Tobias Tebben Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik
GABLER RESEARCH Forschungsreihe Rechnungslegung un...
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Tobias Tebben Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik
GABLER RESEARCH Forschungsreihe Rechnungslegung und Steuern Herausgegeben von Professor Dr. Norbert Herzig, Universität zu Köln Professor Dr. Christoph Watrin, Universität Münster
Tobias Tebben
Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik Eine empirische Analyse der Rolle von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christoph Watrin
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Münster, 2010 D6
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Anita Wilke Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-2818-4
Meinen Eltern
Geleitwort Aktiengesellschaften zahlen ihrem Vorstand in aller Regel eine erfolgsabhängige Vergütung. Dabei ist es denkbar, dass Vorstände opportunistisch agieren und durch die Anwendung von Bilanzpolitik Einfluss auf die Bemessungsgrundlage ihrer Vergütung nehmen. Solch ein Verhalten sollte durch die Kontrolle des Aufsichtsrates, dessen Verantwortung für die Vorstandsvergütung durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung jüngst unterstrichen wurde, im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre unterbunden werden. Die aktuelle Rechtslage lässt es jedoch zu, dass der Aufsichtsrat eine der Vorstandsvergütung ähnliche, erfolgsabhängige Vergütung erhält, was zu einer Interessenangleichung von Aufsichtsrat und Vorstand führen kann. Zudem stützt sich der Aufsichtsrat bei seiner Prüfung auf die Beurteilung des Abschlussprüfers. Dieser erhält häufig Honorare für Beratungsaufträge, die er neben der Abschlussprüfung durchführt. Die ökonomische Theorie zeigt, dass daraus eine Einschränkung der Unabhängigkeit des Prüfers erwachsen kann. Herr Dr. Tobias Tebben zeigt in seiner Dissertation empirisch, dass ungünstige Anreize des Aufsichtsrats und des Abschlussprüfers tatsächlich die Wirksamkeit der Unternehmenskontrolle verringern und es dem Vorstand im Falle dieser ungünstigen Anreize in höherem Maße gelingt, seine Vergütung durch Bilanzpolitik zu beeinflussen. Soweit ersichtlich ist diese Arbeit die erste, die bestehende Literaturstränge zu den Determinanten der Vorstandsvergütung, zum Einfluss des Aufsichtsrats auf die Bilanzpolitik und zur Wirtschaftsprüferunabhängigkeit in einer Untersuchung verknüpft. Hierdurch gelingt es, die Bedeutung einer unabhängigen Unternehmenskontrolle für die Ausgestaltung von Vergütungssystemen herauszuarbeiten. Die Ergebnisse der Arbeit stellen einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die regulatorische Fortentwicklung der Unternehmenskontrolle in Deutschland dar, die bislang ohne umfassendes empirisches Fundament geführt wird. Die Arbeit gibt zudem wichtige Impulse für die weitere Forschung auf diesem Gebiet. Die Ergebnisse dieser Dissertation wurden auf Konferenzen und Tagungen in Düsseldorf, Istanbul und San Francisco vorgestellt und gut aufgenommen. Die Arbeit von Herrn Dr. Tobias Tebben kann allen Aufsichtsräten, Wirtschaftsprü-
VII
fern, Gesetzgebern sowie Wissenschaftlern, die sich mit diesem Thema befassen, uneingeschränkt empfohlen werden. Christoph Watrin
VIII
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/2011 von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmensrechnung und -besteuerung. Während der Entstehung dieser Schrift habe ich von vielen Seiten Unterstützung erfahren. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christoph Watrin. Er hat meine Arbeit durch seine ständige Diskussionsbereitschaft, durch zahlreiche wertvolle Anregungen und durch hervorragende Arbeitsbedingungen am Institut in hohem Maße gefördert. Zudem danke ich Herrn Prof. Hans-Jürgen Kirsch für die Anfertigung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Wolfgang Berens für den Vorsitz im Promotionsverfahren. Dank gilt auch den Partnern der Dr. Schumacher & Partner GmbH, Münster, die durch eine Kooperation mit dem Institut für Unternehmensrechnung und -besteuerung meine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter und damit die Realisierung meines Forschungsvorhabens ermöglicht haben. Die Anfertigung meiner Dissertation wurde durch die konstruktive und harmonische Zusammenarbeit am Institut sehr gefördert. Ich danke daher allen Kollegen, besonders Dr. Sonja Rieger, Friederike Lindscheid und Dr. Christiane Pott, die mir in zahlreichen Diskussionen hilfreich zur Seite standen. Ganz besonders möchte ich meiner Frau Julia danken, die mir mit geduldigem Verständnis zu jeder Zeit Rückhalt gegeben hat. Mein größter Dank gilt schließlich meinen Eltern. Sie haben meinen gesamten Bildungsweg fortwährend mit großem Interesse begleitet und mir dabei jegliche Unterstützung zuteil werden lassen. Ihnen ist diese Arbeit zum Dank gewidmet. Tobias Tebben
IX
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort Vorwort Tabellenverzeichnis
VII IX XV
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abkürzungsverzeichnis
XIX
Symbolverzeichnis
XXIII
1 Einleitung 1.1 Problemstellung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 5
2 Institutionelle und regulatorische Grundlagen der Unternehmensführung und -überwachung 2.1 Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Aufgaben und Einfluss auf die Rechnungslegung . . . . . . . . 2.1.2 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Vergütung und Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Wesentliche Unterschiede zu den Regelungen in den USA . . 2.2 Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.1 Einfluss auf die Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.2 Einfluss auf die Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 10 10 11 12 13 14 14 14 17 18
XI
2.2.3 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Vergütung und Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Wesentliche Unterschiede zu den Regelungen in den USA 2.3 Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Gesetzliche Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Honorar und Honoraroffenlegungspflicht . . . . . . . . . . 2.3.5 Wesentliche Unterschiede zu den Regelungen in den USA
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
20 22 24 27 27 29 31 32 33
3 Theoretische Grundlagen und Forschungsstand 3.1 Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Begriffliche Grundlagen der Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Instrumente der Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Folgen der Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Messung der Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Institutionenökonomische Aspekte von Rechnungslegung und Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Prinzipal-Agenten-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.1 Grundlagen anreizkompatibler Vergütung . . . . . . . . . . 3.2.1.2 Prinzipal-Agenten-Beziehungen zwischen Aktionären, Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.3 Ausgewählte Probleme anreizkompatibler Vergütung . . . 3.2.2 Theorie der Quasi-Renten und Unabhängigkeit des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Weitere Einflüsse auf die Unabhängigkeit des Prüfers . . . . . 3.3 Stand der empirischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Überblick über die Literaturströmungen . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Managervergütung und Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Bilanzpolitik und Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und Bilanzpolitik . . . .
64 69 72 72 73 82 88
4 Empirische Untersuchungen 4.1 Datengrundlage und verwendete Variablen . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Datenquellen und Zusammensetzung des Samples . . . . . . . 4.1.2 Vergütungen und Honorare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95 95 95 96
XII
35 35 35 36 37 41 47 47 47
50 58
4.1.2.1 Vergütung der Organe der Aktiengesellschaft . . . . . . . 4.1.2.2 Honorare des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.1 Gesamte Periodenabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.2 Aufteilung der Periodenabgrenzungen . . . . . . . . . . . 4.1.3.2.1 Ursprüngliches Modell von Jones (1991) . . . . . . . . 4.1.3.2.2 Modifiziertes Modell von Dechow et al. (1995) . . . . 4.1.3.2.3 Cashflow-Modell von Kasznik (1999) . . . . . . . . . 4.1.3.2.4 Performance-Modell von Kothari et al. (2005) . . . . 4.1.3.2.5 Vergleich der Modellergebnisse . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.3 Alternative Modelle zur Messung der Ergebnisqualität . . 4.1.3.3.1 Abnormal Working Capital Accruals . . . . . . . . . . 4.1.3.3.2 Current Accruals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Einfluss der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers auf die Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Formulierung der Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Einfluss der Vergütung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . 4.2.2.1 Univariate Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2 Multivariate Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Einfluss der Honorare des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . 4.2.4 Gleichzeitige Berücksichtigung von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse . . . . . . . . . 4.3 Einfluss der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers auf die Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrates . . 4.3.1 Formulierung der Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Berücksichtigung der Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . 4.3.3.1 Die Rolle des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.2 Die Rolle des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.3 Gleichzeitige Berücksichtigung von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Berücksichtigung weiterer Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.1 Ertragsziele der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.2 Eigentümerstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse . . . . . . . . .
96 100 102 102 104 104 110 111 112 114 117 117 120 122 122 127 127 129 135 142 146 147 147 155 167 167 175 183 184 184 191 195
XIII
5 Diskussion und Würdigung der empirischen Ergebnisse 5.1 Validität der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Konstruktvalidität der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1.1 Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1.2 Diskretionäre Periodenabgrenzungen . . . . . . . . . . 5.1.1.3 Anreizwirkung der Aufsichtsratsvergütung . . . . . . . 5.1.1.4 Honorare des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Interne Validität der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.1 Multikollinearität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.2 Endogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.3 Heteroskedastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.4 Verteilung der abhängigen Variablen und der Residuen 5.1.3 Externe Validität der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Implikationen der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Vergütung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Vergütung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Unabhängigkeit des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
199 199 199 200 201 202 204 205 205 207 209 211 213 216 217 217 221 223
6 Thesenförmige Zusammenfassung
229
Literaturverzeichnis
233
Verzeichnis der Gesetze, Gesetzesmaterialien und Rechtsprechung
271
XIV
Tabellenverzeichnis
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 4.16
Entwicklung des Samples . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deskriptive Statistik der Honorare des Abschlussprüfers . . . . . . . Deskriptive Statistik der gesamten Periodenabgrenzungen . . . . . . Deskriptive Statistik für die Ergebnisse der Schätzung von (4.2) . . . Pearson-Rangkorrelationskoeffizienten der verschiedenen Ausprägungen von DA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deskriptive Statistik der diskretionären und nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deskriptive Statistik der unerwarteten Veränderung des Working Capital (AWCA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und Aufsichtsratsvergütung Bilanzpolitik und Vergütung des Aufsichtsrates: Ergebnisse der Regression (4.12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanzpolitik und Vergütung des Aufsichtsrates: Ergebnisse der Regression (4.13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanzpolitik und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanzpolitik und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.14) für das Subsample P . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanzpolitik und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.14) für das Subsample N . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanzpolitik, Vergütung des Aufsichtsrates und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.15) . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regressionen (4.16) und (4.17) . . . Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.18) . . . . . . . . . . .
96 102 104 107 115 116 119 128 131 134 137 139 141 144 159 162
XV
4.17 Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.19) . . . . . . . . . . . 4.18 Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Kompontenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.20) . . . . . . . . . 4.19 Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.22) . . . . . . . . . . . 4.20 Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.23) . . . . . . . . . . . 4.21 Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.24) . . . . . . . . . . . 4.22 Zusammenhang zwischen Vorstandsvergütung und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.25) . . . . . . . . . 4.23 Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.26) für das Ertragsziel NIi,t = 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.24 Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.26) für das Ertragsziel NIi,t = NIi,t−1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.25 Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.27) für das Ertragsziel NIi,t = 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.26 Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.27) für das Ertragsziel NIi,t = NIi,t−1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.27 Eigentümerstruktur: Ergebnisse der Regression (4.28) . . . . . . . . 4.28 Eigentümerstruktur: Ergebnisse der Regression (4.29) . . . . . . . . 5.1
5.2 5.3 5.4
XVI
Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.24) bei Verwendung einer alternativen Definition für W Pi,t . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der 2SLS-Regression (5.1) und (5.2) . . Ergebnisse des Hausman-Spezifikationstests für Gleichung 5.2 . . . Ergebnisse der Regressionen (4.19), (4.20), (4.22), (4.23) und (4.24) bei Anwendung des Bootstrapping-Verfahrens . . . . . . . . . . . . .
165 170 174 179 182 185 187 187 189 190 194 196
206 210 210 214
Abbildungsverzeichnis
3.1 3.2 3.3 3.4
Instrumente der Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkung der Bilanzpolitik auf die Ergebniskomponenten Auftragsbeziehungen der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . Wesentliche Literaturströmungen . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
38 44 58 72
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 4.16 4.17 4.18 4.19
Verteilung der Variable BONUS (Histogramm) . . . . . . . . . . . . Verteilung der Variable BONUS_AR (Histogramm) . . . . . . . . . . Kerndichte der diskretionären Periodenabgrenzungen . . . . . . . . . Libby-Box zur Hypothese 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Libby-Box zur Hypothese 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung von Hypothese 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung von Hypothese 4a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung von Hypothese 4b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung von Hypothese 5a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung von Hypothese 5b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Libby-Box zu den Hypothesen 3 − 5b . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung zu Gleichung (4.19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung zu Gleichung (4.20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Koeffizienten β3n , β3p , β4n und β4p für Gleichung 4.22 Darstellung zu Gleichung (4.22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung zu Gleichung (4.23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantil-Plot der skalierten Nichtprüfungshonorare . . . . . . . . . . Bedeutung der Koeffizienten β3n , β3p , β4n und β4p für Gleichung 4.24 Darstellung zu Gleichung (4.24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 101 108 124 126 148 150 151 152 153 155 164 168 172 173 176 177 181 183
5.1
Verteilung der Residuen aus der Schätzung von Modell 4.25 . . . . .
213
XVII
Abkürzungsverzeichnis 2SLS a. A. a. F. Abb. Abs. adj. AG AktG Aufl. BGB BGBl. BGH BilMoG BilReG BT bzw. CEO d. h. DAX DCGK DStR Dt. ebd. EBITDA EG et al. etc. f., ff. FIFO gem.
Two-stage least squares anderer Auffassung alte Fassung Abbildung Absatz adjustiert Aktiengesellschaft Aktiengesetz Auflage Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts Bilanzrechtsreformgesetz Bundestag beziehungsweise Chief executive officer das heißt Deutscher Aktienindex Deutscher Corporate-Governance-Kodex Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsch ebenda earnings before interest, taxes, depreciation and amortization Europäische Gemeinschaft et alii (und andere) et cetera folgende First in first out gemäß
XIX
ggf. GmbH GuV HGB hrsg. i. V. m. IAS IFAC IFRS KonTraG LIFO m. w. N. MAS MDAX Mio. MitbestG n. F. NAICS NJ NJW o. V. RGBl. Rn. S. SDAX SEC Sec. SOA sog. SSRN Std.abw. TecDAX u. a. UK US US-GAAP
XX
gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gewinn- und Verlustrechnung Handelsgesetzbuch herausgegeben in Verbindung mit International Accounting Standards International Federation of Accountants International Financial Reporting Standards Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Last in first out mit weiteren Nennungen Beratungsleistung (management advisory service) Mid-Cap Deutscher Aktienindex Millionen Mitbestimmungsgesetz neue Fassung North American Industry Classification System New Jersey Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) ohne Verfasser Reichsgesetzblatt Randnummer Seite Small-Cap Deutscher Aktienindex United States Securities and Exchange Commission Section Sarbanes Oxley Act sogenannt Social Science Research Network Standardabweichung Technologie-Werte Deutscher Aktienindex unter anderem United Kingdom United States United States Generally Accepted Accounting Principles
Var. vgl. VIF VorstAG WpHG WPO
Variable vergleiche Variance inflation factor Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Wertpapierhandelsgesetz Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer
XXI
Symbolverzeichnis α β Δ R R+ σ τ ε ϕ ̃ W P A AR AWCA BONUS BONUS_AR Branche CA CA Cash CFO CL DA Dep E GROW T H HONORAR
Regressionskoeffizient Regressionskoeffizient Veränderung Menge der reellen Zahlen Menge der positiven reellen Zahlen Standardabweichung Schwellenwert Residuum Konstante Dummyvariable: 1, wenn die skalierten Gesamthonorare des Abschlussprüfers im oberen Quartil liegen; sonst 0 Bilanzsumme zu Beginn des Wirtschaftsjahres (assets) Dummyvariable: 1, wenn der Aufsichtsrat auf Grundlage des Bilanzergebnisses vergütet wird; sonst 0 Unerwartete Veränderung des Working Capital (abnormal working capital accruals) Kurzfristige variable Vergütung des Vorstands Kurzfristige variable Vergütung des Aufsichtsrates Skalarprodukt aus Branchendummies und Regressionskoeffizienten Kurzfristige Periodenabgrenzungen (current accruals) Umlaufvermögen (current assets) Liquide Mittel Operativer Cashflow (cash flow from operations) Kurzfristige Passivposten (current liabilities) Diskretionäre Periodenabgrenzungen (discretionary accruals) Abschreibungen (depreciation) Erwartungswert −1 St × St−1 Gesamthöhe der Honorare des Abschlussprüfers
XXIII
i LEV lnMV LOSS MBRAT IO MV n NDA NI NPHONORAR p PHONORAR PosDA PPE QIII QI R2 REC REV ROA S SHEM ST D t TAC WC WP
x
XXIV
Index (i = 1,2,...,n) Verschuldungsgrad (leverage) natürlicher Logarithmus des Marktwertes des Eigenkapitals (market value) Dummyvariable: 1, wenn NI < 0; sonst 0 Marktwert des Eigenkapitals dividiert mit dem Buchwert des Eigenkapitals Marktwert des Eigenkapitals (market value) Stichprobenumfang Nicht-diskretionäre Periodenabgrenzungen (nondiscretionary accruals) Jahresüberschuss/-fehlbetrag (net income) Höhe der Honorare für Nichtprüfungsleistungen Wahrscheinlichkeit (probability) Höhe des Honorars für die Abschlussprüfung Dummyvariable: 1, wenn DA > 0; sonst 0 Anschaffungs- und Herstellungskosten des Anlagevermögens (property, plant & equipment) 3. Quartil 1. Quartil Bestimmtheitsmaß Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (accounts receivable) Umsatzerlöse (revenues) Gesamtkapitalrendite (return on assets) Umsatzerlöse (sales) Anteil am Eigenkapital, der von Mitarbeitern, Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern gehalten wird Kurzfristige Finanzschulden (short term debt) Zeitpunkt (Jahr) Gesamte Periodenabgrenzungen (total accruals) Working Capital Dummyvariable: 1, wenn die skalierten Nichtprüfungshonorare des Abschlussprüfers im oberen Quartil liegen; sonst 0 Platzhalter für nicht näher betrachtete Einflussgrößen
ZIEL
Dummyvariable: 1, wenn das Ergebnis vor Bilanzpolitik unterhalb des Ertragsziels liegt; sonst 0
XXV
1 Einleitung 1.1 Problemstellung und Zielsetzung Während der Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre richtete die Öffentlichkeit ihren Blick erneut auf die Bezüge der Vorstände deutscher Aktiengesellschaften. Gemeinhin wird den Vorständen eine „Selbstbedienungsmentalität“1 unterstellt. Dieser Vorwurf erscheint aktuell, in Wirklichkeit ist das Thema aber uralt. Bereits im Jahre 1917 konstatierte Walter Rathenau, die Aktiengesellschaft erwecke den Anschein einer Aktionärsdemokratie, während sich die Manager tatsächlich als unkontrollierte Eigentümer gerierten.2 Seit dieser Zeit wurden unzählige Bemühungen unternommen, um die Transparenz und Kontrolle der Unternehmensführung zu stärken. Ein Ausgangspunkt kann in der Notverordnung vom 19. September 1931 gesehen werden, durch die dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft ein Pflichtprüfer zu Seite gestellt wurde.3 Derzeit bildet das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) aus dem Jahre 2009, das vor allem fehlerhaften Anreizwirkungen einer Vorstandsvergütung entgegenwirken soll4 , die jüngste Maßnahme dieses Prozesses, der damit sicherlich noch nicht als abgeschlossen angesehen werden kann. Eine Ausprägung der „Selbstbedienungsmentalität“ ist der (zumindest in den USA) empirisch belegte Umstand, dass Manager durch die Verwendung von Bilanzpolitik ihre Vergütung erhöhen;5 diese Form der Beeinflussung der Rechnungslegung wird in der vorliegenden Arbeit als opportunistische Bilanzpolitik bezeichnet. Die Rechnungslegung der Aktiengesellschaft ist aber gerade der Prüfungsgegenstand des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers.6 Es stellt sich also 1 2 3 4 5
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Vgl. statt vieler Henry, Options-Schneidereien, 2009, S. 112. Vgl. Rathenau, Vom Aktienwesen, 1917, S. 13–23 und S. 60. Vgl. Schubert/Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform, 1987, S. 833 ff. Vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BundestagsDrucksache 16/13433, S. 1. Vgl. etwa Healy, The effect of bonus schemes, 1985, S. 85–107; Healy/Kang/Palepu, Accounting procedure changes, 1987, S. 7–34; Shuto, Executive compensation and earnings management, 2007, S. 1–26. Vgl. dazu ausführlich Hucke, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, 2003, S. 115–132.
1 T. Tebben, Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik, DOI 10.1007/978-3-8349-6607-0_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
die Frage, warum diese Instanzen, wenigstens in Einzelfällen, offenbar nicht befähigt oder gewillt sind, dieser Bilanzpolitik entgegenzuwirken. Nimmt man an – und dies scheint gerechtfertigt –, dass die Mitglieder eines Aufsichtsrates und die mit der Abschlussprüfung betrauten Personen nicht völlig altruistisch agieren sondern auch an der Steigerung ihres persönlichen Nutzens interessiert sind,7 erscheint in diesem Zusammenhang besonders die Frage wichtig, welchen Einfluss finanzielle Anreize auf die Ausübung der Kontrolltätigkeit nehmen können. Dies ist die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit. So ist für einen erheblichen Teil der großen deutschen Aktiengesellschaften zu beobachten, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates eine variable Vergütung erhalten, die auf dem Jahresüberschuss oder ähnlichen buchhalterischen Erfolgsgrößen der Gesellschaft basiert.8 Dies führt offenkundig dazu, dass ein Aufsichtsrat seine eigene Vergütung beschneidet, wenn er bei der gewissenhaften Ausübung seiner Aufgabe die ergebniserhöhende Bilanzpolitik des Vorstands unterbindet.9 Einem ähnlichen Dilemma kann auch der Abschlussprüfer ausgesetzt sein. Dieser erbringt nämlich in aller Regel neben der Jahres- bzw. Konzernabschlussprüfung weitere Dienstleistungen für das Unternehmen, etwa die steuerliche Beratung oder Bewertungsleistungen, und erhält dafür sog. Nichtprüfungshonorare.10 Die Vergabe solcher Beratungsaufträge obliegt dem Vorstand der Aktiengesellschaft. Bemerkt der Abschlussprüfer bei seiner Prüfung, dass der Vorstand opportunistische Bilanzpolitik betreibt, und berichtet darüber, so muss er damit rechnen, dass der Vorstand keine weiteren Beratungsverträge vergibt. Die gewissenhafte Ausübung der Abschlussprüfung kann also eine Verringerung der Erträge des Abschlussprüfers nach sich ziehen. Es ist das Ziel dieser Arbeit, die Beziehung von Bilanzpolitik und Vergütungsanreizen sowie -zahlungen vor dem Hintergrund der Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer empirisch zu überprüfen. Zu diesem 7
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Diese Ansicht schließt Verantwortungsbewusstsein, Berufsethos etc. der jeweiligen Personen ausdrücklich nicht aus, da das Eigeninteresse als nur ein Handlungsmotiv von vielen angesehen wird. Bezogen auf die Datengrundlage der vorliegenden Arbeit wird in ca. 31 % der Fälle eine solche Aufsichtsratsvergütung gezahlt. Aus diesem Grund lehnt ein Teil des (überwiegend juristischen) Schrifttums eine erfolgsabhängige Vergütung des Aufsichtsrates ab. Vgl. Habersack, Münchener Kommentar AktG, § 113, 2008, Rn. 14; Lieder, Der Aufsichtsrat, 2006, S. 891–901; Paefgen, Börsenpreisorientierte Vergütung, 2004, S. 1174; Roth/Wörle, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, 2006, S. 72; Lutter, Die Empfehlungen der Kommission, 2009, S. 800. Im Sample der vorliegenden Untersuchung erhält der Abschlussprüfer in 94 % der Fälle neben dem Honorar für die Abschlussprüfung auch Honorare für andere Dienstleistungen.
Zweck wird zunächst betrachtet, wie sich finanzielle Anreize des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers zur Einschränkung ihrer Kontrolltätigkeit auf das Ausmaß der Bilanzpolitik des Vorstandes auswirken. Diese Analyse folgt methodisch der bestehenden Literatur zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und ergänzt sie um die Einbeziehung der Anreize des Aufsichtsrates. Sie unterliegt jedoch der Einschränkung, dass die Vergütungsanreize des Vorstands nicht separat, sondern nur in Verbindung mit bereits realisierten Vergütungszahlungen beobachtbar sind und daher keine empirisch fundierte Aussage über den Zusammenhang zwischen den Vergütungsanreizen des Vorstands und Bilanzpolitik getroffen werden kann. In einer weiterführenden zweiten Untersuchung wird daher geprüft, ob ergebniserhöhende Bilanzpolitik einen überdurchschnittlichen Einfluss auf die Vorstandsvergütung nimmt und daraus geschlussfolgert werden kann, dass Vorstände ihre Vergütung offenbar gezielt durch Bilanzpolitik beeinflussen. Zur Beantwortung der Frage nach der Rolle der Unternehmenskontrolle wird zudem untersucht, ob der überdurchschnittliche Einfluss ergebniserhöhender Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung besonders stark ausfällt, wenn anzunehmen ist, dass Aufsichtsrat und Abschlussprüfer wegen finanzieller Anreize ihre Kontrolle nur eingeschränkt ausüben. Damit erweitert die vorliegende Arbeit den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Trotz der seit Jahren geführten Diskussion über die Vergütung des Aufsichtsrates fehlt es nämlich bislang an entsprechender empirischer Evidenz. Ein Grund dafür ist wohl, dass ein Großteil der empirischen Accounting-Forschung in den USA betrieben wird, dort jedoch die den Aufsichtsratsmitgliedern vergleichbaren non executive directors in aller Regel keine variable Vergütung auf der Grundlage buchhalterischer Erfolgsmaße erhalten11 und somit die Auswirkungen einer solchen Vergütung mit US-amerikanischer Daten nicht empirisch überprüfbar sind. Zu der Frage hingegen, ob der Erhalt von Nichtprüfungshonoraren die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers einschränkt, existieren bereits zahlreiche empirische Studien, die jedoch nicht zu einem einheitlichen Ergebnis gelangen.12 Diese Untersuchungen stammen überwiegend aus dem angelsächsischen Raum. Nach dem Kenntnisstand des Verfassers liegt für Deutschland mit der Arbeit von Zimmermann13 bislang nur eine Untersuchung vor, die überdies einen sehr kleinen Datensatz verwendet und damit nicht zu statistisch signifikanten Ergebnissen gelangt. Da sich die in den USA gewonnenen Erkenntnisse nicht ohne Einschrän11 12 13
Vgl. dazu m. w. N. Lieder, Der Aufsichtsrat, 2006, S. 893. Ein Überblick erfolgt unten in Kapitel 3.3.4. Zimmermann, Abschlussprüfer und Bilanzpolitik, 2008.
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kungen auf den deutschen Markt übertragen lassen, besteht also grundlegender Bedarf an empirischer Evidenz darüber, wie sich Honorarzahlungen auf die Unabhängigkeit hierzulande tätiger Abschlussprüfer auswirken. Ein wesentlicher Beitrag der vorliegenden Arbeit besteht darin, dieser Frage mit einer bislang nicht angewandten Methodik nachzugehen. Bisherige Untersuchungen versuchen nämlich zu ergründen, ob ein Zusammenhang besteht zwischen den Honorarzahlungen an den Abschlussprüfer einerseits und sämtlicher Bilanzpolitik des Unternehmens andererseits.14 Nach einer Replikation dieses Ansatzes wird in der vorliegenden Arbeit darüber hinaus der Blick auf speziell solche Bilanzpolitik gerichtet, die der Vorstand der Aktiengesellschaft betreibt, um seine Vergütung zu beeinflussen. Diese Vorgehensweise folgt der ökonomisch begründeten Überlegung, dass Vorstände die Abhängigkeit des Abschlussprüfers gezielt in solchen Situationen ausnutzen, in denen der dadurch erhoffte Nutzenzuwachs für sie besonders hoch ist. Schließlich ergänzt die vorliegende Arbeit auch den Teil der Management-Literatur, der sich mit den Determinanten der Vorstandsvergütung auseinandersetzt, dabei aber noch nicht abschließend die Rolle der Unternehmenskontrolle ergründet hat.15 Die Befunde der Arbeit bestätigen die These, dass Aufsichtsräte und Abschlussprüfer ihre Kontrolltätigkeit einschränken, wenn ein finanzieller Anreiz dazu besteht. Die Untersuchung zeigt im einzelnen, dass in solchen Fällen, in denen der Abschlussprüfer hohe Nichtprüfungshonorare erhält, ein erhöhtes Maß an Bilanzpolitik festzustellen ist. Ferner wird deutlich, dass es dem Vorstand eher gelingt, durch Bilanzpolitik seine kurzfristige Vergütung zu erhöhen, wenn der Aufsichtsrat eine Vergütung erhält, die auf dem Jahresüberschuss oder einem anderen buchhalterischen Erfolgsmaß basiert. Eine solche Beeinflussung seiner Vergütung gelingt ihm den Ergebnissen zufolge ebenfalls eher, wenn der Abschlussprüfer hohe Nichtprüfungshonorare erhält. Würdigt man die empirische Evidenz zur Rolle des Aufsichtsrates vor dem Hintergrund theoretisch fundierter Anforderungen an die Gestaltung eines Anreizsystems, so wird deutlich, dass eine erfolgsabhängige kurzfristige Vergütung von Aufsichtsräten auf der Basis buchhalterischer Erfolgsgrößen abzulehnen ist. Dies entspricht auch der Haltung der EU-Kommission, der in Deutschland jedoch
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Vgl. etwa Frankel/Johnson/Nelson, Nonaudit services and earnings management, 2002, S. 71– 105; Ashbaugh/LaFond/Mayhew, Do nonaudit services compromise auditor independence?, 2003, S. 611–639; Reynolds/Deis/Francis, Professional service fees and auditor objectivity, 2004, S. 29–52. Vgl. Rapp/Wolff, Determinanten der Vorstandsvergütung, 2010, im Erscheinen.
bislang wenig Beachtung geschenkt wird.16 Aus den empirischen Ergebnissen hinsichtlich der Bedeutung des Abschlussprüfers folgt zum einen, dass der Rahmen der zulässigen Dienstleistungen, die ein Prüfer über die eigentliche Prüfung hinaus erbringen darf, nach US-amerikanischem Vorbild weiter einzuschränken ist. Zum anderen ergibt die Diskussion, dass eine Begrenzung der Nichtprüfungshonorare in Relation zu den Prüfungshonoraren die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers stärken könnte.
1.2 Gang der Untersuchung Aus der Einführung in die Problemstellung wird deutlich, dass sich die vorliegende Arbeit auf den Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer der Aktiengesellschaft konzentriert. In Kapitel 2 werden daher die für diese Akteure im Zusammenhang mit den Forschungsfragen relevanten Rahmenbedingungen erläutert. Diese Rahmenbedingungen ergeben sich zum einen aus dem deutschen Gesellschaftssowie Handelsrecht und zum anderen aus den Vorgaben des Deutschen CorporateGovernance-Kodex (DCGK). So wird erörtert, welche Aufgabenstellungen die Akteure hinsichtlich der Führung und Kontrolle der Aktiengesellschaft übernehmen und welchen Einfluss auf die Rechnungslegung sie im Rahmen der Ausübung ihrer Aufgaben ausüben können. Darüber hinaus werden die Rahmenbedingungen für die Vergütung von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer dargelegt, denn die Forschungsfragen zielen darauf ab, dass diese Vergütungsmodalitäten und -instrumente Anlass oder Ausfluss opportunistischen Verhaltens sein können. Ferner wird aufgezeigt, welche Haftungsregeln bestehen, die die Akteure zu einer pflichtgemäßen Ausübung ihrer jeweiligen Aufgabe anhalten. Schließlich werden wesentliche Unterschiede der erörterten Rahmenbedingungen zu denen in den USA betrachtet. Ein Großteil der thematisch verwandten Forschung stammt nämlich aus den USA, sodass eine Interpretation ihrer Ergebnisse, besonders im Hinblick auf die Übertragbarkeit auf den deutschen Rechtsraum, die Kenntnis der wesentlichen Regelungen in den USA voraussetzt. Die Forschungsfragen implizieren, dass die Rechnungslegung eines Unternehmens als Folge finanzieller Anreize durch Bilanzpolitik beeinflusst wird. Kapitel 3 befasst sich daher zunächst mit der Frage, welche Maßnahmen unter dem Begriff Bilanzpolitik zusammengefasst werden und durch welche Instrumente diese 16
Vgl. Europäische Kommission, Empfehlung der Kommission (2005/162/EG), 2005, Anhang II, Ziffer 1 Buchstabe c.
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realisiert werden können. Daran schließt sich die Diskussion an, welche Auswirkungen die Bilanzpolitik eines Unternehmens für die Adressaten des Jahresbzw. Konzernabschlusses nach sich zieht; dabei geht es vor allem um die Frage, ob bilanzpolitische Maßnahmen den Zwecken der Rechnungslegung entgegenstehen. Zudem werden die grundlegenden Methoden und die damit verbundenen Probleme der Messung von Bilanzpolitik vorgestellt. Der zweite Abschnitt von Kapitel 3 widmet sich den ökonomischen Erklärungsansätzen für das Verhalten der Akteure Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer. Dabei wird anhand der Prinzipal-Agenten-Theorie und der Transaktionskostentheorie – genauer: der Quasirententheorie – aufgezeigt, welche finanziellen Anreize in der deutschen Unternehmensverfassung auf die genannten Akteure einwirken können und wie diese darauf reagieren. Auf diese Weise wird das theoretische Fundament für das in den Forschungsfragen angenommene opportunistische Verhalten von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer erarbeitet. In seinem dritten Abschnitt liefert Kapitel 3 einen Überblick über die bestehende empirische Literatur zu den für diese Arbeit relevanten Themenbereichen. Entsprechend den Akteuren Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer setzt sich die einschlägige Literatur aus drei Strömungen zusammen: Zuerst vorgestellt werden die bisherigen Erkenntnisse über die Determinanten der Vergütung der Vorstände deutscher Aktiengesellschaften sowie über die Neigung von Managern zur Beeinflussung ihrer Vergütung mithilfe von Bilanzpolitik. Anschließend werden empirische Forschungsarbeiten erörtert, die sich mit der Frage befassen, ob und unter welchen Umständen Unternehmenskontrolle zur Eindämmung von Bilanzpolitik führt. Das Kapitel schließt mit einem Abriss der bislang unternommenen Bemühungen empirisch nachzuweisen, dass die Unabhängigkeit eines Abschlussprüfers eingeschränkt werden kann durch Honorarzahlungen für Dienstleistungen, die der Prüfer neben seiner Abschlussprüfung erbringt. Kapitel 4 enthält die empirischen Untersuchungen der aufgeworfenen Forschungsfragen und stellt damit den Hauptteil der Arbeit dar. Zunächst wird im ersten Abschnitt des Kapitels die Datengrundlage der Analysen aufgezeigt. Dazu zählt im Wesentlichen eine Diskussion der verwendeten Variablen, innerhalb derer vor allem auf die Messung von Bilanzpolitik mithilfe verschiedener in der Literatur etablierter Verfahren eingegangen wird. Dies schließt eine vergleichende Analyse dieser Verfahren ein. Der zweite Abschnitt von Kapitel 4 befasst sich mit der Fragestellung, ob die finanziellen Anreize für den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer einen Einfluss haben auf das Ausmaß an Bilanzpolitik, welches sich im vom Aufsichtsrat und Abschlussprüfer geprüften Abschluss niederschlägt. Dazu werden
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zunächst auf Grundlage der in Kapitel 3 erörterten ökonomischen Theorie Hypothesen entwickelt, die sodann mithilfe univariater und multivariater Analyseverfahren überprüft werden. Im dritten Abschnitt des Kapitels wird darauf aufbauend die Frage untersucht, ob die genannten Anreize in einem Zusammenhang mit der kurzfristigen variablen Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrates stehen, d. h. ob die Akteure aufgrund finanzieller Anreize die Steigerung der Vergütung durch Bilanzpolitik betreiben oder dulden. Dieser Abschnitt teilt sich wiederum in die Entwicklung der Hypothesen und die nachfolgende empirische Überprüfung derselben. Die Ergebnisse der empirischen Analysen werden in Kapitel 5 zunächst kritisch hinterfragt. Zu diesem Zweck werden mögliche Einschränkungen der Validität der Ergebnisse, die sich aus der Beschaffenheit der Daten oder der angewandten Methodik ergeben können, diskutiert und anhand statistischer Verfahren überprüft. Danach wird die ökonomische Bedeutung der wesentlichen Befunde der Arbeit gewürdigt. Darauf aufbauend folgen Überlegungen zur Gestaltung von Vergütungssystemen, die möglichst wenig Anreize zur Bilanzpolitik stiften, sowie von regulatorischen Maßnahmen, durch die einer Einschränkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers entgegengewirkt wird. Die Arbeit schließt in Kapitel 6 mit einer thesenförmigen Zusammenfassung.
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2 Institutionelle und regulatorische Grundlagen der Unternehmensführung und -überwachung Die deutsche Aktiengesellschaft ist dualistisch verfasst, d. h. Leitungsfunktion und Kontrollfunktion werden von getrennten Organen wahrgenommen.17 Die Leitung des Unternehmens obliegt dem Vorstand, dessen Handeln vom Aufsichtsrat überwacht wird. Dem Aufsichtsrat steht wiederum mit dem Abschlussprüfer eine „Hilfsperson“18 zur Seite, auf dessen Sachverstand und Urteil er bei der Kontrolle rechnungslegungsspezifischer Aspekte der Vorstandsarbeit zurückgreifen kann.19 Im Folgenden sollen die für die Untersuchung wesentlichen Rahmenbedingungen skizziert werden, die die Arbeit von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer der Aktiengesellschaft bestimmen. Betrachtet werden dabei sowohl die gesetzlichen Vorschriften aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht als auch die nicht zwingend zu befolgenden Empfehlungen des Deutschen Corporate-Governance-Kodex20 . US-amerikanische Aktiengesellschaften sind hingegen monistisch verfasst, d. h. es gibt keine institutionelle Trennung von Leitungs- und Kontrollfunktion.21 Da ein Großteil der für die vorliegende Arbeit relevanten empirischen Forschung auf der Analyse von US-basierten Daten beruht, werden im Folgenden auch die wesentlichen Unterschiede zwischen der Unternehmenskontrolle in den USA und in Deutschland erläutert.
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Vgl. hier und folgend Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 78. So Schmölder in der Verhandlung des Arbeitsausschusses des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats am 30.11.1932; Sitzungsprotokoll abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform, 1987, S. 530. Vgl. Hucke, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, 2003, S. 118. Zur Rolle und Rechtsqualität des DCGK vgl. ausführlich Littger, Deutscher CorporateGovernance-Kodex, 2006; v. Werder, Kodex-Kommentar, 2010, Rn. 51–65. Vgl. Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 70.
9 T. Tebben, Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik, DOI 10.1007/978-3-8349-6607-0_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2.1 Vorstand 2.1.1 Aufgaben und Einfluss auf die Rechnungslegung Der Vorstand leitet die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG). Er ist nach § 91 AktG zuständig für die Erfüllung der Buchführungspflicht der Gesellschaft aus §§ 6, 238 Abs. 1 HGB. Als Vertreter der Gesellschaft ist er ferner verantwortlich für die Aufstellung des Jahres- und ggf. des Konzernabschlusses der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG i. V. m. §§ 242, 264, 290 Abs. 1 HGB). Die technische Durchführung der Buchführung und der Aufstellung des Abschlusses kann an geeignete Angestellte der Gesellschaft oder andere Hilfspersonen (z. B. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) delegiert werden, nicht jedoch die Verantwortung.22 Den Vorstand trifft also eine Organisations- und Überwachungspflicht.23 Dies wird auch am sog. „Bilanzeid“ deutlich: die Vertreter der Kapitalgesellschaft, im Falle der Aktiengesellschaft also der Vorstand, haben gem. § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB schriftlich und persönlich zu versichern, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt. Der Vorstand besteht in aller Regel aus mehreren Personen (4.2.1 DCGK);24 die Vorstandsmitglieder tragen gemeinschaftlich die Verantwortung für die Buchführung und die Aufstellung des Abschlusses.25 Bei ressortmäßiger Zuweisung dieser Aufgaben an ein einzelnes Vorstandsmitglied bleibt die Verantwortung der übrigen Mitglieder des Vorstands als Überwachungsaufgabe erhalten.26 In der Unternehmenspraxis wird der Vorstand den Abschluss regelmäßig nicht selbst aufstellen; gerade in großen Unternehmen ist daran eine Vielzahl von Personen beteiligt.27 Somit ergeben sich auch zahlreiche potenzielle Initiatoren für Bilanzpolitik. Neben der oben dargelegten rechtlichen Verantwortung für den Abschluss besitzt der Vorstand jedoch auch rein praktisch den größten Einfluss zur Durchsetzung seiner Ziele, mithin also zur bilanzpolitischen Gestaltung des Abschlusses. So ist nämlich besonders der Vorstand in der Lage, sich der internen Kontrollen und Vorgaben zu entziehen (management override).28 Daraus ergibt
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Vgl. nur Merkt, Baumbach/Hopt HGB, § 264, 2010, Rn. 8. Vgl. Hüffer, Kommentar zum AktG, 2008, § 91, Rn. 3. Vgl. Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 121. Vgl. Reiner, Münchener Kommentar HGB, § 264, 2008, Rn. 9. Vgl. Weilinger, Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses, 1997, Rn. 397. Vgl. hier und folgend Zimmermann, Abschlussprüfer und Bilanzpolitik, 2008, S. 65. Vgl. Baetge/Brembt, Compliance in der Finanzberichterstattung, 2008, S. 154.
sich, dass der Vorstand sowohl rechtlich als auch tatsächlich als hauptverantwortlich für die Bilanzpolitik der Aktiengesellschaft angesehen werden kann. 2.1.2 Haftung Die Mitglieder des Vorstandes haben bei der Führung der Geschäfte der Aktiengesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 AktG). Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht bemessen sich nach der Art und Größe des Unternehmens, der Anzahl der Mitarbeiter, der konjunkturellen Lage sowie den besonderen Aufgaben des einzelnen Mitglieds.29 Bei der Beurteilung von möglichen Pflichtverletzungen gilt die sog. Business Judgement Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Danach verletzt ein Vorstandsmitglied nicht seine Sorgfaltspflicht, wenn es bei einer unternehmerischen Entscheidung ex ante vernünftigerweise annehmen durfte, im Unternehmensinteresse zu handeln.30 Ein Vorstandsmitglied ist der Gesellschaft zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der wegen seiner Pflichtverletzung entsteht, § 93 Abs. 2 AktG; Schaden ist dabei eine Vermögensminderung im Sinne der §§ 249 ff. BGB.31 Aufgabe des Vorstandes ist es, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden.32 Daher ist der Vorstand gehalten, das Interesse der Gesellschaft dem eigenen Nutzen überzuordnen.33 Ergeben sich bei der Aufstellung des Jahres- bzw. Konzernabschlusses Ermessensspielräume und somit die Gelegenheit zu Bilanzpolitik, ist es also die Aufgabe des Vorstands, diese zum Vorteil der Gesellschaft auszuüben. Es entspricht somit gerade nicht der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, wenn der Vorstand die Bilanzpolitik ungeachtet der Interessen der Gesellschaft nach seinen persönlichen Interessen ausrichtet, die sich aus der Anreizwirkung der erfolgsabhängigen Vergütung ergeben. Diese Art der Bilanzpolitik dürfte daher als Pflichtverletzung anzusehen sein.34 Da die wahre Intention des Bilanzierenden bei der Durchführung von Bilanzpolitik jedoch im Verborgenen bleibt, ist fraglich, ob tatsächlich ein nennenswertes Haftungsrisiko für Vorstände besteht, die ihr Bilanzierungsentscheidungen nicht nur an den Interessen der Gesellschaft ausrichten. 29 30 31 32 33 34
Vgl. hier und folgend Spindler, Münchener Kommentar AktG, § 93, 2008, Rn. 24. Vgl. dazu ausführlich Graumann/Linderhaus/Grundbei, Risikobereitschaft bei unternehmerischen Entscheidungen, 2009, S. 492–505. Vgl. Hüffer, Kommentar zum AktG, 2008, § 93, Rn. 15. Vgl. Spindler, Münchener Kommentar AktG, § 93, 2008, Rn. 25. Vgl. m. w. N. ebd., 2008, Rn. 92; vgl. zudem 4.3.3. DCGK. So wohl auch Zimmermann, Abschlussprüfer und Bilanzpolitik, 2008, S. 66.
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2.1.3 Vergütung und Offenlegungspflicht Die Vergütung des Vorstandes wird durch den Aufsichtsrat festgesetzt (§ 87 Abs. 1 AktG, 4.2.2 DCGK); die Hauptversammlung kann sich die Billigung des Systems der Vorstandsvergütung vorbehalten (§ 120 Abs. 4 AktG). § 87 AktG dient dem Schutz der Aktionäre, Gläubiger und Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft vor übermäßigen Bezügen des Vorstands, indem der Aufsichtsrat dazu verpflichtet wird dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitgliedes in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Aufgaben und Leistungen sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht grundlos übersteigen.35 Seit der Änderung durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) mit Wirkung zum 5.8.2009 schreibt § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG zudem vor, dass die ggf. gewährte variable Vergütung des Vorstands einer börsennotierten Aktiengesellschaft eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben soll. In der Literatur wird dabei ein Zweijahreszeitraum als Minimum betrachtet.36 Zudem ist es bei der Anwendung von Mischsystemen, d. h. bei der gleichzeitigen Gewährung einer kurzfristigen und einer langfristigen Vergütungskomponente, dem Gesetzgeber und der herrschenden Literaturmeinung zufolge ausreichend, wenn der insgesamt durch das Vergütungssystem gesetzte Anreiz im Ergebnis langfristig ist.37 Folglich dürften die bisher angewandten Vergütungssysteme börsennotierter Aktiengesellschaften, die in aller Regel wie oben beschrieben als Mischsysteme konzipiert sind,38 den Anforderungen des durch das VorstAG geänderten § 87 AktG bereits jetzt genügen oder nur geringe Anpassungen erfordern.39 Der Corporate-Governance-Kodex sieht vor, dass sich die Vorstandsvergütung aus einem fixen und einem variablen Bestandteil zusammensetzt (4.2.3 DCGK). Die variable Komponente soll dabei den rechtlichen Vorgaben des AktG folgend 35
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Vgl. zur Angemessenheit der Vergütung unten Kapitel 2.2.1 sowie ausführlich Bosse, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, S. 1650-1653; Dauner-Lieb, Die Verrechtlichung der Vorstandsvergütung, 2009, S. 583–593; Hohaus, Die Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, S. 1515–1520; Suchan/Winter, Festsetzung angemessener Vorstandsbezüge, 2009, S. 2531–2539. Vgl. Bauer/Arnold, Vorstandsvergütung nach dem VorstAG, 2009, S. 722; Hoffmann-Becking/ Krieger, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, Rn. 17. Vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BundestagsDrucksache 16/13433, S. 10. Vgl. ferner Fleischer, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, S. 803; Hoffmann-Becking/Krieger, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, Rn. 11. Vgl. dazu Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 56. Vgl. ähnlich Hüffer, Kommentar zum AktG, 2008, § 87, Rn. 4d.
eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben. Als Instrument für die variable Vergütung schlägt der Kodex aktien- oder kennzahlenbasierte Vergütungselemente vor (4.2.3 Abs. 3 DCGK). Das Aktiengesetz führt in einer nicht abschließenden Aufzählung ferner Gewinnbeteiligungen, Provisionen und Aktienbezugsrechte als mögliche Vergütungsbestandteile an (§ 87 Abs. 1 Satz 1 AktG). In der Praxis hat sich auf diesen Vorgaben basierend eine dreigliedrige Vorstandsvergütung durchgesetzt, bestehend aus fixer Barvergütung, variabler Barvergütung und aktienkursorientierter Vergütung.40 Für die Berechnung der variablen Barvergütung kommen dabei ganz überwiegend buchhalterische Erfolgsgrößen zum Einsatz, die ggf. durch bilanzpolitische Maßnahmen beeinflusst werden können.41 Aktienoptionen als Instrument aktienkursbasierter Vergütung haben in den vergangenen Jahren – vor allem wegen einer ablehnenden Haltung der Öffentlichkeit und einflussreicher institutioneller Investoren – an Bedeutung verloren.42 §§ 285 Nr. 9, 314 Nr. 6 HGB fordern die Offenlegung der Bezüge des Vorstandes im Jahres- bzw. Konzernabschluss; bei börsennotierten Aktiengesellschaften sind diese Angaben für die Vorstandsmitglieder individuell und aufgeteilt in fixe, kurzfristig erfolgsabhängige und langfristig erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile zu machen. Nach §§ 286 Abs. 5, 314 Abs. 2 HGB kann der individualisierte Ausweis der Bezüge auf Beschluss der Hauptversammlung unterbleiben. In diesem Fall ist jedoch der Gesamtbetrag der Vorstandsbezüge anzugeben. Der CorporateGovernance-Kodex empfiehlt, dass zusätzlich zum individualisierten betragsmäßigen Ausweis der Bezüge in einem Vergütungsbericht auch das Vergütungssystem, also die Art der Berechnung der Vorstandsvergütung, erläutert wird (4.2.5 DCGK). 2.1.4 Wesentliche Unterschiede zu den Regelungen in den USA Die in den USA vorherrschende monistische Unternehmensverfassung kennt keine Aufteilung von Leitungs- und Kontrollkompetenz auf verschiedene Organe der Gesellschaft.43 Daher nimmt das board of directors beide Kompetenzen zugleich wahr. Die Mitglieder des Boards lassen sich jedoch in unternehmensinterne (inside directors) und unternehmensexterne (outside directors) unterteilen. Der Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft entspricht am ehesten den inside directors der US-amerikanischen Aktiengesellschaft. 40 41 42 43
Vgl. Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 54-56. Vgl. Achleitner et al., Vorstandsvergütung in börsennotierten Unternehmen, 2010, S. 116. Vgl. ausführlich Gillenkirch, Entwicklungslinien in der Managementvergütung, 2008, S. 5 f. Vgl. hier und folgend Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 70–75.
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Das board of directors ernennt eine zentrale Führungspersönlichkeit, den chief executive officer (CEO). Dieser unterscheidet sich vom Vorstandsvorsitzenden der deutschen Aktiengesellschaft deutlich hinsichtlich seiner Machtfülle.44 Während nach § 77 AktG der Vorstand gemeinschaftlich oder mindestens mehrheitlich die Geschäftsführung ausübt, sind die US-amerikanischen inside directors dem CEO hierarchisch unterstellt. Daher lässt sich die oben getroffene Feststellung, dass der Vorstand der deutschen Aktiengesellschaft gemeinschaftlich für die Bilanzpolitik des Unternehmens verantwortlich ist, nicht auf US-amerikanische Gesellschaften übertragen.
2.2 Aufsichtsrat 2.2.1 Aufgaben 2.2.1.1 Einfluss auf die Rechnungslegung Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, die Geschäftsführung, also den Vorstand der Aktiengesellschaft, zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Die Überwachungsaufgabe umfasst dabei sowohl die Aufsicht45 als auch die Beratung des Vorstandes.46 Ferner teilt sich die Tätigkeit des Aufsichtsrates in die begleitende und die gestaltende Überwachung.47 Die begleitende Überwachung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Aufsichtsrat nicht in das Unternehmensgeschehen eingreift, sondern die Entwicklung des Unternehmens betrachtet und bei Bedarf den Vorstand beratend auf Probleme hinweist. Zur begleitenden Überwachung zählt vor allem die gesetzlich verankerte Pflicht zur Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses sowie des jeweiligen Lageberichts (§ 171 Abs. 1 AktG).48 In Abgrenzung dazu bedeutet die gestaltende Überwachung eine aktive Beeinflussung des Unternehmensgeschehens durch den Aufsichtsrat. Im Hinblick auf die Rechnungslegung zählt dazu vor allem der vom Aufsichtsrat an die Hauptversammlung zu richtende Vorschlag 44 45
46 47 48
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Vgl. Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 87. Die Begriffe „Aufsicht“, „Überwachung“ und „Kontrolle“ können für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung als bedeutungsgleich angesehen werden. Vgl. aber ausführlich Wysocki, Betriebswirtschaftliches Prüfungswesen, 1972, S. 6 ff. Vgl. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2008, Rn. 61 ff. Vgl. hier und folgend Potthoff, Die Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat, 1996, S. 833 f. Der Lagebericht ist nicht Teil des Jahres- bzw. Konzernabschlusses. Im Folgenden wird zur Vereinfachung jedoch lediglich vom Jahres- bzw. Konzernabschluss gesprochen. Wo anwendbar, ist damit auch der Lagebericht gemeint.
für die Wahl des Abschlussprüfers (§ 124 Abs. 3 AktG), dessen Mandatierung49 (§ 318 Abs. 1 Satz 4 HGB) sowie die Billigung und Feststellung des Jahres- bzw. Konzernabschlusses (§ 172 AktG).50 Das AktG schreibt die Prüfung des Jahres- bzw. Konzernabschlusses51 durch den Aufsichtsrat vor. Es schweigt jedoch darüber, worauf der Abschluss zu prüfen sei. Es ist offenkundig, dass der Aufsichtsrat die Übereinstimmung des Abschlusses mit dem Gesetz und der Satzung der Gesellschaft prüfen muss. Maßstab und Ziel der Kontrolle durch den Aufsichtsrat ist jedoch die sorgfältige Leitung des Unternehmens.52 Daher hat der Aufsichtsrat neben der Recht- auch die Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns zu kontrollieren. Der Aufsichtsrat hat also zu prüfen, ob der Vorstand bei der Aufstellung des Abschlusses seine bilanzpolitischen Ermessensentscheidungen am Unternehmensinteresse ausgerichtet hat.53 Forster sieht darin sogar die „eigentliche Prüfungsaufgabe des Aufsichtsrats“.54 Daraus folgt eine Mitverantwortlichkeit des Aufsichtsrates für die Bilanzpolitik des Unternehmens. Die Erfüllung dieser Aufgabe setzt voraus, dass der Aufsichtsrat als Ganzes oder zumindest ein Teil seiner Mitglieder fachlich qualifiziert ist, den zu prüfenden Abschluss hinsichtlich seiner Recht- und Zweckmäßigkeit beurteilen zu können. Gleichwohl stellt das Gesetz nur geringe Anforderungen an die Qualifikation des Aufsichtsrates: Bei börsennotierten Aktiengesellschaften muss – und dies erst seit dem BilMoG – gem. § 100 Abs. 5 AktG lediglich ein Mitglied des Aufsichtsrates (financial expert) über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen. Diese Voraussetzung wird in der Literatur in zweierlei Hinsicht als unzureichend kritisiert. Zum einen ist es bei einem bis zu 21 Personen umfassenden Gremium nicht ausreichend, wenn nur eine Person die erforderlichen Sachkenntnisse aufweist.55 Zum anderen bleibt die Vorschrift auch qualitativ hinter dem Anspruch zurück, dass zumindest ein Aufsichtsratsmitglied die erforderli49 50
51 52 53 54 55
Vgl. Gelhausen, Aufsichtsrat und Abschlußprüfer, 1999, S. 393–396. Wird der Jahresabschluss durch den Aufsichtsrat gebilligt, gilt er gem. § 172 AktG als festgestellt. Die Billigung des Konzernabschlusses führt nicht zu dieser Konsequenz, da er mangels Auswirkung auf die Gewinnverwendung keiner Feststellung bedarf.Vgl. dazu kritisch Kropff, Münchener Kommentar AktG, § 172, 2004, Rn. 85. Vgl. zur Prüfung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat Forster, Zum Zusammenspiel von Aufsichtsrat und Abschlußprüfer, 1999, S. 198. Vgl. Habersack, Münchener Kommentar AktG, § 111, 2008, Rn. 42. Vgl. Forster, Fragen der Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat, 1997, S. 84 f. Ebd., 1997, S. 88. Vgl. Hucke, Der Prüfungsausschuss, 2008, S. 125. So wohl auch Theisen, der vom „guten Geist im Aufsichtsrat“ spricht. Vgl. Theisen, Der Financial Expert, 2009, S. 81.
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chen Fragen auf Augenhöhe mit dem Abschlussprüfer oder dem Finanzvorstand besprechen kann, da sie sich mit Sachverstand entweder nur auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder nur der Abschlussprüfung begnügt.56 Es ist daher fraglich, ob der Aufsichtsrat überhaupt in der Lage ist, die oben genannten Anforderungen an die Prüfung des Jahres- bzw. Konzernabschlusses zu erfüllen.57 Dem Aufsichtsrat steht jedoch der Abschlussprüfer zur Seite58 , auf dessen Urteilsvermögen er zurückgreifen kann. Die Prüfung des Abschlussprüfers entbindet den Aufsichtsrat indes nicht von seiner eigenen Prüfungspflicht; vielmehr soll die Prüfung des Abschlussprüfers als Grundlage für die Prüfung des Aufsichtsrates dienen.59 Dies ergibt sich schon allein daraus, dass die Prüfung des Aufsichtsrates inhaltlich über die des Abschlussprüfers hinausgeht.60 Letzterer kontrolliert nämlich lediglich, ob der Abschluss mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung übereinstimmt und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild des Unternehmens widerspiegelt, kurzum: die Rechtmäßigkeit des Abschlusses.61 Die Zweckmäßigkeit der bilanzpolitischen Ermessensausübung des Vorstands ist hingegen kein für das Testat des Abschlussprüfers relevanter Gegenstand. Für seine Prüfung kann sich der Aufsichtsrat des Prüfungsberichtes des Abschlussprüfers bedienen, auf den er nach § 321 Abs. 5 HGB i. V. m. § 170 Abs. 3 AktG einen Anspruch hat.62 Zudem ist der Abschlussprüfer gem. § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG dazu verpflichtet, an der sog. Bilanzsitzung des Aufsichtsrates teilzunehmen und über seine Prüfung zu berichten. Dabei ist er auskunftspflichtig gegenüber dem Aufsichtsrat auch in Fragen, die über den Gegenstand seiner Prüfung, also die Rechtmäßigkeit des Abschlusses, hinausgehen.63 So ist es dem Aufsichtsrat durch 56 57
58 59 60 61 62 63
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Vgl. Habersack, Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, 2008, S. 103. Hucke äußert sogar die Vermutung, dass der Gesetzgeber es aufgegeben hat, durch gesetzliche Vorgaben die effiziente Aufgabenerfüllung des Aufsichtsrates herbeizuführen. Vgl. Hucke, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, 2003, S. 130. Vgl. ferner kritisch Biener, Die Überwachung der Geschäftsführung, 1977, S. 496; Dörner/Oser, Erfüllen Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer ihre Aufgaben?, 1995, S. 1086–1088; Hillebrand/Nölting/Winfried, Club der Amateure, 1993, S. 33–45. Dies gilt nur für prüfungspflichtige Unternehmen. Im Folgenden wird die Prüfungspflicht des Jahres- und Konzernabschlusses unterstellt. Vgl. Altmeppen, Arbeitsteilung im Aufsichtsrat, 2004, S. 391. Theisen, Zusammenarbeit von Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsrat, 1994, S. 810. Vgl. Hucke, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, 2003, S. 121. Vgl. dazu ausführlich Forster, Fragen der Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat, 1997, S. 75–78. Vgl. hier und folgend Kropff, Der Abschlußprüfer in der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats, 2001, S. 492–494.
gezielte Fragen an den Abschlussprüfer möglich, sich ein Bild über die Zweckmäßigkeit des Abschlusses zu machen und damit seiner eigenen Prüfungspflicht nachzukommen.64 Stellt der Aufsichtsrat bei seiner Prüfung fest, dass der Abschluss nicht rechtoder zweckmäßig ist, so besteht seine wohl gewichtigste Einflussmöglichkeit darin, die Billigung des Abschlusses zu verweigern. Zwar ist es gem. § 173 Abs. 1 AktG möglich, dass die Hauptversammlung auch ohne die Billigung des Aufsichtsrates den Jahresabschluss feststellt bzw. den Konzernabschluss billigt. Für den Vorstand düfte es jedoch wesentlich einfacher sein, einen Kompromiss mit dem Aufsichtsrat zu schließen als den Abschluss gegen den Willen des Aufsichtsrates von der Hauptversammlung feststellen bzw. billigen zu lassen.65 Der Aufsichtsrat kann nach § 107 Abs. 3 AktG einen Prüfungsausschuss bilden, der mit den oben skizzierten Aufgaben betraut wird. Im Sinne einer Effizienzsteigerung durch Arbeitsteilung empfiehlt der DCGK ausdrücklich die Bildung eines Prüfungsausschusses (5.3.2 DCGK). So ist es möglich, die Prüfung der Rechnungslegung auf diejenigen Aufsichtsratsmitglieder zu übertragen, die dafür die größte fachliche Kompetenz aufweisen.66 Aufgrund des Plenarvorbehaltes aus § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG kann die Billigung bzw. Feststellung des Abschlusses jedoch nicht an einen Ausschuss delegiert werden, sodass der Prüfungsausschuss insofern nur vorbereitend tätig werden kann und die Verantwortung für den Abschluss letztlich beim Aufsichtsrat als Ganzes verbleibt.67 2.2.1.2 Einfluss auf die Vorstandsvergütung Die Verantwortung des Aufsichtsrates für die Vorstandsvergütung wurde durch das VorstAG ausgebaut.68 Der Aufsichtsrat ist verantwortlich für die Festlegung der Vorstandsvergütung, § 87 Abs. 1 AktG, 4.2.2 DCGK.69 Das in § 120 Abs. 4 geregelte Billigungsrecht der Hauptversammlung (sog. Say-on-Pay-Votum) berührt 64 65 66
67 68
69
Vgl. bereits Biener, Die Überwachung der Geschäftsführung, 1977, S. 496. Vgl. Bea/Scheurer, Die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats, 1994, S. 2148; ausführlicher Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeit, 1992, S. 152–171. Vgl. weitergehend Altmeppen, Arbeitsteilung im Aufsichtsrat, 2004, S. 405–407; Leuering/ Rubel, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss, 2008, S. 559 f. Röhrich, Prüfungsausschuss und Audit Committee, 2006, S. 148–152. Vgl. dazu auch Altmeppen, Arbeitsteilung im Aufsichtsrat, 2004, S. 406. Bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes war der Aufsichtsrat für die Festlegung der Vorstandsvergütung und die Wahrung der Angemessenheit derselben verantwortlich. Zur alten Rechtslage vgl. Cannivé/Seebach, Vorstandsvergütung als neue Haftungsfalle, 2009, S. 594 f. Siehe oben Kapitel 2.1.3.
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diese Verantwortung nicht;70 der Zweck dieser Vorschrift besteht im Wesentlichen darin, den Aufsichtsrat bei der Festlegung der Vorstandsvergütung zu besonderer Gewissenhaftigkeit anzuhalten.71 Der Aufsichtsrat hat gem. § 87 Abs. 1 AktG dafür zu sorgen, dass die Bezüge jedes Vorstandsmitgliedes in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Aufgaben und Leistungen sowie zur Lage der Gesellschaft stehen. Zudem hat er sicherzustellen, dass eine übliche Vergütung nicht ohne besonderen Grund überschritten wird. Verschlechtert sich die ökonomische Lage der Gesellschaft derart, dass die Zahlung der zuvor festgesetzten Bezüge unbillig wäre, so soll der Aufsichtsrat die Vorstandsvergütung auf eine angemessene Höhe herabsetzen, § 87 Abs. 2 AktG. 2.2.2 Unabhängigkeit Eine effektive Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat setzt voraus, dass dessen Mitglieder ihre Aufgabe unabhängig wahrnehmen. Dies erfordert also eine geeignete personelle Besetzung des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsrat setzt sich aus mindestens drei Mitgliedern zusammen; die Höchstzahl der Mitglieder kann in der Satzung der Aktiengesellschaft in Abhängigkeit von deren Grundkapital auf neun, 15 oder 21 festgesetzt werden (§ 95 AktG), wovon die im Untersuchungssample enthaltenen Gesellschaften nahezu ausschließlich Gebrauch machen. Die Mitbestimmungsgesetze schreiben vor, dass ein Drittel bzw. die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder von den Arbeitnehmern der Gesellschaft bestimmt wird; die übrigen Mitglieder werden grundsätzlich von der Hauptversammlung, d. h. von den Anteilseignern gewählt (§ 101 Abs. 1 AktG). Der bestehende Aufsichtsrat ist nach § 124 Abs. 3 AktG verpflichtet, der Hauptversammlung entsprechende Wahlvorschläge zu unterbreiten, die jedoch nicht bindend sind. Auch Aktionäre können Kandidaten zur Wahl vorschlagen (§ 127 Akt), was aber praktisch keine Bedeutung hat.72 Der Vorstand hat kein Vorschlags- oder Wahlrecht. Dies leuchtet ein, da die Hauptaufgabe des Aufsichtsrates in der Kontrolle des Vorstands liegt. Gleichwohl richtet der Vorstand in der Unternehmenspraxis Kandidatenvorschläge an den Aufsichtsrat.73 Dem Vorstand kann daran insofern ein berechtigtes Interesse zugesprochen werden, dass der Aufsichtsrat auch eine beratende Funktion einnimmt und dies eine konstruktive 70 71 72 73
18
Vgl. dazu ausführlich Deilmann/Otte, „Say on Pay“, 2010, S. 545–547. Vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BundestagsDrucksache 16/13433, S. 12. Vgl. Semler, Rechtsvorgabe und Realität, 2000, S. 725. Vgl. ebd., 2000, S. 725.
Zusammenarbeit der beiden Organe erfordert.74 Zur Wahrung einer effizienten Unternehmenskontrolle ist es jedoch erforderlich, dass der Aufsichtsrat die Vorschläge des Vorstandes mit der gebotenen Sorgfalt auf ihre Eignung prüft und sich überdies bei der Kandidatenwahl nicht auf die Vorschläge des Vorstands beschränkt, sondern eigenständig nach geeigneten Kandidaten sucht.75 Es ist nämlich denkbar, dass der Vorstand bei seiner Vorauswahl der Kandidaten solche unberücksichtigt lässt, von denen er eine besonders aktive Überwachung erwartet. Nach der Einschätzung Semlers ist es jedoch gerade in Großunternehmen die gängige Praxis, dass der Aufsichtsrat an der Kandidatenfindung nicht beteiligt ist.76 Für die wahlberechtigten Aktionäre ist grundsätzlich intransparent, ob die vom Aufsichtsrat präsentierten Wahlvorschläge ursprünglich solche des Vorstands sind. Der Corporate-Governance-Kodex empfiehlt daher die Einrichtung eines Nominierungsausschusses des Aufsichtsrates, der mit der Ermittlung geeigneter Wahlvorschläge betraut wird (5.3.3 DCGK). Auf diese Weise könnten sich die Anteilseigner zumindest anhand der personellen Besetzung des Ausschusses und dessen Tätigkeitsberichtes ein Bild vom Nominierungsprozess machen. Die Empfehlung zur Einrichtung eines Nomienierungsausschusses wird indes von den deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften nahezu mehrheitlich nicht befolgt.77 In der Vergangenheit war es üblich, dass der Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft nach dem Ausscheiden aus diesem Amt unmittelbar in den Aufsichtsrat der Gesellschaft gewählt wurde oder sogar dessen Vorsitz übernahm.78 Diese Praxis ist umstritten, u. a. da der alte Vorstand nicht daran interessiert ist, im Rahmen seiner Kontrollaufgabe als Aufsichtsrat solche Dinge aufzudecken, die noch aus seiner Vorstandszeit stammen. Der Gesetzgeber hat daher im Zuge des VorstAG § 100 Abs. 2 AktG dahingehend geändert, dass ein Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat derselben Aktiengesellschaft außer durch besonderen Beschluss der Hauptversammlung79 erst nach einer Wartezeit (cooling off -Periode) von zwei Jahren gestattet ist.
74 75 76 77 78 79
Vgl. so auch Aurich, Managementkontrolle, 2006, S. 55. Vgl. Semler, Rechtsvorgabe und Realität, 2000, S. 726. Vgl. ebd., 2000, S. 726. Vgl. Werder/Talaulicar, Kodex Report 2010, 2010, S. 858. Vgl. hier und folgend Seibert, Finanzmarktkrise, Corporate Governance, Aufsichtsrat, 2009, S. 1170. Die Ausnahmeregelung zielt auf Familienunternehmen.
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Ein weiteres in der Kritik stehendes Phänomen ist die Überkreuzverflechtung von Vorständen und Aufsichtsräten großer deutscher Aktiengesellschaften. Zwar untersagt § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG seit dem KonTraG80 , dass ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft in einer anderen Gesellschaft zum Aufsichtsrat zählen darf, wenn ein Mitglied aus dessen Vorstand bereits im Aufsichtsrat der ersten Gesellschaft tätig ist. Diese Vorschrift beugt damit einer unmittelbaren Überkreuzverflechtung vor.81 Sie verhindert hingegen nicht, dass die Organe der großen deutschen Aktiengesellschaften einem begrenzten Personenkreis, dem sog. old boys’ network entstammen, und sich die auf diese Weise miteinander vertrauten Personen in stiller Übereinkunft nicht durch rigorose Kontrollmaßnahmen zur Last fallen, sondern gegenseitiges back scratching betreiben.82 So ist zu erklären, dass empirisch ein Zusammenhang zwischen der Verflechtung von Aufsichtsratsmandaten und den Vorstandsbezügen nachgewiesen werden kann.83 Dennoch ist festzustellen, dass die Dichte der personellen Verflechtung deutscher Aktiengesellschaften in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen hat;84 weitere aktuell diskutierte Reformmaßnahmen, etwa die Stärkung der Diversität in Aufsichtsräten, werden diese Entwicklung voraussichtlich fortsetzen.85 2.2.3 Haftung Nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 AktG haben die Mitglieder des Aufsichtsrates bei der Ausübung ihres Mandats die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsrates86 anzuwenden. Sie sind der Gesellschaft zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie ihre Pflichten verletzen (§§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 AktG). Dies gilt nach h. M. nur für eine schuldhafte Pflichtverletzung.87 In der Literatur und der Rechtsprechung wird dabei ganz überwiegend ein objektiver Sorgfaltsmaßstab gefordert, d. h. §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 AktG setzen für jedes Aufsichtsratsmitglied 80 81 82 83 84 85 86
87
20
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998, BGBl. I S. 786. Vgl. auch Hüffer, Kommentar zum AktG, 2008, § 100, Rn. 6 f. Vgl. Oehmichen/Rapp/Wolff, Aufsichtsratszusammensetzung, 2010, S. 486. Vgl. Entorf et al., Aufsichtsratsverflechtungen, 2009, S. 1113; Balsmeier/Peters, Personelle Unternehmensverflechtung, 2009, S. 967. Vgl. Kengelbach/Roos, Entflechtung der Deutschland AG, 2006, S. 21. Vgl. Seibert, Finanzmarktkrise, Corporate Governance, Aufsichtsrat, 2009, S. 1170 f. Der in der Vorschrift verwendete Wortlaut „Geschäftsleiter“ ist sinngemäß durch „Aufsichtsrat“ zu ersetzen. Vgl. dazu Mutter, Haftung des Aufsichtsrats, 1994, S. 283; Habersack, Münchener Kommentar AktG, § 116, 2008, Rn. 16. Vgl. hier und folgend m. w. N. Dürr, Die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern, 2005, S. 152 f.
diejenigen Qualifikationen voraus, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe zu verstehen und sachgerecht beurteilen zu können. Mangelnde Sachkenntnisse in Belangen der Rechnungslegung schützen das einzelne Aufsichtsratsmitglied also nicht vor der Haftung. Darüber hinaus ist für besonders qualifizierte Aufsichtsratsmitglieder, etwa den nach § 100 Abs. 5 AktG erforderlichen financial expert oder die Mitglieder eines Prüfungsausschusses, ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab anzuwenden.88 Es liegt daher eine schuldhafte Pflichtverletzung des Aufsichtsrates oder zumindest einzelner, qualifizierter Mitglieder vor, wenn der Aufsichtsrat einen Abschluss billigt bzw. feststellt, obwohl er bei der ordentlichen Ausübung seiner Aufsichtstätigkeit hätte erkennen müssen, dass der Abschluss durch opportunistische Bilanzpolitik des Vorstands verzerrt ist.89 Der Aufsichtsrat haftet für Schäden, die einer schuldhaften Pflichtverletzung kausal zugeordnet werden können (§ 93 Abs. 2 i. V. m. § 116 Satz 1 AktG); Schaden ist dabei eine Vermögensminderung im Sinne der §§ 249 ff. BGB.90 Der Aufsichtsrat haftet namentlich, wenn er eine unangemessen hohe Vorstandsvergütung festsetzt, § 116 Satz 3 AktG. Zahlt die Aktiengesellschaft dem Vorstand eine erfolgsabhängige Barvergütung auf der Grundlage eines buchhalterischen Erfolgsmaßes und gelingt es dem Vorstand, dieses Erfolgsmaß und somit seine Vergütung durch Bilanzpolitik zu seinen Gunsten zu beeinflussen, so könnte sich draus ein Haftungsanspruch der Gesellschaft gegen den Aufsichtsrat ergeben. Dieser billigt nämlich schuldhaft einen Abschluss, der kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Gesellschaft zeigt, woraus der Gesellschaft ggf. ein Vermögensschaden erwächst. Einen Vermögensschaden erleidet die Gesellschaft, soweit sie dem Vorstand eine erfolgsabhängige Vergütung zahlt, die sie bei Beanstandung des verzerrten Abschlusses des Aufsichtsrates nicht gezahlt hätte. Zusätzlich ist fraglich, ob im geschilderten Fall die Vorstandsvergütung als unangemessen anzusehen und somit die spezielle Regelung des § 116 Satz 3 AktG einschlägig ist. Die Angemessenheit hinsichtlich der Leistung erfordert nämlich, dass die erfolgsabhängige Vergütungskomponente in einem Zusammenhang mit dem Arbeitseinsatz des Vorstandes, also dessen Betätigung zur Förderung des Unternehmensinteresses, steht. Bilanzpolitik zur Steigerung der Vergütung dient aber gerade nicht dem Unternehmenszweck und stellt somit keine Leistung des 88 89 90
Vgl. Mutter/Gayk, Verbesserung der Aufsichtsratsarbeit, 2003, S. 1176. Vgl. dazu kritisch Fischer, Persönliche Haftung, 2005, S. 78 f. Vgl. Hüffer, Kommentar zum AktG, 2008, § 93, Rn. 15.
