schliessen einer Kirche nachweisen können, ist diese nicht den s u r û t entnommen. Die Gründe sind eher in der Tatsache zu suchen, dass schlechthin die Existenz von Kirchen im Dar al-Isläm für die Muslime ein Ärgernis darstellt, dass jede Gelegenheit zur Kon fiskation willkommen ist, und gerne auch genutzt wird selbst wenn zwischen Anlass und Massnahme kein erkenn barer Kausalzusammenhang besteht. Einen solchen Anlass lieferte oft ein Zwist unter Dimmis verschiedener Kon fessionen (1), aber auch zwischen osmanischen Würden(1) Auch Streitigkeiten unter Dimmis einer Konfession konnten als Vorwand dienen: nach dem erfolgreichen Feld zug gegen Aserbeidschan beschloss Murad III. 1586 die Umwandlung der Pammakaristos-Patriarchatskirche in eine Moschee. Er rechtfertigte (?) diese Massnahme mit den Intrigen der Synode, die dem Patriarchen Jeremias II. sein Amt gekostet hatten; vgl. RUHCIMAN Patria-rchat S. 186 f. Freilich besteht kein erkennbarer Kausalzusammen hang; dies gemahnt höchstens an eine Mutter, die ihre streitenden Kinder straft, indem sie ihnen das Spiel zeug wegnimmt, um das sie sich streiten! Die Mutter hat dann ihre Ruhe, die Kinder keinen Zankapfel mehr...
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trägern und ausländischen Vertretern. So führte etwa die Auseinandersetzung des Grosswesirs um den Besuch des französischen Botschafters zur Schliessung von drei Kirchen (1), der Streit um Mönchsmissionen in der Wa lachei zur Schliessung von zwei weiteren (2). Im ersten Falle verhinderte eine "Verehrung" von mehreren Tausend Dukaten die Umwandlung der Kirchen in Moscheen, im zwei ten folgte die Umwandlung sehr rasch. Fällt schon im 16. Jahrhundert also die Kirchenpo litik nicht mehr ganz in den Bereich der Auseinander setzung der Osmanen mit ihren Dimmîs, so ist sie bereits im 17. Jahrhundert Gegenstand bzw. Verhandlungsgrund lage bei Verträgen mit dem Dar al-Harb (3), indem Schlies sen bzw. Wiederöffnen von Kirchen im Dar al-Isläm als aussenpolitisches Druckmittel eingesetzt wird. Dies setzt sich noch im 18„ Jahrhundert fort (4), doch können wir die Entwicklung nicht weiter verfolgen, da der üiedergang dos Reiches, verbunden mit den massiven Ein fluss christlicher Mächte (besonders Russlands und Frank reichs), eine geänderte Dimmî-Politik mit sich brachte, die auf anderen Grundlagen fusst, als wir sie in dieser Arbeit darstellen. Die Rechtfertigung zum Schliessen von Kirchen scheint für die nachweisbaren Fälle etwas dubios. Die Begrün dungen sind fadenscheinig, zeigen keinen Kausalzusammen hang zur Massnahme, das Schliessen als "Sanktion" wirkt (1) (2) (3) (4)
KAffiER a.a.O. a.a.O. a.a.O.
GOH IV 112 f. ınd IV 150 für 1581. V”215 f. VI 464 und. 467 f. VII 315 Ϊ.
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übertrieben - man "riecht" förmlich, dass alles nur konstruiert ist. Nun, dies liegt einfach daran, dass es zum Schliessen einer Kirche keiner gesonderten Recht fertigung bedarf: wenn der Kadi eine Kirche "mir r.ichts, dir nichts" schliesst, so darf sie nicht mehr geöffnet werden. Das ist keineswegs eine BINSWANGER’ sche Diktion: ABU’ L-BAQA3 sagt wörtlich: "Wenn ein Hakim eine Kirche mir nichts, dir nichts schliesst, so darf sie nicht mehr geöffnet werden. Und wenn sie dann (von selbst) verfällt, so darf sie nicht mehr zurückgegeben werden« Hierüber besteht i ğ m ä τ " (1). Allein das Faktum des Schliessens hat also Rechts kraft, es bedarf keiner "Legitimation". Mit dem Hinweis auf die "normative Kraft des Faktischen" ist nichts er klärt, schon gar nicht der Rechtsbruch: den Nichtmuslimen wird bei Eingehen der Bimma ja Besit^standwahrung an ihren Kultgebäuden vertraglich zugestanden. Wir wollen keine allgemeine Debatte darüber anstel len, inwiefern Eroberer jemals nach einer Rechtfertigung ihrer Handlungen fragen. Uns interessiert hier nur, was die auf die Dimma bezogenen Bestimmungen der f u q a h ä 5 - und deren Anwendung in der Praxis - für die In tegration der Dimmis leisten. Hier können wir wieder einmal foststellen, dass die angebotene Dimma mit der später praktizierten (und praktizierbaren) nicht iden tisch ist. (1) ABÜ’ L-BAQA3 cAqa5id fol. 161 r, Z. 16-19: "Bir hâ kim bi-gair-i vegB~Bir~kenisenin qapusini kelidlese*min bacd ol kenise açılmaz ve bi-ğair-i veğh yiqilir min bacd icäde olunması gä5iz değildir. Iğmâ' bunun üzerine dir."
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Umwandlung von Kirchen zu Profanbauten Um die Mitte des 16. Jahrhunderts beklagte DERNSCHWAM die Profanierung der Kirchen Istanbuls: "Die aitten schonen geczirtten cristlichen kirehen, palatia vnd hewser haben die turken alle in grundt abgeprochen vnd daruon ire teuffels meezithen gepawt vnd bader, das man auch nit spurt, wo was gestandn" (1). Die seheriatrechtliehe Grundlage zum Abbruch "ver lassener" Kirchen haben wir schon angeführt, ebenso die wesentlichen Mechanismen, die eine Gemeinde zum Ver lassen ihrer Kirche "bewegen" konnten. Zweifellos hing die Umwandlung von Kirchen, bzw.. die Verwendung der aus ihnen gewonnenen Steine mit dem Man gel an Baumaterial zusammen, oder simpler ausgedrückt: so war es billiger. Wir finden als Nachfolgebauten fast ausnahmslos Gebäudearten, die man bevorzugt aus Stein erstellte (2), sofern nicht die Kirche als Ganzes über nommen, und nur innenarchitektonisch zweckentsprechend umgestaltet wurde: Kervanserays, Bäder, Lagerhäuser, Munitionsdepots, aber auch Ställe und Wohnbauten. Inwie fern bei einer solchen Profanierung ein propagandisti scher Zweck beabsichtigt war, lässt sich schwer sagen, es liegt aber auf der Hand, dass sich in der Wertung des (1) DERNSCHWAM Tagebuch S. 144. (2) "A seeond caîegöry of ’ arrested’transferences is formed by the churches devoted by the Moslem conqueror to civil uses c This seems to have been done when a sufficient number (!?) of churches in a conquered eity had been converted into mosques"; HASLUCK, F.W.: Çhristianitj and Islam under the Sultans. Vol. I. Oxford~l9297~S7~387
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Volkes - bei Dimmîs wie bei töislinen, wenngleich mit vertauschten Vorzeichen - die Profanierung entsprechend niederschlug. Das Ausmass des Kirchenschwunds aus diesen Umwand lungen lässt sich naturgemäss schwer bestimmen; zahlenmässig liegt es sicher nicht unter dem durch Umwandlung zu Moscheen verursachten, doch kommt diesem ein höherer propagandistischer Effekt zu. Für die betroffenen Dimmîs andererseits ist die Natur des Hachfolgebaus einer ihnen entzogenen Kirche irrelevant. Umwandlung von Kirchen in Moscheen Unbeschadet der Frage nach der rein religiösen Wer tung christlicher Kirchen, die zur bevorzugten Umwand lung ermuntert haben nag - was in der Folgezeit oft zu eigenartigen Synkretismen führte (1) - lässt sich sagen, dass die Osmanen in eroberten/unterworfenen Städten prinzipiell die Hauptkirchen jn Mose?:een umwandelten, und den Dimmls nur die kleineren belicssen (2). Die Umwandlung von Hauptkirchen zu Moscheen hat wohl (1) HASIUCK Christianity and Islan I S. 6-46 stell* solche Synkretismen ausführlich dar. (2) "Lasciano a Christiani alcune nisere, et basziszime chiesette, doue celebrino gli uffici lorc"; İ1EIJAVIE0 Vita et legge i'ol. 66 v„ Analog äussert- sich RAUWOLFF İSİŞZ S. 406: "Oie Christen...h ab en hin vnr.d wider inn grossen handeis S".äUen/;,hre sondere gasseri jnnen/die sie bewohnond/wolchc mehrthails ausserhalb inn Vor stätten: vnnd vmb dieselbe rofier auch kleine vnnd niderc· Kir chic·in/dar innen sie ihren Gottesdienst, ver richten. "
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zwei Gründe: zum einen wurde damit klargemacht, dass der Islam die herrschende Macht war, und die Dimmis in eine "untergeordnete" Stellung abgesunken waren. Zum anderen war dieser propagandistische Effekt gleich nach Einnahme einer Stadt zu erzielen, wohingegen doch der Neubau einer groason Moscheo Jahre gedauert hätte - und die innere Umgestaltung einer Kirche war auch weitaus billiger denn ein Keubau (1). Deshalb muss man die Um wandlung dor Hauptkirchen zu Moscheen in direktem Zu sammenhang mit der Srobcrung einer Stadt, sehen; in die sem Brauch manifestiert sich noch nicht notwendig eine Kirchenpolitik. Von einer solchen können wir aber spre chen, da in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten die Entwicklung konsequent fortgesetzt wurde - nur bezog sie sieh jetzt freilich nicht mehr auf die Hauptkirchen... Wir haben schon aufgezeigt, dass hierbei frühere Zu sicherungen schlicht ignoriert wurden. Worin aber liegt der Grund für Umwandlungen lange nach der Eroberung bzw. Unterwerfung? Wie schon bei. der Schliessung und Schleifung von Kir chen finden wir auch für deren Umwandlung in Moscheen - obwohl in den Dimma-Verträgen immer ausdrücklich aus (1) Wir übersehen keineswegs, dass auch christliche Mächte im Falle von Rückeroberung ehemals islamischer Landstriche analog vergingen. Doch lehnen wir einen sol chen Vergleich ab aus Gründen, die später noch darge legt werden. Was die rein ästhetische Seite der dabei zwangsläufig entstehenden architektonischen Mischformen angeht, so wollen wir darüber kein Urteil abgeben. Ob sich die Kathedralen in Nikosia und Famagusta grotesker ausnehmen als die in Cordoba, sei dahingestellt.
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geschlossen! - keinen Grund im scheriatwidrigen Verhal ten der betroffenen Gemeinde (1). Da dem Umwandeln in eine Moschee die Schliessung der Kirche ja vorausgeht, letztere aber keiner weiteren Begründung bedarf (2), brauchen wir auch nach keiner Begründung mehr für die Umwandlung zu suchen: sie ist nur noch eine naheliegen de Konsequenz. Umwandlungen von Kirchen, welche schon seit längerer Zeit geschlossen waren, mögen durch den dadurch verur sachten Wegzug der Gemeinde mitveranlasst worden sein handelte es sich dann doch um "verlassene" Kirchen, welche dem Gutdünken der Muslime anheimfallen - doch ging ja auch das Schliessen der Kirche fast nie auf ein Verschulden der christlichen Gemeinde zurück (3)« (1) Heben dem - wenig repräsentativen - Schicksal von Sta. Maria Draperii (vgl. oben S. 95 f.) sei noch er wähnt, dass Mehmed III. den Katholiken (!) von Chios ih re Kirchen sperren und zu Moscheen umwandeln wollte, da diese Katholiken sich seinen Unwillen zugezogen hatten - wegen eines (übrigens missglückten!) Überrumpelungsversuchs durch toskanische Galeeren. Die venezianischen und französischen Vertreter konnten den Sultan besänfti gen. Vgl. HAMMER GOR IV 297 f. Hier treffen wir wieder auf die Verquickung von Dimmi- mit Aussenpolitik. (2) Vgl. oben S. 98! (3) Wir müssen hier noch präzisieren: wenn einer Dimmi-Gemeinde die Kirche beschlagnahmt wird, so wird eine ZuSicherung aus dem Dimma-Vertrag gebrochen. Geschieht dies mit der Begründung, die Gemeinde habe unerlaubt ih re Kirche repariert, so wäre zu fragen, ob bzw. inwie fern die Dimmis dadurch ihrerseits gegen die Dimraa-Bedingungen verstossen hätten. Zumindest finden wir nirgendwo bei d e n f u q a h ä 3 die unautorisierte Kir chenreparatur unter jenen Gründen aufgeführt, wclche eine (auch nur partielle) Auflösung der Dimma als Kon sequenz nach sich ziehen! Vgl. auch oben S. 36-39.
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Die wohl groteskeste Geschichte in diesem Zusammen hang berichtet HAMMER (1) aus der Regierungszeit Sul tan Ibrahims: "...die (sc. Kirche) von S. Antonio zu Galata, wobey sich ein Weihquell befand, war noch unter S. Murad’ s Regierung gesperrt und versiegelt worden; unter S. İbra him'e Segierung kam eine Frau aus dem Serai, löste das Siegel, badete sich im Ajasma und versiegelte es dann wieder. Der damahlige Grosswesir Kara Mustafa hierüber erzürnt, verwandelte die Kirche sogleich in eine Moschee, dessgleichen geschah mit der abgebrannten (2) Kirche S. Francesco." Obwohl es auch dabei keinen zwingenden Kausalzusam menhang gibt, findet sich der Versuch, Kirchen in Mo scheen umzuwandeln, mitunter in der Folge des Amtsan tritts von Statthaltern (3). Welches Motiv hierbei aus schlaggebend ist - über das schon erwähnte grundsätz liche Ärgernis hinaus - ist schwer zu sagen, aber einen Prestigegewinn brachte dieser Schritt dem Beamten bei der ihm unterstellten muslimischen Bevölkerung sicher. Für Fanatiker waren Andaehtsstätten, die keinen spe zifisch christlichen Charakter haben, natürlich ein ge eignetes Objekt (4). Dem dabei erhobenen Anspruch liegt ein ähnliches Motiv zugrunde, wie es SeiIm I. schon ge il) HAMMER GQE V 391. Nach SCHNEIDER/NOMINIDIS Gal ata S. 22 war S. Antonio erst 1606 geschlossen worden. (2) SCHNEIDER/NOMINIDIS Galata S. 24 datiert für S. Fran cesco genauer: ” 1696 konfisziert und am 6.3.1697 in eine Moschee verwandelt." (3) So machte der neueingesetzte Sandschakbeg Jerusa lems 1587 die syrische Kirche zu einer Moschee; HAMMER GOR IV 190. 74) Vgl. hierzu das folgende Beispiel des Zionsklosters, bzw. Davidsgrabes.
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braucht hatte (1): den Polytheisten stehe es nicht zu, an erhabenen Stätten ihren nichtigen Glauben auszuüben. Diese Begründung war freilich aus konkretem Anlass kon struiert (was sich aber jederzeit wiederholen liesse!), da ja keineswegs alle Andachtsstätten, die sich der Ver ehrung durch Muslime wie auch durch Schriftbesitzer gleichermasscr; erfreuten, nach der Eroberung ir. isla mischen Besitz übergingen. Für das Beispiel dos Davidsgrahes bzw. des Z-ionsklosters ist uns der konkrete An lass überliefert (2). Das Vorgehen ist typisch auch für andere Beispiele, da die scheriatrechtlichen Grundlagen unveränderlich sind, und die Berufung auf sie bei glei cher Ausgangslage auch dann diese]ben Ergebnisse zeiti gen nîuss, wenn der konkrete (persönliche) Aniass even tuell anderer Hatur sein mag. Das Beispiel des Zionsk’ losters Angeblich hatten die Franziskaner dos Zionsklosters einem Juden den Besuch des Davidsgrabes verweigert. Da raufhin begab sich der Jude zu einem der Seyyide Jeru salems und machte geltend, die Mönche sollten jenen hei ligen Ort nicht innohabon, da sie dem Propheten Verach tung erwiesen, indem sie über seinem Grabe eine Heilig-Geist-Kapelle errichteten, und so auf dem Haupte des Propheten einhergingen. Nachdem die Franziskaner aber das Kloster schon zu lange in Besitz hatten, schien es (1) Vgl. oben S. 73! (?) Die Ewisode ist überschaubar zusaane-ngosteilt in der Einleitung SCHEFEl’ s zu CHESNjİâU’ s Voyage S. X m X - X L V J , und S. 116 ff., und ist ix Anhang S. 255-261 durch die übersetzten Urkunden belegt.
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dem Seyyid zu gewagt, deren Vertreibung anzustreben,, Erst das Verhalten des Klostervorstehers, der eine "Ver ehrung" des Seyyid in Form eines Kleides ausschlug (1), liess den frommen Mann beim Mufti von Jerusalem um eine Fetwa nachsuchen. Der örtliche Kadi fügte dieser ein Untersuchungsprotokoll bei, demzufolge in der Grabkam mer Davids auch Muslime begraben seien. Mit beiden Schriftstücken begab sich der Seyyid nach Istanbul, wo er einen Fermän erhielt, der die Umwandlung des Grab baus in eine Moschee befahl. Die Franziskaner wurden des Gebäudes verwiesen, konnten aber in anderen Teilen des Klosters wohnen bleiben. Daraufhin beschwerte sich der Seyyid bei der Hohen Pforte, der Fermän sei wegen Bestechung nicht ausge führt worden, wonach ein weiterer sultanischer Befehl die Vertreibung der Mönche aus dem gesamten Kloster anordnete. Interventionen der französischen Krone, ih res Botschafters und des Bailo von Venedig war nur ein vorübergehender Erfolg beschieden. Durch den ganzen Vorgang offenbar ermutigt oder an geregt, begannen die Muslime Bethlehems und Jerusalems, von verschiedenen christlichen Heiligtümern Marmor säulen und das Blei der Dächer abzutragen. Im Jahre 153? wurden die Franziskaner des Zions klosters, der Grabeskirche und der Geburtskirche zu Bethlehem - ohne Angabe von Gründen (2) - verhaftet. (1) Vom Typ der "Verehrung”wird später noch ausführ lich gehandelt. (2) Vgl. auch die oben S. 82 Anm, (2) schon aufgezeigte zeitliche Parallele zur Politik Süleymäns I. gegenüber den Kirchen Istanbuls!
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Drei. Jahre später fanden sie bei ihrer Hückkehr die Ge bäude geplündert vor (diese waren ja "verlassen"). Der venezianische und der französische Vertreter erwirkten einen Perman, der den Franziskanern den Besitz am Klo ster - freilich nun unter Ausschluss des Davidsgrabes bestätigte. Zehn Jahre später wurden die Mönche beschuldigt, im Kloster Waffen aufzubewahren, die zu gegebener Zeit an Christen ausgehändigt werden sollten, um Jerusalem der islamischen Herrschaft zu entreissen - der Besitz von Waffen ist den Dinnnîs nach den s u r u t verboten,. Fer ner wurde behauptet, sie hätten innerhalb des Klosters neue Gebäude errichtet - also verbotene Erweiterungs bauten (1), sie würden Frauen die Teilnahme am Gottes dienst gestatten, und der Klostervorsteher würde eine schöne Stute reiten - auch hier wieder der Bezug zu den ä u r ü t ! Eine Untersuchungskommissicn erkannte die beiden ersten Behauptungen für nicht zutreffend, die beiden letzten Punkte aber als auf einem Privileg aus mamlukischer Zeit beruhend. Es gelang dem Prior, von Süleyman, der damals in Syrien .im Winterquartier lag, einen Fermän an die Behörden Jerusalems zu erwirken, der verbot, die Franziskaner an ihrem Kult zu hindem. Koch bevor der Vorsteher aber in sein Kloster zurückgekehrt war, hatte der muslimische Wächter des Davidsgrabcs ge genüber dem Kadi und dem Sandschakbeg Jerusalems er klärt, im Kloster trieben sich als Pilger verkleidete (1) Vielleicht bezieht sich die Fetwa bei DUZDAG Sbussuud Nr. 467 auf diesen Zusammenhang? Vgl. oben S. 58-Inm. (1) !
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Spione umher - auch hier wieder der Bezug zu den s ü r ü t : Verbot der Beherbergung von feinden des Islam! Ferner machte er geltend, die Mönche würden noch immer singend am Grabe Davids vorbeiziehen, und dadurch diesem - wie auch den Muslimen (!) - Verachtung erweisen (1). Darüber berichtete man nach Istanbul. Nach einem kurzen Zwischenspiel dort erging 1551 ein Ferman, der die Franziskaner u m riderruflieh aus dem Zionskloster vertrieb. Süleyman tat die Bitte von Henri II. um Rück nahme des Befehls ab mit dom Hinweis, er könne nicht ge gen das islamische Gesetz verstossen, und einen Ort, an dem das kanonische Gebet schor. gesprochen worden war, wieder an Ungläubige abtreten. Die Mönche übersiedelten in das Erlöserkloster. *
In dem Schriftverkehr, der zwischen Jerusalem ur.d der Pforte in dieser Angelegenheit geführi; worden war, kehren immer folgende Argumente wieder, mit denen der Anspruch des Islajn auf das Davidsgrab - und dann auf das ganze Kloster - begründet wird: - Mit einer erschlichencn (!) Reparaturerlaubnis hätten (1) Ein christlicher liturgischer Gesang wird also so gedeutet, dass dadurch David (und den Muslimen) Ver achtung erwiesen wird. Von der reinen Logik her lässt sich dieses Argument natürlich auf jeden christlichen Gottesdienst übertragen - einschliesslich des Marien kults - da sich ja auch Jesus und Maria muslimischer Wertschätzung erfreuen. Wir werden noch nachweisen, dass die Musline tatsächlich im christlichen Gottes dienst Beweise für die Verachtung Gottes erblicken also einen Akt der Blasphemie.
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sich die Mönche erdreistet, ihr Kloster um neun Stein reihen höher aufzuführen, und sich (baulich) dem Da vidsgrab zu nähern. - Franken (also Harbls!) kämen alljährlich nach Jeru salem, wo sie dann im Zionskloster in völliger Sicher heit lebten - ohne Aman. - Auch die Mönche selbst seien eigentlich keine Dimmîs, da sie nach einiger Zeit ja ins Dar al-Harb zurück kehren. - Sie zaillen keinerlei Abgabe ans Osmanische Reich. - Da das Kloster zu nahe an einem islamischen (!!!) Heiligtum steht, werden die Muslime durch die gott losen (!) Gesänge der Mönche beleidigt, und auch Da vid, dem König der Propheten, würde dadurch Schmach zugefügt. - Der Glockenklang übertöne die Stimmen der Muslime. Auch in den Antworten auf diese Beschwerdepunkte finden sich stets Bestimmungen, die wir schon aus den s u r ü t kennen: - Es ist absolut unzulässig, dass Christen in musli mische Gebäude eindringen, es sei denn, zu einem den Muslimen nützlichen Zweck (z.B. Warenlieferung)(1). - Ebenso unschicklich ist es, dass PÄuslime in Kirchen und Klöster der Christen gehen, um Zeugen von deren Zeremonien zu werden. Wenn schon die Blindheit der (1) Das "muslimische Interesse" (maslahat al-muslimîn) ist stets dann als Begründung anzutreffen, wenn eine an sich restriktive Bestimmung punktuell durchbrochen wer den soll. Es kann als oberstes Prinzip des islamischen Rechts schlechthin äufgefasst werden.
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Christen schon freiwillig ist, so dürfen doch nicht Muslime die Zoichen dieser Untreue gegen Gott (damit ist der christliche Kultus gemeint!) sehen, denn die Christen verachten den Glauben der Muslime (1). - D i e Christen dürfen hei ihrem Gottesdienst weder ihre gottlosen Stimmen erheben, noch Glocken läuten, deren Klang Gott- noch verhasster ist, als der christliche Gesang. Der ursprünglich rein "private" Streit eines Seyyid, dem offensichtlich jedes christliche Kultgebäude ein D o m in Auge war, hatte zur Auflösung des Zionsklosters geführt. Die Rechtsgrundlage dazu lieferten ihn just die s u r ü t, die nach Ansicht der Orientalistik und scheinbar - auch der f u q a h ä 3 den Schutz der Dimmîs gewährleisten, über deren Charakter als "Schulübung" wir kein Wort mehr zu verlieren brauchen, da ihre Auswir kung auf die Praxis deutlich genug ist, unbeschadet der Frage, ob sie einem konkreten Vertrag aus der Frühzeit entstammen. Es sei noch aarauf hingewiesen, dass der fromme Sey yid, der sich scheriatkonforn verhielt und auch nur so argumentierte, schon 1523 recht handfeste Motive hatte, den Streit bis zum Ende durchaustehen: die Hohe Pforte hatte ihn nämlich zun Verwalter des Klosters und dessen (1) Vgl. etwa - neben anderen analogen Stellen - Q III 118: "Sie (sc. die Ungläubigen) werden nicht müde, Ver wirrung unter euch anzurichten, und möchten gern, dass ihr in Bedrängnis kommt. Aus ihren Äusserungen ist (schon genug) Hass kundgeworden. Aber was sie (an Hass und Bosheit) insgeheim in ihrem Innern hegen, ist noch schlimmer."
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Güter eingesetzt (1)! * Das Beispiel des Zionsklosters vermag uns über jene Schritte in der Umwandlung von Kirchen in Moscheen auf zuklären, die wir im einzelnen quellenmässig nicht ge nau rekonstruieren können. Als Ergebnis bleibt vorerst festzuhalten: Kirchen im Dar al-Isläm sind ein Ärgernis, wenn/weil sie prachtvoll sind, und in der Nähe islamischer An dachtsstätten und Moscheen (2), oder in muslimischen Vierteln (5) stehen, weil sich Pracht und "Polytheis mus", dessen Zeugen Muslime keinesfalls werden sollen, ausschliessen. Die Bekehrung der unterworfenen Völker ist weitaus verdienstlicher als der rein steuerliche Ge winn, den die muslimische Gemeinschaft aus ihnen zieht. (1) In der Übersetzung des betreffenden gatt-i serlf bei CHESNEAU Voyage S. 258 heisst es: "Hous'l’ avons envoye et lui avons confie le soin de regir les biens de l’ eglise, les jardins et les champs qui en dependent; nous l ’ avons investi de toute autorite et lui avons aecorde la jouissance de ces biens, ainsi que la faeulte de disposer tout ce qui sera neeessaire pour s ’ y etablir et y resider." Es ist bezeichnend, dass der Seyyid sich nicht auf diese ganz klare Einsetzung beruft, son dern auf die s u r ü t(2) und (3) Beide Konstellationen entstehen aber erst durch den Bau einer Moschee und/oder dcn_Zuzug von Mus limen. Es sei daran erinnert, dass Abu Yusuf das enge Zusammenleben damit rechtfertigt, weil es die Dimmis zur Konversion verleiten kann. Die Osmanen haben diesen Grundsatz nicht nur nicht abgeändert, sondern zudem den Christen eine grosse Anzahl von Kirchen entzogen, weil sie sich davon - zurecht - erhofften, das Erlöschen des christlichen Kultus zu beschleunigen.
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Die Politik, den Christen Kirchen zu entziehen, wird "bewusst zu dem Ziele eingesetzt, sie für Konversion zum Islam anfällig oder "reif" zu machen, indem man dem Christentum die zu seiner Aufrechterhaltung unabding baren Kultgebäude nimmt. Dass die Osmanen mitunter auch einer Dimmî-Gemeinde ihre Kirche nahmen, um sie einer Gemeinde anderer christ licher Konfession zu geben (1) - wobei wir freilich nicht erfahren, dass der geschädigte Teil zum Ausgleich eine andere Kirche hätte bauen dürfen - hat im Vergleich mit der sonstigen Kirchenpolitik eine vergleichsweise geringe Holle gespielt.
(1) "...in Psamathia blieb die Kirche des Periblebtos bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts eine grie chische Kirche; dann übergab sie Sultan Ibrahim den Armeniern, um seiner armenischen Lieblingsfrau...einen Gefallen zu tun"; RUNCIMAN Eroberung S. 208. Nachdem Ibrahim erst 1640 an die HeğıerûnğTam, muss die Kir che zwischenzeitig geschlossen gewesen sein, oder das 16. steht hier versehentlich für das 17. Jahrhundert. Auffällig ist jedenfalls auch die zeitliche Parallele zur Ausweisung vieler Armenier aus Istanbul kurz zuvor, vgl. oben S. 53 f. Die unter Süleyman I. den Griechen genommene und den Armeniern gegebene Kirche Surp Georg ist ein analoger Fall; vgl. ΜΑΝΤΡΑΝ Istanbul S. 51.
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Kirchenteilung Wir haben keinen Hinweis darauf, dass sich die ver schiedenen christlichen Konfessionen des Osmanischen Reiches unter einem höheren Gesichtspunkt als Einheit verstanden hätten. Es wurde schon oben darauf verwiesen, dass ja gerade Streitigkeiten unter verschiedenen christ lichen Konfessionen zur Schliessung oder gar Umwandlung mancher Kultgebäude den Anlass oder Vorwand lieferten. Die Eigenbrötelei christlicher Konfessionen erschien einigen europäischen Reisenden bemerkenswert (1). So ge horchte man denn eher der aus dem oben dargcstellten Kirchenschwund entstandenen Notlage - und nicht etwa ökumenischen Empfindungen! - wenn sich Angehörige ver schiedener Konfessionen in eine Kirche teilten. Die Grabeskirche in Jerusalem nimmt hier natürlich eine Sonderstellung ein, aber wir finden eine solche Praxis auch für andere Orte belegt (2). Obwohl nur. zwar sicher (1) So wundert sich etwa B3L0N Observations fol. 179 v: "Et combieri qu’ il demeure plusieurs näTIons Chrestiennes en vrie ville ou village Turquoys, tcutesfois quand quelque Armenien est trepasse, il n ’ y a que les Arme niens qui conuoicnt le eorps en terre: les Grecs aussi conuoient les leurs: Car l ’ vne religion ne conuoie pas l’ autre: et ne se neslent en rien des affaires l ’ vn de l ’ autre." (2) GAiSLISR Voyage S. 147 über Alexandria: "Les Chrostiens latins e£-grecs ont par cııseırıble un temple, qu’ or, nomme de Saincte Saba, lequel a esto rci'aict (!) de nouveau, ayant este quelque temps auparavant ruine par .la commune en une emotion populaire." Der Zusammenhang von Kirchenschwund und Kirchenteilung ist hier evident! Ferner DüüKSCHWAM Tagebuch S. 272 über Ofen: "Die eri şten haben zw S. MägääTcnä noch d^e kircher. innen, scind in dem glauben zwyspaldig, ir zwen a] i.te grawe papisti.-
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dor von den Muslimen verursachte Kirchenschwund - also gewissermassen "höhere Gewalt" - die Zwangslage geschaf fen hatte, teilten sich die verschiedenen christlichen Konfessionen nicht von sich aus in eine Kirche, wenn diese das angestammte Kultgebäude einer Glaubensgemein schaft war. Dann musste der muslimische Kadi eine Ent scheidung herbeiführen (X). Dieser hatte ja für Streit sachen zwischen Dimmis unterschiedlichen Bekenntnisses die alleinige Rechtsgewalt.
sehe pfaffen ha.lttens auff die altte verfurische arth, vnd ir zwen ader 3 auff die luttrisehe vnd zum thail zwingl-isehe arth. Dorumb sy die kirchon vnd er schlagen mit brettern. Die papisten haben den chor inner., alda sy messe haltten vnd vesper singen...Wan sy ir ampt vnd vesper verpracht, so fahen die lutrischen in der aussern kirehn. ir ceremonien vnd gesarig an...". Zu den Kirchen Ofens vgl. BJÖRKMAII, Walther: Ofen zur Türkenüeit. Hamburg 1920. Γ Γ Τ Eine solche Entscheidung ist uns erhalten bzgl. der Teilung der Kirchen von Gyöngyös zwischen Katholiken und Lutheranern. Vgl. FEKETE, Ludwig: Einführung in die osmanisch-türkischeJDiplomatik der“îur!iîscEen BotmassığlieTÎ-în-Ungarn.-Eudâpes:iri92k, Urkunde ]Tr7~97
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Kirchenersatz Der Kirchenschwund veranlasste die Dimmis fernerhin, Gottesdienst in Privathäugern abzuhalten - was natür lich verboten wurde. Noch 1725 wurde ein Turm in Fener eingerissen, in dem Griechen Gottesdienst gehalten hatten - was Anlasa gab, diesen Turm als nach der Er oberung erbaute Kirche zu betrachten (1), ein keines wegs osmanisches Argument, wie sich gleich noch zeigen wird. Erst für das 19. Jahrhundert finden wir diesbe züglich eine "liberalere" Handhabung, die zweifellos auf den massiven Einfluss christlicher Staaten zurück geht (2). Aus dem 16. Jahrhundert ist uns urkundlich folgender Fall überliefert (3): Die (ungläubigen) Fischer von Balat hatten eines ihrer Häuser mit einem zusätzlichen Stockwerk versehen und dann - angeblich - in diesem Haus Gottesdienst ab gehalten. Daraufhin war das Haus, welchcs nun osmanischerseits als neuerbaute Kirche betrachtet wurde, ge schlossen worden, worüber sich die Fischer beschwerten. In dieser Angelegenheit erging dann ein Hüküm, bei dem die Reihenfolge der angeordneten Schritte nicht weniger interessant ist als die Argumentation; da das Haus (hier (1) RSFIK On ikinci...Nr, 110. (2) Eine soIcEe Erlaubnis findet sich im Einsetzungs berat für Parthenius in die Diözese Trapczunt, vom 28. 9.1814, veröffentlicht bei SCHEEL, Helmuth: Die_staatsrechtliche Stellung der ökumenischen KirchenfûrsÎön Tn Jer aTten~Türlcei. Ein BeiTrag~zür~GescHicEte jTer~TnîrIcrscEen~Verfassu5g un3“ VerwâIîünğ7-BerIîfi-I943,~S7_33~F7 iyj~REFKi Önungu77. S . T 4 -Nr7“3.
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ist nicht mehr von einer Kirche die Rede!) höher ist als die umliegenden (muslimischen) Häuser, muss es zer stört werden und anderen Häusern Platz machen. Gleich zeitig sollen auch andere Häuser in der Nähe, die höher als die umstehenden der Muslime sind, von Grund auf zerstört werden, und anderen Häusern weichen. In einem dritten Schritt wird den Christen erlaubt, sich in diesen "anderen" Häusern zu versammeln, aber sie dürfen dort nicht ihrem "nichtigen Glauben" nachkommen. Auch wenn es einen reichlich zynisch anmuten mag, dass für diese Häuser gleichzeitig das Schleifen befohlen und der (nicht mehr so hohe) Wiederaufbau erlaubt wird: die Fischer von Balat sind noch mit einem blauen Auge davongekonnnen. Bemerkenswert ist auch, dass hier ein "Kirchenneu'bau" bzw. ein höher aufgeführtes Haus zum Anlass genommen wird, gleich mehrere zu hohe Häuser einzuebnen (es genügte scheinbar nicht, nur ein Stockwerk abzu tragen). Diese Typologie kennen wir schon von der Prob lematik der Vertreibung von Dimmîs aus Moscheenähe (1). Die Frage nach der Zulässigkeit von Gottesdienst in (1) Man hatte dies immer damit begründet, dass die Dimmîs durch Unzucht, Lärm, Musik und Trinkgelage die An dacht der Muslime stören würden. Statt ihnen aber dies zu verbieten, wurden sie des Viertels verwiesen; vgl. oben S. 56 f. Analog hätte man in Balat den Gottesdienst verbieten, und das Abtragen des obersten Stockwerks be fehlen können. Auch bezüglich der zu hohen Häuser treffen wir eine bekannte Typologie: diese Häuser staiamten sicher aus der Zeit, da das Viertel noch keine muslimischen Be wohner hatte, sonst wären sie von Anfang an niedriger ge baut worden. Die muslimischen Zuwanderer bauten sich dann niedrige Häuser - und die Dimmîs mussten die ihren schlei fen. Analog ist natürlich auch zu betrachten, wenn eine Kirche zu nah.: an einer Moschee steht;...
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Privathäusern war schon i® Ägypten des 14. Jahrhunderts von don f u o a h â 5 aller vier Recht3 schulen einstim mig abgelehnt worden (1). Die Begründung war ausdrück lich: eine solche Praxis käme dem verbotenen Keubau von Kultgebäuden gleich. Privathäuscr, in denen riichtislamische Zeremonien vollzogen würden, seien aber im Dar al-Isläm zu verbieten, da sie gefährlicher seien als WeinseherJcen und "andere Orte der Sünde" (?). Abgesehen vor. dieser befremdlichen Gleichstellung, die ein aufschlussreiches Schlaglicht auf die "Tole rierung" nichtmuslimischer Religionen durch den Islam wirft, wird ein wesentlicher Zug der Kirchenpolitik klar: wenn der Entzug von Kirchen nicht zürn Erlöschcn des christlichen bzw. jüdischen Glaubens führt, vielmehr (1) Das Sechtsgutachten ist übersetzt bei FATTAI Statut S. 176. Interessant ist die Icgik: zwar ist das GeBaüile als solches alt, aber da jetzt darin ein (in diesem Falle: jüdischer) Gottesdienst abgehalten wird, ist es eine neue Synagoge. Kun, "neu”war ja eigentlich nur der Gottesdienst, folglich wäre es logisch, auch nur diesen zu "schleifen". Das Vorgehen impliziert ganz un verkennbar eine Strafmassnahme, da es eben nicht darum geht, einen status quo ante wieder herausleTIenT (2) Nachdem schon zwischen der mamlukisehen Fetwa und dem o.a. Hüküm büg]. der Fischer von Balat eine evidente Kongruenz besteht (beim islamischen Recht eigentlich kei ne erstaunliche Tatsache!), sei auf eine v/eitere namlukisch-osmanische Parallele verwiesen: die ir.amlukischen Fuqaha 3 nannten solche "Srsatzkirchen" einen Ort der Sünde. ABU’ L-BAQÄ\ osmanischer Faqih des 17. Jahrhun derts, nennt (_^_Aqa id i'ol, 160 r) Synagogen und Kirchen schlichtweg derTTrerîpunkt mit dem Teufel: "Müslim o]an kimse yahudiler bi'esine ve naşara keniselerino gi.raek makrühdur 'zîrâ i!iegmac-i saytândır."
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dieser dann eben in Privathäusern praktiziert wird, und die muslimische Behörde nun dieses Fortleben des Glau bens mit (verbotenem) Neubau von Kultgebäuden gleich setzt (und entsprechend sanktioniert!), dann heisst das: Kirchen werden bewusst zu dem Zweck entzogen, damit der andere Glaube erlischt. Den Beweis hierfür liefert das Argument der f u q a h ä 3, das Abhaltung von Gottes dienst in Privathäusern dem Neubau von Kultgebäuden gleichsetzt, ganz eindeutig. Anders ausgedrückt: so war das mit der zugestandenen Religionsfreiheit nicht gemeint. Sie soll nicht "ewig" währen. Die "Religionsfreiheit" war also gebunden an die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Unterwerfung, konkret: an dio damals vorhandenen Kultgebäude. Der Islam "toleriert" also nicht den jüdischen und christlichen Gottesdienst schlechthin, sondern nur je nen, der in Synagogen bzw. Kirchen abgehalten wird, die schon zum Zeitpunkt der Unterwerfung bestanden und diese Funktion hatten. Inwiefern dieser Gottesdienst über die eben aufge führte Einschränkung hinaus "toleriert" wird, soll jetzt untersucht werden.
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Das Los der verbliebenen Kirchen -_kultische Beschränkungen Wir haben schon darauf hingewiesen, dass die den Christen belassenen Kirchen von recht bescheidenem äusseren waren (1). In der Episode um das Zionskloster erwähnten wir auch bereits das Verbot von Kirchenglok ken, deren Klang den Muslimen Ärgernis erregte. Dieses Verbot galt im gesamten Osmanisehen Reich, lediglich die Inseln Patmos und der Berg Libanon machten eine Ausnahme (2), weil dort keine Muslime in der Kahe wohn ten. Dennoch gab es immer wieder Versuche der Dimmîs, das Verbot zu durchbrechen (3), doch erfahren wir nichts über das diesbezügliche Strafmass. Das Verbot bezog sich nicht auf Glocken schlecht hin, sondern nur auf deren liturgischen Gebrauch (4). Die zweite Funktion der Glocken, zum Gebet y.u rufen, (1) Vgl. oben S. 100. Einen kleinen Eindruck hiervon vermitteln einem noch heute einige ältore Kirchen in Istanbul, vorab in den Vierteln Balat und Fener, die eher an Lagerschuppen oder Werkstätten gemahnen, denn an Gotteshäuser. (2) Vom Verbot abseits dieser Ausnahmen berichten fast alle Reisenden des 16. Jahrhunderts. (3) Dagegen ergingen u.a. die Befehle in MÜD XXIX 75 und 238 . (4) Schlaguhren gab es nämlich durchaus, wenngleich sie nur zögernd eingeführt wurden.So berichtet FfiSSNE-CAKAYE 1573 über Üsküb: "Cette ville a une horloge publique qui s’ entend par toute la ville (!} ct qui sonne les heures â la française”; FRESNE-CAMYE, Philippe: Le voyage du Levant. Hrsg. v. N« Hauser. Paris 1897 (RVÜfliT-X7I77_5^ 34.“ öffentliche Schlaguhren sind für 1577 noch für Gran und Ofen belegt: SCHWEIGGER Constantinopel vnd Jerusa lem S.24.
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wurde von Gemeindemitglied e m übernommen, die durch die Strassen liefen, und entweder mit Prügeln an die Türen schlugen, oder durch Hufen zum Kirchgang aufforderten (1). "Stille'' Messen D&3 S in (auch oder überwiegend) muslimisch besiedel ten Städten nicht öffentlich zum Besuch des christlichen Gottesdienstes aufgefordert werden durfte, braucht nach einer Darlegung der s υ r ü t nicht mehr näher erläutert werden. V/ir müssen aber darauf hinweisen, dass das Läu ten von Glocken innerhalb der Messordnung eine liturgische Funktion hat, die sich nicht durch Ausrufen ersetzen lässt. Andere Instrumente, die diese Funktion hätten übernehmen können, waren don Dimmis natürlich auch ver boten (2), was nach der aufgezeigten Analogie von Gottes dienst in Privathäusern und Kirchenneubau eigentlich nicht mehr überraschen sollte. Eine weitere Einschränkung auf liturgischer Ebene ist (1) RAFÄOLFF Raisz S. 407: "Die Christen aber/haben jhre Mosner/dTe zur stund der predigt/vrmd ihres gebetts mit starc'xen b enge in herumb gehn/vnnd in einer jeden gassen ar. eine oder mehr hauszthüren/von hol tu darzu starck zugerieht (!//etliche straich thund." Analog SCHWEIGGE3 Constantinopel_vnd Jerusalem S. 181: "Wie auch bey den GriecEen-ein-!SälD^erümE-scFireit auff der Gassen: kompt inn die Kirchen etc. weilen sie nicht Glocken haben." (?) Vgl. etwa den Verträgstext bzgl. Galata bei HAMMER GOR I 678. Es ist denkbar, dass diese Coker· nur ErsatzFunktion hatten. Dagegen bringt die Übersetzung bei BELDI CEAFJ hierfür "creceiles", wovon eindeutig die litur gische Funktion betroffen ist; BELDİCEANU, Kicoarä: Recherche sur_la Ville Ottomane öu_XVe siecle. Etüde cfäcFes7_PärIs_I975 ΓΒΓΗΙϊδFEeqüe~arcEeölögıöüe-eF“ Eis Fo-
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das Gebot, Messen leise bzw. still zu singen, damit kein Schall aus der Kirche dringe (1). In der Praxis bedeutete dies, dass gar nicht gesungen werden durfte. Der christliche Gottesdienst fand also formal als "stille Messe" statt, ohne liturgisch tatsächlich eine solche rique de l ’ Institut Français d ’ Archeologie d ’ Istanbul XXV), S. 154. Für die analogen Bestimmungen aus vorosmanischer Zeit vgl. FATTAL Statut S. 203 ff. et passim. (1) Der Ulmer Kaufmann KRAFFT Berichtet über St. Georg in Famagusta (1573): "Sy derffen kein gesang vnd nur stülle Messen darin haltten, haben auch keine glockhen Im Thurn, sogar keine glockhen In der kürchen, so mans Zur Messz, wo die gehaltten wirdt, pflegtt Zu gebrau chen. In Summa sy müessen All Iren Gottesdienst so still verRiehtten, Alles zu dem Intent, damitt wan ein machomettist für Iber gehtt, die geringste Ergemus nichtt höre oder vermörekhe, wie dan Ir kirchenthür mitt fleysz von brütter vnd Holz werckh Also eingefaszt Ist, dasz man sich Zum Drittenmal vff eine vnd die andere seytten Im eingang musz wenden, bisz er sol che Inwendig andritt"; KRAFFT, Hans Ulrich: Reisen und Gefangenschaft_Hans_Ulrich_Kraffts. Hrsg. v. K.D. HassIer7_5TüTÎgarÎ I8 &I TBiBIioTEe£-Ses, Literarischen Ver eins in Stuttgart 61), S. 73. Weniger ausführlich, aber für das ganze Reich geltend (also auch für den ortho doxen Ritus!) und auch aus eigener Erfahrung sagt GEORGIJEVIC De_°rigine fol. G 7 r: "Misera et humillima sacella ChrısÎıanıs relinquunt, ubi sacra non publice sed öisSimulanter et silentiose faciant." Völlig analog äussem sich ferner: FÜRER, Christoph: Christofers_Pürers von^Haimendorff Ritters.ııR£İ£r®esc^ieL5^S~ın“ EğypÎeö7.7 Krsg7~v. ~Jacoü Purer. iiürnHerg 16^5, S. I5ö; ferner GIRAUDET, Gabriel: Discours du voiage d^outremer au sainct sepulchre... Toulouse'~r5537_57~Z97'~söwre HEGHAULT, JnÎöîne: Discours du Voyage d ’ outremor au saint sepulcre .. .Lyon 15757~S7-5ö-:ün5-797-GEHISCH-TägeIiücH-S7~2f59-ef~ wähnt extra, die Griechen (!) der HaüpÎstâSÎ dürften we gen eines Privilegs von Mehmed II. an zwölf Festtagen des Jahres nachts eine lauie Messe zelebrieren; d.h., auch im orthodoxen Bereich war die "stille" Messe in Kirchenalltag der Normalfall!
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zu sein. Es ist zweifelhaft, -ob man dies mit der Be gründung hinnehmen kann, dass damit den herrschenden Buslinien kein akustisch wahrnehmbares Ärgernis gegeben wurde. Das Verbot des liturgischen Gebrauchs von Kir chenglocken, Altarglöckchen und Klappern stellt frei lich einen eklatanten Eingriff in den Kult dar (1). Zwar ändert dieser Eingriff nicht den liturgischen Wert der Kesse, er reduziert aber den christlichen Kult auf das letzte theologisch noch tragbare Mass. läs ist durchaus denkbar, dass die Muslime verhindern wollten, dass auf den Vorgang der Wandlung, der in ihren Augen natürlich eine unerhöhrte Blasphemie darstellt, auch noch eigens hingewiesen werde - was ja die litur gische Funktion der Glöckchen bzw. Klappern ist. Dies lässt sich auch deshalb vermuten, da der islamische Orient schon früher Eingriffe in den christlichen Kult kannte, nachdem sich ein Gouverneur über diesen infor miert hatte (2 ). Das Argument, es ginge beim Verbot, der Glocken darum, den Muslimen kein Ärgernis zu geben, kann nur für die (1) Zur liturgischen Funktion der Altarglöckchen vgl. Josef (S.J.): Dag christliche Altar ge rät in seinem Sein und_in seiner-Entwicklung. München~I932, 57~575r~fäHrencT (Ter Karwoche wirü Jas Glöckchen durch eine Klapper oder Knarre ersetzt. Letztere sind die "crecelles" im Vertrag mit Galata, Übers. BELDICEAîfU Ville_ottomane S. 154. Auch FATTAL Statut passim hat sÎeîs~wnaqusw und "simandres" (Knarre,"Hatsche). Altar glöckchen, sowie auch der Brauch, während der Wandlung die Kirchenglocken zu läuten, sind erst seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar. (2) Vgl. FATTAL Statut S. 205.
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Kirchenglocken gelten, nicht aber für die Altarglöck chen und Klappern: es ist schlicht unmöglich, dass ein vorhergehender Muslim aus den Inneren dor hermetisch verschlossenen Kirche (1) dergleichen hört. Auch den leisen Gesang - sofern die Christen den überhaupt noch zu erheben wagten - konnte er nicht hören (2). Somit kann dieses Ärgernis nicht auftreten, und wir müssen die Begründung der betreffenden Bestimmung in einem "Ärgernis" auf anderer Ebene suchen. Die Fetwa des Mufti von Jerusalem (3), welche zur Schliessung des Zionsklosters die "theologische" Recht fertigung gab, liefert uns das entscheidende Argument: "...le son des cloches est plus odieux au Dieu tres haut et tout-puissant que le bruit de leurs voix." Gott sind also nach muslimischer Ansicht Gesänge und Glockenklang verhasst - wohingegen nach christlicher Ansicht aber beides zum Lobe Gottes erschallt. Wenn nun deshalb den Dimmis Glocken und Gesänge verboten werden, dann bedeutet das, dass dor Islam nicht einen originär christlichen Kult "toleriert", sondern einen Kult, der den Ansichten des Islam entspricht (4)! Inso fern können wir nur noch von einer "Pseudo-Toleranz" (1) Vgl. oben S. 120 Anm. (1). (2) Man darf nicht vergessen, dass diese Restriktion das "akustische" Ärgernis einmal akzeptiert - ja erst - und nur! - durch das enge Zusammenleben "nötig" wird. (3) Übersetzt bei CHESNEAÜ Voyage S. 257. Vgl. auch oben S. 105 ff. (4) Vgl. auch oben S. 107: durch Gesänge am Davidsgrab würde David und den Muslimen Verachtung erwiesen!
sprechen, bezüglich des zu "tolerierenden" Objekts. Bedenkt man ferner, dass dieser Kult, eben weil er nur still und in aller Abgeschiedenheit praktiziert wurde, von den Muslimen gar nicht wahrgenommen werden konnte, so muss man fragen, ob dor Toleranzbegriff überhaupt noch anwendbar ist. "Toleranz" setzt doch nicht nur das Wissen um die reine_Existenz des zu To lerierenden voraus, sondern ebenso und ganz besonders dessen Gegenwart (1)! Nachdem aber der Kult der Dimmls von den Muslimen nicht bemerkt wurde, er ihnen nicht gegenwärtig war, wird eben hierdurch der Toleranzbe griff schlicht gegenstandslos (2 )!
(1) Zwar können wir wissen, dass Primitive irgendeiner Südseeinsel sich von Würmern ernähren, eine Vorstellung, die uns Ekel erregt. Aber da sie diese Nahrung nicht in unserer Gegenwart zu sich nehmen, stellt sich die_Frage nach unserer "toleranten" Haltung mangeIs~ReIevänz öEnehin nicht - wenngleich wir theoretisch darum wissen: es "gehl uns nichts an", kann uns gleichgültig sein! ABU’ L-BAQÄ 5 ‘ Aqa^id fol. 160 r fordert sogar bewusstes Igno rieren ües cEristlichen Kultus, wenn er sagt, es sei un schicklich, jemandem auf dessen Ersuchen den Weg zur Kirche zu zeigen (Zimmı konise yolunu göster deyü bir müslime su’ al etse göstermek lâyık değildir).D.h., selbst wenn der Muslim weiss wo die Kirche liegt, soll er so tun, als wüsste er dies nicht. Dann freilich heuchelt er nicht Toleranz, sondern Ignoranz! (2) Ahmad b. cAbd al-'Aziz, ein Faqlh des 14. Jahrhun derts, umriss die Grenzen dieser "Toleranz" recht tref fend: "Man kann nicht sagen, dass ihnen die Ausübung ih res Kults erlaubt sei, wie könnte man denn nach dem Religionsgeseîz-Göîtlosigkeit (!) erlauben? Man muss sagen: wi£_hindera sie_ii±clit.”Vgl. FATTAL Statut S. 160. Die sen ScEwebezustanil von weder Erlaubnis,-noch Behinderung, noch Verbot werden wir im Schlusskapitel näher behandeln.
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Prozessionen und Beerdigungen In diesem kultischen Bereich - freilich an sich schon weniger repräsentativ als der reir.e Gottesdienst, da mehr Brauchtum denn Liturgie - zeigt sich ein etwas liberaleres Bild» So berichtet etwa GERLACH von einem Leichenbegängnis unter Gesängen durch Pera (1), das von den Muslimen nicht gestört wurde, doch muss darauf hingewiesen werden, dass die s u r S t bei Begräbnissen nicht Gesänge, sondern nur Tränen, Beten und Klagen ver bieten - wovon GERLACH nichts erwähnt. Dieses Begräbnis war also scheriatkonform. Ebenfalls von Pera berichtet LESCALOPIEE, offensicht lich ganz unter dem Eindruck jener Feiertage, die er ausschliesslich dort verbrachte (Mai und Juni 1574): "Lon exeroe en ceste ville la Religion catholique en toutte liberic Jusques aux processions Italiennes des battus Et a la feste Dieu les rues tapissees soubs la garde de deux ou 3. Janissaircs ausquelz lon donnc quelques aspres" (2 ). Nun ist freilich gerade die italienische Gemeinde Galats (3) wenig repräsentativ, da die Pranken auch in anderen Teilen des Osmanischen Reiches nicht ganz so strikten Reglementierungen des Kultes unterlagen: ihren Gottesdienst hielten sie generell lauter als die Grie chen (4). Ferner sei darauf hingewiesen, dass auch die vorosmanische Zeit für einige christliche Festtage Aus nahmen zuliess (5 ). (1) GERLACK Tage=Buch S. 34. Allerdings hat RENAULT Discours S. G5 eine stille, nächtliche Beerdigung. T2T~LESÖAL0PIER Voyage fol. 37 r. (3) GERLACH Tage^Bucß S. 161: "Die Perotter sind 40." ? (4) FÜRER ReTs-Eoscfireib’ iiig S. 160. (5) FATTAL-SîâTüî-S7-2ö4“eÎ passim. Vgl. auch oben S. 120.
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Wenn nun aber solche Festtagsprozessionen unter dem Schutze von Janitscharen durchgeführt wurden - modern ausgedrückt: unter Polizeischutz - so lässt sich daraus schliessen, dass grundsätzlich mit Störungen zu rechnen war, was ein Schlaglicht auf die soziale Umwelt der Dimmis wirft, und wieder einmal die Bedeutung des engen Zusammenlebens von Muslimen und Nichtmuslimen unter streicht. GERLACE berichtet uns, wie wenig effektiv dieser Schutz durch Janitscharen war: "Den 21. als am Fronleichnams Pest haben die Perot ter eine Pro'cession.. .gehaltten/da jedermänaiglich von den Türeken/Juden/Griechen/Armeniern und Welschen zugelauffen. Die Türcken das Wesen verspottet und verlacht/ dasz sie jhre HErrn Gott also umbtragen: sonderlich haben sie sich sehr schimpflich gemacht über die Gemähld in ihrer Kirchen/weil darinnen nicht nur der Hei ligen: sondern anderer und zwar WeibsBilder in Frantzösischer/Spanischer/Niederländischer und Welsche Trach ten/und das meist ist/gar nackende Weibs=Bilder bcy den Altären stehen/welches die Juden und Türcke sehr ge ärgert. ..Etliehe Janitscharen haben sollen die Kirchthüren verwachen/dasz die Türcken nicht hinein lauffen/ und das Gespötte darausz treiben/aber sie haben sie gleichwol eingelassen/die drinnen laut geredet/geschrye und gelacht. Und wann ein Christ hinein geholt/ der hat ihnen Geld geben müssen" (1), Es ist nicht ganz auszuschliessen, dass diese Ja nitscharen auch im islamischen Interesse Türken den Zutritt zu den Kirchen verwehren sollten - Muslime sol len ja nicht Zeugen der "Gottlosigkeit" werden. Dass aber dieser "Schutz" für die Dimmis pervertiert wird, just durch die, welchen er angeblich obliegt, ist ein Verhaltens typ, derr. wir öfter noch begegnen werden (2). (1) GERLACH Tage=Buch S. 215. (2) Hingewiesen sei_clarauf, dass viele Reisende auf
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Selbst wenn man von Störungen der angeführten Art bei Prozessionen absieht, so sollte doch die relative Duldung solchen Brauchtums nicht überbewertet werden, da dergleichen im Alltag des Kirchenjahres nur wenige Ausnahmen darstellt, die an der restriktiven Politik gegenüber dem Gottesdienst nichts ändern. Zusammenfassend können wir festhalten: Die Osmanen verfolgten eine gezielte Politik gegen nichtislamische Kultgebäude, die der Islamisierung der Dimmls diente. Der Kirchenschwund führte für die je weils betroffene Gemeinde zum Verlust eines wesentli chen Kriteriums, das sie als Gemeinde konstituierte (1). Er steht in engem Zusammenhang mit der Zerstörung der geographischen Integrität der Dimmî-Gemeinden, und mit der fortschreitenden Parzellierung durch Bildung von m a h a l l ä t . Die umgesiedelten bzw. zu rück gedräng ten Dimmls konnten ihrem Kult nur im Verborgenen nachkommen, wobei dieser Kult nach islamischen Kriterien beschnitten wurde, und nicht mehr Ausdruck dessen sein durfte (Lobpreisung Gottes), was die Dimmls selbst da Überlandstrecken erst durch den sie begleitender. Janitscharen in Kalamitäten gerieten, da dieser einen Mus lim schlug oder gar tötete, wovon später noch die Rede sein wird. Zur rechtlichen Grundlage dieser Problematik sei angemerkt, dass im Amän-Recht dem Musta3min zwar Schutz in der Form zugestanden wird, dass er nicht an gegriffen werden darf. Ob er aber auch aktiv beschützt werden muss, ist unter den f u q a h a 3 umstritten. Vgl. HEFFENING Fremdenrecht S. 38. (1 ) Wer seinen GlauEenspFIichten nicht nachkommt - wie bei Kirchenschwund sicher oft der Fall ~ kann nicht mehr Zeuge gegen einen anderen Dimml sein; DİİZDAĞ Ebussuûd 419 f.
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rin sahen. Deshalb mussten wir den Toleranzbegriff man gels Anwendbarkeit ersatzlos streichen. Die Kirchenpolitik führte zum Verschwinden einiger Gemeinden aus ihren alten Wohnvierteln, an denen ihnen doch Immobilienbesitz einst zugestanden war. Sie ist natürlich in Zusammenhang mit den im Abschnitt über geographische Integrität aufgezeigten Faktoren zu be trachten. Doch auch in den neuen Vierteln waren die DimnTs durch jederzeit mögliche Einpflanzung islamischer n u c 1 e i und durch weiteren "Kirchenraub" von er neuter Vertreibung bedroht. Obwohl an diesem Vorgang noch weitere interdependente Faktoren beteiligt waren, die wir später behan deln, wollen wir nun am Beispiel Galatas diese Ent wicklung veranschaulichen.
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3o Kirchenpolitik und Verlust der geographischen Integrität am Beispiel Galatas "Die ’ Osraanisierung’der von den Türken eroberten Städte vollzog sich in Quanten, die wir mit den je a h a 1 1 ä t gleichsetzen können" (1). Wir haben schon dargelegt, wie eng die Gründung einer n a h a 1 1 e mit der einer Moschee verknüpft ist, und dass das Einpflanzen eines solchen n u c 1 e u s in eine Diranî-Geneinde deren Integrität sprengt, bzw. diese Gemeinde in ein anderes Wohnviertel abdrängt. Wenn wir nun eine solche Entwicklung am Beispiel Gfalatas betrachten, so versteht sich diese Darstellung als Modell, weil die Bestimraungsfaktören auch für andere Städte gelten. Sie ist gleichzeitig aber nur eine Skizze, weil wir uns auf die wichtigsten Faktoren beschränken müssen. Aus diesem Grunde soll in den Plänen auch nur die Entwicklung i n t r a r a u r o s dargestellt werden. Wir verzeichnen dabei vorab Kultgcbäude, Profanbauten aber nur dann, wenn sie entweder Kultbautcn ersetzten, oder aber ein wichtiges Indiz für Besiedelung liefern. Dies gilt besonders für Bäder, welche ,'a gegenüber Wohn bauten den Vorteil haben, sich genauer lokalisieren zu lassen» Die Entwicklung i n t r a m u r o s hängt natürlich mit derjenigen e x t r a m u r o s eng zusammen, dcch können wir letztere aus Fonnatgründen nicht in die Pläne einbringen; auf sie wird im Text für den jeweiligen (1) KREISRK Stadt S. 202.
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Zeitraum hingewiesen. Dasselbe gilt für Faktoren, die sich mit Bildsymbolen schwer darstellen lassen. Als Stichjahre der Bestandsaufnahmen wählten wir 1453, 1481, 1512, 1600, 1660 und 1700. Das Ende der Regie rungszeit Mehmeds II. (1481) schien uns bedeutend, weil sich nur so aufzeigen lässt, welche Veränderungen in Galata noch unter dem Herrscher vorgingen, welcher die ser Stadt die Dimma gegeben hatte. Mit dem Regierungs antritt Sultan Selîms I. (1512) begann die Zeit, da wiederholt versucht wurde, alle Kirchen in Moscheen um zuwandeln. Obwohl diese Tendenz bis in die Regierungs zeit Sultan Muräds III. (1574-95) reicht, schien uns eine Unterteilung vor 1600 nicht sinnvoll, da die zwi schen 1512 und 1600 erfolgten Schritte zur Islamisierung Galatas inhaltlich und methodisch Zusammenhängen, und deshalb als Ganzes dargestellt werden sollen. Die beiden letzten Stichjahre, 1660 und 1700, veranschau lichen die Auswirkungen des grossen Brandes und seiner Folgen, die nur zum geringsten Teil in wirklich kau salem Zusammenhang mit diesem stehen, wie im Textteil dargelegt werden wird. In einer vorausgreifenden Aufstellung der Kirchen, Moscheen und Bäder Galatas in den Stichjahren lässt sich die Entwicklung in ihrer wesentlichen Struktur überschaubar skizzieren« Die Zahlen verstehen sich zumindest für die beiden ersten Stichjahre - nicht als absolut, da eine ganze Reihe von Gebäuden in Datierung und Lokalisierung zu ungewiss ist, als dass sie hier berücksichtigt werden könnte. Wenn wir deshalb ein run des Dutzend Kirchen ausklammem, deren Bestehen für das
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Jahr der (unbestritten freiwilligen!) Unterwerfung (1453) nicht gesichert ist, so räumen wir den Osmanen einen Bonus ein. Unter den Bädern sind natürlich türkische (Hamam) zu verstehen. Die Bestandsaufnahme C-alatas ergibt - i n t r a m u r o s - für die Stichjahre numerisch folgendes Bild (1): Zahl der Kirchen
Moscheen
Bäder
1453 1481
25 24
3
3
15 12
22
6
3
1600
20
10
6
1660
19
12
7
1700
8
13
7
im Jahre
Betrachten wir nun die Entwicklung zwischen den Stichjahren:
(1) Fast alle Angaben und ihre zeichnerische Umsetzung entstammen SCHNEIDER/ÎJOMIIÎIDIS Galata. Auf Stellennach weis für jedes einzelne Faktum muss“aus praktischen Er wägungen verziehtot werden. Wir haben bei den Plänen den Verlauf des heutiger. Ufers und auch die Galata-Brükke als Orientierungshilfe beibehalten. Auch der Verlauf der Stadtmauer beruht auf SCHtiEIDER/NOMIKIDIS Galata. Sofern in den Plänen Veränderungen auf tau eher., die nicht diesem Werk entstammen, wird im Textteil der be treffende Stellennachweis gegeben.
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zwischen_1453_und 1481 Kurz nach der Einnahme Konstantinopels schickte die genuesische Potesta von Galata eine Abordnung zu Mehmed II., welche diesem die friedliche Unterwerfung Ga latas anzeigte. Der Sultan gab der Stadt die Dimma in voller Übereinstimmung zu anderen Kapitulationen (1). Der "Vertrag" bestätigte die Einwohner der kleinen Stadt in ihrem Besitz an beweglicher und unbeweglicher Habe, sicherte ihnen den Bestand ihrer Kirchen und die freie Ausübung ihres Kultus zu (der Gebrauch von Glocken, Ratschen und Klappern wurde ihnen freilich untersagt). Der Sultan gab die ausdrückliche Zusicherung, keine Kirchen in Moscheen umzuwandeln, in Galata kein d e v ş i r m e durchzuführen, und versprach, die Autonomie der Stadt nicht anzutasten (2). Die Beherbergungspflicht wird mit Einschränkungen ausgenommen: "Janitscharen und Sclaven (3) sollen in ihre Häuser nicht einquartiert werden", ansonsten schlicht nicht erwähnt. Wir haben es also mit einem ganz normalen Dimma-Vertrag zu tun, ja, wir können für Galata hier nicht ein mal ein "Besätzungsstatut" postulieren. (1) So im Text - wir benutzen weiterhin die Übersetzung bei HAPiMER GOH I 677 f. - ausdrücklich: "nach der Ge wohnheit jeîes Landes meiner Herrschaft", "wie jeder Ort meiner Herrschaft". (2) "...auch soll ihnen meine Herrlichkeit keinen Sclaven zur Aufsicht stellen, sondern die Galater sollen sich selbst einen Ältesten wählen, welcher die Geschäfte der Kaufleute schlichte." (3) Das heisst natürlich: Staatsbeamte (qul), wie auch in Anm. (2).
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Schon unter Mehrned II. begann die muslimische Be siedlung Galatas (]). Hie drei Bäder und Moscheen (einer davon war St. Donenico (?), einer anderen ein nicht ge nau lokalisierbar es Kloster zun Opfer gefallen) lasser; ZT/ei BesiedlungsriehVungen erkennen: vom Westen her, ohne dass sich eine Eegrür.dung verrrrjten Hesse, und vorn. Osten her, dies vermutlich in Zusammenhang mit der ausserhalb der Ostmauem gegründeter. Stückgi esserei (Tophane) - wofür das Kapı içi K a m a m spräche. Die Gründungsgcschichte der angeblich aus dieser Zeit stam menden Xaphatiar.i-Kirche (i:i: Piar.: J?' 3) ist recht um stritten (3), doch sei den Osmanen auch dieser Bonus eingeräumt. Dass der Besessen in der ülühe der Anlege stelle der Pernen geba.it (?) wurde, die den Personer.ur.d Güterverkehr nit Stanbul gewährleisteten, här.gt natürlich nicht mit der Besiedlungsriehtung :-;usammer.. Diese ändert sich - i r. t r a n u r o s - in der Folge zeit nicht wesentlich.
(1) Dies ist eige nt 1 ich ers taur.Iich, da doch damal s noch die nualimisohe Besiedlung Stambuls recht schwierig ur:.d dünn war. Wir können also eine recht weitmaschige Streu ung islamischer n u c 1 e i feststellen. (?) Aus ihr entstand die Arap Camii. Die nördlich davon wohnenden Christen wurden 15^0 ihres Viertels verwiesen; vgl. İEF10 Onunğu... S. 23 f. tr. ?. (3) vgl. SC FTNEIDEP./M 0:11KI DI S Galata S. 21 et passim.
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Galata zwischen 1481 und 1512 Sultan Bâyezîd II. hatte zumindest für Stambul selbst seinen Beamten nicht verbieten wollen, weitere Kirchen zu schliessen (1 ). Salata aber war davon offenbar nicht betroffen. Lediglich eine kleinere, nicht mehr genau lokalisierbare Kirche verschwindet vermutlich noch wäh rend der Regierungszeit dieses Sultans. Aber die muslimische Besiedlung der Stadt ging for ciert weiter: der Bau von drei neuen Moscheen schliesst im Westen (B 3) eine Lücke zwischen zwei n u c 1 e i, schafft einen weiteren, neuen n u c l e u s im Norden (C/D 2), und ergänzt im Osten (F 2/3) den des Kapı içi Hamamı. Im Norden ist e x t r a m u r o s die Gründung des Mevlevi-Klosters (nahe dem heutigen Tünelplatz) und die einer Palastschule (Galataseray) zu erwähnen.
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Galata zwiscfccn_1512_und 1600 Dies ist der Zeitraum, da unter drei Sultanen viermal versucht wurde, alle Dimmis zur Annahme
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baute man 1544-1550 den Rüstern Paşa Han. Ein zweiter Han wurde in Karaköy erstellt. 1565 wurden die nördlich der Arap Camii wohnenden Christen aus ihren Häusern vertrieben; der Vorwurf lau tete wieder auf liederliches Leben (feğere) (1). Zwanzig Jahre später mussten die Nichtmuslime ein grosses Ge bäude an der Lonca räumen. Es wurde zu einem (weiteren) Bedesten. Als Grund war angegeben worden, Galata bedürfe absolut eines (weiteren) Bazars (2). Dies beweist einmal mehr die verstärkte Besiedlung gerade des ältesten (und wichtigsten) Stadtteil Galatas. Der nach Einsetzung eines muslimischen Festungskom mandanten (1521) bedeutendste Schritt war die Schaffung eines islamischen Gerichtshofes (3) gegenüber der Arap Camii (der St. Domenico noch in der Zeit Mehmeds II. zum Opfer gefallen war), wohl 3536. Unbeschadet der Tatsache, dass die Muslime in Galata auch im 16. Jahrhundert - aufs Ganze gesehen - ganz klar zahlenmässig in der Minderheit waren (4) müssen (1) REFIQ Onunğu... S. 23 f., Hr. 2. (2) a.a.O.”5. 157 f. Kr. 55. ("mahmiyye-i Galata esedd ihtiyâğ ile bezzazistäna muhtağ oİub"). (3) Das Siğillat (Protokollbücher) des Scheriatgerichts Galata befindet sich heute im Müftülük Arşivi in Istan bul. Die frühesten Einträge des ersten Bandes stammen aus dem Jahre 943 h/beg. 20.1.1536. Darin ist bezeich nenderweise von Anfang an von Galata als der "Wohlbe hüteten" (al-mahrüse-i Galata) die Rede. (4) Das bestätigen alle Reisenden. An solchen Schilde rungen seien besonders erwähnt: SCHWKIGCER Constantinopel vnd Jerusalem S. 133, 1ESCALOPIER Voyage-föI73C~v~f., PÖSTEI~De~Iä~Kepublique S. 74 f., CARLlER“ Vöyage S. 8790, LU33ffit!7~KeTnKi5I(I7-ßeSchreibung der ReTserPdes Rein hold Lubenau. Hrsg. v. W7_SäKm7~TeTI-I,2_tKonîğs5crğ I9FÎ7"S7"2ö5-205, BREÜNING, Hans Jacob: Orientalische Reisz... Strassburg 1612, S. 88 f.