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Vorstandes im Sinne des § 87 AktG dar. Der auf sie zurückzuführende Teil der erfolgsabhängigen Vergütung ist daher als unangemessen anzusehen. Da nach § 78 AktG dem Vorstand die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft obliegt, ist es zunächst die Aufgabe des Vorstandes, die Regressansprüche der Gesellschaft durchzusetzen. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Vorstand im genannten Fall nicht die Initiative zur Geltendmachung der Haftung des Aufsichtsrates ergreifen wird.91 Zudem kann die Hauptversammlung oder eine qualifizierte Aktionärsminderheit nach § 147 AktG die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder erzwingen.92 Dies setzt für den oben geschilderten Sachverhalt jedoch voraus, dass Aktionäre zum einen befähigt sind, die Überhöhung des Bilanzergebnisses und die daraus resultierende zu hohe Vergütung zu erkennen, und zum anderen gewillt sind, ihre Ansprüche auf diesem Wege durchzusetzen. Es ist anzunehmen, dass Bilanzpolitik allenfalls von Großaktionären erkannt werden kann, die in besonderer Weise Zugriff auf die erforderlichen Informationen haben. Es erscheint jedoch zweifelhaft, dass diese Aktionäre Regressansprüche nach § 147 AktG durchzusetzen versuchen, da der drohende Reputationsverlust für die Gesellschaft und die damit einhergehende Minderung des Unternehmenswertes den Schaden durch die überhöhte Vorstandsvergütung im Regelfall deutlich übersteigen wird. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die Haftung des Aufsichtsrates für eine durch Bilanzpolitik überhöhte, ggf. unangemessene Vergütung des Vorstands juristisch zwar möglich ist, in der Praxis jedoch kaum Anwendung finden wird. 2.2.4 Vergütung und Offenlegungspflicht Den Mitgliedern des Aufsichtsrates kann gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Vergütung für ihre Tätigkeit gewährt werden.93 Sowohl das Gesetz (§ 113 Abs. 1 Satz 3 AktG) als auch der Corporate-Governance-Kodex (5.4.6 DCGK) sehen vor, 91 92 93
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Vgl. Cannivé/Seebach, Vorstandsvergütung als neue Haftungsfalle, 2009, S. 596; allgemeiner Dürr, Die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern, 2005, S. 245. Vgl. ausführlich ebd., 2005, S. 246 f. Aus dem AktG ergibt sich für das Aufsichtsratsmitglied kein Anspruch auf Vergütung; vgl. Habersack, Münchener Kommentar AktG, § 113, 2008, Rn. 9. Da die Aktiengesellschaft jedoch gegenüber niemandem einen Anspruch auf die Ausübung eines Aufsichtsratsmandats durchsetzen kann aber gleichwohl zur Bildung eines Aufsichtsrates verpflichtet ist (§ 95 AktG), wird die unentgeltliche Aufsichtsratstätigkeit – zumindest für große Publikumsgesellschaften – wohl die Ausnahme bleiben.
dass eine Vergütung den Aufgaben des Aufsichtsrates und der Lage des Unternehmens angemessen sein soll. Geregelt wird die Vergütung des Aufsichtsrates nach § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG in der Satzung der Aktiengesellschaft; alternativ kann sie von der Hauptversammlung bewilligt werden. Da die Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG zur Änderung der Satzung befugt ist, entscheidet über die Vergütung des Aufsichtsrates stets die Hauptversammlung. In aller Regel wird die Aufsichtsratsvergütung in der Satzung festgelegt. Daraus folgt, dass keine individuellen Vergütungen gezahlt werden (beispielsweise in Abhängigkeit von der Erfahrung des einzelnen Mitglieds), sondern alle Mitglieder der gleichen Vergütungsregelung unterworfen werden.94 Über die Art und Zusammensetzung der Vergütung trifft das Gesetz keine abschließende Regelung. Aus § 113 Abs. 3 AktG wird jedoch deutlich, dass die Gewährung einer variablen Vergütung auf Grundlage des Bilanzergebnisses zulässig ist. Der Corporate-Governance-Kodex empfiehlt sogar ausdrücklich, dass der Aufsichtsrat neben einer Festvergütung eine erfolgsorientierte Vergütung erhält, die in eine kurzfristige und eine langfristige Komponente aufgeteilt ist (5.4.6 DCGK). Neben dem Bilanzgewinn sind für die erfolgsorientierte Vergütung noch weitere Berechnungsgrundlagen zulässig, etwa die Dividende oder finanzwirtschaftliche Kennzahlen wie der Cashflow oder das EBITDA.95 Eine am Aktienkurs der Gesellschaft orientierte Vergütung des Aufsichtsrates, etwa in Form von Aktienoptionen, ist durch den BGH für unzulässig erklärt worden.96 Das Gericht sah in dieser Form der Vergütung eine Vereinheitlichung der Vergütungsinteressen von Vorstand und Aufsichtsrat, die zu einer Gefährdung der Kontrollfunktion des Aufsichtsrates führen könne. Zudem sei der Aktienkurs durch gezielte Sachverhaltsgestaltung des Vorstands beeinflussbar und somit kein zuverlässiger Maßstab für den Wert und Erfolg des Unternehmens. Es ist verwunderlich, dass die Vergütung des Aufsichtsrates auf Grundlage des Bilanzergebnisses de lege lata zulässig ist, da die Argumentation in gleicher Weise auf diese Form der erfolgsorientierten Vergütung zutrifft. Mehr noch: durch seine Prüfung des Jahresabschlusses kann der Aufsichtsrat auf das Bilanzergebnis leichter Einfluss nehmen als auf den Aktienkurs des Unternehmens. Aus diesem Grund empfiehlt die Europäische Kommission, dass Aufsichtsratsmitgliedern keine 94 95 96
Das schließt nicht aus, dass für die Übernahme des Vorsitzes oder von Ausschussposten eine erhöhte Vergütung gezahlt wird. Vgl. Habersack, Münchener Kommentar AktG, § 113, 2008, Rn. 15 f. Vgl. hier und folgend BGH, Urteil vom 16.2.2004; Lüpkes, Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit aktienkursorientierter Vergütung, 2008, passim.
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erfolgsabhängige Vergütung eingeräumt werden soll.97 Zudem sind die vermeintlichen Vorteile erfolgsabhängiger Aufsichtsratsvergütung auch ökonomisch nicht unbestritten.98 In der Literatur hat sich, soweit ersichtlich, noch keine einheitliche Meinung zur Frage der Sinnhaftigkeit erfolgsabhängiger Vergütung von Aufsichtsräten durchgesetzt.99 Die Gesamtvergütung des Aufsichtsrates ist gem. §§ 285 Nr. 9, 314 Nr. 6 HGB im Jahres- und Konzernabschluss der Gesellschaft auszuweisen. Der CorporateGovernance-Kodex empfiehlt weitergehend, dass die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder individualisiert und nach Bestandteilen getrennt ausgewiesen wird (5.4.6 DCGK). 2.2.5 Wesentliche Unterschiede zu den Regelungen in den USA Wie bereits dargelegt100 , verfügt die US-amerikanische Aktiengesellschaft nicht über ein dem deutschen Aufsichtsrat vergleichbares Organ. Vielmehr kontrolliert das board of directors seine Tätigkeit selbst; zuständig dafür sind die outside directors.101 Somit kann das board of directors auch grundsätzlich seine eigene Vergütung festlegen.102 Im Gegensatz zu den inside directors, die als Manager der Aktiengesellschaft regelmäßig über einen Arbeitsvertrag mit derselben verfügen, sind die outside directors grundsätzlich von der Gesellschaft unabhängig. Tatsächlich ist die Unabhängigkeit jedoch in einigen Fällen auch ohne das Vorliegen eines Arbeitsvertrages eingeschränkt, etwa wenn ein director der Vertreter einer kapitalgebenden Bank der
97 98 99
100 101 102
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Vgl. Europäische Kommission, Empfehlung der Kommission (2005/162/EG), 2005, Anhang II, Ziffer 1 Buchstabe c; Lutter, Die Empfehlungen der Kommission, 2009, S. 800. Vgl. Fallgatter, Variable Vergütung, 2003, S. 705–710. Vgl. ablehnend Habersack, Münchener Kommentar AktG, § 113, 2008, Rn. 14; Lieder, Der Aufsichtsrat, 2006, S. 891–901; Paefgen, Börsenpreisorientierte Vergütung, 2004, S. 1174; Roth/Wörle, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, 2006, S. 72; a. A. Fuchs, Grenzen für eine aktienkursorientierte Vergütung, 2004, S. 2239; Hüffer, Kommentar zum AktG, 2008, § 113, Rn. 10; Lutter, Vergleichende Corporate Governance, 2001, S. 230–232, der fordert, dass Aufsichtsräte ausschließlich erfolgsabhängig vergütet werden sollten, aber im gleichen Aufsatz mahnt, Recht und Praxis sollten ihr Augenmerk verstärkt auf Interessenkonflikte richten. Siehe oben Kapitel 2.1.4. Vgl. hier und folgend Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 70–75. Siehe etwa § 141 (h) Delaware General Corporation Law.
Aktiengesellschaft ist.103 Solche Direktoren mit ggf. eingeschränkter Unabhängigkeit werden in der Literatur als affiliated directors oder grey directors bezeichnet. Das board of directors wird von der shareholders’ assembly, also der Hauptversammlung, für üblicherweise ein Jahr gewählt.104 Jedoch nehmen Kleinaktionäre oder gewisse institutionelle Investoren gewöhnlich ihr aktives Stimmrecht nicht wahr, sondern übertragen es durch eine Vollmacht (proxy) an das Management, das auf diese Weise entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung des board und damit auch auf die Wahl der outside directors hat. Zudem ist in der Rechtswirklichkeit bereits der Prozess der Nominierung von Kandidaten für das board maßgeblich vom Management bestimmt, da zwar jedem Aktionär ein Vorschlagsrecht zusteht, dieses aber faktisch durch hohe bürokratische Komplexität und Kosten des Nominierungsvorschlages unterminiert wird.105 Dieses Problem wird gelindert, wenn ein vollständig oder überwiegend mit outside directors besetzter Ausschuss – das nominating committee – die Aufgabe der Nominierung geeigneter Kandidaten für das board of directors übernimmt.106 Es ist zu beobachten, dass vor dem Sarbanes-Oxley-Act (SOA) der CEO häufig Mitglied und damit mutmaßlich bestimmende Kraft im nominating committee war; inzwischen setzt ein Großteil der Gesellschaften jedoch solche nominating committees ein, die ausschließlich mit outside directors besetzt sind.107 Hierin besteht also eine Parallele zum Nominierungsausschuss des Aufsichtsrates. Das board of directors bildet zahlreiche Ausschüsse, auf die es seine Aufgaben delegiert. Dazu zählen etwa das bereits erwähnte nominating committee, das audit committee, das die Mandatierung und Überwachung des Abschlussprüfers übernimmt, sowie das compensation committee, das für den Abschluss und die Durchführung der Vergütungsverträge mit dem Management zuständig ist. Anders als die Ausschüsse des Aufsichtsrates der deutschen Aktiengesellschaft können die committees des board of directors auch die gesamte Verantwortung für die ihnen übertragenen Aufgaben übernehmen, sodass die Kompetenzen dieser committees über die der Aufsichtsratsausschüsse hinausgehen.108 Ferner gilt im monistischen System nicht die strenge Funktionstrennung aus § 111 Abs. 4 AktG, sodass das au103 104 105 106 107 108
Vgl. hier und folgend Adams/Hermalin/Weisbach, The role of boards of directors in corporate governance, 2010, S. 80. Vgl. hier und folgend Martens, Managementüberwachung, 1999, S. 28 f. Vgl. Cane/Silva, Shareholder democracy and the SEC’s proxy rules, 2009, S. 241 f. Vgl. Vafeas, Nominating committees and their role in corporate governance, 1999, S. 220; Holstrom/Kaplan, The state of US corporate governance, 2003, S. 15. Vgl. Brick/Chidambaran, Committee structure, 2010, S. 550 f. Vgl. etwa Köhler, Audit Committees in Germany, 2005, S. 231 f.
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dit committee mehr in die innerbetrieblichen Verfahrensabläufe eingebunden ist als der Aufsichtsrat. Die Ausschüsse des board sind zumeist mehrheitlich mit outside directors besetzt;109 im Falle des audit committee ist seit dem Sarbanes-Oxley-Act sogar eine ausschließliche Besetzung mit outside directors vorgeschrieben (Sec. 301 (3) SOA). Die rechtlichen Unterschiede zwischen den Kompetenzen der Ausschüssen des board und des Aufsichtsrates entspringen einer unterschiedlichen Zielsetzung. Die Delegation von Aufgaben an Ausschüsse des Aufsichtsrates bezweckt eine Entlastung des Aufsichtsrates durch vorbereitende Tätigkeiten und eine Steigerung der Effizienz, die ansonsten durch hohe Mitgliederzahlen im Aufsichtsrat geschmälert wird; die Ausschussbildung ermöglicht damit, diese Vorzüge des monistischen Systems auch in der dualistischen Unternehmensverfassung zu erzielen.110 Dagegen verfolgt die Bildung von committees des board of directors das Ziel einer stärkeren personellen Trennung zwischen geschäftsführenden und nicht-geschäftsführenden Direktoren, die charakteristisch für das dualistische System der Unternehmensverfassung ist. Die Ausschussbildung führt also tendenziell zu einer Angleichung der beiden Unternehmensverfassungen.111 Das US-amerikanische Recht sieht keine Beschränkung im Sinne des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG vor, d. h. der CEO einer Gesellschaft kann director einer anderen Gesellschaft sein, deren CEO wiederum director des ersten Unternehmens ist (sog. interlocking directors).112 Das Problem des back scratching ist damit in den USA vergleichsweise stark ausgeprägt. Die directors einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft erhalten im Allgemeinen eine Barvergütung, die sich aus einer Grundvergütung und Zulagen für die Teilnahme an board- bzw. committee-Sitzungen sowie für die Übernahme des Vorsitzes eines committee zusammensetzt.113 Darüber hinaus wird eine aktienbasierte Vergütung gewährt (equity-based compensation), die in Deutschland wie oben erörtert unzulässig ist. Die Zahlung einer ergebnisabhängigen Barvergütung auf der Grundlage buchhalterischer Erfolgsmaße (earnings-based compensation) 109 110 111
112 113
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Vgl. Martens, Managementüberwachung, 1999, S. 31. Vgl. hier und folgend Velte, Die Implementierung von Prüfungsausschüssen, 2009, S. 125 f. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Aurich, Managementkontrolle, 2006, S. 108 f.; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 51; Collier/Mahbub, Convergence in European corporate governance, 2005, S. 753. Vgl. ausführlich hier und folgend Adams/Hermalin/Weisbach, The role of boards of directors in corporate governance, 2010, S. 85. Vgl. hier und folgend ebd., 2010, S. 92; Linck/Netter/Yang, The effects and unintended consequenses of the Sarbanes-Oxley Act, 2009, S. 3298.
ist im Gegensatz zur Praxis bei deutschen Aufsichtsräten nicht üblich.114 Damit unterscheiden sich die Vergütungsanreize der outside directors von denen der Aufsichtsratsmitglieder. Vor allem besteht für die outside directors nicht wie für ergebnisabhängig vergütete Aufsichtsratsmitglieder der oben erörterte Anreiz, Bilanzpolitik zur Maximierung ihrer Barvergütung zu dulden. Hierin ist der vor dem Hintergrund des Untersuchungsgegenstands wichtigste Unterschied zwischen dem Aufsichtsrat und dem board of directors zu sehen.
2.3 Abschlussprüfer 2.3.1 Gesetzliche Prüfungspflicht Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB sind nach § 316 Abs. 1 HGB verpflichtet, ihren Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Ebenfalls geprüft werden müssen die Konzernabschlüsse aller Kapitalgesellschaften, die zur Aufstellung eines solchen Abschlusses verpflichtet sind, § 316 Abs. 2 HGB. Abschlussprüfer kann ein Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sein (§ 319 Abs. 1 Satz 1 HGB i. V. m. §§ 1, 57 WPO). Die Abschlussprüfung hat Kontroll-, Informations- und Beglaubigungsfunktion.115 Die Kontrollfunktion stellt sicher, dass der Abschluss in formeller und materieller Hinsicht bestimmten Anforderungen genügt, damit er die Zwecke der externen Rechnungslegung erfüllen kann.116 Prüfungsgegenstand ist dabei die Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, der ergänzenden Bestimmungen der Satzung und der nicht-kodifizierten Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (§ 317 Abs. 1 HGB), über die der Prüfer schriftlich zu berichten hat (§ 321 Abs. 1 und 2 HGB). Entgegen der öffentlichen Erwartung prüft der Abschlussprüfer nicht, ob das Unternehmen wirtschaftlich gesund ist und ob die sich im Abschluss niederschlagende Ausübung von Bilanzierungswahlrechten des Vorstands dem Unternehmenszweck entspricht.117 Zwar wurden durch das KonTraG Elemente einer risiko-, problem-, und zukunftsorientierten Abschlussprüfung 114
115 116 117
Vgl. Farrell/Friesen/Hersch, Director compensation, 2008, S. 155; Linn/Park, Outside director compensation, 2005, S. 688 f. Ryan/Wiggins, Director compensation, 2004, S. 502–504; Segler/ Wald/Weibler, Corporate Governance im internationalen Wettbewerb, 2007, S. 412. Vgl. Ebke, Münchener Kommentar HGB, § 316, 2008, Rn. 24. Vgl. dazu ausführlich Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 91–102. Vgl. Hucke, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, 2003, S. 121; Kirsch, Erwartungslücke und Bestätigungsvermerk, 1997, S. 961.
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eingeführt,118 etwa die Prüfung der Lagebeurteilung des Vorstands nach § 317 Abs. 1 HGB.119 Dies ändert jedoch nichts am Charakter einer Rechtmäßigkeitsprüfung. Im Hinblick auf die Kontrollfunktion ist die Abschlussprüfung daher kein geeignetes Instrument gegen opportunistische Bilanzpolitik, solange sich diese in einem rechtmäßigen Rahmen bewegt. Die Informationsfunktion der Abschlussprüfung besteht gegenüber den Eigentümern, gesetzlichen Vertretern und vor allem dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft.120 Wichtigstes Instrument zur Erfüllung dieser Funktion ist der schriftliche Bericht des Abschlussprüfers (§ 321 HGB), in dem dieser Art und Umfang sowie das Ergebnis seiner Prüfung darlegt. Ferner hat der Prüfer in diesem Bericht über bei Durchführung der Prüfung festgestellte Unrichtigkeiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften sowie Tatsachen zu berichten, die das geprüfte Unternehmen wesentlich beeinträchtigen oder gefährden können. In diesem Zusammenhang ist auch darauf einzugehen, welchen Einfluss die Nutzung von Ermessensspielräumen sowie sachverhaltsgestaltender Maßnahmen insgesamt auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben (§ 321 Abs. 2 Satz 4 HGB). Der Prüfungsbericht ist allen Aufsichtsratsmitgliedern oder, sofern dies beschlossen wurde, dem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates zu übermitteln (§ 170 Abs. 3 AktG). Auch bei Bestehen eines Prüfungsausschusses gewährt diese Vorschrift den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrates das Recht, den Prüfungsbericht einzusehen. Zudem ist der Abschlussprüfer seit den Neuregelungen durch das KonTraG verpflichtet, an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrates oder dessen Prüfungsausschusses teilzunehmen, dort über seine Prüfung zu berichten und anfallende Fragen zu beantworten (§ 171 Abs. 1 AktG, 7.2.4 DCGK).121 Dies bietet dem Aufsichtsrat die Gelegenheit, die für seine eigene Prüfung der Rechnungslegung erforderlichen Informationen beim Abschlussprüfer einzuholen;122 so geht die Informationsfunktion der Abschlussprüfung einher mit der Rolle des Abschlussprüfers als „Gehilfe des Aufsichtsrats“.123 Da die Prüfung des Aufsichtsrates auch die Zweckmäßig118 119 120 121 122
123
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Vgl. Schindler/Rabenhorst, Auswirkungen des KonTraG, 1998, S. 1889. Vgl. dazu ausführlich Böcking/Orth, Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung, 1999, S. 433; Mattheus, Die gewandelte Rolle des Wirtschaftsprüfers, 1999, S. 686 f. Vgl. hier und folgend Scheffler, Überwachungsorgane der Aktiengesellschaft, 1995, S. 666 f. Vor der Gesetzesänderung war die Teilnahme des Abschlussprüfers an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrates fakultativ. Vgl. bereits Clemm, Abschlußprüfer und Aufsichtsrat, 1980, S. 462–465; diese Möglichkeit wird in der Praxis begrüßt, vgl. dazu Förschle/Glaum/Mandler, Umfrage unter Führungskräften, 1998, S. 892. Vgl. Theisen, Zur Reform des Aufsichtsrats, 1999, S. 224.
keit der Ermessensausübung des Vorstands beinhaltet,124 kommt der Prüfung des Abschlussprüfers mittelbar doch eine Bedeutung als Instrument gegen opportunistische Bilanzpolitik zu, die dem Unternehmenszweck zuwider läuft. Schließlich erfüllt die Abschlussprüfung eine Beglaubigungsfunktion, indem sie für externe Adressaten des Jahresabschlusses das Ergebnis ihrer Prüfung in einem Bestätigungsvermerk zusammenfasst (§ 322 Abs. 1 HGB). An den Bestätigungsvermerk knüpft sich das Vertrauen des Rechtsverkehrs.125 Das formelhaft verfasste Testat trifft jedoch nur darüber eine Aussage, ob die Lage des Unternehmens nach den gültigen Vorschriften von Gesetz, Rechnungslegungsstandards und Satzung unter der Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung abgebildet wurde.126 Innerhalb dieser Grenzen ausgeübte Bilanzpolitik des Vorstands, die dem Interesse der Gesellschaft zuwider läuft, lässt sich anhand des Bestätigungsvermerks nicht erkennen. 2.3.2 Unabhängigkeit Die oben skizzierten Funktionen der Abschlussprüfung setzen voraus, dass diese von einem unabhängigen Prüfer durchgeführt wird.127 Dabei kann zwischen innerer und äußerer Unabhängigkeit unterschieden werden. Innere Unabhängigkeit liegt vor, wenn der Prüfer ohne geistige Bindung unvoreingenommen tätig wird.128 Äußere Unabhängigkeit bedeutet hingegen, dass der Abschlussprüfer von Dritten als unabhängig, d. h. frei von rechtlichen, wirtschaftlichen und faktischen Einwirkungsmöglichkeiten durch das zu prüfende Unternehmen, angesehen wird. § 43 Abs. 1 WPO schreibt vor, dass ein Wirtschaftsprüfer seinen Beruf unabhängig auszuüben hat. Der Wortlaut dieser Vorschrift erfasst zunächst die innere Unabhängigkeit, da er die Art und Weise der Berufsausübung regelt. Subsumiert man unter dem Begriff Berufsausübung jedoch auch das Geschäftsgebaren des Wirtschaftsprüfers im Hinblick auf Art und Umfang seiner Mandantsvereinbarungen, so lässt sich § 43 Abs. 1 WPO auch auf die äußere Unabhängigkeit beziehen.129 Da der Wirtschaftsprüfer nach § 49 WPO dazu verpflichtet ist, seine Tätigkeit zu versagen, sofern aus seiner Sicht die Besorgnis der Befangenheit besteht, gehört es 124 125 126 127 128 129
Siehe oben Kapitel 2.2.1.1. Vgl. Ebke, Münchener Kommentar HGB, § 316, 2008, Rn. 28. Vgl. Kirsch, Erwartungslücke und Bestätigungsvermerk, 1997, S. 961. Vgl. m. w. N. Marx, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2002, S. 293. Vgl. hier und folgend IFAC, Code of Ethics for Professional Accountants, 2008, Sec. 290.6. Vgl. wohl auch Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2003, S. 36 f.
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nämlich auch zur Pflicht und damit zur Berufsausübung des Wirtschaftsprüfers, bereits den Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Die äußere Unabhängigkeit wird ferner durch die §§ 319, 319a HGB geregelt. Nach § 319 Abs. 2 ist ein Wirtschaftsprüfer als Abschlussprüfer einer prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaft ausgeschlossen, wenn die Besorgnis der Befangenheit besteht. Dafür reicht es, unabhängig von der tatsächlichen inneren Einstellung des Prüfers, wenn ein „vernünftig und objektiv denkender Dritter“130 aufgrund äußerer Umstände Anlass hat, an der Unabhängigkeit des Prüfers zu zweifeln.131 Neben dieser Generalklausel nennen § 319 Abs. 3 HGB für alle prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaften und zusätzlich § 319a Abs. 1 HGB für die Prüfung kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften einige Tatbestände, für die der Gesetzgeber typisierend eine Einschränkung der äußeren Unabhängigkeit unterstellt.132 So führt zum einen ein hohes Eigeninteresse des Wirtschaftsprüfers am Unternehmen dazu, dass die Besorgnis der Befangenheit unwiderlegbar vermutet und der Prüfer als Abschlussprüfer der Gesellschaft ausgeschlossen wird (self interest threat). Eigeninteresse kann durch eine Beteiligung des Prüfers am Unternehmen oder durch die Abhängigkeit von den Honoraren des Mandanten bestehen. Daher ist ein Wirtschaftsprüfer von der Prüfung auszuschließen, wenn er, sein Ehe- oder Lebenspartner oder sein Beschäftigter Anteile des Unternehmens besitzt, § 319 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 HGB. Zudem ist ein Prüfer ausgeschlossen, der in den letzten fünf Jahren mehr als 30 % seiner Gesamteinnahmen von der zu prüfenden Kapitalgesellschaft erhalten hat, § 319 Abs. 3 Nr. 5 HGB. Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften vermindert sich diese Grenze auf 15 % der Gesamteinnahmen, § 319a Abs. 1 Nr. 1 HGB. Dieser umsatzabhängige Schwellenwert greift erst, wenn er fünf Jahre in Folge nacheinander überschritten wurde.133 Kritisch anzumerken ist, dass die Grenze von 15 % im oberen Bereich der international diskutierten Schwellenwerte liegt und der Gesetzgeber offen davon ausgeht, dass es großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ohne weiteres möglich ist, den Grenzwert einzuhalten.134 Zum anderen ergibt sich eine Einschränkung der Unabhängigkeit aus der Insich-Kontrolle (self review threat). Daher ist ein Prüfer von der Abschlussprüfung auszuschließen, wenn er, sein Ehe-/Lebenspartner oder ein von ihm Beschäftigter 130 131 132 133 134
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Vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2002. Vgl. Ebke, Münchener Kommentar HGB, § 319, 2008, Rn. 20. Vgl. die Gesetzesbegründung §§ 319, 319a HGB, Bundestags-Drucksache 15/3419, S. 36–42. Vgl. Ebke, Münchener Kommentar HGB, § 319a, 2008, Rn. 11. Vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf, Bundestags-Drucksache 15/3419, S. 41.
gesetzlicher Vertreter, Aufsichtsrat oder Arbeitnehmer der zu prüfenden Gesellschaft ist (§ 319 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 HGB). Ebenfalls unzulässig ist die Erstellung und die Prüfung des Abschlusses von ein und demselben Wirtschaftsprüfer (§ 319 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 HGB.) Für kapitalmarktorientierte Gesellschaften untersagt § 319 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB dem Abschlussprüfer zudem Rechts- und Steuerberatungsdienstleistungen, die über das Aufzeigen von Gestaltungsmöglichkeiten hinausgehen sowie die Entwicklung, Einrichtung und Einführung von Rechnungslegungsinformationssystemen. Die steuerliche und rechtliche Beratung durch den Abschlussprüfer ist nach dieser Regelung im Regelfall also zulässig, da nur solche Beratungsleistungen erfasst sind, die über das gewöhnliche Maß an Beratung hinausgehen und somit einen wesentlichen Einfluss auf den zu prüfenden Abschluss haben.135 Beratungsaufträge werden im Gegensatz zum Prüfungsauftrag in der Regel nicht vom Aufsichtsrat vergeben, sondern vom Vorstand der Aktiengesellschaft. Da ein Vertragsverhältnis zwischen Vorstand und Abschlussprüfer zu Interessenkonflikten des Prüfers führen könnte, kann der Aufsichtsrat grundsätzlich einen Zustimmungsvorbehalt für die Mandatierung des Abschlussprüfers für Beratungsaufträge durch den Vorstand geltend machen, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Eine generelle Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates für Beratungsverträge ab einer gewissen Honorarsumme besteht trotz vereinzelter Forderungen in der Literatur136 hingegen nicht.137 Der Corporate-Governance-Kodex sieht jedoch vor, dass der Aufsichtsrat vor Erteilung des Prüfungsauftrages eine schriftliche Erklärung des Abschlussprüfers einholt, in der dieser darlegt, welche Beziehungen zwischen ihm und der Gesellschaft bestehen – speziell vertragliche Vereinbarungen über die Erbringung von Beratungsdienstleistungen –, die Zweifel an der Unabhängigkeit des Prüfers begründen könnten (7.2.1 DCGK). 2.3.3 Haftung Der Abschlussprüfer ist dazu verpflichtet, seine Prüfung gewissenhaft und unparteiisch durchzuführen, § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB. Verletzt er oder ein von ihm Beschäftigter diese Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig und entsteht der Aktiengesellschaft daraus ein Schaden, ist er zum Ersatz dieses Schadens bis zu einer Höhe 135
136 137
Vgl. Ebke, Münchener Kommentar HGB, § 319a, 2008, Rn. 15; vgl. auch Hasenauer/VcelouchKimeswenger, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2010, S. 62 f. zur wortgleichen Regelung in Österreich. Vgl. Kitschler, Abschlussprüfung, Interessenkonflikt und Reputation, 2005, S. 151. Vgl. Hülsmann, Stärkung der Abschlussprüfung, 2005, S. 172.
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von vier Millionen Euro verpflichtet (§ 323 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 HGB). Darüber hinaus kommt eine Haftung gegenüber vertragsfremden Dritten (z. B. Gläubigern der Aktiengesellschaft) in Betracht, die in der Literatur jedoch strittig ist.138 2.3.4 Honorar und Honoraroffenlegungspflicht Das Honorar des Abschlussprüfers für die Durchführung von Jahres- und Konzernabschlussprüfungen und für andere Prüfungs- oder Beratungsleistungen unterliegt grundsätzlich der Vertragsfreiheit.139 Die Höhe des Honorars für Abschlussprüfungen darf jedoch nicht vom Ergebnis der Prüfung abhängen oder an die Erbringung zusätzlicher Leistungen für das geprüfte Unternehmen geknüpft sein (§ 55 Abs. 1 WPO). Ferner schreibt diese Vorschrift vor, dass das Honorar in einem angemessenen Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen muss. Festpreise oder Caps sind daher unzulässig, da der Abschlussprüfer bei entsprechenden Vereinbarungen nicht gewährleisten kann, dass im Falle von unvorhergesehenen Problemen das vereinbarte Honorar der für eine ordnungsgemäße Prüfung erforderlichen Leistung angemessen ist. Nach §§ 285 Nr. 17, 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB müssen Unternehmen, deren Finanztitel an einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG notiert sind, die Honorare, die ihr Abschlussprüfer in einem Geschäftsjahr erhalten hat, im Anhang des Jahres- bzw. Konzernabschlusses offenlegen. Dabei erfordern diese Vorschriften eine Unterscheidung zwischen den Kategorien Abschlussprüfung, sonstige Bestätigungs- oder Bewertungsleistungen, Steuerberatung und sonstige Leistungen. Zur ersten Kategorie zählen neben dem Honorar für die eigentliche Abschlussprüfung auch die Honorare für prüfungsnahe Leistungen, die in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Abschlussprüfung stehen.140 Zu den sonstigen Bestätigungs- oder Beratungsleistungen zählen die Prüfung von Quartalsabschlüssen oder Verschmelzungs- bzw. Spaltungsprüfungen.141 Zur Kategorie Steuerberatung werden die Honorare für die Erstellung von Steuererklärungen und die Steuerplanung gerechnet.142 Die sonstigen Leistungen bilden somit einen Auf-
138 139 140 141 142
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Vgl. m. w. N. Ebke, Münchener Kommentar HGB, § 323, 2008, Rn. 85–168. Das Honorar für die Steuerberatung richtet sich nach der Steuerberater-Gebührenverordnung. Vgl. Pfitzer/Oser/Orth, Bilanzrechtsreformgesetz, 2004, S. 2595. Vgl. Lange, Münchener Kommentar HGB, § 285, 2008, Rn. 281. Vgl. Lenz/Möller/Höhn, Offenlegung der Honorare, 2006, S. 1788.
fangtatbestand für alle übrigen Honorare, die keiner anderen Kategorie zugeordnet werden können.143 2.3.5 Wesentliche Unterschiede zu den Regelungen in den USA Die oben skizzierten rechtlichen Rahmenbedingungen für die Abschlussprüfung wurden zuletzt umfassend geändert durch das Bilanzrechtsreformgesetz144 (BilReG) aus dem Jahr 2004. Diese Reform war die Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf den US-amerikanischen Sarbanes-Oxley-Act von 2002, der auch inhaltlich wegweisend für das BilReG war.145 Aus diesem Grund bestehen weitreichende Übereinstimmungen zwischen den gesetzlichen Vorgaben in den USA und in Deutschland. Vor allem die in § 319a HGB kodifizierten Einschränkungen für die Erbringung von Nichtprüfungsleistungen durch den Abschlussprüfer finden sich nahezu inhaltsgleich im SOA wieder. Die Regelungen des SOA reichen in einigen Punkten jedoch weiter als die Vorschriften des BilReG. So ist die Rechtsberatung durch den Abschlussprüfer in den USA unzulässig.146 Ebenfalls nicht gestattet ist die Beratung des Mandanten in Personalfragen, etwa hinsichtlich der Besetzung des board of directors.147 Andere Nichtprüfungsleistungen, die über eine Bagatellgrenze von 5 % der Gesamthonorare hinausgehen, sind nur zulässig, sofern sie vorab vom audit committee genehmigt werden (Sec. 202 (1) (B) (i) SOA). Diese Zustimmung muss gegenüber den Aktionären periodisch offengelegt werden.
143 144 145 146 147
Vgl. Lange, Münchener Kommentar HGB, § 285, 2008, Rn. 281. Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung Vgl. Quick, Prüfung, Beratung und Unabhängigkeit des Abschlußprüfers, 2006, S. 45. Vgl. hier und folgend Lenz, Sarbanes-Oxley Act, 2002, S. 2274. Vgl. Schmidt, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2003, S. 782 f.
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3 Theoretische Grundlagen und Forschungsstand 3.1 Bilanzpolitik 3.1.1 Begriffliche Grundlagen der Bilanzpolitik Bilanzpolitik wird gemeinhin verstanden als die beabsichtigte und zielgerichtete Beeinflussung des Jahres- bzw. Konzernabschlusses innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens zum Vorteil des Unternehmens oder des Abschlusserstellers.148 Zum Erreichen eines bestimmten Zieles werden Ermessensspielräume bewusst so ausgeübt, dass dadurch Einfluss genommen wird auf die Rechtsfolgen des Abschlusses oder das Verhalten der Bilanzadressaten.149 Bilanzpolitik ist also nicht zwingend an den Zielen des Unternehmens ausgerichtet, sondern kann sich an den persönlichen Zielen des Abschlusserstellers orientieren.150 Um Bilanzpolitik zweifelsfrei von einer neutralen Rechnungslegung abgrenzen und hinsichtlich ihrer Ausrichtung an den Zielen des Unternehmens oder des Bilanzierenden einordnen zu können, ist es also erforderlich, die Intention des Bilanzierenden zu kennen.151 Die Grenzen der legalen Bilanzpolitik zur deliktischen Bilanzmanipulation ergeben sich aus der Generalnorm des HGB (§ 264 Abs. 2 HGB) bzw. aus dem im Framework der IAS/IFRS verankerten Grundsatz des true and fair view, wonach der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermitteln muss. Wird dieser Rahmen verlassen, d. h. werden die Informationen des Jahresabschlusses derart verzerrt, dass dieser nicht mehr die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegelt, liegt eine Bilanzmanipulation vor.152 Der Begriff der Bilanzpolitik umfasst alle Rechenwerke des Jahresabschlusses sowie den Lagebericht und geht damit in seiner Bedeutung über den Wortlaut 148
149 150 151 152
Vgl. Kofahl/Pohmer, Praktische Bilanzgestaltung, 1950, S. 541; Harder, Bilanzpolitik, 1962, S. 40; Fischer/Haller, Bilanzpolitik zum Zwecke der Gewinnglättung, 1993, S. 36; Küting, Bilanzpolitik, 2000, Sp. 33. Vgl. Kropff, Sinn und Grenzen von Bilanzpolitik, 1983, S. 184. Vgl. auch Baetge/Ballwieser, Probleme einer rationalen Bilanzpolitik, 1978, S. 515. Vgl. Dechow/Skinner, Earnings management, 2000, S. 239. Vgl. Schirmeister/Siebold, Die Aufdeckung von Bilanzmanipulationen, 2008, S. 505.
35 T. Tebben, Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik, DOI 10.1007/978-3-8349-6607-0_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
hinaus.153 Im angelsächsischen Sprachraum hat sich der Begriff earnings management etabliert, der sich in erster Linie auf die Gewinn- und Verlustrechnung und somit die Gestaltung des Jahresüberschusses bezieht.154 Im weiteren Sinne wird in den USA unter earnings management jedoch auch die zielgerichtete Veränderung der übrigen Rechenwerke des Abschlusses verstanden, so dass sich der Begriff im Wesentlichen mit dem der Bilanzpolitik sachlich deckt.155 3.1.2 Instrumente der Bilanzpolitik Bilanzpolitische Maßnahmen werden in der Literatur in reale und buchmäßige Bilanzpolitik unterteilt.156 Reale Bilanzpolitik ist die zielgerichtete Gestaltung von rechtlichen und wirtschaftlichen Sachverhalten im Hinblick auf bilanzpolitisch erwünschte Wirkungen im Jahres- bzw. Konzernabschluss.157 Dabei werden in der Regel Cashflows verändert oder verschoben; reale Bilanzpolitik ist für gewöhnlich unmittelbar zahlungswirksam.158 Beispiele für reale Bilanzpolitik sind etwa die zeitliche Verlagerung von geplanten Auszahlungen (z.B. Forschung und Entwicklung) in zukünftige Perioden, das Factoring von Forderungen oder der Abschluss von Sale-and-lease-back-Verträgen. Buchmäßige Bilanzpolitik ist die zielgerichtete Ausnutzung von Spielräumen bei der Abbildung der Realität im Jahres- oder Konzernabschluss.159 Es wird dabei unterschieden zwischen formeller und materieller Bilanzpolitik. Formelle Bilanzpolitik ist die bilanzpolitisch motivierte Ausübung von Ausweis-, Erläuterungs- oder Gliederungswahlrechten. Dazu zählt etwa der Ausweis eines Aufwandspostens unter den außerordentlichen Aufwendungen, wodurch das Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit erhöht und das außerordentliche Ergebnis um den gleichen Betrag vermindert wird.160 Formelle Bilanzpolitik beeinflusst das Periodenergebnis also grundsätzlich nicht. Materielle Bilanzpolitik ist die zielgerichtete Ausnutzung von materiellen Wahlrechten und Ermessensspielräumen bei Ansatz und 153
154 155 156 157 158 159 160
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In der Literatur wird daher vereinzelt der Begriff „Rechnungslegungspolitik“ als geeigneter angesehen. Vgl. etwa Freidank, Rechnungslegungspolitik, 1990; Schäfer, Konzernrechnungslegungspolitik, 1998. Vgl. Heintges, Bilanzkultur und Bilanzpolitik, 2005, S. 29. Vgl. Healy/Wahlen, Review of the earnings management literature, 1999, S. 368. Vgl. etwa Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 239. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, 2004, S. 157. Vgl. Wagenhofer/Dücker, Die Messung von „Earnings“-Qualität, 2007, S. 270. Vgl. hier und folgend Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, 2004, S. 157. Vgl. Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 242.
Bewertung von Sachverhalten.161 Wahlrechte bestehen dann, wenn das Gesetz oder ein Rechnungslegungsstandard dem Bilanzierenden mehrere Bilanzierungsmethoden einräumt; Ermessensspielräume entstehen, wenn die Rechnungslegungsvorschriften nicht hinreichend spezifiziert sind. Solche Spielräume ergeben sich zwangsläufig, da es faktisch unmöglich ist, die Bilanzierung sämtlicher denkbarer Geschäftsvorfälle detailliert zu regeln.162 Bilanzpolitisch nutzbar sind Wahlrechte und Ermessensspielräume, wenn bei der Beurteilung eines wirtschaftlichen Sachverhaltes durch den Bilanzierenden mehrere vertretbare Sichtweisen denkbar sind, die unterschiedliche Auswirkungen auf die Rechnungslegung und somit auf die Erreichung der Ziele des Unternehmens oder des Bilanzerstellers haben. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann keine vollständige Auflistung der existierenden bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten erfolgen; dazu sei verwiesen auf die umfangreiche Fallsammlung von Rogler.163 Im Regelfall wird reale Bilanzpolitik als Beeinflussung der Sachverhaltsgestaltung vor dem Abschlussstichtag, buchmäßige Bilanzpolitik als Beeinflussung der Sachverhaltsabbildung nach dem Abschlussstichtag betrieben.164 Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Möglichkeit, buchmäßige Bilanzpolitik betreiben zu können, ggf. durch den Abschlussersteller antizipiert wird und sich somit ex ante auf dessen Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung eines Sachverhalts auswirkt.165 Daher ist die Systematisierung bilanzpolitischer Maßnahmen nicht zwingend eindeutig. Abbildung 3.1 illustriert die oben aufgezeigte Unterscheidung der verschiedenen Instrumente der Bilanzpolitik. 3.1.3 Folgen der Bilanzpolitik Um die Folgen von Bilanzpolitik bewerten zu können, ist es zunächst erforderlich, die Zwecke der Rechnungslegung zu erörtern. Darauf aufbauend kann sodann diskutiert werden, inwieweit Bilanzpolitik die Erreichung dieser Zwecke fördert oder behindert.
161 162 163
164 165
Vgl. hier und folgend ebd., 2007, S. 242. Vgl. Pfleger, Die neue Praxis der Bilanzpolitik, 1991, S. 34 f.; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 91. Vgl. Rogler, Das bilanzpolitische Potenzial von Bilanzierungswahlrechten (Teil 1), 2010, S. 163–168; Rogler, Das bilanzpolitische Potenzial von Bilanzierungswahlrechten (Teil 2), 2010, S. 225–235. Vgl. Wagenhofer/Dücker, Die Messung von „Earnings“-Qualität, 2007, S. 199. Vgl. dazu Wagenhofer, Rechnungslegung, 2001, S. 466.
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Abbildung 3.1: Instrumente der Bilanzpolitik (Quelle: In Anlehnung an Herold, Earnings Management, 2006, S. 29.)
Bilanzpolitik erfolgt im Kontext von Bilanzierungsvorschriften, die durch Gesetze (im Falle der Bilanzierung nach dem HGB) oder gesetzlich vorgeschriebene Rechnungslegungsstandards (im Falle der Bilanzierung nach IFRS) manifestiert werden. Diese Vorschriften verfolgen das übergeordnete ordnungspolitische Ziel, die wirtschaftlichen Aktivitäten von Bürgern und Unternehmen zu organisieren.166 So führt die Rechnungslegung im Idealfall dazu, dass der Markt167 die ökonomische Situation der Unternehmen präzise erkennt und somit eine effiziente Allokation seiner Ressourcen vornimmt.168 Diesem Ziel untergeordnet sind die Zwecke der Rechnungslegung im engeren Sinne, die zwischen den jeweiligen Rechnungslegungssystemen variieren. Dazu zählen bei der Anwendung der handelsrechtlichen Vorschriften des HGB die Zwecke Dokumentation, Rechenschaft und Kapitalerhaltung.169 Innerhalb dieses Zwecksystems gilt die Generalnorm, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens vermitteln muss (§ 264 Abs. 2 HGB). Dieser Grundsatz eines true and fair view ist also nicht übergeordnetes Prinzip der Rechnungslegung nach dem HGB, sondern muss im Sinne eines Interessenausgleichs zum Schutz aller Bilanzadressaten mit den übrigen Zwecken zum Ausgleich gebracht werden. Die IFRS verfolgen hingegen aufgrund ihrer in der 166 167 168 169
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Vgl. Priddat, Politische Ökonomie, 2009, S. 41. Dies betrifft eine Vielzahl von Märkten, etwa den Kapitalmarkt, den Arbeitsmarkt oder den politischen Markt für Subventionen. Vgl. Healy/Wahlen, Review of the earnings management literature, 1999, S. 366. Vgl. hier und folgend Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 92–100.
angelsächsischen Tradition verankerten Kapitalmarktorientierung den Hauptzweck, entscheidungsnützliche Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu vermitteln (Framework F.12). Die Entscheidungsnützlichkeit ist dabei an den Informationsbedürfnissen der Adressaten der Rechnungslegung zu messen. Zu diesen zählen potenzielle und bestehende Anteilseigner, Arbeitnehmer, Fremdkapitalgeber, Lieferanten, Kunden und die Öffentlichkeit (Framework F.9). Es ist davon auszugehen, dass in der Praxis die Eigenkapitalgeber, d. h. die Anteilseigner, am meisten auf den Abschluss als Informationsquelle angewiesen sind.170 Auf den ersten Blick liegt es in der Natur der Bilanzpolitik, dass diese stets den Blick auf die Lage des Unternehmens verzerrt, somit die Entscheidungsnützlichkeit des Abschlusses für den Investor einschränkt und daher grundsätzlich abzulehnen ist.171 In der Tat sprechen gute Argumente für die Sichtweise, dass Kapitalmarktakteure auf der Grundlage unverzerrter Informationen über die Lage der Unternehmen, aus ihrer Sicht also über verschiedene Investitionsalternativen, die beste Allokation ihrer Ressourcen vornehmen.172 Treffen die Anleger ihre Investitionsentscheidungen hingegen basierend auf durch Bilanzpolitik verzerrten Abschlüssen und gehen daher etwa irrtümlich von einer stabilen Ertragslage des Unternehmens aus, kann dies zu Fehlallokationen und mangelnder Diversifikation, mithin also zu Verlusten führen.173 Zudem kann modelltheoretisch gezeigt werden, dass es für Manager rational sein kann, im Zuge ihrer ergebniserhöhenden Bilanzpolitik oder -manipulation gleichzeitig Überinvestitionen tätigen, um den Schein des guten Ergebnisses zu wahren.174 Somit kann eine Fehlallokation auch auf der Ebene des Unternehmens das Resultat von Bilanzpolitik sein, was wiederum zu zusätzlichen Kosten für die Eigenkapitalgeber, d. h. also die Eigentümer des Unternehmens, führt.175 170
171 172
173 174 175
Institutionelle Fremdkapitalgeber verfügen ohnehin über ein sehr hohes Einfluss- und Kontrollpotenzial und sind daher nicht in so hohem Maße auf den Abschluss als Informationsquelle angewiesen. Vgl. Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft, Kapitalstrukturpolitik und Kapitalgeberinteressen, 2009, S. 341. Vgl. für diese Auffassung Herold, Earnings Management, 2006, S. 49–58. Vgl. hier und folgend Easley/O’Hara, Information and the cost of capital, 2004, S. 1553– 1557; Yee, Earnings quality and the equity risk premium, 2006, S. 835–837; Lambert/Leuz/ Verrecchia, Accounting information, 2007, S. 385–389. Eine Ausprägung dieser Fehlentscheidungen ist die übermäßige Vergütung des Managements. Dieser Aspekt wird ausführlich unten in Kapitel 3.2.1.1 erörtert. Vgl. Kedia/Philippon, The economics of fraudulent accounting, 2009, S. 2195–2197. Einen empirischen Beleg für diese These liefern McNichols/Stubben, Does earnings management affect firms’ investment decisions?, 2008, S. 1571–1603.
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Es ist denkbar, dass der Kapitalmarkt die Anreize des Unternehmens bzw. des Managements zum Einsatz von Bilanzpolitik erkennt und daher die Verzerrung des Abschlusses antizipieren kann.176 Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Markt die Bilanzpolitik nicht ex post erkennt, da sie nicht unmittelbar beobachtbar ist, sondern die erwartete Verzerrung aus der Berichterstattung herausrechnet – auch wenn das Unternehmen trotz entsprechender Anreize keine Bilanzpolitik betrieben hat.177 An einem in diesem Sinne effizienten Kapitalmarkt führt eine bilanzpolitisch verzerrte Berichterstattung somit im Durchschnitt nicht zu einem fehlerhaften Informationsstand der Investoren.178 Jedoch wird die Information unsicherer,179 sodass sie aus Sicht eines risikoaversen Investors weniger entscheidungsnützlich ist als eine unverzerrte Berichterstattung.180 Neben diesen negativen Folgen der Bilanzpolitik ist jedoch ferner denkbar, dass der Abschlussersteller die ihm zur Verfügung stehenden Wahlrechte und Spielräume nutzt, um wertrelevante Informationen zu kommunizieren181 und dadurch die Informationsasymmetrie zwischen der Unternehmensleitung und den Eigentümern zu verringern.182 Bilanzpolitik kann als Signaling-Instrument eine höhere Glaubwürdigkeit aufweisen als andere Formen des value reporting, etwa die Prognoseberichterstattung im Lagebericht, da es mit Kosten verbunden ist. So kann der Investor aus der Bereitschaft des Unternehmens, die Kosten der Erzeugung des Signals zu tragen, auf den Wert des Unternehmens schließen.183 Diese Form der Bilanzpolitik spielt in der Praxis sicherlich eine untergeordnete 176
177
178 179 180
181 182 183
40
Vgl. Stein, Efficient capital markets, 1989, S. 655–669; Fischer/Verrecchia, Reporting bias, 2000, S. 229–245. Es liegen jedoch auch zahlreiche empirische Befunde vor, nach denen der Kapitalmarkt die Bilanzpolitik der Unternehmen nicht antizipiert. Vgl. Dechow/Sloan/Sweeny, Causes and consequences of earnings manipulation, 1996, S. 3; Sloan, Information in accruals and cash flows about future earnings, 1996, S. 314. Diese Erwartungsrevision der Bilanzadressaten ist wiederum der Grund dafür, warum Unternehmen Bilanzpolitik betreiben, obwohl sie „durchschaut“ wird. Verzichtet das Unternehmen nämlich für die Investoren unerkennbar auf Bilanzpolitik, berücksichtigen diese weiterhin die vermeintliche Verzerrung bei der Analyse des Abschlusses und erhalten so ein falsches und im Regelfall für das Unternehmen nachteiliges Bild. Vgl. m. w. N. Ronen/Yaari, Earnings Management, 2008, S. 298 f. Vgl. Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 286. Dies zeigt sich etwa darin, dass Anleger bei erwarteten Verzerrungen eine höhere Eigenkapitalrendite verlangen. Vgl. Easley/O’Hara, Information and the cost of capital, 2004, S. 1553. Vgl. dazu allgemein Lammert, Kommunikationsformen, 2010, passim. Vgl. etwa Healy/Palepu, Financial disclosure strategies, 1993, S. 2. Vgl. ausführlich Hughes/Schwartz, Asymmetric information approach, 1988, S. 41–58.
Rolle.184 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass im Hinblick auf den Zweck der IFRS eine bilanzpolitische Verzerrung des Abschlusses im Regelfall abzulehnen ist. Aus dieser Sicht heraus ist es also unbeachtlich, ob bilanzpolitische Maßnahmen opportunistisch veranlasst sind oder nach der Intention des Managements dem Unternehmen dienen sollen; in beiden Fällen wird die Entscheidungsnützlichkeit der Informationen des Abschlusses eingeschränkt, sofern die Abschlussadressaten nicht in der Lage sind, die Bilanzpolitik als solche zu erkennen. Betrachtet man die Folgen der Bilanzpolitik in Anlehnung an das oben skizzierte Zwecksystem der Rechnungslegung nach dem Verständnis des HGB nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsnützlichkeit der Informationen, so zeigt sich, dass eine vollständige Unterbindung von Bilanzpolitik nicht zwingend zu einem Ausgleich der Interessen der verschiedenen Akteure führt. In einem analytischen Modell demonstriert Liang, dass vertragliche Maßnahmen zur Einschränkung der Bilanzpolitik zwischen Eigentümern und Managern oder eine Null-Toleranz-Politik von Standardsetzern und Aufsichtsbehörden dazu führen können, dass rational agierende Manager Investitionsmöglichkeiten mit positivem Kapitalwert ungenutzt lassen und somit nicht im Interesse des Unternehmens bzw. dessen Eigentümer handeln.185 Nach dieser Überlegung existiert also ein optimales Ausmaß an zu duldender Bilanzpolitik, das zu einem Gleichgewicht der Kosten von Bilanzpolitik und der Vermeidung von Bilanzpolitik führt. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Abschlüsse sind sämtlich nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften aufgestellt; HGB-Konzernabschlüsse sind im Untersuchungssample nicht enthalten. Für die folgenden Untersuchungen werden daher die Zwecke des IFRS-Abschlusses zugrunde gelegt und damit der Ansicht gefolgt, dass bilanzpolitische Maßnahmen, sofern sie nicht transparent sind und damit die Entscheidungsnützlichkeit des Abschlusses einschränken, grundsätzlich schädlich sind. Dies umfasst freilich auch die opportunistische Bilanzpolitik, also jene Beeinflussung der Rechnungslegung, die der Vorstand betreibt um seine Vergütung zu erhöhen. 3.1.4 Messung der Bilanzpolitik Bilanzpolitik, d. h. die beabsichtigte Veränderung des in Bilanz und GuV dargelegten Ergebnisses gegenüber dem „richtigen“ Ergebnis im Sinne der Ziele der
184 185
Vgl. so auch Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 316. Vgl. hier und folgend Liang, Equilibrium earnings management, 2004, S. 691–704.
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Rechnungslegung, lässt sich nicht unmittelbar beobachten.186 Für den Ersteller des Jahresabschlusses stiftet Bilanzpolitik nämlich gerade dann den größten Nutzen, wenn sie unbeobachtbar erfolgt und von den Bilanzadressaten nicht antizipert werden kann. Die Schwierigkeit in der empirischen Erfassung der Bilanzpolitik besteht also darin, dass sie die Kenntnis des „richtigen“ Ergebnisses als Vergleichsmaßstab voraussetzt. Dies wiederum erfordert Einblicke in die einzelnen Sachverhalte und Ermessensausübungen, die den jeweiligen Bilanz- und GuV-Positionen zugrunde liegen. Bei der Entdeckung von Bilanzpolitik sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Anwendungsebenen zu unterscheiden. Zum einen besteht die Möglichkeit, in der individuellen, detaillierten Analyse eines einzelnen Abschlusses möglichst weitreichende Kenntnisse über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu erlangen und mögliche bilanzpolitische Verzerrungen des Abschlusses zu erkennen.187 Diese Art der Analyse empfiehlt sich vor allem für Analysten und Investoren im Rahmen von Anlageentscheidungen bzw. -empfehlungen. Die zweite Anwendungsebene betrifft zum anderen die Frage nach den Ursachen und Wirkungen der Bilanzpolitik im Allgemeinen; zur Beantwortung dieser Frage ist häufig eine Vielzahl von Abschlüssen zu untersuchen. Die AccountingForschung hat verschiedene Ansätze hervorgebracht, mit denen sich die Bilanzpolitik von Unternehmen anhand beobachtbarer Informationen zumindest annäherungsweise ermitteln lässt. Diese Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich ihres Einsatzzweckes, da sie für unterschiedliche Formen von Bilanzpolitik konzipiert sind. Somit setzt die Wahl eines geeigneten Verfahrens voraus, dass eine Hypothese über die Wirkungsrichtung der Bilanzpolitk vorliegt. Eine Gattung von Methoden zur empirischen Schätzung von Bilanzpolitik eignet sich vorrangig zum Nachweis von Ergebnisglättung. Dabei werden bilanzpolitisch leicht beeinflussbare Größen bzw. deren Veränderung mit weniger leicht beeinflussbaren Größen, speziell mit Cashflows bzw. deren Veränderung, verglichen. Betreibt das betrachtete Unternehmen ergebnisglättende Bilanzpolitik, so zeigt sich dies etwa darin, dass eine starke negative Korrelation zwischen den Cashflows und den durch buchmäßige Bilanzpolitik veränderbaren Größen besteht.188 Eine weitere Methodengattung ist besonders dafür geeignet, das Erreichen von ErgebnisBenchmarks durch den Einsatz von Bilanzpolitik nachzuweisen. Sie basiert auf der 186 187 188
42
Vgl. hier und folgend Wagenhofer/Dücker, Die Messung von „Earnings“-Qualität, 2007, S. 275. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, 2004, S. 1. Vgl. m w. N. Schipper/Vincent, Earnings quality, 2003, S. 101.
Idee, dass das bilanzielle Ergebnis von Unternehmen einer statistischen Verteilung folgt. Demnach äußert sich das durch Bilanzpolitik herbeigeführte Erreichen einer Benchmark bei einer genügend großen Anzahl von Beobachtungen darin, dass in einer Umgebung unterhalb dieser Benchmark auffällig wenige, oberhalb davon jedoch auffällig viele Beobachtungen gelegen sind.189 Bilanzpolitik mit dem Ziel der Ergebnisglättung bzw. des Erreichens von Benchmarks spielt für die nachfolgenden Untersuchungen keine bedeutende Rolle; ihre Messung wird daher nicht vertieft erörtert.190 Bilanzpolitik als Folge von Vergütungsanreizen ist im Regelfall ergebnismaximierend und in gewissen Situationen191 , speziell im Verlustfall, ergebnisminimierend. Ergebnismaximierung oder -minimierung lässt sich aus Sicht des Bilanzierenden durch buchmäßige Bilanzpolitik erzielen, indem alle Bilanzierungswahlrecht und Ermessensspielräume so ausgeübt werden, dass sich der gewünschte Ergebnisbeitrag ergibt. Auch durch reale Bilanzpolitik lässt sich die Beeinflussung des Gewinns erzielen. So führt beispielsweise eine Verlängerung des Zahlungsziels eines Handelsunternehmens kurz vor dem Bilanzstichtag mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Zunahme der Umsatzerlöse und des Forderungsbestandes.192 Betrachtet man buchmäßige und reale Bilanzpolitik hinsichtlich der kurzfristigen Auswirkung auf die Ergebniskomponenten, so wird deutlich, dass sie im Wesentlichen auf die Periodenabgrenzungen Einfluss nehmen; die kurzfristigen Cashflows werden allenfalls am Rande beeinflusst.193 Daher existiert eine Vielzahl von Verfahren, die versuchen, den Gesamtbetrag der Periodenabgrenzungen in einen normalen Teil und einen Rest aufzuteilen, der das Resultat von Bilanzpolitik ist.194 Die normalen Periodenabgrenzungen sind dabei jene, die sich aus der pflichtgemäßen Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften ergeben und nicht im Ermessen des Bilanzierenden stehen; sie werden daher als nicht-diskretionäre Periodenabgrenzungen bezeichnet. Dementsprechend sind die diskretionären Peri189 190 191 192
193
194
Vgl. etwa Burgstahler/Dichev, Earnings decreases and losses, 1997, S. 99–126. Vgl. dazu ausführlich Wagenhofer/Dücker, Die Messung von „Earnings“-Qualität, 2007, S. 263–297; Dechow/Ge/Schrand, Understanding earnings quality, 2009, S. 44–47. Dazu ausführlich unten Kapitel 3.3.2. Wenn die Wertberichtigungen auf Forderungen anhand von säumigen Debitoren ermittelt werden, führt eine Verlängerung des Zahlungsziels zudem zu einem Rückgang des Wertberichtigungsbedarfs. So ist es etwa im oben genannten Beispiel denkbar, dass die Verlängerung des Zahlungsziels kurz vor dem Stichtag auch zusätzliche Kunden anlockt, die so früh zahlen, dass die Umsätze bis zum Stichtag noch zahlungswirksam werden. Vgl. Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 254.
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odenabgrenzungen das Resultat der Bilanzpolitik des Unternehmens. Abbildung 3.2 illustriert, welche Ergebniskomponenten von Bilanzpolitik beeinflusst werden.
Abbildung 3.2: Auswirkung der Bilanzpolitik auf die Ergebniskomponenten
Die empirische Abgrenzung zwischen diskretionären und nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen wird wiederum dadurch erschwert, dass der Unterschied nicht unmittelbar beobachtbar ist. In der Literatur werden daher verschiedene Modelle verwendet, die das normale Maß an Periodenabgrenzungen eines Unternehmens zu ermitteln versuchen; darüber hinausgehende Periodenabgrenzungen werden sodann als diskretionär angesehen. Zur Kalibrierung dieser Modelle werden häufig Daten aus einem Schätzungszeitraum verwendet, von dem angenommen wird, dass keine oder weniger Bilanzpolitik als im eigentlichen Untersuchungszeitraum betrieben wurde. Im Grundfall liegt der Schätzungszeitraum vor dem Untersuchungszeitraum. Es sind jedoch auch nicht-temporale Abgrenzungen denkbar, etwa der Vergleich verschiedener Branchen. Allgemeiner lässt sich also von Schätzungssample und Untersuchungssample sprechen. Ein grundlegendes Modell nimmt an, dass die normalen bzw. nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen dem Durchschnittswert der gesamten Periodenabgrenzungen im gesamten Schätzungssample entsprechen. Die diskretionären Periodenabgrenzungen sind demnach die gesamten Periodenabgrenzungen abzüglich des erwähnten Durchschnittswertes.195 Im sog. Random Walk-Modell wird ebenfalls angenommen, dass sich die nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen eines Unternehmens im Zeitablauf nicht ändern. Die diskretionären Periodenabgrenzungen werden jedoch als Differenz der gesamten Periodenabgrenzungen zwischen 195
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Vgl. etwa Healy, The effect of bonus schemes, 1985, S. 95, der Schätzungs- und Untersuchungssample anhand verschiedener Anreizstrukturen trennt.
zwei Perioden gemessen.196 Dies entspricht also im Ergebnis dem grundlegenden Modell, bei dem der Schätzungszeitraum als die unmittelbar vor dem Untersuchungszeitraum liegende Periode gewählt wird. Beide Modelle implizieren, dass die nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen im Zeitablauf konstant sind. Die Realitätsnähe dieser Annahme ist jedoch fragwürdig, da das Ausmaß der normalen – also der durch die Rechnungslegungsvorschriften vorgeschriebenen – Periodenabgrenzungen von der ökonomischen Situation des Unternehmens abhängt.197 So scheint es beispielsweise plausibel, dass die Höhe der Gewährleistungsrückstellungen eines Unternehmens in einem Zusammenhang steht mit den Umsatzerlösen. Ein stetig wachsendes Unternehmen wird daher auch kontinuierlich höhere Gewährleistungsrückstellungen ausweisen; das oben geschilderte Random Walk-Modell erkennt diese Veränderung jedoch als Bilanzpolitik.198 Diese Zusammenhänge versucht der Ansatz von Jones, das sog. Jones-Modell, zu berücksichtigen. Dieses Modell stellt die normalen Periodenabgrenzungen als eine Funktion der Veränderung der Umsatzerlöse und der Höhe des Bruttoanlagevermögens dar.199 Die Bedeutung der Umsatzerlöse für die Periodenabgrenzungen wurde oben bereits erläutert; das Bruttoanlagevermögen steht in engem Zusammenhang mit der zu erwartenden Höhe der Abschreibungen. Die Parameter der Funktion werden anhand des Schätzungssamples kalibriert, sodass mit dem Modell für das Untersuchungssample diejenigen Periodenabgrenzungen errechnet werden können, die aufgrund der tatsächlich beobachteten Umsatzänderungen und des Bruttoanlagevermögens zu erwarten sind. Abweichungen von diesen Erwartungswerten werden als diskretionäre Periodenabgrenzungen angesehen. Andere Modelle versuchen nicht, die Bilanzpolitik der Unternehmen vollständig zu erfassen, sondern konzentrieren sich auf einen Teil der Bilanzpositionen, die bilanzpolitisch verzerrt sein können. Vor dem Hintergrund, dass Bilanzpolitik in aller Regel nicht beliebig lange aufrecht erhalten werden kann, ist es etwa sinnvoll, lediglich die Bilanzpolitik innerhalb des Umlaufvermögens zu betrachten. Es ist nämlich davon auszugehen, dass auf diese Weise auch bei der Betrachtung kurzer Zeiträume die Umkehrung bilanzpolitischer Maßnahmen mit in die Analyse fällt 196 197 198
199
Vgl. DeAngelo, Accounting numbers, 1986, S. 409. Vgl. Kaplan, Comments on Paul Healy, 1985, S. 111. Dies gilt nicht, wenn die Periodenabgrenzungen anhand der Umsatzerlöse normiert werden. Häufig erfolgt die Normierung jedoch anhand der Bilanzsumme, die die Ausweitung der Umsatzerlöse aber ggf. nur unzureichend widerspiegelt. Vgl. hier und folgend Jones, Earnings Management, 1991, S. 211.
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und so auch deren Auswirkung untersucht wird. DeFond/Park verwenden ein Modell, das das Umlaufvermögen als Funktion der Umsatzerlöse darstellt; die Kalibrierung des Modells erfolgt jeweils anhand der Vorperiode.200 So lässt sich die unerwartete Abweichung von den durch das Modell bestimmten normalen Periodenabgrenzungen bestimmen (abnormal working capital accruals). Auch das Modell von Myers et al. betrachtet lediglich die Periodenabgrenzungen innerhalb des Umlaufvermögens (current accruals).201 Es basiert auf der Annahme, dass sich diese Abgrenzungen als Funktion der Cashflows der gleichen Periode abbilden lassen. Können durch statistische Testverfahren zusätzliche signifikante Einflüsse auf die Höhe der current accruals identifiziert werden, werden diese als Treiber für Bilanzpolitik angenommen. Die geschilderten Modelle treffen vereinfachende Annahmen und bilden die Realität nur ungenau ab; sie messen die Bilanzpolitik eines Unternehmens daher nicht ohne Fehler.202 Hinzu kommt, dass sie keine unmittelbare Aussage über die Intention des Bilanzierenden zulassen. So zeigen die Modelle vor allem nicht an, ob die gemessene Bilanzpolitik als opportunistisch im Sinne der vorliegenden Arbeit anzusehen ist. Lässt sich jedoch empirisch feststellen, dass unter gewissen Bedingungen, etwa dem Vorliegen von Vergütungsanreizen, ein überdurchschnittliches Maß an Bilanzpolitik angewandt wird, kann dies auf die Intention des Bilanzierenden hinweisen. Nähere Erläuterungen und eine kritische Diskussion des Jones-Modells und dessen Erweiterungen sowie der Modelle von DeFond/Park und Myers et al. folgen in den Kapiteln 4.1.3.2 und 4.1.3.3 im Zuge der konkreten Anwendung der Modelle für die Zwecke der nachfolgenden Untersuchungen.
200 201 202
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Vgl. DeFond/Park, The reversal of abnormal accruals, 2001, S. 380. Vgl. Myers/Myers/Omer, Mandatory auditor rotation, 2003, S. 784. Vgl. Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 255.
3.2 Institutionenökonomische Aspekte von Rechnungslegung und Abschlussprüfung 3.2.1 Prinzipal-Agenten-Theorie 3.2.1.1 Grundlagen anreizkompatibler Vergütung Die Prinzipal-Agenten-Theorie ist ein Erklärungsansatz zur Analyse und Gestaltung203 von hierarchischen Auftragsbeziehungen zwischen einem delegierenden Prinzipal und einem ausführenden Agenten204 , zwischen denen Informationsasymmetrie herrscht.205 Diese Auftragsbeziehungen sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass der Prinzipal dem Agenten eine Aufgabe bzw. ein Ziel zuweist und ihm gewisse Entscheidungskompetenzen und Handlungsspielräume einräumt, um die Spezialisierungsvorteile ausnutzen zu können, die sich aus speziellen Kenntnissen oder Fähigkeiten des Agenten ergeben.206 Schon daraus folgt, dass die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Prinzipal und Agent die durchzuführenden Handlungen nicht vollständig determinieren und es sich daher um sog. unvollständige Verträge handelt; ferner müssten in aller Regel die Verträge allein wegen der Komplexität der delegierten Aufgaben ohnehin unvollständig bleiben.207 Beide Parteien versprechen sich von dem Vertragsverhältnis eine Nutzensteigerung: der Prinzipal kommt in den Genuss der Spezialisierungsvorteile und der Agent erhält vom Prinzipal im Gegenzug eine Vergütung.208 Es hängt von der Situation ab, wer Prinzipal oder Agent ist. So kann dieselbe Person in einem Vertragsverhältnis Prinzipal sein, in einem anderen aber Agent.209 Zudem können komplexere Vertragsverhältnisse mehrstufig sein, sodass der Prinzipal einen Agenten beauftragt, der zur Erfüllung des Vertrags sich wiederum 203
204
205 206 207 208 209
Die Literatur lässt sich in einen positiven (Analyse) und einen normativen (Gestaltung) Forschungszweig unterteilen. Diese Differenzierung ist für die nachfolgenden Betrachtungen nicht relevant. Vgl. weiterführend Jensen, Organization theory and methodology, 1983, S. 334– 336. Prinzipal und Agent können auch jeweils eine Personengruppe sein. Vgl. Arrow, The economics of agency, 1985, S. 42 f. Im Folgenden wird der Singular verwendet, auch wenn eine Mehrzahl von Personen gemeint ist. Vgl. Jensen/Meckling, Theory of the firm, 1976, S. 305–312; Ross, Theory of agency, 1973, S. 134–139. Vgl. Laux, Grundfragen, 1979, S. 1–3; Ross, Theory of agency, 1973, S. 134 f. Vgl. Hart, Incomplete contracts, 1988, S. 121–124. Vgl. Elschen, Agency-Theorie, 1991, S. 1004. Vgl. m. w. N. Herzig/Watrin, Obligatorische Rotation, 1995, S. 786.
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eines eigenen Agenten bedient und somit gegenüber dem einen Vertragspartner als Agent, gegenüber dem anderen Vertragspartner jedoch als Prinzipal auftritt.210 Die Prinzipal-Agenten-Theorie fußt auf der Annahme, dass es dem Prinzipal nicht oder nur mit sehr hohen Kosten möglich ist, die Einhaltung des Vertrages durch den Agenten zu überwachen und durchzusetzen.211 Daher besteht zwischen Prinzipal und Agent eine asymmetrische Verteilung der Informationen. Zum einen kennt der Prinzipal vor Vertragsabschluss weder die persönlichen Fähigkeiten (hidden characteristics) noch die genauen Absichten (hidden intention) des Agenten. Daher kann es zur Auswahl ungeeigneter Agenten, einer Negativauslese (adverse selection) der verfügbaren Kandidaten oder gar zum Scheitern des Vertragsabschlusses (hold up) kommen.212 Im Folgenden soll jedoch das Augenmerk auf die Informationsasymmetrien gerichtet werden, die sich nach dem Vertragsabschluss ergeben. Bei bestehenden Prinzipal-Agenten-Beziehungen kann der Prinzipal die Handlungsmöglichkeiten und auch die tatsächlich durchgeführten Handlungen des Agenten (hidden action) nicht bzw. nur unvollständig beobachten.213 Diese Informationsasymmetrien eröffnen dem Agenten die Möglichkeit, seinen persönlichen Nutzen durch opportunistisches Verhalten zu steigern (moral hazard). Weichen die Interessen des Agenten von denen des Prinzipals ab, bleibt der Nutzen des Prinzipals aus den vom Agenten ausgeführten Handlungen hinter dem theoretisch maximal realisierbaren Nutzen, also dem Nutzen, den ein sog. perfekter Agent erreichen würde, zurück.214 Dieser als Residualverlust bezeichnete Wohlfahrtsverlust des Prinzipals bildet zusammen mit den Überwachungskosten des Prinzipals und den Bondingkosten des Agenten215 die Agency-Kosten. Wohlfahrtsverluste des Prinzipals durch opportunistisches Verhalten des Agenten lassen sich also reduzieren, wenn die Interessen des Agenten mit denen des Prinzipals gleichgerichtet werden. Ein Instrument dafür ist die sog. anreizkompatible Vergütung.216 Sie basiert auf der Idee, die Vergütung des Agenten derart auszugestalten, dass sie am höchsten ausfällt, wenn der Agent aus den ihm zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen diejenigen auswählt, die dem Prinzipal 210 211 212 213 214 215 216
48
Vgl. Tirole, Hierarchies and bureaucracies, 1986, S. 187. Vgl. hier und folgend Jensen/Meckling, Theory of the firm, 1976, S. 308. Vgl. Akerlof, The market for “lemons”, 1970, S. 488–500. Vgl. m. w. N. Herzig/Watrin, Obligatorische Rotation, 1995, S. 785-788. Vgl. hier und folgend Jensen/Meckling, Theory of the firm, 1976, S. 308. Auf diese Elemente soll im Folgenden nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu ausführlich ebd., 1976, S. 308. Vgl. Laux, Anreizsysteme bei unsicheren Erwartungen, 1972, S. 795–803.
den höchsten Nutzen stiften. Praktisch umsetzen lässt sich solch eine anreizkompatible Vergütung, wenn es eine tragfähige Bemessungsgrundlage gibt, die sowohl mit dem vertraglich vereinbarten (Arbeits-)Einsatz des Agenten als auch mit dem Nutzen des Prinzipals positiv korreliert.217 Dies kann in der praktischen Umsetzung problematisch sein. Zum einen hängen verfügbare Bemessungsgrundlagen in aller Regel nicht strikt vom Einsatz des Agenten ab, sondern enthalten exogene oder stochastische Komponenten.218 Der daraus resultierende imperfekte Zusammenhang zwischen Einsatz und Vergütung des Agenten schwächt die Anreizwirkung der Vergütung.219 Zum anderen ist es denkbar, dass für den Agenten die Möglichkeit besteht, die Bemessungsgrundlage zu beeinflussen, ohne dafür zum Wohle des Prinzipals tätig zu werden. Auch in diesem Fall kann die Vergütung nicht mehr eine Gleichrichtung der Interessen von Prinzipal und Agent gewährleisten. Mehr noch: sie kann sogar einen eigenständigen Anreiz zu opportunistischem Verhalten des Agenten darstellen und somit die Probleme der Prinzipal-Agenten-Beziehung noch verschärfen.220 Die geschilderten Schwierigkeiten bei der praktischen Implementierung einer anreizkompatiblen Vergütung könnten ein Grund dafür sein, warum die empirische Forschung allenfalls verhalten positive Reaktionen des Kapitalmarktes auf die Einführung ergebnisabhängiger Managervergütung feststellen konnte.221 Ein in der Literatur geäußerter Kritikpunkt an der Prinzipal-Agenten-Theorie ist die mangelhafte Operationalisierbarkeit der Agency-Kosten. Schneider argumentiert, dass Agency-Kosten – allen voran der Residualverlust – nicht messbar sind, da die Kenntnis eines optimalen Vergleichspunktes fehlt.222 Die Entscheidungen des Agenten können nämlich nicht an denen gemessen werden, die der Prinzipal für sich selbst getroffen hätte, da diese Betrachtung u. a. nicht den erhofften Spezialisierungsvorteil berücksichtigt. Zwar ist der Kritik insofern zuzustimmen, als Agency-Kosten praktisch wohl nicht zuverlässig messbar sind. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist dieser Aspekt jedoch nicht entscheidend. Vielmehr soll die Theorie dazu dienen, innerhalb des Geflechts aus Aktionären, Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer einer Aktiengesellschaft, besonders im Hinblick 217 218 219 220 221
222
Vgl. ähnlich Fallgatter, Variable Vergütung, 2003, S. 705. Vgl. Knoll/Knoesel/Probst, Aufsichtsratsvergütungen, 1997, S. 238. Vgl. Ebers/Gotsch, Institutionenökonomische Theorien der Organisation, 2002, S. 216 f. Vgl. Shleifer/Vishny, A survey of corporate governance, 1997, S. 745. Vgl. etwa Bhagat/Brickley/Lease, Incentive effects, 1985, S. 214; DeFusco/Johnson/Zorn, The effect of executive stock option plans, 1990, S. 624; DeFusco/Zorn/Johnson, Executive stock option plan changes, 1991, S. 42. Vgl. hier und folgend Schneider, Flops in the principal-agent-theory, 1989, S. 485.
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auf die Rechnungslegung und die Vergütung, Problembereiche zu identifizieren, die aus asymmetrischen Informationsverteilungen resultieren. Daher werden im Folgenden die Prinzipal-Agenten-Beziehungen der genannten Parteien im Hinblick auf die dabei gezahlten Vergütungen untersucht. 3.2.1.2 Prinzipal-Agenten-Beziehungen zwischen Aktionären, Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer einer Aktiengesellschaft Börsennotierte Aktiengesellschaften sind in aller Regel durch eine sehr ausgeprägte Trennung von Eigentum und Unternehmensführung gekennzeichnet. Die Aktionäre begnügen sich damit, ihr Kapital zur Verfügung zu stellen, und räumen dem Vorstand weitreichende Entscheidungskompetenzen ein. Aufgrund der Komplexität des Unternehmens besteht eine deutliche Informationsasymmetrie zwischen dem Vorstand und den Aktionären.223 Zudem lassen sich abweichende Interessen bzw. Präferenzenstrukturen zwischen Anteilseignern und dem Vorstand zumindest nicht grundsätzlich ausschließen.224 Die Delegation der Geschäftsführung eines Unternehmens durch die Eigentümer (hier: die Aktionäre) an einen oder mehrere Manager (hier: den Vorstand) ist damit gewissermaßen der „Standardfall“ der Prinzipal-Agenten-Beziehungen.225 Die Literatur problematisiert zahlreiche Verhaltensweisen des Managers226 , mit denen er zum Schaden der Aktionäre seinen persönlichen Nutzen steigert. Diese lassen sich unterteilen in das Unterlassen von Handlungen, die dem Prinzipal Nutzen stiften, sowie die Durchführung von Handlungen, die dem Nutzen des Prinzipals zuwider laufen. Zur ersten Kategorie zählt das sog. shirking227 , also die Idee, dass Manager den Umstand, dass ihr Verhalten nicht (vollständig) beobachtbar ist, dazu ausnutzen, ein verringertes Anstrengungsniveau an den Tag zu legen und somit ihr Arbeitsleid zu verringern.228 Da das Resultat der Arbeit eines Managers weniger vom quantitativen Arbeitseinsatz abhängt, sondern vielmehr 223 224 225 226
227 228
50
Vgl. etwa Pellens/Gassen/Richard, Ausschüttungspolitik börsennotierter Unternehmen, 2003, S. 313; Ruhwedel/Schultze, Value Reporting, 2002, S. 603. Vgl. Watrin, Internationale Rechnungslegung und Regulierungstheorie, 2001, S. 32–37. Vgl. Rees, Principal and agent, 1985, S. 91 f. Shleifer/Vishny, A survey of corporate governance, 1997, S. 740-744. In der Literatur zur Institutionenökonomie wird in der Regel von Managern gesprochen. Dem wird hier gefolgt. Gemeint ist im Kontext der vorliegenden Untersuchung der Vorstand der Aktiengesellschaft. Dt.: Drückebergerei. Vgl. Kiener, Die Principal-Agent-Theorie, 1990, S. 3. Vgl. Harris/Raviv, Incentive contracts, 1978, S. 21.
davon, ob der Manager aus der Menge der Handlungsmöglichkeiten die richtigen auswählt oder nicht,229 ist das Konzept des shirking in diesem Kontext scheinbar nicht anwendbar.230 Diese Sichtweise übersieht jedoch, dass die Auswahl der richtigen Entscheidungen für den Manager mit Suchkosten231 verbunden ist, die ggf. negativ in seine Nutzenfunktion einfließen und damit die gleiche Wirkungsweise begründen können wie „konventionelles“ Arbeitsleid.232 Zur zweiten Kategorie zählt der Konsum sog. perquisites, d. h. die Nutzung von Ressourcen des Unternehmens zur Steigerung des persönlichen Nutzens.233 Die darunter zu subsumierenden Maßnahmen reichen von betragsmäßig eher unbedeutenden Entscheidungen wie der Anschaffung eines luxuriösen Dienstwagens bis hin zum empire building, also zum Herbeiführen eines übermäßigen Unternehmenswachstums – etwa durch Konglomeratsbildung – mit dem Ziel, die persönliche Machtposition zu stärken.234 Nutzt ein Manager die Informationsasymmetrie zwischen sich und den Aktionären durch shirking oder den Konsum von perquisites aus, reduziert dies den finanziellen Erfolg des Unternehmens und damit den Nutzen der Aktionäre. Zur Vermeidung opportunistischen Verhaltens durch den Manager bieten sich im Hinblick auf die Prinzipal-Agenten-Theorie zwei Lösungswege an: die Schaffung von Anreizsystemen und der Abbau von Informationsasymmetrien durch die Einführung von Kontrollinstanzen.235 Um den Manager mit den richtigen Anreizen auszustatten, kann ihm eine anreizkompatible Vergütung gewährt werden. Dabei zahlen die Aktionäre dem Manager eine variable Vergütung, die an den Erfolg des Unternehmens gekoppelt ist, um das Interesse des Managers mit dem der Aktionäre möglichst gleichzurichten. Neben anderen Einschränkungen236 eröffnet dies dem Manager ggf. die Möglichkeit, die Bemessungsgrundlage der Vergütung zu beeinflussen, ohne dass dies zu einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmens229 230 231 232
233 234 235 236
Vgl. Laux, Unternehmensrechnung, Anreiz und Kontrolle, 2006, S. 6. So etwa Knoll/Knoesel/Probst, Aufsichtsratsvergütungen, 1997, S. 238. Vgl. dazu Picot, Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie, 1982, S. 270. Ferner lässt sich argumentieren, dass Manager eine höhere Risikoaversion aufweisen als Aktionäre und daher die Durchführung von für den Prinzipal nutzenstiftenden Handlungsmöglichkeiten unterlässt. Vgl. dazu Gedenk, Agency-Theorie und die Steuerung von Geschäftsführern, 1998, S. 25. Vgl. Jensen/Meckling, Theory of the firm, 1976, S. 313. Vgl. Jensen, Agency costs, 1986, S. 323–329. Vgl. Elschen, Anreiz- und Kontrollsysteme, 1991, S. 210 f. Vgl. etwa zum Problem der Nachverhandlung von Vergütungsvereinbarungen im Misserfolgsfall Winter, Managemententlohnung, 2001, S. 508 f.
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wertes und somit zu einem Nutzenzuwachs der Aktionäre führt.237 Dies fällt dem Manager umso leichter, je höher sein Einfluss auf die Bemessungsgrundlage ist. Am leichtesten veränderbar sind rechnungswesenbasierte Kennzahlen, da die Rechnungslegung im Falle der Aktiengesellschaft wie dargelegt238 der Verantwortung des Vorstandes untersteht.239 Ein weiterer Lösungsansatz kann der Abbau der Informationsasymmetrie zwischen Aktionären und Managern durch die Implementierung eines Überwachungsgremiums sein.240 In der deutschen Aktiengesellschaft übernimmt der Aufsichtsrat diese Aufgabe. Er erhält von den Aktionären241 u. a. die Funktion zugeschrieben, in deren Interesse die Geschäftsführung zu überwachen und die Vergütung der Manager festzulegen; es besteht also eine Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen den Aktionären und dem Aufsichtsrat.242 So ist zu beachten, dass der Aufsichtsrat in seiner Rolle als Agent selbst zu opportunistischem Verhalten neigen kann und so die Möglichkeit besteht, dass er seine Überwachungsfunktion zwecks Steigerung seines eigenen Nutzens nicht oder nur eingeschränkt ausübt.243 Aus diesem Grund fordern Teile des Schrifttums und der Corporate Governance Kodex eine anreizkompatible, d. h. erfolgsabhängige Vergütung des Aufsichtsrates.244 Es stellt sich jedoch die Frage, welche Folgen es nach sich zieht, wenn sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat mit einer solchen Vergütung ausgestattet werden. Das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat aus Sicht der Prinzipal-AgentenTheorie ist in der Literatur umstritten. Die wohl herrschende Meinung geht von einer doppelten Prinzipal-Agenten-Struktur aus, bei der der Aufsichtsrat als Agent 237 238 239 240 241
242 243 244
52
Vgl. Shleifer/Vishny, A survey of corporate governance, 1997, S. 745. Siehe oben Kapitel 2.1.1. Vgl. m. w. N. Watrin, Internationale Rechnungslegung und Regulierungstheorie, 2001, S. 75 f. Vgl. m. w. N. Dutzi, Der Aufsichtsrat als Instrument der Corporate Governance, 2005, S. 141– 146. Je nach Anzahl der Mitarbeiter der Gesellschaft werden nach den Regelungen des MitbestG bis zur Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrates durch die Arbeitnehmer bestimmt. Bei diesen Aufsichtsratsmitgliedern handelt es sich somit nicht um Agenten der Aktionäre. Da jedoch auch die Arbeitnehmer daran interessiert sind, dass die Ressourcen der Gesellschaft nicht durch den Vorstand zu dessen privater Bedürfnisbefriedigung genutzt werden, kann im Folgenden auf eine Unterscheidung der Aktionärs- und der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verzichtet werden. Vgl. ähnlich Ordelheide, Unternehmensüberwachung, 1995, S. 93 f. Vgl. Ebers/Gotsch, Institutionenökonomische Theorien der Organisation, 2002, S. 217. Vgl. zur daraus resultierenden Frage nach dem Kontrolleur der Kontrolleure Baums, Der Aufsichtsrat, 1995, S. 12 f; Portisch, Stakeholder-Agency-Modell, 1997, S. 104–108. Vgl. statt vieler Lutter, Vergleichende Corporate Governance, 2001, S. 230-232.
der Aktionäre und als Prinzipal des Vorstands auftritt.245 Das Verhältnis von Aktionären, Aufsichtsrat und Vorstand lässt sich jedoch auch als gestufte PrinzipalSupervisor-Agenten-Struktur nach Tirole246 verstehen, in der Aufsichtsrat und Vorstand zwei hintereinander geschaltete Agenten der Aktionäre sind.247 Diese Sichtweise beruht auf dem Argument, dass zwischen Aufsichtsrat und Vorstand keine Prinzipal-Agenten-Beziehung besteht, die den Aufsichtsrat dazu bewegen kann, aus Eigeninteresse – wie es für einen Prinzipal charakteristisch ist – den Vorstand im Rahmen seiner Möglichkeiten zu überwachen. Daraus folgt, dass zwischen den Agenten Aufsichtsrat und Vorstand die Gefahr der Koalitionsbildung zum Schaden des Prinzipals, also der Aktionäre, besteht. Dies wird in der Literatur mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand nach § 112 AktG gerichtlich und außergerichtlich vertrete und somit eine gesellschaftsrechtlich normierte PrinzipalAgenten-Beziehung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand bestehe.248 Ferner stelle eine Koalitionsbildung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand eine Pflichtverletzung des Ersteren gem. § 116 i. V. m. § 93 Abs. 1 AktG dar und sei damit haftungsbewährt. Dieser Einschätzung ist zwar grundsätzlich nicht zu widersprechen. Sie übersieht jedoch, dass Aufsichtsrat und Vorstand auch ein Verhalten an den Tag legen können, das nicht der ihnen gesellschaftsrechtlich zugedachten Rolle entspricht, und sich somit tatsächlich – zumindest im Einzelfall – durchaus eine gestufte Prinzipal-Agenten-Struktur ergeben kann. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund des in der Praxis relativ geringen Haftungsrisikos für die Mitglieder des Aufsichtsrates. Somit ist eine Koalitionsbildung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nicht auszuschließen. Die Kollusion von Vorstand und Aufsichtsrat setzt voraus, dass sie für beide Parteien nutzenstiftend ist.249 Sie wird somit begünstigt, wenn Aufsichtsrat und Vorstand gleichgerichtete Interessen haben. Werden der Aufsichtsrat und der durch diesen zu überwachende Vorstand mit einer gleichartigen Vergütung ausgestattet, kann sich daraus also für den Aufsichtsrat ein Anreiz ergeben, seine Kontroll245
246 247 248 249
Vgl. Martens, Managementüberwachung, 1999, S. 39; Semler, Unternehmensüberwachung, 1995, S. 50; Portisch, Stakeholder-Agency-Modell, 1997, S. 100-104; Witt, Corporate Governance, 2001, S. 99; Dutzi, Der Aufsichtsrat als Instrument der Corporate Governance, 2005, S. 149; Velte, Berichterstattung des Aufsichtsrats, 2009, S. 703. Vgl. Tirole, Hierarchies and bureaucracies, 1986, S. 181–214. Vgl. Ruhl, Ein- und zweistufige Hierarchien, 1990, passim. Vgl. Fallgatter, Variable Vergütung, 2003, S. 706 f. Vgl. Tirole, Hierarchies and bureaucracies, 1986, S. 184; Martens, Managementüberwachung, 1999, S. 40; Vafaï, Opportunism in organizations, 2010, S. 159.
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tätigkeit einzuschränken und eine Koalition mit dem Vorstand zu bilden. Auf diese Weise kann der Aufsichtsrat davon profitieren, wenn der Vorstand wie oben geschildert in opportunistischer Weise die Bemessungsgrundlage der Vergütung beeinflusst, ohne dabei einen tatsächlichen Wertzuwachs für die Aktionäre zu generieren. Die US-amerikanische monistische Unternehmensverfassung sieht in ihrer ursprünglichen Form kein separates Überwachungsgremium im Sinne eines Aufsichtsrates vor.250 Vielmehr ist im board of directors die Aufgabe zur Leitung der Gesellschaft und zur Kontrolle vereint. Die Mitglieder lassen sich jedoch in inside directors und outside directors unterteilen; die Kontrollfunktion wird dabei von den outside directors wahrgenommen, die wie die Kapitalvertreter des Aufsichtsrates in keinem Anstellungsverhältnis mit der Gesellschaft stehen. Bedenkt man, dass seit der Implementierung des Sarbanes-Oxley-Acts das audit committee einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft ausschließlich mit outside directors besetzt sein darf, ist die Rolle dieser Ausschuss – zumindest im Hinblick auf die Kontrolle der Rechnungslegung – aus Sicht der Prinzipal-Agenten-Theorie mit der des Aufsichtsrates vergleichbar. So liegt nämlich, wie auch im Falle des Aufsichtsrates, eine gestufte Prinzipal-Supervisor-Agenten-Beziehung nach Tirole vor, bei der sowohl die inside directors als auch die – vor allem im audit committee vertretenen – outside directors separate Agenten der Aktionäre sind, denen unterschiedliche Funktionen, nämlich die Leitung der Gesellschaft und die Kontrolle, aufgetragen werden.251 Die seit dem Sarbanes-Oxley-Act erforderliche Bildung unabhängiger audit committees hat also in diesem Punkt zu einer Angleichung des monistischen an das dualistische System der Unternehmensverfassung geführt. Vor diesem Hintergrund erscheint es also nicht wesentlich, ob die Kontrolle des Managements durch ein separates Organ wie den Aufsichtsrat oder durch eine Personengruppe wie die outside directors durchgeführt wird, die zwar dem zu kontrollierenden board of directors angehören, personell aber von den geschäftsführenden inside directors getrennt sind.252 Dennoch lassen sich ökonomisch relevante Unterschiede zwischen der Überwachung durch den Aufsichtsrat einerseits und 250 251
252
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Vgl. oben Kapitel 2.2.5. Vgl. Velte, Die Implementierung von Prüfungsausschüssen, 2009, S. 128 f. Lee/Lev/Yeo, Organizational structrure and earnings management, 2007, S. 297; O’Sullivan, Insuring the agents, 1997, S. 545; Bebchuk/Fried, Executive compensation as an agency problem, 2003, S. 73. So zeigen auch empirische Untersuchungen, dass die Effizienz der Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat vergleichbar mit der durch outside directors ist. Vgl. Kaplan, Top executives, turnover, and firm performance in Germany, 1994, S. 158.
die outside directors andererseits ausmachen. Charakteristisches Merkmal des monistischen Systems ist die hohe organisatorische Verflechtung der Leitungsund Kontrollfunktion des boards, die sich etwa in Umfang der operativen Kompetenzen des audit committees zeigt253 , die jene des von der Funktionstrennung geprägten Aufsichtsrates bzw. Prüfungsausschusses übersteigen. Somit ist das audit committee stärker in innerbetriebliche Verfahrensabläufe eingebunden als der Aufsichtsrat bzw. dessen Prüfungsausschuss.254 Dies bedeutet zugleich einen erhöhten Kontakt bzw. eine Interdependenz zwischen Agent und Supervisor, was, wie sich in einem analytischen Modell von Spagnolo zeigt, die Kollusion der beiden Parteien zu Lasten des Prinzipals erleichtert.255 Bereits auf intuitiver Ebene lässt sich dieses Ergebnis nachvollziehen, da wiederholte, nicht opportunistische Kooperation zwischen Agent und Supervisor vertrauensbildend ist; gegenseitiges Vertrauen ist wiederum eine Voraussetzung für die Bildung einer Koalition zu opportunistischem Verhalten.256 Die ökonomische Literatur zur Kollusion zwischen Agent und Supervisor fußt überwiegend auf der Annahme, dass der Agent sog. side payments an den Supervisor zahlt und damit eine für ihn günstige Verhaltensweise erwirkt.257 Die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Kollusion hängt also aus praktischer Sicht u. a. von der Durchsetzbarkeit einer solchen Zahlung ab. Hier zeigt sich ein gewichtiger Unterschied zwischen dem US-amerikanischen monistischen sowie dem deutschen dualistischen System, der nicht prinzipiell mit diesen Systemen verknüpft ist, sondern als Ergebnis der pfadabhängigen Entwicklung258 der Unternehmensverfassungen angesehen werden kann. Mit der ergebnisabhängigen Vergütung des Supervisors auf Grundlage buchhalterischer Erfolgsmaße, wie sie in Deutschland verbreitet, in den USA hingegen unüblich ist, ist nämlich gleichsam
253 254 255 256 257
258
Siehe oben Kapitel 2.2.5. Vgl. Velte, Die Implementierung von Prüfungsausschüssen, 2009, S. 165. Vgl. Spagnolo, On interdependent supergames, 1999, S. 127 f. Vgl. dazu bereits Tirole, Hierarchies and bureaucracies, 1986, S. 201. Vgl. etwa Lee/Lev/Yeo, Organizational structrure and earnings management, 2007, S. 294; Kofman/Lawarrée, Collusion in hierarchical agency, 1993, S. 629; Baliga/Sjöström, Decentralization and collusion, 1998, S. 197; Tirole, Hierarchies and bureaucracies, 1986, S. 186; Cheh/Paik, Monitoring and subcontracting arrangement with a collusive supervisor, 1995, S. 235. Damit ist gemeint, dass real existierende Unternehmensverfassung nicht das Ergebnis theoretischer Überlegungen sind, sondern das Produkt einer historischen Entwicklung. Vgl. m. w. N. Segler/Wald/Weibler, Corporate Governance im internationalen Wettbewerb, 2007, S. 413.
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ein side payment an den Supervisor im Vergütungssystem verankert.259 Daran ändert auch nichts, dass die Zahlung wirtschaftlich vom Prinzipal getragen wird, denn veranlasst wird sie durch Handlungen des Agenten, also des Managements. Somit begünstigt die vertragliche Ausgestaltung der Prinzipal-Supervisor-AgentBeziehung hinsichtlich der Entlohnung der Akteure in der deutschen Aktiengesellschaft die Kollusion zwischen Supervisor und Agent. Wenngleich in jüngerer Zeit eine Annäherung der monistischen und der dualistischen Unternehmensverfassung zu erkennen ist,260 machen die oben erörterten Unterschiede deutlich, dass die US-basierte empirische Literatur, vor allem aus der Zeit vor dem Sarbanes-Oxley-Act, lediglich als Tendenzaussage für die Verhältnisse in der dualistisch verfassten Aktiengesellschaft angesehen werden kann. Eine direkte Übertragung der Forschungsergebnisse muss abgelehnt werden. Neben dem Aufsichtsrat ist der Abschlussprüfer als weiteres Überwachungsinstrument zu berücksichtigen. Dieser wird vom Aufsichtsrat zur Prüfung der Rechnungslegung der Aktiengesellschaft beauftragt und ist damit eine Hilfsperson des Aufsichtsrates.261 Aus Sicht der Prinzipal-Agenten-Theorie tritt der Aufsichtsrat also als Prinzipal und der Abschlussprüfer als dessen Agent auf.262 Unterstellt man, dass der Abschlussprüfer wegen seiner fachlichen Qualifikation und seines im Vergleich zum Aufsichtsrat hohen zeitlichen Einsatzes bei der Durchführung der Prüfung gegenüber dem Aufsichtsrat einen Informationsvorsprung besitzt,263 können wiederum die für Prinzipal-Agenten-Beziehungen charakteristischen Konflikte auftreten. Antle formuliert auf Grundlage der Prinzipal-Agenten-Theorie ein Modell zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, das die Eigentümer der Gesellschaft als Prinzipal und das Management und den Abschlussprüfer als zwei nebeneinander stehende Agenten annimmt.264 Die Agenten treffen annahmegemäß die Entscheidung über ihr Anstrengungsniveau bzw. ihr Berichtsverhalten an den Prinzipal simultan. Für den Prüfer besteht einerseits die Möglichkeit, die Anreizstruktur des 259 260
261 262
263 264
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Siehe oben Kapitel 2.2.5. Vgl. dazu Velte, Die Implementierung von Prüfungsausschüssen, 2009, S. 165; Aurich, Managementkontrolle, 2006, S. 108 f.; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 51; Collier/ Mahbub, Convergence in European corporate governance, 2005, S. 753. Vgl. m. w. N. Hucke, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, 2003, S. 118. Vgl. Velte, Berichterstattung des Aufsichtsrats, 2009, S. 704. Vgl. auch Antle, The auditor, 1982, S. 514–526, der für das monistische System den Abschlussprüfer als Agenten der Aktionäre modelliert. Vgl. Marten/Quick/Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, 2003, S. 153. Vgl. hier und folgend Antle, Auditor Independence, 1984, S. 2–10.
Managers zu betrachten, anhand dessen die Handlungen des Managers zu antizipieren und darauf aufbauend seinen erwarteten Nutzen zu maximieren; in diesem Fall ist er unabhängig265 . Andererseits kann er seine Unabhängigkeit aufgeben und vom Management Zahlungen (side payments) dafür akzeptieren, dass er sein Berichtsverhalten gegenüber dem Prinzipal einschränkt.266 Unter den Annahmen des Modells lässt sich zeigen, dass die nutzenmaximierende Strategie für den Prüfer die Aufgabe seiner Unabhängigkeit ist.267 Es ist offensichtlich, dass das Modell von Antle aufgrund seiner restriktiven Annahmen die Realität nur vereinfacht abbildet und die Ergebnisse daher vorsichtig interpretiert werden müssen. Es betrachtet etwa nur eine Periode und abstrahiert daher von der Möglichkeit, dass der Abschlussprüfer fürchtet, das Mandatsverhältnis zu verlieren oder seiner Reputation zu schaden.268 Doch auch vor dem Hintergrund dieser Einschränkungen wird deutlich, dass die Gefahr einer Koalitionsbildung zwischen Abschlussprüfer und Vorstand nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann. Das Modell Antles lässt sich nicht ohne Anpassung auf die deutsche Aktiengesellschaft übertragen, da nach deren Verfassung wie oben aufgezeigt der Aufsichtsrat als Prinzipal des Abschlussprüfers agiert. Da der Aufsichtsrat wiederum ein Agent der Aktionäre ist und bereits auf dieser Ebene Interessenkonflikte – etwa durch ungünstige Vergütungsanreize – bestehen können, ist es denkbar, dass der Aufsichtsrat bei der Überwachung des Abschlussprüfers zur Steigerung seines eigenen Nutzens nicht die Sorgfalt an den Tag legt, die den Nutzen der Aktionäre maximieren würde. Zudem ist es auch in der Unternehmensverfassung der deutschen Aktiengesellschaft möglich, dass der Abschlussprüfer side payments vom Vorstand erhält. Diesen kann nämlich ein legaler Charakter verliehen werden, wenn sie in Form von Honoraren für vom Vorstand mandatierte Beratungsaufträge vergeben werden.269 In diesem Fall besteht also eine weitere Prinzipal-Agenten-Beziehung, bei der der Vorstand als Prinzipal und der Abschlussprüfer als Agent auftritt. Somit ist der Prüfer der Agent zweier Prinzipale, deren Nutzenniveau er durch seine Handlungen simultan beeinflusst. 265 266 267 268 269
Antle unterscheidet zwischen Unabhängigkeit und strenger Unabhängigkeit. Diese Unterscheidung ist für die nachfolgenden Überlegungen nicht relevant.Vgl. ebd., 1984, S. 8 f. Vgl. dazu auch Ewert, Wirtschaftsprüfung, 1990, S. 140–146. Vgl. Antle, Auditor Independence, 1984, S. 18. Vgl. dazu ausführlich und m. w. N. Kitschler, Abschlussprüfung, Interessenkonflikt und Reputation, 2005, S. 86–104. Vgl. Quick, Prüfung, Beratung und Unabhängigkeit des Abschlußprüfers, 2006, S. 45.
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Abbildung 3.3 fasst die oben geschilderten Prinzipal-Agenten-Beziehungen innerhalb der Aktiengesellschaft graphisch zusammen. Die gestrichelten Verbindungen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand drücken aus, dass es vom Einzelfall abhängt, ob der Aufsichtsrat seiner gesellschaftsrechtlich vorgesehenen Rolle entspricht und als Prinzipal des Vorstands agiert (doppelte Prinzipal-Agenten-Struktur) oder ob Aufsichtsrat und Vorstand zwei hintereinander geschaltete Agenten der Aktionäre sind (gestufte Prinzipal-Agenten-Struktur).
Abbildung 3.3: Auftragsbeziehungen der Aktiengesellschaft (Quelle: In Anlehnung an Münchow, Agency-Theorie, 1995, S. 199.)
3.2.1.3 Ausgewählte Probleme anreizkompatibler Vergütung Aus Sicht der Prinzipal-Agenten-Theorie ist die anreizkompatible Vergütung des Vorstands ein Instrument zur Lösung oder Minderung der oben geschilderten Probleme, die sich aus der Trennung von Eigentum und Unternehmensführung ergeben. Wo diese Probleme im einzelnen liegen und wie hoch die daraus resultierenden Agency-Kosten sind, hängt von den individuellen Gegebenheiten des Unternehmens ab. Daraus folgt, dass sich gewisse Charakteristika des Unternehmens auf die optimale Struktur und Höhe der Vorstandsvergütung auswirken. Sollten Unternehmen bestrebt sein, diese optimale Vergütung zu implementieren (optimal contracting approach), so muss es also einen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Unternehmens und der Struktur und Höhe der Vorstandsver-
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gütung geben.270 Im Folgenden sollen die wesentlichen dieser Eigenschaften und ihre anzunehmende Wirkung auf die Vorstandsvergütung diskutiert werden. Eine anreizkompatible Vergütung des Agenten sollte ihrer Grundidee nach nur steigen, wenn auch der Nutzen des Prinzipals zunimmt. Übertragen auf die Aktiengesellschaft bedeutet dies, dass sich die Vorstandsvergütung möglichst gleichlaufend zur Wertentwicklung des Unternehmens entwickeln sollte, was sich empirisch in einem positiven Zusammenhang zwischen Vergütung und einem Renditemaß (etwa Gesamt- oder Eigenkapitalrendite, Umsatzrendite) oder einer Kostenkennziffer (etwa durchschnittliche Personalkosten) niederschlagen würde.271 Die Höhe der Agency-Kosten wird maßgeblich durch die Stärke der Informationsasymmetrie zwischen den Aktionären und dem Management bestimmt. Es ist anzunehmen, dass mit einer zunehmenden Größe des Unternehmens dessen Komplexität wächst und somit der Informationsvorsprung der Manager an Bedeutung gewinnt. Damit steigt einerseits die Gefahr, dass sich das Management auf Kosten der Aktionäre bereichert; zum anderen steigt die Vermögensmasse, an der sich der Manager bereichern kann.272 Dies impliziert, dass die Vorteile von Maßnahmen zum Abbau dieser Agency-Probleme – etwa die Zahlung einer anreizkompatiblen Vergütung – mit steigender Firmengröße wachsen und es daher aus Sicht der Aktionäre sinnvoll ist, die Kosten dieser Maßnahmen zu tragen. Dieser Überlegung folgend sollte die Vorstandsvergütung in einem positiven Zusammenhang mit der Größe der Aktiengesellschaft stehen. Verfügt ein Aktionär über eine substanzielle Beteiligung (Großaktionär), ermöglicht ihm dies im Vergleich zu Kleinaktionären eine bessere Kontrolle des Managements, da er etwa einen größeren Einfluss auf die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder ausüben kann.273 Da die Zahlung einer anreizkompatiblen Vergütung und Kontrolltätigkeiten des Prinzipals in einem gewissen Rahmen austauschbar sind, müsste der Prinzipal-Agenten-Theorie folgend die Vergütung des Vorstands bei Vorliegen eines (rational seine Kontrollmöglichkeiten ausnutzenden) Großaktionärs geringer ausfallen.274 Ein ähnlicher Effekt ist grundsätzlich zu erwarten, wenn das Management selbst über eine hohe Beteiligung am Unternehmen verfügt, denn mit steigendem Anteil des Managements sinken die Zielkonflikte zwischen
270 271 272 273 274
Vgl. Bebchuk/Fried, Executive compensation as an agency problem, 2003, S. 72. Vgl. statt vieler Diamond/Verrecchia, Optimal managerial contracts, 1982, S. 278 f. Vgl. hier und folgend Chow, The demand for external auditing, 1982, S. 276. Vgl. ausführlich Shleifer/Vishny, A survey of corporate governance, 1997, S. 753–755. Vgl. Harvey/Shrieves, Executive compensation structure, 2001, S. 498.
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der Unternehmensführung und den übrigen Aktionären.275 Dagegen spricht jedoch, dass auch unter den Aktionären Informationsasymmetrien herrschen und der informierte Manager-Aktionär den Versuch unternehmen könnte, seinen Informationsvorsprung auf Kosten der weniger informierten Aktionäre auszunutzen und auf eine hohe Vergütung hinzuwirken.276 Wegen dieser widersprüchlichen Erklärungsansätze ergibt sich also keine eindeutige Annahme für den Zusammenhang zwischen Anteilsbesitz durch das Management und dessen Vergütung. Neben der anreizkompatiblen Vergütung dient die Einführung einer Kontrollinstanz, wie sie der Aufsichtsrat oder der Abschlussprüfer darstellen, zur Verringerung der Agency-Kosten. Wiederum sind also die anreizkompatible Vergütung und die Überwachung des Managements teilweise substituierbar. Folglich ist anzunehmen, dass zum einen die Anwesenheit und zum anderen die Effizienz eines Aufsichtsrates und eines Abschlussprüfers negativ auf die Vorstandsvergütung wirken. Als für die Effizienz förderlich kann die Expertise der mit der Kontrolle betrauten Personen angesehen werden.277 Daher ist aus Sicht der Prinzipal-Agenten-Theorie anzunehmen, dass die Anzahl der Mandate von Aufsichtsräten ceteris paribus in einem negativem Zusammenhang mit der Vergütung des Vorstands steht. Die ceteris paribus-Bedingung ist jedoch in der Praxis prinzipiell verletzt, da eine höhere Zahl gleichzeitig wahrzunehmender Mandate eines Aufsichtsratsmitglieds bei konstanter zeitlicher und mentaler Kapazität zwingend zu einer Einschränkung der für das jeweilige Mandat erbringbaren Kontrollleistung führen muss.278 In Bezug auf den Abschlussprüfer ist anzunehmen, dass besondere Branchenkenntnisse des Prüfers dessen Effizienz steigern und sich somit senkend auf die Höhe der Vorstandsvergütung auswirken, da die Expertise des externen Prüfers interne Kontrollmaßnahmen substituieren kann.279 Eine Einschränkung der Effizienz der Unternehmenskontrolle ergibt sich vor allem, wenn der Aufsichtsrat oder der Abschlussprüfer nicht unabhängig agieren, sodass in diesem Falle ggf. keine senkende Wirkung auf die Vorstandsvergütung eintritt, sondern – wie schon oben diskutiert – der Vorstand mit dem Aufsichtsrat oder dem Abschlussprüfer eine Koalition eingeht und damit sogar seine Vergütung erhöhen kann. Darüber hinaus kann die Effizienz durch Probleme bei der Zusammenarbeit innerhalb der Kontrollgremien
275 276 277 278 279
60
Vgl. Jensen/Meckling, Theory of the firm, 1976, S. 312 f. Vgl. m. w. N. Cheung/Stouraitis/Wong, Ownership concentration, 2005, S. 513 f. Vgl. hier und folgend Jensen, Internal control systems, 1993, S. 864. Vgl. Fich/Shivdasani, Are busy boards effective monitors?, 2006, S. 690. Vgl. Jensen/Payne, Auditor expertise, 2003, S. 101 f.
gestört sein, etwa wegen einer zu großen Anzahl an Beteiligten oder einer kulturell bedingten Konfliktscheue.280 Wie bereits erörtert,281 hat sich in der Unternehmenspraxis der deutschen Aktiengesellschaften eine dreigliedrige Vergütung des Agenten, also des Vorstands, durchgesetzt, die aus fixer Barvergütung, variabler Barvergütung und aktienkursorientierter Vergütung besteht.282 Die aktienkursorientierten Vergütungen lassen sich unterteilen in die Vergabe von Aktien einerseits und Aktienoptionen andererseits. Es stellt sich die Frage, ob diese Vergütungskomponenten den Anforderungen einer anreizkompatiblen Vergütung gerecht werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit können nur ausgewählte Problemfelder erörtert werden. Einen umfassenden Überblick geben die Arbeiten von Murphy,283 Jensen/Murphy/Wruck284 und Core/Guay/Larcker,285 wobei sich letztere auf die Betrachtung aktienkursorientierten Vergütungen beschränken. Fixe Bezüge können keine Anreizwirkung entfalten, da ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und Höhe – außer im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens – in keinem Zusammenhang mit der Wahl der Handlungsalternativen des Agenten stehen.286 Ihre Berechtigung besteht vielmehr darin, dass im Falle der Aktiengesellschaft eine Vergütung des Vorstands, die ausschließlich auf der Grundlage des Erfolgs des Unternehmens fußt, zu einer suboptimalen Risikoteilung führen würde.287 Da nämlich das unternehmensspezifische Risiko für Aktionäre diversifizierbar ist, stehen sie diesem risikoneutral gegenüber; der Vorstand hingegen bezieht sein Arbeitseinkommen größtenteils aus einer Quelle, der Aktiengesellschaft, und kann diesbezüglich nicht diversifizieren.288 Er ist daher im Regelfall risikoavers. Diese Divergenz der Risikopräferenzen von Prinzipal und Agent kann durch die Zahlung eines nicht-variablen Grundgehalts zumindest gemindert werden.
280 281 282 283 284 285 286
287 288
Vgl. Jensen, Internal control systems, 1993, S. 863–865. Siehe oben Kapitel 2.1.3. Vgl. Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 54–56. Murphy, Executive compensation, 1999. Jensen/Murphy/Wruck, Remuneration, 2004. Core/Guay/Larcker, Executive equity compensation and incentives, 2003. Eine Anreizwirkung der fixen Vergütung ergibt sich allenfalls, wenn der Agent diese als Geschenk des Prinzipals auffasst und seinen Arbeitseinsatz als Gegengeschenk anbietet. Vgl. dazu Akerlof, Labor contracts as a partial gift exchange, 1982, S. 544. Vgl. Gillenkirch, Entwicklungslinien in der Managementvergütung, 2008, S. 8. Vgl. Meulbroek, The efficiency of equity-linked compensation, 2001, S. 35.
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Im Gegensatz dazu gehen mit aktienkursorientierten Vergütungskomponenten grundsätzlich diejenigen Anreize einher, die auch dem Prinzipal zu eigen sind. Eine Beteiligung des Vorstands am Eigenkapital der Aktiengesellschaft durch die Vergütung mit Aktien führt nämlich dazu, dass jegliche Veränderungen des shareholder value sich anteilig auch auf die Vermögenssituation des Vorstands auswirken. Auch im Falle der Vergabe von Aktienoptionen präferiert der Empfänger einen möglichst hohen Aktienkurs, da dieser in einem positiven Zusammenhang mit dem Gewinn bei der Ausübung der Option steht. Folglich scheinen beide Instrumente, also die Vergabe von Aktien sowie von Aktienoptionen, die Interessen des Agenten mit denen des Prinzipals gleichzurichten. Aktienbasierte Vergütungsformen haben indes auch Nachteile. Sie statten den Vorstand mit dem Anreiz zur Erhöhung des Aktienkurses aus; eine für den Aktionär förderliche Wirkung dieses Anreizes unterstellt aber, dass der Vorstand den Aktienkurs zielgerichtet beeinflussen kann.289 Zum einen ist der Kurs aber stark abhängig von stochastischen Größen oder allgemeinen Markttendenzen, so dass das Handlungsspektrum des Vorstands nur einen Teil der Veränderung des Aktienkurses ausmacht.290 Daraus folgt, dass die Anreizwirkung der Vergütungskomponenten reduziert wird. Zum anderen ist nicht gesichert, dass den Empfängern einer aktienkursorientierten Vergütung bewusst ist, welche ihrer Handlungsalternativen den Wert des Unternehmens steigern oder verringern. Einige empirische Studien legen den Schluss nahe, dass diese Kenntnis teilweise nicht gegeben ist;291 ein Großteil der empirischen Literatur deutet jedoch auf einen positiven Zusammenhang zwischen aktienkursbasierter Vergütung und dem Firmenwert hin.292 Die Vergütung des Vorstands durch Aktienoptionen anstelle von Aktien bringt den Nachteil mit sich, dass der wahrgenommene Wert der Option für den Manager wegen dessen geringer Diversifizierung zumeist deutlich unter dem Marktwert der Option liegt und somit die Kosten der Vergütung aus Sicht der Aktionäre in einem Missverhältnis zur Wertschätzung der Vergütung durch den Vorstand stehen.293 Gleichermaßen besteht die Gefahr, dass die wahrgenommenen Kosten der Vergabe von Optionen aus Sicht der Gesellschaft geringer sind als die tatsächlichen Kosten, 289 290
291 292 293
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Vgl. Jensen/Murphy/Wruck, Remuneration, 2004, S. 68 f. Jenter bemüht das Bild eines Ruderers im Sturm, dessen Anstrengungen nichts an der Richtung des Boots ändern können. Vgl. Jenter, Executive compensation, incentives, and risk, 2002, S. 5. Vgl. Jensen/Murphy/Wruck, Remuneration, 2004, S. 40 und die dort zitierte Literatur (Fn. 28). Vgl. Vgl. O’Connor/Rafferty, Incentive effects of executive compensation, 2010, S. 432 f. und die dort zitierte Literatur. Vgl. Hall/Murphy, Stock options for undiversified executives, 2002, S. 37.
da im Moment der Optionsgewährung keine Auszahlung stattfindet.294 So kommt es zu einer übermäßigen Vergabe von Aktienoptionen. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass Aktienoptionen zu einer unerwünscht hohen Risikobereitschaft des Managements führen, da Optionen ceteris paribus an Wert gewinnen, wenn die Volatilität des Basiswerts steigt.295 Es kann also gefolgert werden, dass aktienbasierte Vergütungen das theoretisch fundierte Ziel einer anreizkompatiblen Vergütung nicht uneingeschränkt erfüllen. Variablen Barvergütungen liegt eine Vielzahl von verschiedenen Bemessungsgrundlagen zugrunde.296 Die größte Bedeutung haben dabei buchhalterische Erfolgsgrößen, d. h. der Vorstand erhält einen Prozentsatz p am Gewinn des Unternehmens und wird somit am erfolgswirksamen Cashflow sowie am nichtzahlungswirksamen Ertrag der Aktiengesellschaft beteiligt. Der Vorteil eines buchhalterischen Erfolgsindikators liegt darin, dass dem Empfänger bekannt ist, durch welche Maßnahmen er diese Größe positiv beeinflussen kann, nämlich durch eine Ausweitung der Umsätze sowie der übrigen Erträge einerseits und eine Reduktion der Aufwendungen andererseits. Wägt der Vorstand also verschiedene Handlungsalternativen ab, können die resultierenden Auswirkungen auf die variable Vergütung relativ sicher antizipiert werden, was grundsätzlich die Motivationswirkung der Vergütung erhöht, sofern der Entscheider sich nach dem ex ante Erwartungswert seiner Entlohnung richtet.297 Zwar bestehen auch im Falle des bilanziellen Gewinns zahlreiche Einflüsse, die zumindest kurzfristig außerhalb des Einflussbereichs des Vorstands liegen (etwa Rohstoffpreise oder die Kosten für Fremdkapital); diese sind im Vergleich zu den Einflüssen auf den Aktienkurs indes transparenter und daher bei der Gestaltung des funktionalen Zusammenhangs zwischen Erfolgsmaß und Vergütungszahlung besser zu berücksichtigen.298 Nachteilig an buchhalterischen Bemessungsgrundlagen für die variable Vorstandsvergütung ist hingegen, dass diese nur einen impliziten Indikator für den finanziellen Nutzen der Aktionäre darstellen; so ist denkbar, dass ein bilanzielles Ergebnis nicht zu einem Wertzuwachs der Eigentümer des Unternehmens führt.299 294 295 296 297 298 299
Vgl. Hall/Murphy, The trouble with stock options, 2003, S. 65 f. Vgl. ebd., 2003, S. 60. Vgl. hier und folgend Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 55. Vgl. ähnlich Beißel/Bilgram, Implementierung erfolgsorientierter Entlohnungssysteme, 2003, S. 324. Vgl. Feltham/Xie, Performance measure congruity, 1994, S. 447. Vgl. ähnlich Conyon/Schwalbach, Executive compensation: Evidence from the UK and Germany, 2000, S. 520.
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Zusammenfassend wird deutlich, dass keine der betrachteten Vergütungsform der anderen grundsätzlich überlegen ist. Daher ist Gillenkirch zu folgen, der die Kombination gewinn- und aktienkursorientierter Komponenten in Vergütungsverträgen fordert,300 so wie es in der Praxis tatsächlich gehandhabt wird.301 Schließlich ist für alle Vergütungsformen zu beachten, dass ihre Gestalt und ihre Höhe in den Verantwortungsbereich des Aufsichtsrates bzw., in der USamerikanischen Unternehmensverfassung, des board of directors fällt. Die personelle Besetzung des Aufsichtsrates bzw. des boards wird jedoch faktisch durch das Management mitbestimmt.302 Es ist daher fraglich, ob die Verantwortlichen überhaupt beabsichtigen, die Agency-Kosten des Prinzipals mithilfe eines optimalen Vergütungssystems zu minimieren, oder ob dem Management nicht vielmehr zur Sicherung der eignen Wiederwahl Zugeständnisse gemacht werden.303 3.2.2 Theorie der Quasi-Renten und Unabhängigkeit des Abschlussprüfers Ein weiterer, von DeAngelo entwickelter Ansatz zur Erklärung einer eventuellen Einschränkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers304 von der zu prüfenden Gesellschaft bzw. deren Organen kann der Transaktionskostentheorie zugerechnet werden. Er basiert auf der wohl realitätsnahen Annahme305 , dass die Kosten des Abschlussprüfers für die Erstprüfung die Kosten der Folgeprüfungen übersteigen, da der Prüfer bei Folgeprüfungen auf die in Vorjahren gewonnenen Informationen zurückgreifen kann und diese lediglich aktualisieren muss.306 Abschlussprüfer mit bestehenden Mandatsverhältnissen haben daher gegenüber Mitbewerbern einen Informationsvorsprung und somit einen Kostenvorteil. Zudem nimmt das Modell von DeAngelo an, dass ein Prüferwechsel auf Seiten des zu prüfenden Unterneh300 301 302 303 304
305 306
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Gillenkirch, Entwicklungslinien in der Managementvergütung, 2008, S. 11. Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 54 f. Siehe oben, Kapitel 2.2.2 und 2.2.5. Vgl. Bebchuk/Fried, Executive compensation as an agency problem, 2003, S. 73. Im Folgenden ist mit der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers die Wahrscheinlichkeit gemeint, dass der Prüfer über eine nach seinem Erachten unsachgemäße Bilanzierung berichtet. Vgl. DeAngelo, Auditor independence, 1981, S. 116. Es besteht also ein enger Zusammenhang zwischen der oben erörterten Möglichkeit der opportunistischen Koalitionsbildung des Abschlussprüfers mit dem Vorstand und der hier diskutierten Abhängigkeit des Abschlussprüfers vom Vorstand. Vgl. etwa Kitschler, Abschlussprüfung, Interessenkonflikt und Reputation, 2005, S. 73; Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 522. Vgl. hier und folgend DeAngelo, Auditor independence, 1981, S. 113–127; DeAngelo, Auditor size and audit quality, 1981, S. 183–199.
mens Transaktionskosten auslöst; auch dies ist realistisch.307 Diese Aspekte führen dazu, dass der Abschlussprüfer in einem bestehenden Mandatsverhältnis Honorare verlangen kann, die über seinen Prüfungskosten liegen. In Antizipation dieser Überschüsse kann der Prüfer zur Gewinnung eines Neumandats die Erstprüfung zu einem Honorar anbieten, das seine Prüfungskosten nicht deckt (sog. low balling).308 Den Verlust des ersten Jahres versucht der Prüfer in den Folgejahren zu kompensieren.309 Bei der Preissetzung kann der Prüfer den Modellannahmen zufolge sein Honorargebot nämlich so wählen, dass es sich für den Mandanten gerade nicht lohnt, den Prüfer zu wechseln. Somit kann er die Honorare von Periode zu Periode anheben (sog. fee cutting). In dem Modell lässt sich zeigen, dass auf einem von Wettbewerb geprägten Markt für Prüfungsleistungen der Prüfer das Honorar für die Erstprüfung so niedrig anbietet, dass der Verlust der Erstprüfung und der Barwert aus den Überschüssen der Folgeprüfungen zusammen null ergeben.310 Die Überschüsse der Folgeprüfungen sind daher in der Gesamtbetrachtung keine „echten“ Überschüsse. Sie sind vielmehr die Renten, also die ökonomischen Vorteile, die an ein vorhandenes Mandat gebunden sind; sie stellen somit sog. Quasirenten dar.311 Die in dem Modell von DeAngelo beschriebene Preisoptimierung des Abschlussprüfers basiert auf dem Kalkül, dass der Prüfer das Mandat unendlich lange behält.312 Fällt ein Mandant weg, können die Quasirenten wegen des oben geschilderten Honorar- und Kostenverlaufs jedoch nicht durch ein beliebiges neues Mandat ersetzt werden, denn dieses könnte wiederum nur durch erneutes low balling gewonnen werden. Folglich vereitelt dies die Strategie des Abschlussprüfers, der seine in Kauf genommenen Anfangsverluste nicht mehr durch zukünftige Überschüsse kompensieren kann. Daraus kann sich eine ökonomische Abhängigkeit
307 308 309
310 311 312
Vgl. dazu auch Mandler, Kundenbindung und Vertrauen, 1997, S. 104. Vgl. Herzig/Watrin, Obligatorische Rotation, 1995, S. 792. Das Modell von DeAngelo sieht unendlich viele Folgeprüfungen vor. Die Wirkungsweise lässt sich jedoch bereits in einem zweiperiodigen Modell demonstrieren. Vgl. Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 523–525. Vgl. DeAngelo, Auditor independence, 1981, S. 122. Vgl. auch Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 526. Vgl. DeAngelo, Auditor independence, 1981, S. 119. Diese strenge Annahme ist jedoch nicht erforderlich. Das Modell lässt sich auf jedes beliebige mehrperiodige Setting übertragen.
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des Abschlussprüfers von der zu prüfenden Gesellschaft ergeben.313 So könnte etwa der Vorstand des Mandanten den Prüfer dazu bewegen, aus seiner Sicht unerwünschte Berichterstattung zu unterlassen, wenn er glaubhaft machen kann, dass er ansonsten die Wiederwahl des Abschlussprüfers vereitelt.314 Diese Drohung ist zumindest unter den Modellannahmen glaubhaft, da der Prüfer seine Honorarforderung so setzt, dass der Mandant indifferent ist zwischen der Beibehaltung des bisherigen Prüfers und der Vergabe des Prüfungsauftrages an einen neuen Prüfer. Für gewöhnlich unterhält ein Abschlussprüfer zugleich Mandatsbeziehungen mit verschiedenen Klienten.315 Die optimale Strategie des Prüfers ist also die Maximierung des Barwertes der Quasirenten aller Prüfungsmandate, nicht nur eines einzelnen Mandats. Erwägt er, die Quasirenten eines einzelnen Mandats durch verzerrte Berichterstattung zu sichern, muss er somit gleichzeitig den Einfluss auf die übrigen Mandate berücksichtigen. Es ist nämlich denkbar, dass die Reputation des Prüfers im Falle des Bekanntwerdens der verzerrten Berichterstattung leidet und ihm als Folge bestehende Mandate entzogen werden.316 Bei der Erwägung einer Berichtsverzerrung muss der Abschlussprüfer also den Erhalt der Quasirenten eines bestimmten Mandates gegen den drohenden Verlust von Quasirenten aller übrigen Mandate abwägen. Daraus folgt, dass Prüfer mit einer diversifizierten Mandatsstruktur ceteris paribus unabhängiger agieren als Prüfer mit einer geringeren Anzahl an Prüfungsmandaten. Die Existenz von Wettbewerbsbedingungen im Sinne des Modells von DeAngelo führt also nicht zwingend zur Abhängigkeit des Abschlussprüfers; es ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls, ob dieser als rationaler Entscheider zu verzerrter Berichterstattung tendiert.317 Übertragen auf die Unternehmensverfassung der deutschen Aktiengesellschaft lässt das Modell DeAngelos zunächst eine Abhängigkeit des Prüfers vom Aufsichts313
314 315 316 317
66
Wagenhofer/Ewert weisen zurecht darauf hin, dass das Phänomen des low balling keine notwendige Bedingung ist für die Anhängigkeit des Abschlussprüfers. Es reicht aus, dass der Prüfer befürchtet, aufgrund eines Mandatswechsels seinen Informationsvorsprung zu verlieren und somit geringere – wenngleich positive – Renten zu erwirtschaften. Vgl. dazu Wagenhofer/ Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 534. Es ist aber davon auszugehen, dass der Effekt bei vorherigem low balling eine größere Bedeutung erhält. Vgl. ebd., 2007, S. 533. Für Aktiengesellschaften muss sich dies bereits aus der Umsatzbegrenzung des § 319a Abs. 1 HGB ergeben. Vgl. DeAngelo, Auditor size and audit quality, 1981, S. 190 f.; Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 533. Zudem ist davon auszugehen, dass in der Realität in die Entscheidungen einige im Modell unberücksichtigte zusätzliche Faktoren einfließen, etwa das Berufsethos.
rat anstelle des Vorstands vermuten. Der Aufsichtsrat ist nämlich zuständig für den Vorschlag und die Mandatierung des Abschlussprüfers. Wie oben dargelegt fungiert der Aufsichtsrat als Agent der Eigentümer der Gesellschaft, sodass sich grundsätzlich das Problem des moral hazard ergeben kann.318 Eine Einflussnahme des Aufsichtsrates auf den Abschlussprüfer, d. h. der Versuch, diesen unter Androhung der Verhinderung der Wiederwahl zu einer zugunsten des Aufsichtsrates verzerrten Berichterstattung zu veranlassen, kann somit nicht ausgeschlossen werden. Doch auch für die Verfassung der deutschen Aktiengesellschaft kann auf Grundlage der Theorie der Quasirenten eine Abhängigkeit des Prüfers vom Vorstand erklärt werden. Zum einen ist es wahrscheinlich, dass der Vorstand in der Unternehmenspraxis tatsächlich in der Lage ist, auf die Wahl des Abschlussprüfers – auch ohne rechtliche Mitsprache – einzuwirken.319 Zum anderen ist zu beachten, dass der Abschlussprüfer zusätzlich zur Prüfung andere Beratungsdienstleistungen für den Mandanten erbringen kann.320 Der Wettbewerb um Beratungsaufträge kann analog zum Prüfungsmarkt modelliert werden.321 Mithin führt die gemeinsame Prüfung und Beratung eines Unternehmens schon durch die bloße Zunahme des Umsatzes zu einer Erhöhung der mandatsspezifischen Quasirenten. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn sog. Spillover-Effekte zwischen den beiden Tätigkeitsfeldern auftreten. Dies ist der Fall, falls die Informationen, die der Abschlussprüfer z. B. im Rahmen seiner Beratungstätigkeit gewinnt, die ihm entstehenden Kosten bei der Prüfung verringern.322 Antizipiert der Prüfer diese Spillover-Effekte, kann er sie auf einem von Wettbewerb geprägten Markt wie oben dargelegt in seiner Preisstrategie berücksichtigen und sein low balling verstärken. Die Steigerung der Quasirenten vergrößert also das Drohpotenzial des Mandanten und somit steigt 318
319 320 321 322
Vgl. Martens, Managementüberwachung, 1999, S. 39–41. Abstrahiert man von den Problemen der Prinzipal-Agenten-Beziehung und unterstellt, dass der Aufsichtsrat als perfekter Agent der Eigentümer strikt deren Interessen verfolgt, so entsprechen die deutschen Gegebenheiten etwa den Modellannahmen von Lee/Gu, die zeigen, dass die Existenz von low balling und Quasirenten die Gefahr der Kollusion von Abschlussprüfer und Management verringern kann, wenn die Eigentümer die Wiederwahl des Abschlussprüfers unterbinden können. Vgl. Lee/ Gu, Low balling, 1998, S. 533–555. Vgl. Grothe, Unternehmensüberwachung durch den Aufsichtsrat, 2006, S. 327–333. Vgl. Meuwissen/Quick, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2009, S. 273 f. Vgl. hier und folgend Beck/Frecka/Solomon, Knowledge spillovers and auditor-auditee bonding, 1988, S. 50–64; Beck/Frecka/Solomon, Auditor independence, 1988, S. 65–84. Für einen empirischen Nachweis dieses Effekts vgl. Antle et al., Audit fees, non-audit fees, and abnormal accruals, 2006, S. 251.
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ceteris paribus die Wahrscheinlichkeit, dass der Abschlussprüfer zur Sicherung der Quasirenten verzerrt berichtet. Als entgegengesetzter Effekt kann der Spillover von Informationen, die im Rahmen von Beratungsmandaten gewonnen wurden, die Berichterstattung des Abschlussprüfers verbessern, da in dessen Urteil bei konstanten Prüfungskosten mehr Informationen einfließen.323 Es kann also kein generelles Urteil darüber getroffen werden, ob die Existenz von Spillover-Effekten die Aussagekraft des geprüften Abschlusses verbessert oder verschlechtert. Die Mandatierung des Abschlussprüfers für Beratungsaufträge und damit die Vergabe der entsprechenden Honorare zählt zur Geschäftsführung des Unternehmens und obliegt damit dem Vorstand der Aktiengesellschaft. Daraus folgt, dass dieser über ein Drohpotenzial gegenüber dem Abschlussprüfer verfügt, da er bestehende Beratungsaufträge kündigen und damit die Preisstrategie des Prüfers vereiteln kann. Wie bereits bei der isolierten Betrachtung der Quasirenten im Falle von Prüfungsmandaten kann auch aus der gleichzeitigen Erbringung von Prüfungs- und Beratungsleistungen und den daraus eventuell resultierenden Spillover-Effekten nicht a priori gefolgert werden, dass die Quasirenten zu einer Abhängigkeit des Abschlussprüfers führen.324 Der Tradeoff des Abschlussprüfers zwischen Sicherung der Quasirenten eines Mandates und Verlust der Quasirenten anderer Mandate wird in diesem Szenario zusätzlich davon beeinflusst, wie nachteilig sich die Aufdeckung der Abhängigkeit im Prüfungsgeschäft auf die Reputation im Beratungsgeschäft auswirkt. Das Modell von DeAngelo und die darauf basierenden Arbeiten von Lee/Gu und Beck et al. unterstellen, dass die Verhandlungsmacht hinsichtlich der Prüfungshonorare beim vorhandenen Prüfer liegt, d. h. der Prüfer gibt ein Gebot über ein Honorar ab, zu dem er die Prüfung durchführen wird, und das zu prüfende Unternehmen nimmt das Gebot an oder lehnt es ab. Es ist jedoch ebenso gut der umgekehrte Fall denkbar, dass das Unternehmen ein Gebot über das zur Verfügung stehende Budget für die Abschlussprüfung abgibt und der Prüfer lediglich entscheidet, ob er bereit ist, die Prüfung zu diesem Preis durchzuführen. In dieser Konstellation kann die Preisoptimierung des Prüfers mangels Einfluss auf den Preis nicht wie oben geschildert funktionieren, sodass scheinbar keine Quasirenten entstehen können.325 Dies impliziert jedoch, dass der Mandant über die Kosten informiert ist, die für den Prüfer bei der Durchführung der Prüfung anfallen. Es ist aber davon auszugehen, dass der bestehende Abschlussprüfer diese Kosten besser einschätzen 323 324 325
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Vgl. Lassila et al., Auditor independence, 2010, S. 1. Vgl. hier und folgend Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2007, S. 537 f. Vgl. ausführlich ebd., 2007, S. 531.
kann als der Mandant oder konkurrierende Prüfer. Diese Informationsasymmetrie kann dazu führen, dass der Mandant die Kosten des Abschlussprüfers überschätzt und dieser somit Honorare realisieren kann, die oberhalb seiner Prüfungskosten liegen.326 Somit können auch bei einer Verteilung der Verhandlungsmacht, die vom Modell DeAngelos abweicht, Quasirenten auftreten, aus denen sich wiederum eine Abhängigkeit des Prüfers vom Mandanten ergeben könnte. 3.2.3 Weitere Einflüsse auf die Unabhängigkeit des Prüfers Die Prinzipal-Agenten-Theorie und die auf der Transaktionskostentheorie basierende Theorie der Quasirenten halten Erklärungen dafür bereit, dass rational handelnde Aufsichtsräte und Abschlussprüfer unter gewissen Voraussetzungen opportunistisch agieren. Solches Verhalten wird gemäß der zugrundeliegenden Modelle begünstigt durch das Bestehen von Informationsasymmetrien, fehlgerichtete Anreizsysteme und, im Falle der Tätigkeit des Abschlussprüfers, durch im Zeitverlauf sinkende Kosten. Dem steht das Risiko des Reputationsverlustes gegenüber, sodass opportunistisches Handeln letztlich das Resultat eines Tradeoffs der Akteure ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das tatsächliche Verhalten von Aufsichtsräten und Abschlussprüfern durch die oben dargelegten Theorien nur unvollständig beschrieben wird. Denn diese berücksichtigen in ihrer modellhaften Vereinfachung nicht die Möglichkeit, dass die Handlungen der Akteure durch moralische bzw. ethische Überlegungen oder gar Boshaftigkeit geprägt sein könnten. Darüber hinaus ist es denkbar, unterbewusste Einflüsse, sog. biases, auf die Entscheidungsfindung der Akteure einwirken. Aus diesem Grund erscheint es ratsam, zusätzlich zu den oben geschilderten institutionenökonomischen Theorien die Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen Forschung zu betrachten.327 Die vorliegende Arbeit kann nicht den Beitrag leisten, einen umfassenden Überblick über dieses Feld zu liefern.328 Gleichwohl sollen exemplarisch einige Aspekte vorgestellt werden, anhand derer deutlich wird, wie das Verhalten eines Entscheiders in der Realität vom rationalen Entscheider klassischer ökonomischer Modelle abweichen kann und welche Auswirkungen dies auf die Bilanzpolitik haben könnte. 326 327 328
Vgl. ausführlich Kanodia/Mukherji, Audit pricing, 1994, S. 594–607. Vgl. auch Ewert, Interessenkonflikte und asymmetrische Information, 1992, S. 283. Für einen umfangreichen Literaturüberblick zu den Einflüssen auf Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse von Abschlussprüfern siehe Nelson/Tan, Judgement and decision making research in auditing, 2005, S. 41–71.
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Als psychologisch realistische Alternative zur Erwartungsnutzentheorie postuliert die von Kahneman/Tversky begründete prospect theory, dass Individuen die erwarteten Ergebnisse ihres Handelns asymmetrisch in die Entscheidungsfindung einfließen lassen.329 Danach ist der Nutzenzuwachs durch eine positive Veränderung des Ausgangszustands geringer als der Nutzenrückgang durch eine betragsmäßig gleich große negative Veränderung. Die prospect theory nimmt also eine Verlustaversion an. Zwar kennt die Prinzipal-Agenten-Theorie, die in ihrer klassischen Form eine Von-Neumann/Morgenstern-Erwartungsnutzenfunktion der Entscheider impliziert, auch die Risikoaversion des Agenten.330 Diese unterscheidet sich aus theoretischer Sicht jedoch von der Verlustaversion im Sinne der prospect theory durch den Referenzpunkt. Während der Agent in der Modellwelt der Prinzipal-Agenten-Theorie seinen absoluten Wohlstand maximiert, strebt der Akteur nach der prospect theory nach einem möglichst hohen Nutzen aus der Veränderung der Situation gegenüber der Ausgangslage oder einer anderen Referenz.331 Folgt man der prospect theory, könnte die Neigung von Managern zum Einsatz von opportunistischer Bilanzpolitik zur Beeinflussung der Vergütung also davon abhängen, ob ihre erwartete Vergütung den Vorjahreswert über- oder unterschreitet. Eine weitere von Tversky/Kahneman aufgestellte Theorie besagt, dass Individuen zur Entscheidungsfindung bei unvollständigen Informationen unbewusst auf Heuristiken zurückgreifen.332 Dazu zählt die sog. Ankerheuristik, nach der sich das Urteil an einem beliebigen, sogar willkürlichen Anker als Ausgangswert des Entscheidungsprozesses orientiert und durch eine Serie von Anpassungen zu einem Endwert gelangt. Da diese Anpassungen in der Regel unzureichend sind, ist das Ergebnis in Richtung des Ankers verzerrt. Auch Experten verwenden den Ankereffekt bei Entscheidungen im Rahmen ihrer Berufsausübung.333 Übertragen auf die Unternehmenskontrolle ist es also denkbar, dass der Aufsichtsrat bzw. der Abschlussprüfer die Unangemessenheit einer opportunistischen Bilanzierungsentscheidung des Vorstands (etwa die Höhe einer dem Grunde nach unstrittigen Rückstellung) erkennen, aber in Ermangelung eines objektiv richtigen Wertes 329 330 331 332 333
70
Vgl. hier und folgend Kahneman/Tversky, Prospect theory: An analysis of decision under risk, 1979, S. 277–280. Vgl. Jensen/Meckling, Theory of the firm, 1976, S. 316. Vgl. dazu ausführlich Kahneman/Tversky, Prospect theory: An analysis of decision under risk, 1979, S. 268 f. Vgl. hier und folgend Tversky/Kahneman, Judgement under uncertainty, 1974, S. 1124–1131. Vgl. Northcraft/Neale, An anchoring-and-adjustment perspective on property pricing decisions, 1987, S. 84–97.
unbewusst die Ankerheuristik anwenden und den vom Vorstand vorgeschlagenen Wert als Anker einsetzen. Reichen die folgenden Anpassungen nicht aus, so ist die korrigierte Bilanzposition von der ursprünglichen Bilanzpolitik verzerrt. Aufsichtsrat und Abschlussprüfer vermindern somit das Ausmaß der Bilanzpolitik, sie beseitigen sie – entgegen ihrer Absicht – jedoch nicht vollständig. Die psychologische Forschung hat ferner gezeigt, dass Individuen – auch im professionellen Umfeld – zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung neigen.334 Zudem sind kognitive Prozesse des Menschen in der Regel durch den sog. Bestätigungsfehler (confirmation bias) beeinflusst: Informationen werden selektiv wahrgenommen bzw. verarbeitet, sodass jene Informationen, die eine Erwartung oder ein gewünschtes Ergebnis bestätigen, mit mehr Gewicht in die Entscheidung einfließen als solche, die dieser Erwartung oder dem Wunschergebnis entgegenstehen.335 Daraus folgt, dass Abschlussprüfer oder Aufsichtsratsmitglieder unbewusst Entscheidungen treffen können, die vom objektiven Standpunkt betrachtet auf eine Abhängigkeit des Entscheiders schließen lassen.336 Im Verlauf einer mehrjährigen Mandatsbeziehung zwischen einem Abschlussprüfer und einem Unternehmen baut sich in aller Regel ein Vertrauensverhältnis zwischen den beteiligten Personen auf; dies gilt umso mehr für Beratungsleistungen, da diese naturgemäß weniger den Charakter einer Kontrolle aufweisen.337 Draus erwächst die Gefahr, dass die Urteilsfreiheit des Abschlussprüfers und damit die Objektivität der Prüfung leidet (familiarity threat).338 Es ist sogar denkbar, dass mit zunehmender Beratungstätigkeit der Prüfer beginnt, sich mit den Interessen des Unternehmens bzw. dessen Führungspersonal zu identifizieren (advocacy threat).339 Auch ohne eine umfassende Diskussion der verhaltenswissenschaftlichen Literatur wird deutlich, dass es aufgrund der zahlreichen, nur Teilbereiche der Realität betrachtenden Erklärungsansätze letztlich eine empirische Frage ist, ob und unter welchen Bedingungen sich die mit der Unternehmenskontrolle betrauten Personen in die Abhängigkeit des Unternehmens bzw. dessen Management begeben. Im 334 335 336 337 338 339
Für einen ausführlichen Literaturüberblick vgl. Moore et al., Conflict of interest and the case of auditor independence, 2006, S. 16–22. Vgl. grundlegend Wason, On the failure to eliminate hypotheses in a conceptual task, 1960, S. 129–140. Vgl. ähnlich McMillan/White, Auditors’ belief revisions and evidence search, 1993, S. 459 f.; Moore et al., Unconscious intrusion of bias, 2002, 31 f. Vgl. Meuwissen/Quick, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2009, S. 274. Vgl. dazu ausführlich Hussey, Familiarity threat and auditor independence, 1999, S. 190–197. Vgl. Meuwissen/Quick, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2009, S. 274.
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Folgenden soll daher ein Überblick über den Stand der empirischen Forschung zu diesem Thema gegeben werden.
3.3 Stand der empirischen Forschung 3.3.1 Überblick über die Literaturströmungen Die vorliegende Untersuchung betrachtet Bilanzpolitik, die der Vorstand der Aktiengesellschaft betreibt, um seine Vergütung zu erhöhen, sowie den Einfluss, den der Aufsichtsrat und der Abschlussprüfer auf diesen Zusammenhang nehmen. Diese Fragestellung wurde in der bestehenden Accounting-Literatur nach dem Kenntnisstand des Verfassers noch nicht zusammenhängend untersucht. Vielmehr existieren drei wesentliche Literaturströmungen, die jeweils Teilaspekte des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes erörtern.340
Abbildung 3.4: Wesentliche Literaturströmungen (Quelle: Eigene Darstellung)
Abbildung 3.4 stellt die Forschungsfrage und die dazu existierenden Literaturströmungen schematisch dar. Ein Teil der Literatur befasst sich mit der Frage, 340
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Diese Literatur stammt nahezu ausschließlich aus den USA. Wenn nicht anders gekennzeichnet, beziehen sich die im Folgenden vorgestellten Forschungsarbeiten daher auf USamerikansiche Daten.
welchen Einflüssen die Managervergütung unterliegt und ob Manager Bilanzpolitik zur Maximierung ihrer Vergütung betreiben (Box A). Diese Untersuchungen betrachten teilweise auch die Möglichkeit, dass das compensation committee, also ein Ausschuss des board of directors341 , dieses Vorgehen bemerkt und durch Anpassung der Vergütung neutralisiert. Ein weiterer Zweig befasst sich mit dem Einfluss des Aufsichtsorgans auf das Ausmaß der Bilanzpolitik (Box B). Ein dritter Teil untersucht die Frage, welchen Einfluss der Abschlussprüfer bzw. dessen Unabhängigkeit auf die Bilanzpolitik des Unternehmens nimmt (Box C). Die folgenden Ausführungen betrachten, entsprechend dem Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit, ausschließlich sog. archival studies. Daneben existiert eine Fülle von Befragungen und experimenteller Forschung, vor allem zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.342 Vorteil dieser alternativen Untersuchungsmethoden ist die bessere Überprüfbarkeit verhaltenswissenschaftlicher Einflüsse; als nachteilig ist hingegen grundsätzlich die Realitätsferne solcher Untersuchungen zu werten, die aus den künstlichen Laborbedingungen resultiert. 3.3.2 Managervergütung und Bilanzpolitik Eine für die vorliegende Untersuchung wesentliche Strömung der AccountingLiteratur befasst sich mit der Frage, welchen Einflüssen die Managervergütung allgemein unterliegt und ob Manager entsprechend der ökonomischen Theorie tatsächlich Bilanzpolitik einsetzen, um ihre ergebnisabhängige Vergütung zu maximieren (Box A in Abbildung 3.4). Damit einher geht die Frage, ob die Vergütungsverträge in Antizipation dieser möglichen Einflussnahme Vorkehrungen enthalten, die Auswirkung bilanzpolitischer Maßnahmen auf die Vergütung zu neutralisieren. Für den Abschluss und die Durchführung dieser Verträge, und damit auch für solche potenziellen Anpassungen, ist in den USA das compensation committee des board of directors zuständig, das aus theoretischer Sicht als Agent der Aktionäre fungiert. Eine kleine Zahl von empirischen Untersuchungen analysiert die Determinanten der Vorstandsvergütung deutscher Aktiengesellschaften. Schmid betrachtet die Vergütungszahlungen der 120 größten deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften des Jahres 1991.343 Er stellt fest, dass die Gesamtkapitalrentabilität des 341 342
343
Siehe oben Kapitel 2.2.5. Vgl. die Übersichten bei Schatzberg et al., Experimental audit markets, 2005, S. 235–237; Maines/Wahlen, Archival and experimental research, 2006, S. 399–425; Pott/Mock/Watrin, Research on rotation and non-audit services, 2009, S. 209–239. Vgl. hier und folgend Schmid, Vorstandsbezüge, 1997, S. 67–83.
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Unternehmens und die Aktionärskonzentration einen signifikanten Einfluss auf die Vergütung des Vorstands haben. Der Einfluss der Rentabilität ist jedoch quantitativ gering. Eine Auswirkung des Anteilsbesitzes durch Gründerfamilien kann nicht festgestellt werden. Ferner steht die Bilanzsumme in einem positiven Zusammenhang mit der Vorstandsvergütung. Schwalbach/Graßhoff untersuchen die Bezüge der Vorstände bzw. Geschäftsführer deutscher Aktiengesellschaften und GmbHs der Jahre 1988–1992 verschiedener Branchen sowie die Vorstandsvergütungen von Aktiengesellschaften der Jahre 1968–1998 innerhalb einer Branche.344 Dabei zeigt sich, dass die Erfolgsindikatoren Umsatzrendite und Aktienrendite einen signifikant positiven Einfluss auf die Organbezüge haben. Wiederum ist der Einfluss dieser Rentabilitätsgrößen betragsmäßig als gering einzustufen. Ferner ergibt sich ein siginifikant positiver Zusammenhang der Vergütungen mit den Größenindikatoren Mitarbeiterzahl und Umsatzerlöse. Gemessen an der Rentabilität fällt der Einfluss der Unternehmensgröße auf die Vorstandsvergütung deutlich stärker aus. Die Autoren schließen daraus, dass den Vergütungssystemen deutscher Aktiengesellschaften nicht das aus Sicht der Prinzipal-Agenten-Theorie wünschenswerte Maß der Anreizkompatibilität zu eigen ist. Conyon/Schwalbach betrachten die Vergütung der Vorstände deutscher Aktiengesellschaften der Jahre 1968–1994.345 Auch hier zeigt sich ein signifikant positiver Zusammenhang der Vergütung mit der Unternehmensgröße (gemessen an den Umsatzerlösen) sowie der Rentabilität (gemessen an der Aktienrendite). Ein direkter Vergleich mit entsprechenden Daten aus Großbritannien deutet darauf hin, dass die Relation zwischen Rentabilität und Vorstandsvergütung in beiden Ländern ähnlich hoch ausgeprägt ist. Conyon/Schwalbach stellen zudem fest, dass die Höhe dieser Relation zwischen unterschiedlichen Unternehmen deutlich schwankt, was etwa auf Branchenunterschiede zurückgeführt werden könnte. Elston/Goldberg untersuchen 91 deutsche Aktiengesellschaften im Zeitraum 1970–1986 und bestätigen den positiven Einfluss der Umsatzerlöse auf die Vorstandsvergütung.346 Ein signifikanter Einfluss der Eigenkapitalrendite kann hingegen nur für einen Teil der Analysen festgestellt werden. Ferner zeigt sich, dass die Eigentümerkonzentration nur bei sehr deutlicher Ausprägung ein erklärender Faktor für die Vorstandsvergütung ist. Der Anteilsbesitz durch Familienmitglieder sowie durch Kreditinstitute wirkt sich indes 344 345 346
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Vgl. hier und folgend Schwalbach/Grasshoff, Managervergütung und Unternehmenserfolg, 1997, S. 203–213. Vgl. hier und folgend Conyon/Schwalbach, Executive compensation: Evidence from the UK and Germany, 2000, S. 504–526. Vgl. hier und folgend Elston/Goldberg, Executive compensation, 2003, S. 1405.
signifikant negativ auf die Vorstandsvergütung aus. In einer jüngeren Untersuchung können Schmidt/Schwalbach, die den DAX im Zeitraum 1987–2005 analysieren, entgegen früherer Ergebnisse keinen Zusammenhang zwischen der Vergütung und der Aktienrendite nachweisen.347 Auch die Personalaufwendungen der Aktiengesellschaft, die als Indikator für die Kostenentwicklung angesehen werden können, erklären die Bezüge des Vorstands nicht. In einer aktuellen Studie untersuchen Rapp/Wolf den Prime Standard der Deutschen Börse der Jahre 2005–2007.348 Diese Untersuchung bestätigt den positiven Einfluss der Umsatzerlöse sowie der Aktienrendite auf die Vorstandsvergütung, wobei der Einfluss der Aktienrendite jedoch gering ausfällt. Ein Einfluss des buchhalterischen Erfolgs auf die Vorstandsvergütung wird nicht festgestellt. Im Gegensatz zu früheren Studien betrachten Rapp/Wolf auch die Merkmale des Aufsichtsrates als mögliche Einflüsse auf die Vorstandsvergütung. Dabei zeigt sich, dass die Größe des Aufsichtsrates und die Häufung von Mandaten des Aufsichtsratsvorsitzenden einen steigernden Einfluss auf die Vorstandsvergütung haben. Die vorgenannten Studien verfolgen die Absicht, die Vergütung des Vorstands möglichst vollständig zu erklären und dabei den Grad der Anreizkompatibilität im Sinne der Relation von Vergütung und der Entwicklung des Vermögens der Aktionäre (pay-performance-relation) zu bewerten. Die vorliegende Arbeit verfolgt einen anderen Zweck, denn der Untersuchungsgegenstand verlangt nicht nach einer möglichst weitreichenden Erklärung der Gesamtvergütung; vielmehr geht es um die Frage, ob Teile der Vergütung durch opportunistisches Handeln des Vorstands und der mit der Unternehmenskontrolle betrauten Personen geprägt werden. Die oben erörterten Untersuchungen betrachten diese Frage nicht. In der US-amerikanischen Literatur finden sich indes Beiträge, die den Einfluss der Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung untersuchen. Eine frühe und sehr einflussreiche Untersuchung349 zum Zusammenhang von Bilanzpolitik und der Vergütung von Managern stammt von Healy, der die anfänglich widersprüchlichen Ergebnisse der jungen Forschungsrichtung erklärt, indem er verschiedene Szenarien charakterisiert, in denen das Management jeweils mit unterschiedlichen Anreizen für Bilanzpolitik mit entweder gewinnerhöhender oder
347 348 349
Vgl. hier und folgend Schmidt/Schwalbach, Vorstandsvergütung in Deutschland, 2007, S. 118 f. Vgl. hier und folgend Rapp/Wolff, Determinanten der Vorstandsvergütung, 2010, im Erscheinen. Zu dieser Einschätzung vergleiche auch Kaplan, Comments on Paul Healy, 1985, S. 109.