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wir feststellen, dass diese Stadt, die fünfzig Jahre zu vor noch eine autonome Dimnî-Stadt mit einigen isla mischen r. u c 1 e i war, schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts administrativ eine islamische Stadt darstellte, die eine konfessionell gemischte Bevölkerung hatte (1 ). Erwähnt sei hier noch, dass schon in der Frühzeit dieses Jahrhunderts eine Abwanderung nach Mörder, ein setzte, die keineswegs nur Vertreter abendländischer Mächte, sondern auch Dinanîs aus Galata betraf. Dies er klärt sich natürlich direkt aus der Bildung muslimischer m a h a l l ä t (2 ). E x t r a m u r o s ist zu erwähnen: 1577 Bau der Azap Kapısı Camii, 1580 Bau der Kiliç Ali Paşa Camii.
(1) Die Solle der Proselytenmacherei im Rahmen der Islamisiorung Galatas wird später gesondert behandelt. (2) Erstaunlich ist auch hier wieder, dass die Türken gleich "mitzogen", also sofort wieder islamische n u c1 e i pflanzten, obwohl diese in Galata selbst noch auf recht schwachen Beinen standen. Jedenfalls wurde dadurch die Bildung rein christlicher Viertel e x t r a m u ~ r o s sofort verhindert!
Lok a] i a j e -’unf; un gcw 1:
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Galata_zwischen_l600_und_l660 Die eben geschilderte Entwicklung hatte die Dimmis der Stadt so sehr beunruhigt, dass sie sich 1612 ihr altes "Privileg" von 1453 in Fermänform erneuern H e s sen (1). An der weiteren Entwicklung änderte diese Be stätigung ihrer alten Immunitäten freilich eben so we nig, wie dadurch die frühere rückgängig gemacht wurde: So entstanden in dieser Zeit zwei neue Moscheen, eine davon vermutlich westlich der heutigen Kirche der unierten Armenier (E 3), die andere kostete den Christen San Antonio (E 4/5). Ein weiteres Bad (B 3) ergänzte einen älteren n u c 1 e u s. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts zählte EVLIY.A ÖELEBI (2) in Galata - wir wissen nicht sicher, ob nur i ' n t r a m u r o s - 7 0 griechische, nur noch ganze drei fränkische, zwei armenische, und 18 muslimische m a h a l l ä t . Allerdings berichtet er auch von einer jüdischen m a h a l l e , wohingegen alle Reisenden aus der Endzeit des vorangegengenen Jahrhunderts ausdrück lich erwähnen, Juden seien zwar in Galata anzutreffen, würden dort aber nicht wohnen (3)· Wie EVLİYİ’ s Be hauptung, die Juden Galatas würden sich vor den anderen Ungläubigen fürchten ("yahüdîler sä°ir kafirlerden ziyâ desiyle häuf ve hasiyet ederler"), zu interpretieren ist, sei dahingestellt. Ob die von ihm genannte Anzahl (1) HAMMER gQE I_677 Anm. b. (2) EVLİYA CEL3BI: Seyahatname. Istanbuler Druckausgabe v. 1314 h./beg. 12.l7l896„ Bd. I, S. 431 f. (3) Vgl. die Literatur oben S.138 Anm. (4).
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vor. m a h a l l ä t stimmt, kann bezweifelt worden (1 ), aber sie ist - falls i n t r a und e x t r a m u r o s zu verstehen - glaubwürdiger als die Zahl der Kirchen, die er :n.it "bis zu 70" angibt. Die zwei Synagogen darf man ihm glauben (?). Für uns wichtig ist EVIIYA’ s Nachricht-, dass das westlichste Viertel (3 )» und das daran an sehlie ssend e (der älteste Teil Galatas) bis zur Arap Camii hin von Ungläubigen nicht betreten werden darf. Wenn or sagt, dieses Verbot gründe sich auf ein Hatt-i serlf von Mehmed II. (was wir nicht belegen können), so könnte das ein Hinweis darauf sein, dass schon damals, in Anschluss an die Gründung der drei. Mc-schesn in diesen beiden Vier teln, ein Viohnverbot- für Dinunls ausgesprochen wurde. Irroierhin haben wir von 1565 die Vertreibung von Christen aus dem Viertel nördlich der Arap Camii erhalten (4), und auch die Profanbauten in der südlichen Hälfte des ältesten Stadtteils darf man sich - auch in Verbindung mit dem dort- liegender: Scheriatgericht- - vorab von muslimisehen Bewohnern umgeben denken. “ -VLIYA’ s Mit teilung ist also durchaus wahrscheinlich und glaubhaft. (1) Vgl. MAN TRAN Istanbul. S. 15-13. (2) Zur Frage der Synagogen Galatas vgl. SCHOIDER/ N O m i D I S Galata 3. 34. (3) "Bas hişarda aslan kefere yoqdur. Ikinği tişarda cArab ğamicine gelinge yine yoqdur. Bu mahallelilerin elinde Fätihden qalma hatt-i serîf vardır! Kâfir qonazlar." Mit "tag hisar ist.'deshalb das westlichste Viertel gemeint, weil EVLİYA dorthin auch die Spitze des Quais (iskele bası) verlegt, und von der dort- e x t r a m u r o s liegenden Azap Kapısı Camii betont, dass sie eine grosso Gemeinde habe, woraus n:ari auf eine rein miisl iir-isehe Bevölkerung des "bää nişâr" schl iessen kann. Dies passt auch zur Besiedlungsfichtung von Westen her. (4) Vgl. oben S. 138.
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Galata zwischen 1660 und 1700 Dem grossen Brand von 1660 fielen fast alle Kirchen der Stadt zum Opfer. Dass elf davon den Beginn des nächsten Jahrhunderts, das von der "Tulpenepoche" (läle Devri) eingeläutet wurde, nicht erlebten, hängt weniger mit dem Brand selbst zusammen, als mit der daran an schliessenden Politik der Regierung. Das Schicksal von Sta. Maria Draperii wurde schon wiederholt erwähnt; in der östlichen Hälfte Galatas verschwanden sieben Kirchen von vorher noch dreizehn für immer, d.h. ohne durch neue ersetzt zu werden. In der westlichen Hälfte entstand erst 1697 (also 37 Jahre nach dem Brand!) die Yeni Cami anstelle der abgebrannten Kirche San Francesco. Drei Jahre nach Baubeginn wurde durch einen Hüküm verfügt (1), die im Viertel um diese Moschee ansässigen Juden und Christen hätten umzuziehen, an ihrer Stelle seien Mus lime anzusiedein. Damit besass der älteste Teil Galatas, dem 200 Jahre früher vier islamische n u c 1 e i (eine Cami, eine Mescid, ein Hamam und der Bedesten) zwischen acht Kir chen eingepflanzt worden waren, mit dem Ende des 17. Jahrhunderts kein einziges nichtislamisches Kultgebäude und keine nichtmuslimischen Einwohner mehr. In diesem Viertel war die "Islamisierung" abgeschlos sen.
(1) Vgl. REFİK On ikinci... Mr. 42.
Galata nach 1700 Die Entwicklung (auch) Galatas nach 1700 hängt zu sehr nit den Niedergang der osmanischen Macht und dem wachsenden Einfluss christlicher Staaten zusammen, aher auch mit der Ausbreitung der Stadt nach Norden, als dass wir sie an dieser Stelle noch verfolgen sollten. Es sei nur noch darauf verwiesen, dass erst im 18. Jahrhundert m e d ä r i s i n Galata entstehen (1705, 1732, 1734), die natürlich die vorhandenen n u c 1 e i sofern man noch von solchen sprechen will - sinnfällig ergänzen (1 ).
(1) Zu Lage und Geschichte der m e d a r i s von Galata vgl. SCHHSIDER/NOMIHIDIS Galata S. 35.
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4. Die ''Autonomie" der Pimmiş Allgemeines Wir haben schon darauf hingewiesen, dass die Dimmis mit dem Eingehen der Dimma ihre äussere Souveränität ganz, die innere zum Teil aufgeben bzw. verlieren. Eine gewisse Autonomie verbleibt ihnen freilich im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung (1), doch ist dies nicht ein Ausfluss ihres Status als Dimmis, sondern hängt direkt mit der Organisationsform zusammen, deren Aus druck die m a h a l l ä t sind. Die kommunale Selbst verwaltung der Stadtviertel gilt ja auch in rein-mus limischen und in konfessionell gemischten Quartieren.(2). (1) So wurde etwa die nächtliche Scharwache (cases oder pasbän) meist von der jeweiligenm a h a 1 1 e in eige ner Regie durchgeführt. Vgl. BREÜNIWG*Orientalische Reysz S. 48 und 142, CARL!SR Voyage S. ΠΆ, CHESfTMlJ Voyage S. 47 f., BASSANO Costumî S. (38) f., ferner BEIDTCEANU La ville ottomane~5. 113-115. (2) Auch die oEen S . ~ s c h o n erwähnte kollektive Verantwortlichkeit der m a h a 1 1 e-Bewohner für Ge walttaten, die sich in ihrem Viertel ereignen, ist kein Ausfluss des Dimmi-Status, da diese auch in rein mus limischen und konfessionell gomischten Vierteln galt. Wird der Täter nicht gefunden, so obliegt die Zahlung des Blutgoldes bzw. der Entschädigung oder Strafe - je nach Art der Straftat - den Quartierbewohnem. Dies be richten fast alle Reisenden. Vgl. besonders LE BLANC, Vincent: Les voyages fameux du sieur_Vincent Le Blanc... Hrsg. v. üoülön. Paris-I54B7-B5.~TII, S7“B, CEREÄÜH Tage=Buch S. 176, 218, 272 f., 449, 456, CHESNEAU Voyage S. m , PÖSTEL De la Republique S. 125. Kur in diesem Zu sammenhang sin5 jene EınÎrâge'in den Sigillät zu ver stehen, wo ein Geschädigter bzw. die Verwandten eines Ermordeten zu Protokoll geben, sie hätten keine Ansprüche gegen die Bewohner eines Viertels, da sie die Täter kennen. So etwa bei DUDA/GALABOV Sofia Nr. 4, 22 und 316,
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Ähnlich ist die Institution eines k e t h ü d a (1) der Dimmis zu beurteilen. Wenngleich dessen .Funktionen weniger schillernd und unpräzise sind (2 ), als die seiner ferner OHGAN, Halit: Ankara ’ nın 1 Munarg.li. Şor’ iyo Şiçil_i. Ankara 1958 (Ankara Üniversitesi Dil ve Tarih-Coğrafiya Fakültesi Yayınları 125' - künftig: OİIGAH I - Mr. 925, sowie ONGAN II 326, 622. Ferner: JENKINGS, Ronald Carlton: The .Judicial Registers (Şer’ i Mahkeme Sicilleri) of Kayseri (1590-1630) as a Source for Ottornan History. Los Angeles 1972, allgemein S. Î46-Î54, und die kon kreten Protokolle S. 154 und 165. Es ist uns ein Fall überliefert, wo ein Mord genau zwischen vier m a h a l l a t begangen wurde. Eine Fetwa entschied, den vier Vierteln eine Geldstrafe aufverlegen (gerime, nicht d iya!): __CKCAN II 1298. Zar ge 3 am ieri Problematik vgl. BERGSTRÄSSER, Gotthelf: Grundzüge dos islamischen Rechts. Bearb. u„ hersg. v. Joseph SCHACHT. Berlin/Lei0zig 1935, S. 104 f. und'117. Ferner: Art. Kasan in EI II'838-841, da hierin die osmanische Praxis Ürsprung und Legitimation hat. Angemerkt sei noch, dass "bei Überlandfahrten Dorf bewohner verpflichtet wurden, bei den Reisenden Nachtwache zu halten. Als Unterpfand nahm man dabei von den Mitgliedern der Wachmannschaft (!) Haus- -and Ackergerät, das am nächster. Morgen - falls nichts passiert war zurückerstattet wurde; D3RNSCHWAM Tagebuch S. 177 u. 261. (1) Vgl. BEIDICEAML: La villo otto.nane S. 109-111. (2) a.a.O. Erinnert sei hier an den "Vertrag1’mit Galata: "...auch soll ihnen meine Herrlichkeit keinen Sclavcn nur Aufsicht stellen, sondern die Galater sollen sich selbst einen Ältesten wählen, welcher die Geschäfte dor Kaufloute schlichte...sie sollen die Erlaubnis haben, aus ihrem Mittel einen, der ihre Geschäfte besorgt, aufzustel len"; HAMMER GOR I 678. Der türkische Text hat für diesen "Ältesten" tatsächlich k e t jj ü d a: BiîLDICEANü La_villc ottomane S. 154. Von der staatsrechtlichen Stellung her kann man allerdings den "kefere kethüdası", wie er in osmanisehen Urkunden (MÜD TI 1766, ΙΙΪ 113, XXIV 871) heisst, lediglich als "Sprecher" seiner Gemeinde betrachten: er ist Kommunikationskanal zur Regierung. Exekutivgewal t lässt sich für ihn so wenig nachweisen wie Bestallung.
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muslimischen.Homonyme, so drückt sich durch ihn keines wegs eine autonome Polizei- oder gar Gerichtsgewalt der Dimmîs aus. Diese lag ausschliesslich in muslimischen Händen. Wahrgenommen wurde sie in der ganzen Breite ih res Spektrums von Beamten, deren Funktionen sich offen bar immer noch nicht ganz genau abgrenzen lassen: Emin, Mühtesib, ■ ' Subaşı, « ' N ä 3ib und Kadi (1). Wir können sagen, dass die Dimmi3 im Osmanisehen Reich keine Autonomie auf kommunaler und administrati ver übene hatten, die uns berechtigen könnte, von den Diıunîs als einer Art "Staat in Staate”zu sprechen (2). Es liegt auf der Hand, dass dadurch ihr innerer Zusam menhang nur noch sehr locker sein konnte. Dies muss freilich gemeinsam mit jenen Faktoren "betrachtet werden, die in den vorangegangenen Abschnitten schon geschildert wurden. Das Fehlen einer Autonomie - die Ausfluss der Dimna, bzw. des Diiol-Status, und auf diesen bezogen wäre! - ist aber die Grundlage, auf der den aktiv auf tretenden Momenten (Einpflanzung islamischer n u c 1 e i, Kirchenpolitik) verstärkt eine integrierende Funktion zukommt. (1) Zu diesen vgl. die entsprechenden Kapitel bei BEL Dİ CEANU La ville ottomane. (2) "...wTe-äücE-vön-einer Autonomie des griechischen Bevolkerungsteils oder der ökumenischen Kirche nicht ge sprochen werden kann. Die Griechen waren vielmehr... Un tertanen. der Pforte, auch die Kirchenoberen...wurden... wie Lehnsträger und Beamte behandelt"; SCHJSüL Kirchen fürsten S. 19. Es ist schlicht falsch, Millet-KriTerien 3es“19. Jahrhunderts auf das 16. zu übertragen.
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Eine grössere Bolle spielt die Frage der Autonomie der Dimmis auf dem Gebiet der Rechtsprechung, da ihnen ihr internes Recht belassen blieb, und sie auch die Rechtspflege selbst handhaben durften (1). Doch sollten wir diese Problematik dennoch näher untersuchen, da den Diıranîs ja auch der Besitz an Kultgebäuden (und an deren Immobilien!) zugestanden war, sich aber in der Praxis doch ein ganz anderes Bild zeigte (2). Wir wer den sehen, dass auch die Bestimmungen über die "auto nome" Gerichtsbarkeit der Dimmis integrierende Funktion haben. Die Gerichtsbarkeit der Dimmis Von JUYNBOLL stammt die missverständliche Formulie rung: "Dem islamischen Strafgesetz unterstehen sie (sc. die Dimmis) nicht, abgesehen von den Fällen, in denen sie auch nach ihrem eignen Religionsgesetz strafbar sind. So ist z.B. zwar der Ş a d d wegen Diebstahls, nicht aber derjenige wegen Weintrinkens auf einen Dirni an wendbar" (3 ). Es ist eigentlich nicht erstaunlich, dass die Dimmis hinsichtlich jener Dinge, die nur dem Muslim verboten (1) CAHEN Art. Dhinrna in ΈΙ , S. 228: "The dhinunîs moreover retained the authority of their own internal law... and although they were able, if they wished, to apply to a Muslim judge (who would then often adjudicate according to Muslim law), they continued normally to resort to their own chiefs where these existed." (2) Wir werden in Schlusskapitel untersuchen, ob es sich hierbei nur um den populärwissenschaftlich so beliebten "Unterschied von Theorie und Praxis" handelt. (3) JUYNBOLL, Th,W.: Handbueh_des_islamisehen Gesetzes nach der Lehre der seHaTi^iiiscfien ScHuIeT Lei5cn7IeTiDäTg"I9ÖÖ7~S7~3537------------------------
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sind, der islamischen Gerichtsbarkeit nicht unterstehen. Diesbezüglich unterstehen sie gar keiner: der eigenen nicht, weil diese Dinge nur dem Muslim verboten sind, und der islamischen nicht, weil die Dimmis eben keine Muslime sind, denen dergleichen verboten ist. Durchaus erstaunlich ist aber, dass die Dimmis der islamischen Strafjustiz bezüglich jener Delikte unterstehen, die nach dem Religionsgesetz der Dimmis strafbar sind. Denn wo, wenn nicht hier, könnte es für die Dimmis überhaupt eine autonome Strafgerichtsbarkeit geben? Unmissverständlich heisst das also: die Dimmis haben keine eigene Strafgerichtsbarkeit. Dass das Strafmass nach islamischen Kriterien bemessen wird, darf nicht ver wundern, da der Kadi kraft Amtes natürlich nur nach dem islamischen Gesetz urteilen kann (1). Bei der von JUYNBOLL angeführten Einschränkung darf man nicht übersehen, dass mit den Fallen, da die Dimmis auch nach ihrem eigenen Gesetz strafbar sind, keineswegs nur solche gemeint sind, denen wir heute eher eine rein moralische Implikation zuschreiben - etwa Ehebruch sondern alle Verbrechen, welche die "öffentliche Ord nung" betreffen: Wegelagerei, Brandstiftung, Mord etc. In all diesen Fällen ist das Scheriatgericht auch dann zuständig, wenn die Tat im reinen Dimmi-Milieu geschah. Das islamische Gericht ist ferner zuständig (2), wenn - eine der beteiligten Parteien Muslim ist, oder (1) FATTAL Statut S. 352. (2) Vgl. a.ä7ü7“S. 344-365.
- die prozessierenden Dimmîs nicht der gleichen Kon fession angehören, oder - zumindest eine Partei (auch bei gleicher Konfession!) den Fall vor dem muslimischon Kadi verhandelt haben will. Die beiden ersten Konstellationen brauchen nicht un tersucht Ku werden, da sic hinlänglich bekannt sind, für unsere Fragestellung nach der integrierenden Funktion kaum etwas, zur "Autonomie" aber (wegen der gemischter. Konfessionen) gar nichts aussagen. können. Der Fall aber, dass bei einem Rechtsstreit zwischen Dimmls derselben Konfession an den Kadi appelliert wer den kann, verdient unsere Aufmerksamkeit: hiermit wird nämlich in jenen schmalen. Boreichen, da den Dimmîs eine eigene Rechtspflege noch zustünde, äie Autonomie der selben unterlaufen, da ihr die Ausschliesslichkeit fehlt. RUNCIMAN schildert dies recht gut: "In zivilrechtlichen Fällen war das Urteil (sc. der Gerichte des Patriarchats) eine Art Schiedsspruch. War die eine oder andere Partei mit ihm nicht zufrieden, so konnte sie sich an die türkischen Gerichte wenden, und wenn eine der beiden Parteien darauf bestand, konnte der Fall sogleich vor ein türkisches Gericht gebracht wor den" (1 ). Als Bereiche, in denen diese Gerichtshöfe volle (?) F.echtsbefugnis hatten, nenr.t HUNCIMAN alle "die Ortho doxen betreffenden Angelegenheiten, denen eine reli giöse Bedeutung zukam, nämlich Eheschliessung, Eheschei dung, Vormundschaft über Minderjährige, Testamente und Erbfolgefragen. Sie waren berechtigt, jeden handels(1) RUNCIMAK Patriarchat S. 170. Die Schiedssprüche der Dimmi-Gerichte~wäreri-riicht vollstreckbar; HEFFENING Fremdenrecht S. 118 Anm. 2)
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rechtlichen Streit zu entscheiden, wenn beide streiten den Parteien orthodoxen Glaubens waren" (1). Somit ist klar, dass die Gerichte der Dimmis auch in jenen Streitsachen, denen "religiöse Bedeutung zukommt", zwar die "volle", nicht aber die ausschliessliche Rechts gewalt hatten. RUN CIMAF ’ s Behauptung, die Dimmis hätten sich selten an türkische Gerichte gewandt, weil diese "langsam und kostspielig arbeiteten, häufig bestechlich waren und das koranische Recht zugrunde legten" (2), können wir nicht voll zustinmen. Alle Einträge in den von uns benutzten Protokoll büchern deuten auf ad-hoc-Entscheidungen hin. In diesem Sinne äussern sich auch alle Reisenden. Selbst wenn es nicht um die reine Beurkundung einer Aussage oder eines Rechtsgeschäftes ging, sondern um a&tive Tätigkeit der islamischen Behörde - etwa im Falle von Zwangseintrei bung einer Schuld - wurde die Angelegenheit sofort er ledigt. Für Beurkundung bzw. Ausstellen einer Urkunde fanden sich in unserem Material nur geringe Beträge zwischen 42 Aqce und einem Dukaten; letztere Summe konnte bei Eheschliessungen unter- und überschritten werden, "secondo la qualita delle persone che si coniungono" (3). (1) RUNCIMAN Patriarchat S. 169. Alle von uns benutzten Protokollbücher Tmil Süsnahme derer Galatas) weisen aber alle hier genannten Fälle auch im reinen Dirami-Milieu aus. Wir wissen freilich nicht, ob die Dimrr.Is dabei nur, oder auch zusätzlich zum Kadi gingen! (2) a.a.D7_S7~I7ö7 (3) MENAVINO Vita et legge fol. 27 r.
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Höhere Gerichtskosten fanden sich nur in einem Fall (K.U. KRAFFT aus Ulm), der erstens sehr langwierig war, und zudem - da zwischen jüdischen Gläubigem und einem christlichen Schuldner - ohnehin vcr keinem Diimr.r-Goricht hätte ausgetragen werden können. Die Bestechlichkeit der Kadis erachten wir für er wiesene Bereitschaft, doren Auswirkung aber gerade für kleinere Streitfragen nicht überbewertet werden sollte. Freilich beweist Gerichtshöfe des wären. Dass der Kadi die Diunls nicht
3UN0IMAÎT seinerseits nicht, dass die Patriarchats unbestechlich gewesen das Seheriatrecht sugrur.de legt, kann ?£inzipiell_ vom Gang vor das islamische
Tribunal abhalten: in einigen Fällen kann sie dieses Faktum dazu gerade einladeri, etwa wenn sie dem Profcessgegner Wucher vorwerfen, odor auch, wovon später die Rede sein wird, wenn sich ein katholischer Dimmî von seiner Frau scheiden lassen will - was er bei einem. Dinimi-Ge rieht gar nicht könnte! Mitunter finden wir auch ciri Verhalten des islamischen Gerichts zugunsten der streitenden Dimis, zu -dem der Kadi nach dem s a r c nicht verpflichtet wäre. Zwar sind Beurkundungen von Schuldforderungen, die sich, auf Wein verkauf im reinen Dimmi-Kilieu beziehen (1), kein aktives Eingreifen des Scheriatgerichts, aber das selbe Gericht ordnete Zwangseintreibung von Schuldsummen in analogen Fällen an, mit deren Ausführung dann tatsächlich der (1) j UDA/GALABOV Sofia Nr. 213, 214, 266, 261.
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m ü h t e s i b
betraut wurde (1). Doch sollte man hierin
nicht gleich ein grosses Entgegenkommen des Kadis sehen, denn diese Fälle entziehen sich der Vorschrift, nach der die islamische Seite boi einem Kauf verbotener Waren un ter Polytheisten den Käufer nicht zur Zahlung zwingt, weil hier die Ware noch nicht verzehrt war - wie aus den kurzen Abständen zwischen Kauf und Klage folgt. Eher darf man annehmen, dass die Klage so schnell erfolgte, eben weil der Gläubiger den Verzehr der Ware befürchtete - und dann eben keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, den Preis über das Scheriatgericht einzuklagen! Die von RUNCIMAN angeführten Gründe können also nicht ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass sich Dinrnäs der Hauptstadt ungern und selten an das islamische Ge richt wandten. Wir selbst konnten leider nur einen Band des Istanbuler Sigilläts aus dem 16. Jahrhundert einsehen, doch bot sich hier dasselbe Bild wie in den acht verwerteten Bänden von Galata: es kommt eine erstaunlich geringe Anzahl von Dinmîs vor. Da sich aber zur selben Zeit in den Protokollbüchern von Sofia (DUDA/GALABOV), Ankara (ONGAN I und II sowie die Originale im Ethno graphischen Museum Ankara) und Kayseri (JiMIlfGS) ein ganz anderes Bild zeigt, nämlich eine so hohe Anzahl von Dimmis, wie sie - im Verhältnis hu den dort aufscheinen den Muslimen - den demographischen Gegebenheiten ent sprochen haben dürfte, müssen wir andere Orsachen für (1) DUDA/GALABOV Sofia Nr. 235 bzgl.. Schuld für ein Schwein, und Nr. 293 und 294 für Wein.
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den Unterschied zwischen Hauptstadt und Provinz an nehmen (gleiche Kosten, Bestechlichkeit und Dauer ein mal unterstellt), als sie RUNCIMAN anführt. Mangels Material sind wir dabei auf Vermutungen angewiesen. Dass gerade in Istanbul und Galata die Dimmîs sehr selten das Seheriatgericht bemühten (wir sprechen nur vom 16. Jahrhundert!), hängt sicher mit dem dortigen Sitz der Patriarchen der griechisch-orthodoxen und der armenischen Kirche zusammen, sowie mit einer gewissen Autonomie der Vertreter christlicher Mächte über ihre Kaufleute. Auch mag es für die Dimmîs eine Art "Soli daritätsakt" gewesen sein, nicht an den Kadi zu appel lieren (vielleicht einigte man sich lieber noch "aussergerichtlich"?). Andererseits liegt es auf der Hand, dass am Sitz des Patriarchats dessen Gerichte effektiver waren denn in den Provinzen. Ob es dort überhaupt Gerichte der Dimmîs gab, darf angezweifelt werden. Eher sollte man schon annehmon, dass deren Funktion vom je weiligen Dorfgeistlichen ausgeübt wurde (1). Die "Dorfriehter" An der Einschränkung der "autonomen" Gerichtsbarkeit der Dimmîs auf Fälle, denen ohnehin kein hoheitlicher Charakter zuzuschreiben. ist, und wobei Ausschliesslich(1) Es fällt übrigens auf, dass keiner der sonst so emsig berichtenden Reisenden von eigenen Dimınî-Gerichten erzählt, nicht einmal jene, die, wie etwa GERLACH oder Gefangene wie MEHAVIHQ, lange Zeit im Osmanisehen Reich waren. Und MEHAVINO Vita et legge fol. 73 v sagt ein deutig: "Hanno tutti-ün meîesımcPGiudice, cose Christi an!, come Turchi."
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keit und Rechtsverbindlichkeit auch noch fohlen, ändert das gelegentliche Erscheinen einiger christlicher "Rich ter" in Ungarn nichts dahingehend, dass wir gleich auf eine autonome Gerichtsbarkeit der Dimmls schliessen dürften (1). So entdeckte etwa BJÖRKMAN auf einer Steu erliste Ofens unter den christlichen Handwerkern (!) einen "biro, christlicher Richter" (2). Auch FEKETE hat solche: "Die Richter der Varos Gyöngyös...und andere Zimniis..." (3). FÜK.ETE erklärt den Terminus so: "Das Wort ^ ^ ( b l r ö ) , ein ungarisches Lehnwort, be deutet auf dem unterworfenen Gebiet: 'Dorfrichtor’... In der heutigen Sprache ist es unbekannt’ ’(4). Nun, der Terminus, hinter dem man das italienische "birro" (Häscher, Scherge, Polizist) vermuten könnte (es liess sich etymologisch/ aber nicht nachwoisen), findet sich u.a. bei Eiöd HALASZ, Ungarisch-Deutsches Wörter buch (Budapest 1957) durchaus: "biro: 1. Richter, 2. Schulze, Dorfschulze, Schultheiss, Dorfschultheiss, 3· Schiedrichter, 4. Preisrichter." Da der Schulze aber derjenige ist, der die Mitglieder seiner Gemeinde zur Einhaltung ihrer Pflichten gegenüber dem Landesherrn anhält, und Aufgaben aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit verwaltet, müssen wir die erwähnten "birri" zu mindest in ihrer Funktion mit den "kefere kethüdaları" gleichsetzen (5 ). (1) Boi Ungarn ist freilich auch noch zu bedenken, dass durch die kurze Zeit osmanischer Herrschaft und die nur dünne Besätzerschicht ohnehin die Verwaltung weitgehend den üinheimischen überlassen bleiben musste. (2) BJÖ3KMAN Ofen zur Türkenzeit S. 137 (3 ) ΪΈΚΕΤΕ S in r u E n m |- 17F7~97
(4) a.a.O. (5) Vgl. oben S. 148 ff.
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Angemerkt sei noch - stellvertretend für andere gleichgeartete Fälle - die Verwechslung von Gerichts barkeit und Polizeigewalt, wie sie FEKETE unterlief. Er sah in der Tatsache, dass der Dimmis von Debrecen erlaubte, ber" (1 ) zu bestrafen, gleich Stadt" bestätigt (2). Von der
Beglerbeg von Buda den "Aufruhr stiftende Räu die "Gerichtsbarkeit der Sache (Bestrafung von
Räubern) einmal abgesehen, beweist auch - von der Diplo matik her, und das ist in diesem Zusammenhang peinlich das Fehlen einer Forderung nach Untersuchung (teftis), wie sonst bei allen Befehlen an ordentliche Richter ent halten, dass es sich hier nicht um Verleihung (oder gar "Bestätigung", wie FEKETE selbst schreibt) von Gerichts barkeit, sondern lediglich um delegierte Poligeigewalt handelt (was sich natürlich vorab aus dem Unvermögen der türkischen Besatzer erklärt, Ruhe und Ordnung auf rechtzuerhalten). Das Missverständnis FEKETE’ s konnte umso leichter entstehen, als die Orientalistik bislang die "autonome" Rechtsprechung der Dimmis nur allzu sorg los für gegeben annahm.
Zusammenfassend können wir für die Frage nach der Autonomie der Dimmis feststellen: Den Dimmis war eine Gerichtsbarkeit belassen, die sich auf zivilrechtliche Belange mit religiöser Impli kation und auf fr£iwillige Gerichtsbarkeit beschränkte. (1 ) "fitne-ü-fesäd eden haramzadeler". (2) FEKETE Einführung Kr! 14.
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Allerdings hatten die Gerichte der Dinunls (wo es sie gab) selbst in diesem Bereich keine ausschliessliche Zuständigkeit (1), da es den Dimmis jederzeit freistand, sich von vorneherein an den muslimischen Kadi zu wenden. Zudem fehlte den Urteilen dieser Gerichte die Rechts verbindlichkeit, und damit die Gültigkeit,, Da Ausschliess lichkeit und Verbindlichkeit fehlten, kann man die sach lich schon eingeschränkte Jurisdiktion der Dimmis nicht als autonom bezeichnen - sofern man diesen Titel über haupt für Schiedsspruch bemühen darf» Ein integrierender Effekt kommt dieser Gerichtsbar keit insofern zu, als dadurch ein (weiteres!) konsti tuierendes Kriterium für die Eigenständigkeit der Dimmis teils abgeschafft, teils ausgehöhlt bzw. unterlaufen wird Was der autonomen Entscheidung der Gerichtshöfe des Patriarchats in vollem Umfang zu eigener Entscheidung belassen wurde, waren folglich nur noch rein theologi sche Streitfragen, etwa um die Gottessohnschaft Christi dies ist allerdings für autonome Jy£i£diktion irrelevant. Bei den von den Dimmis ansonsten "autonom" ausgeführton kommunalen Aufgaben handelt es sich nicht um einen Ausfluss der Dimma, sondern der Organisationsform der m a h a 1 1 ä t. Diese Autonomie bezieht sich nur auf den Status eines Viertelbewohners. (1) Obwohl die Sheschliessung als religiöse Angelegen heit den Dimmi-Gericht-en bzw. Geistlichen Vorbehalten war, musste erst eine Genehmigung bei der osmanisehen Verwaltung dazu erkauft werden; vgl. DERNSCHWAM Tage buch S. 114 und GERLACH Tage-Buch S. 151. Ferner 3EPIK Bulgaristan S. 53 Hr. 47~zum "niKah akçesi" im 17. JahrEün3erI7T!5asselbe galt übrigens auch für die Kebin-Ehe der Franken; POSTEL De la Republique S. 8-10, BREÜNING Orientalische Reisz S. 91, BSS5ÄN0 Costumi S. (51).
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5. Die diskriminierenden Massnahmen Vorbemerkung Wir haben in der Einleitung wiederholt auf die Be stimmung in den s u r ü t und auf die diesbezüglichen Ergänzungen d e r f u q a h ä 5 hingewiesen, wonach sich die Dimmis ausserlich von den Muslimen unterscheiden müssen hinsichtlich ihrer Kleidung, Reittiere und Häu ser. Schon in arabischer Zeit waren die ursprünglich kriegsrechtlichen Begründungen für diese Massnahmen hinfällig geworden, da es keine christlichen Hilfstrup pen mehr gab (1). Dennoch bestanden die Bestimmungen weiter. Die unterscheidenden Zeichen hatten sich einge bürgert, wenngleich sie von den Dimmis immer wieder missachtet wurden. Sie waren zu wirklich diskriminie renden Massnahmen geworden, die den Dimmis stets ihre Minderwertigkeit bewusst machen sollten, um ihnen einen Anreiz zur Konversion zu geben (2). Wann immer FATTAL von einer neueingeführten und rigoros durchgesetzten Kleiderordnung berichtet, folgt über die DimnTs gleich die lapidare Aussage "Boaiicoup d ’ entre eux erabrasserent 1’ Islam”. In der Tat waren diese Befehle nicht geeignet, das weitere Lehen eines Dimmî angenehm zu gestalten. So be fahl etwa der Fatimidenkalif al-Häkim den nichtmusümischcn Frauen (dimr.iyya), anstelle von Stiefeletten Pantoffeln zu tragen, von denen einer schwarz, der an(1) Zur Entwicklung und Begründung der unterscheidenden Zeichen vgl. FATTAL Statut S. 96-112. (?) a.a.O. S. 111. “ “
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dere rot sein musste (1). Für die Juden dos Maghreb hatte 1198 der Almohade Abu Yüsui Yacqüb al-Mansür an geordnet, sie müssten dunkelblaue Kleider tragen, deren Ärmel so weit geschnitten waren, dass sie bis auf den Boden fielen, und anstelle des Turbans eine scheussliche Mütze, die bis unter die Ohren herabhing, und die einem Packsattel ähnelte {?.), Die Reihe solcher Beispiele liesse sieh noch fortsetnen, doch wollen wir fragen, wie diese Massnahmen von der muslimischen Bevölkerung aufgenommen wurden· Ein Beweis für "Mitleid" oder der gleichen von den Muslimen für ihre geschmähten "Mit bürger" lässt sich nicht erbringen, und das hat soinen guten Grund: gerade Beschwerden aus muslimischen Krei sen darüber, dass die Dimmis sich nicht mehr an die JCleidervorschriften hielten, führten ja immer wieder zur Erneuerung und Verschärfung (3) dieser Bestimmungen. Die f u q a h ä 5 entsprachen also durchaus den Wün schen dor Muslime, wenn sie die Kleiderordnung bewusst zu einem Instrument der Erniedrigung ausbauten; es han delt sich hierbei also nicht un einen praxisfremden theologisch-juristischen Disput in akademischen, welt fremden Höhen oder "im rauchloche", wie D'ERNSCKWAM den Sitz des Scheich ül-Islam einmal nennt (4). Auch für die restriktive Dimml-Politik des Fatimidenkalifen al-Häkim gilt das. Zwar wird dieser von der Orientalistik (1) FATTAL Statut S. 104. (2 ) a.a.O. S.~ÜÜ5. (3) Es geht also nicht um das Festhalten an einer ein mal gesetzten Norm, sondern der Verstoss gegen diese lie ferte den Anlass zu ihrer Verschärfung. (4) DERNSCHWAM Tagebuch S. 74.
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gerne als "klinisch verrückt" hingestellt, um seine Po litik nicht dem Islam selbst anzulasten, doch liegt das "Pathologische" dieser Massnahmen lediglich in ihrer Konzentration: jeder einzelne Faktor daraus ist uns auch von anderen Herrschern überliefert. Die Trennung der Turbanfarben nach verschiedenen Kon fessionen der Dimmis, 1301 unter dem Maraluken al-Malik an-Näsir Muhammad b. Qalä’ ün (1) definitiv eingeführt und rigoros durchgesetzt (2), inspirierte die Dichter zu Versen, welche die Reaktion (?) der Muslime veran schaulichen. Al-'Alä 3 al-WaddäcI etwa höhnte: "Die Ungläubigen wurden gezwungen, die Turbane der Erniedrigung zu tragen, die - als Ergebnis der himmli schen Verfluchung - ihre Qual erhöhen. Ich habe ihnen gesagt: 'Was man euch hier zu tragen zwingt, sind keine Turbane, das sind alte latschen’ " (3). Bemerkenswert ist die Verwendung des Arguments der f u q a h ä \ die Dimmis seien ob ihres Unglaubens verflucht, und ihre Erniedrigung im Alltag sei ein Aus fluss davon. Dies steht in Zusammenhang mit dem Schluss von Q, IX 29, worüber im Schlusskapitel gehandelt wird. Dass es bei dieser Farbcntrennung weniger um Diskri minierung im normativen Sinne ging - dazu hätte eine einheitliche Farbe der Kleider von Dimmis aller Kon fessionen ja ausgereicht - sondern tatsächlich um üble (1) Über diese Epoche vgl. Y/IESNER, F.S.: Zur Geschichte Ägyptens und Syriens_in den_Jahren 699 h 1 _~~7ö9_RT“ri3öö -I3IÖ77-roäscEIiienscKr. Magîsîerar'5eIî7-Freîbürğ~I9SS7 Γ27 FITTAL Statut S. 107: "Un grand norabre de Dimmis... rougissaien1T3TeÎre obliges de porter le turban de couleur...embrasserent 1 ’ Islam." (3) Übers, nach FATTAL Statut S. 107 f.
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Erniedrigung der Dimmîs, welche den Muslimen zum Gau dium gereichte, beweist uns auch das Spottgedicht des Scheichs Sams ad-Dîn at-Tîbî, das man sich natürlich nicht in der Abgeschiedenheit einer Kammer, sondern auf einem Marktplatz deklamiert denken muss: "Wir waren erstaunt, auf den Köpfen der Christen, Juden und Samaritaner anstelle von Turbanen - Lumpen zu erblicken. Es sieht so aus, als wäre der himmlische Aar des Nachts mit Medikamenten von verschiedener Farbe gereinigt worden, und hätte dann am Morgen seine Därme auf ihre Köpfe entleert" (1). Als drei Jahre später (!) der Wesir Ihn al-Halîlî die farbigen Turbane durch weisse, lediglich mit Zeichen versehene ersetzen wollte, waren die Christen Ägyptens bereit, dieses Entgegenkommen mit 70.000 Dinaren über die Ğizya hinaus zu honorieren - was zeigt, dass sie sich auch subjektiv gewaltig "verscheissert" fühlten. Aber der humane Vorschlag des Wesirs missfiel einem be kannten Rechtsgelehrten: "Cette proposition provoqua une vive reaction de la part d ’ Ibn Taimiyya qui demanda et obtint son rejet" (2 ). Nachdem wir bei der Frage der Kirchenpolitik schon gezeigt haben, dass sich die DimmÎ-Politik der Osmanen mitunter durchaus mit den Ansichten Ibn Taimiyyas deckt (3 ), wollen wir zu diesem f a q ϊ h, der massgeblich an der Ausbildung der Diama beteiligt war, noch einiges anmerken. (1) Übers, nach FATTAL Statut S. 108. Wem fiele bei solcher Deutung nicht die~ümgangssprachliche Vokabel "verscheissem" ein? (2) FATTAL Statut S. 108. (3) Vgl. oben“ S7“75 ff.
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FATTAL hat darauf hingewiesen, dass sich die histo rischen Gegebenheiten iri nichts von den Stellen in der Fiqh-Literatur unterscheiden, die sich mit den diskri minierenden Massnahmen beschäftigen: die Praxis· ent sprach tatsächlich genau den Vorschriften der f u α ah a 5, die ihrerseits aas dem "Volk" Anregungen er hielten (1 ). Hach den f u q a h a 3 müssen sich die Dimmîs äusser lich von den Muslimen unterscheiden, um einer Verwechs lungsgefahr üu entgehen (2). Die DinsnTs sind grundsätz lich zu demütigen, es darf ihnen keinerlei Achtung ge zollt werden (3). Als Begründung für diese Schikanen nennt derselbe Ibn Taimiyya, der die Dimna als Ausbeu lung·;pro tek tora t- definiert, welches crlischt, sobald es für die Muslime unrentabel wird, die Auswirkung eines Anreizes zur Konversion (4). Das heisst also, die Dimmîs (1) FATTAL Statut S. 110. (2 ) "VerwecEsIungsgefahr”als Begründung für unterschei dende Kennzeichen deutet auf eine dreifache Funktion hin: (a)_Durch die (zuerst nur nornativ) andere Kleidung der Diramis wird vormieden, dass ihnen islamische C-rüsse und Segenswünsche sugerufen werden, bzw. dass sie über haupt gegrüsst werden, (b) Die Dirrjüîs können sich nicht "tarnen", um Schmähungen 'zu entgehen, (c) Kein Muslim wird "versehentlich" geschmäht. (Natürlich beschimpfen sich auch Muslime gegenseitig, allerdings aus arideren Gründen; such gelten hierbei andere Formulierungen und Masstäbe.) (5) CAHiOI Art. Dhimaa in El'', hier 3. 2.3ü bringt in die sem Zusammenhang eine befremdliche ?orraulierung:"Care was in general taken that nothing in t-heir (sc. the dhimrais’) everyday ccmportment night tend (!) to concea] trie evidencc oi‘their inferiority vis-a-vis Muslims." Wir weisen xit Nachdruck darauf hin, dass die "evidenee of their inferiority" ja erst- durch die erwähnte "carc" ge schaffen, besser: suggeriert wurde! (4) yATTAL Statut S. 111.
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sollen nicht nur aufgrund der "himmlischen Verfluchung" (abgeleitet aus verschiedenen Koranversen, wovon im Schlusskapitel die Rede sein wird) grundsätzlich gedemütigt werden - gewissermassen "damit die Schrift sich erfülle!" - sondern dies geschieht voll beabsichtigt und bewusst zum Zweck, sie zur Konversion zu treiben. Die Kleiderordnung im Osmanischen Reich im sechzehnten Jahrhundert Hach dieser kurzen Skizze wollen wir uns de® Osma nischen Reich zuwenden. Wir wissen nicht sicher, seit wann es dort Kleidungsvorschriften gab. Schon um die Wende 14./15· Jahrhundert meldet SCHILTBERGER, in Ana tolien würden die Christen blaue, die Juden gelbe Kopf bedeckungen tragen (1). Die Gesetzessammlung Mehmeds II. schweigt zu dieser Problematik (2). Die nächste Nach richt darüber, dass es den Dimmis streng verboten sei, sich wie Muslime zu kleiden, haben wir aus dem zweiten und dritten Dezennium des 16. Jahrhunderts (5), ohne al lerdings eine konkrete Unterscheidung zu erfahren. Eine solche teilt dann R3GMUIT 1549 aus Jerusalem mit (4): die Muslime tragen weisse, die Christen aber buntschekkige (bigarre?/) Turbane. DERNSCHWAM berichtet 1554 aus (1) SCHILTBERGER, Johann: Reisen des Johann Schiitberger aus München in Europai_Asiä un3 Sfr^ğTvön Hrsğr'vTTÇrF,, Keumäün. fluncHen 1559, 57 I 5 I 7 - ~ ~~ (2) Vgl. KRAELIT Z-GR EIFENHORST, Friedrich: Kanunname Sultan Mehmeds des Eroberers, ln: MOG I S. Γ r37~GE0RGÎJEVTC~De“örrğîne~Fol. G 7 v, und KENAVINO Vita et legge fol. 55 v. H 7 -EEGMUIT~i)i5Cours s. 45 f.
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der Hauptstadt, die Muslime trügen einen weissen, die Juden einen gelben Turban (1). Bia 1568 erfahren wir von keinem sultanischen Befehl, der die Kleiderordnung ge regelt hätte. Die zugrundeliegende I'etwa Sbu’ s-Sucüd’ s, die eine solche Unterscheidung legalisiert, darf deshalb vor 1568 datiert werdenjsie ist bei HC3STEK übersetzt (?): "Präge: Wird der IJäkim, der den Dimmis, die unter den Mohammedanern wohnen, verbietet, hohe aufgeputzte Häuser zu bauen, in der Stadt auf dem Pferd zu reiten, in kost baren und wertvollen Kleidern einherzugehen,...(3)..Kaf tane anzuniehen, feinen Batist, Pelze und Turbane zu tra gen, kurzum Handlungen (verbietet), die eine Herabsetzung der Mohammedaner und eine Heraufset/,ung ihrer selbst anzeigen, von Gott belohnt? Antwort: Ja. Ebu’ s-Sucüd. 'Die Limls sind anzuhalten, sich von den Mohammedanern durch ihre 'Trachten, Reittiere, Sättel und Kopfbedeckun gen zu unterscheiden.’ " (15s folgt der Hinweis auf i g m ä c.) (1) DERNSCHWAM Tagebuch 8 . 106. Allerdings scheinen sich Neueingewanderte-ersÎ~Tangsam. an diese Regelung gewöhnt zu haben, da D2RHSCHWAM fortfährl: "etliche fremede juden tragen noch die welsche schwarcze bierethen, et liche sc doctores...wol]en sein, die tragen rothe spiczige lengliche piretlen auff." Über die Bulgaren, und das ist ein früher Hinweis auf Kleiderordnung in der Provinz, sagt DERKSCHiVAM (Tagebuch S. 251):"üie Bulgari durffen (!) khair. gutten rölFâiTÎragcn, gehen alle in grawen vnd weissen koczen." (2) HÖRSTER, Paul: Zur Anwendung des islamischen Rechts im 16. Jahrhundert. Die "Juristischen Darlegungen" (MaTrüzat) des Sehe .ich ül-lslam Ehu Su^ud (gest. 15747. Stuttgart 1935» S. 78. Originaltext: S. 37. Die Fetwa findet sich bei fast gleichem Wortlaut auch in der Samm lung DÜZDAG Ebuşşuûd îfr. 402. (3) Hier hat H0IÎSTSR in seinem Originaltext eine Lücke. Bei LÜZDAö findet sich an dieser Stelle "yakalı", "mit einem Kragen versehene (Kaftane)”also.
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Nun, dass diese Problematik hinsichtlich des jen seitigen Verdienstes beleuchtet wird, braucht uns im Osmanischen Heich jener Zeit, wo der Sultan - angeblich auch die Kalifenwürde hatte, nicht zu verwundern. Auss er dem argumentierte der Scheich ül-Islam auch in rein machtpolitischen Fragen religiös, man denke etwa an seine apologetische Abhandlung, welche die Einnahme Zyperns durch Selim II., bzw. den dadurch verursachten Friedens bruch rechtfertigte (1 ). Die Fetwa muss uns aber in zweierlei Hinsicht in teressieren, einmal wegen der Begründung für die dis kriminierenden Massnahmen, zum anderen v/egen der Termini, die dann ganz exakt in späteren sultanisehen Befehlen zur Kleiderordnung auftauchen, was den Bezug zur Fetwa hinlänglich nachweist. a) Das Argument: Durch den Bau (2) hoher aufgeputzter Häuser (yüksek müzeyyen evler), durch das Seiten eines Pferdes in der Stadt (şehir içinde ata binmek), und durch das Einher gehen in kostbaren und wertvollen Kleidern (fahir qiymetli libâs geçmek (3 )) setzen die Dimmis die Muslime (1) HORSTSR MacruSat S. 4. Diese Fetwa findot_sich bei HAGĞI HALIFA: ?ü£fä|_ül=kibär fi_asfar_ül-bihar. Istan bul- .1141 h./beg.~7.8.l7P8,“foI. 407 und bei~DÜZDA& Ebuşsuûd Nr« 478, ferner übersetzt bei HAMMER GOR III 5£>6 f. Von ihr wird im Schlusskapitel noch gehandelt. (2) Wir konnten oben schon feststellen, dass dieses Faktum nicht nur durch den Bau, sondern schon durch die Existenz hoher Häuser gegeben_ist, die aus der Zeit vor der Eroberung stammen. Vgl. oben S. 115 Anm. (I)! (3) Das folgende "(mit Kragen versehene) Kaftane...”^ya kalı qaftänlar giymek ve inğe dülbend ve kürkler ve şan q l a r şarınmaq) muss als Spezifizierung betrachtet werden.
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herab, sich selbst aber herauf. Dies kann nur aus muslimischer Sicht so betrachtet werden (1). Nachdem gleiche Kleidung aber - formallogisch eine Gleichstellung von Muslimen und Dimmîs ausdrücken würde, müssen wir darauf hinweisen, dass der Muslim ja über dem Dimmî stehen soll. Eine Gleichstellung ist aus diesem Grund dann natürlich eine Heraufsetzung der Dim mîs und eine Herabsetzung der Muslime. Damit ist nun für das 16. Jahrhundert der Nachweis erbracht, dass die Un terscheidung nicht wertneutral-normativ ist, sondern eine Wertung ausdrückt bzw. impliziert. Dass sich diese (auch) in anderer Kleidung ausdrückt (2), sollte befremden, da sich der Muslim nach seiner eigenen Ethik ja vor Gefall sucht zu hüten hat. (1) Aus jüdischer und christlicher Sicht wäre es eher - vom religiösen Aspekt her - eine Erniedrigung, da An gehörige einer anderen Religion unter ihnen stehen. Kur aus politischer Sicht könnte es als Heraufsetzung ihrer selbst betrachtet werden, da sie sich damit der herr schenden Schicht angleichen, (2) Die rein farbliche Unterscheidung der Kleider genügt übrigens nicht. Die Kleider der Dimmîs müssen von grober Qualität sein, um die Selbstachtung auch der muslimischen Bettler nicht zu verletzen; FATTAL Statut S. 110. Bei der o7a7~Fetwa und in den noch anzuführencTerTsultanischen Be fehlen zur Kleiderordnung im Osmanischen Reich geht es tatsächlich um_BeStimmungen bzgl. Stoffart und -qualität. Auch ABU’ L-BAQA 3 'Aqä'id fol. 161 v'FöfîertTîm“I77”TE7T, die Kleider der Dimmîs"müssten rauh (hasın) sein. Warum er ferner verlangt, die Taschen müssten an der Brust ange bracht sein, ist nicht klar. Bemerkenswert ist auch seine Forderung, die Dimmiyyas hätten sich auf der Strasse und im Bad von den Musliminnen dadurch zu unterscheiden, dass man ihnen einen eisernen Ring um den Hals hängt!
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Dessenungeachtet aber finden wir in dieser Fetwa jene Einstellung der f u q a h ä 5 wieder, die wir eingangs schilderten (1). Die Kontinuität des Kcchis hinsichtlich seiner faktischen Bestimmungen und der Begründungen wird uns noch oft begegnen - dies ist in Bereich islamischer Staaten eigentlich nicht erstaunlich. b) Die Termini: Wir wollen in dieser Fetwa die Bezeichnungen jener Stoffe fosthalten, die den Dimmis zu verbieten dem Hâkim empfohlen wird, ohne diese Stoffarten materiell näher zu untersuchen. Verboten werden sollen: - Kostbare, wertvolle Kleider (fähir qiymetli libâs), - mit Kragen versehene Kaftane (yaqäli qaftänlar), - feiner Batist (inge dülbend), sowie - Pelze und Turbane (kürkler ve säriqlar). Das Verbot von prächtigen Kleidern gemahnt an das schon angeführte Argument Selıms I., die Dimmis sollten - wenn man ihnen schon die Kirchen belassen müsse wenigstens keine schonen Kirchen besitzen (2). Es wird sich noch zeigen, dass den Dimmis jede Art von Pracht verboten war. Das Verbot, in Städten Pferde su reiten, und seine Häuser hoch und aufgeputzt zu bauen, werden wir später behandeln. Es fällt aber auf, dass diese Fragen in der o.a. Fetwa zusammen mit· der Kleiderordnung behandelt werden. Auch in arabischer ^eit ergingen die Befehle bezüglich dieser Bestimmungen immer gleichzeitig, so (1) Vgl. oben S. 160-166. (2) Vgl. oben S. 74.
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dass man sagen muss, es war immer ein ganzes Bündel re striktiver Massnahmen, das zu den Konversionen führte (1).
Im Jahre I 568 erging ein Befehl (2) an den Kadi von Istanbul, in dem beanstandet wurde, dass entgegen den Bestimmungen eines früheren Erlasses (5), der den Un gläubigen der Hauptstadt das Tragen trefflicher und prächtiger Kleider (a'lä ve fähir (4) libäs) verboten hatte., diese immer noch so gekleidet seien. Deshalb wird angeordnet, erneut bekanntzumachen, dass die Ungläubigen von ihren kostbaren, prächtigen Kleidern lassen müssen (qiymetlü fähir libäsdan igtinab üzre olalar). Ferner sollten ihre Kleider aus schwarzer oder dunkelblauer Baumwolle, schlicht und ungebügelt sein, die Turbane der Armenier mussten Streifen haben. Eine Sanktion droht die ser Befehl nicht an, doch wird dem Kadi eingeschärft, auf Ausführung der Bestimmungen zu achten. Das Argument dieses Hüküms liegt also in der Pracht der Kleider der Dimmis, in der Qualität also, und nicht in der Farbe begründet. Somit steht der Hüküm in Einklang mit der angeführten Fetwa und den Bestimmungen früherer (1) Zu diesen Zusammenhängen in arabischer Zeit vgl. FATTAL Statut S. 96-112. (2) HSFIQ"ö5üngu... S. 68 Sr. 7. (3) Die o.äT FeTwa wäre dann noch früher anzusetzen. (4) Der Lesung REFIQ’ s von "häzir" statt "fähir”, die er auch S. 73 f. bei Nr. 13 bringt, obwohl die dieser zugrunde liegende Stelle MÜD XXXI 487 eindeutig "fähir" hat, können wir uns auch äiäs sachlichen Gründen nicKt anschliessen. Ausserdem bringt REFIQ, selbst dann in der Dispositio "qiymetli fähir".
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f u q a h ä 3. Der Anlass zu diesem Befehl liegt in der Nichtbeachtung einer früheren Verordnung, was zeigt - auch später werden wir dies noch antreffen - dass die Kleiderordnung im Osmanisehen Seich ebenso schwer durch führbar war, wie in arabischer Zeit, was - genau wie früher - zu Beschwerden der Muslime führte. Allerdings kann die Nichtbeachtung keinesfalls generell gewesen sein, sonst hätten die Reisenden ja nicht verschiedene Kleider und Turbane beobachten können. Sie erwähnen dies ja nicht als Vorschrift, sondern als Faktum! Zwei Wochen später erging ein weiterer Hüküm (1) an den Kadi von Istanbul, der im wesentlichen die gleichen Bestimmungen traf (auch dort ist wieder von "aclä libâs" die Rede), doch tritt hier ein weiteres Argument auf, indem behauptet wird, die Dinunîs hätten durch die Nicht beachtung der Kleidervorschriften die Preise feiner Stoffe in die Höhe getrieben (2). Ob dies wirklich der ausschlaggebende Grund war ist fraglich, da wir bisher nur die scheriatrechtliche Begründung hatten. Ferner kannte das Osmanische Reich ja andere "Preisregulative” als das Verbot der betreffenden Ware für Dimmîs (3). (1) REFIQ, Onungu... S. 68 Nr. 6. (2) Dieses Srgument findet sich auch bei MÜD XXXI 698, wovon später noch gehandelt wird. (3) So berichtet etwa GERLACH Tago=Bueh S. 237: .dasz gestern...die Christen GriechefL-ü53-5räenier eine Supplication...im grossen Divan übergeben/wegen des Brodts/daa die Türckische Herren zur Zeit der neuliehen Theuerung backen lassen/welches so schwartz als ein Kohl/und es itzt die Deffterteri/in die Backhäuser/den Christen/zu verkauffen/ausztheilen lassen/so doch weder von Menschen noch Viehe genossen werden könne. Man hab auch solches den Christen=Schiffern zu kauffen auffgedrunge/und ein
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Nachdem dieser Hüküm aber auch moniert, dass die Dimmis Pantoffeln tragen, durch die sie den Muslimen glichen, sei erwähnt, dass sich Muslime sogar dann gegen Pan toffeln der Dimmis wandten, wenn sic aus diesen Gewinn gehabt hätten (1). Zumindest bezüglich der Turbanfarben war der Befehl befolgt worden (sofern überhaupt eine vorausgegangene generelle Missachtung postuliert werden kann!), denn LESCALOPIJffi berichtet 1574 aus der Hauptstadt: "..touts portent le Turban, les Turcs le portent blanc les Grecs bleu les Juifz Jaune" (2). Im selben Jahr beır.erkt KRAFFT in Tripoli bei den dortiger. Christen weisse Turbane mit roten und blauen Streifen, was sicher auf eine ungeSchiffor für 4. Ducaten nehmen müssen/das er zwar gethan/ aber in Gegenwart des Heffterteri Hioner die Piszketen gleich ins Meer geworffen/dann er körm es nicht geniessen. Derowegen die sämbtliehe Christen gebethen/man wo11 es zu kauffen nicht mit Cewalt auffdringen. Dann da das Brodt theuer gewesen/habe man einem Musulnan für 15- 20. einem Christen aber für 1. Asper geben/itzt da es wieder wolfeil/wolle man ihnen die Piszketen allein auffbürden. Der Bassa aber sie an den Deffterter gewiesen/dieser sie grausam auszgescholten/sie seyen Hundt./und des Brodts nicht werth/der Keyscr hab es befohlen/dasz mar.s ihnen verkauffen solle.”Das Preisregulativ bei der Brotverteuerung bestand also darin, dass man den Christen we niger (nur für einen Asper) verkaufte, sie dann nach der Teuerung aber zwang, weiterhin das Brot der Notzeit (Zwieback) anstelle nörmälen'Brotes zu kaufen. (1) DUDA/GA1AB0V Sofia Nr. 275: "Die Fantoffelmachcr von Sofia erschienerTğemeinsam (!) vor dem Kadi und ver langten, dass die Anfertigung von Pantoffeln für Ungläu bige durch Gerichtsbeschluss verboten würde, da früher solche Pantoffeln nicht erzeugt wurden." (2) LES CALOPIEP. Voyage fol. 38 r.
brochene Tradition aus vorosmanischer Zeit zurückgeht (1). Drei Jahre später (1577) sah sich die Hoho Pforte veranlasst, erneut einen Hüküm an den Kadi von Istanbul in derselben Angelegenheit zu erlassen (2). Beanstandet wird auch hier wieder, die Dimmis würden durch präch tige Kleider (fähir libâslar), feine (3) Turbane (inge dülbendler - wegen des Plurals können wir dülbend hier kaum mit Batist wiedergeben), sowie durch weisse und rote Schuhe (beyäz ve al rengde bäsmaqlar) den Muslimen ähneln. Deshalb werden folgende Stoffe verboten: ge köperter Stoff (isqarläd), Atlas (atläs), Brokat (keraljä) und andere Seidenstoffe. Auch das Verzieren der Kleider mit Seidenfransen wird verboten. Befohlen wird als Klei derstoff Kattun (buğâşi), Zuwiderhandelnden wird mit der Hinrichtung gedroht (4). Einen Monat später ging ein analoger Hüküm (5) an die Kadis von Üsküb, Prizren und Vucitrin. Die dort an sässigen Muslime hatten sich beschwert, die Juden der Gegend würden durch das Tragen von geköpertem Tuch (ıs(1) KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 108. (2) MÜD XXXT-4S7_unc[ REFTÇ önüngii.I.S. 73 f. Nr. 13. (3) Wir halten dafür, dass genau-hierin die Diskrepanz zwischen den immer wieder erneuerten/wiederholten Be fehlen zur Kleiderordnung und den Mitteilungen der Bei senden liegt: zwar hielten sich die Dimmis an die farb liche Vorschrift, doch waren ihre (farbigen) Turbaneäüs-edlen, feinen Stoffen! (4) So auch-Im“fölgenden Jahrhundert: "Das Verboth rother Mützen und gelber Pantoffeln für Christen...wur de unter Todesstrafe erneuert"; HAMMER GOR VI 103. (5) MUD XXXI 698.
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qarlät cüqa) und seidenen Kaftanen (ibrisimlü qaftan lar) die Preise der muslimischen Kleider in die Höhe treiben (1). Die Kadis sollen die Juden streng verwar nen und ihnen verbieten, Seidenkleider, geköpertes Tuch und ebensolche Hosen, sowie andere, denen der Muslime gleichende kostbare Kleider zu tragen (yahüda Jä’ ifesine muhkem tenbîh eyliyesifi min bacd ibrisimlü libâs ve isqarlat cüqa ve cağsır ve sä^ir müslümäna tesblh olan fähir libâslardan nesne giydirmeyüb). Dieser Hüküm beweist, dass für die Kleiderordnung in der Provinz wie in der Hauptstadt dieselben Bestimmungen galten. Im Detail verbieten sie jene Stoffarten, die in der angeführten Fetwa moniert wurden. (1) Bei diesem Argument (vgl. auch oben S. 171 f.!) sind zwei Annahmen möglich: (a) Die marktwirtschaftliche In terdependenz von Angebot und Nachfrage hinsichtlich ih rer Auswirkung auf die Preisgestaltung ist bekannt. Dies passt freilich ganz und gar nicht in das osmanische n a r h-System, wo ja nie nach der Ursache gefragt, son dern der über dem amtlich festgesetzten Fixpreis Ver kaufende einfach bestraft wurde. Somit wäre zu erwarten - wenn die Preise tatsächlich zu hoch gewesen wären dass sich Juden und Muslime hierüber beschweren, Nachdem sich aber die Juden nicht beschweren, darf man annehmen, dass (b) sie sowohl um die Kleiderordnung wussten (und auf ihren Verstoss gegen diese nicht aufmerksam machen wollten), als auch bereit waren, den zu hohen Preis zu bezahlen - was wiederum nur dann der Fall sein kann, wenn sie die ihnen vorgeschriebene Kleidung als entwür digend empfanden, bzw. es satt hatten, an ihrer Klei dung erkennbar und deshalb ständig Schmähungen ausge setzt zu sein. Eigentlich würde aber doch eine musli mische Beschwerde über der Bruch der Kleiderordnung voll genügen! Die Verbindung mit dem Preis-Argument lässt allerdings vermuten, dass die Preiserhöhung (unterstellt man diese einmal als real gegeben!) andere Ursachen hatte (etwa wirkliche Knappheit), und hier nur als Vorwand für ohnehin Gewolltes diente.
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Für die Jahre 1578 und 1579 haben wir drei Berichte von Reisenden (1), die dem bisherigen Bild nichts hin zufügen: die Muslime tragen einen weissen Turban, die Juden einen gelben, die Christen einen blauen (die Grie chen) oder einen weissen mit blauen und roten Streifen (die Armenier). Im Jahre 1580 wurde in einem neuen Hüküm (2) an den Kadi von Istanbul den Christen und Juden der Turban ver boten. Statt dessen sollten nun die Juden rote, die Christen aber schwarze Hüte (sapqa) tragen. Ferner wur de den Juden befohlen, schwarze Schuhe und Stiefeletten zu tragen, die Oberkleider mussten aus Kattun sein. Das weitaus Interessanteste an dem ganzen Hüküm aber ist der Grund für die Abschaffung des Turbans: zur Zeit Mehmeds II., also zur Zeit der Eroberung der Hauptstadt, seien die dortigen Christen und Juden ja schliesslich auch so gekleidet gewesen, wie nun befohlen wird (3). Wenn nun aus der Tracht der Nichtmuslime zum Zeit punkt der Unterwerfung abgeleitet wird, sie müssten auch fürderhin so gekleidet sein, dann stellt dies ein abso lutes Novum in der Diskussion um die Kleiderordnung dar. (1) GERLACH Tage=Buch S. 487, BREÜNING Orientalische Reysz S. 114-f77-CÄHLIER Voyage S. 123 un3~I357 T27~REFIQ Onungu... S. 74 F. Nr. 14. (3)_a.a.0.T‘ *w7. .merhum...Sultan Meîjmed Han...zamanlarında yahudî ta3ifesi qirmuzi sapqa giyüb ve äyaqlannda olan basmaqlan ve edikleri dahi siyäh olub buğâşiden qapma giyüb ve naşarı tarifesi 5ahi siyäh säpqa giydükleri eğelden zikr olunan ta3ife äülbend şarınmayub uslub-u sabiq üzre qirmuzi sapqa giyüb basmaqlan ve edikleri dahi si^äh olub ve libasları buğasi qapma olub vc naşârı ta ifesi dahi dülbend şarınmayub siyäh sapqa giy melerin emr edübT"
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Dass sich dies andererseits von der Logik her mit der Bestimmung bezüglich der Anzahl von Kirchen deckt, die auch auf den Stand des Zeitpunkts der Unterwerfung "ein gefroren”wird (saat den "Ersatzkirchen"), ist eine interessante Parallele, die wieder einmal beweist, dass die Verhältnisse der Dimmis, egal in welcher Hinsicht, für alle Zeiten festgeschrieben worden sollen. Dies passt zum Gesamtbild, jegliche Art von Assimilation zu ver hindern. HAMMER weiss allerdings zu berichten, aus welcher Situation heraus das Turbanverbot für Diramls entstanden war: "Der Hofcapellan Kurdisade (Abdurrahim) eiferte für Kleiderordnung und der Mufti Kurdisade für Sittenzucht, und beyde wider die Ungläubigen. Den Hofcapellan waren die farbigen Mützen der Juden, Christen und Armenier von Seide und feiner Wolle (1), welche die ersten gelb, die zweyten blau, die dritten gestreift trugen...ein Ärgernis, wogegen Verbothe ergingen" (2). Aus ähnlichen Situationen waren schon in vorosraanischer Zeit Turbanverbote hervorgegangen, aber ebenso das schon erwähnte Gebot verschiedenfarbiger Turbane, was den Muslimen zur Belustigung verhalf (3). Auch jetzt fehlte ein mit dieser Massnahme verbundenes Gau (1) Vgl. oben S. 173 Arun. (3)! (2) HAMMER GOR IV 106. Das Ereignis war von so grösser Bedeutung, dass man noch im selben Jahr in Frankreich davon erzählte; CARLIE3 Voyage S. 123: "II m ’ a este asseure que l ’ an 1580...Te'sultan fist faire un edict general, par lequel il estoit enjoinct a tous les Chrestiens des terrcs de son obcissance, de ne porter plus le turban mais un bonnot noir, et aux Juifs un jaune" (!). (3) Vgl. oben S. 162 f.
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dium nicht: Kurdizäde "machte sich den Spass, Affen als Juden mit rothen Kappen anzuziehen, um so...die Affen als Juden ins Lächerliche zu ziehen" (1). Abgesehen von dieser befremdlichen Zuordnung wird klar, dass auch im Osmanischen Reich ein Zusammenhang zwischen Kleiderordnung und Dimml-Feindlichkeit bestand. Die Forderung, Dimmis grundsätzlich zu erniedrigen, wur de schon wiederholt angeführt, ebenso haben wir nachge wiesen, dass in der unterscheidenden Kleiderordnung auch in osmanischer Zeit die Minderwertigkeit der Niehtmuslime zum Ausdruck kommt. Jedem neuen Befehl, der (wieder) die Durchführung der Kleiderordnung forderte, war eine Beschwerde seitens der muslimischen Bevölkerung oder von Beamten vorausgegangen, was ein ganz sicheres Indiz für eine dimmophobe Ein stellung, für eine "Neigung" zur Schikane ist. Die Herauf setzung der Dimmis, wenn sic sich (so prächtig) wie Mus lime kleiden, wird durch die Anordnung, sie müssten schlicht gekleidet sein, mit ihrer Erniedrigung beant wortet. Die Kennzeichnung der Dimmis erhält eine besondere Be deutung im sozialen Bereich, wenn es dort zu feindseligen Handlungen kommt. Solche Handlungstypen werden im zweiten Kapitel untersucht. Vorerst sei darauf hingewiesen, dass der Dimml per se Objekt feindseligen Verhaltens ist; den spezifischen Kleidern kommt dabei der Wert eines Signals oder Schlüsselreizos zu: die Kleider weisen auf das Ob jekt hin, an dem sich Feindseligkeit entladen kann, sie können aber auch latente Feindseligkeit aktualisieren. (1) HAMMER GOR IV 106 f.