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gewinnvermindernder Wirkung ausgestattet ist.350 So zeigt er, dass Unternehmen in denjenigen Fällen vermehrt ergebniserhöhende Periodenabgrenzungen bilanzieren, in denen eine positive Elastizität der Vergütung des Managements bezüglich des Ergebnisses besteht. Für die übrigen Fälle, die durch das Unterschreiten eines Mindestergebnisses als Voraussetzung für die Zahlung von variabler Vergütung zustande kommen, weist Healy den erhöhten Einsatz von ergebnisvermindernden Periodenabgrenzungen nach. Diese als big bath accounting bekannte Strategie folgt dem Kalkül, dass bei einem ohnehin unvermeidbaren Unterschreiten des Mindestergebnisses und damit dem Ausbleiben der variablen Vergütung für die entsprechende Periode durch die ergebnisvermindernde Bilanzpolitik stille Reserven geschaffen werden, die zu positiven Ergebnisbeiträgen in den Folgeperioden führen und damit den Erwartungswert künftiger variabler Vergütungen erhöhen. Demnach wird deutlich, dass die Ausrichtung der Bilanzpolitik mit den Anreizen des Vergütungssystems übereinstimmt. Mithin kann also angenommen werden, dass die Bilanzpolitik zumindest teilweise an den Interessen des Managements ausgerichtet ist. Die Methodik der Untersuchung von Healy ist durch nachfolgende Arbeiten stetig verfeinert worden. Gaver et al. replizieren die Untersuchung unter Verwendung eines anderen Analysezeitraums (1980–1990), da der von Healy zugrunde gelegte Zeitraum (1930–1980) Anlass zu der Einwendung gibt, die Ergebnisse könnten durch makroökonomische Veränderungen erklärt werden.351 Zudem verwenden sie als Maß für die Bilanzpolitik nicht wie Healy die gesamten Periodenabgrenzungen352 , sondern die diskretionären Periodenabgrenzungen. Die dabei erzielten Resultate widersprechen den Ergebnissen Healys; vielmehr deuten sie darauf hin, dass Manager Bilanzpolitik ohne Rücksicht auf ihre Vergütung zur Ergebnisglättung verwenden. Die Studien von Healy und Gaver et al. fußen auf der Methodik, dass beobachtete Firmenjahre dahingehend in verschiedene Portfolios eingeteilt werden, ob ihr Management in der jeweiligen Situation mit einem Anreiz zu gewinnerhöhender Bilanzpolitik oder aber zu big bath accounting ausgestattet ist. Da Unternehmen die zu einer trennscharfen Einteilung dieser Portfolios erforderlichen Informationen über die angewandten Vergütungssysteme nicht oder nur unvollständig veröffentlichen, besteht die Gefahr, dass die Einteilung fehlerhaft 350 351 352
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Vgl. hier und folgend Healy, The effect of bonus schemes, 1985, S. 85–107. Vgl. hier und folgend Gaver/Gaver/Austin, Additional evidence, 1995, S. 3–28. Die Verwendung der gesamten Periodenabgrenzungen kann zu unerwünschten Verzerrungen führen. Vgl. dazu Kaplan, Comments on Paul Healy, 1985, S. 110; Kang/Sivaramakrishnan, Issues in testing earnings management, 1995, S. 355.
vorgenommen wird.353 Diese Einschränkung vermeiden Holthausen et al., indem sie die Untersuchung von Healy mit vertraulichen Daten replizieren und dabei sicherstellen können, dass die Einteilung der Portfolios präzise ist.354 Dabei wird bestätigt, dass Manager vermehrt ergebniserhöhende Periodenabgrenzungen einsetzen, wenn sie damit ihre Vergütung steigern können. Ein Nachweis für big bath accounting bleibt hingegen aus. Die Studien von Healy, Gaver et al. und Holthausen et al. verwenden konsolidierte Bilanzdaten. Guidry et al. argumentieren, die uneinheitlichen Ergebnisse dieser Untersuchungen seien darauf zurückzuführen, dass die Verwendung konsolidierter Daten die statistische Power der Tests einschränke.355 Sie replizieren daher die Studie von Healy mit den Bilanzdaten aus Einzelabschlüssen und kommen zu übereinstimmenden Ergebnissen. Die oben genannten Untersuchungen betrachten das System der Managervergütung, nicht aber die Höhe der tatsächlich gezahlten Bezüge. Sie lassen somit keine Aussagen darüber zu, ob die Bilanzpolitik wirklich zu einer erhöhten Entlohnung des Managements führt, oder ob das compensation committee die Bilanzpolitik durch eine Anpassung der Vergütung kompensiert. Nachfolgende Studien schließen diese Lücke, konzentrieren sich dabei jedoch zunächst auf nicht wiederkehrende Bilanzierungsentscheidungen. So zeigen Healy et al., dass nach einer ergebnisvermindernden Umstellung von FIFO- zu LIFO-Bewertung der Lagerbestände sowie nach einer ergebniserhöhenden Umstellung von progressiver auf lineare Abschreibung des Anlagevermögens die Vergütung des CEOs auf Grundlage der neuen Bilanzierungsweise bestimmt wird; eine Anpassung zur Neutralisierung der Änderung der Bilanzierungsweise findet offenbar nicht statt.356 Defeo et al. untersuchen den Einsatz von Equity-for-Debt-Swaps, die sie als reale Bilanzpolitik klassifizieren.357 Mit diesem finanzwirtschaftlichen Instrument ist es dem Management nämlich möglich, Fremdkapital des Unternehmens in Eigenkapital umzuwandeln und auf diese Weise einen Buchgewinn zu erzielen.358 In ihrer Studie zeigen Defeo et al., dass die Ausübung solch eines Swaps zu einem Anstieg der Vergütung der Manager des Unternehmens führt. Dieser Zusammenhang hängt 353 354 355 356
357 358
Vgl. Healy, The effect of bonus schemes, 1985, S. 95. Vgl. hier und folgend Holthausen/Larcker/Sloan, Manipulation of earnings, 1995, S. 29–74. Vgl. ausführlich Guidry/Leone/Rock, Earnings-based bonus plans, 1999, S. 113–142. Vgl. Healy/Kang/Palepu, Accounting procedure changes, 1987, S. 7–34. Ein anderes Ergebnis erzielt Abdel-khalik, The effect of LIFO-Switching, 1985, S. 427–447, dessen Methodik jedoch umstritten ist. Vgl. dazu ausführlich Healy/Kang/Palepu, Accounting procedure changes, 1987, S. 9. Vgl. Defeo/Lambert/Larcker, Equity-for-debt swaps, 1989, S. 201–227. Vgl. dazu ausführlich Peavy/Scott, Stock-for-debt swaps, 1985, S. 44-50.
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dabei davon ab, zu welchem Anteil die Managervergütung auf rechnungswesenbasierten Kennzahlen beruht. Die Ergebnisse der Studie sprechen wiederum dafür, dass die Vergütungsvereinbarungen keine Anpassung für bilanzpolitische Maßnahmen vorsehen oder diese Anpassungen nicht vom compensation committee durchgesetzt werden. Dazu im Gegensatz stehen die Ergebnisse von Baber et al., die in ihrer Studie zeigen, dass der Zusammenhang zwischen dem bilanziellen Ergebnis und der Barvergütung des Managements in solchen Fällen besonders ausgeprägt ist, in denen die gegenwärtigen Ergebnisse in hohem Umfang in die Zukunft weiterwirken.359 Dieses als Beständigkeit bzw. earnings persistence bekannte Konzept kann als Maß für die sog. earnings quality angesehen werden, die durch bilanzpolitische Maßnahmen tendenziell sinkt.360 Barber et al. führen dieses Resultat darauf zurück, dass die Vergütung des Managements durch das compensation committee dergestalt angepasst wird, dass nicht beständige Ergebnisbeiträge nicht zu einer Steigerung der Vergütung führen und das Management somit zu einer nachhaltigen, d. h. an den Interessen der Aktionäre ausgerichteten Unternehmensund Bilanzpolitik angehalten wird.361 Für diese Schlussfolgerung spricht auch der empirische Befund, dass der Einfluss der earnings persistence auf den Zusammenhang von Jahresüberschuss und Managervergütung mit zunehmendem Lebensalter der Manager steigt. Für Manager, die kurz vor dem Ruhestand stehen, besteht nämlich ein hoher Anreiz zu kurzfristigem Handeln, sodass in diesen Fällen ein Entgegenwirken des compensation committee in besonderem Maße sinnvoll sein kann. Gaver/Gaver lösen sich von der bis dahin üblichen Betrachtung einzelner Transaktionen und analysieren den Zusammenhang zwischen außergewöhnlichen Ergebnisbeiträgen im Allgemeinen362 und der Barvergütung des CEOs.363 Sie zeigen, dass negative Erfolgsbeiträge einen signifikant geringeren Einfluss auf die Managervergütung haben als positive Erfolgsbeiträge. Dies deutet darauf hin, dass die compensation committees bei Abschluss der Vergütungsverträge und den nachfolgenden Anpassungen eher im Sinne der Manager als im Sinne der Eigentümer agieren. Die Untersuchung von Gaver/Gaver lässt aber offen, was die Mitglieder des compensation committee zu diesem Verhalten veranlasst. Insbesondere wird 359 360 361 362 363
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Vgl. Baber/Kang/Kumar, The role of earnings persistence, 1998, S. 169–193. Vgl. dazu ausführlich Wagenhofer/Dücker, Die Messung von „Earnings“-Qualität, 2007, S. 271 f. Vgl. hier und folgend Baber/Kang/Kumar, The role of earnings persistence, 1998, S. 169–193. Diese Größe errechnen sie als die Summe der Positionen extraordinary items und discontinued operations der nach US-GAAP aufgestellten Gewinn- und Verlustrechnung. Vgl. hier und folgend Gaver/Gaver, Nonrecurring accounting transactions, 1998, S. 235–253.
nicht untersucht, ob es sich dabei um opportunistisches Verhalten im Sinne einer Koalitionsbildung zwischen dem Management und dem compensation committee handeln könnte. Eine extreme Form des opportunistischen Verhaltens von Managern betrachten Erickson et al., die den Zusammenhang von Vergütungsanreizen und (illegalen) Bilanzmanipulationen364 untersuchen.365 Ihnen gelingt es indes nicht, die Hypothese zu bestätigen, dass Vergütungsanreize zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Bilanzmanipulationen führen. In einer jüngeren Studie misslingt Armstrong et al. ebenfalls dieser Nachweis.366 Eine umfassendere Analyse nimmt Balsam vor, der den Zusammenhang von diskretionären Periodenabgrenzungen und der Barvergütung des CEOs untersucht.367 Die nach dem Jones-Modell368 ermittelten diskretionären Periodenabgrenzungen stehen dabei als Maßzahl für die bilanzpolitischen Entscheidungen des Managements. Auf diese Weise betrachtet die Studie im Gegensatz zu den oben genannten Forschungsarbeiten nicht den Einfluss außergewöhnlicher Umstände auf die Vergütung des Managements, sondern die Auswirkung der regelmäßig wiederkehrenden Bilanzierungsentscheidungen. Dabei zeigt sie, dass diskretionäre Periodenabgrenzungen einen signifikanten Einfluss auf die Vergütung des CEOs haben. Darüber hinaus liefert die Studie Hinweise darauf, dass der Einsatz gewinnerhöhender Bilanzpolitik in jenen Fällen besonders stark ausgeprägt ist, in denen die Managervergütung in hohem Maße von dem bilanziellen Ergebnis des Unternehmens abhängt. Dieser Befund lässt darauf schließen, dass ein Teil der Bilanzpolitik nicht aus sachlichen Gründen betrieben wird, sondern durch die Anreize des Vergütungssystems induziert ist. Ferner geht aus der Untersuchung hervor, dass der Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen auf die Vergütung im Falle von ergebniserhöhenden diskretionären Periodenabgrenzungen signifikant größer ausfällt als für ergebnisvermindernde diskretionäre Periodenabgrenzungen. Dieser Befund stimmt überein mit der Theorie, dass CEOs big bath accounting betreiben, d. h. gewinnmindernde Bilanzpolitik in solchen Situationen einsetzen, in denen wegen des Unterschreitens eines Mindestergebnisses keine Elastizität der Vergü364 365 366 367 368
Zur Abgrenzung zwischen Bilanzpolitik und Bilanzmanipulation siehe oben Kapitel 3.1.1. Vgl. hier und folgend Erickson/Hanlon/Maydew, Executive equity incentives and accounting fraud, 2006, S. 113–143. Vgl. Armstrong/Jagonlinzer/Larcker, Equity incentives and accounting irregularities, 2010, S. 225–271. Vgl. hier und folgend Balsam, Discretionary accounting choices, 1998, S. 229-252. Siehe dazu oben Kapitel 3.1.4.
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tung in Bezug auf das Ergebnis besteht. Damit stützen die Ergebnisse Balsams also die Hypothese, dass CEOs Bilanzpolitik opportunistisch einsetzen. Shuto repliziert die Studie von Balsam für japanische Aktiengesellschaften und erzielt übereinstimmende Ergebnisse.369 Gul untersucht ebenfalls den Zusammenhang zwischen diskretionären Periodenabgrenzungen und der rechnungswesenbasierten Vergütung des Management, jedoch anhand eines Datensatzes australischer Unternehmen.370 Die angewandte Methodik entspricht nicht der von Balsam, doch die Ergebnisse stützen wiederum die These, dass Manager durch die Anwendung von Bilanzpolitik ihre Vergütung maximieren. Der methodische Ansatz Balsams ist nach der hier vertretenen Meinung dem der zuvor genannten Studien vorzuziehen, wenn es um die Frage geht, ob Manager die Bilanzpolitik zur Maximierung ihrer Vergütung nutzen. Zum einen ist der Einfluss einzelner Bilanzierungsentscheidungen wertmäßig mitunter so gering, dass diese Bilanzierungen von vornherein ungeeignet sind, die Vergütung des Managements maßgeblich zu beeinflussen.371 Zum anderen unterliegen außergewöhnliche Bilanzierungsentscheidungen wie etwa die Umstellung des Bewertungsverfahrens für die Lagerbestände in der Regel einem Publizitätserfordernis, sodass sich solche Maßnahmen aus Sicht des Managements wegen ihrer Transparenz für opportunistisches Handeln weniger anbieten als andere bilanzpolitische Maßnahmen, die nicht unmittelbar als solche erkennbar sind.372 Die Untersuchung Balsams erörtert jedoch nicht explizit, ob das compensation committee Anstrengungen unternimmt, den Einfluss der Bilanzpolitik auf die Vergütung durch Anpassungen zu neutralisieren. Aus dem Nachweis des Einflusses der Bilanzpolitik auf die Vergütung kann nämlich nur gefolgert werden, dass eine Anpassung entweder scheitert oder gar nicht erst versucht wird. Hinweise auf den Zusammenhang zwischen den Charakteristika des compensation committee bzw. des gesamten board of directors und der Vergütung des CEO liefert die Untersuchung von Core et al. Sie betrachtet vor allem den Einfluss der abhängigen outside directors373 auf die Vergütung.374 Eine Abhängigkeit wird dabei angenommen für einen outside director, der von dem Unternehmen Zah369 370 371 372 373 374
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Vgl. Shuto, Executive compensation and earnings management, 2007, S. 1–26. Vgl. hier und folgend Gul/Chen/Tsui, Discretionary accounting accruals, 2003, S. 441–464. Vgl. dazu etwa Healy/Kang/Palepu, Accounting procedure changes, 1987, S. 33. Für Beispiele siehe oben Kapitel 3.1.2. Siehe oben Kapitel 2.2.5. Vgl. hier und folgend Core/Holthausen/Larcker, Chief executive officer compensation, 1999, S. 371–406.
lungen erhält, die über die Vergütung für die Tätigkeit als director hinausgehen. Weiterhin wird von einem outside director angenommen, er sei abhängig, wenn er als Manager eines anderen Unternehmens tätig ist, das wiederum einen Manager des ersten Unternehmens als outside director aufweist.375 Core et al. zeigen, dass der CEO eine umso höhere Vergütung erhält, je mehr outside directors des board als abhängig eingestuft werden können. Aus der Untersuchung geht allerdings nicht hervor, welche Mechanismen diesen Zusammenhang bewirken. Vor allem lässt sie keine Rückschlüsse darauf zu, ob die abhängigen outside directors in erhöhtem Maße die ergebnis- und damit vergütungserhöhende Bilanzpolitik des CEOs dulden. Somit kann die Erklärung nicht ausgeschlossen werden, dass die Anzahl der unabhängigen outside directors tatsächlich eine Maßzahl für die Bemühungen des Unternehmens um eine gute Corporate Governance ist und dass solche Unternehmen, die eine gute Corporate Governance anstreben, ihrem CEO tendenziell weniger Vergütung gewähren. In einer jüngeren Studie untersuchen Iyengar/Zampelli, wie hoch die Bedeutung des Jahresüberschusses für die Vergütung des CEO ist.376 Diese Analyse folgt der Überlegung, dass das compensation committee auf die Gefahr reagiert, das Management könne seine Vergütung durch Bilanzpolitik steigern, indem es die Berechnungsweise der Vergütung dahingehend anpasst, dass bilanzielle Größen nicht oder nur zu einem geringen Teil einfließen. Die Analyse ergibt, dass das Gewicht des Jahresüberschusses für die Vergütung besonders gering ausfällt, wenn das Unternehmen seinem Abschlussprüfer hohe Honorare für Nichtprüfungsleistungen zahlt. Iyengar/Zampelli folgern aus diesem Ergebnis, dass das compensation committee aufgrund der Abhängigkeit des Abschlussprüfers, die sich aus der Zahlung der Nichtprüfungshonorare ergeben kann377 , befürchtet, dass der Abschluss durch Bilanzpolitik verzerrt ist und es daher das Vergütungssystem bewusst so gestaltet, dass der CEO diese Abhängigkeit nicht zur Maximierung seiner Vergütung ausnutzen kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die These, dass Manager Bilanzpolitik zur Steigerung ihrer Vergütung nutzen, wird in der Accounting-Forschung überwiegend bestätigt. Weniger eindeutig fallen die Antworten auf die Frage aus, ob 375
376 377
Beispiel: Unternehmen 1 beschäftigt den Manager A und die outside directors B und C. Unternehmen 2 beschäftigt den Manager B und die outside directors C und D. Demnach ist B abhängig. Vgl. hier und folgend Iyengar/Zampelli, Auditor independence, executive pay and firm performance, 2008, S. 259–278. Siehe oben Kapitel 3.2.2.
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und was das zuständige Aufsichtsgremium, in den USA, also das compensation committee, unternimmt, um diese Form der opportunistischen Bilanzpolitik zu verhindern oder ihre Wirkung zu neutralisieren. Einige Studien liefern Hinweise darauf, dass das compensation committee bemüht ist, der opportunistischen Bilanzpolitik entgegenzuwirken,378 während andere Forschungsarbeiten keinen solchen Einfluss feststellen können.379 Vereinzelte Untersuchungen deuten derweil darauf hin, dass das compensation committee im Interesse des Managements agiert.380 Die genannten Studien ergründen nicht, welche Faktoren auf die Beaufsichtigung durch das compensation committee einwirken, sodass offen bleibt, was der Grund für die widersprüchlichen Ergebnisse sein könnte. Insbesondere wird nicht die Möglichkeit erörtert, dass die Mitglieder des compensation committee ihre Kontrolle bewusst einschränken, um ihren eigenen Nutzen zu maximieren. So fehlt bislang die genaue Kenntnis darüber, welche Rolle die Vergütung der outside directors für die Effektivität der Unternehmenskontrolle spielt. Ferner existieren bislang keine Untersuchungen darüber, wie sich die Unternehmenskontrolle durch einen externen Abschlussprüfer auf den Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und Managervergütung auswirkt. 3.3.3 Bilanzpolitik und Unternehmenskontrolle Ein anderer Zweig der Accounting-Literatur betrachtet die Frage, welchen Einfluss die Unternehmenskontrolle durch das board of directors bzw. dessen audit committee auf das Ausmaß an Bilanzpolitik (oder Bilanzmanipulationen) hat, ohne dabei jedoch die Folgen für die Managervergütung zu berücksichtigen (Box B in Abbildung 3.4).381 Diese Literatur untersucht überwiegend die Bedeutung der Zusammensetzung des board of directors und des audit committee. Dabei wird in früheren Studien überwiegend das zahlenmäßige Verhältnis von inside directors und outside directors erörtert; jüngere Studien gehen weiter und betrachten
378 379 380 381
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Vgl. Baber/Kang/Kumar, The role of earnings persistence, 1998, S. 169–193; Iyengar/Zampelli, Auditor independence, executive pay and firm performance, 2008, S. 259–278. Vgl. Healy/Kang/Palepu, Accounting procedure changes, 1987, S. 7–34; Defeo/Lambert/ Larcker, Equity-for-debt swaps, 1989, S. 201–227. Gaver/Gaver, Nonrecurring accounting transactions, 1998, S. 235–253. Diese Studien sind Teil der weiteren Literatur zur audit committee effectiveness. Vgl. dazu den Literaturüberblick von DeZoort et al., A synthesis of the empirical audit committee literature, 2002, S. 38–75.
die Unabhängigkeit der directors, um die Rolle finanzieller Anreize präziser zu berücksichtigen.382 In einer frühen Studie vergleichen McMullen/Raghunandan ein Sample von Unternehmen, die wegen Beanstandungen der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC hinsichtlich der Bilanzierung ihre Abschlüsse nachträglich korrigieren mussten, mit einem Sample von Unternehmen, deren Abschlüsse nicht zu solchen Einwendungen geführt hatten.383 Sie zeigen deskriptiv, dass der Anteil derjenigen audit committees, die gänzlich mit outside directors besetzt sind, in dem letztgenannten Sample größer ausfällt. Dieser Befund deutet an, dass die Zusammensetzung des audit committee einen Einfluss auf die Konformität der Rechnungslegung mit den Bilanzierungsvorschriften haben könnte, jedoch enthält die Untersuchung keinen Test dieser Hypothese. Dagegen zeigt Beasley anhand statistischer Tests, dass der Anteil von outside directors im board of directors bei solchen Unternehmen, die ihren Abschluss wegen Bilanzmanipulationen nachträglich korrigieren müssen, signifikant niedriger ausfällt.384 Zudem nimmt die Wahrscheinlichkeit einer solchen Korrektur ab mit zunehmendem Anteilsbesitz der outside directors am jeweiligen Unternehmen. Anteilsbesitz führt dazu, dass das Vermögen und damit der persönliche Nutzen der directors mit der Wertentwicklung des Unternehmens verknüpft ist. Aus dem Ergebnis der Studie lässt sich daher folgern, dass die Mitglieder des Aufsichtsorgans ihre Funktion besser erfüllen, wenn finanzielle Anreize dazu bestehen. Das Vorhandensein eines audit committee spielt den Ergebnissen Beasleys zufolge keine signifikante Rolle für die Wahrscheinlichkeit eines durch die SEC geahndeten Verstoßes gegen die Bilanzierungsvorschriften. Dagegen stellen Dechow et al. in ihrer Untersuchung einen solchen Einfluss fest.385 Die widersprüchlichen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Betrachtung der bloßen Existenz eines audit committee keine hinreichenden Erkenntnisse über die Wirkungsweise der Unternehmenskontrolle durch ein solches Gremium erbringt. Abbott et al. verfeinern die oben genannten Studien, indem sie nicht nur zwischen inside directors und outside directors unterscheiden, sondern die Letzt382 383 384 385
Für einen Überblick über das Konzept der Unabhängigkeit der outside directors vgl. Byrd/ Hickman, Do outside directors monitor managers?, 1992, S. 199. Vgl. hier und folgend McMullen/Raghunandan, Enhancing audit committee effectiveness, 1996, S. 79–81. Vgl. hier und folgend Beasley, Board of director composition and financial statement fraud, 1996, S. 443–465. Vgl. Dechow/Sloan/Sweeny, Causes and consequences of earnings manipulation, 1996, S. 1924.
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genannten zudem hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit klassifizieren.386 So gelten nur solche directors als unabhängig, die über ihre Mitgliedschaft im board of directors hinaus mit dem Unternehmen keinerlei geschäftliche Verbindung (etwa als Anwalt, Berater oder Banker) oder persönliche Verbindung (als ehemaliger Mitarbeiter oder Verwandter eines Managers) haben und die nicht selbst Manager eines dritten Unternehmens sind, in dessen board of directors ein Manager des ersten Unternehmens sitzt (sog. interlocking directors).387 Anders als die Studie von Beasley weist die Untersuchung nicht darauf hin, dass die Zusammensetzung des board of directors hinsichtlich der inside directors und outside directors sich auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, mit der das Unternehmen von der SEC wegen Bilanzmanipulationen geahndet wird. Sie zeigt indessen – wiederum im Gegensatz zur Analyse von Beasley –, dass das audit committee eine entscheidende Rolle spielen kann. Der Anteil der unabhängigen audit committee-Mitglieder ist in einem Sample von Unternehmen ohne nachgewiesene Bilanzmanipulationen signifikant höher als in Unternehmen, die von der SEC sanktioniert wurden. In einer weiteren Untersuchung wiederholen Abbott et al. diese Analyse, betrachten dabei jedoch nur solche Unternehmen, die wegen Unrichtigkeiten ihre Abschlüsse nachträglich korrigiert haben, gegen die aber seitens der SEC nicht der Vorwurf der Bilanzmanipulation erhoben wurde.388 Wiederum ergibt sich ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Unabhängigkeit des audit committee und der Häufigkeit nachträglichen Korrekturbedarfs. Andere Forschungsbeiträge lösen sich von der Betrachtung manipulierter und nachträglich geänderter Bilanzen und nehmen weniger extreme Ausprägungen von Bilanzpolitik in den Blick. Dieser Ansatz bietet den Vorteil, dass die gewonnenen Erkenntnis allgemeiner und daher generalisierbarer sind, da sie sich nicht nur auf solche Unternehmen beziehen, deren Rechnungslegung grobe Verstöße aufweist, und die daher im Zweifel nicht als repräsentativ angesehen werden können. Klein untersucht den Zusammenhang zwischen verschiedenen Charakteristika des board of directors sowie des audit committee und dem Ausmaß an Bilanzpolitik.389 Sie stellt fest, dass die Abschlüsse von Unternehmen, deren board of directors und au386 387 388 389
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Vgl. hier und folgend Abbott/Park/Parker, The effect of audit committee activity and independence, 2000, S. 55–68. Vgl. zur Abhängigkeit von interlocking directors das Beispiel in Fußnote 375. Vgl. hier und folgend Abbott/Parker/Peters, Audit committee characteristics and restatements, 2004, S. 69–87. Vgl. hier und folgend Klein, Audit committee, board of director characteristics, and earnings management, 2002, S. 375–400.
dit committee mehrheitlich mit unabhängigen directors besetzt sind, ein geringeres Maß an bilanzpolitischer Verzerrung aufweisen. Zudem wird deutlich, dass die Bilanzpolitik eines Unternehmens zunimmt, wenn im Zeitablauf der Anteil der unabhängigen directors in den jeweiligen Gremien durch personelle Veränderungen abnimmt. Die Untersuchung zeigt außerdem, dass die Bilanzpolitik schon dann gering ausfällt, wenn das audit committee mehrheitlich mit unabhängigen Mitgliedern besetzt ist; die Besetzung dieses Gremiums mit ausnahmslos unabhängigen Mitgliedern bewirkt keine weitere signifikante Verminderung der Bilanzpolitik. Bédard et al. erweitern die Studie von Klein, indem sie zusätzlich die Expertise der Mitglieder des board of directors in Belangen des Rechnungswesens berücksichtigen.390 Darüber hinaus unterscheiden sie zwischen ergebniserhöhender und ergebnisvermindernder Bilanzpolitik. In Einklang mit den Ergebnissen von Klein zeigt die Studie, dass die Präsenz von unabhängigen outside directors mit einer Reduktion der Bilanzpolitik einhergeht. Es ergibt sich ferner, dass dies für beide Wirkungsrichtungen der Bilanzpolitik gilt. Yang/Krishnan stellen fest, dass der hemmende Einfluss der unabhängigen outside directors erodiert, wenn diese über Anteilsbesitz am Unternehmen verfügen.391 Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass finanzielle Anreize die Unabhängigkeit von Personen, die mit der Unternehmenskontrolle betraut sind, einschränken können. Diese These wird unterstützt durch die Studie von Boumosleh, aus der hervorgeht, dass aktienbasierte anreizkompatible Vergütung von directors mit einem hohen Maß an Periodenabgrenzungen einhergeht.392 Zwar deutet dies grundsätzlich darauf hin, dass die anreizkompatible Vergütung – entgegen ihrer Bestimmung – zu einer Gleichrichtung der Interessen der directors mit den Interessen des Managements führen kann. Es ist jedoch zum einen einzuwenden, dass die Periodenabgrenzungen keine geeignete Maßzahl für die Bilanzpolitik des Unternehmens darstellen, da zumindest ein Teil dieser Abgrenzungen nicht der Entscheidungsfreiheit des Bilanzierenden unterliegen.393 Zum anderen unterscheidet Boumosleh nicht zwischen inside directors und outside directors. Diese Differenzierung scheint jedoch ratsam, da die oben geschilderten Studien gezeigt haben, dass offensichtlich ein Unterschied hinsichtlich der Neigung besteht, die Bilanzpolitik einzudämmen.
390 391 392 393
Vgl. hier und folgend Bédard/Chtourou/Courteau, The effect of audit committee independence, 2004, S. 13–35. Vgl. Yang/Krishnan, Audit committees, 2005, S. 201–219. Vgl. Boumosleh, Director compensation, 2009, S. 525–539. Siehe oben Kapitel 3.1.4.
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In jüngerer Zeit sind vermehrt Studien erschienen, die sich auf Daten außerhalb der USA beziehen. Peasnell et al. untersuchen Unternehmen in Großbritannien, deren Unternehmensverfassung394 derjenigen US-amerikanischer Unternehmen ähnelt.395 Dabei zeigt sich im Einklang mit den oben geschilderten Resultaten, dass die Präsenz von outside directors im board of directors das Ausmaß der ergebniserhöhenden Bilanzpolitik einschränkt. Anders als in der Untersuchung von Bédard et al. kann ein Einfluss auf ergebnisvermindernde Bilanzpolitik indes nicht festgestellt werden. Es bleibt offen, ob diese Abweichung in den institutionellen Unterschieden zwischen Großbritannien und den USA begründet ist. Zumindest wird aber deutlich, dass nicht zwingend eine symmetrische Einwirkung der Unternehmenskontrolle auf beide Wirkungsrichtungen der Bilanzpolitik angenommen werden kann. Sarkar et al. untersuchen indische Unternehmen, die ebenfalls monistisch verfasst sind.396 In dieser Untersuchung kann eine Verringerung der Bilanzpolitik durch die Präsenz von unabhängigen Mitgliedern im board of directors nicht nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis mag darauf zurückzuführen sein, dass indische Unternehmen in der Regel über eine schwach ausgeprägte Corporate Governance verfügen und daher ihre Abschlüsse deutlich mehr Bilanzpolitik enthalten als die Abschlüsse von Unternehmen aus Industrienationen.397 Jaggi et al. führen eine Untersuchung mit Unternehmen aus Hong Kong durch. Die dort vorherrschende Unternehmensverfassung sieht ebenfalls das monistische System vor. Ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu den USA und Großbritannien besteht jedoch darin, dass Familienunternehmen in Hong Kong eine zentrale Rolle spielen und damit eine Dominanz von Familienmitgliedern im Management einhergeht.398 So können Jaggi et al. zeigen, dass unabhängige Mitglieder des board of directors grundsätzlich eine Verringerung der Bilanzpolitik bewirken, dieser Effekt aber in Familienunternehmen signifikant geringer ausgeprägt ist.399 Dieses Resultat deutet darauf hin, dass Unternehmen, deren Anteile mehrheitlich von einer Familie gehalten werden, bevorzugt solche Personen im board of directors einsetzen, die zu einer Koalitionsbildung zu Lasten der Minderheitsaktionäre bereit sind. 394 395 396 397 398 399
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Vgl. dazu La Porta et al., Law and finance, 1998, S. 1129 f. Vgl. Peasnell/Pope/Young, Board Monitoring and Earnings Management, 2005, S. 1311–1346. Vgl. hier und folgend Sarkar/Sarkar/Sen, Opportunistic Earnings Management, 2008, S. 517– 551. Vgl. Leuz/Nanda/Wysocki, Earnings management and investor protection, 2003, S. 515 f. Vgl. La Porta et al., Law and finance, 1998, S. 1130; Jaggi/Leung/Gul, Family control, board independence and earnings management, 2009, S. 284. Vgl. hier und folgend ebd., 2009, S. 281–300.
Die oben dargestellten Forschungsergebnisse beziehen sich sämtlich auf Unternehmen aus den USA oder anderen Ländern, die eine vergleichbare Unternehmensverfassung vorsehen. Mit den Arbeiten von Piot/Janin400 sowie von Benkraiem401 liegen zwei Untersuchungen vor, die auf der Basis von französischen Unternehmen durchgeführt wurden. Deren Unternehmensverfassung folgt nicht dem angelsächsischen System; vielmehr besteht für französische Aktiengesellschaften die Möglichkeit, nach deutschem Vorbild einen Aufsichtsrat zu bilden, der die Geschäftsführung überwacht;402 von dieser Möglichkeit macht etwa ein Drittel der größten Aktiengesellschaften Gebrauch.403 Für die übrigen Gesellschaften nimmt mit dem Verwaltungsrat zwar ein zentrales Organ gleichzeitig sowohl die Leitungs- als auch die Kontrollfunktion wahr.404 Da der Verwaltungsrat jedoch als Kollektivorgan als Ganzes die Verantwortung trägt, kommt dem einzelnen Mitglied keine Verwaltungsbefugnis zu. Zudem kann, wie auch nach deutschem Recht, dem Prüfungsausschuss keine Verantwortung übertragen werden, sodass dieser nur vorbereitende Tätigkeiten ausführen kann. Hierin besteht also ein wesentlicher Unterschied zur angelsächsischen Unternehmensverfassung mit dem potenten CEO und dem verantwortlichen audit committee. Vor diesem Hintergrund untersuchen Piot/Janin den Zusammenhang zwischen der Unabhängigkeit des Prüfungsausschusses sowie des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates.405 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Präsenz eines Prüfungsausschusses das Ausmaß an ergebniserhöhender Bilanzpolitik verringert, die Unabhängigkeit der Ausschussmitglieder allerdings keine statistisch signifikante Rolle spielt. Ebenso irrelevant ist die Unabhängigkeit der Mitglieder des gesamten Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates. Dahingegen zeigt Benkraiem, der ebenfalls französische Unternehmen untersucht, dass die Unabhängigkeit der Mitglieder des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates eine Verringerung der Bilanzpolitik bewirkt.406 Die Unternehmenskontrolle wird demnach besonders effektiv, wenn mindestens ein Drittel der Mitglieder als unabhängig angesehen werden kann. Die widersprüchlichen Ergebnisse der Studien von Piot/Janin und Benkraiem deuten darauf hin, dass der Einfluss der Unterneh400 401 402 403 404 405 406
Piot/Janin, External auditors, audit committees and earnings management, 2007, S. 429–454. Benkraiem, The presence of independent directors, 2009, S. 77–86. Vgl. Schneider, Aufsichtsorgange im internationalen Vergleich, 2000, S. 52 f. Vgl. etwa Guedri/Hollandts, Beyond dichotomy, 2008, S. 465; Jeanjean/Stolowy, Empirical evidence from France, 2009, S. 391. Vgl. hier und folgend Schneider, Aufsichtsorgange im internationalen Vergleich, 2000, S. 53. Vgl. hier und folgend Piot/Janin, External auditors, audit committees and earnings management, 2007, S. 429–454. Vgl. hier und folgend Benkraiem, The presence of independent directors, 2009, S. 77–86.
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menskontrolle auf die Bilanzpolitik geringer sein könnte als in angelsächsischen Unternehmen. Dies mag einerseits darauf zurückzuführen sein, dass die Organe der französischen Aktiengesellschaft als Kollektivorgane verfasst sind und das einzelne Mitglied somit einen geringen Anreiz zur Ausübung seiner Kontrollfunktion hat.407 Zudem ist das faktische Haftungsrisiko wegen der zurückhaltenden Rechtsprechung französischer Gerichte weitaus geringer als beispielsweise in den USA, was wiederum einen nachteiligen Anreiz für die Kontrollorgane darstellt.408 Aus den oben dargestellten Forschungsbeiträgen wird zusammenfassend deutlich, dass unternehmensinterne Kontrolle ein geeignetes Mittel zur Eindämmung der Bilanzpolitik des Managements sein kann. Die Effizienz der Kontrolle hängt dabei entscheidend von der Unabhängigkeit der damit beauftragten Personen ab. Abhängige Mitglieder der Kontrollorgange können nämlich zu kollusivem Verhalten mit den zu kontrollierenden Personen oder anderen Parteien neigen.409 Die Frage nach der Unabhängigkeit ist offenbar verbunden mit den finanziellen Anreizen, die auf diese Personen einwirken.410 Die Auswirkung der Anreize, die aus der Vergütung der Mitglieder von Aufsichtsräten, audit committees oder vergleichbaren Gremien hervorgehen, ist jedoch bislang nur teilweise erforscht.411 3.3.4 Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und Bilanzpolitik Die Literatur zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers vom Mandanten lässt sich in zwei wesentliche Zweige unterteilen. Zum einen wird untersucht, welche Faktoren dazu führen, ob ein Prüfer nach der Einschätzung Dritter als unabhängig oder abhängig anzusehen ist (independence in appearance).412 Grundlegender ist hingegen die Frage, welche Faktoren dazu führen, dass die Handlungen eines Prüfers tatsächlich aus einer Abhängigkeit vom Mandanten heraus entstehen, 407 408 409 410 411 412
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Vgl. so auch Piot/Janin, External auditors, audit committees and earnings management, 2007, S. 445. Vgl. dazu La Porta et al., Law and finance, 1998, S. 1141–1143. Vgl. Jaggi/Leung/Gul, Family control, board independence and earnings management, 2009, S. 281–300. Vgl. dazu insb. Vgl. Yang/Krishnan, Audit committees, 2005, S. 201–219; Boumosleh, Director compensation, 2009, S. 525–539. Vgl. bereits DeZoort et al., A synthesis of the empirical audit committee literature, 2002, S. 65. Diese Forschungsrichtung wird im Folgenden nicht näher betrachtet. Vgl. dazu aber m. w. N. Meuwissen/Quick, Abschlussprüfung und Beratung, 2009, S. 389–394 sowie Pott/Mock/ Watrin, Research on rotation and non-audit services, 2009, S. 209–239 und Strohm, United States and European Union independence regulation, 2006, S. 31–46.
und welche Folgen dies nach sich zieht (independence in fact). Dies schließt die Fragestellung ein, ob sich eine Einschränkung der Unabhängigkeit auf die Bilanzpolitik des geprüften Unternehmens auswirkt (Box C in Abbildung 3.4). Wie oben dargelegt kann sich eine Abhängigkeit des Abschlussprüfers aus der Höhe der Honorare für Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungen ergeben.413 Demzufolge untersucht eine Vielzahl von Studien den Zusammenhang der Honorare und der Bilanzpolitik des Mandanten.414 Frankel et al. nutzen die seit dem Jahr 2001 wegen der von der SEC eingeführten Veröffentlichungspflicht verfügbaren Informationen über die Höhe der von börsennotierten Aktiengesellschaften an ihre Abschlussprüfer gezahlten Honorare. Sie betrachten die Auswirkung von Prüfungshonoraren einerseits und Nichtprüfungshonoraren andererseits auf die Höhe der diskretionären Periodenabgrenzungen.415 Dabei stellen sie fest, dass das Ausmaß der Bilanzpolitik mit steigenden Prüfungshonoraren sinkt, mit steigenden Nichtprüfungshonoraren aber wächst. Dieses Resultat betrifft sowohl ergebniserhöhende als auch ergebnisvermindernde Bilanzpolitik. Die Untersuchung zeigt ebenfalls, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen die Gewinnprognose von Analysten trifft, mit steigenden Prüfungshonoraren sinkt, mit steigenden Nichtprüfungshonoraren aber zunimmt. Die erhöhte Treffsicherheit beim Erreichen der Analystenschätzung deutet auf die Anwendung von Bilanzpolitik hin.416 Die Studie liefert somit Hinweise darauf, dass die gleichzeitige Erbringung von Prüfungs- und Beratungsleistungen die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers tatsächlich einschränken kann und sich dies in einer Zunahme der Bilanzpolitik des Unternehmens äußert. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass das Design der Untersuchung, vor allem die Spezifikation der verwendeten Variablen, problematisch ist. So werden die Honorare zum einen zueinander in Relation gesetzt, zum anderen wird ihr Perzentilrang bestimmt. Diese Maße stellen zwar sicher, dass die Ergebnisse nicht von Beobachtungen mit sehr hohen Honorarzahlungen dominiert und somit ggf. verzerrt werden. Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass die Neigung des Abschlussprüfers zur Aufgabe 413 414
415 416
Siehe oben Kapitel 3.2.2. Darüber hinaus finden sich in der Accounting-Literatur Forschungsbeiträge, die andere Gründe für die Abhängigkeit des Prüfers (z. B. lange Mandatsdauer) oder andere Auswirkungen dieser Abhängigkeit (z. B. das Unterlassen einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks) betrachten. Vgl. dazu den Literaturüberblick von Pott/Mock/Watrin, Research on rotation and non-audit services, 2009, S. 209–239. Vgl. hier und folgend Frankel/Johnson/Nelson, Nonaudit services and earnings management, 2002, S. 71–105. Vgl. m. w. N. Caylor, Earnings benchmarks, 2010, S. 83 f.
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seiner Unabhängigkeit wohl auch von der absoluten Höhe der Honorare abhängt. Wegen des drohenden Reputationsverlusts und der nachteiligen Auswirkung auf seine übrigen Mandate417 wird ein Abschlussprüfer nämlich tendenziell eher nicht dazu bereit sein, sich in die Abhängigkeit eines Mandanten zu begeben, dessen Honorare wegen ihrer geringen absoluten Höhe wirtschaftlich unbedeutend für ihn sind. Diese Überlegung wird jedoch bei der Betrachtung der relativen Honorare bzw. der Ränge nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse von Frankel et al. scheinen zudem von der Wahl des Verfahrens zur Bestimmung der diskretionären Periodenabgrenzungen abzuhängen. Ashbaugh et al. replizieren die Studie, verwenden dabei aber zwei verschiedene Maße für die Bilanzpolitik, welche die finanzielle Performance418 eines Unternehmens berücksichtigen.419 Ferner betrachten sie den natürlichen Logarithmus der Prüfungs- und Nichtprüfungshonorare, sodass die absolute Höhe der Honorare – zwar in logarithmierter Form – in die Untersuchung einfließt. Im Einklang mit den Ergebnissen von Frankel et al. ergibt die Untersuchung, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der relativen Höhe der Nichtprüfungshonorare und dem Ausmaß an Bilanzpolitik besteht. Die Analyse der logarithmierten Honorare zeigt aber insgesamt keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Bilanzpolitik des Unternehmens. Ebenso können Ashbaugh et al. keinen Zusammenhang zwischen den Honoraren und der Treffsicherheit des Unternehmens in Bezug auf die Analystenschätzungen nachweisen. Chung/Kallapur erweitern diese Forschungsrichtung, indem sie zusätzlich zu den Honoraren, die ein Prüfer aus einem einzelnen Mandat bezieht, die Relation dieser Honorare zum Gesamtumsatz des Prüfers berücksichtigen.420 Auf diese Weise soll die ökonomische Bedeutung des einzelnen Mandats im Kontext der gesamten Mandatsstruktur des Prüfers erfasst werden. Für diese Vorgehensweise spricht einerseits, dass wie oben dargelegt die Bereitschaft des Abschlussprüfers zu einer abhängigen Verhaltensweise auch von der Wichtigkeit des entsprechenden Mandats abhängt. Andererseits ist einzuwenden, dass speziell im Falle großer Prüfungsgesellschaften die Entscheidungsfindung der verantwortlichen Partner wegen deren Vergütungsmodalitäten wohl eher unter Berücksichtigung der durch den jeweiligen Partner betreuten Mandate vorgenommen wird, nicht aber die Ge417 418 419 420
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Siehe oben Kapitel 3.2.2. Dieses Konzept wird unten in Kapitel 4.1.3.2.4) ausführlich erläutert. Vgl. hier und folgend Ashbaugh/LaFond/Mayhew, Do nonaudit services compromise auditor independence?, 2003, S. 611–639. Vgl. hier und folgend Chung/Kallapur, Client importance, nonaudit services, and abnormal accruals, 2003, S. 931–955.
samtumsätze der Prüfungsgesellschaft bzw. einer Niederlassung421 mit einschließt, die außerhalb des Verantwortungsbereichs des Partners liegen. Die Analyse von Chung/Kallapur ergibt keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Anteil von Erlösen aus einem Mandat und der Bilanzpolitik dieses Mandanten. Reynold et al. führen die widersprüchlichen Ergebnisse der oben dargestellten Studien auf unterschiedliche Zusammensetzungen der Samples zurück.422 Sie zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der relativen Höhe der Nichtprüfungshonorare und der Bilanzpolitik des Mandanten für junge Unternehmen in Wachstumsbranchen nachgewiesen werden kann, nicht jedoch für den gesamten Markt.423 Larcker/Richardson verfolgen einen ähnlichen Ansatz, indem sie ihr Sample in Cluster aufteilen, innerhalb derer die Unternehmen jeweils einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Honorarzahlungen und Bilanzpolitik aufweisen.424 Auf diese Weise wird deutlich, dass lediglich für eine deutliche Minderheit der Unternehmen425 konstatiert werden kann, dass relativ und absolut hohe Honorare für Nichtprüfungsleistungen mit einem hohen Ausmaß an Bilanzpolitik einhergehen. Diese Unternehmen sind u. a. gekennzeichnet durch hohe Wachtumsaussichten und eine schwach ausgeprägte Corporate Governance. Für die übrigen Unternehmen stellen Larcker/Richardson – entgegen der oben dargelegten Theorie – fest, dass hohe Honorare für Nichtprüfungsleistungen mit geringer Bilanzpolitik im Zusammenhang stehen. Zu diesem Ergebnis kommen auch Antle et al., die Unternehmen aus Großbritannien und den USA untersuchen.426 Dieser Befund deutet darauf hin, dass der Abschlussprüfer durch die Erbringung von Beratungsleistungen Lern- oder Skaleneffekte erfährt, die zu einer gesteigerten Effizienz der Abschlussprüfung führen. Die Analyse von Antle et al. ergibt jedoch ferner eine Zunahme der Bilanzpolitik mit steigenden Honoraren für die Abschlussprüfung. Dies spricht für eine Abhängigkeit des Abschlussprüfers, die sich in dieser Form aber nicht durch die Prinzipal-Agenten-Theorie oder die Theorie der Quasirenten erklären lässt. Neben 421
422 423 424 425 426
Chung/Kallapur erkennen dieses Problem und verwenden die Umsätze einzelner Niederlassungen. Das Argument gilt jedoch unverändert, auch wenn das Gewicht des Problems durch die Betrachtung einzelner Niederlassungen vermindert sein mag. Vgl. hier und folgend Reynolds/Deis/Francis, Professional service fees and auditor objectivity, 2004, S. 29–52. Da diese Studie jedoch im Wesentlichen eine Replizierung der Untersuchung von Frankel et al. ist, gilt wiederum die Kritik an der Nichtbeachtung der absoluten Höhe der Honorare. Vgl. hier und folgend Larcker/Richardson, Fees paid to audit firms, 2004, S. 625–658. Je nach Vorgehensweise zwischen 8,5 % und 14,8 %. Vgl. hier und folgend Antle et al., Audit fees, non-audit fees, and abnormal accruals, 2006, S. 235–266.
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diesen Erklärungsansätzen existieren indes weitere theoretische Begründungen für die Abhängigkeit des Abschlussprüfers, die etwa auf die Verhaltenswissenschaft zurückgehen.427 Andere Studien bestätigen wiederum die Ergebnisse von Frankel et al. Bei einer Untersuchung britischer Unternehmen stellen Ferguson et al. fest, dass sowohl die relative als auch die absolute Höhe der Nichtprüfungshonorare in einem positiven Zusammenhang mit verschiedenen Indikatoren für Bilanzpolitik stehen.428 Dazu zählen zum einen diskretionäre Periodenabgrenzungen, zum anderen das Erfordernis von nachträglichen Änderungen des Abschlusses aufgrund einer britischen Rechnungslegungsvorschrift bezüglich der Bilanzierung von Rückstellungen, sowie schließlich die öffentliche bzw. mediale Anschuldigung, das jeweilige Unternehmen betreibe nicht ordnungsgemäße Bilanzierungspraktiken. Srinidhi/Gul messen die Bilanzpolitik des Unternehmens nicht anhand der Höhe der diskretionären Periodenabgrenzungen, sondern anhand der Qualität der Abgrenzungen, d. h. anhand des Zusammenhangs der gesamten Periodenabgrenzungen mit den Cashflows derselben und der vor- und nachgelagerten Perioden.429 Dieser Ansatz folgt der Überlegung, dass diskretionäre Periodenabgrenzungen nicht zwingend für den Abschlussadressaten intransparent sein müssen430 , sondern ebenso ein Signaling-Instrument des Managements sein können.431 Dabei zeigt sich, dass diese Qualität der Periodenabgrenzungen mit zunehmenden Nichtprüfungshonoraren sinkt und mit zunehmenden Prüfungshonoraren steigt.432 Dieses Ergebnis stützt also die Theorie, dass die Mandatierung des Abschlussprüfers für Beratungsleistungen die Unabhängigkeit des Prüfers einschränken kann. Srinidhi/Gul replizieren zudem anhand ihres Samples die Untersuchung von Ashbaugh et al. und finden mit deren Methodik keine Hinweise auf eine Einschränkung der Unabhängigkeit. Die Ergebnisse von Srinidhi/Gul hängen also von der Wahl der Methodik ab, nicht von der Auswahl des Samples. 427 428 429 430 431 432
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Vgl. etwa Moore et al., Conflict of interest and the case of auditor independence, 2006, S. 10–29. Vgl. hier und folgend Ferguson/Seow/Young, Nonaudit services and earnings management, 2004, S. 813–841. Vgl. zu dieser Methode Dechow/Dichev, Accrual estimation errors, 2002, S. 35–59; Wagenhofer/Dücker, Die Messung von „Earnings“-Qualität, 2007, S. 274 f. Siehe oben, Kapitel 3.1.3. Vgl. Dechow, Accounting earnings and cash flows, 1994, S. 5. Vgl. hier und folgend Srinidhi/Gul, The differential effects of auditors’ nonaudit and audit fees on accrual quality, 2007, S. 595–629.
In der Gesamtbetrachtung der oben geschilderten Studien wird deutlich, dass es der Accounting-Forschung bislang nicht gelungen ist, umfassend zu ergründen, ob die gleichzeitige Erbringung von Prüfungs- und Beratungsleistungen einen Einfluss auf die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers hat und wie sich dies auf die Bilanzpolitik des Mandanten ausübt. Auch wenn ein Großteil keine negative Auswirkungen feststellen kann, lässt sich aus den Forschungsergebnissen dennoch folgern, dass hohe Nichtprüfungshonorare zumindest unter gewissen Bedingungen eine Gefährdung für die Unabhängigkeit des Prüfers darstellen können. Um weitergehende Erkenntnisse zu gewinnen, könnte es daher erforderlich sein, subjektive Dimensionen der Verhaltensweisen von Abschlussersteller und -prüfer näher zu betrachten.433 Vor allem haben bisherige Studien weitgehend missachtet, aus welchen Gründen Bilanzpolitik betrieben wird.434 Es ist aber denkbar, dass das Management seine bilanzpolitischen Gestaltungen je nach dem jeweiligen Zweck der Bilanzpolitik unterschiedlich vehement gegen die Kritik des Abschlussprüfers verteidigt und der Entzug von Beratungsaufträgen des Abschlussprüfers durch das Management etwa nur als ultima ratio angedroht wird. Daraus folgt, dass die Frage, ob der Abschlussprüfer seine Unabhängigkeit aufgibt und in seinen Augen beanstandungswürdige Bilanzpolitk duldet, davon abhängen könnte, welchen Zweck das Management mit der Bilanzpolitik verfolgt. Es scheint daher angebracht, bei einer weiteren Erforschung dieses Zusammenhangs die Anreize zum Einsatz von Bilanzpolitik näher zu analysieren.
433 434
Vgl. ähnlich Francis, Are auditors comprised by nonaudit services?, 2006, S. 751, der jedoch aus diesem Grund experimentelle Forschung fordert. Vgl. so auch Antle et al., Audit fees, non-audit fees, and abnormal accruals, 2006, S. 258.
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4 Empirische Untersuchungen zum Zusammenhang von Vergütungsanreizen und Bilanzpolitik 4.1 Datengrundlage und verwendete Variablen 4.1.1 Datenquellen und Zusammensetzung des Samples Die folgenden empirischen Untersuchungen betrachten Unternehmen, die zu ihrem jeweiligen Bilanzstichtag in den Jahren 2005 bis 2007 in den Aktienindizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX notierten. Dieser Zeitraum wurde gewählt, da aufgrund des Artikels 4 der Verordnung Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des daraufhin eingeführten § 315a HGB alle deutschen börsennotierten Kapitalgesellschaften seit 2005 verpflichtet sind, ihren Konzernabschluss nach IAS/IFRS aufzustellen. Da vor dem 01.01.2005 gem. § 292 a. F. ein Wahlrecht zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards bestand, besteht für die Geschäftsjahre 2004 und früher ein Pluralismus hinsichtlich der Rechnungslegungsvorschriften, der einen Vergleich zwischen den einzelnen Gesellschaften erschwert. Auf die Verwendung von Daten der Jahre 2008 und 2009 wird verzichtet, da diese aufgrund der Wirtschaftskrise nicht als repräsentativ anzusehen sind und die externe Validität der Untersuchung, d. h. die Übertragbarkeit der Ergebnisse u. a. auf andere Zeiträume, erheblich einschränken würden. Von ursprünglich insgesamt 480 Firmenjahren werden 85 Beobachtungen ausgeschlossen, die dem Finanzsektor zuzuordnen sind. Für Unternehmen dieser Branche gelten teilweise besondere Rechnungslegungs- und Regulierungsvorschriften, die die Vergleichbarkeit mit Unternehmen anderer Branchen einschränken. Weitere 31 Beobachtungen werden ausgeschlossen, bei denen es sich um Unternehmen mit Sitz im Ausland handelt. Zudem müssen 93 Firmenjahre aus dem Sample entfernt werden, da für sie nicht die erforderlichen Daten verfügbar sind. Es verbleiben somit 271 Beobachtungen, die in die empirische Untersuchung eingehen. Tabelle 4.1 fasst die Entwicklung des Samples zusammen. Die für die Untersuchungen benötigten Bilanzzahlen stammen aus der Datenbank Compustat Global Industries. Informationen über die Vergütung der Vorstände und Aufsichtsräte sowie über die Honorare des Abschlussprüfers wurden händisch aus den Geschäftsberichten der
95 T. Tebben, Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik, DOI 10.1007/978-3-8349-6607-0_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Beobachtungen DAX, MDAX, SDAC, TecDAX 2005–2007 abzgl. Beobachtungen aus dem Finanzsektor abzgl. ausländische Unternehmen abzgl. Beobachtungen mit fehlenden Daten
480 -85 -31 -93
verbleibendes Sample
271
Tabelle 4.1: Entwicklung des Samples
Unternehmen entnommen. Dabei kam die Geschäftsberichts-Datenbank des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Controlling, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zum Einsatz. Die Informationen über die Struktur der Anteilseigner der Unternehmen wurden aus der Datenbank Thomson Reuters Datastream abgerufen. Die Verwendung von Daten aus kommerziellen Datenbanken ist nicht gänzlich unproblematisch, da diese gelegentlich fehlerhaft sein können.435 Um den Einfluss eventueller Ausreißer zu begrenzen, werden alle für die Untersuchung benötigten Variablen, die aus Compustat-Daten errechnet werden, dem sog. winsorizing unterworfen, d. h. alle Werte, die in das oberste und unterste Perzentil fallen, werden mit demjenigen Wert des entsprechenden Perzentils gleichgesetzt, der dem Median am nächsten liegt. 4.1.2 Vergütungen und Honorare 4.1.2.1 Vergütung der Organe der Aktiengesellschaft Die vorliegende Untersuchung versucht zu ergründen, ob Anreize des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers, die sich aus dessen Vergütung bzw. Honoraren ergeben, diese dazu veranlassen ihr Unternehmenskontrolle einzuschränken, sodass der Vorstand der Aktiengesellschaft das Ausmaß an Bilanzpolitik ausdehnt und dadurch seine Vergütung steigern kann. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung ist zu diskutieren, welche Vergütungskomponenten in die empirische Analyse einfließen sollen. Die Vergütung des Vorstands einer Aktiengesellschaft setzt sich in der Regel aus einem fixen und einem variablen Anteil zusammen, wobei der variable Vergütungsanteil wiederum in eine kurzfristige und eine langfristige Komponente unterteilt 435
96
Vgl. m. w. N. García Lara/García Osma/Gill de Albornoz Noguer, Effects of database choice, 2006, S. 426 ff.
ist.436 Im Gegensatz zur Vergütung des Aufsichtsrates kann die Vorstandsvergütung zudem teilweise in Form von Aktienoptionen oder anderen Wertpapieren ausgezahlt werden. Ferner erhalten sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat Sachleistungen wie die Überlassung von Dienstwagen oder -wohnungen. Die nachfolgenden Untersuchungen betrachten ausschließlich kurzfristige Vergütungskomponenten. Es liegt in der Natur der langfristigen Vergütung, dass diese nur schwer durch Bilanzpolitik zu beeinflussen ist. Die Bemessungsgrundlage langfristiger Vergütung ist nämlich in aller Regel der Durchschnittswert einer oder mehrerer Erfolgsgrößen aus mehreren Jahren. Da Bilanzpolitik jedoch nicht beliebig lange aufrecht erhalten werden kann,437 sind mehrjährige Größen stets schwerer zu beeinflussen als solche, die sich nur auf eine Periode beziehen. Zudem ist die Anreizwirkung von Vergütungssystemen mit nachgelagerter Auszahlung grundsätzlich geringer als von Vergütungssystemen mit unmittelbarer Auszahlung.438 Es ist daher davon auszugehen, dass im wesentlichen die kurzfristigen Vergütungsbestandteile einen Anreiz zu opportunistischer Bilanzpolitik darstellen. Weiterhin werden nur variable Vergütungsanteile betrachtet. Zwar kann eine formell feste Vergütung oder Sachleistung grundsätzlich die Wirkung einer anreizkompatiblen Vergütung entfalten, wenn ohne vorherige vertragliche Vereinbarung die feste Vergütung im Nachhinein oder für die Zukunft als Belohnung angehoben wird und der Agent dies antizipiert.439 Diese Argumentation trifft jedoch auf die Beobachtungen des Untersuchungssamples offenbar nicht zu, da der Median (Mittelwert) der jährlichen Veränderung der Fixvergütung der Vorstände bei lediglich 2,7 % (4,6 %) liegt und somit als gewöhnliche Lohnentwicklung einzustufen ist. Bezogen auf die feste Vergütung der Aufsichtsräte beträgt der Median sogar nur 0,2 %. Aktienbasierte Vergütungsformen werden in der vorliegenden Untersuchung im Hinblick auf die Fragestellung der Untersuchung nicht betrachtet. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, dass der Vorstand durch bilanzpolitische Maßnahmen auch den Wert dieser Vergütungsformen beeinflusst. Dies impliziert indes, dass die im Konzerabschluss zum Bilanzstichtag enthaltene Bilanzpolitik Auswirkung auf den Aktienkurs des Unternehmens nimmt und diese Wirkung bis zum Verkauf von Aktien oder zur Ausübung von Aktienoptionen durch den Vorstand anhält. Empirische Studien legen jedoch den Schluss nahe, dass Kapitalmärkte rasch 436 437 438 439
Siehe oben Kapitel 2.1.3. Siehe oben Kapitel 3.1. Vgl. Beblo/Wolf /Zwick, Erfolgsabhängige Vergütung, 2005, S. 83. Vgl. ähnlich Antle/Smith, Measuring executive compensation, 1985, S. 313 f.
97
auf die Bekanntgabe von Bilanzzahlen reagieren, die Reaktion sich indes nur einige Tage bis Wochen im Aktienkurs niederschlägt.440 Es ist daher anzunehmen, dass solch ein Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und einer Erhöhung des Wertes der aktienkursorientierten Vergütung des Vorstands schwächer ausgeprägt ist als die Wirkung von Bilanzpolitik auf Vergütungskomponenten, denen das buchhalterische Ergebnis unmittelbar zugrunde liegt. Ferner ist anzumerken, dass aktienbasierte Vergütungen für den Aufsichtsrat unzulässig sind441 und sie daher zumindest für den Aufsichtsrat keinen unmittelbaren Anreiz zur Koalitionsbildung mit dem Vorstand darstellen; gleichgerichtete Interessen und damit einen Anreiz zur Koalitionsbildung gehen hingegen aus einer Vergütung mit buchhalterischer Bemessungsgrundlage hervor.442 Da die vorliegende Arbeit – im Gegensatz zu der in Kapitel 3.3.2 diskutierten Literatur – nicht das Ziel verfolgt, die Einflüsse auf die Vorstandsvergütung möglichst vollständig zu ergründen, sondern vielmehr den Blickpunkt auf den Einfluss der Unternehmenskontrolle richtet, erscheint es ratsam, diejenige Vergütungskomponente zu analysieren, für die der größte Einfluss durch Bilanzpolitik und eine Einschränkung der Unternehmenskontrolle anzunehmen ist. Somit richtet sich das Augenmerk der Untersuchungen auf die kurzfristige variable Vergütung des Vorstandes, für die im Folgenden die Variable BONUSi,t verwendet wird. Darunter wird in Anlehnung an die Studie von Shuto die Vergütung des gesamten Vorstandes erfasst.443 Bei den Organen einer deutschen Aktiengesellschaft handelt es sich nämlich um Kollegialorgane, sodass grundsätzlich jedes Vorstandsmitglied denselben Einfluss auf die Rechnungslegung der Gesellschaft hat. Der kurzfristigen variablen Vergütung des Vorstands liegt in der Regel eine mehrdimensionale Bemessungsgrundlage zugrunde, sodass die Größe BONUS letztlich eine Funktion mehrerer Variablen sein kann. Wegen der unvollständigen Berichterstattung der Unternehmen über die Berechnungsweise der Vorstandsvergütung kann keine präzise Aussage darüber getroffen werden, wie stark der Einfluss rechnungswesenbasierter, d. h. durch Bilanzpolitik manipulierbarer Größen auf 440
441 442 443
98
Vgl. Cready/Gurun, Market reaction to earnings announcements, 2010, S. 327. Wohl aus diesem Grund untersucht eine Vielzahl von Studien die Auswirkung einer unterjährigen freiwilligen Veröffentlichung von Bilanzdaten und der kurz darauf folgenden Ausübung von Aktienoptionen. Vgl. etwa Brockman/Martin/Puckett, Voluntary disclosures and the exercise of CEO stock options, 2010, S. 120–136; Cicero, Information timing and backdating, 2009, S. 2627–2663. Siehe oben Kapitel 2.2.4. Siehe oben Kapitel 3.2.1.2. Vgl. Shuto, Executive compensation and earnings management, 2007, S. 6.
die Vergütung tatsächlich ist. Die Studie von Ernst et al. hat jedoch gezeigt, dass mindestens 81 %444 der im Prime Standard der Deutschen Börse notierten Unternehmen absolute und/oder relative buchhalterische Erfolgsgrößen als Kriterium für die Bemessung der variablen Barvergütung der Vorstände nutzen.445 Obwohl diese Zahlen noch keine Rückschlüsse darauf zulassen, welchen Einfluss diese Größen wertmäßig im Vergleich zu anderen Kriterien haben, erscheint es doch plausibel anzunehmen, dass buchhalterische Größen zumindest keine untergeordnete Rolle bei der Berechnung der kurzfristigen variablen Vorstandsvergütung spielen. Diese Annahme wird auch durch die Tatsache gestützt, dass mindestens 23 % der Unternehmen im Prime Standard ausschließlich buchhalterische Erfolgsgrößen als Bemessungsgrundlage verwenden.446 Der Median (Mittelwert) von BONUSi,t für alle i und t beträgt im Untersuchungssample 1,851 Mio. C (3,166 Mio. C). Die Standardabweichung beläuft sich auf 3,618 Mio. C und liegt damit über dem Mittelwert der Variable. Dies zeigt, dass die variable Vergütung in hohem Maße gestreut ist. Dies wird auch aus Abbildung 4.1 deutlich, welche die Verteilung von BONUSi,t als Histogramm darstellt. So wird ersichtlich, dass für ein Großteil der Beobachtungen (80,8 %) BONUSi,t geringer als 5 Mio. C ist. Für 3,7 % der Beobachtungen beträgt BONUSi,t C 0. Neben der Vorstandsvergütung wird im folgenden die variable Vergütung des Aufsichtsrates betrachtet, die mit der Variable BONUS_ARi,t bezeichnet wird. Die im Untersuchungssample enthaltenen Beobachtungen unterscheiden sich hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der kurzfristigen variablen Aufsichtsratsvergütung. Für 25,8 % der Beobachtungen wird keinerlei variable Vergütung gezahlt. In 39,1 % der Fälle wird eine variable Vergütung gezahlt, die auf der Höhe der Dividendenausschüttung basiert. Für weitere 30,6 % der Beobachtungen ist eine variable Vergütung festzustellen, die auf einem rechnungswesenbasierten Erfolgsmaß beruht. In den restlichen Fällen werden sonstige Bemessungsgrundlagen wie der Cashflow verwendet. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen wird unterschieden zwischen solchen Beobachtungen, für die eine rechnungswesenbasierte Bemessungsgrundlage verwendet wird, und allen übrigen Beobachtungen. Diese Unterscheidung basiert auf der Überlegung, dass bei den erstgenannten Beobachtungen der Anreiz bzw. die 444 445 446
Wegen der Möglichkeit von Mehrfachnennungen könnte der Anteil zwischen 81 % und 93 % liegen. Vgl. dazu Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 55; vgl. auch Achleitner et al., Vorstandsvergütung in börsennotierten Unternehmen, 2010, S. 116. Vgl. Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 55.
99
Abbildung 4.1: Verteilung der Variable BONUS (Histogramm)
Möglichkeit besteht, eine erfolgsabhängige Vergütungskomponente durch Bilanzpolitik zu beeinflussen; für diese Beobachtungen nimmt die Dummyvariable ARi,t den Wert 1 an. Bei einer Fixvergütung oder anderen Bemessungsgrundlagen kann durch Bilanzpolitik kein Einfluss auf die Vergütung genommen werden; hier gilt ARi,t = 0. Der Median (Mittelwert) von BONUS_ARi,t beträgt 127 500 C (379 993 C). Die Standardabweichung liegt bei 602 900 C; sie liegt damit ebenfalls deutlich über dem Mittelwert der Variable und deutet auf eine hohe Streuung hin. Abbildung 4.2 stellt die Verteilung von BONUS_ARi,t als Histogramm dar. Für 35,8 % der Beobachtungen beträgt BONUS_ARi,t C 0. Der Korrelationskoeffizient der Variablen BONUSi,t und BONUS_ARi,t beträgt 0,57, d. h. Unternehmen, die eine hohe kurzfristige variable Vorstandsvergütung gewähren, zahlen tendenziell ebenso eine hohe kurzfristige Vergütung an die Mitglieder ihres Aufsichtsrates.447 4.1.2.2 Honorare des Abschlussprüfers Die Honorare des Abschlussprüfers werden im Konzernanhang gem. § 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB angegeben und dabei unterteilt in das Honorar für die Abschlussprüfung, andere Bestätigungsleistungen, Steuerberatung und sonstige Leistungen. Für 447
100
Dieses Ergebnis ist robust gegenüber der Verwendung von Pro-Kopf-Größen für BONUSi,t und BONUS_ARi,t (Korrelationskoeffizient 0,49).
Abbildung 4.2: Verteilung der Variable BONUS_AR (Histogramm)
die vorliegende Untersuchung wird das Gesamthonorar als HONORARi,t erfasst. Die Teilsumme der Honorare für Nichtprüfungsleistungen, d.h. für andere Bestätigungsleistungen, Steuerberatung und sonstige Leistungen bildet die Variable NPHONORARi,t . Entsprechend gibt die Variable PHONORARi,t das Honorar an, das auf die Abschlussprüfung entfällt. Das Verhältnis der Honorare für Nichtprüfungsleistungen zum Gesamthonorar ist NPHRAT IOi,t = NPHONORARi,t × HONORAR−1 i,t . Tabelle 4.2 fasst wesentliche deskriptive Statistiken für die Honorare des Abschlussprüfers des Untersuchungssamples zusammen. Der Mittelwert der Honorare liegt sowohl für die Abschlussprüfung als auch für die Nichtprüfungsleistungen deutlich über dem dritten Quartil. Dies deutet auf eine rechtsschiefe Verteilung, mithin also darauf, dass einige Beobachtungen von sehr hohen Honorarzahlungen geprägt sind. Entsprechend fällt die Standardabweichung der Honorare gemessen am Mittelwert hoch aus. Die Variable NPHRAT IOi,t ist weniger gestreut, sodass der Mittelwert nur geringfügig vom Median abweicht und die Standardabweichung unterhalb des Mittelwerts liegt. Dies lässt vermuten, dass der Anteil der Honorare für Nichtprüfungsleistungen an den Gesamthonoraren nicht wesentlich von der absoluten Höhe der Honorare abhängt.
101
Variable
Mittelwert
Median
QI
QIII
σ
HONORAR PHONORAR NPHONORAR
5 131 001 3 107 733 2 023 268
912 500 598 000 278 500
448 785 313 000 80 000
2 786 000 1 800 000 978 000
13 300 000 7 801 900 7 217 506
0,3126
0,2819
0,1286
0,4499
0,2150
NPHRAT IO
n = 271; HONORAR, PHONORAR und NPHONORAR in C. Tabelle 4.2: Deskriptive Statistik der Honorare des Abschlussprüfers
4.1.3 Bilanzpolitik 4.1.3.1 Gesamte Periodenabgrenzungen Die Bilanzpolitik wird in der vorliegenden Arbeit über diskretionäre, d. h. willkürlich und unter Ausnutzung von Bilanzierungswahlrechten und Ermessensspielräumen gebildete Periodenabgrenzungen (DAi,t , discretionary accruals) gemessen. Diese lassen sich jedoch nicht unmittelbar beobachten. Beobachtbar sind hingegen die gesamten Periodenabgrenzungen (TACi,t , total accruals), die sich aus den diskretionären und den nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen (NDAi,t , nondiscretionary accruals) zusammensetzen. Diese lassen sich nach dem Ansatz von Dechow et al.448 berechnen. Danach ergeben sich die Periodenabgrenzungen als die Veränderung des nicht-monetären Umlaufvermögens (current assets) (ΔCAi,t − ΔCashi,t , Compustat: Item #75 − Item #60) abzüglich der Veränderung der kurzfristigen Passivposten current liabilities (ΔCLi,t , Compustat: Item #104), die nicht Finanzschulden sind short-term debt (ΔST Di,t , Compustat: Item #94), abzüglich der Abschreibungen auf das Anlagevermögen depreciation (Depi,t , Compustat: Item #11): TACi,t = NDAi,t + DAi,t = (ΔCAi,t − ΔCashi,t ) − (ΔCLi,t − ΔST Di,t ) − Depi,t
(4.1)
Ausgehend von der IFRS-Bilanzgliederung nach IAS 1.54 erfasst der erste Klammerterm der Gleichung (4.1) somit die nicht-zahlungswirksamen Veränderungen der Bilanzpositionen Vorräte (IAS 1.54(g)), Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und sonstige kurzfristige Forderungen (IAS 1.54(h)) sowie zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte (IAS 1.54(j)). Entsprechend 448
102
Vgl. Dechow/Sloan/Sweeny, Detecting earnings management, 1995, S. 203.
erfasst der zweite Klammerterm der Gleichung (4.1) die nicht-zahlungswirksame Veränderung der Bilanzpositionen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten (IAS 1.54(k)), Rückstellungen (IAS 1.54(k)) sowie Steuerschulden (IAS 1.54(n)). Der letzte Term der Gleichung (4.1) erfasst schließlich die nicht-zahlungswirksame Veränderung der immateriellen Vermögenswerte (IAS 1.54(c)), der Sachanlagen (IAS 1.54(a)) sowie der Finanzanlagen (IAS 1.54(b),(d),(e)). Es wird also deutlich, dass sämtliche Periodenabgrenzungen und damit auch alle Maßnahmen buchmäßiger Bilanzpolitik von Gleichung (4.1) berücksichtigt werden. Die für das vorliegende Untersuchungssample gemessenen Periodenabgrenzungen sind für lediglich 26,3 % der Beobachtungen positiv. Dies kann darin begründet sein, dass die IFRS trotz des durch das Framework vorgegebenen Neutralitätsprinzips teilweise durch das Imparitätsprinzip geprägt sind und somit Verluste eher antizipiert werden als Gewinne.449 Zur Beurteilung der Verteilung der Periodenabgrenzungen ist es erforderlich, diese mit einer geeigneten Größe zu skalieren und so die Verzerrung durch große Unternehmen zu beheben. Da die Periodenabgrenzungen eine Ergebniskomponente und somit eine Teilmenge des Jahresüberschusses/-fehlbetrags450 NIi,t (net income) darstellen, bietet es sich an, die Periodenabgrenzungen mit dem Jahresüberschuss zu skalieren. Alternativ lassen sich die Periodenabgrenzungen durch die Bilanzsumme Ai,t (assets) dividieren und dem ebenso skalierten Jahresüberschuss gegenüberstellen. Tabelle 4.3 fasst wesentliche deskriptive Statistiken für die genannten Größen zusammen. Es wird ersichtlich, dass die mit dem Jahresüberschuss skalierten Periodenabgrenzungen einer sehr hohen Streuung unterliegen. Dies ist im Wesentlichen auf jene Beobachtungen zurückzuführen, für die das Bilanzergnis nahe 0 liegt und −1 der Bruch TACi,t ×NIi,t entsprechend sehr hohe bzw. sehr niedrige Werte annimmt. Für das vorliegende Sample geben die negativen Werte jedoch den Ausschlag, da 90,41 % der Beobachtungen einen positiven Jahresüberschuss aufweisen, die Periodenabgrenzungen aber wie geschildert überwiegend negativ ausfallen. Die mit der Bilanzsumme skalierten Periodenabgrenzungen sind erheblich geringer gestreut, da die Bilanzsumme einer geringen Volatilität unterliegt und daher im Regelfall keine sehr kleinen Werte einnimmt. Entsprechend besteht keine große Abweichung zwischen Median und Mittelwert der Größe TACi,t × A−1 i,t . Der Vergleich mit dem skalierten Jahresüberschuss zeigt, dass sich Median und Mittelwert der beiden 449 450
Siehe dazu ausführlicher unten Kapitel 4.1.3.2.4. Im Folgenden wird der Ausdruck Jahresüberschuss für Überschüsse und Fehlbeträge gleichermaßen verwendet.
103
skalierten Variablen betragsmäßig ungefähr entsprechen. Für Unternehmen mit einem hohen relativen Jahresüberschuss (QIII von NIi,t × A−1 i,t ) wird das Ergebnis indessen nur noch zu einem geringen Anteil von Periodenabgrenzungen geprägt, da sowohl das erste als auch das dritte Quartil von TACi,t × A−1 i,t betragsmäßig deutlich geringer ausfallen. Der Jahresüberschuss der sehr ertragreichen Unternehmen des Untersuchungssamples ist also vornehmlich von Cashflows geprägt.
Variable
Mittelwert
Median
QI
QIII
σ
TAC × NI −1 TAC × A−1 NI × A−1
−3,0848 −0,0511 0,0546
−0,5764 −0,0444 0,0495
−1,7622 −0,1017 0,0252
0,0997 −0,0036 0,8976
30,4363 0,1103 0,0951
n = 271 Tabelle 4.3: Deskriptive Statistik der gesamten Periodenabgrenzungen
4.1.3.2 Aufteilung der Periodenabgrenzungen 4.1.3.2.1 Ursprüngliches Modell von Jones (1991) Die Aufteilung der gesamten Periodenabgrenzungen in einen diskretionären und einen nicht-diskretionären Teil erfolgt in der vorliegenden Arbeit durch die Anwendung des Jones-Modells als Branchenmodell (cross-section) in seiner ursprünglichen Form nach Jones451 sowie in drei modifizierten Varianten nach Dechow et al.,452 Kasznik453 und Kothari et al.454 Im Folgenden sollen zunächst das JonesModell in seiner Grundform und daraufhin die modifizierten Jones-Modelle erörtert werden. Das Jones-Modell basiert auf der Idee, ein Modell zur Prognose normaler, d. h. zu erwartender Periodenabgrenzungen zu bilden. Da diese zu erwartenden Periodenabgrenzungen von ökonomischen Faktoren abhängen, muss das Modell zuerst anhand eines Schätzungssamples kalibriert werden. Dies geschieht, indem mittels 451 452 453 454
104
Jones, Earnings Management, 1991. Dechow/Sloan/Sweeny, Detecting earnings management, 1995. Kasznik, Voluntary disclosure, 1999. Kothari/Leone/Wasley, Performance matched discretionary accrual measures, 2005.
einer Regressionsanalyse für das Schätzungssample branchenspezifische Parameter für den Zusammenhang zwischen den maßgeblichen ökonomischen Faktoren und der Höhe der Periodenabgrenzungen TACi,t ermittelt werden. Diese werden zugleich als nicht-diskretionäre Periodenabgrenzungen angesehen, da das Modell unterstellt, dass die Unternehmen im Schätzungssample keine oder zumindest weniger Bilanzpolitik betreiben. Wendet man die bei der Kalibrierung des Modells gewonnenen Parameter zur Schätzung der gesamten Periodenabgrenzungen für die Firmenjahre des eigentlich betrachteten Samples (d. h. des Untersuchungssamples) an, treten Differenzen zwischen den modellgemäß zu erwartenden Periodenabgrenzungen und den empirisch beobachteten tatsächlichen Periodenabgrenzungen auf. Diese Differenzen werden annahmegemäß als diskretionäre Periodenabgrenzungen DAi,t betrachtet;455 in der angelsächsischen Literatur haben sich daher auch die treffenden Bezeichnungen normal accruals und abnormal accruals etabliert. Es spielt also keine Rolle, ob die Differenzen das Resultat buchmäßiger oder realer Bilanzpolitik sind. Beide Formen der Bilanzpolitik werden gleichermaßen durch das Jones-Modell erfasst. Die Kalibrierung des Modells erfolgt nach Branchen getrennt, um etwaige Brancheneinflüsse auf die Höhe der Periodenabgrenzungen zu berücksichtigen. Jede Beobachtung des Samples wird demnach einem Portfolio p zugeordnet, das aus einer Vielzahl von Unternehmen der gleichen Branche besteht. Maßgeblich für die Bestimmung der Branche ist dabei die erste Ziffer des NAICS-Codes. Es fließen Beobachtungen der Jahre 2001–2007 in die Portfolios ein. Für jedes Portfolio p werden sodann die Koeffizienten des Regressionsmodells (4.2) geschätzt: NDA j,p TAC j,p ΔREV j,p PPE j,p 1 = = αp + β1,p + β2,p + ε j,p A j,p A j,p A j,p A j,p A j,p
(4.2)
Alle Variablen werden mit der Bilanzsumme zu Beginn des Wirtschaftsjahres (A) skaliert. Dies stellt zum einen sicher, dass die Ergebnisse nicht von sehr großen Unternehmen dominiert werden. Zum anderen reduziert es eine eventuelle Heteroskedastizität der Daten.456 Die Indizes kennzeichnen das Unternehmen j im Portfolio p. Die Veränderungen der Umsatzerlöse beziehen sich auf die Perioden t und t-1. Das Jones-Modell (4.2) basiert auf der Überlegung, dass der nicht-diskretionäre Teil der Periodenabgrenzungen von den ökonomischen Rahmenbedingungen des 455 456
Für eine kritische Diskussion dieser Annahme siehe unten Kapitel 5.1.1.2. Vgl. Jones, Earnings Management, 1991, S. 212.
105
jeweiligen Unternehmens abhängt.457 Es scheint plausibel anzunehmen, dass exogen veränderte Absatzbedingungen zu einer Veränderung des Umlaufvermögens führen, vor allem des Bestandes an Vorräten und Forderungen sowie der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; als Indikator für die Entwicklung der Absatzbedingungen eines Unternehmens kann die Veränderung der Umsatzerlöse (revenues, REV ) angesehen werden. Daher betrachtet das Modell die Veränderung der Umsatzerlöse mit dem Koeffizienten β1,p . Der nicht-diskretionäre Teil der Periodenabgrenzungen, der dem Anlagevermögen zuzurechnen ist, wird im Wesentlichen durch dessen Abschreibungen verursacht. Entsprechend umfasst das Modell die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Anlagevermögens (property, plant and equipment, PPE) mit dem Koeffizienten β2,p .458 Die Koeffizienten aus der Schätzung von Modell (4.2) werden in das Modell (4.3) eingesetzt, um die erwarteten gesamten Periodenabgrenzungen für die im Sample enthaltenen Firmenjahre zu ermitteln: ̂ i,t ΔREVi,t ˆ PPEi,t TAC 1 = αˆ p + βˆ1,p + β2,p (4.3) Ai,t Ai,t Ai,t Ai,t Die diskretionären Periodenabgrenzungen ergeben sich aus der Differenz von beobachteten und geschätzten Periodenabgrenzungen: ̂ i,t DAi,t = TACi,t − TAC
(4.4)
Die Ergebnisse der Schätzung von Modell (4.2) werden in Tabelle 4.4 wiedergegeben. Der Koeffizient β2 ist negativ; dies ist ökonomisch plausibel, da das Anlagevermögen durch die Abschreibungen hauptsächlich mit negativen Periodenabgrenzungen verbunden ist. Der Koeffizient für die Veränderung der Umsatzerlöse (β1 ) ist positiv. Damit entsprechen beide Vorzeichen den Ergebnissen von Jones.459 Das Bestimmtheitsmaß fällt mit durchschnittlich 15 % etwas geringer aus als in der Untersuchung von Jones. Dies ist vermutlich auf die geringere Anzahl der Beobachtungen des Schätzungssamples zurückzuführen. Die vergleichsweise hohen t-Statistiken der Koeffizienten deuten aber darauf hin, dass das Modell dennoch signifikante Einflüsse auf die Höhe der Periodenabgrenzungen erfasst und damit aus statistischer Sicht grundsätzlich ein brauchbares Modell für die Ermittlung der nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen darstellen kann. Im Folgenden soll jedoch die ökonomische Validität des Modells diskutiert werden. 457 458 459
106
Vgl. hier und folgend Jones, Earnings Management, 1991, S. 210 f. Vgl. ebd., 1991, S. 212. Vgl. hier und folgend ebd., 1991, S. 213.
σ
Mittelwert
Median
QI
QIII
α t-Statistik
−0,0663 − (4,51)
−0,0608 − (4,98)
−0,0824 − (6,41)
−0,0507 − (1,71)
0,0194 (3,03)
β1 t-Statistik
0,2525 (2,70)
0,1078 (1,49)
0,0586 (0,80)
0,1959 (4,50)
0,4046 (2,58)
β2 t-Statistik
−0,0123 − (1,18)
−0,0199 − (0,90)
−0,0271 − (1,95)
−0,0145 − (0,61)
0,0321 (1,20)
0,1492 479
0,1018 624
0,0284 63
0,1372 728
0,2089 434
R2 n
Tabelle 4.4: Deskriptive Statistik für die Ergebnisse der Schätzung von (4.2)
Dem Jones-Modell liegt die Annahme zugrunde, dass anhand eines geeigneten Schätzungssamples ein Modell für das normale bzw. das zu erwartende Maß an Periodenabgrenzungen geformt werden kann. Dies setzt im Grunde voraus, dass die im Schätzungssample enthaltenen Unternehmen keine Bilanzpolitik betreiben. Da diese Annahme in der praktischen Anwendung generell und in der vorliegenden Untersuchung speziell nicht erfüllt sein dürfte, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Verletzung der Annahme auf die Qualität der Ergebnisse des Jones-Modells haben könnte. Zur Beantwortung dieser Frage führen Ronen/Yaari eine Simulationsrechnung durch und kommen zu dem Ergebnis, dass das Jones-Modell das tatsächliche Ausmaß an Bilanzpolitik unterschätzt, sofern von den Unternehmen im Schätzungssample Bilanzpolitik betrieben wird, die in ihrer Wirkungsrichtung der Bilanzpolitik der Unternehmen im Untersuchungssample entspricht.460 In diesem Fall neigt das Jones-Modell nämlich dazu, die tatsächliche Bilanzpolitik im Untersuchungssample zu unterschätzen. Für die vorliegende Untersuchung führte dies lediglich zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines β -Fehlers, d. h. die empirischen Tests neigten tendenziell dazu, die Hypothesen zu Unrecht zu verwerfen. Im Sinne einer kritischen Haltung hinsichtlich der zu untersuchenden Zusammenhänge ist diese Art des Fehlers als akzeptabel einzustufen. Ob die Voraussetzung der gleichgerichteten Periodenabgrenzungen in beiden Samples für die vorliegende Untersuchung erfüllt ist, lässt sich anhand der Abbildung 4.3 beurteilen.461 Dort sind die Kerndichtenschätzungen mit Epanechnikov460 461
Vgl. Ronen/Yaari, Earnings Management, 2008, S. 411. Vgl. Schnell, Graphisch gestützte Datenanalyse, 1994, S. 30.
107
Kern462 für die diskretionären Periodenabgrenzungen des Schätzungssamples und des Untersuchungssamples abgetragen.
Abbildung 4.3: Kerndichte der diskretionären Periodenabgrenzungen
Es wird zwar deutlich, dass die Periodenabgrenzungen im Schätzungssample einerseits und im Untersuchungssample andererseits nicht exakt der gleichen Verteilung unterliegen. Dies lässt sich auch analytisch anhand des KolmogorowSmirnow-Tests463 zeigen, der die Nullhypothese einer einheitlichen Verteilung mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,3 % verwirft. Aus der graphischen Analyse geht jedoch hervor, dass trotz der unterschiedlichen Verteilung in beiden Samples etwa gleich viel Masse auf den positiven und den negativen Wertebereich entfällt. Die Wirkungsrichtung der Bilanzpolitik ist also in beiden Samples einheitlich; lediglich die Stärke der gewinnerhöhenden Bilanzpolitik ist unterschiedlich. Eine weitere Annahme des Jones-Modells ist, dass jegliche Abweichung der beobachteten Periodenabgrenzungen von jenen, die gemäß dem Modell zu er462 463
108
Für eine Erläuterung dieser Methode siehe Greene, Econometric Analysis, 2008, S. 414–417. Vgl. dazu Hartung/Elpelt/Klösner, Statistik, 2005, S. 520–522.
warten sind, als diskretionär anzusehen ist. Dies impliziert, dass die anhand des Schätzungssamples ermittelten Koeffizienten für das Untersuchungssample unverändert fortgelten. Für Zeitreihen-Jones-Modelle ist diese Annahme offenkundig problematisch. Es ist nämlich denkbar, dass sich im Zeitablauf Veränderungen der ökonomischen Bedingungen oder der Strategie des Unternehmens ergeben.464 In der vorliegenden Untersuchung tritt dieses Problem in den Hintergrund, da das Jones-Modell nicht als Zeitreihen-, sondern als Branchenmodell angewendet wird, welches in der Literatur als die überlegene Variante gilt.465 Bei einem Branchen-Jones-Modell wird jedoch impliziert, dass die geschätzten Koeffizienten für die Branche p innerhalb des Schätzungssamples auf die Branche p innerhalb des Untersuchungssamples übertragbar sind. Aber auch innerhalb einer Branche können strukturelle Unterschiede zwischen den Unternehmen auftreten, die sich auf die Koeffizienten des Jones-Modells auswirken.466 So findet McNichols eine Korrelation zwischen der Gesamtkapitalrendite und den Periodenabgrenzungen, die auf Unterschiede zwischen wenig- und hochrentablen Unternehmen zurückzuführen ist.467 Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird in der Literatur als Ergänzung zu den klassischen Jones-Modellen das sog. performance matching verwendet, wobei für die Schätzung des Jones-Modells die Gesamtkapitalrendite als Kontrollvariable in die Regressionsgleichung aufgenommen wird.468 Entsprechend kommt in der vorliegenden Untersuchung auch ein Jones-Modell mit performance matching zur Anwendung, um die Robustheit der Ergebnisse hinsichtlich der Rentabilitätsunterschiede zwischen den Unternehmen zu überprüfen.469 Schließlich stellt sich grundlegend die Frage, ob das Jones-Modell vollständig spezifiziert ist, oder ob wesentliche Einflussfaktoren auf die Höhe der Periodenabgrenzungen fehlen. In der Accounting-Literatur haben sich einige sog. modifizierte, d. h. um zusätzliche erklärende Variablen ergänzte Jones-Modelle durchgesetzt, die im Folgenden erläutert und in der Untersuchung angewendet werden. 464
465 466 467 468 469
Es ist etwa vorstellbar, dass aufgrund einer verbesserten Lagersteuerung eines Unternehmens dessen Lagerbestände nachhaltig verringert werden können. Diese Veränderung könnte vom Jones-Modell fälschlich als diskretionäre Periodenabgrenzung klassifiziert werden. Vgl. weiterführend Healy, Evaluation of discretionary accrual models, 1996, S. 112. Vgl. m.w.N. Ronen/Yaari, Earnings Management, 2008, S. 417. Vgl. Bernard/Skinner, Managers’ choice of discretionary accruals, 1996, S. 317. Vgl. McNichols, Research design issues, 2000, S. 333. Vgl. etwa Kothari/Leone/Wasley, Performance matched discretionary accrual measures, 2005, S. 163–197. Siehe ausführlich unten Kapitel 4.1.3.2.4.
109
4.1.3.2.2 Modifiziertes Modell von Dechow et al. (1995) Das oben erläuterte Jones-Modell impliziert, dass Umsatzerlöse nicht-diskretionär sind. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen das Management im Rahmen realer Bilanzpolitik die Umsatzerlöse beeinflusst.470 Beispielsweise lassen sich die Umsatzerlöse kurzfristig erhöhen, indem auch Kunden mit schlechter Bonität ein ausgedehntes Zahlungsziel eingeräumt wird. Dies führt kurzfristig zu Ertragssteigerungen, die jedoch mittelfristig durch Aufwendungen aus der Abschreibung uneinbringbarer Forderungen wieder kompensiert werden. Das Jones-Modell würde solche Gestaltungen nicht als diskretionäre Periodenabgrenzungen erfassen und somit die Nullhypothese, dass keine Bilanzpolitik betrieben wurde, zu Unrecht nicht verwerfen (β -Fehler). Daher verringern Dechow et al. in ihrem Jones-Modell die Veränderung der Umsatzerlöse um die Veränderung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (receivables) (ΔRECi,t ):471 TAC j,p ΔREV j,p − ΔREC j,p PPE j,p 1 = αp + β1,p + β2,p + ε j,p A j,p A j,p A j,p A j,p
(4.5)
Es ist offensichtlich, dass die Reduzierung der Wahrscheinlichkeit eines β Fehlers zwingend die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das Modell diskretionäre Periodenabgrenzungen identifiziert, obwohl tatsächlich keine Bilanzpolitik betrieben wurde (α-Fehler).472 Zudem wird aus den Gleichungen (4.1) und (4.5) deutlich, dass das modifizierte Jones-Modell Simultaneität in den Variablen aufweist. Die Veränderung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ist nämlich zugleich Teil der unabhängigen Variable ΔREVi,t − ΔRECi,t als auch Bestandteil der Variable ΔCAi,t , die in die abhängige Variable TACi,t einfließt.473 Gleichwohl wird das modifizierte Jones-Modell nach Dechow et al. in der Literatur als dem ursprünglichen Jones-Modell methodisch überlegen angesehen und hat dieses daher weitgehend verdrängt.474 Deshalb wird es auch in der vorliegenden Untersuchung zur Ermittlung der diskretionären Periodenabgrenzungen verwendet. 470 471 472 473 474
110
Vgl. Jones, Earnings Management, 1991, S. 211 f. Vgl. Dechow/Sloan/Sweeny, Detecting earnings management, 1995, S. 199. Vgl. weiterführend Ronen/Yaari, Earnings Management, 2008, S. 436. Vgl. dazu kritisch Kang/Sivaramakrishnan, Issues in testing earnings management, 1995, S. 364. Vgl. exemplarisch Xie/Davidson/DaDalt, Earnings management and corporate governance, 2003; Cheng/Warfield, Equity Incentives, 2005; Cornett/Marcus/Tehranian, Corporate governance and pay-for-performance, 2008; Jaggi/Leung/Gul, Family control, board independence and earnings management, 2009.
4.1.3.2.3 Cashflow-Modell von Kasznik (1999) Periodenabgrenzungen separieren Cashflows von Aufwendungen und Erträgen, um eine periodengerechte Erfolgsrechnung zu gewährleisten.475 Werden beispielsweise in der Periode t0 Waren zum Preis P gekauft und in der Periode t1 zum Preis P + x mit x > (−P) verkauft, ergibt sich in der Periode t0 ein negativer Cashflow in Höhe von P, in Periode t1 ein positiver Cashflow P + x und in der Totalperiode ein Netto-Cashflow in Höhe von x. Entsprechend wird im Rahmen der periodengerechten Erfolgsrechnung in t0 ein Erfolgsbeitrag von 0 und in t1 ein Erfolgsbeitrag von x verbucht. Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass das zeitliche Auseinanderfallen von Ein- und Auszahlungen eines ökonomischen Sachverhalts zu einer negativen Autokorrelation der Veränderung des Cashflows führt.476 Wenn die zeitliche Fluktuation der Cashflows durch die Anwendung von Periodenabgrenzungen verstetigt wird, führt dies zudem zu einer negativen Korrelation zwischen Periodenabgrenzungen und Cashflows.477 Somit besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Cashflows und Periodenabgrenzungen.478 Das ursprüngliche Jones-Modell und die oben vorgestellte Modifikation von Dechow et al. berücksichtigen diesen Zusammenhang nicht; sie sind somit letztlich unvollständig spezifiziert. Die Berücksichtigung des Umstandes, dass die Periodenabgrenzungen einer Periode mit den Cashflows der Vorperiode zusammenhängen, könnte also die Erklärungsgenauigkeit des Jones-Modells erhöhen.479 Entsprechend erweitert Kasznik das modifizierte Jones-Modell um die Veränderung des Cashflows (ΔCFOi,t ) als unabhängige, d. h. also als erklärende Variable:480 TAC j,p ΔREV j,p − ΔREC j,p PPE j,p 1 = αp +β1,p + β2,p A j,p A j,p A j,p A j,p ΔCFO j,p +β3,p + ε j,p A j,p
(4.6)
Da die Cashflows nicht direkt beobachtbar sind, sondern als die Differenz von Jahresüberschuss und Periodenabgrenzung errechnet werden, ergibt sich erneut das 475 476 477 478 479 480
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 132 f. Vgl. hier und folgend Dechow, Accounting earnings and cash flows, 1994, S. 17–19. Besonders deutlich wird dies bei Anwendung der Percentage of Completion-Methode nach IAS 11.23 zur Bilanzierung langfristiger Fertigungsaufträge. Vgl. dazu auch Barth/Cram/Nelson, Accruals and the prediction of future cash flows, 2001, S. 27–58. Vgl. Pae, Expected accrual models, 2005, S. 5 f. Vgl. Kasznik, Voluntary disclosure, 1999, S. 64.
111
potenzielle Problem der Simultaneität abhängiger und unabhängiger Variablen.481 Trotz dieser Einschränkung findet das Modell in der Accounting-Forschung Anwendung.482 Es ist nämlich abzuwägen zwischen den Folgen der Ungenauigkeit eines unvollständig spezifizierten Modells einerseits und der ggf. eintretenden Simultaneität andererseits. Die Nichtberücksichtigung der Cashflows im Modell kann besonders dann problematisch sein, wenn in der Untersuchung enthaltene Variablen mit den Cashflows korrelieren.483 Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten kurzfristigen variablen Vergütungen korrelieren prinzipbedingt mit den Cashflows, da sie zumindest anteilig auf Grundlage des Jahresüberschusses berechnet werden, der wiederum teilweise von den Cashflows geprägt ist. Somit ist es für die nachfolgenden Untersuchungen empfehlenswert, auch das durch Gleichung (4.6) beschriebene Cashflow-Modell zur Ermittlung der diskretionären Periodenabgrenzungen zu verwenden. 4.1.3.2.4 Performance-Modell von Kothari et al. (2005) Die Verwendung eines Jones-Modells als Branchenmodell setzt implizit voraus, dass für die Unternehmen innerhalb einer Branche dieselben Parameter zur Modellierung der nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen verwendet werden können. Es ist aber denkbar, dass neben Brancheneinflüssen auch unternehmensspezifische Faktoren die Höhe der Periodenabgrenzungen beeinflussen. So lässt sich empirisch ein Zusammenhang zwischen der Rentabilität und der Höhe der Periodenabgrenzungen eines Unternehmens zeigen.484 Wird dieser Einfluss bei der Modellierung des Jones-Modells nicht durch eine geeignete unabhängige Variable erfasst, schlägt er sich in den Residuen ε der Regression nieder. Ist das Prognosesample des JonesModells hinsichtlich der Rentabilität nicht zufällig zusammengesetzt, kann dies somit zu einer Verzerrung der Modellergebnisse führen.485 Kothari et al. erweitern daher das modifizierte Jones-Modell um die Gesamtkapitalrendite des Vorjahres (return on assets) (ROAi,t−1 ) als erklärende Variable, um den Einfluss der Rentabilität auf die Periodenabgrenzungen durch das Modell zu berücksichtigen.486 Ein 481 482 483 484 485 486
112
Vgl. Ronen/Yaari, Earnings Management, 2008, S. 443. Vgl. etwa Shuto, Executive compensation and earnings management, 2007, S. 7. Vgl. Dechow/Sloan/Sweeny, Detecting earnings management, 1995, S. 211. Vgl. McNichols, Research design issues, 2000, S. 333. Bei einer randomisierten Zusammensetzung und einer hinreichenden Größe des Samples gilt ceteris paribus E(ε) = 0. Vgl. Kothari/Leone/Wasley, Performance matched discretionary accrual measures, 2005, S. 174.
weiterer Unterschied zum ursprünglichen Jones-Modell (Gleichung (4.2)) sowie zum modifizierten Jones-Modell (Gleichung (4.5)) und zum Cashflow-Modell (Gleichung (4.6)) besteht in der Ergänzung einer Konstante α0,p , die nicht mit A−1 i,t multipliziert wird. In den vorgenannten Modellen werden sämtliche Summanden mit dem Kehrwert der Bilanzsumme zum Beginn des Wirtschaftsjahres (Ai,t ) multipliziert, um den Einfluss der eventuell bestehenden Heteroskedastizität des Samples zu minimieren. Dies führt dazu, dass diese Modelle keine Konstante aufweisen. Kothari et al. legen dar, dass die Skalierung der Variablen mit der Bilanzsumme das Problem der Heteroskedastizität wohl verringert, aber nicht völlig beseitigt, und fügen der Regressionsgleichung daher eine weitere Konstante hinzu:487 TAC j,p ΔREV j,p − ΔREC j,p PPE j,p 1 = α0,p +α1,p + β1,p + β2,p A j,p A j,p A j,p A j,p +β3,p ROA j,p,t−1 + ε j,p
(4.7)
Das Modell (4.7) impliziert, dass der Zusammenhang zwischen Periodenabgrenzungen und Gesamtkapitalrendite linear ist. Dies ist zumindest fragwürdig.488 Zwar gilt für die Rechnungslegung nach IFRS grundsätzlich das Neutralitätsprinzip (Framework F.36), jedoch findet sich in einigen Standards das Imparitätsprinzip wieder. So sind etwa zu erwartende Aufwendungen nach IAS 37 zu antizipieren, sofern ihre Eintrittswahrscheinlichkeit über 50 % liegt. Eine vergleichbare Möglichkeit zur Antizipation erwarteter Erträge besteht hingegen nicht. Daher ergibt sich wie geschildert auch für das vorliegende Untersuchungssample ein Überhang der Beobachtungen mit negativen Periodenabgrenzungen.489 Zudem kann sich eine asymmetrische Handhabung von ergebniserhöhenden und ergebnisvermindernden Periodenabgrenzungen auch aus einer risikoaversen Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften ergeben.490 Daraus könnte folgen, dass die Korrelation zwischen Periodenabgrenzungen und Gesamtkapitalrendite mit steigender Rendite sinkt.491 Der genaue Zusammenhang der beiden Variablen ist jedoch unbekannt, sodass eine überlegene Alternative zu Modell (4.7) nur durch das Ausprobieren verschiedener 487 488 489 490 491
Vgl. ebd., 2005, S. 173. Vgl. grundlegend Watts, Conservatism in accounting, 2003, S. 207–221. Siehe oben Kapitel 4.1.3.1. Vgl. Ryan, Conditional conservatism, 2006, S. 512–515. Vgl. auch die empirischen Ergebnisse von Basu, The conservatism principle and the asymmetric timeliness of earnings, 1997, S. 18.
113
Transformationen von ROAi,t−1 identifiziert werden könnte.492 In der Accounting-Literatur wird bei Verwendung des Performance-Modells daher trotz der theoretischen Bedenken die Gesamtkapitalrendite untransformiert verwendet.493 Für das vorliegende Prognosesample kann aus einem Kruskal-Wallis-Test494 mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 0,01 % (χ 2 =110,575 mit 6 Freiheitsgraden) gefolgert werden, dass die unterschiedlichen Branchen signifikante Unterschiede hinsichtlich der durchschnittlichen Gesamtkapitalrendite aufweisen. Die einzelnen Branchen-Subsamples des Prognosesamples können deshalb nicht als randomisierte Stichproben betrachtet werden, in denen der Einfluss der Rentabilität auf die Periodenabgrenzungen vernachlässigt werden kann. Es bietet sich also für die vorliegende Untersuchung an, die Gesamtkapitalrendite bei der Schätzung der Periodenabgrenzungen als Kontrollvariable zu berücksichtigen. Daher kommt das Performance-Modell von Kothari et al. als Ergänzung zum ursprünglichen Jones-Modell, zum modifizierten Jones-Modell und zum Cashflow-Modell zum Einsatz. 4.1.3.2.5 Vergleich der Modellergebnisse Zur Beurteilung der unterschiedlichen Aufteilung der Periodenabgrenzungen durch die vier verwendeten Modelle soll im Folgenden die Verteilung der Variablen DAi,t und NDAi,t für die entsprechenden Jones-Modelle gegenübergestellt werden. Da in den nachfolgenden Untersuchungen diese Variablen zur Vermeidung von Verzerrungen durch Größeneffekte stets durch die Bilanzsumme Ai,t dividiert werden, kommt diese Skalierung auch bei der Betrachtung der Verteilung zur Anwendung. Tabelle 4.5 zeigt die Rangkorrelationskoeffizienten nach Pearson495 für die verschiedenen Modellausprägungen von DAi,t . Es zeigt sich, dass das ursprüngliche Jones-Modell und das modifizierte Jones-Modell stark korrelieren. Zudem besteht eine hohe Korrelation zwischen dem Cashflow-Modell sowie dem PerformanceModell. Die übrigen Zusammenhänge sind weniger stark ausgeprägt. Die Mo492 493 494 495
114
Vgl. Kothari/Leone/Wasley, Performance matched discretionary accrual measures, 2005, S. 170. Vgl. etwa Jaggi/Leung/Gul, Family control, board independence and earnings management, 2009, S. 297. Vgl. dazu Hartung/Elpelt/Klösner, Statistik, 2005, S. 613–615. Die Verwendung herkömmlicher Korrelationskoeffizienten setzt voraus, dass die betrachteten Variablen normalverteilt sind. Vgl. weiterführend Litz, Statistische Methoden, 2003, S. 153– 156.
delle lassen sich also aufgrund ihrer Ähnlichkeit paarweise (ursprüngliches und modifiziertes Jones-Modell einerseits sowie Cashflow- und Performance-Modell andererseits) betrachten.
Jones mod. Jones CFO-Jones Perf.-Jones
Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
1,0000 0,9750 0,5398 0,3407
1,0000 0,4535 0,2320
1,0000 0,8304
1,0000
Tabelle 4.5: Pearson-Rangkorrelationskoeffizienten der verschiedenen Ausprägungen von DA
Tabelle 4.6 fasst wesentliche deskriptive Statistiken für die betrachteten Variablen zusammen. Dabei sind die Angaben zum jeweiligen Modell auf die Panels A bis D verteilt. Der Mittelwert und der Median der diskretionären Periodenabgrenzungen fallen nach dem ursprünglichen Jones-Modell und dem modifizierten Jones-Modell negativ aus. Dabei ist der Mittelwert jeweils betragsmäßig größer als der Median. Daraus folgt, dass Beobachtungen vorliegen, für die DAi,t einen hohen negativen Wert annimmt. Entsprechend ist die Standardabweichung für diese Modelle erheblich größer als der Mittelwert der diskretionären Periodenabgrenzungen. Ein weiteres Indiz für eine hohe Streuung der Variable DAi,t ist der große Quartilabstand QIII − QI .496 Ein anderes Bild zeigen das Cashflow-Modell und das Performance-Modell. Hier sind der Mittelwert und der Median der diskretionären Periodenabgrenzungen positiv, d. h. nach diesen Modellen ist im Gegensatz zum ursprünglichen und zum modifizierten Jones-Modell die Bilanzpolitik tendenziell gewinnerhöhend. Damit geht einher, dass die nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen im Durchschnitt geringer ausfallen als nach den ersten beiden Modellen. Diese Ergebnisse implizieren trotz ihrer vermeintlichen Intuition jedoch nicht, dass nach dem Cashflow-Modell und dem Performance-Modell mehr Bilanzpolitik betrieben wird; vielmehr sagen sie lediglich etwas über die Richtung der Bilanzpolitik aus. Bei den betrachteten Größen gleichen sich nämlich positive und negative diskretionäre Periodenabgrenzungen aus, sodass keine Schlüsse über das absolute Ausmaß der Bilanzpolitik möglich sind. Um das Ausmaß zu beurteilen, muss der Betragswert 496
Vgl. zu dieser Größe ausführlich ebd., 2003, S. 96 f.
115
Variable
Mittelwert
Median
QI
QIII
σ
Panel A: Ursprüngliches Jones-Modell −0,0319 −0,0074 −0,1252 DA × A−1 NDA × A−1 −0,0207 −0,0545 −0,0822
0,0658 0,0212
0,2095 0,2121
Panel B: Modifiziertes Jones-Modell −0,0844 −0,0102 DA × A−1 NDA × A−1 0,0315 −0,0534
−0,2216 −0,0888
0,0740 0,1249
0,4495 0,4570
Panel C: Cashflow-Modell DA × A−1 0,0247 0,0226 −0,0762 NDA × A−1 −0,0765
−0,0172 −0,1043
0,0636 −0,0467
0,0869 0,0479
Panel D: Performance-Modell DA × A−1 0,0214 0,0301 −0,0726 NDA × A−1 −0,0756
−0,0269 −0,0800
0,0696 −0,0670
0,0997 0,0169
n = 271 Tabelle 4.6: Deskriptive Statistik der diskretionären und nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen
∣DAi,t × A−1 i,t ∣ betrachtet werden. Hier ergibt sich, dass das ursprüngliche JonesModell (Mittelwert: 0,1465; Median: 0,0891) und das modifizierte Jones-Modell (Mittelwert: 0,2821; Median 0,1088) ein deutlich höheres Ausmaß an Bilanzpolitik anzeigen als das Cashflow-Modell (Mittelwert: 0,0637; Median: 0,0471) und das Performance-Modell (Mittelwert: 0,0519; Median: 0,0729). Vor allem die Mittelwerte der beiden erstgenannten Modelle werfen bei ihrer ökonomischen Interpretation Zweifel auf, da es unwahrscheinlich erscheint, dass die im Sample enthaltenen Unternehmen pro Jahr Bilanzpolitik von durchschnittlich 28,2 % ihrer Bilanzsumme betreiben. Die hohe Differenz zwischen Mittelwert und Median macht erneut deutlich, dass die Ergebnisse für das ursprüngliche Jones-Modell und das modifizierte Jones-Modell stark gestreut und von Extremwerten getrieben sind. Bei der empirischen Überprüfung von Hypothesen, die einen Einfluss von Bilanzpolitik annehmen, wird die Bestätigung dieser Hypothesen ggf. dadurch begünstigt, dass Periodenabgrenzungen fehlerhaft als diskretionär angesehen werden. Im Gegensatz dazu wird die Bestätigung der Hypothesen erschwert, wenn tatsächliche Bilanzpolitik nicht als solche erkannt wird. Betrachtet man die Unterschiede zwischen den einzelnen Jones-Modellen vor diesem Hintergrund, erscheint es im Sinne einer skeptischen Haltung gegenüber den Hypothesen der Untersuchung
116
angemessen, die Ergebnisse des Cashflow-Modells und des Performance-Modells vorrangig zu werten. 4.1.3.3 Alternative Modelle zur Messung der Ergebnisqualität Die oben dargestellten Jones-Modelle versuchen, präzise zwischen diskretionären und nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen zu unterscheiden. Dies ist gerade dann erforderlich, wenn – wie unten in Kapitel 4.3 – beide Formen der Periodenabgrenzungen simultan untersucht werden sollen. Für andere Forschungsfragen bedarf es hingegen nicht zwingend einer vollständigen Unterteilung der gesamten Periodenabgrenzungen in einen nicht-diskretionären und einen diskretionären Part. Soll etwa überprüft werden, ob die Ergebnisqualität durch Bilanzpolitik eingeschränkt wird, kann es ausreichen, sich auf die Betrachtung einiger Bilanzpositionen zu beschränken und somit einen Teil der Bilanzpolitik auszublenden. Ergebnisqualität ist dabei ein Maß dafür, wie gut das bilanzielle Ergebnis im Sinne des true and fair view die tatsächliche Performance eines Unternehmens ausdrückt.497 4.1.3.3.1 Abnormal Working Capital Accruals Eine Maßzahl für die Ergebnisqualität sind die sog. abnormal working capital accruals, d. h. die unerwartete Veränderung des Working Capital (WCi,t ) nach DeFond/Park.498 WCi,t ist dabei derjenige Teil des Umlaufvermögens, der nicht zur Deckung der kurzfristigen Verbindlichkeiten gebunden ist:499 WCi,t = (CAi,t −Cashi,t ) − (CLi,t − ST Di,t )
(4.8)
Das Working Capital ist ein maßgeblicher Treiber für die Umsatzerlöse eines Unternehmens.500 Unterstellt man also, dass die Umsatzerlöse eine Funktion des Working Capital der Vorperiode sowie der übrigen Einflussfaktoren x ist, Si,t = f (WCi,t−1 ,x), lässt sich anhand dieser Funktion eine Prognose über die 497 498 499 500
Vgl. dazu umfassend Wagenhofer/Dücker, Die Messung von „Earnings“-Qualität, 2007, S. 266 f. und S. 274-277. Vgl. DeFond/Park, The reversal of abnormal accruals, 2001, S. 380 f. Vgl. hier und folgend Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, 2004, S. 270. Für ein Sample von deutschen Aktiengesellschaften der Jahre 1989–2007 mit insgesamt 7 459 Beobachtungen ergibt sich für das Regressionsmodell Si,t = α + β1WCi,t−1 + ε ein Bestimmtheitsmaß R2 von 55,0 %.
117
zukünftigen Umsatzerlöse treffen.501 Unterstellt man weiterhin, dass sich der funktionale Zusammenhang in den Perioden t − 1 und t nicht ändert, kann anhand des Working Capital und der Umsatzerlöse der Vorperiode sowie der Umsatzerlöse der aktuellen Periode errechnet werden, welches Working Capital in der aktuellen Periode zur Erwirtschaftung der Umsatzerlöse beigetragen haben müsste. Zieht man diesen Erwartungswert von dem tatsächlich in der Bilanz ausgewiesenen Working Capital ab, erhält man die unerwartete Veränderung des Working Capital: WCi,t−1 AWCAi,t = A−1 Si,t )) i,t−1 (WCi,t − ( Ai,t−1 Si,t−1
(4.9)
Dieses Modell unterscheidet sich methodisch deutlich von den in Kapitel 4.1.3.2.1 vorgestellten Jones-Modellen, da es die erwarteten Periodenabgrenzungen nicht anhand eines Branchendurchschnitts, sondern für jedes Unternehmen individuell ermittelt.502 Zudem beschränkt es sich auf die Betrachtung der kurzfristigen Bilanzposten, da diese am leichtesten durch Bilanzpolitik beeinflusst werden können.503 So liegt der Korrelationskoeffizient der Variablen AWCAi,t und DAi,t , je nach Wahl des Jones-Modells, für das Untersuchungssample zwischen lediglich 0,13 (ursprüngliches Jones-Modell) und 0,44 (Performance-Modell). Der Zusammenhang zwischen AWCAi,t und DAi,t ist also nicht besonders stark ausgeprägt. Es ist fraglich, welches Modell einen besseren Proxy für die Bilanzpolitik darstellt.504 DeFond/Park argumentieren, dass die Branchenbetrachtung des JonesModells weniger präzise sei, da es unternehmensindividuelle Einflüsse vernachlässige.505 Dem kann entgegnet werden, dass Branchenmodelle robuster gegenüber Ausreißern sind. So hat die Accounting-Forschung gezeigt, dass das Jones-Modell als Branchenmodell zu verlässlicheren Ergebnissen kommt als das ZeitreihenModell.506 Zudem wenden DeFond/Park ihr Modell auf Quartalszahlen an und 501 502 503 504 505 506
118
Vgl. auch Dechow/Kothari/Watts, Earnings and cash flows, 1998, S. 134, die darlegen, dass sich das Working Capital für „one-year ahead forecasts“ des operativen Cashflows eignet. Vgl. DeFond/Park, The reversal of abnormal accruals, 2001, S. 398 f. Vgl. Ashbaugh/LaFond/Mayhew, Do nonaudit services compromise auditor independence?, 2003, S. 621; Carey/Simnett, Audit Quality, 2006, S. 664. Diese Frage kann aufgrund des joint hypotheses problem empirisch nicht abschließend geklärt werden. Siehe Kapitel 5.1.1.2. Vgl. DeFond/Park, The reversal of abnormal accruals, 2001, S. 398 f. Vgl. m. w. N. Dechow/Ge/Schrand, Understanding earnings quality, 2009, S. 42; Ronen/Yaari, Earnings Management, 2008, S. 417.
sind so in der Lage, saisonale Einflüsse (z. B. das Weihnachtsgeschäft bei Handelsunternehmen) zu berücksichtigen.507 Die vorliegende Untersuchung muss sich wegen der eingeschränkten Datenverfügbarkeit jedoch auf Jahreszahlen beschränken, sodass dieser Vorteil des AWCA-Modells nicht zum Tragen kommt. Tabelle 4.7 enthält deskriptive Statistiken der Variable AWCAi,t . Zur Beurteilung der Unterschiede zwischen Jones- und AWCA-Modell sollen diese mit den entsprechenden Werten aus Tabelle 4.6 verglichen werden.
Variable∗
Mittelwert
Median
QI
QIII
σ
AWCA n = 271
−0,0211
−0,0115
−0,0815
0,0303
0,1920
PosAWCA × AWCA n = 115
0,1061
0,0396
0,0200
0,1284
0,1736
NegAWCA × AWCA n = 156
−0,1149
−0,0629
−0,1569
−0,0230
0,1456
0,1111
0,0533
0,0209
0,1505
0,1578
∣AWCA∣ n = 271 ∗
Jeweils multipliziert mit A−1
Tabelle 4.7: Deskriptive Statistik der unerwarteten Veränderung des Working Capital (AWCA)
Wie schon für die Variable DAi,t nach dem ursprünglichen und dem modifizierten Jones-Modell sind Mittelwert und Median von AWCAi,t negativ. Die Standardabweichung der Variable fällt jedoch geringer aus als für DAi,t nach diesen Modellen. Sie liegt indes deutlich über der Streuung des Cashflow- und des Performance-Modells. Die zweite und dritte Zeile der Tabelle betrachten jeweils den Teil des Samples, für den PosAWCAi,t = 1 bzw. NegAWCAi,t = 1 ist. Die Dummy-Variable PosAWCAi,t entspricht 1 für alle Beobachtungen mit AWCAi,t > 0; ansonsten nimmt sie den Wert 0 an. Analog gilt NegAWCAi,t = 1 für alle Beobachtungen mit AWCAi,t ≤ 0. Es wird deutlich, dass AWCAi,t für 42,4 % der Beobachtungen einen positiven Wert annimmt. Betrachtet man positive und negative Ausprägungen getrennt, so zeigt sich, dass die unerwartete Veränderung des Working Capital des jeweils mittleren Unternehmens betragsmäßig etwa 4 % bzw. 6 % 507
Vgl. DeFond/Park, The reversal of abnormal accruals, 2001, S. 399.
119
der Bilanzsumme ausmacht. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Betragswerte ∣AWCAi,t ∣. Die Abweichungen zwischen Median und Mittelwert sowie die Quartilabstände zeigen, dass einige Beobachtungen mit sehr hohen bzw. sehr niedrigen Werten vorliegen. Es bleibt unklar, welches Modell die tatsächliche Bilanzpolitik am geeignetsten widerspiegelt. Daher soll die Variable AWCAi,t als Ergänzung zu den vier Ausprägungen von DAi,t zum Einsatz kommen. Dies ist jedoch nicht für alle Fragestellungen möglich. Zwar messen sowohl AWCAi,t als DAi,t unerwartete Periodenabgrenzungen, die als diskretionär angesehen werden können. Das AWCAModell umfasst hingegen wegen der ausschließlichen Berücksichtigung des Working Capital nicht sämtliche diskretionären Periodenabgrenzungen. Daher gilt TACi,t − AWCAi,t ≠ NDAi,t . Das AWCA-Modell ist somit nicht geeignet für Untersuchungen, die diskretionäre und nicht-diskretionäre Periodenabgrenzungen simultan betrachten. Daher kann es lediglich für die Untersuchung in Kapitel 4.2 eingesetzt werden, nicht aber in Kapitel 4.3. 4.1.3.3.2 Current Accruals Das Current-Accruals-Modell (CA-Modell) von Myers/Myers/Omer verzichtet auf die ex ante-Unterteilung der Periodenabgrenzungen in einen diskretionären und einen nicht-diskretionären Teil.508 Dieses Modell betrachtet die gesamten kurzfristigen Periodenabgrenzungen (CAi,t ), d. h. die Veränderung des working capital: CAi,t = ΔWCi,t = (ΔCAi,t − ΔCashi,t ) − (ΔCLi,t − ΔST Di,t )
(4.10)
Die Variable CAi,t enthält zumindest anteilig auch solche Periodenabgrenzungen, die sich zwingend aus der Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften ergeben. Sie kann daher nicht als unmittelbares Maß für Bilanzpolitik angesehen werden. Das CA-Modell basiert vielmehr auf der Idee, dass die Periodenabgrenzungen eine unmittelbare Folge von Cashflows derselben Periode sind und daher mit diesen in einem funktionalen Zusammenhang509 stehen:510 508 509
510
120
Vgl. hier und folgend Myers/Myers/Omer, Mandatory auditor rotation, 2003, S. 784 f. Dieser Zusammenhang kann empirisch demonstriert werden. So ergibt sich bei der Schätzung der Regression (4.11) für das vorliegende Untersuchungssample ein Bestimmtheitsmaß R2 von 46,4 %. Vgl. auch Ball/Shivakumar, The role of accruals, 2006, S. 214.
CAi,t = α + β1CFOi,t + ε
(4.11)
Das Modell wird für seine eigentliche Anwendung nun u. a. um solche unabhängigen Variablen erweitert, von denen man annimmt, dass sie eine Erhöhung der Bilanzpolitik bzw. allgemeiner eine Minderung der Ergebnisqualität auslösen.511 Ergibt sich für diese Variablen ein signifikanter Koeffizient, kann auf einen Zusammenhang zwischen der entsprechenden Variable und dem Ausmaß an Bilanzpolitik geschlossen werden. Der Unterschied zu den übrigen hier vorgestellten Modellen besteht also darin, dass nicht bereits bei der Berechnung der Variable CAi,t , sondern erst bei der späteren Untersuchung des jeweils zu analysierenden Einflusses zwischen regulären und auf Bilanzpolitik beruhenden Periodenabgrenzungen differenziert wird. Daher gibt die Betrachtung deskriptiver Statistiken der Variable CAi,t auch keinerlei Aufschluss über das Ausmaß der Bilanzpolitik im Untersuchungssample. Das CA-Modell muss sich der Kritik stellen, dass die kurzfristigen Periodenabgrenzungen der Periode t nicht nur von den Cashflows der Periode t abhängen. In der Accounting-Literatur finden sich nämlich Hinweise darauf, dass auch vergangene und zukünftige Cashflows einen maßgeblichen Einfluss ausüben.512 Für das vorliegende Sample steigt das Bestimmtheitsmaß des Regressionsmodells (4.11) bei der Erweiterung um CFOi,t−1 und CFOi,t+1 jedoch nur von 46,4 % auf 53,9 %; dabei sinkt bei gegebenem Sample prinzipbedingt die Anzahl der verwertbaren Beobachtungen, da für das jüngste im Datensatz enthaltene Jahr die Variable CFOi,t+1 nicht bestimmt werden kann. Für die folgenden Untersuchungen erscheint die Verminderung des Samples nicht durch den Gewinn an Bestimmtheit der Regression gerechtfertigt zu sein. Aus diesem Grund soll das CA-Modell trotz der oben dargelegten Einschränkung als Ergänzung zu den übrigen Modellen zum Einsatz kommen. Wie bereits dargelegt eignet es sich aber nicht für die Untersuchungen in Kapitel 4.3, da es nicht strikt zwischen diskretionären und nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen trennt.
511 512
Ferner wird es um einschlägige Kontrollvariablen ergänzt und somit präziser spezifiziert. Vgl. vor allem Dechow/Dichev, Accrual estimation errors, 2002, S. 40.
121
4.2 Einfluss der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers auf die Bilanzpolitik 4.2.1 Formulierung der Hypothesen Eine der Aufgaben des Aufsichtsrates ist es, die Rechnungslegung des Unternehmens zu prüfen und dabei festzustellen, ob die Ausübung der Bilanzierungswahlrechte und Ermessensspielräume seitens des Vorstands zweckmäßig, d. h. am Unternehmensinteresse ausgerichtet ist.513 Kurzum ist der Aufsichtsrat also dafür verantwortlich, den Abschluss auf Bilanzpolitik hin zu überprüfen und diese insoweit zu verhindern, wie sie gegen das Interesse des Unternehmens oder der Aktionäre verstößt. Eine pflichtgemäße Erfüllung dieser Aufgabe läuft jedoch ggf. dem persönlichen Nutzen des Aufsichtsrates zuwider, nämlich dann, wenn der Aufsichtsrat durch eine Unterbindung der Bilanzpolitik die Höhe der eigenen Vergütung verringert. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Vergütung des Aufsichtsrates nach rechnungswesenbasierten Größen, vor allem also dem Jahresüberschuss, richtet und der Vorstand – aus welchen Gründen auch immer – ergebniserhöhende Bilanzpolitk betreibt. In diesem Fall besteht der Prinzipal-Agenten-Theorie zufolge die Gefahr, dass der Aufsichtsrat zur Maximierung seines persönlichen Nutzens seiner Kontrollaufgabe nicht oder nur eingeschränkt nachkommt und somit nicht uneingeschränkt unabhängig agiert.514 Daraus ergibt sich die erste Forschungshypothese: Hypothese 1: Die ergebniserhöhende Bilanzpolitik eines Unternehmens fällt höher aus, wenn dessen Aufsichtsrat auf Grundlage des Jahresüberschusses vergütet wird. Gegen diese Hypothese mag einzuwenden sein, dass die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern typischerweise gering ausfällt. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Mitglieder ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat in der Regel nur nebenberuflich ausüben und aus ihrem Hauptberuf (z. B. Vorstandstätigkeit in einer anderen Aktiengesellschaft) hohe Einkommen beziehen. Die Anreize, die sich aus der Aufsichtsratsvergütung ergeben, könnten somit in der Nutzenfunktion der Akteure eine derart untergeordnete Rolle spielen, dass sie keinen signifikanten Einfluss auf die Ausführung der Kontrolltätigkeit ausüben.515 Diese Ansicht spielt 513 514 515
122
Siehe oben Kapitel 2.2.1.1. Siehe oben Kapitel 3.2.1.1. Vgl. ähnlich Gneezy/Rustichini, Pay enough or don’t pay at all, 2000, S. 791–810.
zumindest in der juristischen und praxisorientierten Literatur keine Rolle, da die zahlreichen Befürworter und Gegner 516 einer anreizkompatiblen Vergütung von Aufsichtsräten offenbar gleichermaßen eine verhaltenssteuernde Wirkung dieser Vergütung annehmen; andernfalls wäre die in der Literatur geführte Diskussion hinfällig. Tatsächlich weist eine in den USA durchgeführte empirische Untersuchung darauf hin, dass Mitglieder des board of directors – und für diese müsste die These der Immunität gegen betragsmäßig kleine finanzielle Anreize ebenfalls gelten – auf die Einführung eines geringen Sitzungsgeldes (durchschnittlich etwa $ 1 000) mit einer deutlich regelmäßigeren Teilnahme an den Sitzungen reagierten.517 Noch deutlicher ist das (nicht wissenschaftliche) Experiment der amerikanischen Satirezeitschrift Spy, die im Jahr 1990 den 58 reichsten US-Amerikanern jeweils einen Scheck über $ 1,11 postalisch an die Privatadresse zustellte. Von diesen 58 Teilnehmern machten sich 26 die Mühe, den Scheck bei ihrer Bank einzulösen. Ein weiterer Einwand könnte darin bestehen, dass die Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften wegen der gesetzlichen Arbeitnehmermitbestimmung je nach Größe der Gesellschaft zu einem Drittel oder hälftig mit Arbeitnehmervertretern besetzt sind.518 Diese Aufsichtsratsmitglieder treten in der Regel einen Großteil ihrer Aufsichtsratsvergütung an die Hans-Böckler-Stiftung ab. Somit ist davon auszugehen, dass die Vergütung auf diese Mitglieder keine Anreizwirkung ausübt.519 Dabei ist jedoch zu bedenken, dass Arbeitnehmervertreter typischerweise über geringere Kenntnisse in den Belangen der Rechnungslegung verfügen als die Vertreter der Kapitalgeber.520 Es ist daher wohl davon auszugehen, dass die Entscheidungsprozesse im Rahmen der Prüfung der Rechnungslegung durch den Aufsichtsrat ohnehin maßgeblich von den dazu qualifizierteren, von den Kapitalgebern gewählten Aufsichtsratsmitgliedern geprägt werden. Diese vereinnahmen die Aufsichtsratsvergütungen jedoch privat und sind somit grundsätzlich empfänglich für die von der Vergütung ausgehende Anreizwirkung. Ferner ist zu beachten, dass im Falle von Unternehmen, deren Anteile zu einem wesentlichen Teil von Familien gehalten werden, ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder über hohen Anteilsbesitz verfügt. Es ist denkbar, dass für diesen Personenkreis die Anreize aus der Aufsichtsratsvergütung durch die Anreize, die sich aus dem Anteilsbesitz ergeben, dominiert werden. So besteht kein Anreiz zur Erhöhung der 516 517 518 519 520
Siehe oben Kapitel 2.2.4, insbesondere Fußnote 99. Vgl. Adams/Ferreira, Do directors perform for pay?, 2008, S. 154–171. Vgl. Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 277–313. Vgl. so auch Fallgatter, Variable Vergütung, 2003, S. 710. Vgl. etwa v. Werder, Modernisierung der Mitbestimmung, 2004, S. 233.
123
Vergütung durch opportunistische Einschränkung der Kontrolltätigkeit, wenn der erwartete Nutzenverlust aus einer etwaigen negativen Kursreaktion größer ausfällt als der Nutzenzuwachs aus der erhöhten Vergütung. Es scheint daher angebracht, den Anteilsbesitz der Mitglieder des Aufsichtsrates bei der Untersuchung zu berücksichtigen. Zudem kommen weitere Kontrollvariablen zum Einsatz, die im Rahmen der Untersuchung kurz erläutert werden. Abbildung 4.4 stellt die oben skizzierte Forschungsfrage und ihre Operationalisierung als Libby-Box dar.
Abbildung 4.4: Libby-Box zur Hypothese 1 (Quelle: In Anlehnung an Libby, Accounting and human information processing, 1981.)
Die Rechnungslegung der Aktiengesellschaft wird ferner durch den externen Abschlussprüfer geprüft.521 Zwar ist der Prüfungsgegenstand der Abschlussprüfung die Rechtmäßigkeit des Abschlusses, sodass Bilanzpolitik innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens grundsätzlich nicht dazu führt, dass der Abschlussprüfer sein Testat einzuschränken hat. Jedoch fungiert der Abschlussprüfer als Hilfsperson des Aufsichtsrates, indem er diesem über seine Prüfung Bericht erstattet und damit dem Aufsichtsrat eine Grundlage für dessen eigene Prüfung liefert, die die Zweckmäßigkeit der Bilanzpolitik einschließt. Eine verzerrte oder unvollständige Berichterstattung des Abschlussprüfers kann somit dazu führen, dass der Aufsichtsrat von vornherein nicht in der Lage ist, die opportunistische Bilanzpolitik des Vorstands zu erkennen und zu unterbinden. Solch eine verzerrte Berichterstattung 521
124
Siehe oben Kapitel 2.3.1.
könnte die Folge der eingeschränkten Unabhängigkeit des Prüfers sein, die daraus resultiert, dass der Prüfer neben seiner Abschlussprüfung noch andere Leistungen für das Unternehmen erbringt und dafür Honorare erhält.522 Der Abschlussprüfer hat persönlich kein Interesse an der Wirkungsrichtung Bilanzpolitik; eine Duldung von Bilanzpolitik im Rahmen einer Koalitionsbildung zwischen dem Abschlussprüfer und dem Vorstand ist daher grundsätzlich unabhängig davon, ob die vom Vorstand intendierte Bilanzpolitik ergebniserhöhend oder -mindernd ist. Es lässt sich vermuten, dass ein Abschlussprüfer tendenziell duldsamer hinsichtlich ergebnisvermindernder Bilanzpolitik ist, da diese sich eher durch das Vorsichtsprinzip rechtfertigen lässt und zudem weniger die Kritik der Öffentlichkeit auf sich zieht.523 Allerdings kann keine generelle Aussage darüber getroffen werden, ob und wann ein abhängiger Abschlussprüfer nur ergebnismindernde oder zudem auch ergebniserhöhende Bilanzpolitik duldet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die eingeschränkte Unabhängigkeit des Abschlussprüfers mit einer Zunahme von Bilanzpolitik beider Wirkungsrichtungen, also mit dem Ausmaß an Bilanzpolitik im allgemeinen, einhergeht. Daraus ergibt sich die zweite Forschungshypothese: Hypothese 2: Das Ausmaß an Bilanzpolitik steht in einem positiven Zusammenhang mit der absoluten oder relativen Höhe der Honorare für Nichtprüfungsleistungen des Abschlussprüfers. Die Aufsicht über die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers obliegt dem Aufsichtsrat.524 In diesem Zusammenhang könnte es daher wiederum von Interesse sein, ob die Mitglieder des Aufsichtsrates über nennenswerte Anteile an der Gesellschaft verfügen und somit mit dem Anreiz ausgestattet sind, sich für das langfristige Unternehmensinteresse einzusetzen. Deshalb scheint es ratsam, auch bei der empirischen Überprüfung des Einflusses der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers neben den anderen, üblichen Kontrollvariablen den Anteilsbesitz der Mitglieder des Aufsichtsrates zu berücksichtigen. Abbildung 4.5 stellt die oben skizzierte Forschungsfrage und ihre Operationalisierung als Libby-Box dar. 522
523 524
Zu den genauen Wirkungszusammenhängen siehe oben Kapitel 3.2.1.2 und 3.2.2. Die empirische Forschung zu dieser These hat bislang gemischte Ergebnisse hervorgebracht, siehe dazu Kapitel 3.3.4. Vgl. dazu Baetge/Melcher, Erkenntnisse aus forensischen Prüfungen, 2008, S. 400-402. Siehe oben Kapitel 2.2.1.
125
Abbildung 4.5: Libby-Box zur Hypothese 2 (Quelle: In Anlehnung an Libby, Accounting and human information processing, 1981.)
Die Hypothesen 1 und 2 implizieren, dass Bilanzpolitik des Vorstands vorliegt, über dessen Duldung der Aufsichtsrat bzw. der Abschlussprüfer überhaupt entscheiden kann. Daher drängt sich die Frage auf, ob ein Zusammenhang zwischen den aus der Vergütung resultierenden Anreizen des Vorstands und dem Umfang der Bilanzpolitik des Unternehmens festgestellt werden kann. Es ließe sich die Hypothese aufstellen, dass Vergütungsanreize des Vorstands sich steigernd auf die Bilanzpolitik auswirken. Die empirische Überprüfung dieser Frage setzt jedoch voraus, dass die Anreize des Vorstandes beobachtbar sind. Mit der Variable BONUSi,t liegen Informationen über die kurzfristige variable Vergütung des Vorstands vor; es ist anzunehmen, dass mit steigender Höhe der Vergütung auch die Anreizwirkung derselben zunimmt. Soll aber der Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und Vergütungsanreizen untersucht werden, ist zu beachten, dass BONUSi,t zwar grundsätzlich als Proxy für Vergütungsanreize dienen könnte, aber in erster Linie tatsächlich realisierte Vergütungszahlungen ausdrückt. Diese sind jedoch, sofern ihnen der Jahresüberschuss oder eine ähnliche buchhalterische Größe als Bemessungsgrundlage zugrunde liegt, durch die Bilanzpolitik des Unternehmens beeinflusst. Daher ist BONUSi,t nicht als erklärende Variable, sondern als Resultat der Bilanzpolitik anzusehen. Zur empirischen Untersuchung der Frage, wie sich die Vergütungsanreize des Vorstands auf die Bilanzpolitik des Unternehmens auswirken, bedarf es also einer beobachtbaren Größe, die nicht an eine konkrete Realisierung von Zahlungen gekoppelt ist. Geeignet wären insbesondere die von Healy thematisierten Unter-
126
und Obergrenzen für Vergütungszahlungen.525 Diese Informationen gehen jedoch nicht aus den Vergütungsberichten der im Untersuchungssample enthaltenen Aktiengesellschaften hervor. Daher muss die oben erwähnte Frage in dieser konkreten Form unbeantwortet bleiben. In Kapitel 4.3 wird indes anhand einer anderen Methodik untersucht, ob gewinnerhöhende Bilanzpolitik einen überdurchschnittlichen Einfluss auf die Vorstandsvergütung hat und somit zumindest ein Hinweis darauf besteht, dass Vorstände bei der Ausübung von Bilanzpolitik auf Vergütungsanreize reagieren. 4.2.2 Einfluss der Vergütung des Aufsichtsrates 4.2.2.1 Univariate Untersuchung Hypothese 1 nimmt an, dass Aufsichtsräte, die auf Grundlage des bilanziellen Ergebnisses vergütet werden, opportunistisch agieren und zur Steigerung ihrer Vergütung gewinnerhöhende Bilanzpolitik dulden sowie gewinnmindernde Bilanzpolitik im Rahmen ihrer Möglichkeiten verhindern. Dies würde bedeuten, dass die Maßzahl für Bilanzpolitik für diejenigen Beobachtungen, für die der Aufsichtsrat ergebnisabhängig vergütet wird, ceteris paribus im Durchschnitt höher ausfällt als für den Rest der Beobachtungen. Diese Vermutung lässt sich empirisch anhand eines einseitigen t-Tests überprüfen.526 Die Durchschnittswerte können jedoch von Extremwerten verzerrt sein.527 Daher ist es sinnvoll, zusätzlich den prozentualen Anteil der positiven und negativen Ausprägungen der Maßzahl für Bilanzpolitik zu vergleichen. Ob diese Anteile signifikant unterschiedlich sind, lässt sich anhand eines χ 2 -Tests beurteilen.528 Als Maßzahl für die Bilanzpolitik kommen die vier Jones-Modelle sowie das AWCA-Modell zur Anwendung. Wegen der in Kapitel 4.1.3.3.2 erläuterten Besonderheiten eignet sich das CA-Modell nicht für die Untersuchungen. Tabelle 4.8 fasst die Ergebnisse dieser Tests zusammen, getrennt nach dem jeweiligen Modell zur Ermittlung der Bilanzpolitik. Die Variable ARi,t nimmt den Wert 1 an, wenn der Aufsichtsrat ergebnisabhängig vergütet wird; ansonsten gilt ARi,t = 0. Es wird unmittelbar deutlich, dass die Hypothese 1 nicht bestätigt werden kann. Die Panels A, B und C deuten darauf hin, dass bei ergebnisabhängiger Vergütung des Aufsichtsrates weniger gewinnerhöhende Bilanzpolitik betrieben wird. Diesem 525 526 527 528
Vgl. Healy, The effect of bonus schemes, 1985, S. 88. Vgl. dazu ausführlich von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 113–116. Siehe oben Kapitel 4.1.3.2.5. Vgl. Litz, Statistische Methoden, 2003, S. 348 f.
127
Ergebnis kommt hinsichtlich des Vergleichs der Mittelwerte anhand des t-Tests keine statistische Signifikanz zu; der χ 2 -Test für den Vergleich der Vorzeichen fällt aber in den Panels B und E signifikant aus (Irrtumswahrscheinlichkeit 10 %). Die erwartete Richtung des Zusammenhanges kann nur in den Panels C und D festgestellt werden. Zwar hat die Diskussion in Kapitel 4.1.3.2.5 ergeben, dass den Ergebnissen von Cashflow-Modell und Performance-Modell besonderes Gewicht beigemessen werden soll. Die Irrtumswahrscheinlichkeit für die in den Panels C und D wiedergegebenen Resultate ist allerdings derart hoch, dass die Ergebnisse keine validen Schlussfolgerungen gewährleisten können.
Anteil der Beobachtungen AR
Positiv
Negativ
Panel A: Ursprüngliches Jones-Modell 0 0,49 0,51 1 0,43 0,57 Panel B: Modifiziertes Jones-Modell 0 0,49 0,51 1 0,39 0,61 Panel C: Cashflow-Modell 0 0,67 1 0,66
0,33 0,34
Panel D: Performance-Modell 0 0,68 0,32 1 0,71 0,29 Panel E: AWCA-Modell 0 0,46 1 0,34 # ∗
0,54 0,66
χ2
Mittelwert#
t-Test
0,7149
−0,0200 −0,0587
1,40
2,7599∗
−0,0576 −0,1451
1,48
0,0148
0,0246 0,0249
−0,03
1,3514
0,0209 0,0224
−0,11
3,7076∗
−0,0171 −0,0302
0,52
Mittelwert von DA bzw. AWCA Signifikant mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 %
Tabelle 4.8: Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und Aufsichtsratsvergütung
128
4.2.2.2 Multivariate Untersuchung Ein möglicher Grund für das Ausbleiben der erwarteten Ergebnisse ist, dass die Bilanzpolitik von zahlreichen Einflüssen bestimmt wird, die jedoch durch die oben angewandten univariaten Analysemethoden nicht erfasst werden und daher die Ergebnisse verzerren. Die Accounting-Forschung hat bislang eine Vielzahl von Einflussfaktoren der Bilanzpolitik bestimmen können; zu den wichtigsten zählen Unternehmensgröße (gemessen durch den logarithmieren Marktwert des Eigenkapitals, (market value) lnMVi,t ), Kapitalstruktur (Verschuldungsgrad, (leverage) LEVi,t ), Eigentümerstruktur (prozentualer Anteilsbesitz von Mitarbeitern, Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern, (shares of employees and management) SHEMi,t ), Ertragslage (Dummy-Variable für Unternehmen mit negativem Jahresüberschuss, LOSSi,t ) und -wachstum (Veränderung der Umsatzerlöse, GROW T Hi,t ), das Verhältnis von Markt- und Buchwert des Eigenkapitals (MBRAT IOi,t ) sowie die Branchenzugehörigkeit.529 Diese Größen lassen sich mithilfe einer Regressionsanalyse von dem Einfluss des Aufsichtsrates separieren:530 DAi,t = α+β1 ARi,t + β2 SHEMi,t + β3 LEVi,t + β4 LOSSi,t + β5 lnMVi,t Ai,t +β6 GROW T Hi,t + β7 MBRAT IOi,t + Branchei,t + ε
(4.12)
Tabelle 4.9 gibt die Ergebnisse aus der Schätzung von Modell (4.12) wieder.531 Der Koeffizient der Variable ARi,t ist für alle Modelle entgegen der Erwartung negativ und statistisch nicht signifikant. Es kann also anhand der durchgeführten Analyse nicht gezeigt werden, dass, wie in Hypothese 1 angenommen, die Modalitäten der Vergütung des Aufsichtsrates einen Einfluss auf die Bilanzpolitik des Unternehmens haben. Dieses Ergebnis kann zum einen darin begründet liegen, dass der angenommene Zusammenhang tatsächlich nicht besteht. Zum anderen ist es denkbar, dass die angewandte Methodik nicht in der Lage ist, den real existierenden Zusammenhang nachzuweisen. Darauf deuten auch die Bestimmtheitsmaße 529
530
531
Vgl. Ashbaugh/LaFond/Mayhew, Do nonaudit services compromise auditor independence?, 2003, S. 622-625; Cheng/Warfield, Equity Incentives, 2005, S. 463; Cornett/Marcus/Tehranian, Corporate governance and pay-for-performance, 2008, S. 367; Mitra/Cready, Institutional stock ownership, 2005, S. 266. Für die Verwendung des AWCA-Modells und des CA-Modells lautet die abhängige Variable AWCAi,t bzw. CAi,t . Bei der Verwendung des CA-Modells wird die Regressionsgleichung zudem um den Term β8CFOi,t ergänzt. Die Konstante und die Koeffizienten der Branchen-Dummys werden aus Platzgründen nicht in der Tabelle aufgeführt.
129
der Regressionen hin. Diese liegen mit Ausnahme des Performance-Modells und des AWCA-Modells zwar im Bereich vergleichbarer Untersuchungen, sind jedoch insgesamt als niedrig einzustufen. 532
532
130
Vgl. etwa Ashbaugh/LaFond/Mayhew, Do nonaudit services compromise auditor independence?, 2003, S. 626; Mitra/Cready, Institutional stock ownership, 2005, S. 278.
131
0,1688 (1,42) 0,0390∗∗ (2,37) −0,5945∗∗∗ −(3,73) −0,0266∗ −(1,89)
0,0476 (0,92) 0,0158∗∗ (2,01) −0,3086∗∗∗ −(4,42) −0,0102∗ −(1,81)
LOSS
−0,0637∗ −(1,65) −0,0637∗∗∗ −(3,39)
−0,0053∗∗ −(2,39) −0,0497∗∗∗ −(2,97)
0,1518
0,0010 (0,33)
0,0902∗∗∗ (2,95)
0,1115
0,0019 (0,62)
0,0599 (1,47)
−0,0045 −(1,08)
−0,0402 −(1,15)
−0,0183 −(0,59)
−0,0030 −(0,91)
−0,0036 −(0,28)
Perf.-Jones
−0,0056 −(0,49)
CFO-Jones
0,0502
−0,0055 −(0,84)
−0,0758 −(0,51)
0,0023 (0,30)
−0,0705 −(1,45)
−0,0057 −(1,54)
0,0113 (0,14)
−0,0200 −(0,89)
AWCA
0,6605
−0,6985 ∗∗∗ −(10,56)
0,0066 ∗ (1,65)
0,0654 (1,29)
0,0037 (1,43)
−0,1302 ∗∗∗ − (5,50)
−0,0015 ∗∗∗ − (2,60)
0,0608 ∗∗ (2,32)
−0,0042 − (0,51)
CA
Tabelle 4.9: Bilanzpolitik und Vergütung des Aufsichtsrates: Ergebnisse der Regression (4.12)
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). n = 271, t-Statistiken werden in Klammern angegeben.
∗ ∗∗ ∗∗∗
R2
CFO
MBRAT IO
GROW T H
lnMV
0,1824
−0,0082 −(1,19)
−0,0055 −(1,45)
LEV
0,1742
0,1995 (1,22)
SHEM
AR 0,0609 (0,82)
mod. Jones −0,0749 −(1,35)
Jones −0,0326 −(1,29)
Unabhängige Var.
Die dichotome Variable ARi,t berücksichtigt lediglich, ob die Aufsichtsratsvergütung anhand des Jahresüberschusses berechnet wird oder nicht. Sie enthält jedoch keine Informationen darüber, wie viel zusätzliche variable Vergütung durch eine bilanzpolitische Erhöhung des Ergebnisses erzielt wird. Es ist aber denkbar, dass die Höhe des marginalen Einflusses der Bilanzpolitik auf die Höhe der Vergütung entscheidend ist für den mit Hypothese 1 angenommenen Zusammenhang. Nimmt man an, dass die Stärke des Anreizes zu opportunistischem Verhalten mit der absoluten Höhe der ergebnisabhängigen Vergütung des Aufsichtsrates (BONUS_ARi,t ) wächst, lässt sich das Regressionsmodell (4.12) um dieses Maß wie folgt erweitern:533 DAi,t BONUS_ARi,t BONUS_ARi,t = α+β1 + β2 ARi,t + β3 SHEMi,t Ai,t Ai,t Ai,t +β4 LEVi,t + β5 LOSSi,t + β6 lnMVi,t + β7 GROW T Hi,t +β8 MBRAT IOi,t + Branchei,t + ε
(4.13)
Die Variable BONUS_ARi,t ist in diesem Modell zweimal enthalten, da sie zunächst separat und dann multipliziert mit der Dummy-Variable ARi,t regressiert wird. Dies führt dazu, dass der Einfluss der variablen Aufsichtsratsvergütung derjenigen Beobachtungen, für die ARi,t = 0, in den Koeffizienten β1 einfließen, wohingegen der Einfluss der variablen Aufsichtsratsvergütung sämtlicher Beobachtungen durch die Summe der Koeffizienten β1 und β2 ausgedrückt wird. β2 spiegelt somit den inkrementellen Einfluss jener Beobachtungen wider, für die ARi,t = 1. Aus der Hypothese 1 ergibt sich die Erwartung, dass für diese Beobachtungen die diskretionären Periodenabgrenzungen besonders hoch ausfallen. Daher ist für β2 mit einem positiven Vorzeichen zu rechnen. Aufgrund dieser gerichteten Erwartung kann die Hypothese mit einem einseitigen Hypothesentest überprüft werden.534 Es erscheint intuitiv einsichtig, dass die Vergütung auch unabhängig von Anreizen zur Bilanzpolitik einen Einfluss auf die Qualität der Kontrolle haben muss und β1 somit signifikant von 0 abweicht. Auf der einen Seite ist anzunehmen, dass die finanzielle Entlohnung eine motivierende Wirkung entfaltet und daher eine bessere
533
534
132
Für die Verwendung des AWCA-Modells und des CA-Modells lautet die abhängige Variable AWCAi,t bzw. CAi,t . Bei der Verwendung des CA-Modells wird die Regressionsgleichung zudem um den Term β8CFOi,t ergänzt. Vgl. Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 123.
Kontrolle seitens des Aufsichtsrates begünstigt.535 Andererseits ist beispielsweise denkbar, dass Aufsichtsräte mit hoher Vergütung auch ohne deren Abhängigkeit vom Jahresüberschuss ihre Bezüge in der Öffentlichkeit mit guten Ergebnissen des Unternehmens rechtfertigen wollen und daher gewinnerhöhende Bilanzpolitik befürworten. Für β1 kann daher kein Vorzeichen prognostiziert werden, sodass ein zweiseitiger Hypothesentest zur Anwendung kommen muss. Die Verwendung der Variable BONUS_ARi,t als Indikator für das Gewicht des Anreizes zur Bilanzpolitik ist methodisch nicht unproblematisch, da sie bei dem zugrunde liegenden ökonomischen Sachverhalt auch als unabhängige Variable angesehen werden könnte. Schließlich ist die variable Aufsichtsratsvergütung für einen erheblichen Teil der Beobachtungen ein Ergebnis der Bilanzpolitik. Aus diesem Grund bietet es sich an, die Aufsichtsratsvergütung auch als abhängige und die Bilanzpolitik als unabhängige Variable zu untersuchen. Eine Untersuchung dieser Form wird in Kapitel 4.3.3.1 durchgeführt.536 Da aber nicht von der Hand zu weisen ist, dass Aufsichtsräte die Höhe ihrer Vergütung antizipieren könnten und dies in ihre Entscheidungen einfließen lassen, soll die Regression (4.13) trotz der methodischen Einschränkung durchgeführt werden. Tabelle 4.10 fasst die Ergebnisse aus der Schätzung des Regressionsmodells (4.13) zusammen. Es wird deutlich, dass die Hypothese 1 lediglich durch das ursprüngliche und das modifizierte Jones-Modell unterstützt wird, da sich nur für diese Modelle ein signifikant negativer Koeffizient β2 ergibt. Die Schätzungen der Koeffizienten β1 und β2 nach dem ursprünglichen und dem modifizierten JonesModell einerseits sowie dem Cashflow- und dem Performance-Modell andererseits differieren betragsmäßig erheblich. In Kapitel 4.1.3.2.5 wurde gefolgert, dass für das Cashflow- und das Performance-Modell die Gefahr der Überbewertung der Bedeutung der Bilanzpolitik vergleichsweise gering ist und diesen Modellen bei divergierenden Ergebnissen tendenziell mehr Gewicht beigemessen werden sollte. Es besteht also allenfalls eine schwache Evidenz dafür, dass die variable Aufsichtsratsvergütung im Allgemeinen und die ergebnisabhängige Vergütung im Speziellen einen Einfluss auf die Ausübung der Kontrollaufgabe des Aufsichtsrates hat. Hypothese 1 kann somit nicht als gültig angenommen werden. 535
536
Vgl. dazu ausführlich Gardner/Van Dyne/Pierce, The effects of pay level on performance, 2004, S. 307–322; Gneezy/Rustichini, Pay enough or don’t pay at all, 2000, S. 791–810; Igalens/Roussel, Compensation package and work motivation, 1999, S. 1003–1025; Kuvaas, Work performance, 2006, S. 1003–1025; Pierce et al., Organization-based self-esteem, 1989, S. 622–648. Ferner wird im Rahmen der Überprüfung der Validität der Untersuchungsergebnisse in Kapitel 5.1.2.2 eine mögliche Endogenität durch einen 2SLS-Ansatz berücksichtigt.