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Ein kurzer_Blick auf die_weitore_Entwicklung Zwar haben wir oben (S. 168) durch die Fetwa des Scheich ül-Islam Ebu’ s-Sucüd schon hinlänglich nachweisen können, dass die diskriminierenden Massnahmen, im Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts keineswegs ein wertneutral-normativer Ausdruck einer "anderen" Stellung der Dimmis, sondern wertend einer inferioren Stellung waren. Um aber die Analogie zur vorosmanischen Zeit zu verdichten, scheint es uns angebracht, noch einen Blick auf die spätere osmanische Entwicklung des Arguments zu werfen. Von föuräd IV« ist uns ein Hukiira erhalten (1), durch welchen dom unter stillschweigender Duldung der Kadis eingerissenen Schlendrian bezüglich der Erniedrigung der Dimmis ein Ende gesetzt werden sollte. Beanstandet wird hierbei nicht nur die uns schon aus den 16. Jahrhundert bekannte Kleiderpracht der Diiranls und die Tatsache, dass sie auf Pferden reiten, sondern auch, dass sie entgegen kommenden Muslimen nicht mehr auswoichen, indem sie vom Bürgersteig treten (2), und "überhaupt", dass sie samt (1) HEFIK OnJjirinci... lir. 98. (2) a.a.O. "iimslümana mukabil geldikde kaldırımdan inini.yüb". In vorosmanischer Zeit gab man sich in der Regel damit zufrieden, die Dimmis nur an die Hauswand zu drän gen, vgl. FATTAL Statut passim. Murad IV. verlangte,dass sie gleich in die Gösse treten sollten, die man sich na türlich mit Abfall und Tierfäkalien verschmutzt denken muss. Wir wollen die Frage nicht diskutieren, inwiefern hierdurch dem Wahrheitsgehalt von Q IX 28 ("Die Ungläu bigen sind Schmutz") "Evidenz" verliehen werden sollte... (Vgl. oben S. 164 Anm. (3) CAHEN’ s Formulierung einer "evidence oi' their inferiority"!) Mehr von dieser Prob lematik in der Zusammenfassung des ersten Kapitels!
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ihren Frauen ein grosspurigeres Lehen führen als die Muslime (1). Wichtig ist dieser Befehl aher wegen der Begründungen, die genau jenen gleieh.cn, welche die f u q a h ä 3 der klassisch-arabischen Zeit schon nannten: "seit einiger Zeit wurde es versäumt, die Dimmis in ihrer Kleidung zu erniedrigen und zu demütigen, obwohl dies nach gött licher und menschlicher Satzung zu den allerwichtigsten Angelegenheiten des Glaubens zählt" (2). Und so kehrt dieses Argument auch in der Dispositio wieder: um die Ungläubigen in ihrer Kleidung und in ihren? Benehmen geseizmässig zu erniedrigen und zu demütigen, werden ihnen die prächtigen Kleider und das Heiten auf Pferden etc. verboten (5). Das Argument, die Erniedrigung und Demütigung der Dimmis sei nach göttlichem und menschlichem Gesetz (sercan ve qänünen) gefordert, erfuhr im 18. Jahrhundert im gleichen Zusammenhang {Kleiderordnung) eine nuancen reiche Erneuerung: die absolute Demütigung und Erniedri gung der Dimmis im "everyday comportment" (CAKEN, vgl. oben S. 164 Anm. (3) - eine gute Entsprechung von "eli varlar i" - ) sei eine religionsgesetz- und verstar.desmässige Notwendigkeit (4). Ferner wird diese Bestimmung (1)"ve kendüler ve avretler ehli i sİ anıdan ziyade şevket sahihleri olub". (2) "libaslarında ve tarzı üslublarmda tahkir ve tezlil olunmak şer’ an ve kanunen mühimmatı diniyyeder. iken bir nice zemandan beru ihmal olunüb". (3) "kefere tayifesin bihasbeşşer’ i velkanun donda ve libasda ve tarzı üslûbda tahkir ve tezlil evliyüb..." (4) REFİK On_ikinci...Ur„ 222 (v. 1757): "etvarları kema li zilletlu meskenet üzre olnak şer’ an ve aklen lâzım geldiğine...
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auch als Erfordernis des Glaubens und als politische Verpflichtung (1) aufgefasst. Wegen der Einstufung als Erfordernis des Glaubens liesse sich fragen, ob in der osmanischen Praxis ein Muslim für c ä d i 1 erachtet wurde, der Dimmls nicht demütigte. Es lässt sich durchaus vermuten, dass der Kadi muslimische Zeugen auch nach dem Gesichtspunkt ihrer Sympathie (bzw. Antipathie) gegenüber Dimmis aus wählte (2). Von der Differenzierung der Argumente (gött liches und weltliches Gesetz, Forderung des Glaubens und politische Verpflichtung, verstandesmässige Notwen digkeit) einmal abgesehen zeigt sich hier auch nach dem 16. Jahrhundert eine Kontinuität des geltenden Rechts nicht nur in den faktischen Bestimmungen, sondern auch in der Begründung: der Schluss von Q IX 29 wird als Ver pflichtung und wörtlich genommen! Ferner liesse sich aus der "politischen und verstandesmässigen Notwendigkeit" ein Bewusstsein der integrie renden Funktion der Schikanen ablcsen, also die Deduktion früherer f u q a h ä 5 (besonders Ibn Taimiyyas), die Dimmîs seien nicht nur wegen der (mehr formalistischen) göttlichen Vorschrift zu erniedrigen, sondern auch zu dem Zweck, sie zur Konversion zu treiben. Nach diesem kurzen, aber sehr aufschlussreichen Blick auf die weitere Entwicklung der Argumentation wollen wir nun zum 16. Jahrhundert zurückkehren. (1) "lâzimeı diyanet ve vacibei zimmeti siyaset". (2) Vgl. etwa oben S. 83 ff. die "Beweisaufnahme" über das "Neusein" der Kirche im Viertel Seyyid cÖmer!
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Die Kleiderordnung ist nicht nur Ausdruck eines minderen Status. Sie ist nicht nur Signal und Schlüssel reiz für latente Feindseligkeit. Eine besondere Bedeu tung erwächst ihr hinsichtlich der Sicherheit von Leih und Leben. Von Ebu’ s-Su'üd ist uns eine wichtige Fetwa hierzu erhalten (1). Angefragt wurde, ob der Jude Zeyd, wenn er an gefährlichen, unsicheren (2) Orten seinen Kopf weiss umwickelt (also: einen muslimischen Turban trägt·}, rechtlich als Muslim zu betrachten sei. Der Scheich ül-Islam verneinte dies. Uns soll hier der Zusammenhang von weissem Turban und Religionswechsel nicht interessieren (5), es geht uns augenblicklich nur um die Funktion dieses Turbans, die der Jude ja selbst- darin sicht-, sich Gesindel vom Leib au halten. Wenn er zu diesem Zweck den muslimischen Turban aufsetzt, dann ist er sich aber bewusst, dass er eher angegriffen wird, wenn er durch einen gelben Tur ban - wie ihn die Kleiderordnung vorschreibt· - als Dimml zu erkennen ist-. So ein Verhalten pflegt auf Empirie zu beruhen. Diese Funktion wird auch belegt- durch ein Borat, in dem Mahnüd I. den Metropoliten Ananias die Diözese Tra(1) DÜSDAC Ebussuûd îü\ 558. (2) Dass hier_mıÎ "mahuf yerler" nieht_ etwa unheimliche Spukorte gemeint sind“wie man durch DÜZDAG’ s Erklärung auf S. ?30 mit "korku verici" vorschnell annehmen könnte, sondern dass es sich wirklich um gefährliche, unsichere Orte handelt, geht aus der nachfoIğend~ânğeFûFrÎen_STeIle klar hervor. Auch gibt ZÜÎÎKER Handwörterbuch für mahuf "οΰ il y a â craindre (chenin, TieuT71. (3) Darauf kommen wir irr. Kapitel Prosclytcmacherci.
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pezunt verlieh. Dort heisat es ausdrücklich: "Wenn der erwähnte Mönch zur Einziehung der staat lichen Steuern herumreist und dann, um in Gegenden, die wegen ihrer Gefahren berüchtigt sind, die Gebiete so gut als möglich passieren zu können und um sich vor Räubern zu schützen, seine Kleidung und seine Tracht ändert und Kriegswaffen bei sich führt, darf ihn kein Beamter be helligen oder belästigen..." (1). Auch in diesem Zusammenhang, an dessen Eindeutigkeit keinerlei Zweifel bestehen kann, werden die "gefähr lichen" Orte als "mahüf" bezeichnet, womit die o.a. Fetwa keiner weiteren Interpretation mehr bedarf. Damit ist aber erwiesen, dass die Dimmis, wenn sie der Kleiderordnung nachkamen, eine Gefährdung von Gut und leben in Kauf nahmen, oder zumindest das Risiko eines Überfalls wuchs. Wir haben Grund zur Annahme, dass Ermittlungen und auch Strafverfolgung bei kriminellen Taten gegen Dimmis von den islamischen Behörden nach lässig gehandhabt wurden (2), doch selbst wenn sieh dies (1) SCHEEL Kirçhenfürğten S. 28,_ Originaltext S. 42: "...min rüsum_tahsili icün_murur-u- ubur eyledügi yer lerde ba‘ 2 mahuf {!) ve muhataralı mahallerden ajİsan veğhile gecüb” ve kendü nefslerin esqiyädan tahlıs etmeğe tebdil-i ğame-ü-kisvet edüb...". Die Bestimmung findet sich analog in den vier anderen Beraten, a.a.O. (2) Grundsätzlich gilt natürlich auch für das Osmanische Reich FATTAL’ s Feststellung (Statut S. 113), weil dieses Reich absolut orthodox-islamisciTwär: "Pour que la liberte individuelle soit protfege, une bonne Organisation de la justice criminelle est necessaire. Dans la cit6 islamique le Dimml ne beneficiait (Hervorhebung K.B.) pas de cette protection. Le-3röII-penal musulman ne connaît pas, en effet, les grandes principes de l ’ egalite des moyens de defense...". Aus der Praxis sei nur ein Beispiel er wähnt. KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 198 f. berich tet von einem ğrıecHıscHen-Mîîğefângenen (Schuldhaft in Tripoli), dessen Kind vermisst wird. Der Grieche verdäch tigt einen durchreisenden podagrakranken Muslim, das
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nicht als Prinzip nachweisen lässt, so steht doch für den muslimischen Täter, etwa einen Diel), fest, dass der geschädigte Dinimi zwar gegen ihn Klage erheben kann, aber sein Zeugnis wider einen Muslira ist ja nichtig. Der Dimml kann also von der Klage gleich absehen. Ebenfalls von Ebu’ s-Sucüd stammt eine andere Fetwa (1), die in diesem Zusammenhang relevant ist. Auf die Frage: "Was hat mit einem Ungläubigen zu geschehen, der die Klei der tauschte, und dann, gefragt ’ bist du Muslim oder Un gläubiger?’aus Angst (haufindan) sagt ’ ich bin Muslim’ ?" antwortete der Scheich ül-Islam: "Er wird Muslim." Nun ist es aber für Ebu’ -Sucüd keineswegs zwangsläufig, dass die Aussage "ich bin Muslira" tatsächlich die Konse quenz des Glaubenswechsels (und der anderen "Steuergruppe") nach sich zieht. In einer anderen Fetwa (2) wurde gefragt, ob der sinnlos betrunkene Dimmî Zeyd, der in diesem Zu stand die islamische Glaubensformel (sahäda) aussprach, und hinzufügte "ich bin Muslim geworden", denn rechtlich als solcher zu betrachten sei. Der Scheich ül-Islam meinte, dies sei in das Ermessen des Richters gestellt (re’ y-i hâkimle olunur). Hätte der Dimml aber gesagt, "ich bin Kind geschlachtet zu haben, um mit dessen Fleisch seine Krankheit zu heilen. Der Grieche wendet sich an die tür kischen Behörden: "Weil der kranckh Aber sein freyen bassz beim Türckisehen Kayser erlangt vnd das knäble nur_eınes_Christen kind sey (Hervorhebung K.B.), hatt mäns Tme abgescEIağen."“ Zur Volksvorstellung von Gicht behandlung durch den Genuss von Menschenfleisch vgl. STERH, Bernhard: MedizinL_Aberglaube und Geschlechtsle ben in der TUrkei. Berlin I9Ö3, S. 223~T~ r n -DÜZD5G EBussuüd Kr. 362. (2) a.a.O. Nr. 55Ö7
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vom Unglauben abgefallen", dann er sei er ohne Zweifel als Muslim zu betrachten ("Küfürden döndüm" dedi ise bilâ güphe hükm olunur). Diese Einschränkung hat nur formalistischen Charakter (1), und steht nicht in Zusammenhang mit der verminder ten Zurechnungsfshigkcit des Betrunkenen. Der Grund für die unterschiedliche Beurteilung der beiden Willenserklärungen, die wir heute als ans analo gen Situationen entstanden begreifen würden, liegt darin, dass im ersten Falle Angst die Willenserklärung hervorbrachto. Nun sieht das islamische Recht im Vorliegen von Zwang irgendwelcher Art (auch in Drohungen!) durchaus einen Mangel für Willenserklärungen, wodurch diese an fechtbar werden - ausser wenn der Zwang zugunsten er wünschter Geschäfte, etwa einer Konversion, erfolgte (2). Trunkenheit ist weder Zwang ncch Drohung, aber Angst ist Zwang. (1) Eine solche Formulierung findet sich in beurkundeten Konversior.serklärungen nur mitunter. JENN1NGS Kayseri S. 201 sagt: "Usually the convert v/as describoî~âs~ğıving up batıl din for din-i islamiyye.. . Er bringt a.a. 0. S. 202 einige Konversionserklärungen dieses Wortlau tes, aber auch anders formulierte aus dem Siğiliät von Kayseri. Wir selbst fanden im Ankarancr Sigillat zwei mal (Bd.^11 Nr. 519 und 615) die Formulierung "hidäyet-i haqq erisüb müslüman olub". Bei Konversionen im Divan, meist mit Ämtervorlcihurig verbunden, geben die MÜD nur "^eni müslüman", "müslüman olmaçf', "İslama gelmeK'" oder "seref-i islamla müşerref olmaq", was auch JEMINGS hat (a.a.O. S. 202). LUßEKAU Şeisen I 304 gibt den V/ortlaut der sahada wieder mit: "weseclen lai hiiala, mehemet rasola, tangri bir, dinni_gird[b:"! Den Zusatz "tanrı bir, peygamber{-i) haqq" bringen mehrere Reisende, natürlich in der entsprechend verballhornten Schreibung. (2) BERGSTRASSER Grundzüge S. 26 f.
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Hier soll uns dag Moment der Angst aber in anderer Hinsicht interessieren. Wenn der als Muslim verkleidete (denn sonst hätte die Frage keinen Sinn!) Jude aus Angst sagt, er sei Muslim, dann kann das nur die Angst vor den Sanktionen sein, die ihn bei ifichthefolgen der Kleider vorschriften erwarten. Nachdem aber der Hüküm, « 7 in dem für Missachtung der Kleiderordnung die Hinrichtung an gedroht wurde, drei Jahre nach dem Tode Bbu’ s-Su'üds er lassen worden war, muss schon vor diesem Hüküm die Angst vor Sanktionen gross gewesen sein. Hun ist aber diese Angst Ausfluss der BinLTa-Be st In nungen, nicht etwa irgendwelcher Konstellationen: sie entsteht de:n Kichtmuslim erst daraus, dass er sich unter den Schutz (?) der islamischen Gemeinschaft stellt. Ver meidet er aber die Angst vor Sanktionen, indem er sich an die Kleiderordnung hält, dann muss er Angst vor Ge sindel haben: die Angst gehört zu den wesentlichen Be standteilen der Lebensumstünde der Dimmîs (1). Zu dieser, aus der Problematik der Kleiderordnung erwachsenden Angst gesellt sich die Unsicherheit, die aus den Faktoren entsteht, die wir in den Abschnitten zur territorialen Integrität und zur Kirchenpolitik schilderten. Beides aber, Angst und Unsicherheit (Grund kriterien übrigens des Terrors!) sind direkte Implika tion und direkter Ausfluss der Dimma - die auch nach (1) Wenn wir heute anerkennen, dass für die Würde des Menschen die Freiheit von Angst (und Hct) unabdingbare Voraussetzung ist, so hat diese Korrelation in den_ Diima-Eestimnungcn ihr negatives Penaant: der Dicimi ist grundsätzlich zu demütigen, und er kann sich nicht von Angst befreien!
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muslimischer Definition Schuta ist (1). Eine treffende Wertung dieser Grunddisposition von Demütigung, Angst und Unsicherheit gibt DERHSCHWAM, der - ohne Kenntnis der scheriatrechtlichen Grundlagen freilich, aber als zeitgenössische Empfindung äusserst wertvoll - über die Dimmis sagt: "...müssen sich alle leyden, wie eroberte vnderdrugte gefangene leutte, deren sich kainer fwr forcht, angst, not vnd zwang mer regen noch den kopff aufrekhen darff. Seind alle durchaus, also gedemutiget, von dem stule auff die erden geseer.t worden, das sy auch zuleben verdrissen mag" (2). *
KleiderOrdnung und Integration Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, ob auch im Osmanisehen Reich des sechzehnten Jahrhunderts ein Zu sammenhang zwischen Kleiderordnung bzw. diskriminieren den Massnahmen allgemein, und Konversionsbewegungen grösseren Umfangs bestand (3). Die Kleiderordnung muss natürlich als eines von mehreren Elementen einer re striktiven Dimml-Politik verstanden werden (4); in einen (1) Dieses Paradoxon wird im Schlusskapitel untersucht. (2) DERHSCHWAM Tagebuch S. 59, (3) Für die vorösmaüische Zeit vgl. FATTA1 Statut S. 96-112 et passim. (4) Die Kleiderordnung ist natürlich an sich schon re striktiv, da durch sie Assimilationsversuchen der Dim mis (durch äussere Angleichung) gewehrt wird - ganz ab gesehen einmal von der aus ihr ja erst entstehenden Angst und den erniedrigenden Implikationen.
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solchen Zusammenhang stellte sie ja auch die grund legende Fetwa Ebu’ s-Sucüd’ s (1). Von anderen dabei be teiligten Faktoren, die Anlass zur Konversion gewesen sein mögen, soll später die Rede sein, ebenso von den "flankierenden Massnahmen”, die dabei mitspielten. Einen Kausalzusammenhang zwischen Kleiderordnung und Konversionen aufzuweisen begegnet einer grundsätzlichen Schwierigkeit, da die Urkunden über vollzogenen Glau benswechsel das Motiv nicht nennen (2). Wir müssen uns deshalb an andere Kriterien halten. Unser hierbei zu Grunde gelegtes Material - die Protokollbücher des Kadiamtes Galata und die Mühinme Defterleri - kann uns lediglich Trends signalisieren, da die darin enthaltenen Fälle, auf die wir uns stützen, nur Indikatoren einer Entwicklung sind, die demographische Daten nicht voll ersetzen. Für die Mühimme Defterleri liesse sich sogar sagen, dass sie nur die "Spitze des Eisbergs" aufzeigen, da die dort verzeichneton Renegaten mit Ämtern versehen wurden, was sich trendmässig zwar nicht voll auf andere Register übertragen lässt - andererseits aber stammen diese Renegaten aus dem ganzen Reich - daher "Spitze des Eisbergs ", Allerdings hat diese Quelle den Vorteil, Renegaten eindeutig als solche auszuweisen, wohingegen wir beim Sigi'llät von Galata meist auf eigenes Schliessen ange wiesen sind: die Samensbildung bei Renegaten (und Waisen) mit "ben cAbdullah" ist bekannt. Zwar ist ein solcher Name kein hundertprozentiger Beweis dafür, dass sein (1) Vgl. oben S. 166. (2) Vgl. oben S. 184 Anm. (1).
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Träger Renegat ist, doch sind gebürtige Muslime mit die ser Ifamensform in unserer Untersuchung "quarctitfe negligeable" (wir können sie gegen Benegaten ohne diese Kamcnsbildung verrechnen), und eine Zunahme an Waisenkindern finden wir im Untersuchungszeiträum keineswegs - was sich an der Anzahl von Vormundscha'ftsbostimmungon ablesen lässt. Ferner gibt uns der "Eigenname" (ism) einen zusätz lichen Aufschluss: Namen vom Stamm HMD (Mehmed, Afcmed, Mahmud), und solche, die mit bedeutenden Persönlich keiten des frühen Islam, oder mit im Koran erwähnten Personen Zusammenhängen, so wie auch üiamon, die eine besondere Wertschätzung ausdriieken, sind für Pienegaten sehr häufig amsutreffon, und in Verbindung rr.it "ben cAbdullah" in einer Trendstudie ein hinreichender Hin weis auf den Renegatenstatus des Trägers. So finden sich denn auch in den Mühimme Defterleri - wo Renegaten durch Zusätze wie "yefü. müslümär.'’etc. (1) eindeutig als solche ausgewiesen sind - neben den schon erwähnten Kamen immer wieder Hasan, Kusain, Muştafa, İskender, cAlî, Yûsuf, Sır Merd, mitunter auch Monatsnamen, wobei sich hier nur in etwa der Hälfte der Fälle der neue Eigennaine mit dem Namen des Monats der Konversion dockt. Ferner finden sich Nanen, die auf die Herkunft des Renegaten Hinweisen, wie etwa "Frenk Kasan", einmal auch ein Karne, der gleich die Freude über don neugewonnen en Mu s1 im a usd riick t : Ei däy o t (2). Diese Hane n (1) Vgl. ober; S. 184 Ar;m. (1). (2) MliD XXV 750 für einer, konvertierter. Priester.
decken sich im wesentlichen Hit den entsprechenden An gaben der Reisenden (1). Türkische Hamen fanden sich im hier zugrunde gelegten Material nicht« Zwar können wir durch Sigillat-Einträge keine ge nauen Rückschlüsse auf demographische Gegebenheiten des betreffenden Gerichtsbezirks ziehen, aber sie geben uns doch einen relativ zuverlässigen Spiegel, ein Modell von diesen (2). In unserem Falle geht es nur darum, eine Entwicklung aufzuzeigen. Anhand von vier Bänden (3) untersuchten wir das Prozentverhältnis von Renegaten zu gebürtigen Muslimen in Galata, so, wie sich dieses in den Protokollbüchem des Kadis dieser Stadt bei Eintragungen j_eder Natur spiegelt. Da beide Personenkreise der is lamischen Rechtsprechung in völlig gleichem Masse unter stehen - der Renegat ist ja vollwertiger Muslim - sind jene Fehler in der Untersuchung ausgeschlossen, wie sie sich etwa bei einem Vergleich des numerischen Verhält nisses zwischen Muslimen und Dimmis ergeben würden, da (1) Vgl. insbesondere: MENAVIflO Vita et legge fol. 69 r, GERLACH Tage=Buçh S. 199, 487, 490, FtJRER Rgişe-Beşçhreibuag S. 30 ff., POSTEL De la Republique S. 44. (?.) Vgl. JEMINGS Kayseri_Binleitung et passim. (3) Aus dem Galata-Siğillat im Müftülük Arşivi in Istan bul. Da sich die beiden ersten Bände in einem desolaten Zustand befinden (Wasserschäden, falsche zeitliche Ein ordnung ganzer Bögen, deren Berichtigung das Personal weder zulassen noch selbst vornehmen wollte), konnten wir erst ab dem dritten Band (1561/62) genauere Unter suchungen anstellen. Für die folgende Statistik benutzten wir Bd. III, IV (1570/Y1), VII (1577/78) und VIII (1580/ 81). Der Untersuchungszei träum erstreckt sich also über zwanzig Jahre (1561-1581).
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in diesem Falle der Kadi nicht immer für dieselbe Rechtshandlung bei beiden Gruppen zuständig ist. 3s lässt sich freilich nicht erscnliesscn, wie gross dabei die Holle der innerstädtischen Fluktuation war (hier Galata als Teil von "Gross-Istanbul" betrachtet) - ob also die Islamisienmg Galatas (deren strukturelle Voraussetzungen wir schon schilderten) vorwiegend auf Zuzug oder aber auf Proselytenmacherei in Galata zurückauführen ist. Im l'ntersuchur.gs Zeitraum von 1561 - 1581 wächst der Anteil von Renegaten in den Protokollbüchern des Kadis von Galata, gemessen ar. der Gesamtzahl dort aufgefiihrler Personen (Renegaten plus gebürtige Muslime plus erstaun lich wenige Dimmis (D) un zwei Drittel des Ausgangswertes: Stichjahr
Prozent Renegaten (gerundet)
1561/62
30
1570/71
41
1577/78
45
1580/81
51
Graphisch stellt, sich die Entwicklung dann so dar:
(1) Vgl. hierzu auch oben S. 155 f»
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Der Anteil von Renegaten im Galata-Siğillât 1561-1581 gemessen_an_dcr Gesamtzahl der dort bei allen Arten beurkundeter Rechtshandlungen vorkomraonder Personen:
Vergleichen wir mit dieser Entwicklung nun einmal die schon angeführten Erlasse zur Kleidcrordnung: Die grundlegende Fetwa Ebu’ s-Su'üds muss man zwischen 1560 und 1568 datieren (1), ebenso den bei REFIQ er il) Vgl. oben S. 166 ff.
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wähnten früheren Hüküm (1). Im Jahre 1568 ergingen die Verordnungen REFIQ (Onunğu... S. 68) Nr. 6 und 7. ln diesem Zeitraum (1561-1571) haben wir eine Zunahme von Renegaten in Galata um 10 v.H., was ein Drittel des Ausgangswerts darstellt. Bis 1577/78 schwächt sich die Steigung unserer Kurve ab, macht aber dann wieder einen spürbaren Knick, der zwischen 1577/78 und 1580/81 eine weit höhere Zunahme an Renegaten verrät, als in den neun ersten Jahren des Untersuchungszeitraums, wo wir zwar auch einen Anstieg um 10 v. H. des Ausgangsworts hatten, allerdings inner halb von neun Jahren, wohingegen wir ab 1577 dieselbe Zuwachsrate innerhalb von nur drei Jahren feststellen. Just 1577 aber war jener Hüküm ergangen (?), der für Missachtung der Kleiderordnung die Todesstrafe androhte. Sin Zusammenhang scheint uns evident. Da im UntersuchungsZeitraum der Anteil von Renegaten, die aus dem Kontingent christlicher Kriegsgefangener stanken, relativ konstant um 50 v.H„ abnimmt (3), müssen wir annehmen, die Zunahme an Renegaten in Galata im Un tersuchungszeitraum um zwei Drittel des Ausgangswerts sei auf eine restriktive Binnî-Politik zurückzuführen. Die Kleiderordnung ist hierbei ein Hauptelement. Da aber die diesbezüglichen Verordnungen genau in unseren Unter suchungszeitraum fallen, dürfen wir durchaus einen Kau salzusammenhang annehmen. (1) Vgl. oben S. 170. (2) REFIQ Onungu...S. 73 f. Nr. 13 und MÜD XXXI 457* ne ben dem von MUD XXXI 698 nach Ü3küb, Prizren und Vucitrin. (3) Dies wird im Kapitel über Proselytenaiacherei näher dargelegt.
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Aus quollenimnanenten Gründen eignen sich die Mühi-iune Defterleri weniger zu einer solchen Untersuchung. Wir wollen dennoch, erwähnen, das3 bei der. Einträgen ir. diesen im zweiten Band (1555/56) Lehens- oder imterverleihung an frisch Konvertierte 1 v.H. der Gesamtzahl von Einträgen ausmacht-, im Band 25 (1573/74) aber 1,75 v.li. Dies ist - in vergleichbarer Zeit - ein Zuwachs um drei Viertel des Ausgangswerts (freilich aufs ganze -Heich verteilt, und hier sind nur solche Renegaten er fasst, die mit Lehen oder Ämtern "belohnt" wurden!), was recht gut zun Zuwachs von zwei Dritteln in Galata passt. Andere diskriminierende Massnahmen Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kleidervorschriften für Dimiräs nicht isoliert, son dern in Kontext mit anderen Massnahmen betrachtet v/erden müssen. Schon in arabischer Zeit waren sie immer in Ver bindung mit Vorschriften über Reittiere und -sättel der Diitiiiis verbunden, sowio mit des Gebot, die Dinnüs hätton (auch) beim Besuch öffentlicher Bader entweder spezifi sche Insignien an; Hals zu tragen (ein Kreuz für die Christen, ein - nicht inner nur symbolischer - Kalbsköpf für die Juden), und/oder müssten sich durch an den Schuhen angebrachte Glöckchen bemerkbar machen (1). Von der angeführten Fetwa übu’ s-Su'üd’ s (2) abgesehen, die den Zusammenhang solcher Bestimmungen nit der Klei(1) Vgl. FATTAL Statut S. 96-112, und FRANCO, M.: Essai s'.jr_l’ histoire_des ^sraelitos de PSnpiro Ottonan SepüTs~Ios~crigines jûsquTa nos”2§'ÎÎŞ*~^Srrs“ I8977~5.? et passim. (?) Vgl. oben 3. 166.
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derOrdnung bekräftigt, fanden wir für das Osmanische Reich im 15. und 16. Jahrhundert keine türkischen Quel len, aus denen sich ein Pferdeverbot für Dimnls ab leiten liesse„ Wir sind hierbei ganz auf Nachrichten der Reisenden angewiesen. Nachdem aber das Reitverbot noch im 17. und 18. Jahrhundert als zu lasch gehandhabt mo niert wurde (1), und an der Fetwa Sbu’ s-Sucüd’ s kein nicht-scheriatkonformer Zug festgesteilt werden kann, dürfen wir das Reitverbot auf Pferden für Dinmls im 16. Jahrhundert guten Gewissens als geltendes Recht be trachten. Dass den Dimmis im Osmanischen Reich das Reiten von Pferden verboten sei, berichten fast alle Reisenden un serer Epoche einhellig. Einige von ihnen sehen darin genau jene Wertung, welche die f u q a h ä 3 zu dieser Massnahme bewegte: das Pferdeverbot ist Ausdruck der Würdelosigleit der Dimmis, bzw. ein Instrument zu deren Erniedrigung. Bemerkenswert ist auch, dass d&s Pferde verbot von den Reisenden als nur in den Städten geltend geschildert wird, eine Einschränkung, die wir auch der Fetwa Ebu’ s-Sucü d ’ s entnehmen konnten. Wenn BREÜNING 1579 in Buläq der Feststellung des Pferdeverbots hinzufügt, "also das sich keiner dieser Landes Art auff dem Esel zu reitten scheuhen d&rff" (2), so bedeutet dies nur, dass er selbst die Regelung als entwürdigend empfindet. Doch ist er durchaus vom is lamischen Standpunkt unterrichtet, denn er erzählt drei (1) Vgl. oben S. 178 ff. (2) 3REÜNIRG Orientalische Reysz S. 140.
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Seiten später von Kairo, dass auch dort Christen und Juden das Reiten auf Pferden verboten sei, "dann sie hierzu nicht würdig geachtet". Wir brauchen nicht anzunehraen, dass BREÜNDIG hier zufällig eine "richtige" Deduktion leistet. Seine Formulierung beweist hinläng lich, dass er die Begründung der f u q a h ä 5 ver nommen hat, was nur dann möglich ist, wenn diese all gemein bekannt war (was wir noch an anderen Punkten nachweisen werden): die Dimmis und. die Muslime wussten um die Begründung des Pferdeverbotes. Sein Reisegefährte CAP.LIER DE PINON stellt diesbe züglich eine Überlegung an, die uns an den schon ange führten Zusammenhang von Erniedrigung und Angst (1) er innert: zwar würden sich die Franken nicht an das Pferde verbot halten, wohl aber die Dimmis, "ce que je ne scay, s'ils font plus tot par craincte et humilite, que pour obeir a la defence susdicte" (2). In diesem Zusammenhang kommt natürlich der Kleider ordnung besondere Bedeutung au, da die spezifische Klei dung der Dimmis Aufschluss darüber gibt, ob der jeweili ge Reiter gegen das Pferdeverbot verstösst. Die Trag weite desselben kann freilich nicht die Bedeutung der Kloiderordnung haben, da sich die Mehrzahl der Nichtmuslinse ohnehin aus finanziellen Gründen keine Pferde halten konnte - wie andererseits auch die meisten Mus lime (bzw. wegen der höheren Besteuerung natürlich noch seltener). *
(1) Vglo oben S. 185 f. (2) CAPLIEH Voyage S. 123.
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Die Benutzung der öffentlichen Bäder (Hamam) war in der hier untersuchten Zeit Musiirren wie Dimmis gleichermassen gestattet (1). Dennoch wollen wir darin ebenso wenig einen liberalen Zug sehen, wie in der "Erlaubnis" gemischter Wohnviertel (2). CARLIEE’ s Hinweis, wenn ein Mann das Frauenbad betrete, so verdiene dieser nach türkischer Ansicht besonders dann c-ine Strafe, wenn es sich um einen Christen handle (3), kann natür1ieh nicht als diskrirränierende Massnahme ausgelegt werden. Aber schon im 15· Kahrhundert waren die Badeknechte ange wiesen worden, den Muslimen andere Handtücher zu reichen als den Dimmis (4). Diese Bestimmung beinhaltet zwar keine ausdrückliche Diskriminierung, da wir hier nicht erfahren, ob die betreffenden -ücher auch von minderer (1) Vgl. BHEÜÎOTG Orientalische Reysz S. 69, CABLIER Voyage S. 290, 3’ JSBSüŞ, Gğrer-GHi5cTîn: Vier_ßriefe_aus der_Türkei. übers, u. hrsg. v. l/V. von den Steinen. Er langen 1926, S. 116 f., TTTEVET, Andre: Cosnographie de Levant. Lyon 1.554, S. 191, SCHWEIZER C ' 'inopel vnd Jerusalem S. 26, 11? ff. und LESCAL _o;vagc fei. (?) Siehe die übernächste Anmerkung! (3) CARLIER Voyage S. 290. (4) BELDICEASÛ La ville ottomane S. 260. Hierauf wellte übrigens nicht einmal der gefeierte "Reformator" Mahmüd II. verzichten, welcher "Moslems fortan nur noch in der Moschee, Christen in der Kirche, Juden irr der Synagoge" kennen, ausserhalb aber angeblich keinen Unterschied ma ch en w 0111e. (S0 a u ch im Gül han e-Dokumen 1..) Vgl. STERN, Bernhard: Jungtürken und Verschwörer. Die innere La^e der Türkei unter Abdul lîaıid II. 2. Aufl. leipüig Ϊ901, S. 58-βθ. Die Christen durften in letzten Jahr hundert ir. den Bädern auch keine Γ Γ ο Ι ζschuhe tragen, sie mu s sten also im Wa ss0r (dani t au ch im Abwas scr!) w a ten£ a.a.O. S. 59. Dies gemahnt an die Bestimmung, die Dimiuis hätten, wenn ihnen ein Muslim entgegenkorıaı·,, in die Cosae 7.u treten; vgl. ober. S„ 178 Anm. (2).
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Qualität und/oder anderer Farbe waren - in Analogie etwa zur Kleiderordnung - (man darf 0 3 aber annehmen, und STERN bringt die mindere Qualität der Badetücher für das 19. Jahrhundert ausdrücklich), aber dies beweist uns, dass auch im sunnitischen Islam der Körper des Ungläu bigen mitunter als unrein betrachtet wird (1) - da ja verschiedene Badctüeher auch bewirken, dass es keinen indirekten körperlichen Kontakt gibt - entgegen der bis herigen Behauptung, diese Einstellung finde sich nur bei Schiiten (2). Es wäre ohnehin recht erstaunlich, wenn der Koranvers "Hie Ungläubigen sind Schmutz" (Q IX 28: ai-musriküna nagasuri) nicht auch im sunnitischer; Bereich seine entsprechende Umsetzung im Alltagsleben gefunden hätte (3)o Konfessionell getrennte Bäder, wie sie das vorosma nische Ägypten kannte (4), H e s s e n sich für das Osmanische üeich im 16. Jahrhundert nicht nachweisen. Einige kleinere diskriminierende Massnahmen wurden dadurch erst möglich, bzw. "nötig". (1) So berichtet etwa KHAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 228 von einem Imam, der eine NäcET“in~XR5F?TTs'Zimmer verbracht hatte, und der am nächsten Morgen gleich das Bad aufsuchte, weil er sich durch die Gesellschaft des Christen verunreinigt fühlte. Analog ist zu beurteilen, dass bei der Umwandlung des Davidsgrabes in eine Moschee befohlen wurde, den Neubau zu reinigen, bevor er der neuen Bestimmung übergeben werde; vgl. oben S. 104 ff. Dies bezieht, sich freilich nicht auf Bauschutt! (2) So u.a. bei JUYNBOLL Handbuch S. 173 und 354. (3) Schon Muhammad hatte Christen und Juden m den Poly theisten gerechnet; FATTAL Statut S. 10 ff. Als Begrün dung genügte eigentlich auoE Q~TX 30. (4) FATTAL Statut S. IC5* Darin darf man sicher auch einen Au:sdrüeF-üer körperlichen Unreinheit der Kichtmuslime erblicken.
I
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Die angeführte Fetwa Ebu’ s-Sucüd’ s bekräftigte auch, dass sich die Häuser der Dimmîs von denen der Muslime in Höhe und Schmuck unterscheiden müssten (1). Diese Be stimmung muss in engem Zusammenhang mit dem Prachtver bot für Dimmîs gesehen werden, das wir schon in Verbin dung mit der Kirchenpolitik und der Kleiderordnung als bestimmendes Kriterium nachgewiesen haben: der Dirnmî darf unter keinen Umständen zeigen, dass er "jemand ist". Wir finden für das Osmanische Reich des 16. Jahr hunderts nur mitunter Hinweise darauf, dass die Häuser der Dimmis niedriger bzw. weniger geräumig und pracht voll waren (2), als die der Muslime; doch scheint uns die diesbezügliche Bestimmung weniger wegen ihres nor mativen Charakters interessant, als vielmehr wegen ihrer wesentlichen Bedeutung im sozialen Bereich des Zusammen lebens von Muslimen und Dimmls. So enthält die älteste Überlieferung der s u r ü t durch Turnusϊ keine norma tive Bestimmung über die Höhe der Dimmî-Häuser, wohl aber einen anderen Aspekt: die Dimmîs verpflichten sich, keine Sicht auf muslimische Häuser zu haben (3). Dies hängt natürlich auch von der Höhe der Häuser ab, steht aber auch in Zusammenhang mit anderen baulichen Elemen ten, etwa mit Fenstern. Darüberhinaus gehört diese Be stimmung zu jenen, die den Muslimen Ärgernis verhindern sollten. (1) Vgl. oben S. 166 ff. Ferner: FATTAL Statut passim, JUYNB0L1 Handbuch S. 353, KHADDOURI War_anü Peace S. 198: "Their Eouses should not be higKer tKänTSEsIim houses, preferably lower." (2) Vgl. oben S. 114 f. das Schicksal jener Fischerhäu ser in Balat. Für das 17. Jahrhundert: KREISER, Klaus: Edirne im 17. Jahrhundert nach Evliya gelebi. Freiburg (3) FATTAL Statut S. 62.
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Im 16. Jahrhundert finden wir aber genau dieses Argu ment wieder. BUSBECQ schildert sein "Botschaftsgebäude" in Stambul so: "Die Türken haben freilich, auf die Bequemlichkeit ihrer Mietsleute wenig bedacht, nicht nur mit Eisen stäben das Licht ausgesperrt, sondern auch noch Lädenangebracht, die die Aussicht und die frische Luft wegnehmen: so wollten sie der Nachbarschaft entgegenkommen, die sich beklagte, jnan könne nichts vor dem Anblick der Christen verdecken" (1). Es ist für die Argumentation völlig irrelevant, dass der kaiserliche Botschafter nicht Dimmî im eigentlichen Sinne des Wortes war (2). Das Argument, es sei für Mus lime anst-osserregend, in ihrem. Alltagstreiben von Nichtmuslimen beobachtet zu werden (3), gehört aber weniger den "staatlichen" Liama-Bestimmungen zu, als vielmehr dem sozialen Bereich, welcher nach der nun folgenden Zusammenfassung des ersten Kapitels untersucht wird. *
(1) BUSBECQ Briefe S. 96. Die Botschaft war ein christ licher n u c-I-e-ü s in muslimischer Umgebung! (2) Vgl. aber oben S. 24 Anm. (2)! (3) Es sei daran erinnert, dass es nach dem hanafiti schen Ritus den Dimmis erlaubt ist, in muslimischen Städten zu wohnen, weil sie dann durch das vorgelebte Beispiel der Muslime zur Konversion angeregT-wer3en können. Dies steht natürlich - formallogisch - in Widerspruch zur Forderung, sie sollten Muslime im All tag nicht beobachten können. Der Widerspruch lässt sich auflSsen, wenn wir die Begründung der Wohnerlaubnis als Euphemismus auffassen« In der Tat konnten wir ja schon wiederholt zeigen, dass aus der Praxis nichts für ein Zusammenleben im Sinne Abu Yüsufs spricht!
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6. Zusammenfassung Wir hatten für da3 erste Kapitel die Frage gestellt: Was leisten die Dimma-BestInnungen für die Integration der Dimmîs? Zu dieser Frage veranlasste uns CAHEN, der das Verschwinden von Dimmîs aus ganzen Landstrichen in vorosmanischer Zeit mangels Pogromen (also: mangels physischer Vernichtung) Faktoren zuschreibt, die im we sentlichen sozialer Natur seien, und mit deneri man sich in einem Artikel über Dimica nicht zu befassen habe, in welchen die Rede nur sein soll von den "general charasteristics of the Muslin attitude to non-Muslims, as oxpressed in their institutions and social practices". Nachdem aber gerade dieser Bore ich durch die I)imna ko difiziert und definiert ist, schien es uns unumgänglich, einen Zusammenhang zwischen dieser und der Integration von Dinmîs zu suchen. Wir beschränkten un3 dabei im ersten Kapitel auf die nehr institutionelle Seite, wie sie in don s u r ΰ t vorgegeben ist, und durch staat liche Bestimmungen und Verordnungen gehandhabt wird. Dieser ßoroich betrifft also strukturelle Voraussetzun gen von Integrität bzw. Integration. Dabei ordneten wir Problematik und Material nach folgenden Gesichtspunkten: 1. 2. 3. 4.
Geographische Integrität Kirchenpolitik Autonomie Diskriminierende Massnahmen. Zusammenfaasend sei an die jeweils wichtigsten Faktoren und 3rgobni3se erinnert:
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Li Geographische Integrität Obwohl die s u r ü t und die konkreten Verträge die Dimmis im Besitz an ihren Immobilien bestätigen, liegt darin keine Garantie für ihre geographische Integrität: diese wird aui'gesprengt durch Einpflanzen islamscher n u c 1 e i. Dies ist erwünscht: konfessionell gemischte Städte/ Viertel sind nach hanafitischem Ritus zulässig, da das vorgelebte Beispiel der Muslime die Dimmis zur Konver sion "veranlassen”kann. Gerade aber aus dem engen Zu sammenleben erwachsen den Dimmis Gefahren für ihre In tegrität: sie dürfen nicht zu nahe an einer Moschee wohnen oder arbeiten, weil sie dadurch angeblich die Andacht der Muslime stören. Durch den hieraus erfolgen den Umzug der Dimmis kommt es zur Bildung rein musli mischer m a h a l l ä t , was sich im Laufe der Zeit auch in anderen Stadtteilen fortsetzt. Dadurch wird die kommunale Geschlossenheit und der soziale Zusammenhalt der Dimmis zerstört. ^^Kirchcnpolitik Obwohl die s u r ü t und die konkreten Verträge die Dimmis im Besitz an ihren Kultgebäuden bestätigen, H e s sen (auch) die Osmanen den Bestand an Kirchen keines wegs unangetastet. Der Kirchenschwund entsteht grund sätzlich aus der Tatsache, dass nichtmuslimische Kult gebäude im Dar al-Isläm ein Ärgernis darstellen. Vom konkreten Anlass her gesehen verschwinden Kirchen - wenn sie "verlassen" sind, also keine Gemeinde mehr haben, wobei die Dimmis im Normalfall zum Verlassen
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eines Viertels und damit der Kirche ja erst durch Einpflanzcn islamischer s ’ j c 1 e i gezwungen worden: das "Verlassen”der Kirche geschieht nicht freiwillig; - wenn sie geschleift, geschlossen oder zu Moscheen bzw. Profanbauten ungewandell werden, wobei die Begründun gen - sofern sie sich historisch erschliessen lasser. meist ohne Kausalzusammenhang ("Strafmagsnahme"), eigenartig und .fadenscheinig sind, und cs letztlich für das S shl i ess en nach ABU’ L-3AQA5 ü berhaup t- k ein er Begründung bedarf; - wenn eine Kirche zu nahe an einer Moschee steht, die zwangsläufig - da Kirchenneubau verboten ist - jüngeren Datums ist als die Kirche selbst; deutlicher ui:d ehr licher ausgedrückt: eine Kirche muss dann verschwin den, wenn in ihrer Nähe eine Moschee gebaut wird. Das Ergebnis des Kirchenschwunds iat, der Vorsuch, Gottesdienst ir. Privathäusern abzuha]ton. Da diese als neuerbaute Kultgebäude gelten, müssen sie geschleift werden. Deshalb "toleriert" der Islam nichtmuslimischen Kultus nicht generell, sondern nur jenen, der ir. Kult gebäuden praktiziert wird, die aus der Zeit vor der Unterwerfung strtnmen. Zum Entzug des kultischen Mittelpunkts einer DirnmGcneinde ge3eilen sich für die verbliebenen Kultgebäude geltende besondere Auflagen, welche den christlichen/ jüdischen Kultus nach islamischer. Gesichtspunkten zu— rechtstutzen und darüberhinaus unter die Schwelle sinn licher Wahrnehmbarkeit drücken - womit die Frage nach der "Duldung" oder "Tolerierung" dieses Kultus gegen standslos wird.
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Spätestens aus der Behandlung der "Ersatzkirchen" folgt ganz klar, dass die restriktive Xlrchenpolitik v o y .^öwtisst zum Zwecke der Integration dor Di.unls an gewandt wird. 3« Autonomie Da die kommunale Selbstverwaltung der m a h a 1 1 ä t von der Konfession dor Quartierbewohner völlig unab hängig ist, stellt sie bei einer reinen Ei.rxä-m a h a 11 o keinen Ausfluss des Dimm-Status dar; auch zielt 3ie nißhl auf Erhaltung dieses Status ab, sondern nur auf das Funktionieren des sozialen Gebäudes der n a £ a 11 e. Hierin drückt sich also keine Autonomie der Dimmis, sondern von m a h a 1 1 e-Bewohnem aus - gleich, welcher Konfession. Der Rest der den Birairäs verbleibenden "Gerichtsbar keit" betrifft nur Belange der zivilen und freiwilligen Gerichtsbarkeit. Diese gilt weder ausschliesslich, noch sind die "Urteile”rechtsverbindlich, was für "autonome" Gerichtsbarkeit aber unabdingbar wäre. Von einer Autonomie der Dimmis auf kommunaler und juristischer Ebene kann nicht gesprochen werden. Die Kriterien, welche die Dimir.is als Gemeinschaft konstituieren, werden just durch dio Dimir.a selbst auf gelöst, ausgehöhlt, unterlaufen. Durch den Wegfall die ser Kriterien werden die Dimmis in da3 islamische Staats wesen "integriert" - da sie keine eigene Gemeinschaft mehr darsteller. - aber sie erhalten nicht, gewisser e s sen "zum Ausgleich", die vollen Rechte der Muslime. Ihre "Integration" ist sehr relativ, bleibt lediglich vorst ruk tu ri ert.
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4. Diskriminierende_fÄassnahroen Diese sind legalisiert und gefordert durch eine "himmlische Verdammung" der Nichtmuslime. Der Bezug zur Dimma wird dabei von den massgeblichen f u q a h ä 2 im Schluss von Q. IX 29 gesehen ("wobei sie gedemütigt sind”), woraus die Forderung nach grundsätzlicher De mütigung (also nicht nur im Augenblick des Steuerzah ler!) abgeleitet wird. Wir haben gesehen, dass sich einige Γu q a h a 3 nicht mit dieser Begründung allein abfinden, sondern dass sie die Mittel zur Demütigung ganz bewusst als Antrieb zur Konversion betrachten. Die diskriminierenden Massnahmen waren darüberhinaus auch im Osmanischen Reich nicht Audruck eines wertneutral-normativ anderen Status der Dimmis, sondern drückten eindeutig wertend den inferioren Status aus. * Wir müssen nun noch eine Überlegung zur zweiten Funk tion der diskriminierenden Massnahmen bzw. der unter scheidenden Zeichen anstellen. Für CAHEN (1) besteht diese darin, auch nicht tendenziell die "Evidenz" der Inferiorität der Dirnnls gegenüber Muslimen zu verbergen. Zwar wurde diese Evidenz durch die entsprechende "Sorge" erst geschaffen bzw. suggeriert, aber sie hat für die Muslime dennoch eine Funktion, die sich in der Nahe von CAHEN’ s Interpretation ansiedeln liesse, wenn man hier "evidence" einmal mit "Wahrheitsgehalt" übersetzt: die (1) Vgl. oben S. 164 Anm. (3).
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Angleichung der Realität ar. der. "Texte sacre" (CAHüH) des Korans, der ja, das darf man nicht vergossen, für den îiuslim unhinterfragbar das Wort Gottes ist. Wonn nun aber dort von een Ungläubigen prinzipiell recht abschätzig geredet wird, so ist es nur konsequent, eine nicht ins koranische Bild passende Realität der Schrift anzupassen (1), damit diese sich "erfülle''. Hierher ge hört auch die Bestimmung, dass die Kleider der Dimcis nicht nur von anderer Farbe, sondern auch von minderer Qualität sein müssen (was wir im Os:naiiischen Reich als gültig nachweisen konnten), un die Eigenliebe des mus lini 3 ch er. Arrr.en nicht zu vcrletv.en (2). Diese Begrün dung verweist uns freilich schon in den Problcmbereich des nächsten Kapitels: in der Kleiderordnung kommt ja dann (auch) zum Ausdruck, dass der Nichtmusliro ob seines "nichtigen" Glaubens es zu keiner.': materiellen Wohlstand bringt bzw. bringen karın. Natürlich wird auch dies nur suggeriert, doch werden wir sehen, dass in jeder Hin sicht auf die Vereinbarkeit von Realität und koranischer Behauptung geachtet wjrda. Diese Überlegung i«t übrigens nicht nachraticrialisiert: in praktisch allen "Religionsgosprächen" unseres Materials brachten die Muslime ihren materiellen Wohl stand (neben der pojî i I.1sehen iiacht- dcs Osmanischen Rei ches] als Beweis für die Überlegenheit des Islan vor.
(1) Dies auch gegen den îîiâerspruch, don CAHüK zwischen d ein "Texte sacre" und der ” 0 b] ir;at ior. d ’ uno hu 1:1i1 ia ti on " empfindet; vgl. oben S. 20 f.! (2) Vgl. FATTAL Statut S. 110.
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ÎJachdem die in den Abschnitten 1 mit 3 angeführten Faktoren direkt die Geschlossenheit der Dimmî-Gemeinde zerstören bzw. aushöhlen, und auch die diskriminieren den Massnahmen eine integrierende Komponente haben, bleibt festzustellen, dass die Kleiderordnung das ein zige ist, was die Dimmîs als Einheit definiert. Nach Zerstörung der filr Einheit und Geschlossenheit unab dingbaren Voraussetzungen - und folglich der Zerstörung von Einheit und Geschlossenheit selbst - verleiht die Kleiderordnung (samt den anderen diskriminierenden Mass nahmen) - indem sie Assimilation verhindert - der ver bleibenden Summe nichtmuslimischer Individuen einen negativen Bezugsrahmen: was die Dimmîs als Einheit kennzeichnet, ist ihre Würdelosigkeit, ihre Erniedri gung, ihre Inferiorität. *
Wir können also feststeilen, dass gerade die Dimma in ihrem institutionellen Teil die Integration der Diramîs - konkret: ihre Konversion - ermöglicht oder er zwingt, dass sie zumindest in diesem Bereich die struk turellen Voraussetzungen dafür schafft, eben weil sie den Dimmîs kein kommunales, kultisches, administrativ-juristisches und soziales Eigenleben ermöglicht bzw. gewährleistet, sondern die wesentlichen Voraussetzungen hierfür untergräbt und auch direkt abschafft. Nachdem die Dimma-BeStimmungen den Dimmls also die Voraussetzungen für deren Eigenständigkeit entziehen, haben sic eine "integrierende" Funktion - ohne die
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Dimmis dabei allerdings zu "vollwertigen Staatsbürgern" zu machen: für diese entsteht hier ein Vakuum. Die in tegrierende Funktion der Dimma zielt nicht auf Koexi stenz ab, sondern direkt auf das Erlöschen des Dimcıî-Milieus.
ZWEITES KAPITEL
Die soziale Umwelt der Dimmis Vorbemerkung Wir haben bisher jene Dimma-BeStimmungen untersucht, die mehr das Verhältnis des islamischen Staates zu sei nen niehtmuslimisehen Untertanen betreffen, Bestimmungen, die sich auf die Stellung der Dimmis innerhalb des politischen Systems beziehen. Die s u r ü t und die Aus führungen d e r f u q a h ä 3 dazu enthalten aber auch Bestimmungen, die den Alltag der Dimmis, ihre soziale Einordnung, und besonders ihre daraus resultierenden Be ziehungen ·δ μ den Muslimen regeln. Dieser Bereich gliedert sich in zwei grosse Kompo nenten, nämlich einmal Bestimmungen, die direkt Gegen stand der konkreten Dimna-Vcrträge, der s u r u t und ihrer Ergänzungen sind, und die im sozialen Alltag spe zifische Faktoren und Handlungs.iiustcr zeigen. Die zweite Komponente hängt weniger mit dem Wortlaut, als vielmehr mit dem Geisi. der Dinma und der s u r ü t zusa-xinen: gemeint sind jene Faktoren und Handlungsmuster, die Implikation und Ausdruck des inferioren Status der Dim mis sind«
1. Direkt aus den Pirna-Bestimmungen ableitbare Faktoren und Eandlungsrouster im sozialen Alltag Beherbergung und Bewirtung von Muslimen In der Darlegung der s u r ü t wurde schon darauf hingewiesen, dass die Dimmls - sicher als Ergebnis der kriegarechtlichen Situation gleich nach der Eroberung verpflichtet sind, durchreisende Muslime bis zu drei Tagen zu beherbergen und zu verpflegen. Im Osmanisehen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts finden wir diese Re gelung in Kraft. Dabei fällt auf, dass die muslimische Seite praktisch n:ir von Soldaten und Kurieren gestellt wird. "Reisende" schlechthin (1) und Kaufleute werden in diesen Zusammenhang fast nie erwähnt. Auf der nichtnuslinisehen Seite waren praktisch nur Dörfer und/oder kleinere Provinzstädte betroffen. (1) HASLUCK Christianity and Islan II 641 sagt sehr treffend: "’ 5-JöürneyT7~säys_ä~Trädition of the Prophet, ’ is a Fragment oi Eell.’The Western lovc of travel for travel’ s sake is a perpetual enigma tc the eastern peasant. Travelling is both expensive ar.d troublesone: sen sible people only ccnscnt to expense and troublo as a moans to an end, material er spiritual. The merchant... is understood: so is the pilgrin who visits Jerusalem or Me c ca...A man who con fess es lo trav el1ing wi thout defi nite sin, or in soarch of knowledge, is either a madman or a very clever person nasquerading as a madman." Dies lässt sich für das 16. Jahrhundert als muslimische An sicht verifizieren. ISS CALOPIER Voyage L'ol . 35 v. er zählt: "La prenlere fois que nous lüsmes au Diuan Mondt. S· nous pnta (sc.: presenta) a Mehenet auquel nous baisasmes la robe. II dict au tru eh emerit de fräce quil s estonnoit de la euriosite des i'rançois qui aans affaire expresse et peur vn plaisir qui estoit plus tost vn malaise, venoient si io ing." Vgl. Ferner BREİİ'OG Orienta lische Reyaz S. 15]f, FORKE Reise-Beschrcibung S7_4CT7
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Die Bewirtungspflicht bezog sich auf Versorgung mit Nahrungsmitteln (1) für Mann und Ross (2), wobei die Muslime nicht immer dafür bezahlten, und wenn, so doch mehr oder minder nach eigenem Gutdünken (3)· Nicht immer diente diese Art der Verpflegung tatsächlich für eine "Reise" (4). Mitunter wurden auch von Christen gemietete Schiffe (1) "Wie obstander wjrt anczaigt, das er mir ain gancze nacht ir beschwernus nit kundt genugsam anzaigen. Vber das, wan czausen, janczarn zw inen khemen, inen alle die mewler fullen musten vmb sunst"; DERNSCHWAM Tage buch S. 236. Γ2Τ "Wiewol die armen leutte nichs in haus vnd hoff gehapt, hot doch ein jedes haus von dem velde etlich garben brengen müssen vnd ausdreschen, das wjr alle in 70 ros mer als ein genügen per 8 asper gehapt vnd hay per 3 asper"; a.a.O. S. 260. Die Gesellschaft, in der DE3NSCHWAM reiste, hatte ein starkes Schutzgeleit osraanischer Soldaten. (3) GERLACH Tage=Bueh S. 49 sagt über sultanisehe Kurie re: "...die CHrısîen müssen ihm Speisz und Tranck/und was er sonsten begehre t A e r geben/die Tür eken aber geben in allem nur halb so viel/als die Christen/jene einen halben/diese einen gantzen Ducaten." Ebenfalls aus eige ner Erfahrung sagt DERNSCHWAM Tagebuch S„ 269 über seine türkische Begleitmannschaft: "777fial> ich vnder wegens wol gesehen von den turkhen, die mit vns vberland zogen, wie sie den erişten mit gefaron sein. Wo sy in ein dorff khomen, durchlauffen sy alle heuser, nemen den armen leutten alles vmb sunst. Wo er ye zallen raus, gibt er was er wjl, ein asper, das 10 ader 15 werd ist." (4) Auch hierfür haben wir in GERLACH einen Augenzeugen; er traf auf der Reise nach Bursa zwei Janitscharen, "wel che bey den Christen Pferde gesucht/dasz sie umbreiten und zu desz Janitsehar Aga rlochzeit/Hüner und Gänsen umb halb Geld einkauffen können/wie sie dann wenig Tag her nach 2. Schiffe voll von Palormo auff Constantinopel geführt"; GERLACH Tage=Buch S. 256.
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von Muslimen mitbenutzt - kostenlos (1). Schlimmer als die Verpflegung gelegentlich durch zieh ende r einzelner Soldaten und Kuriere traf die Dim mis aber, dass sie diese auch mit Pferden und gegebenen falls mit Wagen (2) versehen mussten, wobei es ihnen selbst überlassen blieb, wie sie ihr Gut wieder bei brachten (3). Dass cs dabei vielen Dimmis nicht gelang, ihre Pferde wieder einaufangen, erhellt aus der Zahl ver irrter Reittiere, die von unbeteiligten Dimmis dem Kadi (1) BRSÜNIKG Orientalische Reysz S. 134 berichtet von ihrer Einschirfung_în_Roscî:Ee~nach Bulaq: "Ob vns nun wohl solche Dscherma einig vnd allein gehörig/trangen sich doch etliche Türcken mit ein/die wir musten pas sieren lassen." (2) "Wo sy ros bedürfen ader wegen, nemen sy ein tagraise ader so weit, bis sy andere ros vnd wegen finden, zallen in etlich pfennig ader gar nichs vnd schlagen sy wol darzw. Aber khain crist darff sich khains turkhen nicht weren"; DERNSCÜWAM Tagebuch S. 269. (5) "Oltre a ciö possono i-corrTeri, et le staffette de Turchi pigliare il cauallo del Christiano, et seruirsene sin che egli e stanco, in quel mezo il Christiano gli ua dietri a piedi"; MENAVINO Vita_et_legge fol. 66 v. Analog CERLACH Tage=Buch S. 39: "...3er arme Mann mag nachlauffen/und sein~Rösz~wieder suchen...Das geschiehet den Türcken selten/den Christen aber gar ofi't." Ferner: SCHWE1GGER Constantinopel vnd Jerusalem S. 67: "...da nemen sie frlscHe PîercftZbey CHristen vnnd Türkken/wo sie es bekommen können/nemen sies mit gewalt... dieselben reiten sie so lang/bis« sie erligen/vnd etwan vnter ihnen vjnbfallen/alszdann lassen sie die Pferdt ligen oder stehn/es sey im Feld oder im Dorff/wil jhr Herr die Pferd wider haben/so tr.us er der Post nachfolgen/vnd sie wider heim bringen." Analog äussern sich ferner noch POSTEL De la Republique S. 73 f. (er fügt allerdings hinzu: "ce-qüı esî~Ta öecasiö de faire mille injures”!), BASSAKO Costumi S. (119) f., CERLACH Tage=Buch Sc 423.
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aüs herrenlos aufgefunden angeaeigt wurden; allein für den Gerichtsbezirk Sofia - dor ja direkt an der grossen Heerstrasse liegt - sind uns für zwei Iionate sechs sol cher Fälle bekannt (1). Die Dimmis sind nach den s ur û t verpflichtet, verirrte Tiere wieder beizubringen. Kicht inner war die "Gewalt des Stärkeren" im Spiel; wir wissen von einem Fall, wo dem Dimml der Muslim, der ihm das Pferd genommen hatte, persönlich bekannt war. Nach Rückerstattung des Pferdes bestätigte der Dimmî vor dem Kadi, gegen den Muslim keine weiteren Ansprache zu haben (2). Durch die entsprechende Bestimmung in den s u r ΰ i (.Führerdienste) kann hier nicht von "Diebslahl" ge sprochen werden. Dimmis waren zu diesen Diensten auf grund ihres Dinmä-Status verpflichtet: sei Musiixen sind analoge Dienste ein Ausfluss ihrer "Staatsbürger schaft”nach islamischen Kriterien (letztlich vielleicht der z u 1 m-Problenatik). Ausgenommen von dieser Verpflichtung waren Kaufleute (3), ferner diplomatische Kuriere christlicher (1) DUDA/GALABOV Sofia lîr. 2G0-202, 215, 231, 532. (2) a.a.O. Nr. 1957“ (3) Allerdings berichtet RAUWQLFF Raisz S. 257 als Au genzeuge, in einen Kervanseray bei Drfa hätte ein Kurier einem jüdischen Kaufmann zwei Pforde genommen, die er dann aber als zu müde befand: "Liesz jhm die also wider zukonmen/vxb eine verehrung/welche war ein Xindröcklein/ von schönem Indianischen gefärbten gßwürck.”Auch BASSANO Costumi S. (119) weist darauf hin, dass sich Kurie re ihre-T,£risprüche" so häufig abkaufen Hessen, dass sie dadurch reich wurden. Diese Substitution einer scheriatrechtli chen Forderung durch Erpressung von C-eidsumnon b ehan d«In wir in Kapitol zur Invania.
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Mächte (1), sowie Gesandtschaften und deren türkisches Schutzgeleit (2). Der Göleitbrief (menzil fermanı) eines Kuriers ent hielt (wohl immer) die scharfe Anweisung an die osinanischen Behörden unterwegs, an allen Orten, durch die der Kurier kommt, "auf Weg und Steg, in Halte- und Ab steigeplätzen und in Orten, die Postpferde besitzen" (3), ihm ein Postpferd zu beschaffen. Nachdem aber offizielle Postpferde damals noch selten waren (4), oblag es dem Kadi, aus seinem Bezirk ein Pferd zu requirieren (5)· Abseits der scheriatrechtlichen Implikationen waren aber die Dimmis hiervon häufiger betroffen als die Mus lime, da sie, zumindest auf dem Balkan, die Mehrheit der Bevölkerung ausmachten. Auf besonders frequentierten Strecken musste dies, in Verbindung mit der Bewirtungs pflicht, die Dimmis schwer belasten. GEHLACH (6) be hauptet, wegen dieser Drangsal würden sich ganze Ge meinden von den grossen Strassen in die Einöde zurückziehen, was schon zwanzig Jahre vor diesem Berichter statter für die grosse Heerstrasse von Belgrad nach Istanbul durch Beobachtungen von BUSBECQ und DKRHSCHWAM (1) In ihrem Geleitbrief (yol hükmü) wurde ausdrücklich verboten, ihre Pferde zu Postzwecken zu verwenden; KBASLITZ./Jrkunden Nr. 2]. (2) So MÜD“ XXVIT 235 analog zu vorangehender Anmerkung. Diesen Hinweis hat auch BASSANO Costumi S« (119). (3) KRAELITZ Urkunden Nr. 24. (4) "II n ’ y a poinT des chevaux de poste en Turquie"; CARLTER Voyage S. 120. (5) ..oderTconunet er nur in ein Dorff/so musz ihm der Richter eines schaffen/er nehm es/wo er wolle..."; GERLACE Tage=Buch S. 49. (6) a.ä.ö.
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bestätigt wird (1). POSTEL rechnet diese Art der Musiinn, sich. Pferde (1) SÎSBECÇ Briefe S. 24 stell: hinter Nis über die Christen fer>T:-1TİJÎesc ziehen sich häufig, von dem Über mut und der Willkür c.or Türken abgest-ossen, von der grossen Strasse in wcgloso Gegenden zurück, die zwar minder fruchtbar, aber sicherer sind...Wenn nun die Türken (sc. sein Scbitegeleit} sahen, dass wir uns sol chen weinentblössten Orten näherten, so erinnerten sie, es Vierde an Wein gebrechen; dann wurde tags zuvor ein E inkäuf er zu sarnnen mit einem Türk an (!) au sge sand t, uni in den nächsten Christendörfern welchen zu besorgen." DEI-iWSCKWAM Tagebuch S<, 1? vermerkt fischen Caribrod und Sofia; "Sn c[er-atrosso hot; ein armer pawor ein lawb huttlen gehapl., dorin ein vassle wein zuuerkhauffen an die strossen gef u r t In diesem Zusammenhang fällt auf, dass DE3KSCHWAM a.a.O. S. 13, 14 und 17 drei Ortschaf ten verzeichnet, vor denen hohe hölzerne Kreuze aufge stellt waren, "zw eim zaicher:, das sy erişten sein”. (Übrigens berichtet LESCALOPIER Voyage fol. 43 v. das selbe von der moldauischen KanäelssTrasse!) Ja es nach den s ü r ü | den Christen aber verboten ist, auf Wegen und Strassen, die von Muslimen frequentiert werden - was für die Heerstrasse Belgrad-Istanbul und die moldauische jiandelsstrasse sicher gegeben war - Kreuze /.r. zeigen, lässt sich diese Beobachtung nur als die oft, angeführte Ausnahme deuten: "es sei denn, dass der. Muslimen daraus ein Vorteil entsteht" (vgl. ober. S. 108 Anm. (1)). (Das selbe gilt etwa für_das Betreten von Moscheen, üas Durchqueren des IJiğaz, und in einigen anderen Fällen, die später nach erwähnt werden.) Vorteil kann aber den Muslimen nur daraus erwach3er;, dass diese Kreuze ein Hin'weis sind, dass sie sich hier billig mit Nahrungs mitteln und Pferden versorgen können. Auch osmanischerseits beklagte man dio Willkür der Kuriere: "In den osraanischen ländern gibt es keine so schamlose Tyrannei wie sie Kuriere, Hur an dem Orte, wo das Kurieramt über aus wichtig ist·, und den Staai.sge schäften sonst Schaden erwachsen könnte, soll man es verleihen"; TSCHüüI, Rudolf (Hrsg.): Das Aşafnâme des Luti'î Pascha. Berlin 1910 (TB XII), S7-ΙΙ-Γ77-ΐΰΓκIscEer~örığlnâTText: S. 10 f.