133
134 ∗
0,1757
−114,9212 − (1,71) 115,5501† (1,46) 0,0599 (0,82) − 0,0058 − (1,51) 0,0457 (0,84) 0,0156∗ (1,91) − 0,3159∗∗∗ − (4,56) − 0,0066 − (1,08)
Jones
0,1853
−269,9681 − (1,80) 306,1478‡ (1,80) 0,1965 (1,23) − 0,0088 − (1,25) 0,1680 (1,35) 0,0394∗∗ (2,27) − 0,6131∗∗∗ − (3,72) − 0,0181 − (1,09)
∗
mod. Jones
0,1512
−8,8386 − (0,31) 7,6622 (0,24) −0,0186 − (0,61) −0,0053∗∗ − (2,36) −0,0495∗∗∗ − (2,83) −0,0031 − (0,92) 0,0985∗∗∗ (2,92) 0,0013 (0,38)
CFO-Jones
0,1124
7,2336 (0,24) −23,0706 − (0,67) − 0,0402 − (1,14) − 0,0044 − (1,63) − 0,0645∗∗∗ − (3,35) − 0,0049 − (1,17) 0,0606 (1,48) 0,0017 (0,52)
Perf.-Jones
0,0530
91,0452 (0,96) −98,6479 − (1,06) 0,0080 (0,10) − 0,0050 − (1,43) − 0,0625 − (1,27) 0,0021 (0,26) − 0,0732 − (0,50) − 0,0082 − (1,06)
AWCA
CA 74,1947∗∗∗ (2,70) −43,0476 − (1,58) 0,0603∗∗ (2,30) − 0,0042∗∗ − (2,39) − 0,1239∗∗∗ − (5,30) 0,0047∗ (1,78) 0,0664 (1,33) 0,0043 (1,09) − 0,7156∗∗∗ − (11,14) 0,6704
Tabelle 4.10: Bilanzpolitik und Vergütung des Aufsichtsrates: Ergebnisse der Regression (4.13)
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). † , ‡ Signifikant mit 10 %, 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger t-Test). n = 271, t-Statistiken werden in Klammern angegeben.
∗ ∗∗ ∗∗∗
R2
CFO
MBRAT IO
GROW T H
lnMV
LOSS
LEV
SHEM
AR × BONUS_AR
BONUS_AR
Unabhängige Var.
4.2.3 Einfluss der Honorare des Abschlussprüfers Hypothese 2 nimmt an, dass Abschlussprüfer durch die Vereinnahmung von Honoraren für Nichtprüfungsleistungen an Unabhängigkeit einbüßen und daher mit steigenden Nichtprüfungshonoraren zunehmend die Bilanzpolitik des Vorstands dulden. Im Unterschied zum Aufsichtsrat besteht auf Seiten des Abschlussprüfers keinerlei Präferenz für die Richtung der Bilanzpolitik. Daraus folgt, dass ein signifikanter Zusammenhang mit unbestimmtem Vorzeichen zu erwarten ist zwischen dem Maß für Bilanzpolitik und dem Maß für die Nichtprüfungshonorare des Abschlussprüfers. Dies lässt sich empirisch anhand der folgenden Regressionsgleichung überprüfen:537 DAi,t = α+β1 NAFi,t + β2 SHEMi,t + β3 LEVi,t + β4 LOSSi,t + β5 lnMVi,t Ai,t +β6 GROW T Hi,t + β7 MBRAT IOi,t + Branchei,t + ε
(4.14)
Für die Bestimmung der Variable NAFi,t bieten sich im wesentlichen zwei Vorgehensweisen an. Zum einen lassen sich die absoluten Nichtprüfungshonorare in die Regression aufnehmen; sie sind jedoch zu skalieren, um Größeneffekte zu verhindern. Zum anderen wird in der Accounting-Forschung die Möglichkeit diskutiert, die relativen Nichtprüfungshonorare als Indikator für die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers anzusehen.538 Für die Betrachtung der absoluten Honorare bietet es sich an, die Honorare für Nichtprüfungsleistungen durch die Bilanzsumme des Vorjahres zu dividieren, NAFi,t = NPHONORARi,t × A−1 i,t . Da für 5 der 271 Beobachtungen des Samples keine Informationen über die Höhe der Prüfungs- und Nichtprüfungshonorare vorliegen, sinkt die Zahl der verwertbaren Beobachtungen für die folgenden Untersuchungen auf n = 266. Alternativ ist es möglich, den natürlichen Logarithmus der Nichtprüfungshonorare zu bilden, NAFi,t = ln(NPHONORARi,t ).539 Dies führt ebenfalls dazu, dass Beobachtungen mit betragsmäßig hohen Honorarzahlungen die Ergebnisse nicht dominieren. Außerdem ist es möglich, dass der Zusammen537
538
539
Für die Verwendung des AWCA-Modells und des CA-Modells lautet die abhängige Variable AWCAi,t bzw. CAi,t . Bei der Verwendung des CA-Modells wird die Regressionsgleichung zudem um den Term β8CFOi,t ergänzt. Vgl. Ashbaugh/LaFond/Mayhew, Do nonaudit services compromise auditor independence?, 2003, S. 626; Ferguson/Seow/Young, Nonaudit services and earnings management, 2004, S. 831; Frankel/Johnson/Nelson, Nonaudit services and earnings management, 2002, S. 92. Vgl. etwa Ferguson/Seow/Young, Nonaudit services and earnings management, 2004, S. 830.
135
hang zwischen Bilanzpolitik und Nichtprüfungshonoraren nicht linear verläuft und somit durch das Verfahren der linearen Regressionsanalyse nicht oder nur unzureichend erkannt wird. Die Transformation der Variable durch die Bildung des Logarithmus führt ggf. zu einer Linearisierung.540 Allerdings fallen bei dieser Berechnung von NAFi,t alle 16 Beobachtungen, für die NPHONORARi,t = 0, aus dem Sample, da ln(0) nicht definiert ist. Somit verbleiben n = 250 Beobachtungen für die Analyse der logarithmierten Honorare. Als relative Maßzahl und damit als dritte Ausprägung der Variable NAFi,t soll das Verhältnis der Nichtprüfungshonorare zu den Prüfungshonoraren zur Anwendung 541 kommen, NAFi,t = NPHONORARi,t × PHONORAR−1 i,t . Tabelle 4.11 fasst die wesentlichen Ergebnisse aus der Schätzung von Modell (4.14) zusammen.542 Die drei verschiedenen Ausprägungen der Variable NAFi ,t sind auf die Panels A–C verteilt. Für die mit der Bilanzsumme skalierten Nichtprüfungshonorare (Panel A) ergibt sich nach dem ursprünglichen Jones-Modell und nach dem Cashflow- sowie dem Performance-Modell ein signifikant negativer Koeffizient β1 . Bei Anwendung der logarithmierten Nichtprüfungshonorare (Panel B) resultiert mit Ausnahme des CA-Modells für alle Modelle ein signifikant negatives β1 . Da sowohl die t-Statistiken als auch die Bestimmtheitsmaße höher ausfallen als in Panel A, ist davon auszugehen, dass die Transformation der Variable durch die Logarithmierung zu einer präziseren Darstellung des Zusammenhangs zwischen Bilanzpolitik und Nichtprüfungshonoraren führt. Für die relativen Nichtprüfungshonorare (Panel C) ist β1 signifikant negativ sowohl nach dem ursprünglichen und dem modifizierten Jones-Modell als auch nach dem Performance-Modell.
540 541
542
136
Vgl. von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 286-288. Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass bei der Interpretation der Ergebnisse nicht zwischen dem Einfluss der Prüfungshonorare und dem der Nichtprüfungshonorare unterschieden werden kann. Vgl. Antle et al., Audit fees, non-audit fees, and abnormal accruals, 2006, S. 258. Die Konstante und die Koeffizienten der Kontrollvariablen werden aus Platzgründen nicht in der Tabelle aufgeführt.
137
mod. Jones
0,1772 266
−0,0036∗ − (1,68) 0,1786 266
−0,0042 − (0,99)
0,1897 250
0,1801 250
0,1900 250
−0,0124∗∗∗ − (3,40)
0,1689 266
−0,0022∗∗ − (2,31)
CFO-Jones
0,1762 266
0,1836 266
0,1550 266
0,1234 266
−0,0053∗∗ − (2,39)
0,1564 250
−0,0158∗∗∗ − (3,48)
0,1449 266
−0,0035∗∗∗ − (3,15)
Perf.-Jones
0,0530 266
0,0004 (0,10)
0,0599 250
−0,0021 − (0,31)
0,0497 266
0,0011 (0,53)
AWCA
0,6577 266
0,0005 (0,23)
0,6576 250
−0,0084∗∗∗ − (3,11)
0,6621 266
−0,0007 − (1,33)
CA
Tabelle 4.11: Bilanzpolitik und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.14)
∗ , ∗∗ , ∗∗∗ Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben.
R2 n
Panel C: NAF = NPHONORAR × PHONORAR−1 NAF −0,0102∗∗ −0,0205∗ −0,0005 − (1,98) − (1,94) − (0,21)
R2 n
Panel B: NAF = ln(NPHONORAR) NAF −0,0299∗∗∗ −0,0516∗∗ − (3,03) − (2,35)
R2 n
Panel A: NAF NAF #
Jones
= NPHONORAR × A−1
Unabhängige Var.
Ein negativer Koeffizient β1 bedeutet, dass die diskretionären Periodenabgrenzungen umso negativer ausfallen, je mehr Nichtprüfungshonorare der Abschlussprüfer vereinnahmt. Ökonomisch kann dies so gedeutet werden, dass der Abschlussprüfer mit zunehmender Abhängigkeit aufgrund hoher Beratungshonorare duldsamer wird hinsichtlich gewinnmindernder Bilanzpolitik. Es ist plausibel, dass sich der Effekt speziell auf gewinnmindernde Bilanzpolitik auswirkt, da Abschlussprüfer häufiger für die Duldung bzw. Nichtaufdeckung gewinnerhöhender als gewinnmindernder Bilanzpolitik und -manipulation kritisiert werden.543 Dieses Ergebnis würde Hypothese 2 bestätigen. Es ist jedoch ebenso möglich, dass der negative Koeffizient dadurch verursacht wird, dass Abschlussprüfer mit hohen Beratungshonoraren die gewinnerhöhende Bilanzpolitik des Vorstands unterbinden. Ökonomisch könnte dies etwa darin begründet sein, dass Abschlussprüfer bei der Durchführung von Nichtprüfungsleistungen firmenspezifisches Wissen erlangen, das bei der Abschlussprüfung genutzt werden kann und so deren Qualität erhöht.544 Um diese Möglichkeit auszuschließen, ist es erforderlich, das Untersuchungssample anhand des jeweiligen Vorzeichens von DAi,t , AWCAi,t und CAi,t in zwei Subsamples zu teilen und die Schätzung der Regression (4.14) für die positiven (Subsample P) und negativen Werte (Subsample N) getrennt zu wiederholen. Entsprechend der Hypothese 2 ist für die Beobachtungen mit einer positiven abhängigen Variable ein positives β1 und für die Beobachtungen mit einer negativen abhängigen Variable ein negatives β1 zu erwarten. Die statistische Signifikanz der Koeffizienten kann bei dieser Betrachtung also anhand eines einseitigen Hypothesentests überprüft werden. Die Tabellen 4.12 und 4.13 fassen die Schätzungen des Koeffizienten β1 der Regression (4.14) für die Subsamples P und N zusammen. Bei der Betrachtung der gewinnerhöhenden Bilanzpolitik in Subsample P ergibt sich nur nach dem AWCAModell und nur in den Panels B und C ein signifikant positives β1 . Dieses Ergebnis ist jedoch mit Vorsicht zu bewerten, da das Bestimmtheitsmaß der Regression bei Verwendung des AWCA-Modells sehr gering ausfällt. Bei Verwendung des modifizierten Jones-Modells, des Cashflow-Modells sowie des Performance-Modells ergeben sich negative Werte für β1 , wobei nur nach dem Performance-Modell in Panel A ein zweiseitig beurteilter statistisch signifikanter Wert auftritt. Letztlich lässt die Untersuchung somit keine zuverlässigen Schlüsse über den Einfluss der Nichtprüfungshonorare auf die gewinnerhöhende Bilanzpolitik zu. 543 544
138
Vgl. dazu Baetge/Melcher, Erkenntnisse aus forensischen Prüfungen, 2008, S. 400-402. Vgl. ähnlich Lassila et al., Auditor independence, 2010, S. 1.
139
mod. Jones
0,3966 122
0,4812 120
0,1675 175
0,1380 169
0,0530 112
0,0296∗ (1,47)
0,0854 106
0,0190∗∗ (1,67)
0,0820 112
0,0026 (0,86)
AWCA
0,6834 129
0,0073 (1,03)
0,6742 119
−0,0006 − (0,19)
0,6796 129
0,0000 (0,01)
CA
Tabelle 4.12: Bilanzpolitik und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.14) für das Subsample P
∗ , ∗∗ Signifikant mit 10 %, 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben.
R2 n
−0,0013 − (0,21)
Panel C: NAF = NPHONORAR × PHONORAR−1 NAF 0,0153 0,0173 −0,0014 (1,10) (0,57) − (0,32)
0,4607 116
0,1409 159
0,3924 116
−0,0056 − (1,25)
0,1542 170
−0,0021 − (2,24)
Perf.-Jones
0,1793 165
R2 n
−0,0056 − (1,61)
−0,0008 − (0,99)
Panel B: NAF = ln(NPHONORAR) NAF 0,0029 −0,0073 (0,35) − (0,40)
−0,0027 − (0,47) 0,1710 176
0,3920 123
0,0009 (0,35)
CFO-Jones
0,4804 121
R2 n
Panel A: NAF NAF #
Jones
= NPHONORAR × A−1
Unabhängige Var.
Für die Betrachtung der gewinnmindernden Bilanzpolitik in Subsample N ergeben sich in Panel B für alle Modelle mit Ausnahme des Cashflow-Modells und des Performance-Modells signifikant negative Werte für β1 . Zudem ist in Panel C der Koeffizient bei der Verwendung des modifizierten Jones-Modells und des CAModells signifikant negativ. Dieser Befund kann als Unterstützung für Hypothese 2 angesehen werden. Es ist jedoch zu beachten, dass für das Cashflow-Modell und das Performance-Modell deutlich weniger Beobachtungen in Subsample N fallen als bei Verwendung der übrigen Modelle. Dies wirft die Frage auf, ob die anderen Modelle Periodenabgrenzungen irrtümlich als gewinnmindernde Bilanzpolitik klassifizieren. Dagegen spricht, dass der Median und der Mittelwert der Variable DAi,t für das ursprüngliche Jones-Modell und das modifizierte Jones-Modell geringer ausfällt als für das Cashflow- und das Performance-Modell.545
545
140
Siehe oben Kapitel 4.1.3.2.5.
141
mod. Jones
0,3829 142
0,5422 144
0,1820 89
0,1382 91
0,2422 152
−0,0045 − (0,95)
0,2691 144
−0,0097∗ − (1,37)
0,2244 154
−0,0004 − (0,21)
AWCA
0,5460 135
−0,0022∗ − (1,61)
0,5959 131
−0,0104∗∗∗ − (3,88)
0,5466 137
−0,0003 − (0,47)
CA
Tabelle 4.13: Bilanzpolitik und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.14) für das Subsample N
∗ , ∗∗ , ∗∗∗ Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben.
R2 n
−0,0000 − (0,02)
Panel C: NAF = NPHONORAR × PHONORAR−1 NAF −0,0036 −0,1079∗∗ 0,0008 − (1,11) − (1,80) (0,70)
0,5455 134
0,1792 87
0,4044 134
−0,0023 − (0,55)
0,1253 92
−0,0006 − (0,55)
Perf.-Jones
0,2147 85
R2 n
−0,0005 − (0,14)
0,0001 (0,17)
Panel B: NAF = ln(NPHONORAR) NAF −0,0206∗∗ −0,0288∗ − (2,19) − (1,39)
−0,0021 − (0,59) 0,1540 90
0,3920 143
−0,0024 − (1,24)
CFO-Jones
0,5421 145
R2 n
Panel A: NAF NAF #
Jones
= NPHONORAR × A−1
Unabhängige Var.
Kritisch zu beurteilen ist schließlich die geringe Anzahl der Beobachtungen, die sich bei der Aufteilung des Untersuchungssamples für die einzelnen Subsamples ergibt und die Aussagekraft der Ergebnisse einschränkt. Dies gilt vor allem für das Cashflow-Modell und das Performance-Modell in Subsample N. Bei einer geringen Gesamtzahl von Beobachtungen erhalten nämlich Ausreißer bzw. Extremwerte ein hohes Gewicht und verzerren somit die Ergebnisse. Es ist daher denkbar, dass die geringe Größe des Subsamples für das Ausbleiben signifikanter Ergebnisse verantwortlich ist. 4.2.4 Gleichzeitige Berücksichtigung von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer Der Abschlussprüfer wird vom Aufsichtsrat beauftragt. Zusätzlich koordiniert der Abschlussprüfer in der Regel die Planung seiner Prüfung, etwa die Festsetzung der Prüfungsschwerpunkte, mit dem Aufsichtsrat oder dessen Prüfungsausschuss. Es besteht also eine Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer. Daher stellt sich die Frage, ob das Zusammentreffen eines abhängigen Wirtschaftsprüfers und eines Aufsichtsrates mit dem Anreiz zu gewinnerhöhender Bilanzpolitik einen Einfluss auf die Bilanzpolitik des Unternehmens hat. Zwar besteht eine eventuelle Abhängigkeit des Abschlussprüfers aus institutionenökonomischer Sicht wie dargelegt hauptsächlich gegenüber dem Vorstand. Unterstellt man aber, dass ein abhängiger Abschlussprüfer auch die Honorare aus der Abschlussprüfung nicht verlieren möchte546 , so erscheint die Schlussfolgerung einsichtig, dass er aufgrund seiner Abhängigkeit neben den bilanziellen Präferenzen des Vorstandes auch die des Aufsichtsrates zu berücksichtigen versucht. Gegen diese These spricht, dass in der Praxis der Kontakt zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer auf wenige Gelegenheiten (z. B. Bilanzsitzung des Aufsichtsrates) begrenzt und daher die Möglichkeit zur tatsächlichen Einflussnahme auf den Abschlussprüfer ebenfalls beschränkt sein dürfte. Im Folgenden werden die Variablen ARi,t und NAFi,t gemeinsam in einem Regressionsmodell untersucht. Zur Überprüfung der eventuellen Interaktion zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer wird in das Regressionsmodell die Interaktionsvariable ARi,t × NAFi,t aufgenommen:
546
142
Für diese Annahme spricht etwa die plausible Möglichkeit, dass ein Abschlussprüfer, der das Mandat für die Abschlussprüfung verliert, dem Mandanten auch weniger Beratungsleistungen verkaufen kann.
DAi,t = α+β1 ARi,t + β2 NAFi,t + β3 ARi,t × NAFi,t + β4 SHEMi,t Ai,t +β5 LEVi,t + β6 LOSSi,t + β7 lnMVi,t + β8 GROW T Hi,t +β9 MBRAT IOi,t + Branchei,t + ε
(4.15)
Wie bereits in Modell (4.12) misst der Koeffizient β1 den Einfluss der Berechnungsgrundlage der Aufsichtsratsvergütung auf die Bilanzpolitik. Der Koeffizient β2 misst im Gegensatz zu Modell (4.14) den Einfluss der Variable NAFi,t nur in denjenigen Fällen, in denen die Aufsichtsratsvergütung nicht auf Grundlage des Jahresüberschusses berechnet wird (ARi,t = 0). Der Koeffizient der Interaktionsvariable, β3 , drückt dann den inkrementellen Einfluss von NAFi,t für diejenigen Beobachtungen aus, bei denen ARi,t = 1. Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass die logarithmierten Nichtprüfungshonorare ein besseres Maß abgeben als die mit der Bilanzsumme des Vorjahres skalierten Nichtprüfungshonorare. Daher wird bei der Schätzung von Modell (4.15) auf die Verwendung der letztgenannten Berechnungsmethode für NAFi,t verzichtet. Tabelle 4.14 fasst die Schätzung der wesentlichen Koeffizienten des Modells (4.15) zusammen. Panel A enthält dabei die Ergebnisse für die Betrachtung der logarithmierten Nichtprüfungshonorare. In Panel B werden die Ergebnisse für die relativen Nichtprüfungshonorare wiedergegeben. In Panel A wird deutlich, dass die Ergebnisse aus der Einzelbetrachtung (siehe Tabellen 4.9 und 4.11) auch bei der simultanen Betrachtung bestätigt werden. Erneut ergibt sich kein signifikanter Koeffizient für ARi,t und ein hochsignifikant negativer Koeffizient für NAFi,t .547 Der Koeffizient der Interaktionsvariable ARi,t ×NAFi,t ist hingegen nicht signifikant unterschiedlich von 0, sodass die Untersuchung zunächst keinen Hinweis auf die Relevanz des Zusammenwirkens von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer liefert.
547
Dies gilt mit Ausnahme des AWCA-Modells, das sich wiederum als wenig geeignet für die vorliegende Fragestellung erweist.
143
144 Jones
mod. Jones
0,1903 266
0,1997 266
0,1566 266
−0,0042 − (0,47)
0,1243 266
0,0051 (0,49)
0,0569 266
0,0174 (0,83)
0,6598 266
−0,0110∗ − (1,67)
0,0019 (0,62)
0,0034 (0,33)
0,6581 250
−0,0010 − (0,30)
−0,0089∗∗∗ − (2,65)
−0,0172 − (0,38)
CA
Tabelle 4.14: Bilanzpolitik, Vergütung des Aufsichtsrates und Honorare des Abschlussprüfers: Ergebnisse der Regression (4.15)
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben.
∗ ∗∗ ∗∗∗
R2 n
−0,1150∗∗ − (2,25)
−0,0497∗∗ − (2,02)
AR × NAF
−0,0017 − (0,29)
0,0000 (0,00)
−0,0060∗∗∗ − (2,77)
−0,0060 − (0,46)
−0,0039 − (0,52)
NAF
−0,0341 − (1,23)
0,0611 250
0,0001 (0,02)
−0,0021 − (0,24)
−0,0086 − (0,60)
0,0081 (1,27)
−0,0196∗∗∗ − (3,38)
−0,0163 − (0,14)
AWCA
Panel B: NAF = NPHONORAR × PHONORAR−1 AR 0,0045 0,0113 −0,0037 (0,14) (0,16) − (0,31)
0,1884 250
0,0027 (0,57)
−0,0136∗∗∗ − (2,93)
−0,1043 − (1,27)
Perf.-Jones
0,1614 250
0,1948 250
R2 n
−0,0238 − (0,80)
−0,0405∗ − (1,65)
−0,0405 − (0,65)
CFO-Jones
0,1916 250
0,0005 (0,03)
−0,0300∗∗∗ − (2,60)
AR × NAF
NAF
Panel A: NAF = ln(NPHONORAR) AR −0,0392 0,2247 − (0,22) (0,55)
Unabhängige Var.
Ein anderes Bild zeigt sich in Panel B. Auch hier bleiben signifikante Ergebnisse für ARi,t aus. Zudem ist der Koeffizient für NAFi,t nur noch nach dem PerformanceModell signifikant negativ. Dahingegen ist der Koeffizient der Interaktionsvariable ARi,t × NAFi,t bei Verwendung des ursprünglichen und des modifizierten JonesModells sowie des CA-Modells signifikant negativ. Im Unterschied zu den Ergebnissen aus Panel A deutet dies darauf hin, dass die Nichtprüfungshonorare, d. h. die potenziell eingeschränkte Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, besonders in denjenigen Fällen einen Einfluss auf die Veränderung des Ergebnisses durch Bilanzpolitik hat, in denen der Aufsichtsrat auf der Grundlage des Jahresüberschusses vergütet wird. Das Vorzeichen des Koeffizienten lässt sich – wider die Erwartung – dahingehend interpretieren, dass in diesen Fällen der Abschluss vor allem durch gewinnmindernde Bilanzpolitik geprägt wird. Die Divergenz der Ergebnisse aus Panel A und Panel B liegt offenbar darin begründet, dass die Höhe der Prüfungshonorare bei der ersten Berechnung unbeachtet bleibt, bei der zweiten Berechnung jedoch in die relativen Nichtprüfungshonorare einfließt. Die Verwendung von NAFi,t = NPHONORARi,t × PHONORAR−1 i,t birgt, wie hier ersichtlich wird, den Nachteil, dass der Einfluss der beiden Honorarkomponenten nicht getrennt interpretiert werden kann.548 Die theoretische Fundierung der Abhängigkeitshypothese durch die Institutionenökonomik betrifft zunächst das Verhältnis zwischen Vorstand und Abschlussprüfer, da in der Regel der Vorstand für die Vergabe der Nichtprüfungsaufträge und somit für die Höhe der diesbezüglichen Honorare verantwortlich ist. Der Aufsichtsrat spielt hingegen eine wesentliche Rolle bei der Vergabe des Prüfungsauftrags, da er der Hauptversammlung einen Vorschlag für die Wahl des Abschlussprüfers unterbreitet. Zudem führt der Aufsichtsrat oder dessen Prüfungsausschuss in der Regel die Verhandlungen über das Honorar des Abschlussprüfers. Es ist somit grundsätzlich nicht verwunderlich, dass sich ein Einfluss des Aufsichtsrates nur feststellen lässt, wenn die Honorare für die Abschlussprüfung in die Betrachtung einfließen. Gleichwohl widerspricht das negative Vorzeichen von β3 der Erwartung. Schließlich präferiert der Aufsichtsrat mit Ausnahme von Big Bath-Situationen gewinnerhöhende Bilanzpolitik, sofern seine Vergütung auf dem Jahresüberschuss basiert. Freilich sind abseits der Vergütung andere Gründe denkbar, aus denen der Aufsichtsrat ein Interesse an einem möglichst niedrigen Gewinnausweis haben könnte. Diese können jedoch nicht zur Erklärung des vorliegenden Ergebnisses herangezogen werden, da nicht ersichtlich ist, warum solche Gründe mit der Ausprägung der Variable ARi,t korrelieren sollten. 548
Vgl. Antle et al., Audit fees, non-audit fees, and abnormal accruals, 2006, S. 258.
145
Das Fehlen einer theoretisch schlüssigen Erklärung für den negativen Koeffizienten von ARi,t × NAFi,t deutet auf ein fehlerhaftes Modell oder das rein zufällige Zustandekommen des Ergebnisses hin. Dafür sprechen auch die im Vergleich zu Panel A niedrigeren Signifikanzniveaus sowie der Umstand, dass sich nach dem Cashflow- und dem Performance-Modell, die in Kapitel 4.1.3.2.5 als vorrangig zu beachtende Modelle identifiziert wurden, eben kein signifikant negatives β3 ergibt. 4.2.5 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse Anhand des vorliegenden Datensatzes kann nicht gezeigt werden, dass die ergebnisabhängige Vergütung des Aufsichtsrates, gemessen als dichotome Variable, einen Einfluss auf die Bilanzpolitik des Unternehmens hat. Berücksichtigt man zusätzlich die Höhe der ergebnisabhängigen Vergütung, so ergibt sich allenfalls eine schwache Evidenz für den opportunistischen Einsatz von Bilanzpolitik. Die Betrachtung der Höhe der Vergütung als unabhängige Variable ist jedoch wie dargelegt methodisch problematisch, sodass diese Evidenz mit großer Vorsicht zu interpretieren ist und nicht als alleiniger Befund die Akzeptanz von Hypothese 1 rechtfertigen kann. Keine Evidenz für die Bestätigung von Hypothese 1. Dahingegen zeigt die Untersuchung einen signifikant negativen Zusammenhang zwischen verschiedenen, auf der Höhe der Nichtprüfungshonorare basierenden Maßzahlen für die Abhängigkeit des Abschlussprüfers und den diskretionären Periodenabgrenzungen DAi,t bzw. den current accruals CAi,t . Die getrennte Betrachtung der positiven und der negativen Periodenabgrenzungen ergibt, dass dieses Ergebnis im Wesentlichen auf das Subsample mit negativen Werten von DAi,t bzw. CAi,t zurückzuführen ist. Daraus kann gefolgert werden, dass Abschlussprüfer mit eingeschränkter Unabhängigkeit dazu neigen, die ergebnismindernde Bilanzpolitik des Unternehmens zu tolerieren. Eine Aussage über die Auswirkung der Abhängigkeit auf ergebniserhöhende Bilanzpolitik kann nicht getroffen werden. Eingeschränkte Evidenz für die Bestätigung von Hypothese 2. Die empirische Analyse der Interaktion von Aufsichtsratsvergütung und der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers liefert Hinweise darauf, dass in Fällen der ergebnisabhängigen Aufsichtsratsvergütung der Einfluss der eingeschränkten Unabhängigkeit des Abschlussprüfers auf die Bilanzpolitik besonders ausgeprägt ist.
146
Dieses Ergebnis deutet auf eine mögliche Koalitionsbildung von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer hin, jedoch entspricht die gemessene Wirkungsrichtung, nämlich eine Abnahme gewinnerhöhender Bilanzpolitik bzw. eine Zunahme gewinnvermindernder Bilanzpolitik, nicht der Erwartung. Ferner weisen die entsprechenden Koeffizienten eine relativ hohe statistische Irrtumswahrscheinlichkeit auf. Daher lassen die Untersuchungen keine zuverlässigen Aussagen über die Interaktion von Aufsichtsratsvergütung mit der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu. Diese Ergebnisse reihen sich ein in die teils ausbleibenden und ansonsten uneinheitlichen Ergebnisse anderer Studien. Die Erörterung des empirischen Forschungsstandes hat gezeigt, dass es von der jeweiligen Zielsetzung abhängen könnte, in welchem Maße der Vorstand seine Bilanzpolitik gegen die korrigierenden Maßnahmen der Unternehmenskontrolle verteidigt.549 Daher kann es zusätzlichen Aufschluss bieten, in die Untersuchung solche Anreize einzubeziehen, die den Vorstand zur Durchführung von Bilanzpolitik veranlassen. Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob Vorstände deutscher Aktiengesellschaften durch den Einsatz von Bilanzpolitik ihre Vergütung erhöhen und welche Rolle der Aufsichtsrat und der Abschlussprüfer dabei spielen.
4.3 Einfluss der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers auf die Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrates 4.3.1 Formulierung der Hypothesen Die Vorstände deutscher Aktiengesellschaften erhalten in aller Regel eine kurzfristige variable Vergütung, deren Höhe an ein oder mehrere Erfolgsmaße des Unternehmens gebunden ist;550 in der überwiegenden Zahl der Fälle kommen dabei rechnungswesenbasierte Kennzahlen zum Einsatz.551 Dabei besteht die Gefahr, dass Vorstände mithilfe von Bilanzpolitik diese Kennzahlen beeinflussen und damit ihre Vergütung erhöhen.552 Dieses Verhalten wurde durch die US-amerikanische empirische Accounting-Forschung belegt.553 Es könnte also ebenso auf die Vorstände deutscher Aktiengesellschaften zutreffen. 549 550 551 552 553
Siehe oben Kapitel 3.3.4. Siehe oben Kapitel 2.1.3. Vgl. Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 55. Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3.2.1.1. Siehe oben Kapitel 3.3.2.
147
Wenn Vorstände eine variable Vergütung erhalten, die auf dem Jahresüberschuss basiert, folgt daraus, dass Bilanzpolitik, die den Jahresüberschuss verändert, ebenfalls einen Einfluss auf die variable Vergütung nimmt. Ein empirischer Nachweis dieses Zusammenhangs liefert also keinen Hinweis darauf, ob die Bilanzpolitik im Hinblick auf die Vergütung oder aus anderen Gründen eingesetzt wurde. Aufschluss darüber kann aber ein Vergleich der Auswirkung gewinnerhöhender Bilanzpolitik einerseits und gewinnmindernder Bilanzpolitik andererseits liefern. Denn sofern Vorstände ihre Entscheidung über die Ausübung von Bilanzpolitik ganz oder teilweise von der daraus folgenden Auswirkung auf ihre Vergütung abhängig machen, ist es für sie rational, gewinnerhöhende Bilanzpolitik in Situationen zu betreiben, in denen die Vergütung besonders stark darauf reagiert; gewinnmindernde Bilanzpolitik ist hingegen in jenen Situationen zu erwarten, in denen die Vergütung besonders schwach oder gar nicht darauf reagiert (big bath accounting).554 Die dritte Forschungshypothese lautet somit: Hypothese 3: Die kurzfristige variable Vergütung des Vorstands reagiert stärker auf gewinnerhöhende Bilanzpolitik als auf gewinnmindernde Bilanzpolitik. Abbildung 4.6 stellt diese Hypothese grafisch dar. Es wird deutlich, dass die Hypothese eine Aussage über den Unterschied, also die in der Abbildung grau hinterlegte Differenz, des Einflusses von Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung für unterschiedliche Wirkungsrichtungen der Bilanzpolitik trifft. Da die Hypothese eine Erwartung für das Vorzeichen dieser Differenz einschließt, kann sie mit einem einseitigen Hypothesentest überprüft werden.
Abbildung 4.6: Darstellung von Hypothese 3
554
148
Vgl. Balsam, Discretionary accounting choices, 1998, S. 240.
In Kapitel 4.2 konnte die Frage, ob die Vergütungsanreize des Vorstands einen Einfluss auf die Bilanzpolitik der Aktiengesellschaft haben, wegen der nicht separat beobachtbaren Anreize nicht empirisch untersucht werden. Hypothese 3 betrachtet den umgekehrten Fall, nämlich ob die Bilanzpolitik der Gesellschaft einen Einfluss auf die Vergütung des Vorstands hat. Anhand der getrennten Betrachtung ergebniserhöhender und ergebnismindernder Bilanzpolitik können auch auf diese Weise Rückschlüsse darüber gewonnen werden, ob der Vorstand Bilanzpolitik auf opportunistische Weise, nämlich zur Erhöhung seiner Vergütung einsetzt. Dies liefert zugleich – zumindest indirekt – Hinweise auf die in Kapitel Kapitel 4.2 unbeantwortet gebliebene Frage, ob Vergütungsanreize die Bilanzpolitik beeinflussen. Die Ergebnisse der Studien, die die oben dargelegte Hypothese für den USamerikanischen Raum untersucht haben, sind ggf. nicht auf Deutschland übertragbar, da die deutsche Aktiengesellschaft über einen gesetzlich vorgeschriebenen Aufsichtsrat verfügt, zu dessen Aufgaben u. a. die Prüfung der Rechnungslegung zählt. Mithin ist die unternehmensinterne Kontrolle in der deutschen Unternehmensverfassung durch ihre Institutionalisierung ausgeprägter als in der angelsächsischen Unternehmensverfassung – zumindest bezogen auf die Zeit vor dem Sarbanes-Oxley-Act und der dadurch erzielten Annäherung des monistischen an das dualistische System, aus der nahezu alle in Kapitel 3.3.2 genannten Studien stammen.555 Für den Aufsichtsrat kann aber der Anreiz bestehen, seiner Kontrollaufgabe nicht oder nur eingeschränkt nachzukommen und die Bilanzpolitik des Vorstands zu dulden; er agiert in diesem Fall nicht unabhängig.556 Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn der Aufsichtsrat ebenfalls eine variable Vergütung erhält, die auf Grundlage des Jahresüberschusses oder einer vergleichbaren rechnungswesenbasierten Kennzahl ermittelt wird. In diesem Fall wirkt sich nämlich die Bilanzpolitik der Gesellschaft auf die Vergütung des Aufsichtsrates aus. Es ist daher anzunehmen, dass Aufsichtsräte, die auf Grundlage buchhalterischer Erfolgsmaße vergütet werden und somit einen Anreiz zur Koalitionsbildung mit dem Vorstand haben, die Bilanzpolitik des Vorstands eher dulden als Aufsichtsräte, die keine solche Vergütung erhalten. Daraus ergibt sich also folgende Hypothese: Hypothese 4a : Die kurzfristige variable Vergütung des Vorstands reagiert stärker auf Bilanzpolitik, wenn der Aufsichtsrat auf Grundlage des Jahresüberschusses vergütet wird. 555 556
Vgl. folgend Schewe, Unternehmensverfassung, 2005, S. 70–75. Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3.2.1.2.
149
Abbildung 4.7: Darstellung von Hypothese 4a
Abbildung 4.7 stellt diese Hypothese grafisch dar. Erneut trifft die Hypothese eine Aussage über den Unterschied, d. h. über die in der Abbildung grau hinterlegte Differenz, des Einflusses von Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung, in diesem Fall jedoch für unterschiedliche Bemessungsgrundlagen der Aufsichtsratsvergütung. Wiederum besteht eine Erwartung bezüglich des Vorzeichens der Differenz, sodass die Hypothese mit einem einseitigen Hypothesentest untersucht werden kann. Handelt der Aufsichtsrat opportunistisch, um seine eigene Vergütung zu erhöhen, so besteht auch für ihn der bereits im Zusammenhang mit Hypothese 3 erläuterte Anreiz, gewinnerhöhende Bilanzpolitik vor allem dann zu dulden, wenn der Einfluss auf die eigene Vergütung besonders hoch ist, und gewinnmindernde Bilanzpolitik besonders dann zu akzeptieren, wenn der Einfluss auf die eigene Vergütung nicht besteht oder nur gering ist. Der in Hypothese 3 postuliere Unterschied gewinnerhöhender und gewinnmindernder Bilanzpolitik fällt in diesem Fall also stärker aus, als wenn der Aufsichtsrat keinen Anreiz zur opportunistischen Duldung von Bilanzpolitik hat. Daraus ergibt sich folgende Forschungshypothese: Hypothese 4b : Der zusätzliche positive Einfluss gewinnerhöhender Bilanzpolitik gegenüber gewinnmindernder Bilanzpolitik auf die kurzfristige variable Vorstandsvergütung fällt größer aus, wenn der Aufsichtsrat auf Grundlage des Jahresüberschusses vergütet wird. Diese Hypothese ist grafisch in Abbildung 4.8 verdeutlicht, die sich gleichsam aus dem Zusammenfügen der Abbildungen 4.6 und 4.8 ergibt. Während diese beiden Darstellungen die Unterscheidung nach der Wirkungsrichtung der Bilanzpolitik einerseits und nach der Bemessungsgrundlage der Aufsichtsratsvergütung andererseits getrennt betrachten, enthält Abbildung 4.8 eine gleichzeitige Betrachtung dieser Merkmale. Bei Betrachtung der Abbildungen 4.6–4.8 wird deutlich,
150
dass Hypothese 3 und Hypothese 4a jeweils eine Aussage über eine Differenz treffen, die sich aus der Variation eines Merkmals ergibt, während Hypothese 4b einen Vergleich der so erlangten Differenzen vornimmt. Es handelt sich dabei also um einen sog. difference in differences-Ansatz.557 Diese Differenz der Differenzen ist in der Abbildung grau hinterlegt. Erneut besteht eine Erwartung hinsichtlich der Richtung des postulierten Effekts, sodass die Hypothese mit einem einseitigen Hypothesentest überprüft werden kann.
Abbildung 4.8: Darstellung von Hypothese 4b
Die Unternehmenskontrolle durch den externen Abschlussprüfer könnte ebenfalls einen Einfluss auf den in Hypothese 3 postulierten Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und der kurzfristigen variablen Vergütung des Vorstands haben. Dem Abschlussprüfer kommt nämlich u. a. die Aufgabe zu, die Ergebnisse seiner Prüfung dem Aufsichtsrat zu berichten, damit dieser darauf seine eigene Prüfungstätigkeit aufbauen kann. So kommt es, dass die Rechtmäßigkeitsprüfung des Abschlussprüfers in die Zweckmäßigkeitsprüfung des Aufsichtsrates einfließt – und letztere hat u. a. zum Ziel, solche Bilanzpolitik zu verhindern, die der Vorstand zur Erhöhung seiner Vergütung betreibt. Schränkt der Abschlussprüfer jedoch seine Kontrolltätigkeit oder Berichterstattung ein, da er nicht unabhängig agiert, besteht die Gefahr, dass der Aufsichtsrat mangels entsprechender Hinweise des Prüfers die Bilanzpolitik des Vorstandes nicht aufzuspüren vermag. Als Resultat gelingt es dem Vorstand, seine Vergütung zu erhöhen. 557
Vgl. zu dieser Methodik ausführlich Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 451– 454.
151
Der Abschlussprüfer kann in eine Abhängigkeit vom Vorstand geraten, wenn er neben seiner Abschlussprüfung andere Dienstleistungen für das Unternehmen erbringt und dafür Honorare erhält. Ein Druckmittel des Vorstands zur Einflussnahme auf die Berichterstattung des Abschlussprüfers besteht nämlich darin, zukünftig keine weiteren Aufträge für Nichtprüfungsleistungen mehr zu erteilen.558 Daher ist anzunehmen, dass ein auf diese Weise abhängig gewordener Abschlussprüfer der Bilanzpolitik des Vorstands duldsamer entgegnet und daher die Bilanzpolitik einen größeren Einfluss auf die Vorstandsvergütung hat. Aus dieser Überlegung ergibt sich die folgende Forschungshypothese: Hypothese 5a : Die kurzfristige variable Vergütung des Vorstands reagiert stärker auf Bilanzpolitik, wenn der Abschlussprüfer hohe Honorare für Nichtprüfungsleistungen erhält. Abbildung 4.9 verdeutlicht diese Hypothese grafisch. Wie bereits Hypothese 4a trifft die Hypothese eine Aussage über den Unterschied der Auswirkung von Bilanzpolitik auf die variable Vorstandsvergütung, in diesem Falle jedoch wird diese in der Abbildung grau hinterlegte Differenz durch die unterschiedliche Höhe der Nichtprüfungshonorare des Abschlussprüfers hervorgerufen. Da wieder eine Erwartung hinsichtlich des Vorzeichens der Differenz besteht, kann ein einseitiger Hypothesentest angewendet werden.
Abbildung 4.9: Darstellung von Hypothese 5a
Es erscheint plausibel, dass der Vorstand die Drohung, dem Abschlussprüfer die Beratungsmandate und damit die Grundlage für den Bezug der Nichtprüfungshonorare zu entziehen, nur in seltenen Fällen einsetzt, da sie bei wiederholter Äußerung 558
152
Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3.2.1.2 und 3.2.2.
an Glaubwürdigkeit verliert. Ferner ist plausibel, dass der Vorstand seine Bilanzpolitik gegenüber der Kritik des Abschlussprüfers gerade dann mit Nachdruck verteidigt, wenn er sich den größten persönlichen Nutzenzuwachs davon verspricht. Dies könnte in jenen Fällen erfüllt sein, in denen die Vergütung des Vorstands tangiert ist. Wie bereits bei der Herleitung von Hypothese 3 deutlich geworden ist, spiegelt sich solch ein selektiver Einsatz – bzw. im Falle des Abschlussprüfers: eine selektive Duldung – der Bilanzpolitik in einem unterschiedlichen Einfluss der Bilanzpolitik auf die Vergütung in Abhängigkeit ihrer Wirkungsrichtung wider. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die folgende Forschungshypothese: Hypothese 5b : Der zusätzliche positive Einfluss gewinnerhöhender Bilanzpolitik gegenüber gewinnmindernder Bilanzpolitik auf die kurzfristige variable Vorstandsvergütung fällt größer aus, wenn der Abschlussprüfer hohe Honorare für Nichtprüfungsleistungen erhält. Diese Hypothese führt, wie aus Abbildung 4.10 hervorgeht, erneut zu einem difference in differences-Ansatz, da sie eine Aussage über eine Veränderung der in Hypothese 3 untersuchten Differenz für verschieden hohe Nichtprüfungshonorare trifft. Für diese in dem grau hinterlegten Feld dargestellte Veränderung der Differenz besteht eine Erwartung hinsichtlich ihres Vorzeichens, weswegen ein einseitiger Hypothesentest angewendet werden kann.
Abbildung 4.10: Darstellung von Hypothese 5b
Neben der Bemessungsgrundlage der Aufsichtsratsvergütung und den Nichtprüfungshonoraren des Abschlussprüfers sind weitere Einflüsse auf die Ausübung
153
von Bilanzpolitik oder die Vergütung des Vorstands denkbar559 bzw. empirisch nachgewiesen560 . So besteht etwa für Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrates, wenn sie über eine große Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens verfügen, ggf. ein geringerer Anreiz zu einer kurzfristigen Maximierung der Vergütung, wenn diese sich zum Schaden der Gesellschaft auswirkt und damit den Wert der Kapitalbeteiligung mindern könnte.561 Daher ist es sinnvoll, den Anteilsbesitz von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Untersuchung als Kontrollvariable zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist es denkbar, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft gewinnerhöhende Bilanzpolitik betreibt, um die Ertragsziele der Gesellschaft zu realisieren, und infolge dessen auch die variable Vorstandsvergütung steigt. In diesem Fall kann nicht differenziert werden, ob die Bilanzpolitik dem Erreichen des Ertragsziels oder der Steigerung der Vergütung dienen sollte. Aus diesem Grund erscheint es ratsam, mögliche Ertragsziele der untersuchten Aktiengesellschaften als Kontrollvariable zu berücksichtigen. Schließlich ist zu beachten, dass die kurzfristige variable Vorstandsvergütung wie bereits geschildert562 neben dem buchhalterischen Erfolg auch auf der Grundlage weiterer, ggf. nicht buchhalterischer Aspekte festgelegt wird. Dazu zählen etwa Prämien für den erfolgreichen Abschluss von außerordentlichen Transaktionen (etwa ein Unternehmenskauf) oder für das Erreichen vorher festgesetzter Zielgrößen (etwa eine Steigerung der Umsatzerlöse um einen vorher vereinbarten Anteil). Sofern diese Aspekte sich auf den Jahresüberschuss des Unternehmens auswirken (wie etwa im Beispiel der Umsatzerlöse anzunehmen ist), ergibt sich ohnehin eine Veränderung der Vorstandsvergütung. Existieren jedoch Vergütungskomponenten, die keinen buchhalterischen Anknüpfungspunkt haben oder die sich nicht linear nach dem Jahresüberschuss richten,563 so wäre es wünschenswert, diese Komponenten als zusätzliche Kontrollvariablen in der Untersuchung zu berücksichtigen. Dies erfordert jedoch genaue Kenntnis der Zusammensetzung der kurzfristigen variablen Vorstandsvergütung, die aus den Vergütungsberichten der im Untersuchungssample enthaltenen Aktiengesellschaften nicht gewonnen werden kann. Dies ist aber aus ökonometrischer Sicht nur dann problematisch, wenn die Zahlung der unbeobachteten Vergütungskomponenten mit den untersuchten Variablen in 559 560 561 562 563
154
Siehe oben Kapitel 3.2.1.3. Siehe oben Kapitel 3.3.2. Siehe oben Kapitel 4.2.1. Siehe oben Kapitel 2.1.3. Etwa eine Prämie, die in Abhängigkeit der Zielerreichung vollständig oder gar nicht gezahlt wird.
einem Zusammenhang stehen sollte.564 Es ist indes davon auszugehen, dass solche Zahlungen im Regelfall an das Erreichen tatsächlicher, nicht durch Bilanzpolitik veränderbarer, Ziele gebunden sind und somit der Aufsichtsrat und der Abschlussprüfer im Rahmen ihrer Prüfung der Rechnungslegung keinerlei Auswirkung auf diese Vergütungskomponenten nehmen können. Abbildung 4.11 illustriert zusammenfassend die in den Hypothesen 3–5b erörterten Größen sowie die zusätzlichen Kontrollvariablen.
Abbildung 4.11: Libby-Box zu den Hypothesen 3 − 5b (Quelle: In Anlehnung an Libby, Accounting and human information processing, 1981.)
4.3.2 Grundmodell Die Vergütungsvereinbarungen der Vorstände deutscher Aktiengesellschaften sehen in der Regel eine variable Vergütungskomponente vor, deren Höhe von mehreren vorher festgelegten Parametern und der jeweiligen Zielerreichung abhängt. Obwohl die untersuchten Unternehmen in ihren Geschäftsberichten grundsätzlich Auskunft über das Vergütungssystem für Vorstände geben, werden die genaue Berechnung der Bonuszahlungen und im Besonderen die zur Anwendung kommenden 564
Vgl. von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 250 f.
155
Einflussfaktoren nicht vollständig offengelegt. Daher ist es eine empirische Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem Jahresüberschuss des Unternehmens und der Bonuszahlung an seinen Vorstand besteht. Dieser Zusammenhang ist Voraussetzung für die im Folgenden zu untersuchende Manipulierbarkeit der Bonuszahlung des Vorstands durch bilanzpolitische Maßnahmen.565 Das Regressionsmodell (4.16) überprüft diesen Zusammenhang und stellt dazu die Bonuszahlungen an den Vorstand der Aktiengesellschaft i in der Periode t als eine Funktion des Jahresüberschusses NI dar: BONUSi,t NIi,t = α + β1 + Branchei,t + εi,t (4.16) At At Um Größeneffekte auszuschließen, werden die Variablen BONUSi,t und NIi,t mit der Bilanzsumme zu Beginn des Wirtschaftsjahres (Ai,t ) skaliert. Um etwaige Branchenunterschiede zu berücksichtigen, enthält die Regressionsgleichung (4.16) den Vektor Branchei,t , der das Skalarprodukt aus neun Dummyvariablen für die Branchenzugehörigkeit des jeweiligen Firmenjahres mit dem zugehörigen Regressionskoeffizienten darstellt. Die Branchenzugehörigkeit wird dabei durch die erste Ziffer des in Compustat hinterlegten NAICS-Codes gemessen. Die abhängige Variable BONUSi,t ist rechtsschief (siehe Abbildung 4.1). Dies ist typisch für die Verteilung von Variablen, die die Höhe von Vergütungszahlungen messen.566 Da eine schiefe Verteilung der abhängigen Variablen für die Durchführung parametrischer Testverfahren nachteilig sein kann,567 ist es in der Literatur üblich, die abhängige Variable mithilfe des natürlichen Logarithmus in eine symmetrische Verteilung zu transformieren.568 Solch eine Transformation kann nicht aus rein ökonometrischen Überlegungen ohne Rücksichtnahme auf die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Zusammenhänge durchgeführt werden. So ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Regressionsanalyse einen linearen Zusammenhang zwischen der abhängigen und den unabhängigen Variablen voraussetzt.569 Die Verwendung von ln(BONUSi,t ) als abhängige Variable würde somit implizieren, dass die untersuchten Aktien565 566 567 568
569
156
Pellens/Crasselt/Sellhorn, Corporate Governance und Rechnungslegung, 2009, S. 102. Vgl. lediglich Conyon, Executive compensation and incentives, 2006, S. 31. Vgl. ausführlich Kerlinger/Lee, Foundations of behavioral research, 2000, S. 414–418. Vgl. etwa Finkelstein/Boyd, The role of managerial discretion in the setting of CEO compensation, 1998, S. 188; Conyon/Schwalbach, Executive compensation: Evidence from the UK and Germany, 2000, S. 516; Chhaochharia/Grinstein, CEO compensation and board structure, 2009, S. 243. Vgl. von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 22.
gesellschaften ihre Vorstände auf Grundlage folgender Berechnungsfunktion für die Bonuszahlung vergüten: BONUSi,t = ϕ ⋅ exp(NIi,t ) + x, wobei ϕ ein beliebiger Faktor und x der Vektor aller weiteren Einflussgrößen auf die Vorstandsvergütung sind. Es ist ungewiss, welche genaue funktionale Form die Bonuszahlung an die Vorstandsmitglieder im Einzelfall annimmt. Jedoch erscheint es vollkommen unplausibel, von der soeben geschilderten Funktion auszugehen, da diese mit steigendem Jahresüberschuss eine exponentiell steigende Vergütung beschreibt. Vielmehr kann angenommen werden, dass die variable Vergütung innerhalb gewisser Grenzen in einem linearen Zusammenhang mit einem buchhalterischen Erfolgsmaß steht.570 Daher wird in der vorliegenden Untersuchung auf die Logarithmierung der Variable BONUSi,t verzichtet. Tabelle 4.15 zeigt die Ergebnisse der Schätzung von Modell (4.16).571 Der Einfluss des Jahresüberschusses auf die Bonuszahlungen ist signifikant positiv mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 %. Der Koeffizient β1 nimmt den Wert 0,0052 an. Dieser Wert erscheint zunächst niedrig. Es ist aber zu bedenken, dass β1 die Elastizität der variablen Vergütung bezüglich einer Veränderung des Jahresüberschusses ausdrückt und somit gedanklich als der Vergütungssystem vereinbarte Prozentsatz des Jahresüberschusses angesehen werden kann, der dem Vorstand als Bonus gewährt wird. Dies bedeutet für die vorliegende Datenlage, dass die variable Vergütung des Managements durchschnittlich für zusätzliche C 1 Mio. Jahresüberschuss um C 5 200 steigt. Es ist ferner zu beachten, dass in die Regression auch Beobachtungen mit einem negativem Jahresüberschuss einfließen. Enthalten die Vergütungsverträge des Vorstands keine Malus-Regelung oder beziehen die Vorstände in diesen Fällen sogar eine positive variable Vergütung aufgrund zusätzlicher, ggf. nicht rechnungswesenbasierter Bemessungsgrundlagen, ist davon auszugehen, dass die Korrelation zwischen Jahresüberschuss und variabler Bonuszahlung null oder negativ ist und als Streuung den Wert des Regressionskoeffizienten β1 negativ verzerrt. Wiederholt man die Schätzung von Modell (4.16) für solche Beobachtungen, für die NIi,t > 0, so ergibt sich ein annähernd dreimal so hoher Koeffizient β1 ; zudem fällt die statistische Signifikanz für diesen Koeffizienten mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 1 % deutlich 570 571
Vgl. so auch Healy, The effect of bonus schemes, 1985, S. 87 f. Nicht in der Tabelle 4.15 aufgeführt sind die Koeffizienten der Branchen-Dummies, da diese ausschließlich als Kontrollvariablen dienen und daher für die Überprüfung der Hypothesen nebensächlich sind. Es sei aber erwähnt, dass die Mehrzahl der Koeffizienten statistisch signifikant ungleich 0 ist. Die Irrtumswahrscheinlichkeit beträgt dabei 1 %. Es bestehen also Branchenunterschiede hinsichtlich der Höhe der variablen Vergütung des Vorstands.
157
größer aus. Demzufolge steigt die variable Vorstandsvergütung für zusätzliche C 1 Mio. Jahresüberschuss um C 14 700. Es stellt sich die Frage, ob eine Sensitivität der variablen Vergütung bezüglich des Jahresüberschusses in dieser Höhe einen ökonomisch relevanten Anreiz für den Vorstand darstellt. Diese Frage erhält besonderes Gewicht durch den Umstand, dass Vorstandsmitglieder in aller Regel ohnehin über ein hohes Einkommen verfügen und sich daher der Grenznutzen zusätzlicher Verdienstmöglichkeiten in einem niedrigen Bereich bewegt.572 Wie oben erörtert weisen empirische Studien zwar darauf hin, dass auch das Verhalten von Personen mit hohem Einkommen durch betragsmäßig geringe finanzielle Anreize beeinflusst werden kann.573 Die Gleichung (4.16) kann jedoch keinen empirischen Aufschluss darüber geben, ob von der festgestellten Elastizität der Vergütung bezüglich des Jahresüberschusses tatsächlich eine verhaltenssteuernde Wirkung ausgeht. Das niedrige Bestimmtheitsmaß von 15,1 % bzw. 27,0 % deutet darauf hin, dass das Modell (4.16) nicht vollständig spezifiziert ist, d. h., dass es weitere Einflüsse auf die Bonuszahlungen gibt, die nicht vom Modell berücksichtigt werden. Dies verwundert nicht, da in die Vorstandsvergütung regelmäßig individuell vereinbarte Bemessungsgrundlagen einfließen, die sich der Beobachtung durch Außenstehende entziehen.574 Die Spezifikation des Modells lässt sich statistisch anhand des sog. RESET-Tests nach Ramsey überprüfen.575 Für die Schätzung des Modells (4.16) mit allen Beobachtungen beträgt die F-Statistik des RESET-Tests 14,12, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer unvollständigen Spezifikation ausgegangen werden kann. Testet man jedoch die Schätzung des Modells (4.16) für alle Beobachtungen mit NIi,t > 0, so ergibt sich eine F-Statistik von 0,39; das Modell ist in diesem Fall als ausreichend spezifiziert anzusehen. Als Zwischenergebnis lässt sich also festhalten, dass der durch das Regressionsmodell (4.16) beschriebene lineare Zusammenhang zwischen der Bonuszahlung 572
573 574
575
158
Diese Sichtweise unterstellt einen abnehmenden Grenznutzen des Einkommens, welcher aus dem sog. Ersten Gossenschen Gesetz folgt. Vgl. dazu Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs, 1854, S. 4 f. Siehe oben, Kap. 4.2.1. Für das Modell (4.16) wurden zusätzliche Kontrollvariablen getestet, die als Indikatoren für eine erfolgreiche Vorstandsarbeit angesehen werden können und daher ggf. Einfluss auf die Vorstandsvergütung nehmen. Jedoch ergibt die Aktienrendite sowie die Veränderung der Umsatzerlöse, der Bilanzsumme und der Mitarbeiterzahl keinen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable sowie keine nennenswerte Steigerung des Bestimmtheitsmaßes. Daher wurde auf eine Berücksichtigung dieser Kontrollvariablen verzichtet. Vgl. dazu ausführlich Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 303–305.
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Modell (4.16)
Modell (4.16)#
Konstante
0,0022∗∗∗ (4,70)
0,0010∗∗ (2,11)
NI
0,0052∗ (1,96)
0,0147∗∗∗ (5,70)
Modell (4.17)
Modell (4.17)#
0,0022∗∗∗ (4,56)
0,0010∗∗ (1,97)
CFO
0,0051∗ (1,86)
0,0147∗∗∗ (5,58)
TAC
0,0055∗∗ (2,18)
0,0144∗∗∗ (5,69)
R2
0,1514
0,2698
0,1511
0,2697
n
271
245
271
245
Nur für Beobachtungen mit NIi,t ∈ R+ . , , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben. #
∗ ∗∗ ∗∗∗
Tabelle 4.15: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regressionen (4.16) und (4.17)
an den Vorstand und dem Jahresüberschuss des Unternehmens für Firmenjahre mit positivem Jahresüberschuss gilt. Für die übrigen Beobachtungen kann das Modell nicht als zuverlässige Erklärung für die Höhe der Bonuszahlung herangezogen werden. Es bietet sich daher an, bei den folgenden Untersuchungen die Beobachtungen mit NIi,t ≤ 0 auszuschließen. Andererseits ist es im Sinne einer kritischen Überprüfung der Hypothesen ebenso berechtigt, diese Beobachtungen beizubehalten, da sie tendenziell den Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und buchmäßigen Erfolgsmaßen verwässern und somit die Bestätigung der Hypothesen erschweren. Die folgenden Regressionsmodelle werden daher sowohl für alle Beobachtungen (NIi,t ∈ R) als auch für die Teilmenge der Beobachtungen mit NIi,t > 0 (NIi,t ∈ R+ ) geschätzt. Um genauere Erkenntnisse über die Einflüsse auf die Bonuszahlungen zu gewinnen, bietet es sich an, den Jahresüberschuss in einzelne Bestandteile aufzuteilen. So setzt sich der Jahresüberschuss zusammen aus dem operativen Cashflow CFOi,t und den Periodenabgrenzungen TACi,t . Buchmäßige wie auch reale Bilanzpolitik wirkt sich vornehmlich auf die Periodenabgrenzungen aus; der Cashflow wird allenfalls in geringem Maße beeinflusst. Um den Einfluss der Bilanzpolitik zu
159
ermitteln, ist es somit erforderlich, zwischen Cashflows und Periodenabgrenzungen zu unterscheiden. Setzt man die Beziehung NIi,t = CFOi,t + TACi,t in Gleichung (4.16) ein, erhält man ein Regressionsmodell, anhand dessen sich der Einfluss der operativen Cashflows in Form des Koeffizienten β1 und der Einfluss der Periodenabgrenzungen in Form des Koeffizienten β2 gesondert abschätzen lassen: CFOi,t TACi,t BONUSi,t = α + β1 + β2 + Branchei,t + εi,t (4.17) At At At Die Ergebnisse der Schätzung des Regressionsmodells (4.17) sind ebenfalls in Tabelle 4.15 zusammengefasst. Die Koeffizienten für CFOi,t und TACi,t sind beide signifikant positiv, wobei die Irrtumswahrscheinlichkeit bei der Betrachtung der Beobachtungen mit NIi,t > 0 weniger als 1 % beträgt. Die Werte der Koeffzienten β1 und β2 legen den Schluss nahe, dass die untersuchten Vergütungsmodelle keine Unterscheidung zwischen Cashflow und Periodenabgrenzung treffen. Entsprechend kann H0 : β1 = β2 auch nicht mit Hilfe des Wald-Tests576 verworfen werden (p =0,6311 für alle Beobachtungen bzw. p =0,7378 für NIi,t > 0). Die Ergebniskomponenten scheinen also gleichermaßen in die Berechnung der Bonuszahlungen einzufließen. Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass Periodenabgrenzungen die Bonuszahlungen an den Vorstand beeinflussen. Um die Rolle der Bilanzpolitik zu ergründen, muss bei den Periodenabgrenzungen jedoch unterschieden werden zwischen dem nicht-diskretionären Teil, der sich aus der regelkonformen Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften ergibt, und dem diskretionären Teil, der als Bilanzpolitik anzusehen ist. Mittels der in Kapitel 4.1.3.2.1 diskutierten Jones-Modelle lassen sich die Periodenabgrenzungen TACi,t unterteilen in nicht-diskretionäre Periodenabgrenzungen NDAi,t und diskretionäre Periodenabgrenzungen DAi,t : TACi,t = NDAi,t + DAi,t .577 Fügt man diese Beziehung in die Regressionsgleichung (4.17) ein, lässt sich die Auswirkung des nicht-diskretionären Teils und des diskretionären Teils der Periodenabgrenzung anhand der Koeffizienten β2 und β3 separat ermitteln: BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t = α + β1 + β2 + β3 + Branchei,t + εi,t At At At At 576 577
160
(4.18)
Vgl. dazu Griffiths/Hill/Judge, Econometrics, 1993, S. 454. Die in Kapitel 4.1.3.3.1 diskutierten AWCA eignen sich methodisch für die folgenden Untersuchungen nicht, da für xi,t = TACi,t − AWCAi,t nicht gefolgert werden kann, dass es sich um nicht-diskretionäre Periodenabgrenzungen handelt.
Die Schätzung des Regressionsmodells (4.18) wird für alle zur Anwendung kommenden Jones-Modelle durchgeführt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.16 zusammengefasst. Dabei enthält Panel A die Ergebnisse für die Betrachtung aller Beobachtungen; Panel B zeigt die Ergebnisse für Beobachtungen mit positivem Jahresüberschuss. Es zeigt sich, dass die Koeffizienten β1 , β2 und β3 in allen Jones-Modellen innerhalb eines Panels nahezu gleich groß sind. Lediglich für das Performance-Modell in Panel B zeigt der Wald-Test an, dass der Koeffizient β2 signifikant von β1 und β3 verschieden ist (p = 0,0914). Insgesamt ist aber zu folgern, dass die betrachteten Vergütungsvereinbarungen keine wirksame Unterscheidung zwischen den verschiedenen Ergebniskomponenten treffen. Bei der statistischen Signifikanz der Koeffizienten in Panel A werden Unterschiede zwischen den vier Jones-Modellen deutlich. Während β2 nach dem ursprünglichen Jones-Modell, dem modifizierten Jones-Modell und dem Performance-Modell signifikant positiv mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % ist, ergibt das Cashflow-Modell keine statistische Signifikanz. Der Koeffizient β3 ist hingegen bei allen Modellen signifikant positiv mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % bzw. 10 % für das Performance-Modell. Die fehlende Signifikanz von β2 bei der Verwendung des Cashflow-Modells kann ökonomisch nicht begründet werden, da Vergütungsvereinbarungen nicht zwischen diskretionären und nichtdiskretionären Periodenabgrenzungen unterscheiden können. Es liegt nämlich in der Natur der Bilanzpolitik, dass sie nicht beobachtbar ist. Daher ist anzunehmen, dass das Cashflow-Modell in diesem Punkt schlicht darin versagt, den tatsächlich bestehenden Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen aufzuzeigen. Diese These wird durch die Ergebnisse in Panel B gestützt, denn bei dieser Betrachtung ergeben sich für β1 , β2 und β3 signifikant positive Werte mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 1 %, unabhängig von der Wahl des Modells. Der positive Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und diskretionären Periodenabgrenzungen kann als statistisch gesichert angesehen werden. Dies bedeutet, dass Bilanzpolitik einen Einfluss auf die Vorstandsvergütung hat; daraus kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass die Bilanzpolitik zu dem Zweck betrieben wird, die Boni zu erhöhen. Es ist ebenso gut denkbar, dass der Vorstand aus völlig anderen Gründen Bilanzpolitik betreibt und damit quasi en passant seine Vergütung beeinflusst. Damit liefern die Ergebnisse aus der Schätzung von Regressionsmodell (4.18) noch keinen Beleg für die Hypothese 3. Um Erkenntnisse über den Zweck der Bilanzpolitik zu gewinnen, ist es sinnvoll, die Wirkungsrichtung, d. h. das Vorzeichen der diskretionären Periodenabgren-
161
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
0,0022∗∗∗ (4,63)
0,0022∗∗∗ (4,63)
0,0021∗∗∗ (4,57)
0,0066∗∗∗ (2,69)
CFO
0,0050∗ (1,89)
0,0050∗ (1,91)
0,0049∗ (1,77)
0,0045 (1,60)
NDA
0,0058∗∗ (2,31)
0,0056∗∗ (2,30)
0,0047 (1,05)
0,0045∗∗ (2,02)
DA
0,0054∗∗ (2,17)
0,0054∗∗ (2,24)
0,0059∗∗ (2,40)
0,0049∗ (1,92)
R2
0,1327
0,1329
0,1302
0,1420
n
271
271
271
271
Panel A: NIi,t ∈ R Konstante
Panel B: NIi,t ∈ R+ Konstante
0,0011∗∗ (2,16)
0,0012∗∗ (2,23)
0,0013∗∗ (2,21)
0,0054∗∗ (2,47)
CFO
0,0139∗∗∗ (5,24)
0,0134∗∗∗ (4,91)
0,0146∗∗∗ (5,85)
0,0145∗∗∗ (5,42)
NDA
0,0137∗∗∗ (5,28)
0,0133∗∗∗ (5,05)
0,0163∗∗∗ (4,52)
0,0550∗∗∗ (2,79)
DA
0,0137∗∗∗ (5,46)
0,0132∗∗∗ (5,01)
0,0143∗∗∗ (5,35)
0,0138∗∗∗ (5,61)
R2
0,2623
0,2570
0,2662
0,2850
n
245
245
245
245
∗ , ∗∗ , ∗∗∗
Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.16: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.18)
162
zungen zu betrachten. Bei einem positiven Koeffizienten β3 stellt sich nämlich die Frage, warum Vorstände überhaupt gewinnmindernde diskretionäre Periodenabgrenzungen anwenden und damit ihre Vergütung schmälern.578 Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Vorstände vor allem dann zu gewinnmindernder Bilanzpolitik greifen, wenn unter den gegebenen Umständen die Bonuszahlungen wenig oder gar nicht durch die Gewinnminderung beeinflusst werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Auszahlung eines Bonus das Erreichen eines Gewinnziels voraussetzt und dieses Gewinnziel im betrachteten Geschäftsjahr auch durch Bilanzpolitik nicht erreicht werden kann. In diesem Szenario besteht für den Vorstand der Anreiz zu gewinnmindernder Bilanzpolitik, da so der Erwartungswert zukünftiger Bonuszahlungen vergrößert wird (big bath accounting).579 Sollte diese Erklärung zutreffen, müsste der Koeffizient β3 wie in Hypothese 3 angenommen besonders von den Beobachtungen {i,t} beeinflusst sein, für die der Wert von DAi,t positiv ist. Um dies zu untersuchen, wird Gleichung (4.18) um einen Interaktionsterm PosDAi,t × DAi,t × A−1 i,t ergänzt. PosDAi,t ist dabei eine Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, wenn DAi,t positiv ist; ansonsten gilt PosDAi,t = 0. Die Regressionskoeffizienten des Modells (4.19) sind daher wie folgt zu interpretieren: β3n misst den Einfluss der negativen diskretionären Periodenabgrenzungen auf die Höhe der Bonuszahlungen. Der Einfluss der positiven diskretionären Periodenabgrenzungen schlägt sich in der Summe der Koeffizienten β3n und β3p nieder. Der Koeffizient β3p bemisst also den inkrementellen Einfluss positiver diskretionärer Periodenabgrenzungen. Wird die Höhe der Bonuszahlungen wie angenommen hauptsächlich von positiven diskretionären Bonuszahlungen bestimmt, ergibt sich somit ein positives Vorzeichen für diesen Koeffizienten. Zur grafischen Darstellung dieser Zusammenhänge wird in Abbildung 4.12 die im Rahmen der Hypothesenentwicklung erörterte Abbildung 4.6 um die Koeffizienten der Gleichung (4.19) ergänzt. BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t = α + β1 + β2 + β3n At At At At DAi,t + β3p PosDAi,t + Branchei,t + εi,t At 578 579
(4.19)
Vgl. Balsam, Discretionary accounting choices, 1998, S. 240. Vgl. Healy, The effect of bonus schemes, 1985, S. 90.
163
Abbildung 4.12: Darstellung zu Gleichung (4.19)
Die Ergebnisse der Schätzung des Regressionsmodells (4.19) sind in Tabelle 4.17 zusammengefasst. Wie bei Modell (4.18) ergibt sich in Panel A für das ursprüngliche Jones-Modell, das modifizierte Jones-Modell und das Perfomance-Modell ein signifikant positiver Einfluss der nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %. Das Cashflow-Modell kann diesen Einfluss erneut nicht nachweisen; diese qualitative Übereinstimmung mit den vorherigen Ergebnissen hinsichtlich der nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen ist freilich darin begründet, dass die Unterschiede zwischen den Modellen (4.18) und (4.19) einzig die Behandlung der diskretionären Periodenabgrenzungen betreffen. Der Koeffizient β3n ist nach allen vier Jones-Modellen signifikant positiv. Wie zuvor ergeben das ursprüngliche Jones-Modell und das modifizierte Jones-Modell eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %. Nach dem Cashflow-Modell beträgt die Irrtumswahrscheinlichkeit nun 1 %. Das Performance-Modell führt nur noch zu einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 %. Es ist zu beachten, dass der Koeffizient β3n im Modell (4.19) lediglich die negativen diskretionären Periodenabgrenzungen betrifft. Der bereits durch Modell (4.18) bestätigte Zusammenhang zwischen Bonuszahlung und Bilanzpolitik gilt also auch für gewinnmindernde Bilanzpolitik. Die Ergebnisse aus Panel B bestätigen diese Schlussfolgerung. Der Koeffizient β3p ist in Panel A nach allen vier Jones-Modellen nicht signifikant unterschiedlich von 0, d. h., die positiven diskretionären Periodenabgrenzungen haben gegenüber den negativen diskretionären Periodenabgrenzungen keinen inkrementellen Einfluss auf die Bonuszahlungen. In Panel B ergibt sich nur nach dem Performance-Modell ein signifikanter Koeffizient; dieser ist jedoch negativ und entspricht in seinem Vorzeichen daher nicht der Erwartung von Hypothese 3. Es kann also insgesamt nicht gefolgert werden, dass Vorstände Bilanzpolitik gezielt zur Beeinflussung ihrer Bonuszahlungen einsetzen, d. h. Hypothese 3 kann nicht angenommen werden. Somit werden die Ergebnisse der Studien von Balsam580
580
164
Vgl. Balsam, Discretionary accounting choices, 1998, S. 241.
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
0,0024∗∗∗ (4,68)
0,0023∗∗∗ (4,62)
0,0023∗∗∗ (4,41)
0,0067∗∗∗ (2,74)
CFO
0,0050∗ (1,90)
0,0049∗ (1,89)
0,0050∗ (1,78)
0,0046 (1,60)
NDA
0,0058∗∗ (2,29)
0,0056∗∗ (2,26)
0,0048 (1,06)
0,0045∗∗ (2,02)
0,0063∗∗ (2,41) −0,0022 −(1,51)
0,0056∗∗ (2,35) −0,0006 −(1,03)
R2
0,1368
0,1342
0,1323
0,1434
n
271
271
271
271
Panel A: NIi,t ∈ R Konstante
DA PosDA × DA
Panel B: NIi,t ∈ R+ Konstante
0,0081∗∗∗ (2,61) −0,0034 −(1,16)
0,0063∗ (1,75) −0,0024 −(0,82)
0,0013∗∗ (2,36)
0,0012∗∗ (2,29)
0,0014∗∗ (2,36)
0,0056∗∗ (2,55)
CFO
0,0140∗∗∗ (5,26)
0,0134∗∗∗ (4,82)
0,0148∗∗∗ (5,95)
0,0152∗∗∗ (5,59)
NDA
0,0138∗∗∗ (5,44)
0,0133∗∗∗ (4,97)
0,0164∗∗∗ (4,61)
0,0560∗∗∗ (2,82)
0,0151∗∗∗ (5,46) −0,0030 −(1,48)
0,0134∗∗∗ (4,91) −0,0007 −(0,78)
0,0179∗∗∗ (5,17) −0,0052 −(1,37)
0,0185∗∗∗ (5,33) −0,0069∗∗ −(2,46)
DA PosDA × DA R2
0,2701
0,2586
0,2710
0,2969
n
245
245
245
245
∗ ∗∗ ∗∗∗
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.17: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.19)
165
und Shuto581 für das vorliegende Sample deutscher Aktiengesellschaften nicht bestätigt. Dies kann grundsätzlich zwei Gründe haben: Zum einen ist es denkbar, dass der inkrementelle Einfluss der positiven diskretionären Periodenabgrenzungen tatsächlich besteht, der angewandte Test jedoch nicht in der Lage ist ihn nachzuweisen. So könnte das vergleichsweise kleine Untersuchungssample die Power des Tests einschränken.582 Zum anderen ist es aber ebenso gut denkbar, dass der Einfluss tatsächlich nicht besteht oder wesentlich geringer ausfällt als in dem Umfeld, in dem die genannten Untersuchungen von Balsam und Shuto durchgeführt wurden. Dafür spricht, dass das Vorzeichen von β3p in beiden Panels und nach allen vier Modellen negativ ist. Die gewinnerhöhende Bilanzpolitik hat somit tendenziell sogar einen geringeren Einfluss auf die Vorstandsvergütung als andere Ergebniskomponenten. Die Studie von Balsam betrachtet monistisch verfasste US-amerikanische Unternehmen.583 Zudem stammen die ihr zugrunde liegenden Daten aus der Zeit vor dem Sarbanes-Oxley-Act, in der noch keine hohen Unabhängigkeitsanforderungen für die Mitglieder des audit committee bestanden. Die Untersuchung von Shuto betrachtet japanische Unternehmen. Zwar fußt das japanische Modell der Unternehmensverfassung auf dem deutschen Handels- und Gesellschaftsrecht,584 jedoch haben gesellschaftsrechtliche Reformen das System in den letzten Jahrzehnten immer weiter dem angelsächsischen monistischen Modell angenähert.585 Somit ist fraglich, ob die Ergebnisse dieser Studien auf deutsche Aktiengesellschaften mit dualistischer Unternehmensverfassung übertragen werden können. Die empirische Forschung hat nämlich gezeigt, dass unabhängige Überwachungsinstanzen grundsätzlich zur Einschränkung von Bilanzpolitik beitragen.586 Bedenkt man vor dem Hintergrund dieses Befunds, dass in der deutschen Aktiengesellschaft mit dem Aufsichtsrat eine Überwachungsinstanz institutionell verankert ist, so 581 582 583 584 585 586
166
Vgl. Shuto, Executive compensation and earnings management, 2007, S. 13. Die Untersuchung von Shuto umfasst beispielsweise 16 368 Beobachtungen. Vgl. ebd., 2007, S. 10. Vgl. Bleicher/Leberl/Paul, Führung und Überwachung von Aktiengesellschaften im internationalen Vergleich, 1989, S. 123 ff. Vgl. Gerum, Unternehmensführung im internationalen Vergleich, 1998, S. 44. Vgl. etwa Takahashi/Kirchwehm, Development of corporate governance in Japan, 2006, S. 163; Basu et al., Corporate governance in Japan, 2007, S. 59 f. Vgl. etwa Klein, Audit committee, board of director characteristics, and earnings management, 2002, S. 375; Xie/Davidson/DaDalt, Earnings management and corporate governance, 2003, S. 295; Pomeroy/Thornton, Audit Committee Independence and Financial Reporting Quality, 2008, S. 305.
könnte der Grund für den ausbleibenden Nachweis des inkrementellen Einflusses der positiven diskretionären Periodenabgrenzungen durch das Regressionsmodell (4.19) darin liegen, dass der Aufsichtsrat die bonuserhöhende Bilanzpolitik des Vorstands erkennt und unterbindet. Daher soll im Folgenden der Einfluss des Aufsichtsrates auf die Vergütung des Vorstands untersucht werden. 4.3.3 Berücksichtigung der Unternehmenskontrolle 4.3.3.1 Die Rolle des Aufsichtsrates Wie bereits dargelegt, besteht für Aufsichtsräte, deren variable Vergütung auf Grundlage des Jahresüberschusses errechnet wird, der gleiche Anreiz zu einer Beeinflussung der Bemessungsgrundlage der Vergütung durch Bilanzpolitik wie für Vorstände. Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch darin, dass der Aufsichtsrat in die Erstellung des Abschlusses nicht dergestalt eingebunden ist, dass er gewinn- und damit vergütungserhöhende Bilanzpolitik aktiv betreiben kann.587 Im Rahmen seiner Prüfung der Rechnungslegung besteht für den Aufsichtsrat gleichwohl die Möglichkeit, die Bilanzpolitik des Vorstands zu dulden oder aber zu unterbinden. Hypothese 4a besagt daher, dass Aufsichtsräte, deren Vergütung auf dem Jahresüberschuss basiert und die daher einen Anreiz zur Koalitionsbildung mit dem Vorstand haben, eher dazu neigen, die Bilanzpolitik des Vorstands zu dulden. Empirisch überprüfen lässt sich diese, indem das Regressionsmodell (4.18) um einen Interaktionsterm ARi,t × DAi,t × A−1 i,t ergänzt wird. ARi,t ist dabei eine Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, wenn der Jahresüberschuss in die variable Vergütung des Aufsichtsrates einfließt; ansonsten gilt ARi,t = 0: BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3 At At At At DAi,t +β4 ARi,t + Branchei,t + εi,t At
(4.20)
In diesem Modell misst der Koeffizient β4 den inkrementellen Einfluss der Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung, wenn der Aufsichtsrat eine gewinnabhängige Vergütung erhält. Dabei handelt es sich also um die bereits im Rahmen der Hypothesenentwicklung in Abbildung 4.7 erörterte Differenz, die nun in Ab587
Siehe oben Kapitel 2.2.1.1.
167
bildung 4.13 unter Angabe der Koeffizienten grafisch veranschaulicht wird. Aus Hypothese 5a geht hervor, dass für β4 ein positives Vorzeichen erwartet wird.
Abbildung 4.13: Darstellung zu Gleichung (4.20)
Die Ergebnisse der Schätzung des Regressionsmodells (4.20) sind in Tabelle 4.18 zusammengefasst. Der Koeffizient des Interaktionsterms ist in beiden Panels sowohl nach dem ursprünglichen als auch nach dem modifizierten Jones-Modell nicht signifikant unterschiedlich von 0. Diese Modelle liefern somit keinen Hinweis darauf, dass der Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und Vorstandsvergütung von den Modalitäten der Vergütung des Aufsichtsrates abhängt. Ein anderes Bild zeigt sich bei der Verwendung des Cashflow- oder des Performance-Modells. So ist der Koeffizient β4 nach dem Cashflow-Modell in beiden Panels signifikant positiv mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 1 %. Das Performancemodell ergibt in beiden Panels einen signifikant positiven Koeffizienten mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit weniger als 5 %. Für die beiden letztgenannten Modelle ergibt sich ein höheres Bestimmtheitsmaß als für das ursprüngliche und das modifizierte Jones-Modell. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist daher zu beachten, dass die Regressionsgleichung (4.20) unter Verwendung des Cashflowund des Performance-Modells eine statistisch genauere Annäherung an die tatsächliche funktionale Form der Vorstandsvergütung darstellt als unter Verwendung der anderen Jones-Modelle. Den Ergebnissen von Cashflow- und Performance-Modell sollte somit – wie bereits bei der vergleichenden Würdigung der unterschiedlichen Modelle in Kapitel 4.1.3.2.5 erörtert – eine höhere Bedeutung beigemessen werden. Vor diesem Hintergrund kann aus den Ergebnissen gefolgert werden, dass der Zu-
168
sammenhang zwischen Bilanzpolitik und Vorstandsvergütung stärker ausgeprägt ist, wenn der Aufsichtsrat auf Grundlage des Jahresüberschusses vergütet wird und so von der gewinnerhöhenden Bilanzpolitik seinerseits profitiert. Dieses Ergebnis bestätigt Hypothese 4a . Die ökonomische Interpretation der Koeffizienten β3 und β4 sei anhand des Cashflow-Modells in Panel B verdeutlicht: Vorstände von Aktiengesellschaften, deren Aufsichtsrat keinen ergebnisabhängigen Bonus erhält (ARi,t = 0), erhalten durch gewinnerhöhende Bilanzpolitik in Höhe von C 1 Mio. eine zusätzliche Vergütung von C 12 400 (β3 = 0,0124). Dahingegen erhalten Vorstände von Aktiengesellschaften, deren Aufsichtsrat gewinnabhängig vergütet wird (ARi,t = 1), durch gewinnerhöhende Bilanzpolitik in Höhe von C 1 Mio. einen zusätzlichen Bonus von C 20 900 (β3 + β4 = 0,0209). Für dieses Ergebnis gibt es zwei Erklärungen. Zum einen ist es möglich, dass sich in den Fällen mit ARi,t = 1 wie angenommen durch opportunistisches Handeln des Aufsichtsrates insgesamt mehr bilanzpolitische Verzerrung im Abschluss des Unternehmens niederschlägt und somit die Bilanzpolitik einen relativ höheren Teil der Bemessungsgrundlage der Vorstandsvergütung ausmacht. Zum anderen ist es denkbar, dass die vertraglich festgelegte Elastizität des Bonus bezüglich des Jahresüberschusses von der Vergütungsweise des Aufsichtsrates abhängt. In diesem Fall wäre der positive Koeffizient β4 nicht auf die Handlungen des Aufsichtsrates, sondern auf systematische Unterschiede zwischen den Gesellschaften zurückzuführen. Rückschlüsse auf die Handlungen des Aufsichtsrates wären damit unmöglich. Bestünden tatsächlich systematische Unterschiede zwischen dieser Elastizität der Bonuszahlung, so müsste dies auch den Zusammenhang zwischen den Bonuszahlungen und anderen Ergebniskomponenten – etwa den Cashflows – betreffen.588 Dies lässt sich anhand des folgenden Regressionsmodells überprüfen: CFOi,t TACi,t BONUSi,t = α+β1 + β2 At At At TACi,t +β3 ARi,t + Branchei,t + εi,t At
(4.21)
In diesem Modell drückt β3 den inkrementellen Einfluss des Cashflows auf die Höhe der variablen Vergütung des Vorstands für Beobachtungen mit ARi,t = 1 aus. 588
Dieses Argument unterstellt, dass die Vergütungsvereinbarungen nicht zwischen den verschiedenen Ergebniskomponenten differenzieren. Dies ist zumindest insoweit plausibel, als Vergütungsvereinbarungen nicht so ausgestaltet sind, dass diskretionäre Periodenabgrenzungen die Höhe der Bonuszahlung erhöhen, Cashflows hingegen nicht.
169
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
Panel A: NIi,t ∈ R Konstante
0,0022∗∗∗ (4,63)
0,0022∗∗∗ (4,61)
0,0020∗∗∗ (4,34)
0,0061∗∗ (2,47)
CFO
0,0050∗ (1,89)
0,0050∗ (1,91)
0,0051∗ (1,83)
0,0048∗ (1,68)
NDA
0,0058∗∗ (2,31)
0,0057∗∗ (2,25)
0,0040 (0,88)
0,0042∗ (1,84)
DA
0,0055∗∗ (2,18)
0,0055∗∗ (2,26)
0,0042∗ (1,65)
0,0039 (1,54)
AR × DA
−0,0004 −(0,34)
−0,0003 −(0,56)
0,0062§ (2,60)
0,0043‡ (1,85)
R2
0,1330
0,1334
0,1436
0,1495
n
271
271
271
271
Panel B: NIi,t ∈ R+ Konstante
0,0011∗∗ (2,15)
0,0013∗∗ (2,23)
0,0009∗ (1,73)
0,0048∗∗ (2,18)
CFO
0,0139∗∗∗ (5,25)
0,0134∗∗∗ (4,91)
0,0154∗∗∗ (6,58)
0,0149∗∗∗ (5,66)
NDA
0,0137∗∗∗ (5,28)
0,0132∗∗∗ (5,04)
0,0157∗∗∗ (4,45)
0,0508∗∗ (2,54)
DA
0,0136∗∗∗ (5,46)
0,0132∗∗∗ (4,99)
0,0124∗∗∗ (4,70)
0,0128∗∗∗ (5,19)
AR × DA
0,0004 (0,32)
0,0000 (0,08)
0,0085§ (3,46)
0,0047‡ (2,05)
R2
0,2626
0,2570
0,2918
0,2944
n
245
245
245
245
∗ ∗∗ ∗∗∗
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). ‡ , § Signifikant mit 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger t-Test). t-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.18: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Kompontenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.20)
170
Ein wie oben geschildert systematischer Unterschied zwischen der Elastizität der Bonuszahlung hinsichtlich des Jahresüberschusses schlägt sich somit in einem signifikant von 0 verschiedenen Koeffizienten β3 nieder. Bei der Schätzung des Modells (4.21) ergibt sich jedoch sowohl für NIi,t ∈ R als auch für NIi,t ∈ R+ kein statistisch signifikanter Wert für β3 . Der in Tabelle 4.18 gezeigte positive inkrementelle Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen kann also auf das Verhalten des Aufsichtsrates zurückgeführt werden. Aus den Ergebnissen der Schätzung von Modell (4.20) lässt sich nicht zwingend schließen, dass dieses Verhalten absichtlich oder sogar opportunistisch ist. Denn alternativ ist ebenso denkbar, dass Aufsichtsräte, die auf Grundlage des Jahresüberschusses vergütet werden, aus gänzlich anderen Gründen die Bilanzpolitik des Vorstandes passieren lassen. So könnte etwa eine Selektionsverzerrung dahingehend bestehen, dass diejenigen Unternehmen, die ihre Aufsichtsräte nach dem Jahresüberschuss variabel vergüten, systematisch solche Aufsichtsratsmitglieder aufweisen, die weniger kompetent in Fragen der Rechnungslegung sind. Dies hätte zur Folge, dass der Aufsichtsrat solcher Unternehmen die Bilanzpolitik in beide Wirkungsrichtungen weniger wahrscheinlich erkennt und unterbindet. Zwar lässt sich nach der hier vertretenen Auffassung keine solche Alternativerklärung konstruieren, die ökonomisch plausibel ist. Dennoch soll im Folgenden untersucht werden, welche Rolle das Vorzeichen der diskretionären Periodenabgrenzungen spielt. Duldet der Aufsichtsrat nämlich, wie in Hypothese 4b angenommen, gezielt die Bilanzpolitik des Vorstands, um seine erfolgsabhängige Vergütung zu steigern, so ist anzunehmen, dass dieses Verhalten vornehmlich gewinnerhöhende Bilanzpolitik betrifft. Der Einfluss der positiven diskretionären Periodenabgrenzungen auf die Bonuszahlungen des Vorstands müsste in denjenigen Fällen, in denen der Aufsichtsrat ergebnisabhängig vergütet wird, demnach größer sein als der Einfluss der negativen diskretionären Periodenabgrenzungen. Diese Aufsichtsräte neigen nämlich dazu, gewinnerhöhende Bilanzpolitik zu dulden. Die Bezüge des Vorstandes werden daher von dieser Bilanzpolitik stärker beeinflusst als von anderen Ergebniskomponenten. Ebenso müsste dieser Unterschied deutlicher ausgeprägt sein, als wenn der Aufsichtsrat nicht ergebnisabhängig vergütet wird. Denn im Falle keiner ergebnisabhängigen Vergütung ist anzunehmen, dass der Aufsichtsrat seiner Aufgabe nachkommt und die gewinnerhöhende Bilanzpolitik des Vorstands eindämmt. Dies lässt sich durch folgendes Regressionsmodell überprüfen:
171
BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3n + β4n ARi,t At At At At At DAi,t DAi,t +β3p PosDAi,t + β4p PosDAi,t × ARi,t Ai,t Ai,t +Branchei,t + εi,t
(4.22)
Die Koeffizienten β3n und β3p messen den Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen in den Fällen, in denen der Aufsichtsrat nicht ergebnisabhängig vergütet wird. Dabei spiegelt β3n den Einfluss der negativen Periodenabgrenzungen wider, β3p misst den inkrementellen Einfluss der positiven Periodenabgrenzungen. Der gesamte Einfluss der positiven diskretionären Periodenabgrenzungen ergibt sich also aus β3n + β3p . Durch die Multiplikation mit der Dummy-Variable ARi,t messen die Koeffizienten β4n und β4p den inkrementellen Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen in den Fällen, in denen der Aufsichtsrat ergebnisabhängig vergütet wird. Dabei zeigt β4n den über den durch β3n gemessenen Einfluss der negativen Periodenabgrenzungen, während β4p den darüber hinausgehenden Einfluss der positiven Periodenabgrenzungen angibt. Abbildung 4.14 schematisiert diese Bedeutung der Koeffizienten. Dabei wurden wegen der besseren Anschaulichkeit ausschließlich positive Werte für β3n , β3p , β4n und β4p gewählt. Die Koeffizienten können natürlich ebenso gut negative Werte annehmen.
Abbildung 4.14: Bedeutung der Koeffizienten β3n , β3p , β4n und β4p für Gleichung 4.22
172
Gleichung (4.22) lässt sich zudem grafisch verdeutlichen, indem ihre Koeffizienten in die aus der Hypothesenherleitung bekannte Abbildung 4.8 eingefügt werden. Auf diese Weise verdeutlicht Abbildung 4.15, dass nach dem difference in differences-Ansatz aus Hypothese 4b die Erwartung β4p − β3p > 0 bzw. β4p > β3p hervorgeht.
Abbildung 4.15: Darstellung zu Gleichung (4.22)
Die relevanten Ergebnisse der Schätzung des Regressionsmodells (4.22) sind in Tabelle 4.19 zusammengefasst.589 Der Koeffizient β3p ist in beiden Panels und für alle vier Modelle negativ. Der Koeffizient β4p ist in Panel A für alle Modelle positiv; in Panel B ist er für das Cashflow-Modell und das Performance-Modell positiv. Die Differenz der Koeffizienten, β4p − β3p , ist in beiden Panels für alle Modelle wie erwartet positiv. Dabei ergibt sich in Panel A für das ursprüngliche und das modifizierte Jones-Modell sowie für das Cashflow-Modell eine statistische Signifikanz. In Panel B ist die Differenz für das Cashflow-Modell und das Performance-Modell signifikant positiv. Diese Ergebnisse entsprechen damit zwar nicht durchgehend, aber weitgehend der Hypothese 4b .
589
Die übrigen Koeffizienten sind für die Untersuchung nicht relevant und werden daher in der Tabelle ausgespart.
173
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
−0,0025∗ −(1,69)
−0,0008∗ −(1,32)
−0,0064∗∗ −(1,84)
−0,0026 −(0,77)
PosDA × AR × DA (=β4p )
0,0013 (0,66)
0,0008 (0,99)
0,0099∗∗ (2,17)
0,0047 (0,99)
β4p − β3p
0,0038† (1,96)
0,0016† (2,02)
0,0163‡ (5,27)
0,0073 (1,13)
R2
0,1381
0,1361
0,1523
0,1518
n
271
271
271
271
PosDA × DA (= β3p )
−0,0029 −(1,29)
−0,0006 −(0,65)
−0,0079∗∗ −(2,13)
−0,0070∗∗ −(2,30)
PosDA × AR × DA (=β4p )
−0,0005 −(0,23)
−0,0003 −(0,33)
0,0094∗ (1,70)
0,0042 (0,86)
β4p − β3p
0,0024 (0,47)
0,0003 (0,05)
0,0173‡ (4,41)
0,0112‡ (2,89)
R2
0,2702
0,2588
0,3018
0,3037
n
245
245
245
245
Panel A: NIi,t ∈ R PosDA × DA (= β3p )
Panel B: NIi,t ∈ R+
∗ ∗∗
,
Signifikant mit 10 %, 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). Signifikant mit 10 %, 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. †, ‡
Tabelle 4.19: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.22)
174
4.3.3.2 Die Rolle des Abschlussprüfers Anhand des Grundmodells590 konnte nicht gezeigt werden, dass die Vorstände der im Untersuchungssample enthaltenen Aktiengesellschaften positive diskretionäre Periodenabgrenzungen nutzen, um ihre kurzfristige variable Vergütung zu steigern (Hypothese 3). Die Berücksichtigung der Vergütung des Aufsichtsrates hat gezeigt, dass Kontrollinstanzen den Zusammenhang zwischen Vorstandsvergütung und Bilanzpolitik beeinflussen können (Hypothesen 4a und 4b ).591 Daher soll im Folgenden auch die Rolle des Abschlussprüfers beleuchtet werden. Der Abschlussprüfer kann seine Unabhängigkeit einbüßen, wenn er für eine Gesellschaft neben der Abschlussprüfung andere Dienstleistungen verrichtet und dafür Honorarzahlungen erhält.592 Ist die Unabhängigkeit des Prüfers eingeschränkt, ist anzunehmen, dass sich dies negativ auf die Qualität der Prüfung auswirkt und der Abschluss somit weitreichender von diskretionären Periodenabgrenzungen geprägt ist als ein von einem unabhängigen Abschlussprüfer geprüfter Abschluss. Da diskretionäre Periodenabgrenzungen wie gezeigt einen signifikanten Einfluss auf die Höhe der kurzfristigen variablen Vergütung des Vorstands haben, lässt sich vermuten, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers einen Einfluss auf die Vorstandsvergütung hat. So nimmt die Hypothese 5a an, dass bei eingeschränkter Unabhängigkeit des Prüfers die Bilanzpolitik einen größeren Einfluss auf die Vorstandsvergütung hat. Empirisch überprüfen lässt sich diese Hypothese, indem das Regressionsmodell (4.18) um einen Interaktionsterm W Pi,t × DAi,t × A−1 i,t ergänzt wird. ARi,t ist dabei eine Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, wenn die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers als eingeschränkt eingeschätzt wird; ansonsten gilt W Pi,t = 0: BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3 At At At At DAi,t +β4W Pi,t + Branchei,t + εi,t At
(4.23)
Der Koeffizient β4 misst also den inkrementellen Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen auf die Vorstandsvergütung in den Fällen, in denen der Abschlussprüfer als eingeschränkt unabhängig angesehen wird. Dabei handelt es sich also um die bereits im Rahmen der Hypothesenentwicklung in Abbildung 590 591 592
Siehe oben Kapitel 4.3.2. Siehe oben Kapitel 4.3.3.1. Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3.2.2.
175
4.9 diskutierte Differenz, die nun in Abbildung 4.16 unter Einbeziehung der Koeffizienten veranschaulicht wird. Aus Hypothese 5a geht hervor, dass für β4 ein positives Vorzeichen erwartet wird.
Abbildung 4.16: Darstellung zu Gleichung (4.23)
Fraglich ist, anhand welcher Kriterien die Ausprägung der Dummy-Variable W Pi,t definiert werden kann. Die bisherige empirische Forschung hat gezeigt, dass die Höhe der Honorare für Nichtprüfungsleistungen (NPHONORARi,t ) einen negativen Einfluss auf die Unabhängigkeit haben kann.593 Somit erscheint diese Variable als Grundlage für die Definition von ARi,t grundsätzlich geeignet; zur Vermeidung von Verzerrungen durch Größeneffekte muss sie jedoch mit der Bilanzsumme Ai,t skaliert werden. Daher soll gelten: ⎧ ⎪ ⎪1 wenn NPHONORARi,t × A−1 i,t ≥ τ, W Pi,t = ⎨ −1 ⎪ ⎪ ⎩0 wenn NPHONORARi,t × Ai,t < τ. τ ist ein festzulegender geeigneter Schwellenwert. Es ist indes offensichtlich, dass der Übergang zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit des Prüfers nicht trennscharf anhand eines Schwellenwertes festgelegt werden kann. Vielmehr scheint es plausibel, dass die Unabhängigkeit des Prüfers eine stetige Variable darstellt. Gleichwohl ist es für die vorliegende Untersuchung methodisch erforderlich, einen dichotomen Indikator für die Prüferunabhängigkeit festzulegen.594 593 594
176
Vgl. etwa Frankel/Johnson/Nelson, Nonaudit services and earnings management, 2002, S. 71. Siehe ausführlich oben Kapitel 3.3.4. Die Verwendung einer Variable auf einem höheren Skalenniveau stellt höhere Anforderungen an die Größe des Samples. Sie führt daher bei der gegebenen Anzahl an Beobachtungen nicht zu aussagekräftigen Ergebnissen.
Um sicherzustellen, dass die zu überprüfende Hypothese 4a nicht lediglich aufgrund eines ungeeigneten Schwellenwertes bestätigt wird, soll dieser so gewählt werden, dass er die Bestätigung der Hypothese tendenziell erschwert. Dies kann gewährleistet werden, indem τ möglichst niedrig angesetzt wird. Nimmt man nämlich wie in der vorliegenden Untersuchung an, dass ein abhängiger Abschlussprüfer mehr Bilanzpolitik duldet als ein unabhängiger Prüfer, wird der empirische Nachweis dieser Theorie dadurch erschwert, dass man ihn anhand von Beobachtungen zu erbringen versucht, die zum Teil von hoher Abhängigkeit und geringer Bilanzpolitik gekennzeichnet sind.595
Abbildung 4.17: Quantil-Plot der skalierten Nichtprüfungshonorare
Abbildung 4.17 stellt die Verteilung der mit der Bilanzsumme skalierten Nichtprüfungshonorare als Quantil-Plot dar.596 Daraus wird ersichtlich, dass etwa 80 % der Beobachtungen eine hohe Dichte aufweisen, die Dichte danach jedoch rasch 595
596
Diese Argumentation unterstellt, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers eine monoton fallende Funktion der Honorare für Nichtprüfungsleistungen und das Ausmaß der Bilanzpolitik eine monoton fallende Funktion der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers ist. Vgl. für Einzelheiten dieser Darstellungsform Schnell, Graphisch gestützte Datenanalyse, 1994, S. 16 f.
177
abnimmt. Demnach liegen die Beobachtungen mit auffallend hohen Nichtprüfungshonoraren alle im oberen Quartil der Verteilung. Für die nachfolgenden Untersuchungen soll daher für alle Beobachtungen im oberen Quartil der mit der Bilanzsumme skalierten Nichtprüfungshonorare gelten, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers eingeschränkt ist, d. h. τ = QIII .597 Dies impliziert, dass jeder vierte Abschluss von eingeschränkter Unabhängigkeit des Abschlussprüfers geprägt ist. Dieser Wert erscheint hoch (d. h., τ ist niedrig gewählt) und entspricht damit der geschilderten Zielsetzung einer tendenziell erschwerten Bestätigung der Hypothese 5. Die Ergebnisse der Schätzung des Regressionsmodells (4.23) sind in Tabelle 4.20 zusammengefasst. In Panel A ergeben das ursprüngliche Jones-Modell, das modifizierte Jones-Modell und das Performance-Modell einen signifikant positiven Einfluss der nicht-diskretionären Periodenabgrenzungen auf die Höhe der Bonuszahlungen. Für die diskretionären Periodenabgrenzungen ergibt sich nach allen Modellen ein signifikanter Einfluss auf die Bonuszahlungen. Es ist zu beachten, dass der Koeffizient β3 nur von den Beobachtungen geprägt wird, für die W Pi,t = 0 gilt. Dies bedeutet also, dass auch die von unabhängigen Abschlussprüfern testierten Abschlüsse Bilanzpolitik enthalten, die sich auf die variable Vorstandsvergütung auswirkt. In Panel B sind sowohl diskretionäre als auch nichtdiskretionäre Periodenabgrenzungen hoch signifikant positiv, unabhängig von der Wahl des Modells. Für die Interaktionsvariable W Pi,t × DAi,t , also für β4 ergibt sich in Panel A nur nach dem Cashflow-Modell ein signifikanter Koeffizient. In Panel B ist der entsprechende Koeffizient nach dem herkömmlichen Jones-Modell sowie nach dem Cashflow-Modell und dem Performance-Modell signifikant positiv. Die Irrtumswahrscheinlichkeit beträgt dabei in allen Fällen 5 %. Da β4 nach den anderen Modellen nicht signifikant unterschiedlich von 0 ist und das modifizierte JonesModell in Panel A sogar zu einem negativen Vorzeichen führt, liegt allenfalls eine schwache Evidenz für den Einfluss der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers auf die variable Vergütung des Vorstands vor. Grund für dieses Ergebnis könnte sein, dass in den Koeffizienten β4 sowohl Beobachtungen mit gewinnerhöhender als auch solche mit gewinnmindernder Bilanzpolitik einfließen und der Nachweis des Einflusses der Prüferunabhängig597
178
Trotz der angestellten Plausibilitätsüberlegungen verbleibt eine Unsicherheit hinsichtlich der Angemessenheit des Schwellenwertes. Daher wurden die folgenden Untersuchungen als Sensitivitätsanalyse auch mit dem arithmetischen Mittel der skalierten Nichtprüfungshonorare durchgeführt. An den Ergebnissen ändert dieser alternative Schwellenwert qualitativ nichts.
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
Panel A: NIi,t ∈ R Konstante
0,0022∗∗∗ (4,62)
0,0022∗∗∗ (4,62)
0,0022∗∗∗ (4,68)
0,0067∗∗∗ (2,77)
CFO
0,0051∗ (1,89)
0,0049∗ (1,89)
0,0050∗ (1,77)
0,0044 (1,58)
NDA
0,0059∗∗ (2,29)
0,0056∗∗ (2,28)
0,0490 (1,09)
0,0046∗∗ (2,08)
DA
0,0053∗∗ (2,16)
0,0054∗∗ (2,26)
0,0043∗ (1,85)
0,0040∗ (1,65)
W P × DA
0,0004 (0,32)
−0,0003 −(0,53)
0,0052‡ (1,80)
0,0039 (1,17)
R2
0,1331
0,1336
0,1396
0,1474
n
271
271
271
271
Panel B: NIi,t ∈ R+ Konstante
0,0011∗∗ (2,12)
0,0011∗∗ (2,22)
0,0013∗∗ (2,36)
0,0057∗∗∗ (2,70)
CFO
0,0148∗∗∗ (6,12)
0,0137∗∗∗ (5,25)
0,0148∗∗∗ (5,74)
0,0144∗∗∗ (5,41)
NDA
0,0146∗∗∗ (6,05)
0,0135∗∗∗ (5,32)
0,0167∗∗∗ (4,74)
0,0572∗∗∗ (3,02)
DA
0,0139∗∗∗ (5,80)
0,0133∗∗∗ (5,20)
0,0124∗∗∗ (5,15)
0,0125∗∗∗ (5,32)
W P × DA
0,0022‡ (1,74)
0,0003 (0,66)
0,0068‡ (1,89)
0,0062‡ (1,77)
R2
0,2707
0,2579
0,2825
0,2981
n
245
245
245
245
∗ ∗∗ ∗∗∗
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). ‡ Signifikant mit 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger t-Test). tStatistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.20: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.23)
179
keit durch diese sich kompensierenden Effekte erschwert wird. Der abhängige Abschlussprüfer hat im Gegensatz zum opportunistisch agierenden Aufsichtsrat nämlich zunächst keinerlei auf Eigeninteresse basierende Präferenz hinsichtlich der Wirkungsrichtung der Bilanzpolitik. Aus dem Vorsichtsprinzip598 und der Tatsache, dass Abschlussprüfer häufiger für die Duldung bzw. Nichtaufdeckung gewinnerhöhender denn gewinnmindernder Bilanzpolitik und -manipulation kritisiert werden,599 lässt sich aber die Vermutung ableiten, dass ein Abschlussprüfer grundsätzlich eher gewinnmindernde Bilanzpolitik duldet als gewinnerhöhende Bilanzpolitik. Auf der anderen Seite ist anzunehmen, dass der opportunistisch handelnde Vorstand durch Einflussnahme auf den abhängigen Wirtschaftsprüfer eher gewinnerhöhende Bilanzpolitik durchzusetzen versucht als gewinnmindernde.600 Es bedarf letztlich nicht einmal der tatsächlichen Einflussnahme, da die Erwartung des abhängigen Wirtschaftsprüfers, der Vorstand lege Wert auf eine hohe erfolgsabhängige Vergütung, bereits ausreichen kann. Zusätzliche Erkenntnisse über den Einfluss der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers können daher aus einer getrennten Betrachtung positiver und negativer diskretionärer Periodenabgrenzungen gewonnen werden. Dazu wird das folgende Regressionsmodell verwendet: CFOi,t NDAi,t DAi,t DAi,t BONUSi,t = α+β1 + β2 + β3n + β4nW Pi,t At At At At At DAi,t DAi,t +β3p PosDAi,t + β4p PosDAi,t ×W Pi,t Ai,t Ai,t +Branchei,t + εi,t
(4.24)
Die Koeffizienten β3n und β3p messen den Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen in den Fällen, in denen der Abschlussprüfer als unabhängig angesehen wird. Dabei spiegelt β3n den Einfluss der negativen Periodenabgrenzungen wider, β3p misst den inkrementellen Einfluss der positiven Periodenabgrenzungen. Der gesamte Einfluss der positiven diskretionären Periodenabgrenzungen im Falle der Unabhängigkeit des Prüfers ergibt sich demnach aus β3n + β3p . Die Koeffizienten β4n und β4p messen den inkrementellen Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen in den Fällen eingeschränkter Prüferunabhängigkeit. So 598 599 600
180
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 134–139. Vgl. dazu Baetge/Melcher, Erkenntnisse aus forensischen Prüfungen, 2008, S. 400-402. Diese Argumentation unterstellt, dass der Vorstand seine eigenen monetären Interessen vor die durch Bilanzpolitik zu erfüllenden Interessen des Unternehmens bzw. dessen Eigner stellt.
zeigt β4n für diese Fälle den zusätzlichen Einfluss der negativen Periodenabgrenzungen, während β4p den nochmals darüber hinausgehenden Einfluss der positiven Periodenabgrenzungen angibt. Abbildung 4.18 verdeutlicht diese Zusammenhänge noch einmal grafisch.
Abbildung 4.18: Bedeutung der Koeffizienten β3n , β3p , β4n und β4p für Gleichung 4.24
Gleichung (4.24) lässt sich zudem grafisch verdeutlichen, indem ihre Koeffizienten in die bei der Hypothesenherleitung entwickelte Abbildung 4.10 eingefügt werden. Auf diese Weise geht aus Abbildung 4.19 hervor, dass nach dem difference in differences-Ansatz Hypothese 5b β4p − β3p > 0 bzw. β4p > β3p erwartet wird und somit ein einseitiger Hypothesentest zur Anwendung kommen kann. Die wesentlichen Ergebnisse der Schätzung von Gleichung (4.24) sind in Tabelle 4.21 zusammengefasst. Der Koeffizient β3p ist in beiden Panels und für alle Modelle negativ; β4p ist hingegen in allen Fällen positiv. Daraus folgt, dass die Differenz der beiden Koeffizienten, β4p − β3p , wie von Hypothese 5b angenommen stets positiv ist. Es ergibt sich für beide Panels und alle vier Modelle eine statistische Signifikanz, wobei die Irrtumswahrscheinlichkeit bis auf eine Ausnahme stets weniger als 5 % beträgt. Dieser Befund bestätigt also Hypothese 5b .
181
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
−0,0034∗∗ −(2,34)
−0,0011∗ −(1,76)
−0,0072∗∗ −(2,28)
−0,0053∗ −(1,75)
PosDA ×W P × DA (= β4p )
0,0055∗ (1,88)
0,0023∗ (1,70)
0,0119∗∗ (2,03)
0,0194∗∗ (2,48)
β4p − β3p
0,0089§ (6,72)
0,0034‡ (4,77)
0,0191§ (6,29)
0,0247§ (8,45)
R2
0,1475
0,1423
0,1514
0,1775
n
271
271
271
271
−0,0032 −(1,57)
−0,0009 −(0,95)
−0,0077∗∗ −(2,52)
PosDA ×W P × DA (= β4p )
0,0039 (1,28)
0,0020 (1,39)
0,0072 (1,09)
0,0093 (1,24)
β4p − β3p
0,0071‡ (3,31)
0,0029† (2,58)
0,0149‡ (3,33)
0,0165‡ (4,23)
R2
0,2801
0,2630
0,2915
0,3119
n
245
245
245
245
Panel A: NIi,t ∈ R PosDA × DA (= β3p )
Panel B: NIi,t ∈ R+ PosDA × DA (= β3p )
−0,0072∗∗∗ −(2,62)
∗ , ∗∗ , ∗∗∗
Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). † ‡ § , , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.21: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.24)
182
Abbildung 4.19: Darstellung zu Gleichung (4.24)
4.3.3.3 Gleichzeitige Berücksichtigung von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer Um ein möglichst vollständig spezifiziertes Modell der variablen Vorstandsvergütung zu erhalten, bietet es sich an, die in den Kapiteln 4.3.3.1 und 4.3.3.2 untersuchten Einflüsse in einem gemeinsamen Regressionsmodell zu vereinen. So lässt sich die Möglichkeit ausschließen, dass die bisher erzielten Ergebnisse lediglich der Ausblendung des jeweils nicht betrachteten Einflusses entspringen. BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3n + β3p PosDAi,t At At At At Ai,t DAi,t DAi,t +β4n ARi,t + β4p PosDAi,t × ARi,t At Ai,t DAi,t DAi,t +β5nW Pi,t + β5p PosDAi,t ×W Pi,t At Ai,t +Branchei,t + εi,t
(4.25)
Tabelle 4.22 fasst die wesentlichen Ergebnisse der Schätzung von Gleichung (4.25) zusammen. Im Wesentlichen werden die zuvor erörterten Befunde bestätigt: Für Hypothese 4b liegt Evidenz vor, da die Differenz β4p − β3p in beiden Panels und nach allen Modellen positiv ist; es ist jedoch zu beachten, dass diese Differenz erneut nicht über alle Modelle hinweg statistisch signifikant ist. So ist vor allem in Panel B die Differenz nur nach dem Cashflow-Modell signifikant größer als 0. Dies deutet darauf hin, dass die Ergebnisse hinsichtlich des Aufsichtsrates in Panel B von Beobachtungen mit NIi,t < 0 getrieben sind. Dies ist jedoch zunächst verwunderlich, da im Falle eines negativen Jahresüberschusses in aller Regel keine variable,
183
auf dem Gewinn basierende Vergütung an den Aufsichtsrat ausgeschüttet wird und folglich für diesen kein vergütungsinduzierter Anreiz zu gewinnerhöhender Bilanzpolitik besteht.601 Damit ist die Evidenz für Hypothese 4b erneut als schwach einzustufen. Hinsichtlich der Hypothese 5b ergibt sich ebenfalls eine stets positive Differenz, β5p − β3p . Diese ist wie schon bei der separaten Betrachtung der Rolle des Abschlussprüfers in beiden Panels und nach allen vier Modellen statistisch signifikant. Dies ist als starker Hinweis auf die Richtigkeit von Hypothese 4b zu werten. 4.3.4 Berücksichtigung weiterer Einflüsse 4.3.4.1 Ertragsziele der Gesellschaft Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Vorstände der im Untersuchungssample enthaltenen Unternehmen Bilanzpolitik betreiben und dadurch ihre Vergütung beeinflussen. Zudem legt die aufgezeigte empirische Evidenz den Schluss nahe, dass der Einfluss gewinnerhöhender Bilanzpolitik auf die Vergütung in Fällen eingeschränkt unabhängiger Kontrollorgane höher ist als der Einfluss gewinnmindernder Bilanzpolitik. Dies lässt vermuten, dass die Vorstände Bilanzpolitik mit dem Ziel betreiben, ihre Vergütung zu erhöhen. Die Intention der beteiligten Akteure ist jedoch grundsätzlich nicht empirisch überprüfbar, sofern sie nicht von diesen offenbart wird. Daher ist es erforderlich, denkbare alternative Erklärungen für die empirischen Ergebnisse auszuschließen. Die Accounting-Forschung hat gezeigt, dass Unternehmen gewinnerhöhende Bilanzpolitik einsetzen, um einen Gewinnrückgang oder einen Verlust zu vermeiden.602 Die positiven diskretionären Periodenabgrenzungen des Untersuchungssamples könnten also, zumindest teilweise, dieser Zielsetzung entspringen. Um den Einfluss von Ertragszielen separat zu erfassen, wird zunächst das Regressionsmodell (4.22) um die Interaktionsterme ZIELi,t × PosDAi,t × DAi,t sowie ZIELi,t × PosDAi,t × ARi,t × DAi,t ergänzt. Dabei ist ZIELi,t eine Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, wenn für die jeweilige Beobachtung angenommen wer-
601
602
184
Der Befund deutet vermeintlich darauf hin, dass im Verlustfall der Aufsichtsrat aus Gründen abseits der eigenen Vergütungsinteressen ergebniserhöhende Bilanzpolitik duldet, um den Verlust zu schmälern. Diese Erklärung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht treffend, da sie nicht beantwortet, warum dieses Verhalten vor allem bei Aufsichtsräten festzustellen ist, die auf der Grundlage buchhalterischer Erfolgsgrößen vergütet werden. Vgl. etwa Burgstahler/Dichev, Earnings decreases and losses, 1997, S. 99.
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
−0,0012∗∗ −(2,06)
−0,0087∗∗ −(2,42)
−0,0048 −(1,40)
Panel A: NIi,t ∈ R PosDA × DA (= β3p )
−0,0037∗∗∗ −(2,58)
PosDA × AR × DA (= β4p )
0,0018 (0,78)
0,0008 (0,84)
0,0074 (1,28)
0,0007 (0,12)
PosDA ×W P × DA (= β5p )
0,0055∗ (1,79)
0,0023 (1,59)
0,0094 (1,41)
0,0186∗∗ (2,17)
β4p − β3p
0,0055‡ (3,86)
0,0020‡ (2,88)
0,0161‡ (4,23)
0,0055 (0,51)
β5p − β3p
0,0092§ (7,17)
0,0035‡ (5,13)
0,0181‡ (5,08)
0,0234§ (6,76)
R2
0,1486
0,1433
0,1611
0,1795
n
271
271
271
271
−0,0033 −(1,53)
−0,0009 −(0,91)
−0,0088∗∗ −(2,29)
−0,0070∗∗ −(2,15)
PosDA × AR × DA (= β4p )
0,0004 (0,22)
−0,0007 −(0,08)
0,0073 (1,14)
0,0015 (0,29)
PosDA ×W P × DA (= β5p )
0,0040 (1,27)
0,0021 (1,39)
0,0042 (0,58)
0,0083 (1,04)
β4p − β3p
0,0037 (1,13)
0,0002 (0,27)
0,0161‡ (3,14)
0,0085 (1,40)
β5p − β3p
0,0073‡ (3,42)
0,0030† (2,71)
0,0130† (2,10)
0,0153‡ (3,05)
R2
0,2802
0,2631
0,3081
0,3135
n
245
245
245
245
Panel B: NIi,t ∈ R+ PosDA × DA (= β3p )
∗ ∗∗ ∗∗∗
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). † , ‡ , § Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.22: Zusammenhang zwischen Vorstandsvergütung und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.25)
185
den kann, dass das Unternehmen durch Bilanzpolitik ein Ertragsziel zu erreichen versucht. BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3n + β4n ARi,t At At At At At DAi,t DAi,t +β3p PosDAi,t + β4p PosDAi,t × ARi,t Ai,t Ai,t DAi,t +β5 ZIELi,t × PosDAi,t × Ai,t DAi,t +β6 ZIELi,t × PosDAi,t × ARi,t × + Branchei,t + εi,t Ai,t
(4.26)
In den Modellen (4.26) und (4.27) fließt der inkrementelle Einfluss der positiven diskretionären Periodenabgrenzungen auf die Vorstandsvergütung in solchen Fällen in die Koeffizienten β5 und β6 ein, in denen Bilanzpolitik zur Erreichung von Ertragszielen angenommen wird. Die Koeffizienten β3p und β4p werden daher nicht von diesen Beobachtungen beeinflusst, sodass sie unabhängig von etwaigen Ertragszielen interpretiert werden können. Entsprechend den Ergebnissen von Burgstahler/Dichev werden für die Definition der Variable ZIELi,t zwei alternative Ertragsziele verwendet.603 Zunächst wird angenommen, dass das jeweilige Unternehmen einen Verlust vermeiden möchte und daher einen Jahresüberschuss von mindestens 0 anstrebt. Alternativ wird angenommen, dass das Unternehmen das Ergebnis des Vorjahres erreichen oder übertreffen möchte und daher ein Ergebnis von NIi,t−1 anstrebt. Am jeweilig zur Anwendung kommenden Ertragsziel wird sodann das Ergebnis vor Bilanzpolitik NIi,t − DAi,t gemessen. Erreicht das Unternehmen das Ertragsziel nicht ohne die Anwendung von Bilanzpolitik, d. h. ist NIi,t − DAi,t < 0 bzw. NIi,t − DAi,t < NIi,t−1 , so gilt ZIELi,t = 1; ansonsten nimmt ZIELi,t den Wert 0 an. Die wesentlichen Ergebnisse für die Schätzung von Gleichung (4.26) für das Ertragsziel NIi,t = 0 werden in Tabelle 4.23 wiedergegeben. Tabelle 4.24 enthält die wesentlichen Ergebnisse der Schätzung von Gleichung (4.26) für das Ertragsziel NIi,t = NIi,t−1 . Die Differenz β4p − β3p ist in allen Fällen nicht signifikant positiv, sodass die bisherigen Ergebnisse nicht auf diese Weise bestätigt werden können. Auf gleiche Weise wird das Regressionsmodell (4.24) um die Interaktionsterme ZIELi,t × PosDAi,t × DAi,t sowie ZIELi,t × PosDAi,t ×W Pi,t × DAi,t ergänzt: 603
186
Vgl. hier und folgend Burgstahler/Dichev, Earnings decreases and losses, 1997, S. 124.
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones PosDA × DA (β3p )
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
0,0037 (0,74)
0,0024 (1,16)
0,0034 (0,35)
0,0084 (0,85)
PosDA × AR × DA (β4p )
−0,0027 −(0,59)
−0,0016 −(0,83)
0,0140 (1,38)
0,0016 (0,18)
PosDA × ZIEL × DA
−0,0062 −(1,38)
−0,0032∗ −(1,72)
−0,0084 −(1,01)
−0,0099 −(1,25)
PosDA × AR × ZIEL × DA
−0,0002 −(0,03)
−0,0011 −(0,39)
−0,0077 −(0,78)
0,0017 (0,18)
β4p − β3p
−0,0084 (0,47)
−0,0040 (0,27)
0,0106 (1,05)
−0,0068 (0,15)
R2
0,1500
0,1504
0,1723
0,1642
n
271
271
271
271
∗
Signifikant mit 10 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test) t-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.23: Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.26) für das Ertragsziel NIi,t = 0 Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones PosDA × DA (β3p )
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
0,0003 (0,07)
0,0004 (0,32)
−0,0012 −(0,08)
0,0003 (0,02)
PosDA × AR × DA (β4p )
−0,0106 −(1,05)
−0,0177 −(1,36)
−0,0161 −(0,72)
−0,0114 −(0,74)
PosDA × ZIEL × DA
−0,0029 −(0,87)
−0,0013 −(1,08)
−0,0055 −(0,41)
−0,0031 −(0,22)
0,1236 (1,23)
0,0187 (1,44)
0,0265 (1,19)
0,0167 (1,10)
−0,0109 (0,84)
−0,0181 (1,88)
−0,0173 (0,22)
−0,0117 (0,16)
R2
0,1404
0,1392
0,1542
0,1544
n
271
271
271
271
PosDA × AR × ZIEL × DA β4p − β3p
t-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.24: Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.26) für das Ertragsziel NIi,t = NIi,t−1
187
BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3n + β4nW Pi,t At At At At At DAi,t DAi,t +β3p PosDAi,t + β4p PosDAi,t ×W Pi,t Ai,t Ai,t DAi,t +β5 ZIELi,t × PosDAi,t × Ai,t DAi,t +β6 ZIELi,t × PosDAi,t ×W Pi,t × + Branchei,t + εi,t Ai,t
(4.27)
Die Ergebnisse für die Schätzung der wesentlichen Koeffizienten aus Gleichung (4.27) für das Ertragsziel NIi,t = 0 werden in Tabelle 4.25 zusammengefasst; Tabelle 4.26 enthält die wesentlichen Ergebnisse der Schätzung von Gleichung (4.27) für das Ertragsziel NIi,t = NIi,t−1 . Die Differenz der Koeffizienten β4p und β3p ist für die erste Definition des Ertragsziels mit Ausnahme des Cashflow-Modells wie erwartet stets positiv; sie ist jedoch nur nach dem modifizierten Jones-Modell statistisch signifikant. Für die alternative Definition des Ertragsziels ergibt sich eine stets positive Differenz, die indes nur nach dem Performance-Modell statistisch signifikant ist. Dass die Vorzeichen überwiegend der Erwartung entsprechen und in zwei Fällen zu Signifikanzen führen, deutet darauf hin, dass die Power des Tests aufgrund der hohen Anzahl der im Modell enthaltenen Variablen und des dafür vergleichsweise geringen Umfangs des Untersuchungssamples nicht ausreicht, die tatsächlich positive Differenz in allen Fällen anzuzeigen. Dieses Ergebnis kann dennoch nicht als Bestätigung der bisherigen Befunde gewertet werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Berücksichtigung von Ertragszielen keinen weiteren Aufschluss über die Richtigkeit der Forschungshypothesen 3 − 5b liefert. Es sei angemerkt, dass dies nicht als Widerlegung der Hypothesen verstanden werden darf. Zwar ist es nicht gelungen, auf empirischem Wege die Bedeutung solcher Bilanzpolitik, die ausschließlich zur Beeinflussung von Vergütungszahlungen vorgenommen bzw. geduldet wird, und solcher Bilanzpolitik, die zuerst der Erreichung von Ertragszielen dient, zu differenzieren. Hier ist jedoch zu beachten, dass bei der Überprüfung der Hypothesen 4a − 5b Unterschiede identifiziert wurden, die sich aus den Faktoren Bemessungsgrundlage der Aufsichtsratsvergütung und Höhe der Nichtprüfungshonorare des Abschlussprüfers ergeben. Es stellt sich also die Frage, ob die Neigung des Aufsichtsrates bzw. des Abschlussprüfers, Bilanzpolitik zur Erreichung von Ertragszielen zu dulden, systematisch von diesen Faktoren abhängt. Zumindest für den Aufsichtsrat ist dies nicht
188
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
PosDA × DA (β3p )
0,0003 (0,14)
0,0005 (0,68)
0,0098 (1,33)
0,0054 (0,74)
PosDA ×W P × DA (β4p )
0,0081 (1,07)
0,0064∗∗ (2,36)
0,0011 (0,09)
0,0143 (1,43)
PosDA × ZIEL × DA
−0,0040∗∗ −(2,25)
−0,0018∗∗∗ −(2,95)
PosDA ×W P × ZIEL × DA
−0,0024 −(0,31)
−0,0043 −(1,55)
−0,0166∗∗∗ −(2,78)
−0,0098∗ −(1,74)
0,0126 (0,96)
0,0057 (0,47)
β4p − β3p
0,0078 (0,96)
0,0059‡ (4,33)
−0,0087 (0,27)
0,0089 (0,37)
R2
0,1575
0,1562
0,1803
0,1896
n
271
271
271
271
∗ , ∗∗ , ∗∗∗
Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). ‡ Signifikant mit 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.25: Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.27) für das Ertragsziel NIi,t = 0
189
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
−0,0029 −(0,26)
−0,0178 −(1,15)
−0,0224∗∗∗ −(2,76)
0,0143 (1,01)
0,0122 (0,98)
0,0186 (0,93)
0,0335∗ (1,93)
PosDA × ZIEL × DA
−0,0002 −(0,12)
−0,0008 −(0,82)
0,0103 (0,71)
0,0164∗∗ (2,49)
PosDA ×W P × ZIEL × DA
−0,0095 −(0,67)
−0,0102 −(0,82)
−0,0062 −(0,31)
β4p − β3p
0,0175 (1,51)
0,0151 (1,00)
0,0364 (1,25)
0,0559§ (7,16)
R2
0,1518
0,1502
0,1524
0,1822
n
271
271
271
271
PosDA × DA (β3p ) PosDA ×W P × DA (β4p )
−0,0032 −(1,68)
∗
−0,0138 −(0,79)
∗ , ∗∗ , ∗∗∗
Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). § Signifikant mit 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.26: Ertragsziele: Ergebnisse der Regression (4.27) für das Ertragsziel NIi,t = NIi,t−1
190
ökonomisch plausibel, da abgesehen von verschiedenen Vergütungsanreizen kein Unterschied zwischen den Aufsichtsräten verschiedener Bemessungsgrundlagen besteht. Im Falle des Abschlussprüfers kann hingegen eingewendet werden, dass Prüfer mit eingeschränkter Unabhängigkeit jegliche Bilanzpolitik des Vorstandes – sei es zur Beeinflussung der Vergütung oder zur Erreichung von Ertragszielen – eher dulden als unabhängige Abschlussprüfer. Insofern kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse zu den Hypothesen 5a und 5b von solcher Bilanzpolitik beeinflusst sind, die vor dem Hintergrund von Ertragszielen durchgeführt wurde. Nach der hier vertretenen Auffassung ist jedoch nicht davon auszugehen, dass darin der hauptsächlich Treiber für die Ergebnisse zu sehen ist, da wie bereits erörtert die Ergebnisse der Schätzung von Gleichung (4.27) den Schluss nahelegen, dass die Power des verwendeten Tests bei gegebenem Datensatz nicht ausreicht, den sich andeutenden Effekt als signifikant anzuzeigen. Ferner ist anzumerken, dass die Bilanzpolitik des Vorstands in der Praxis ohnehin das Resultat der Abwägung zahlreicher Einflussfaktoren ist und sich somit Ertragsziele und Vergütungsanreize als Treiber der Bilanzpolitik nicht ausschließen sondern vielmehr einhergehen. 4.3.4.2 Eigentümerstruktur Die im Untersuchungssample vertretenen Unternehmen unterscheiden sich teilweise erheblich im Hinblick auf ihre Eigentümerstruktur. So befinden sich beispielsweise die Anteile an der E.ON AG überwiegend im Streubesitz,604 während die Anteile an der Rational AG mehrheitlich vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates gehalten werden.605 Es ist denkbar, dass die Struktur der Eigentümer eines Unternehmens die Vergütung des Vorstands beeinflusst. Die Eigentümerstruktur kann sich offen auf die Vorstandsvergütung auswirken, also durch systematische Unterschiede in den vertraglichen Modalitäten der Vorstandsvergütung zwischen Unternehmen mit verschiedenen Eigentümerverhältnissen. Geht man etwa davon aus, dass die Höhe der Vergütung als Signal für den Kapitalmarkt über den Wert des Unternehmens wirken kann,606 so ist anzunehmen, dass Unternehmen, die überwiegend im Streubesitz gehalten werden, tendenziell höhere Vorstandsvergütungen zahlen. Für diese Unternehmen ist die Informati-
604 605 606
Vgl. o. V., Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 08.08.2008, S. 22. Vgl. o. V., Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 11.12.2005, S. 54. Vgl. Hayes/Schaefer, CEO pay and the Lake Wobegon effect, 2009, S. 287–289.
191
onsasymmetrie zwischen dem Unternehmen und (potenziellen) Anlegern nämlich besonders hoch und damit der Einsatz von Signalinstrumenten am lohnendsten.607 Darüber hinaus können sich – bei gleichen Vergütungsvereinbarungen – die Anreize des Vorstands zum Einsatz von Bilanzpolitik zur Beeinflussung der variablen Vergütung unterscheiden.608 Zählt der Vorstand zu den Eigentümern des Unternehmens, so kann sein grundsätzliches Interesse an kurzfristiger Vergütung durch das Interesse am langfristigen Wertzuwachs seiner Beteiligung kompensiert werden und dadurch den Anreiz zum Einsatz von Bilanzpolitik neutralisieren.609 Ferner könnte die Eigentümerstruktur das Kontrollumfeld prägen und somit – bei gleichen Vergütungsvereinbarungen und gleichen Anreizstrukturen – die Erfolgsaussichten für die Beeinflussung der Vergütung durch Bilanzpolitik verändern. So ist es für institutionelle Investoren oder andere Mehrheitsaktionäre (z. B. Familienmitglieder, die im Aufsichtsrat eines Familienunternehmens vertreten sind) mit vergleichsweise geringen Kosten verbunden, ihre Informationsbedürfnisse zu befriedigen und somit eine wirksame Kontrollfunktion auszuüben.610 Vor allem im Fall von Aufsichtsratsmitgliedern mit hohem Anteilsbesitz fallen die institutionalisierte Kontrollaufgabe und der persönliche finanzielle Anreiz zur gewissenhaften Erfüllung dieser Aufgabe zusammen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Anreiz zur Duldung von Bilanzpolitik zur Steigerung der Aufsichtsratsvergütung von dem Interesse an der langfristigen Steigerung des Unternehmenswertes und damit des Wertes des eigenen Aktienvermögens dominiert wird. In diesem Szenario ist es dem Vorstand also erschwert, seine Vergütung durch Bilanzpolitik zu beeinflussen.611 Verfügt der Vorstand hingegen selbst über einen hohen Anteil am Unternehmen, so kann er den Minderheitsaktionären die Unternehmenskontrolle erschweren und in Form überhöhter Bonuszahlungen einen disproportionalen Anteil am Gewinn des Unternehmens vereinnahmen (sog. tunneling).612 Um den Einfluss der Eigentümerstruktur auf den Zusammenhang zwischen gewinnerhöhender Bilanzpolitik, den Anreizen des Aufsichtsrates und dessen variabler Vergütung zu berücksichtigen, wird das Regressionsmodell (4.22) um die 607 608 609 610 611
612
192
Vgl. O’Neill/Swisher, How useful are signals?, 2009, S. 62. Vgl. m w. N. Givoly/Hayn/Katz, Public ownership, 2010, S. 199. Vgl. dazu ausführlich Jensen/Meckling, Theory of the firm, 1976, S. 343–351. Vgl. Shleifer/Vishny, Large shareholders and corporate control, 1986, S. 462. Vgl. etwa Ozkan, Do corporate governance mechanisms influence CEO compensation?, 2007, S. 349; Jaggi/Leung/Gul, Family control, board independence and earnings management, 2009, S. 281. Vgl. Cheung/Stouraitis/Wong, Ownership concentration, 2005, S. 513–515; Johnson et al., Tunneling, 2000, S. 22.
Variable SHEMi,t ergänzt. Diese gibt an, in welcher prozentualen Höhe Anteile des jeweiligen Unternehmens von Mitarbeitern, Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern gehalten werden. BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3n + β4n ARi,t At At At At At DAi,t DAi,t +β3p PosDAi,t + β4p PosDAi,t × ARi,t Ai,t Ai,t +β5 SHEMi,t + Branchei,t + εi,t
(4.28)
Die wesentlichen Ergebnisse aus der Schätzung der Gleichungen (4.28) sind in Tabelle 4.27 zusammengefasst. Für die Variable SHEMi,t ergibt sich eine hohe statistische Signifikanz, d. h. sie hat offensichtlich Einfluss auf die variable Vergütung des Vorstandes. Vorstände von Aktiengesellschaften, an denen Manager, Aufsichtsratsmitglieder oder Mitarbeiter hohe Anteile halten, erhalten also tendenziell höhere variable Vergütungen.613 Die Differenz der Koeffizienten β4p und β3p ist in beiden Panels und nach allen Modellen positiv. Eine statistische Signifikanz ergibt sich indes in Panel A nur nach dem Cashflow-Modell und in Panel B nach dem Cashflow- sowie dem Performance-Modell. Erneut ergibt sich also nur eine schwache Evidenz für Hypothese 4b . Zur Überprüfung des Einflusses der Eigentümerstruktur auf den Zusammenhang zwischen gewinnerhöhender Bilanzpolitik, der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der variablen Vergütung des Vorstands wird das Regressionsmodell (4.24) in gleicher Weise ergänzt: BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t DAi,t = α+β1 + β2 + β3n + β4nW Pi,t At At At At At DAi,t DAi,t +β3p PosDAi,t + β4p PosDAi,t ×W Pi,t Ai,t Ai,t +β5 SHEMi,t + Branchei,t + εi,t
(4.29)
Die Ergebnisse der Schätzung von Gleichung (4.29) sind in Tabelle 4.28 wiedergegeben. Auch hier zeigt sich, dass der Einfluss der Variable SHEMi,t auf die variable Vergütung des Vorstands signifikant positiv ist. Die Differenz der Koeffizienten β4p und β3p ist in beiden Panels und nach allen Modellen positiv und 613
Dies sagt freilich nichts über die Gesamthöhe der Vergütung aus. Es ist denkbar, dass lediglich der Anteil der variablen Komponente höher ausfällt.
193
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
−0,0011 −(1,61)
−0,0077∗∗ −(2,18)
−0,0037 −(1,13)
0,0001 (0,10)
0,0089∗ (1,78)
0,0040 (0,80)
Panel A: NIi,t ∈ R PosDA × DA (= β3p )
−0,0031∗∗ −(2,04)
PosDA × AR × DA (=β4p )
−0,0002 −(0,08)
SHEM
0,0029∗∗∗ (3,59)
0,0029∗∗∗ (3,55)
0,0028∗∗∗ (3,61)
0,0029∗∗∗ (3,57)
β4p − β3p
0,0029 (1,18)
0,0012 (0,98)
0,0166‡ (5,06)
0,0077 (1,28)
R2
0,2018
0,1987
0,2130
0,2149
n
271
271
271
271
PosDA × DA (= β3p )
−0,0036∗ −(1,65)
−0,0010 −(1,01)
−0,0087∗∗ −(2,27)
−0,0074∗∗ −(2,44)
PosDA × AR × DA (=β4p )
−0,0014 −(0,72)
−0,0007 −(0,81)
0,0084 (1,45)
0,0036 (0,72)
Panel B: NIi,t ∈ R+
SHEM
0,0023∗∗∗ (2,59)
0,0023∗∗∗ (2,78)
0,0021∗∗∗ (2,75)
0,0022∗∗∗ (2,76)
β4p − β3p
0,0022 (0,41)
0,0003 (0,05)
0,0171‡ (4,11)
0,0110† (2,72)
R2
0,3105
0,2986
0,3363
0,3407
n
245
245
245
245
∗ ∗∗ ∗∗∗
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). † , ‡ Signifikant mit 10 %, 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger FTest). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.27: Eigentümerstruktur: Ergebnisse der Regression (4.28)
194
hoch signifikant. Dieser Befund spricht für einen generellen überdurchschnittlichen Einfluss gewinnerhöhender Bilanzpolitik auf die Bonuszahlungen des Vorstands im Falle eingeschränkter Prüferunabhängigkeit. Die Ergebnisse stützen somit Hypothese 5b . 4.3.5 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass, abweichend von bisheriger Forschung aus dem angelsächsischen Raum614 , anhand des Untersuchungssamples nicht gezeigt werden kann, dass die variable Vorstandsvergütung grundsätzlich überdurchschnittlich stark von positiven diskretionären Periodenabgrenzungen geprägt wird und somit von einem bewussten Einsatz von Bilanzpolitik zur Steigerung der Vergütung ausgegangen werden kann; dieser Befund gilt jedoch nur, sofern die Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer nicht berücksichtigt wird. Keine Evidenz für die Bestätigung von Hypothese 3. Es lässt sich die Annahme begründen, dass sowohl Aufsichtsräte als auch Abschlussprüfer unter gewissen Voraussetzungen mit dem Anreiz ausgestattet sein können, ihre Kontrollfunktion zu vernachlässigen und die gewinn- und damit bonuserhöhende Bilanzpolitik des Vorstands zu dulden. So zeigt sich für zwei der vier verwendeten Jones-Modelle, dass in Fällen, in denen der Aufsichtsrat auf Grundlage des bilanziellen Ergebnisses vergütet wird, der Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und der variablen Vergütung des Vorstandes besonders stark ist. Deutlicher lässt sich zeigen, dass der inkrementelle Einfluss gewinnerhöhender Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung im Falle einer ergebnisorientierten Aufsichtsratsvergütung stärker ausfällt als für andere Vergütungsgrundlagen. Schwache Evidenz für die Bestätigung von Hypothese 4a . Evidenz für die Bestätigung von Hypothese 4b . Ferner ist der Zusammenhang zwischen Bilanzpolitik und der variablen Vergütung des Vorstands besonders ausgeprägt, wenn die mit der Bilanzsumme des Vorjahres skalierten Honorare für Nichtprüfungsleistungen des Abschlussprüfers im oberen Quartil liegen. Dies zeigt sich bei der Analyse aller Beobachtungen 614
Vgl. Balsam, Discretionary accounting choices, 1998, S. 248 f. Shuto, Executive compensation and earnings management, 2007, S. 23 f.
195
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
−0,0042∗∗∗ −(2,80)
−0,0014∗∗ −(2,24)
−0,0091∗∗∗ −(2,61)
−0,0063∗∗ −(2,04)
PosDA ×W P × DA (=β4p )
0,0058∗∗ (2,13)
0,0023∗∗ (2,03)
0,0123∗∗ (2,19)
0,0190∗∗∗ (2,61)
SHEM
0,0030∗∗∗ (3,79)
0,0029∗∗∗ (3,70)
0,0030∗∗∗ (3,79)
0,0029∗∗∗ (3,74)
β4p − β3p
0,0100§ (9,15)
0,0037§ (7,20)
0,0214§ (5,06)
0,0253§ (9,73)
R2
0,2132
0,2049
0,2169
0,2404
n
271
271
271
271
−0,0042∗∗ −(2,06)
−0,0013 −(1,48)
Panel A: NIi,t ∈ R PosDA × DA (= β3p )
Panel B: NIi,t ∈ R+ PosDA × DA (= β3p )
−0,0091∗∗∗ −(2,74)
−0,0078∗∗∗ −(2,44)
PosDA ×W P × DA (=β4p )
0,0044 (1,55)
0,0023∗ (1,84)
0,0077 (1,17)
0,0096 (1,32)
SHEM
0,0023∗∗∗ (2,90)
0,0023∗∗∗ (2,83)
0,0023∗∗∗ (2,90)
0,0023∗∗∗ (2,90)
β4p − β3p
0,0086§ (5,26)
0,0036‡ (5,02)
0,0168‡ (4,07)
0,0174‡ (4,84)
R2
0,3212
0,3032
0,3320
0,3518
n
245
245
245
245
∗ ∗∗ ∗∗∗
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). ‡ , § Signifikant mit 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 4.28: Eigentümerstruktur: Ergebnisse der Regression (4.29)
196
für eins der vier verwendeten Jones-Modelle; unter Ausschluss der Beobachtungen mit negativem Jahresüberschuss ist dieser Befund hingegen für drei der vier Modelle festzustellen. Differenziert man zwischen gewinnerhöhender und gewinnmindernder Bilanzpolitik, so zeigt sich ausnahmslos, dass der inkrementelle Einfluss gewinnerhöhender Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung im Falle höher Nichtprüfungshonorare stärker ausfällt als bei geringem Umfang der Nichtprüfungsleistungen. Schwache Evidenz für die Bestätigung von Hypothese 5a . Starke Evidenz für die Bestätigung von Hypothese 5b . Insgesamt kann also geschlussfolgert werden, dass sowohl die Mitglieder des Aufsichtsrates als auch der Abschlussprüfer unter gewissen Voraussetzungen opportunistisch auf finanzielle Anreize reagieren und somit die Effektivität der Unternehmenskontrolle von der Ausgestaltung des Vergütungssystems sowie der Praxis der Vergabe von Beratungsaufträgen abhängen kann.
197
5 Diskussion und Würdigung der empirischen Ergebnisse 5.1 Validität der Ergebnisse Eine sinnvolle Interpretation der empirischen Ergebnisse setzt voraus, dass diese valide sind. Dazu muss zumindest die Konstruktvalidität der Variablen sowie die interne Validität des Forschungsdesigns gewährleistet sein; wünschenswert ist ferner die externe Validität der Ergebnisse.615 Konstruktvalidität liegt vor, wenn die verwendeten Variablen tatsächlich das messen, was sie messen sollen. Vor allem bei nicht beobachtbaren Größen stellt dies eine zu beachtende Herausforderung für die Untersuchung dar. Interne Validität bedeutet, dass die Forschungsmethodik eindeutige Schlüsse über die untersuchten Zusammenhänge zumindest innerhalb des untersuchten Samples zulässt und dabei Alternativerklärungen weitgehend ausgeschlossen werden können. Externe Validität liegt vor, wenn die Ergebnisse der Untersuchung auf Sachverhalte außerhalb des Untersuchungssamples übertragen werden können. Im Folgenden sollen potenzielle Schwächen der angewendeten Methodik und die sich daraus ergebenden Implikationen für die Interpretation der Ergebnisse diskutiert werden. Die Ausführungen beschränken sich dabei im Wesentlichen auf die in Kapitel 4.3 durchgeführten Untersuchungen, da diesen im Vergleich zu Kapitel 4.2 der hauptsächliche Erkenntnisgewinn der vorliegenden Arbeit entspringt. 5.1.1 Konstruktvalidität der Variablen Die in 4.3.1 dargelegten Hypothesen beschreiben Zusammenhänge zwischen Größen, die zwar theoretisch präzise abgegrenzt werden können, deren praktische Messung sich jedoch teilweise schwierig gestaltet. Da Größen wie Bilanzpolitik und Unabhängigkeit nicht unmittelbar messbar sind, werden zur Operationalisierung der Hypothesen sog. Proxies, d. h. Stellvertreter, gesucht, die zum einen die eigentlich zu untersuchende Größe repräsentieren und zum anderen messbar 615
Vgl. hier und folgend Kerlinger/Lee, Foundations of behavioral research, 2000, S. 475–478.
199 T. Tebben, Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik, DOI 10.1007/978-3-8349-6607-0_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
sind.616 Damit die auf Grundlage dieser Proxies erlangten empirischen Ergebnisse tatsächlich Rückschlüsse auf die Hypothesen zulassen, müssen die Proxies grundsätzlich geeignet sein, das zu messen, was gemessen werden soll.617 Im Folgenden soll diskutiert werden, für welche der verwendeten Variablen die Validität problematisch sein könnte.618 5.1.1.1 Vorstandsvergütung Die vorliegende Arbeit untersucht, ob die Vorstände von Aktiengesellschaften Bilanzpolitik betreiben, um ihr persönliches Vermögen zu erhöhen (Hypothese 3). Dieser vermutete Zusammenhang wird anhand von Regressionsgleichungen mit der kurzfristigen variablen Barvergütung des Vorstands als abhängige Variable modelliert. Die Variable BONUSi,t spiegelt aber die Vermögensveränderung des Vorstands, die sich aus dessen Bilanzpolitik ergibt, nur unvollständig wider. So werden langfristige Vergütungskomponenten, Aktienoptionsprogramme und die Wertentwicklung des Anteilsbesitzes des Vorstands ausgeblendet. Ferner beeinflusst die Bilanzpolitik möglicherweise den Barwert der zukünftigen Vergütungen, da sie sich in der Totalperiode stets umkehren muss;619 auch dies wird in dem Modell nicht berücksichtigt. Insofern kann argumentiert werden, dass die Konstruktvalidität der Variable BONUSi,t eingeschränkt sei. Es ist nämlich denkbar, dass BONUSi,t durch die Bilanzpolitik des Vorstands zwar positiv beeinflusst wird, sich jedoch außerhalb des Modells Vermögensminderungen ergeben, sodass die Bilanzpolitik letztlich nicht wie angenommen zu einem finanziellen Vorteil des Vorstands führt. In diesem Fall würde die Hypothese, der Vorstand betreibe die Bilanzpolitik zu seiner persönlichen Bereicherung, offenbar zu Unrecht unterstützt. Die Nichtbeachtung der langfristigen Barvergütung erscheint unproblematisch, da diese Vergütung aufgrund ihrer Berechnung im Regelfall in gleicher Richtung auf Bilanzpolitik reagiert wie kurzfristige Vergütungskomponenten, dies jedoch mit zeitlicher Verzögerung. Aus kurz- und langfristiger Vergütung ergeben sich daher keine widersprüchlichen Anreize. Anders verhält es sich mit Aktienopti616 617 618
619
200
Vgl. dazu ausführlich Libby, Accounting and human information processing, 1981, S. 10 f. Vgl. Kerlinger/Lee, Foundations of behavioral research, 2000, S. 641–645. Eine weitere, im Zusammenhang mit der Validität häufig erörterte Voraussetzung ist die Reliabilität der Variablen (vgl. dazu ebd., 2000, S. 641–645). Diese stellt nach der hier vertretenen Auffassung in den vorliegenden Untersuchungen kein Problem dar und wird im Folgenden nicht näher diskutiert. Vgl. Ronen/Yaari, Earnings Management, 2008, S. 372.
onsprogrammen oder dem Anteilsbesitz des Vorstandes am Unternehmen: wenn Bilanzpolitik zu Agency-Kosten führt und der Vorstand am Unternehmen beteiligt ist, so trägt er einen Teil der von ihm verursachten Agency-Kosten selbst. Da jedoch bei den im Untersuchungssample vertretenen Aktiengesellschaften der Vorstand nur über vergleichsweise geringe Beteiligungen verfügt, ist davon auszugehen, dass der positive Einkommenseffekt der Bilanzpolitik den auf den Vorstand entfallenden Teil der evtl. eintretenden Kursminderung übersteigt. Es ist ungewiss, welchen Einfluss die zwingende Umkehr gewinnerhöhender Bilanzpolitik in den Folgeperioden auf die Entscheidungsfindung des Vorstandes nimmt. Jedoch ist es plausibel anzunehmen, dass zeitlich und sachlich unmittelbare Auswirkungen der Bilanzpolitik auf das Vermögen des Vorstands die größte Anreizwirkung entfalten. So kann Bilanzpolitik die variable Vergütung unmittelbar erhöhen; die Wirkung der Umkehrung auf das Einkommen des Vorstandes liegt jedoch in der Zukunft und muss daher abgezinst werden. Zudem muss der Vorstand in seinem Kalkül die Möglichkeit berücksichtigen, dass sich keine negative Einkommenswirkung ergeben wird, da die Umkehrung der Bilanzpolitik in eine Periode fallen könnte, in der ohnehin aufgrund eines schlechten Ergebnisses keine variable Vergütung gezahlt wird. Ferner kann zwischen Bilanzpolitik und ihrer Umkehrung ein personeller Wechsel des Vorstandes liegen, sodass die negative Einkommenswirkung einen Dritten trifft. Aus diesen Gründen lässt sich annehmen, dass sich der Vorstand bei der Erwägung des Einsatzes opportunistischer Bilanzpolitik im Wesentlichen von seiner kurzfristigen variablen Vergütung leiten lässt. Die Variable BONUSi,t stellt daher eine geeignete Größe zur Überprüfung der Hypothese 3 sowie der darauf aufbauenden Hypothesen 4a , 4b , 5a und 5b dar. 5.1.1.2 Diskretionäre Periodenabgrenzungen Die in Kapitel 4.1.3.2 vorgestellten Jones-Modelle unternehmen den Versuch, die Periodenabgrenzungen eines Unternehmens in einen diskretionären und einen nicht-diskretionären Teil zu gliedern. Zu diesem Zweck wird anhand eines Prognosesamples ein Modell ermittelt, anhand dessen die normalen Periodenabgrenzungen bestimmt werden können. Abweichungen von diesen durch das Modell vorhergesagten Periodenabgrenzungen für die Beobachtungen des Untersuchungssamples werden dann als diskretionär angesehen. Es kann sich dabei jedoch ebenso gut um eine stochastische Streuung handeln.620 Letztlich lässt sich also nicht mit 620
Vgl. Dechow/Ge/Schrand, Understanding earnings quality, 2009, S. 43.