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zu beschaffen, zu den geläufigen Beleidigungen: "Quelles iniures sont conraunes" (1) übersehreibt er den Abschnitt. Aber selbst wenn in einzelnen Fällen - wenn nicht gar in deren Mehrheit - das treibende Iİotiv rein private Geldgier oder Bosheit war, so müssen wir diesen Komplex doch in seinem scheriatrechtlichen Zusammenhang betrachten, da sich nicht nur Kuriere ihre Pferde bei piramis besorgten (2), und weil damit auch eine Bewirtung Hand in Hand ging. 3s scheint uns eine Frage von nur se kundärer Bedeutung zu sein, ob die Pferderekrutierung eine Ergänzung, eine Folge der 3ewi rtungspflicht (diyäfa) ist, da in den s u r ü t nicht ausdrücklich erwähnt, oder aber ein Auswuchs auf der Grundlage der s u r ü t (.3). Sekundär ist- die Frage, weil durch dieses Verhalten der Diranl sich wieder seiner untergeordneten Stellung be wusst wird, weil er erniedrigt wird, wie ja generell ge fordert. Zuderr. hat er keine Möglichkeit, sich zu widersetzer. (4); nach den s u r ü t darf der Ditnmi keinen (1) "...ou si c ’ est honme bi er. ncnte...et que les seruiteurs du Turc ont comnandement· de prendre chcuaus ou ils en trouuent, pour courir sa poste (ce qui cst la occasio de faire mille iniures) on luy peut prendre son cheual, et le luy mener, juaque a vne journee, deus ou trois, ou au taut qu’ il plaisi. au meschant-, si le pauure homir.e ne le rachapto de quelque ducat ou deus, pour possiblo incontir.ent estre prins d ’ un autre pire: car lä on peut quasi dire au diable le meilleur des genr, de Court, quant ils ont occasior. de te mal faire"; POSTEL De la Republioue S. 73* rZ7-C3RIÎCrTağö=Buch 3» 49» (3) Groteske SuswucEse der diyäfa, bis hin zu regelrech ten Ausflugslokalen, bringt’ FATTAI, Statut S. ?79<. (4) DSRN3GHWAM Tagebuch S. 269 sagt dazu: "zallen ir. etlich pi'ennig ader ğâr~nichs vnd schlagen sy v/cl darzw. Aber khain crist darff sich khainy; turkhen nicht weren
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Muslim schlagcn. Der Dimmî ist bei dieser Problematik zwangsläufig be nachteiligt: selbst wenn inan unterstellt, dass er nicht "gesetzlich" verpflichtet sei, einem x-beliebigen Muslim sein Pferd zu überlassen, so bleibt ihm doch keine andere Wahl; weniger wegen des "’ Rechts* des Stärkeren", als vielmehr deshalb, weil sich der Dimmî des Muslims aus scheriatrechtlichen Gründen nicht erwehren kann, und an dererseits, weil ihm der Gang zum Kadi nichts nützt, da sein Zeugnis gegen einen Muslira nichtig ist (1) - eben falls aus scheriatrechtlichen Gründen. Da aber, wie wir gesehen haben, der Kadi ja seinerseits gehalten war, dem Kurier ein Pferd zu besorgen - wobei er sich bestimmt bevorzugt an Dimmis hielt - dürfte dieser wenig geneigt noch inen schlagen, guldt im sunst das leben, ader wo er begnadt, vbel geprügelt vnd vmb al sein vermugen ge strafft wurd." So auch ÎHEVET Cosmcgraphic S. 174: "tous lesquelz opprobres et rudessesT îl_esî force d ’ endurer: ear il n ’ est question en sorte qui soit, de faire la moindre resistence du mondc â un Turq, sus leurs terres et pa'is." BASSANO Costumi S. (119) behauptet, die Weige rung eines Dimmis, einem Muslim sein Pferd zu überlas sen, würde mit der Pfählung des ersten geahndet; dies ist wohl eher als Drohung, denn als Realität aufzufas sen. Doch liefert uns diese Aussage ein wichtiges Indiz für die Angst, welche die Dimmis vor einer solchen Wei gerung hälfen. Verwiesen sei noch darauf, dass GERLACH Tage=Buch S. 423 sagt, ein Xadi, der es versäumt, einem Kürier-ein Pferd zu besorgen, würde bastonniert. Das deckt sich mit der von Lutfî Pascha kritisierten Tyran nei der Kuriere; vgl. oben S. 214 Anm. (1). (1) Neben den entsprechender; Kapiteln in den bekannten Werken zur Sarica vgl. besonders GRIGNASCIH, Mario: La valeur du temoignage des_su]ets_non-musulmans (dhimmiT îâns~rTIffipîre-ÖÎÎömân7-Tnî-ReĞ7-55c7-j7-ScKlin'TVIT, ΤΙ9£5Τ7-57-2ΙΓ-3237
gewesen sein, der Beschwerde dos Dimnis sein Ohr '/.v. leihen! Ob sich cin Dimmî wegen eines solchen Falles gleich an den ihm prinzipiell offenstehender* Civan in Istanbul wandte (wo natürlich in; Zwei felsfall, sein Zeug nis ebenfal 1 s nichtig ist·!), scheint fraglich. Wahrscheinlich ist, dass er mir versuchte, sein Pferd wieder beizubringen, und sich mit der Hoffnung tröstete, das nächste Mal würde es nicht wieder ihn treffen! * Wir haben hier einen Modellfall von Verhalten, das seine Bedeutung aus der scheriatrechtlichen Verbindlich keit der Begleitumstände erhält, obwohl der eigentliche Gegenstand selbst in den s u r ü t nicht erwähnt wird. Die Beverenzpflicht Die Pflicht der jinnîs, den Musi inen Reverenz zu er weisen, gehört nur als g^undsätbliche Bestimmung zu der di rekt aus den s u r ü t ableitbaren Faktoren des All tags, da sie doch mehr Ausdruck des unterschiedlichen Status ist. Sir finden für das Osmanische deich des 16. Jahrhunderts aktive Reverenz nur insofern, als Dimmis, die beim Ücerlandri.tt einem berittenen Muslim begegnen, abs i tzen und d eır. feslim geneigt e-η Hau ptes (1) Ühr erb iotung erw eis cıı :nü ssen (2), widrigenfalls sie von ihrem (1) Dies erinnert an die Demütigung der Dimmis beir:: Steuerzahler!, wo sie einer: Nackenschlag erhalten sollen; vgl» FATTAL Statut S. 286 ff. (2) GSOIiCIJtWTÜ De origine fol. G 7 ν.:"ΊΐΙ si Christianus equespraetercat ^üsüTmännüm,.. .necessujn est, ut. de equo descendüt, el eerno uultu sodenton adoret: quod nisi fit,
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Pferd heruntergeprügelt werden. Dies muss in Zusammen hang mit dem Pferdeverbot gesehen werden, aas im Qsmanisehen Reich nur in Städten Geltung hatte; aber auch in vorosmanischer Zeit gab es immer wieder Bestrebun gen der f u q a h ä % das Pferdeverbot auf das Land auszudehnen (1). Die Reverenzpflicht hat aber auch eine passive Kom ponente insofern, als es den Dimmîs verboten ist, ab schätzig - oder überhaupt! - vom Koran, vom Islam schlechthin, vom Propheten - und auch von Muslimen zu sprechen (2). Dies war die oberste Warnung, die man in Europa Heisenden mitgab (3), neben der Warnung, ja nicht die s a h a d a nach k u s prechen (davon später). Gleich falls hatten die Dimmîs Angst, nicht nur vor einem "Re ligionsdisput", sondern auch davor, diesbezüglich nur den Mund zu öffnen (4). Dieses Verbot findet sich befustibus ab equo deijeitur." Ähnlich äussert sich MENAVINO Vita et legge fol. 66 v, der auch die Pflicht der Dimmîs7-den~MüsIimen ihre Pferde zu überlassen, als Ausdruck der Reverenz begreift. (1) Vgl. FATTAL Statut S. 96-112 et passim. (2) "Wer spöttlicE vom Alcoran oder dem Türckischen gesatz redot/der hatt das Leben verfallen/wird versteiniget oder verbrant"; BHEÜHING Orientalische Reysz S.87. Analog äussem sich fast alle-Reısenc[en7'TğI7~Eesonders SCHWEIGGER Constantinopel vnd Jerusalem S. 175, und GEORGIJEVIC De~örığıne-îöI7-ij~7~v7 (3) "Nie premîere-Instruction nous auoit este bien imprimee Del tempo et de la signoria Non ti dar maniconia quil est capital de contredire la religion turque 11 nen faut disputez a oeine de la vie ni en bien ni en mal"; LESCAL0PI2R Voyage fol. 41. v/42 r. (4) "...e poi Tu apra la bocca contra Macometto, sarai abbruciato"; MENAVINO Vita et legge fol. 66 v. Dass da bei nicht unbedingt eine"wirklicEe“Lästerung ausgespro chen werden musste, erhellt aus DERfl5ÜHW£M~Tagebuch
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reits in den s u r u t. Die Angst der Dimmis vor sol chem Vorhalten scheint in der Tat sehr gross gewesen zu sein, denn wir .fanden im untersuchten Urkundenmaterial nur einen Fall (1), wo ein Muslim Anklage gegen einen Dimmî erhebt, da dieser ausser ihn selbst (2) und sei ner Frau (3) auch noch seinen Glauben beleidigt hatte. Da3 für Dimmis geltende Verbot jeder Art blasphemischer Äusserung gegen islamische Belange hat sein nega tives Pendant darin, dass die Muslime ihrerseits sowohl den Glauben der Dimmis schmähten, als auch die Dimmis wegen ihres Glaubens, wogegen diese sieh freilich weder verbal noch handgreiflich wehren durften (4). S. 95i "Worumb sie disse 2 fest bayran haissen vnd fa sten vnd feyern, wissen sy selbs nicht, vnd wan ainer ire hoschia ader pfaffen soit fragen, soit ainer wol in vnglick khommen." Über die Juden sagt BELON Observations fol. 193 v: "Toutesfois les Turcs les ont en^îresğrândehaine, et ne les souffrent pas voluntiers en paix qu’ ilz ne leurs dis ent des iniures, et prinoipalement sur les grands chemina." (1) DUDA/GALABOV Sofia Nr. 339. (2) Die beleidigende“ Bezeichnung "Räuber" werden wir später noch einmal antreffen. (3) Hierbei handelte es sich zweifellos um einen Sexual fluch. Zu dieser Problematik vgl. KISSLING, Hans-Joachim: Türkiseh-Slavisehe Sprachprobleme. In: Anzeiger für SlaviscEä PEıIoIogıe VI_TC97Z7, ”7 39-59» hier: S. 53 f. und Anm. 11. (4) "Si iniuria fit contumeliosissimis (!) uerbis uel tibi, uel Christo, tacendum atque ferendum est"; GEORGIJEVIC De origine fol. G 7 v. Wegen des offensicht lichen Zusammenhangs von Schmähungen mit dem inferioren Status der Dimmis sei betont, dass "contumelia" ja "die aus Verachtung entspringende Ehrenkränkung, Beschimpfung, SehmâHunğ,“3cfımach" ist; GEORGES, K.E.: Kleines^lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hannover7Ieipzig_I90Z. ÂEnlıcFTausserî sicE-äücE_MEMVINO Vita et legge fol.66v«
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So unübersehbar solche Verhaltensweisen primär auch psychologisch motiviert sein, und dimmophobe Elemente enthalten mögen, so sind sie doch scheriatrechtlich ab gesichert, da ja die Dimmis grundsätzlich (nicht nur beim Steuerzahler)) zu erniedrigen sind, und ihnen ad äquate Antworten - ebenfalls aus scheriatrecntlichen Gründen - nicht zu Gebote stehen. Ganz deutlich wird der Zusammenhang bzw. die Inter dependenz von persönlicher Bosheit und s ı: r ü t an: folgenden Beispiel: Arı der. Kadi von Ankara erging ein Ferjnän (1 ) mit der Order, folgenden Fall zu untersuchen: es war berichtet worden, dass einer der Kanner des Sandschakbegs von An kara einen Dimml gezwungen habe, ihm Wein zu geben, den er nicht bezahlte, und mit dem er sich dann betrank. In Rausch hätte er dann einen anderen Dimml schwer ver letzt; dieser starb an den Folgen. Daraufhin (!) sei der Muslim zum Weinhändler gegangen, and habe diesem eine Geldstrafe (gerime) von 8.C00 Aqce abgenommen, weil dieser ihm den Wein gegeben hatte (şarap verdiği bahane siyle îlalband oğlundan 8 bin akçe cerîme aldı). Für den nüchternen Betrachter unserer Zeit ist dieser Vorfall (klammert man die Körperverletzung mit Todesfol ge einmal aus) "Schikane", wie mar· sie der Mentalität von Soldaten oder "niederem Volk" gerne zuschreibt. Der geschädigte Wcinhändler :r.ag dies subjektiv so empfunden haben - dies sei dahingestellt. Wahrscheinlich dachte er auch noch (aus Empirie!) ar. anderes: verblüffend ist (1) OKGAN TI 749.
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nämlich, dass der Vorfall in jedem Detail scheriatskonform ist. Sâficî legte in seinem 'Jodelivertrag (1) fest: "Wenn ihr (sc. die Dimmis) beispielsweise einem. Mus lim etwas verkauft, das unser Gesetz verbietet - obwohl nach dem euren erlaubt - wie etwa Wein...so annullieron wir den Vertrag...und verschütten den Wein. Hat der Muslim die Ware aber schon verzehrt, so werdon wir ihn nicht zwingen, den Preis dafür m den euch bestrafen."
erlegen, aber wir wer
3 twas später wird die Problematik emout auf gegriffen und ergänzt: "Wenn ein Muslim, oder irgend ein anderer, (von euch) solche Waren kauft, dann zwingen wir ihn nicht zur Zah lung, denn es handelt sich un verbotene Dinge, und diese haben keinen Preis; wir werden ihm aber nicht erlauben, euch dadurch Schwach zuzufügen, und wir worden ihn - im Wiederholungsfälle - zur Zahlung verurteilen und ihn be strafen. " Nun soll freilich nicht behauptet werden, der Soldat habe den Modollvertrag SäficI’ s gekannt, das darf man guten Gewissens ausschliessen. Es ist aber offensicht lich, dass die darin enthaltenen Bestinmmgen den Mus limen (und wohl auch den Dimmis) geläufig waren (2). Es ist durchaus glaubwürdig, dass sich der Vorgang so abgespielt hat, da eine solche Beschuldigung nur dann (1) Vgl. oben S. 26 ff. und FATTAL Statut S. 77-81. (2) Damit ist endgültig erwiesen, däss'JTe ?rage nach dom "Schulübungscharaictar" d e r s u r ü t und des Modellver trages für die osir.anischc· Praxis irrelevant ist.
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erhoben werden kann, wenn es dafür genügend - und vor allem muslimische! - Zeugen gibt. Da der Fermän nicht allein die Untersuchung anordnete, sondern auch die Frage nach der Schmähung des Weinhändlers und nach dem eventuellen Wiederholungsfall, so ist sein Bezug zum Modellvertrag hinreichend erwiesen. Ausserdem ist uns ein artverwandter Küküm an den Kadi von Tokat erhalten (l),wo diesem verboten wird, den Christen seines Bezirks Geld abzunehmen unter dem Vor geben, sie hätten an Muslime Wein verkauft. Leider er fahren wir nicht, ob dieses Geld der eventuell schon er legte Preis und/oder eine Geldstrafe ist. Somit ist aber erwiesen, dass das, was in der Alltags praxis als "nur Schikane" der Dimmis, oder als "bedauer liche Entgleisung”gewertet werden könnte, tatsächlich seinen direkten Bezug zu den Dimma-Bestimmungen hat, ähn lich wie wir schon die Lebensbodingungen der Dimmis mit Angst und Unsicherheit als beherrschenden Faktoren in anderer Hinsicht direkt auf die s u r ü t zurück führen konnten: "Schikane”ist der Dimma immanent. Wir werden in der Folge noch sehen, dass sich kein einziger Typus von Schikane findet, der nicht in den s u r ü t, dem Modellvertrag §äficI ,s oder den Vorschriften, Emp fehlungen und Interpretationen der f u q a h ä 3 sein direktes Vorbild und seinen Bezugsrahmen hätte!
(1) MÜD I 738.
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2. Faktoren und Handlungsmuster, die Implikation und Ausdruck des inferioren Status der Himmls sind Vorbemerkung Wenn wir uns heute der Chettobildung widersetzen, so nicht etwa deshalb, weil das Ghetto an sich schon dis kriminierend wäre - es kann unter Umständen eine durch aus segensreiche Funktion haben - sondern weil es Aus drucksform einer grundsätzlichen Diskriminierung ist; da wir diese aber für verwerflich halten, lehnen wir auch das Ghetto ab. Der islamische Orient "verzichtete" (von unbedeuten den Ausnahmen abgesehen) auf Ghettos für Kichtmuslime. Gerade aber in dem sich hieraus ergebenden engen Zusam menleben von Muslimen und Dimmîs sieht CAHSN (1) die r a i s o n d’ e t r e für die den Dimmîs auferlegten Beschränkungen (die er offenbar wertneutral-normativ versteht), wie Kleiderordnung, Verbot der sinnlich wahr nehmbaren Kultausübung, Verbot von Wein- und Schweine transport durch muslimische Viertel oder über (auch!) von Muslimen benutzte Strassen- Gerade das enge Zusam menleben also führte zur Diskriminierung, und zwang die Dimmîs in ihrem Alltagsleben, sich konform den Vorstel lungen des Islam zu verhalten (Abu Yüsuf nennt dies frei lich ein vorgelebtes Beispiel mit segensreicher Auswir kung! )! Wir würden heute sagen, sie waren an der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit gehindert. Eine solche Entfaltung wäre aber eher gewährleistet gewesen, hätte (1) CAHEN Art. Dhimma in El^, hier S. 228.
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man den Dimmis eigene Viertel zugewiesen: sie hätten ihrer. Gottesdienst unter den üblichen liturgischen Ge sängen abhalten, Schweine durch die Strassen treiben, und abends wohl auch mal ein Gläschen vor der jlaustüre sitzend trinken können«., wir wollen das romantische Bild eines "normalen" Lebens nicht weiter beschwören; es geht hier nur darum, einen Lenkfehler aufzuweisen: man kann nicht einerseits das Fehlen von Ghettos als Beweis für "Toleranz”und freundschaftliche Beziehungen bemühen, und gleichzeitig die daraus (übrigens gar nicht zwangsläufig) erwachsende Diskriminierung mit dein Fehlen von Ghettos "entschuldigen" wollen! Wir haben schon mehrmals erwähnt, dass Abu Yûsuf die Funktion des engen Zusammenlebens von Muslimen und Dinnls darin sicht, dass durch das vorgelebte Beispiel der Muslime die Dimmis zur Konversion ermutigt werden könn ten (1). Wir haben aber auch nachgewiesen, dass die Funktion dor aus diesem engen Zusammenleben ja erst er wachsenden diskriminierenden Massnahmen, der Kirchenund Kultpolitik, und der grundsätzlichen Erniedrigung bewusst darin gesehen (und auch angestrebt) wird, die Dimmis zur Konversion zu treiben. Diese Massnahmen sind also Abu Yüsufs Grundsatz komplementär, wenngleich sie - in Gegensatz zu diesem - nicht nur moralisch, sondern auch methodisch als negativ bewertet werden müssen. Abu Yusufs Begründung ist i n p r a x i nur als euphemi stischer Ausdruck der diskriminierenden liassnahnen zu begreifen - freilich nicht unbedingt- aus muslimischer (1) Vgl. aber auch cbon S. 199 Anm. (3)!
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Sieht, da auch für die Muslime der Zweck die Mittel hei ligt. Dennoch dürfen wir die Sicht der Dimmis nicht ausseracht lassen, weniger aus Gründen einer hier ohne hin unangebrachten Apologetik, als vielmehr deshalb, weil ihnen ja der Fortbestand ihres Kultus und ihrer Bräuche in dem Augenblick zugesichert worden war, da sie sich der islamischen Herrschaft unterstellten. Es geht also nicht an, das Fehlen von Dimml-Ghettos im islamischen Orient als moralisch wertvoll, oder gar als Beweis für "Toleranz" hinzustellen: das genaue Ge genteil ist der Fall - selbst wenn diese Behauptung dem Betrachter des zwanzigsten Jahrhunderts auf den ersten Blick absurd erscheinen mag. Das Ghetto wäre zumindest das "kleinere Übel" gewesen (1), da es den Dimmis eine - relativ - freundlichere Umwelt beschert, und das Über leben als Gemeinschaft gewährleistet hätte - aber das war eben nicht beabsichtigt! So aber, eingebettet in feindliche islamische n u c1 e i, stellten die Dimmis für ihre muslimischen Nach barn konstant ein Ärgernis dar - und das licss man sie auch spüren! * Die_DimmIs şiş Ärgernis Wir haben schon erwähnt, dass es die Muslime als Ärgernis empfinden, wenn Dimmis einen Blick auf ihre Häuser haben, ihr Tun und Lassen und den Alltag des (1) Vielleicht hätten es die Dimmis sogar als "ganz normal" empfunden?
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Familienlebens verfolgen können. Dieses grundsätzliche Missbehagen konnte angelegentlich religiöser Momente in offene Feindseligkeit Umschlägen: in Rhodos dürft er. die Christen vor Beendigung des Freitagsgebets die Sta3i. nicht betreten (1), während des Aufbruchs der Pilger karawane aus Kairo war es für einen Christen nicht rat sam, sieh auf der Strasse sehen zu lassen, "s’ ii ne veult estre battu" (2), am Kurban Bayramı ebenfalls, da ihn die Muslime sonst allzu hartnäckig mit (Vasser be spritzten (3). Doch auch ausserhalb solcher Zeiten wurde durch das reine Auftreten eines ilichtmusiims (4) latente Feindseiligkeit aktualisiert. Diese äusserte sich nicht nur in Schmährufen, sondern auch in tätlichen Angriffen (5). (1) 3REtlNIXG Orientalische Reysz S. 113 f., CARLIER Voyage S. 1357 Γ27 THEVET Cosmographie S. 143. (3) HAUWCLFF"RärSä"S7'569. (4) Hier komm! aie Kleiderordnung wieder zum "ragen, da der andersfarbige^Turban ein Signal gibt! (5) So berichtet BREÜTîING 0rientaliachc_3eysz 3. 82: "item man vndervveilcns (da-es~'ândörsî-3'âEey-UleLl)fit) mit püffen vnd s tössen mus« für lieb nemmen/oder gewertig sein/das einen der Eut vom kopff geschlagen/neben sunst allerley desz Teuffeis segen vnd anspeysr.s/gemsintlieh schrcien sie den Christen nach/vnd heissen sie Gauren." über ein Zeugnis für Xenophobie im eigent lichen Sinne gibt ECKLIN, Daniel: Vom heyiigen Lsndt.^ In: Royszbuch des ΙΠ. Lands, fol. 399_v-iö^-v7~PTer7 402 v: "...den ich vor offt von den Türckischen Buben gerupfft/geworffcn/gezogen vnd geschlagen war/den sie sahen dasz ich ein fremder Christ war." Auf Dimmis aber bezieht sich RAUWOIFF Rais?- S. 101 : "Weiter begiat sichs auch wol ku zeiten7cTäs die Türcken/'so rückling an den Läden lainend stehn/den Christen im fürüber gehn/ grossen vbertrang anthon/.ja jhnen auch wol die füsa fürschlagen/vnd darüber fallen machen." Die Sintaendorff’
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BUSB2CQ begründet die konstante Schmähung mit einem Argument, das dem der t' u q a h ä 3 identisch ist: "Denn die Türken halteri es nicht nur für erlaubt, Christen zu 'beleidigen und zu beschimpfen, sie halten das für ein Werk der Frömmigkeit: die Christen sollen aus Scham über die Schmach die Religion, derenthalben ihnen solches widerfährt, mit der besseren vertauschen"
1
( ).
V/ir brauchen nicht zu beweisen, dass 3USBECQ die Werke der f u q a h ä 3 nicht gelesen hatte. Wenn er aber deren Begründung für die Demütigung der Dimmis kennt, so kann er diese Information nur aus seiner Um gebung erhalten haben: die Zusammenhänge waren allgemein bekannt! Die bisher aufgeführten Typen feindseligen Verhal tens beziehen sich auf die rein physische Anwesenheit von Nichtmuslimen. Über diese Präsenz hinaus geben die Dirnis aber auch durch jene Dinge Ärgernis, die sie grundlegend von den Muslimen unterscheiden. Die Rolle des Kultus wurde schon besprochen; für den Alltag hatte Besitz, Genuss und Transport von Wein eine nicht zu un terschätzende Bedeutung, da es praktisch unmöglich war, sehe Gesandtschaft wurde - trotz Janitscharengeleit! bei ihrem Eintreffen in Edime mit Schneebällen bewor fen, "vnd schryen stetigs: Gaur/gaur...welchem mutwillen vnsere Janitscharn auch nicht mit gelegenheit kunten fürkommen." SCKWEIGGER Constantinopel vnd Jerusalem S. 46. Berichte über ähnir^ö-Ve^äItefiswÖisen~vorTBetrunkenen wollen wir hier ausklammern. (1) BUSBECQ, Briefe S. 162. Analog äussert sich auch POSTJLL De_la“ RepuBlique S« 124: "Ils penseni que c ’ est bien faîÎ de Taire mal a vn homme d ’ une aiitre loy.”Vgl. auch oben S. 178 ff. die eindeutig so begründeten Küküms zur Kleiderordnung! Dimmis und Kusta’ mins werden gleichermassen wegen ihrer (sie verbindenden) Religion geschmäht.
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ein Weinfass von Muslimen unbemerkt in ein jüdisches oder christliches Haus zu bringen. Bemerkenswert ist dabei, dass schon der Anblick eines Weinfasses oder -kruges Ärgernis erregt, nicht nur der eines Trinken den; ebenso erregt Weingeruch Anstoss (1). Dass dahinter auch die Scheu steht, mit etwas Verbo tenem, Unreinen in Berührung zu kommen, folgt klar aus dem Hüküm, der 1572 den Lastträgern Galatas verbot, fortan Wein in Schläuchen zu transportioren, weil diese Schläuche Wein an die Kleidung von Muslimen bringen könn ten (2). Ein Jahr später wurde den Juden und Christen der Hauptstadt zwar erlaubt, Woin in ihre Häuser zu füh ren, doch durften sie dies nur nachts tun (3) — was wir (1) Neben den schon erwähnten Bestimmungen in den s ur ü t seien aus der Praxis zwei Fälle angeführt: KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 54 berichtet von seinem AufenüiälT auf Zypern: "..Katt sich ein krüechischer Baur Iber vns erbarmett, der trug vns In Stille einen krug mitt Wein zuo, wie sy dan den Wein vff der gassen nitt öffentlich tragen, vil weniger einem Türcken vntter Au gen stöllen derffen.”Aus der Zeit vor seiner Verhaftung in Tripoli berichtet KRAFFT a.a.O. S. 95, Weinfässer müss ten verdeckt transportiert werden, "damit, wan einem An sehnlichen Türckhen oder Moren der Wein für das Hausz oder Laden (!) gefüertt wirdt, derselbxg den geruch nitt vemem; Anderer gestaltt darff einer vor der Justitia verklagtt werden, es werde Ime Zu Dratz (d.h.: um ihn zu ärgern!) der Wein für dj thür gefüertt; der khompt alsdan ongestrafft nit daruon. Weil Ich...Aigen Hausz ge habt t, haben meine Leuth ein lehr i’ asz wein Auszgebuztt vnd durch vnachtsame nitt Iber 2 masz vom vnsaubern Was ser für das hausz vff dj gassen gesehütt, da Ist man hol der Als In einer stund der Justicia Zugeloffen, Ich hab den Wein den Machomettischen Zu Dratz vf dj gassen geschitt, hatt mich Zur Ablainung sochs Ducatten Cost." (2) REFIQ Onungu... S. 70 Nr. 8. (3) a.a.0.-S7_7T f. Sr. 10.
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schon zwanzig Jahre früher einmal belegt finden (1). Diese Restriktionen, die das Leben der Dimmis er schwerten, hätten sich bei strenger konfessioneller Trennung der Wohnviertel zum grössten .eil erübrigt. Doch erwächst diese Situation allein aus der Tatsache des engen Zusammenlebens, und impliziert aktives feind liches Verhalten seitens der Muslime nur in beschränk tem Umfang - wenngleich sich dieses auch hier wieder aus den s u r ü t direkt ableitet. Dimmophobe Verhaltensweisen Verschiedene Aspekte Wir haben schon erwähnt, dass die Nichtmuslime ob ihrer Religion ständiger Schmähung ausgesetzt waren. Es gab aber auch eine Schmähung wegen Zugehörigkeit zu einer Gruppe, der ein bestimmter Übeltäter angehörte, wobei es irrelevant ist, dass diese C-rvppe primär kon fessionell definiert ist. DERKSCHWAM berichtet vyn einer solchen Schmähung der Jud en Iö tanbuls : "Wie obstet, das die juden in Turkhei eben so ver acht sein als in der eristonhait, pflegen die turkhen auff sy zuschreien aus den botegen, wan sy fwr gehen: hawrus, hawrus, hawrus das ist ein stinkendt os (2); vnd klopfen von einem krön; zw dem ändern" (3). Natürlich darf man sich den Sehmähruf nicht hinter vorgehaltener Hand gezischelt denken! Den Ursprung diesen Brauches gibt DERN3CHWAM so an: (1) 3ÜS3ECQ Briefe S. 18G f. (2) "Havrüz’ ’ -Tsî üer Nacht topf. (3) DERNSCHWAM Tagebuch S. 114.
"Ist also vor 10 jarn vngeuarlich auffkhomen vnder einem bascha, Kostka genant, der stathalter zw Constantinapol gewest. Wie die turkhen vnd Juden durchein ander vnd neben einander (!) botegen ader laden haben, dorin sy verkhauffen, hot ein altter judt sein scherben im krom gehaltten vnd dan haymlich fwr eins ändern la den ausgeschuht, bis man in darüber ergriffen, fwr den kadi vnd bascha verklagt worden, dorumb er geprügelt vnd darzw gelt dem khadi geben hot müssen. Hot der bascha den juden ein ewig gedachtnus wollen machen, auff ein esel rugklin in der stat vmb furen lassen, darzw ein stinkenden angethonen krugk an hals gehangen, den barth dorein gethan, vher in hawrus schreion lassen, das nu nicht mer ab kho.mpt. Alsdan gehen die juden fwr sich vnd schweigen stille" (1). Liese Begründung ist durchaus glaubhaft, da der dargestellte Vorgang all jene Momente des Strafvollzugs zeigt, wie wir sie auch für andere Vergehen in jener Zeit kennen: der Übeltäter wird, rücklings auf einem Esel sitzend, durch die Stadt geführt, wobei er das Symbol seiner Tat sichtbar bei sich trägt (2). Dies ist natürlich die auch dem Abendland jener Zeit sehr ge läufige Form des Prangers - wenngleich wir im Orient einen "mobilen" Pranger haben. Interessant ist die von D5RNSCKWAM erzählte Begeben heit besonders deshalb, weil hier zwar nicht direkt die konkrete Tat eines Dimmis seiner ganzen Glaubensgemein schaft angelastet wird, aber diese Tat schuf eine neue (1) DEHKSCHWAM Tagebuch S. 114. (2) Über Kand\verlcer_unc[ Bäcker, die sich nicht an die vorgeschriebenen Preise und Gewichte hielten vgl. GERLACH Tage=3uch S. 31, 85 f«, ^"'ÜRER Reise-Beschreibung S. 537"PBESNE-CAKAYE Voyage S. 97 f., lMIVIEQ"Vifä~et legge fol. 27 v. f. Für falsche Zeugen vgl. BREÜKTEG Orientalische Reysz S. 87, G3F.LACH Tage=Buch S. 32, 212, EEfflTSC!fflSirTägeB5cE S. 73 f. und 777
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Spielart dimmophober Manifestation, von der die ganze Religionsgemeinschaft betroffen war. Man übertrug also das Vergehen eines Individuums auf den Charakter seiner Konfession und deren Anhänger. In diesem Zusammenhang kommt der Kleiderordnung wie der Bedeutung zu: durch die andersartige Kleidung wird ja der Übeltäter als Angehöriger einer nichtislamischen Konfession ausgewiesen, was die Assoziation von Straf tat und Verworfenheit der Ungläubigen erzwingt (gemäss der Schrift). Zwar war die Bestrafung von Muslimen eben falls von einem "mobilen Pranger”begleitet, doch konn ten deren Glaubensbrüder dann natürlich nicht dieselbe Assoziation vollziehen (der Koran beschimpft ja auch keine Muslime!) - hier sah man nur das Individuum des Täters. Diese Unterscheidung ist keineswegs apriorisch: man hat nämlich Sorge getragen, dass das Schauspiel der "Ver worfenheit" eines Muslims nicht länger gezeigt wurde, als unbedingt nötig: gehenkte Muslime nahm man ab, so bald der Tod eingetreten war, Dimmis liess man - mit ihrem spezifischen Turban! - länger hängen (1). Eine solche Praxis hat unverkennbar «wei Komponenten: zum einen wurden die Dimmis (als Gemeinschaft!) ge schmäht, zum anderen hatten die Muslime immer wieder das Beispiel und den Beweis der Verworfenheit der Un gläubigen vor Augen (gemäss der Schrift). *
(1 ) GEHLACH Tage=Buch S. 487.
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Sin dieser Funktion verwandtes Muster lässt sich in einen anderen Bereich nachweisen: bei dor Aufzählung jener Lebensmittel, welche der kaiserlichen Botschaft vora Hofe zugeschickt wurden, vermerkt DERN3CHWAM aus drücklich, dass zwar Wein, nicht aber die Fastenspeise Fisch geliefert wird (1). Diesen musste sich die Bot schaft selbst besorgen, indem man einen Teil der ge lieferten Schafe verkaufte, und von deren Erlös dann Fisch erstand. Damit setzte sich die Botschaft freilich der Gefahr einer Rationsküraung aus, wie denn etwa die gelieferte Keumenge nach einiger Zeit um die Hälfte re duziert wurde, da man der Botschaft vorwarf, "vnratlich" damit umgegangen zu sein (2). Die Lieferung von Fisch hätte organisatorisch keine besondere Schwierigkeit be reitet, da V/ein (!), Brot, Wasser und Brennholz täglich frisch geliefert wurde. Wir müssen also nach einer an deren Begründung für dieses Verhalten suchen (3). Natürlich können wir nicht nachweisen, dass es sich hierbei uir. eine gezielte Boshe.it handelt, aber für die Musline, die rund um die Botschaft wohnten (4), wurde durch die Lieferung von Wein Tag für Tag aufs neue die Verworfenheit der Christen demonstriert - wodurch diese erst recht ihrer muslimischen Nachbarschaft Ärgernis (1) DERN3CHWAM Tagebuch S. 45. (2) a.a.O. S. 507(3) Über die Schurigelei europäischer Diplomaten gene rell vgl, SPULER, Bertold: Die europäische Diplomatie in Konstantiriopel bis zum_Frieclen von Belgrad T1739T. 2. TeIIT~3îe-3îpIömâ'ÎîscEerrSebrEucIie7 In: Jahrbücher für KüItür-üp.ü_GeäcEicftl;e-3er Slaven Ni·’XT (1935), S. 171-222. (4) Vgl. oben S. 199 die Beschwerde dieser Nachbarn, man könne nichts den Anblick dieser Christen verbergen!
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geben mussten. Den Botschaftsangehörigen seihst aher wurde eine kultische Verpflichtung (der Fastenfisch) zwar nicht verwehrt., aher man erschwerte ihre Ausübung ein Verhaltenstyp, den wir schon in Zusammenhang mit der Kirchenpolitik antrafen. Wir dürfen in diesem Verhalten eine Stichelei inso fern sehen, als wir einen ähnlichen Fall kennend): als LESCALOPIER am Karfreitag mit seiner Begleitung in Öorlu eintrai, brachten ihnen die Türken als "aumosne" ein opulentes Mahl: drei grosse Platten voll mit Hammel- und Rindfleisch. Wir können freilich nicht positiv nachweisen, dass die Türken dieses Fleckens um den Fasttag wussten. Aber die Bewirtung ist erstaunlich: in dem ganzen Verlauf der Reise fiel sie nie erwähnenswert aus, nicht einmal drei Tage zuvor in Edirne weiss LESCALOPIER von einer besonderen "tractation" zu berichten. Und wenn man schon eine besondere Bewirtung erwarten darf, dann doch eher in der Residenzstadt (türkisches Schutzge leit hatte die Gruppe schon seit Ragusa)! Wir erblicken in diesem Verhalten eine Schmähung (oder Versuchung?) der Christen, wobei die; Türken freilich vorgaben, sich diesen freundlich zu erweisen. Besonders befremdlich ist dabei die damals recht teuere Fleischration: man liess sich den Spass auch noch etwas kosten! * LESCALOPIER berichtet auch von einer Schmähung im reinen Dinnî-Kilieu (?), hu deren Rechtfertigung sich wirklich (1) L13SCALOPIEK Voyage fol. 27 r. (?) a.a.O. fol. 3B~r7~
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nur noch die Forderung nach der prinzipiellen Ernied rigung der Dimmis anführen lässt, verbunden mit der schon erwähnten Propagandafunktion: Eine worden. sie auf bei ein
Dimmiyya Galatas war des Ehebruchs überführt Der Kadi gebot ihrem Ehemann (dem Gehörnten!), seinem Rücken durch die Strassen zu tragen, wo hinter ihnen gehender Janitschar die Frau durch
prügelte. Wieder beim Gericht angelangt, setzte der Mann seine Frau ab, und lief weinend davon. Die Frau war von den Schlägen so mitgenommen, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte: unter den Schmährufen der Bevölkerung wurde sie von einem Lastträger (!) nach Hause getragen. Von der Schmach des gehörnten Ehemanns abgesehen, sein untreues Weib selbst durch dio von Schaulustigen gesäum ten Strassen tragen zu müssen - womit er die Funktion des Esels übernimmt! - wird durch eine solche Praxis be wirkt, dass das nun sattsam bekannte Paar - falls es nicht in eine andere Stadt übersiedelt - sich nicht mehr auf der Strasse sehen lassen kann, ohne dass Muslime wie wohl auch Dimmis auf sie zeigen. Wir dürfen annehmen, dass diese Episode kein Einzelfall war, da die ehebrecherische Dimmiyya ja nicht ge steinigt wird, sondern nur einer Züchtigung verfällt. Gewissermassen hat die Muslimin, weil sie eben nicht zeitlebens ihre Schmach ertragen miss, hier einen bes seren Stand - auch wenn dies makaber klingen mag. Die Propagandafunktion der geschilderten Praxis liegt na türlich wieder in der den fiuslimen deutlich vorgeführten Verworfenheit der Ungläubigen.
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Hilfe beim_StrafVollzug Bei der schoussljerişten Hinrichtungsart, die das Osmanische Reich kannte, dem Pfählen - und nur bei die sem - "bediente sich der Scherge gerne Dimmis als Helfer. Zwar sagt BRKÜNING (1), dies sei nur dann der Fall, wenn Bichtmuslime sich den Richtplatz zu sehr nähern, doch handelt es sich hierbei weniger um "bestrafte Neugier" als vielmehr ganz einfach darum, dass der Scherge sonst den Christen oder Juden weder wahrnehnen noch fangen kann ("dann wann der Hassass solches innenwird"). Dies wird später noch klar zu erkennen sein. BASSAKO sagt ausdrücklich, dass der türkische Scherge r.ur dann selbst pfählt, wenn er keine Christen oder Ju den findet, die ihm seine Arbeit abnehmen kennten (2). Wir besitzen auch zwei Augenzeugenberichte eines sol chen Vorgangs, die keinen Zweifel an der rigorosen Hand habung dieses Usus lassen - sofern man nicht auch BASSANO als Augenzeugen betrachten will, wozu seine detaillierte Schilderung des technischen Ablaufs berechtigen würde, (1) BREÜNING Orientalische Reysz S. 87: "Die Christen möge dergleichen execullon zuseHen/allein haben sie sich zu huetcn/nicht zu nahe zum Kaiszgerieht...zu kommen/ dann wann der Hassasa (inmasoen vns gesagt worden) sol ches innenwird/so begeret er der Christen/welche jhme... hülff vnnd handreichung thun müssen." (2) BASSAKO Costumi S. (86): "Arriuat-o al luogo doue si debbe impalare, TI Boia lo distende in terra col viso ingiu, e guardando d ’ intorno fa pigliarc se vede aleuno Christiano, o Giudeo, perche tenghino il condennato, ma perche si sa, pochi vanno â vedere cosi fatte eose, anzi si nasccndono. Hör non trouando ne Giudei, ne Christian!, piglia i Turehi Cassassi, cioe, Birri."
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die wir hier aus Geschnacksgründen nicht zitieren. GERLACH bericht.et von der Pfählung zweier griechischer Wegelagerer ausserhalb des Edirne Kapı (1). Auch bei der Hinrichtung von Muslimen aber bediente sieh der Scherge DiîUTÎs als Helfer, wie aus der angeführten Stelle bei BREÜNIKG hervorgeht, aber auch aus einem weiteren Augenü eugenbericht
von LESCALOPIER (2). Hier wurde «war statt des Pfahles ein C-algen verwendet, was zwar selten, aber doch nachweisbar ist, allerdings steht der Hinweis auf die Einbeziehung von "quelques pauures turcs" bisher alleine da. ])io Hilfe in diesem konkreten Fall hat aber eher barmherzigen Charakter, da der Tod dann durch Bruch (1) GEHLACİI Tage=Buch S. 169 f.: "Die Christen haben die Spisse/von Holtz und nit Unschlitt oder Talck beschraieret/ausz dem Schloss bisz zum Adrianopolischen Thor tra gen müssen/auch wo der Ilencker untorwegens einen Christen angetroffen/hat Sr die ändern erlediget/und die Spisse diesen auffgoleget. Wie sie zum Thor hinaus^ kommen/hat Er etliche Christen gefangen/deren etliche eine Gruben (die übelthäter hernach darein zu begraben) graben/an dere sie spissen und sonsten dazu helffen müssen/oder wurden übel geschlagen...Man bindet solchem IJbelthätcr Sailer an die Füsse/stöszt· Jhm den Spisz zu dem hintern Leib/s.v. hinein/und die Christen müssen an den Sailern ziehen/bis der Spisz dem armen Sünder wieder oben auszc-gj-ie t . "
(2) LESCAL0PI3R Voyage fol. 36 r„: "Vng iour repassantz le tragect (sc. üas Goldene Ilorn) nous veismes vng turc qui se l.auoit, los fers aux pieds...ît au sortir de leau sar la riue de Constantinople on le meit soubs vng gibet a deux pilliers et luy attacha vne cordo au col passee au dessus dedans deux poulies par ou il fut tire en haut Et aussi tost vng Juif et quelques pauures turcs luy vindrent tirer les janbes t-ant quil fut estrangle...s ilz trouuent quelque ftien (sc.: chrestien) ou Juif ilz le contraignent par Ignouiinie d aydor a lExecution des criminelz. Et· lSnt.repreneur de 12xecution ilz le preignenl au Rabats
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eines Halswirbels, nicht aber langsam durch Erdrosseln eintritt. Der Bericht LKSCALOPIER’ s ist aber hinsicht lich der über den konkreten Fall, der ja nicht ganz re präsentativ ist, hinausgehenden al.1 . Aussage wertvoll (s ilz trouuent quelque xtien ou Juif ilz le contraıgnent par Ignominie d ayder a 1 Execution des crimineİK. Et 1 Entrepreneur de 1 Exocution ilz le preignent au Rabais), weil er das Motiv der Schmach ausdrücklich nennt: um die Dimmis zu schmähen, werden sie zur Hilfe bzw. Durchführung des Strafvollzugs ge zwungen, und nach vollbrachter Tat eben wegen dieser wiederum geschmäht. Typologisch gemahnt dies an das Ver halten jenes Soldaten in Ankara, der einen Weinhändler bestrafte, weil ihm dieser Wein gegeben hatte (1). Dass die Hilfe beim Strafvollzug eine besonders starke Erniedrigung mit sich bringt, braucht nicht näher begründet zu werden. GERLACH*s Hinweis, die Dim mis würden gcschlagen, wenn sie sich der "Hilfeleistung" widersetzen (?), lässt klar erkennen, dass dieses Hand lungsmuster auf Willkür beruht. Dem Dimml ist natürlich auch hier handgreifliche Gegenwehr nicht möglich - die Willkür wird also erst durch eine scheriatrechtliche Bestimmung durchführbar. Die s u r ü t als Bedingung, als Grundlage einer in diesen nicht enthaltenen "Ver pflichtung”trafen wir schon bei der Pferderekrutierung an„ (1) Vgl. oben S„ 220 ff. (2) Vgl. oben S. 236 Ansu (1).
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Der Vorgang selbst gemahnt sehr an Sinon von Cyrene, der Jesum das Kreuz trug (1). Auch ist die Idee, das Pfählen mit der Kreuzigung Christi zu vergleichen, recht verführerisch; wir wollen diese Idco aber hier nicht ver folgen, obwohl wir einige Eerichtc haben, nach denen cs auch eine Kombination von Kreuzigung und Pfählung gab, wobei die Kreuzigung zuerst (arr. Boden) erfolgte (2). "Verehrung" Hier soll nicht von jenen "Ehrengeschenken" gehandelt werden, welche abendländische Gesandte bei Antrittsbe suchen osmanischen Beamten verehrten, da dies schon in den Bereich der TributZahlungen gehört, und folglich nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit sein kann. Dennoch gibt es hierbei eine typologisehe Verwandtschaft mit "Verehrungen" im innerstaatlichen Bereich, weshalb wir einen solchen Fall anführen wollen. GERLACH berichtet (3): "Den 15* sagt mein Herr/was die Türcken für grobe unverschämte Bengel seyen/und der Zausch Bassa/der ein so grösser Herr/ein Kleid oder Tuch v.u einem Kleid von Ihme begehret habe. Warurab? weil er sein guter Freund scy." Halten wir also fest: "Verehrung”erfolgt aus Freund schaft . (1) Matth. 27, 32; Mark. 15, 21; Luk. 23, 26. (2) Zur innerislamischen Diskussion vgl. SPIE3, Otto: Kreuzigung im Islam. In: Religion und Heliğîönen7_Böfin_I957_TFesîscIirxft für Gustav Mensching), S. 143-156. (3) GERLACH Tage^Buch S. 163. Zur Frage, welcher osmanisohe BeamTe-£nspruch auf welches "Ehrengeschenk" hatte, vgl. SPULER Europäische Diplomatie.
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Wir klammern hier auch ganz bewusst jene "Ehrenge schenke" aus, die berechnende Bestechung sind - wenn gleich auch hier immer von "Freundschaft”und "Ver ehrung" die Bede ist, wobei es sich natürlich nur um Euphemismen handelt - denn diese sagen über das Ver hältnis von Muslimen zu Dimmis nichts aus, da es die selbe Art von Bestechung auch im rein muslimischen Mi lieu gab. Das Argument der Freundschaft findet sich in einer geradezu poetisch anmutenden Geste der Muslime gegen über den Dimmis, indem sie diesen anlässlich islami scher Feiertage bestimmte Blumen verehrten (!) - aus Freundschaft -, doch musste diese Freundschaft von den Dimmis erwidert werden: in klingender Münze freilich, was die Muslime höflich mit tausendfältigen Segens wünschen belohnten (2). Wir haben schon einen Fall ken nengelernt, wo die scheinbar freundliche Geste in Wirk lichkeit eine Schmähung der Christen darstellte, und auch zweifellos so gemeint war (3). Auf eine andere Komponente dieses Komplexes weist uns KRAFFT hin (4). Im Verlauf seiner Schuldhaft in Tripoli war er von den anderen Gefangenen getrennt, und (1) Vgl. aber oben S. 226! (?) "Pendant ces jours du Boiran ils offrent aux chretiens certaines flcurs presque en signe d ’ arnitie; mais elleş coütent eher (!), car il faut donner les aspres sans compter, et eux, avec de grandes salutations (!) vous paient d ’ un Allah bin beriehet fersen”; F3ESNE-CANAYE Voyage S. H B . Der Wunsch ist die Formel "Allah bin bereFeî-versin", mit der sich noch heute die Bettler für Almosen bedanken. Man scheint dies also nicht als spezifisch muslimischen Segenswunsch aufgefasst zu haben. (3) Vgl. oben S. 233. (4) KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 244 f.
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in der Festung in eine Kammer eingewiesen worden, die zutn Wohnbereieh des Festungskommandanten gehörte. Eines Tages legte sich einer von dessen Sklaven in KRAFFT’ s Kammer, und verliess diese erst auf Aufforderung des Ulmers, wobei er allerdings ein Messer zurückliess, und nun brüllte, KRAFFT habe ihm nach dem Leben getrachtet. Der Kommandant aber durchschaute das Spiel, und liess den Sklaven prügeln. KRAFFT aber drohte er dennoch eine Bestrafung und auch Haftverschärfung an, und schickte diesem einen Diener, der KRAFFT sagte, "der hauptmann lasz mich fragen, ob Ich ime dan gahr nichtts verehren wöll, dan one ein Verehrung were es Ime ein schand, mich Losz zulassen; were ain Anzaigung, Als hette er mir Vnrechtt gethan." Natürlich geht es hier schlichtweg um Erpressung einer "Verehrung", aber die Begründung ist doch auf schlussreich: denn KRAFFT war ja wirklich Unrecht ange tan worden, wenngleich nicht durch den Kommandanten selbst (dieser würde es aber, wenn er den Kaufmann be strafte!)· Das Argument mit der Schande liegt aller dings wieder auf der Ebene der "Freundschaft": eine "Ge fälligkeit" ist die andere wert - wobei die Gefällig keit des Kommandanten nur darin besteht, auf eine Be strafung zu "verzichten", für die es eigentlich keinen Anlass gibt! Diese Schönfärberei braucht uns aber nicht weiter zu interessieren; von grösserer Bedeutung ist hier nur das Argument mit dem Unrecht. Uns ist ein anderer -typischer Fall überliefert, in welchem just dieser Verbindung von "Verehrung" und Ausgleich für ein angebliches "Unrecht" eine Schlüsselrollc zukommt.
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3USBECQ selbst bezeichnet diese Begebenheit als typisch und stellvertretend für andere Ereignisse, die er dann wohl auch erlebt haben wird (1). Zwei Mann aus seiner Dienerschaft (ein Apotheker und ein Kellermei ster) waren ohne das sonst übliche Janitscharengeleit nach Galata übergesetzt. Als sie später für die Rück fahrt ein Boot mieteten, und sich schon hincingesetzt hatten, kam oin Diener des Kadis von Galata, und for derte just dieses Bot für seinen Herrn, obwohl noch ge nügend andere Fährschiffe unbesetzt waren. Der Diener bestand aber auf seiner Forderung, und versuchte,die beiden Deutschen aus dem Boot zu werfen. "Es kam zu einer Schlägerei, und da sie schon vor den Augen des herankommenden Richters geschah, konnte er sich nicht enthalten herzuzulsufon und seinem ge liebten Knaben...beizustehen. Aber indem er die Stufen, die zum Meere hinabführen, unvorsichtig hinabstürzte, rutschte er auf dem Glatteis (es war im. Winter) aus und wäre ins Meer gestürzt - schon tauchten seine Füsse ins Wasser - wenn seine Begleiter ihn nicht noch ge halten hätten. Da gab es grosses Geschrci und Auflauf der Türken von ganz Pera. Die Christen hätten dem Kadi Gewalt angetan, und wenig habe gefohlt, so hätten sie ihn ins Meer gestürzt." Durch Intervention einiger IXirkcn wurden dies beiden Diener des Botschafters vor Bestrafung an Ort und Stelle bewahrt, und vor den Grosswesir gebracht: "Dahin ging es nun mit einem dicken Haufen falscher Zeugen..,Es riefen also alle einstimmig, diese Spitz buben hätten sich der ärgsten Tat unterstanden, sie hätten den Pachter mit Fäusten niedergeschlagen, und wäre man ihnen nicht in die Hand gefallen, so würden sie ihn gar ins Meer gestürzt haben." (1) BUS3ECQ Briefe S. 2C3-206.
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Der Grosswesir nahm die beiden Deutschen erst ein mal in Gewahrsam, und wolli.e die Angelegenheit im Divan zur Sprache bringen, aus Angst, er könne sonst partei isch erscheinen. Als der kaiserliche Botschafter aber seine Leute zurückforderte, machte ihn der Grosswesir einen befremdlichen Vorschlag: "...deshalb hätte er den Fall gern so beigelegt, dass der äienter sich nicht weiter zu beschweren hätte. Er entbot mir denn, es dünke ihm am geratensten, wenn ich den Kadi durch das vorteilhafte Angebot etlicher Goldstücke beschwichtige; fünfundzwanzig Dukaten würden wohl reichen." BUSBECQ wies dieses Ansinnen jedoch weit; von sich; er würde gern dem Grosswesir zuliebe (!) 50 Dukaten ins Meer werfen, wenn dieser es wünsche, "aber hier gehe es nicht um Geld, sondern um das Prinzip. Richte man es so ein, dass jeder, der meine Leute beleidigt habe, obendrein noch Geld bekomme, so würden keine Schätze ausreichen. Wenn dann nur jemanden sein Kleid schadhaft und schlissig zu werden anfange, werde er sich eine Beleidigung meiner Leute ausdenken, indem er ja wisse, das Geld liege für ihn bereit, ich werde für ihn ein neues Kleid bezahlen. Das sei das Un würdigste von allem, und nichts liege mir ferner." Durch Intervention cAli Paschas wurden dem Botschaf ter seine Leute zurückgeschickt, der Kadi wurde seines Antcs enthoben; "denn so sind ihre Sitten, sie halten es für schmachvoll und schändlich, von einem Christen Schläge zu bekommen, wie er es von sich bekannt hatte." Auf dieses letzte Argument stiessen wir schon oft in anderem Zusammenhang. Das Handlungsmuster, das hinter dem geschilderten Vorfall steht, beschreibt BUSBECQ selbst an anderer Stelle als typisch, indem er sagt, die Türken würden, "wenn sie selbst Unrecht getan haben,
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ihrerseits Forderungen Stollen" (1) - was wir aus der vorangegangenen Schilderung KRAFiT’ s auch schon kennen. Diesem Verbaltenstyp werden wir noch öfter begegnen. Von den Einzelheiten abgesehen muss dieser Vorfall auf einem recht geläufigen Schema beruhen, denn der venezianische Bailo erkundigte sich sogleich, wieviel den Kaiserlichen die friedliche Beilegung gekostet habe. Wach der Mitteilung "keinen Groschen!”wunderte sich der Bailo - der ja schliesslich auch seine Erfahrungen hatte "war os unser Handel gewesen, ich schwöre dir, wir wären kaum mit zweihundert Dukaten herausgekorcmen" (2). Wir halten diese Aussage keineswegs für apriorisch: solche Werte pflegen auf Empirie zu beruhen! BUSBECQ’ s Anget vor Nachfolgetaten war keineswegs unbegründet. BREÜRINOr erzählt von einem recht geläufigen Verhalten, das ganz in die Kategorie der vom kaiserlichen Botschafter angesprochenen möglichen Taten fällt: "Unangesehen das wir allzeit/mit Janizzaren vnd dol metschen begleitet/ist es doch mit vns auch nicht gar leer abgangon...traffen wir nach mittag einen vollen Türcke an/welcher/alsbald er vnser ansichtig (5)/sein Messer auszzog/auch seine Kleider fornen auff der Brust aufrisse/erwischte alsdann mit der einen harid seine schelmische haut/mit der ändern setzte er das Messer an/ besähe vns mit einem grassen Gesicht/sagtc anderst nicht (soviel wir verstunden) dann Asper/Asper/wurdcn alsbald jhme von vnserm Janizzaren ctliche Asperlein dargeworffen/ damit er zu frieden vnd gestillet. Da wir aber vnbegleitet gewesen/vnd diesen bescheid nicht gewust/hette er sich alsbald in solcher vnsinnigen weise selbsten ver wundet/wie er dann albereit auff der Brust/viel masen (1) BUSBECQ Briefe S. 74. (2) a.a.O. S7-2Ö57 (3) Hier wieder die Signalwirkung der anderen Kleider!
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vnd mähler gehabt/vnd solches zweiffels ohn mehr gespielet: So bald er aber sein eigen Blut gcsehen/hette er (wie wir berichtet) dem nechsten so bey jhrae/das Messer auch in den Leib gestossen/vrsach das man zugelassen/vnnd mit etlichen Asperlein nicht vorkommen/das er sich verletzet: vnrid wie vns vnser Jannizzaro erzehlet/begcben sich dergleichen Bestialische stücklein allhie täglich 3ohr viel" (1). Ei.no eingehende Analyse dieses Verhaltens würde zu viel Raum beanspruchen. Es spielt hier die kollektive Verantwortung der m a h a l l e für Straftaten in ihrem Bereich mit herein - wenngleich in einer bedenklichen Pervertierung, wie wir sie noch in anderen Bereichen finden werden. Uns soll der Vorfall nur insofern in teressieren, als hier wieder einmal "Verehrung" er presst wird. (Die Trunkenheit des Türken scheint uns für das Handlungsmuster irrelevant, da er selbst der gleichen offenbar öfters betreibt, und da auch der Janitschar dieses Schema als recht gängig hinstellt.) Diese Art von Erpressung ist insofern wirksam, als im Zweifeisfalle der Nichtmuslim mit einer Verleumdung rechnen muss, er hätte den Türken vorletzt- (2), wobei dann seine Zeugenaussage vor C-erieht nichtig wäre. (1) BBEÜMING Orientalische Reysz S. 82. (2) Wir kennen-meKrere 7aIIe7~wo just der Janitschar, der eine Gruppe von Christen zu deren Schutz begleitete, einen Muslim verletzte oder gar tötete, dann floh, und wo sich sogleich das Geschrei erhob, die__Christen hätten ei nen Mu3İi5n erschlagen (vgl. auch die o7ä7 Schilderung BUSBECQ’ s '): LÖUWÜNSTili!, Al brecht (Grat zu): Pilger fahrt gen Jerusalem...In: Reyszbuch dos Ul, Iänüs7~Fol. I89r-?r2v7-Hier7-2ölv-204v, VYOiiEBSER, Jacob: Eigentli che Beschreibung der Aisareysung...In: Reys2bucH7_foi. ?T5rI255r7Tirert“??ffv=25Ir7_SSTDLITZ, Melchior:Gründtliche bcschreibung der Wallfahrt---ln: ReyszbucH7-foI. 25öv-273r,Tner: 271 r7v7’ ’ KEIFF'T Seiöen UKä_Ge?ar-genschaft S. 56 f.
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BREÜHING’ s Behauptung, der Türke würde, wenn man ihm nicht "Verehrung" tue, sich verletzen und dann einem der Umstehenden das Messer in den Leib stossen, wei] man sei ner Selbstverletzung nicht mit ein paar Asperlein zuvor kam, scheint uns fragwürdig. Hier dürfte es sich eher um eine Befürchtung des Janitscharen handeln, denn uni Em pirie. Die Situation ist aber auf alle Fälle sehr pre kär, da der Christ sich - wenn er die "Verehrung" ver weigert - ihr nicht entziehen kann, ohne mit dem Muslim handgemein zu werden, was ihm nur zum Nachteil gereichen kann. Nach den Ausführungen des Janitscharen zu schliessen betraf solches Verhaltonsmuster aber auch die Dimmls.
Wir wollen hier noch einen Fall ariführen, der die Problematik der "Verehrung" ausleuchtet, und der Elemen te enthält, von denen teils schon gesprochen wurde, oder die später noch erwähnt werden, die aber für die soziale Umwelt der Dimmîs von grösster Bedeutung sind. Zygoraalas, Protonotar des griechischen Patriarchen in Istanbul, er zählt in der kaiserlichen Botschaft: "Dann er sey gen Pera oder Galata gegangen/und habe Fische gekaufft/als er aber in Heimgehen gewesen/und auff den Patriarchats Berg gekommen/scy ihm ein Türck/ welchen/samt seinen Vatter/er sonsten wohl kenr.e/begegnet/der ihn gefraget: Was er trage? er geantwortet: Fische. Der Türck gesaget: Jn euerm Evangelio stehet: wer zween Hocke habe/soll einen auszziehen/und dem ge ben/der keinen habo. Er/der alte sey ein vornehmer Be dienter desü Patriarchats/und habe doch weder ihm/noch seinem Vattor noch nieraahls etwas verehrt. Er habe gleich gc:ucrcket/worauff es angesehen/so bald sein Tüehlein mit Fischcn herfiir gezogen/und ihm den halber· Theil darvon zugcstellet. Welcher sie/erzörnt (!?)/
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angenommen/und fortgegangen. Jhm aber dem Türcken/sey gleich sein Knecht nachgefolget/der ihn mit ihrem bekanten und schändlichen läster=Name Prae Gaver/du Hund/ herumb gerissen/und ihm das Tüchlein mit den überigen Fischen/und 8. oder 9. Reichsthalem/so er darein ver strickt gehabt/ausz den Händen gerissen/der zwar be gehrt/die Fische mög er immer behalten/aber nur das Tüchlein wieder geben: Aber umbsunst. Worüber er wieder urabgekehrt/in desz Türcken Hausz gegangen und über die Gewaltthätigkeit seines Knechts geklaget. Der ihm ge antwortet: Was? haltest du mich für einen Räuber (1)/ dasz ich oder die Meinigen dir das Deine mit Gewalt abnehmen sollen/und ihn also mit grossen Drohungen ausz dem Hause getrieben" (2). Daraufhin klagt Zygomalas sein Geschick dem Patriar chen, der aber nur müde abwinkt, und offensichtlich BUSBECQ's Erfahrung teilt, dass die Türken, wenn sie selbst Unrecht getan haben, ihrerseits Forderungen stel len, denn der Patriarch antwortet: "Es sey in der Türckey der Gebrauch (!) a]so/dasz wann die Türcken einem etwas abnehmcn/und der/so von ihnen Gewalt gelitten/eine Klage wider sie anstelle/solcher hernach ihnen mit einem sondern Geschenck wieder begeg nen müsse/dasz sie sich nur mit ihme wieder versöhnen lassen" (3). Über diese Typologie hinaus, die sich mit der o.a. Stelle bei BUSBECQ deckt, enthält das Argument des Patriarchen wieder das Moment der Freundschaft, dessen Rolle wir eingangs schon ansprachen. Zygomalas fürchtet aber den Zorn seines muslimischen (1) Wir haben schon einen Fall angeführt, wo ein Muslin einen Dimmî verklagte, weil dieser ihn als "Räuber" beleidigt hatte: vgl. oben S. 219 Anm. (2). (2) G5R1ACH Tage=Buch S. 272. Über Zygomalas vgl. HUNCIMAN PatrîarcEaT S. 239. (3) GERLAOH~Tage=Bu oh S. 272.
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Nachbarn - ein weiteres Beispiel für die "segensreiche" Auswirkung des engen Zusammenlebens! - und bittet die Dolmetscher der kaiserlichen Botschaft um Rat: "...die ihm gerathen/er solle der Janitscharen Haupt mann (Praefecto) eine geringe Verehrung thun/und zu sei ner Sicherheit einen Janitscharen begehren/diesem her nach täglich 4. Asper/und (!) den Unterhalt auff eine Wochen 3. oder 4. geben/bisz er dieses seines drohenden Türcken Gemüth in etwas besänfftige. Dann wann er itzt,/ sich mit ihme hinwieder zu versöhnen/hingehe/so werd er zum wenigsten etlich und 20. Ducaten (1) von ihm fordern/ für die Schmache/dasz er ihn und seinen Diener für Räu ber gescholten oder gehalten" (2). Auch die Dolmetscher also kennen - wie oben bei der Episode um BUSBECQ’ s Leute der venezianische Bailo die Taxe für (nicht erfolgte bzw. selbstverschuldete) Beleidigung eines Muslim (3). Nebenbei wirft die Empfeh lung der Dolmetscher noch ein bezeichnendes Licht darauf, wie der den Dimmls garantierte Schutz in der Praxis ge~ handhabt wurde: von der grundsätzlichen (nicht nur mo ralischen) Fragwürdigkeit solcher Praktiken abgesehen müssen wir feststellen, dass die islamische Seite (als Block betrachtet) an diesem Schutz noch kräftig mitverdient, den sich die Dimmîs angeblich schon mit der Kopf steuer alljährlich erkaufen!
(1) Auch bei 5US3ECQ war das die Taxe für Aussöhnung; vgl. oben S. 242. (2) GERLACH Tageb u c h S. 272. (3) Die DolmeîscEer 5er Botschaften waren damals sämt lich den levantinisehen Familien entnommen, da sie neben der Sprach- auch die Sachkenntnis hatten; vgl. SPULER Europäische Diplomatie S. 208.
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Abgesehen von der interessanten Tatsache, dass es für Zygomalas’Nachbarn eine Unverschämtheit darstellt, keine "Verehrung" erhalten zu haben, steht diese Be gebenheit für eine ganze Seihe typologisch verwandter Fälle, woran die Aussagen des Patriarchen (und früher schon BUSBECQ’ s), aber auch der Rat der Dolmetscher keinen Zweifel lassen. Wir können also diesen Fall ge nerell auf die Lebensbedingungen der Dimmis übertragen. Der Vorfall selbst erscheint uns heute wieder als "nur" Schikane (wenn man vom Raub absieht, den der Knecht des Nachbarn beging). Doch auch diese wird wie der direkt durch die Dimma-Bestimmungen ermöglicht, auf Grund derer sich Zygomalas der Situation nicht entziehen kann, und hat ihren Bezugsrahmen in diesen Bestimmungen. (Schikane ist der Dimma immanent, wir sagten es schon.) - Eine Diskussion darüber, inwiefern Zygomalas durch das Evangelium verpflichtet sei, dem Türken die Hälfte seiner Fische abzutreten, wäre bereits ein religiöser Disputo Dieser kann ihm jederzeit als Schmähung des Islam ausgelegt werden. - Bekennt er sich aber als dem Evangelium nicht ver pflichtet, so hat er kein Recht mehr auf seinen Diıunî-Status, bzw. ist in seinem Glauben nicht mehr cädi], womit er der den Dimmî verbleibenden Rechte - etwa Zeugnis über einen anderen Dinml vor dem Scheriatgericht - verlustig geht. - Zygomalas kann sich beim Kadi nicht über diesen Will kürakt beschweren, da sein Zeugnis gegen einen Muslim nichtig ist.Allein die Antwort des Patriarchen macht deutlich, wieweit die Resignation der Dimmis diesbe züglich schon fortgeschritten war.
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- Handgreifliche Gegenwehr steht ihm auch nicht zu Gebote. Es bleibt ihm - au3 Angst vor weiteren Nachstellun gen seines Nachbarn, der ihn ja auch noch wegen Belei digung bei Gericht verklagen könnte! - tatsächlich nichts anderes übrig, als sich - gegen Bezahlung unter den Schutz eines Janitscharen zu stellen, um je ner Dimma teilhaftig zu werden, aus der heraus ihm sei ne missliche läge erst entstand! Die "Verehrung", mit der sich Zygomalas danach das Wohlwollen seines Nachbarn erkauft, hat genau die Funk tion, die dem Festungskonmandanten von Tripoli vor schwebte, als er KRAFFT bestellen liess,"0ne ein Ver ehrung were es Ime ein schand, mich Losz zulassen; were ein Anzaigung, Als hette er mir Vnrecht gethan" (1) damit würde Zygomals’Nachbar die (übrigens unausge sprochene!) Beleidigung, er sei ein Räuber, für gesühnt erachten. Ist er wirklich ein "Räuber"? Nachdem die Erpressung einer "Verehrung" in Form von Fisch von Umständen begleitet war, die sie scheriatmässig absicherten und ermöglichten, scheint es ange bracht, auch die "Verehrung" selbst auf dem Hintergrund des islamischen Gesetzes, speziell der s u r ü t zu betrachten. Man kann in der "Verehrung" - die der muslimischen Seite ja offenbar als rechtmässige Forderung- erscheint eine Erweiterung, Fortsetzung oder andere Spielart der Bewirtungspflicht und des Reverenzgebots schlechthin (1) Vgl. oben S. 240.
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sehen. Zwar handelt es sich dann - zumindest nach unse ren heutigen Masstäben! - um eine denaturierte, perver tierte Form, aber sie bildet keinen Widerspruch zur Reverenz (Ver-ehrung), und ist auch faktisch durchaus eine Bewirtung (1). Beide Faktoren sind Grundlagen und Bestandteil des Verhältnisses der Dinmüs su den Buslinien. Hier drängt sich aber noch ein anderer Bezug auf: Dimma und diejßergpredigt Zygomalas’Nachbar hatte argumentiert: "Jn euerm Evangelio stehet: wer zween Röcke habe/soll einen auszziehen/und dem geben/der keinen habe". Es tut hier nichts zur Sache, dass die Stelle lautet: "Und so Jemand mit dir rechten will, und deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel" (Matth. 5, 40), so dass man vielleicht eine Verquickung mit der Legende um den Hl. Martin annehraen dar!'. Der Türke bezieht sich jedenfalls auf eine ethische Forderung, der Zygomalas von seiner Religion her verpflichtet ist. Wir haben schon wiederholt auf die möglichen Konsequenzen hinge wiesen, die sieh für einen Christen ergeben, der sich nicht seinem Glauben konform verhält: er geht des Zeugnisrechts gegen einen anderen, ‘ä d i l seienden Dimmî vor dem Scheriat-gericht verlustig (2), womit- er den letzter. Rest an ihm verbliebenen Hechts schütz auch noch verliert. (1) Vgl. oben S. 209 ff«, besonders S. 215 Anm. (5)! (2) Eine Zeugenladur.g zum Gericht ging ja damals nicht so diskret per îinsehreiben vor sich, wie heule. Die muslimischen Nachbarn erhielten sicher davon Kenntnis, und konnten gegebenenfalls intervenieren!
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Im Zusammenhang mit der dem Diinml verbotenen hand greiflichen Gegenwehr, die als alleiniger scheriatrachtlicher Begleitumstand mancherlei Schikane ermöglicht, sei hier auf eine Stelle aus Gahiz’"Widerlegung der Christen" (Risäla fl radd an-nasärä) hingewiesen, wo er sich nicht nur über das selbstherrliche Auftreten der Christen Bagdads ereifert, sondern auch über ihre "Frech heit”in anderer Hinsicht: "Auch lassen sie sich von den Muslims keinen Schimpf mehr gefallen und schmähen bezw. schlagen dert Muslim, der sie schmäht oder schlägt" (1). Wir wollen zuallererst festhalten, dass es für öähiz selbstverständlich ist, dass Christen von Muslimen ge schmäht und geschlagen werden dürfen - ohne Angabe von Gründen. Auf die Forderung einiger f u q a h ä 3 nach grundsätzlicher Demütigung der Dimmîs haben wir schon oft verwiesen. Doch wird bei der eben zitierten Stelle klar, dass nicht allein angeprangert wird, die Dimmîs würden gegen die s u r ΰ t verstossen, sondern hier wird ganz deutlich eine Forderung aus der Bergpredigt ■(2) impliziert: "so dir Jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den ändern auch dar" (Matth. 5, 59). Hiermit stellt sieh aber dann wiederum die Frage, ob der betreffende Christ, wcnr. er dem nicht nachkommt, noch Dirnau bleiben kann, da er ein Gebot (1) RESCHUR, Oskar: Sxcerpto und Übersetzungen aus den Schriften des Philologen und Dogmatikers 5ähi£ aus Baçra (150-250 H.) nebst noch_unveröffgntlichten_Qriginaltexten. Teil Ϊ. Stuttgart 1931, S. 49. (?) Diese Implikation scheint· uns zwingend, da sich GähiS ausschliesslich auf die Christen bezieht; erinnert sei noch an das Argument von Zygomalas’Nachbarn.
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seiner Religion missachtet. Die Entscheidung darüber steht bekanntlich allein den muslimischen Behörden zu die natürlich nach den Kriterien urteilen, die sie für das Christentum als konstituierend betrachten! Der Dimmi-Status ist also doppelt prekär: zum einen darf der Christ schon nach den s u r ü t keinen Muslim schlagen oder schmähen, zum anderen verpflichtet ihn die eigene Religion, nicht nur sich schlagen zu lassen ohne zurückzuschlagen, sondern gar auch noch "den ändern Backen" darzureichen (1). Entzieht man ihm die Dimma und die daraus resultierenden Rechte nicht ganz - was zu mindest nach einigen f u q a h ä 3 möglich wäre (2) so ist er doch in seinem Glauben nicht mehr c S d i 1, und kann vor den; Seheriatgericht nicht mehr gegen einen anderen Dimmî, der ä d i 1 ist, als Zeuge auftreten. Doch fordert die Bergpredigt ja nicht nur das Erdul den von Schlägen, sondern auch von Schmähungen: - "...segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen..." (Matth. 5, 40); - "Selig seid ihr, wenn such die Menschen um 5 £inetwillen (3) schmähen und verfolgen..." (Matth. 5 f 11); (1) Da der christlichen Seite Duldsamkeit als ideologi scher Grundsatz vorgegeben ist, würde sie durch deren Übung natürlich zum Selbstmord gezwungen; vgl. KISSLING Rechtsproblenatiken S. 7. Γ27 In'Inälogic zur Blasphemie; vgl. oben S. 37 Punkt 7. (3) Genau das aber ist der Grund nach den f u q a h a 5! Erinnertesβ Γan BUSBECQ’ s Formulierung: "...die Christen sollen aus Scham über ihre Schmach die_Religionz_derenthalben ihnen solches widerfährt, miî der Eesseren'ver-tauscEen"7_vg l. oben~S„ ??1~
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- "Segnet die, so euch vorfluchen; bittet für die, so euch beleidigen" (Luk. 6, 28). Der Episode um Zygomalas direkt angepasst erscheint Matth. 5, 42: "Gib dem, der dich bittet; und wende dich nicht von dem, der dir abborgen will", oder, noch besser Luk. 6, 30: "Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, da fordere es nicht wieder". Letzteres der Muslime, den s u r u t Zusammenhang
gemahnt· auch schon an die erwähnte Praxis bei Dinrnls Pferde zu "entleihen", was wir nur indirekt zuordnen konnten. Ausser dem mit der Bergpredigt über das Entleihen
gibt es aber noch eine weitere Parallele insofern, als ja der Dimmî, um sein Pferd nicht zu verlieren, gezwun gen war, den reitenden Muslim au begleiten - die s ü r ü t verpflichten die Dimmis ohnehin auch zu Führer diensten - und bei Matth. 5, 41 heisst es: "Und so dich Jemand nöthiget Eine Meile, so gehe mit ihm zwei"!... Last but not least sei an den Gesamttenor der Berg predigt erinnert, der bei Matth. 5» 5 im wesentlichen zusamengefasst ist: "Selig sind die Sanitmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen." Die sich daraus ableitende Forderung nach dem Erdulden von Gewaltherr schaft (1), Verfolgung und Schmach berechtigt uns in Anbetracht der Lebensumstände der Dimmis - vorgegeben durch die s u r u t und den darauf basierenden Ablei (1) Dem entspricht übrigens - negativ - im Islam das Ver bot für den Muslim, sich länger als absolut nötig im Dar al-Harb aufzuhalten; KHADDOURI War and Peace S. 170 ff., KISSLITiG Rechtsproblematiken S.“227
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tungen - zu der Formulierung: Dimmı-Dasein ist gelebte Bergpredigt. * Wir können mangels Material nicht behaupten, dass zwischen der Bergpredigt und der. s u r ü t ein Kausalzusannienhang bestünde (1), aber die Parallelen und Per vertierungen schienen uns absolut erwähnenswert. Die be sondere und nachweisbare Bedeutung der Problematik er gibt sich erst in Zusammenhang mit der;: Status der ΰάΐϋmîs, genauer: mit der Frage, inwiefern sie ein Anrocht auf diesen Status haben, geaäss der islamischen Defini tion von Christ und Christentum. Die schafiitische fiechtsschule postuliert eine sehr bezeichnende Unterscheidung von Schriftbesitzern: die Dimma könne nur jenen gegeben werden, die Juden- oder Christentum schon vor dem Auftreten des Propheten Mu hammad bekannten. Diejenigen Schriftbesitzer aber, wel che eine dieser monotheistischen Religionen erst nach dessen Auftreten annahm, sind nicht als ahl al-kitäb zu betrachten - womit man ihnen gewiss entlassen das "Recht" auf eine eigene g a h i 1 ΐ y a abspricht (2), (1) Herr E. KRÜG3R (München) bereitet einen Artikel vor, in dem diese Problematik vor. einem anderer. Ansatz her untersucht, wird, der aber dennoch für diese Frage wich tige Ergebnisse erwarten lässt. (2) Vgl. JUYÎI30LL Handbuch S. 550. Diese Unterscheidung - die offenbar nicET eine Reaktion auf katholische Mis sionsversuche in Indonesien ist - scheint rocht gequält, weil ja nicht irgendwelchen Vorfahren zu Lebzeiten Mu hammads, sondern den jeweils zeitgenössischen Christen/ Juden die Dimna gegeben wurde. Nachdem diese aber auch stets für die Wachfahren gilt, scheint es sich hier um
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Das Argument verrät aber deutlich ein gewisses Unbehagen gegenüber der Existenz und dem Fortbestand nichtislami scher Religionen, die ja eigentlich zu bestehen aufhören müssten, nachdem das "Siegel der Propheten" gesandt wur de (1). Im Osnanischen Reich scheint man die läge doch nach anderen Kriterien beurteilt zu haben (2), und das eben angeführte grundsätzliche Unbehagen, das man ja auch dort verspürte (3), manifestierte sich in Verhaltens weisen, hinter denen die Frage steht: wer ist Christ, bzw. was ist Christentum? den Versuch zu handeln, einen nachträglichen muslimischen Bruch der Dimma zu legalisieren. Die Logik dabei ist:"da man schon euren Vorfahren die Dimma ja nicht hätte geben können, so habt ihr selbst keinen Anspruch darauf." (1) Vgl» JUYNBOLL Handbuch S. 350 und Anm. 1), ferner HARTMAlffl Religion S:"TÜI7~ (2) WITTEKTs Versuch, aus dieser schafiitischen Doktrin heraus den scheinbaren Widerspruch von Devşirme und §arlca lösen zu wollen, halten wir für missglückt und vom Ansatz her unglücklich. Die Gründe werden wir im Schlusskapitel darlegen. Vgl. WITTEK, Paul: Devshirme and S h a n a. In: BSOAS 17 (1955), S. 271-278, fiesonäers "“2ΤΓΓΓ7“ (3) Vgl. auch die Argumente im Kapitel zur Kirchenpoli tik, besonders S. 72 f. und 95 ff·! Einen weiteren Be weis für das Unbehagen, das die islamische Seite ange sichts des Fortbestehens nichtislamischer Religionen verspürt, liefert uns Tin 17* Jahrhundert für das Osma nische Reich wieder ABU’ L-BAQA3 'Aqa^id fol. 160 r, wo er sagt, ein Muslim, dessen Vater Dımmî ist, dürfe die sen zwar von der Kirche nach Hause begleiten, nicht aber in umgekehrter Richtung ("Eir kimseniri babası kâfir olmağla kenise(ye) vardiqda varub babasını keniseden eve getürmek ğa’ izdir. Amma evden keniseye yediib alub gitmek ğa5iü değildir"). Das Argument karın hier nicht mehr da rin gesehen werden (vgl. oben S. 123 Anm. (1)!) dass der Muslim von der Existenz der Kirche keine Notiz nehmen soll: wenn er den Vaîer dort abholt weiss er ja, wo sich die Kirche befindet. Dass es sich um eine Kirche handelt,
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Im Kapitel zur Kirchenpolitik war schon von Beschneidungen dos christlichen Kultus die Rede; dabei wurde von der islamischen Seite argumentiert, liturgi sche Gesänge und Glockenklang seien nicht nur den Mus limen ein Ärgernis, sondern vor allem Gott selbst - ob wohl doch nach christlicher Auffassung beides zur Lob preisung Gottes erschallt - womit also die kultische Beschneidung muslimischen Vorstellungen entspringt und entspricht. Ferner war argumentiert worden, schöne Kir chen würden sich nicht mit darin praktiziertem Poly theismus vertragen, was auch wieder der islamischen Auffassung entstammt, die ja das Christentum für einen "nichtigen" {tatil) Glauben hält. Diese Positionen stehen in einer gemein-islamischen Tradition: in vorosmanischer Zeit war in Spanien und Ägypten den Christen die Beschneidung befohlen worden (die Konversion ist dann natürlich nur noch eine Frage des Lippenbekenntnisses!) mit der interessanten Be gründung, ihr Religionsstifter sei ja schliesslich auch kann auch nicht das Unterscheidungskriterium abgeben, denn er weiss dies, oder er weiss es nicht, ganz egal, ob es sich um Hin- oder Rückweg handelt! Wenn nun der Muslim seinen Vater von der Kirche abholt, so hat der Gottesdienst aber schon stattgefunden. Begleitet der muslimische Sohn seinen christlichen Vater aber zur Kirche hin, so würde er damit Zeuge (des Anfangs) vom Gottesdienst - und dies soll nicht sein: "wenn schon die Blindheit der Christen freiwillig ist, so dürfen doch nicht die Muslime die Zeichen dieser Untreue gegen Gott sehen»" (Vgl. oben S. 108 f.) Anders ausgedrückt: der Muslim darf zwar zur Kenntnis nehmen (wenngleich nur im plizit!), dass es einen anderen Kultus gab, nicht aber, dass es ihn demnächst wieder geben wird bzw. immer noch gibt!
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beschnitten gewesen, und das Beschneidungsfest würden sic als hohen Festtag halten (i). Dieses Argument ist natürlich originär islamisch, da es die volle Analogie zur nachahmenswerten bzw. verpflichtenden s u n n a des Propheten darstellt. Wiederholt wurde auch die Entfernung von Kreuzen, Statuen und Heiligenbildern aus Kirchen und sogar aus Wohnungen befohlen und in wahren Razzien durchgesetzt (2). Hier lag das Argument natürlich nicht in der "s u ηn a" Jesu, sondern in der alttestamentlichen Vorschrift. Es wurde auch versucht, die katholischen Priester Spaniens zur Heirat m zwingen (3). Hier konnte man frei lich schlecht die "s u η n a" Jesu bemühen, auch mit einer Vorschrift des Alten Testaments tat man sich schwer, und so bemühte man denn eine andere Analogie: die Priester der Ostkirche seien ja auch verheiratet! (1) FATTAI Statut S. 173 und 214. Das Argument mit der Beschneidung-CErîsti - hinter dem natürlich der Gedanke steckt: wenn die Christen nicht der "s u ηn a" Christi folgen, dann können sie schlecht "richtige" Christen sein - taucht auch in Religionsgesprächen in osmanischer Zeit auf. Vgl. etwa ARNAK1S, G.Georgiades: Gregory Palamas among the Turks and Documcnts of his CapÎîvıÎy as HfsTorIcaI~5öürces. Γη: Specürum~XXVr, I U95I7,~S. Γ04IIS,“ KTer "’ Circumcision’, they said, ’ was ordered by Güd from the beginning and Christ himself was circumcised; why are you not?'" 9 (2) FATTAT, Statut S. 183.CAHEK’ s Hinweis (EI* II 228), dass schon 3reî Jahre später das erste ikonoklastische Edikt erging, ist zwar zeitlich richtig, als kausale Er klärung aber nichtssagend: der Hinweis darauf, dass in christlichen Kreisen "die Zeit ohnehin reif war", kann den Bruch der einst ^gesagten Kultfreiheit nicht aus der Welt schaffen. Hier wirkten islamische Vorschriften, und nicht ein früher Ikonoklasmus! (3) FATTAL Statut S. 173-
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Nachdem also eine "theologische" Rechtfertigung sich nicht geben lässt, müssen wir die Gründe anderswo suchen. Es ist legitim, dabei das von den Muslimen selbst ge nannte Argument zu benutzen. Bei dieser Angleichung hätte man aber - mit derselben Logik! - den Priestern der Ostkirche die Frauen verbieten können (freilich schlecht von Spanien aus, aber aus den östlichen Reichs te ilen ist uns kein solcher Versuch bekannt) - und zwar just mit dein sonst angeblich relevanten Hinweis auf die "s u η n a" Christi! Aber ist es nicht für den katholi schen Priester schmählicher, verheiratet zu werden, als für den orthodoxen Popen, zum Zölibat gezwungen zu wer den? In dieeen Zusammenhang gehört auch der Erlass 'ümars II., demzufolge Dimmis nicht nur nur in Gegenwart eines muslimischen Beamten schlachten durften, sondern dabei den Namen Allahs und Muhammads anrufen mussten (1). Den Beamten kann man notfalls noch als "Fleischboschauer" oder dergleichen hinnehmen, was schon zu modern wäre, eher sollte man an ökonomische Zusammenhänge, etwa Re gistratur etc. denken, aber die Schlachtformcl selbst lässt sich nicht wegdiskutieren: hier wird wieder ein mal den Dimmis eine islamische kultische Vorstellung aufgezwungen (2). Wir werden eine ähnliche Praxis noch (1) FATTAL Statut S. 97. (2) Wir wercten uns im Nachwort noch irit der Frage zu be schäftigen haben, ob sich in all diesen Versuchen eine Absicht zur "Aussöhnung" der monotheistischen Religionen manifestiert. Vorerst körnen wir solche Versuche nur als das betrachten, was sie faktisch und normativ darsteilen: ein Zurechtstutzen dos christlichen Kultus nach islami schen Gesichtspunkten!
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in o Esmanı seher Zeit anführen, doch sei hier schon er wähnt, dass Kuräd IV. die Christen Galatas zwang, für ihn zu beten (1). * Wir beschäftigten uns schon mit dem Versuch einiger osmanischer Sultane, alle Christen des Reiches zur An nahme des Islam zu zwingen - wobei sie als Begründung die religiöse Verdienstlichkeit dieses Vorgehens angaben. Nachdem eine Massenbekehrung aber Schwierigkeiten bei der Durchführung erwarten liess (man darf hier nicht nur an steuerliche Mindereinnahmen, sondern durchaus auch an Revolten denken), wurden Bestimmungen erlassen, wel che die Dimmîs via Schikane zur Konversion veranlassen sollten. Zeitlich parallel und unbestreitbar auch inhaltlich zusammenhängend mit Kirchenschwund und den vielfältigen diskriminierenden Massnahmen finden wir im Osmanischen Seich des 16. Jahrhunderts den oben umrissenen kulti schen Überhang in vielen Bereichen: Die Ehesehliessung und -scheidimg wurde aus der (kultisch bedingten) alleinigen Zuständigkeit der Dimmls herausgenommen, indem diese erst eine Art "standesamt licher Trauschein" beibringen mussten, bevor sie "kirch lich" heiraten durften (2). Nach hanafitisenem (und schafiitischem) Ritus ist die Ehescheidung, wie sie Muslime praktizieren, auch (1) HAMMER GOR V ?12. (2) Vgl. obeiTS. 159 A m . (1)!
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unter Dimmis gültig (1). Die dreimalige Verstossung musste allerdings vor dem Scheriatgericht ausgesprochen werden. Ater: selbst wenn die verstossene Frau geltend macht, in ihrer (und ihres Mannes) Religion gäbe es kei ne Scheidung, und deshalb weiterhin mit ihrem Mann ver kehren will, ist ihr dies zu untersagen (2)! Man kann also nicht gerade von einer Beibehaltung des internen Rechts der Dimmis sprechen. Wir treffen hier wieder auf dieselbe Typologie, wie wir sie schon im Abschnitt zur Autonomie der Dimnls nachweisen konnten: zwar dürfen die Dimmis in bestimmten Bereichen nach ihrem eigenen Rcligionsgesetz verfahren, doch gilt dies nicht ausschliess lich, und in gewissen Fällen überhaupt nicht. Wenden sie sich aber an die islamische Justiz, dann gilt islamisches Recht auch gegen das Religionsgesetz der Dimmis. Dies widerspricht nicht mehr nur dem Geist, sondern sogar den Wortlaut der einmal gemachten Zusicherungen. Beim Wucher mag diese Bestimmung ja für den Benach teiligten recht segensreich gewesen sein, aber für eine verstossene Frau sieht die Sache anders aus: gerade da durch, dass sie Dimiyya ist, verliert sie jenen Rechts schutz, dessen Erhalt ihr die Dimma eigentlich gewähr leisten soll! Allerdings braucht die geschiedene Dimmiyya die Warte zeit (ciddet-i taläq) von 100 Tagen, wie sie für die Muslimin gilt, bis zu ihrer IViederverhoiratung nicht einzuhalten. Die Begründung dafür liegt nun ater nicht (1) FATTAL Statut S. 129. (2) So eine Felwä aus dem 16. Jahrhundert: DÜZDA* Sbussuüd Nr. 429.
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im islamischen Recht, sondern in der Moral (!) der Ungläubigen: die Wartezeit erfreut sich nämlich unter diesen keiner Wertschätzung (ictibär) (1)! Wir dürfen dies als einen zynischen Hinweis auf die Verworfenheit der Ungläubigen auffassen, deren Ehe (nach Malik) nur ein vom Islam geduldetes Konkubinat ist (2). Der Zynis mus ist umso mehr gegeben, als ja der selbe Scheich ül-Islam die (ethisch wertvolle) Unauflöslichkeit der christlichen Ehe (welche sich durchaus christlicher Wertschätzung erfreut!) untergräbt· Auch Ebu’ s-Su'üd tat das seine, um die Realität dem "Texte sacre" dc3 Korans anzupaasen (3). Es sei noch angemerkt, dass - obwohl den Dimmi-Gerichten Schied3sprüche in Erbschaftsangelegenheiten zu fällen zugelassen war - Dimmîs untereinander nur nach den Massgaben des islamischen Gesetzes erben konnten jedenfalls nach hanafitisehem Ritus (4), und der war im Osmanischen Reich die "offizielle" Rechtsschule. Sogar auf die lediglich tributpflichtigen Ragusaner scheint dieser Grundsatz angewandt worden zu sein, we nigstens mitunter (5).
(1) DÜZDAC Ebussuud Mr. 394 und 431. (2) FATTAL StäTürS. 127. (3) "Heil igcrTüäusuud, hast’ s getroffen!/Solche Heilge wünschet sich der Dichter;/Derm gerade jene Kleinig keiten/Ausserhalb der Grenze dft3 Gesetzes/Sind das Erb teil wo er übermütig,/Selbst im Kummer lustig, sich be wege!" sagt GOETHE im Divan über ihn. (4) FATTAL Statut S. 140. (5) Vgl. KFuSELITZ Urkunden Nr. lYüber einen erschlagenen Ragusaner: "malı her qanda ise bulub sercle sahibine teslim edesiz".
Das Nachbarschaftsverhältnis der Muslime und Dimmis Wir hatten schon oft Gelegenheit, auf die besondere Bedeutung des engen Zusammenlebens von Muslimen und Dimmis hinzuweisen, welches sich generell zuungunsten der Dimmis auswirkte. Spezifisch nachbarschaftliche Beziehungen, die zu funktioneller Koexistenz zwangen, gab es natürlich auch in konfessionell gemischten m a h a 1 1 ä t, was sieh nicht nur in gemeinschaftlich durchgeführten kommunalen Aufgaben äusserte, sondern mitunter auch in der Über nahme von Geld- und Personalbürgschaften zwischen Ange hörigen verschiedener Konfessionen - wobei zu vermuten ist, dass es sich um "Geschäftspartner" handelt. Aller dings dokumentiert sich dies häufiger in den Sigillat· von Kayseri und Ankara, als in jenen von Sofia und Ga lata. Da sich diese Beziehungen aber mehr aus der Orga nisationsform der m a h a l l e ergeben, sind sie nicht allzu aufschlussreich über jene Verhältnisse, die sich nicht auf das Viertel beziehen, sondern den mehr zwi schenmenschlichen Aspekt der Nachbarschaft betreffen. Aus osmanischeni Material ist hierüber naturgemäss wenig zu erfahren; zumindest die Protokollbücher der Kadis können über die o.a. Bürgschaften und Kaufver träge hinaus keinen besonderen Aufschluss geben. Einige ?etwas vermitteln uns gewissennassen das Gerüst der nachbarschaf11ieh en V erhältn isse zwischen Mu s1im en und Dimmis. An dem Bild, wie wir es bisher mitunter schon skizzieren konnten - wobei sich Abu Yüsufs These von der segensreichen Auswirkung des vorgelebten Beispiels als Zynismus und 3uphexisnus entpuppte - finderr. die
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Fetwas v/enig. Generell enthalten die Sammlungen mehr Hinweise auf trennende Faktoren; Vorschriften, die zwischenmenschliche Alltagsprobleme im Sinne einer kon struktiven Koexistenz lösen würden, lassen sich kaum hineininterpretieron. Die Beschimpfung eineg Muslim durch einen anderen, indem dieser sagte, ein bestimmter Dimml sei besser als der Glaubensbruder, schien Ebu’ s-Sucüd nur dann un bedenklich, wenn formuliert wird "seine Nachbarschaft ist besser als die deine", und nicht etwa gemeint war "sein Unglaube ist besser als dein Islam" (1). Ebenso durfte sich ein ffuslim von seinem christlichen Nachbarn Ostereier schenken lassen, sofern er diese "Verehrung" in Rücksichtnahme auf die nachbarschaftlichen Beziehun gen annahm, und dadurch nicht etwa dem christlichen Fest Ehre erwies (2). ABU’ L-BAQZ3 (17. Jh.) erklärt es für zulässig, dass ein Muslim auf Einladung (dacvetle) zum Gastmahl bei einem Christen geht. Dieser f a q ΐ h erwähnt - wie übrigens auch die Fetwasanmlungen - den umgekehrten Fall überhaupt nicht (3). (1) DÜZDAÖ Ebussuüd Mr. 384. (2) a.a.O. Hr. 391. Erinnert sei hier an 7,ygomalas, der seinem muslimischen Nachbarn ja auch wegen der nachbar schaf tlichen Beziehungen Fisch "verehrte", was diesem sein gutes Recht zu sein schien; vgl. ober: S. 245 ff* (3) ABU’ L-BACiA5 ^Aqa^id fol. 160 r: "Kaşranı ziyafetine dacvetle varmaq Heläldir." Es ist klar,"dass der Christ durch Einladung und Bewirtung dem Muslim Ehre erweist. Dazu verpflichten ihn die s u r ü t. Deshalb wäre es ana chronistisch zu sagen, der Muslim erweise seinerseits seinen Nachbarn ihre, wenn er der Einladung natihkommt: sie steht ihm ja zu! Geht man aber davon aus, dass der
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Der Muslim darf zwar kondolieren, aber er darf dabei nicht sagen, er wünsche, dem verstorbenen Dimmî würden seine Sünden vergeben (1). Zeigt dies schon eine absolut unversöhnliche Einstellung noch über den Tod hinaus, so geht Ebu’ s-Sucud noch einen Schritt weiter. Auf die Fra ge: "Was hat mit (dem Muslim) Zeyd au geschehen, wenn dieser anlässlich einer Hochzeit von Ungläubigen (mit der islamischen Formel ’ mübarek olsun’) Sogen wünscht?" antwortete der Scheich ül-Islam: "Wenn er ’ mübarek’ sagte wird er (selbst) Ungläubiger." (2) Häufiger aber finden sich Fragen, die mit der ritu ellen Reinheit von durch Dinraîs geschlachteten Tieren Zusammenhängen: - Es ist unschicklich (lâ3ik değildir), dass ein Dimmi-Metzger ein Opfertier der Muslime schlachte. Man soll dies fürderhin unterlassen (3). Dies weist wieder auf eine restriktivere Dimraî-Politik in derselben Zeit hin, wo wir eine solche schon in Gastgeber durch die Einladung und Bewirtung dem C-ast Ehre erweist - und nicht umgekehrt der Gast dem Gastge ber, indem er der Einladung nachkommt - so wird klar, warum der umgekehrte Fall (ein Muslim lädt einen Bimmî ein) in unserem Material nicht auftaucht: es ist verboten_j_ einem Dimmî Ehrerbietung zu erweisen. Auch ABU’ L-BAQA3 sagt T cAqa3id fol. 160 v) "zimıu taczîra haram dır”. _ (1) FATTAL Statut S. 2.11. ABU’ L-BAQA3 lAqä’ id Lol. 160 v. schlägt SenTMuslim, der einem jUdiscEen7cKristlichen Nachbarn, dem Sohn oder Tochter gestorben war, kondo liert, die Formel vor: "Gott möge dich mit dem Islam aus söhnen und dir einen muslimischen Sohn schenken!" Die imanente Beleidigung sieht man, wenn man sich den from men Wunsch bei umgekehrten Verhältnissen denkt. (2) DÜZDAG Übussuud Nr. 501. (3) a.a.O. JTr. 375-
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anderen Bereichen nackweisen konnten. - Dag Fleisch eines von einen Dinunî unter Anrufung des Namens Gottes (1) geschlachteten Opfertiers ist nur als Fleisch, nicht aber als Opferfleisch erlaubt (2). - Der Verzehr eines von einem Juden geschlachteten Ham mels ist nur erlaubt, wenn der Jude unter Anrufung Gottes (besmele ile) schlachtete (3). (Hier geht es schon nicht mehr allein um Opfertiere!) - Es ist verwerflich (makrüh), einem Dinanî ein Opfertier zum Schlachten und Abhäuten zu geben. 3s ist aber zu lässig, dass der Muslim schlachtet und der Dimraî ab häutet (4). - Es ist unschicklich, einen Ungläubigen Opferfleisch geben; dies kommt allein den Muslimen zu. Eine Geldspende ist aber zulässig (5)ku
Von diesen Regelungen war natürlich nur eine Berufs gruppe betroffen. Über rein zwischenmenschliche Bezie(1) Ob die Dimmls im Osmanischen Reich auch für den "Ei genbedarf" unter Anrufung Allahs schlachteten, liess sich nicht klären; vgl. oben S. ?58! Die entsprechende Formel lautete vermutlich wie heute. Wir haben sie von mehreren Metzgern Istanbuls erfahren, und geben sie des halb neutürkisch wieder: "Bismillahirrahmanirrahim, allahü ekber, allahü ekber, allahü ekber, bismillahi, allahü ekber." Mit dem Aussprecher: dieser Formel nimmt der Dimmi den Islam natürlich nicht an - nach der Lehre. (?) DÜZDAG Ebussuud Kr. 576, (3) a.a.O. Hr7~577J vgl. auch oben Anm. (1)! (4) a.a.O. Nr. 378. (5) a.a.O. Sr. 379^ ABITL-BAQA3 'Aqä’ id fol. 193 r/v differenziert: Zakat an den Dimmî~îsÎ nicht zulässig, wohl aber ein Almosen anlässlich des Fastenbrccfcensv (gadaqat-i fi.tr), sofern es nicht später als am 1. Sawwal gegeben wird - sonst ist es Sünde.
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hungen sagen die Fetwasammlungon wenig aus, was sich nicht erkennbar auf einen Einseifa]1 bezöge. Nachdem den Dimmis ganz allgemein keinerlei Wert schätzung gezollt werden darf, verwundert es nicht, wenn Sbu’ s-Sucüd die Frage, wie ein Muslin denn einen Ungläubigen grüssen solle, mit dem Hinweis beantwortet, es sei nichts Schlimmes (be^is yoqdur), einen Dimmî mit. der bekannten Formel "es-selärnu ‘ aleik" zu grüssen sofern der Muslim damit die Absicht verbindet, den Dimmî zur Konversion zu bewegen (1)! Dieser Einschub ist freilich wichtig, weil er das Motiv der Abweichung von der orthodoxen Ansicht (2) nennt, das wir noch in anderem Zusammenhang troffen werden. Dass Dimmis keine Häuser bewohnen dürfen, die mit Koranversen geschmückt sind (5), braucht nicht mehr ge sondert begründet zu werden, nachdem sie generell in keines: schmucken Haus wohnen dürfen (wir erachten die saloppe Übersetzung von "müzeyyen evler" mit "schmucke Häuser" inhaltlich und auch der Plastizität wegen fiir legitim). Da auch die Reisenden keine Angaben zum Nachbarschaftsverhältnis von Muslimen und Dimmis machen, die über die schon erwähnten Details und Allgemeinheiten hinausgehen, können wir die soziale Umwelt der Dinunls so charakteri sieren: (1) DÜZDAfi Ebussuud Er. 380. (2) ABU’ L-B5$t*~bezieht diese Position^ wenn er (cAqa^i_d fol. 16C v) sagt, man solle einen Diaml nicht ohne“fBe-_ sondere) Hotwendigkeit grüssen ("zimmiye bilä hağet se lam verilmez"). (3) DrJZDAG Zbussuûd Kr.401. Vgl. auch BERGSTiUSSSH Grundzüge S7-43~zür Begründung.
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- Die physische Präsenz von Dimaııs erregt Ärgernis. - Die Ausweitung und/oder Pervertierung der s u r ü t zwingt die Dimmîs in eine gedemütigte Stellung, - Aufgrund ihres inferioren Status sind sie Schikanen ausgesetzt, die teils direkt, teils indirekt (durch die Begleitumstände) scheriatrechtlich abgesichert sind. Die daraus resultierende Demütigung der Dimmîs wird durch die Implikation der christlichen Ethik ver stärkt. Der Dimml-Status ist doppelt prekär. - In einer allgemein ihnen feindlichen - dimnophoben Umwelt lebend, ist der Alltag der Dimmîs von Stiche leien (1), Angst, Unsicherheit, Erniedrigung und Schikane bestimmt - wobei jedes Detail und jedes Handlungsmuster seine scheriatrechtliche Legitimation hat. Hachdem all dies aber ein Ausfluss des Fehlens von Ghettos ist, müssen wir Abu Yûsufs Begründung für das gemischte Wohnen noch einmal näher betrachten: er sieht das Wohnrecht der Dimîs in islamischen Städten und Vierteln darin legalisiert, dass sich die Dirnîs durch (1) Die Sticheleien bewegten sich keineswegs nur auf der Ebene eines pseudo-religiösen Disputs, und bezogen sich auch nicht nur auf die zu schmähende Religion der Dimmls, sondern betrafen auch recht weltliche Dingo im "everyday comportment" derselben. Nur der Vollständigkeit halber seien zwei Beispiele angeführt: LESCALOPIÜR Voyage fol. 32 v sagt über die Türken: "ilz ne se proumenenî'îans le logis ni ailleurs si ce n ’ est en leurs iardins Et disent que cest. vr:e action de singe". Die unterste Gren ze des ''RelevanzbereTcEs^giEt“BISSAMO Costumi S. (125): "E se vedono Turchi alcuno Christiane o”aIîrı che orini stando in piedi, gli dicono, et talvolta gli fanno grandissim’ingiurie, diccndo che l ’ orinaro in piedi e cosa da bestie."
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das vorgelebte Beispiel der Muslime ein besseres Bild vom Islam machen, und folglich zur Konversion veran lasst werden können. Nun erweist sieh diese Wohnerläubnis (die einerseits das Ghetto-Prinzip verwirft, andererseits aber die dis kriminierenden Massnahmen erst "nötig" macht, vgl. oben 5« 223 ff.) aber keineswegs als tolerante, auf Koexi stenz abzielende Bestimmung. Das Gegenteil ist der Fall: sie dient expressis verbio dem Zweck, die Dimmis zu islamisieren. Zwar ist dies aus muslimischer Sicht ein gottgefälliges Ansinnen, aber es ist der "Toleranz" und auch den gemachten Zusicherungen entgegengesetzt. Allein die 'Formulierung selbst aber ist schon irre führend: den Dinunîs sei es erlaubt, sich in den Städten der Muslime anausiedeln - dies suggeriert ja eine Asyl situation (etwa wie im Falle der spanischen Juden im Osmanischen Reich), was aber der Mehrzahl der historischen Gegebenheiten nicht entspricht: schliesslich waren es die Muslime, die sich in christlichen und jüdischen Städten ansiedelten! Freilich konnte Abu Yüsul’schlecht formulieren, die Muslime ihrerseits dürften sich in christlichen Städten ansiedeln! Schliesslich hatte ja der Islam diese Städte nicht erobert, um nicht darin zu wohnen (1)! (1) So ärgerten sich die nach der Eroberung Konstanti nopels dort zwangsweise angesiedelten Türken, dass sie Pacht für die ihnen eingegebenen Häuser zahlen sollten. cAsiqpasazäde lässt sie schimpfen: "Habt ihr uns hier her gebracht, um Miete für die Häuser der Ungläubigen zu zahlen?" Vgl. GIESE Grundlagen S. 269.
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Andererseits wird im konkreten Dimma-Vertrag den Dimmis der Besitz an ihren Immobilien bestätigt, es be dürfte also weder einer zusätzlichen Genehmigung, noch gar einer (im Tone beinahe entschuldigenden) Begründung dafür, dass sie dort auch weiterhin wohnen dürfen. In der Tat bietet diese Situation allein keine Schwie rigkeiten: es handelt sich dann um eine reine Dimml-Siedlung, vielleicht mit einer kleinen muslimischen Garnison und einigen Verwaltungsbeamten (der frühisla mische Staat kannte diesen Typus sehr wohl). Die "Schwierigkeiten" entstehen erst durch verstärkte muslimische Besiedlung, und hier ist es nun aufschluss reich, Abu Yûsufs Argument genauer au betrachten. Die Situation liesse sich nämlich auch so lagalisieren: a) Das Wohnrecht der Dimmis resultiert einfach daraus, dass ihnen der Besitz an Immobilien vertraglich zu gestanden wurde. b) Das Wohnrecht der Muslime resultiert aus der Unter werfung der Dirmnls. (In den frühen Verträgen ver pflichteten sich die Muslime ja sogar, nur in ver lassenen Häusern zu wohnen, bzw. in solchen, deren Besitzer die pimir.a gebrochen hatten.) Nachdem also die Legalisierung des Wohnrechts beider Parteien keinen Schwierigkeiten begegnet, sollte auch die Kombination legal sein. Doch dies war offenbar strittig. Die Situation gemischten Wohnens war den Mus limen unbehaglich. Man darf dahinter ein weiteres Indiz dafür sehen, dass die Dimmis - zumindest auf Dauer - ein Ärgernis darstollerw Um dieses zu verhindern böte sich
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eine Lösung durch Ghettos an. Dem könnte zwar die zu gesicherte Besitzstandwahrung entgegenstehen, aber das ist ja nun nicht das Argument Abu Yusufs! Dor f a q I h wendet sich mit seiner Argumentation §eS£n eine Ghettobildung, er optiert für "buntes Durcheinander"! Und seine Begründung liegt nicht in den (immerhin einst vertraglich zugesicherten) Besitzverhältnissen, sondern nur im erhofften Integrationseffekt! Wäre dieses Argu ment toter Buchstabe einer verstaubenden Fiqh-Litcratur, und nicht geübte Praxis gewesen, so könnten wir es als "Alibi" gegenüber den Muslimen interpretieren. So aber sehen wir die erklärte Absicht als geschichtlich wirk same Kraft! Das Argument ist in mancherlei Hinsicht interessant: zum einen gibt es mehrere konkrete Analoga nach dom Grundsatz, dass dio Hoffnung auf Konversion eine Aus nahme rechtfertigt, etwa bei Moscheebesuch. (Dabei darf man aber nicht übersehen, dass die Ausgangssituationen grundlegend verschieden sind: es ist den Di m m s zwar verboten, eine Moschee zu betreten - ausser wenn Hoff nung auf Konversion besteht - es ist ihnen aber nicht grundsätzlich verboten, in ihrer. Städten h u wohnen - im Gegenteil: dieses Recht wurde ihnen vor dor Unterwerfung zugesichert! Wenn dann Muslimo in diese Stadt zuziehen, gilt das Wohnrecht der Dimmis weiterhin nur, weil Hoff nung auf ihre Konversion besteht. Die angebetene Dxmma ist auch hier wieder mit der üurchgeführten nicht iden tisch. ) Zum anderen stellt sich die Frage, wie gross eigent lich der Schritt von Abü Yûsufs Argument- zu der Formu lierung ist-: die Diır.mîs dürfen in der: Städten der Mus-
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lime wohnen unter der Auflage, in absehbarer Zeit au konvertieren. Oder, anders gefragt: was geschieht, wenn die Dimmis dio Hoffnung auf Konversion enttäuschen wegen der ihnen das Wohnrecht ja eingeräumt wurde? Nun, nachdem die Dimmis ja das Alltagstreiben der Muslime (das ''vorgelebte Beispiel") nicht verfolgen durften, konnten sie durch dieses Faktum - das ja das Wohnrecht mitbogründet - wohl schlecht zur Konversion veranlasst werden. Just hier kommen nun aber die dis kriminierenden Faktoren zum Tragen: hier erwächst den Schikanen (die mit dem engen Zusammenleben entschuldigt werden!) komplementäre Funktion. Das enge Zusammenleben ist nicht die Entschuldigung (sonst könnte man ja das Ghettomodell anwenden!) für die diskriminierenden Mass nahmen, es ist ihre Voraussetzung (übrigens auch im zeitlichen Ablauf!)! In Falle einer ghettomässagen Struktur der Städte wären die Schikanen der täglichen Berührungspunkte und Reibereien nämlich nicht nur nicht "nötig" (hier auf der wertneutral-normativen Ebene) sie wären gar nicht möglich! Hun konnten wir aber nachweisen, dass 3edrückung und Erniedrigung bewusst als Mittel zur Konversion einge setzt wurden - und das gemischte Wohnen wird ebenfalls in dieser Hinsicht begründet. Gemischtes Wohnen und die diskriminierenden Massnahmen sind sich also komplementär. In diesem Kontext müssen wir - von der verfolgten Stra tegie her - Abu Yûsufs Argument anders formulieren: die Dimmis sollen (andernfalls könnte er das Ghetto vor schlagen!) mit Muslimen "durcheinander" wohnen, weil sie sonst nicht genügend schikaniert werden können, um letzt lich den Islam anzunehmen'
DRITTES KAPITEL Pros elv terunacher ei Vorbemerkung Die s u r u t - und in ihrer Folge die meisten kon kreten Dimma-Verträge - geben die Zusicherung, keinen Dimml "mit Gewalt" zum Muslim zu machen. Gleichzeitig aber verpflichten sich die Dimmis, keinen aus ihren Reihen an einer "freiwilligen" Konversion zu hindern. Somit war die Möglichkeit von Konversionen schon vor gegeben - freilich nur in eine Richtung. Diese Konstellation lässt sich nicht nur mit der der Gerichtsbarkeit vergleichen (der Dimmî kann sich ans Scheriatgericht wenden), sondern auch mit jener der Kirchenpolitik (es gibt nur einen Zuwachs an Moscheen, bei Kirchen kann es nur "Einfrieren", in praxi aber nur Abnahme geben). Und genau wie bei letzterer halfen die Osmanen der möglichen Verschiebung kräftig nach, indem sie aus dem Reservoir der Dimmis in mehr oder minder re gelmässigen Abständen - und freilich auch (wie bei der Kirchenpolitik!) entgegen einst gemachten ZuSicherungen junge Männer mit Gewalt aushoben, und zu Muslimen mach ten. Die Frage des d e v ş i r m e soll aber an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden; wir wollen uns hier nur mit jenen Renegaten beschäftigen, die den Islam "freiwillig" annahmen, und die vorher Dimmis waren, so wie mit jenen, die als Kriegsgefangene ins Osmanisehe Reich gekommen waren. Europäische Abenteuerer klammern wir aus der Untersuchung aus, weil sie für unsere über
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geordnete Fragestellung nur ganz am Rande von Bedeutung sind. Sie werden nur dort erwähnt, wo die sie betreffen den Handlungstypen auch für andere Kategorien massgeb lich sind. "Zwangs bekehrung" Der Terminus kann für Christen und Juden eigentlich keine Anwendung finden, da er sich primär auf die Si tuation der arabischen Heiden bezieht, die nur die Wahl zwischen Annahme des Islam und Tod durch das Schwert haben - zumindest nach der reinen lehre. Der Schrift besitzer kann aber Dimml werden, statt den Islam anzu nehmen - das ist mit der Formulierung gemeint, er würde nicht zum Islam "gezwungen". Es kann sich aber für den Dimml trotzdem eine Situ ation ergeben, in der er den Islam gewissermassen "unter Zwang”annimmt, etwa wenn er sich dadurch der Strafver folgung entzieht. Hat ein Dinrnii beispielsweise einen Glaubensbrudcr erschlagen, und es gibt für diesen Vor fall keine muslimischen Zeugen, wohl aber nichtmusli mische, so kann er sich vor der Bestrafung (und auch vor dem Prozess) retten, indem or zum Islam Übertritt, weil das Zeugnis von Dimmîs gegen einen Muslim nichtig ist - er kann sich die Zeugenaussage gleich sparen. Das selbe gilt natürlich auch bei weniger drastischen Ver gehen. Für Fälle, wo der Dimml aber erst durch aktive Mithilfe von Muslimen, gelegentlich aber auch nur durch Verleumdung, in eine prekäre Situation geriet, die eine Konversion nahelegte, um sich der möglichen Bestrafung zu entziehen, wollen wir den Terminus "Zwangsbekehrung" apostrophiert anführen.
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1. Konversion von Miamis Allgemeines KISSLING hat in einer Vergleichsskala der Anfällig keit für Konversion darauf hingewiesen, dass die Tat sache, dass Griechen (und Albaner) weitaus häufiger konversionsbereit waren, als Kroaten oder gar Ungarn, weniger eine Frage des Volkscharakters ist, als vielmehr mit der Zeitdauer der türkischen bzw. islamischen Herr schaft in den betreffenden Ländern zusammenhängt- (1). Die Anfälligkeitsskala entspricht der Reihenfolge der Unterwerfung: "Es liegt also der Gedanke nahe, dass sich bei den am frühesten unterworfenen Griechen bereits die nationale Resignation eingestellt hatte" (2). Nun ist die "nationale Resignation" mehr eine Voraussetzung auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene, zu der erst noch individuelle Aspekte hinzutreten müssen, um den GlaubensWechsel zu vollziehen. KISSLIHG führt das Spek trum der Vorteile eines solchen auf: wirtschaftliche Besserstellung, volle Rechtsfähigkeit, Steuerfreiheit, sowie alle Aufstiegsmöglichkeiten. Wir haben das nega tive Pendant dieser Vorteile schon eingehend geschil dert, und es ist klar, dass die Lebensumstände der Dim mis generell einen GlaubensWechsel nahelegten - was ja auch das erklärte Ziel der restriktiven DinmT-PoIitik war. Je länger aber die Dimls in ihrer von Angst-, Un(1) KISSLIt'JG, Hans-Joachim: Dää_Renegatentum_in_der Glanzzeit des Osmanischen Reiches. In: Scientia 55 Î196ÎT, S. 18-26. Wir zitieren nach dcir. Sonderdruck, hier S. 5 f. (2) a.a.O. S. 6.
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Sicherheit, Demütigung und Schikanen bestimmten Umwelt lebten, umso ratsamer musste ihnen eine Konversion er scheinen, da sie der einzige Weg zu dem war, was wir heute als "menschenwürdiges Dasein" bezeichnen. So sieht etwa MENAVINO den Anreiz zur Konversion so wohl in der Befreiung von der Kopfsteuer, als auch vom osmanischen "Joch" schlechthin (1). Nachdem aber die Lebensumstände der Dimmis recht bedrückend waren, kann man kaum von "freiwilliger”Konversion sprechen: dieser Begriff könnte streng genommen nur beim Vorlicgon einer echt religiösen Motivation Anwendung finden. Wir haben schon öfter darauf hingewiesen, dass die schikanösen Massnahmen nach Ansicht der f u q a h ä 5 und der Poli tiker ja gerade den Druck ausüben sollten, der die Dim mis zur Konversion treibt. Sem Argument, man müsse einen Hichtmuslim nur genügend bedrücken, begegnen wir auch in der Praxis - was uns an dieser Stelle nicht mehr ver wundern sollte. So beklagte sich etwa der Grosswesir Rüstern, der kaiserliche Gesandte BUSBECQ gehe nicht auf seine Friedensbedingungen ein, obwohl er schikaniert werde: "Viele Jahre schon halte ich ihn auf allerlei Weise eingeschlossen, ich mache ihm Last und behandle ihn rauh...Ein anderer wäre, um den Belästigungen /r,u ent gehen, wohl schon längst zu unserer Religion überge treten: der denkt nicht daran" (2). (1) "Et quanso s'i ritroua aleun Christiano che di prop rio uolere confessato Mahomctto uoglia esser circonciso; laqual cosa spesse uolte accade, per il grauissimo giogo et carico del tributo...Et per disiderio di questo guadagno raolti Greci...ct Albanosi..,si fanno circoncidere"; MENAVINO Vita et legge fol. 69 v. (2) BUSBEOTBriθΓβ^ΓΊ39.
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Es befremdet einigermassen, dass der Grosswesir sich darüber wundert, warum BUSBECQ durch die Schikanen nicht schon längst Muslim geworden sei - wo er ihn doch be drückte, weil er nicht auf seine politischen Forderun gen eingehen wollte! Dies zeigt uns aber sehr plastisch, wie sehr das Muster "Druck führt zu Konversion" schon eingebürgertes Gemeingut war. Auch während der Schuldhaft KRAFFT’ s tauchte dieses Argument auf:
..villeicht möchtt Ich durch hartt
haltten apostatiern.. ( 1 ) . Nachdem also klar ist, dass der Islam die Nichtmus lime auf seinem Territorium nicht einfach bedrückt, um diesen ihren minderen Status (quasi in schulmeister licher Art und Absicht) "vor Augen zu halten", sondern um sie durch diesen Druck zur Konversion zu treiben, können wir dieses Verhalten als Proselytenmacherei be zeichnen. Im Folgenden sollen die dabei auftretenden wesentlichen Handlungstypen und die begleitenden Mass nahmen untersucht werden, die über die früher schon ge schilderten Faktoren hinausgehen. Spezielle Konversionsmotive Religiöse Überzeugung Echte religiöse Überzeugung als Grand zur Annahme des Islam ist in den Quellen kaum auszumachen. Nur bei LESCALOPIER (2) findet sich der Fall eines Franzosen, der über Katholizismus und Calvinismus zum Islam ge il) KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 239. (2) LESCALOPTIS_Vöyâğe“ fοΓ.~Μ~7Ά?~τ.
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kommen .war, und der behauptete, dies sei auf der Suche nach der besten Religion geschehen. In ähnlichen Fällen mag die islamische ParadiesesVorstellung - sicher nur in ihrer Rezeption durch Europäer (1) - eine gewisse Rolle gespielt haben, wie andere, teils nur sehr locker mit dem Glauben selbst verbundene Faktoren, wie etwa die Polygamie oder generell die Tatsache, dass der Is lam weniger leibfeindlich ist, als das Christentum. Dass aber Renegaten nicht auf den gewohnten Weingenuss verzichteten, darf als gegeben betrachtet werden (2)„ Wir werden uns später mit der Frage beschäftigen, inwie fern die islamische Seite von der Lauterkeit des je weiligen Motivs überzeugt war, und ob dies überhaupt eine Rolle spielte. Flucht vor Bestrafung GERLACH sagt über dieses Motiv: "Dieweil alle/auch die allerloseste Leute Vergebung allen ihres Verbrechens erlangen/wann sie nur ausa Christen oder Juden Türcken werden/und werden um dieser Preyheit willen viel Griechen zu Türcken/dasz sie thun was sie wollen/und nicht also unterm Joch ge spannen sein dorffen" (3). (1) Erhalten sind uns solche Vorstellungen u.a. bei LUBEIiAU Reisen I 232, SCHWEIGGER Constantinopel vnd Jerusalem“?. 189 f., POSTEL De la Hepui>ITque S.~57, FEESKE^DSNiKE Voyage S. 118. (2) Dies bericETen-fast alle Reisenden aus eigener An schauung. (3) GERLACH Tage=Buch S. 99. Vgl. auch HUART, Clement: Les saints des äcrviehes tourneurs Bd. I Paris 1918, S. 2i?-f7~îıe“5e]câünTe-GescHircEÎe-über den griechischen Mörder Thiryanos, den Öalaluddln Rüral dem Zugriff der Justiz entzieht, indem er ihn "bekehrt".
Das konkrete Vergehen, das dem Vcrsuch, sich durch Konversion der Strafe zu entziehen, vorausgegangen war, war nur in wenigen Fällen im reinen Dimraî-Milieu ge schehen. Dass wir über solchc Fälle wenig aus türki schem Material erfahren, mag allerdings daran liegen, dass es nicht zu einem Prozess kam, da ja die Dimmîs gegen einen Muslim (und folglich gegen einen Renegaten) kein Zeugnis geben können (1) so hoch ihre Zahl auch (1) Wir sollten einen Blick auf die Begründung dieser eigentlich gut bekannten Tatsache werfen- tvğl. FATTAL Statut S. 561-365). Die Zeugenaussage eines Dimmîs wird 5ıcEî-angenommen in einem Prozess um einen Muslim. Der "Unglaube" legt nämlich schon an sich den Verdacht auf schlechte Sitten und Unmoral nahe, was die Fähigkeit zur Zeugeru-chaft notwendig untergräbt. Anders ausgedrückt: der Dimmî kann schon ob seines Glaubens nicht hinrei chend ' ä d i 1 sein: zwar ist das Zeugnis eines Muslims abzulehnen, wenn dieser nicht ' â d i l ist, das eines Dimmls aber i s t a f o r t i o r i abzulehnen, denn vor dem Gesetz "un Musulman malhonncte vaut mieux qu’ un Dimmî honnete” (FATTAL a.a.C. S. 361). Dem Dinımî wird prin zipiell misstraut, weil sein Glaube Unmoral (die oft schon erwähnte "Verworfenheit") impliziert. Ausserdem hegt er ja grundsätzlich einen Hass gegen die Muslime, und versucht, dieser, zu schaden - daher wird vorausge setzt ur.d unterstellt, dass der Dimmi "lügt". Nach den f u q a h ä 1 leitet sich die Unfähigkeit der Dimmîs zur Zeugenschal't aus folgenden Koranversen ab: "Und da er regten wir unter ihnen Feindschaft und Hass" (Q V 14). (Vgl. auch Q, III 118: "Sie werden Dicht müde, Verwirrung unter euch anzurichten, und·möchten gern, dass ihr in Bedrängnis kommt (Oder: zu Fall kommt?). Aus ihren Äusserungen ist (schon genug) Hass kundgeworden. Aber was sie Tan Hass und Bosheit) insgeheim in ihrem Innern hegen, ist (noch) schlimcer" und ferner Q II 120: "Die vTuden und Christen werden nicht mit dir zufrieden sein, solange du nicht ihrem Bekenntnis folgst.") Heben dem darin begründeten Misstrauen - das die Nichtmuslime na türlich gemäss der Schrift allein verschulden! - berufen sich die f u q εh a 3 ater auch auf normative Vor-
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sein mag: selbst das Zeugnis eines ganzen Dirnmî-Dorfes gegen einen Muslim ist - sogar wenn dieser einen Mord beging - schlichtweg nichtig (1). Wir wollen ein mar kantes Beispiel anführen, das für sich seihst spricht: Im Sigillät von Kayseri findet sich die Klage zweier Dimmis gegen einen dritten, er habe einen anderen Dimml erschlagen. Gleich nach diesem Eintrag steht die Aussage des Angeklagten, er habe aufgehört, Ungläubiger zu sein, schriften: "Und nehmt zwei rechtliche leute vor* euch zu Zeugen" (Q LXV 2). (Vgl. auch Q II 282: "Und nehmt zwei Männer von_eueh zu Zeugen.") Ein Muslim kann aber gegen einen Dimmi Zeugnis ablegen. Diese Ungleichheit begrün den die f u q a h a 5 mit dem Prophetenwort "Der Islam herrscht und kann nicht beherrscht worden" (FATTAI. Statut S. 363). Wenn wir nun einen Blick auf die Argumentation im 16. Jahrhundert werfen, so zeigt sich natürlich wieder Kongruenz: nach Ebu’ s-Sucüd wird die Zeugenaussage von Dimmis gegen ihren Sipahi schon deshalb nicht angenommen, weil man dabei der. Hass übersehen würde, den die Ungläu bigen gegen Muslime hegen (GRIGKASCHI Temoignage Nr. IV). Andererseits räumt Ebu’ s-Sucud ein (a.a.ö. ftr.^I), die Zeugenaussage eines Juden gegen einen Christen sei zu lässig, weil Lüge und Falschaussage in diesen Religionen verboten_sei. Wir können nun dreierlei folgern: (a) Wenn ein Dimmi gegen einen Muslim aussagt, so ist es irrele vant, dass er die "Wahrheit" sprechen könnte, denn auf grund göttlicher Offenbarung hasst er jâ~3îe Muslime^ Es geht also nicht um "Wahrheitsfindung", (b) Wenn Dimmis ihre Rechte (via Zeugenaussage) nur dadurch sichern kön nen, dass einem Muslim Schaden entsteht (selbst wenn er "Strafe" verdient hätte), so muss dies verhindert werden (vgl. auch Q, IV 141: "Und Gott wird den Ungläubigen kei ne Möglichkeit geben gegen die Gläubigen (vorzugehen)"), (c) Wenn Dimmis - was ihre Religion y.war verbietet - sich gegenseitig belügen, so erfüllt sich wiederum nur die Schrift: "Und da_erregten wir unter ihnen Feindschaft und Hass" (Q V 14). Übrigens ist ein auf falschem Zeugnis gründendes Urteil gültig; 3ERGSTSASSER Grundzüge S. 117. --------(1) DÜZDAÖ Übussuud Br. 424.
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und sei Muslim geworden. Darauf folgt kein Eintrag mehr in diesem Zusammenhang (1). Dies ist übrigens der einzige Fall in unserem Material, in dem sich ein Konversionsmotiv direkt aus einer osmanisehen Urkunde ergibt. Wir sind - von Konversionen im Divan einmal abgesehen - für andere Bereiche ganz auf die Mitteilungen der Reisenden angewiesen. Dort findet sich Glaubenswechsel im Sinne einer "Zwangsbekehrung" fast ausnahmslos in Zusammenhang mit Strafen, die sich aus dem Bruch der Dimma, bzw. aus der Verletzung der s u r u t ergeben: Schlagen, Schmähen oder gar Ermordung eines Muslim, Schmähung des Korans oder des Propheten - bzw. eine Tat, die so ausgelegt wurde, sowie ferner auch Unzucht mit einer Muslimin (2). Dass hierbei nicht nachweisbar die angedrohte Strafe gleich die Todesstrafe gewesen wäre, ändert nichts an der Angst der Täter; auf dem Hintergrund der allgemeinen Lebensumstande der Nichtmusiine mochte auch durchaus schon die Androhung einer 3astonade von zweihundert Schlägen hinlänglich zur Konversion reizen. Zur "Begna digung" führte die Konversion freilich nur, wenn sie vor dem Urteil, oder gar noch vor Prozesseröffnung er folgte. (1) JENNINGS Kayseri S. 157. (2) So bei BElöfl'öläservations fol. 191 v, BASSAKO Costumi S. (85), PÖSTEETSe la Republique S. 40 f., m m m Vita et_legge fol. 55 ν,~ε9~ν, 3REÜNING OrientaliscEe Eeysz §. 14 und 87, DERNSCHWAM Tagebuch 57 Ι Γ ΓF. und ΙΆΤ, RAUWOLFF Raisz S. 398, KRAFFT'^eisen und Gefangenschaft S. 142, HEIFFRICH Warhafftiger~EerlöSTTöI7"3B5"v7"GE0RGIJEVIC De origine~roI7~G~7~v7
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Die eben aufgeführten Faktoren haben aber bei eini gen Reisenden mehr den Charakter einer Warnung als einer Schilderung realer Begebenheiten; ein spezieller Wert kommt dieser Typologie in Zusammenhang mit der "Invania" zu, die wir im nächsten Kapitel behandeln. Konversion als "Nachfolgetat" Wir subsumieren unter dieser Bezeichnung jene Kon versionen, deren direktes Motiv sich nicht erschliessen lässt, wo wir aber wissen, dass ein (meist naher) Ver wandter des Konvertiten schon seit längerer Zeit Muslim war. In diesen Fällen war freilich Familiensinn weniger ausschlaggebend als vielmehr Überredung oder Beispiel (das "vorgelebte"!). Die türkischen Quellen zeigen die Hintergründe allerdings nicht auf, doch haben wir bei einigen Reisenden solche Vorgänge, die sieh untereinan der ähneln, und deren Kriterien sich auf in osmanischem Material belegbare Fälle übertragen lassen. So berichtet etwa GERIACH von einem Bediensteten des Grosswesirs, der seinen Bruder und einen Freund aus Deutschland zu sich nach Istanbul einlud, und ihnen an gelegentlich der Begrüssung auch gleich die Vorteile einer Konversion klarmachte: "Wie sie nun gen Constantinopel zu Martins Bruder ge kommen /hab er so bald an sie gesetzt und begehrt/sie sol len Türcken werden/ihnen fürgehalten/wie er so gute Sache habe/jährlich so viel Einkommens von seinem Timar/ schöne Kleider von; Bassa/dörffte darbey nur raüssig und auff einem Polster sitzen. Jtem was sie wieder daheim thun wollen! Bald werd der Türckische Kayser gantz Deutschland einnemen. Die Türcken haben Geld genug/und den rechten Glauben..GOtt geb ihnen Sieg und Glück.." (1) (1) GER UC H Tage=Buch S. 128.
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In den Mühirome Defterleri finden sich .natürlich nur solche Konversionen verzeichnet, die mit Verleihung ei nes Amtes oder Lehens verbunden waren, "bzw. damit be lohnt wurden, da der Renegat oft regelrecht um Lebens unterhalt nachsuchte. Dabei finden sich viele Konver titen, die Verwandte (meist Brüder) am Hof oder bei Wür denträgern haben, dio schon seil längerer Zeit Muslim waren. Wir finden diese Verwandten in folgenden Berufen: Köche, Qapigi, Gärtner, Brunnenbauer, Bäcker, Schneider, ferner auch Soldaten und Wesire sowie Statthalter (1). Ferner weisen die MÜD eine Reihe von Konvertiten aus, von denen nicht genau gesagt wird, mit wem sic verwandt sind. Ein Bezug zwischen dem ihnen verliehenen Amt, der Art und Höhe ihres Lebensunterhalts zu den Berufen ihrer Verwandten liess sich allerdings nicht ausmachen. Was dafür ausschlaggebend war, dass der eine Gärtner, der andere Koch, ein dritter Janitschar oder gar Sipahi wur de, können wir aus diesen Quellen leider nicht ableilen. Auch wenn wir bei diesem Personenkreis, von dem weit über die Hälfte ausdrücklich als Dimmis benannt wird, das konkrete Konversionsmotiv nicht kennen, so ist doch klar, dass das Beispiel eines nahen Verwandten eine be deutende Rolle spielte. Gerade im Falle konvertierter Dimmis war dem nachfolgenden Bruder ja die Verbesserung seiner Lebensverhältnisse augenfällig (2). (1) Die beiden letzten sind MÜD XXV 613,^1520 f. (2) Man könnte also gewissennässen Abu Yusufs Argument für das gemischte Wohnen (sc. das "vorgelebte Beispiel", weichet; zur Konversion verleitet) als zwei Schritte be trachten: ein Dimml konvertiert, um "sich au verbessern”, sein Bruder folgt ihm aus demselben Grund, verstärkt um das Moment des vorgelebten Beispiels aus der-FaiinTîc.
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V ersuchung zur Konversion_-_eine_Tygolo gi e "Wo es nur muglich ist/dasz sie einen könen verführen/vnd vom Christlichen Glauben abfällig machen/es sey gleich jung oder alt/so sparen sie keine Fleisz...ver meinen Gott den grösten Dienst zu leisten" (1). Diese Äusserung FÜRER’ s sei hier stellvertretend für analoge Aussagen bei fast allen Reisenden. Das Osmanisehe Seich kannte tatsächlich eine Art von "Missionie rungsversuchen", doch basierten diese weniger auf theo logischer Argumentation und Überzeugung, als vielmehr auf gewissen Listen, mit denen der Nichtnoislim in eine Situation gebracht wurde, aus welcher er nur als Muslim wieder herauskam. Wir haben es hierbei entweder mit ei nem ganzen Bündel von Elementen zu tun, oder aber mit einzelnen Faktoren, die jeder für sich schon ausreichen, den Niehtmuslin zur Konversion zu veranlassen. Aus osnanisehen Urkunden ist Uber diese Typologie naturgemäss wenig 7.u erfahren, aber wir werden von Fall zu Fall auf entsprechende Bestimmungen au3 s a r c und s u r ü t hinweisen. Die Reisenden warnen generell vor - religiösem Disput mit Muslimen, - flach- bzw« Aussprechen der s a h a d a , - Moscheebe3ueh, - Tragen des weissen Turbans, und - Unzucht mit einer Muslimin, da der Nichtmuslim - gleichgültig ob Dimmî oder aber Musta’ min - welcher bei dergleichen ergriffen wird, sein Leben verwirkt habe, bzw. sich vor der Hinrichtung nur (1) FÜRER Reise-Beschreibung S. 87.
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durch Konversion retten kann. Wir y/erden sehen, dass diese Warnung der Reisenden nicht einer γ /ilden Phantasie entsprang, sondern durchaus ihren Realitätsbezug hatte. fieligiöser Disput Wir haben schon öfter darauf hingewiesen, dass ein religiöses Streitgespräch von ßfuslimen leicht als Schmä hung ihrer selbst, des Korans, des Propheten oder des Islams schlechthin empfunden wird, und der Dimmî sich deshalb dergleichen zu enthalten hat. DERJfSCHWAM sagt nicht nur, das 3 die Verleitung zu einem Religionsdisput zu jenen "Schelmereien" gehört, mit denen die Muslime "die cristen hinderkhommen, in wortten fahen vnd betrigen vnd zw turkhen nachon mit gewald” (1), er weiss auch von einem konkreten Fall, der mit dieser Problema tik direkt Zusammenhang!: "Adı 2$ Dec. 1554 hot man ain jungen juden fwr vnsero herbrige fwr gefurt zw dem kadi ader pfaffen zubeschnei den, wo in die iuden nit sobald gefreit werden haben. Solde irntz eim busserman (das ist bei DERNSCIIWAM: Mus lim - aus "Musulmann", eig. Anm.) zugeredt haben ader ein turkhen gescholtten haben” (?). Es besteht also bei den "Zuschauern" Unsicherheit über den Anlass. Dass man aber just auf eine solche Ur sache tippt zeigt, wie geläufig dieses Muster war! Im türkischen Material fanden wir zwar keinen "echt" religiösen Disput, wohl aber einen Streit, der offen sichtlich auf einem solchen fusste: ein Jude hatte geäussert, seit dem Auftreten des Propheten Muhammad fehle (1) DäflfSCHWAM Tagebuch S. 73. (2) a.a.C. S. 1157
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es in der Welt nicht an Zwietracht, Aufruhr und Räuberei. Her Scheich ül-lslam ordnete als Strafe harte Züchtigung und lange Haft an (1). Es hiesse die Situation verkennen, wollte man den Wortlaut der Fetwa mit dem gesamten Streit gleichsetzen. Wir dürfen guten Gewissens annehmen, dass der Jude seinen fraglichen Aussprueh im Rahmen einer Aus einandersetzung um den Wert von Islam bzw. Judentum tat (und nicht etwa im Vorbeigehen einem Muslim diesen Satz zuwarf), und als Beweis dafür, dass der Islam nicht ge rade das Paradies auf Erden, oder eine Besserung der Menschheit gebracht habe, führte er an, Zwietracht, Auf ruhr und Räuberei gäbe es ja schliesslich immer noch (2). Ebenfalls harte Züchtigung und lange Haft verordnete Ebu’ s-Su'üd in einem anderen Fall (3), wo ein Dimmî einen Muslim beschimpft hatte (es handelte sich hierbei zweifelsohne um einen Sexual- oder Fäkalfluch), und auch (1) DÜZDAG Ebussuud ÎJr. 444. Wir werden noch sehen, dass genau diese”J I r ä n _'bei Apostasie nachhelfen sollte, den Apostaten zum Islam zurückzubringen. Diese Parallele weist schon auf die Absicht der Strafe hin. (2) AHMED RIZA’ s Behauptung (Tole ranc e_musulmane S. 25), der Mensch türkischer Rasse seT-ümso besser7-;)e weniger Kontakt er mit Europäern habe, klingt zwar nationali stisch (oder gar rassistisch), aber man kanr. auch heute noch von Muslimen hören, Diebstahl etc. habe der isla mische Orient erst durch den Umgang mit Abendländern kennengelernt. Dem Gegenargument, wieso denn dann schon im Koran von solchen Vergehen gesprochen werde',. wird gerne mit dem Hinweis auf die Juden Medinas begegnet. Auch Janitscharenrevollen schiebt die Volksvorstellung gerne auf den Umstand, dass die Devgirmelis ja christ licher Abstammung waren. (3) DÜZDAĞ Ebussuud Nr. 441. Einen i'all von Lästerung dos Islams, Je.r-zür "Zwangsbcschneidung" führte, ver folgte MENAVINO (Vita_et_legge fol. 69 v) als Augen zeuge.
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dessen Glauben beleidigte. In Anbetracht der allgemeinen Lebensumstände der Dimmis reicht eine solche Strafe ge wiss auch aus, um zur Konversion zu veranlassen. Nachden; aber das Zeugnis eines Dimmis gegen einen Muslim nichtig ist, war es für ersteren durchaus ge raten, sich nicht in einen Streit mit einem Muslim ver wickeln üu lasser., da ihm letztlich jederzeit Blasphemie vorgeworfen werden konnte. DE3NSCHWAM stellt diese Dro hung geradezu als gängiges Mustor hin - wobei der kon krete Streitgegenstand nicht einmal aus der religiösen Problematik stammen musste "Wan ein crist mit. einem turkhen solt vnains werden, so drawt er im, sol schwei gen ader wel in zw eim wuss e m a n machen" (1). Nachsprechen der s a h ä d a Dass das Aussprechen der islamischen Glaubensformel rechtswirksam zur Konversion führt, kann nicht mehr hinterfragt werden, nachdem Ebu’ s-Sucüd dies sogar dann anerkennt, wenn cs im Rausch geschah (2). Die Muslime versuchten tatsächlich, Uichtmuslime zum Nachsprechen d e r s a h ä d a z u verleiten (3). Dabei ist gerade die Geläufigkeit dieser Formel, dio "sy stetz im :nawl haben" (4) von Bedeutung, weil es hierbei keiner speziellen Situation bedurfte, wie etwa beim Streit: (1) D2RNSCHWAM Tagebuch S. 69. (2) DÜZDAĞ SbussuucT flr. 360, vgl. auch oben S. 183 f. (5) Vgl. etwa-TH3VET Cosmographie S. 141: "quand i’ allois par la ville du Cäire-pTüsIeürs Turqs me disoient ces parollcö â haute voix, â cell e fin que ie disse apres eux; mais i’ estois de cela assez auerti." (4) DERSJSCHWAM Tagebuch S. 73.
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abstrakt gesehen genügt die Konstellation zwei Muslime, ein Michtmuslim in einem Raum (es bedarf zweier Zeugen). GEBLACH berichtet einen typischen Fall: "Heut noch hat iaan einen jungen Gesellen von Kaffa so zu dieser Zeit allhier Kauffmanschafft getrieben/ zu dem Grosz=Kadi/oder Oberrichter geführet/da etliche Türcken wider Ihne gezeuget/dasz er gesaget: La illahe illalahAluhamedun Resul lui ah. Also miisz er ein Türck werden. Er aber: Er habe solche Worte nur nachgesprochen/ wie andere sie vorgesaget/aber gar nicht in dieser Meynung/dasz er den Mahumet für einen rcchten Propheten hielte. Gleichwohl haben sie mit Gewalt/mnb dieser Worte willen/ihn zum Türcken machen wollen/Jhn ge schlagen/gestossen/ihm etliche Streiche gegeben/und einen weissen Bund hergebracht..." (1). Es gelang dem Jüngling allerdings zu entfliehen. Die ses Beispiel zeigt, dass es wirklich nicht um die Ver breitung einer religiöser. Einsicht/Botschaft (hier also der Prophetenschaft Muhammads) ging, sondern um das rei ne Lippenbekenntnis, auch wenn dessen Inhalt nicht ver standen wurde. Dass dabei mitunter die s a h ä d a gar nicht ausgesprochen worden, sondern nur die Zeugenaus sage relevant war, erhellt aus einer Kotiz DERNSCHWAM’ s: "Adx 2 Dec. 1554 haben die turkhen ein jungen krichisehen knaben fwr vnser herbrige fwr getragen, denen die mutter wainendt nochgolauffen vnd in zw dem pfaffen getragen. Vber in zeugnus aus falschem munde geben, das er wold zw ei;n turkhen werden vnd busserman" (2). (1) G E RUCH Tage=Buch S. 491. (2) DERNSCHW5M Tagebuch S. 140. Wenn durch falsches Zeugnis ein Urteil-zusTande kam, so ist dieses (auch im Personenrecht) gültig. Der Widerruf hebt das Urteil nicht auf, sondern die Zeugen haften für den Schaden; vgl. BEHGSTRÄSSER Grundzüge S. 117. Es liess sich nicht ausmachen, wie eine sölcEe"Haftung aussehen soll, wenn der Schaden im abgetrennten Präputium liegt. Talio ist ja beim Muslim hier schlecht möglich!