201
Bestimmtheit sagen, ob die Variable DAi,t wirklich diskretionäre Periodenabgrenzungen misst, d. h., ob für sie Konstruktvalidität vorliegt.621 Ähnlich dem aus der Finance-Literatur bekannten Problem des joint hypotheses testing622 untersuchen Studien, die ein Jones-Modell verwenden, gleichzeitig, ob das Modell tatsächlich Bilanzpolitik misst und ob die Bilanzpolitik einen der jeweiligen Forschungshypothese entsprechenden Einfluss hat. Da diese Hypothesen untrennbar miteinander verbunden sind, können Untersuchungsergebnisse auch nicht einer der beiden Hypothesen zugeordnet werden.623 Fehlerhaft gemessene diskretionäre Periodenabgrenzungen können bestenfalls dazu führen, dass vermutete Auswirkungen von Bilanzpolitik nicht erkannt werden, obwohl sie tatsächlich existieren; im schlechtesten Fall führen sie dazu, dass diese Auswirkungen irrtümlich bestätigt werden.624 So ist es denkbar, dass die in der vorliegenden Arbeit ermittelten Einflüsse der Variable DAi,t auf die Vorstands- bzw. Aufsichtsratsvergütung nicht etwa wie angenommen auf Bilanzpolitik, sondern auf nicht-diskretionäre Periodenabgrenzungen zurückzuführen sind, die irrtümlich in die Variable DAi,t einfließen. Gegen diese Vermutung spricht jedoch, dass sich für positive und negative Werte von DAi,t signifikant verschiedene Koeffizienten ergeben. Betrachtet man jedoch positive und negative Ausprägungen der Variable NDAi,t separat, so lässt sich kein Unterschied zwischen diesen Größen feststellen.625 Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass tatsächlich ein Unterschied zwischen den Größen DAi,t und NDAi,t besteht und die angewendeten Jones-Modelle nicht etwa eine zufällige Aufteilung der Periodenabgrenzungen vornehmen. 5.1.1.3 Anreizwirkung der Aufsichtsratsvergütung In den Kapiteln 4.2 und 4.3 wird angenommen, dass Aufsichtsräte, deren variable Vergütung auf Grundlage des Jahresüberschusses berechnet wird (ARi,t = 1), einem 621 622 623
624 625
202
Dieses Problem erkennt auch Balsam, Discretionary accounting choices, 1998, S. 248: „The truth is that there is no way of knowing what true discretionary accruals are.“ Vgl. etwa Fama, Efficient Capital Markets: II, 1991, S. 1575. Ergibt eine Untersuchung etwa keine signifikanten Ergebnisse, so lässt sich nicht ermitteln, ob dies an einer fehlerhaften Messung der Bilanzpolitik liegt oder daran, dass die richtig gemessene Bilanzpolitik nicht die angenommene Wirkung hat. Vgl. Bernard/Skinner, Managers’ choice of discretionary accruals, 1996, S. 317. Ersetzt man etwa in Gleichung (4.24) den Term PosDAi,t × DAi,t durch den analog gebildeten Term PosNDAi,t × NDAi,t , so ergibt sich für PosNDAi,t × W Pi,t × NDAi,t nach dem Cashflow-Modell ein Koeffizient, der nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 38,2 % von 0 verschieden ist.
Anreiz zur Duldung von Bilanzpolitik ausgesetzt sind. Ein empirischer Beleg für den Zusammenhang zwischen der Vergütungsgrundlage des Aufsichtsrates und der Bilanzpolitik des Unternehmens kann jedoch nicht erbracht werden.626 Gleichwohl wird die Annahme, dass ARi,t ein geeignetes Maß für die Anreizwirkung der Aufsichtsratsvergütung sei, nicht verworfen und die Variable in Kapitel 4.3 erneut eingesetzt, wo sie tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen führt. Somit wird unterstellt, dass das Ausbleiben des erwarteten Ergebnisses in Kapitel 4.2.2 nicht an einer ungeeigneten Variable ARi,t , sondern an anderen Gründen liegt. Die nicht-signifikanten Ergebnisse aus Kapitel 4.2.2 lassen es jedoch ratsam erscheinen zu erwägen, ob die Variable ARi,t ggf. nicht oder nicht nur die Anreizwirkung der Aufsichtsratsvergütung, sondern einen anderen Einfluss misst, der ursächlich ist für die signifikanten Ergebnisse aus Kapitel 4.3. Da die Bemessungsgrundlage der Aufsichtsratsvergütung nicht exogen vorgegeben wird, sondern im Ermessen der Eigentümer eines Unternehmens steht, ist es nämlich möglich, dass sich die Unternehmen mit unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen systematisch voneinander unterscheiden und die Untersuchung somit durch Selbstselektion verzerrt ist.627 Denkbare Einflüsse auf die Wahl der Bemessungsgrundlage sind dabei in erster Linie die Unternehmensgröße, die Eigentümerstruktur, die Branche oder der Aktienindex, in dem das Unternehmen notiert. Die Unternehmensgröße lässt sich alternativ durch die Bilanzsumme (Ai,t ), die Marktkapitalisierung (MVi,t ) oder die Umsatzerlöse (Si,t ) messen. Die Eigentümerstruktur wird durch den Anteil am Eigenkapital gemessen, der von Mitarbeitern, Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern gehalten wird (SHEMi,t ). Für keine dieser Variablen kann anhand des Kruskal-Wallis-Tests ein Zusammenhang mit ARi,t festgestellt werden. Auch die Indexzugehörigkeit hat dem χ 2 -Test zufolge keinen Einfluss auf die Bemessungsgrundlage der Aufsichtsratsvergütung. Für den Zusammenhang zwischen Branchenzugehörigkeit und ARi,t ergibt sich jedoch χ 2 = 11,63 mit 6 Freiheitsgraden, d. h. mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 7,1 % fällt die Verteilung der Variable ARi,t innerhalb der verschiedenen Branchen nicht gleich aus. Die positive Differenz β4p − β3p in Gleichung (4.22) könnte also darin begründet sein, dass in unterschiedlichen Branchen unterschiedlich viel Bilanzpolitik betrieben wird. Um diese Alternativerklärung auszuschließen, wird das Modell (4.22) für die verschiedenen Branchen getrennt regressiert. Dabei ergibt sich für einen Großteil der Beobachtungen wie bei der gleichzeitigen Analyse aller Branchen eine positive 626 627
Siehe oben Kapitel 4.2.2. Vgl. Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 253 f.
203
Differenz β4p − β3p . Einige Beobachtungen verteilen sich jedoch auf sehr kleine Branchen-Subsamples (beispielsweise n = 6), sodass sich das Regressionsmodell für diese Branchen nicht separat schätzen lässt. Als zusätzliche Überprüfung wird die Regressionsgleichung (4.22) als Fixed-Effects-Modell geschätzt.628 Die Resultate dieser Analyse bestätigen die vorherigen Resultate. Es scheint also unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse aus Kapitel 4.3.3.1 durch Brancheneinflüsse verzerrt sind. Die Variable ARi,t kann somit als valider Indikator für die Anreizwirkung der Vergütung auf den Aufsichtsrat angesehen werden. 5.1.1.4 Honorare des Abschlussprüfers Die empirischen Untersuchungen betrachten verschiedene Maße von Nichtprüfungshonoraren eines Abschlussprüfers und analysieren deren Auswirkung auf die Bilanzpolitik des Unternehmens bzw. die Vergütung des Vorstands. Diese Sichtweise impliziert, dass sich an den Honorarzahlungen eine Einschränkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers festmachen lässt. Zwar ist eine solche Annahme theoretisch begründbar,629 aber ihre tatsächliche Gültigkeit ist aufgrund uneinheitlicher empirischer Ergebnisse – vorwiegend auf Grundlage US-amerikanischer Daten – nicht ohne Zweifel.630 Zum einen wird in der Literatur angemerkt, dass um von der Höhe der Honorare auf eine finanzielle Abhängigkeit des Abschlussprüfers zu schließen, diese in Relation gesetzt werden müsse zu den gesamten Umsätzen der Prüfungsgesellschaft bzw. deren einzelnen Niederlassungen.631 Es ist unstrittig, dass die Berücksichtigung dieser relativen Wichtigkeit des einzelnen Mandanten die Konstruktvalidität der entsprechenden Variable erhöhen könnte. Im Untersuchungssample der vorliegenden Arbeit ist jedoch für 78 % der Firmenjahre eine der Big-4-Prüfungsgesellschaften (KPMG, Ernst & Young, PricewaterhouseCoopers und Deloitte) der Abschlussprüfer. Vor allem die drei erstgenannten Gesellschaften unterscheiden sich nicht wesentlich im Hinblick auf ihre Mandatsstruktur,632 sodass die Betrachtung der absoluten Höhe der Honorarzahlungen nach der hier vertretenen Auffassung nicht zu Verzerrungen führt. 628 629 630 631 632
204
Vgl. dazu ausführlich Stock/Watson, Econometrics, 2006, S. 356–360. Siehe oben Kapitel 3.2.1.2 und 3.2.2. Siehe dazu den Literaturüberblick, oben Kapitel 3.3.4. Vgl. etwa Chung/Kallapur, Client importance, nonaudit services, and abnormal accruals, 2003, S. 934 f. Vgl. dazu Petersen/Zwirner/Boecker, Wirtschaftsprüfungsmarkt in Deutschland, 2010, S. 218.
Zum anderen wird kritisiert, dass die Theorie der Quasirenten zwar einen besonderen Einfluss der Nichtprüfungshonorare auf die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers begründet, jedoch die Erbringung von Nichtprüfungsleistungen keine Voraussetzung für die Existenz von Quasirenten ist; eine finanzielle Abhängigkeit des Abschlussprüfers kann also auch dann entstehen, wenn er ausschließlich Prüfungsleistungen erbringt.633 Um dem Rechnung zu tragen, wird das Regres̃ sionsmodell (4.24) unter Verwendung von W Pi,t , einer Abänderung der bisher ̃ verwandten Variable W Pi,t , erneut geschätzt. Zu diesem Zweck nehme W Pi,t den Wert 1 an, wenn die Summe aus Prüfungshonoraren und Nichtprüfungshonoraren (skaliert mit der Bilanzsumme des Vorjahres) im oberen Quartil der Verteilung liegt. Auf diese Weise werden auch die Honorare berücksichtigt, die lediglich die Abschlussprüfung betreffen. Die wesentlichen Ergebnisse aus dieser Analyse sind in Tabelle 5.1 zusammengefasst. Der Vergleich mit den Resultaten aus Tabelle 4.21 macht deutlich, dass sich keine qualitative Änderung ergibt.634 Es ist für die vorliegende Untersuchung also offenbar unbeachtlich, ob lediglich die Nichtprüfungshonorare oder zusätzlich die Prüfungshonorare berücksichtigt werden. Dies lässt darauf schließen, dass der empirisch beobachtete Zusammenhang zwischen den Honorarzahlungen und der Vorstandsvergütung im Wesentlichen aus den Nichtprüfungshonoraren erwächst. Zusammenfassend hält die Betrachtung der Nichtprüfungshonorare einer Kritik zunächst Stand. Indes können die obenstehenden Überlegungen nichts daran ändern, dass der Zusammenhang zwischen Honorarzahlungen und der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers noch nicht abschließend erforscht ist und in der Accounting-Literatur die Vermutung eines solchen Zusammenhangs noch mit Skepsis betrachtet wird. In dieser Hinsicht sind die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit mit Vorsicht zu interpretieren. 5.1.2 Interne Validität der Ergebnisse 5.1.2.1 Multikollinearität Die vorliegenden empirischen Untersuchungen verwenden multiple lineare Regressionsmodelle, d. h. Modelle mit mehr als einer unabhängigen Variablen, um 633
634
Vgl. Ashbaugh/LaFond/Mayhew, Do nonaudit services compromise auditor independence?, 2003, S. 614; Antle et al., Audit fees, non-audit fees, and abnormal accruals, 2006, S. 253. ̃Pi,t = 1 Ein Grund dafür könnte sein, dass für einen Großteil der Beobachtungen W Pi,t = W gilt. Tatsächlich tritt diese Inzidenz für ca. 20,6 % der Beobachtungen auf.
205
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
−0,0042 ∗∗∗ − (2,64)
−0,0013∗∗ −(2,03)
−0,0082∗∗ −(2,53)
−0,0057 ∗∗ − (1,97)
̃P × DA PosDA × W (= β4p )
0,0064 ∗∗ (2,47)
0,0023∗∗ (2,47)
0,0180∗∗ (2,35)
0,0255 ∗∗∗ (2,81)
β4p − β3p
0,0106 § (10,37)
0,0036§ (8,35)
0,0262§ (8,20)
0,0312 (10,62)
R2
0,1542
0,1475
0,1602
0,1976
n
271
271
271
271
Panel A: NIi,t ∈ R PosDA × DA (= β3p )
Panel B: NIi,t ∈ R+ PosDA × DA
−0,0081∗∗∗ −(2,60)
−0,0074 ∗∗∗ − (2,77)
−0,0033 − (1,53)
−0,0008 −(0,82)
̃P × DA PosDA × W
0,0021 (0,92)
0,0006 (0,83)
0,0064 (0,69)
0,0099 (1,11)
β4p − β3p
0,0054 † (2,24)
0,0014 (0,94)
0,0145† (2,00)
0,0173 ‡ (3,44)
R2
0,2749
0,2597
0,2899
0,3106
n
245
245
245
245
∗∗ , ∗∗∗
Signifikant mit 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger t-Test). † ‡ § , , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). t- und F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 5.1: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der Regression (4.24) bei Verwendung einer alternativen Definition für W Pi,t
206
verschiedene Einflussfaktoren separat identifizieren zu können.635 Lässt sich jedoch eine unabhängige Variable als eine lineare Funktion einer anderen unabhängigen Variable ausdrücken, liegt Multikollinearität vor und die beiden Variablen können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.636 Deutlich wird dies etwa an der Gleichung (4.25): hier misst der Koeffizient β4p PosDAi,t × ARi,t den Einfluss der positiven Periodenabgrenzungen in den Fällen eines abhängigen Aufsichtsrates, während β5p PosDAi,t × W Pi,t den Einfluss der positiven Periodenabgrenzungen in den Fällen eines abhängigen Abschlussprüfers misst. Die Unterscheidung des Einflusses von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer kann in diesem Beispiel offensichtlich nur gelingen, wenn es Beobachtungen gibt, für die ARi,t ≠ W Pi,t . Um zu überprüfen, in welchem Maß die eingesetzten unabhängigen Variablen miteinander korrelieren, werden für die Regressionsmodelle (4.16)–(4.25) sog. variance inflation factors (VIF) für die einzelnen Koeffizienten berechnet.637 Die Interpretation des VIF ist grundsätzlich schwierig, da es vom Einzelfall abhängt, welches Ausmaß an Multikollinearität akzeptiert werden kann. In der Literatur hat sich jedoch ein Richtwert von 10 durchgesetzt, oberhalb dessen besondere Vorsicht bei der Interpretation der Koeffizienten geboten ist.638 Dieser Grenzwert wird bei den durchgeführten Untersuchungen nur für die Variablen DAi,t und NDAi,t unter Verwendung des modifizierten Jones-Modells überschritten; ansonsten fällt er deutlich geringer aus. Es ist also fragwürdig, ob die Aufteilung der Periodenabgrenzungen in einen diskretionären und einen nicht-diskretionären Teil nach dem modifizierten JonesModell geeignet ist, den Einfluss der Bilanzpolitik auf die Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung zu isolieren. Dieses Problem stellt jedoch die Untersuchungsergebnisse nicht insgesamt in Frage, da die übrigen Modelle, für die offenbar keine Multikollinearität vorliegt, mit den Resultaten des modifizierten Jones-Modells übereinstimmen. 5.1.2.2 Endogenität Eine wesentliche Annahme der Regressionsanalyse ist, dass die erklärenden Variablen exogen sind, d. h., dass kein Zusammenhang zwischen ihnen und der 635 636 637 638
Vgl. von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 133. Vgl. dazu ausführlich Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 95–99; von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 479–491; Griffiths/Hill/Judge, Econometrics, 1993, S. 431–435. Vgl. hier und folgend Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 99. Vgl. dazu kritisch O’Brien, Rules of thumb for variance inflation factors, 2007, S. 673 f.
207
Störgröße ε besteht; ist dies nicht gewährleistet, liegt Endogenität vor.639 Ein möglicher Grund für Endogenität ist ein wechselseitiger Einfluss zwischen der abhängigen und einer unabhängigen Variablen.640 Die in Kapitel 4.3 untersuchten Regressionsmodelle stellen die variable Vergütung des Vorstands bzw. des Aufsichtsrates als eine Funktion verschiedener erklärender Variablen, u. a. der Bilanzpolitik des Unternehmens dar. Grundlegend für die Hypothesen 3–5 ist die Idee, dass die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrates in Kenntnis ihrer jeweiligen Vergütungsvereinbarung die Auswirkung von Bilanzpolitik auf ihre Vergütung antizipieren und aus genau diesem Grund Bilanzpolitik betreiben oder dulden. Es wird also eine Wechselwirkung bzw. Simultaneität zwischen der Bilanzpolitik und der Höhe der variablen Vergütung unterstellt. Dies steht jedoch im Gegensatz zu der oben erläuterten Exogenitätsbedingung. Die Simultaneität der Variablen führt nicht zwingend dazu, dass die Ergebnisse der Regressionsanalysen fehlerhaft sind. Es hängt vom Einzelfall ab, in welche Höhe und Richtung die Ergebnisse verzerrt werden. Anhand des sog. Hausman-Tests lässt sich überprüfen, ob tatsächlich ein schädliches Maß an Endogenität vorliegt. Dazu werden die Ergebnisse der Regressionsanalyse mit den Ergebnissen eines anderen statistischen Verfahrens verglichen, welches explizit die Simultaneität der Variablen korrekt darstellen kann.641 Ein solches Verfahren ist der zweistufige 2SLS-Ansatz.642 Für die Anwendung dieses Ansatzes ist es erforderlich, die ggf. endogene unabhängige Variable in einer ersten Stufe als abhängige Variable durch sog. Instrumentvariablen zu erklären und die daraus resultierende Regression zu schätzen. Die Ergebnisse werden sodann in der zweiten Stufe anstelle der endogenen Variable in das ursprüngliche Regressionsmodell eingesetzt. Im vorliegenden Fall lässt sich die ggf. endogene Variable DAi,t wie bereits in Kapitel 4.2 erörtert anhand zahlreicher in der Accounting-Forschung identifizierter Einflüsse erklären. So lässt sich in Anlehnung an Gleichung (4.12) das folgende Modell aufstellen:
639 640 641 642
208
Vgl. von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 37–39. Vgl. Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 546. Vgl. ebd., 2009, S. 527. Vgl. hier und folgend von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 447–453; Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 521–525.
DAi,t = α+β1 SHEMi,t + β2 LEVi,t + β3 LOSSi,t + β4 lnMVi,t Ai,t +β5 GROW T Hi,t + β6 MBRAT IOi,t + Branchei,t + ε
(5.1)
Dieses Modell wird sodann in die Gleichung (4.18) eingesetzt, welche nun mit dem 2SLS-Ansatz unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus (5.2) geschätzt wird: BONUSi,t CFOi,t NDAi,t DAi,t = α + β1 + β2 + β3 + Branchei,t + εi,t At At At At
(5.2)
Die Ergebnisse der zweistufigen Schätzung von (5.1) und (5.2) sind in Tabelle 5.2 zusammengefasst. Im Vergleich zu den korrespondierenden Ergebnissen der herkömmlichen Regressionsanalyse643 (4.16) wird deutlich, dass der Einfluss der diskretionären Periodenabgrenzungen betragsmäßig höher ausfällt und sich eine deutlich höhere statistische Signifikanz ergibt. Die Simultaneität der Variablen BONUSi,t und DAi,t führt im vorliegenden Fall also dazu, dass die Ergebnisse der herkömmlichen Regressionsanalyse dergestalt verzerrt werden, dass eine Annahme der Hypothesen tendenziell erschwert wird. Wie zuvor erläutert, ist diese Art der Verzerrung grundsätzlich akzeptabel. Anhand des Hausman-Spezifikationstests soll überprüft werden, ob die Koeffizienten aus der Schätzung von Gleichung (5.2) mittels herkömmlicher Regressionsanalyse einerseits und des 2SLS-Ansatzes andererseits systematisch unterschiedlich sind. Die Resultate dieser Analyse sind in Tabelle 5.3 zusammengefasst. Für alle vier Modelle ist die Irrtumswahrscheinlichkeit für die Nullhypothese, dass sich die Koeffizienten der beiden Verfahren signifikant unterscheiden, fernab akzeptabler Werte. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die herkömmliche Regressionsanalyse trotz der ggf. bestehenden Simultaneität zuverlässige Ergebnisse erbringt. 5.1.2.3 Heteroskedastizität Die Regressionsanalyse basiert auf der Annahme, dass die Residuen ε für alle Beobachtungen eine konstante Varianz haben (Homoskedastizität);644 bei einer Verletzung dieser Annahme spricht man von Heteroskedastizität. Für die Untersuchungen aus Kapitel 4.3 bedeutet diese Annahme, dass die Varianz der variablen Vorstandsvergütung im gesamten Sample, d. h. über alle Branchen und Unternehmensgrößen 643 644
Gemeint ist damit die Schätzung mit der Methode der kleinsten Quadrate. Vgl. hier und folgend von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 363.
209
Abhängige Variable: BONUS Unabhängige Var. Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
0,0022∗∗∗ (6,55)
0,0022∗∗∗ (6,54)
0,0020∗∗∗ (4,06)
0,0061∗∗ (2,49)
CFO
0,0059∗∗∗ (3,51)
0,0060∗∗∗ (3,64)
0,0058∗∗∗ (3,56)
0,0050∗∗∗ (2,90)
NDA
0,0073∗∗∗ (3,08)
0,0075∗∗∗ (3,15)
0,0051 (1,51)
0,0416∗ (1,88)
DA
0,0070∗∗∗ (2,81)
0,0073∗∗∗ (2,24)
0,0080∗∗∗ (2,94)
0,0058∗∗ (2,31)
R2
0,1315
0,1302
0,1276
0,1416
n
270
270
270
270
Panel A: NIi,t ∈ R Konstante
Panel B: NIi,t ∈ R+ Konstante
0,0008∗ (1,95)
0,0008∗∗ (2,03)
0,0009∗ (1,79)
0,0048∗∗ (2,02)
CFO
0,0177∗∗∗ (7,21)
0,0175∗∗∗ (7,18)
0,0168∗∗∗ (6,97)
0,0158∗∗∗ (6,55)
NDA
0,0186∗∗∗ (6,43)
0,0187∗∗∗ (6,40)
0,0182∗∗∗ (4,59)
0,0521∗∗ (2,44)
DA
0,0188∗∗∗ (6,36)
0,0186∗∗∗ (6,37)
0,0177∗∗∗ (5,75)
0,0155∗∗∗ (5,47)
R2
0,2438
0,2344
0,2595
0,2830
n
244
244
244
244
∗ ∗∗ ∗∗∗
, , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (zweiseitiger z-Test). z-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 5.2: Zusammenhang zwischen Bonuszahlungen und den Komponenten des Bilanzgewinns: Ergebnisse der 2SLS-Regression (5.1) und (5.2)
Jones χ p
2
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
1,74
2,10
2,04
0,80
0,4170
0,3496
0,3612
0,6696
Tabelle 5.3: Ergebnisse des Hausman-Spezifikationstests für Gleichung 5.2
210
hinweg, gleich groß ist. Dies ist unrealistisch, da u. a. davon auszugehen ist, dass die Schwankung der variablen Vergütung nicht für alle Branchen identisch ist.645 Mithilfe des White-Tests kann zudem gezeigt werden, dass bei den verwendeten Regressionsmodellen tatsächlich Heteroskedastizität vorliegt.646 Diese Erkenntnis ist jedoch nicht verwunderlich, da Homoskedastizität bei Querschnittsanalysen einen für die Praxis irrelevanten Ausnahmefall darstellt.647 Heteroskedastizität beeinträchtigt nicht die Schätzung der Regressionskoeffizienten; sie führt jedoch zu einer fehlerhaften Berechnung der Standardfehler und somit der t-Statistiken, sodass Aussagen über die statistische Signifikanz der Koeffizienten ungültig sein können.648 Um dieses Problem zu vermeiden, sind alle in der vorliegenden Untersuchung genannten t-Statistiken auf Grundlage sog. White-Standardfehler649 errechnet worden. Diese sind robust gegenüber der Verletzung der Homoskedastizität und führen damit zu gültigen Aussagen über die Signifikanz der Koeffizienten.650 5.1.2.4 Verteilung der abhängigen Variablen und der Residuen Die Regressionsanalyse stellt formell keine Anforderungen an die Verteilung der intervallskalierten abhängigen Variable; vor allem erfordert sie nicht, dass die abhängige Variable normalverteilt ist. Die statistische Signifikanz der Schätzwerte für die Koeffizienten eines Regressionsmodells wird jedoch anhand von t-Tests beurteilt, und dieses Testverfahren setzt voraus, dass die Schätzwerte normalverteilt sind.651 Dies ist tendenziell unproblematisch, wenn bereits die abhängige Variable normalverteilt ist. Daher hat sich in der empirischen Wirtschaftsforschung die Vorgehensweise etabliert, die abhängige Variable einer Regressionsanalyse durch eine nichtlineare Transformation in eine glockenförmige und damit der Normalverteilung ähnliche Form zu bringen. Dies betrifft auch eine Vielzahl von Studien, welche die Einflussfaktoren auf Vergütungszahlungen untersuchen und 645
646 647 648 649 650 651
Die Berücksichtigung der verschiedenen Branchen durch Dummy-Variablen kontrolliert zwar den Umstand, dass die Höhe der Vergütung branchenabhängig ist. Dies betrifft jedoch nicht die Streuung der Vergütung. Vgl. zu diesem Verfahren Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 274–276. Vgl. Stock/Watson, Econometrics, 2006, S. 164–166. Vgl. Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 264. Vgl. dazu ausführlich White, Heteroskedasticity-consistent covariance matrix estimator, 1980, S. 818–821. Vgl. Stock/Watson, Econometrics, 2006, S. 686–688. Vgl. Kerlinger/Lee, Foundations of behavioral research, 2000, S. 415; Wooldridge, Introductory Econometrics, 2009, S. 121
211
diese zu dem Zweck logarithmieren.652 Aus den in Kapitel 4.3.2 dargelegten Gründen ist es für die vorliegende Arbeit ökonomisch nicht sinnvoll, die rechtsschiefe Variable BONUSi,t zu logarithmieren. Allerdings ist aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes anzunehmen, dass bei einer ausreichend großen Stichprobe auch bei einer nicht-normalverteilten abhängigen Variablen die einzelnen Parameter des Regressionsmodells der Normalverteilung unterliegen.653 Der Stichprobenumfang der vorliegenden Arbeit überschreitet dabei den in diesem Zusammenhang in der Literatur genannten Mindestwert von n = 100 deutlich.654 Die Anwendbarkeit von t-Tests zur Beurteilung der Signifikanz der Regressionskoeffizienten ist somit gewährleistet. Zudem setzt die Methodik der Regressionsanalyse streng genommen voraus, dass die Residuen aus der Modellschätzung normalverteilt sind.655 Abbildung 5.1 stellt beispielhaft die Residuen aus der Schätzung von Gleichung (4.25) für das Performance-Modell als Histogramm mit der Normalverteilung als Referenzkurve dar; die Residuen aus der Schätzung der übrigen Modelle zeigen ein ähnliches Bild. Bereits aus der graphischen Analyse wird deutlich, dass die Residuen nicht normalverteilt sind. Darüber hinaus kann anhand des Jarque-Beta-Tests die Nullhypothese verworfen werden, dass die Residuen der Normalverteilung folgen.656 Diese Annahmeverletzung ist bei dem in der vorliegenden Untersuchung gegebenen Stichprobenumfang aber unproblematisch, da wiederum durch den zentralen Grenzwertsatz angenommen werden kann, dass die Schätzer des Regressionsmodells gegen eine Normalverteilung konvergieren, auch wenn die Residuen nicht normalverteilt sind. Zusätzlich zu diesen Überlegungen liegt mit dem Bootstrapping-Verfahren eine Methode zur Beurteilung der Regressionskoeffizienten vor, die keine Anforderungen an deren Verteilungsfunktion stellt.657 Zur Sicherung der empirischen Ergebnisse der Untersuchung bietet es sich daher an zu überprüfen, ob diese auch mithilfe des Bootstrapping-Verfahrens erzielt werden. Daher sollen die für Überprüfung 652
653 654 655 656 657
212
Vgl. etwa Finkelstein/Boyd, The role of managerial discretion in the setting of CEO compensation, 1998, S. 188; Conyon/Schwalbach, Executive compensation: Evidence from the UK and Germany, 2000, S. 516; Chhaochharia/Grinstein, CEO compensation and board structure, 2009, S. 243. Vgl. Hartung/Elpelt/Klösner, Statistik, 2005, 137 f. Vgl. Henze, Stochastik, 2008, S. 206. Vgl. von Auer, Ökonometrie, 2007, S. 40. Vgl. hier und folgend ebd., 2007, S. 420–422. Vgl. zu dieser Methode ausführlich Russell/Dean, Bootstrap as an alternative to the parametric estimation, 2000, S. 166–170.
Abbildung 5.1: Verteilung der Residuen aus der Schätzung von Modell 4.25
der Hypothesen 3-5b entscheidenden Regressionsmodelle unter Anwendung des Bootstrapping-Verfahrens mit jeweils 50 Replikationen erneut geschätzt werden. Die wesentlichen Ergebnisse der entsprechenden Schätzungen sind in Tabelle 5.4 zusammengefasst. Im Vergleich zu den jeweils entsprechenden Koeffizienten aus den Tabellen 4.17, 4.18, 4.19, 4.20 und 4.21 fällt die statistische Signifikanz tendenziell geringer aus. Insgesamt verbleibt sie jedoch auf einem Niveau, das es rechtfertigt, an den oben getroffenen Aussagen über die Hypothesen 3–5b festzuhalten. 5.1.3 Externe Validität der Ergebnisse Die Schlussfolgerungen einer empirischen Untersuchung gelten zunächst für die Beobachtungen, die der Analyse zugrunde liegen. Eine Untersuchung verfügt über externe Validität, soweit sich ihre Ergebnisse auf Sachverhalte übertragen lassen, die über diese begrenzte Datengrundlage hinausgehen.658 Dies ist grundsätzlich möglich, wenn die verwendeten Daten repräsentativ für eine Grundgesamtheit sind.659 658 659
Vgl. Cook/Campbell, Design and analysis issues, 1979, S. 73. Vgl. Creswell, Research design, 2003, S. 156.
213
Unabhängige Var.
Jones
mod. Jones
CFO-Jones
Perf.-Jones
Panel A: Modell (4.19) (Hypothese 3). Abhängige Variable: BONUS PosDA × DA Adj. R2
−0,0022 −(1,62)
−0,0006 −(1,05)
−0,0034 −(1,14)
−0,0024 −(0,70)
0,1514
0,1009
0,0989
0,1099
Panel B: Modell (4.20) (Hypothese 4a ). Abhängige Variable: BONUS PosDA × AR × DA −0,0004 −0,0003 0,0062∗∗∗ 0,0043∗∗ −(0,34) −(0,53) (2,80) (1,81) Adj. R2
0,0096
0,1001
0,1106
0,1162
Panel C: Modell (4.22) (Hypothese 4b ). Abhängige Variable: BONUS β4p − β3p Adj. R2
0,0038 (1,49) 0,0980
0,0016 (0,85) 0,0959
0,0162‡ (4,41) 0,1128
0,0073 (1,18) 0,1118
Panel D: Modell (4.23) (Hypothese 5a ). Abhängige Variable: BONUS PosDA ×W P × DA
0,0004 (0,30)
−0,0003 −(0,56)
R2
0,0997
0,1003
0,0052∗∗ (1,87)
0,0039∗ (1,44)
0,1065
0,1141
Panel E: Modell (4.24) (Hypothese 5b ). Abhängige Variable: BONUS β4p − β3p
0,0089‡ (3,90)
0,0033‡ (2,53)
0,0191‡ (4,63)
0,0247§ (5,74)
Adj. R2
0,1079
0,1024
0,1119
0,1118
n = 271 ∗ , ∗∗ , ∗∗∗ Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger z-Test). z-Statistiken werden in Klammern angegeben. † ‡ § , , Signifikant mit 10 %, 5 %, 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit (einseitiger F-Test). F-Statistiken werden in Klammern angegeben. Tabelle 5.4: Ergebnisse der Regressionen (4.19), (4.20), (4.22), (4.23) und (4.24) bei Anwendung des Bootstrapping-Verfahrens
214
Die vorliegende Arbeit betrachtet Aktiengesellschaften der Indizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX. Es ist fraglich, ob die beobachteten Zusammenhänge zwischen Vergütungsanreizen und opportunistischer Bilanzpolitik auf Aktiengesellschaften übertragen werden können, die nicht in diesen Indizes notieren. Gegen eine Übertragbarkeit spricht, dass bei kleineren Aktiengesellschaften die Vorstandsund Aufsichtsratsvergütungen bzw. das Volumen der Beratungsaufträge für den Abschlussprüfer in der Regel deutlich geringer ausfallen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Wirkung eines finanziellen Anreizes auch mit dessen absoluter Höhe einhergeht. Andererseits ist zu bedenken, dass Aktiengesellschaften, die außerhalb der Hauptindizes oder sogar gar nicht börslich notieren, einer geringeren Aufsicht durch die Kapitalmarktteilnehmer ausgesetzt sind und somit im Vergleich zu den in dieser Arbeit untersuchten Unternehmen ggf. mit geringeren Kosten Bilanzpolitik betreiben können. Ferner stellt sich die Frage, ob die Erkenntnisse auch für Unternehmen mit einer anderen Rechtsform gelten. So ist es etwa denkbar, dass die Mitglieder eines Aufsichtsrates einer GmbH (§ 52 GmbHG) ebenso agieren wie im Falle einer Aktiengesellschaft. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Rechtsform eines Unternehmens keine stochastische Größe ist, sondern durch das Unternehmen selbst gewählt wird. Dies spricht für einen systematischen Unterschied zwischen Aktiengesellschaften und GmbHs. Ein zentraler Unterschied liegt in den für diese Rechtsformen typischen Eigentümerstrukturen. Die GmbH ist nämlich in der Regel durch eine geringe Anzahl von Eignern gekennzeichnet, die jeweils einen substanziellen Anteil am Eigenkapital besitzen; Streubesitz, wie er für große Aktiengesellschaften charakteristisch ist, bildet ist der GmbH daher eine seltene Ausnahme. Zudem ist es verbreitet, dass der bzw. die Geschäftsführer einer GmbH zugleich wesentliche Anteile am Kapital halten. Das Anreiz- und Kontrollumfeld innerhalb der GmbH weicht somit ggf. von dem der Aktiengesellschaft ab. Insgesamt können die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit daher ohne weitergehende Überprüfungen weder auf Aktiengesellschaften außerhalb der genannten Indizes noch auf andere Kapitalgesellschaften übertragen werden. Weiterhin ist fraglich, ob die Befunde für die untersuchten Aktiengesellschaften auch außerhalb des untersuchten Zeitraums 2005–2007 gelten. Nimmt man an, dass in einer hypothetischen Untersuchung eines anderen Zeitraums – unter Beibehaltung der personellen Besetzung von Vorständen, Aufsichtsräten und Abschlussprüfern – abweichende Ergebnisse erzielt werden, so kann dies, aus Sicht der Entscheider, auf exogene oder endogene Änderungen zurückzuführen sein. Zur ersten Kategorie zählt etwa eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Entwicklung, z. B. eine Wirtschaftskrise, die sich auf die Ergebnisse der Unterneh-
215
men und damit auf die Bemessungsgrundlage der Vergütungszahlungen auswirkt. Darüber hinaus kann sich, sei es durch gesetzliche Vorschriften oder durch freiwillige Bestrebungen des Unternehmens, das Kontrollumfeld ändern und somit die Durchsetzbarkeit oder der Nutzen660 opportunistischer Bilanzpolitik sinken. Eine endogene Veränderung ist hingegen gleichbedeutend mit einer Veränderung der Nutzenfunktion der Entscheider. Sie liegt also vor, wenn die Entscheider zu einem Zeitpunkt t1 trotz gleichbleibender äußerer Bedingungen bei der Bewertung des Erwartungsnutzens opportunistischer Bilanzpolitik zu einem anderen Ergebnis kommen in t0 . Denkbare Gründe für solch eine Entwicklung sind etwa der Anstieg des Verantwortungsbewusstseins oder des subjektiv wahrgenommenen Haftungsrisikos des Entscheiders, z. B. als Folge der öffentlichen Debatte über Organbezüge. Hinzu kommt freilich, dass sich für einen anderen Betrachtungszeitraum personelle Unterschiede hinsichtlich der Entscheider ergeben können. Die skizzierten exogenen Änderungen mögen die externe Validität der Untersuchung einschränken; sie sind aber zumindest qualitativ beobachtbar und insofern unproblematisch. Anders verhält es sich mit den endogenen Änderungen. Diese sind prinzipbedingt nicht beobachtbar. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich daher nicht mit Gewissheit auf andere Zeiträume übertragen. Es erscheint jedoch zulässig, von einer generellen Gültigkeit der Ergebnisse für große Aktiengesellschaften auszugehen, sofern keine Gründe für die Existenz endogener Änderungen sprechen. Eine solche Einschränkung der externen Validität ist charakteristisch für Untersuchungen über das Verhalten von Individuen und niemals gänzlich zu vermeiden.661 5.1.4 Zwischenfazit Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass die empirischen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit einer kritischen Überprüfung der methodischen und ökonometrischen Aspekte standhalten. So konnte die Beleuchtung der Untersuchungen hinsichtlich der Konstruktvalidität, der Multikollinearität und der Endogenität der verwendeten Variablen in den jeweiligen Regressionsmodellen sowie hinsichtlich der Heteroskedastizität der Daten keine schwerwiegenden Zweifel an der Validität der Ergebnisse wecken. Jedoch ist es in den empirischen Wissenschaften prinzipiell niemals möglich, sämtliche ökonomischen und methodischen Alter660 661
216
Dies betrifft vor allem die Abkoppelung der Vergütungszahlungen von buchmäßigen Erfolgsgrößen. Vgl. Kerlinger/Lee, Foundations of behavioral research, 2000, S. 476 f.
nativerklärungen für die vorliegenden Untersuchungsergebnisse auszuräumen.662 Ferner ist die Übertragbarkeit der Untersuchungsergebnisse auf Sachverhalte außerhalb des Untersuchungssamples stets mit Ungewissheit verbunden und erfordert die Berücksichtigung ggf. unterschiedlicher Rahmenbedingungen. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind daher trotz der durchgeführten Überprüfungen ihrer Validität mit Vorsicht zu interpretieren.
5.2 Implikationen der Ergebnisse Bilanzpolitik schränkt im Regelfall die Entscheidungsnützlichkeit des Abschlussesfür dessen Adressaten ein, was Fehlallokationen und somit finanzielle Schäden für Investoren nach sich ziehen kann.663 Hinzu kommt, dass Vergütungszahlungen an die Organe der Aktiengesellschaft, die als Folge von Bilanzpolitik über das angemessene Maß664 hinausgehen, nicht für Investitionen der Gesellschaft oder Dividendenzahlungen an die Aktionäre zur Verfügung stehen. Daher dürfte davon auszugehen sein, dass Aktiengesellschaften als Teil ihrer Anstrengungen um eine gute Corporate Governance im Allgemeinen bemüht sind, die Anreize für Bilanzpolitik, speziell für solche zur Beeinflussung der Organbezüge, zu verringern. Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex verfolgt das Ziel, Unternehmen dabei durch eine Ansammlung von Empfehlungen und Anregungen zu unterstützen. Die folgenden Überlegungen befassen sich mit der Frage, welche Handlungsempfehlungen für die Verbesserung der Corporate Governance aus den empirischen Ergebnissen dieser Arbeit abgeleitet werden können. 5.2.1 Vergütung des Vorstands Die erfolgsabhängige Vergütung des Vorstands auf der Grundlage buchhalterischer Erfolgsgrößen bringt den Anreiz zum Einsatz von Bilanzpolitik mit sich. Es ließe sich daher diskutieren, das Problem unmittelbar an der Quelle zu beheben und keine buchhalterische Erfolgsgrößen als Berechnungsgrundlage für die Vorstandsvergütung zu verwenden. Lehnt man die erfolgsabhängige Vergütung des Vorstandes nicht grundsätzlich ab, so ergibt sich aus dieser Forderung zwingend die Frage nach einer anderen geeigneten Bemessungsgrundlage. Grundsätzlich 662 663 664
Vgl. Popper, Logik der Forschung, 1935, S. 12. Siehe oben Kapitel 3.1.3. Gemeint ist damit die Vergütung, die sich ergibt, wenn der nicht durch Bilanzpolitik verzerrte Abschluss bei der Berechnung zugrunde gelegt wird.
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sind nach Laux die Bemessungsgrundlagen eines Belohnungssystems u. a. an den Kriterien der intersubjektiven Überprüfbarkeit, Anreizkompatibilität, Einfachheit und Effizienz665 zu beurteilen.666 In der Unternehmenspraxis lässt sich beobachten, dass die variable Barvergütung des Vorstands überwiegend auf Grundlage absoluter oder relativer buchhalterischer Erfolgsmaße berechnet wird; darüber hinaus wird die Vorstandsvergütung teilweise nach dem Ermessen des Aufsichtsrates, in Abhängigkeit der Erreichung individueller Ziele oder auf Grundlage dividendenorientierter Größen gezahlt.667 Die häufige Verwendung buchhalterischer Größen ist wohl darauf zurückzuführen, dass diese die oben genannten Kriterien weitgehend erfüllen. Für diese Bemessungsgrundlage spricht vor allem ihre Einfachheit, da sie ohne Zutun aus dem Rechnungswesen des Unternehmens hervorgeht; die Vergütung verursacht daher vergleichsweise geringe administrative Kosten. Das Kriterium der Anreizkompatibilität ist erfüllt, soweit das verwendete Erfolgsmaß den tatsächlichen Erfolg des Unternehmens widerspiegelt und nicht das Ergebnis einer bilanzpolitischen Verzerrung ist. Bewegt das Entlohnungssystem durch seine Anreizkompatibilität den Vorstand dazu, gute Entscheidungen zu treffen, führt dies zusammen mit den geringen Kosten der Umsetzung zur Effizienz des Systems. Schließlich ist die intersubjektive Überprüfbarkeit als erfüllt anzusehen, solange alle beteiligten Parteien darauf vertrauen, dass ein durch einen Abschlussprüfer testierter Abschluss die tatsächliche Lage des Unternehmens aufzeigt. Die oben genannten alternativen Bemessungsgrundlagen sind nicht frei von Problemen. So ist die Kopplung der variablen Barvergütung des Vorstands an die Dividendenzahlungen des Unternehmens zwar ebenfalls einfach und intersubjektiv überprüfbar. Fraglich ist jedoch, ob das Kriterium der Anreizkompatibilität erfüllt ist. Die Gewinnausschüttung steht nämlich nur in einem indirekten Zusammenhang zum aktuellen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, da im Rahmen der gesetzlichen Ausschüttungsbegrenzungen auch Gewinne aus Vorjahren ausgezahlt werden können. Hinzu kommt, dass einige Aktiengesellschaften aus unternehmenspolitischen Gründen keine Dividenden gewähren. Ist die Vergütung hingegen vom Erreichen individueller Ziele abhängig, so ist eine intersubjektive Überprüfbarkeit nur gewährleistet, wenn die Ziele präzise operationalisiert werden. Dies ist vor 665
666 667
218
Mit Effizienz ist in Abgrenzung zur Einfachheit gemeint, dass die Kosten des Belohnungssystems geringer sind als der aus der Belohnung entstehende Nutzen. Ein Belohnungssystem kann demnach einfach und ineffizient zugleich sein. Vgl. Laux, Unternehmensrechnung, Anreiz und Kontrolle, 2006, S. 27–33. Vgl. Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 55.
allem bei Zielen, die zwar auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abstellen aber wegen der bilanzpolitischen Beeinflussbarkeit des Rechnungswesens nicht auf buchhalterische Größen zurückgreifen sollen, sehr aufwendig, sodass das Erfordernis der Einfachheit ggf. nicht erfüllt ist. Gänzlich abzulehnen ist nach der hier vertretenen Auffassung eine variable Barvergütung des Vorstands im Ermessen des Aufsichtsrates, da diese zum einen wohl nicht intersubjektiv überprüfbar und zum anderen nicht anreizkompatibel sein dürfte. Anreizkompatibilität kann nämlich nur gegeben sein, wenn der durch das Vergütungssystem Gelenkte im Vorhinein antizipieren kann, welche Auswirkungen seine Handlungen auf die Höhe seiner Vergütung haben. Aus dieser Betrachtung wird deutlich, dass es nicht ohne weiteres möglich ist, auf rechnungswesenbasierte Bemessungsgrundlagen bei der variablen Barvergütung des Vorstands zu verzichten und die damit einhergehenden Anreize zu opportunistischer Bilanzpolitik gänzlich zu vermeiden. Um diese Anreize oder die Aussicht auf einen erfolgreichen Einsatz vergütungsbeeinflussender Bilanzpolitik zumindest zu verringern, bietet es sich aber an, auf eine kurzfristige variable Vergütung des Vorstands zu verzichten und ausschließlich mehrjährige Bemessungsgrundlagen zu verwenden. Dieser Ansatz ist in den Änderungen des Aktienrechts durch das VorstAG zu erkennen. Wie aber bereits bei der Diskussion der entsprechend reformierten Vorschriften deutlich wurde,668 gehen die Regelungen in der Fassung des VorstAG nicht weit genug, um eine nennenswerte Reduktion der Anreize zu Bilanzpolitik zu erreichen. So ist es nämlich zulässig, der variablen Vorstandsvergütung zweijährige Erfolgsmaße zugrunde zu legen;669 erfolgserhöhende Bilanzpolitik lässt sich indes über zwei Jahre aufrecht erhalten. Es ist weiterhin zulässig, eine einjährig bemessene Vergütung zu zahlen, solange diese durch eine mehrjährige Vergütung ergänzt wird und die Anreizwirkung des Vergütungssystems im Ergebnis langfristig ist.670 Auch ein Mischsystem mit einer überwiegend langfristigen Ausrichtung führt jedoch nicht zwingend dazu, dass sich der Barwert aus kurzfristiger und langfristiger Vergütung nicht durch Bilanzpolitik steigern ließe. Aus diesem Grund scheint es ratsam, die Vorschriften des AktG oder zumindest die Empfehlungen des DCGK hinsichtlich der Vorstandsvergütung dahingehend zu 668 669 670
Vgl. oben Kapitel 2.1.3. Vgl. Bauer/Arnold, Vorstandsvergütung nach dem VorstAG, 2009, S. 722; Hoffmann-Becking/ Krieger, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, Rn. 17. Vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BundestagsDrucksache 16/13433, S. 10. Vgl. ferner Fleischer, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, S. 803; Hoffmann-Becking/Krieger, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, Rn. 11.
219
ändern, dass der Einsatz kurzfristiger rechnungswesenbasierter Bemessungsgrundlagen vollständig unterbleibt. So könnte in Anlehnung an § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, der die Mindesthaltezeit für im gewisse im Rahmen von Anreizprogrammen ausgegebene Aktienoptionen festlegt, ein Zeitraum von vier Jahren gewählt werden.671 Einzelne Unternehmen demonstrieren bereits die Bereitschaft, die Entlohnung ihrer Manager an nachhaltige Vergütungssysteme anzupassen.672 Neben der möglichst weitreichenden Abschaffung von Anreizen zu opportunistischer Bilanzpolitik ist es ferner sinnvoll, diese durch geeignete Kontrollmaßnahmen zu unterbinden. Auch aus diesem Kalkül unterwirft der Gesetzgeber die Rechnungslegung der Aktiengesellschaft der Kontrolle des Aufsichtsrates und stellt diesem einen Abschlussprüfer zur Seite, § 171 Abs. 1 AktG. Die empirischen Befunde der vorliegenden Arbeit, namentlich die mangelnde Evidenz zur Akzeptanz der Hypothese 3 bei gleichzeitiger Bestätigung der Hypothesen 4a –5b , legen den Schluss nahe, dass diese Unternehmenskontrolle tatsächlich zur Eindämmung der Beeinflussung der Vergütung durch Bilanzpolitik führt, sofern die Kontrollinstanzen nicht ihrerseits durch ungünstige Anreize zu opportunistischem Verhalten veranlasst werden. Weitere Maßnahmen sollten daher auch auf die Effektivität der Unternehmenskontrolle gerichtet werden. Zusätzlich zu der in dieser Arbeit vorwiegend thematisierten Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer übt auch der Kapitalmarkt eine kontrollierende und disziplinierende Funktion aus.673 Voraussetzung dafür ist aber die Versorgung der Marktteilnehmer mit Informationen. Auch aus diesem Grund empfiehlt der DCGK in Ziffer 4.2.5, dass Aktiengesellschaften in einem Vergütungsbericht die Grundzüge des für den Vorstand angewandten Vergütungssystems erläutern. Für die Adressaten des Vergütungsberichts ist dabei auch von Interesse, welche Bemessungsgrundlagen für die Berechnung der Vorstandsvergütung verwendet werden, da sich so abschätzen lässt, wie groß die Rolle buchhalterischer Erfolgsgrößen und damit der Anreiz zu opportunistischer Bilanzpolitik ist. Daher wird 4.2.5 in der Kommentarliteratur auch so verstanden, dass aus den offengelegten Informationen erkennbar wird, an welche Voraussetzungen die Gewährung einer kurzfristigen variablen Vergütung geknüpft ist und in welchem Verhältnis diese zu den langfristigen Vergütungskomponenten steht.674 Die 671 672 673 674
220
Vgl. auch Hoffmann-Becking/Krieger, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 2009, Rn. 20. Vgl. Fabisch, Nachhaltigkeitsmanagement, 2010, S. 121. Vgl. hier und folgend Segler/Wald/Weibler, Corporate Governance im internationalen Wettbewerb, 2007, S. 207. Vgl. Ringleb, Kodex-Kommentar, 2010, Rn. 784.
im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ausgewerteten Vergütungsberichte erfüllten diese Anforderung größtenteils nicht; eine Aussage über jüngere Vergütungsberichte kann wegen des gewählten Untersuchungszeitraums nicht getroffen werden. Grundsätzlich ist aber zu empfehlen, dass Unternehmen im Bestreben um eine gute Corporate Governance die Transparenz ihres Vergütungssystems durch möglichst weitreichende Angaben im Vergütungsbericht steigern. 5.2.2 Vergütung des Aufsichtsrates Eine wesentliche Funktion variabler Vergütung ist es, den Empfänger der Vergütung dazu zu motivieren, die ihm übertragenen Aufgaben gut auszuführen.675 Der Aufsichtsrat ist mit der Aufgabe betraut, die Geschäftsführung durch den Vorstand zu überwachen, § 111 Abs. 1 AktG. Selbst geschäftsführerisch aktiv werden darf er hingegen nicht, § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG. Eine anreizkompatible variable Vergütung des Aufsichtsrates sollte sich daher danach bemessen, wie gut der Aufsichtsrat den Vorstand überwacht. Spätestens seit der Novellierung des Aktienrechts durch das KonTraG hat die Kontrollaufgabe des Aufsichtsrates eine zukunftsorientiert-strategische Ausrichtung.676 Daher erscheint es zweifelhaft, ob die Höhe des buchhalterischen Unternehmenserfolgs eines einzelnen Jahres ein geeignetes Maß für die Qualität der Arbeit des Aufsichtsrates darstellt.677 Schließlich kann die Aufgabe des Aufsichtsrates gerade darin bestehen, eine bilanzpolitische Erhöhung des Jahresüberschusses zu vermeiden. Eine geeignete Bemessungsgrundlage für die anreizkompatible Vergütung des Aufsichtsrates wäre somit die Abweichung des im Abschluss ausgewiesenen Ergebnisses vom objektiv richtigen Ergebnis; dieser Wert ist jedoch naturgemäß nicht zu ergründen, da es als Folge von Wahlrechten und Ermessensspielräumen kein objektives Ergebnis geben kann.678 Über diese von vornherein fehlende Anreizkompatibilität hinaus679 lässt die in der vorliegenden Arbeit dargelegte empirische Evidenz für die Hypothesen 4a und 4b darauf schließen, dass eine ergebnisabhängige Aufsichtsratsvergütung sogar Anreize für eine Einschränkung der Qualität der Kontrolle mit sich bringt. 675 676 677 678 679
Vgl. Winter, Möglichkeiten der Gestaltung von Anreizsystemen, 1997, S. 617. Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat, 2006, S. 650; vor dem KonTraG bereits Bea/Scheurer, Die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats, 1994, S. 2150–2152. Vgl. ähnlich Lieder, Der Aufsichtsrat, 2006, S. 889. Vgl. Baetge, Objektivierung des Jahreserfolges, 1970, S. 174 f. Vgl. ähnlich Fallgatter, Variable Vergütung, 2003, S. 707–709; a. A. Lutter, Vergleichende Corporate Governance, 2001, S. 230-232.
221
Eine an buchhalterischen Erfolgsgrößen orientierte kurzfristige Vergütung des Aufsichtsrates ist daher abzulehnen.680 Andere übliche Bemessungsgrundlagen für die kurzfristige variable Vergütung des Aufsichtsrates sind die Höhe der Dividendenausschüttung und der Cashflow des Unternehmens.681 Auch für diese lässt sich über das Kriterium der Anreizkompatibilität streiten, da es nicht die vorrangige Aufgabe des Aufsichtsrates ist, für kurzfristig hohe Gewinnausschüttungen682 oder Einzahlungsüberschüsse zu sorgen – womöglich unter Vernachlässigung langfristiger unternehmerischer Potenziale. Von dieser generellen Kritik an kurzfristigen Anreizen für den Aufsichtsrat abgesehen zeichnen sich die Höhe der Dividende und die des Cashflows gegenüber buchhalterischen Erfolgsgrößen dadurch aus, dass sie weniger anfällig für Manipulationen sind. Werden sie als Bemessungsgrundlage für die Aufsichtsratsvergütung verwendet, besteht also wenig Möglichkeit, durch opportunistisches Handeln auf die Höhe der Vergütung Einfluss zu nehmen. In dieser Hinsicht sind die Dividende und der Cashflow den buchhalterischen Erfolgsgrößen als Bemessungsgrundlage überlegen. Darüber hinaus ist die Höhe der Dividende kein entscheidender Parameter für die Vergütung des Vorstands.683 Bedenkt man, dass der Aufsichtsrat vor allem dann dem Anreiz zu einer opportunistischen Einschränkung seiner Kontrolltätigkeit ausgesetzt ist, wenn seine Interessen mit denen des Vorstands konvergieren,684 ist es von Vorteil, wenn der Vergütung beider Organe voneinander unabhängige Bemessungsgrundlagen zugeordnet werden.685 Soll dem Aufsichtsrat entgegen den oben dargelegten Einwänden eine kurzfristige variable Vergütung gezahlt werden, eignet sich die Höhe der Dividende als Bemessungsgrundlage also zumindest insofern, als sie keinen unmittelbaren Anreiz zu opportunistischem Verhalten ausübt.
680
681 682 683 684 685
222
Eine variable langfristige Aufsichtsratsvergütung lässt sich ggf. sinnvoll aus mehrjährigen Durchschnittswerten buchhalterischer Größen errechnen. Die Gestaltung der langfristigen Aufsichtsratsvergütung ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Siehe oben Kapitel 2.2.4. Dies ist ihm ohnehin nicht möglich. Schließlich wird die Höhe der Dividende vom Vorstand vorgeschlagen und von der Hauptversammlung beschlossen, § 119 AktG. Vgl. Ernst/Rapp/Wolff, Vergütung von Vorstandsorganen, 2009, S. 55. Siehe oben Kapitel 3.2.1.2. Vgl. ähnlich Bender/Vater, Kernprobleme der Unternehmensüberwachung, 2003, S. 1811.
5.2.3 Unabhängigkeit des Abschlussprüfers Auf der Grundlage der ökonomischen Theorie lässt sich argumentieren, dass die gleichzeitige Erbringung von Beratungs- und Prüfungsleistungen durch einen Abschlussprüfer zu einer Einschränkung der Unabhängigkeit desselben führen kann und daher nachteilig ist. Zunächst besteht die Gefahr, dass der Abschlussprüfer solche Sachverhalte prüfen muss, die er im Rahmen seiner Beratung selbst gestaltet hat (self review threat).686 Ferner ist zu befürchten, dass der Abschlussprüfer durch die Beratung ein Vertrauensverhältnis zum Mandanten aufbaut und darunter seine Urteilsfreiheit leidet (familiarity threat und advocacy threat).687 Schließlich besteht die Möglichkeit, dass in einem von Wettbewerb geprägten Markt für Prüfungsleistungen der Abschlussprüfer in eine finanzielle Abhängigkeit vom Mandanten gerät, wenn er Beratungshonorare als side payments des Vorstands für eine nichtobjektive Berichterstattung annimmt oder die Renten aus Nichtprüfungsleistungen zur Quersubventionierung des Prüfungsmandates vorsieht.688 Die vorliegenden empirischen Ergebnisse bestätigen diese Theorie; sie liefern nämlich Evidenz dafür, dass hohe Nichtprüfungshonorare des Abschlussprüfers einen positiven Einfluss auf den Zusammenhang zwischen der Bilanzpolitik des Vorstands und dessen erfolgsabhängiger Vergütung haben. Es wäre voreilig, daraus eine generelle Ablehnung der Erbringung von Beratungsleistungen durch den Abschlussprüfer abzuleiten. Da im Untersuchungssample nur für einen sehr geringen Anteil der Beobachtungen (5,9 %) die Konstellation vorliegt, dass der Abschlussprüfer keinerlei Nichtprüfungshonorare erhält, lässt die Untersuchung lediglich einen Vergleich zwischen hohen und weniger hohen Honoraren zu. Es ist nicht zulässig, die Ergebnisse der Untersuchung, speziell den geringeren Einfluss von Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung bei geringen Nichtprüfungshonoraren, auf den Fall einer völligen Abwesenheit von Nichtprüfungshonoraren zu extrapolieren. Zu beachten sind nämlich auch die Vorteile, die aus der gleichzeitigen Beratung und Prüfung erwachsen können. Schließlich ist es möglich, dass der Abschlussprüfer die unternehmensspezifischen Kenntnisse, die er im Rahmen seiner Beratungstätigkeit gewinnt, in seine Prüfungstätigkeit einbringt (knowledge spillover) und somit die Qualität der Abschlussprüfung steigt.689 Ein völliges Verbot von Nichtprüfungsleistungen durch den Abschlussprüfer kann also nicht empfohlen werden. Gleichwohl lässt sich mangelnde Objektivität 686 687 688 689
Siehe oben Kapitel 2.3.2. Siehe oben Kapitel 3.2.3. Siehe oben Kapitel 3.2.1.2 und 3.2.2. Vgl. Lassila et al., Auditor independence, 2010, S. 1.
223
nicht gänzlich durch die Aussicht auf eine effizientere Prüfung durch knowledge spillover aufwiegen.690 Deshalb ist zu überlegen, mit welchen alternativen Maßnahmen einer Einschränkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers entgegengewirkt werden kann. Zu diesem Zweck ist zunächst zu ergründen, welcher der oben genannten threats maßgeblich ist für das Zustandekommen der empirischen Ergebnisse. Der familiarity threat und der advocacy threat entstehen aus dem persönlichen Verhältnis zwischen den Mitarbeitern des Abschlussprüfers und des Mandanten. Es handelt sich dabei um ein psychologisches Phänomen, dessen Wirkung den betroffenen Personen nicht bewusst ist. Daher ist nicht anzunehmen, dass entstandenes Vertrauen innerhalb der Prüfungsgesellschaft, etwa durch Dienstanweisungen, von einem Mitarbeiter auf den anderen übertragen wird. Im Falle großer Aktiengesellschaften werden die Abschlussprüfung und die darüber hinausgehenden Beratungsleistungen nämlich in aller Regel von verschiedenen Personen durchgeführt, die überdies in unterschiedlichen Abteilungen der Prüfungsgesellschaft tätig sind. Daraus folgt, dass die Beratung keinen unmittelbaren Einfluss hat auf das Vertrauensverhältnis zwischen den mit der Prüfung befassten Personen und den Mitarbeitern des zu prüfenden Unternehmens. Die gleichzeitige Erbringung von Beratungs- und Prüfungsleistungen durch eine Prüfungsgesellschaft dürfte also nicht wesentlich zu einem familiarity threat oder einem advocacy threat beitragen. Folglich ist nicht anzunehmen, dass die empirschen Ergebnisse damit in einem Zusammenhang stehen. Die bestehenden rechtlichen Vorschriften sehen bereits eine sachliche Einschränkung der Dienstleistungen vor, die ein Abschlussprüfer erbringen darf.691 Die Möglichkeit, dass ein Abschlussprüfer die Resultate seiner eigenen Beratungstätigkeit prüft und somit ein self review threat vorliegt, ist daher schon jetzt eingeschränkt. Im internationalen Vergleich sind die entsprechenden Regelungen indes großzügig. So sehen die §§ 319, 319a HGB im Gegensatz zum US-amerikanischen SOA keinen Ausschluss eines Abschlussprüfers vor, der ein Unternehmen in Personalfragen beraten hat und daher ggf. für die personelle Besetzung des Vorstandes mitverantwortlich ist.692 Dieses Argument lässt sich zudem auf den self interest threat ausdehnen, da die auf Anraten des Abschlussprüfers als Vorstandsmitglieder eingesetzten Personen auch für die Vergabe von Beratungsaufträgen zuständig 690 691 692
224
Vgl. Quick, Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 635. Siehe ausführlich oben Kapitel 2.3.2. Vgl. dazu Schmidt, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2003, S. 782 f.
sind.693 Diese tolerante Haltung des Gesetzes lässt sich nur schwerlich durch die Hoffnung auf Effizienzzuwachs wegen knowledge spillover rechtfertigen, da der Abschlussprüfer im Rahmen dieser speziellen Form der Beratung wohl wenig prüfungsrelevante Kenntnisse erlangen dürfte. Aus diesem Grund ist die Beratung des Mandanten in Personalfragen durch den Abschlussprüfer abzulehnen. Zumindest aber ist zu fordern, dass sie im Rahmen der Corporate-GovernanceBerichterstattung nach Punkt 7.2.1 DCGK explizit ausgewiesen und erläutert wird. Bislang sieht der Kodex nämlich nicht vor, dass eine Unabhängigkeitserklärung des Abschlussprüfers oder eine Informationsvereinbarung, aus der potenziell die Unabhängigkeit des Prüfers gefährdende Umstände ersichtlich sind, von der Aktiengesellschaft veröffentlicht wird.694 Das Handelsrecht sieht zudem eine quantitative Beschränkung der Honorare vor, die ein Abschlussprüfer aus einem Mandat beziehen darf. Die Einnahmen aus einem einzelnen Mandat dürfen nämlich 15 % des Gesamtumsatzes der Prüfungsgesellschaft nicht sechs Jahre in Folge überschreiten, § 319a Abs. 1 Nr. 1 HGB. Diese Vorschrift richtet sich an den self interest threat, der entsteht, wenn ein Abschlussprüfer finanziell von einem Mandanten abhängt. Sie unterscheidet aber nicht zwischen Prüfungs- und Nichtprüfungshonoraren; die Erbringung von Beratungsleistungen ist damit in den Grenzen dieser Regelung unbeschränkt. Der Schwellenwert von 15 % des Gesamtumsatzes ist dabei derart hoch bemessen, dass er vor allem für die Big-4-Prüfungsgesellschaften keine ernstzunehmende Einschränkung darstellt.695 Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass der Gesetzgeber den Grenzwert absichtlich so moderat gewählt hat, dass er von großen Prüfungsgesellschaften ohne weiteres einzuhalten ist.696 Dies erleichtert es zwar kleineren Prüfungsgesellschaften, Mandate zur Prüfung größerer Unternehmen zu erhalten; insgesamt verfehlt die Vorschrift damit jedoch den Zweck, einen self interest threat des Prüfers zu vermeiden. Daher ist zu erwägen, die Umsatz-
693 694 695
696
Aufsichtsratsmitglieder hegen daher Vorbehalte gegen Personalberatung durch einen Abschlussprüfer. Vgl. Meuwissen/Quick, Abschlussprüfung und Beratung, 2009, S. 406. Vgl. Kremer, Kodex-Kommentar, 2010, Rn. 1355. Die Deloitte & Touche GmbH, die kleinste der Big-4-Gesellschaften, erzielte in den Jahren 2005–2007 Umsatzerlöse zwischen 488 Mio. C und 579 Mio. C; ihr größtes Mandat hätte somit ein Honorarvolumen zwischen 73,2 Mio. C und 86,9 Mio. C aufweisen dürfen. Tatsächlich beträgt das von Deloitte erzielte Maximum an Honorarzahlungen aus einem einzelnen Mandat im Untersuchungssample 19,3 Mio. C. Vgl. die Gesetzesbegründung § 319a HGB, Bundestags-Drucksache 15/3419, S. 41.
225
grenze zu senken.697 Eine generelle Absenkung des Grenzwertes birgt allerdings die Gefahr, dass die Konzentration am Markt für Abschlussprüfungen steigt und somit eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten von großen Prüfungsgesellschaften eintritt.698 Einen Ausweg böte eine freiwillige Selbstverpflichtung großer Prüfungsgesellschaften zur Einhaltung eines geringeren als des gesetzlich vorgeschriebenen Schwellenwertes. Solch eine Maßnahme könnte von den Prüfungsgesellschaften gleichzeitig dazu genutzt werden, die Qualität ihrer Dienstleistung zu signalisieren699 und die öffentliche Wahrnehmung der Unabhängigkeit des Berufsstandes zu verbessern. Neben der tatsächlichen Unabhängigkeit ist nämlich auch die wahrgenommene Unabhängigkeit eine wichtige Voraussetzung für die Testatsfunktion der Abschlussprüfung.700 Das deutsche Recht kennt bisher lediglich eine sachliche Begrenzung der Nichtprüfungsleistungen; eine quantitative Beschränkung besteht nur in der oben erörterten Umsatzgrenze, die indes unabhängig von der Art des Honorars gilt. Zwar kann eine finanzielle Abhängigkeit des Prüfers vom Mandanten grundsätzlich aus jedweder Art von Honoraren erwachsen. Vor allem aber die gleichzeitige Erbringung von Beratungs- und Prüfungsleistungen versetzt den Abschlussprüfer in die Situation, für den Prüfungsauftrag low balling zu betreiben und dies mit den Quasirenten des Beratungsauftrages zu kompensieren.701 Dies kann zu einem self interest threat führen. Die empirischen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit bestätigen dies: die Beobachtungen mit W Pi,t = 1, für die ein hoher Zusammenhang zwischen Vorstandsvergütung und Bilanzpolitik festgestellt wurde, weisen eine durchschnittliche relative Höhe der Nichtprüfungshonorare von 52,0 % auf. Demgegenüber beträgt dieser Wert nur 23,9 % für den Teil der Beobachtungen, für den ein signifikant geringerer Zusammenhang zwischen Vergütung und Bilanzpolitik gezeigt werden konnte. Vor dem Hintergrund dieser Evidenz scheint daher eine relative Begrenzung der Honorare aus Nichtprüfungsleistungen geeignet, um dem self interest threat entgegenzuwirken.702 Auf dieser Idee basiert wohl auch eine 697 698 699 700
701 702
226
Vgl. Bormann, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2002, S. 194; Herkendell, Regulierung der Abschlussprüfung, 2007, S. 166. Vgl. Orth, Abschlussprüfung und Corporate Governance, 2000, S. 173. Vgl. etwa Doll, Signalisierung von Prüfungsqualität, 2000, S. 177. Vgl. zur Rolle der Wahrnehmung des Unabhängigkeit durch Kapitalmarktteilnehmer ausführlich Quick/Warming-Rasmussen, Auditor independence and the provision of non-audit services, 2009, S. 141–162. Siehe oben Kapitel 3.2.2. Vgl. kritisch Bigus/Zimmermann, Honorare für Abschlussprüfungen in Deutschland, 2009, S. 1300, die die bisherigen Regelungen des HGB für ausreichend halten.
Regelung des SOA, wonach sämtliche Nichtprüfungshonorare, die über 5 % der Gesamthonorare hinausgehen, durch das audit committee der Gesellschaft genehmigt werden müssen, Sec. 202 (1) (B) (i) SOA. Zwar sieht der DCGK in Punkt 7.2.1 vor, dass der Aufsichtsrat bzw. dessen Prüfungsausschuss die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers kontrolliert und sich zu diesem Zweck auch ein Bild vom Umfang der Nichtprüfungsleistungen macht. Ferner kann der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 AktG bestimmte Arten von Geschäften, also auch die Mandatierung eines Beraters, von seiner Zustimmung abhängig machen, wozu ihn auch der DCGK in Punkt 3.3 auffordert.703 Ein Aufsichtsrat kann daher schon bei der gegebenen Rechtslage selbstbestimmt einen Zustimmungsvorbehalt im Sinne der Regelung des SOA etablieren; er kann es indes ebenso gut unterlassen. Vor dem Hintergrund der großen Relevanz der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers für die Funktionen der Abschlussprüfung ist aber nicht einzusehen, warum dem Aufsichtsrat gleichsam die Option zur lückenhaften Ausübung seiner Kontrollaufgabe eingeräumt werden sollte. Es scheint deshalb ratsam, die Mandatierung des Abschlussprüfers für Beratungsleistungen wie in den USA ab einem festzulegenden Honorarvolumen verpflichtend unter den Vorbehalt des Aufsichtsrates zu stellen.
703
Vgl. Lutter, Kodex-Kommentar, 2010, Rn. 372 f.
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6 Thesenförmige Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit sollte empirisch überprüft werden, ob Aufsichtsrat und Abschlussprüfer deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften mit opportunistischem Verhalten, genauer: mit der Duldung opportunistischer Bilanzpolitik, auf Vergütungsanreize reagieren. Im Einzelnen sollte analysiert werden, ob 1. in den Konzernabschlüssen deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften ein erhöhtes Maß an Bilanzpolitik festzustellen ist, wenn der Aufsichtsrat eine auf der Grundlage buchhalterischer Erfolgsmaße berechnete kurzfristige Vergütung erhält oder der Abschlussprüfer von der Gesellschaft neben seinem Prüfungshonorare hohe weitere Honorare für andere Dienstleistungen vereinnahmt. 2. die Vorstände deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften Bilanzpolitik nutzen, um ihre kurzfristige ergebnisabhängige Vergütung zu steigern. 3. der erhöhende Einfluss der Bilanzpolitik auf die Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung größer ausfällt, wenn der Aufsichtsrat eine auf der Grundlage buchhalterischer Erfolgsmaße berechnete kurzfristige Vergütung erhält. 4. der erhöhende Einfluss der Bilanzpolitik auf die Vorstandsvergütung größer ausfällt, wenn der Abschlussprüfer von der Gesellschaft neben seinem Prüfungshonorare hohe weitere Honorare für andere Dienstleistungen vereinnahmt. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen, dass die Kontrollorgane der Aktiengesellschaft tatsächlich ihre Kontrolltätigkeit einschränken, wenn ihnen der finanzielle Anreiz dazu gesetzt wird. Im Einzelnen haben die Analysen ergeben, dass 1. die Konzernabschlüsse deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften durch signifikant mehr ergebnismindernde Bilanzpolitik beeinflusst sind, wenn die mit der Bilanzsumme des Unternehmens skalierten Nichtprüfungshonorare des Abschlussprüfers im oberen Quartil des Samples liegen. Ein Einfluss
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der Honorarzahlungen auf ergebniserhöhende Bilanzpolitik kann hingegen nicht festgestellt werden. Ebensowenig lässt sich ein Einfluss der Bemessungsgrundlage der kurzfristigen variablen Aufsichtsratsvergütung auf das Ausmaß der Bilanzpolitik zeigen. 2. kein überdurchschnittlich hoher Einfluss ergebniserhöhender Bilanzpolitik auf die kurzfristige variable Vergütung des Vorstands festzustellen ist und damit kein Anhaltspunkt für die absichtliche, erfolgreiche Beeinflussung der Vergütung durch den Vorstand vorliegt, solange die Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer nicht berücksichtigt wird. 3. die Bilanzpolitik einen überdurchschnittlich hohen Einfluss auf die Vorstandsvergütung nimmt, wenn der Aufsichtsrat über eine kurzfristige variable Vergütung auf der Grundlage eines buchhalterischen Erfolgsmaßes davon profitiert. In diesem Fall ist vor allem der inkrementelle Einfluss ergebniserhöhender Bilanzpolitik gegenüber ergebnismindernder Bilanzpolitik besonders hoch. 4. die Bilanzpolitik die Vorstandsvergütung überdurchschnittlich hoch beeinflusst, wenn die mit der Bilanzsumme des Unternehmens skalierten Nichtprüfungshonorare des Abschlussprüfers im oberen Quartil des Samples liegen. Auch in diesem Fall ist speziell der inkrementelle Einfluss ergebniserhöhender Bilanzpolitik gegenüber ergebnismindernder Bilanzpolitik besonders hoch. Aus diesen Befunden lässt sich ableiten, dass zur Eindämmung opportunistischer Bilanzpolitik Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Leitung und Kontrolle der Aktiengesellschaft empfehlenswert sind. Die Würdigung der empirischen Untersuchungsergebnisse hat die folgenden wesentlichen Handlungsempfehlungen hervorgebracht: 1. Die variable Barvergütung des Vorstandes sollte ausschließlich auf der Grundlage mehrjähriger Erfolgsmaße berechnet werden. In Anlehnungen an die Mindesthaltedauer von Aktienoptionen, die als Vergütung gewährt wurden, bietet es sich an, den Vierjahresdurchschnitt einer geeigneten Erfolgskennzahl der Vergütung zugrunde zu legen. Die jüngste Änderung des § 87 AktG durch das VorstAG sowie die daran angelehnte Überarbeitung des 4.2.3 DCGK verfolgen das Ziel, die Nachhaltigkeit der Vorstandsvergütung zu stärken, und weisen somit in die richtige Richtung. Die bestehenden
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Vorschriften lassen jedoch auch nach den genannten Änderungen noch Vergütungssysteme zu, aus denen ein kurzfristiger Anreiz zu opportunistischer Bilanzpolitik hervorgeht. 2. Es ist fragwürdig, ob eine kurzfristige ergebnisabhängige Vergütung des Aufsichtsrates das Kriterium der Anreizkompatibilität erfüllt. Wenn dem Aufsichtsrat dennoch eine solche Vergütung gewährt wird, sollte dieser ein anderes Erfolgsmaß zugrunde liegen als der Vergütung des Vorstands. Die Höhe der ausgeschütteten Dividende wird bereits jetzt von einem Teil der Aktiengesellschaften als Bemessungsgrundlage für die variable Aufsichtsratsvergütung gewählt. Von ihr geht nicht der Anreiz zur Duldung opportunistischer Bilanzpolitik aus; sie sollte somit den buchhalterischen Bemessungsgrundlagen vorgezogen werden. 3. Zur Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers empfiehlt es sich, die in § 319a Abs. 1 Nr. 1 HGB festgelegte Höchstgrenze für den Umsatzanteil, den ein Abschlussprüfer mit einem einzelnen Mandanten erzielen darf, weiter zu senken. Alternativ kann den großen Prüfungsgesellschaften empfohlen werden, geringere Umsatzanteile im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung einzuhalten. 4. Die Vergabe von Beratungsaufträgen an den Abschlussprüfer mit einem Honorarvolumen oberhalb einer festzulegenden Bagatellgrenze sollte verpflichtend die Zustimmung des Aufsichtsrates erfordern, um die schon jetzt bestehende Verantwortung des Aufsichtsrates für die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu stärken.
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271 T. Tebben, Vergütungsanreize und opportunistische Bilanzpolitik, DOI 10.1007/978-3-8349-6607-0, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Gesetzesmaterialien BT-Drucksache 15/3419 vom 24.06.2004: Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG). BT-Drucksache 16/13433 vom 17.06.2009: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG).
Rechtsprechung BGH, Urteil vom 25.11.2002 – II ZR 49/01, in: DStR 2003, S. 895. BGH, Urteil vom 16.2.2004 – II ZR 316/02, in: NJW 2004, S. 1109.
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