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Wir werden später den Fall ECKLIH’ s anführen, der einige Elemente miteinander verbindet. Dabei werden wir auch sehen, dass diese Schilderungen der Reisenden auf Realität basieren. Moscheebesuch Im 0smanischen Reich des 16. Jahrhunderts war flichtrauslimen der Besuch von Moscheen nicht generell ver wehrt, obgleich dies immer ein Risiko bedeutete. Bei Moscheen, die sich besonderer Wertschätzung der Muslime erfreuten, wurde das Verbot allerdings rigoros gehandhabt. So berichten denn auch alle Pilger einhellig, der Besuch des Felsendomes würde zur "Zwangsbeschneidung" führen, was keineswegs eine leere Warnung war, wie wir noch sehen werden. Die Frage, ob den Dimmîs Moscheebesuch generell ver boten sei, oder ob der Imäm von Fall zu Fall eine Aus nahme machen könne, ist unter den f u q a h ä 5 um stritten. Ibn Taimiyya, bekannt für seine feindliche Einstellung gegen Dimmîs, will eine solche Ausnahme nur dann gelten lassen, wenn ein höheres Interesse (nämlich das islamische, also wieder maslahat al-muslinîn!) im Spiel ist, etwa eine Hoffnung auf Konversion (1). Die ses Argument ist wichtig, weil die osmanische Praxis seine Pervertierung darstellt: wenn man einen Bichtmuslim eine Moschee betreten lässt, und ihn danach zum Muslim erklärt, unterstellt man ihm die Konversionsab (1) FATTAL Statut S. 92. Gleichwohl fragt man sich doch nach dem Kausalzusammenhang zwischen Hoffnung und Er laubnis. Im Falle von Warenlieferung (vgl. oben S„ 108) wäre ein solcher noch durchaus zu sehen.
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sicht. (Oder sollte man annehmen, eine Hoffnung auf Konversion des Nichtmuslim bestünde grundsätzlich?) Bestreitet der Dimml dann aber, jemals eine solche Ab sicht gehabt zu haben, dann sind die Muslime gekränkt (hat der Diramî doch die - stillschweigende - Ausnahmegenehnigung "missbraucht"!). Neben der noch folgenden Episode um ECKLIN haben wir dieses Argument der Krän kung ausdrücklich bei GERLA.CH überliefert, der von ei nem Dolmetscher der kaiserlichen Botschaft berichtet, er sei von den Schergen des Subaşı unter einem nichtigen Vorwand ergriffen und durchgeprügelt worden. Der Subaşı sagte dazu später, "er hab ihn nur wollen schrÖcken. Dieweil es die Türckon sehr verdrossen/dasz er kein Türck werden wollen" (1). Ibn Taimiyyas Argument stellt in der Tat keine li berale Haltung dar, es ist vielmehr eine Falle: wenn der DimmT die Moschee betritt, und die Hoffnung der Musline auf Konversion dann enttäuscht, dann hatte er ja kein Rocht zum Moschocbesuch, und verfällt der Be strafung. Vor dieser rettet ihn aber wiederum just die Konversion! Es wäre zu fragen, warum man darin die Nichtmuslirae am Betreten der Moschee nicht einfach hinderte. Tat sächlich ist uns aber kein solcher Pall bekannt- - dies lässt auf eine List schliessen. Die meisten Nichtmuslime machten freilich schon aus Angst keinen Versuch, eine Moschoe zu betreten; einige taten es klopfenden Herzens und hatten Glück - oder (1) GERLACH Tage=Buch S. 510.
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aber einen toleranten und verlässlichen Führer. Wir werden noch einen Fall anführen, wo die Absicht zur "Bekehrung" eines Christen nachweisbar ist, und wo unter anderem (!) auch versucht wurde, ihn zum Betreten des Felsendoms zu veranlassen - und je mehr er sich weigerte, umso härter setzte sein muslimischer Führer ihn zu. Tragen des woissen Turbans Die früher erwähnte Fetwa Ebu’ s-Sucüds (1), in der gefragt wurde, ob das blosse Tragen des muslimischen Turbans einen Dimmî zum Muslim mache (was der Scheich ül-Islam verneinte), zeigt, dass dieser Zusammenhang im Volk doch anders gesehen wurde. Dies deckt sich auch mit den Berichten der Heisenden. So rechnet es DERNSCHWAM zu den üblichen Scherzen, unter donen Muslime Diinms "bekehren", diesen einfach einen weissen Turban aufzusetzen (2). In diesein Zusammenhang soi an eine an dere Fetwa erinnert: wenn ein Ungläubiger sej.no Kleider tauscht, und dann, gefragt, ob er Ungläubiger oder Mus lim sei, aus Angst sich Muslim nennt, dann ist er auch rechtlich als solcher zu betrachten (5). Diese etwas ab strakte Situation deckt sich genau mit der von DEHNSCKWAM geschilderten; es genügt nämlich, dass in dieser ein weiterer Muslim erscheint, der den - aus purem Scherz - verkleideten Dimmî kennt, und dann erstaunt fragt, ob dieser denn den Glauben gewechselt habe, um (1) DÜZDAÖ Ebu3suüd Mr. 358; vgl. oben S. 181. (2) DEKNSCKTOTTägebuch S. 73(3) DÜZDAÖ Ebussuud Br. 362; vgl. oben S. 183 i'i\
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dem Dimmî das Prekäre seiner Situation ins Gedächtnis zu rufen. Wenn nun schon nicht das blosse Tragen eines weissen Turbans zur Konversion führt (obwohl die Muslino das selbst mitunter anders sahen), so konnten doch die Begleitumstände - hier: die Angst vor Bestrafung wegen Missachtung der Kloidervorschriften - dazu ausreichen. Einen artverwandten Brauch schildert CARLIE3: die Christen müssten sich hüten, ihren Kopf au entblössen oder auch nur den Hut zu weit in den Kacken zu schieben, weil dies den Puluslimen Ärgernis errege (1), und es häu fig schon vorgekommen sei, dass sic solchen Christen dann den eigenen Turban aufgesetzt - und sie dann zur Beschneidung geschleppt hätten, "la commune leur ostant la vie, en cas qu’ ils fissent trop grande resistence" (2). Stellt man sich die Situation plastisch vor, dann wird klar, dass den betroffenen Michtaruslim keine andere Wahl bleibt, als in den sauren Apfel zu beissen. Wir wollen nun einen Fall schildern, in dem drei der bisher aufgeführten Faktoren mitspielen. An dor Glaub würdigkeit des Berichtes von ECKLIN (3) ist nicht zu zweifeln, da dieser Pilger sehr zuverlässige Informa tionen liefert, und sich auch bezüglich des islamischen (1) Vgl. auch GOLDZIKER, Ignaz: Die_Entblössung des Hauptes. In: Der Islam VI (1916), S. ~5ÖI-5I5. TBeHandelt 3ie“ Problematik nur im muslimischen Bereich!) (2) CÂRLIER Voyage S. 114, allerdings mit der Einschrän kung, dies geIÎe-mehr in Ägypten und anderen Provinzen, als in Istanbul. BREÜNING Orientalische Reysz S. 82 zählt es zu den üblichen Neckereien 3er Türken, 3en Christen die Hüte gleich selbst vom Kopf zu schlagen. (3) ECKLIN Vom heyligen Landt fol. 402 v„
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Alltags generell sehr positiv oder zumindest wertneu tral äussert - im Gegensatz etwa zu DERNSCIIWAM (dessen Aussagen durch seine grundsätzliche Polemik übrigens auch nicht an Verlässlichkeit einbüssen, nur sind sie mitunter etwas schwierig zu entschlüsseln, da man erst Polemik und sachliche Information trennen muss).
Als relativ selbständiger Jerusalem-Pilger war ECKLIN 1553 mit einer türkischen Karawane in die heilige Stadt gekommen. Gamal, der "Schreiber" des Karawanen führers, freundete sich mit dom Pilger an und lud ihn ein, bei ihm zu wohnen, und sich von ihm die Stadt zei gen zu lassen: ".„.wolt ich die Statt besichtigen/da sprach er: Er wolt mit mir gehen/gab mir auch ein andere 'Türckische Binden auff (denn hierbey mit den Binden worden die Christen vnd Türcken vnterscheiden) damit ich desto sicherer gehen vnd wandeln möchte/das ich für ein grossen dienst annam/den ich vor offl von den Türckisehen Buben gerupfft/geworffon/gezogen vnd geschlagen war/ den sie sahen dasz ich ein fremder Christ war. îîu als wir allein lang vmgangen/die Statt zu bosehen/wolt er mich auch in Tempel füren/da der alt Tempel Salomonis gewesen ist/welches jetzund ein Türckische Kirch ist/ darff derhalben kein Christ dareyn gehen/cr wöll den entweders den Glauben verleugnen vnd ein Türck werden/ oder aber sein Leben verlieren/welches ich wol wusste/ wolt derhalben ııit hineyn gehen. Kr aber vermahnt mich hineyn zu gehen/je nehr er mich mahnt/jo minder ich lust zu jm hat/gieng also von jm/dioweil ich sahe/warauff er vmbgiengAehrt wider in sein Hausz/vnd sagt/ er solt· mir meinen Sack geben/so wolt ich hin «iehen mein strasz/darauff er antwort/ich solt lenger ver ziehen/ Jn dem komt nu ;jm ein anderer Türck (villejcht heimlich mir vnwissend beschickt) welche beyd (!) zu mir sagten/ich solt jnen dise wort nach sprechen/nemlich/L e y L a h e 1 1 a IvI a h o m o t S o l d a n ,
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Das wolt ich gäntzlich nit thun/denn ich vor von ändern Christen gehört hatt/wenn einer diese wort spreche/so machten sie einen zum Türcken/Also kondt ich desto basz jr fürnonmen mercken/vnd mich vor jncn hüten. Als ich aber nit nach jrer beyder worten vnd vor sprechen reden wolt/berufften sie andcre/vnd sagten/Jch hett mich bewilligot ein Tiirek zu werden/hett auch die wort gesprochen mit auffgerecktem Finger/nemlich den Zeiger/muszte derkalbon bey jm bleiben/vnnd ward in ein Kammer oder Gemach versperrt vnd verschlossen." (vgl. hierzu oben S. 285 Anm. (1)!) "Vnser Span kam für den Obersten der Statt Jerusalem/ für denselben ward ich gebracht. Der Schreiber thet sein klag dar/dasz er einen Türcken ausz mir machen köndte/ vnd dasz ich sein leibeigner Knecht bleiben solt/Aber ich verantwort mich gantz fleissig/begorte auch/dieweil ich allererst in die Statt kommen were/vnd allweg gehört/dasz bey dem heyligen Grab Christliche Mönch in einem Kloster weren/dasu man nach einem derselbigen schickte/verhoffet/sie würden sich meiner beladen vnd annemmen." Tatsächlich konnte ECKLIN schon eine Stunde später einem Franziskaner sein Geschick schildern, und er wur de freigelassen: "Dem Schreiber ward rauh geschneutzt vom Obersten/ich acht/er hab etwas zu Busz geben vnd bezahlen müssen/Musz derhalben der Türcken Recht loben/ denn sie ehrlich mit mir gehandelt haben." Anhand dieses Berichts können wir erkennen, dass es sich um bewusste Absicht der Proselytenmacherei handelt. Die wesentlichen Faktoren dabei sind: - Der Schreibcr versucht ECKLIN gegen dessen Willen in den Felsendom zu führen; - Er leiht ihn einen weissen Turban; - Er zieht einen zweiten Muslim bei, bevor er ECKLIK die s a h ä d a vorspricht, und ihn zum Nachsprcchen derselben auffordert. (Für die Konversion sind zwei Zeugen erforderlich.)
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Wenn ECKLIN sagt, er habe von anderen Christen ge hört, was das Nach- bzw. Aussprechen der s a h a d a be deute, so beweist allein das schon genügend, dass Chri sten häufig zun Hachsprechen des islamischen "Glaubens bekenntnisses" aufgef0£ßert wurden: von sich aus kommt nämlich kein Christ auf die Idee, die Formel auszuspre chen! Und in welcher Absicht - ausser der geschilderten - sollte ein Muslim einem Christen diese Formel schon vorsprechen? (1) Es braucht auch nicht zu verwundern, dass der Schrei ber tatsächlich vor den Kadi geht, haben wir doch schon mehrere Fälle angeführt, wo ein Muslim dies wagen konnte, da er genügend muslimische "Zeugen" hatte. An der "Bekehrungsabsicht" des Schreibers kann also kein Zweifel bestehen. Cb der Turban dabei primär eine (1) KRAFFT brach seinen in der Schuldhaft in Tripoli begonnenen Arabisch-Unterricht ab, da er vernommen hatte, sein Lehrer wolle ihn "bekehren". Dass sich die Gelegen heit hierzu beim Sprach- und Schreibunterricht besonders über die Glaubensformel ergibt, ist klar. (Wie wir ver nehmen, sollen auch heute noch türkische Kalligraphen mitunter ihren abendländischen Schülern gegenüber zu diesem klassischen Trick greifen.) Interessant ist dabei, dass sich sein Lehrer ihn gewogen machen wollte, indem er mit ihm und einigen muslimischen Freunden tafelte, wobei einer von diesen KRAFFT just mit "fürchte dich nicht!" (lä tahäf) zu beruhigen suchte, jener Formel also, mit der dem Harbi Amän erteilt wird. KRAFFT Reisen und Ge fangenschaft S. 201 ff. Dies ist weiter nıcEî-ve?wuncferIîeH7~îâ~{Ter Aman als List im Interesse des Islams ange wandt werden darf; vgl. IIEFFENING Fremdcnrocht S. 24 und 160. (Zwar mag man fragen, womit der'SräBer'KRAFFT denn beruhigen sollte, wenn nicht mit "fürchte dich nicht", aber wovor sollte sich KRAFFT denn fürchten, wenn nicht vor def'BekeHrûfîğ? (Die Schuldhaft hatte schon zu lange gedauert, um hier angeführt werden zu können!) Anderer seits ist es ja nicht unsere Schuld, dass mit dieser Formel der Amän eben erteilt wird!)
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Rolle in dieser Einsicht spielte, oder oh sich der Mus lim hiermit erst das Vertrauen des Pilgers erwerben wollte, sei dahingestellt. Das Moment ist dem Moschee besuch auf alle Falle komplementär. Die Gastfreundschaft wird dann freilich auch suspekt; auch sie ist Teil in diesem Netz - und nicht ernster au nehmen, als der Amän generell. Die Episode weist noch eine andere Parallele auf, die sich zwar nicht letztlich beweisen lässt, die aber aus Analogiegründen sehr v/ahrscheinlich ist: einige Tage nach dieser Affäre war ECKLIN (1) bei einem Ausflug von mehreren Muslimen überfallen, verprügelt und wieder eingesperrt (2) worden. Er kam erst auf Intervention der Mönche wieder frei. Wir dürfen annehmen, dass dieser Überfall - da keine anderen Gründe ersichtlich sind - auf eine Anstiftung des Muslims zurückgeht, dessen "Bekehrungsversuch" ECKLIN ausgeschlagen hatte; wir haben eine Parallele bei GEELACH (3). Auch dort wurde ein Christ verprügelt, "dieweil es die Türcken sehr verdrossen/dasz er kein Türek werden wollen". Dass ECKLIK in Jerusalem freigelassen wurde, obwohl es "Zeugen" seiner Konversion gab, ist nicht verwunder lich, da wir auch analoge Fälle kennen, wo den muslimi schen "Zeugen" kein Gehör geschenkt wurde, wenn die Ver leumdung allzu ruchbar war. Auch mag für Jerusalem noch geltend gemacht werden, dass der Kadi vielleicht ein (1) ECKLIN Vom heyligen Landt fol. 403 v. (2) Vgl. oben S. 293 uncT 255 Anm. (])! (3) Vgl. oben S. 289.
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Exempel statuieren wollte, um das einträgliche Geschäft mit christlichen Pilgern nicht zu gefährden. (Allein für den Besuch der Grabeskirche oezahlte ein ausländi scher Pilger neun Dukaten!) Unzucht rçit_einer Muslimin Niehtmuslime dürfen mit einer Muslimin keine sexu ellen Beziehungen unterhalten (1). Es ist bezeichnend, dass keine Fetwa das Strafmass für eine solche Tat fest legt (2): aus diesem Schweigen der Sammlungen können wir ablesen, dass man sich vom Seray bis zum Dorfriehter darüber klar war. Die Reisenden haben recht wenn sie behaupten, Ge schlechtsverkehr mit einer Muslimin würde dem Hichtmuslim das leben kosten, wobei er sich natürlich wieder durch Konversion retten kann (3). Die Strafe folgte der Tat freilich nicht direkt: erst nach einer ordentlichen Untersuchung und Mitteilung an die Pforte wurde über die (1) Auch (gewerbliche) Prostitution ist Unzucht in die sem Sinne; vgl. BERGSTRÄSSER Grundzüge S. 99. (2) Mit einer Ausnahme: DÜZDAG^Ebussüud Nr. 449. Dort wird gefragt, was mit dem Dimmi“zu” geschehen habe, der mit einer (verheirateten) Musiimin Unzucht begangen ha be» Sbu’ s-Su'ud antwortet "wie aus der Pistole geschos sen": "Wenn er den Islam anniDmt, wird er von der Tötung befreit.”Diese Anordnung entspricht gar nicht dem üb lichen Stile Ebu’ s-Su'uds; man würde erwarten: "Er ist zu töten« Aber wenn er den Islam annimmt, dann wird er von der Tönung 13efreit." Es scheint sich alsö-hier urc ein recht geläufiges Muster zu handeln. (3) Vgl. besonders: POSTEL De la Scpublique S. 10 und 124, BASSAHO Costumi S. (8577 DERflSÜHWSM Tagebuch S.111 f. BELON Observalioris fol. 191 v., GERLACH Tage-Sücfi S.487.
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Strafe entschieden, wenn die Tat in der Provinz began gen worden war (1). Die Zwischenzeit konnte der Täter zur Konversion nutzen, die ja, sollte sie vor der Be strafung bewahren, vor dem Urteilsspruch erfolgen musste. Als Strafen finden sich bei den Reisenden: Tod durch Verbrennen, Ertränken, und durch den Strang. In POSTEL und GERLACH haben wir glaubwürdige Augenzeugen. Einen konkreten Pall, wo ein Dimmî wegen Unzucht mit einer Muslimin sich zur Konversion genötigt sah, schil dert DERNSCHWAM: "Wyr haben auch bey vns in vnser karwasalj ein diener gehapt, ein kriechen, der als junge leuth bey hurn er griffen, einem ändern zw seiner tochter gangen, hot sich müssen beschneiden lassen, die hurn nemen vnd zw einem turkhen werden, man het in sunst verprent" (2). Bei diesem Mädchen handelte es sich nicht um eine Prostituierte (das erste "hurn" ist als Verbum zu ver stehen!), denn DERNSCHWAPi! spricht von Musliminnen gene rell so despektierlich; auch der Hinweis, diese sei eines anderen Tochter gewesen, würde sich sonst erübri gen. Dass c-s sich aber um eine Muslimin handelte, folgt aus dem angedrohten Strafmass (bei Unzucht im Dimmî-Milieu finden wir in derselben Zeit sonst nur Züchti gung), und aus der Verheiratung, die wir zwar für Musli minnen, nicht aber für muslimische Prostituierte finden (3). (1) MÜD XXXI 758 betrifft einen Metropoliten, der mit der Witwe'eines Janitscharen gesetzwidrige Beziehungen unter halten haben soll. Sollte sich der Vorwurf bewahrheiten, so ist der Metropolit zu verhaften, eine Abschrift des Untersuchungsprotokolls soll an die Pforte gesandt werden. (2) DERNSCHWAM Tagebuch S. 112, (3) Vgl. BASSAMTCösîümi S. (85).
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3REUNIHG "berichtet von der Gefahr, die einem Chri sten aus Unzucht mit einer Muslinin entsteht, in Zusam menhang mit der KeMn-Ehe der Franken: "Es finden sich auch wol verschlagene Türckischc Weiber/so von ändern bestelt vnnd subornirt worden/ sich den Christen mit listen zu offeriren vnnd jhnen hiedurch i n u a n i a m zuzuriehten/...wann Christen dergleichen etwas bezichtiget vnd vberzeugt werden/ haben sie das Leben verfallen oder müssen jhren Glau ben verleugnen/wafern man anderst die scherpffe zu ge brauchen begert,..Zu vnserer zeit wurden allbie zween Venedische Kauffleut in solchem wercke ergriffen/sc den 8. Julij bey Santto Fraeisco, zu grösser Gnad/mit etlich hundert Schlägen auff die Solen der Füsz bastonirt,...haben auch daneben dreytausend Ducaten bezahlen müssen" (1). BREÜNIMG behauptet also, die beiden Venezianer wären eine Zeitehe mit - wie sie glaubten - Griechinnen ein gegangen, die sich dann als Mus]iminnen entpuppten« Die se Behauptung ist keineswegs so grotesk, wie sie sich auf den ersten Blick ausnimnt. Zwar ist es den Christen nicht erlaubt, eine Muslinin zu heiraten, doch halten einige f u q a h ä 1 den umgekehrten Fall (Heirat eines Muslim nit einer Christin) ausgesprochen für wünschens wert, da die Christin hierdurch zur Konversion angeregt werden kann (2). Dass diese Hoffnung gar manche Ausnahme ermöglicht, haben wir schon öfter festgestellt. (1) BRüÜEING Orientalische Reysa S. 91. Einen ähnlichen Fall hat GFjRLIÜH Täge=EucH S. 3Bl und 368 f. (2) FATTAL Statut S.~I3ö7~Zur stark integrierenden Funk tion solcher Mischehen im scldschukischen Anatolien vgl. VRYONIS, Speros: The Decline of Medieval Hellenism in Asia Minor and.the Pracess. of Islamization fron the Eleventh throufih the Piftecnth Century. Berkeley/Los Ange les/London 1971, S. 228 ff.
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Wenn man die beiden Venezianer nicht zur Bastonade und 3,000 Dukaten "begnadigt" hätte, wäre ihnen ausser der Konversion keine andere Möglichkeit zur Rettung mehr zugestanden. Doch soll diese Substitutior. im Kapitel über Invania behandelt werden. Interessant bezüglich der "Verstellung" der beiden Frauen ist aber, dass der schiitische Islam es ausdrücklich erlaubt, dem pimrai, in dem man einen potentiellen Ehepartner erhofft, vorzulügen, man sei selbst Dimıaî (1). Verbunden mit der erwähnten Verdienstlichkeit einer "Mischehe" ergibt sich hierbei natürlich eine bedenkliche Konstellation, die BIÎEİİNINC’ s Erzählung doch eine gewisse Anlehnung an das islamische Recht ermöglicht. Wir wollen aber diesen Aspekt hier nicht verfolgen. Der weitaus interessanteste Hinweis BRSÜNING’ s ist aber die Behauptung, solche Frauen würden seitens Dritter "bestelt vnnd subornierV. Auch hierauf v/erden wir im Kapitel zur Invania näher eingehen. Es sei aber hierzu ein analoger Fall aufgeführt: RAUWOLFF berichtet von einem venezianischen Dolmet scher in Tripoli, dessen Reichtum dem ihm übel gesonne nen Subaşı bekannt und ein Dorn im Auge war. Nachdem es diesem aber nicht gelang, den Dolmetscher einer Straf tat zu überführen, "erdachte er endtlich einen list/vnd liesz jm vnwissend durch seiner Diener einen/ein ge~ maine Metzen inns hausz verstecken/damit er gnugsame vrsachen hette/jn anzuklagcn. Alsz er nur. das mittel für die hand genommen/vnnd inns wcrck gcricht/seind ermeldtem Dolmetschen desz Cadi Diener vnlang hemacher inns hausz gefallen/vnd haben jn/da sie die Metz gefunden/ (1) FATTAL Statut S. 132. Dies hat dann freilich mit der t a q i y y a îm-ciger.tlichen Sinne nichts zu tun.
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gefängklich eingezogen. Der Dolmetsch/ob er sich schon hoch entschuldiget/ward doch der Richter solcher nit vergnügt/sonder straffet jhn noch darüber vnbillicher weisz wol vmb 900 Ducaten/die er jm erlogen müssen" (1). Somit können wir das "Unterschieben" einer "verschla genen" Muslimin nachweisen als Mittel, einen Nichtmuslim zu gefährden; es geht dabei tatsächlich darum, ihm Schaden zuzufügen. Auch hier aber ergibt sich die Möglichkeit erst durch die scheriatrechtliche Bestimmung - wenngleich diese pervertiert wird: die Schikane ist vorgegeben! Die Glaubwürdigkeit der Berichte von BKEÜNING und GERLACH wird durch SCHWEIGGER gestützt, der erzählt, der Subaşı von Istanbul würde - ebenso wie der von Galata sich ein "Zubrot" verdienen, indem er aufgegriffene Prostituierte für eine Nacht vermiete, wobei er also selbst als Zuhälter fungiert (2). Von hier ist es na türlich nur noch ein kleiner Schritt, dass der Subaşı, sich auch die "Opfer" selbst auswählt. Es liegt dann freilich sehr nahe, diese dort zu suchen, wo nicht nur der grösste "Liebeslohn", sondern die höchste Summe an Strafgeld zu erwarten ist: bei den Nichtmuslimen! Diese Strafe kassiert der Subaşı dann freilich wieder ex officio, wie er ja auch die Prostituierte ex officio aufgriff.
(1) RAUWOLFJ*’Saisz S. 46. (2) "DeszgleicFion~wann sie Scotta oder Huhren s.v. er tappen/leihen sie solche selbe Nacht vmb etliche Ducaten ausz/davon sie auch ein grosses haben"; SCHWEIGGER Constantinopel vnd Jerusalem S. 177.
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Das_Beispiel KRAFFT’ s Einen anderen Fall, wo einem Nichtmuslim eine "Metze" vermittelt werden sollte, wobei ein handfestes Motiv persönlicher Rache nachweisbar ist, finden wir bei KRAFFT (1): Als er schon seit über drei Jahren in Tripoli in Schuldhaft sass, kam eines Tages ein reicher Türke zu ihm, der sich mit dem Kaufmann im Mühlespiel messen wollte. KRAFFT gewann dabei zwei von sechs Partien, was den Muslim verärgerte: "darauff stohtt er auff, geht mit vnwillen von mir, brumltt durch den hoff hinaus”. Einem jüdischen, sprachgewandten Mitgefangenen, der mit KRAFFT befreundet war, wir daraufhin erlaubt, dem Türken in die Stadt zu folgen, um ihn nach dem Grund seines Zornes zu fragen. Er erfährt: "er beklag sich, er wissz, dasz keiner in der statt sey, der Ime was kind abge winnen, vnd der schleme Cristen hund hab Ime vnder 6 Zway spil abgenommen; wans Ime ein anderer seins glei chen gethon, rnieszte es Ime nitt halb souil verdriesszen". Darüber lachen nun alle Gefangenen und auch der Auf seher, der KRAFFT noch am selben Abend zun Sssen ein lädt - was doch, obwohl der Kaufmann schon über drei Jahre lang unter der Aufsicht desselben steht, noch nie geschah! und just an diesem Abend, bei einem recht be scheidenen Mahl ("wie scfclechtlich sein tractation ge wesen, hatt mich sein erZaigtte Ehr miessen speysen") macht ihm dor Aufseher einen Vorschlag, der uns an die Steilen bei RAUWOLFF und BHEÜÎÎIÛG erinnert: (1) KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 285 f°
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"Er gcfengnus Maister Ist ein böser, Falscher man gewesen, hatt mir beym NachttEssen durch mein Juden In vertrawen anbietten lassen, wan ich Lust hab zu einem frawen Zimer, er wolle mir wol was bey nachtts oder tags, ein schöne Metzen In sein (!!} gemach khomen las sen, dasz es Niemand kind raörckhen. Liesz Im dancken: er sehe, Ich sey ein gefangner, sollte Ich mich Leychttförttig einlassen, derfft mich Gott noch schörpfer straffen." Dass der Aufseher KRAFFT dieses Angebot just an dem Tage macht, da der Kaufmann einen reichen Türken aus Tripoli verärgerte, kann nicht als Zufall betrachtet werden, nachdem wir schon aus anderen Zusammenhängen wissen, dass man Christen Prostituierte unterschob, um ihnen zu schaden. Im gegenwärtigen Falle liegt das Mo tiv ja auf der Hand: der Spiel partner fühlte sich ja nicht nur persönlich, sondern vielmehr in seinem Glauben beleidigt - eine Konstellation, die wir schon öfter an führten. Es ist kein Widerspruch zu unserer Behauptung, dass der Aufseher KRAFFT sein eigenes Zimmer dafür an bietet: er musste ja erst das Vertrauen des Gefangenen gewinnen - wie auch E C K U M ’ s "Fremdenführer" dessen Vertrauen erst durch die ihm erzeigte Gastfreundschaft gewann. KRAFFT widerfuhr aber unter weitaus gefährlicheren Umständen eine andere Geschichte, die derselben Typo logie zugehört (1); An einem Freitag, aİ3 die gesamte Festungsbesatzung in der Moschee war, erhielt KRAFFT - er war nicht in seine Kammer eingeschlossen worden - Damenbesuch: (1) KRAFFT Heison und Gefangenschaft S. 235 f.
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"In dem Ich in meiner Custodi zur Rechtten hand ne ben der thür vff meiner ligerstatt Sassz vnd an einem plaw Seydin knöpf Arbaittet, (mit Herstellung solcher Knöpfe verdiente er sich sein täglich Brot, da es damals - w i e auch heute noch - in türkischen Gefängnissen kei ne Verpflegung ex officio gab; eig.Anm.) kompt ein Zartts weibsbild, kurtz von person, mit vnuerdöcktem angesicht (!) Zu mir Ins gewölb hinein, schlechtt (d.h.: dürftig! eig. Anm. ) beklaidtt, griest mich mitt dem wortt Sallamanlico gantz; freindtlich, fangt an, vor mir stehendt, In Arabischer sprach Zu fragen, wie Ich leb: Aschaleku; Ich Anttwortt: Daieb, wol, sy sagt wider: El hamderla Bel Aarabij, das Ist, sey Danckh dem Ara bischen Gott, verstehtt sich, Iren machometische Gott. Sy begertt, Ich soltt Ir nachsprechen: Lai la Hill alla, heiszt: Gott Iber Alle Götter, das hab ich nachgesagt: muhammett rasur alla, das Ist souil als: machomett der höchste ob Gott. Darlber Ich den köpf verschütt vnd nichtts weytters Zu Ir gesagtt. Bald sagtt sy, warumben Ich alle Hachtt ein Sclauen lasz in meinem gemach ligen, Ich soltts nicht leyden. Ich Anttwortt, der herr Haupttman wols haben...Sy sprach wider: Ich kindts wol beim Haupttman Auszbringen. Iber diser Röd Erschrackh ich sehr, In sorgen, es werde iemandt Im Thermen vor der Thür stehn vnd horchen, was wir Röden, oder wie man mich mit Ir möchtt felschlich angeben. Als sy mörckt, Ich trawrig worden, sagts Zu mir mit lachendem Mund: le ti Gaff (1) aine abibi, furchtt dir nit, du liebes Aug; streicht mit der Rechtten hand mein bartt vnder den khenzen oder kiffer. Mir wirt so Angst vnd bang In einer solchen schwermüttigen forchtt, dasz Ich nitt mer hette Röden kinden, mir Auch kein andere Rechnung gomachtt, dan dj glockh scy gegossen, Ich miesz; (wie man offt daruon gesagt) Zu oinera Türckhen oder Ibel tractiertt wer den. Als sy mir das andermal den barth gestrichen vnd Ir hand darlber kuszt oder Credentzt; da stund Ich Auff, nam mein knöpf Lädle Zu mir, maehtt mich Zum gemach...In hof hinaus vnd thett die grosse...hauszthür nach mir Zuschlä gen; da kundt Ich nit mer hinein vnd Niemandt nitt zu mir heraus khomen." (1) Vgl. auch oben S. 294 Anm. (1)!
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Die Dame - welche KRAFFT übrigens selbst mit der Frau des Potiphar vergleicht (1) - war die Frau des Festungskommandanten. Es ist «war denkbar, dass sie (auch) auf ein sexuelles Abenteuer aus war, denn sie reagierte recht frustiert. (2), aber dies schliesst ja keineswegs aus, dass sie K3AFFT schaden wollte - Bekeh rungsversuch als sexuelles Stimulans wäre ohnehin reich lich merkwürdig: der Kaufmann war ihr durch seine Anwe senheit in der Festung schlicht ein Ärgernis. Ein junger Negersklave, der allein Zutritt zu KRAFFT ’s Gemach hatte (wo er auch öfter schlief, wovon auch die Dame redet), und der ansonsten im Harem des Komandanten Dienst tat - und daher auch von der Affäre au3 einem Ge spräch der "Haupttmänne" mit einer anderen Dame des Hau ses weiss - erzählt KRAFFT nämlich, die Frau des Komman danten "hab erst göstern zum haupttman gesagtt, er soltte mich lassen an Andere ortt verwahren, Es khinde Niemandt keckhlich vor mir in disem Schloszhausz Ausz vnd Eingehn. Darbey haben wir beede wol kinden Mörckhcn, dasz sy nitt geringe feindtschafft Zu mir dröggt" (3). Dieses Argument, dessen Relevanz für das Verhalten der Dame nicht bezweifelt werden kann, kennen wir schon aus einem anderen Zusammenhang: weil sich die muslimi sche Nachbarschaft der kaiserlichen Botschaft in Istan(1) Er Uberschreibt die EOisode nämlich mit "V01GTT, WAS SICH ZWISCHEN MIR Vffl) DER Hauptmänne Im schlossz warhafftig Zugetragen: fast ein Seconda Jos. Hist$”Die Parallelen der beiden Geschichten sind in der Tat ver blüffend (vgl« 1 Mose 39, 7-23), dennoch liegt hier kein Topos vor! (2) KRAFFT erfährt kurz darauf, "dj haupttmänne sey Zor nig die stiegen hinauff gangen, hab mit Kiemandt nichtts gerödt, sich selbs eingespört". (3) KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 238.
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bul beschwerte, man könne nichts vor den Augen der Christen verborgen halten, wurden BUSBECQ die Fenster vernagelt (1). Zwei Wochen später versuchte ein Sklave des Komman danten, KRAFF? zu unterstellen, ihn ermorden zu wollen (2), und als er schreiend aus dem Zimmer lief, in wel chem er als Beweisstück ein Messer deponiert hatte, war die "Haupttmänne" sofort am Fenster und schrie nach den Jan:tscharen. Wir dürfen die beiden Episoden getrost miteinander in Zusammenhang sehen, umso mehr, als beide Male KRAFFT in eine Falle gelockt werden sollte, aus der ihn nur noch die Konversion gerettet hätte. Folglich lassen sich das Vorsprechen der s a h ä d a und Unzucht mit einer Muslimin einbauen in ein Handlungsmuster, bei dem aus dem Ärgernis, das der Nichtmuslim darstellt, einem Muslim der Wunsch entsteht, dem Dimml zu schaden. Gelingt es ihm. durch eine der geschilderten Methoden, den Ungläubigen gar zur Konversion zu treiben, dann hat der Initiator auch noch ein religiöses Ver dienst erworben - was ja ursprünglich ganz und gar nicht in seiner Absicht gelegen hatte! * Natürlich kam es mitunter auch zu einen: Anträgen des Glaubenswechsels im persönlichen Zwiegespräch, ohne dass eines der aufgeführten Elenente direkt beteiligt gewe sen wäre (3), doch sind uns Auswirkungen solcher Ver il) Vgl. oben S. 199. (2) Vgl. oben S. 24C. U ) Vgl. etwa B.43ÜNIKG· Orientalische Eevsz S. 116, wo er
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suche nicht bekannt. Der einzig nachweisbare Erfolg war jenen Listen beschieden, die wir hier darstellten. Sie konnten einzeln oder gebündelt auftreten, ausschlagge bend war immer die Anwesenheit muslimischer Zeugen. Lies machte letztlich auch die Frage irrelevant, ob der Nicht muslim die zur Konversion führende Handlung tatsächlich begangen hatte. Die Berichte von Konvertiten, die über solche Listen gestolpert waren und deshalb Muslime wurden, lassen sich keinesfalls als beschönigende Notlügen gegenüber Christen abtun, da wir genügend Fälle kennen, wo dieselbe List versucht worden war, ohne zum gewünschten Erfolg zu füh ren. Ausserdem bekannten sich "freiwillige" Renegaten immer zu ihrem Glaubenswechsel. Die Glaubwürdigkeit einiger Berichte folgt also auch aus der typologischen Analogie zu anderen. Der Hichtmuslim aber, dem eine solche Falle gestellt wird, befindet sich praktisch in einer ausweglosen Si tuation: wenn muslimische Zeugen vor dem Kadi aussagen, er hätte sich als Muslim bekannt, etwa indem er die Glaubensformel aussprach, und der Dinunî (oder Mustaamin) dies verneint, dann ergeben sich eigentlich nur fol gende Möglichkeiten: von seiner und CAHLISR’ s Überfahrt auf einem türkischen Schiff von Istanbul nach Alexandria erzählt: "Wiewol etliche ausz den Tiircken/offtermalen sich selbs zu vns verschlossen/vnd heimlich Wein getruncken haben (!)/ auch sich verlauten lassen/dz es sehad das wir Chri st en/vnd nicht viel mehr Türcken vnnd jhres Glaubens sein sollen."
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- entweder der Kadi betrachtet ihn noch als Hichtmuslim: dann wird seine Aussage gegen die Muslime nicht gehört; deren Aussage aber führt zu seiner Beschnei dung; - oder aber der Kadi betrachtet ihn schon als Muslim: wenn sich der Dimnl dann aber als Christ oder Jude bezeichnet, dann ist er Apostat - und wird mit Gewalt zum Islam gezwungen. Hat die Gewalt keinen Erfolg, so muss er getötet werden (1). Begleitende Massnahmen Die Konversion eines Dimmîs war grundsätzlich Anlass zu einem öffentlichen Gaudium (2). Abgesehen von ver schiedenen folkloristischen Gebräuchen, die regional unterschiedlich waren, sass der Renegat dabei auf einem prächtigen Pferd (sichtbares Zeichen seiner Verbesse rung!) und wurde von einer Menge Muslime unter Trommelund Schalmeienklang durch die Gassen geführt, "mit er ge raus z/schand vnd spott der Christen", wie BREÜNING anmerkt. Auch RAUWOLFF glaubt, gerade in Gegenwart von Christen würden die Muslime bevorzugt "inn gassen hin vnnd wider frewdenschüsz thun". (1) DÜZDä G Ebussuûd îfr. 370. (2) Detaillîerîe_Schilderungen u.a. bei KELFFRICH Warhafftiger Bericht fol. 389 v und 394 r/v, RAUWOLFF Εδΐ3Ζ~§7“30ί'Τ77-ΒΙΪΕϋΝΙΝ0 Orientalische Rcysz S. 75» PöSTEL De la Republique S. Ά2 f., MENS?THÖ” ?ita et legge fol. 69_v7_DERNSCHWIirTagebueh S. 111, 1ÖUOTSTEII Pilgerfahrt fol. 196 r7~ÖERD[CE Tage=Buch S. 357, 5ÜHWEIij!?ER~Constantinopel vnd Jerusalem"!?. 93, FIİRER .Reise-BeschreiBung S7 l5T~unff I5Ö-f7
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Die wichtigste Funktion dieser Freudenprozession liegt natürlich darin, den Glaubenswechsel publik zu machen, bzw. den neuen Muslim als solchen vorzusteilen (1), wobei gerade wieder dem engen Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen besondere Bedeutung zukommt. BASSANO’ s Hinweis (2), Renegaten würden gleich nach der Konversion verheiratet, um sie ans Osmaniscne Reich zu binden, kommt natürlich bei der Konversion (ehema liger) Kriegsgefangener noch grössere Bedeutung zu, als im Falle gebürtiger Dimmis. Die Lauterkeit der Konversion Es ist klar, dass das Konversionsmotiv nur in den seltensten Fällen in der religiösen Überzeugung des Konvertiten lag. Dies ist zum einen rechtlich unerheblich, da ja das reine Lippenbekenntnis zum Islam hinreicht(3), zum andren scheint sich die islamische Seite dessen bewusst gewe(1) Vgl. RAUWOLFF Raisz S. 405: "damit sie von jedermenigklich gesohenTvnnil für solche erkennt werden/die alsz jhrer Religion anhengig/frey sicher gelaydt sollen haben/vnder jhnen ohne hindßrnus2 zu wandlen vnd handlen" - was also die Aufhebung der bisherigen Erniedri gung, Unsicherheit und Angst impliziert. Vgl. ferner DERNSCKWAPi? Tagebuch S. 111, der in dieser Prozession eine zusätzIicHe~Mässnähme sieht, sich der Glaubenstreue des Renegaten zu versichern (hier ist wieder das enge und gemischte Zusammenleben von Bedeutung): "das er kentlieh sol sein, vnd, wan er wider ab fyle vnd zw ei nem murlat wurde, kentlich sein sol". (?) BASSAH0 Çostumi S. (85). (3) Es sei daran erinnert, dass Ebu’ s-Su'ud auch in dem Falle, wo jemand aus purer Angst vor Strafe wegen Miss achtung der KleiderOrdnung sagte, er sei Muslim, dies für hinreichend erkannte; vgl oben S. 183.
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sen zu sein (1), ja, diese Einsicht ging sogar in die türkische Idiomatik ein (2). Selbst wenn der Kenegat in Deiner stillen Kammer noch das Kreuz anbeten mag, so ist doch durch seine Konver sion dem Islam ein Zuwachs entstanden, der sich im Laufe der Zeit bedeutend vergrössert, da ja die Kinder des Re negaten in muslimischer Umgebung aufwachsen, und also "ganz von selbst" zu "wirklichen”Muslimen werden. Des halb verursachte auch die Konversion junger, also noch zeugungsfähiger Männer den Muslimen grössere Freude, wo hingegen die Konversion eines Alten kaum zur Kenntnis genommen wurde (3). Wie der nominellen Herrschaft des (1) So sagte etwa der Grosswesir zu einem französischen Renegaten, der seine kultischen Pflichten vernachlässig te (er entschuldigte sich damit, man habe ihm vor der Moschee die Schuhe gestohlen, was er fürderhin nicht mehr riskieren wolle): "Gehe hin/man weisz wohl/dasz ihr Frantzosen und Welschen nicht umb desz Glaubens oder Gebeths willen: sondern nur Gelds wogen/zu uns kommet"; GERLACH Tage=Buch S. 272. (2) Verständnis~5afür, dass man sich nicht über Nacht ändern könne, drückt die türkische Idiomatik just mit ei nem Bezug auf Konversion aus: "Kırk yıllık Yani olur mu Kani?", also etwa: wird man Kâni, wenn man 40 Janrc lang Yani war?, wobei Yani ein griechischer, Kâni ein musli mischer Name ist. Vgl. ATSIZ, Bedriye und KISSLING, Hans-Joachim: Sammlung türkischer Redensarten. Wiesbaden 1974, S. 115. Es-Iäss:ü-tref~bricIcen7-3äss-c[rese - allgemein menschliche! - Einsicht ausgerechnet am Beispiel von Kon version dargestellt wird, hätte doch auch ein Beispiel aus dem rein islamischen Bercich, etwa anhand des Be rufswechsels, absolut dieselbe Funktion erfüllt! (3) So sticht im Gegensatz zu den pompösen, oft mehrere Tage dauernden Festen bei der Konversion junger Dimmis folgende triste Beobachtung deutlich ab: "Wie ich...auch ...einen gar alten Mann gcschen/wolcher umher gegangen/ gebottclt/und zun Zeichen/dasz er ein Muselman worden/ei nen Pfeil in der Hand getragen"; GERLACH Tage=Buch S.163.
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Islam über ein Gebiet im Laufe der Zeit "ganz von selbst" oine gewisse Islamisierung nach den vor. uns geschilder ten Schemata folgt, so folgt dem nominellen Übertritt des einzelnen Renegaten die islamische Erziehung seiner Kinder, und somit die "Tiefenislamisierung" einer ganzen - weiteren - Familie. Zwangsb eschneidüngen Echte Zwangsbeschneidungen Hess e n sich im reinen DimraT-Milieu nicht nachweisen, wohl aber unter Kriegs gefangenen» Unter Dinaais und Musta5mins beschränkte sich die Proselytenmacherei auf die oben dargestellten Techniken (1). Inwiefern der Glaubenswechsel der Kinder aus dem Devşirme als "Zwangsbekehrung" vorerst dahingestellt.
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betrachten ist, sei
(1) Zur Typologie der aufgeführten Listen sei nochmals daran erinnert, dass unter Zwang oder Drohungen abge gebene Willenserklärungen zwar anfechtbar sind, nicht aber, wenn sich die Willenserklärung auf ein erwünschtes Rechtsgeschäft bezog, wie Übertritt zum Islam; BERGSTRÄSSER Grunazüge S. 26 f.(Vgl. aber auch oben S. 287 Anm. (2)!j Wir~Iconnen also das Interesse der islamischen Ge meinschaft (maslahat al-muslimln) als (im Zweifelsfalle) obersten, nicht mehr hinterfragbaren Hechtsgrundsatz de finieren. Zum völkerrechtlichen Aspekt dieses Prinzips vgl. HEFFEHNG Fremdenrecht S. 15-
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2. Konversion von Kriegsgefangenen und Sklaven Allgemeines Kriegsgefangene sind in der Praxis mit "cchtcn" Sklaven gleichgestellt, denn die juristische Grundlage ist dieselbe: der IJarbl, der mit der Waffe in der Hand gefangen wird, kann versklavt werden, selbst wenn er Schriftbesitzer ist. Wir wollen aus der folgenden Be trachtung importierte Negersklaven ausklammern, nicht nur, weil es sich dabei um Heiden handelt, sondern be sonders weil ihre Zahl im Vergleich zu jener christ licher Kriegsgefangener im 16. Jahrhundert relativ ge ring war. Nachdem es ferner mangels eines jüdischen Staates keine jüdischen Kriegsgefangenen geben konnte, beschränkt sich unsere Betrachtung auf gefangene Chri sten. Es sei vorausgeschickt, dass wir in den Quellen ge nau jene Arten von Sklaven fanden, wie sie in den be kannten Handbüchern zum islamischen Recht aufgeführt sind (1): Kriegsgefangene finden sich in allen diesen Kategorien. Wir setzen deshalb eine grundlegende In formation des Lesers Entstehung und Dauer und Konsequenzen der Uns soll hier nur
über die Rechtsstellung von Sklaven, der Sklaverei, und über die Arter, Freilassung voraus. die Proselytenmacherei unter Skla
ven bzw. Kriegsgefangenen beschäftigen. Da der freigelassene Sklave der öizya anheimfällt und Dimmi wird, muss uns nicht die Versklavung selbst, sondern die (1) Vgl. etwa BE3GSZKÄSSER Çrundzöge S. 38-42.
"Dienstzeit" und die Freilassung interessieren. Es ist klar, dass die Freilassung christlicher Sklavon eine zahlenmässige Stärkung des Dimm-Milieus, und damit eine - relative - Schwächung des Islam bedeutet. Kon^rsion_in_Anschlus3 an die Gefangennahme Den abendländischen Soldaten war bei ihrer Gefangen nahme ziemlich bewusst, welches Schicksal sie erwartete. Freilich ist der Sklave im Islam besser gestellt, als etwa der Sklave der Antike (der übrigens auch nicht ge rade nur dazu da war, um in der Arena sein Leben zu lassen!), dennoch ist er im wesentlichen eine Sache. Auch wenn seine Stellung gegenüber dem Besitzer und Herrn (selbst noch nach der Freilassung!) gewisse An klänge an "Familienrecht" hat, so darf man sich den Sklaven im Islam doch nicht als so etwas wie einen "möblierten Herrn mit Familienanschluss" vorstellen. Sofern die Gefangenen nicht gleich auf dem Schlacht feld unter den muslimischen Soldaten aufgeteilt wurden - sie sind ja Teil der Beute - wurde ein Grossteil von ihnen in die Hauptstadt geschickt; dem Sultan stand ja ein Fünftel der Kriegsbeute zu. Unterwegs waren sic mit Halseisen an Ketten geschlossen, trugen ihre eigenen, sieglosen Fahnen - und auf Stangen die abgeschlagenen, nicht immer geschundenen und mit Stroh ausgestopften Köpfe gefallener Kameraden mit sich. In Istanbul angekommen, machte der Zug, bevor man die Gefangenen im Seray vorführte, grundsätzlich einen kleinen Umweg an der kaiserlichen Botschaft vorbei, was nicht nur den verständlichen propagandistischen Effekt
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hatte, sondern gleich zur Schmähung gereichte (1): einige der Gefangenen mussten nämlich in diesem Augen blick mit Pauken und Trompeten aufspielen (2). Die Anstrengungen des langen Marsches, die Schmach beim Empfang in der Hauptstadt, und besonders das zu erwartende Geschick veranlassten die meisten der Ge fangenen in diesem Zeitpunkt zum Abfall, vom christli chen Glauben (3). Ihre Hoffnung, dadurch des Galeeren dienstes enthoben au werden, wurde in der Hegel ent täuscht - eine Erfahrung, die einige wenige Gefangene von der Konversion abhielt. Bei der "Vorstellung" im Divan kamen nicht nur nachrichtendienstlich interessante Dinge zur Sprache, sondern natürlich auch die Frage der wahren Religion (4). Inwiefern hier Überzeugung oder Resignation eine Bolle spielte, ist sekundär. Die Mehr zahl der vorgestellten Gefangenen renegierte rasch. (1) Es war tatsächlich ein Umweg, wie sich aus verschie denen Berichten ergibt, vgl. hierzu die folgende Anmer kung. Zur Topographie der kaiserlichen Botschaft vgl. EYICS, Semavi: Elçi Ham. In: Tarih Dergisi 24 (1970), --------S. 93-130. (2) GERMCH Tage=Buch S. 94, 118, 125, 127, 131, 134, 222, 225, 3857"4277_?52, 459, 479; DERNSCKWAM Tagebuch S. 142, BUSBECQ Briefe S. 176, SCHWTÜIGGKR ConsÎânlınopel vnd Jerusalem S. 9Ά Tmit einem HolzschnittTT7 Γ37 G5HHÜH~Tage=Buch passim (vgl» Anm. (2)!) (4) Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass in einer solchen Situation und auf dieser politischen Ebene immer über Religion gesprochen wird, auch wenn man von kriege rischer Thematik ausgegangen war. Vgl. etwa den Bericht W. Schreibers (in: HURMUZAKT II, 1 S« 468 fl'.) über seine Einvernahme im Divan. Über Schreiber selbst vgl. KRIEBEL, Mar tin : Wolf Schreibers Misgion in den europäischen Südosten in der Mitte des 16. Jahrhunderts. In: Südost deutsches Archiv TI (1959T, S. 18-42.
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Die den Paschas und anderen hohen Würdenträgern zu— gefallenen Gefangenen wurden in der Regel erst mit dem Tod des Herrn frei; die auf dem Sklavenmarkt gekauften hatten eine durchschnittliche Dienstzeit von 10 Jahren (1). Verschiedone Methoden der Proselytenmacherei__unter Sklaven und Kriegsgefangenen Die Konversion eines "Haussklaven" brachte diesem ge wisse Vorteile; so sieht etwa das islamische Recht bei verschiedenen Vergehen als Sühne die Freilassung eines muslimischen Sklaven vor (wer darauf hoffte, musste also konvertieren!), ganz abgesehen davon, dass Freilassung eines Sklaven für den Muslim generell religiös ver dienstlich ist. Doch "ermunterten" die Besitzer ihre Sklaven auch aktiv zur Konversion, indem 3ie sie recht hart hielten, nach der Konversion aber menschlicher behandelten (2). Wir finden also auch hier wieder die Bedrückung als Kriterium der Konversion, wie schon im Dimml-Milieu (3). In unserem Material fand sich keine neimenswerte An zahl von freigelassenen Sklaven, die ihre "Dienstzeit" ohne Glaubenswechsel überstanden hatten. Wir können des halb DEHNSCKWAM’ s verallgemeinernder Aussage zustimmen: (1) So_nach den Angaben fast aller Reisenden und dem Siğillat von Ankara; vgl. OEGAN I und II. (2). DE3NSCHWAM Tagebuch S. 141 f., RAUWOLFF Raisz S.397, aus eigener ErfäHrüngT GEORGIJEVIC De origine fol. G 2r, und WEBBE, Edward: Edward_WebbeL Chief lasier Gunner, his travailes, 15907~Hrsg. v.~S.~IrEer7 Iöri(Ion-I55S rEngIisE“ Reprints II), S. 20 et passim. (3) Vgl. oben S. 275 f.
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"Die turkhen sollen sich in kurezen jaren ein newen geprauch haben angenommen mit den gefangenen cristen, das sy jeeaundt mit gewalt die gefangenen beschneiden, inen hend vnd fusse binden, vnd beschneiden, vnd zw irem glauben zwingen. Auch die vor lange jar hierinen gewesen vnbeschnitteri pliben seind, ab gleich ein gefangener ain jar ader zway sichs erwert, so mus er doch auff die letz darüber" (1). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verheiratung von Renegaten, die aus dem Kontingent (ehemaliger) Kriegsgefangener stammten. BASSANO sagt hierzu: "...et il medesimo fanno al Christiano che rinega voluntario, come â quello che rinega per forza, e quanto piu presto â l ’ vno et â l ’ altro, danno moglie, perche dicono, che fatti figliuoli non si possono piu partiro"(2). Die Reisenden trafen viele ehemalige Kriegsgefangene, die konvertiert und mit einer gebürtigen Muslimin ver heiratet waren (3). Einige verwalteten ein Gut ihres früheren Herrn, oder auch ein eigenes. Dass die Ehe mit einer gebürtigen Muslimin für den Renegaten oinc stabilisierende und integrierende Funk tion hat, liegt auf der Hand. Gerade aber in diesem Zusammenhang ist die Lauterkeit seiner Konversionsmo tive irrelevant: er gründet ja gleich eine muslimische Familie!
(1) DERNSCHWAM Tagebuch S. 69. Konkrete Fälle echter Zwangsbesehneidung cTTesor Art finden sich u.a. bei GERUCH Tage=Buch S. 123, 248, 285. (2) BASSMö~Cöstümi S. (85). (3) Vgl. besonders: DEKKSCHWAM Tagebuch S. 147, 161, 167, 234, 244, KRAFFT Reisen und GefangenscEaft S. 137, BREÛNING Or ien f.al Is cEe'~Hey sz 5.~T3S F .7-£ÖUWE?TSTEIN Pilgerfahrt Fol. I97~?7-FüRI3 Reisc-Bcschreibung S. 53 ----------------- üncPI5S“f7_
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DERNSCKWAM’ s Mitteilung, die Osinanen würden erst seit kurzem Kriegsgefangene grundsätzlich zur Konver sion zwingen, lässt sich - verbunden mit BASSANO’ s Behauptung der anschliessenden Verheiratung - an Archiv material verifizieren: DERNSCIIWAM’ s Aussage bezieht sich auf die Jahre vor 1553, und wenn man die durch schnittliche "Dienstzeit" von zehn Jahren addiert, so müssten die ersten Auswirkungen zu Beginn der sechziger Jahre des 16. Jahrhunderts erkennbar sein. Im dritten Band des Sigilläts von Galata (1561/62) findet sich eine grössere Anzahl von "Mischehen" der Form, wo der Mann Renegat, die Frau gebürtige Muslirain ist, aber auch "Mischehen" des umgekehrten Typs. Das Prozentverhältnis ist dabei 70 zu 30, was also sehr für die Aussagen der beiden Reisenden spricht·. Warum sich diese Relation im folgenden Jahrzehnt (Stichjahr: 1570/71) auf die Werte 55 v.H. : 45 v.H. verschiebt-, und sich bis 1580/81 bei etwa 40 v.H. : 60 v.H. einpendelt, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Wahrscheinlich ist diese Entwicklung auch auf innerstädtische Fluktuation zurückzuführen, wobei wir hier wieder Galata als Teil von "Gross-Istan bul" begreifen. Wir haben schon in Zusammenhang mit Kirchenpolitik und den diskriminierenden Massnahmen aufzeigen können, dass die beiden Jahrzehnte von 1560 bis 1580 durch integrierende Bestimmungen gekennzeichnet sind. Gerade wegen der relativ geringen Mehrheit, welche die Muslime zumindest in der Hauptstadt selbst im 16. Jahrhundert darstell ton, musste es geraten scheinen, den Dimmîs keinen weiteren Zuwachs aus dem Kontingent
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freigelassener Sklaven entstehen zu lassen; wie wir gesehen haben, wurde es auch mit allen Mitteln verhin dert. RICHIER nennt die Integration freigelassener Sklaven quasi als Prinzip - für welches er einen sehr plausiblen Grund angibt: "Quand les serfs sont mis en liberte, c ’ est â la charge qu’ ilz demoureröt perpetuellement es terres ot paxs du Turc: ce qui se fait en partie, eomme ie croy, pour auoir plus de gens en la subiection du gräd seigneur: et en partie aussi pour l ’ augmentation de la religion de Mahummed" (1). Den Zusammenhang von Konversion und Integration der Sklaven sieht - neben anderen Reisenden - auch GEORGIJEVIC:"ut recons mancipium circuncisionom. admittant: id ubi fecerit, humanius aliquanto tractatur, caeterum spes redeundi in patriam plane abscissa est" (2). Somit ist im Sklaveruriilieu dieselbe Trias von Druck - Konversion - Integration nachgewiesen, wie wir sie schon für die Dimmis fanden.
(1) RICHIEH, Christophe: Des Coutumos et Manieres «e vivre des Turos. Paris 153Ö7~S7-ZÖ7.T27“ GEOT5IJEVTC De_origine fol. G 2 r. HARTMANH Reli gion S. 80 spricRÎ in diesem Zusammenhang gar von einem 3er~” st'illen aber wirksamen Wege der islamischen Mission".
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VIERTES KAPITEL
"Invania” Wir haben schon oft auf diesen schillernden Begriff hingewiesen, der lotztendlich die Hauptkriterien mus limischen Verhaltens gegenüber Kichtmuslimen in sich schliesst. Wir wollen diesen Terminus beibehalten, ob wohl er sich bei nur wenigen Autoren so findet. Zwei der wichtigsten Definitionskriterien liefert uns CARLIER, der über die Christen im Osmanischen Reich sagt: "Ils sont au reste librcs en l ’ exercice de leur religion, aussy bien que les Juifs, mais sont contraincts de se guarder de monstrer qu’ ils ont des moyens, de poeur qu’ on ne leur jette le chat aux jambes leur suscitant quelque vanie moresque" (1). Das auslösende Moment für "vanie" ist also der Reich tum der Dimmis, oder konkreter: dessen Zurschaustellen. Das zweite Moment, "leur suscitant quelque vanie" wer den wir etwas später untersuchen. Zum Verfahren sagt CARLI3R: "II n ’ y ha aussy rien plus commun en Turcquie, que les vanies moresques, qu’ ils appellent, lesquels sont calumnics imposees par faux tesmoings..." (2) (1) CA3LIER Voyage S. 123. Auch GERLACH Tage=3uch S.413 sieht die Ver5in3ung von Verleumdung mit-ReicEtüm, wenn gleich er den Terminus "avanie" nicht erwähnt: "Doch ist derten das wieder beschwerlich: Wann ein Türck wider ei nen Christen etwas hat/bringt er 10. 20. Zeugen/die doch kein Wort umb die Sache wissen/da musz der Christ schul dig seyn/und alles wieder schwitzen/was er in vielen Jahren gesammlet hat." (2) CARLIÜR Voyage S« 107.
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Das Verfahren ist also Verleumdung. Den Inhalt und Bezug der Verleumdung gibt BREÜKIKG gut aufgeschlüsselt "Es haben sich aber die Christen in Türekey wol für zusehen damit sic nicht von der Religion Disputieren/ oder sich vermercken lassen dasz jhr Religion besser al der Türcken. Oder da einer sagen wolte/die Türcken wür den nicht Selig/der jhre Ceremonien verspottete/oder da einer schon kein Wort sagete/sondern sich nur mit geber den dergleichen stellete/vnd dessen ein Zeichen gebe/ raüste er ohnentgelt/seinem Glauben vnnd Tauff wiedersprechen/oder das Leben darüber lassen. Jtem da einer wieder den Mahomet redete/vnnd sagte dasz er ein fal scher Prophet were. Oder da einer einen Türcken eine Hund hiesse/eine Türcken vnder das gesicht speyete/vbel vom grosz Türcken redete/oder bey einer Türckisehen Frawen ergriffen würde. Der oder dieselbigen müsten ent weder sterben oder sich Beschneiden vnd zum Türcken ma chen lassen. Wann also nur zween Türcken erfunden so vber einen Christen zeugnusz geben/so ists geschehen vnd die Glock gegossen. Vnd machen jhnen die Türcken kein Gewissen/die Christen/obangeregtor gestalt/auch wider die warheit anzugeben/vnd wieder sie zu zeugen. Welches von den Christlichen Kauffleuten in Türckey J n u a n i a oder A u a n i a genand wird. Vnnd ligen die Beampten/Als C a d i S o u b a s s i biszweilen auch selbsten mit vnder der Decke/damit die Christen ge fährdet werden. Da sie schon wissen/das jhnen kurtz vnnd vnrecht geschieht. Vnd ob man wol in solchen be züglichen fällen/nit den rauehesten weg fahret/so ist es doch darauff mehrerteils angesehen/das man sie vmb das Gelt bringt/vnd hohe Schatzungen aufferlegt. Wie solches in Tiirckey/die tägliche erfarung gibt. Jst also kurtz davon zu reden J n u a n i a anders nichts als ein a u c u p i u m Gelt von den armen Christen p e r f a s e t n e f a s z u e x t o r q u i e r e n , oder damits auch ein einfältiger Bawr hie zu Lande verstehen möge. S o i s t J n u a n i a gleichsam ein Partheysehe falsche a f f e c t i o n i c r t e inquisit i o n." (1) Bei oberflächlicher Lesung könnte einem entgehen, (1) BREÜl'lING Orientalische Reysz S. 14 f.
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dass BREÜNING’ s Darstellung in zwei Teile zerfällt: a) Aufzählung von Handlungen, die der Nichtmuslim zu unterlassen hat, da er sonst sein Leben riskiert wobei ihn nur die Konversion retten kann; b) Er kann einer solchen Tat - unter aktiver Mithilfe bzw. Anstiftung seitens osmanischer Beamter - auch nur verleumdet werden. Dann aber verfährt man nicht streng nach den Strafen, ("Vnd ob man wol in solchen betrüglichen fällen/nit den rauchcsten weg fahret") die gelten, wenn keine Verleumdung im Spiel ist, sondern man erlegt den Niehtmuslimen eine Geldstra fe auf. ad a) Diese Handlungen sind identisch mit einigen von jenen, die wir im vorangegangenen Kapitel untersucht hatten. Es handelt sich konkret um: - Schmähung des Islam, des Korans, oder eines Muslim (wobei die Schmähung des Islam einer Aufwertung des Christen- oder Judentums gleichkommt - bzw. umgekehrt das Loben dieser Religionen eine Herabsetzung des Islam darstellt - und deshalb ferner auch noch als Versuch ausgelegt werden kann, einen fiuslira zur Apo stasie zu verleiten); - Unzucht mit einer Muslimin (es geht nicht um Unzucht schlechthin!). Diese Handlungen gehören aber auch zu jenen, die ausser nach hanafitischein Ritus - zur Auflösung der Dimma führen (1). Da aber auch noch andere Handlungen (1) Vgl. oben S= 37 ff.
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diese Konsequenz (ebenfalls mit der hanafitischen Aus nahme!) nach sich ziehen, müssen wir fragen, warum nur ein Teil davon Bestandteil der ''lnvania‘ '-Typologie ist. Zur Auflösung der Dimma führt (ausser nach hanafitischem Ritus), wenn der D i m m 1. gegen die Muslime Waffen ergreift (dies allein lässt Abu Hanîfa gelten!), 2. sich weigert, sich Gesetzen und Urteilen des Islam zu unterwerfen, 3. die Kopfsteuer verweigert, 4. einen Muslim zur Apostasie verleitet, 5. mit dem Dar al-Harb kollaboriert, 6. einen Muslim ermordet, 7. Allah, den Koran oder generell den Islam schmäht (was Schmähung eines Muslim auch ausdrückt), 8. mit einer Muslimin Unzucht begeht, und/oder 9. sich der Wegelagerei schuldig macht (dies gilt übri gens nur für Überlandstrassen!). ad b) Warum komrieri die Punkte 1, 2, 3, 5, 6 und 9 nicht im Invania-Muster vor? Die Antwort liegt in diesem Muster selbst begründet: es ißt klar, dass diese Punkte als Gegenstand einer Anklage schwieriger au beweisen sind, aber vor allem kann eine solche Handlung dem Dimmî nicht untergeschoben, bzw. er kann dazu schwer lich verleitet werden! Gerade hierin aber liegt das Hauptkriterium für Invania! Wir haben im vorangegangenen Kapitel dargestellt, wie leicht ein Dimml in eine Situation gebracht werden konnte, dio ihm als Schmähung etwa des Islax ausgelegt
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wurde, und auch das Unterschieben von Damen zweifel hafter Moral konnten wir naehweisen. Gerade aber im letzten Fall zeigte sich, das3 der Subaşı "mit unter der Decke lag", ja, dass er die Affäre inszeniert hatte; und genau auf diese Taktik zielt die Formulierung von CARLIER: "(en) leur suscitant quelque vanie"! Aber natürlich kann ein Dinml auch nur durch falsche Zeugen einer solchen Handlung verleumdet werden, ohne vorher erst in eine verfängliche Situation gebracht worden zu sein (auch dies konnten wir als Realität nach weisen), was freilich beim Blasphemie-Komplex leichtcr zu praktizieren ist. Worin liegt nun die Invania-Typologie begründet? Die angeführten Stellen bei CARLIER und GSRLACH wiesen schon auf den Zusammenhang mit dem Heichtum (1) des zu schä digenden Dimmîs hin, was aber eben nicht nur schlicht, logisch ist, da von einem Armen keine hohe Summe er presst werden kann: zwar ist Celdgier hier unzweifelhaft das treibende Moment, aber die Invania spielt sich ganz und gar auf acheriatrechtlicher Grundlage ab (wir haben schon öfter zeigen können, dass Schikane der Dimma imma nent ist), und zwar auf doppelter: zum einen dürfen die Diramls keinen Reichtum zeigen, zum anderen sind die An ki agepunkte des Invania-Musters (wenngleich als Verleum(1) So auch RAUWOLFF Raisz S. 44: "Nit minder üben sol che practica auch die SöüEaschi, welche sich nicht scheuhen vnschuldige...beuorab die/so eines grösseren Ver mögens seind/vmb schädlichen gewins wegen/straffbar zumachen: darzu dann jre Diener gar wol abgericht seind/ das sie bald eine vnd andere vrsachen zufinden wissen."
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düng) direkt den Dinuna-Bestimnungen entlehnt. Wir haben im Kapitel zur Kleiderordnung schon darauf hingewiesen, dass es nicht genügt, die Kleider der Din miş nur anders zu färben, sondern die Kleider sollen von grober, schlechter Qualität sein, um auch noch das Selbstgefühl der muslimischen Armen nicht zu verletzen. 3in weiteres Indiz dafür, dass Dinmls generell keinen Reichtum zeigen dürfen (von dem eingangs angeführten Zitat CARIIER’ s abgesehen) steckt in der Praxis hinter dem Verbot, hohe und geschmückte (oder: schnucke?) Häu ser zu bewohnen. Zu der grundsätzlichen Erniedrigung, in der die Dinmis gehalten werden nüssen, passt auch der Hinweis GEORGIJEVIC’ s, die Dimmis dürften kein Schau spiel fröhlicheren Lebens geben und - auch nicht tan zen (1). Wenn nun dafür Sorge getragen wird, dass die "Ungläubigen" nicht zeigen dürfen, dass "sie jemand sind", so wird auch hier wieder die Schrift an ihnen erfüllt; derzufolge (Q IX 28) sind sie Dreck - der Plastizizät willen sei uns "Dreck" statt "Sehnutz" erlaubt(2). Die Verleumder können also nur dem islamischen Ge setz nach, da nach dem Invania-Kuster die Dimmis nicht nur in ihrem Roichtua beschnitten, sondern auch für dessen Zurschaustellen bestraft werden. Dass die Einordnung der Invania-Typologie in die Kategorie der von den f u q a h ä 5 geforderten grund sätzlichen Erniedrigung richtig ist, beweist uns auch (1) "interdieitur...Christianun...aut quae hiliarios uitae sunt (!) spectacula edere, uel chorcas ducere"; GEORGIJEVIC De origino fol. G 7 v. Analog äussert sich MENAVIKO Vita“öT~Ieğğe fol. 66 v. (2) iffiHHiSKT'IexfconiBbte neben inpurit as noch spurcities, merda, und sîercus.
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die Etymologie des Terminus: BLOCHET erklärt den Terminus, nachdem er in CARLIER’ s Bericht zum erstenmal auftaucht, so: "Vanie est 1 ’ Italien avania, d ’ oü nous avons fait avanie; avania est unc ’ imposizione rigorosa; che comunemente e quella che facevono i Turchi ai Franchi’ dit Boerio, et aussi, comme on le voit par Carlier, une calomnie; c ’ est, â n ’ en pas douter, le mol arabe havan, etat de mepris, avilisseraent, etat ού l ’ on ost in;jurieH(l). Bei Rigutini-Bulle, Italienisches Wörtcrbuch, Mai land 192? (7. Aufl.) findet sich unter avania: "schwere Steuer (welche einst die Türken den von ihnen eroberten Ländern auferlegten); Golderpressung, Plackerei, Unrecht, Vergewaltigung, Misshandlung, (neugr. von türk, hawan, Verachtung)." Die neugriechischen Wörterbücher geben für den Ter minus neben den schon genannten Entsprechungen auch: Verleumdung, Denunziation, üble Nachrede, Strafe, un glücklicher Zufall, Pech. An der etymologischen Herleitung vom arabischen "havan" kann auch der Sache nach kein Zweifel bestehen: gerade das Bedeutungsspektrum unter Einbeziehung von "Gelderpressung", "hohe Steuer" und "Verleumdung" be weist dies. Wir finden allerdings in türkischen Urkun den jener Zeit den Terminus nicht, und schon gar nicht synonym für gizya oder haräg - gerade letzterer Aus druck aber findet sich heute in den Balkansprachen wie der, etwa serbokroatisch "haraciti", im Sinne von "nep pen, aussaugen" (?). Die enge Verbindung von Tribut und Erniedrigung ha il) "3. BLOCHST in CARLIER Voyage S. 10Y Anm. 1. (2) Vgl. KISSLING Sprachprobleme S. 58.
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ben wir in der Einleitung schon geschildert: die öizya ist nach den f u q a h ä 5 sowohl Mittel zur als auch Ausdruck der Erniedrigung, die in Q, IX ?3 gefordert ist. Erstaunlich ist nun allerdings die Tatsache, dass die Dimnüs und Pranken für Schikanen dieser (und zwar nur dieser - die Ausweitung des Begriffes auf Schikanen aller Art lässt sich erst ab dem späten 17. Jahrhundert verfolgen!) Art einen arabischen bzw. türkischen Ter minus gebrauchen. Dies ist nur so zu erklären, dass die türkische Seite in diesem Zusammenhang, also bei Schi kanen nach den Invania-Muster, diesen Terminus gebrauchte, woher ihn dann die Christen übernahmen. Das beweist dann aber wiederum, dass die islamische Seite den ganzen Vorgang eben nicht als eine Art "Rechtshandlung" oder "Strafvollzug'' auffasste, sondern tatsächlich als De mütigung der îliehtmusline - womit man freilich nur ei nen; Grundsatz der f ii q a h ä 3 nachkara (und nebenbei kräftig kassierte). Das Schema aber, aus dem sich die Invania-Typologie und die Erniedrigung herleiten, iat direkt den Dirama-BeStimmungen entnommen, in diesen vorgegeben. Die ge läufigste Schikane - ”il n ’ y ha aussy rien plus commun en Turcquie" sagt CARLIER - des Osmanischen Reiches ge gen seine Nichtnmslime hat ihren Bezugsrahmen genau in jener Dimma, die "Schutz, Obhut" bedeutet, und zwar nur in dieser. (Wir finden keine Verleumdung einer Tat, die auch nach den Gesetzen der Dimmxs strafbar wäre, wie etwa Diebstahl, oder Unzucht schlechthin!) + + +
FÜNFTES KAPITEL
Neudefinition des Begriffes "Dimma" Wir hatten eingangs die Frage gestellt, welche "social factors" denn - da cs keine regelrechten Po grome gab - zum Ausdünnen bzw. Verschwinden von ganzen Dimmi-Gemeinden führten. Nachdem aber die sozialen Be dingungen der Dimmis durch die Dimma-BeStimmungen de finiert sind, mussten wir CAHEN’ s "social factors" mit diesen gleichsetzen und fragen, was diese Bestimmungen für die Integration der Dimmis leisten. Dabei fanden wir (a) Bestimmungen, welche die struk türellen Voraussetzungen für Integrität und Identität abschaffen, untergraben und aushöhlen, sowie (b) Be stimmungen im sozialen Bereich, die das Individuum zer mürben. Auf der Grundlage dieser beiden gewissermassen vorbereitenden Faktoren wirkt danr. aktiv (c) die Proselytenmacherei. (a) Bestimmungen, welche die strukturellen Voraus setzungen für Integrität und Identität abschaffen, untergraben und aushöhlen: - D i e geographische Integrität wird durch Sinpflanzen islamischer n u c 1 o i aufgesprengt. - D e r kultische Bezugspunkt der Dimmî-Gencinden wird aktiv entzogen, wobei es ferner zu kultischen Be schnei düngen nach islamischen Masstäben kommt. - Die Autonomie der Dimmis wird a'if unwesentliche Be reiche reduziert, ohne dass ein alternativer Rahmen
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("Staatsbürgerschaft" im Dar al-Isläm) den Verlust an Rechten (etwa in Fragen des Rechtsschutzes und der Rechtsfähigkeit) ausgleichen würde. (b) Bestimmungen im sozialen Bereich, die das Indivi duum zermürben: - D i e diskriminierenden Massnahmen sind nicht normativer Ausdruck einer anderen Stellung der Dimmis, sondern sie werden bewusst zu deren Erniedrigung eingesetzt. - Die soziale Umwelt der Dimmis ist gekennzeichnet von Angst, Unsicherheit und Erniedrigung. (e) Die Proselytenmacherei gründet sich methodisch nicht auf Missionierung, sondern auf den Dimmis gestellte Fallen. In all diesen Punkten konnten wir feststellen, dass die angebotene Dimma mit der durchgeführten nicht iden tisch ist: - Den Dimmis wird ihr Immobilienbesitz zugestanden; aus diesem werden sie vertrieben, sobald islamische n u c 1 e i in der Nähe erscheinen. - Den Dimmis wird Besitz an ihren Kirchen zugestanden; diese v/erden geschlossen oder geschleift, sobald in ihrer Nähe eine Moschee entsteht. - Den Dimmis wird Freiheit der Kultausübung zugestan den; diese wird aber nach islamischen Masstäben
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reehtgestutzt, und die KultausÜbung wird unter die Schwelle sinnlicher 'Wahrnehmbarkeit horabgedrückt; deshalb mussten wir den Toleranzbegriff für die Ebene des Kultus ersatzlos streichen: er ist gegenstands los.
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- Den Dimmls wird die Gültigkeit ihres internen Rcchts zugesichert; aus diesem Bereich ist aber die Straf gerichtsbarkeit ausgenommen. Die Schiedssprüche der Dinm-Geriehte sind weder vollstreckbar, noch rechts verbindlich, noch ist diese Gerichtsbarkeit aus schliesslich: sie ist nicht autonom. Wendel sich der Diramî an das Scheriatgericht, so gilt islamisches Recht auch gegen das Religionsgesetz der Dimmîs. Da für diese aber andererseits der Rechtsschutz des Muslim nicht gilt,entsteht ein rechtliches Vakuum. - Durch die Dimma sind die Michtmuslime verpflichtet, die Ğizya zu erlegen und alle übrigen Pflichten zu erfüllen, welche ihnen der Islam auf erlegt-, "wogegen die Muslime sich nicht nur dazu verbinden, sie künf tighin in Frieden zu lassen, sondern auch, sie gegen Angriffe dritter zu schützen..." (1). Die diskrimi nierenden iiassnhamen in ihrer ganzen Breite decken sich mit dieser Verpflichtung keineswegs - lediglich die offenen Kampfhandlungen werden eingestellt, aber die Dimmîs werden nicht in Frieden gelassen. - Die zugestandene Sicherheit (Obhut, Schutz etc.) der Dimma erweist sich in der Praxis als direkte Ursache von Angst, Unsicherheit und Erniedrigung. So ent steht etwa die Angst vor den Folgen der Missachtung der Kleiderordnung erst durch die Dimma, die Angst vor erhöhtem Risiko bei Einhaltung der Kleidervor schrift ebenfalls. - Den Dimmîs wird zuges tariden, dass keiner aus ihren (1) JUYNBOU Handbuch S. 350.
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Reihen "mit Gewalt" zum Muslira gemacht wird. Dennoch brachte man Dimmis in Situationen, aus denen sie nur die Konversion retten konnte. Es wäre nun zu fragen, ob hinter dieser Diskrepanz bei jedem Punkt, die zwischen der angebotenen und der durchgeführten Dimma festzustellen ist, sich der popu lärwissenschaftlich so beliebte "Unterschied zwischen Theorie und Praxis" verbirgt. Dem ist nun nicht so, die Diskrepanz liegt schon in der "Theorie" selbst, im islamischen Recht und den Dimma-BeStimmungen: - Das Wohnrecht bzw. der Immobilienbesitz der Dimmis bleibt nur gewährleistet, wenn keine Muslime in diese Viertel ziehen, da sie dort durch die Anwesenheit der Nichtmuslirae gestört werden, zumindest in ihrer An dacht, also: sobald eine Moschee gebaut wird. - Dann aber kann auch der Besitz an Kirchen nicht weiter bestehen, da eine Kirche nicht näher als eine Meile an einer Moschce stehen darf. Der Besitz an Kirchen kann also nur bestehen, wenn keine Moschee in der Nähe gebaut wird. - Die Autonomie der Dimmis wäre nur gewährleistet, wenn sie nicht unter die Herrschaft der Muslime gerieten, da die Einschränkung ihrer Gerichtsbarkeit ein Aus fluss der politischen Herrschaft des Islam ist. - D i e diskriminierenden Massnahmen würden nur dann auf gehoben, wenn der Islam auf dem gemischten Wohnen nicht bestehen, sondern eine Ghetto-Lösung anstreben würde. Dies für den Bereich, wo die unterscheidenden Zeichen wertneutral-normativ verstanden werden:sie wären nicht "nötig". Auf der Ebene aber, wo diese
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Massnahmen als Ausdruck der minderen Stellung, und als Mittel zur Erniedrigung "betrachtet werden, können sie nur fortfallen, wenn der Islam den Schluss von Q IX 29 ersatzlos streichen würde, bzw. wenn die f u q a h ä 3 die Stelle anders interpretieren würden. - D i e Proselytenmacherei könnte nur aufhören, wenn der Islam keinen missionarischen Eifer hätte. Also: Dimma wäre in der angebotenen Form nach der reinen Lehre schon nur dann durchführbar, wenn es sie nicht gäbe. Weniger paradox, aber praxisbezogener aus gedrückt, wäre Dimma nur dann durchführbar, wenn der Islam auf Besiedlung der unterworfenen Gebiete ver zichten würde, wenn er dort keine politische Herrschaft ausüben, und keinen missionarischen Eifer zeigen würde. Mit anderen Worten: die angebotene Dimma kann gar nicht durchgeführt werdenJ Somit ist erwiesen, dass die Dis krepanz zwischen der angebotenen und der durchgeführten Dimma nicht auf einen Unterschied von Theorie und Praxis zuriickgeht, sondern in der "Theorie" schon vorgegeben, dass sie konstruiert ist! Wozu dient nun aber diese Dimna? - Vertreibung aus angestammten Wohnvierteln dient der Integration. Die Vertreibung resultiert aas dem engen Zusammenleben. - Das enge Zusammenleben dient der Integration der Dimmîs. - Das Wegnehmen (gleichgültig, in welcher konkreten Form!) von Kirchen dient dem Erlöschen des anderen Glaubens, also der Integration. - D i e diskriminierenden Massnahmen werden zum Ziele
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der Integration eingesetzt. - Selbst alle Schikanen (unter Einschluss der Invania-Typologie), denen die Dimmis ausgesetzt waren, sind direkt den Dimma-Bestimmungen entlohnt, sind in die sen vorgegeben, oder stellen eine Pervertierung der den Dimmis auferlegten Pflichten dar. Schikanen ohne Bezug zu diesen Bestimmungen lassen sich nicht, nachweisen: Schikane ist der Dimraa immanent. Da aber die Dimmis bedrückt werden sollen, um sic zur Konversion zu treiben, dient auch die Schikane der Integration. Dirama ist also das Medium zur Konversion. Somit werden die bisherigen Definitionen von Dimraa als Schutz, Gastfreundschaft, Koexistenz und Symbiose (1), aber auch die der "Toleranz" hinfällig. Die Dirama regelt zwar eine Art von Koexistenz, aber sie dient nicht zu deren Erhaltung, sondern im Gegen teil zu ihrem Erlöschen - und zwar expressis verbis! Deshalb lässt sie sich auch nicht mit dem Duldungsbegriff unseres Ausländerrechts beschreiben, da dieser ja die Integrität des Ausländers nicht antastet, son dern 3 einen Aufenthalt hier kündbar macht. Dagegen zielt die (nach Ibn Taimiyya durchaus auch kündbare) Dirama ja nicht auf Ausweisimg nach einiger Zeit ab, sondern auf Integration der "Geduldeten”. (1) Dies gegen CAEEîf, Art. Dhimma in El2 , hier S. 230. Wenn man schon ein biologistischcs Modell bemühen will, so müsste man Parasitentum statt Symbiose wählen: die Symbiose beruht ja bekanntlich darauf, dass jeder der beiden Partner den anderen (und nur diesen!) notwendig braucht um existieren zu können “was aber für die Dimmis keinesfalls gegeben ist!
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Hierin aber offenbart sich ein weiteres Kritoriu:n für die Neudefinitior. des Begriffes: der temporäre Charakter der Dimma. Der zugrundeliegende Koranvers (Q IX 29), "Kämpft gegen sic, bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten" reicht natürlich nicht aus, die Dimma zu beschreiben. Dieser Vers legi nur drei Punkte fest: 3ndo dor (offenen) Kampfhandlungen, Tri butzahlung, und die umstrittene Erniedrigung. V/ir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die f u q a k ä 3 den Auftrag zur Erniedrigung dor Dimmis aus den direk ten Zusammenhang mit dem Tributzahlen lösten, und ihn verallgemeinerten. Durch dio grundsätzliche Erniedri gung der Dimmis wird aber der religiöse Herrschaftsan spruch dos Islam keineswegs aufgegeben (1), und es ist "inner im Bewusstsein der fiuslime der Gedanke wachge blieben, dass diese Regelung (sc. Dimma)... eigentlich dem Geiste des Islam zuwiderläuft und nichts weiter ist als ein Kompromiss mit Verhältnissen, die man nun ein mal nicht ändern kann" (2). Man konnte durchaus, wie wir gesehen haben, und das Mittel zu dieser Änderung ist genau die Dimma selbst! Das Unbehagen, welches die muslimische Seite gegen über jener Situation empfindet, die aus den raachtpolitischen Gegebenheiten im Augenblick der Unterwerfung entstanden war, die aber keinesfalls festgeschrieben (1) So wird ja auch das Gihäd-Gebot selbst erst am Jüngsten Tage aufgehoben; vgl, FATTAL Statut S. 16. (2) TAESCHNER, Franz: Antichristliche Bestrebungen im Vorderen Orient. Kit eınearFacRÎrağ von G. Jaschke. In: Chrisfen-üna-Sntichristen. Hrsg. v. L. Kilger. Hiltrop 1954, S. 182-192, hier: S. 185.
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werden sollte, dokumentiert sich nicht nur in den Be stimmungen der f u q a h ä % durch welche die 3imma ja geradezu das Medium zur Konversion wurde, und wo diese Limma ja schon temporär konzipiert ist (da nur durchführbar, solange keine Muslime zuziehen etc., vgl. oben S. 329 f.). Dieses Unbehagen dokumentiert sich auch historisch in gelegentlichen Versuchen, die Dimma schlicht für gegenstandslos zu erklären: - In jenem Brief, mit dem cümar II. seine dimmifeindlichen Massnahmen einleitete (1), heisst es: "jetzt- ist es an der Zeit, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen, ihre Religion zu vernichten (!), und sie auf den Platz der Schande und Erniedrigung hinabzudrücken, den Gott ihnen zugewiesen hat" (2). ~ Sultan Muräd ΓΙΙ. argumentierte, die Privilegien der Kirchen Istanbuls stammten aus einer Zeit, da die Stadt neuer Siedler bedürftig war, nun aber, da sie von Mus limen überquelle, seien diese Privilegien hinfällig ge worden (3) - womit er sich des Arguments Ibn Taim.iyyas bediente, demzufolge die Dimmîs von ihrem Status nur so lange profitieren, als die Muslime ihrer bedürfen. (1) Vgl. FATTAL Statut S. 248. (2) Da der Kalif aTesen Brief mit dem Zitat von Q IX P8 beginnt ("Die 'Jngläubigen sind Schmutz") ist gan» klar, worin er die "Platii Zuweisung" durch Gott sieht. Auch dies macht die orientalistische Diskussion hinfällig, ob unter den ".uusriküri" auch die Dimnis ku verstehen seien: für cllmar II. und die f u α a h ä 3 auch der späteren ZeiL war diese Gleiehsotzung selbstverständ lich (vgl. auch Q IX 30!), und uns sollten koranjsehe Vorschriften nur in muslimischer Auffassung interessie ren! (3) Vgl. oben S. 74.
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- Rigoroser war in vorosmanisc.her Zeit argumentiert worden, indem etwa ein Wesir aus dem Maghreb auf der Durchreise durch Ägypten einen Hadrt anführte, demzu folge der Schutzvertrag (cahd ad-dinnna) sechshundert Jahre nach der Higra auslaufen würde (1), oder als um 1100 ein f a q I h aus Cordoba behauptete einen Hadrt entdeckt zu haben, demzufolge sich die Juden Muhammad gegenüber verpflichtet hätten, den Islan anzunehmen, wenn der Messias nicht bis zum Ende des fünften Jahr hunderts 2er Higra gekommen sei (2). Trotz der Ein schränkung auf die Juden (3) ist der Zusammenhang bei der Behauptungen evident. Hiermit wird eines klar: gerade die Dauer de3 Dinma-Vcrhältnisses führt Kum Ärgernis, was wiederum beweist, dass die Diinma nicht nur nicht als Kocxistenzfomcl konzipiert ist, sondern von den Muslimen auch nicht als solche empfunden wird. Das Ärgernis rührt nun freilich nicht aus den Andau ern schlechthin, sondern daraus, dass die Dimmis sich trotz der Dauer der ja eigentlich auf Integration zie lenden Dimma nicht integrieren wollten, sondern eben nach anderen Möglichkeiten des "Überlebens" suchten: dieser Zusammenhang zeigte sich ganz deutlich bei der (1) WliSNER Zur^Geschichte Ägyptens S. 63. Auch dies gegen die BeHaûpÎung7 Sie Dîınma'seı ad infinitum kon zipiert ! (2) FATTAL Statut S. 173. (3) Es wäre eine eigene Untersuchung wert, die DinuniPolitik daraufhin zu betrachten, wie, zu welchem Zweck, und unter welchen (wechselnden) Voraussetzungen Juden und Christen gegeneinander "ausgespielt" wurden; so etwa auch in Religionsgesprächen!
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Problematik der Ersatzkirchen. Wenn der Kirchenschwund dazu führt, dass Dimmis ihren Gottesdienst in Privat häusern abhalten, so sind diese als neuerbaute Kirchen zu betrachten und zu schleifen - denn so war die zugestanrione Kultfreiheit ja nicht gemeint, die nichtislaad sehen Religionen sollen nicht "ewig" bestehen. Dies gemahnt im Tenor ganz an Q IV 171: "Ihr Leute der Schrift! Treibt es in eurer Religion nicht zu weit!" Es wäre freilich auch zu überlegen, ob dieses empfun dene Unbehagen - das ja auch seine psychologischen Ur sachen und Auswirkungen hatte - nicht zum Teil darauf beruhte, dass die Muslime ständig mit den "Ungläubigen" konfrontiert waren.: auf Schritt und Tritt begegnete ihnen doch der lebende und lebendige Beweis, dass der Islam nicht einmal im eigenen Herrschaftsgebiet ("bei sich daheim"!) die alleinige Religion war! Das hieraus resultierende Missbehagen hätte sich aber erheblich re duzieren lassen, wäre man diesen Beweisen nicht stän dig begegnet, konkret: hätte es Ghettos gegeben, und hätte der Islam auf unterscheidende Kleidung (im nor mativen Sinne) verzichtet. Die Ghettos aber hätten das geschlossene Überleben der anderen Religionen gewähr leistet (daher Abu Yusufs Begründung für das gemischte Wohnen), was eben nicht sein sollte! Eine einheitliche Kleidung wäre Assimilation gewesen, die Dimma dringt aber auf Integration! Je mehr Assimilation aber möglich ist (wodurch das Missbehagen abgebaut würde), umso weniger muss den Dimmis Integration geraten scheinen, weil dann ihr Missbehagen (die Bedrückung) reduziert würde! Also war es - angesichts des Zieles einer "weit-
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weiten" İslâmîsierung - unumgänglich, auf Assimilation zu "verzichten". Dabei hatten die f u q a h ä 5 sicher nicht einbezogen, dass sich die Dimmis als demassen resistent erweisen würden. Daher das Ärgernis aus der Dauer des Dimma-Verhältnisses. Es wäre nun falsch zu sagen, die Dimmis hätten diese Resistenz wegen der Dinnna aufgebracht, bzw. sie wäre ihnen durch die Dimma ermöglicht gewesen. Wir haben ja gesehen, dass die Dinma-BeStimmungen in jedem Punkt auf Integration abzielen. Es wäre aber auch nicht ganz zu treffend zu sagen, den Dimmis wäre diese Resistenz trotz der Dimma möglich gewesen. Schliesslich sicherte ihnen dieselbe Dimma, die auf Integration abzielt, den Besitz an Immobilien, Kirchen, ferner freie Kultaus übung etc. zu! Der Widerspruch liegt, wie oben aufge zeigt, schon in der "Theorie”selbst: die Dimma ist in der angebotenen Form gar nicht durchführbar. Es gibt aber noch einen anderen Widerspruch: den zwischen den konkreten Verträgen und den s u r ü t! So ist in den konkreten Verträgen von diskriminierenden Massnahmen keine Rede. Es ist dort auch keine Rede da von, dass die Dimmis ihr Wohn- und Arbeitsrecht in ih ren Vierteln verlieren, sobald diesen ein islamischer n u c 1 e u s eingepflanzt wird. Es ist auch keine Rede davon, dass ihr internes Rechts in praxi hinfällig wird etc.! Angeboten wird den Mchtmuslimen also nur eine Dimma, die für sie akzeptabel ist - die aber, ungeachtet der konkreten Verträge - scheriatrochtlich auf Dauer gar nicht praktikabel ist, weil eben eines Tages Musiixe
zuziehen. 7iir hätten schon bei der Feststellung der Diskrepanz zwischen angebotener und durchgeführter pimna (vgl. oben 3. 327) fragen können, ob die Dimma nicht den Charakter einer List hat, doch schien es uns geraten, erst noch den Nachweis zu erbringen, dass diese Diskrepanz nicht auf dem Unterschied von Theorie und Praxis beruht, sondern in der "Theorie”selbst begrün det liegt. Nachden nun aber dies erwiesen ist, und wir ferner feststellen können, dass die angecotene Dimma nicht nur nicht durchführbar ist, sondern dass nur eine Dimma angeboten wird, die akzeptabel und durchführbar erscheint - obwohl sie nicht durchführbar ist - müssen wir im Diimna-Ange'bot eine List sehen. Hierbei ist es nötig, die Dinuna nicht mehr isoliert als Problem des Dar al-Isläm zu betrachten, sondern sie einzubauen in das bipolare System von Dar al-Islam und Dar al-Karb. Dort, aber "kann auf beider. Seiten jede Ko existenz ormel nur aufachlebendes Moment oder, mora lisch gesehen, Unglaubwürdigeit sein" (1). Die Dimma war ja aus einem Angebot des Islam an die Ungläubigen entstanden, das ihner: im Falle friedlicher Unterwerfung Schutz von Leben und Besitz, sowie Frei heit der Religionsausübung zusicherte. Dieses Angebot iat unter bestimmten Umstfenden (Verteidigungslage, Truppenverhältnis etc.) durchaus akzeptabel. Diese Regelung ermöglicht dem Islam vorübergehend eine territoriale Ausbreitung unter Verzicht auf re ligiöse Herrschaft. Dennoch werden schon früh Vorkeh il) KISSLING Rechtsproblematiken S. 7.
runger. für eine spätere, bzw. ""beiläufig sieh ergeben de " Isla.jTiisierung der Unterworfenen getroffen, nämlich durch Einpflanzen islamischer η u c 1 e i. Wir haben gesehen, dass die Islsmisierung Galatas zu einer Zeit begann, da sie in Stambul selbst noch keineswegs für die muslimische Seite ein eindeutiges Übergewicht ge zeitigt hatte, und dass, so geringfügig die Islamisierung Galatas i n t r a r a u r o s auch noch war, doch dem Abwandern der dortigen Dimmis in das spätere Galata e x t r a r a u r o s sofort islamische n u c 1 e i dort hin folgten: hiermit war der Grundstein für weitere Islamisierung anderer Viertel bereits in: Kern (nucleus!) gelegt. Da aber mit dem Singehen der Dimma islamischerseits der religiöse Herrschaftsanspruch nicht aufgegeben, den Dimmis aber Religionsfreiheit zugestanden wird, ent steht ein Schwebezustand. In diesem kommt der Dimma in der Form Bedeutung zu, die sie durch die f u q a h ä 3 erhielt und wie wir sie hier beschrieben: als lang fristig konzipiertes Instrument zur Integration. Wenn CAH.ÖÎ (1) sagt, erst spätere Prinzipienreiter (doctrinaires) hätten die ursprünglich toleranten Be stimmungen des Koran restriktiv ausgelegt, so muss dem entgegengehalten werden, dass ja erst die f u q a h ä 3 eir.e Systematisierung der Dimxa brachten, wohingegen es früher nur Einzelverträge gab, in denen die "Dimma Got tes und der Gemeinde Muhammads" ein eher theologischer Begriff war; durch die f u q a h ä 5 aber wurde die (1) GAREN Art. Dhimma in EI“, hier S. 227.
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Dimma zur staatsrechtlichen Konzeption! "Die" Dimma schufen erst die f u q a h ä Aber auch in der Zeit vor dieser Systematisierung gab es eigentlich keine Grundsätze, die der. von CAHEN postulierten toleranten Geist atmen würden. Der Koran selbst zeichnet von den Ungläubigen ein "schmutziges" Bild ewiger Verworfenheit. Wir wollen hier nur jene Stellen aufführen, die im Kontext dieser Neudefinition, besonders aber hinsichtlich des List-Charakters der Dinma von Bedeutung sind. Nach dem Koran - der ja für den Muslim cas Wort Got tes ist! - sind die Nichtmuslime den Muslimen ausgespro chen feindlich gesinnt: "Die Juden und Christen werden nicht mit dir zufrie den sein, solange du nicht- ihrem Bekenntnis folgst” (Q II 120). "Sie werden nicht müde, Verwirrung unter euch anzu richten, und möchten gern, dass ihr in Bedrängnis kommt (Oder: zu Fall kommt?). Aus ihren Äusserungen ist (schon genug) Hass kundgeworden. Aber was sie (an Hass und Bosheit) insgeheim in ihrem Innern hegen, ist (noch) schlimmer." (Q III 118) Besagt dies nur die grundsätzlich feindliche Ein stellung der Ungläubigen gegen die Muslime (der &ihäd wäre dann also rein defensiv!), so beziehen sich andere Stellen direkt auf die Vertragstreue der Nichtmuslime: "Sie halten hinsichtlich eines Gläubigen weder Bin dung (i 1 I) noch Verpflichtung (d i m m a)" (Q IX 10). Die Schriftbesitzer glauben sich aber - so der Koran, also Gottes Wort! - zu Vertragsbruch, Betrug und Dieb stahl an Musiinen berechtigt: _"Das (kommt daher) dass sie sagen:’ Bei Heiden (u mm i y u n) machen wir uns (mit einem solchen Verhalten)
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nicht schuldig." (Q III 75) Ein Hadlt sagt lapidar: "Die Juden und Christen sind Verräter" (1). Auf diesem Hintergrund überrascht eine andere Offen barung nicht mehr, die bereits in die Sphäre der Taktik verweist: "Und wenn du von (gewissen) Leuten Verrat fürchtest, dann wirf ihnen (den Vertrag) ganz einfach hin!" (Q VIII 58) (2). Die Dimmls aber sind aber a f o r t i o r i diese "gewissen Leute", da sie sich zum Vertragsbruch berech tigt glauben (nach Q III 75), und auch Vertragsbruch be gehen (nach Q IX 10). Zu befürchten ist ihr Vertrags bruch natürlich auch stets, da sie den Muslimen feindlich gesinnt sind (nach Q II 120 und III 118). Nachdem aber (1) PATTAL Statut S. 237. (2) Dies isf 5as Gegenprinzip von "pacta sunt servanda"! Man hat oft Befremden darüber geäussert, dass der Koran den Muslimen einschärft, Verträge auch zu halten, etwa BERGSTRÄSSER Grundzüge S. 10: "Der Sicherung der Ver tragserfüllung 5Ienen~Vorschriften über die Form des Vertragsabschlusses (möglichst schriftlich)und - noch charakteristischer - das Gebot, die Verträge zu erfüllen." Als Stellennachweise nennt BERGSTRÄSSER Q II 282 f., XXIV 33 und LXX 32. Diese Verse beziehen sich nun frei lich nur auf Verträge im muslimischen Milieu! Wenn nun also Tnäch Q VIII 58) ein Vertrag mit Nichtmuslimen nicht gehalten werden muss, so könnte man sagen, dies beruhe ja nur auf Gegenseitigkeit (vgl„ Q, III 75). Doch gründet sich letztgenannte Stelle ja nicht auf Empirie, sondern auf Gottes Wort! Auf dieser Legitimation auf bauend kann man der muslimischen Seite dann wegen Ver tragsbruch gar keinen Vorwurf machen, selbst dann nicht, wenn die Nichtmuslime den Vertrag strikt einhalten, also der Schrift nicht entsprechen!
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schon die alleinige Befürchtung des Verrates hinreicht, islamischerseits den Vertrag "hinzuwerfen", diese Be fürchtung im Falle der Dimmis aber prinzipiell gegeben (oder: durch Gottes Wort vorgegeben) ist, kann gar kein bindendes Recht entstehen (1): die Dimma kann - für die Muslime - keinen rechtsverbindlichen Charakter haben! Daran ändert - in Anbetracht der koranischen Grundla gen - auch die Aussage nichts, die Dimma sei durch die Gewissensbindung der Muslime gesichert (2). Eine rechts verbindliche Dimma kann auf koranischer Grundlage gar nicht entstehen - wobei die Schuld dafür nach dem Koran nur bei den hinterhältigen Ungläubigen liegt! Nachdem aber die Rechtsschöpfung im Islam auf Koran und Sunna angewiesen ist, kann man jene f u q a h ä % welche die Dimma den angeführten Versen folgend syste matisierten, nicht - wie CAHEN es tut - einer intoleran ten Prinzipienreiterei zeihen (auf welchen anderen Prin zipien sollten d i e f u q a h ä 5 denn reiten?): sie bau ten Gottes Wort in das Rechtssystem ein, mehr nicht! Wenn wir nun also fcsthalten, dass die Dimma keinen rechtsverbindlichen Charakter hat und nicht haben kann, (1) Letztliche Klarheit schafft aber Q IX 7 (samt der folgenden Verse!): "Wie sollte es denn für die Heiden bei Gott und seinem Gesandten ein Bundesverhältnis ge ben (das ihnen gegenüber einzuhalten wäre)...?" Dass hier von "musrikun" die Rede ist, braucht uns nicht zu stören, da die spätere Zeit alle Schriftbesitzer (und die Christen wegen des Trinitätsglaubens schon doppelt!) zu den Polytheisten rechnete, und dem f a q ϊ h ja der Koran nicht als Geschichtsquclle dient. Vgl. auch oben S. 333 Anm. (2) und QIX 30! (2) So etwa BERGSTRÄSSEK Grundzüge S. 43.
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so dürfen wir in der früher festgestellten Diskrepanz zwischen angebotener und durchgeführter Dimma eigentlich keinen "Vertragsbruch" im üblichen Sinne des Wortes se hen, da diesem Vertrag (für die muslimische Seite!) von vornherein ja die Verbindlichkeit fehlt (für die Dimmis ist diese Verbindlichkeit allerdings nicht nur gegeben, sondern auch noch durch drastische Strafen abgesichert!). Dies mag man als "Entschuldigung" für den "Vertrags bruch" gelten lassen, es ändert aber nichts daran, dass wir in der Dimma eine List erblicken müssen. Im Gegen teil: gerade die Tatsache, dass der Islam den Dimma-Vertrag auch für sich als bindend hinstellt (was er nach den koranischen Grundlagen nicht sein kann, und in der Praxis auch nicht ist!) beweist einmal mehr den List-Charakter der Dirama! Bevor wir aber die Analogie von Dimma ur.d Mudärä betrachten, bietet sich - wegen der Einordnung in das bipolare System von Dar al-Isläm und Dar al-Harb - noch der Vergleich mit dem Amän-Recht an, da ja der Mustalmin in etwa dieselben Rechte hat wie der Dinar.!. Der wirklich wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Amän in der Regel einem Individuum auf beschränkte Zeit erteilt wird, die Dimma aber einem "Volk", und auf unbeschränkte Zeit (wir haben schon öfter präzisiert, dass das Nichterwähnen einer zeitlichen Grenze nicht gleichbedeutend ist mit der Aussage, die Dimma sei ad infinitum konzi piert) . Die f u q a h ä 5 hatten bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts der Higra das Anän-Recht im Rahmen des öihäd ausgebildet (I), ohne freilich dadurch gleich die (1) HEFFEKING Fremdenrecht S. 111.
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Möglichkeit des Schutzes von Musta’ mins auszuschliessen. Es drängt sich die Frage auf, ob nicht auch die Dimita (als staatsrechtliches Konzept) in diesem fiahmen be trachtet werden kann. Die Frage ist insofern berechtigt, weil die Dimma aus derselben bipolaren Situation von Dar al-Isläm und Dar al-Harb entsteht wie der Amän (cum grano salis liesse sich sogar sagen, dass diese Bipolarität auch innerhalb des Dar al-Isläm forfbesteht, so lange es dort Dimmîs gibt!), und auch weil mit Abschluss des Unterwerfungsvertrages der Islam ja seinen religiösen Weltherrschaftsanspruch nicht aufgibt. Dieser gilt auch im Dar al-Isläm weiter, zumindest nach der reinen Lehre. Da der Dinnuî aber nicht vollwertiger "Staatsbürger" des Dar al-Isläm ist, vielmehr - solange er eben Nichtmuslira bleibt - virtuell eher dem Dar al-Harb zugehört (1), kann der Kriegszustand nur als suspendiert betrachtet werden. Der Amän hat seine koranische Rechtfertigung in Q IX 6 (2): "Und wenn einer von den Heiden dich um Schutz an geht, dann gewähre ihm Schutz, damit er das Wort Gottes (1) Zwar wollen wir in eine Terminologie prinzipiell nicht zuviel hineininterpretieren, aber in diesem Zusam menhang sei ein eigenartiges Phänomen erwähnt, das sich in allen von uns benutzten osraanischen Quellen des 16. Jahrhunderts findet: mit "kafir" werden immer die Chri sten bezeichnet (obwohl Ja auch die Juden "Ungläubige" sind!), die Juden aber heisson immer "yahud". Zwar fin det sich für die Christen mitunter auch "nasärä", aber für die Juden findet sich nie "kafir". Analog werden die Religionen als "dm-i batil" und "dîn-i yahudi”be zeichnet. Wegen der virtuellen Zugehörigkeit des Dimmi zum Dar al-Harb sei darauf hingewiosen, dass diese für die Juden mangels eines jüdischen Staates nicht gegeben sein konnte. (2) HEFFENING Fremdenrecht S. 19.
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hören kann! Hierauf lass ihn (unbehelligt) dahin ge langen, wo er in Sicherheit ist!..." Nun, die Begründung für den Amän, "damit er (sc. der Müstağnin) das Wort C-ottes hören kann", ähnelt sehr der Legitimation des erigen Zusammenlebens von Dimmis und Muslimen, wie sie Abu Yûsuf nennt: das enge Zusammen leben führe die Di;nmîs zu einer besseren Kenntnis des Islam, und verleite sie zur Konversion. (Wir haben ge sehen, dass erst auf dieser Grundlage der Druck ausge übt werden konnte, der - gewissennassen in Pervertierung von Abu Yusufs Argument - die Dimmis zur Konversion treiben sollte.) Die Voraussetzungen für Dimma und Amän sind algo eben so analog, wie die Konsequenzen ihrer Verletzung durch die Nichtmusiine --wobei in beiden Fällen der jeweilige "Vertrag" muslimischerseits aufgekündigt werden kann, bzw. von vornherein nicht rechtsverbindlich ist. Wir haben oben gesehen, dass alle Dimma-Bestinsnungen auf eine Konversion der Dimmis abzielen, und die Be gründung für jeden Punkt dieser Bestimmungen auch expressis verbis dahingehend lautet. Somit ist erwiesen, dass die f u q a h ä 3 die Dimma - wie der. Amän - in die Auseinandersetzung mit den Ungläubigen einbauten. Sie ist kein Prinzip von Koexistenz, sondern im Gegenteil just das Medium zur Islamisierung. Somit ist die Dimma selbst eine kriegsrechtliche Institution, eine "Fort setzung des öihäd mit anderen Mitteln". (1). (1) BERGSTRÄSSER Grundzüge S. 43 hat das Kriegsrecht als die Grundlage der Islamischen Einstellung zu den Ungläu bigen definiert, was sich auf die - gleichfalls ungläu-
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Dass die Dimma dabei ursprünglich als "Schutz" und "Obhut" angeboten worden war, ist kein Widerspruch. Wir haben schon aufgezeigt, dass ihr der Charakter einer List insofern zukommt, als einerseits nur akzeptable Bestimmungen angeboten werden, andererseits eine Dimma in dieser Form, weder nach den s u r ü t durchführbar ist, noch auf koranischer Grundlage bindendes Recht darstellen kann. Wenn wir nun aber diese Dimma (mit dem Charakter von "List") in die Auseinandersetzung mit den Ungläubigen einbauen, als "Fortsetzung des &ihäd mit anderen Mitteln" definieren können, so präzisiert genau dies auch den scheriatreehtlichen Charakter dieser List: im "inter nationalen" Bereich ist das Prinzip, durch einen Waffen stillstand erst jene Kräfte zu sammeln, mit denen es dann möglich ist, den Waffenstillstand - scheriatmässig abgesichcrt - erfolgreich "brechen" zu können, als m u d ä r ä bekannt. Aus Analogiegründen wollen wir die Dimna als "innenpolitische" m u d ä r ä bezeichnen, oder als innenpolitischen Spezialfall von m u d S r ä ( l ) . Genau wie die Mudärä setzt die Dimma voraus, dass bigen - Dimmis natürlich mutatis mutandis übertragen lässt. Wegen des Endes offener Kampfhandlungen aber (Q IX 29: "Kämpft gegen-sıe-îns sie...Tribut entrichten") erfährt hier das Kriegsrecht eine spezielle Ausprägung: die permanente Erniedrigung (die eben kein "in-Frieden-Lassen" darstellt!). Wir können diese permanente Er niedrigung als Grundeinstellung des Islam zu seinen Dimmis definieren. Genau wie das Kriegsrecht i:n inter nationalen Bereich dient sie im nationalen der Islatnisierung. (1) Zur "ausscnpolitischen" Mudärä vg]. K.ISSLING Kechtsp r°bl eniatiken.
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sich die nichtmuslimische Seite in Sicherheit wiegt. Im internationalen Bereich wird dies erreicht durch Frie densverträge bzw. Waffenstillstände - die ja islamischer sei ts gar nicht gehalten werden dürfen, also keinen rechtsverbindlichen Charakter haben können (davon wird gleich noch die Rede sein). Im Falle der Dimma ist auch der "Vertrag" muslimischerseits nicht rechtsverbindlich, und er kann in der vorliegenden Form auch gar nicht durchgeführt werden. So wie im Falle eines Waffenstillstands dieser nur zum Kräftesammeln dient, also die Voraussetzung (auf der taktischen Ebene) ist für den nächsten Angriff, so ist auch die Dimma (in der angebotenen Form) die Vor aussetzung fiir die Mechanismen der Islamisierung, wie sie in just dieser Dimraa vorgegeben sind. So wie im internationalen Bereich der Waffenstill stand ein Zugeständnis an machtpolitische Situationen ist, die im Augenblick eine erfolgreiche Fortsetzung des Gihäd nicht ermöglichen, so ist die Dimma ein Zu geständnis an die konfessionellen Proportionen der Be völkerung, die im Augenblick eine Tiefenislamisierung nicht ermöglichen. Kudärä und Dimma sind also beide gekennzeichnet von einem Schwebezustand, der aus der momentan praktischen Unvereinbarkeit der reinen Lehre mit den realen Gegeben heiten entspringt. Im Falle der Dirnma gesellt, sich zu dieser "taktischen" Problematik noch eine "strategische”: Tiefenislamisierung wäre nur bei Verzicht auf rasche territoriale Ausbreitung möglich. Gerade diese Diskre panz aber erweist die Dimma als Mudärä insofern, als
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sie die Handhabe liefert, jederzeit gegebenenfalls auf Vorschriften des islamischen Rechts zurückzugreifen, die der Durchführung der angebotenen Dimma entgegen stehen (so etwa, wenn eine Moschee in der Kähe einer Kirche gebaut wird). Dieser Rückgriff, der zwar für die islamische Seite aus scheriatrechtlichen Gründen entschuldbar, aber in den s u r ü t eben vorgezeichnet, in den konkreten Verträgen (Angeboten) aber nicht vor gesehen ist, erfolgt natürlich nur im islamischen Inter esse (maslahat al-muslimîn!) und entgegen den den Dimmîs einst gemachten Zusicherungen. Doch ist dieser Rückgriff eben nicht einfach ein Akt, utilitaristischer "Realpoli tik", sondern erfolgt ganz genau gemäss den scheriat rechtlichen Bestimmungen, und ist in den s u r ü t ja schon vorgesehen! Ferner ist die Dimma kündbar, wenn sic für die Ge meinde Muhammads nicht mehr rentabel ist (Ibn Taimiyyas Ausbeutungsprotektorat), ebenso wie im "internationalen" Bereich Verträge gebrochen worden dürfen, ja müssen (1), sobald dadurch ein Gewinn für die islamische Seite zu erwarten ist. Gerade diese letzte Analogie ist geeignet, den Mudärä-Charakter der Dimma zu illustrieren. Die berühmte Fetwa, mit der Ebu’ s-Sucüd den Friedensbruch mit Vene dig scheriatmässig rechtfertigte und absicherte, ent hält alle Elemente, die für diesen Vergleich nötig sind: (1) So auch in der folgenden Fetwa ausdrücklich. Wir zi tieren sie in der Übersetzung bei HAMMER GOR III 566 f. Zum Wortlaut vgl. HAĞSl HALIFA Tuhfat folT'iO, sowie DÎjZDAĞ Ebussuud Uri 478."”
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"Anfrage: 'Wenn in einen vormahls zum Gebiethe des Islams gehörigen, hernach aber denselben wieder entris senen Lande die Ungläubigen die Moscheen in Kirchen ver wandeln, den Islam unterdrücken, und die Welt mit Schandthaten füllen; wenn der Fürst des Islams, aus reinem Ei fer für den wahren Glauben angetrieben, dieses Land den Händen der Ungläubigen entreissen und wieder mit dem is lamitischen Gebiethe vereinigen will; wenn mit den übri gen Besitzungen dieser Ungläubigen voller Friede obwaltet, wenn in den ihnen ausgelieferten Friedensurkunden auch dieses Land begriffen worden:ist nach dem reinen Gesetze ein Hindernis vorhanden, wesshalb dieser Vertrag nicht gebrochen werden sollte?’Antwort: ’ Es darf kein Hinder nis vermuthet werden. Der Fürst des Islams kann nur (!) dann mit den Ungläubigen Frieden schliessen, wenn daraus für die Gesamintheit der Moslimen Hutzen und Vortheil entspringt. Wenn dieser allgemeine Vortheil nicht er reicht wird, ist der Friede nicht gesetzmässig. Sobald ein Nutzen erscheint, sey es dauernder, sey es ein vorü bergehender, so ist’ s zur erspriesslichen Zeit erforder lich, den Frieden zu brechen. So schloss der Prophet (über ihn sey Heil!) im sechsten Jahre der Hidschret bis ins zehnte Frieden mit den Ungläubigen, und Ali (...) schrieb den Friedensvertrag; dennoch fand er (sc. der Prophet, eig. Anm.) es am nützlichsten, im folgenden Jahre den Frieden zu brechen, im achten Jahre der Hi dschret die Ungläubigen anzugreifen und Mekka zu er obern. S.M. der Chalife Cottes auf Erden (damit ist nun Sellin II. gemeint, eig. Anm.) haben in Ihrer Allerhöch sten kaiserlichen Willensmeinung die edle Sunna (das Thun und Lassen) des Propheten nachzuahmen geruht. Schrieb’ s der arme Ebu Suud.’" Über den Mudärä-Charakter dieses Vorgehens brauchen wir kein Wort verlieren. Liese Problematik lässt sich der Dimma in jeder Hinsicht vergleichen (die Berufung auf die muslimische Herrschaft auf Zypern in der Früh zeit des Islam können wir vernachlässigen: das aus schlaggebende Argument ist die Sunna des Propheten und diese beruft sich nicht auf die Behauptung, Mekka wäre früher einmal islamisch gewesen!).
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Zuoberst rangieren der reine Eifer für den "wahren" Glauben, und der Nutzen für die islamische Gemeinschaft (maslahat al-muslimîn). Den Glaubenseifer haben wir stets dann als Argument angetroffen, wenn es darum ging, Dimmis mit Gewalt zu islamisieren bzw. alternativ ihnen Kirchen zu nehmen. Der Vorteil für die Muslime liegt bei der Dirnraa ganz deutlich in den hohen Steuererträgen durch die Öizya (daher auch die Animosität aller isla mischen Reiche gegen Massenübertritte zum Islam!). Der Friede ist nur dann gesetzmässig, wenn den Mus limen daraus Vorteil entsteht. Ist dieser Vorteil nicht gegeben, dann ist der Friede nicht gesetzmässig, d.h. dann ist der Bruch des "Vertrages" gesetzmässig. Das ist für die Diiuna Ibn Taimiyyas Position eines Ausbeu tungsprotektorates. Nun wurde aber hier der Vertrag mit Venedig nicht generell "gebrochen", sondern Zypern wurde aus dem Ge samtpaket ausgeklammert (1), obwohl im Vortragswerk eigens aufgeführt. Auch dies hat seine Parallele in der Dimma: es gab wenige Fälle, wo das "Gesamtpaket" der Dimma aufgekündigt wurde (beispielsweise unter dem Fatimiden al -Hâkim), der Normalfall war, dass - obwohl eigens in den Vertrag inkorporiert - eine Kirche weggenonmen, Vertreibung aus einem Wohnviertel angoordnet wurde. Hier erschien punktuell ein Mutzen für die Mus lime. Gleichwohl haben wir gesehen, dass solchem punktu(1) Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut, der Anfrage; HAMMER GOR III 567 berichtet: "Es wurde zuerst der Dol metsch ^äEmud mit Beschwerden, und dann abermahls der Tschausch Xubad nach Venedig abgesandt, um di.e Abtre tung Cypern’ s als Preis der Erhaltung des Friedens von der Republik zu begehren,"
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eilen "Kirchenraub" bald ein nächster folgte (was sich auch bei der Vertreibung aus den Wohnvierteln zeigte, obwohl doch Immoöilienbesitz in den konkreten Verträgen immer zugesichert war) - wie ja auch die Einnahme Zyperns keineswegs den letzton osmanisehen Vorstoss gegen vene zianisches Gebiet darstellte. (Mit einem anderen Aspekt dieser "Salamitaktik”werden wir uns glcich noch im Nachwort beschäftigen.) Gerade am Beispiel der Kirchen- und Siedlungspolitik zeigt sich diese Analogie drastisch: die Dimma als Ge samtvertrag wird (vorerst) beibehalten, gleichzeitig aber werden einige Punkte aus dem Gesamtpaket ausge klammert. Durch just dieses aber ist der nächste punktu elle Vorstoss des Islam schon wieder vorgegeben: wenn eine Moschee in einem christlichon Viertel gebaut wird, so verlieren die dort wohnenden Dimmis das Wohnrecht. Dadurch wird ihre Kirche eine "verlassene" (da eine in einem muslimischen Viertel liegende Kirche nicht mehr benutzt werden darf - und durch den Wegzug der Dimmis ist das Viertel ja muslimisch geworden) - und verfällt der Schleifung. Diese Typologie ist eigentlich auch schon im Ver tragscharakter der Dimma vorgegeben: die Dirama als sol che wird einer Gruppe en bloc gegeben, und gilt für jeden einzelnen Angehörigen dieser Gruppe. Ausgohöhlt werden die darin gemachten Zusicherungen aber nur bei Subgruppen, pervertiert werden die Bestimmungen (nach den hier geschilderten Mustern) bei Einzelnen. So kann ferner auch der einzelne Dimml der Dimma ^erlustig ge hen bzw. sie brechen.
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Eine letzte, aber auch grundlegende Analogie stellt die Rechtfertigung dar: sie liegt in der nachahmenswer ten Sunna des Propheten und im islamischen Recht. Bei der Präge des Kirchenraubs berufen sich die f u q a h ä 3 auf die frühen Kalifen, vorab cUmar II., bei der Ausund Umsiedlungspolitik auf den Propheten und die reehtgeleiteten Kalifen (vgl. oben S. 59 Ans. (1)). Die dis kriminierenden Massnahmen werden mit derselben Legiti mation begründet (vgl. FATTAL Statut passim). Ansonsten sind alle Bestimmungen der Dimma integraler Bestandteil des islamischen Gesetzes.
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Zusammenfassend müssen wir also den Begriff der "Dimma" so definieren: Dimma ist ein zwischen der islamischen Staatsmacht und den Nichtmuslimen, die im islamischen Staatsgebiet wohnen, herrschendes Verhältnis, das VertragsCharakter zu haben scheint. Sie ist ein Ausfluss der bipolaren Aufteilung der Wolt in Dar al-Islära und Dar al-Harb, sowie des bis zum Jüngsten Tage geltenden Ğihâd-Gebotes. Sie ist eine "Fortsetzung des uihäd mit anderen Mitteln". Die Dimma dient primär den Musiinen durch die hoho Kopfsteuer, welche die Dimmîs zu erlegen haben. Daher ist die Dimma (rauslimischerseits) kündbar, sobald die Rentabilität nicht mehr gegeben ist. (Dennoch ist sie aber kein "Gesellschaftsvertrag" auf Gegenseitigkeit, da sie den Wichtmuslimon insofern aufgezwungen wird, als
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diesen im Falle der Nichtabnahme der Dimma ja Tötung oder Versklavung droht.) Die Dimma dient - in jedem ihrer Details - ausdrück lich der Islamisierung der Dimmis, sie ist selbst das Medium und Instrument zu dieser Integration. Die Dimma regelt also eine Art von Koexistenz, dient aber nicht zu deren Aufrechterhaltung, sondern im Gegenteil direkt zu deren Srlösehen. Dimma hat einen temporären Charakter. Dieser resul tiert primär aus der im Augenblick der Unterwerfung bestehenden Unvereinbarkeit der reinen lehre mit den faktischen Gegebenheiten. Darüberhinaus ist sie (in ihrer Eigenschaft als staatspolitisches Konzept) auch temporär konzipiert; sie ist in der angebotenen Form auf Dauer gar nicht praktikabel. Das Dimma-Verhältnis (in der angebotenen Form) er möglicht dem Islam vorläufig eine territoriale Ausbrei tung unter Verzicht auf Islamisierung der unterworfenen Gebiete, legt aber synchron zur fortschreitenden Er oberung schon die Grundsteine für die spätere Islamisierung dieser Gebiete. Die Dimma schafft durch all ihre Bestimmungen die strukturellen Voraussetzungen, um die Integrität und Identität der Dimmis (als Gemeinschaft) abzubauen, auf zulösen, auszuhöhlen und zu unterlaufen. Im sozialen Bereich zermürbt die Dimma das Individuum, und gibt mit ihrer. Bestimmungen die Methoden zur Proselytenmacherei direkt vor. Die "Islamisierung" nach den in den Dimma-Bestimmungen vorgezeichneten Methoden erfolgt nach der "Salami-
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taktik". ln keinem Detail ist die angebotene D i m a mit der durchgeführten identisch. Dies liegt nicht an einem Un terschied zwischen Theorie und Praxis, die Diskrepanz liegt schon in der "Theorie" seihst: nach dieser ist die angehotene Dimma gar nicht durchführbar (es sei denn, der Islam verzichtete auf die Besiedlung der un terworfenen Gebiete, was aber die "Theorie" selbst nicht vorsieht). Ein weiterer Widerspruch liegt zwischen den angebo tenen bzw. konkreten Verträgen und den s u r ü t: angeboten wird eine akzeptabel scheinende (nach den s ur ü t aber unpraktikable) Dimma. (Durchgeführt wird aber dann eine unakzeptable, aber nach den s u r ü t - einzig! - praktikable Dimma.) Dies erweist das Dimma-Angobot als bewusste List. Hier mag für die islamische Seite als Entschuldigung eingewandt werden, dass die Dimma auf ihrer koranisehen Grundlage für dio Muslime gar nicht rechtsverbindlich sein kann. Aber der Islan· gaukelt den D i m m s die Rechts Verbind lichkeit der Vorträge vor. In Zusammenhang nit der De finition der Dimma als "Fortsetzung des Cihäd mit an deren Mitteln" hat dann die Dimma nicht einfach den Charakter einer List schlechthin, sondern den scheriatrechtlichen Charakter der m u d ä r ä, der sie hinsicht lich der rechtlichen Grundlagen und der praktischen Handhabung völlig analog ist. + + +
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Nachtrag zum Devşirme Mit dieser Neudefinition wird natürlich auch die bis her empfundene Unvereinbarkeit von Dimma und Devşirme gegenstandslos. Diese resultierte primär daraus, dass man von zwei Grundannahmen ausging, die für die Dimma schlicht nicht zutreffen: (a) der Islam folge auch hin sichtlich der Dimina dem Prinzip "pacta sunt servanda", und (b) die Dimma stehe der Integration entgegen. Es wäre zu leicht, mit dem Hinweis darauf, dass die se Grundannahmen nicht gegeben sind, die bisherige Dis kussion abzutun. Es wäre aber auch methodisch nicht ganz "fair", nicht nur, weil unsere Arbeit erst jetzt er scheint, sondern auch deshalb, weil die früheren Auto ren auf einer anderen Ebene argumentierten. Wir wollen hier die bisherige Diskussion exemplarisch an den Auf sätzen von WITTEK (1) und MENAGE (2) betrachten. Den Ansatz KARAMUK’ s (3) halten wir für indiskutabel. Seine Formulierung bezüglich der Bosnier ist symptomatisch für den "wissenschaftlichen" Charakter des ganzen Ex kurses (4). (1) WITTEK Devshirme and Sharljä. (2) MENAGE,“ VTTTT SiffeligHTs δ η the Devshirme from I d n s and_Sacduddin. In: BSÖIS Ι8-ΓΙ955Τ, S.TÜI-IB5· T3T_KffRÎMUK7~Gümeç: Ahmed_Azmi_Efendis Gesandtschafts bericht als_Zeugnis_3es_osmaniscHen MacEÎverfalIs unî 3er“ 5egInnenîen~EeFo?mârâ~unTer_SeIım TIT. Bern 1975· {"Der Ex£urs-u[)er das "Devşirme Is î S. 55-77) (4) a.a.O. S. 67: "Bekanntlich haben die Bosnier unmit telbar nach ihrer Unterwerfung den Islam freiwillig an genommen und als besondere Gunstbezeugung (!) von Mehmed II. das Recht (!) erhalten, dennoch ausgehoben (!) su vferden. £s ist dies also (!) von osmanischer Seite
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WITTEK will den scheinbaren Widerspruch mit der Heran ziehung der schafiitischen Doktrin lösen, derzufolge die Dimna nur (Nachkommen von) Leuten gegeben werden kann, die Christen- oder Judentum schon vor dem Auftreten des Propheten Muhammad bekannten. Wenn deshalb das Devşirme auf dem Balkan dann kein Bruch der Dirama wäre, so doch nur, weil die Balkanchristen keine Dinmls waren - was noch niemand behauptet hat! Auch die Unterdrückung des schafiitischen Ritus bie tet für WITTEK keine Schwierigkeit: damals war ja das Dovsirme schon Gewohnheitsrecht, und konnte also auch fürderhin betrieben werden. Die Formulierung (a.a.O. S. 275), das Devşirme sei "regarded as something outside the ränge of the sharîca, and not to be submitted to a judgment on its conformity with the Law" ist zumindest befremdlich. Wenn WITTEK fortfährt "And so the devshirme may be regarded as justified by custom and necessity" ist er nur noch einen kleinen Schritt von der scheriat rechtlichen Position des "maslahat al-muslimîn" entfernt, durch die sich das Devşirme durchaus in den Rahmen recht licher Bestimmungen inkorporieren liesse. Unglücklich ist auch der Versuch, den "Rechtsbruch" auf ein mangelndes "Heimat.gefühl" der Osmanen in Süd osteuropa zu schieben (a.a.O. S. 274: "The very name of Rüm-eli...indicates clearly how little they feit at horae there..."). Schliesslich liesse sich mit derselben nicht als Versetzung in den Sklaven- und Freigelassenen-Status, sondern als Zulassung (!) zu einer privile gierten (!) Schicht de iure freier, dem Sultan voll er gebener Pfortendiener beabsichtigt werden."
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Logik fragen, warum dann Anatolien "rum" heisst, und in diesem "Anatolian homeland" (WITTEK a.a.O. S. 275) dennoch das Devşirme durchgeführt wurde (was ja auch WITTEK a.a.O. S. 278 ausdrücklich erwähnt). Dieses Ar gument ist also nichtssagend. Vor allem aber übersieht WITTEK eines: selbst wenn man das schafiitische Argument horanzieht, so bleibt die Frage, warum die Christen Südosteuropas in sonstiger Hinsicht durchaus Dimnî-Status hatten - und last but not least, wie es dann um Bosnien bestellt war: zwar kennte dort das schafiitische Argument Anwendung finden, demzufolge den Bosniern die Dimma rächt gegeben werden könnte, aber wie passt dies zum Devşirme unter den muslimischen Bosniern? Wie passt die schafiitische Dok trin zur Tatsache, dass auch Griechen ausgehoben wurden, auf die diese Doktrin mit Sicherheit nicht anwendbar ist? Und wenn man dieses Devşirme für eine rechtswidrige Übertragung halten will, warum gab es keine solche hin sichtlich der Juden? Wir halten WITZEK’ s Ansatz für unglücklich, weil ihm die innere Geschlossenheit fehlt: er ist in sich wider sprüchlich. MENAGE’ s "Sidelights", als Ergänzung zu WITTEK’ s Artikel gedacht, sind in anderer Hinsicht interessant. MENAGE stellt zwei Versionen derselben Begebenheit ein ander gegenüber. Die Textstolle aus İdrıs Bitlisi’ s "Hast bihist" über die Gründung des Janitscharenkorps durch c0rhän, welche MENAGE im Original zitiert, und ihre "Kopie" in Sacd ed-Din’ s "Tag üt-Tewärih". Aus den Unterschieden der Übersetzung (Sacd ed-Din’ s) gegenüber
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dem Original zieht MENAGE (a.a.O. S. 183) diesen Schluss: ” By makir.g these changes Sacduddîn gives the impression that he wishes to dissociate himself from Idrîs’ s too facile justification of the devshirme." Dies ist ein recht ungewöhnliches Vorgehen; es hat unseres Wissens noch niemand versucht, aufgrund anderer Unterschiede der beiden Chroniken eine solche Absicht zu postulieren. Wir wollen nicht fragen, warum MENAGE zu diesem Schluss kommt, sondern zuerst feststellen, dass es sich um eine Interpretation handelt, da ja Sacd ed-Din eine solche Absicht nicht ausdrückt. MENAGE stützt sich bei seiner Deduktion auf folgende Unterschiede: (a) Bei Idrîs wären die vom Devşirme Betroffenen be zeichnet als "children of the infidel (dhimnäs living in the Moslem lands)", wohingegen Sacd ed-Dln den eingeklammerten Teil nicht habe. (b) Ebenso fehle bei Sacd ed-Dîn Idrîs’Begründung für das Devşirme (er sieht es im Sklavenstatus der "be~ -canwa”Unterworfenen begründet und auch darin: "it wouüd be a very good work to make them serve in the Holy War and admissible and reasonable to use those young men to carry out the decrees of the adminisiration"). (e) Ferner fehle bei Sa^d ed-Dln die Behauptung, die "weise" Massnahne des Devsime sei durch Religionsge setz und Vernunft begründet und bestätigt. Wir wollen in der Tatsache, dass MENAGI den Text Sacd ed-Dîn’ s nicht reproduziert, nicht gleich eine böse Absicht erblicken, etwa die Überprüfbarkeit der Abweichungen zu erschweren. Eine solche Überprüfung
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relativiert nicht nur M M A G E ’ s Deduktion, sie macht sie auch recht suspekt. ad (a): Hier begeht MENAGE selbst eine Auslassung. Er übersetzt die Stelle mit "they would not form this branch of the army fronı children of the Turks, but instead levy children of the infidel (ahimmiş living in the Moslem lands)." Dagegen heisst es im Originaltext: "v/a cawaz-e an gamäcat az auläd-e kuffär vra musrikän-e ahl-e ^immat-e mamälik-e İslâmî setänand". Das "kuffär wa musrikän" ist natürlich plconastisch, und deshalb kann Sacd ed-Dîn das "musrikän" weglassen. Die Passage "ahl-e zinımat-e mamâlik-e İslâmî" ist wegen der fehlenden Syndese relativisch, und somit präzisierende Apposition (es wäre zu ergänzen: ke ahl-e zimmat-e namälik-e İslâmî hastand). Das Weglassen suggeriert keineswegs die Vorstellung, mit (dem alleinigen) "kuffär" seien Kriegsgefangene gemeint. Da zu Sacd ed-Dîn’ s Zeit der Terminus "käfir" als Syno nym für "Christ" (als Dimmî!) schon eingebürgert war, konnte ihm auch diese Apposition als Pleonasmus erschei nen. Dieser bedurfte cs ja gar nicht! MENAGE’ s Folgerung, "There are, however, in SacduddînJs rendering omissions which seem to be intentional and significant. Thus he veils (!) the fact that the devshirme is applied to the children of the dhimmîs by speaking only of the 'children of the infidels’, suppressing the passage ( ) " können wir nicht zustimmen. Ein bewusstes Verschleiern kann nicht gegeben sein. Einige Zeilen später (MENAGE a.a.O. S. 182, Zeile 1) heisst es in IdrTs’Text auch nur noch "auläd-e kuffär". Wollte man MENAGE’ s Logik folgen, so würde das Weglassen des Pleonasmus und der Apposition an dieser Stelle bedeuten, dass nun Idrîs seinerseits
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eine Unvereinbarkeit empfände! Dies behauptet MENAGE nun freilich nicht. Wenn nun aber das Weglassen des Pleonasmus und der Apposition im einen Falle (Sacd ed-Din) den Beweis dafür liefern soll, dass der Autor den Dimml-Status der Betroffenen ^e^şchleiern wolle, im anderen Falle aber (bei Idris) aus demselben Phäno men dieser Schluss nicht gezogen wird, dann ist dieser Ansatz in sich unlogisch. Er kann schon deshalb in ei ner wissenschaftlichen Arbeit nicht als Beweiskriterium dienen. ad Cb): Zwar ist es richtig, das Sacd ed-DIn die canwatan-Eroberung und den "Sklavenstatus" ar; dieser Stelle nicht erwähnt, ebenso wie die Passage "it would be a very good work.... administration". Doch spricht auch er von dem Gewinn, der den Muslimen bzw. dem Islam aus dem Devşirme erwächst, allerdings ohne dies besonders als gute Sache zu bezeichnen. Ob man aus dem Weglassen von "it would be a good work" schliessen soll, für Sacd ed-DIn sei diese Wertung nicht gegeben, ist mehr als fraglich: dem Muslim muss doch jede Stärkung des Islam als gute Sache erscheinen (maslahat al-muslimın!), und bedarf folglich keiner gesonderten Betonung! ad (c): Diese Passage fehlt tatsächlich. Doch wird sie kompensiert durch Sacd ed-Dln’ s Aussage (Tag S. 41, Zei le 10 ff.), auf diese Weise seien Tausende von Ungläu bigen zu islamischen Ehren gelangt etc. Nachdem wir aber gesehen haben, dass Konversion von Ungläubigen je de Ausnahme in der Zielsetzung des "masl&hat al-muslimin rechtfertigt, haben wir keinen Grand, in der Tat sache, dass Sacd ed-Dxn dies nicht auch noch betont,
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den Beweis dafür zu erblicken, er empfinde eine Unver einbarkeit ! Aber diese ganze "Methode”MENAGE’ s ist nicht aus sagekräftig. Schliesslich gibt es noch weitere Abweichun gen (was soll man nach MENAGE’ s "Logik" denn etwa daraus schliessen, dass Sacd ed-Dîn in diesem Abschnitt den Namen c0rhan’ s nicht erwähnt?). So sagt etwa Sacd ed-Dln zweimal ausdrücklich, dass die Devsirmelis mit dem Islam "beehrt" wurden, was sich aus Idrls nur e silentio schlies sen lässt (nach MENAGE’ s Logik hiesse dies dann, Idrls seinerseits wolle die Zwangsbekehrung verschleiern, aber das kann MENAGE nicht sagen, weil sich für ihn die emp fundene Inkompatibilität vor allem darauf stützt, dass Sacd ed-Din Theologe war, der die sarîca besser kannte). Der ganze Ansatz MENAGE’ s muss als üble Klitterung betrachtet werden, die nur dazu dienen soll, MENAGE’ s eigenes vorgegebenes Bild zu untermauern. *
Interessanter wird dieser Text aber, wenn wir ihn in Zusammenhang mit der Dimma gemäss unserer Heudefi nition betrachten. Hier sind zwei Argumente von Bedeu tung: - (wegen der angeborenen Neigung jedes Kindes zum Islara) würden die Devsirmelis durch die enge Verbindung mit den Muslimen den Islam annehiaen; - durch das Devşirme würde der Polytheismus dem Islam weichen. Der erste Punkt ist nicht nur eine euphemische (aber auch rechtfertigende!) Umschreibung für die Zwangsbe
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kehrung, er ist uns auch von Abu YÜsufs Argument für das gemischte Wohnen schon gut bekannt. Auch dies ent puppte sich als Euphemismus, aber die Logik des Argu ments ist doch dieselbe. Auch das zweite Faktum können wir in einem anderen Bereich der Dimina naebweisen. Der "Kirchenraub" wurde damit gerechtfertigt. Und so, wie Idrxs und Sacd ed-DIn ganz unverblümt sagen "bittesehr, ist es etwa nicht verdienstlich, den Polytheismus zugunsten des Islam auszulöschen?", so sagen auch Bauinschriften von in Moscheen umgewandelten Kirchen, hier habe sich einst ein Tempel der Götzendiener befunden, der zum Wohle des Islam in eine Andachtsstätte des wahren Glaubens umge wandelt wurde (1). Wir vermögen ohnehin in der Versklavung (2) und Zwangsbekehrung (3) von Christenkindern nichts anderes zu erblicken, als im Umwandeln, Schliessen und Schleifen von Kirchen: das ist "Vertragsbruch" insofern, als in (1) So etwa die Bauinschrift der Sokollu Mehmed Paşa Camii; vgl.vÖZ Camiler I 101. (2) Die Dovsirnelis Hatten Sklavcnstatus. Dafür spricht nicht nur das Eheverbot (auch das Bartverbot etc., vgl. PAPOULIA Knabenleae passim), sondern auch die freilassungsurkunSeriT cTie'siö erhielten. Der Terminus ist exakt derselbe, wie bei "normalen" Sklaven: 'itäqnäme. So je denfalls nach osmanischem Arohivmaterial: MÜD II 1524, 1534, 15/0, 1571, 1663. (3) Nachdem als (entschuldigende) Rechtfertigung hier für jener Hadit angeführt wird, demzufolge jedes Kind mit einer "natürlichen" Keigimg kuie Islam geboren wird, wäre zu überlegen, ob die Devsirme-Kinder islamischerseits nach der gswaLtsamen Entführung aus der elterlichen Obhut nicht als Waisen betrachtet wurden, die dom Islam anheimfallen!
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den konkreten Verträgen ja der Besitz an (konkreten) Kirchen ebenso zugesichert wurde, wie der "Verzicht" auf gewaltsame Islamisierung - was dann später nicht eingehalten wird. Die moralische und menschliche Kom ponente sind für die Fragestellung nach der Vereinbar keit von Devşirme und Sarlca völlig irrelevant. Nachdem nun aber die Dimma für die Muslime nicht rechtsverbindlich ist, und sie auch nicht auf Erhaltung des Dimml-Milieus, sondern auf dessen Srlösehen abzielt, ist das Devşirme weder ein Vertragsbruch, noch der In tention der Diiratia entgegengesetzt. Devşirme ist nur auf der Grundlage der Dimma möglich, die sich auch hier wieder als m u d ä r ä erweist: zu erst wird (durch den Dinuna-Vertrag) ein akzeptables Verhältnis und Sicherheit vorgegaukelt, dann wird von Fall zu Fall dieser "Vertrag" "gebrochen". Da nun aber Dimma keinen rechtsverbindlichen Charak ter hat, und andererseits die notwendige Voraussetzung für Devşirme darstellt, so kann diese Folge mit ihrer Voraussetzung auch von der Logik her nicht in Wider spruch stehen. Da beide Phänomene auf Integration ab zielen, kann ein solcher Widerspruch auch nicht konsta tiert werden. Da die Dimma das Medium zur Integration ist können wir nur sagen: das Devşirme ist ein Spezial fall, eine forcierte Variante von Integration, Nachdem aber andererseits der Koran nicht gerade eine "humane”Einstellung gegenüber der Ungläubigen wider spiegelt, und die Dimma selbst ihr wesentliches Krite rium in der Demütiging der Dimmis hat, kann man im Dev şirme auch keinen "moralischen”Vertragsbruch sehen.
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Wir hätten die Ansätze "von WITTSK und MEKAGE ein fach mit dem Hinweis abtun können, dass sie von nicht gegebenen (also: falschen) Grundannahmen ausgehen (Dimma als Koexistenzformel, und "pacta sunt servanda"). Dieses Vorgehen mussten wir aus Gründen wissenschaftlicher Fairness ablohnen. ln diesem Zusammenhang wollen wir auf ein erstaun liches Phänomen hinweisen, nämlich die Weigerung vieler Orientalisten, den Islam als das zu nehmen, was dieser seiner Selbstdarstellung nach ist. In fast allen Arbei ten zum Devşirme manifestiert sich ein Missbehagen dos orientalistischcn Autors angesichts dieser Problematik, und geht ihrer Bearbeitung als erkenntnisleitendes In teresse und selektive Rezeption voraus. Das ist psycho logisch verständlich, da das Devşirme keine "feine" In stitution war - nach unserem heutigen Empfinden. (Warum zeigt sich dieses Missbehagen eigentlich nicht, wenn der Orientalist über einen Bruch von Friedensverträgen handelt? Hier zieht er sich auf die Position des ĞihâdGebotes zurück. Halten wir den öihad für "normaler" als das Devşirme?) Welche Ursache hat die Orientalistik eigentlich, im Devşirme nicht einfach jene Integrationsmassnahme zu sehen, die cs nach muslimischer Darstellung ist? Und wenn der Muslim selbst darin offenbar keinen Wider spruch zur äarica sieht, warum soll man ihm dann durch Jonglieren mit (noch dazu in sich unlogischen) Emendationsversuchen ein "schlechtes Gewissen" (und dadurch implizit: eine edle Fialtung!) unterschieben? Halten sich einige Orientalisten für die besseren (oder:wahren)
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Muslime? (Man vergleiche auch etwa in PAfiET’ s Kommen tarband die Diskussionen ura Q IX 28-30, die den Tenor haben "hier irrte Muhammad", weil er Juden und Christen mit den Polytheisten gleichsetzt. Es ist ein legitimes Unterfangen, aufgrund solcher Faktoren eine Geschichte der einzelnen Koranverse zu schreiben, aber wir sollten nicht dem Muslim unterstellen, dass er diese orientalistische Position vor Augen hat, wenn er Christen ur.d Juden zu den Polytheisten rechnet. Der Muslim ist in dieser Hinsicht durch Gottes Wort abgesiehert!) Wenn wir die Frage nach der Vereinbarkeit oder Unver einbarkeit von Dimma und Devşirme stellen, so ist es falsch und unwissenschaftlich, von der Unvereinbarkeit als gegeben auszugehen, und sie dann mit einer schlechten Klitterung als selbst von den Muslimen empfunden bewei sen zu wollen. Zuerst muss die Frage gestellt werden, ob diese Unvereinbarkeit nach islamischen Masstäben über haupt gegeben ist. Die meisten Orientalisten versuchen aber, das empfundene Unbehagen dadurch abzubauen, das3 sie Devşirme wie äarlca uminterpretieren (1), für ihre Gefühlswelt zurechtbiegen, statt beide Phänomene als das zu nehmen, was sie nach Darstellung der Muslime (der "geistigen Väter" also) expressis verbis sind. Mit Ver il) So etwa KARAMUK’ s krampfhaftes Bemühen, die Devsir melis als de iure Freie hinzusteilen, und das "Trotzdem-Devsirme"bei den muslimischen Bosniern als "Recht" und "Gunstbezeugung" zu interpretieren: seltsame Gunst, die sich in Kinderraub äussert! Oder WITTSK’ s unglücklicher Versuch mit dem schafiitischen Ansatz, der nun nicht das Devşirme, sondern die Sarîca dahingehend uminterpretiert, dass die Betroffenen bzgl. des Devşirme einem anderen madhab unterstünden, als bzgl. ihres übrigen Dimmi-Sta tus !
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drängung hat dies primär wenig zu tun: es handelt sich um einen intellektuellen Prozess des bewussten Anglei ch ens einer als unangenehm empfundenen Realität an die eigene Gefühlswelt. Dieser Prozess ist psychologisch verständlich, Wissenschaftscharakter kommt ihm nicht zu.
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NACHWORT Wir haben die Dimma definiert als langfristig wir kendes Medium zur Integration. Das präzisierende "lang fristig" steht hier aber nicht aus taktischen Gründen, um einer Kritik vorzubeugen, die uns die Existenz von christlichen Gemeinden auf dem ehemaligen Staatsgebiet des Osmanischen Reiches als Gegenbeweis unserer Defi nition Vorhalten könnte. Ein Gegenbeweis gegen unsere Definition kann der Hinweis auf heutige Christen in Süd osteuropa und Anatolien ohnehin nicht sein, sicher aber nicht im wissenschaftlichen Sinne. Mit der gleichen Lo gik müsste man dann nämlich aus der Existenz von India nerreservaten die Aussage ableiten, die Indianerkriege hätten nicht die Absicht verfolgt, den "Boten Mann" aus zulöschen, sondern wären ein Ausdruck toleranter Koexi stenz und freundschaftlicher Beziehungen. (Die "kora nı sehe”Grundlage wäre hier dann etwa die Menschenrechts erklärung. ) Anders ausgedrückt: dass eine Absicht ihr "Endziel”nicht erreichte, beweist mitnichten, dass die se Absicht nie existiert hätte, oder dass keine Schritte in diese Richtung erfolgt wären. Soweit wir sehen hat auch noch kein Orientalist aus der Tatsache, dass es heute immer noch christliche Staaten gibt, die Aussage abgeleitet, es gebe kein öihäd-Gebot! Und so, wie im internationalen Bereich die Friedens verträge das öihäd-Gcbot nicht widerlegen, sondern sich einerseits als Unterbrechung, als Verlangsamung des öihäd erweisen, andererseits aber dem Kräftesammeln des Islam dienen, damit der Sihäd mit grösseren Erfolgsaus
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sichten fortgesetzt werden kann, so ermöglicht die Dimma (hier im Sinne einer "Koexistenzformel") ja erst das Anwenden jener Mechanismen, die sie als Instrument der Integration erweisen: nur durch eine vorläufige Ko existenz können diese Mittel überhaupt zur Anwendung kommen. (So wie auch - en detail - nur durch das ge mischte Wohnen die diskriminierenden Massnahmen ihre integrierende Wirkung zeitigen konnten.) Retardierende Faktoren 2
Nachdem selbst CAHEN in seinem EI -Artikel einräumt, dass in gewissen Gegenden der islamischen Länder die Kategorie Dimmî zu existieren aufhörte, lässt sich die Vermutung anstellen, im Osmanischen Reich sei der Inte grationsprozess "rechtzeitig”aufgehalten worden. Wir wollen nicht die alte geschichtsphilosophische Frage stellen, "was wäre geworden wenn...?"; der massive Ein fluss Frankreichs, Englands und Russlands auf dio osmanische Dimmi-Politik ist hinsichtlich seiner Auswir kungen bekannt und offenbar in Fachkreisen auch nicht umstritten. Ihm und anderen Faktoren (etwa "Europäisierung", der Machtverfall schlechthin etc.) können wir die Tatsache zuschreiben, dass der Integrationsproaess im Osmanischen Reich nicht den Verlauf nahm, wie etwa in klassischer Zeit in Ägypten, Persien und dem Maghreb. Doch haben diese Faktoren mit Dimma nichts zu tun - oder nur ganz am Rande insofern, als man sich hierbei mehr an die Dimma in der angebotenen Form hielt. Doch ist auch dies den Friedensvertragen zu vergleichen, zu denen sich das Osmanische Reich von Zeit zu Zeit ge
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zwungen sah, woraus aber niemand ableitet, die Osmanen hätten dadurch auf den Gihäd gleich £ndgültig verzichtet. Wenn CAHEN (EI^ II 230) das "spectacle of an Islamo-dhiirunl synbiosis" unter den Osmanen damit in den Bereich der Dirama seiner Definition inkorporieren will, dass er als Beweis anführt: "The Jews found asylum there, the Armenians and Greeks, in the 18th Century, baeked by Christian jjurope, attained to positions of the highest importance" (letzteres wäre auch zu hinterfragen), so ist dies befremdlich: will raan die Erpressbarkeit der Osmanen auch noch als Beweis für eine "tolerante" Dimma anführen? CAHEii’ s Behauptung, das Verschwinden von Dimmis aus 2 ganzen Landstrichen (ΞΙ II 229) sei sozialen Faktoren zuzuschreiben, die für ihn mit Dimma nichts zu tun haben (weil er es ablehnt, sich in diesem Artikel damit aus einanderzusetzen), konnten wir widerlegen: gerade wegen der Dimma kam es zur Integration. Der erste retardie rende Faktor liegt aber in jenem Phänomen, das CAHEN schon (a.a.O.) für die vorosnanische Zeit feststellt: der totalen Integration der Dimmis ging ein Prozess voraus, in dem sie von der Mehrheit zur Minderheit wur den. Diesen Unterschied müssen wir auch wegen des ewigen (und, wie sich noch zeigen wird, der Wahrheitsfindung hinderlichen) Vergleichs islamischer und christlich-abendländlscher Minoritätenpolitik betonen: im Orient haben wir es zuerst mit einer Majoritätspolitik zu tun, im Abendland aber von Anfang an mit Minoritätenpolitik. Dieser Unterschied ist aber auch innerhalb des islami schen Bereiches von Bedeutung: in Gegenden mit einer
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nichtmuslimischen Mehrheit war es noch nie möglich, eine restriktive Dimma durchzuführen. Das zeigt die klassisch-arabische Zeit, das zeigt für die osmanische Epoche das Beispiel Ungarns. Letzteres führt uns auf den nächsten retardierenden Faktor: die Zeitdauer der islamischen Oberherrschaft im zu untersuchenden Land. Beides aber, Andauern der islamischen Herrschaft und Existenz einer muslimischen Mehrheit sind die Voraus setzungen für die Durchführung einer Dimma im Sinne un serer Definition. Im anderen Falle wäre sie nicht an wendbar, und deshalb ist etwa Ungarn kein Beweis gegen unsere Thesen. Exemplarisch zeigen sich diese Zusammenhänge im sozialen Bereich: wo die Muslime eine "hoffnungslose" Minderheit darstellen kann Abu Yüsufs segensreiche Aus wirkung des engen Zusammenlebens nicht zum Tragen kommen, auch nicht als Euphemismus. Dort wird es absurd. Folg lich können auch die diskriminierenden Massnahmen nicht so strikt gehandhabt werden, und als Ergebnis kann es entweder gar nicht, oder aber nicht so rasch zu einer Integration der Dimmls kommen. In diesem Zusammenhang müssen wir noch darauf hinweisen, dass die Dimma-Bestimnungen mit ihrer Integra tionsabsicht ausnahmslos für urbanes Milieu "massgeschneidert" sind. Über die Situation des flachen Landes, über Weiler und Einödhöfe sagen sie nichts aus. Das mag man der zeitgebundenen Verachtung des bäuerlichen Le bens zuschreiben, an der Tatsache selbst ist aber nicht zu rütteln. Lass aber eine gewisse Fortsetzung der in tegrierenden Bestimmungen auch auf dem flachen Lande
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ihre Wirkungen zeitigte - wenngleich natürlich mit ei ner gewissen Phasenverschiebung - das beweist uns nicht zuletzt Anatolien (vgl. VRYONIS Deeline). Wenn also die Islamisierung in grösseren ländlichen Bereichen langsamer vor sich ging als im urbanen Milieu, so hat diese Tatsache ihren Grund auch darin, dass die f u q a h ä 3 der Behandlung der Landbevölkerung keine besondere Aufmerksamkeit widmeten. Massgeblicher dürfte aber das BevölkerungsVerhältnis gewesen sein. Eingebürgerte Missverständniss e1_Fehlinte rpre ta tionen und_Denk fehler Wir wollen hier noch Missverständnisse, FehlInter pretationen und Denkfehler betrachten, die für die bis herige Behandlung der Dimma-Problematik symptomatisch sind. Die Positionen als solche sind in Fachkreisen hinlänglich bekannt; deshalb können wir uns auf die wichtigsten Aspekte beschränken, und brauchen Nachweise aus der Sekundärliteratur nicht in grösserem Unfange anführen. Man braucht nach solchen Denkfehlern etc. nicht systematisch zu suchen, sie begegnen einem häufig gonug. Ob dieser Häufigkeit aber lassen sie sich durch aus auf einige Grundtypen reduzieren. Es versteht sich von selbst, dass auch Denkfehler sich in der Wissen schaft so fortpflanzen und weitervererben, wie richtige Deduktionen. Das kann und sollte man missbilligen; aber dieses Faktum berechtigt uns, diese Denkfehler etc. als "eingebürgert”zu bezeichnen. Es bedarf keiner eigenen Begründung, dass ein Missverständnis aufgrund seines Al ters nicht gerade zu einer wissenschaftlichen Aussage
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wird. Unserem ersten Beispiel kommt besondere Bedeutung insofern zu, als andere Wissenschaften ein analoges Phänomen nicht zeigen: a) "Interessante Parallelen” Kaum ein Orientalist lässt sieh, wenn er über die Dimma schreibt, die Gelegenheit entgehen, auf das hinüuweisen, was dann meist als "interessante Parallele" bezeichnet wird. Dieser Hinweis kommt eigenartigerweise nicht dann, wenn von der Dimma als Koexistenz die Rede ist, sondern in Zusammenhang mit den diskriminierenden Bestimmungen (von Kleiderordnung über mangelnde Rechts sicherheit bis hin zu Zollgebühren und Blutgeld). Die "interessante Parallele" betrifft fast ausnahmslos die europäischen Juden. Nun wollen wir nicht unterstellen, dass die Autoren damit lediglich ihre 3elesenheit beweisen wollten, es ist offensichtlich, dass hiermit versucht wird, isla mische Massnahmen, die wir heute als "unfein" empfinden, dadurch zu relativieren, dass man auf analoge Bestimmun gen in der christlich-abendländischen Geschichte hin weist, womit freilich auch noch ein weiterer Effekt er reicht wird: die Massnahme erscheint dann als "normal" (zumindest für mittelalterliche Gesellschaften). An diesem Punkt aber muss man dann fragen, warum die Pa rallele noch "interessant" sein soll! (So etwa bei i'ATTAL stereotyp "il est eurieux de noter que...".) Wir behaupten nun, dass das ständige Anführen solcher Parallelen nichtssagend ist. Einmal können sie uns nicht über die Dimma-Bestiircnungen aufklären, sie tragen nichts
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zu unserer Kenntnis dos Islam l>ei. Wenn uns jemand da rauf hinweist, dass den französischen Juden im Mittel alter der Gobrauch gepolsterter Reitsättel verboten war, so mindert dies nicht die Schmerzen des ägyptischen Juden jener Zeit, für den dieselbe Bestimmung galt aber vielleicht aus anderen Gründen. Die Parallele ver mag auch nichts über al-Hakims drastische Massnahmen auszusagen, was über die rein faktische Parallele hinaus ginge (etwa: die damit verfolgte Absicht). Solcho Parallelen haben ihre notwendige Berechtigung, wenn man eine Geschichte der Minoritätenpolitik schreibt. Wenn wir aber über den Status der Nichtmuslirae im Dar al-Isläm handeln, oder darüber, was denn nun das Konzept der Dirana eigentlich sei, dann muss man sich fragen, welchen Stellenwert und welche Punktion diese "interes santen" Parallelen im Rahmen einer solchen Untersuchung haben. Über die Dimma selbst sagt die Parallele ja nichts aus, und vor lauter Eifer, sich den "Schwarzen Peter" zuzuschieben, wer denn nun den "Judenstern" (metapho risch und pars pro toto) "erfunden”habe vergisst man die Frage, welche Funktion dieser erfüllen soll. Es ist ganz offensichtlich, dass diese Parallelen angeführt werden, um den Islam moralisch zu entschuldigen, indem man christliche Staaten beschuldigt. Ein solches Unterfangen halten wir für Apologetik und Polemik, nicht aber für Wissenschaft. Ausserdem kommt man bei einem solchen Vorgehen in mehrfache Schwierigkeiten: wenn wir durch Anführen die ser Parallelen die Dimma hinsichtlich ihrer diskriminie renden Implikationen als "normal" darstellen, ist es
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natürlich schwierig, den singulären Charakter der Dimma darzustellen. Dieser ist aber gegeben, weil das Abend land ein solches Prinzip nicht kennt - und CAHEN etwa ist ja redlich bemüht (EI , Art. Dhiimna), den singulären Charakter dieses Phänomens zu unterstreichen. Dieser lässt sich dann aber nur noch dort postulieren, wo die "interessanten'' Parallelen diskriminierender tiinoritätenpolitik nicht feststellbar sind: im Bereich einer wie auch immer gearteten Koexistenz. Aber ist hier ein Unterschied gegeben? Kann man das Faktum als singulär hinstellen, dass die muslimischen Eroberer nicht nur von der Arbeitsleistung der Unterworfenen lebten, son dern diese Unterworfenen auch noch dazu leben liessen? Wenn man dies für singulär oder "tolerant" hält, dann muss man (mit derselben Logik) im Viehzüchter einen Tierfreund sehen! Nun ist aber andererseits die Orienta listik eben nicht bereit, die Dimma als Koexistenz für ein normales Phänomen zu halten, und das entscheidende Kriterium ist die Toleranzfrage. Diesbezüglich ist die Dimma dann die "bessere" Koexistenz. Dieser Nachweis fällt freilich danr. schwer, wenn man zuvor (mitunter seitenlang) jede Manifestation islamischer Intoleranz mit einer "interessanten" abendl ändischen Parallele kommentierte, um den Islam weniger intolerant erschei nen zu lassen - was im nächsten Schritt dann wieder er möglichen soll, ihn im Verhältnis zum christlichen Abend land doch als tolerant hinzustellen. Nachdem .man aber vorher Beweise für islamische Intoleranz angeführt hat, muss man den (jetzt wieder neu eingeführter.) Toleranz begriff einschränken. Zynismus liegt uns hier fern, so
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verworren wird tatsächlich "wissenschaftlich" gearbeitet. Zwei Beispiele: 2 Nachdem CAHEN in seinem EI -Artikel sich redlich be mühte, die Dimma als tolerantes Koexistenzprinzip darzustellen, andererseits aber wegen der "interessanten" Parallelen hinsichtlich der der Dimma immanenten Dis kriminierungen (freilich nur dieser!) christlich-abend ländische Verhältnisse anführte, sieht er sich plötzlich zu dieser Aussage veranlasst (a.a.O. S. 230): "Objectivity requires us to attempt a comparison between Christian and Muslim intolerance...Islam has, in spite of many upsets, shown more toleration than Europe towards the Jews who remained in Muslim lands. In places where Christian communities did not die out it may (!) have harassed them, but it tolerated them when they did not seera too closely bound up with western Christianity It
Nachdcm CAHEN es (a.a.O. S. 229) nicht für nötig hält, jene "social factors" zu untersuchen, die zum Aus sterben einiger Dimml-Gemeinden führten, die aber in einem Artikel über Dimma durchaus von grösstem Interesse sind, vor allem aber dann, wenn man wie CAHEN eine Dimma beschreibt, die angeblich dieses Aussterben verhindert, so ist es doch zumindest verwunderlich, dass er den Vergleich islamischer und christlicher Intoleranz an stellt (der mit dem Thema weit weniger zu tun hat, als die "social factors"!). Der Terminus "Intoleranz" mag erstaunen, weil CAHEN sich ja bemühte, ein tolerantes Bild zu zeichnen. Nachdem er aber (neben den "social factor^') die diskriminierenden Massnahmen nicht einfach unterschlagen konnte, muss er den Begriff anführen. Doch er rückt ihn ja sogleich zurecht, indem er sagt, der
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Islam sei immerhin toleranter als das Christentum ge wesen. Auf diesen Komparativ kommen wir gleich zurück. Aber warum sollte uns gerade die Objektivität zu einem solchen Vergleich veranlassen? Wenn der Biologe die Befruchtung beim Apfelbaum beschreibt, verlangt dann die Objektivität von ihm, diese Befruchtung mit jener der Fische zu vergleichen? Das Moment der Objekti vität kommt doch nur ins Spiel, wenn wir die Dimma mit moralischen Masstäben messen. Dabei hat CAHEN selbst vorher versucht, durch die abendländischen Parallelen das "Unmoralische" an der islamischen Minoritätonpolitik zu relativieren - wobei er völlig die Frage übersah, was die Diskriminierung bei den Dimmis erreichen solle. Das ständige Anfuhren "interessanter" Parallelen lässt letztlich den Eindruck entstehen, als sei Diskriminie rung eine zweckfreie Selbstverständlichkeit. Die Formulierung "In places where Christian communities did not die out it may have harassed them, but it toierated them" können wir kommentarlos als für die innere logische Schlüssigkeit von CAHEN’ s gesamten Ar tikel darstellen. Mit dem Objektivitäts-Argument steht CAHEN in einer gewissen Tradition. So schreibt etwa RESCHER (1): "Wenn wir die Verhältnisse und Bedingungen, unter denen die Andersgläubigen inmitten des islamischen Volks körpers lebten, richtig beurteilen wollen, so dürfen wir natürlich billigerweise nur analoge Umstände zum Vergleich heranziehen...vielmehr müssen wir, um dem historisch gegebenen Milieu gerecht zu werden, auf die (1) RESCHER, Oskar: Studien zum Inhalt von 1001 Nacht. In: Der Islam IX (19TS77 ^„“ I-S^fj’ TîTerT S . “77
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Verhältnisse des mittelalterlichen Europa zurückgrcifen. Dagegen nun gehalten, worden uns die LebensBedingungen der Nichtmuslime - trotz vieler Beschränkungen und Unge rechtigkeiten im einzelnen - im ganzen genommen doch mindestens als ebensogut, wenn nicht besser erscheinen als die der Nicht- (oder auch nur Anders-) Christen in Europa bis hart an die Schwelle der Neuzeit heran." Warum sollen wir diesen Vergleich eigentlich anstel len? Der "richtigen”Beurteilung willen? Wird die Aus sage des Biologen über die Befruchtung beim Apfelbaum erst dadurch "richtig" oder "richtiger” (eine wissen schaftlich fragwürdige Formulierung!), das3 er sie mit der Befruchtung der Fische vergleicht? Und wenn RSSCIffiR sagt, deshalb dürften wir nur "analoge" Umstande zum Vergleich heranziehen (die Befruchtung beim Birnbaum macht eine Aussage über die des Apfelbaums auch nicht "richtiger"), so müssen wir fragen, ob diese Analogie überhaupt gegeben ist. Kachdem das mittelalterliche Abendland keine Dimma kannte, kann die Analogie nicht gegeben sein. Ausserdem waren die Juden Europas von Anfang an eine eingewanderte Minderheit, die Dimmis aber ursprüngliche ortsansässige Mehrheit (mit der Formulierung von den "Andersgläubigen inmitten des is lamischen Volkskörpers" fegt HESCHFÜ diesen wesentlichen Unterschied gleich unter den Tisch). Aber die Analogie ist auch sonst nicht gegeben: die "Anders-Christen" lassen sich logischerweise nur mit den "Andres-Muslimen" vergicich-cn, also etwa mit den Schiiten. Hier zeigt die Geschichte des sunnitischen Islam freilich kein anderes Bild als Europa bezüglich der "Anders-Christen". Toleranz ist hier nicht festzu stellen, doch brauchen wir diesen Gedanken nicht weiter
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zu verfolgen, da die "Anders-Christen" in Europa keine Analogie zu den Kicht-Muslimen im Orient darstellen (1). Die von Karl dem Grossen verfolgten heidnischen Sachsen können auch nicht als Analogon dienen, weil die Dimmis (und nur um diese geht es hei RESCHER’ s Vergleich!) keine Heiden sind (der Islam pflegt Heiden nicht zu to lerieren, zwar kam man bald davon ab, ihnen nur die Wahl zwischen Annahme des Islam und Tod durch das Schwert zu lassen, und verlieh ihnen einfach den Dimmx-Status; vgl. CAKEK Art. Dhimma in El1" II 227). Für die Analogie können deshalb nur noch herange zogen werden Christen und Juden in islamischen Ländern einerseits, Juden und Muslime im christlichen Europa des Mittelai ters andererseits. Die Muslime in Europa sind aber so sehr "quantite negligeable", dass man sie ausser acht lassen kann, ganz abgesehen davon, dass ihnen ja ihr eigenes Religionsgesetz verbietet, länger unter nichtmuslimischer Herr schaft zu leben. (1) Diese falsche Analogie und der daraus resultierende Denkfehler sind sehr alt. So sagt schon LIDEHAU Reisen I 204, wo er sich über protestantische Literatia1 xn Ga lata wundert: "Aber ist sich wol zuverwunder«, das sol ches von den Türcken zugelassen wirdt. In HiSpanien wurde man es nicht nachgeben; aber bei den Türcken ist keine Inquisition...Darurab fast grosz Wunder bei dieser Tirarmei der Bobs tischen, das sich nicht alle Welct unter den 'i>arcken begibt." Dies ist freilich die Logik eines deutschen Protestanten des 16. Jahrhunderts, gleich wohl sieht KREIßEL Schreibcrs Mission S. 39 in diesem Bericht die üsmaniscEe-Töreränz~besTätigt, natürlich im Vergleich zu Europa! Hat dieses Europa sich eigent lich je gefragt, welcher Richtung des mosaischen Glau bens eine konkrete jüdisch» Gemeinde angehört?
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Da nun aber der Begriff der Analogie mindestens zwei vergleichbare Elemente voraussetzt, den Christen im islamischen Orient aber nur Muslime im christlichen Europa analog sein können, andererseits aber man diese Muslime (mangels Masse und Relevanz) nicht anführen kann, bleiben für eine Analogie nur noch die Juden Europas gegen die Juden des Orients (über die Christen des Orients können sie nichts aussagen). Europa hatte Juden-Pogrome, aber auch andere Zeiten. (Es fällt übrigens auf, dass die Behauptung für Europa nie belegt wird, die dortigen Juden hätten einen schwie rigeren Stand gehabt als ihre Glaubensbrüder im Orient. Die "interessanten" Parallelen können - eben weil sie als Parallelen, also gleichwertig betrachtet werden natürlich schlecht einen solchen Beweis darstellen! Man könnte sich auch einmal darüber wundern, dass in Europa, das keine Dimma kennt, grössere jüdische Gemeinden über haupt bis zur Reconquista existieren konnten! Die Ge schichte der jüdischen Diaspora in Europa war jedenfalls nicht ein einziges Pogrom!) Diese Pogrome hatten aber nicht nur einen religiösen Grund. Wenn andererseits RESCHER die systematische Verfolgung Andersgläubiger im Orient in erster Linie Gründen "politisch-wirtschaft lichen Charakters" auschreibt (womit er sie aus dem Be reich der religiösen Intoleranz ausklammert), und dies auch für Pogrome in Europa gilt, dann fehlt uns wieder das Unterscheidungskriterium für die Abstufung der bei den "Intoleranzen"! Es ist nichts gewonnen. (Im den Vergleich anstellen zu können, müsste man also von beiden zu vergleichenden Objekten 30 stark abstra-
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hieren, dass die wesentlich konstitutiven Kriterien wegfallen. Auf einer solchen Grundlage ist dann alles mit allem analog: ein Vergleich ist nicht möglich. Wir müssen also diesen ewigen Vergleich nicht nur deshalb ablehnen, weil wir gar keinen Grund haben, ihn anzustellen (da er, wenn wir ihn anstellen, unsere Aus sagen über Dimma nicht "richtig" oder "richtiger" macht), sondern auch deshalb, weil die Analogievoraussetzungen nicht gegeben sind. Wie hei CAHEH, so folgt auch bei KESCHER auf den an geblich aus Gründen der Objektivität notwendigen Ver gleich der Lebensverhältnisse der Vergleich der Toleranz (1001 Nacht S. 78), dann fährt er fort (a.a.O.): "Kein Mensch, der die Psyche der Islamvölker einigermassen kennt, wird behaupten wollen, dass irgendwo und irgendwann je wirkliche Toleranz, im Sinne einer Aner kennung der G l e i c h w e r t i g k e i t der reli giösen Anschauungen, ausgeübt worden wäre.... trotzdem aber hat es in den Islamländem s y s t e m a t i s c h e V e r f o l g u n g A n d e r s g l ä u b i g e r in g r o s s e m S t i l allein aus religiösem Fanatismus k a u m je g e g e b e n . " Nun, es bedarf ja nicht gerade der physischen Aus rottung, um Intoleranz zu konstatieren! Und zu einer Frage der Psychologie wollen wir die fehlende Toleranz auch nicht machen, Koran und §arîca reichen völlig aus. Wenn RESCHER sagt, die muslimische Toleranz sei na türlich keine "wirkliche" Toleranz im Sinne einer Aner kennung der Gleichwertigkeit der religiösen Anschauungen, so bleibt er die Antwort auf die Frage, welchen Toleranz begriff er denn meine, auch dann schuldig, wenn er sagt, trotzdem habe es keine systematische Verfolgung Anders-
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gläubiger in grossem Stil allein aus religiösem Fana tismus gegeben. Letzteres sagt nichts über den von RESCHE3 gemeinten Toleranzbegriff aus. Aber wenn RESCHER den Begriff "wirkliche Toleranz" ablehnt, sollte er sagen, was dann mit der sich aufdrängenden "unwirklichen" Toleranz gemeint sei. Auch TAESCHUER (1) hat dieses Problem mit der Definition, wenn er die Dinuna bezeichnet als "diese Regelung, die vielfach als ’ Toleranz’aufge fasst wird, obwohl sie mit dem neueren abendländischen Begriffe von Toleranz bestimmt nichts zu tun hat". Er grenzt die Dimma hiermit nur vom modernen Toleranzbe griff ab und sagt nicht, welchen Toleranzbegriff er statt dessen anwenden will. Bei CAHEW (vgl. oben S. 374 f.) fehlt ein Alternativ begriff deshalb (oder fohlt nicht, es ist ganz unerheb lich), weil für ihn Toleranz und Intoleranz keinen Ge gensatz bilden: wenn er einen Vergleich von "Christian and Muslim intolerance" (womit er den Islam also into lerant nennt!) mit der Aussage für gemacht hält "Islam has...shown more toleration", dann geht das auf ein sprachliches Paradoxon zurück: - A und B sind (eventuell im Verhältnis zu C) arm. - A ist ärmer als B. - Also ist B reicher als A. Das Paradoxon ist rein sprachlich möglich, inhalt lich ist es nur möglich, wenn man C als (unzweifelhaft) Reichen einführt: also wenn er enorm reicher ist als A oder B, bzw. so reich, dass man ihn unter keinen l-m(1) TAESCHRE3 Antichristliohe Bestrebungen S. 185·
ständen als arm bezeichnen könnte, selbst wenn man A und B ausser acht lässt. (CAHEN nacht ja den Vergleich der Intoleranz, indem er dem Islam mehr Toleranz "bestä tigt. ) Bei der Frage nach Reichtum oder Armut nag man dieses Paradoxon der Plastizität halber als "normal" empfinden. Die Aussage "mehr Reichtum ist gleich weniger Armut” ist nicht nur äusserst banal, sie ermöglicht uns auch nicht, in einem konkreten Falle von Reichtum, im anderen von Armut zu sprechen: mit einer komparativisch formu lierten Aussage können wir keine logisch haltbare abso lute Aussage herleiten, weil sich so nämlich die ur sprüngliche Aussage immer in ihr Gegenteil verkehren lässt. Ein solches Vorgehen ist logisch nicht zulässig, und kann deshalb für Wahrheitsfindung in einer wissen schaftlichen Arbeit keine Anwendung finden. Die Aussage "B ist reicher als A" ist zwar - von A und B her betrachtet - richtig, doch darf man den Kom parativ hier für die Deduktion weiterer Aussagen nur als sprachliches Phänomen begreifen. Einen realitätsbe zogenen Charakter muss man ihm absprechen: aus der Aus sage ” B ist rcicher als A" sind nämlich felgende Aus sagen ableitbar: "A ist reich”, "A und B sind reich", und "B ist reich" - was einen Widerspruch zur Grundaus sage darstellt (mit dieser neuen Aussage würde nach demselben Vorgehen just diese wieder selbst widerlegt, wir kämen zur ersten Grundaussage zurück, und so weiter ohne Ende: eine absolute Aussage ist hiermit nicht zu erreichen!). Kan darf also den Komparativ nicht in einen Positiv zurückverwandeln, sonst beisst sich die Deduk-
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tion in den Schwanz. Vollziehen wir dieselbe Deduktion nun einmal für die Frage der Toleranz bzw. Intoleranz, wobei C für Christentum, I für Islam stehe: Gehen wir von der Grundannahme aus, "C und I sind intolerant" (was CAISÎ5 sagt, weil er beide "Intoleranzen" vergleichen will), und fügen wir als Zwischenglied ein "C ist intoleranter als I", so gelangen wir zur Schluss aassage "I ist toleranter als C". Gehen wir aber von der Grundaussage aus "I und C sind tolerant", und be halten das Zwischenglied bei (aus formalen Gründen jetzt anders formuliert) "I ist toleranter als C", dann gelan gen wir zur Aussage "C ist intoleranter als I”, was dem Schluss aus der kontradiktorischen Grundaussage der ersten Deduktion voll entspricht: "I ist toleranter als C" besagt nichts anderes als "C ist intoleranter als I". Auf zwei widersprüchlichen Grundaussagen aufbauend erhalten wir also immer dieselbe Deduktion - die sich dann noch dazu, wenn man nicht aufpasst, in dio Positive "I ist tolerant" und "C ist intolerant·" auf lösen Hessen! Der Grund für dieses Ergebnis liegt in der Aussage des Zwischengliedes: "1 ist toleranter als C" bzw. "C ist intoleranter als I". Formallogisch muss die Beibehal tung des Zwischengliedes aber zur selben Aussage führen, auch wenn wir von widersprüchlichen Grundaussagen ausgehen. Wenn sich nun aber der Islam (aufgrund des Zwi schengliedes) immer als toleranter denn das Christen tum erweist, ganz egal, ob wir ihm "eigentlich" Toleranz oder Intoleranz bestätigen, dann haben wir Veranlassung, das Zwischenglied auf seine Richtigkeit zu überprüfen.
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CAHE^’ s Behauptung "Islam has__ shown more toleration..." (vgl. oben S. 374) wird nicht bewiesen (die Parallelen, die auch CAHEN immer anführt, können nicht als Beweis dienen, da sie ja einer Nivellierung, also einer Gleichsetzung der beiden "Intoleranzen" dienen!). ?Jun könnten wir mit derselben Methode des Nichtbeweisens das Zwischenglied "C ist toleranter als I" bzw. "I ist intoleranter als C" einführen - und würden letztlich zu den Aussagen gelangen, das Christentum sei tolerant, der Islam aber intolerant (ganz gleich, ob wir den bei den ursprünglich Toleranz oder Intoleranz bestätigen!). Anders ausgedrückt: solange wir das Zwischenglied nicht operationabel in den Griff bekommen und definieren können, solange können wir aus jeder Grundannahme jeden Schluss ableiten - und das ist unwissenschaftlich. Nachdem nun aber "Toleranz" nicht so operationabel ist wie "-Reichtum" bzw. "Armut", ist dies ein sehr schwieriges Unterfangen. "Reichtum" ist, weil sich immer eine dritte Vorgleichsgrösse oder -person C finden lässt, quantifizierbar. Toleranz ist nicht quantifizi erbar, ausser durch die Abgrenzung innerhalb A und E, bzw. I und C. Dieser Vergleich aber ermöglicht, da die Grund aussage immer hypothetisch bleibt, keine schlüssige Aus sage. Deshalb halten wir das ewige Vergleichen und die "interessanten" Parallelen nicht nur für überflüssig, sondern auch für hinderlich. Es käme vielleicht darauf an, den Toleranzbegriff zu definieren. Nachdem CAHEN aber (vgl. oben 8. 374) keinen Widerspruch zwischen dem fortwährenden Quälen der Dimmîs und dem Toleranzbegriff empfindet ("it may
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have harassed them, but it tolerated them"), können wir die Diskussion nicht weiterführen: für uns schliesst sich Quälen und Tolerieren gegenseitig notwendig aus, für CAHEN nicht. Wenn aber CAHEN im fortgesetzten Quä len der Dimmis keinen Widerspruch zur Toleranz sieht (womit er den Toleranzbegriff der gängigen Lexika auf gibt), wo beginnt denn dann eigentlich die Intoleranz des Abendlandes? Hier bietet sich (als Steigerung des fortgesetzten Quälens) nur noch die physische Ausrottung an - und die lässt sich für das Mittelalter nicht gene ralisieren. Oder folgt CAHEN hier quantifizierend einem Schema wie "ein ’ intol’Pogrom ist inner noch intoleran ter als 100 ’ toi’Quälen"? Wir haben in dieser Arbeit den Toleranzbegriff ersatzlos gestrichen, weil er kein Objekt hat, auf das er sich beziehen könnte. Wir brauchen deshalb auch keinen alternativen Begriff einzuführen, weil wir - wie in der Einleitung schon dargolegt - die Tatsache, dass man das Huhn, von dem man goldene Eier erwartet, nicht nur nicht schlachtet, sondern es auch vor dom Fuchs schützt, nicht für Toleranz halten, sondern für eine Banalität. (Es hat übrigens noch niemand behauptet, die französische Krone habe das Pariser Haus Rothschild "toleriert"!) Fällt bei den Dimmxs die Tolerierung der Religion via Zwangsbekehrung weg, dann fehlt halt auch die Gizya im Staatssäckel! Ausserhalb dieser Problematik, also be züglich dessen, dass man die "Hühner" nicht schlachtet, sondern ihnen auch noch die Religion lässt (andernfalls wäre das Schlachten ja gegeben!), ist die Tolerierung dieser Religion weder gegeben (wegen der kultischen Be-
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schränkungen), noch kann der Toleransbegriff hier über haupt angewandt, werden (weil der Muslim den Kult nicht sinnlich wahmehmen kann). Machdem wir die Dimma als Medium zur Integration de finierten, zeigt sich auch die "Toleranz” (bisheriger Definition) in einem anderen Licht: sie ist die not wendige Voraussetzung des angestrebten Zieles. Da dieses Ziel aber in der Integration (also in der Nicht-Tole rierung) der Dimmis liegt, was dem Toleranzbegriff wi derspricht, kann man den Toleranzbegriff auch deshalb nicht anwenden. Wenn nun aber einige Orientalisten be haupten, "Toleranz im eigentlichen Sinne" sei ja gar nicht gemeint, aber "immerhin" sei der Islam noch to leranter als das Christentum (was noch niemand bewiesen hat!), dann ist damit keinesfalls gesagt, der Islam sei tolerant. Wir haben aufgezeigt, dass man von dieser unbewiesenen Aussage aus Toleranz wie auch Intoleranz <3es Christenturas wie auch des Islam ableiten kann. Des halb können die Vergleiche und "interessanten" Paralle len kein wissenschaftliches Instrumentarium sein. Abschliessend sei - ungeachtet dessen, dass wir für den muslimischen Bereich den Tolcransohegriff ersatzlos streichen - präzisiert: die Aussage "das Christentum ist intoleranter als der Islam" besagt nicht dasselbe wie die Aussage "der Islara ist toleranter als das Chri stentum", weil damit nämlich (abgesehen von der o.a. logischen Unstimmigkeit) unterstellt wird, der Islam sei tolerant ("zumindest toleranter als das Christentum"), und das Christentun sei intolerant ("zumindest intole ranter als der Islam”).
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b ) Synkre tismer. Wenn wir im vorangehenden Abschnitt die "interessan ten" Parallelen aus methodischen Gründen ablehnen muss ten, so begeben wir uns nun mit der Synkretismus-Proble matik in den Bereich "echter" Denkfehler, Missverständ nisse und Fehlinterpretationen. Gemeint sind jene Aus sagen, die aus bestimmten muslimischen Verhaltensweisen eine Absicht des Islam zur Aussöhnung mit dem Christen tum, zu einem Synkretismus irgendeiner Art zu gelangen ableiten. So etwa wenn G1ESE (vgl. oben S. 79 Anm. (1)) die griechische Wiederbesiedlung Istanbuls deutet als "Beweis für die Bestrebungen des Sultans eine Annäherung der östlichen und westlichen Kulturen zu erreichen". Wir haben schon gesagt, dass bei dieser Betrachtung auch die Eroberung selbst dann letztendlich ein Akt der Völker verständigung wäre. Huri sind solche Fehlinterpretationen nicht mit dem Hinweis auf die "Generation" GIESE’ s abautun. Erstens war auch damals eins plus eins schon zwei, zum anderen leben solche Interpretationen durchaus noch. So deutet etwa CAHEN (EI^ II 2?7) die Tatsache, dass in der FrühKeit des Islam die Muslime nicht sofort Moscheen bauten, sondern einer christlichen Kirche die Hälfte abnahmen (Gebäudeteilung), als Beweis für "freundschaftliche Be zi ehungen"("Preeautions must have been taken to avoid clashes between different communities, which at first enjoyed such friendly relations that buildings could be devided between Christians and Muslims"). Hierin offenbart sich zwar nicht notwendig eine Interpretation im Sinne von "synkretistischer Absicht" aber beide In
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terpretationen beruhen auf derselben Grundhaltung: die trennenden Faktoren als vereinigende zu interpretieren. Die Synkretismusfrage steht in engem Zusammenhang mit dor Toleranzdiskussion. Auch dieser Zusammenhang ist alt. AHMED ElZA (Tolerance musuJmane S. 18 f.) schrieb 1897 (unter Berufung auf den noch älteren 30BERTS0H): "Les Musulmans sont les seuls enthousiasies, qui aient uni Peaprit de tolerance avee le zele du proselytisme." VRYONIS (Debine 386) schrieb 1971 über die missiona rische Wirkung der Mevleviyye *. "the influence of the Mawlawis spread...also among the dhimmis upon whom the combination of Muslim Pr2 s£İytiKİng ardor, rcligious tolerance, and syncretism had a
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dieser toleranten, eifrigen Missionare auch gleich noch als Sozialarbeiter betrachtet, seine Tekye als EehabilitationsZentrum: in Zusammenhang mit der "Bekehrung" des Mörders Thiryanos (vgl. oben S. 277 Anm. (3)), der sich durch Konversion der Strafverfolgung entzog, sagt VHYOKIS (Decline S. 389): "The story of Thiryanus is doubly significant for not only is it the most detailed casc of eonversion ir: the Menaqib al-Arifin, but it demonsträtes how the Mawlawls helped construct a Muslim society in Anatoiia. An individual who had comnitted a crime was rehabilitatod and transformed into a useful member of the Muslim Com munity. " So kann .man die Hintergehung des Straf rechts natür lich interpretieren, aber der Ansatz ist zumindest zu modom. Wenn man den Toleranzbegriff so weit ausdehnt, dass auch Rechtsumgehung noch inkorporiert wird, so än dert das nichts daran, dass sich gerade hierdurch die Toleranz als zweckgerichtet, nämlich auf Konversion ab zielend erweist! Wenn aber die Toleranz nur gilt, weil Hoffnung auf Konversion besteht, dann ist der Toleranz begriff selbst ausgehöhlt, da dieser die Integrität des zu Tolerierenden in sich schliesst. Eine solche "zweckgebundene" Toleranz zeigt sich auch bei Religionsgosprächen, die von vielen Autoren als synkretistiseher Versuch gedeutet werden. So sieht A'RfUKIS (Palamas S. 108) zwischen der Behauptung, "that the Ottoman policy ained at rcconciling Christ v/ith Mohammed" (er sagt leider nicht, wer eine solche Ab sicht behauptet) und den; folgenden Religionsgesprach keinen Widerspruch. Anhand dieses in der Orientalistik au Berühmtheit gelangten Religionsgespräches werden wir
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nun nachweisen, dass diese Gespräche nicht einer "Aus söhnung" zwischen Christentum und Islam dienen, sondern dass sie die christlichen Gesprächspartner auf die mus limische Seite ziehen sollen. (Die Typologie dieser Ge spräche scheint uns auf Muhammad selbst zurückzugehen, der die Berufung auf die "Religion Abrahams" einführte, um sowohl den Juden und Christen eine spätere Verfäl schung ihrer Schriften yorwerfen zu können, als auch an dererseits seine eigene Botschaft von diesen Schriften aus unhinterfragbar machte.) Dieses Gespräch (v/ir zitieren nach ARNAKIS Palanas, hier S. 108) wurde mit dem Vorwurf der Muslime eröffnet, die Christen hieiten sich nicht an die "uralte" Vor schrift der Bosehneidung: "Since the doctrines of Christianity were founded upon the Cid as well as the New Testament, the doctors of Islam sought to prove the archbishop inconsistent by raising the quostion of circumcision. ’ Circumcision,’ they said, ’ was ordered by God from the beginning and Christ himself was circumcised: why are you not?’" Dies ist einmal die Frage nach den "wahren" Christen und der "Sunna Jesu" (vgl. oben S. 256 ff.), der schein bare "Aussöhnungsversuch" liegt darin, dass die islami sche Seite auf die für boido Religionen gleichen Grund lagen hinweist. Nun ist es interessant, dass Palama3 die se Frage nicht beantwortet, sondern - eben unter Beru fung auf das muslimische Argument - den Spioss umdroht: "Gregory retortod quickly, ’ Why don’ t the Turks keep all of the precepts of the Mosaic law - the Sa'übath, the Passover, sacrifi;;es by priests, the altar, and so forth?’" Hun antworten aber die Muslime ihrerseits nicht. Das ist zum einen "legitim", weil ja auch Palamas eine Ant
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wort schuldig blieb, aber sie lassen damit gleichzeitig nicht zu, dass der Islam mit derselben Methode hinter fragt wird, mit dor er das Christentum hinterfrägt. Dann stellen die Muslime die nächste Gegenfrage, dies mal mit dem Bilderverbot, und Palamas versucht ihnen be greiflich zu machen, dass der Christ nicht das Bild selbst anbetet, sondern durch das Bild hindurch Gott. Zwar äussern die Türken daran Zweifel, aber Palamas ver teidigt seinen Standpunkt weiter, und irgendwann wird dann die Diskussion beendet - wir erfahren nicht, warum ohne ein Ergebnis gezeitigt zu haben. Palamas fühlte am Schluss "that his apalogy was overwhelming”- man kann dies dahin deuten, dass den Muslimen nichts mehr ein fiel, und zwar umsomehr, als einer von ihnen dem Erzbischof einen Faustschlag ins Auge versetzte. Dies deutet bei Diskussionen immer auf einen Mangel an Argumenten hin. Bei diesem Heligionsgesprach können wir also fest halt en, dass christliche Positionen auf der Grundlage alttcstamentlicher Bestimmungen hinterfragt werden sol len, die islamische Seite dieselbe Logik auf den Islam aber nicht anwenden lässt. Ein Beweis für die Bestrebung nach "Aussöhnung" stellt dies dann deshalb nicht dar. Deutlicher wird dies, wenn die Frage nach der Aner kennung Christi durch die Muslime mit der Anerkennung Muhammads durch die Christen angeschnitten wird. Wir müssen hier Beispiele aus der Moderne leider ausklammem. Einige Zeit 3päter kam Palamas (a.a.O. S. 110) zu fällig zu einer muslimischen Beerdigung, und hatte ein weiteres Religionsgesprach mit dem Imam, und man gelangte
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rasch zur Frage nach der Gottessohnschaft Christi bzw. nach der Prophetenschaft Muhammads. Palamas sprach von der Notwendigkeit, Christus anzubeten, der das fleiseh gewordene Wort, und eins mit dein Vater sei. Dem hält der Imam entgegen "Christ, too, is a servant of God", womit er sich auf Gottes Wort beruft, denn Q IV 172 sagt dies aus (1). Palamas erwähnt dann die alten Prophezeiungen, die Christi Kommen vorhersagten, nicht aber das Muhammads. Dann wird die Diskussion immer hitziger, und an einem "eritical point" stellt der Imam die Fangfrage "We accept all the prophets and Christ with them...why do you not (1) Wir müssen diese Stelle im Kontext zitieren, weil sie ganz ausdrücklich jene Elemente erwähnt und wieder holend präzisiert, die bei solchen Religionsgesprächen von Bedeutung sind. Wir beginnen deshalb mit Q IV 171: "Ihr Leute der Schriftj_ Treibt es in eurer Religion nicht zu weit (lä tağlü fî dînikum) und sagt gegen Gott nichts aus, ausser der Wahrheit! Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist (nicht Gottes Sohn. Er ist) nur der Gesandte Gottes und sein Wort (kalima), das er der Maria entboten hat, und Geist von ihm. Darum glaubt an Gott und seine Gesandten und sagt nicht (von Gott, dass er in einem) drei (sei)! Hört auf (solches zu sagen! Das ist) besser für euch. Gott ist nur ein einziger Gott. Ge priesen sei er! (Er ist darüber erhaben) ein Kind zu haben. Ihm gehört (vielmehr alles), was im Himmel und auf Erden ist. Und Gott genügt als Sachwalter. (172:) Christus wird cs nicht verschmähen, ein (blosser) Diener Gottes zu sein, auch nicht die (Gott) nahestehenden Engel__ Hier ist interessant, dass zuerst ganz kate gorisch gesagt wird "Christus ist nur der Gesandte Got tes", wohingegen doch die mutmassende Formulierung "Christus wird es nicht verschmähen, ein blosser Diener Gottes zu sein" ein konziliantes Element enthält: Muhammad lässt ihm ja zumindest noch don Status eines Propheten!
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wort schuldig blieb, aber sic lassen damit gleichzeitig nicht zu, dass der Islam mit derselben Methode hinter fragt wird, mit der er das Christentum hinterfrägt. Darm stellen die Muslime die nächste Gegenfrage, dies mal mit dem Bilderverbot, und Palamas versucht ihnen be greiflich zu machen, dass der Christ nicht das Sild selbst anbetet, sondern durch das Bild hindurch Gott. Zwar äussern die Türken daran Zweifel, aber Palamas ver teidigt seinen Standpunkt weiter, und irgendwann wird dann die Diskussion beendet - wir erfahren nicht, warum ohne ein Ergebnis gezeitigt zu haben. Palamas fühlte am Schluss "that his apalogy was overwhelming" - man kann dies dahin deuten, dass den Muslimen nichts mehr ein fiel, und zwar umsomehr, als einer von ihnen dem Erzbischof einen Faustschlag ins Auge versetzte. Dies deutet bei Diskussionen immer auf einen Mangel an Argumenten hin. Bei diesem Religionsgespräch können wir also fest halton, dass christliche Positionen auf der Grundlage alttestamentlicher Bestimmungen hinterfragt werden sol len, die islamische Seite dieselbe Logik auf den Islam aber nicht anwenden lässt. Ein Beweis für die Bestrebung nach "Aussöhnung" stellt dies dann deshalb nicht dar. Deutlicher wird dies, wenn die Frage nach der Aner kennung Christi durch die Muslime mit der Anerkennung Muhammads durch die Christen angeschnitten wird. Wir müssen hier Beispiele aus der Moderne leider ausklammern. Einige Zeit später kam Palamas (a.a.O. S. 110) zu fällig zu einer muslimischen Beerdigung, und hatte ein weiteres Religionsgcspräeh mit dem Imam, und man gelangte
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rasch zur Frage nach der Gottessohnschaft Christi bzw. nach der Prophetenschaft Muhammads- Palamas sprach von der Notwendigkeit, Christus anzübeten, der das fleisch gewordene Wort, und eins mit dem Vater sei. Den: hält der Imam entgegen "Christ, too, is a servant of God", womit er sich auf Gottes Wort beruft, denn Q IV 172 sagt dies aus (1). Palamas erwähnt dann die alten Prophezeiungen, die Christi Kommen vorhersagten, nicht aber das Muhammads. Dann wird die Diskussion immer hitziger, und an einem "critical point" stellt der Imam die Fangfrage "We accept all the prophets and Christ with them...why do you not (1) Wir müssen diese Stelle im Kontext zitieren, weil sie ganz ausdrücklich jene Elemente erwähnt und wieder holend präzisiert, die bei solchen Religionsgesprächen von Bedeutung sind. Wir beginnen deshalb mit Q, IV 171: "Ihr Leute der Schrift! Treibt es in eurer Religion nicht zu weit (lä tağlü fî dmikum) und sagt gegen Gott nichts aus, ausser der Wahrheit! Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist (nicht Gottes Sohn. Er ist) nur der Gesandte Gottes und sein Wort (kalima), das er der Maria entboten hat, und Geist von ihm. Darum glaubt an Gott und seine Gesandten und sagt nicht (von Gott, dass er in einem) drei (sei)! Hört auf (solches zu sagen! Das ist) besser für euch. Gott ist nur ein einziger Gott. Ge priesen sei er! (Er ist darüber erhaben) ein Kind zu haben. Ihm gehört (vielmehr alles), was im Himmel und auf Erden ist. Und Gott genügt als Sachwalter. (172:) Christus wird es nicht verschmähen, ein (blosser) Diener Gottes zu sein, auch nicht die (Gott) nahestehenden Engel...". Hier ist interessant, dass zuerst ganz kate gorisch gesagt wird "Christus ist nur der Gesandte Got tes", wohingegen doch die mutmassende Formulierung "Christus wird es nicht verschmähen, ein blosser Diener Gottes zu sein”ein konziliantes Element enthält: Muhammad lässt ihm ja zumindest noch den Status eines Propheten!
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accept aur prophet?" Dies ist eine Fangfrage insofern, als der Muslim zu sagen vorgibt, "eine Konzession ist die andere wert", und dem Christen, wenn dieser den Prophetenstatus Muham mads nicht konzediert, unfaires Verhalten vorwerfen kann. Zwar weiss der Muslim, dass für den Christen Jesus nicht Prophet ist, sondern Gott, aber dies muss er verschwei gen, da er sonst seine auf Egalität aufbauende Fang frage nicht stellen kann. Nachdem Jesus für die Muslime Prophet ist (durch Gottes Wort, vgl. die vorherige An merkung) stellt diese Aussage kein Zugeständnis an die christliche Seite dar, die schon deshalb keinen Grund hat, wegen der Egalität dann ihrerseits den Propheten status Muhammads zu konzedieren. Eine solche Konzession nach dem Schema "do ut des" müsste lauten "wenn wir Muhammad als Propheten anerkennen, dann müsst ihr Jesus als Gott anerkennen". Palamas übersah diesen wichtigen Unterschied, und sprach von den fehlenden himmlischen Zeichen für die Prophetenschaft Muhammads. Gerade diese Fangfrage aber beweist, dass hier nicht eine "Aussöhnung" angetragen wird: wenn der Christ auf Grundlage der scheinbaren Egalität ein Zugeständnis macht, dann rückt er entweder vom Dogma ab, Jesus sei Gott, oder er erkennt Muhammad als Propheten an. Dann ist dieser Christ allerdings Muslim geworden, womit hinlänglich erwiesen ist, dass diese scheinbare Kon ziliant in 'Wirklichkeit auf Konversion abzielt. (Konzilianz ist, wie gesagt, schon deshalb nicht gegeben, weil ja die muslimische Seite kein Zugeständnis macht!)
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Wenn nun Palamas dio Fangfrage nicht entdeckte, son dern den Prophetenstatus Muhammads nach seinen fehlenden Voraussetzungen untersuchte, so liegt das zum einen an seiner theologischen Schulung, zum anderen aber an seiner fehlenden Kenntnis des Islam. Unverständlich aber wird es, wenn ein Orientalist die Fangfrage nicht sieht (1); die Interpretation solcher Gespräche als Aussöhnungs versuch aber ist ein schwerwiegender Denkfehler und eine Fehlinterpretation. Man sollte es schon zu den Aufgaben (1) So etwa TAESCHNER Antichristl_iehe Bestrebungen S. 185 f.: "...dass aber eığenîIıcE 3iese-äIT;eren_ReI.i.gionen aufhören müssten su gelten, dass zum mindesten (!), wio der Islam die älteren Offenbarungsträger als Propheten anerkennt, die Angehörigen der älteren Buch religionen auch Muhammad als einen gottgesandten Pro pheten anerkennen müssten. Die verwunderte Frage nach dem Grund, warum sie dies nicht täten, ist in der langen Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam in Religionsgesprächen mehrfach von Muslimen an ihre christlichcn Gesprächspartner gestellt worden... Auch heute noch kann cs Vorkommen, dass einem von Mus limen im Gespräch diese Frage gestellt wird. Eine takt volle Antwort darauf, die der Wahrheit die Ehre gibt, den Muslim aber nicht verletzt, dürfte nicht leicht zu finden sein." Die Formulierung "dass zum mindesten... die Angehörigen der älteren BuchreligTonen~äücE Muhammad als...Propheten anerkennen müssten" ist insofern irre führend, da es sich hier dann direkt um das Aufgeben der älteren Religionen handelt: wenn der Christ Muhammad an erkennt, lässt er das Christentum fallen! Eine "verwun derte" Frage habon wir hier auch nicht, sondern eine Fangfrage, die Konzilianz vorgaukclt. Wenn wir dem nun nicht auf den Leim gehen, sondern eine Antwort geben, dio die Dinge zurechtrückt und "der Wahrheit die Ehre gibt", so haben wir keine Veranlassung, auf "Takt" zu achten (ist der Muslim taktvoll, wenn er sagt, Jesus sei ledig lich Prophet?), und der Muslim hat keinen Grund "ver letzt" zu sein, wenn wir seine unfaire Fangfrage ledig lich berichtigen!
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der Orientalistik rechnen, solche Versuche des Islam zu analysieren und zu "entlarven", mit denen noch heute islamische Länder Politik zu machen trachten (etwa Li byen). Wir machen uns dabei nicht der Parteinahme schul dig, im Gegenteil: Parteinahme wäre es, wenn wir der islamischen Politik folgen, statt sie kritisch zu hin ter fragen. * Wir haben es in diesen Bereichen also nicht mit synkretistischen Versuchen zu einer "Aussöhnung" im Sinne der Beibehaltung beider Religionen zu tun (oder gär als Versuch der Schaffung einer "Über-Religion"), son dern mit einem Islamisierungsversuch. Hier ist dann ein anderer Synkretismusbegriff angebracht: Übernahme von Elementen einer Religion in die andere, wobei die erste zu existieren aufhört. Dafür können wir den Begriff der Aussöhnung nicht akzeptieren, selbst dann nicht, wenn die späteren Nachkommen der Renegaten ihren Muslimstatus als normal oder befriedigend empfinden. So stellt sich dieser Vorgang nur aus der historischen Rückschau dar, zur untersuchten Zeit aber war der Vorgang keine Aus söhnung, sondern Integration.
Wir wollen hier nur ein Beispiel anführen, da das au untersuchende Phänomen häufig genug anzutreffen, und in Fachkreisen hinlänglich bekannt ist. Wir meinen die beschönigende Aussage "sicher war Dirami-Dasein kein reines Honigschlecken, aber so schlimm war es nicht, und
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ausserdem war es den Dinmiş unter ihren früheren Herren auch nicht gerade rosig gegangen". Diese Position ist offenbar gegen jene Autoren gerich tet, welche die Türken gerne als "Barbaren" bezeichnen. Es dient nun der Wahrheitsfindung nicht, wenn man alles am islamischen Orient als "barbarisch" verteufelt, es ist aber ebenso dumm, ins andere Extrem zu verfallen, und "unschöne" oder "unfeine" Züge zu beschönigen. Wir nehmen nur den Aufsatz von RĞVÎISZ (1) als Bei spiel. Unter den .itel "Die Lasten der Raya" werden (a.a.O. S. 222-225) die bekannten Faktoren aufgezählt, wie Steuerpacht und ihre Auswüchse, die Bestechlichkeit osmanischer Beamter bzw. das Faktum, dass ohne grössere Bestechung nichts zu erreichen war, auch keine "Gerech tigkeit", 7ias alles die Dimmis stark bedrückte. Dennoch sagt der Autor (a.a.O. S. 223): "Wahrscheinlich haben Fckete und Kaldy-ÜJagy mit ihrer Behauptung Recht, der türkische Grundherr habe die ungarische Raya nicht mehr belastet aİ3 der ungarische Grundherr seine Untertanen." Vias dieser Vergleich mit den endlosen "Verehrungen" zu tun hat, die nur einen Absatz zuvor erwähnt werden, istunklar. Wir haber. schon darge.legt, warum wir Vergleiche mit abendländischen Verhältnissen für nichtssagend, ja sogar irreführend halten. Zwei Beispiele dafür, die mit der Behauptung "es war nicht so schlimm" Zusammenhängen, (1) REVESZ, lanzlc: Die_Grundbesitzordnung im türkisch besetzten Ungarn. Tn: Südosleuröpä~ünTer-3em-HäIbmöricn TFesÎscErîfî-fûr G. Stadtmüller) München 1975, 3. 213225.
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seien hier angeführt. REV3SZ sagt (a.a.O. S. 223), die Belastung mehrerer Ortschaften mit (ungesetzlichen) zusätzlichen Abgaben hätte dazu geführt, dass diese Gemeinden mehrere Delegationen nach Istanbul schickten, um vor Erpressungen Schutz zu erhalten. Dann räumt er ein: "Wenn die verschiedenen Schutzbriefe und -dokumente auch nicht immer den erhofften Schutz gewährten, beweist diese Praxis, dass den christlichen Rajas der Weg zu den höchsten Behörden mehr offen war, als zu dieser Zeit nach Wien im Königreich." Nun, der Autor bleibt den Beweis schuldig, dass die Bauern des Königreichs denselben Anlass gehabt hätten, sich mit Beschwerden nach Wien zu wenden. Und wenn die Dimmîs sich zwar mit Beschwerden nach Istanbul wenden konnten, ihnen dies aber keine Rechtssicherheit eintrug, was ist dann an der Beschwerdemöglichkeit so bemerkens wert? Die relative Offenheit des Weges ist zwar schön, aber wenn sie nichts weiter zeitigt als eine Reise in die Hauptstadt, dann bedarf sie keiner Erwähnung. Wir halten aber den gleich nachgeschobenen Hinweis auf die Verhältnisse im Königreich dafür verantwortlich, dass hier die Frage nicht mehr gestellt wird, warum es un möglich war, die tughrageschmückten Fermane in Realität umzusetzen, ihnen praktische Rechtskraft zu verleihen. Diese Frage ist nicht nur interessanter und drängender als der Hinweis auf Wien, sie ist auch nötig, wenn REVESZ gleich darauf sagt "dass man die Behauptung zurüekweisen muss, wonach die Türken alle bisherigen Rechtsnormen beseitigt hätten"! Einen treffenden Beweis dafür, dass der Vergleich
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mit nicht-musl ini sehen Verbal tr.i sser. nicht nur nichts sagend ist, sondern eine nähere Betrachtung und spezi fische Wertung einer Dirama-Bestimmung geradezu verhin dert, liefert REVESZ (a.a.O. S. 220) in Zusammenhang mit der Kleiderordnung: "Was die einheimische Bevölkerung an meisten ernied rigend fand, waren die Verbote, gewisse Bekleidungs stücke oder Stiefel zu tragen. Diese galten sogar für solche Ortschaften, welche von den türkischen Militärs niemals besetzt worden waren und volle Autonomie besassen, z.B. in Kecskemet. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass solche Verbote auch in Königreich Ungarn bestanden, hauptsächlich fiir das Gesinde, und zwar bis ins 19. Jahrhundert." Wir brauchen uns nicht mehr darüber wundern, dass die Kleiderordnung auch in nicht-besetzten Städten galt, auch den Autononiebegriff wollen wir nicht nehr unter suchen. Der Hinweis auf eii:e ähnliche Kleiderordnung im Kö nigreich Ungarn steht doch hier nicht als Gedächtnis stütze, sondern er soll das, was die Dimmis erniedrigte, relativieren. Nun wird die Erniedrigung der Dimmis (als wissenschaftliche Aussage) durch diesen Hinweis nicht "richtig" oder "richtiger". Wenn der Hinweis diese Aus sage aber ergänzen soll, dann wird uns durch ihn nur der Bl i.ck auf die Erni ed r igung v er s teΠ 1: wenn nänilieh im Königreich Ungarn ähnliche Kleidervorschriften exi stierten (der Autor bleibt Details schuldig), und diese sich "hauptsächlich" (auch dies bedürfte einer Präzi sierung!) auf "Gesinde" bezogen, so liegt ja hierin eine doppelt erniedrigende Wirkung auf die Dimmis, weil unter der Türkcnherrschaft "Bürger- wie auch Bauersmann" wie Gesinde gekleidet war! Der Vergleich relativiert
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also nicht die Erniedrigung der Dimmîs, er verstärkt sie noch - was allerdings nicht KEVESZ entdeckte, son dern wir (1). d) Dogmatische Islamophilie Die bisher aufgeführten Denkfehler, Missverständ nisse und FehlInterpretationen - die ganz und gar nicht (1) Auch REVESZ hat einen seltsamen Toleranzbegriff. Er schreibt (a.a.O. S. 220): "Es gab keine Bestrebungen zur Assimilierung der christlichen Bevölkerung. Auch die christlichen Religionen wurden toleriert, höchstens (!) die Errichtung von Schulen und der Bau von Kirchen stiess auf Schwierigkeiten .und die Ausbildung von Geist lichen wurde - abgesehen von Debrecen, da diese Stadt einen eigenen Status besass - praktisch unmöglich ge macht." Wenn ein moderner, noch dazu ungarischer Autor in der Tatsache einer verhinderten Priesterausbildung keinen Widerspruch zum Toleranzbegriff sieht, dann ist das erstaunlich. Wir wollen den Gedanken, dass analoge Schwierigkeiten der Kirchen in den heutigen Ostblock staaten auf das Erlöschen des Christentums in diesen Ländern abzielen nicht weiter bemühen, obwohl sich dieser Gedanke im Westen allgemeiner Zustimmung erfreut. Auch im Ungarn der Türkenzeit musste Priestermangel eine sol che Folge zeitigen (wie ja alle Oimna-Bestimnungen auf Integration abzielen!). Wenn der Priestermangel "staat lich verordnet" wird, dann bleibt der Kultus nur noch kurze Zeit erhalten. Ist diese "Gnadenfrist·" ein hin reichendes Kriterium, dann noch von Tolerierung der christlichen Religion zu sprechen? Zur Auswirkung dieser Politik vgl. ferner SZILAS, Laszlo (S.J.): Inventar der die Jesuitenmission im türkischen Ungarn beÎreTrenÎîen-B5]iû5enÎe~Tm-Ban(PÎH^r~I‘ ^ §6SromrscEe5-£ r ^ ı v ğ -îer~GeseIIscFîâfÎ Jesiî.-TiîT Sûdosîeuropâ-ünîer-îem HälBmond TFestschrîfî Tur G. StadtmUller) München 1975, S. 255-267, Positionen 8, 20, 29 und 55, sowie einige andere Punkte, die erst nach der Publikation sinnvol ausgewertet werden können.
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einen vollständigen Katalog darstellen sollen, sondern nur stellvertretend für eine grössere Menge und Viel falt von Denkfehlern etc. stehen, die in Zusammenhang mit der Dimma in der orientalistischen Literatur häufig anzutreffen, und dem Fachmann auch bekannt sind - konnten wir mit Hilfe der Methodenkritik, der Logik und auch ein fach des Hinterfragens (des "genaueren Hinsehens") nachweisen. Zu einer möglichst abstrakten Betrachtungsweise sahen wir uns veranlasst, weil diese Denkfehler etc. stets dann auftauchen, wenn der Orientalist an der Dimna einen "unschönen" Zug konstatiert, wenn "Moral" in die Be schreibung oder Untersuchung einflicsst. Nun haben sol che moralischen Implikationen in einer wissenschaftli chen Arbeit einen fragwürdigen Stellenwert. Wenn sich eine solche Implikation aber zwangsläufig ergibt, dann ist es wissenschaftlich nicht vertretbar, sie durch eine "interessante" Parallele zu beschönigen - nicht zuletzt, weil uns gerade dieser Vergleich von der "rich tigen" Beschreibung unseres Untersuchungsgegenstandes abhält, die durch den Vergleich auch nicht "richtig" oder "richtiger" wird (es sei denn, wir schrieben eine vergleichende Geschichte der Minoritätenpolitik). Es ist durchaus wissenschaftlich vertretbar, Zynismus und "Bosheit" beim Hamen zu nennen. Wir konnten diese Denkfehler naehweisen, weil sie in einem Bereich angcsiedelt sind, welcher der ratio nalen Argumentation zugänglich ist. i’ ür einen anderen Bereich ist diese rationale Zugänglichkeit nicht gege ben. Wir möchten diesen Bereich "religiös" nennen, zie-
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hcn aber "dogmatisch" vor, weil es nicht nur um den Aus druck des Irrationalen, sondern auch des sturen Festhal tens geht. Dass dieser Bereich islamophil ist folgt da raus, dass hier versucht- wird, ein islamisches Faktum hin sichtlich seiner moralischen Implikation als ethisch wertvoll (und nicht: wertneutral!) hinzustellen, auch wenn die historische (wie jede andere) Vernunft nicht für eine solche Interpretation spricht. Gemeint sind Interpretationen wie Kirchenteilung zwi schen Muslimen und Christen als Beweis für freundliche Beziehungen (CAHEN), die griechische Besiedlung des neu eroberten Istanbul als Beweis für die Absicht Mehmeds II. Ost und West zu versöhnen (C1ESE) - die Reihe liesse sich gerade hei Mehmed II. fortsetzen. Solche Interpretationen sind mit rationaler Argumentation nicht hinterfrsgbar oder überprüfbar, und daher unwissenschaftlich. Man kann zwar verstehen, dass der Orientalist ein Faible für jene Völkerschaften hat, mit deren Geschichte und Kultur er sich beschäftigt, und dass er diese in einem möglichst guten Lichte darstellen will - mit Wis senschaft hat ein solches Vorgehen gleichwohl nichts zu tun. Wer aber die "moralisch" negativen Seiten der Dimma - wissentlich oder nicht - beschönigt, unterschlägt, oder gar in ihr ("moralisches") Gegenteil verdreht, weil er sonst seine (vorgegebene) Wertung der islamischen Kul tur partiell revidieren müsste, der verhält sich wie dor marxistische "Forscher", der jede Erscheinungsform des "besen" Feudalismus einfach verteufelt, statt bzw. ohne (eben deshalb) die funktionalen Leistungen des Feudalis-
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muş au untersuchen. Der marxistische "Forscher" ver hält sich sc, weil in seinem vorgegebenen Welt- und Wissonschaftabild. kein Platz für kritisches Ilinterfra gen der eigenen Position ist, da für ihn der "wissen schaftliche Sozialismus" ein Dogma darstellt. Die Orien talistik sollte sich hüten, hu einer verbohrten "wissen schaftlichen Iglamophilie" uu entarten; sonst verdient sie zwar der. neckischen Namen eines "Orchideenfachs", nicht aber den einer Wissenschaft.
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